Verfassungsschutzbericht 2017 Vorwort des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer 2017 hat Deutschland in Atem gehalten. Unser Land stand weiter im Fokus des islamistischen Terrorismus. Aber der unermüdliche Einsatz, den unsere Sicherheitsbehörden gegen den Terror aufbringen, war oft erfolgreich. Eine Reihe von Anschlagsplänen konnten so frühzeitig aufgedeckt und Anschlagsvorhaben vereitelt werden. Das zeigt, wie wichtig und wertvoll die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist. 2017 war auch ein Jahr linksund rechtsextremistischer Kriminalität. Da sind zum einen die erschreckenden Bilder aus dem Juli 2017 in Hamburg: Während des G20-Gipfels suchten Linksextremisten schwere Konfrontationen mit Polizeikräften, ereiferten sich in Gewaltexzessen und verübten Brandanschläge. Über 230 Polizistinnen und Polizisten wurden bei diesen inakzeptablen Krawallen verletzt. Zu den Krawallen wurde auch auf der Internetplattform "linksunten.indymedia" aufgerufen. Es war daher richtig und wichtig, dass das Bundesinnenministerium den hinter der Plattform stehenden Verein im August 2017 verboten und aufgelöst hat. Auch die Gewaltbereitschaft unter Rechtsextremisten ist nach wie vor hoch. Zwar sank 2017 die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten, allerdings stieg im gleichen Zeitraum das gewaltorientierte rechtsextremistische Personenpotenzial. Die Gefahr, die von dieser Szene ausgeht, darf nicht unterschätzt werden. Die Verurteilungen im vergangenen Jahr belegen, wie wichtig weiterhin Wachsamkeit und Konsequenz von Nachrichtendiensten, Polizei- 3 und Strafverfolgungsbehörden gegenüber jeder Form von Rechtsextremismus sind. Gleiches gilt für "Reichsbürger" und "Selbstverwalter": Wer die Existenz unseres Staates ablehnt und dessen Vertreter beleidigt, bedroht oder sogar tätlich angreift, muss und wird mit einer konsequenten Reaktion der Sicherheitsbehörden rechnen. Daneben bereiten uns Antisemitismus und Israelfeindlichkeit große Sorge. Die 2017 bekannt gewordenen Vorfälle belegen, welch erhebliche Herausforderung dieses Gedankengut für das friedliche und tolerante Zusammenleben in Deutschland darstellt. Wir werden aber Hass, antisemitische Äußerungen und Übergriffe nicht dulden. Und schließlich hielten uns 2017 Cyberangriffe in Atem. Die Cyberspionageaktivitäten von APT 28 gegen politische Parteien und Stiftungen in Deutschland setzten sich fort. Ende des Jahres erhielt das Bundesamt für Verfassungsschutz den Hinweis, dass die ITInfrastruktur deutscher Bundesbehörden durch die Cyberspionagekampagne Snake kompromittiert sei. Mit der Unterstützung des Bundesamtes konnte der Angriff kontrolliert und abgewehrt werden. Die Wirtschaftsschutzexperten des Amtes führen darüber hinaus einen Dialog mit Unternehmensvertretern, um die Wirtschaft über die vielfältigen Gefahren von Spionage und Cyberangriffen zu informieren. Diesen partnerschaftlichen Zusammenschluss von Staat und Wirtschaft wollen wir weiter stärken. Die Bilanz des abgelaufenenen Jahres zeigt: Unsere wehrhafte Demokratie muss sich auch in Zukunft gegen enorme Herausforderungen wappnen. Im föderalen Verfassungsschutzverbund erfordert dies einen harmonisierten Rechtsrahmen für die Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes mit wirksamen Befugnissen. Denn Bereiche unterschiedlicher Sicherheit und blinde Flecken können wir uns nicht erlauben. 4 Mein und unser aller Ziel ist der Schutz unserer Freiheiten in einer rechtsstaatlichen Demokratie. Hierfür setze ich mich mit aller Kraft ein. Dabei weiß ich ein starkes Bundesamt für Verfassungsschutz an meiner Seite. Horst Seehofer Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat 5 INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz 15 II. Kontrolle des Verfassungsschutzes 17 III. Verfassungsschutz durch Aufklärung 19 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK 22 II. Gesamtüberblick PMK 23 III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen 24 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 24 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten 25 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund 27 1.1.2 Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten 28 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 29 2. Extremistische Straftaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 30 3. Linksextremistisch motivierte Straftaten 32 3.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten 33 3.1.1 Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten 34 3.1.2 Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden 35 3.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 36 4. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" 37 4.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 39 5. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" 40 5.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 42 6 INHALTSVERZEICHNIS Rechtsextremismus I. Überblick 44 1. Entwicklungstendenzen 44 2. Personenpotenzial 48 II. Gewalt und Militanz 52 1. Der Rechtsterrorismus-Begriff im Verfassungsschutz 53 2. Staatliche Maßnahmen 54 3. Sonstige gewaltorientierte Gruppierungen und deren Gefährdungspotenzial 56 4. Mobilisierung und Radikalisierung durch das Internet 58 III. Ansätze für neue Entwicklungen im Rechtsextremismus 60 1. Veränderungen bisheriger Strukturen 60 2. Verstärkte Internationalisierung des Rechtsextremismus 62 3. Mobilisierungsund Bindungskraft von Musikveranstaltungen 63 4. Ansätze für strategische Diskussionen 65 5. Krisenszenarien und Krisenvorsorge 67 6. Rechtsextremistische Aktivitäten in der Kampfsportszene 68 7. Geschichtsrevisionistische Akteure 69 8. Veränderte Funktionen rechtsextremistischer Parteien 71 IV. Rechtsextremistisches Parteienspektrum 72 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 72 2. "DIE RECHTE" 76 3. "Der III. Weg" 78 V. Verdachtsfall "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 80 VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 82 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 82 1.1 "Junge Nationalisten" (JN) 84 1.2 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 85 1.3 "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) 85 1.4 "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) 86 2. "DIE RECHTE" 87 3. "Der III. Weg" 88 7 INHALTSVERZEICHNIS "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" I. Überblick 90 1. Entwicklungstendenzen 91 2. Erscheinungsformen 92 II. Gewalt und Militanz 95 III. Gefährdungspotenzial 97 IV. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 98 1. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 98 Linksextremismus I. Überblick 100 1. Entwicklungstendenzen 100 2. Entwicklung des Personenpotenzials 102 3. Aktionsfelder 103 3.1 "Antiglobalisierung" 104 3.2 "Antirepression" 105 3.3 "Antifaschismus" 106 3.4 "Antigentrifizierung" 107 II. Gewaltorientierter Linksextremismus 109 1. Autonome und Postautonome 110 2. "Massenmilitanz" 113 3. Klandestine Gewalt 114 4. Polizei als Feindbild von Linksextremisten 115 III. Kampagnenfähigkeit der linksextremistischen Szene 119 1. Kampagne gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg 119 2. Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA) insbesondere zum Bundestagswahlkampf 122 3. Kampagne "Ende Gelände" gegen den Braunkohleabbau 125 IV. Linksextremistisches Parteienspektrum 127 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 128 2. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 130 3. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) 131 V. Rolle des Internets und der sozialen Medien 131 1. Linksextremistische Mobilisierung und Vernetzung über das Internet 131 2. Verbot der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia" 133 VI. Gefährdungspotenzial 136 VII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 138 8 INHALTSVERZEICHNIS 1. "Interventionistische Linke" (IL) 138 2. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) 139 3. "Perspektive Kommunismus" (PK) 141 4. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 142 4.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 144 5. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 146 5.1 "REBELL" 147 6. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP), deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI) (Abspaltung der "Vierten Internationale") 148 7. "Rote Hilfe e.V." (RH) 149 8. "GegenStandpunkt" (GSP) 150 9. "Sozialistische Alternative" (SAV), deutsche Sektion des internationalen Dachverbandes "Committee for a Worker's International" (CWI) mit Sitz in London 151 10. "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM), deutsche Sektion der "Liga für die Fünfte Internationale" (L5I) mit Sitz in London 152 10.1 "REVOLUTION" (REVO), Jugendorganisation der "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) 153 11. Offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE 154 11.1 "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) 154 11.2 "Sozialistische Linke" (SL) 155 11.3 "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si" (AG Cuba Si) 156 11.4 "Antikapitalistische Linke" (AKL) 157 11.5 "Marxistisches Forum" (MF) 158 11.6 "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) 159 11.7 "marx21" 160 12. "junge Welt" (jW) 161 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick 164 1. Entwicklungstendenzen 165 2. Organisationen und Personenpotenzial 172 II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland 174 1. Jihad-Schauplatz Syrien/Irak 174 2. Jihad-Schauplatz Afghanistan/Pakistan 175 3. Weitere Jihad-Schauplätze 177 4. Internetpropaganda von IS und "al-Qaida" 178 9 INHALTSVERZEICHNIS 5. Reisebewegungen 183 6. Gefährdungspotenzial 186 III. Salafistische Szene in Deutschland 189 IV. Antisemitismus im Islamismus 194 V. Staatliche Maßnahmen 196 VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 199 1. "Islamischer Staat" (IS) 199 2. Kern-"al-Qaida" 200 3. "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) 201 4. "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) 202 5. "Al-Shabab" 203 6. "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) 204 7. "Hizb Allah" 205 8. HAMAS 207 9. "Türkische Hizbullah" (TH) 208 10. "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 209 11. "Muslimbruderschaft" (MB) 210 11.1 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) 211 12. "Tablighi Jama'at" (TJ) 212 13. Einfluss regierungstreuer Iraner auf in Deutschland lebende Schiiten durch das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH) 213 14. "Milli Görüs"-Bewegung 214 14.1 Der "Milli Görüs"-Bewegung zuzuordnende Vereinigungen 215 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) I. Überblick 218 1. Entwicklungstendenzen 218 2. Organisationen und Personenpotenzial 221 II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 222 1. Reaktionen der PKK in Deutschland auf die politischen Entwicklungen in der Türkei 222 2. Versammlungsgeschehen mit PKK-Bezug in Deutschland 225 3. Rekrutierungsmaßnahmen 228 4. Aktionsverhalten der PKK-Jugendorganisation 230 5. Hierarchische Organisationsstruktur und finanzielle Situation der PKK in Europa 232 6. Medienwesen der PKK 234 7. Internetaktivitäten 235 10 INHALTSVERZEICHNIS 8. Strafverfahren gegen Funktionäre der PKK 235 9. Gefährdungspotenzial 236 III. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 238 IV. "Ülkücü"-Bewegung - Türkischer Rechtsextremismus 243 V. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 249 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 249 1.1 "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad" 251 1.2 "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) 252 1.3 "AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland" (AZADI e.V.) 253 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 254 2.1 "Anatolische Föderation" 255 3. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) 256 3.1 "Partizan"-Flügel 257 3.2 "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) (bis September 2002 "Ostanatolisches Gebietskomitee" - DABK) 257 4. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 258 5. "Ülkücü"-Bewegung 259 5.1 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 260 5.2 Unorganisierte "Ülkücü"-Bewegung 261 6. Gruppierungen des extremistischen Sikh-Spektrums 262 6.1 "Babbar Khalsa International" (BKI) 262 6.2 "Babbar Khalsa Germany" (BKG) 263 6.3 "International Sikh Youth Federation" (ISYF) 264 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick und Entwicklungstendenzen 266 II. Bedrohung durch Cyberangriffe 267 1. Gefährdungsdimension 267 2. Erkannte Angreifer 269 III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation 274 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 275 2. Methodik der Informationsgewinnung 277 3. Gefährdungspotenzial 278 IV. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China 278 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 279 11 INHALTSVERZEICHNIS 2. Methodik der Informationsgewinnung 280 3. Gefährdungspotenzial 281 V. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran 283 VI. Nachrichtendienste sonstiger Staaten 285 VII. Proliferation 291 1. Islamische Republik Pakistan 292 2. Islamische Republik Iran 293 3. Weitere Staaten mit Beschaffungsaktivitäten 293 VIII. Wirtschaftsschutz 295 IX. Festnahmen und Verurteilungen 297 X. Methodische Vorgehensweisen ausländischer Nachrichtendienste 298 XI. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 303 1. Strukturen und Aufgaben russischer Nachrichtendienste 303 2. Strukturen und Aufgaben chinesischer Nachrichtendienste 304 3. Strukturen und Aufgaben iranischer Nachrichtendienste 307 Geheimund Sabotageschutz 309 "Scientology-Organisation" (SO) 315 Anhang Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2017 321 Register 328 Registeranhang 345 Bildnachweis 353 12 Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie Politisch motivierte Kriminalität 13 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie Wehrhafte Eine der wesentlichen Aufgaben des demokratischen Staates ist es, Demokratie Sicherheit und Freiheit für seine Bürger zu garantieren. Demokratie kann sich erst im politischen und gesellschaftlichen Diskurs auf Basis der grundsätzlichen Werte einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfalten. Für eine Demokratie ist es deswegen unverzichtbar, dass sie bereit und in der Lage ist, diese Werte zu verteidigen. Die grundlegenden Normen dieser Werteordnung werden in einer Reihe von Vorschriften des Grundgesetzes (GG) konkretisiert: der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG die Prinzipien der staatlichen Ordnung (Demokratie, Föderalismus, Rechtsund Sozialstaatlichkeit), Art. 20 GG die Unabänderlichkeit dieser zentralen Grundsätze nach Art. 79 Abs. 3 GG Auch werden im GG Schutzinstrumente für den demokratischen Rechtsstaat benannt: Vereinigungen, deren Zweck oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten. Parteien können nach Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden. Hierbei handelt es sich um die "schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde", wie das Bundesverfassungsgericht in den Leitsätzen zum Urteil im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens feststellte. Eine Voraussetzung für die Abwehr von Gefahren, die von Feinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehen, ist eine umfassende Information der staatlichen Organe und der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Entwicklungen. 14 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Zur Sammlung von Informationen und Erkenntnissen über derartige Bestrebungen und sicherheitsgefährdende Tätigkeiten sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) eingerichtet worden; sie bilden einen festen, unverzichtbaren Bestandteil der wehrhaften Demokratie. Stabilität und Sicherheit sind keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen immer wieder neu erarbeitet werden. Der Auftrag des Verfassungsschutzes liegt zudem in einem konstruktiven Ausgleich zwischen dem größtmöglichen Freiheitsanspruch der Bürgerinnen und Bürger und dem Sicherungsbedürfnis der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 2017 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Strukturdaten 3.207 (2016: 2.972) Bedienstete. Der Zuschuss aus dem Bundesgemäß SS 16 Abs. 2 haushalt betrug 306.918.024 Euro (2016: 253.294.733 Euro). Bundesverfassungsschutzgesetz Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst hatte 1.113 (2016: 1.081) Bedienstete und erhielt aus dem Bundeshaushalt einen Zuschuss von 79.096.540 Euro (2016: 76.563.985 Euro). Anfang 2018 waren von Bund und Ländern im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 2.135.800 (Anfang 2017: 1.991.691) personenbezogene Eintragungen enthalten, davon 1.734.321 Eintragungen (81,2 %, Anfang 2017: 76,9 %) aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen oder Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach den Bestimmungen des Luftsicherheitsgesetzes oder des Atomgesetzes. I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz Dem Verfassungsschutz kommt in der deutschen SicherheitsarchiAufgaben tektur die Aufgabe zu, Gefahren durch politischen Extremismus, Terrorismus sowie Bedrohungen durch Spionageaktivitäten weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen zu erkennen und einzuschätzen. Darüber hinaus wirkt der Verfassungsschutz im Bereich des Geheimund Sabotageschutzes mit (z.B. durch Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die in sicherheitsempfindlichen 15 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Bereichen tätig sind). Sein wesentliches Betätigungsfeld - niedergelegt in SS 3 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) - besteht in der Sammlung und Auswertung von Informationen über: Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in Deutschland für eine fremde Macht Bestrebungen im Geltungsbereich des BVerfSchG, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden Bestrebungen in Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind Im Sinne eines effektiven "Frühwarnsystems" erstellt der Verfassungsschutz Lagebilder und Analysen, die es der Bundesregierung und den Landesregierungen ermöglichen, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit einzuleiten. Einzelne Erkenntnisse übermittelt der Verfassungsschutz, dem selbst keinerlei polizeiliche Befugnisse zustehen, an Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften, um exekutive Maßnahmen zu unterstützen oder einzuleiten. Nationale Die Verfassungsschutzbehörden arbeiten mit anderen deutschen Zusammenarbeit Sicherheitsbehörden in Kompetenzzentren zusammen. Diese gewährleisten die Bündelung von Fachwissen ebenso wie den schnellen Austausch von Informationen und Analysen. Bei den Informationsund Kommunikationsplattformen - so das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ, seit Ende 2004) und das Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus, des Linksextremismus/-terrorismus, des Ausländerextremismus/-terrorismus und der Spionage einschließlich proliferationsrelevanter 16 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Aspekte (GETZ, seit Ende 2012) - handelt es sich nicht um eigenständige Behörden. Einen wesentlichen Erkenntnisgewinn erzielt der VerfassungsInternationale schutz des Weiteren durch die Zusammenarbeit mit ausländischen Zusammenarbeit Nachrichtendiensten und in internationalen Gremien. Diese Kooperation ist insbesondere vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberattacken von überragender Bedeutung. Sie muss weiter ausgebaut werden; im Informationsaustausch und bei der gemeinsamen Analyse muss sie außerdem die Potenziale zeitgemäßer IT nutzen. Einen erheblichen Teil ihrer Informationen gewinnen die VerInformationsfassungsschutzbehörden aus allgemein zugänglichen Quellen. gewinnung Fremde Nachrichtendienste, Extremisten und Terroristen arbeiten jedoch konspirativ und legen ihre Ziele nicht offen dar. Entsprechend ist der Verfassungsschutz befugt, im Rahmen gesetzlich festgelegter Grenzen und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsbeschaffung einzusetzen, wie zum Beispiel Observationen und Telekommunikationsüberwachungen. II. Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Tätigkeit des BfV wird vielfältig kontrolliert. Hierzu gehört die Bundesregierung Fachaufsicht durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Die Bundesregierung unterliegt - auch in Bezug auf die Arbeit des Parlamentarisches Verfassungsschutzes - der Kontrolle durch den Deutschen BunKontrollgremium destag. Zur Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle ist beim Deutschen Bundestag ein Kontrollgremium eingerichtet, das von der Bundesregierung regelmäßig und umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichtet wird. Auf Verlangen ist das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) auch über sonstige Vorgänge zu unterrichten. Im Berichtsjahr führte das PKGr, das ansonsten geheim tagt, erstmals eine öffentliche Anhörung der Präsidenten des BAMAD, des 17 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE BfV und des Bundesnachrichtendienstes (BND) durch, die nach dem neu eingeführten SS 10 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) jährlich stattfindet. Bei der Anhörung wurden insbesondere Fragen zur Umsetzung organisatorischer und befugnisrechtlicher Reformen und zur Aufklärung von Extremismus und Terrorismus von den Präsidenten beantwortet. Durch die Berichterstattung zahlreicher Medienvertreter und den Livestream des Deutschen Bundestages konnte sich eine breite Öffentlichkeit über die Anhörung informieren. "Ständiger Zur Optimierung der parlamentarischen Kontrolle unterstützt ein Bevollmächtigter "Ständiger Bevollmächtigter des Parlamentarischen Kontrollgredes PKGr" miums" das Kontrollgremium bei seiner Arbeit einschließlich der Koordinierung mit der G 10-Kommission und dem Vertrauensgremium. G 10-Kommission Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Art. 10 GG werden durch die vom PKGr bestellte unabhängige G 10-Kommission auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit überprüft. Zudem legt das PKGr regelmäßig einen Bericht über Art und Umfang dieser Beschränkungen vor, der auch öffentlich zugänglich ist (zuletzt: Deutscher Bundestag, Drucksache 19/163). Bundesbeauftragte Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informafür den Datenschutz tionsfreiheit (BfDI) unterzieht das BfV einer kontinuierlichen und die InformationsÜberprüfung. Grundlage dafür sind die datenschutzrechtlichen freiheit (BfDI) Bestimmungen im BVerfSchG und in den spezialgesetzlichen Regelungen, die den Aufgabenbereich des BfV berühren (z.B. das Ausländerzentralregister). Das BfV ist nach SS 15 Abs. 1 BVerfSchG gesetzlich verpflichtet, Betroffenen auf Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, soweit auf einen konkreten Sachverhalt hingewiesen und ein besonderes Interesse an der Auskunft dargelegt wird. Die Auskunft unterbleibt nur dann, wenn einer der in SS 15 Abs. 2 BVerfSchG bezeichneten Verweigerungsgründe vorliegt. 18 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Maßnahmen des BfV, die nach Darstellung der Betroffenen diese Gerichte in ihren Rechten beeinträchtigen, unterliegen der gerichtlichen Nachprüfung. III. Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Aufgabe, unsere Verfassung durch Aufklärung zu schützen, wird auf Bundesebene gemeinsam durch BMI und BfV wahrgenommen. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann nur dauerhaft bewahrt werden, wenn sich die Gesellschaft inhaltlich mit den verschiedenen Ausprägungen des Extremismus auseinandersetzt. Eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes stellt daher die fundierte Aufklärung und Informationsvermittlung über Art und Umfang extremistischer Bedrohung dar. Die hierüber gewonnenen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sind ausdrücklich nicht exklusiv. Erst eine informierte Öffentlichkeit kann eine sicherheitspolitische Debatte sachgerecht führen. Der jährliche Verfassungsschutzbericht dient dieser Aufklärung Verfassungsund beruht auf den Erkenntnissen, die das BfV im Rahmen seines schutzbericht gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat. Er stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen und deren Bewertung. Informationen zu ideologischen Hintergründen, Strukturdaten, Aktivitäten und Publikationen der wichtigsten Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes befinden sich in entsprechenden Einzelübersichten im Anschluss an die jeweiligen Berichtsteile. Die Zahlenangaben zum Mitgliederpotenzial der im Bericht Personengenannten Personenzusammenschlüsse beziehen sich auf die potenzial Bundesrepublik Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. Es ist darauf hinzuweisen, dass den Verfassungsschutzbehörden nicht zu allen Mitgliedern dieser Personenzusammenschlüsse individuelle Erkenntnisse vorliegen. 19 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Internet Das BfV informiert im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit mit einem umfangreichen Internetangebot sowie weiteren Publikationen über aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Arbeitsfeldern. Karriere im BfV Die vielfältigen Arbeitsund Karrierechancen im BfV werden auf der Karriereseite im Internet und auch bei öffentlichen Informationsveranstaltungen vorgestellt. Im Inlandsnachrichtendienst finden sich vielseitige Arbeitsfelder mit gesellschaftlichem Mehrwert für qualifiziertes Fachpersonal sowie Ausbildungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler. Newsletter Die Abonnentenzahl des vierteljährlich erscheinenden Newsletters entwickelt sich weiterhin positiv. Neben Beiträgen zu wichtigen Ereignissen in den einzelnen Bereichen des Extremismus enthält er phänomenübergreifende Artikel sowie Interviews der Amtsleitung und Hinweise auf neue BfV-Publikationen. Eine Anmeldung ist für jeden auf der BfV-Website (www.verfassungsschutz.de) möglich. Ansprechpartner In allen Fragen zum Verfassungsschutz steht das Bundesamt für Verfassungsschutz Merianstr. 100 50765 Köln Telefon: 0221/792-0 oder 030/18-792-0 Telefax: 0221/792-2915 oder 030/18-10-792-2915 E-Mail: poststelle@bfv.bund.de als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Kontaktaufnahme zum Verfassungsschutz ist jederzeit möglich: Für Hinweise auf Planungen und Tatvorbereitungen im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus hat das BfV ein vertrauliches Hinweistelefon eingerichtet: Telefon: 0221/792-3366 oder 030/18-792-0 E-Mail: HiT@bfv.bund.de 20 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Für Ausstiegswillige aus dem Rechtsextremismus existiert ein Aussteigerprogramm, in dem Experten des Verfassungsschutzes Ausstiegswillige beraten und betreuen: Telefon: 0221/792-62 oder 030/18-792-0 E-Mail: aussteiger@bfv.bund.de Ebenso gibt es für Linksextremisten ein spezielles Aussteigerprogramm, das Hilfesuchenden eine Vielzahl an unterstützenden Maßnahmen anbietet: Telefon: 0221/792-6600 oder 030/18-792-0 E-Mail: aussteiger@bfv.bund.de 21 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK Als "Politisch motivierte Kriminalität" werden alle Straftaten bezeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Als solche klassischen Staatsschutzdelikte gelten die folgenden Straftatbestände: SSSS 80 bis 83, 84 bis 91, 94 bis 100a, 102 bis 104a, 105 bis 108e, 109 bis 109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB). Auch Straftaten, die in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie z.B. Tötungsund Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), fallen unter "Politisch motivierte Kriminalität", wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind, weil sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung beziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten (sogenannte 22 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Hasskriminalität); dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen zu den politisch motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Seit Jahresbeginn 2017 hat das BKA seine Kategorisierung von Straftaten neu geordnet: Der bisherige Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" wurde in die Phänomenbereiche "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" und "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" ausdifferenziert. Deswegen ist die direkte Vergleichbarkeit der Fallzahlen 2017 mit denen der Vorjahre nicht mehr gegeben. Zudem wurden im Jahr 2017 erstmals Delikte ausgewiesen, die "Reichsbürgern" oder "Selbstverwaltern" zugerechnet wurden. II. Gesamtüberblick PMK Das BKA registrierte für das Jahr 2017 insgesamt 39.505 (2016: 41.549) politisch motivierte Straftaten. Davon sind 13.406 (33,9 %) Propagandadelikte (2016: 13.923 Delikte = 33,5 %). 3.754 Straftaten (9,5 %) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuordnen (2016: 4.311 = 10,4 %). Nach Phänomenbereichen unterschieden wurden 20.520 (2016: Politisch motivierte 23.555) Straftaten dem Bereich "Politisch motivierte KriminaliStraftaten nach tät - rechts", 9.752 (2016: 9.389) dem Bereich "Politisch motivierte Phänomenbereichen Kriminalität - links", 1.102 Straftaten dem Bereich "religiöse Ideologie" und 1.617 dem Bereich "ausländische Ideologie" zugeordnet. Bei 6.514 (2016: 5.233) Straftaten konnte keine Zuordnung zu einem der oben genannten Phänomenbereiche getroffen werden. Insgesamt wurden 29.855 Straftaten (75,6 %) mit extremistischem Extremistisch Hintergrund ausgewiesen (2016: 30.958 = 74,5 %). Bei diesen Strafmotivierte Straftaten taten gab es Anhaltspunkte dafür, dass sie darauf abzielten, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind. Von den 29.855 Straftaten konnten 19.467 (2016: 23 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 22.471) dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts", 6.393 (2016: 5.230) dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links", 907 dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideolgie" und 1.187 dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" zugeordnet werden. 1901 (2016: 691) Straftaten mit einem extremistischen Hintergrund wurden ohne Zuordnung zu einem bestimmten Phänomenbereich gemeldet. III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen Extremistisch motivierte Straftaten bilden eine Teilmenge des Phänomenbereichs "Politisch motivierte Kriminalität". Es handelt sich um diejenigen Straftaten, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind. 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten Rückgang rechtsDem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" extremistischer Strafwurden 20.520 (2016: 23.555) Straftaten zugeordnet, hiervon 12.032 und Gewalttaten (2016: 12.512) Propagandadelikte nach SSSS 86, 86a StGB und 1.130 (2016: 1.698) Gewalttaten. Als Teilmenge dieses Phänomenbereichs wurden 19.467 (2016: 22.471) Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund erfasst, darunter 1.054 (2016: 1.600) Gewalttaten. Dies entspricht einem Rückgang der rechtsextremistischen Gewalttaten um 34,1 %. Die Zahl der versuchten Tötungsdelikte sank von 18 auf 4. 24 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund 1 Gewalttaten: 2016 2017 Tötungsdelikte 1 0 Versuchte Tötungsdelikte 18 4 Körperverletzungen 1.313 904 Brandstiftungen 113 42 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 10 5 Landfriedensbruch 23 10 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 13 13 Freiheitsberaubung 2 2 Raub 16 3 Erpressung 16 21 Widerstandsdelikte 74 50 Sexualdelikte 1 0 gesamt 1.600 1.054 Sachbeschädigungen 1.501 1.317 Nötigung/Bedrohung 451 336 Propagandadelikte 12.476 11.894 Störung der Totenruhe 11 5 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung 6.432 4.861 gesamt 20.871 18.413 Straftaten insgesamt 22.471 19.467 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten1 Mit 774 Delikten (2016: 1.190) ging die Zahl rechtsextremistischer fremdenfeindlicher Gewalttaten um 35 % zurück. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund stieg im Jahr 2017 leicht auf insgesamt 1.385 Taten (2016: 1.363); bei den Gewalttaten war ein Rückgang auf 28 (2016: 31) zu verzeichnen. 1 Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Die Übersicht enthält - mit Ausnahme der Tötungsdelikte - vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur ein Mal gezählt. Sind z.B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 25 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * Gesamt Fremdenfeindliche Gewalttaten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Gewalttaten gegen sonstige politische Gegner Antisemitische Gewalttaten 1.600 1.600 1.400 1.200 1.190 1.054 1.000 800 774 600 400 250 200 98 34 31 24 28 0 01.01.-31.12.2016 01.01.-31.12.2017 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Es sind nur die wichtigsten Zielrichtungen berücksichtigt. Da die erfassten Sachverhalte im Rahmen einer mehrdimensionalen Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet werden, können Gewalttaten unter mehreren Zielrichtungen subsumiert sein. 26 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund Zum ersten Mal seit Jahren ist die Anzahl der Körperverletzungen unter den rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund rückläufig. Die 4 versuchten Tötungsdelikte wurden alle aus einer fremdenfeindlichen Motivation heraus begangen. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte nahmen im Jahr 2017 sehr deutlich ab (2017: 286, 2016: 907, 2015: 894, 2014: 170), liegen aber nach einem dramatischen Anstieg in den beiden vorherigen Berichtsjahren immer noch über den Zahlen aus dem Jahr 2014. Ebenso deutlich sank der Anteil von Gewalttaten gegen Asylbewerberunterkünfte (2017: 42, 2016: 153); die Anzahl der Brandanschläge ging noch deutlicher auf 16 Delikte zurück (2016: 65), was aber immer noch dreimal so viele sind wie 2014 (5).2 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund 2 Gewalttaten: 2016 2017 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 12 4 Körperverletzungen 1.020 720 Brandstiftungen 92 23 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 7 4 Landfriedensbruch 11 2 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 8 10 Freiheitsberaubung 2 1 Raub 13 3 Erpressung 5 0 Widerstandsdelikte 19 7 Sexualdelikte 1 0 Fremdenfeindliche Gewalttaten insgesamt 1.190 774 2 Siehe Fußnote 1. 27 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 1.1.2 Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten ging ebenfalls deutlich zurück. Körperverletzungsdelikte sind weiterhin die am häufigsten verübten Gewalttaten.3 Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten 3 Gewalttaten: 2016 2017 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 1 0 Körperverletzungen 217 80 Brandstiftungen 10 8 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 0 Landfriedensbruch 13 6 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 0 2 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 2 0 Erpressung 1 0 Widerstandsdelikte 4 2 gesamt 250 98 3 Siehe Fußnote 1. 28 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ereigneten sich mit 206 registrierten Delikten in Nordrhein-Westfalen. Danach folgen Brandenburg (121), SachsenAnhalt (101) und Berlin (100). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * in den Ländern 01.01.-31.12.2017 01.01.-31.12.2016 206 Nordrhein-Westfalen 381 121 Brandenburg 165 101 Sachsen-Anhalt 129 100 Berlin 150 95 Sachsen 145 Mecklenburg84 Vorpommern 79 71 Thüringen 106 68 Bayern 113 47 Schleswig-Holstein 66 42 Niedersachsen 101 39 Baden-Württemberg 44 30 Rheinland-Pfalz 50 16 Hessen 23 15 Hamburg 28 15 Saarland 8 4 Bremen 12 0 40 80 120 160 200 240 280 320 360 400 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 29 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 2. Extremistische Straftaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" wurden im Berichtsjahr 911 politisch motivierte Straftaten zugerechnet, von denen 783 als extremistisch eingeordnet wurden. Unter diesen extremistischen Straftaten waren insgesamt 130 Gewalttaten, vor allem Erpressungsdelikte (90) und Widerstandsdelikte (30). Bei den weiteren Straftatbeständen dominieren insbesondere Nötigung und Bedrohung (233). Außerdem wurden "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 36 antisemitische Straftaten zugeordnet, bei denen es sich im Wesentlichen um Volksverhetzungsdelikte handelte (24). Antisemitische Gewalttaten wurden nicht festgestellt. Die - in absoluten Zahlen - meisten extremistischen Straftaten begingen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" in Bayern (345, davon 64 Gewalttaten und 118 Fälle von Nötigung bzw. Bedrohung). 30 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität -,Reichsbürger' und ,Selbstverwalter'" * in den Ländern 01.01.-31.12.2017 Bayern 64 Nordrhein-Westfalen 12 Baden-Württemberg 11 Berlin 10 Brandenburg 10 MecklenburgVorpommern 7 Schleswig-Holstein 7 Niedersachsen 4 Sachsen 3 Saarland 1 Sachsen-Anhalt 1 Bremen 0 Hamburg 0 Hessen 0 Rheinland-Pfalz 0 Thüringen 0 0 20 40 60 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 31 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 3. Linksextremistisch motivierte Straftaten Steigerung Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" linksextremistischer wurden 9.752 (2016: 9.389) Straftaten zugeordnet, hiervon 1.967 Strafund (2016: 1.702) Gewalttaten. In diesem Bereich wurden als TeilmenGewalttaten ge 6.393 (2016: 5.230) Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund erfasst, darunter 1.648 (2016: 1.201) Gewalttaten. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten steigerte sich damit um 22,2 %, die der Gewalttaten sogar um 37,2 %. Während die Deliktzahlen im Berichtsjahr 2016 verglichen mit dem Jahr 2015 eine rückläufige Tendenz aufwiesen, hat sich diese Entwicklung nicht weiter fortgesetzt - vielmehr liegen die Zahlen der Strafund Gewalttaten 2017 noch über denen des Jahres 2015 (5.620). Für diese Steigerung sind im Wesentlichen die Ereignisse um den G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 ursächlich (vgl. Berichtsteil Linksextremismus). 4 Linksextremistisch motivierte Straftaten 4 Gewalttaten: 2016 2017 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 6 3 Körperverletzungen 638 499 Brandstiftungen 134 145 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 7 5 Landfriedensbruch 186 784 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 50 63 Freiheitsberaubung 1 0 Raub 23 12 Erpressung 1 2 Widerstandsdelikte 155 135 gesamt 1.201 1.648 Sachbeschädigungen 2.233 3.190 Nötigung/Bedrohung 112 80 Andere Straftaten 1.684 1.475 gesamt 4.029 4.745 Straftaten insgesamt 5.230 6.393 4 Siehe Fußnote 1. 32 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 3.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten Von den linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden 1.135 Fälle (2016: 687) im Themenfeld "Gewalttaten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden" eingeordnet. Annähernd halbiert haben sich "Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten" auf 264 (2016: 542) und "Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole" auf 236 (2016: 432). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * Gesamt Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole Kampagne gegen Umstrukturierung 1.800 1.648 1.600 1.400 1.200 1.201 1.135 1.000 800 687 600 542 432 400 264 236 200 188 49 0 01.01.-31.12.2016 01.01.-31.12.2017 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Es sind nur die wichtigsten Zielrichtungen berücksichtigt. Da die erfassten Sachverhalte im Rahmen einer mehrdimensionalen Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet werden, können Gewalttaten unter mehreren Zielrichtungen subsumiert sein. 33 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Im Themenfeld "Kampagne gegen Umstrukturierung" wurden wesentlich weniger Gewalttaten ausgewiesen als noch im Vorjahr (2017: 49, 2016: 188). Der Großteil dieser Straftaten (27) wurde erneut in Berlin begangen. Im Berichtsjahr wurde lediglich eine linksextremistische antisemitische Strafttat gezählt (Volksverhetzung). 3.1.1 Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Rückgang der Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten um 51 % zu verzeichnen. Mehr als 60 % dieser Gewalttaten sind Körperverletzungsdelikte, gefolgt von Widerstandsdelikten.5 Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten 5 Gewalttaten: 2016 2017 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 3 2 Körperverletzungen 328 162 Brandstiftungen 40 23 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 1 Landfriedensbruch 65 20 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 16 9 Freiheitsberaubung 1 0 Raub 16 8 Erpressung 1 2 Widerstandsdelikte 70 37 gesamt 542 264 5 Siehe Fußnote 1. 34 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 3.1.2 Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden Die Zahl der Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden ist gegenüber dem Vorjahr um 65,2 % gestiegen. Alleine in Hamburg wurden im Berichtsjahr 832 dieser Gewalttaten begangen. Im Zuge des dortigen G20-Gipfels wurden alleine in der Einsatzphase vom 6. bis 9. Juli 2017 insgesamt 231 Polizisten verletzt. Die deutlichen Wellenbewegungen der Anzahl von Gewalttaten gegen die Polizei zeigen, in welchen Berichtsjahren für die linksextremistische Szene relevante Großereignisse stattfanden (G20Gipfel im Jahr 2017, kein Großereignis im Jahr 2016, Eröffnung des Neubaus der europäischen Zentralbank im Jahr 2015). Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden6 Gewalttaten: 2016 2017 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 3 1 Körperverletzungen 359 301 Brandstiftungen 17 19 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 3 2 Landfriedensbruch 133 654 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 15 24 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 4 0 Erpressung 0 0 Widerstandsdelikte 153 134 gesamt 687 1.135 6 6 Siehe Fußnote 1. 35 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 3.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten ereigneten sich mit 1.001 registrierten Delikten in Hamburg. Danach folgen Nordrhein-Westfalen (191) und Sachsen (101). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * in den Ländern 01.01.-31.12.2017 01.01.-31.12.2016 1.001 Hamburg 126 191 Nordrhein-Westfalen 276 101 Sachsen 102 69 Baden-Württemberg 99 65 Berlin 179 54 Bayern 72 51 Niedersachsen 126 29 Sachsen-Anhalt 24 24 Brandenburg 53 19 Schleswig-Holstein 66 16 Thüringen 15 Mecklenburg11 Vorpommern 24 9 Bremen 9 5 Hessen 25 2 Rheinland-Pfalz 3 1 Saarland 2 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 36 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 4. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" Im Jahr 2017 wurden dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" 907 extremistische Straftaten zugerechnet. Der überwiegende Teil (885) wies außerdem einen islamistisch/fundamentalistischen Hintergrund auf. Hierzu zählen insbesondere insgesamt 60 Gewalttaten, zu denen 3 Tötungsdelikte (2 vollendete und 1 versuchtes) und 48 Körperverletzungen gerechnet werden. Die vollendeten Tötungsdelikte sind der Messerangriff eines Palästinensers am 28. Juli 2017 in einem Hamburger Supermarkt und die Tötung einer afghanischen Asylbewerberin durch einen Landsmann am 29. April 2017 in Prien Chiemsee (Bayern). 112 extremistische Straftaten im Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" wurden als Vorbereitung einer schweren staatsgefährden Gewalttat (SS 89a-c, SS 91 StGB) eingestuft und 310 Fälle von Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (SS 129b StGB). Im Berichtsjahr wurden 24 antisemitische Straftaten mit einer religiös ideologischen Motivation festgestellt, zu denen eine Gewalttat zählte. 37 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Extremistische Straftaten aus dem Bereich "religiöse Ideologie"7 Gewalttaten: 2017 Tötungsdelikte 2 Versuchte Tötungsdelikte 1 Körperverletzungen 53 Andere Gewalttaten 9 gesamt 65 Sachbeschädigungen 24 Nötigung/Bedrohung 70 Volksverhetzung 20 Vorbereitung einer staatsgefährenden Gewalttat 112 Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung 310 Andere Straftaten 306 gesamt 907 7 7 Siehe Fußnote 1. 38 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 4.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie"* in den Ländern 01.01.-31.12.2017 Nordrhein-Westfalen 12 Berlin 12 Brandenburg 10 Bayern 8 Niedersachsen 4 Baden-Württemberg 4 Bremen 3 Sachsen 3 Schleswig-Holstein 2 Hamburg 2 MecklenburgVorpommern 2 Hessen 1 Rheinland-Pfalz 1 Sachsen-Anhalt 1 Thüringen 0 Saarland 0 0 5 10 15 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 39 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 5. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" wurden 1.617 Straftaten zugeordnet, hiervon 233 Gewalttaten. Einen extremistischen Hintergrund hatten 1.187 Straftaten, darunter waren hauptsächlich Verstöße gegen das Vereinsgesetz (38,7 %), gegen das Versammlungsgesetz (9,7 %) sowie Sachbeschädigungen (9,4 %), aber auch 182 Gewalttaten (15,3 %). Der überwiegende Teil dieser Gewalttaten sind Körperverletzungen (82,4 %). Ebenfalls konnten 36 antisemitische Straftaten mit einer ausländisch ideologischen Motivation festgestellt werden. Zu diesen Straftaten zählen 5 Gewalttaten und 20 Volksverhetzungsdelikte. Zudem wurden auch 71 Delikte erfasst, bei denen den Tatverdächtigen angelastet wurde, eine ausländische terroristische Vereinigung zu unterstützen oder ihr anzugehören (SS 129b StGB). 40 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Extremistische Straftaten aus dem Bereich "ausländische Ideologie"8 Gewalttaten: 2017 Tötungsdelikte 0 Versuchte Tötungsdelikte 1 Körperverletzungen 150 Brandstiftungen 2 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 Landfriedensbruch 12 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 2 Freiheitsberaubung 0 Raub 2 Erpressung 3 Widerstandsdelikte 10 gesamt 182 Sachbeschädigungen 112 Nötigung/Bedrohung 41 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 115 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 459 Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung 71 Andere Straftaten 207 gesamt 1.005 Straftaten insgesamt 1.187 8 8 Siehe Fußnote 1. 41 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE 5.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte - ausländische Ideologie" ereigneten sich mit 121 registrierten Delikten in Nordrhein-Westfalen. Danach folgen Berlin (17) und BadenWürttemberg (16). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" * in den Ländern 01.01.-31.12.2017 Nordrhein-Westfalen 121 Berlin 17 Baden-Württemberg 16 Niedersachsen 9 Sachsen 9 Schleswig-Holstein 2 Bayern 1 Brandenburg 1 Hessen 1 Bremen 1 Hamburg 1 Rheinland-Pfalz 1 MecklenburgVorpommern 1 Sachsen-Anhalt 1 Thüringen 0 Saarland 0 0 20 40 60 80 100 120 140 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 42 Rechtsextremismus 43 Rechtsextremismus I. Überblick Die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder Rasse ist im rechtsextremistischen Weltbild entscheidend für den Wert eines Menschen. Diesem "völkischen" Kriterium sind auch die Bürgerund Menschenrechte des Einzelnen untergeordnet. Rechtsextremistische Agitation ist geprägt von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus sowie einer grundsätzlichen Demokratiefeindschaft. Damit stehen Rechtsextremisten und deren Ideologie im fundamentalen Widerspruch zu zentralen und universellen Werten des Grundgesetzes, das die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. 1. Entwicklungstendenzen BedeutungsSeit 2014 war ein Anstieg rechtsextremistisch motivierter Strafrückgang der Antitaten und eine verstärkte Agitation von Rechtsextremisten gegen Asyl-Agitation Asylsuchende, deren Unterkünfte sowie gegen die Asylpolitik der Bundesregierung feststellbar. Im Jahr 2016 war das Aufkommen rechtsextremistischer Anti-Asyl-Agitation insgesamt hoch, wobei eine rückläufige Tendenz bereits erkennbar wurde. Im Berichtsjahr ließ sich erstmals ein nachhaltiger Rückgang der Zuwanderung konstatieren. Die Bedeutung der Anti-Asyl-Debatte in der rechtsextremistischen Szene ging zurück. Auch nahm die Beteiligung an rechtsextremistischen Aufmärschen und Demonstrationen im Anti-Asyl-Kontext ab. DemonstraDas rechtsextremistische Demonstrationsgeschehen insgesamt tionsgeschehen war 2017 weiter rückläufig. Während 2016 noch 466 rechtsextremistische Kundgebungen mit 43.321 Teilnehmern erfasst wurden, waren es 2017 nur noch 202 Versammlungen mit 16.398 Teilnehmern, was einem Rückgang der Teilnehmerzahl um 62 % entspricht. 44 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Demonstrationen 2016 2017 NPD/JN 124 27 "DIE RECHTE" 42 25 "Der III. Weg" 38 21 "pro NRW" 2 - Neonazis/sonstige Rechtsextremisten 260 129 Insgesamt 466 202 Trotz der sinkenden Bedeutung der Anti-Asyl-Debatte und einer rückläufigen Zahl an Straftaten seit dem Frühjahr 2016 erfassten die Polizeibehörden in ihrer jährlichen Kriminalstatistik auch im Jahr 2017 schwere Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte. Der Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Kremmen (Brandenburg) am 15. April 2017 wurde beispielsweise von der Staatsanwaltschaft als versuchtes Tötungsdelikt eingestuft. Das Gefährdungspotenzial durch schwere Gewalttaten gegen Asylbewerberunterkünfte, bei denen rechtsextremistische Täter die Verletzung von Personen bis hin zu deren Tod in Kauf nehmen, ist nach wie vor vorhanden. Obwohl das Themenfeld "Anti-Asyl" an Bedeutung verlor, versuchen Rechtsextremisten Gewalttaten von Ausländern weiterhin in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. So wird der Messerangriff eines afghanischen Flüchtlings auf ein 15-jähriges deutsches Mädchen in Kandel (Rheinland-Pfalz) am 27. Dezember 2017 auf verschiedenen Facebook-Seiten der NPD als Folge der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung bewertet: "Immer mehr deutsche Mädchen und Frauen werden Gewaltopfer von Krimigranten, mit denen sie zuvor Beziehungen hatten. Lasst endlich die Finger von diesen kulturfremden Psychos, die null Erfahrung mit emanzipierten Frauen haben..." "Die Zuwanderungsfanatiker der Systemparteien schließen Mördern und anderen Kriminellen die Türen nach Deutschland auf: Der afghanische Mörder der 15-jährigen Deutschen kam als minderjähriger unbegleiteter Pseudo-Flüchtling ins Land!" (Facebook-Seite NPD vom 29.12.2017) 45 RECHTSEXTREMISMUS Daneben traten auch andere Inhalte in das Blickfeld rechtsextremistischer Agitation: Hinsichtlich der linksextremistischen Ausschreitungen bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg fordern etliche Rechtsextremisten in sozialen Netzwerken ein härteres staatliches Vorgehen gegen gewaltorientierte Linksextremisten. Auf ihrer Facebook-Seite schreiben beispielsweise die neonazistischen "Freien Kräfte Mittel-/Ostsachsen": "#G20_Hamburg - Man muss sich einmal vorstellen, Abertausende Polizisten vor Ort, Steuergelder in Millionen Höhe (...) Hunderte Verletzte Polizisten.. Mehrerer Millionen schwerer Sachschaden an Autos Gebäuden etc. Und was passiert ?? Nix !!! Wo bleibt der Schießbefehl ?? Wo bleibt der Aufschreih nach einem Verbotsverfahren der Antifa ?? Wo bleiben die Panzer und Räumfahrzeuge ?? (...) Unsere Politik zeigt vor der Weltpresse das sie ihr Land in keinster Weise unter Kontrolle hat !!! Ich hoffe es trifft endlich die richtigen !!!!! (...) Darf gerne geteilt werden, ewt wacht der ein oder andere Pisser ja mal auf !!!" (Facebook-Seite "FK Mittel / Ostsachsen" vom 7. Juli 2017) Auch andere relevante Ereignisse, wie das im Januar 2017 verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im NPDVerbotsverfahren, finden in der rechtsextremistischen Szene entsprechenden Widerhall. Der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz kritisiert die Urteilsbegründung auf seiner Facebook-Seite. Der Verbotsantrag sei zwar "grandios gescheitert", doch enthalte die Begründung erheblichen Sprengstoff. Jeder bedeutsam werdenden, das Volk in den Mittelpunkt stellenden Organisation drohe nun ein Verbot. Die NPD aber werde die "Kriegserklärung" des BVerfG an das deutsche Volk nicht hinnehmen und an ihrem Wesenskern unverbrüchlich festhalten.9 Kampagnen Rechtsextremisten initiierten im Berichtsjahr zahlreiche, zum Teil vielschichtige Kampagnen, um im Internet und in der Realwelt die Szene und potenzielle Sympathisanten zu mobilisieren oder um ihre Ansichten in der Öffentlichkeit zu platzieren. Exemplarisch ist die bereits 2016 angestoßene Mobilisierungskampagne der rechtsextremistischen Szene für den "Tag der deutschen Zukunft" (TddZ) am 3. Juni 2017 in Karlsruhe (Baden-Württemberg) zu nennen. So gab es neben einer eigens eingerichteten Internetpräsenz am 9 Facebook-Seite von Frank Franz (18. Januar 2017). 46 RECHTSEXTREMISMUS 1. April 2017 im Raum Metz (Frankreich) ein rechtsextremistisches Konzert, mit dem für den TddZ geworben wurde. Darüber hinaus fand eine Bewerbung der Demonstration in Szenepublikationen, bei rechtsextremistischen Veranstaltungen durch das Verteilen von Flugblättern und den Verkauf von TddZ-Kampagnen-T-Shirts statt. Dieses Beispiel unterstreicht, dass jede rechtsextremistische KamMobilisierung pagne auch im Internet propagandistisch begleitet wird und der und Radikalisierung Einfluss des Mediums bei der Mobilisierung der Szene erheblich ist. im Internet Gleiches gilt für Radikalisierungsverläufe, zu denen das Internet begünstigend beitragen kann. Ein in Einzelfällen fließender Übergang von aggressiver Rhetorik zu konkreten Planungen oder zu tatsächlichen Strafund Gewalttaten mit rechtsterroristischen Dimensionen scheint auch künftig möglich. Beispielhaft für diesen Befund steht die Gruppierung "Oldschool Society" (OSS). Vier Beschuldigte der zunächst als virtuelle Gruppierung gegründeten OSS wurden im März 2017 unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung zu hohen Haftstrafen verurteilt. Prägend für das Berichtsjahr 2017 waren weiterhin musikalische Großveranstaltungen, die - anders als im vorangegangenen Jahr, das von vielen kleinen Veranstaltungen und geringer Teilnehmerzahl gekennzeichnet war - mit oft vierstelligen Besucherzahlen aufwarteten. Die bislang größte Veranstaltung dieser Art fand mit 6.000 Teilnehmern am 15. Juli 2017 in Themar (Thüringen) statt. Diverse Verurteilungen und anhängige Gerichtsverfahren belegen Verfolgung rechtsterdie hohe Aufmerksamkeit von Nachrichtendiensten, Polizeisowie roristischer Ansätze Strafverfolgungsbehörden und Gerichten gegenüber den organisierten Ansätzen von Rechtsterrorismus, wie der OSS, der "Gruppe Freital" oder der "Nauener Gruppe" im Jahr 2017. Sofern Anhaltspunkte für neue rechtsterroristische Bestrebungen und Strukturen erkannt werden, erfolgt unmittelbar eine konsequente Aufklärung und Verfolgung durch die Sicherheitsbehörden. Im Zuge der 2017 fortgesetzten Beobachtung von "Reichsbürgern" Rechtsextremistische und "Selbstverwaltern" bestätigte sich, dass der rechtsextremisti"Reichsbürger" sche Anteil an dem Gesamtpersonenkreis gering ist. Ausgehend von der hohen Waffenaffinität im rechtsextremistischen Spektrum und der staatsfeindlichen Zielsetzung von "Reichsbürgern" ist von 47 RECHTSEXTREMISMUS einem großen Gefährdungspotenzial auszugehen (vgl. auch Berichtsteil "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"). Bundestagswahl Bei der Bundestagswahl 2017 scheiterten die angetretenen rechts2017 extremistischen Parteien "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und "DIE RECHTE" (nur in Baden-Württemberg angetreten) deutlich. "DIE RECHTE" blieb mit ihrem Ergebnis (0,0 % der Zweitstimmen) unterhalb der Wahrnehmungsgrenze, aber auch die NPD verfehlte ihr selbst gestecktes Minimalziel von mindestens 0,5 % der Zweitstimmen. Damit verliert die NPD den Anspruch auf finanzielle Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung für die Teilnahme an einer Bundestagswahl. Nach ihrem verfehlten Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2016 musste die NPD jetzt erstmals seit der Bundestagswahl 2002 wieder Unterstützungsunterschriften für einen flächendeckenden Wahlantritt sammeln, was ihr unter Mobilisierung sämtlicher finanzieller und personeller Mittel auch gelang. Lediglich in Berlin konnte die NPD aufgrund eines Formfehlers nicht mit einer eigenen Landesliste antreten. Ihr zentrales Wahlkampfthema war die "Anti-Asyl-Agitation" beziehungsweise die Agitation gegen eine unkontrollierte Zuwanderung und angebliche Überfremdung Deutschlands. Im Rahmen von kleineren Kundgebungen, dem Protest gegen Auftritte der Bundeskanzlerin und durch Rundfahrten mit Lautsprecherwagen wurde die "Asylproblematik" in den Vordergrund gerückt, um mit einer vermeintlich "volksfeindlichen" Politik der etablierten Parteien pauschal abzurechnen und Flüchtlinge abzuwerten. 2. Personenpotenzial Die bisherige Darstellungsform des rechtsextremistischen Personenpotenzials geht von den Kategorien "Subkulturell geprägte Rechtsextremisten", "Neonazis", "Parteien" und "Sonstige rechtsextremistische Organisationen" aus. Neben dieser - im Schwerpunkt an inhaltlich-ideologischen Kriterien - ausgerichteten Darstellung ist für den Verfassungsschutz insbesondere der Grad der Organisiertheit von verfassungsfeindlichen Aktivitäten von zentraler Bedeutung. 48 RECHTSEXTREMISMUS Ergänzend wird zu der bisherigen Darstellung deshalb die Organisationsgebundenheit des rechtsextremistischen Personenpotenzials abgebildet werden. Dabei wird zwischen "in Parteien", "in parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen" und "Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial" unterschieden. Während die Kategorie "in Parteien" unverändert bleibt, werden unter "in parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen" Kameradschaften, Vereine, Netzwerke, gegebenenfalls Nachfolgebestrebungen zu verbotenen Organisationen, Verlage und sonstige organisierte Rechtsextremisten gezählt. In der Kategorie "Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial" werden alle organisationsungebundenen Rechtsextremisten zusammengefasst, zum Beispiel subkulturell geprägte Rechtsextremisten oder Gewalttäter, außerdem Internetaktivisten, die keiner Organisation zugeordnet werden können. 49 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremismuspotenzial1 - nach ideologischer Prägung - 2016 2017 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 8.500 9.200 Neonazis 5.800 6.000 in Parteien 6.550 6.050 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 5.000 4.500 "DIE RECHTE" 700 650 "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") 500 400 "Der III. Weg" 350 500 in sonstigen rechtsextremistischen Organisationen 3.5003 4.0002 Summe 24.350 25.250 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 23.100 24.000 davon gewaltorientierte Rechtsextremisten 12.100 12.700 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Hierin sind unter anderem 900 als Rechtsextremisten zu wertende "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sowie 500 Mitglieder der "Identitären Bewegung Deutschlands" (Verdachtsfall, vgl. hierzu ausführlich Seite 80 f.) für das Jahr 2017 enthalten. Zur IBD liegen tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung vor, sodass die Gruppierung durch das BfV im Rahmen eines Verdachtsfalls bearbeitet wird. 3 Hierin sind unter anderem 500 bis 600 als Rechtsextremisten zu wertende "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sowie 300 Mitglieder der "Identitären Bewegung Deutschlands" (Verdachtsfall, vgl. hierzu ausführlich Seite 80 f.) für das Jahr 2016 enthalten. Zur IBD liegen tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung vor, sodass die Gruppierung durch das BfV im Rahmen eines Verdachtsfalls bearbeitet wird. 50 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremismuspotenzial1 - nach Organisationsgrad - 2016 2017 in Parteien 6.550 6.050 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 5.000 4.500 "DIE RECHTE" 700 650 "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") 500 400 "Der III. Weg" 350 500 in parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen - 6.3002 Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial - 12.900 Summe 24.350 25.250 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 23.100 24.000 davon gewaltorientierte Rechtsextremisten 12.100 12.700 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Hierin sind unter anderem 900 als Rechtsextremisten zu wertende "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sowie 500 Mitglieder der "Identitären Bewegung Deutschlands" (Verdachtsfall, vgl. hierzu ausführlich Seite 80 f.) für das Jahr 2017 enthalten. Zur IBD liegen tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung vor, sodass die Gruppierung durch das BfV im Rahmen eines Verdachtsfalls bearbeitet wird. 51 RECHTSEXTREMISMUS II. Gewalt und Militanz 1. Rückgang rechtsNachdem die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaextremistischer ten in den Jahren 2015 (1.408) und 2016 (1.600) angestiegen war, Gewalttaten ging diese im Jahr 2017 deutlich auf 1.054 zurück. Dies ist gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 34,1 %. Damit befindet sich die aktuelle Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten deutlich unter der des Jahres 2015. Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten entwickelte sich in nahezu allen Bundesländern rückläufig. Hinsichtlich der einzelnen Deliktarten lässt sich diese Entwicklung ebenfalls verdeutlichen: Die Zahl der Körperverletzungsdelikte sank von 1.313 im Jahr 2016 auf 904 (- 31,2 %) im Jahr 2017. Bei den Brandstiftungsdelikten gab es ebenfalls einen Rückgang von 113 im Jahr 2016 auf 42 (- 62,8 %) in diesem Jahr. Die insbesondere seit 2015 feststellbare Entwicklung eines kontinuierlichen Anstiegs der Fallzahlen im "Anti-Asyl-Kontext" hat sich zwischenzeitlich aufgelöst. Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten gegen Asylunterkünfte sank im Jahr 2017 um 72,5 % (2017: 42, 2016: 153). Ein Grund für den Rückgang der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Asylunterkünfte ist vermutlich auch die konsequente Verurteilungspraxis vieler Gerichte bei entsprechenden Gewalttaten mit teils hohen Haftstrafen für die Täter. So verurteilte das Landgericht (LG) Heilbronn (Baden-Württemberg) am 9. November 2017 zwei 33 und 24 Jahre alte Männer unter anderem wegen Brandstiftung zu Freiheitsstrafen von vier Jahren und zehn Monaten sowie vier Jahren und sieben Monaten. Die beiden Täter hatten am 20. Januar 2017 Rohbauten einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Neuenstein (Baden-Württemberg) angezündet. Im Jahr 2017 wurden insgesamt vier versuchte Tötungsdelikte als mutmaßlich rechtsextremistisch motiviert bewertet. Bei diesen Taten gibt es zudem Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund (vgl. Berichtsteil Politisch motivierte Kriminalität, 52 RECHTSEXTREMISMUS Kap. III Nr. 1). Die Gesamtzahl liegt damit deutlich unter der des Vorjahres (2016: 1 vollendetes Tötungsdelikt, 18 versuchte Tötungsdelikte). Trotz des Rückgangs der Gewalttaten ist die Gewaltbereitschaft in Gewaltbereitschaft der rechtsextremistischen Szene nach wie vor hoch. Sinkende Gewalttatenzahlen dürfen nicht über das anhaltend hohe Gefährdungspotenzial hinwegtäuschen. Ein Indikator hierfür ist nicht nur der erneut hohe Anteil gewaltorientierter Rechtsextremisten (12.700) am gesamten Personenpotenzial (24.000), auch regelmäßige Waffenfunde bei Rechtsextremisten belegen diese Einschätzung. Grundsätzlich kann weiterhin eine Gefahr der Entwicklung rechtsterroristischer Ansätze nicht ausgeschlossen werden. Auch schwerste Straftaten von radikalisierten Einzeltätern, die keiner Organisation zugehörig sind ("Lone Wolf"-Prinzip), bleiben ein - teils schwer zu kalkulierendes - Risiko und bilden ein hohes Gefährdungsmoment im Rechtsextremismus. 1. Der Rechtsterrorismus-Begriff im Verfassungsschutz Der Terrorismus-Begriff der Verfassungsschutzbehörden unterDefinition Rechtsscheidet sich von der strafrechtlichen Definition: Während der terrorismus Terrorismus-Begriff im strafrechtlichen Sinne - zumindest in Bezug auf "terroristische Vereinigungen" gemäß SS 129a Strafgesetzbuch (StGB) - eine relativ enge Konkretisierung erfährt, ist dieser im Verfassungsschutzverbund weiter gefasst. Verfassungsschutzbehörden verstehen unter Rechtsterrorismus den nachhaltig geführten Kampf von Rechtsextremisten für politische Ziele. Diese sollen mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer durchgesetzt werden, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Damit enthält die Definition zwar einen unmittelbaren Bezug zum Tatbestand des SS 129a StGB, sie ist jedoch nicht ausschließlich auf diesen beschränkt. Entscheidend ist aus 53 RECHTSEXTREMISMUS Verfassungsschutzperspektive das gleichzeitige Vorliegen von drei wesentlichen Faktoren, die auf einen Akteur zutreffen müssen: eine politische Motivation in Verbindung mit konkreten politischen Zielen ein nachhaltiges, also nicht nur spontanes, impulsives oder einmaliges Agieren Verüben von besonders schweren Straftaten, insbesondere massiven Gewaltstraftaten Diese Verfassungsschutzdefinition verlangt dabei nicht notwendigerweise die Existenz einer Gruppierung, wie sie das Strafrecht dagegen zwingend vorsieht. Es werden somit auch Einzelpersonen erfasst, die die oben genannten Faktoren erfüllen und dabei nicht auf konkrete Weisung Dritter handeln (etwa in Form eines "Lone Wolf"-Terrorismus). Die Übergänge von gewaltorientiertem Rechtsextremismus in den Rechtsterrorismus können fließend sein. Die Beobachtung des gewaltorientierten Rechtsextremismus ist daher für die Verfassungsschutzbehörden von besonderer Bedeutung. Zeigen sich Ansätze für eine rechtsterroristische Ausprägung, etwa konkrete Anzeichen für die Planung einer schweren Gewalttat oder eines terroristischen Anschlags, erfolgt eine engmaschige intensive Bearbeitung als Gefährdungssachverhalt. In der Vergangenheit konnten hierdurch Anschlagsplanungen vereitelt und operative Erfolge im Zusammenspiel der Sicherheitsbehörden erzielt werden. 2. Staatliche Maßnahmen Bundesweite Am 25. Januar 2017 durchsuchten etwa 200 Polizeibeamte in Durchsuchungen mehreren Bundesländern Wohnungen und weitere Räumlichkeiten von insgesamt sieben Mitgliedern und Unterstützern einer mutmaßlich terroristischen Vereinigung. Nach Einschätzung des Generalbundesanwalts (GBA), der das Ermittlungsverfahren ursprünglich wegen des Verdachts des Verstoßes gegen SS 129a StGB führte, sollen sechs der Beschuldigten im Alter zwischen 35 und 66 Jahren eine terroristische Vereinigung mit dem Ziel gegründet haben, in Deutschland bewaffnete Anschläge auf Polizisten, Juden und Muslime sowie Asylbewerber zu begehen. Einem weiteren Beschuldigten wird vorgeworfen, die mutmaßlich 54 RECHTSEXTREMISMUS rechtsterroristische Gruppe durch die Beschaffung von Waffen unterstützt zu haben. Keines der Mitglieder der Gruppierung war zuvor einschlägig durch rechtsextremistische Organisationsbezüge bekannt geworden. Die Ermittlungen konnten den Verdacht des Verstoßes gegen SS 129a StGB nicht erhärten. Die verbleibenden Verfahren, unter anderem wegen Waffendelikten, wurden an die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben. Das Oberlandesgericht (OLG) München (Bayern) verurteilte im "Oldschool Society" März 2017 vier Mitglieder der "Oldschool Society" (OSS) wegen der (OSS) Bildung einer terroristischen Vereinigung gemäß SS 129a StGB zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren. Im Rahmen der Hauptverhandlung gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass die OSS darauf ausgerichtet war, Menschen ausländischer Herkunft mittels Gewalt aus Deutschland zu vertreiben. Zu diesem Zweck seien Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberunterkünfte geplant gewesen. Den Tod möglicher Opfer hätte die Gruppierung bei der Durchführung ihrer Pläne billigend in Kauf genommen. Das Urteil ist rechtskräftig. Am 27. April 2017 erhob der GBA Anklage vor dem Staatsschutzsenat des OLG Dresden (Sachsen) gegen zwei weitere mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen OSS. Ihnen werden ebenfalls die Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß SS 129a StGB sowie die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens gemäß SS 310 StGB vorgeworfen. Sie sollen unter anderem zusammen mit anderen OSS-Mitgliedern im Mai 2015 einen Sprengstoffanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Borna (Sachsen) geplant haben. Am 6. Mai 2015 hatten Exekutivmaßnahmen gegen die Gruppe stattgefunden, die eine Umsetzung der Vorhaben vereitelten.10 Das LG Dresden (Sachsen) verurteilte am 24. August 2017 zwei "Freie KameradMitglieder der "Freien Kameradschaft Dresden" (FKD) wegen schaft Dresden" Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Landfriedens(FKD) bruchs, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführung einer 10 Das 2015 nach SS 129a StGB eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen ursprünglich zehn Beschuldigte wurde somit in vier Fällen durch das rechtskräftige Urteil des OLG München abgeschlossen. In zwei Fällen wurden die Ermittlungen abgeschlossen und Anklage vor dem OLG Dresden wegen SS 129a StGB erhoben. Gegen einen Beschuldigten ist das Ermittlungsverfahren weiterhin anhängig. In drei Fällen wurden die Ermittlungen aus tatsächlichen Gründen gemäß SS 170 Abs. 2 StPO eingestellt. 55 RECHTSEXTREMISMUS Sprengstoffexplosion zu Haftstrafen von jeweils drei Jahren und acht Monaten. Beide Angeklagten wurden für schuldig befunden, aktive Mitglieder der FKD gewesen zu sein und sich in diesem Zusammenhang an gezielten und vorab geplanten Gewalttaten gegen Asylbewerber und politische Gegner beteiligt zu haben. Die Verhandlung gegen die beiden Protagonisten bildete den prozessualen Auftakt im Zusammenhang mit der mittlerweile aufgelösten FKD. Am 13. September 2017 eröffnete das LG Dresden gegen weitere sechs mutmaßliche Mitglieder der FKD das Hauptverfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. 3. Sonstige gewaltorientierte Gruppierungen und deren Gefährdungspotenzial "Combat 18" (C18) Ein Beispiel für das Gefährdungspotenzial im gewaltorientierten Rechtsextremismus stellt die Organisation "Combat 18" (C18)11 dar: Nach Hinweisen der Verfassungsschutzbehörden kontrollierte die Bundespolizei am 24. September 2017 mit Spezialkräften der GSG 9 zwölf deutsche Neonazis nach deren Rückreise aus der Tschechischen Republik, die zuvor im nahen Grenzgebiet einen Schießstand besucht haben sollen. Bei ihnen handelte es sich um Angehörige der neonazistischen Organisation "Combat 18 Deutschland" (C18 Deutschland). Bei der Kontrolle der Kraftfahrzeuge wurden Patronen, Gewehrmunition und Flintenlaufgeschosse beschlagnahmt; wegen Verstößen gegen das Waffengesetz wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. C18 wurde 1992 in England von Angehörigen der "British National Party" (BNP) als deren Saalschutz gegründet. Dort erlangte C18 in der Folgezeit auch mediale Bekanntheit durch Gewaltakte und eine gezielte Einschüchterung politischer Gegner. Von Großbritannien aus entwickelte sich ein Netzwerk, das in vielen europäischen Ländern aktiv ist. C18 propagierte Gewalt als legitimes Mittel im politischen Kampf, um ihr Ziel, einen nationalsozialistisch geprägten Staat, zu verwirklichen. 11 Die Ziffern 1 und 8 stehen für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets und symbolisieren die Initialen Adolf Hitlers. 56 RECHTSEXTREMISMUS Unter der Leitung zweier britischer Neonazis war C18 zunächst in der rechtsextremistischen Musikszene aktiv und hatte die einflussreiche neonazistische Skinhead-Organisation "Blood & Honour" (B&H) nach dem Tod ihres Gründers Ian Stuart Donaldson 1993 übernommen. In Deutschland lagen seit den 2000er-Jahren immer wieder vereinzelte Hinweise auf lokale C18-Sektionen vor. Diese Strukturen konnten sich aber nicht über einen längeren Zeitraum weiterentwickeln und hatten letztlich keinen Bestand. Seit einigen Jahren liegen Erkenntnisse auf einen kontinuierlichen Ausbau von festen C18-Strukturen vor. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von wenigen regionalen Gruppen und Einzelpersonen, die unter der Bezeichnung "C18" bestehen. Trotz der bereits in der Organisationsbezeichnung enthaltenen Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus konnte bislang keine politische Agenda der unter dem Namen C18 in Deutschland agierenden Personen festgestellt werden. Politische Aktivitäten einzelner Protagonisten, wie die gelegentliche Teilnahme an Demonstrationen, können nicht der Gruppierung als solcher zugerechnet werden. Politisch motivierte Straftaten, die der Gruppierung zugerechnet werden könnten, sind bislang nicht bekannt geworden. Anhaltspunkte, die auf die Entstehung einer rechtsterroristischen Vereinigung hindeuten, liegen derzeit nicht vor. Schwerpunkt von C18 ist vielmehr die (auch kommerzielle) Beteiligung an kleineren rechtsextremistischen Musikveranstaltungen mit 80 bis 100 Teilnehmern. Die zumeist verbalradikale "Militanz" vor allem ausländischer C18Protagonisten unterscheidet sich vom Erscheinungsbild der Organisation in Deutschland. In der Vergangenheit gaben deutsche Rechtsextremisten wiederholt die Existenz nationaler C18-Zellen vor, zum Teil unter Bezugnahme auf die gewaltbereite Ausrichtung der Gruppierung in England. Dabei diente der szeneinterne Bezug auf C18 in der Regel jedoch eher der eigenen Aufwertung und sollte nach außen den Eindruck von Gefährlichkeit vermitteln. Tatsächlich gab es weder vor noch nach dem Verbot der deutschen Division von B&H im Jahr 2000 zielgerichtete Bestrebungen, C18 als "bewaffneten Arm" von B&H in Deutschland auszubauen. Aktuell liegen keine Erkenntnisse zur Ausprägung von "C18 Deutschland" als einer "militanten" oder gar bewaffneten Gruppierung vor, 57 RECHTSEXTREMISMUS wenngleich den Anhängern von C18 eine gewisse Waffenaffinität - wie durch die oben genannten Schießübungen und Munitionsfunde belegt - und grundsätzliche individuelle Gewaltbereitschaft zu unterstellen ist. Insofern muss den Mitgliedern von C18 Deutschland ein prinzipielles Gefährdungspotenzial zugemessen werden. Daher werden C18-Gruppierungen und Einzelpersonen, die sich als C18-Mitglieder bezeichnen oder der bundesweiten Organisation zugehörig sind, mit besonderer Aufmerksamkeit von den Sicherheitsbehörden beobachtet, um etwaige Radikalisierungstendenzen rechtzeitig zu erkennen. Diese müssen nicht notwendigerweise die Gesamtorganisation betreffen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass sich Einzelpersonen durch die Ideologie von C18 soweit indoktrinieren lassen, dass sie mit schweren rechtsextremistischen Gewalttaten in Erscheinung treten. "Kameradschaft Eine weitere Gruppierung, bei der zumindest Ansätze für "miliAryans" tante" rechtsextremistische Tendenzen zu erkennen sind, ist die "Kameradschaft Aryans". Um bei Treffen oder in der Öffentlichkeit einheitlich aufzutreten, tragen Mitglieder der "Aryans" zuweilen Kleidungsstücke mit dem Logo der Gruppierung, einem Reichsadler mit schwarz-weiß-roten Schwingen und dem Schriftzug "Aryans" in einem Lorbeerkranz. Es handelt sich um eine überregional agierende, dem gewaltorientierten Neonazi-Spektrum zuzurechnende Gruppierung. Hinweise von Verfassungsschutzbehörden führten am 25. Oktober 2017 zu Wohnungsdurchsuchungen bei zwei Angehörigen der Kameradschaft. Dabei wurden unter anderem Schreckschusswaffen, ein Luftdruckgewehr und zwei Schlagwaffen sichergestellt. Einer der Beschuldigten war kurzzeitig Mitglied der "Oldschool Society" (OSS) und Teilnehmer der OSS-Gründungsveranstaltung im November 2014 in Borna (Sachsen). 4. Mobilisierung und Radikalisierung durch das Internet Internet als zentrales Rechtsextremisten nutzen die vielfältigen Möglichkeiten des InMedium ternets von sozialen Netzwerken, Videoplattformen, MicroblogDiensten bis hin zu eigens erstellten Websites. Diese Aktivitäten dienen unterschiedlichen Zwecken, wie der Selbstdarstellung und 58 RECHTSEXTREMISMUS Propaganda, aber auch der szeneinternen Kommunikation. Darüber hinaus werden Szeneangehörige zu Aktionen und Veranstaltungen mobilisiert. Das Internet ermöglicht außerdem, leicht mit anderen bisher nicht rechtsextremistisch geprägten Personen in Kontakt zu treten und sie für die eigenen rechtsextremistischen Ansichten zu gewinnen und zu radikalisieren. Nicht außer Acht bleiben sollte die Möglichkeit einer indirekten Einflussnahme von Rechtsextremisten auf öffentliche Debatten der demokratischen Mehrheitsgesellschaft, insbesondere über die Handlungsoptionen des "Web 2.0"12. Damit ist das Internet ein zentrales Medium für die Vernetzung innerhalb der rechtsextremistischen Szene und für ihre propagandistische Medienpräsenz. Unverändert ist die rechtsextremistische Szene darum bemüht, Verschleierung und strafrechtlich relevante Inhalte - darunter auch nationalsozialisKonspiration tische Parolen und Symbolik - in nicht offen zugänglichen Internetbereichen zu verbreiten. Für die Kommunikation von solchen Inhalten nutzt die Szene vielmehr Instant-Messenger-Dienste. Diese Dienste bieten vor allem den Vorteil, dass es - im Gegensatz zu einer beispielsweise verschärften Sperrund Löschungspraxis bei Facebook - keine oder geringere Einschränkungen durch den Anbieter gibt und die Kommunikation verschlüsselt ist. Offenes Auftreten und die Verbreitung von Propaganda auf der einen Seite sowie die Verlagerung von Kommunikation in geschützte Bereiche auf der anderen Seite zählen zu den methodischen Grundelementen, die die rechtsextremistische Szene seit Beginn ihres Auftretens im Internet beherrscht und weiterhin intensiv nutzt. Das Internet ist mittlerweile als wichtigstes PropagandainstruMobilisierung und ment der rechtsextremistischen Szene etabliert. Sobald rechtsexKampagnen tremistische Organisationen größere Aktionen in der Öffentlichkeit planen oder Kampagnen ins Leben rufen, nutzen sie fast ausnahmslos das Internet zur Verbreitung von Informationen. Wesentliche Elemente einer Online-Kampagne sind etwa eigens eingerichtete Websites, Profile in sozialen Netzwerken, OnlineFlyer, Bildoder Textpostings und Videoclips. 12 Unter Web 2.0 wird die Weiterentwicklung des Internets weg vom reinen Konsumieren von Informationen hin zu mehr Dialog und Wissenstransfer verstanden. 59 RECHTSEXTREMISMUS Beispielsweise hat die rechtsextremistische Szene die für sie relevanten Kundgebungen anlässlich des sogenannten Arbeiterkampftages, der am 1. Mai 2017 in Gera (Thüringen), Halle (Sachsen-Anhalt) und anderen Städten stattfand, bereits lange vorher im Internet angekündigt und intensiv beworben. Dies galt auch für die neonazistische Kampagne "Mord verjährt nicht! Gebt die Akten frei - Recht statt Rache!", die mit der Kundgebung am 19. August 2017 in Berlin-Spandau ihren Höhepunkt und Abschluss fand. Ziel der Kampagne war es, anlässlich des 30. Todestages von Rudolf Heß in szenetypischer, propagandistischer Art auf die angeblich mysteriösen Umstände seines Todes im Kriegsverbrechergefängnis von Berlin-Spandau aufmerksam zu machen und eine "Aufklärung" des Falles einzufordern. III. Ansätze für neue Entwicklungen im Rechtsextremismus 1. Veränderungen bisheriger Strukturen Ein durch die Sicherheitsbehörden initiierter hoher Ermittlungsdruck, Angst vor Verbotsmaßnahmen und interne Unstimmigkeiten führten im Jahr 2017 zur Auflösung von zwei kleinen, aber innerhalb der rechtsextremistischen Szene durchaus bedeutsamen neonazistischen Gruppen. Auflösung der Die antisemitische und verschwörungstheoretisch geprägte "Euro"Europäischen päische Aktion" (EA) war 2010 unter Beteiligung ehemaliger MitAktion" (EA) glieder der mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 18. April 2008 verbotenen revisionistischen Vereine "Collegium Humanum" (CH) und "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) gegründet worden. Die Organisation verstand sich als international ausgerichtete rechtsextremistische Sammlungsbewegung mit dem Ziel, ein europaweites Netzwerk aufzubauen, und warb in unterschiedlichen rechtsextremistischen Spektren um Anhänger. Das Spektrum der Aktivisten reichte von jüngeren gewaltorientierten Neonazis bis hin zu lebensälteren Geschichtsrevisionisten. Dessen ungeachtet konnte die EA mit ihren circa 100 Mitgliedern den Anspruch einer breiten, überparteilichen europäischen Sammlungsbewegung zu keinem Zeitpunkt erfüllen. 60 RECHTSEXTREMISMUS Am 10. Juni 2017 gab die EA überraschend die Auflösung ihrer Organisationsstrukturen bekannt. Zwei Wochen später durchsuchten mehrere Hundert Polizeibeamte Objekte von Anhängern der EA in Thüringen und Niedersachsen. Die Maßnahmen erfolgten im Rahmen eines vom Landeskriminalamt Thüringen geführten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach SS 129 StGB. Gefunden und sichergestellt wurden Propagandamaterial und diverse Waffen - darunter mehrere scharfe Kurzund Langwaffen. Hoher Ermittlungsdruck gegen einzelne EA-Funktionäre und insbesondere die Furcht vor einem Verbot der Organisation dürften die Gründe für die Selbstauflösung gewesen sein. Am 30. August 2017 wurde die Selbstauflösung der "Autonomen Selbstauflösung Nationalisten Berlin" (AN Berlin) auf deren Homepage ohne Ander "Autonomen gabe von Gründen bekannt gegeben. Bei der AN Berlin handelte Nationalisten Berlin" es sich um einen Ableger des neonazistischen "Antikapitalistischen (AN Berlin) Kollektivs" (AKK). Das als Impulsgeber für das neonationalsozialistische Spektrum gegründete bundesweit aktive AKK trat zuletzt im Zusammenhang mit der Organisation der rechtsextremistischen Kundgebung zum 1. Mai 2017 in Halle (Sachsen-Anhalt) auf. Weil die Polizei angereiste Teilnehmer zu durchsuchen begann, entschloss sich das AKK aber, nicht mehr an der Demonstration teilzunehmen. Angehörige des gewaltbereiten Spektrums, unter ihnen Mitglieder des AKK, versammelten sich daraufhin in Apolda (Thüringen) zu einem Spontanaufzug, bei dem es nach Zünden von Pyrotechnik sowie nach Steinund Flaschenwürfen auf die Polizei zu zahlreichen Festnahmen kam. Im Zuge einer nachträglichen szeneinternen Bewertung der Demonstration schlug den Aktivisten des AKK massive Kritik entgegen. Die vorzeitige Beendigung der Kundgebung in Halle wurde als Niederlage empfunden. Angesichts der im Vorfeld kolportierten kämpferischen Aufrufe zu Gewalt wurde vor allem die mangelnde Gegenwehr gegen das polizeiliche Einschreiten als enttäuschend empfunden. Szeneintern gab es seitdem Hinweise auf eine mögliche Spaltung des AKK. Zugleich war ein Rückgang der Aktivitäten der neonazistischen Gruppierung festzustellen. Die vonseiten des AKK 61 RECHTSEXTREMISMUS beabsichtigte internationale Vernetzung konnte ebenso wenig ausgebaut werden. 2. Verstärkte Internationalisierung des Rechtsextremismus Die rechtsextremistische Szene Deutschlands entfaltet in Europa aufgrund ihres nominell hohen Personenpotenzials und ihres Aktivitätsgrades wesentlichen Einfluss auf ausländische Gesinnungsgenossen. Die internationalen Kontakte und der Austausch innerhalb der rechtsextremistischen Szene in Europa haben sich in der jüngeren Vergangenheit teilweise deutlich intensiviert. Internationale Sehr deutlich stellt sich eine neue Qualität der Zusammenarbeit Kontakte im subkulturell geprägten rechtsextremistischen Spektrum vor aldurch Musiklem im Bereich der Musikveranstaltungen dar. Bereits die beiden veranstaltungen Großkonzerte am 15. Oktober 2016 in der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann (Schweiz) und am 18. März 2017 im Raum Metz (Frankreich), die 5.000 beziehungsweise 1.500 Besucher hatten, wurden maßgeblich von deutschen Rechtsextremisten organisiert und auch überwiegend von deutschen Angehörigen des subkulturellen rechtsextremistischen Spektrums besucht. Auch reisten Rechtsextremisten aus den angrenzenden europäischen Ländern zu größeren Musikveranstaltungen nach Deutschland. So gehörten zu den etwa 6.000 Teilnehmern an der bislang größten rechtsextremistischen Musikveranstaltung am 15. Juli 2017 in Themar (Thüringen) auch Besucher aus Italien, Österreich, der Schweiz, der Slowakei, Tschechien und Ungarn (vgl. auch Kap. III Nr. 3). "Alliance for Peace Eine europaweite Vernetzung jenseits der subkulturellen rechtsexand Freedom" (APF) tremistischen Szene ist auch in anderen rechtsextremistischen Spektren über die Themenfelder "Anti-Asyl" beziehungsweise "Anti-Zuwanderung" zu beobachten. Neben den deutschsprachigen Anrainerstaaten Österreich und Schweiz, in die deutsche Rechtsextremisten gute Kontakte unterhalten, stellen insbesondere die Benelux-Staaten, Frankreich, Tschechien und Ungarn wichtige Bindeglieder dar. Dabei verläuft die Kooperation einerseits über institutionalisierte Formen - wie die "Alliance for Peace and Freedom" (APF), einer europäischen politischen Partei, an der auch die NPD mitwirkt (vgl. Kap. IV Nr. 1). 62 RECHTSEXTREMISMUS Andererseits pflegen deutsche Rechtsextremisten auch individuelInternationale le Kontakte zu Gesinnungsgenossen im europäischen Ausland, die Vernetzung der sie für diejenigen Organisationen nutzen, in denen sie Mitglieder Neonazi-Szene oder Funktionäre sind. Dies gilt beispielsweise für die beiden neonazistisch geprägten Kleinparteien "DIE RECHTE" und "Der III. Weg". Mitglieder dieser beiden Parteien beteiligen sich seit mehreren Jahren regelmäßig an wiederkehrenden Kundgebungen im europäischen Ausland. Hierzu gehören zentrale Demonstrationen wie der "Imia-Marsch" in Athen (Griechenland), der "Tag der Ehre" in Budapest (Ungarn) oder der "Lukov-Marsch" in Sofia (Bulgarien). Auch ausländischen Neonazis wird Gelegenheit gegeben, bei rechtsextremistischen Parteikundgebungen in Deutschland aufzutreten. So sprach zum Beispiel der Leiter der militanten skandinavischen Neonazi-Organisation "Nordische Widerstandsbewegung" (NRM) bei einer Demonstration der Partei "Der III. Weg" am 18. Februar 2017 in Würzburg (Bayern). Die Partei "DIE RECHTE" organisierte am 4. November 2017 in Schwerte (Nordrhein-Westfalen) einen Europakongress unter dem Motto "Gemeinsam für Europa", an dem rund 150 Gäste aus Bulgarien, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Russland und Ungarn teilnahmen. Nach dem Willen der Veranstalter soll dieser Kongress künftig jährlich und jeweils in einem anderen europäischen Land ausgerichtet werden. 3. Mobilisierungsund Bindungskraft von Musikveranstaltungen Rechtsextremistische Musik und Musikveranstaltungen besitzen Rechtsextremistische weiterhin eine herausragende Bedeutung für die rechtsextremistiMusik sche Szene. Sie dienen als Lockmittel für Jugendliche und junge Erwachsene, um sie an die rechtsextremistische Szene heranzuführen und letztlich auch zu binden. Außerdem fördern sie die Netzwerkbildung über verschiedene rechtsextremistische Spektren hinaus und den Zusammenhalt innerhalb der Szene. Anders als in den letzten Jahren, die durch den zahlenmäßigen Anstieg kleinerer Musikveranstaltungen mit einer geringen Teilnehmerzahl charakterisiert waren, wurde das Jahr 2017 durch Musikveranstaltungen mit bis zu 6.000 Teilnehmern geprägt: 63 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 2016 2017 Konzerte 68 68 Liederabende 71 88 Sonstige13 84 103 Insgesamt 223 259 Mit 850 Besuchern markierte das "Rock für Deutschland"-Festival der NPD am 1. Juli 2017 in Gera (Thüringen) unter dem Motto "Deutschland - Zukunft - Souveränität" den Auftakt einer Reihe von Freiluftmusikveranstaltungen mit Redeauftritten in Thüringen. Diese Konzerte waren durch professionelle Planung und hohe Besucherzahlen gekennzeichnet. Großveranstaltungen Im Berichtsjahr wurden insgesamt drei große rechtsextremistische in Themar Musikund Rednerveranstaltungen in Themar (Thüringen) organisiert: Die bislang größte rechtsextremistische Konzertund Rednerveranstaltung in Deutschland fand am 15. Juli 2017 statt und stand unter dem Motto "Rock gegen Überfremdung - Identität und Kultur bewahren". Rund 6.000 Teilnehmer waren mit 15 Bussen aus sieben Bundesländern und etwa 1.200 Privatautos angereist. Zudem registrierte die Polizei unter anderem Teilnehmer aus Italien, Österreich, der Schweiz, der Slowakei, Tschechien und Ungarn. Am 29. Juli 2017 fand eine weitere Veranstaltung ("Rock für Identität - Musik und Redebeiträge gegen die Abschaffung Deutschlands") statt, zu der rund 1.000 Besucher aus Deutschland und dem europäischen Ausland (vornehmlich Tschechien und Ungarn) anreisten. Am 28. Oktober 2017 versammelten sich erneut über 1.000 Teilnehmer zu einer rechtsextremistischen Musikveranstaltung mit Redebeiträgen unter dem Motto "Rock gegen Links - Musik und Redebeiträge gegen den Zeitgeist". Die Besucher kamen aus 13 Darunter fallen Demonstrationen, Parteiveranstaltungen oder Rednerauftritte, die von musikalischen Darbietungen rechtsextremistischer Interpreten flankiert werden. 64 RECHTSEXTREMISMUS dem Bundesgebiet und dem europäischen Ausland (Schweden, Schweiz und Russland). Nachdem sich das Veranstaltungskonzept in Themar aus Sicht des Veranstalters bewährt hatte und das Grundstück nach eigener Aussage des Veranstalters der oben genannten Großkonzerte an diesen verpachtet wurde, ist für 2018 mit einer Fortsetzung ähnlicher Großveranstaltungen an dieser Stelle zu rechnen. Allein die vier aufgeführten Musikund Rednerveranstaltungen in Thüringen hatten zusammengenommen ungefähr genauso viele Besucher wie alle rechtsextremistischen Konzerte im Jahr 2016. Die Bedeutung derartiger Veranstaltungen liegt im Zusammentreffen unterschiedlicher Strömungen der rechtsextremistischen Szene. Sie fördern nicht nur die szeneinterne Vernetzung, sondern erwirtschaften auch beträchtliche Gewinne, die wiederum lokalen Strukturen der rechtsextremistischen Szene zugutekommen können. 4. Ansätze für strategische Diskussionen Neonazistische, aber auch aus rechtsextremistischen Parteien stammende Autoren unternahmen im Jahr 2017 den Versuch, durch sehr unterschiedliche Publikationen und Diskussionsbeiträge strategische und ideologische Impulse zu setzen sowie szeneinterne Diskussionen zu initiieren. Im März 2017 erschien die erste von insgesamt sechs im Jahr 2017 "N.S. HEUTE" herausgegebenen Veröffentlichungen der neuen Publikation "N.S. HEUTE". Anlässlich des 30. Todestages des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß im August 2017 widmete sich eine Ausgabe dem Thema "30 Jahre Rudolf-Heß-Gedenk-Aktionen. Eine Chronik". Das Heft ist konzipiert als "ganzheitliches Magazin", erstellt "von Kameraden für Kameraden", und erhebt den Anspruch, neonationalsozialistisches "Denken und Handeln in Einklang zu bringen".14 Die Bandbreite der Beiträge reicht von Erfahrungsberichten und Interviews, ideologischen Abhandlungen, über Tipps zu Lebensstil 14 Vgl. "N.S. HEUTE" Nr. 1/2017, März/April 2017, S. 1. 65 RECHTSEXTREMISMUS und Ausflügen mit historischen Bezügen bis hin zu Porträts und Buchrezensionen. In der ersten Ausgabe unterstrich ein Artikel über den Prozess gegen das "Aktionsbüro Mittelrhein" vor dem LG Koblenz (Rheinland-Pfalz) und ein Porträt des "Nazi-Kiezes" Dortmund-Dorstfeld (Nordrhein-Westfalen) die Bezüge von "N.S. HEUTE" zur nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene. In einem weiteren Artikel wird das Leben und Wirken des SA-Sturmführers Horst Wessel glorifiziert. Außerdem bekennt sich der als führendes Mitglied der Partei "DIE RECHTE" bekannte Autor in einem Artikel unter der Überschrift "100% Rassismus, 0% Chauvinismus" zum Rassismus als Leitbild, das nach dortiger Darstellung lediglich der natürlichen Ordnung der Menschheit Rechnung trage und keine Abwertung anderer Rassen begründe. Internetblog "Rhein Ein neuer Internetblog mit dem Titel "Rhein Rausch Randale" Rausch Randale" versucht, in der neonationalsozialistischen Szene strategische und ideologische Impulse zu setzen. Der Blog hebt sich nicht nur wegen seines höheren Sprachniveaus von anderen ähnlichen Internetpräsenzen der Neonazi-Szene ab. Mit seiner Fokussierung auf ideologische und strategische Aspekte wird versucht, Diskurse innerhalb des neonationalsozialistischen Spektrums neu anzustoßen. Bemerkenswert ist neben dem Selbstbewusstsein, mit dem der Begriff Nationalsozialismus für die Szene vereinnahmt und positiv besetzt wird, auch die aggressive systemfeindliche Ausrichtung, die der Bundesrepublik ihre Legitimation abspricht. Allerdings konnte die hohe Zahl der noch im ersten Halbjahr 2017 veröffentlichten Blog-Beiträge nicht beibehalten werden. Nach einem Beitrag anlässlich der Bundestagswahl im September 2017 ("Wenn man sich mit dem Teufel einlässt...") erschien erst wieder im Dezember 2017 ein Beitrag zur Fortsetzung des Strafverfahrens gegen mutmaßliche Mitglieder des "Aktionsbüros Mittelrhein". Theoriezeitschrift Anfang Juli veröffentlichte die NPD-nahe Stiftung "Bildungswerk "Gegenlicht" für Heimat und nationale Identität e. V." die aufwendig gestaltete neue Theoriezeitschrift "Gegenlicht. Magazin für Kultur und Politik"15. Postulierter Anspruch der Projektverantwortlichen ist es, mit "Gegenlicht" ein pluralistisches Debattenorgan zu schaffen, das eine Gegenkultur zum Mainstream bildet. Das 128-seitige Magazin beschränkt sich jedoch inhaltlich im Wesentlichen auf 15 Homepage NPD (5. August 2017). 66 RECHTSEXTREMISMUS klassische "rechte" beziehungsweise rechtsextremistische Themen wie Identität und Überfremdung. Im Juli 2017 wurde auf der Homepage der Partei "Der III. Weg" ein Szeneinterne "Diskussionsbeitrag" mit der Überschrift "Die Szene ist unser Leitbild-Diskussion Unglück"16 veröffentlicht. Er thematisiert die bislang größte rechtsextremistische Musikveranstaltung Deutschlands im thüringischen Themar vom 15. Juli 2017 und polemisiert gegen Erscheinungsbild und Verhalten der 6.000 Besucher. So hätten Szeneangehörige bereits vor der Veranstaltung "unzählige alkoholische Getränke konsumiert" und Flaschenund Müllberge produziert, angesichts derer die Parole aus dem "Zehn-Punkte-Programm" der Partei "Umweltschutz ist Heimatschutz" zur "Farce" verkomme. Ein derartiges Verhalten konterkariere "unseren Versuch, den Menschen Werte und Normen nahezubringen". Zudem habe man die Taschenund Körperkontrollen vonseiten der Polizei und des Veranstalters widerspruchslos hingenommen, was bei jeder Demonstration oder anderen Veranstaltungen mit politischem Inhalt zu Tumulten geführt hätte. Mit Politik hätten diese Events nichts zu tun; im Gegenteil sei man mit derartig "asozialen" Aufmärschen im absoluten Mainstream angelangt, wobei es den meisten nur darum gegangen sei, ihren Drang nach Spaß und Konsum zu befriedigen. 5. Krisenszenarien und Krisenvorsorge Immer wieder gibt es in der rechtsextremistischen Szene vereinzelte Bestrebungen, sich auf einen Bürgerkrieg zwischen "einheimischen Deutschen" und "zugewanderten Fremden" vorzubereiten. Hierfür sollen ein personelles Netzwerk, Kommunikationswege, sichere Rückzugsräume mit ausreichend Lebensmitteln und Waffen geschaffen werden. Ziel ist es, an einem erwarteten "Tag X" sowohl verteidigungsfähig zu sein als auch (vermeintliche) Aufständische oder politische Funktionsträger attackieren zu können. Kennzeichnend für eine derartige Krisenvorsorge von RechtsexVorsorge für den tremisten ist dabei, dass sie den "Tag X" nicht nur befürchten, wie "Tag X" 16 Homepage "Der III. Weg" (19. Juli 2017). Die Überschrift ist eine Anspielung auf die von den Nationalsozialisten verwendete Parole "Die Juden sind unser Unglück". 67 RECHTSEXTREMISMUS Aktivisten der unpolitischen "Prepper-Szene"17, sondern entweder selbst herbeiführen wollen oder zur Realisierung ihrer extremistischen Vorstellungen nutzen wollen. Entsprechende Diskussionen in der Szene über eine Krisenvorsorge gehen einher mit Überlegungen, sich für einen vermeintlich unmittelbar bevorstehenden Bürgerkrieg zwischen autochthoner Bevölkerung und "marodierenden Ausländerhorden" zu bewaffnen. Am 28. August 2017 fanden in Mecklenburg-Vorpommern Durchsuchungsmaßnahmen wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (SS 89a StGB) statt. Die Beschuldigten hatten sich - nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen - mit weiteren Personen in verschiedenen Chatgruppen über die aus ihrer Sicht verfehlte Flüchtlingspolitik ausgetauscht. Sie erwarteten bürgerkriegsähnliche Zustände bis hin zum Zusammenbruch der staatlichen Ordnung und legten Vorräte an Lebensmitteln, Edelmetallen und Munition für ihre bereits legal beschafften Waffen an. Die beiden Beschuldigten selbst sollen den erwarteten Krisenfall als Chance gesehen haben, Vertreter des "linken" Spektrums festzusetzen und zu töten. Zu diesem Zweck sollen sie bereits Informationen über politische Gegner gesammelt haben. 6. Rechtsextremistische Aktivitäten in der Kampfsportszene Die Kampfsportszene mit ihren Veranstaltungen weist grundsätzlich keinen ideologischen Einschlag auf. Dessen ungeachtet genießt Kampfsport innerhalb des gewaltorientierten rechtsextremistischen Lagers eine hohe Popularität und besitzt eine integrierende Funktion. Beispielhaft ist hier der "Kampf der Nibelungen" zu nennen. Dabei handelt es sich um die größte organisationsübergreifende Kampfsportveranstaltung der rechtsextremistischen Szene in Europa, die am 14. Oktober 2017 in Kirchhundem (Nordrhein-Westfalen) mit rund 500 Zuschauern und Kämpfern stattgefunden hat. Unter den Teilnehmern der Veranstaltung, die bereits zum fünften Mal in Folge und im Jahr 2017 mit dem bislang stärksten Zulauf stattfand, befanden sich Rechtsextremisten 17 Unter "Preppern", abgeleitet vom englischen Wort "to prepare" (sich vorbereiten), versteht man Personen und Personengruppen, die sich im Rahmen der persönlichen Notfallvorsorge auf Katastrophen wie beispielsweise Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen oder Kriege vorbereiten. 68 RECHTSEXTREMISMUS aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Bulgarien, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Russland. 7. Geschichtsrevisionistische Akteure Geschichtsrevisionismus ist der Versuch, ein wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich anerkanntes Geschichtsbild zu revidieren, indem bestimmte Ereignisse wesentlich anders als in der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft dargestellt, erklärt beziehungsweise gedeutet werden. Rechtsextremisten entwickeln, pflegen und verbreiten eine verfälschende Geschichtsbetrachtung, mit der sie die Verantwortung des Hitler-Regimes für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs anzweifeln und den systematischen Massenmord an Juden weitestgehend abstreiten oder suchen ihn zu widerlegen. Revisionisten sind keine feste oder strukturierte Gruppierung innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Revisionistische Vorstellungen dagegen sind in weiten Teilen der Szene Allgemeingut. Dass dieses Thema auch weiterhin aktuell ist, zeigen Beispiele aus Revisionistische dem Jahr 2017: Protagonisten Am 13. April 2017 verurteilte das Amtsgericht (AG) Verden (Niedersachsen) den Holocaustleugner und Geschichtsrevisionisten Rigolf Hennig wegen Volksverhetzung in mehreren Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung. Hennig hatte in mehreren Beiträgen in der rechtsextremistischen Publikation "Stimme des Reiches" (SdR) die massenhafte Ermordung von Juden geleugnet. Der Holocaustleugner Horst Mahler entzog sich dem Haftantritt (wegen einer Reihe von Volksverhetzungsdelikten) im April 2017 durch eine Flucht nach Ungarn, die er durch Videobotschaften als Medienereignis inszenierte. Wenige Wochen später nahm die ungarische Polizei Mahler fest und lieferte ihn an die deutschen Behörden aus. Auf der eigens im Mai 2017 registrierten Homepage "Horst-Mahler.net" wird über Solidaritätsaktionen in verschiedenen deutschen Städten vor den dortigen ungarischen Vertretungen berichtet. An den Versammlungen nahmen unter anderem Vertreter der NPD sowie der Partei "DIE RECHTE" teil. 69 RECHTSEXTREMISMUS Im August 2017 starb der Revisionist Ernst Zündel im Alter von 78 Jahren. Diverse Nachrufe aus der inund ausländischen rechtsextremistischen Szene würdigten Zündel. So hieß es auf der Homepage der Partei "Der III. Weg": "Für uns völlig unerwartet, verstarb einer der größten Kämpfer unseres Volkes für die geschichtliche Wahrheit. Ernst! Wir verneigen uns vor Deinem Mut, vor Deiner Standfestigkeit und Opferbereitschaft!" (Homepage "Der III. Weg", 6. August 2017) Die vielleicht bekannteste noch aktive Vertreterin des Revisionismus in Deutschland ist die bereits mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel. Immer wieder befanden deutsche Gerichte sie der Volksverhetzung gemäß SS 130 StGB für schuldig und verurteilten sie zu teilweise mehrjährigen Haftstrafen. Wegen Volksverhetzung verurteilten sie zuletzt das LG Verden (Niedersachsen) im August 2017 zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe und das AG Detmold (Nordrhein-Westfalen) im November 2017 zu 14 Monaten - jeweils ohne Bewährung. Haverbeck-Wetzel legte gegen alle Urteile Rechtsmittel ein. Im Februar 2018 verwarf das OLG Celle (Niedersachsen) ihre angestrebte Revision, sodass das Urteil des LG Verden rechtskräftig wurde. Die provokativen öffentlichkeitswirksamen Auftritte von Haverbeck-Wetzel, ihre Uneinsichtigkeit trotz hoher Strafen sowie ihr hohes Alter sichern ihr die Bewunderung jüngerer Rechtsextremisten, die angesichts der hohen Strafandrohungen überwiegend eine offene Holocaustleugnung vermeiden. Dass direkte Bezüge zum historischen Nationalsozialismus in der rechtsextremistischen Szene eine mobilisierende Wirkung entfalten können, zeigt die Demonstration zum 30. Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß am 19. August 2017 in BerlinSpandau unter dem Motto "Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei - Recht statt Rache!". An ihr nahmen bis zu 750 Rechtsextremisten aus ganz Deutschland teil. Die vordergründige Forderung nach Freigabe der britischen Akten zum Tod von Heß und nach rechtsstaatlicher Aufklärung des Falles dient lediglich der Verbrämung geschichtsrevisionistischer Propaganda. Die Verklärung von Heß als Friedensvermittler zwischen Deutschland und Großbritannien und die Behauptung, Großbritannien hätte die Absicht gehabt, durch Ablehnung eines solchen Angebotes den europäischen Krieg zum Weltkrieg auszuweiten, sollen die 70 RECHTSEXTREMISMUS Schuld des nationalsozialistischen Deutschlands am Ausbruch und Verlauf des Zweiten Weltkriegs negieren. 8. Veränderte Funktionen rechtsextremistischer Parteien Die schwachen Wahlergebnisse rechtsextremistischer Parteien haben sich bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 besonders deutlich bestätigt. Während die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) aufgrund ihres schlechten Zweitstimmenergebnisses ihren Anspruch auf Zahlungen aus der staatlichen Parteienfinanzierung für die Teilnahme an dieser Bundestagswahl verlor, blieb die Partei "DIE RECHTE" mit ihrem Ergebnis unterhalb der Wahrnehmungsgrenze. Die Partei "Der III. Weg" trat erst gar nicht an. In Zukunft dürften folgende Aspekte für die Rolle rechtsextremistischer Parteien wichtig werden. Zunächst steht eine zunehmende Vernetzung durch KooperatioVernetzung durch nen mit anderen Akteuren des rechtsextremistischen Spektrums Kooperation im Fokus. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gewaltorientierten Rechtsextremisten - sowohl in der NPD als auch besonders in den kleineren Parteien - organisatorische Plattformen geboten werden. Aufgrund des vergleichsweise hohen Organisationsgrades kommt den Parteien eine logistische Funktion zu, etwa indem sie Demonstrationen anmelden oder Konzerte als Parteiveranstaltungen deklarieren. Da die Parteien öffentlich auftreten und in der Regel über flächendeckende Organisationsstrukturen verfügen, dienen sie ebenso als Anlaufpunkt für interessierte Personen, sodass sie auch für die Rekrutierung neuer Anhänger eine wichtige Rolle spielen. Nicht zuletzt versuchen die Parteien, durch Schulungsmaßnahmen, Vorträge und den Austausch mit anderen Akteuren die Professionalisierung ihrer Mitglieder zu betreiben. 71 RECHTSEXTREMISMUS IV. Rechtsextremistisches Parteienspektrum 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die Ablehnung des Bundesratsantrags auf ein Parteiverbot durch das BVerfG am 17. Januar 2017 konnte die NPD nicht nutzen, um - wie von ihr erhofft - ein Wiedererstarken der eigenen Strukturen einzuleiten und den Negativtrend der vorausgegangenen Landtagswahlen zu wenden. Der Partei fiel es sichtlich schwer, mit der Urteilsbegründung des Gerichts umzugehen, das die politischen Ziele der NPD zwar als verfassungsfeindlich, deren Verwirklichungsaussicht aber als zu gering einstufte, um ein Verbot hinreichend begründen zu können. In der Folgezeit übte die NPD scharfe Kritik am Urteil, ohne allerdings ihre ideologischen Positionen zu ändern, deren völkische Komponenten sie vielmehr bekräftigte und radikalisierte. Zudem scheiterte der Versuch, durch ein moderneres und bürgernahes Auftreten die eigene Reichweite zu vergrößern. Die Wahlergebnisse 2017 blieben wie im Vorjahr weit unter den eigenen Erwartungen und verursachten erneute parteiinterne Debatten über Selbstverständnis und Ausrichtung der NPD. Die Partei zeigte sich aber bemüht, ihre grundsätzliche Handlungsfähigkeit durch eine modifizierte Schwerpunktsetzung und optimierte Handlungsabläufe zu wahren. Reaktion der Die NPD wies die Kritik des BVerfG am ethnisch definierten VolksNPD auf das begriff in einer Vielzahl von Äußerungen vehement zurück. Der Verbotsverfahren Parteivorsitzende Franz sprach auf seiner Facebook-Seite etwa von einer "Kriegserklärung" des Gerichts an das deutsche Volk, die die an ihrem Wesenskern festhaltende NPD nicht hinnehmen werde.18 Der stellvertretende Parteivorsitzende Ronny Zasowk äußerte, die NPD werde sich der "höchstrichterliche[n] Abschaffung des deutschen Volkes" widersetzen. Die Argumentation der Richter entlarve diese als die "wahren Verfassungsfeinde".19 Machtzuwachs Neben etlichen Stellungnahmen, die die Fortführung des vom Gedes radikalen richt als verfassungsfeindlich eingestuften völkischen Kurses beParteiflügels tonten, zeigten auch Personalentscheidungen den Machtzuwachs des radikalen Parteiflügels in der NPD: Thorsten Heise, ein 18 Facebook-Seite von Frank Franz (19.Januar 2017). 19 Homepage NPD (23. Januar 2017). 72 RECHTSEXTREMISMUS exponierter Vertreter der neonationalsozialistischen Strömung in der NPD, wurde am 18. Februar 2017 zum thüringischen Landesvorsitzenden gewählt und am 11. und 12. März 2017 zum stellvertretenen Bundesvorsitzenden, nachdem er zuvor in einer Kampfkandidatur um den Bundesvorsitz gegen den nach außen moderater auftretenden Amtsinhaber Franz unterlegen war. Deutsch zu sein, so Heise, sei nur durch deutsche Eltern möglich, weshalb sich die NPD von dem "undemokratischen Schandurteil von Karlsruhe" einhellig und unmissverständlich distanzieren müsse.20 Heise nahm explizit für sich in Anspruch, Stimme und Gesicht des "völkischen Flügels" zu sein, und plädierte dafür, die NPD wieder stärker für Aktivisten anderer "nationaler" Parteien oder politischer Vorfeldorganisationen zu öffnen. Im Übrigen bezeichnete auch der wiedergewählte Vorsitzende Franz die von Heise repräsentierte ideologische Strömung als wichtigen und unverzichtbaren Teil der NPD.21 Der NPD gelang es nicht, die mit dem BundesverfassungsgerichtsWahlergebnisse 2017 urteil und der Zurückweisung des Verbotsantrags verbundene Publizität in einen, die eigenen Wahlchancen begünstigenden, Mobilisierungsschub umzuwandeln. Bei der saarländischen Landtagswahl am 26. März 2017 trat sie mit dem Spitzenkandidaten Peter Richter an, der die Partei im vorausgegangenen Verbotsverfahren als Prozessbevollmächtigter vertreten hatte und insofern über einen relativen Bekanntheitsgrad verfügte. Die NPD erreichte allerdings in einer für sie vermeintlich günstigen Gesamtkonstellation nur einen Stimmenanteil von 0,7 % (absolut: 3.744 Stimmen) und verlor im Vergleich zu 2012 ein Drittel ihrer damaligen saarländischen Wähler. Bei den drei weiteren Landtagswahlen des Jahres 2017 in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen kandidierte die NPD nur im bevölkerungsreichsten Bundesland, wo sie aber am 14. Mai 2017 mit dem Ergebnis von 0,3 % (absolut: 28.723 Zweitstimmen) die eigenen Erwartungen verfehlte. Die hauptsächliche Konzentration der NPD galt aber der Bundestagswahl im September 2017. Wegen des Verlusts ihrer Landtagsfraktionen in Sachsen (2014) und Mecklenburg-Vorpommern (2016) musste die NPD erstmals seit 2002 wieder bundesweit 20 Facebook-Seite von Thorsten Heise (21. Februar 2017). 21 Homepage NPD (13. März 2017). 73 RECHTSEXTREMISMUS insgesamt knapp 28.000 Unterstützungsunterschriften sammeln, um flächendeckend antreten zu können. Tatsächlich schaffte es die Partei mit einem äußersten personellen Kraftakt, die erforderlichen Unterschriften in sämtlichen Bundesländern bis zur Abgabefrist Mitte Juli 2017 zusammenzutragen. In Berlin verhinderte jedoch ein Formfehler den Wahlantritt der NPD, die insofern bei der Bundestagswahl nur mit 15 Landeslisten präsent war. Einen Erfolg versprechenden Aufbruch glaubte die NPD vor allem mit ihrem Wahlkampfauftakt am 22. Juli 2017 in Riesa (Sachsen) zu initiieren, auf dem die Veranstaltungsteilnehmer mit aggressiven Reden auf Geschlossenheit und eine strikt völkische Linie eingeschworen wurden. So betonte der ehemalige NPD-Fraktionsvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs, dass nur derjenige zum deutschen Staatsvolk gehöre, "der weiß ist wie wir und aussieht wie wir". Der Parteivorsitzende Franz warnte, die Wähler müssten sich entscheiden, ob sie als deutsches Volk leben wollten oder "ob wir in einem ethnischen Gemischtwarenladen aufgehen, in dem es an der Tagesordnung ist, dass weiße Frauen von eingeschleppten Horden vergewaltigt und belästigt werden".22 Ungeachtet ihrer agitatorischen und auf maximale Provokation setzenden Hetze kam die NPD aber am Wahltag des 24. September 2017 nicht über 0,4 % (absolut: 176.020 Zweitstimmen) hinaus und verlor im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 (1,3 %; absolut: 560.828 Zweitstimmen) etwa 70 % ihrer damaligen Wählerschaft. Durch das Unterschreiten der 0,5 %-Schwelle finden die bei der Finanzielle Bundestagswahl für die NPD abgegebenen Stimmen keine BerückEinbußen nach der sichtigung mehr bei der staatlichen Parteienfinanzierung. Statt der Bundestagswahl ursprünglich angenommenen staatlichen Mittel in einer Gesamtsumme von 1.137.511,55 Euro standen der NPD deshalb für das Jahr 2017 tatsächlich staatliche Gelder im Umfang von 852.333,72 Euro zu. Ausrichtung Perspektivisch stellte das NPD-Präsidium nach der Bundestagsder Partei wahl die Bedeutung des Jahres 2019 mit Kommunalwahlen in acht Bundesländern, der Europawahl sowie den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg heraus. Besondere Hoffnungen ruhen dabei auf den Landtagswahlen in den drei ostdeutschen Bundesländern, die durch ein aus Sicht der Partei erhöhtes 22 Facebook-Seite NPD (25. Juli 2017). 74 RECHTSEXTREMISMUS Protestwählerpotenzial in der Bevölkerung und ein entsprechendes gesellschaftspolitisches Klima vergleichsweise günstige Rahmenbedingungen aufweisen, um eigene Positionen erfolgreicher zu vermitteln.23 Die herbe Niederlage am 24. September 2017 löste aber auch erneut eine parteiinterne Debatte über Ausrichtung und Selbstverständnis der NPD aus. So forderte der stellvertretende Parteivorsitzende Heise, die NPD müsse sich zukünftig stärker als konsequente "Weltanschauungspartei" verstehen und präsentieren, statt tagespolitische Themen zu bedienen.24 Die ideologische Selbstvergewisserung der NPD, die nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil Anfang 2017 einsetzte, mündete Ende des Jahres in einer noch deutlicheren Akzentuierung der völkisch-rassistischen Überzeugungen. Der Status als Wahlpartei ist für die NPD relevant, und es dürfte ihr im Jahr 2018 darum gehen, zunächst innerhalb des "nationalen Widerstands" beziehungsweise des rechtsextremistischen Spektrums durch ideologische Festigkeit, Offenheit für nicht parteiorientierte Aktivisten und die Durchführung strömungsübergreifender Großveranstaltungen eine Führungsrolle zurückzugewinnen. Die NPD-Teilorganisationen "Junge Nationalisten"25 (JN), "Ring NPD-TeilNationaler Frauen" (RNF) und "Kommunalpolitische Vereinigung organisationen der NPD" (KPV) traten im Jahr 2017 weniger in Erscheinung als im Vorjahr. Mit einem geschätzten Mitgliederstand von 280 Personen (2016: 320) sind die JN immer noch eine relevante Größe in der NPD, doch offenbarte das Fehlen einer klaren Leitungsstruktur im Jahr 2017 die Führungsschwäche des Jugendverbands. Der RNF fiel lediglich durch den Wechsel des Vorsitzes auf. Die KPV spielte im Jahr 2017 keine erkennbare Rolle; die rund 320 kommunalen Mandate der NPD sind jedoch auch weiterhin ein nicht zu vernachlässigender Faktor in der Partei. Der Deutsche Stimme-Verlag gab auch 2017 parteieigene Publikationen heraus und veröffentlichte als bedeutendste Schrift der NPD das monatliche Parteiorgan "Deutsche Stimme". Von unverändert beträchtlichem Nutzen ist die Einbindung der Europäische NPD in das rechtsextremistische europäische Parteienbündnis Vernetzung "Alliance for Peace and Freedom" (APF) und die APF-nahe Stiftung "Europa Terra Nostra" (ETN). Diese sind nicht nur wegen ihrer 23 Homepage NPD (26. September 2017). 24 Facebook-Seite von Thorsten Heise (26. September 2017). 25 Bis zum 13. Januar 2018 unter der Bezeichnung "Junge Nationaldemokraten". 75 RECHTSEXTREMISMUS finanziellen Ausstattung - die APF erhielt im Jahr 2016 Finanzmittel des EU-Parlaments in Höhe von 328.661 Euro; die ETN konnte über 151.403 Euro an EU-Geldern verfügen26 -, sondern auch wegen der Möglichkeit, internationale Veranstaltungen auszurichten, von hohem Interesse für die NPD. Diesbezüglich zu nennen sind für das Jahr 2017 etwa die APF-Konferenzen in Genua (Italien) am 11. Februar und Brünn (Tschechien) am 18. November sowie die ETN-Veranstaltungen in Berlin am 1. und 2. Juli, in Bratislava (Slowakei) vom 21. bis 23. September und in Göteborg (Schweden) am 28. Oktober. 2. "DIE RECHTE" Die Partei "DIE RECHTE" hatte im Jahr 2017 einen leichten Rückgang der Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Sie unterhält derzeit zehn Landesverbände, wovon der Landesverband "Südwest" die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland umfasst. Im mitgliederstärksten Landesverband Nordrhein-Westfalen liegt weiterhin das Zentrum der Partei. Ein weiterer Landesverband mit nennenswerter Mitgliederstärke, jedoch deutlich geringerem Aktivitätsniveau, existiert in Baden-Württemberg. Die anderen formell vorhandenen Landesverbände sind überwiegend inaktiv. Dies kann als Indikator dafür gesehen werden, dass die Parteistruktur auch weiterhin ausschließlich als relativer Schutzmechanismus vor staatlichen Maßnahmen fungiert, in dem sich Angehörige von verbotenen oder potenziell bald verbotenen rechtsextremistischen Kameradschaften zusammenfinden. Mit Demonstrationen, Infoständen, Flugblattverteilungen sowie Internetveröffentlichungen propagierte "DIE RECHTE" rassistische, antisemitische, islamfeindliche und revisionistische Inhalte. Die Bandbreite des Vokabulars reichte dabei von Begrifflichkeiten aus dem historischen Nationalsozialismus ("Volksgemeinschaft") bis hin zu "modernen" Slogans ("Indigene Jugend"). Rücktritt des BundesZum Jahresende wurden schwere innerparteiliche Konflikte vorsitzenden deutlich: So trat der seit Parteigründung im Mai 2012 amtierende Bundesvorsitzende Christian Worch nahezu unmittelbar nach seiner Wiederwahl auf dem Bundesparteitag am 28. Oktober 2017 26 Homepage des Europäischen Parlaments (29. März 2018). 76 RECHTSEXTREMISMUS in Hamm (Nordrhein-Westfalen) überraschend zurück. Anlass war eine verlorene Kampfabstimmung über die inhaltliche Ausrichtung der Partei. Wenig später erklärte der gesamte Vorstand des Landesverbands Thüringen seinen Rücktritt und kündigte zugleich seinen Parteiaustritt an. Der Hintergrund dieser Verwerfungen dürfte in der Dominanz des nordrhein-westfälischen Landesverbands zu sehen sein sowie in Streitigkeiten über die programmatische Ausrichtung der Partei. Ebenfalls könnten Vorwürfe eine Rolle gespielt haben, nach denen der Landesverband Thüringen Anteile der Mitgliedsbeiträge nicht an den Bundesverband abgeführt habe. Der nordrhein-westfälische Landesverband - vor allem der aktivistisch geprägte Dortmunder Kreisverband - gewann durch diese Entwicklungen auf Bundesebene weiter deutlich an Einfluss. Sowohl der kommissarische Parteivorsitzende als auch fünf weitere Mitglieder des Bundesvorstands stammen nunmehr aus Nordrhein-Westfalen. Einen Wahlerfolg konnte "DIE RECHTE" auch im Jahr 2017 nicht Wahlteilnahme verbuchen. Die Beteiligungen an der Landtagswahl in NordrheinWestfalen am 14. Mai 2017 und an der Bundestagswahl am 24. September 2017 (nur in Baden-Württemberg) blieben im Hinblick auf das Wahlergebnis unterhalb der Wahrnehmungsschwelle und dienten in erster Linie der medialen Aufmerksamkeit sowie der Manifestation der Parteieigenschaft im Sinne des Parteiengesetzes. Gleiches gilt für die Kandidaturen des bisherigen Bundesvorsitzenden Worch sowie eines weiteren Parteiaktivisten bei Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg in der ersten Jahreshälfte. Ihre internationale Vernetzung trieb "DIE RECHTE" insbesondere mit einem Kongress unter dem Motto "Gemeinsam für Europa" am 4. November 2017 in Schwerte (Nordrhein-Westfalen) voran. Unter den Teilnehmern befanden sich auch Vertreter rechtsextremistischer Organisationen aus dem europäischen Ausland sowie Russlands mit teils "militanter" Prägung. Eine Anti-EU-Kampagne mit dem Titel "Europa erwache!"27 wurde bis zum 14. April 2018 durchgeführt und mit einer Demonstration in Dortmund unter internationaler Beteiligung zum Abschluss gebracht. 27 Das Motto ist offenkundig in Anlehnung an die nach SS 86a StGB strafbewehrte öffentliche Verwendung der nationalsozialistischen Parole "Deutschland erwache!" gewählt. 77 RECHTSEXTREMISMUS 3. "Der III. Weg" Die 2013 gegründete rechtsextremistische Kleinstpartei "Der III. Weg" konnte im Jahr 2017 ihre Strukturen nicht ausbauen und verfügt derzeit nur noch über 20 Stützpunkte (2016: 21). Drei von vier geplanten Gebietsverbänden wurden bislang gegründet. Die Partei ist in den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, RheinlandPfalz und Sachsen aktiv, tritt aber auch in weiteren Bundesländern in Erscheinung. Im Norden der Bundesrepublik ist es der Partei "Der III. Weg" bislang nicht gelungen, Strukturen aufzubauen. Die Partei versammelt insbesondere Personen, die der neonazistischen Szene angehören. Strategische "Der III. Weg" lehnt das Wertesystem der freiheitlichen demokraPositionierung tischen Grundordnung ab und strebt nach einer Gesellschaftsordnung in Anlehnung an den historischen Nationalsozialismus. Insofern nimmt die Partei für sich in Anspruch, "keine Partei wie jede andere" zu sein, und sieht sich in kompromissloser Opposition zum "System der BRD". Die Beteiligung an Wahlen sowie an dem Prozess der demokratischen Willensbildung - der ureigenen Funktion einer demokratischen Partei - betrachtet "Der III. Weg" nach wie vor als "vorgegebenen Weg" in einem doch verachteten System. So sieht die Partei Entscheidungsträger in höheren Hierarchieebenen als "Feinde" an. Beamte beim polizeilichen Staatsschutz oder Verfassungsschützer trügen zum Erhalt des "volksfeindlichen Systems der BRD" bei.28 Dominierende AsylDie Themen "Flüchtlingskrise" und "Asylproblematik" standen und Fremdenfeindauch im Jahr 2017 im Mittelpunkt der Parteiaktivitäten. Entsprelichkeit chend schürte die Partei auf ihrer Homepage Überfremdungsängste und äußerte sich abfällig gegenüber der Religion des Islam im Besonderen und gegenüber Ausländern im Allgemeinen; vorsätzlich wird bei dieser Agitation der Unterschied zwischen Islam und Islamismus übergangen. Vielmehr gilt das Bestehen islamischer Gemeinden grundsätzlich als aggressiver Akt einer Religion, die überwiegend mit nicht friedlichen Mitteln verbreitet werde und der eine gewalttätige Natur immanent sei. Als "Belege" für diese Behauptungen berichtet "Der III. Weg" nahezu wöchentlich auf seiner Homepage - basierend auf Mutmaßungen und ohne 28 Homepage "Der III. Weg" (14. Juli 2017). 78 RECHTSEXTREMISMUS Quellenangaben - über angebliche und tatsächliche Fälle von Ausländerkriminalität in Deutschland. Im Kontext der These einer "drohenden Islamisierung Europas" arbeitet die Partei mit ausländischen rechtsextremistischen Personen und Organisationen zusammen. So hatte "Der III. Weg" etwa zweimal Vertreter der in Skandinavien aktiven rechtsextremistischen "Nordischen Widerstandsbewegung" (NRM) nach Deutschland als Redner eingeladen. Persönliche Kontakte existieren auch zu Rechtsextremisten in Griechenland, Portugal und Bulgarien. Mit der Einrichtung eines Bürgerbüros in Plauen (Sachsen) im Januar 2017, verbunden mit einer monatlichen "Volksküche" und einer Abgabestelle für Kleidung ("Winterhilfe") und Spielzeug für bedürftige deutsche Personen und Familien, sollen Kontakte zur örtlichen Bevölkerung hergestellt und Sympathie erlangt werden. Mit dem Einsatz sogenannter Nationaler Streifen suggeriert "Der III. Weg", für die Bevölkerung Sicherheit vor vermeintlich kriminellen Ausländern gewährleisten zu wollen. "Auch in Zukunft werden Aktivisten unserer Partei 'Der III. Weg' auf den Straßen von Olpe Präsenz zeigen. Jeder Bürger, der auf die 'klugen' Verhaltensregeln der Polizei zum Selbstschutz verzichten möchte und sich lieber aktiv an der Herstellung von Sicherheit im Olper Stadtgebiet beteiligen möchte (...), kann sich jederzeit bei unserer Partei melden!" (Homepage "Der III. Weg", 1. Dezember 2017) 79 RECHTSEXTREMISMUS V. Verdachtsfall "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD)29 Verdachtsfall Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) wurde erstmals nach "Identitäre ihrer Gründung im Internet beziehungsweise auf Facebook im OkBewegung tober 2012 bekannt. Anfangs handelte es sich bei der IBD um ein Deutschland" (IBD) rein virtuelles Phänomen. Mittlerweile hat die IBD unter anderem mit zahlreichen Flashmob-Aktionen den Sprung in die reale Welt vollzogen und ist in vielen Bundesländern mit regionalen Untergruppen aktiv. Die IBD und ihre Mitglieder haben sich im Internet, vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Instagram, eine Struktur aufgebaut, die sie zur Vorstellung und Verbreitung ihrer politischen Aussagen und Kampagnen nutzen. Gleichzeitig erfolgen dort die Kommunikation von Mitgliedern und Sympathisanten sowie die Dokumentation ihrer durchgeführten Aktionen. Die IBD verfügt in Deutschland über etwa 500 Mitglieder (2016: 300). Ideologie Die IBD sieht sich in ihrer Selbstdarstellung als Teil einer europaweiten, patriotischen Jugendbewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, mit den Mitteln des Aktionismus, politischer Bildungsarbeit sowie gemeinschaftlicher und kultureller Aktivitäten für die Werte Heimat, Freiheit und Tradition einzustehen. Die IBD bekennt sich offen zum Konzept des Ethnopluralismus, wonach die Idealvorstellung einer staatlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Ordnung in einem ethnisch und kulturell homogenen Staat besteht. Vor diesem Hintergrund lehnt die IBD den sogenannten Multikulturalismus ab, da dieser bewusst eine Heterogenisierung der Gesellschaft fördere und das Konzept der Integration aushebele. Die IBD will Zuwanderung vielmehr nach ethnisch und völkisch-abstammungsmäßigen Kriterien steuern. Die IBD fordert eine "identitäre" - im Gegensatz zur bestehenden repräsentativen - Demokratie; das heißt, man wolle eine "echte, direkte" Demokratie schaffen. Für diese aber sei eine Homogenität des Volkes erforderlich, die durch eine - behauptet - unkontrollierte Massenzuwanderung in ihrem Bestand gefährdet sei. Vor diesem 29 Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Beobachtung der "Identitären Bewegung Deutschland" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Darstellung im Verfassungsschutzbericht 2016 sind zurzeit Gerichtsverfahren vor dem VG Köln (zum Zeitpunkt der Drucklegung noch ohne Az.) und dem VG Berlin (Az: VG 1 K 606.17; VG 1 K 180.18 und VG 1 L 605.17) rechtshängig. 80 RECHTSEXTREMISMUS Hintergrund kritisiert die IBD die gegenwärtige Asylpolitik, spricht von einer zunehmenden Islamisierung des Landes und fordert unter dem Leitwort "Remigration" unter anderem "klare Umkehrungsmaßnahmen der Migrationsströme". Die IBD praktiziert eine große Bandbreite an Aktionsformen in der Aktionsformen Öffentlichkeit. Neben Transparentoder Flugblattverteilaktionen trat die IBD auch mit großen, medienwirksamen Aktionen wie zum Beispiel der Protestaktion am Eingang des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz am 19. Mai 2017 in Berlin in Erscheinung. Die Kampagne "Defend Europe", initiiert und durchgeführt von "identitären" Aktivisten mehrerer westeuropäischer Länder, richtete sich gegen die europäische "Asylund Migrationspolitik" und gegen "kriminellen Menschenhandel und das Einwanderungsgeschäft von Nichtregierungsorganisationen". Hieran beteiligte sich die IBD aktiv, indem sie etwa in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2017 vor dem Büro des Bayerischen Flüchtlingsrates in München (Bayern) eine symbolische Mauer errichtete oder am 27. Mai 2017 in Berlin während einer Diskussionsrunde auf dem Evangelischen Kirchentag eine sogenannte Intervention durchführte. Von einzelnen Mitgliedern der IBD ist bekannt, dass sie KontakVerdachtsfallte in die rechtsextremistische Szene unterhalten. Auch gehörten bearbeitung einige Führungsaktivisten zuvor rechtsextremistischen Organisationen an. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der auf ethnisch, völkisch-abstammungsmäßigen Kriterien fußenden einwanderungskritischen und islamfeindlichen Haltung der IBD liegen tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung vor, die eine Bearbeitung der Gruppierung durch das BfV im Rahmen eines Verdachtsfalls begründen. 81 RECHTSEXTREMISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Frank Franz Mitglieder/Anhänger 4.500 (2016: 5.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Deutsche Stimme" (Zeitung, monatlich, Auflage: 25.000) "DS-TV" (Internet-TV-Projekt) Teil-/Nebenorganisationen: 16 Landesverbände zzgl. Kreisund Regionalverbände "Junge Nationalisten" (JN; Jugendorganisation) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) 82 RECHTSEXTREMISMUS Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) ist die mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Ideologisches Kernelement der NPD ist die Vorstellung einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft". Das "Volksgemeinschafts"Dogma bestimmt die grundsätzliche Fremdenfeindlichkeit der Partei. Die fremdenfeindliche Agitation der Partei belegt Ausländer, Muslime und Asylbewerber pauschal mit Negativeigenschaften und diffamiert diese als Bedrohung für die einheimische Bevölkerung. Auch der Antisemitismus ist ein fester Bestandteil der NPD-Agitation. Mit geschichtsrevisionistischen Äußerungen unterstreicht die NPD ihre grundsätzlich bejahende Haltung gegenüber dem NS-Regime und ihr Bemühen, die Zeit des Nationalsozialismus fundamental umzudeuten beziehungsweise Teilbereiche als vorbildlich darzustellen. Die sogenannte Vier-Säulen-Strategie - "Kampf um die Köpfe", "Kampf um die Straße", "Kampf um die Parlamente" und "Kampf um den organisierten Willen" - verdeutlicht seit Jahren die Intention der NPD, den demokratischen Verfassungsstaat systematisch und umfassend zu bekämpfen. 83 RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Junge Nationalisten"30 (JN) Gründung: 1969 Sitz: Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) seit 13. Januar 2018: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Sebastian Richter31 seit 13. Januar 2018: Christian Häger Mitglieder/Anhänger 280 (2016: 320) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Der Aktivist" (keine Ausgabe 2017) Mit den "Jungen Nationalisten" (JN) verfügt die NPD über eine Jugendorganisation, die laut Satzung "integraler Bestandteil" der Gesamtpartei ist. Ziel der JN ist die Verbreitung nationalistischer und völkischer Positionen. Die JN sind bestrebt, eigene Akzente und Agitationsschwerpunkte zu setzen sowie entsprechende Kampagnen und öffentlichkeitswirksame Aktionen mit der Zielgruppe Jugendliche/Erstwähler zu initiieren. Während die Mutterpartei sich unter anderem als parlamentarischer Arm der "nationalen Opposition" versteht, sehen die JN ihren Tätigkeitsschwerpunkt im "vorpolitischen Raum". 30 Bis zum 13. Januar 2018 unter der Bezeichnung "Junge Nationaldemokraten" aktiv. 31 Der im Dezember 2014 zum JN-Vorsitzenden gewählte Richter trat 2017 in dieser Funktion nicht mehr in Erscheinung. 84 RECHTSEXTREMISMUS 1.2 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Gründung: 2006 Sitz: Pirmasens (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Ricarda Riefling seit 27. Mai 2017: Antje Mentzel Mitglieder/Anhänger unter 100 (2016: unter 100) in Deutschland: Der "Ring Nationaler Frauen" (RNF) sieht sich als "Sprachrohr und Ansprechpartner für nationale Frauen" und propagiert frauenund familienpolitische Themen im Sinne der NPD. Vertreterinnen des RNF unterstützen die NPD bei Wahlkämpfen, nehmen an Demonstrationen der Mutterpartei teil oder organisieren Infostände auf Veranstaltungen. 1.3 "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) Gründung: 2003 Sitz: Dresden (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Hartmut Krien Die in der Satzung der NPD verankerte "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) versteht sich als bundesweite Interessenvertretung für kommunale Mandatsträger der Partei. Die KPV zielt darauf ab, die kommunalpolitischen Aktivitäten der NPD zu professionalisieren. In Schulungen für Mandatsträger werden Vernetzung und Erfahrungsaustausch gefördert. 85 RECHTSEXTREMISMUS 1.4 "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) Gründung: 1976 Sitz: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Peter Schreiber Publikationen/Medien: u.a. "Deutsche Stimme" (Zeitung, monatlich, Auflage: 25.000) Der "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) gibt parteieigene Publikationen heraus und veröffentlicht als bedeutendste Schrift der NPD das monatliche Parteiorgan "Deutsche Stimme". Als Sprachrohr der Partei berichtet sie unter anderem über NPD-Aktionen, publiziert Stellungnahmen der Parteiführung oder liefert NPD-ideologisch ausgerichtete Reportagen. 86 RECHTSEXTREMISMUS 2. "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Dortmund (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: bis 31. Oktober 2017: Christian Worch seit 1. November 2017 (kommissarisch): Christoph Drewer Mitglieder/Anhänger 650 (2016: 700) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisationen: 10 Landesverbände (wovon der Landesverband "Südwest" die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland umfasst) und rund 25 Kreisverbände sowie "Stützpunkte" Die ideologischen Schwerpunkte der Partei "DIE RECHTE" bilden Neonationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Zahlreiche Kundgebungen und Internetverlautbarungen richten sich gegen "staatliche Repression" und Zuwanderung. Bei ihren Propagandaaktionen setzen Parteimitglieder mitunter verstärkt auf Provokation des politischen Gegners und der Polizei. "DIE RECHTE" lehnt den Parlamentarismus grundsätzlich ab und betrachtet die Organisationsform einer politischen Partei lediglich als Mittel zum Zweck für ihren Kampf gegen das "System". Einige Unterorganisationen der Partei haben sich zu Auffangbecken für Neonazis entwickelt und Funktionen verbotener Neonazi-Gruppierungen übernommen. 87 RECHTSEXTREMISMUS 3. "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Klaus Armstroff Mitglieder/Anhänger 500 Vollund Fördermitglieder32 in Deutschland: (2016: 350) Teil-/Nebenorganisationen: 3 Gebietsund 20 Regionalverbände ("Stützpunkte") Die ideologischen Aussagen der Partei "Der III. Weg" sind geprägt vom historischen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. In ihrem "Zehn-Punkte-Programm" propagiert die Partei unter anderem die Schaffung eines "Deutschen Sozialismus" sowie die Entwicklung und Erhaltung der "biologischen Substanz des Volkes". Die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat kommt in ihrer politischen Agitation deutlich zum Ausdruck, insbesondere bei der mit einer aggressiven Rhetorik vorgetragenen Instrumentalisierung der Themen Asyl und Zuwanderung. 32 2017 wurden erstmals Vollmitglieder und Fördermitglieder zusammengefasst aufgeführt. 88 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 89 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" I. Überblick Die Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist organisatorisch und ideologisch äußerst heterogen, zersplittert und vielschichtig. Sie besteht überwiegend aus Einzelpersonen ohne strukturelle Anbindung, aber auch aus Kleinstund Kleingruppierungen, virtuellen Netzwerken und überregional agierenden Personenzusammenschlüssen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. "Reichsbürger" "Reichsbürger" existieren in unterschiedlichsten Ausprägungen seit Jahrzehnten. So wurde bereits 1985 eine "Kommissarische Reichsregierung" (KRR)33 bekannt, die ideologisch einer von Rechtsextremisten betriebenen Kampagne zur Wiederherstellung des "Deutschen Reiches" nahestand. In den darauffolgenden Jahren bildeten sich bis heute stetig neue "Reichsbürger"-Gruppierungen, welche nicht selten miteinander konkurrieren. "Selbstverwalter" "Selbstverwalter" unterscheiden sich von "Reichsbürgern" im Wesentlichen dadurch, dass sie nicht zwingend auf ein "Deutsches Reich" fokussiert sind. Gleichwohl bedienen sie sich nahezu identischer Argumentationsmuster. Personen, die in eine "Selbstverwaltung" eintreten, erklären, dass sie dem Staat nicht angehören und wollen dies bisweilen mit eigenen Grenzziehungen unterstreichen. Selbst erklärte "Hoheitsgebiete" versuchen sie teils auch mit Gewalt gegen staatliches Handeln zu verteidigen. Aufgrund vielfältiger Mischformen gestaltet sich eine trennscharfe Unterscheidung zwischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" als schwierig. Nur ein sehr kleiner Teil dieser Szene ist dem Rechtsextremismus zuzurechnen. Bei der Mehrheit der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind rechtsextremistische Ideologieelemente nur gering bis gar nicht ausgeprägt. Die Ideologieelemente der Szeneangehörigen ermöglichen es aber, mit Verschwörungstheorien, die Ablehnung und Hass gegenüber dem Staat schüren können, politikund 33 Die KRR wurde von dem 2014 verstorbenen Deutsche Reichsbahn-Mitarbeiter Wolfgang Günter Ebel gegründet. Er ernannte sich zum "Reichskanzler" und war der Überzeugung, Deutschland im Auftrag der Alliierten zu regieren. 90 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" staatsverdrossene Personen zu beeinflussen und für die Grundhaltung der Szene zu gewinnen. Vor allem im rechtsextremistischen Teil der Szene sind auch antisemitische Ideologieelemente und Argumentationsmuster zu beobachten. In ihrer Gesamtheit sind "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" als staatsfeindlich und extremistisch einzuordnen. Deutschlandweit wurde die Szene der "Reichsbürger" und "SelbstPersonenverwalter" im Jahr 2017 auf etwa 16.500 Personen (2016: 10.000) potenzial beziffert. Bei circa 900 davon handelt es sich um Rechtsextremisten (2016: 500 bis 600). Die bundesweite Erhebung des Personenpotenzials ist noch nicht belastbar abgeschlossen. 1. Entwicklungstendenzen Die hohe Steigerung des Personenpotenzials gegenüber dem Vorjahr ist Ausdruck der fokussierten Aufklärung dieses Phänomens. Sie beruht auf einem verbesserten Informationsaufkommen der Verfassungsschutzbehörden, aber auch auf einem verbreiterten ideologischen Angebot der Szene selbst. Ein Teil des Zuwachses im Jahr 2017 erwuchs aus Nachahmungseffekten, bei denen noch nicht gesichert ist, ob sie sich dauerhaft festigen. Besorgniserregend ist dabei, dass gerade die schweren Gewalttaten von 2016 in Reuden (Sachsen-Anhalt) und Georgensgmünd (Bayern) szeneintern als erfolgreicher "Widerstand" gegen den Staat "gefeiert" wurden.34 Der größte Teil der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist männlich (ca. 74 %) und älter als 40 Jahre. Viele von ihnen sind bereits langjährig in der Szene aktiv, sodass sich ihre staatsfeindliche Haltung über Jahre gefestigt hat. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" nutzen intensiv das Internet und soziale Netzwerke. Aber auch in der "realen Welt" entwickeln sie sehr dynamisch juristisch völlig absurde Ansichten und verbrei34 In Reuden hatte am 25. August 2016 bei einer geplanten Exekutivmaßnahme der Polizei ein Angehöriger des "Reichsbürger"-Spektrums auf die Einsatzkräfte geschossen. Am 19. Oktober 2016 wurden in Georgensgmünd - bei dem Versuch, mehrere Durchsuchungsund Beschlagnahmebeschlüsse durchzusetzen - vier Polizeibeamte bei einem Schusswechsel verletzt, von denen einer später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag (vgl. Kap. II). 91 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Verbale Aggressivität ten diese. Auffallend ist eine häufig anmaßende und aggressive Diktion ihrer Veröffentlichungen und Schreiben an staatliche Stellen, in denen den Bediensteten mit Schadensersatzforderungen oder gar schweren Gewalttaten gedroht wird. So heißt es in einem an den Präsidenten des Landgerichts (LG) Potsdam verfassten Schreiben eines selbst ernannten "Höchsten Gericht - Geeinter deutscher Völker und Stämme" (GdVuSt): "Der Inhaftierte lebende :Horst :Mahler35 ist umgehend (...) achtsam in die Obhut seiner Familie zu geben. (...) Es ist anzunehmen, dass Sie sich der unrechtmäßigen Verurteilung von lebenden Menschen (...) im höchsten Maß strafbar machen. Dann wäre mit dem höchsten Strafmaß, die Entfernung des Mittelfingers, Ringfingers und des kleinen Fingers an der linken Hand zu rechnen." (Schreiben der GdVuSt, 13. Juli 2017) Waffenaffinität Neben ihrer verbalen Aggressivität haben "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" aber auch eine hohe Affinität zu Waffen. Der Anteil von knapp 7 % der Szeneangehörigen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen liegt höher als in der Gesamtbevölkerung (ca. 2 %). Die vielen Sicherstellungen von Waffen und Munition im Zuge polizeilicher Maßnahmen im Berichtszeitraum belegen die hohe Waffenaffinität (vgl. Kap. II). Zu den strafbaren Verhaltensweisen von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" zählen unter anderem Beleidigungen, Nötigungen, Bedrohungen gegenüber Repräsentanten des Staates, Urkundenfälschungen und illegaler Waffenbesitz. 2. Erscheinungsformen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die 35 Bei Mahler handelt es sich um einen Geschichtsrevisionisten (vgl. Berichtsteil Rechtsextremismus, Kap. III, Nr. 7), der einige Unterstützer unter den rechtsextremistischen Reichsbürgern hat. 92 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Sie sprechen den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Es besteht deshalb die Besorgnis, dass sie - mitunter massive - Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Zur Verbreitung der eigenen Auffassungen entwickeln die SzeneKonfrontation mit angehörigen ständig neue Varianten und Wege. Eine weitverbreiBehörden tete Strategie ist dabei die Überflutung von Behörden mit pseudojuristischen, langatmigen Schreiben in einer oftmals aggressiven Diktion. Vielfach suchen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" aber auch die unmittelbare Konfrontation mit Mitarbeitern der Behörden. Sie belästigen diese durch vielfache Anrufe oder persönliche Vorsprachen. Die Gespräche zeichnen sie mitunter auf und veröffentlichen sie gegen den Willen ihrer Gesprächspartner im Internet. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, die behördliche Arbeit zu stören und lahmzulegen sowie die Mitarbeiter einzuschüchtern und bloßzustellen. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" beanspruchen rechtswidrig hoheitliche Rechte und Aufgaben, insbesondere im Umgang mit Behörden und staatlichen Stellen. Hierzu produzieren und vertreiben sie zum Beispiel Fantasieausweise oder nehmen Änderungen an ihren Kfz-Kennzeichen vor. Zahlreiche Protagonisten erzielen mit Szeneschulungen und "Rechtsberatungen" erhebliche Einnahmen. Dies gilt besonders für sogenannte Rechtskonsulenten und deren "Ausbilder". Diese geben vor, auf dem Gebiet des "Reichsrechtes" bewandert zu sein und prüfen in diesem Zusammenhang auch Rechtsangelegenheiten anderer. Weiterhin treten sie als "Rechtsbeistände" in Gerichtsverfahren auf. Selbst ernannte "Rechtsbeistände" angeblicher Justizopfer behindern damit gezielt die Justiz. Andere maßen sich an, als Gerichtsvollzieher aufzutreten. Die Szene lehnt vielfach Ausweisdokumente der Bundesrepublik "Gelber Schein" Deutschland als unwirksam ab und propagiert stattdessen die Be93 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" antragung des Staatsangehörigkeitsausweises36, der als "Gelber Schein" bezeichnet wird. Nur ein Staatsangehörigkeitsausweis sichere die "volle Rechtsfähigkeit" als Grundrechtsträger. Die Beantragung des "Gelben Scheines" weist insbesondere dann auf Szeneangehörige hin, wenn im Antrag als Geburtsort beispielsweise "Königreich Bayern" oder "Königreich Preußen" eingetragen wird. Im Jahr 2017 versuchten "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" auch, Wahlbenachrichtigungen notariell beglaubigen zu lassen, um ein angebliches Ersatzdokument für ihre behördlich abgelehnten Fantasieausweise zu erlangen. Bemerkenswert an diesen Vorgehensweisen ist, dass Behördenhandeln einerseits fundamental abgelehnt wird, andererseits aber zur Erlangung der eigenen "Unabhängigkeit" vorausgesetzt und in Anspruch genommen wird. Einrichtung Die Aktivitäten der Szene gipfeln in der Einrichtung verschiedener unabhängiger "Regierungen" oder "Verwaltungen" bis hin zur Ausrufung eines Gemeinden eigenen Königreiches oder Staates. Hierzu zählen die von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" "aktivierten", "reaktivierten" oder "reorganisierten" Gemeinden. Mit ausufernden Selbstermächtigungsschreiben erklären Szeneangehörige eine Gemeinde als unabhängig von der Bundesrepublik Deutschland. Mitunter schicken sie auch Schreiben an ausländische Botschaften mit der Bitte, die von ihnen angeblich geschaffene Gemeinde oder Gebietskörperschaft (völkerrechtlich) anerkennen zu lassen. Ziel ist es, bei Behörden Verwirrung zu stiften, um die staatliche Eingriffsverwaltung zu behindern oder unmöglich zu machen. Nicht zuletzt erzielen die selbst ernannten "Verwaltungen" aber auch Einnahmen (z.B. Gebühren für die Ausstellung von "Reichsdokumenten" und durch den Verkauf von Devotionalien) durch Szeneangehörige. "Selbstverwalter" kennzeichnen die "eigenen" Gebiete teilweise durch Grenzziehungen oder Banner. "Staatenbund Besonders aktiv - trotz vielfältiger Exekutivmaßnahmen - waren Deutsches Reich" 2017 Anhänger des "Staatenbundes Deutsches Reich" (abweichend auch bezeichnet als "Staatenbund Deutschland", "Deutsches Reich" oder vereinzelt "2. Deutsches Reich"). Dabei handelt es sich um eine Dachorganisation der einzelnen "Gliedstaaten" "Deutsches Reich 36 Der Staatsangehörigkeitsausweis ist ein amtliches Dokument der Bundesrepublik Deutschland, mit dem der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit dokumentiert wird. Den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit stellen Personen, bei denen aus historischen oder persönlichen Gründen zweifelhaft ist, ob sie deutsche Staatsangehörige sind. In der Regel sind dies im Ausland lebende Personen. 94 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" - Freistaat Preußen", "Bundesstaat Bayern", "Bundesstaat Baden", "Bundesstaat Sachsen" und "Bundesstaat Württemberg". Der "Staatenbund Deutsches Reich" behauptet auf seiner Homepage, er habe am 3. Oktober 2015 die Handlungsfähigkeit des "Deutschen Reiches" "proklamiert". Die Gliedbeziehungsweise Bundesstaaten befänden sich gegenwärtig in "Reorganisation". Man wolle den Menschen ihre "tatsächliche Staatsangehörigkeit" und die damit angeblich verbundenen Bodenund Menschenrechte "zurückgeben". Auch diese Aktivitäten sind mit zum Teil erheblichen Einnahmen verbunden. Bei Teilen der Gruppierung wurden im Jahr 2017 aufgrund des Verdachts der Amtsanmaßung und gewerbsund bandenmäßiger Urkundenfälschungen bei mehreren Durchsuchungsmaßnahmen eine Vielzahl von Waffen, Bargeld und sogenannter "Reichsbürger"-Dokumenten sichergestellt. Ungeachtet dessen führt der "Staatenbund Deutsches Reich" seine Aktivitäten fort. II. Gewalt und Militanz Die Szene weist eine hohe Affinität zu Waffen auf. Im Jahr 2017 verfügten rund 1.100 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" über waffenrechtliche Erlaubnisse und stellen eine Risikogruppe innerhalb der Szene dar, der ein besonderes Augenmerk der Sicherheitsbehörden gilt. In vielen Fällen führten staatliche Behörden Entziehungsmaßnahmen durch, gegen die die Betroffenen jedoch häufig Rechtsmittel einlegten. Die Verfahren dauern zumeist noch an. Bei diversen Exekutivmaßnahmen gegen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" wurden zahlreiche Waffen aufgefunden und sichergestellt. So wurden bei Durchsuchungsmaßnahmen im Februar, März und Staatliche Juli 2017 gegen die Organisation "Bundesstaat Bayern" in Bayern, Maßnahmen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eine Vielzahl an EDVGeräten, Bargeld, Speichermedien und zum Teil auch Waffen sichergestellt. Bei Durchsuchungsund Sicherstellungsmaßnahmen im März 2017 in Grefrath, Krefeld und Nettetal (alle Nordrhein-Westfalen) stellten Polizeibeamte nach dem Widerruf der waffenrechtlichen 95 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Erlaubnisse 36 Waffen und etwa 20.000 Schuss Munition sicher. Die vier betroffenen Personen bezeichneten sich selbst als "Reichsbürger". Einer der Betroffenen führte während der Polizeiaktion verdeckt eine Schusswaffe mit sich, die ihm durch Spezialkräfte der Polizei abgenommen wurde. Im September 2017 fand die Polizei bei einem Einsatz in Berlin und Wandlitz (Brandenburg) bei "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" mehrere scharfe Schusswaffen und mehrere Tausend Schuss scharfe Munition verschiedener Kaliber. Zudem konnten die Polizeibeamten Werkzeug zum Umbau von Waffen sicherstellen. Aufgrund der hohen Bedeutung, die Szeneangehörige ihrer Bewaffnung beimessen, ist nach dem Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse vermehrt mit illegalem Waffenbesitz zu rechnen. Dabei ist auch zu beachten, dass der angestrebte Aufbau einer eigenen staatlichen Gewalt begriffsnotwendig eine Bewaffnung und einen Aufbau von "polizeilichen" und "militärischen" Einheiten voraussetzt. Verurteilung wegen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind bereit, ihre Waffen für versuchten Mordes schwerste Gewalttaten einzusetzen. Im Oktober 2017 verurteilte das LG Nürnberg-Fürth einen 50-Jährigen aus Georgensgmünd (Bayern) wegen Mordes an einem Polizisten, versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen und gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer lebenslangen Haftstrafe. Der beschuldigte "Reichsbürger" trug eine schusssichere Weste und hatte insgesamt elf Mal auf Beamte geschossen, die 31 in seinem Besitz befindliche Jagdund Sportwaffen beschlagnahmen wollten. Vier Polizisten wurden bei der Tat im Oktober 2016 verletzt, von denen einer kurze Zeit später seinen Verletzungen erlag. Auch ohne scharfe Waffen greifen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" mitunter Polizisten an und verletzen sie schwer. In Fürstenberg/Havel (Brandenburg) wehrte sich im November 2017 ein 58-Jähriger derart heftig gegen seine Festnahme, dass er einen der eingesetzten Polizisten schwer verletzte und flüchten konnte. Hintergrund des Haftbefehls war eine nicht bezahlte, marginale Geldstrafe. Gegen den Täter wird wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung ermittelt. 96 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" III. Gefährdungspotenzial Für ihre oft als ausweglos erachtete persönliche Situation machen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" vielfach den Staat verantwortlich. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" behindern Gerichte, Polizei und Behörden in der Ausführung ihrer Arbeit und bedrohen deren Mitarbeiter. Jeder staatliche Eingriff wird generell als unrechtmäßig empfunden und kann erhebliche Aggressionen und Gefahrensituationen auslösen. Die hohe Waffenaffinität und die große Anzahl an waffenrechtlichen Erlaubnissen stellen ein erhöhtes Gefährdungspotenzial dar. Die Leugnung der Legitimität und Souveränität und die fundamentale Ablehnung der bestehenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Repräsentanten in Politik und Staatswesen führen zu einer Abwehrhaltung, die sich in schwersten Gewalttaten manifestieren kann. Dieses Bedrohungspotenzial wird durch die zahlreichen im Berichtsjahr sichergestellten Schusswaffen belegt. Die vielen von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" im Jahr 2017 verübten Straftaten, die weiterhin anhaltend hohe, nicht nur verbale Aggression sowie das immanente Gefährdungspotenzial erfordern auch weiterhin eine intensive Beobachtung durch den Verfassungsschutz. 97 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" IV. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" Mitglieder/Anhänger ca. 16.500 in Deutschland: Publikationen/Medien: Vielzahl von Internetauftritten und Veröffentlichungen Strukturen: Zahlreiche verschiedene Kleinund Kleinstgruppierungen sowie Einzelpersonen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem nicht anerkennen. Dabei berufen sie sich etwa auf ein historisches Deutsches Reich, auf verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Eine Gemeinsamkeit der äußerst heterogenen Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist die rigorose Ablehnung des Staates, seiner Repräsentanten sowie der gesamten Rechtsordnung. Szeneangehörige definieren sich häufig als außerhalb der Rechtsordnung stehend, weshalb die Besorgnis besteht, dass sie auf diese Weise Verstöße legitimieren und Straftaten begehen. Die Aktivitäten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" - insbesondere im Internet - sind sehr hoch. Sie entwickeln dabei ständig neue Varianten und Wege zur Verbreitung ihrer Auffassung, daher ist mit weiteren "kreativen" Aktionen zu rechnen. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" behindern zunehmend Gerichte, Polizei und Behörden in ihrer Arbeit und bedrohen deren Mitarbeiter. In Einzelfällen kommt es auch zu körperlichen Übergriffen. 98 Linksextremismus 99 Linksextremismus I. Überblick "Demokratie" Linksextremisten verfolgen das Ziel, unsere Staatsund Gesellabschaffen schaftsordnung und damit die freiheitliche Demokratie abzuschaffen und durch ein kommunistisches oder ein "herrschaftsfreies", anarchistisches System zu ersetzen. Ihre theoretischen Leitfiguren sind - in unterschiedlichem Ausmaß und abweichender Interpretation - Marx, Engels und Lenin. Gewalt, verstanden als "revolutionäre Gewalt" der "Unterdrückten gegen die Herrschenden", gilt grundsätzlich als legitim. Im Wesentlichen geht es Linksextremisten im Rahmen ihrer unterschiedlichen Agitationen nicht darum, konkrete gesellschaftliche Probleme zu lösen. Vielmehr versuchen sie, gesellschaftliche Konflikte im Sinne ihrer revolutionären Ziele zu instrumentalisieren: Sie beteiligen sich an gesellschaftlichen und politischen Debatten und Protestaktionen, um ihre linksextremistischen Positionen zu popularisieren und neue Mitglieder oder Sympathisanten zu gewinnen. Ihr wirkliches Ziel, die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie, verlieren sie dabei nicht aus den Augen. "Kapitalismus" Ihre ideologische Grundlage ist die Ablehnung des "kapitalistials "Kernübel" schen Systems als Ganzes", denn der "Kapitalismus" ist für Linksextremisten mehr als nur eine Wirtschaftsform: Er gilt sowohl als Basis als auch als Garant der "bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse" durch "Repression" nach innen und "Aggression" nach außen. Der "Kapitalismus" ist demnach verantwortlich für alle gesellschaftlichen und politischen Missstände wie soziale Ungerechtigkeit, "Zerstörung" von Wohnraum, Kriege, Rechtsextremismus und Rassismus sowie für Umweltkatastrophen. 1. Entwicklungstendenzen Gewalteskalation Die Schwerpunkte linksextremistischer Agitation waren im Bebeim G20-Gipfel richtsjahr 2017 maßgeblich durch das Großereignis des G20in Hamburg Gipfels in Hamburg37 beeinflusst. Zum einen ergab sich aufgrund 37 Am 7. und 8. Juli fand in Hamburg das jährliche Treffen der Staatsund Regierungschefs der Gruppe der 20 wichtigsten Industrieund Schwellenländer der Welt (G20) statt - ein informeller Zusammenschluss von 19 Staaten und der EU. 100 LINKSEXTREMISMUS des G20-Gipfels eine Schwerpunktsetzung in den Aktionsfeldern "Antiglobalisierung" und "Antirepression". Zum anderen waren sowohl die im Kontext des G20-Gipfels verübte Gewalt gegen die eingesetzten Polizeibeamten als auch das dort verübte Ausmaß an Straßenkrawallen plakative Beispiele für die unter gewaltbereiten Linksextremisten vorherrschende Einstellung zur Gewalt. Zum Schutz des G20-Gipfels waren mehr als 30.000 Polizeibeamte Einstellung zur im Einsatz; es handelte sich damit um den größten Polizeieinsatz Gewalt wird auf die in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Im Verlauf diverser ProStraße getragen testaktivitäten kam es unter anderem zu schweren Konfrontationen mit Polizeikräften, zu Blockaden von Zufahrtswegen und zu Angriffen auf die städtische Infrastruktur sowie zu Brandanschlägen auf wahllos betroffene Kraftfahrzeuge von Privatleuten. In der Einsatzphase vom 6. bis 9. Juli wurden über 231 Polizisten verletzt (vgl. Kap. III, Nr. 1). Der G20-Gifel ist maßgeblicher und ausschlaggebender Faktor G20: Anstieg für den Anstieg der linksextremistisch motivierten Strafund der GewaltGewalttaten im Jahr 2017. Insgesamt wurden im Jahr 2017 6.393 und Straftaten linksextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten (2016: 5.230) verübt (vgl. Kap. II). Mit Bezug zum G20-Gipfel wurden im gesamten Berichtszeitraum 2017 bundesweit 1.783 linksextremistisch motivierte Straftaten, davon 1.023 Gewalttaten verübt. Daraus ergibt sich, dass die Strafund Gewalttaten mit G20-Bezug allein 27,9 % aller linksextremistisch motivierten Straftaten ausmachen. Das entspricht einem Anteil von mehr als einem Viertel. Die meisten Taten (1.389) standen im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Gipfeltreffen (6. bis 9. Juli) und konzentrierten sich auf den Veranstaltungsort Hamburg. Bezogen auf die Gesamtzahl linksextremistischer Strafund Gewalttaten wurden dementsprechend 21,7 % im engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zum G20-Gipfel verübt. Darüber hinaus erreichte die Mobilisierungsfähigkeit der linksextremistischen Szene mit der Kampagne zum G20-Gipfel einen neuen Höhepunkt. Unter den zahlreichen Demonstranten, die innerhalb der Gipfelwoche gegen die Veranstaltung protestierten, befanden sich circa 8.000 gewaltorientierte Personen. 101 LINKSEXTREMISMUS NIKA-Kampagne Einen weiteren Schwerpunkt bildeten im Berichtszeitraum die richtet sich weiter Proteste gegen die beiden Parteitage der Alternative für Deutschgegen die AfD land (AfD) im April in Köln und im Dezember in Hannover. Linksextremisten beteiligten sich maßgeblich an beiden Gegenprotesten, insbesondere über die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA), für die auch der Bundestagswahlkampf Anknüpfungspunkt linksextremistische Agitation war (vgl. Kap. III, Nr. 2). Zusätzlich stand mit den Protestaktionen im Rahmen der Kampagne "Ende Gelände" auch das Thema Klimaund Umweltschutz weiterhin im Fokus von Linksextremisten und verdeutlichte insbesondere durch die Aktionen im Rheinischen Braunkohlerevier deren hohe Mobilisierungsfähigkeit (vgl. Kap. III, Nr. 3). Insgesamt ist das linksextremistische Personenpotenzial im Berichtszeitraum 2017 im Vergleich zum Vorjahr erneut angestiegen. 2. Entwicklung des Personenpotenzials Anhaltender Das linksextremistische Personenpotenzial ist 2017 nach AbAnstieg des Persozug von Mehrfachmitgliedschaften um knapp 4 % auf insgesamt nenpotenzials 29.500 Personen gestiegen (2016: 28.500). Der Zuwachs an gewaltorientierten Linksextremisten betrug dabei knapp 6 %. Hier ist das Personenpotenzial im Jahr 2017 mit insgesamt 9.000 Personen (2016: 8.500) zu beziffern, darunter 7.000 Autonome (2016: 6.800). Knapp 31 % der Linksextremisten sind somit als gewaltorientiert einzuschätzen. Im Bereich der marxistisch-leninistischen und anderen linksextremistischen Zusammenschlüsse hat sich die Zahl der Mitglieder um knapp 4 % auf 22.600 Personen erhöht (2016: 21.800). 102 LINKSEXTREMISMUS Linksextremismuspotenzial1 2015 2016 2017 Autonome 6.300 6.800 7.000 Anarchisten 800 800 800 Marxisten-Leninisten und andere Linksextremisten 20.300 21.800 22.600 Summe 27.400 29.400 30.400 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 26.700 28.500 29.500 davon gewaltorientierte Linksextremisten 7.700 8.500 9.000 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. Aktionsfelder Linksextremisten sind traditionell in verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Themenfeldern aktiv. Sie versuchen sich in bestehende Protestbewegungen einzubringen und deren Unterstützer im Sinne ihrer Ziele zu instrumentalisieren. Gesellschaftlich geprägte Proteste werden so um eine revolutionäre Komponente erweitert. Dabei ist das Handeln von Linksextremisten immer orientiert an ihrem grundsätzlichen Ziel: In der Hauptsache geht es dabei nicht um die tatsächliche Behebung von Missständen, sondern um die Überwindung des "kapitalistischen Systems", das als Ursache aller sozialen und gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten gesehen wird. Im Berichtszeitraum 2017 standen aufgrund des G20-Gipfels vor Aktionsschwerpunkte allem die Aktionsfelder "Antiglobalisierung" und "Antirepression" geprägt durch G20 im Vordergrund linksextremistischer Agitationen. Im Aktionsfeld "Antifaschismus" lag der Schwerpunkt - neben dem andauernden "Kampf" gegen Rechtextremisten - gerade vor dem Hintergrund der Bundestagswahl auf der Mobilisierung gegen die AfD. Daneben steht auch weiterhin das Thema "Antigentrifizierung" im Fokus. Linksextremistisch motivierte Gewalt findet sich in allen Aktionsfeldern. 103 LINKSEXTREMISMUS 3.1 "Antiglobalisierung" Globalisierung wird von Linksextremisten als Auswuchs des "kapitalistischen Systems" verstanden. Sie werfen den "reichen, kapitalistischen Staaten des Nordens" vor, in einer aus ihrer Sicht ungerechten Weltordnung und im Interesse global agierender Konzerne die Ressourcen der "armen Länder des Südens" zu plündern. So hieß es zum Beispiel in einem Aufruf der "Radikalen Linken Berlin" zur Mobilisierung gegen den G20-Gipfel: "Mit Vollgas steuern die herrschenden Regierungen die Menschheit auf die Klimaund Umweltkatastrophe zu und in Richtung eines dritten Weltkrieges. Getrieben von einer globalisierten Profitwirtschaft von Banken und Großkonzernen aus den G20-Staaten reißen sie vor aller Augen die Welt in den Abgrund (...)." (Internetplattform "de.indymedia", 3. Juli 2017) Im Fokus europaweiter, teils auch internationaler Protestmobilisierungen stehen vor allem Gipfelkonferenzen der EU, des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Welthandelsorganisation (WTO) und die jährlichen Spitzentreffen der Staatsund Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen (G7 bzw. G8 oder G20). Proteste gegen G20Das Aktionsspektrum reicht regelmäßig von Demonstrationen Gipfel in Hamburg über Blockaden bis hin zu militanten Aktionen. Welches Ausmaß die Gewalteskalation erreichen kann, zeigte sich im Berichtszeitraum während des G20-Gipfels, als Globalisierungsgegner Autos und Barrikaden in Brand setzten und Polizeibeamte mit von Zwillen abgefeuerten Stahlkugeln, Pyrotechnik sowie Flaschen und Steinen attackierten. An den Protesten gegen den G20-Gipfel beteiligten sich gewaltbereite Linksextremisten aus ganz Deutschland und Europa. Es kam zu den schwersten Ausschreitungen der vergangenen Jahre (vgl. Kap. III, Nr. 1). 104 LINKSEXTREMISMUS 3.2 "Antirepression" "Antirepression" beziehungsweise der "Kampf gegen staatliche Repression" ist für gewaltbereite Linksextremisten weiterhin ein zentrales Aktionsfeld. In der linksextremistischen Argumentation dient Repression der Verhinderung revolutionärer Prozesse und stellt damit aus linksextremistischer Sicht ein entscheidendes Mittel zur Herrschaftssicherung des "kapitalistischen Systems" dar. Zum sogenannten Repressionsapparat zählen Linksextremisten in erster Linie die Polizei und staatliche Einrichtungen wie Ordnungsämter und Arbeitsagenturen, aber auch private Sicherheitsunternehmen. "Wir bekennen uns zum militanten Kampf gegen den Staat auf allen Ebenen. Die Repression wird uns nicht aufhalten können." (Internetplattform "de.indymedia", 20. November 2017) Zum "Kampf" gewaltorientierter Linksextremisten gegen den "ReKampf gegen pressionsapparat" gehören deshalb vor allem Angriffe auf Polizei"Repressionsapparat" beamte und ihre Infrastruktur. Bei einem Brandanschlag auf Polizeifahrzeuge in der Nacht vom 26. auf den 27. März in Hamburg setzten unbekannte Täter auf dem Innenhof einer Polizeiwache mehrere Fahrzeuge in Brand. Vier Einsatzfahrzeuge der Polizei brannten vollständig aus. Das Feuer griff auf vier weitere Fahrzeuge über, die stark beschädigt wurden. Durch die Hitzeeinwirkung entstand zudem Schaden an der Grundstücksmauer sowie an mehreren Fenstern. Die Wache, in der sich zwei Beamte aufgehalten hatten, musste aus Sicherheitsgründen evakuiert werden. In einem Selbstbezichtigungsschreiben vom 27. März wird die Zielauswahl vorrangig mit dem Kampf gegen "Repression" und die bereits eingeleiteten staatlichen Maßnahmen zum Schutz des G20Gipfels begründet: "Wir haben (...) deshalb die Polizei angegriffen, da sie in dieser perfiden Maschinerie die unmittelbar ausfuehrende Gewalt sind. Sie sind der Leim, der den ganzen Laden zusammenhaelt. Jeder, vom kleinsten Streifenhoernchen bis zum Bulle, der gefesselte Menschen auf Matratzen anzuendet, erfuellt 105 LINKSEXTREMISMUS eine Funktion. Wenn wir davon reden, dieses System zum Einsturz bringen zu wollen, werden wir es genau mit ihnen zu tun bekommen. Genau diese Buettel werden sich uns auch in den Weg stellen, wenn wir uns im Sommer zum Sturm auf die Messehallen und ihre Infrastruktur aufmachen. Als das, was sie sind, naemlich reale Beschuetzer*innen der herrschenden Ordnung und nicht symbolische, muessen wir sie auch mit voller Haerte angreifen. Jede*r, die*der die herrschende Ordnung verteidigt, ist mitverantwortlich fuer die Ausbeutung des kapitalistischen Systems dieser Welt und muss deswegen auch mit den Konsequenzen leben." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 27. März 2017) 3.3 "Antifaschismus" Aus linksextremistischer Sicht hat der "Faschismus" seine Wurzeln im "Kapitalismus". Der Kampf gegen Rechtsextremismus gilt vor diesem Hintergrund nur dann als ausreichend und zielführend, wenn er die vermeintlichen gesellschaftlichen Voraussetzungen mit in den Fokus rückt und angreift. "Antifaschismus" sei deshalb auch immer "Kampf gegen das kapitalistische System" und seine Unterstützer und damit mehr als der bloße Kampf gegen Rechtsextremismus. In einem Aufruf zu einer Demonstration gegen "Nazis" wird diese Haltung deutlich: "Der Kampf gegen den Faschismus ist auch der Kampf der Unterdrückten gegen die herrschende Klasse. Dessen Zerschlagung kann nur durch das Überwinden des kapitalistischen Systems erreicht werden." (Homepage "Antifaschistische Aktion Karlsruhe", 2. März 2017) Im Kampf gegen "Faschisten" spielte die "Antifaschistische Recherchearbeit" weiterhin eine dominierende Rolle. Dabei sammeln Linksextremisten Informationen über vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten sowie deren Strukturen. Sie machen ihre Informationen öffentlich zugänglich, um vermeintliche "Nazis" zu denunzieren. In einer Publikation "Tipps & Tricks für Antifas und Antiras" wird dazu ausgeführt: 106 LINKSEXTREMISMUS "Eine wichtige Grundlage für antifaschistische Arbeit ist die Recherche. Rechercheergebnisse helfen, Nazis besser einzuschätzen, die Akteure_innen rechter Strukturen zu erkennen und sie mit den gesammelten Fakten in der Öffentlichkeit zu isolieren. Ziel von Recherche ist es auch, herauszufinden, welche Pläne und Strategien Nazis verfolgen und welche Gefahr von ihnen ausgeht. (...) Recherche ist kein Selbstzweck, sondern eine notwendige Grundlage für direkte antifaschistische Intervention." (Kollektiv Schulschluss, "Tipps & Tricks für Antifas und Antiras", Münster 2017, S. 30 und 33) Neben den Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien stand im AfD als "ErsteJahr 2017 erneut die AfD im Fokus linksextremistischer AgitatioKlasse-Gegner" nen. Mitglieder der Partei wurden weiterhin im Internet "geoutet". Zudem kam es während des Bundestagswahlkampfes zu zahlreichen Sachbeschädigungen, beispielsweise an Parteibüros und Vereinsräumen, zum Nachteil der AfD. Linksextremisten suchen vornehmlich die direkte Konfrontation mit "Faschisten" auf der Straße und scheuen auch nicht vor körperlichen Angriffen zurück. Das öffentliche Auftreten von Rechtsextremisten, zum Beispiel bei Demonstrationen und im Wahlkampf, wird regelmäßig als Provokation empfunden und kann linksextremistische Spontanreaktionen beziehungsweise Angriffe hervorrufen. "Militanter Antifaschismus bleibt notwendig und kann gar nicht oft genug praktiziert werden." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 16. Januar 2017) 3.4 "Antigentrifizierung" Linksextremisten versuchen das Thema "Gentrifizierung" zu nutzen, um eigene Interessen - unter anderem den Erhalt von "Freiräumen" (z.B. besetzte Häuser oder kollektive Wohnprojekte) - in einen gesellschaftlich relevanten Diskurs einzubetten. Szeneobjekte, wie zum Beispiel die "Rote Flora" in Hamburg oder Kampf um das autonome Wohnprojekt "Rigaer Straße 94" in Berlin, gelten als "Freiräume" 107 LINKSEXTREMISMUS wichtige Widerstandsstrukturen mit entsprechendem Symbolcharakter, die frei von "kapitalistischer Verwertungslogik" sind, vor allem aber frei von Überwachung und staatlicher Einflussnahme. In diesen Szeneobjekten wird versucht, das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft zu setzen. Mancherorts bilden solche Objekte den Rahmen für eine subkulturelle "Gegenkultur", die auch nicht extremistische Personengruppen anspricht. Auf den drohenden Verlust solcher "Freiräume" reagiert die Szene in der Regel äußerst aggressiv. Gegen "antisoziale Stadtumstrukturierungen" wird nicht nur demonstriert; es kommt außerdem häufig zu Brandanschlägen auf Kraftfahrzeuge und Baumaschinen, Sachbeschädigungen an sogenannten Luxusimmobilien und Büros von Immobiliengesellschaften bis hin zu Drohungen gegen Verantwortliche. Die Suche nach einem "revolutionären Potenzial" unter den von "Gentrifizierungsmaßnahmen" Betroffenen ist - wie in anderen Themenfeldern - auch hier von entscheidender Bedeutung. In diesem Kontext verübten unbekannte Täter am 22. September 2017 einen Farbanschlag auf ein Hotel im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Auf der Internetplattform "chronik.blackblogs" heißt es dazu in einer Stellungnahme: "Während unzählige Menschen sich ihre Mieten nicht mehr leisten können und aus Kreuzberg und allen anderen als ,hipp' titulierten Kiezen wegziehen müssen, scheint es kein Problem zu sein, ein Luxushotel zu eröffnen (...). Wir haben keinen Bock darauf, dass der Kapitalismus und seine Lakaien diktieren, wer in Kreuzberg und sonst wo wohnen kann und das die, die es sich nicht mehr leisten können zwangsgeräumt werden. Wir nehmen unser Leben wieder selbst in die Hand. Wir nehmen es wieder in die Hand, in den Kämpfen um unsere Plätze, Straßen und Häuser. Wir nehmen uns leerstehende Häuser und füllen diese wieder mit kollektivem Leben. Wir diskutieren über neue Formen des Zusammenlebens. Unsere Luft zum Atmen werdet ihr uns nicht nehmen." (Internetplattform "chronik.blackblogs", 22. September 2017) 108 LINKSEXTREMISMUS II. Gewaltorientierter Linksextremismus Für gewaltorientierte Linksextremisten ist der Einsatz von Gewalt das zentrale Werkzeug in der politischen Auseinandersetzung. Differenzen über die Legitimität von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele führen zur Herausbildung unterschiedlicher Lager im Linksextremismus. Autonome stellen die personenstärkste Gruppe unter den gewaltorientierten Linksextremisten dar. Da Autonome das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennen, wird die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns generell in Abrede gestellt. Gewalt gegenüber Repräsentanten des Staates - wie etwa Polizisten - wird als legitime Notwehrhandlung verklärt. Zu den gewaltorientierten Linksextremisten zählen neben den Autonomen auch gewaltorientierte Antiimperialisten. Deren Auffassung zum Einsatz von Gewalt ähnelt autonomen Ansätzen. Im Gegensatz zu den Autonomen sind Antiimperialisten jedoch stärker ideologisch orientiert. Ihre Ideologie beruht auf einem marxistisch-leninistischen Weltbild: Nach Auffassung gewaltorientierter Antiimperialisten basiert der Reichtum der Industrienationen unter anderem auf der Ausbeutung von Ressourcen der Entwicklungsländer. Aufgrund ihrer internationalistischen Ausrichtung solidarisieren sich Antiimperialisten mit sogenannten Befreiungsbewegungen, die gegen "kolonialistische Ausbeutung" kämpfen. Im Jahr 2017 sind insgesamt 6.393 Strafund Gewalttaten (2016: Anstieg linksextre5.230) und davon 1.648 Gewalttaten (2016: 1.201) dem linksextremistisch motivierter mistischen Spektrum zuzurechnen. Damit ist die Zahl an linksexGewaltstraftaten tremistisch motivierten Gewalttaten im Vergleich zum Jahr 2016 um 27,1 % (447 Gewalttaten), also um mehr als ein Viertel gestiegen. Der Anstieg lässt sich maßgeblich auf den G20-Gipfel in Hamburg zurückzuführen (vgl. Kap I, Nr. 1). 1.023 der insgesamt 1.648 Gewalttaten und damit weit über die Hälfte (62,1 %) weisen einen G20-Bezug auf. 109 LINKSEXTREMISMUS 1. Autonome und Postautonome Autonome bilden mit 7.000 Personen (2016: 6.800) die mit Abstand größte Gruppe im Bereich des gewaltorientierten Linksextremismus. Autonome versuchen bei Demonstrationen eine Eskalation in Form von Massenmilitanz hervorzurufen oder sie verüben gezielte, klandestine Angriffe auf Personen und Objekte. Der Staat soll dadurch genötigt werden, sein angeblich "faschistisches Wesen" offenzulegen, das er nur hinter einer demokratischen "Maske" verstecke. Anders als kommunistische oder traditionelle anarchistische Strömungen, die ihr Handeln zentral auf die Herbeiführung eines revolutionären Umbruchs ausrichten, stellen Autonome das Individuum und seine unmittelbare Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt der politischen Agitation ("Politik der ersten Person"). Für Autonome bilden vordergründig die emotionale Betroffenheit und das persönliche Gefühl einer Notwendigkeit aktiven Handelns das Fundament der politischen Aktion. Die "autoritäre" Staatsund Gesellschaftsordnung soll zugunsten einer herrschaftsfreien Gesellschaft überwunden werden. Daher streben sie die Schaffung von "Freiräumen" (z.B. besetzte Häuser und selbstverwaltete Zentren) an, in denen sie alternative Formen des Zusammenlebens praktizieren können. Anstelle von festen Organisationen mit hierarchischen Strukturen und kollektiver Willensbildung tolerieren Autonome lediglich lose Zusammenhänge. Die Forderung nach einem selbstbestimmten Leben findet so bereits im Vorfeld einer angestrebten Revolution ihre Umsetzung. Da Autonome grundsätzlich die Einbindung in langfristige und verbindliche Strukturen ablehnen, bleibt ihr Wirkungskreis meist auf die selbst geschaffenen "Freiräume" beschränkt. Diese politische Selbstbezogenheit erschwert eine breite Vernetzung mit weiteren Teilen der Gesellschaft. Postautonome Teile der Autonomen versuchen seit einigen Jahren, ihre diesbeZusammenschlüsse zügliche Isolation aufzubrechen. Dabei bleiben grundsätzliche 110 LINKSEXTREMISMUS politische Ausrichtungen und Handlungsprämissen zwar weitgehend bestehen, strategische Fragen und die Gewichtung ideologischer Grundlagen werden aber neu überdacht. Die Konsequenzen daraus sind neue Organisationsformen und eine intensivere Auseinandersetzung mit theoretischen Grundlagen. Daraus resultierende sogenannte postautonome Zusammenschlüsse tendieren dazu, einige Prämissen autonomer Politik neu zu definieren. So soll insbesondere die Vermittelbarkeit auch gewaltsamer Aktionsformen gegenüber weiten Teilen der Gesellschaft sowie die Anschlussfähigkeit linksextremistischer Proteste insgesamt verbessert werden. Hierbei wird das Ziel verfolgt, die Gesellschaft im Interesse eigener, breiterer Aktionsmöglichkeiten zu radikalisieren. Insbesondere das Bündnis "...ums Ganze!" (uG) und die "Interventionistische Linke" (IL) sind derzeit die aktivsten Zusammenschlüsse auf diesem Gebiet. Bei uG handelt es sich um einen Zusammenschluss eigenständiger, "...ums Ganze!" lokal verankerter Gruppen der autonomen Szene, die ihre Kräfte bündeln, um überregional handlungsfähig zu sein. Lokal treten die Mitgliedsgruppen autark auf, während sie in Aktionsbündnissen und bei Großveranstaltungen unter dem Label "...ums Ganze!" fungieren. Das Bündnis umfasst etwa 250 Personen. Es bezeichnet sich selbst als "kommunistisches Bündnis" und beschreibt damit seinen ideologischen Hintergrund: Der "Kapitalismus" sei nicht reformierbar, bedingungslos zu bekämpfen und mitsamt seinem Staatssystem durch eine Revolution zu überwinden. So heißt es in einem Aufruf auf der Homepage der uG: "THERE IS AN ALTERNATIVE - KOMMUNISMUS STATT SCHWEINESYSTEM!" (Homepage uG, 5. Dezember 2017) Ebenso wie uG versucht auch die IL, durch eine überregionale "Interventionistische Organisation einen möglichst großen Teil der autonomen LinksLinke" extremisten zu bündeln und deren lokale Aktivitäten in einen bundesweiten Zusammenhang zu bringen. Die IL verfolgt hierbei einen kampagnenorientierten Ansatz. Ihre ideologische Unverbindlichkeit ermöglicht es ihr, sich breit zu vernetzen, sodass einer langfristigen und verbindlichen Zusammenarbeit weder mit orthodoxen noch mit sonstigen Linksextremisten ideologische Differenzen entgegenstehen: 111 LINKSEXTREMISMUS "Wir wollen mit möglichst vielen Menschen Aktionen machen, die radikalisieren und ermutigen. Dazu ist es notwendig, für widerständige und grenzüberschreitende Aktionen Legitimität nach außen und Transparenz nach innen herzustellen." (Homepage IL, 9. Dezember 2017) Hierbei zielt die IL, der rund 850 Personen angehören, auf eine "Radikalisierung der Massen" ab. Durch die Darstellung von gesellschaftlichen Missständen soll die Notwendigkeit eines revolutionären Umsturzes begründet werden: "Die strategische Orientierung auf den Bruch darf auch nicht damit verwechselt werden, dass wir uns nur für eine ferne Revolution interessieren, aber in den aktuellen Kämpfen abseitsstünden. Im Gegenteil: Wir wissen, dass eine linke gesellschaftliche Hegemonie nur im Kampf für Teilund Zwischenziele, in der schrittweisen Verschiebung des Kräfteverhältnisses und dem geduldigen Aufbau von Gegenmacht von unten erreicht werden kann." (Homepage IL, 9. Dezember 2017) Die IL fungiert insofern als Bindeglied zwischen Autonomen und anderen Linksextremisten, wobei sie zusätzlich eine "Scharnierfunktion" zum nicht extremistischen Spektrum wahrnimmt. Sie versucht, nicht nur eine große Menschenmenge, sondern gleichzeitig auch ein eskalierendes Moment "auf die Straße" zu bringen. Der für die Wahrnehmung der "Scharnierfunktion" strategisch notwendige Verzicht auf die offene Propagierung von Militanz bringt der IL jedoch auch Kritik seitens anderer Teile des autonomen Spektrums ein. Für "klassische" Autonome ist Gewalt nicht bloß ein Instrument, sondern auch ein "Mittel zur subjektiven Befreiung" und damit ein unverzichtbares Element im Kampf gegen ein angebliches System von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung: "Wir träumen nicht, das Bestehende zu verändern, uns genügt, wenn wir es brennen sehen." (Internetplattform "chronik.blackblogs", 5. Dezember 2017) 112 LINKSEXTREMISMUS 2. "Massenmilitanz" Bei Demonstrationen oder Großveranstaltungen suchen gewaltorientierte Linksextremisten die direkte Konfrontation mit dem politischen Gegner oder mit der Polizei. Dafür bilden sie häufig einen sogenannten Schwarzen Block als Teil des Demonstrationszuges, aus dem heraus sie Pyrotechnik zünden und Polizeibeamte mit Flaschen und Steinen bewerfen. Die Polizeikräfte sollen dadurch zu Reaktionen provoziert werden, um dem "Schwarzen Block" eine weitere Eskalation zu ermöglichen und gewalttätige Ausschreitungen gegenüber der Öffentlichkeit als angebliche "Notwehrhandlung" zu rechtfertigen. Die Vermummung in uniformer schwarzer Kleidung vermittelt einerseits ein Gemeinschaftsgefühl unter gewaltbereiten Linksextremisten und erschwert andererseits die nachträgliche Identifizierung sowie die strafrechtliche Verfolgung von Gewalttätern. Regelmäßig kommt es beispielsweise im Zuge der "Revolutionären 1. Mai Demonstration" in Berlin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Linksextremisten und der Polizei. Auch 2017 wurden Polizisten mit Steinen, Flaschen und Fahnenstangen sowie Pyrotechnik angegriffen. Das Ausmaß an Gewaltaktionen zeigte sich vor allem im Rahmen der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Dort kam es während der "Welcome to Hell"-Demonstration am 6. Juli 2017 aus dem "Schwarzen Block" heraus zu massiven gewalttätigen Angriffen auf die eingesetzten Polizeikräfte (vgl. Kap. III, Nr. 1). Abseits von oder flankierend zu Großdemonstrationen verwenden "Kleingruppentaktik" gewaltbereite Linksextremisten häufig die "Kleingruppentaktik", zur Unterstützung um die Handlungsfähigkeit und Effizienz militanter Aktionsvon Militanz konzepte angesichts hoher Polizeipräsenz zu verbessern. Anstatt sich zu einem großen Block zu formieren, bewegen sie sich dabei in kleinen Gruppen durch das Stadtgebiet und begehen Sachbeschädigungen und Brandstiftungen. Dadurch vergrößern sie den militanten Aktionsraum und zwingen gleichzeitig die Polizei, ihre Kräfte auf ein größeres Gebiet aufzuteilen. Die separierten Einsatzverbände der Polizei können wiederum deutlich leichter angegriffen werden. Polizeiketten und Gegendemonstranten können zudem gleichzeitig an mehreren Stellen angegriffen werden, wobei die Chancen auf ein erfolgreiches Durchbrechen erhöht werden. 113 LINKSEXTREMISMUS 3. Klandestine Gewalt Zusätzlich zu Aktionsformen der "konfrontativen Gewalt" verüben gewaltorientierte Linksextremisten auch verdeckt (klandestin) vorbereitete Anschläge. Angriffsziele sind regelmäßig Gebäude oder Fahrzeuge von Behörden (insbesondere der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden), aber auch Unternehmen und Fahrzeuge von Privatpersonen sowie Bahnanlagen. Die Methoden reichen dabei von einfachen Sachbeschädigungen bis hin zu schweren Brandstiftungen. Dabei zielen die Täter auf eine breite Resonanz in den Medien, um ihren politischen Vorstellungen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Es sollen möglichst hohe Sachschäden verursacht werden, um den angegriffenen Institutionen wirtschaftlich zu schaden und sie zu Verhaltensänderungen zu nötigen. Zudem veröffentlichen die Täter im Nachgang regelmäßig Selbstbezichtigungsschreiben, um ihre Taten zu begründen und ihre politischen Forderungen zu kommunizieren. In der Nacht auf den 17. März 2017 setzten Unbekannte ein Fahrzeug der "Gewerkschaft der Polizei" (GdP) sowie ein Dienstfahrzeug der Polizei in Hamburg in Brand. In einem Selbstbezichtigungsschreiben wurde die Tat in Zusammenhang mit der erwarteten hohen Polizeipräsenz während des G20-Gipfels im Juli 2017 gestellt: "Die täglichen Opfer von Bullen sind nur notwendige Kollateralschäden für dieses System. (...) Vor dem Gipfel, während des Gipfels und nach dem Gipfel: Gegen Staat, Kapitalismus und jede Autorität!" (Internetplattform "chronik.blackblogs", 17. März 2017) Am 24. März 2017 griffen Unbekannte das Ordnungsamt in Berlin-Reinickendorf und ein Parteibüro mit Steinen und Farbe an: "In der kapitalistischen Stadt sind Verdrängung und Ausgrenzung aller, nicht im Sinne des Kapitals Verwertbaren, alltäglich. (...) Dass das Ordnungsamt hierbei ein williger Vollstrecker ist, zeigt sich jeden Tag aufs Neue." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 26. März 2017) 114 LINKSEXTREMISMUS Am 19. Juni 2017 kam es zu einem überregional koordinierten Brandanschlag auf die Deutsche Bahn. Innerhalb weniger Stunden wurden Brandsätze an 14 verschiedenen Stellen des Schienennetzes unter anderem in Berlin, Bremen, Köln (NordrheinWestfalen) und Leipzig (Sachsen) platziert. In der Folge kam es zu massiven Störungen des Bahnbetriebes. In einem Selbstbezichtigungsschreiben mit dem Titel "Kurze Unterbrechung der Reibungslosigkeit" stellten die Täter einen Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg her: "Wir werden die Maschinisten nicht aufhalten, noch nicht. Aber wir zeigen auf, wie es möglich ist, die Maschine zum Stottern zubringen, obwohl wir selbst Teil der Maschine sind und immer tiefer in sie eingepasst werden sollen. Wir rufen unseren Widerspruch in das Gedächtnis der Maschinisten. So wie im Juli beim Gipfel der G20 in Hamburg. Massenhafter Widerspruch wird für die ganze Welt sichtbar werden." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 19. Juni 2017) In der Nacht auf den 9. November 2017 wurde ein Brandanschlag auf einen Funkmast der Polizei in Leipzig verübt. In dem anonym veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben wird die Tat wie folgt begründet: "In offener Feindschaft mit dem Staat und seinen Schergen haben wir am Abend des 8.11. Feuer unter einem Funkmast der Schweine gelegt. Wir unterstützen damit den Aufruf gegen die Innenministerkonferenz (...)." (Internetplattform "de.indymedia", 26. November 2017) 4. Polizei als Feindbild von Linksextremisten Gewaltorientierte Linksextremisten wenden sich traditionell gegen das Gewaltmonopol des demokratischen Rechtsstaates. Aus Sicht der linksextremistischen Szene nutzt und missbraucht die Polizei als angeblicher Handlanger des zu bekämpfenden "kapitalistischen Systems" das staatliche Gewaltmonopol. So würden Kritiker des Systems kriminalisiert und eine "falsche" Gesellschaft verteidigt. "Repression" durch die Polizei solle, so die Unterstellung, die "Revolution" verhindern. 115 LINKSEXTREMISMUS Polizisten Vor diesem Hintergrund haben gewaltorientierte Linksextremisals personifiziertes ten grundsätzlich eine feindselige Haltung gegenüber der Polizei, Hauptfeindbild wie die Verwendung des unter anderem auch in der linksextremistischen Szene verbreiteten Akronyms "A.C.A.B." ("all cops are bastards") zeigt. Polizisten stellen für gewaltorientierte Linksextremisten personifizierte Hauptfeindbilder und zum Teil sogar "entmenschlichte" Hassobjekte dar. Diese entmenschlichende Wahrnehmung vereinfacht die Rechtfertigung von Gewalt, welche sich dann aus Sicht von Linksextremisten nicht mehr gegen Menschen, sondern gegen bloße Teile einer angeblichen Repressionsmaschinerie richtet. Immer wieder verletzen gewaltorientierte Linksextremisten Polizisten bei Demonstrationen. Polizisten, die im Einsatz die Ausübung des Versammlungsrechts schützen, avancieren hierbei für gewaltbereite Linksextremisten zu Ersatzzielen, wenn Gewalt gegen den eigentlichen politischen Gegner (bspw. vermeintliche Rechtsextremisten) nicht ausgeübt werden kann. Auf angebliche "Polizeiübergriffe" oder vermeintlichen "Polizeiterror" reagieren militante Linksextremisten reflexartig mit "Gegenangriffen". Mit dem Ziel, von der eigenen Gewalt abzulenken und als Opfer zu gelten, verklären die Täter und ihr Umfeld diese Angriffe auf Polizisten oft als Selbstverteidigung beziehungsweise Notwehr. Die bloße Anwesenheit von Polizeikräften auf Demonstrationen und Auflagen von Behörden gelten in der Szene bereits als Schikane und Provokation. Zweckentfremdete Pflastersteine, mit denen Polizisten beworfen werden, gehören zu den Gründen, warum Polizeibeamte auf einschlägigen Demonstrationen mittlerweile zur Eigensicherung mit schwerer Schutzkleidung ausgerüstet werden müssen. Hemmschwelle sinkt Attacken auf Polizeikräfte stoßen bei gewaltorientierten Linksextremisten auf zum Teil wachsende Akzeptanz und gelten weithin als legitim. Die Hemmschwelle, Polizeibeamte zu verletzen, sinkt seit Jahren. Zugleich steigt das Aggressionsniveau gegenüber Polizisten. Am 17. Juni 2017 verübten Linksextremisten beispielsweise einen gezielten Angriff auf die Polizei im Bereich der Rigaer Straße in Berlin. Die Polizei erhielt in den frühen Morgenstunden mehrere Notrufe, wonach circa 40 bis 60 Personen Hindernisse auf die Fahrbahn verbracht und lautstarke Musik abgespielt hätten. Als 116 LINKSEXTREMISMUS die Einsatzkräfte am Ort des Geschehens eintrafen, wurden sie umgehend von Dächern der umliegenden Häuser und aus Personengruppen in den angrenzenden Straßen mit Steinen und Pyrotechnik beworfen. An einer angrenzenden Kreuzung standen zuvor errichtete Hindernisse in Flammen. Drei Polizeibeamte, die zur Unterstützung im Rahmen eines Hubschrauber-Einsatzes hinzugezogen worden waren, wurden für eine knappe Minute mittels eines Laserpointers geblendet. Die Polizeibeamten konnten sich im Hubschrauber nur durch Nachtsichtbrillen und durch das Verändern der Sitzposition vor Verletzungen schützen. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte den im Zusammenhang mit der Laserattacke festgenommenen Täter im Oktober 2017 unter anderem wegen des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr und der versuchten gefährlichen Körperverletzung zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Das Ausmaß der Gewalt gegen Polizisten verdeutlichen zudem die Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg, bei denen über 200 Einsatzkräfte zum Teil schwer verletzt wurden (vgl. Kap. III, Nr. 1). Als Reaktion auf die öffentliche Fahndung der Polizei nach Beteiligten an den Ausschreitungen beim G20-Gipfel gerieten auch Politiker und im Rahmen des G20-Gipfels eingesetzte Polizeibeamte in das Zielspektrum von Linksextremisten. 54 Polizeibeamte, die an der Räumung eines Szeneobjektes beteiligt waren, wurden auf den Fahndungsaufrufen der Polizei nachempfundenen Plakaten abgebildet. Diese "Fahndungsplakate" wurden durch Linksextremisten im Internet veröffentlicht. In dem entsprechenden Aufruf heißt es: "(...) anlässlich der Hetzjagd auf Teilnehmer_innen des Hamburger Aufruhrs gegen den G20 erneuern wir unser Bekenntnis zum Kampf gegen den Staat, gegen die Faschistischen Organisationen wie die Polizei (...). Anlässlich der Hetzkampagne (...) haben wir uns entschieden, Bildaufnahmen von 54 Polizeibeamt_innen zu veröffentlichen, die im letzten Jahr daran beteiligt waren, die Rigaer94 zu räumen. Wir freuen uns über Hinweise, wo sie wohnen oder privat anzutreffen sind. Neben der Teilnahme an der Räu117 LINKSEXTREMISMUS mung können sie bedenkenlos für die Gewalt der drei Wochen der Belagerung verantwortlich gemacht werden." (Homepage Rigaer94, 17. Dezember 2017) Darüber hinaus wurde an einer Bushaltestelle im Bezirk Mitte ein Plakat mit der Überschrift "Öffentlicher Fahndungsaufruf" festgestellt. Auf diesem "Fahndungsplakat" waren unter anderem der Erste Bürgermeister, der Innensenator und ein ranghoher Polizeibeamter der Stadt Hamburg sowie beim G20-Gipfel in Hamburg eingesetzte Polizeibeamte abgebildet. Im Text wurde der Verdacht geäußert, dass die abgebildeten Personen während der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg schwerste Straftaten begangen hätten. An diversen Stromkästen, Haltestellen, Litfaßsäulen und Altkleidercontainern in der näheren Umgebung wurden weitere derartige "Fahndungsplakate" festgestellt. Neben den dargestellten Aktionen gehören auch Brandstiftungen gegen Polizeifahrzeuge und -gebäude, in denen sich mitunter Menschen befinden, zum "Kampf" gewaltorientierter Linksextremisten gegen den "Repressionsapparat" und seine Repräsentanten. Damit nehmen die Täter den Verlust von Menschenleben zumindest billigend in Kauf. So griffen beispielsweise in den frühen Morgenstunden des 8. Juli 2017 vier bis fünf unbekannte Täter ein Dienstgebäude der Polizei Magdeburg an. Sie warfen Steine gegen das Gebäude und platzierten zwei selbst gebaute Brandsätze (präparierte Gaskartuschen), die jedoch nicht umsetzten. Die Polizei ermittelte eine Person die der linksextremistischen Szene angehört. Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung beim Beschuldigten konnten unter anderem mehrere Waffen sichergestellt werden. 118 LINKSEXTREMISMUS III. Kampagnenfähigkeit der linksextremistischen Szene Im Jahr 2017 stellte die linksextremistische Szene in Deutschland ihre Kampagnenfähigkeit erneut unter Beweis. Zentrale Kampagne war die Mobilisierung gegen den G20-Gipfel, die sich zum europaweiten Aktionsschwerpunkt entwickelte. Daneben konnten die bereits 2016 aus Szenesicht erfolgreichen Kampagnen NIKA und "Ende Gelände" im Jahr 2017 fortgeführt werden. 1. Kampagne gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg Der Protest gegen den G20-Gipfel vom 7. bis 8. Juli 2017 in Hamburg wies im Vergleich zu vergangenen Großereignissen dieser Art ein bisher beispielloses bundesweites Mobilisierungspotenzial aller Strömungen des deutschen Linksextremismus auf und führte zu den gewalttätigsten Ausschreitungen der letzten Jahre. Die linksextremistische Szene zeigte hinsichtlich der Teilnahme Übergreifendes an den Protesten gegen den Gipfel ungewohnte Einigkeit. Neben Mobilisierungsdem spektrenübergreifenden zentralen "Bündnis gegen das G20potenzial Treffen in Hamburg" ("NoG20"-Bündnis) hatten sich bundesweit diverse regionale "Bündnisse" gebildet. Darüber hinaus mobilisierten autonome Einzelstrukturen sowie andere linksextremistische Gruppierungen gegen den G20-Gipfel. Auch ausländerextremistische Strukturen wurden in den Protest eingebunden - so nahmen zum Bespiel bei der Großdemonstration am 8. Juli auch Anhänger der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) teil, die verbotene Fahnen und Symbole der Organisation zeigten. Ziel der Mobilisierung war es, den Protest aller gesellschaftlichen Spektren zu bündeln und sowohl extremistische als auch nicht extremistische Demonstrationsplanungen einzubeziehen. Bereits im Mai 2016 hatte sich - begleitend zur Protestmobilisierung - eine "militante Kampagne" entwickelt, bei der bis zum Juli 2017 weit über hundert linksextremistisch motivierte Straftaten - mit zum Teil schweren Sachbeschädigungen und Brandstiftungen - begangen worden waren. Durch diese frühe Integration militanter Strukturen entwickelte sich eine nachhaltige Verbindung von "Gipfelprotest" und "Militanz". 119 LINKSEXTREMISMUS "NoG20"-Bündnis Die dominierende extremistische Gruppierung innerhalb des "NoG20"-Bündnisses war die IL. Ziel war es, mit aufeinander abgestimmten Aktionsformen und möglichst vielen Protestteilnehmern eine effektive Protestchoreografie in der Gipfelwoche zu etablieren. Aktionsschwerpunkte waren unter dem Label "BlockG20" unter der Federführung der IL Blockadeaktionen am 7. Juli 2017, dem sogenannten Tag des Ungehorsams, sowie eine Großdemonstration am 8. Juli 2017. Zusätzlich wurden auch Aktionsplanungen autonomer Strukturen, wie zum Beispiel die "Welcome to Hell"Demonstration am 6. Juli 2017, bewusst in die Gesamtchoreografie integriert. So heißt es im Aufruf des "NoG20"-Bündnisses zur zweiten Aktionskonferenz im April 2017 in Hamburg: "Von Hamburg bis München, von Barcelona bis Athen, von Toronto bis Sidney bereiten sich Aktivist*innen auf die Proteste zu G20 vor - die ganze Woche vor dem Gipfel wird Hamburg zum Schauplatz vielfältiger Gegenproteste. Gemeinsam wollen wir den Herrschenden ihre Grenzen aufzeigen und unserer Solidarität und gesellschaftlichen Alternativen gegen ihre mörderische, kapitalistische Zerstörungspolitik präsentieren (...). Wir laden alle, die sich dem gemeinsam mit uns widerständig und ungehorsam entgegenstellen wollen, vom 8. bis 9. April nach Hamburg ein, um (...) eine gemeinsame Choreographie der Protestaktionen zu planen." (Homepage g20hamburg, 27. November 2017) Im Ereigniszeitraum konnte durch das "NoG20"-Bündnis eine insgesamt professionelle Protestlogistik zur Verfügung gestellt werden. Diese umfasste Rückzugsmöglichkeiten, Infopoints, ein Medienzentrum, Rechtsberatung sowie medizinische Betreuung. Des Weiteren wurden die Protestteilnehmer umfangreich mit Kartenmaterial und Zeitplänen ausgestattet. Die ursprünglich geplante Unterbringung der Teilnehmer in Camps konnte aufgrund behördlicher Auflagen nur in Teilen umgesetzt werden. Gesamtchoreografie Die Proteste gegen den G20-Gipfel bildeten die bekannten linksder Proteste extremistischen Aktionsformen wie Demonstrationen, Spontanaufzüge und Kleingruppenmilitanz ab. Bei den Blockadeaktionen des 7. Juli 2017 wurde zum Beispiel auf die bereits bei vergange120 LINKSEXTREMISMUS nen Großereignissen eingesetzte "Fingertaktik"38 zurückgegriffen. Farblich einheitlich gekleidet, bewegten sich im Rahmen der Blockadeaktion große Personengruppen zu verabredeten Blockadepunkten und versuchten, eine Störung der Anfahrten der Gipfelteilnehmer und des Veranstaltungsprogramms zu erreichen. Im Verlauf der Kampagne entwickelte sich das Themenfeld "Antirepression" zum zentralen Anknüpfungspunkt der Proteste. Die Aktionen des autonomen Spektrums konzentrierten sich auf Verlauf der G20die konzentrierten sich auf die "Welcome to Hell"-Demonstration Proteste am Abend des 6. Juli 2017 sowie auf den 7. Juli 2017, den "Tag des Ungehorsams". Nachdem sich Personen aus dem sogenannten Schwarzen Block während der "Welcome to Hell"-Demonstration vermummt hatten, versuchten Polizisten, diesen von den übrigen Demonstrationsteilnehmern zu trennen. Daraufhin warfen Demonstranten Flaschen und Steine auf die Beamten und griffen sie mit Stöcken, Eisenstangen und Holzlatten an. Die Einsatzkräfte setzten Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Im Anschluss an die "Welcome to Hell"-Demonstration sowie am "Tag des Ungehorsams" kam es zusätzlich zu weiteren erheblichen Ausschreitungen, wie massiven Angriffen auf Einsatzkräfte und Einsatzfahrzeuge (unter anderem mit Wurfgegenständen, Steinen, Flaschen und Pyrotechnik), der Errichtung von teilweise in Brand gesetzten Hindernissen auf Fahrbahnen und zu einer Vielzahl von Sachbeschädigungen gegen Fahrzeuge, Geschäfte, Banken, Ladenlokale und Verwaltungsgebäude. Die massiven Ausschreitungen sowie vielfältigen Störaktionen verfolgten das Ziel, den Ablauf des Gipfels nachhaltig zu behindern. Durch die Choreografie von "BlockG20" wurden an den Gipfeltagen die Zufahrtswege zu den Gipfelorten blockiert und damit Polizeikräfte gebunden. Diese Bindung schuf Raum für autonome Gewalttaten, der zum Beispiel in den frühen Morgenstunden des 7. Juli von militanten Kleingruppen genutzt wurde, um in Hamburg Altona massive Ausschreitungen zu begehen und auf diese 38 Hierbei soll die Aufteilung der Demonstrationsteilnehmer in einzelne verschiedene Demonstrationszüge ("Finger") ein "Durchfließen" von beispielsweise Polizeiketten erleichtern. 121 LINKSEXTREMISMUS Weise medial wirksam Chaos zu stiften. Dort wurden eine Station der Bundespolizei und das Rathaus mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen; mehr als 30 Autos, überwiegend von Privatleuten, gingen an der Elbchaussee in Flammen auf. Der während der Proteste verursachte Sachschaden war erheblich. Es ist davon auszugehen, dass auch ausländische Autonome an den Ausschreitungen beteiligt waren, da der G20-Gipfel auch im europäischen Ausland zu einer linksextremistischen Protestmobilisierung im Vorfeld führte. Schwerpunkte waren der skandinavische Raum sowie Italien, wo die IL und uG systematisch, zum Beispiel durch die Teilnahme an Informationsveranstaltungen, für die Proteste in Hamburg warben. Die eigentliche Gipfelkonferenz konnte dennoch nahezu störungsfrei stattfinden. Keine klare Die Protestmobilisierungen gegen den G20-Gipfel wird vonseiten Distanzierung der linksextremistischen Szene insgesamt als Erfolg gewertet. Die von "G20-Gewalt" vielfältigen Reaktionen belegen auch eine grundsätzliche Zustimmung zu den gewalttätigen Ausschreitungen. Diese rechtfertigt zum Beispiel die IL in einer "ersten vorläufigen Bilanz" wie folgt: "Wenn die Polizei über Tage hinweg Menschen drangsaliert, schlägt und verletzt, sich wie eine Besatzungsarmee aufführt, die von Deeskalation noch nie etwas gehört zu haben scheint, dann bleibt irgendwann die spontane Antwort nicht aus." (Homepage IL, 12. Juli 2017) 2. Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA) insbesondere zum Bundestagswahlkampf Fortsetzung Die maßgeblich durch das kommunistische Bündnis uG bereits von NIKA 2016 initiierte Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative - Bundesweite Kampagne gegen die Festung Europa und ihre Fans" konnte auch im Jahr 2017 ihre in erster Linie gegen die AfD sowie weitere "Akteure der Abschottung" gerichteten Aktionen fortsetzen. 122 LINKSEXTREMISMUS Dies zeigte sich unter anderem anlässlich des AfD-BundesparteiKonstante Mobilisietages am 22. und 23. April 2017 in Köln (Nordrhein-Westfalen). rung gegen die AfD An den auch seitens NIKA mit hoher Intensität und bundesweit beworbenen Protestaktionen gegen den Parteitag beteiligten sich circa 10.000 Personen, darunter etwa 1.000 gewaltorientierte Linksextremisten. Deren erklärtes Ziel, die Veranstaltung zu verhindern oder zumindest empfindlich zu stören, konnte aufgrund der hohen Polizeipräsenz jedoch nicht erreicht werden. Dennoch bemühten sich die Veranstalter, die Protestaktionen als Erfolg zu deuten. So äußerte sich ein Sprecher der Kampagne in einer Pressemitteilung zu den Protesten: "Diese große Zahl an Menschen, die heute an den Protesten gegen die AfD teilgenommen haben, ist nicht nur ein großer Erfolg für uns. (...) Wir haben heute gezeigt, dass man den Rechtsruck, dessen legitimierteste Form die AfD ist, nicht einfach passieren lassen muss." (Homepage NIKA, 8. Dezember 2017) Daneben gerieten auch andere Parteien in den Fokus der KampagNIKA mobilisiert ne. Neben der AfD machten Linksextremisten beispielsweise auch im Bundestagswahldie "Bundesregierung aus Christdemokraten und Sozialdemokrakampf tie" sowie die Partei Bündnis 90/Die Grünen für Verschärfungen des Asylrechts verantwortlich. Seit Ende August rief die NIKAKampagne über ihre Homepage daher dazu auf, den Bundestagswahlkampf dazu zu nutzen, "um dem Rechtsruck in den Parlamenten und Behörden auf der Straße entgegen zu treten". Bei der Bundestagswahl drohe sich "der Rechtsruck" der Gesellschaft zu verfestigen: Die AfD verschiebe im "Ping-Pong-Spiel" mit der "bürgerlichen Mitte" die öffentliche Diskussion nach rechts und baue ihre Strukturen aus. Diesem "Rechtsruck" müsse man entgegentreten: "(...) der Wahlkampf ist eine gute Gelegenheit, öffentlich gegen die Akteure der Abschottung aller Couleur vorzugehen und praktisch deutlich zu machen, dass es ganz anders werden kann, ganz anders werden muss, als es sich die Fans der Festung Europa vorstellen wollen. (...) 123 LINKSEXTREMISMUS Der Wahlkampf bietet nun zahlreiche Gelegenheiten, gegen die Akteure der Abschottung und die Fans der autoritären Formierung bei ihren Veranstaltungen und Ständen aktiv zu werden, ihre Plakate zu bearbeiten, sie in ihren Parteizentralen zu besuchen und sie bei ihren Kampagnen zu konfrontieren." (Homepage NIKA, 24. August 2017) "Nazi-Outings" als Öffentliches Vorgehen gegen "politische Gegner", darunter tatlinksextremistische sächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, ist eine klassiAktionsform sche linksextremistische Aktionsform. Im Rahmen von "OutingAktionen" publizieren Linksextremisten zum Beispiel private und personenbezogene Informationen der betroffenen Personen. Dies geschieht entweder zum Beispiel durch Plakate oder Flugblätter, die in der privaten oder beruflichen Umgebung der Betroffenen aufgehängt beziehungsweise verteilt sowie immer häufiger über Internetportale verbreitet werden. Ziel ist es, die Person in der Öffentlichkeit bloßzustellen, um diese gesellschaftlich zu ächten, einzuschüchtern oder ihre berufliche Laufbahn zu beeinträchtigen. Zusätzlich können "Outings" auch als unausgesprochene Aufforderung zur Begehung von Straftaten unter Linksextremisten gelten, selbst wenn der veröffentlichte Text selber gar keine direkten Aufforderungen enthält (vgl. Kap. II, Nr. 4). Das aus Sicht der AfD letztlich positive Ergebnis der Bundestagswahl führte aufseiten des linksextremistischen Spektrums zu verschiedenen Diskussionsbeiträgen, Aufrufen und Demonstrationen. Vereinzelt kam es im Nachgang zur Bundestagswahl auch zu Sachbeschädigungen zum Nachteil von AfD-Mitgliedern. Beispielsweise wurde in der Nacht zum 29. September 2017 in Hamburg das Wohnhaus des parlamentarischen Geschäftsführers der AfD mit Christbaumkugeln beworfen, welche mit Farbe gefüllt waren. Vor dem Grundstück wurden zudem die Überreste verbrannter AfD-Wahlplakate gefunden. In einem auf einer Internetplattform veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben heißt es: "Wir rufen dazu auf mit Aktionen des zivilen Ungehorsams und mit militanten Aktionen weiterhin Druck gegen die AfD zu erzeugen. Wir sagen jetzt erst Recht! (...) Auf allen Ebenen mit allen Mitteln den AfD Faschos das Leben zur Hölle machen!" (Internetplattform "chronik.blackblogs", 29. September 2017) 124 LINKSEXTREMISMUS Die Proteste von Linksextremisten gegen den im Anschluss an die Bundestagswahl abgehaltenen Bundesparteitag der AfD am 2. und 3. Dezember in Hannover verliefen überwiegend störungsfrei. An den auch von NIKA beworbenen Protestaktionen beteiligten sich bei mehreren Demonstrationen bis zu 6.500 Personen. Unter diesen Personen befanden sich etwa 600 gewaltorientierte Linksextremisten. Demonstranten versuchten ab dem frühen Morgen des ersten Tages die Zufahrtswege zum Veranstaltungsort des AfD-Bundesparteitages zu blockieren. Es fanden Störungen durch kleinere Gruppen mittels Sitzblockaden und Ankettungsaktionen in der Nähe des Kongresszentrums statt. Darüber hinaus wurden zwei Delegierte der AfD, die dem Deutschen Bundestag angehören, auf ihrem Weg zum Veranstaltungsort von einer siebenköpfigen Gruppe - darunter fünf Linksextremisten - sowie einer unbekannten männlichen Person angegriffen und am Arm beziehungsweise im Gesicht verletzt. Die Struktur von NIKA als "Mitmach-Kampagne", in der sowohl linksextremistische als auch nicht extremistische Akteure mitwirkten, zeigt, dass die linksextremistische Szene in der Lage ist, den politischen Gegner in aggressiver Weise unter Einbeziehung unterschiedlicher Gruppierungen öffentlich zu stigmatisieren. 3. Kampagne "Ende Gelände" gegen den Braunkohleabbau Für Linksextremisten war die Kampagne "Ende Gelände" zur "Klimaproteste" Umsetzung ihrer Positionen auch im Jahr 2017 von strategischer im Fokus von Bedeutung. Mithilfe von Aktionsbündnissen versuchen LinksLinksextremisten extremisten tagespolitische Themen - zum Beispiel das Thema Klimaund Umweltschutz - aufzugreifen, diese nachhaltig in der Szene zu verankern und ihre Anschlussfähigkeit an das demokratische Spektrum zu stärken. Ziel war es zudem, die Internationalisierung der Proteste voranzutreiben. Im Fokus des nach der Kampagne benannten, linksextremistisch beeinflussten Bündnisses "Ende Gelände" standen im Jahr 2017 das Rheinische Braunkohlerevier in der Nähe von Köln (Nordrhein-Westfalen) sowie der Betreiberkonzern RWE als "der größte CO2-Verursacher Europas". Die IL (vgl. Kap. II, Nr. 1) spielte dabei erneut eine führende Rolle. Zur Bedeutung der Kampagne "Ende Gelände" für die IL heißt es in einem Aufruf: 125 LINKSEXTREMISMUS "Mit Ende Gelände! setzen wir ein starkes Zeichen für Klimagerechtigkeit - Im Herzen des kapitalistischen Wachstumsregimes, gegen den Klimawandel und seine Nutznießer*innen, gegen das weiter so wie bisher. (...) Eine Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, wird entlang zahlreicher Brüche erkämpft werden. (...) All diese Brüche im Einzelnen sind keine revolutionären Umwälzungen, aber sie sind Schritte auf dem weiten Weg einer radikalen Transformation zur Ermöglichung eines guten Lebens für alle. (...) Auf diesem Weg ist Ende Gelände! für uns ein wichtiger nächster Schritt." (Homepage IL, 11. April 2017) Proteste im Vom 24. bis 29. August 2017 mobilisierte "Ende Gelände" zu "AkRheinischen tionstagen" im Rheinischen Braunkohlerevier unter dem Motto Braunkohlerevier "Wir schaffen ein Klima der Gerechtigkeit". An den Protestaktionen beteiligten sich in der Spitze etwa 2.500 Personen, darunter Angehörige der linksextremistischen Szene sowie mehrere Hundert Aktivisten aus dem Ausland. Hauptaktionstage waren der 25. und 26. August 2017. Die Proteste waren von einer Vielzahl größerer Demonstrationszüge sowie zahlreichen Kleingruppenaktionen geprägt. Insgesamt wurden im Rahmen der Protestaktionen mehr als 1.100 Personen in Gewahrsam genommen: Am 25. August 2017 kam es zu mehreren Besetzungen von Gleisen der Kohleförderbahn sowie zu der Besetzung eines Baggers. Es erfolgte eine Notausschaltung. Zudem drangen etwa 50 militante Aktivisten in den Tagebau Garzweiler II ein. Am 26. August besetzten in der Spitze etwa 600 militante Aktivisten, darunter auch Linksextremisten, mehrmals im Verlauf des Tages verschiedene Gleise. Zwei Blockierer ketteten sich - verbunden mit einem 120 Kilogramm schweren Betonfass - an die Gleise der Kohleförderbahn. Am 5. November 2017 fanden erneut Proteste im Rheinischen Braunkohlerevier statt. Die Kampagne "Ende Gelände" hatte - eingebettet in die Proteste gegen die "23. UN-Klimakonferenz" vom 6. bis 17. November 2017 in Bonn (Nordrhein-Westfalen) - zu Aktionen im Braunkohletagebau Hambach (Nordrhein-Westfalen) mobilisiert. Auch hier spielte die IL eine maßgebliche Rolle bei der Organisation und Durchführung der Veranstaltungen. 126 LINKSEXTREMISMUS An den Aktionen beteiligten sich etwa 2.500 Personen, darunter auch Linksextremisten. Circa tausend Demonstranten gelang es, in den Tagebau Hambach einzudringen. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Personen aus dem Ausland. Elf militanten Aktivisten gelang es, einen - bereits vorsorglich abgeschalteten Bagger - kurzzeitig zu besetzen. Insgesamt wurden bei den Protesten knapp 1.100 Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen. Die IL bewertete die Proteste positiv: "Heute waren wir zusammen mit vielen anderen Aktivist*innen in der Grube im Tagebau Hambach, sodass die Bagger still standen. Wir brauchen nicht über Klima-Ziele oder Elektroautos zu reden, wir sollten über Kapitalismus und Gerechtigkeit reden! Heute haben wir gezeigt, dass jede*r selbst aktiv werden kann und wir gemeinsam Fakten schaffen können." (Facebook-Seite IL, 5. November 2017) Die Mobilisierung im Rahmen von "Ende Gelände" hat im Berichtsjahr 2017 erneut besondere Zugkraft durch die Nutzung anschlussfähiger Themen für linksextremistische Proteste bewiesen. IV. Linksextremistisches Parteienspektrum Linksextremistische Parteien und parteiähnliche Organisationen gehören zu dem Spektrum orthodoxer Linksextremisten. Deren Ideologie und Politik beruhen im Wesentlichen auf den Theorien kommunistischer Vordenker wie Karl Marx, Friedrich Engels oder Wladimir Iljitsch Lenin. Zentrales Ziel ist die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, um - von dieser ausgehend - eine "klassenlose", kommunistische Gesellschaft zu errichten. Dazu bedienen sich linksextremistische Parteien rechtsstaatlicher Mittel; sie beteiligen sich auch an Parlamentswahlen. Im Unterschied zu militanten Linksextremisten halten orthodoxe Linksextremisten die Anwendung von Gewalt grundsätzlich erst in einer revolutionären Situation für legitim und unverzichtbar. Im Rahmen der Bündnispolitik wird allerdings eine Zusammenarbeit auch mit gewaltorientierten Gruppierungen nicht grundsätzlich 127 LINKSEXTREMISMUS ausgeschlossen. Orthodoxe Linksextremisten verfügen derzeit weder über wirkmächtige eigenständige Strukturen noch haben sie - laut Bundestagswahlergebnis - bundespolitisch eine besondere Relevanz. 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die orthodox-kommunistische "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) mit ihren cirka 3.000 Mitgliedern hält unverändert an ihrem Ziel des Sozialismus und Kommunismus fest und bekennt sich zu Theorien von Marx, Engels und Lenin als Anleitung für ihr Handeln. Nach wie vor befindet sie sich in einem innerparteilichen Richtungsstreit über die künftige ideologische Ausrichtung und Strategie der Partei. Dabei dominiert seit 2013 die "Parteilinke", die für die unbedingte Rückkehr zur unverfälschten Lehre des Marxismus-Leninismus votiert. Die innerparteiliche Opposition um den Verein "marxistische linke e.V." hält demgegenüber weiterhin an den "Politischen Thesen" aus dem Jahr 2010 fest, welche die Bedeutung der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt sowie die Avantgarderolle der Partei relativieren und dafür plädieren, dass die DKP in allen "fortschrittlichen Bewegungen" mitarbeitet. In diesem Zusammenhang beschloss der Parteivorstand am 17. und 18. Juni 2017 die Auflösung der Bezirksorganisation Südbayern, die der innerparteilichen Opposition nahesteht. Die Reaktionen der Parteigliederungen waren gegensätzlich: So äußerten unter anderem die Bezirksorganisationen Saarland und Rheinland-Pfalz ihre Ablehnung, während andere - beispielsweise die Bezirksorganisation Hamburg - dem Beschluss der Parteiführung zustimmten. Ideologischer Der innerparteiliche Richtungsstreit über die künftige ideologiRichtungsstreit sche Ausrichtung der Partei spitzte sich im November 2017 auf führt 2017 zu einer außerordentlichen Bezirksdelegiertenkonferenz weiter zu Parteiaustritten und führte in der Folge zu Austritten aus der DKP - größtenteils in den Regionen Südbayern und in München - sowie aus der Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ). Zu den Ausgetretenen gehören auch ehemalige Führungsfunktionäre der Partei, so eine frühere Parteivorsitzende und ein früherer stellvertretender Parteivorsitzender. Diese bekannten: 128 LINKSEXTREMISMUS "Auch nach unserem Austritt bleiben wir KommunistInnen (...). Viele von uns werden in der marxistischen linken weiterarbeiten (...). Uns ist bewusst, dass wir derzeit eine Übergangsphase erleben, in der sich eine langfristige politische Organisierung für KommunistInnen noch herauskristallisieren muss. Ein fertiges Patent, ein anziehendes, dauerhaftes Projekt, gibt es für linke und kommunistische Kräfte in der heutigen Zeit noch nicht. Wir werden mit vielen anderen daran arbeiten, ein solches zu entwickeln. a luta continua - Der Kampf geht weiter!" (Internetplattform "kommunisten.de", 19. November 2017) Das Potenzial der aktiven und mobilisierbaren Mitglieder ist zudem aufgrund der Überalterung der Partei stark gesunken. So erklärte eine stellvertretende Parteivorsitzende auf der 9. Tagung des Parteivorstands am 17. und 18. Juni 2017 in Essen: "Liebe Genossinnen und Genossen, wenn wir heute Aussagen über die Verfasstheit der Partei treffen, greifen wir zurück auf unsere letzte Mitgliedererhebung 2014 und deren Auswertung. (...) Die wesentlichen Aussagen der Auswertung der Mitgliedsneuausgabe haben Bestand: * Die Partei ist in weiten Teilen des Landes nicht handlungsfähig. Das heißt, die Grundorganisationen sind an vielen Orten nicht in der Lage, eigenständig Interessenvertretungspolitik in ihrem direkten Umfeld - Kommune oder Betrieb - zu entwickeln" (Homepage DKP, 21. September 2017) An der Bundestagswahl am 24. September 2017 nahm die DKP mit insgesamt neun Landeslisten (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) sowie Direktkandidaten in acht Wahlkreisen teil; sie errang 7.517 Erststimmen und 11.558 Zweitstimmen (0,0 %; 2013: Kandidatur nur mit Direktkandidaten in sechs Wahlkreisen in Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg, 1.699 Erststimmen). 129 LINKSEXTREMISMUS 2. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Der maoistisch-stalinistisch geprägten "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) gehören rund 1.800 Mitglieder an. Die MLPD sieht ihre Zielsetzung nach wie vor im "Sturz der Diktatur des Monopolkapitals" und in der "Errichtung der Diktatur des Proletariats, um den Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft" aufzubauen. Die bereits auf dem 10. Parteitag im November 2016 in Truckenthal (Thüringen) durchgeführte Wahl eines neuen Parteivorsitzenden wurde am 1. April 2017 umgesetzt. Der seit Gründung der MLPD im Jahr 1982 amtierende Parteivorsitzende Stefan Engel gab sein Amt aus gesundheitlichen Gründen an seine Nachfolgerin Gabi Fechtner ab. Die MLPD ist in der linksextremistischen Szene nach wie vor weitgehend isoliert und betrachtet unter anderem Parteien wie die DKP sowie DIE LINKE als "Hauptträger des modernen Revisionismus in Deutschland". In diesem Zusammenhang heißt es im Statut der MLPD: "Um einen neuen Aufschwung im Kampf um den Sozialismus vorzubereiten, ist es notwendig, sich entschieden von diesen revisionistischen und entarteten 'Kommunisten' abzugrenzen." (Homepage MLPD, 7. Dezember 2017) Die MLPD befindet sich seit Jahren in einer auffallend guten finanziellen Lage. Sie erzielt Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und einem unverhältnismäßig hohen Spendenaufkommen, welches nach eigenen Angaben der Organisation im hohen sechsstelligen Bereich lag. Bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 trat die MLPD unter der Bezeichnung "Internationalistische Liste/MLPD"39 mit eigenen Landeslisten in allen Bundesländern an. 39 Der Bundeswahlleiter hatte nur die MLPD zur Bundestagswahl zugelassen. Im Wahlkampf trat die Partei jedoch meist unter der Bezeichnung "Internationalistische Liste/MLPD" auf. 130 LINKSEXTREMISMUS Die MLPD erhielt bei der Wahl 35.760 Erststimmen und 29.785 Zweitstimmen (0,1 %; 2013: 0,1 %, 24.219 Zweitstimmen). 3. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) Die trotzkistische "Partei für Soziale Gleichheit" (PSG) mit nach Eigenangaben 261 Mitgliedern hat sich auf ihrem Parteitag am 18. und 19. Februar 2017 in Berlin in "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) umbenannt. Weiterhin bildet sie die deutsche Sektion des trotzkistischen Dachverbandes "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI). Die SGP folgt grundsätzlich der traditionellen trotzkistischen Theorie von einer sozialistischen Revolution als weltweitem ständigen Prozess unter Führung von Arbeiterräten ("Permanente Revolution"). An der Bundestagswahl am 24. September 2017 nahm die SGP mit zwei Landeslisten (Nordrhein-Westfalen und Berlin) und einer Direktkandidatin in Frankfurt am Main teil und erreichte 903 Erststimmen sowie 1.291 Zweitstimmen (0,0 %). Damit blieb sie weit hinter dem absoluten Ergebnis ihrer Vorgängerpartei PSG bei der Bundestagswahl 2013 zurück, die insgesamt 4.564 Zweitstimmen (0,0 %) erzielte. V. Rolle des Internets und der sozialen Medien 1. Linksextremistische Mobilisierung und Vernetzung über das Internet Die sich seit Jahren weiterentwickelnden Möglichkeiten des Internets und insbesondere der Nutzung von sozialen Medien - wie die öffentlichkeitswirksamen Netzwerke Facebook oder Twitter - sind aus linksextremistischer Perspektive für die Kampagnenarbeit und zur Diskussion zentraler Themen und Agitationsschwerpunkte von besonderer Bedeutung. Auf verschiedenen Plattformen, Blogs und Foren vernetzt sich die linksextremistische Szene und ist in der Lage, schnell Informationen im Inund Ausland auszutauschen. Vor allem Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp oder Telegram ermöglichen es Linksextremisten, schnellstmöglich zu informieren, zu mobilisieren und Aktionen zu koordinieren. 131 LINKSEXTREMISMUS Darüber hinaus werden die Internetpräsenzen linksextremistischer Organisationen dafür genutzt, um Interessierte und Sympathisanten als Mitglieder zu gewinnen. Im Hinblick auf die Nutzung und den Umgang mit internetbasierten Medien stellen sich die Angehörigen der linksextremistischen Szene als versiert und zielgerichtet dar. Hierbei agieren Linksextremisten im Internet überwiegend zurückhaltend in Bezug auf die Veröffentlichung eigener personenbezogener Daten, wie beispielsweise Fotos und sonstiger Identifikationsmerkmale. Die Bedeutung der Internetnutzung für die linksextremistische Szene wird auch dadurch deutlich, dass sich Akteure öffentlich für die Freiheit der Nutzung des Internets einsetzen. Im Berichtsjahr proklamierten Linksextremisten diese Forderung als Reaktion auf das Verbot der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia" (vgl. Kap. V, Nr. 2). Mobilisierung Im Kontext der Protestmobilisierung gegen den G20-Gipfel nutzgegen G20 im ten Linksextremisten verstärkt diverse Medien zur Mobilisierung. Internet Auch im Rahmen von Interviews in den klassischen Printmedien und im Fernsehen, vorwiegend jedoch über eigene Homepages sowie soziale Medien, gelang es, für die Proteste eine breite Öffentlichkeit herzustellen. Insbesondere in weit verbreiteten (Musik-) Videos warben Linksextremisten mit zum Teil martialischen Bildund Tonsequenzen für ihre Aktionen und Demonstrationen. Professionell erstellte Logos und Slogans sowie diverse "Mobilisierungsvideos" richteten sich dabei vor allem an ein junges Publikum. Neben bildlichen Darstellungen, zum Beispiel vermummte Personengruppen, die unzulässiger Weise Pyrotechnik verwenden, wird zudem in Textpassagen eine aggressive Grundstimmung verbreitet und der Aufruf zu gewalttätigen Konfrontationen mit der Polizei deutlich. In Anlehnung an das Motto der autonom geprägten Demonstration "Welcome to Hell" am 6. Juli 2017 heißt es in einem gleichnamigen YouTube-Video: "Komm nach Hamburg, mach Welle, Hass auf die Cops, hier ist die richtige Stelle, Gipfel des Wahnsinns, Messehallen, wo die Knüppel dir wahrscheinlich in die Fresse knallen. Doch wir schießen zurück (...)." (Videoportal YouTube, 16. Juni 2017) 132 LINKSEXTREMISMUS 2. Verbot der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia" Um die eigene mediale Präsenz zu erhöhen, nutzen LinksextremisBedeutung der ten seit Jahren verstärkt Internetplattformen, die innerhalb der Plattform "linksSzene ein von bestimmten Gruppen oder ideologischen Strömununten.indymedia" gen unabhängiges Angebot einschlägiger Inhalte gebündelt bereitstellen. Hierzu zählte insbesondere die Internetplattform "linksunten.indymedia", bei der es sich lange Zeit um das wichtigste Medium im gewaltorientierten Linksextremismus in Deutschland handelte. Das übergeordnete Ziel der nunmehr verbotenen linksextremistischen Plattform40 bestand darin, eine "von staatlichen Kontrollen und kapitalistischen Interessen" freie "Gegenöffentlichkeit" zu etablieren und linksextremistische Propaganda zu verbreiten. Über Jahre bot das Portal eine Plattform zur Darstellung und Propagierung linksextremistisch motivierter Straftaten und verfassungsfeindlicher Inhalte. Insbesondere war eine Vielzahl an Selbstbezichtigungssschreiben gewaltorientierter Linksextremisten auf "linksunten.indymedia" abrufbar. Gleiches galt für Anleitungen zum Bau von zeitverzögerten Brandsätzen und explizite Aufforderungen zu Straftaten. Über die Plattform wurde unter anderem zur Begehung von Gewaltstraftaten gegen Polizisten und politische Gegner sowie zu Sabotageaktionen gegen staatliche und private Infrastruktureinrichtungen aufgerufen. Auch im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel wurde auf "linksunten.indymedia" für gewaltsame Aktionen mobilisiert. Es gab vonseiten der Betreiber der Internetplattform keine Distanzierung gegenüber den dort veröffentlichten Inhalten. Selbst offensichtlich strafrechtlich relevante Beiträge wurden nicht von der Plattform entfernt. Vielmehr wurde die Veröffentlichung von Berichten über linksextremistische Gewalttaten befürwortet und von den Betreibern als Alleinstellungsmerkmal der Internetplattform hervorgehoben. So hieß es beispielsweise auf der Plattform: 40 Das Vereinsverbot umfasst auch das Logo/Kennzeichen der Plattform, bestehend aus der grafischen Verwendung des prägenden Vereinsnamensbestandteils "linksunten" im Schriftzug "linksunten.indymedia.org" in roter Farbe, kombiniert mit der Darstellung des Buchstabens "i", von dem beidseitig Funkwellen symbolisierende Klammerzeichen abgehen. 133 LINKSEXTREMISMUS "10 000 mal kontrolliert 10 000 mal ist nichts passiert aber heute Nacht (23.9.2016) hat es Buuum gemacht nämlich in Polizeidirektor[s] (...) Carport (...). Die Autos der Familie (...) wurden durch Feuer vernichtet und die Nachtruhe des Menschenjägers gestört." (Internetplattform "linksunten.indymedia", Beitrag vom 23. September 2016) "In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben wir den Fuhrpark der Bundespolizei in Magdeburg in Brand gesetzt. 7 am Magdeburger Hauptbahnhof parkende Autos gingen in Flammen auf ebenso 11 Fahrzeuge der Deutschen Bahn. Die Zeitung schreibt, der Schaden wird auf 750 000 Euro geschätzt." (Internetplattform "linksunten.indymedia", Beitrag vom 9. September 2016) "Am 19.01.2017 haben wir an den Türen von Amtsgericht, Landgericht und Staatsanwaltschaft in Dessau Feuer gelegt. Die Bullen misshandeln und morden und die staatliche Justiz unterstützt durch vertuschen und verharmlosen. (...) In Gedenken an alle, die ihr schon zum Opfer gefallen sind (...)." (Internetplattform "linksunten.indymedia", Beitrag vom 29. Januar 2017) "Wir haben unter einem der beiden Großtrafos ungefähr 60 Liter Benzin (mit Diesel versetzt) in mehreren Kanistern und Farbeimern platziert. Um diese zu entfachen, haben wir insgesamt 4 elektrische Zünder hinterlassen. Je zwei hingen an einer Stromquelle. Diese sollten durch je einen Küchenwecker eingeschaltet werden." (Internetplattform "linksunten.indymedia", Beitrag vom 15. Januar 2017) Damit folgte das Portal dem eigenen, auch öffentlich formulierten Anspruch, militanten Gruppen unter anderem eine "Plattform für ihre BekennerInnenschreiben" zur Verfügung zu stellen. Dies geschah offenbar auch, um die Popularität der Internetplattform im gewaltorientierten linksextremistischen Spektrum zu steigern. 134 LINKSEXTREMISMUS Durch das Angebot eines verschlüsselten und anonymisierten Kommunikationsweges war es für Nutzer von "linksunten.indymedia" möglich, Beiträge mit strafrechtlich relevanten Inhalten auf der Plattform zu veröffentlichen, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. Hierdurch wurden Strafund Gewalttaten zur Durchsetzung linksextremistischer Ziele legitimiert und zur Begehung weiterer Straftaten aufgerufen. Insbesondere gewaltorientierte Linksextremisten nutzten "linsunten.indymedia" zur Verbreitung verfassungsfeindlicher Inhalte und konnten über die Nutzung der Internetplattform bundesweite Wahrnehmung erlangen. Der hinter der Internetplattform "linksunten.indymedia" stehende Verein wurde mit Wirkung zum 25. August 2017 vom Bundesminister des Innern verboten und aufgelöst. Ausweislich der Verbotsverfügung liefen Zweck und Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwider und richteten sich zudem gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Gegen die Verbotsverfügung wurden Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erhoben. Das Verbot ist daher bislang nicht bestandskräftig. Bereits vor Bestandskraft ist der Weiterbetrieb der Internetplattform des Vereins jedoch nach SS 20 Abs. 1 Nr. 1 Vereinsgesetz (VereinsG) verboten, weil die sofortige Vollziehbarkeit der Verbotsverfügung angeordnet worden ist. Auf der Internetplattform "linksunten.indymedia" findet sich seit dem Wochenende nach dem Verbot als einziger Inhalt die Textzeile: "Wir sind zur Zeit offline..." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 20. Oktober 2017) Die zuständigen Sicherheitsbehörden werden auch nach dem Verbot von "linksunten.indymedia" sehr aufmerksam die weiteren Aktivitäten der linksextremistischen Szene im Internet beobachten. Dies geschieht unter anderem vor dem Hintergrund, dass die Bildung von Organisationen, die verfassungswidrige Bestrebungen (Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach SS 3 des VereinsG verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortführen, verboten ist (SS 8 Abs. 1 des Vereinsgesetzes). Verstöße gegen Vereinsbeziehungsweise Vereinigungsverbote sind nach SS 20 des VereinsG und mit Eintreten der Bestandskraft nach SS 85 135 LINKSEXTREMISMUS des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar. Es ist Aufgabe der zuständigen Strafverfolgungsbehörden hiergegen vorzugehen. VI. Gefährdungspotenzial Bei der Bewertung des Gefährdungspotenzials linksextremistischer Bestrebungen ist zwischen gewaltorientierten und anderen Linksextremisten zu differenzieren. Unter gewaltorientierten Linksextremisten, insbesondere Autonomen, ist weiterhin ein hohes Aggressionsniveau und Gewaltpotenzial festzustellen. Das Aktionsfeld "Antirepression" wird auch zukünftig einen Schwerpunkt autonomer Agitation bilden. Wie der G20-Gipfel in Hamburg gezeigt hat, wirkt dieses Aktionsfeld mobilisierungsund militanzfördernd. "Antirepression" kann insofern mit jedem weiteren Aktionsfeld verknüpft werden und bei künftigen Mobilisierungen einen noch höheren Stellenwert bekommen. Das Aktionsfeld "Antifaschismus" wird aufgrund der Anschlussfähigkeit an weitere Teile der Gesellschaft unverändert zu den Schwerpunkten linksextremistischer Agitation zählen. Für das Jahr 2018 ist damit zu rechnen, dass die AfD, auch aufgrund ihres Einzugs in den Bundestag, weiterhin im Fokus linksextremistischer Akteure stehen wird. Im Zusammenhang mit dem Aktionsfeld "Antigentrifizierung" werden der Mangel an günstigem Wohnraum in Ballungsräumen und stark steigende Mieten in Großstädten weiterhin als dauerhafte Themen Anknüpfungspunkte für autonome Agitation sein. Dies führt dazu, dass Autonome ihre "Freiräume", insbesondere in den jeweiligen Szenevierteln, auch künftig zu verteidigen suchen. Die Protestmobilisierung in Form von Aktionsbündnissen, die sowohl extremistische als auch nicht extremistische Gruppierungen in einer gemeinsamen Kampagne integrieren, ist aus Sicht von Teilen der linksextremistischen Szene ein tragfähiges Erfolgsmodell. Häufig wird dabei auf vorhandene, nicht extremistische Proteststrukturen aufgesetzt, welche um linksextremistische Ideologien 136 LINKSEXTREMISMUS und Aktionsformen ergänzt werden. Die bewusste Integration militanter Aktionsformen in den Protest entspricht dem eigenen Anspruch, für alle "radikalen Kräfte" zu stehen, gewährleistet aber auch die gewünschte mediale Wahrnehmung. Auf diese Weise wird nicht nur die Beeinflussung breiter Schichten der Gesellschaft, sondern auch die Akzeptanz von "Militanz" als legitime Form politischen Handelns angestrebt. Die linksextremistischen Parteien in Deutschland haben im allgemeinen gesellschaftlichen Meinungsund Willensbildungsprozess nur eine geringe Bedeutung. Aber auch im eigenen Spektrum haben sie nur wenig Relevanz für den gewaltorientierten Linksextremismus. Ihre Mitgliederzahlen stagnieren seit Jahren; die DKP ist aufgrund der Überalterung ihrer Mitglieder in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Bei der Bundestagswahl 2017 waren die linksextremistischen Parteien - wie auch bei früheren Wahlen - erfolglos. Im Jahr 2018 stehen keine mit dem G20-Gipfel vergleichbaren Großereignisse an, die bereits absehbar für linksextremistische Protestmobilisierungen instrumentalisiert werden. Aktuelle politische Begebenheiten oder auch lokale (Spontan-)Ereignisse können jedoch jederzeit Anlässe für militante Aktionen gewaltbereiter Linksextremisten darstellen. 137 LINKSEXTREMISMUS VII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Interventionistische Linke" (IL) Gründung: Ende 2005 Mitglieder/Anhänger in 850 (2016: 800) Deutschland: in 32 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "Arranca!" (Zeitschrift, halbjährlich, Auflage: 1.500) sowie verschiedene, aktionsabhängig unregelmäßig erscheinende Publikationen Die "Interventionistische Linke" (IL) wurde 2005 als bundesweites Netzwerk mit dem Ziel einer verbindlichen "Organisierung" autonomer Gruppierungen und Aktivisten gegründet. Mit der Veröffentlichung des "Zwischenstandspapiers" im Oktober 2014 wurde diese Phase abgeschlossen und die IL zu einer bundesweiten Organisation umgeformt. Statt wie bisher nur anlassbezogen unter einem gemeinsamen IL-Label zu agieren, soll mit Gründung von einheitlich benannten Ortsgruppen deren lokales Handeln nun als Handeln der IL wahrgenommen werden. Die IL bemüht sich in Bündnissen und Initiativen um eine kampagnenorientierte Zusammenführung linksextremistischer Akteure unterschiedlicher ideologischer Prägung zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit sowohl in Deutschland als auch in internationalen Kampagnen und Netzwerken. Die IL fungiert dabei als Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nicht gewaltorientierten Linksextremisten beziehungsweise nicht extremistischen Gruppen und Initiativen. Die Einstellung zur Gewalt ist taktisch geprägt, sie wird nicht grundsätzlich abgelehnt. Da die IL auf die Überwindung des "Kapitalismus" mittels eines revolutionären Umsturzes zielt, bildet der "Antikapitalismus" einen ideologischen Schwerpunkt. 138 LINKSEXTREMISMUS 2. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) Gründung: 2006 Mitglieder/Anhänger in 250 (2016: 250) Deutschland: in 13 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "mole" (englisch für: "Maulwurf"; Zeitung, erscheint unregelmäßig) Mitgliedsgruppen: "Theorie. Organisation. Praxis" (Berlin) "Antifaschistische Gruppe Bremen" (Bremen) "Basisgruppe Antifaschismus" (Bremen) "critique'n'act" (Dresden, Sachsen) "Kritik&Praxis" (Frankfurt am Main, Hessen) "redical [m]" (Göttingen, Niedersachsen) "Fast Forward" (Hannover, Niedersachsen) "Antifa AK Köln" (Köln, Nordrhein-Westfalen) "the future is unwritten" (Leipzig, Sachsen) "Antifa NT" (München, Bayern) "...resist!" (Saarbrücken, Saarland) "LevelUP" (Tübingen, Baden-Württemberg) "autonome antifa [w]" (Wien, Österreich) 139 LINKSEXTREMISMUS Das 2006 gegründete Bündnis "...ums Ganze!" (uG) ist ein Zusammenschluss eigenständiger, lokal verankerter Gruppen der autonomen Szene, die ihre Kräfte bündeln, um überregional handlungsfähig zu sein. Im Oktober 2017 schloss sich als weitere Gruppe aus Norddeutschland die "Antifaschistische Gruppe Bremen" an. Das Bündnis bezeichnet sich als ein "kommunistisches Bündnis" und beschreibt damit seinen ideologischen Hintergrund. Es sieht im "Kapitalismus" das nicht reformierbare Grundübel der Menschheit, welches es bedingungslos zu bekämpfen und mitsamt seinem Staatssystem durch eine Revolution zu überwinden gelte. Erst dann sei die Errichtung einer kommunistischen Ordnung möglich. Das Bündnis engagiert sich in unterschiedlichen Kampagnen und vor allem in den Aktionsfeldern "Antifaschismus" und "Antiglobalisierung". 140 LINKSEXTREMISMUS 3. "Perspektive Kommunismus" (PK) Gründung: April 2014 Publikationen/Medien: Unregelmäßig erscheinende Schriften 2017: "Unsere Wahl: Klassenkampf, Revolution, Sozialismus" (Zeitung zum 1. Mai 2017), "FIGHT CAPITALISM" (Texte zu den G20-Protesten in Hamburg 2017) Mitgliedsgruppen: "Revolutionäre Perspektive Berlin" "Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg" "Antikapitalistische Linke München" "Revolutionäre Aktion Stuttgart" "Linke Aktion Villingen-Schwenningen" Die "Perspektive Kommunismus" (PK) wird von fünf eigenständigen Organisationen (2016: sechs) aus dem Linksextremismus getragen, welche sich selbst als lokal verortet bezeichnen. Die einzelnen aktiven Organisationen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Hamburg orientieren sich ideologisch am Marxismus-Leninismus sowie einzelnen trotzkistischen Elementen. Der "Kapitalismus" müsse, so die ideologische Ausrichtung, "revolutionär überwunden und damit auch sein bürgerlicher Staat abgeschafft werden". Ziel ist der "Aufbau des Sozialismus hin zu einer befreiten, einer kommunistischen klassenlosen Gesellschaft". Der Zusammenschluss strebt nach einer Vernetzung gleichgesinnter linksextremistischer Akteure zu einer "bundesweiten, aktionsorientierten und revolutionären kommunistischen Organisation". Diese angestrebte organisatorische Entwicklung stagniert derzeit. Der Zusammenschluss beteiligt sich regelmäßig an verschiedenen Protestaktionen, insbesondere in den Aktionsfeldern "Antiglobalisierung" und im Rahmen der jährlichen "Revolutionären 1. Mai"-Demonstrationen. 141 LINKSEXTREMISMUS 4. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Patrik Köbele Mitglieder/Anhänger 3.000 (2016: 3.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "unsere zeit" (Zeitung, wöchentlich) "Marxistische Blätter" (Theoriemagazin, zweimonatlich) Jugendorganisation: "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 142 LINKSEXTREMISMUS Das zentrale Ziel der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) ist der "grundlegende Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" und die Errichtung einer sozialistischen/ kommunistischen Gesellschaft. Die DKP versteht sich als politische Nachfolgerin der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Sie betont zudem, dass sie stets eng verbunden war mit der damaligen "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED). Seit 2009 herrscht in der DKP ein innerparteilicher Richtungsstreit über die künftige ideologische Ausrichtung und Strategie der Partei. Die dominierende "Parteilinke" votiert für die unbedingte Rückkehr zur unverfälschten Lehre des Marxismus-Leninismus. Demgegenüber hält die innerparteiliche Opposition um den Verein "marxistische linke e.V." an den "Politischen Thesen" fest, die 2010 vom damaligen DKP-Parteivorstand formuliert worden waren. In den Thesen wurden die Bedeutung der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt sowie die Avantgarderolle der Partei relativiert und dafür plädiert, in allen fortschrittlichen Bewegungen mitzuarbeiten. Die DKP bekennt sich ausdrücklich dazu, eine "marxistisch-leninistische Partei" zu sein. Bei den Bundestagswahlen 2017 kandidierte die DKP mit neun Landeslisten und Direktkandidaten (2013: nur Direktkandidaten); sie erzielte - wie bei den vorangegangenen Wahlen - keine nennenswerten Erfolge. Die DKP betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". 143 LINKSEXTREMISMUS 4.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Gründung: 1968 Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: "Jan Meier" (Pseudonym) Mitglieder/Anhänger 750 (2016: 750) in Deutschland: Publikationen/Medien: "POSITION" (Magazin, zweimonatlich) 144 LINKSEXTREMISMUS Der marxistisch-leninistisch orientierte Jugendverband "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) ist formal unabhängig, betrachtet sich aber als Nachwuchsorganisation der DKP. Ziel der SDAJ ist die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft. In dem 2012 beschlossenen "Zukunftspapier", der programmatischen Grundlage der SDAJ, heißt es: "Unsere Grundrechte können nur in einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Krieg, ohne Erwerbslosigkeit und Rassismus durchgesetzt werden, also im Sozialismus. (...) Der Sozialismus öffnet damit zugleich den Weg zu einer kommunistischen Gesellschaft, in der jeder nach seinen Fähigkeiten tätig und nach seinen Bedürfnissen leben kann." (Homepage SDAJ, 13. Dezember 2017) Die SDAJ sieht in der Bündnispolitik eine entscheidende Voraussetzung für den revolutionären Kampf. Bei der Wahl ihrer Bündnispartner schließt sie gewaltbereite Linksextremisten nicht aus. Die Akteure bemühen sich durch nachhaltige Agitation in Theorie (u.a. Aufrufe, Erklärungen, Solidaritätsbekundungen) und Praxis (u.a. Beteiligung an Demonstrationen, Veranstaltungen, Aktions-/Blockadetrainings) darum, ihre politischen Ansichten öffentlichkeitswirksam zu bewerben und die "revolutionären Kräfte" in Deutschland zu stärken, um auf diese Weise den Boden für eine künftige Systemänderung zu bereiten. Neben den Aktionsfeldern, in denen sich auch die DKP betätigt, liegt der Fokus der SDAJ auch auf der Schulund Jugendpolitik. Die SDAJ richtet traditionell im Zweijahresrhythmus stattfindende sogenannte Pfingstcamps aus. 145 LINKSEXTREMISMUS 5. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Stefan Engel (bis 31. März 2017) Gabi Fechtner (geb. Gärtner, seit 1. April 2017) Mitglieder/Anhänger 1.800 (2016: 1.800) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Rote Fahne" (Magazin, zweiwöchentlich) Jugendorganisation: "REBELL" Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) ist streng maoistisch-stalinistisch ausgerichtet und strebt eine kommunistische Gesellschaft an. Es bedürfe eines "revolutionären Sturzes der Diktatur des Monopolkapitals und der Errichtung der Diktatur des Proletariats, um den Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft" aufzubauen. Die MLPD ist dogmatisch geprägt. Auf ihrem 10. Parteitag im November 2016 in Truckenthal (Thüringen) wurde ein neues Parteiprogramm verabschiedet, in dem der Sozialismus als Übergangsgesellschaft vom Kapitalismus zum Kommunismus bezeichnet wird. Zudem wurde eine neue Parteivorsitzende gewählt, die ihr Amt am 1. April 2017 antrat. Der bisherige Vorsitzende hatte die MLPD seit ihrer Gründung im Jahr 1982 geleitet. Die MLPD ist in der linksextremistischen Szene weitgehend isoliert und betrachtet unter anderem Parteien wie die DKP und DIE LINKE als "Hauptträger des modernen Revisionismus in Deutschland". Bei den Bundestagswahlen 2017 kandidierte die MLPD mit Landeslisten in allen Bundesländern; sie erzielte - wie bei den vorangegangenen Wahlen - keine nennenswerten Erfolge. 146 LINKSEXTREMISMUS 5.1 "REBELL" Gründung: 1992 Sitz: Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Sprecherrat Mitglieder/Anhänger 100 (2016: 100) in Deutschland: Publikationen/Medien: Magazin "REBELL" (Zeitschrift, zweimonatlich) Wie die MLPD ist auch ihr Jugendverband "REBELL" maoistischstalinistisch ausgerichtet. Der Sozialismus wird seitens der Parteijugend als die nächste gesellschaftliche Stufe und Vorstufe einer klassenlosen, kommunistischen Gesellschaft angesehen. Auf der Homepage des Jugendverbandes heißt es hierzu: "Sozialismus ist der nächste gesellschaftliche Schritt vorwärts. Er bedeutet Abschaffung von Ausbeutung und Unterdrückung der werktätigen Massen. Im Sozialismus werden die alten Kapitalisten unterdrückt, damit die Massen wirkliche Demokratie haben." (Homepage "REBELL", 13. Dezember 2017) Gemeinsam mit der MLPD bereitete sich "REBELL" im Jahr 2017 auf die Bundestagswahlen vor. Auf Initiative von "REBELL" gründete sich im März 2017 die "Jugendplattform im Internationalistischen Bündnis", dem auch Jugendorganisationen aus dem ausländerextremistischen Bereich angehören. 147 LINKSEXTREMISMUS 6. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP), deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI) (Abspaltung der "Vierten Internationale") Gründung: 2017 (vormals PSG bzw. BSA) Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Ulrich Rippert (Parteivorsitzender seit 1971) Mitglieder/Anhänger 261 (2016: 261) in Deutschland: Publikationen/Medien: "World Socialist Web Site" (Onlinepublikation) Die "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) erkennt die politische Autorität des trotzkistischen Dachverbands "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) an und folgt damit grundsätzlich der traditionellen trotzkistischen Theorie von einer sozialistischen Revolution als weltweitem ständigen Prozess unter Führung von Arbeiterräten ("Permanente Revolution"). Vorgängerstruktur der SGP war von 1997 bis 2017 die "Partei für Soziale Gleichheit" (PSG); die wiederum aus dem "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA), der in den Jahren 1971 bis 1997 bestand, hervorgegangen war. Die Agitation der SGP richtet sich schon in ihrer Programmatik gegen die bestehende, pauschal als "Kapitalismus" verunglimpfte staatliche und gesellschaftliche Ordnung, gegen die EU, gegen vermeintlichen Nationalismus, Imperialismus und Militarismus sowie gegen die Sozialdemokratie, die Gewerkschaften und auch gegen die Partei DIE LINKE. Durch die Teilnahme an Wahlen sowie durch Vortragsveranstaltungen versucht die Partei für ihre politischen Vorstellungen öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Zur Bundestagswahl 2017 kandidierte die SGP mit zwei Landeslisten (Nordrhein-Westfalen und Berlin) sowie einer Direktkandidatin in Frankfurt am Main, erzielte jedoch - wie bei den vorangegangenen Wahlen - keine nennenswerten Wahlerfolge. 148 LINKSEXTREMISMUS 7. "Rote Hilfe e.V." (RH) Gründung: 1975 Sitz: Göttingen (Niedersachsen) Bundesgeschäftsstelle Mitglieder/Anhänger 8.300 (2016: 8.000) in Deutschland: in 51 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "DIE ROTE HILFE" (Zeitschrift, vierteljährlich und als Onlinemagazin) Die "Rote Hilfe e.V." (RH) definiert sich laut Satzung als eine "parteiunabhängige strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Sie leistet Strafund Gewalttätern aus dem linksextremistischen Spektrum politische und finanzielle Unterstützung, beispielsweise bei anfallenden Anwaltsund Prozesskosten sowie bei Geldstrafen und Geldbußen. Ferner versucht die RH, durch meinungsbildende Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen, Vorträge, Demonstrationen) die Sicherheitsund Justizbehörden sowie die rechtsstaatliche Demokratie zu diskreditieren. Dazu organisiert sie unter anderem Informationsund Diskussionsveranstaltungen zu Themenfeldern wie "staatliche Repression" und fordert dazu auf, grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten zu verweigern. Darüber hinaus betreut die RH rechtskräftig verurteilte Straftäter während ihrer Haft, um diese weiter beziehungsweise stärker an die "Bewegung" zu binden. Beispielsweise hält sie persönlichen Kontakt zu Inhaftierten, um sie zum "Weiterkämpfen" zu motivieren. 149 LINKSEXTREMISMUS 8. "GegenStandpunkt" (GSP) Gründung: 1992 Sitz: München (Bayern) Leitung/Vorsitz: Zentralredaktion des Verlags Dr. Peter Decker (verantwortlicher Redakteur) Mitglieder/Anhänger 3.000 (2016: 3.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "GegenStandpunkt - Politische Vierteljahreszeitschrift" Die sektenartig organisierte Gruppe "GegenStandpunkt" (GSP) vertritt eine modifizierte Marxismus-Konzeption. Sie lehnt die parlamentarische Demokratie als "perfekte Form bürgerlicher Herrschaft" ab. Ihr Ziel ist die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft durch die revolutionäre Überwindung der gegenwärtigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Aufgrund ihres elitären Marxismus-Verständnisses ist die Gruppierung in der linksextremistischen Szene weitgehend isoliert. So findet beispielsweise keine Kampagnenarbeit mit anderen linksextremistischen Zusammenschlüssen statt. GSP betreibt Mitgliedergewinnung vorrangig an Hochschulen. Die Gruppierung widmet sich in erster Linie der Theorieentwicklung sowie der Veröffentlichung von Texten im Internet. Außerdem organisiert GSP sowohl interne als auch öffentliche Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zur Theorieschulung der Anhänger beziehungsweise zur Verbreitung ihrer spezifischen Ideologie. 150 LINKSEXTREMISMUS 9. "Sozialistische Alternative" (SAV), deutsche Sektion des internationalen Dachverbandes "Committee for a Worker's International" (CWI) mit Sitz in London Gründung: 1994 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Eine aus gleichberechtigten BundessprecherInnen bestehende Bundesleitung Mitglieder/Anhänger 300 (2016: 300) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Solidarität" (Zeitung, monatlich), "sozialismus.info" (Theoriemagazin, vierteljährlich) Die trotzkistische "Sozialistische Alternative" (SAV) verfolgt das Ziel, eine kommunistische Gesellschaft zu erschaffen. Sie versteht sich als "revolutionäre, sozialistische Organisation in der Tradition von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und Liebknecht". Die SAV bedient sich der Strategie des Entrismus: Ihre Mitglieder agieren vorwiegend im extremistischen Zusammenschluss "Antikapitalistische Linke" (AKL) der Partei DIE LINKE, um Einfluss auf die Partei nehmen zu können. Die SAV beteiligte sich auch 2017 an mehreren bundesweiten Protestaktionen und Kampagnen, insbesondere in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antirassismus", "Antimilitarismus" und "Antiglobalisierung" sowie an den jährlichen "Revolutionären 1. Mai"Demonstrationen in Berlin. Die SAV richtet eigene Seminare und Diskussionsrunden aus, insbesondere die jährlich in Berlin stattfindenden "Sozialismustage". 151 LINKSEXTREMISMUS 10. "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM), deutsche Sektion der "Liga für die Fünfte Internationale" (L5I) mit Sitz in London Gründung: 1982 (seit 2003 Mitglied der L5I) Sitz: Berlin Mitglieder/Anhänger 40 (2016: 40) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Neue Internationale" (Zeitung, monatlich) "Revolutionärer Marxismus" (Theoriemagazin, jährlich) Die "Gruppe Arbeitermacht" nennt sich seit der Neugestaltung ihrer Homepage am 1. Juli 2017 "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM). Das Ziel der GAM ist die Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft trotzkistischer Prägung. Die klassenlose Gesellschaft soll durch eine sozialistische Weltrevolution erreicht werden. Die GAM arbeitet schwerpunktmäßig im außerparlamentarischen Raum, insbesondere beschäftigt sie sich mit gewerkschaftlicher Arbeit in Betrieben. Sie rekrutiert Mitglieder meist über ihre Jugendorganisation "REVOLUTION" (REVO). Die GAM beteiligt sich regelmäßig an bundesweiten Protestaktionen und Kampagnen, insbesondere in dem Aktionsfeld "Antiglobalisierung" sowie den jährlichen "Revolutionären 1. Mai"Demonstrationen in Berlin. Die Gruppierung bietet bei diversen Veranstaltungen, wie Lesekreise und Vortragsreihen, die Möglichkeit zur Diskussion und Schulung. Jährlich wird eine sogenannte "GAM-Sommerschulung" in Berlin durchgeführt, die parallel zum "REVO-Sommercamp" stattfindet. 152 LINKSEXTREMISMUS 10.1 "REVOLUTION" (REVO), Jugendorganisation der "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) Gründung: 1999 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Exekutivkomitee (XK) (gewählt aus den 16 Mitgliedern der Sektionskonferenz) Mitglieder/Anhänger 60 (2016: 60) in Deutschland: Publikationen/Medien: "REVOLUTION" (Zeitung, unregelmäßig, 2017 zwei Ausgaben) Als Jugendorganisation der "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) steht "REVOLUTION" (REVO) in der Tradition eines "undogmatischen und offenen Marxismus" und verfolgt ebenfalls das Ziel der Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft trotzkistischer Prägung. Die Altershöchstgrenze ist auf 30 Jahre begrenzt mit dem Ziel, im Anschluss in die GAM zu wechseln. In ihrem 2013 überarbeiteten "Manifest" fordert REVO offen den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung eigener Ziele. REVO beteiligte sich 2017 an diversen Demonstrationen, insbesondere in den Aktionsfeldern "Kurdistansolidarität" und "Antiglobalisierung" sowie an den "Revolutionären 1. Mai"-Demonstrationen in Berlin. Ein besonderer Fokus liegt darüber hinaus auf der Personengruppe "Schüler". So führt die REVO "Demo & Blockadetrainings für Schüler_Innen" durch und beteiligt sich regelmäßig an Demonstrationen zum Thema Schulpolitik oder den sogenannten Schulstreiks. Die Jugendorganisation veranstaltet jährlich ein "REVO-Sommercamp", das parallel zur "GAM-Sommerschulung" stattfindet. 153 LINKSEXTREMISMUS 11. Offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE 11.1 "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) Gründung: Dezember 1989 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Bundessprecherrat (vier Mitglieder) Mitglieder/Anhänger 1.200 (2016: 1.200) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform" (Zeitschrift, monatlich) Die "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) ist der mitgliederstärkste offen extremistische Zusammenschluss in der Partei DIE LINKE. Ziel der KPF ist die Überwindung des Kapitalismus als Gesellschaftsordnung und der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft. In der Partei DIE LINKE ist die KPF die Gruppierung, die sich am deutlichsten zum Kommunismus sowie zu marxistisch-leninistischen Traditionen bekennt. Sie verteidigt die historische Legitimität der DDR und setzt sich für eine Bewahrung der antikapitalistischen Grundhaltung der Partei DIE LINKE ein. Die KPF betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antirassismus". Sie beteiligt sich regelmäßig an dem Bundestagswahlkampf der Partei. Zur Verbreitung ihrer politischen und ideologischen Ansichten gibt die KPF monatlich die "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform" heraus. Diese weisen nach eigenen Angaben die politischen Positionen der KPF aus. 154 LINKSEXTREMISMUS 11.2 "Sozialistische Linke" (SL) Gründung: August 2006 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: BundessprecherInnenrat (zwölf Personen) Mitglieder/Anhänger 826 (2016: 826) in Deutschland: Publikationen/Medien: "realistisch und radikal" (Debattenmagazin, unregelmäßig) Der offen extremistische Zusammenschluss "Sozialistische Linke" (SL) in der Partei DIE LINKE knüpft an "linkssozialistische und reformkommunistische Traditionen" an und vertritt neomarxistische Positionen. Ziel ist die Überwindung des Kapitalismus. Die DDR war für die SL "ein legitimer Versuch, auf deutschem Boden eine Alternative zum Kapitalismus aufzubauen". Aktionsfelder der SL sind gewerkschaftliche Themen, Umwelt und politische Bildungsarbeit. Des Weiteren richtet sie jährlich die "Sommerakademie" aus - eine öffentliche Veranstaltung, bei der die "Grundlagen linker Politik im und gegen den Kapitalismus" besprochen werden. 155 LINKSEXTREMISMUS 11.3 "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si" (AG Cuba Si) Gründung: 1991 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Koordinierungsrat Mitglieder/Anhänger 536 (2016: 536) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Cuba Si revista" (Zeitschrift, halbjährlich) Der als Arbeitsgemeinschaft beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE organisierte, offen extremistische Zusammenschluss "Cuba Si" tritt für eine uneingeschränkte politische und materielle Solidarität mit dem kubanischen Regime ein. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Menschenrechtsverstößen der kubanischen Regierung findet in der Regel nicht statt. Die AG Cuba Si unterhält Kontakte zu zahlreichen kubanischen Organisationen und Einrichtungen, unter anderem zur "Kommunistischen Partei Kubas" sowie zum "Kommunistischen Jugendverband Kubas". Der Ideologie des sozialistischen Internationalismus folgend, führt die AG Cuba Si Solidaritätsaktionen - wie zum Beispiel die Spendenkampagne "Kuba muss überleben" - zugunsten des sozialistischen Staates durch. 156 LINKSEXTREMISMUS 11.4 "Antikapitalistische Linke" (AKL) Gründung: 2006 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: "BundessprecherInnenrat" (fünf Mitglieder) Mitglieder/Anhänger 933 (2016: 840) in Deutschland: Die seit 2012 als Bundesarbeitsgemeinschaft in der Partei DIE LINKE organisierte "Antikapitalistische Linke" (AKL) fordert einen "grundsätzlichen Systemwechsel" sowie die Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung durch einen "Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen". Wesentliche Aktionsfelder sind "Antikapitalismus" und "Antimilitarismus". Auch Mitglieder der trotzkistischen "Sozialistischen Alternative" (SAV) agieren in der AKL. 157 LINKSEXTREMISMUS 11.5 "Marxistisches Forum" (MF) Gründung: 1995 Sitz: Berlin Mitglieder/Anhänger 400 (2016: 400) in Deutschland: Dem orthodox-kommunistisch ausgerichteten "Marxistischen Forum" (MF) fehlen für eine Anerkennung als bundesweiter Zusammenschluss in der Partei DIE LINKE nach wie vor die satzungsgemäßen Voraussetzungen. Gleichwohl trägt es zur Profilierung des linken Flügels der Partei bei. Unter Bezugnahme auf Marx, Engels und Lenin sieht das MF im Sozialismus die Vorstufe zum angestrebten Kommunismus. Das MF zeichnet ein besonders positives Bild der SED-Diktatur und glorifiziert den "strukturellen Antifaschismus" in der DDR. 158 LINKSEXTREMISMUS 11.6 "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) Gründung: 2003 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Sprecherrat (zwei Mitglieder) Koordinierungsrat (drei Mitglieder) Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "Bulletin" (Zeitschrift, vierteljährlich) Der bundesweite Zusammenschluss "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) in der Partei DIE LINKE setzt sich für eine Stärkung und Verbreitung der marxistisch-sozialistischen Positionen in der Partei ein. Er fordert einen grundlegenden Richtungswechsel gesellschaftlicher Entwicklung hin zum Sozialismus. Er bezeichnet sich selbst als einen "nicht unwesentlichen Teil der marxistischkommunistisch-sozialistischen Strömungen und Plattformen" innerhalb der Partei. Die Hauptaktionsfelder des GSoD sind "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". 159 LINKSEXTREMISMUS 11.7 "marx21" Gründung: September 2007 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: marx21 - Koordinierungskreis (20 Personen) Mitglieder/Anhänger 300 (2016: 300) in Deutschland: Publikationen/Medien: "marx21" (Zeitung, vier Ausgaben pro Jahr) "Theorie21" (Theoriemagazin, halbjährlich) Das trotzkistische Netzwerk "marx21" ist kein vom Parteivorstand der Partei DIE LINKE anerkannter Zusammenschluss innerhalb der Partei. Gleichwohl versucht das Netzwerk, mit der Strategie des Entrismus Einfluss auf die Partei zu gewinnen. Darüber hinaus agitiert "marx21" im extremistischen Zusammenschluss "Sozialistische Linke" (SL) der Partei DIE LINKE. Ziel ist die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. Das Netzwerk betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antiimperialismus", "Antimilitarismus" und "Antiglobalisierung". Dazu gehört auch die Teilnahme an Protestaktionen und Kampagnen. Außerdem richtet "marx21" eigene Konferenzen und Versammlungen aus, insbesondere den jährlich in Berlin stattfindenden Kongress "Marx Is Muss". 160 LINKSEXTREMISMUS 12. "junge Welt" (jW) Gründung: 1947 Sitz: Berlin Verlag: "8. Mai GmbH", gehört zur "Linke Presse Verlags-, Förderungsund Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G." (LPG) Chefredakteur: Stefan Huth Erscheinungsweise: täglich Die kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung "junge Welt" (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein. Sie ist das bedeutendste und mit einer Auflage von 156.000 Exemplaren (Eigenangaben der Organisation) das auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus. Einzelne Redaktionsmitglieder und ein nicht unerheblicher Teil der Stammund Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Die jW bekennt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder Personen, die politisch motivierte Straftaten gutheißen, eine öffentliche Plattform. Die seit Jahren angespannte finanzielle Lage der jW hat sich nach eigenen Angaben stabilisiert. 161 162 Islamismus/ islamistischer Terrorismus 163 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick Der Begriff "Islamismus" bezeichnet eine Form des politischen Extremismus. Unter Berufung auf den Islam zielt der Islamismus auf die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass der Islam nicht nur eine persönliche, private "Angelegenheit" ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmt oder zumindest teilweise regelt. Der Islamismus postuliert die Existenz einer gottgewollten und daher "wahren" und absoluten Ordnung, die über den von Menschen gemachten Ordnungen steht. Mit ihrer Auslegung des Islam stehen Islamisten insbesondere im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. Ein wesentliches ideologisches Element des Islamismus ist außerdem der Antisemitismus. Unter dem Oberbegriff "Islamismus" werden verschiedene Strömungen zusammengefasst, die sich hinsichtlich ihrer ideologischen Prämissen, ihrer geografischen Orientierung und ihrer Strategien und Mittel unterscheiden. Legalistische Strömungen wie die "Milli Görüs"-Bewegung versuchen, über politische und gesellschaftliche Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen. Die Anhänger islamistisch-terroristischer Gruppierungen wie HAMAS und "Hizb Allah", deren Ziel die Vernichtung des jüdischen Staates Israel ist, sind auf ihre Herkunftsregionen fokussiert und wenden schwerpunktmäßig dort terroristische Gewalt an. Jihadistische Gruppierungen, wie zum Beispiel der "Islamische Staat" (IS) und "al-Qaida", sehen in ihrem Kampf für einen "Gottesstaat" in terroristischer Gewalt ein unverzichtbares Mittel gegen "Ungläubige" und sogenannte korrupte Regime. Ihre terroristische Agenda ist global und bedroht auf internationaler Ebene alle Staaten. Eine seit mehreren Jahren stark an Bedeutung gewinnende Strömung im Islamismus ist der Salafismus. Salafisten geben vor, sich in ihrem Denken und Handeln ausschließlich an einem wortgetreuen Verständnis von Koran und Sunna (zur Nachahmung emp164 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS fohlene Handlungsweisen und Aussagen des Propheten) sowie am Vorbild der Gefährten des Propheten zu orientieren. Damit lehnen sie nicht nur die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gänze ab, sondern negieren auch weitestgehend die Geschichte des Islam und der Muslime. Salafisten vertreten einen Exklusivitätsanspruch; sie sehen sich als die einzigen "wahren" Muslime. 1. Entwicklungstendenzen Im Jahr 2017 kam es in Deutschland zu einem islamistisch-terroAnschlag in ristisch motivierten Anschlag. Am 28. Juli 2017 stach ein abgelehnDeutschland ter palästinensischer Asylbewerber in einem Supermarkt in Hamburg mit einem Messer auf einen Kunden ein und verletzte diesen tödlich. Danach verletzte er sechs weitere Menschen teilweise schwer, bevor er auf der Flucht von Passanten überwältigt und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten werden konnte. In den polizeilichen Vernehmungen gab der Täter an, dass er - ohne Mitglied des IS oder einer anderen terroristischen Vereinigung zu sein - seine Tat in einen Kontext mit islamistischen Anschlägen stelle und als persönlichen Beitrag zum weltweiten Jihad verstehe. Die Bilanz eines einzigen Anschlags erscheint im Vergleich zu den sechs Terroranschlägen des Vorjahres gering, darf aber nicht über die weiterhin hohe Anschlagsgefahr in Deutschland hinwegtäuschen. Deutschland steht im Fokus des islamistischen Terrorismus. Die im Jahr 2017 deutlich niedrigere Zahl islamistisch motivierter Erfolgreiche Terroranschläge in Deutschland ist unter anderem auch auf erAufklärungsarbeit folgreiche bundesweite Aufklärungsbemühungen der Sicherheitsbehörden zurückzuführen. So wurden in diesem Jahr - auch unter Mitwirkung des BfV - in einer Reihe von Fällen Anschlagsplanungen frühzeitig aufgedeckt oder Anschlagsvorhaben vereitelt, die sich bereits in einem konkreten Vorbereitungsstadium befanden. Auch zukünftig kann es in Deutschland jederzeit zu einem terroristischen Ereignis kommen. Oberstes Ziel des BfV in Zusammenarbeit mit den deutschen Sicherheitsbehörden und ausländischen Partnern ist daher weiterhin die Verhinderung islamistisch-terroristischer Anschläge. 165 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Gefährdungslage in Insgesamt setzt sich der Trend einer Kräfteverschiebung hin zu Deutschland salafistischen Strömungen und global orientierten jihadistischen Gruppierungen sowie zu gewaltorientierten Aktionsformen fort. Unter den legalistischen Organisationen verzeichnete insbesondere die "Milli Görüs"-Bewegung in den letzten Jahren einen deutlichen Rückgang von Anhängern. Im Zentrum der islamistischen Gefährdungslage stehen islamistisch-terroristische Anschlagsvorhaben - sowohl mit einfachen Mitteln als auch solche komplexer Natur. Dabei bestehen verschiedene Bedrohungsszenarien: Einzeltäter/ Zum einen geht weiterhin eine große Gefahr von organisationsKleinstgruppen ungebundenen, durch jihadistische Ideologie inspirierten, häufig ("individueller Jihad") selbstradikalisierten und eigenständig handelnden Einzeltätern oder Kleinstgruppen aus ("individueller Jihad"). Ein Einzeltäter oder eine Kleinstgruppe handelt zumeist ohne Auftrag, auch wenn die Tat im Interesse einer islamistisch-terroristischen Gruppierung begangen wird. Koordinierte Daneben besteht aber weiterhin auch die Gefahr eines komplexen Anschläge durch Anschlags, durchgeführt von Personennetzwerken ("Hit-Teams") "Hit-Teams" im Auftrag von global agierenden islamistisch-terroristischen Gruppierungen wie dem IS. Ein besonderes Augenmerk der Sicherheitsbehörden gilt hier möglichen konspirativen Einreisen von Mitgliedern und Beauftragten terroristischer Organisationen im Rahmen der Migrationsbewegungen nach Europa. Außerdem liegt der Fokus der Sicherheitsbehörden auf den Rückkehrern aus den Kampfgebieten in Syrien und im Irak. Aufgrund der militärischen Erfolge der Anti-IS-Koalition und des Assad"Jihad-Rückkehrer" Regimes sowie seiner Verbündeten ist perspektivisch mit mehr "Jihad-Rückkehrern" nach Europa zu rechnen, wo sie eine schwer kalkulierbare und möglicherweise auch langfristige Gefahr darstellen. Das Ende des "Kalifats", aber auch die prekäre Situation in der Konfliktregion, führt dazu, dass Kämpfer und ihre Angehörigen die Kampfgebiete verlassen. Nicht alle von ihnen versuchen jedoch nach Deutschland zurückzukehren: Einige weichen in benachbarte Regionen aus, andere versuchen in andere Jihad-Gebiete (z.B. in 166 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Richtung Afghanistan) weiterzureisen. Hinzu kommen Todesfälle und Gefangennahmen durch Konfliktparteien. Etwa ein Drittel aller in Richtung Syrien/Irak ausgereisten Personen befindet sich gegenwärtig wieder in Deutschland. Das von ihnen ausgehende Gefährdungspotenzial ist schwer abzuschätzen: Einige von ihnen könnten weiterhin hoch radikalisiert sein. Oft verfügen sie über Erfahrungen im Umgang mit Waffen und Sprengstoff sowie über Kontakte zu anderen (ehemaligen) jihadistischen Kämpfern und zu terroristischen Organisationen. Auch von den zurückkehrenden Ehefrauen und Kindern der Familien Kämpfer kann eine Gefährdung ausgehen. Die Propaganda des von Kämpfern IS weitet die Pflicht zum Jihad auch auf Frauen und Kinder aus. Die meisten Kämpfer haben eine oder mehrere Frauen. Zum Teil wurden die Ehen vor der Ausreise in Deutschland, zum Teil erst im Konfliktgebiet geschlossen. Einige Kinder sind mit den Jihadisten ausgereist, andere wurden vor Ort geboren. Es ist auch Aufgabe der Sicherheitsbehörden, dieses Personenpotenzial im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu identifizieren. Deutschland ist nach wie vor Zielland für Menschen aus den Jihadisten unter Kriegsgebieten des Nahen Ostens, aus Afrika und Südasien. InsbeFlüchtlingen sondere der Krieg in Syrien und im Irak führt seit Sommer 2015 zu ausgeprägten Migrationsbewegungen nach Europa. Der IS nutzt die Migrationsrouten gezielt, um Attentäter nach Europa zu schleusen, und ist gleichzeitig bemüht, Flüchtlinge in Deutschland für terroristische Anschläge zu gewinnen. Vier islamistische Anschläge, die sich 2016 (Würzburg, Ansbach und Berlin) und 2017 (Hamburg) in Deutschland ereigneten, wurden von Asylsuchenden ausgeführt. Es ist weiterhin damit zu rechnen, dass sich unter den Migranten auch Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten extremistischer und terroristischer Organisationen befinden, die verdeckt nach Deutschland einreisen. Zugleich beobachten die Sicherheitsbehörden Anhänger extremistischer Organisationen und Strömungen in Deutschland, die versuchen, Kontakt mit Migranten aufzunehmen, um diese für ihre Ziele zu gewinnen. 167 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Festzustellen waren aber auch Migranten, die sich in Deutschland - mitunter in einem äußerst kurzen Zeitraum - (selbst-)radikalisierten und islamistischen Beobachtungsobjekten anschlossen. Unter den Sicherheitsbehörden findet auf nationaler und internationaler Ebene eine intensive Zusammenarbeit im Hinblick auf die Gefahren möglicher konspirativer Einreisen im Rahmen der Migrationsbewegungen nach Europa statt. Jihadistisch Die Ausreise nach Syrien oder in den Irak ist nicht mehr das primämotivierte re Thema und Ziel des jihadistischen Milieus in Deutschland. JihaAusreisen verlieren distische Propaganda und Rekrutierung dient nur noch vereinzelt an Bedeutung dem Ziel der Ausreise in ein Jihad-Gebiet. Die Utopie des "Kalifats" hat ihre Anziehungskraft mit zunehmenden territorialen und personellen Verlusten des IS nahezu vollständig verloren. Statt auf Ausreisen zur Kampfbeteiligung konzentrierte sich die Szene im Jahr 2017 - gemäß den anhaltenden Appellen der jihadistischen Propaganda - zunehmend auf Aktionen vor Ort. Auch auf deutschsprachigen Internetpräsenzen wurde dafür geworben, im Namen des IS selbstständig Anschläge in Deutschland zu planen und durchzuführen. Internationale Gleichzeitig beeinflussen internationale Entwicklungen, Kriege Entwicklungen und Unruhen mit Beteiligung von Muslimen islamistisch und besonders jihadistisch motivierte Personen und sind damit auch für die Bedrohungslage in Deutschland relevant. Das gilt vor allem für Themen und Ereignisse, die geeignet sind, die in der islamistischen Weltsicht angenommene generelle Unterdrückung von Muslimen durch Nichtmuslime zu belegen. Ein Beispiel hierfür ist der Konflikt um die muslimische Volksgruppe der Rohingya in Myanmar. Der seit dem Jahr 2011 andauernde Krieg und Terror in Syrien mit seinen katastrophalen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung ist jedoch weiterhin ein maßgeblicher Faktor für die islamistische Wahrnehmung der Welt. Niederlage des Im Jahr 2017 erlitt der IS in Syrien und im Irak aufgrund deutli"Kalifats" in Syrien cher militärischer Niederlagen massive Gebietsverluste. Insbesonund im Irak dere verlor er seine wichtigsten städtischen Zentren, das irakische Mossul (Juli 2017) und das syrische Raqqa (Oktober 2017). Damit ist das islamistische Narrativ von der Wiedereinsetzung des histo168 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS rischen islamischen Kalifats nach einer Phase der vermeintlichen Realisierung wieder zu einer Utopie geworden. IS-Sympathisanten weltweit verfügen nun über neuen Stoff zur Legendenbildung und Veteranenverehrung, der als Motivation dafür dienen kann, den einmal erreichten Zustand erneut zu erkämpfen. Die territorialen Verluste zwangen den IS zu einer strategischen Neuausrichtung. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Propaganda des IS wider. Aktuell geht es mit Blick auf das "Kalifat" kaum noch um die Idealisierung des Alltagslebens im Herrschaftsgebiet des IS, sondern vermehrt um Durchhalteparolen. Das "Kalifat" wird dabei in den Kontext des historischen Kalifats der islamischen Frühzeit gestellt, um es zu legitimieren und seine Bedeutung hervorzuheben. Auch infolge seiner umfassenden Niederlagen in Syrien und im Anschläge in Europa Irak treibt der IS seine Strategie des Terrors gegen "weiche Ziele" und weltweit voran. Nicht nur in Deutschland, Europa und den USA, sondern auch in anderen Teilen der Welt kam es im Verlauf des Jahres 2017 zu zahlreichen Terrorakten. Viele davon sind dem IS zuzurechnen. Teilweise dürften diese Anschläge direkt gesteuert gewesen sein, häufig wurden sie autonom geplant und durchgeführt. Der IS übernahm für die "inspirierten" Anschläge gleichwohl oft die Verantwortung. Darunter waren viele Messerattacken, aber auch Sprengstoffanschläge und Anschläge mit Fahrzeugen, die in Menschenmengen fuhren. Im Jahr 2017 gab es europaweit Anschläge in Großbritannien, Frankreich, Spanien, Schweden, Russland und Finnland. Die Propaganda des IS und der "al-Qaida" beinhaltet nach wie vor ein ernst zu nehmendes Drohpotenzial vor allem für die westlichen Staaten. Die jihadistische Propaganda wurde auch im Jahr 2017 von den Jihadistische Propaglobal ausgerichteten jihadistischen Gruppierungen IS und "algandastrategien Qaida" dominiert. Beide haben die militärische und ideologische Überwindung des Westens beziehungsweise aller "Ungläubigen" zum Ziel und räumen dabei dem "Online-Jihad" eine große Bedeutung ein. 169 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS In der IS-Propaganda ist eine doppelte Kommunikationsstrategie erkennbar: Für die eigene Anhängerschaft werden Erfolgsmeldungen verbreitet, die zugleich in westlichen Gesellschaften Angst und Schrecken verursachen sollen. Die Niederlage des IS in Syrien und im Irak wirkte sich jedoch auch auf seine Medienlandschaft aus. Gerade im Bereich der "offiziellen Medien" des IS waren 2017 "Kapazitätsengpässe" zu beobachten. Neben dem IS rufen auch Kern-"al-Qaida" und die mit ihr assoziierten Gruppierungen unvermindert zum Jihad gegen den Westen auf. Das gilt insbesondere für das von "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) verantwortete Onlinemagazin "INSPIRE", das auch über Instant-Messaging-Dienste zum Jihad aufruft. "Al-Qaida" weiter Kern-"al-Qaida" agiert weiterhin in den Rückzugsgebieten Afghaunter Druck nistan und Pakistan. In Afghanistan, wo sich die Sicherheitslage im vergangenen Jahr kontinuierlich verschlechtert hat, kooperiert Kern-"al-Qaida" auf lokaler Ebene sowohl mit den "Taleban" als auch mit dem militanten islamistischen "Haqqani-Netzwerk", um deren Ziel eines afghanischen Jihad zu unterstützen. Insgesamt hat sich die Lage von "al-Qaida" in ihren Kerngebieten jedoch weiter angespannt. Die Organisation steht hier unter massivem militärischem Druck. Salafismus: Im Jahr 2017 stieg die Zahl der Salafisten in Deutschland noch einweiter steigende mal um über 1.000 Personen auf 10.800 an. Die Anhänger der salaAnhängerzahl fistischen Ideologie sind damit die einzige islamistische Gruppe mit signifikant steigendem Personenpotenzial. Fließende Das ist besonders problematisch vor dem Hintergrund der gemeinÜbergänge zur samen ideologischen Grundlagen, die politische und jihadistische Gewaltbereitschaft Salafisten teilen. Obwohl politische Salafisten von Gewaltanwendung zumeist Abstand nehmen und sich nach eigenem Bekunden auf als "Missionierung" deklarierte Propaganda und Rekrutierung konzentrieren, zeigt die Praxis, dass sich beide Richtungen nicht klar voneinander abgrenzen lassen. Die grundsätzliche Bejahung von Gewalt ist ein immanenter Bestandteil salafistischer Ideologie. Die Analyse aktueller Anschläge in Deutschland und Europa zeigt, 170 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS dass einer jihadistischen Tat sehr häufig eine Radikalisierung im Salafismus vorausgeht. Im Jahr 2017 zeigte sich innerhalb der salafistischen Szene ein Trend zum Rückzug aus der Öffentlichkeit ins Private. Öffentlich sichtbare "Straßenmissionierung" ("Street Dawa") findet gut ein Jahr nach Verbot und Auflösung der Vereinigung "Die Wahre Religion" (DWR) und der damit im Zusammenhang stehenden Koranverteilaktion "LIES!" nur noch selten statt. Am 14. März 2017 verbot das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport den Moscheeverein "Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim e.V." in Hildesheim (Niedersachsen). Staatliche Ermittlungserfolge wie dieses Verbotsverfahren führen dazu, dass neben den salafistischen Zentren ("Hot Spots"), die immer noch bedeutsam sind, die Nutzung privater Netzwerke und eine Fragmentierung der Szene zunehmen. Orte der Radikalisierung sind inzwischen weniger Moscheen oder größere, überregionale salafistische Organisationen, sondern eher kleine konspirative Zirkel und vor allem das Internet. Antisemitismus ist ein konstitutives Element in der Ideologie des Antisemitismus gesamten islamistischen Spektrums. Religiöse, territoriale und/ im Islamismus oder national-politische Motive verschmelzen dabei zu einem antisemitischen Weltbild, dessen wesentlicher Pfeiler eine angenommene "jüdische Weltverschwörung" darstellt. Dabei werden Juden als Drahtzieher einer weltweiten Verschwörung gesehen und kollektiv für verschiedene Übel und Missstände verantwortlich gemacht. Aber auch außerhalb islamistischer Zusammenhänge ist Antisemitismus in einigen Heimatländern von muslimischen Migranten verbreitet und anschlussfähig. Die dem BfV bekannt gewordenen antisemitischen Vorfälle mit islamistischem Hintergrund weisen darauf hin, dass das von islamistischen Organisationen verbreitete antisemitische Gedankengut eine erhebliche Herausforderung für das friedliche und tolerante Zusammenleben in Deutschland darstellt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die zahlreichen nach Deutschland eingereisten Migranten. Die antisemitischen Ausschreitungen während einiger Demonstrationen gegen eine Anerkennung Jerusalems als Haupt171 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS stadt Israels durch die US-Regierung im Dezember 2017 verdeutlichen diese Problemlage schlaglichtartig. Im Fall einer scheiternden Integration könnten die in ihren Heimatländern häufig vermittelten antisemitischen Einstellungen einen Ansatzpunkt für eine islamistische Radikalisierung darstellen. 2. Organisationen und Personenpotenzial Innerhalb der islamistischen Szene zeichnet sich, wie auch schon im Jahr 2016, eine Kräfteverschiebung in den gewaltorientierten beziehungsweise jihadistischen Bereich ab. Diese Tendenz verdeutlichen unter anderem die durchgeführten sowie die aufgedeckten und verhinderten terroristischen Anschläge in Deutschland in den Jahren 2016 und 2017. Auf der einen Seite hat sich das Personenpotenzial bei nicht gewaltorientierten Gruppierungen in den vergangenen Jahren verringert. Hier ist vor allem beim Personenpotenzial der Vereinigungen, die der "Milli Görüs"-Bewegung zugeordnet werden, gegenüber 2015 ein signifikanter Rückgang festzustellen. Dies kann unter anderem auf den Reformprozess innerhalb der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) zurückzuführen sein, der eine Mäßigung und infolgedessen einen schwächer werdenden Extremismusbezug der Vereinigung nach sich zieht. Damit sind auch die Mitglieder der Organisation nicht mehr in ihrer Gesamtheit dem extremistischen Personenpotenzial zuzurechnen. Hingegen ist ein weiterer Anstieg des zunehmend gewaltorientierten beziehungsweise jihadistischen Salafismuspotenzials festzustellen. 172 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht die Entwicklung: Personenpotenzial islamistischer Terrorismus/Islamismus1 Organisationen 2015 2016 2017 Salafistische Bestrebungen 8.350 9.700 10.800 "Islamischer Staat" (IS) Kern-"al-Qaida" "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) "al-Shabab" keine gesicherkeine gesicherkeine gesicher"Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) ten Zahlen ten Zahlen ten Zahlen "Hizb Allah"2 950 950 950 "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" (HAMAS)2 300 320 320 "Türkische Hizbullah" (TH) 360 400 400 "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 320 320 350 "Muslimbruderschaft"(MB)/"Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) 1.040 1.040 1.040 "Tablighi Jama'at" (TJ) 650 650 650 "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) keine gesicherkeine gesicherkeine gesicherten Zahlen ten Zahlen ten Zahlen "Milli Görüs"-Bewegung und keine gesicherzugeordnete Vereinigungen ten Zahlen 10.000 10.000 Sonstige 3 1.950 1.045 1.300 1 Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 "Hizb Allah" und HAMAS gelten international als terroristisch, nutzen Deutschland bislang jedoch lediglich als Rückzugsraum, d.h. sie entfalten hier keine terroristischen Aktivitäten. 3 Weitere Organisationen, deren Mitgliederund Anhängerzahlen im Islamismuspotenzial zu berücksichtigen sind. Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2017 allein aus den ausreichend gesicherten Zahlenangaben ein Islamismuspotenzial von 25.810 Personen. 173 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland Internationale Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland. Dies gilt insbesondere für Entwicklungen, in die der transnationale islamistische Terrorismus involviert ist. Besondere Bedeutung hatte und hat immer noch der andauernde Krieg in Syrien und im Irak und die Eskalation des Terrors durch den "Islamischen Staat" (IS). 1. Jihad-Schauplatz Syrien/Irak Der Krieg in Syrien und im Irak dauerte 2017 an. Da eine mehrheitsfähige einvernehmliche und friedliche Lösung für die Zukunft Syriens nicht absehbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass terroristische Gruppierungen auf absehbare Zeit im Land aktiv sein werden und ihre Ziele unter Umständen auch durch Aktivitäten in den Ländern zu erreichen trachten, die als Konfliktbeteiligte in Syrien und den Nachbarstaaten agieren. Der IS hat zwar aufgrund deutlicher militärischer Niederlagen massive Gebietsverluste erlitten und nahezu alle wichtigen Hochburgen in Syrien und im Irak an seine Gegner verloren, er führt jedoch immer noch terroristische Gewalttaten gegen die dortige Bevölkerung durch. Er bedroht weiterhin "den Westen" und damit auch Deutschland, indem er seine Strategie des Terrors gegen "weiche Ziele" propagiert und in die Tat umsetzt beziehungsweise umsetzen lässt. Sowohl in Europa als auch in den USA kam es im Verlauf des Jahres 2017 zu zahlreichen Terrorakten. Der IS betreibt mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Pläne für Anschläge im Westen. Probate Mittel zur Durchführung eines islamistisch motivierten Anschlags dürften vor allem aus dem Ausland gesteuerte Kleinstgruppen (sog. Hit-Teams), (Jihad-)Rückkehrer, selbstradikalisierte Einzeltäter ohne Organisationsbezug (ggf. durch den IS inspiriert) oder radikalisierte Flüchtlinge sein. Krieg und Terror in Syrien und im Irak führen seit Sommer 2015 zu großen Flüchtlingsströmen nach Europa. Der IS nutzt die Zuwanderungsbewegung gezielt, um Attentäter nach Europa zu schleu174 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS sen oder Flüchtlinge in Deutschland für terroristische Anschläge zu rekrutieren. Anfang 2017 wurde in Syrien die "al-Qaida"-nahe "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) als Zusammenschluss verschiedener jihadistischer Milizen gegründet. Aufgrund der globalen Agenda der "al-Qaida" erscheint auch diese Gruppierung als potenzielle Gefährdung der Sicherheit in Deutschland und Europa. 2. Jihad-Schauplatz Afghanistan/Pakistan Aiman al-Zawahiri ist momentan die einzige in der Region verblieKern-"al-Qaida" bene Führungsfigur. Im Jahr 2017 trat Hamza Bin Ladin, der Sohn des "al-Qaida"-Gründers Usama Bin Ladin, vermehrt in Erscheinung. Kern-"al-Qaida" begreift sich nach wie vor als eine international ausgerichtete Organisation. Trotz des Versuchs, sich angesichts der Niederlage des IS neu zu positionieren, gelang "al-Qaida" keine erkennbare, nachhaltige Restrukturierung. Zwar konnte "alQaida" im Lauf des Jahres 2017 wieder eine kontinuierliche Propagandaarbeit betreiben, jedoch besteht diese weiterhin vor allem aus Verlautbarungen und Vorträgen von bekannten Protagonisten. Sowohl al-Zawahiri als auch Bin Ladin riefen zu Anschlägen gegen "westliche Einrichtungen" auf. Die sich 2017 zum 16. Mal jährenden Anschläge vom 11. September 2001 wurden erneut dazu benutzt, den bewaffneten Kampf gegen westliche Staaten, insbesondere gegen die USA und deren Verbündete, als notwendige "Selbstverteidigung" der Muslime gegen einen äußeren Aggressor und eine als ungerecht empfundene Weltordnung zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang lobte al-Zawahiri die sich zu Kern-"al-Qaida" bekennenden Kämpfer und Gruppen in Nordafrika, in Ostafrika, auf der arabischen Halbinsel sowie auf dem indischen Subkontinent und rief zu einer Fortsetzung des Kampfes auf. Das Auftreten von Bin Ladins Sohn könnte ebenso als Beleg eines Comebacks von "al-Qaida" gedeutet werden. Zumindest lässt sich seine Rolle als Versuch von "al-Qaida" interpretieren, das Vermächtnis von Bin Ladin und seiner ehemals zentralen Führungsfunktion quasi dynastisch fortzusetzen mit dem Ziel, der Organisation zu neuer Größe zu verhelfen. Eine darüber hinausgehende "Erneuerung" ist aber bisher nicht erkennbar. "Al-Qaida" ist es 175 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS damit bislang nicht gelungen, die Schwäche des IS für sich selbst zu nutzen. Die Durchführung von möglichst spektakulären Anschlägen insbesondere in westlichen Ländern ist ein primäres Ziel der Kern-"alQaida". Die praktische Planung und Umsetzung solcher Vorhaben aus dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet heraus erweist sich als schwierig. Kern-"al-Qaida" versucht deshalb gezielt, Einzelpersonen zu Anschlägen zu motivieren. "Taleban" Den "Taleban" gelang es im Jahr 2017, die Zahl ihrer Anschläge auf Einrichtungen und Vertreter der afghanischen Regierung, der Polizei und der Streitkräfte im Vergleich zum Jahr 2016 zu steigern. Infolgedessen stiegen auch die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung weiter an. Der Konflikt mit dem "Islamischen Staat - Khorasan Provinz" (ISKP) dauert an. Es kam zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Organisationen. Die "Taleban" verfolgen unverändert eine regionale Agenda. "Haqqani-Netzwerk" Am 31. Mai 2017 kam es zu einem verheerenden Anschlag im Diplomatenviertel von Kabul (Afghanistan), bei dem über 150 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt wurden. Ein als Sprengsatz präpariertes Fahrzeug explodierte vor einem Kontrollposten der afghanischen Sicherheitskräfte unmittelbar vor der Außenmauer der deutschen Botschaft. Die Botschaft wurde erheblich beschädigt. Als Urheber wird das "Haqqani-Netzwerk" verdächtigt. Das Netzwerk war im Berichtszeitraum für weitere Anschläge in Afghanistan sowohl auf afghanische als auch auf ausländische Sicherheitsdienste verantwortlich. Bei dem "Haqqani-Netzwerk" handelt es sich um eine militante islamistische Terrororganisation mit Sitz in Pakistan an der Grenze zu Afghanistan. Das "Haqqani-Netzwerk" agiert trotz der Verbundenheit mit den "Taleban" und mit Kern-"al-Qaida" eigenständig. Es unterhält eigene Ausbildungslager. Im Jahr 2015 wurde die Organisation in Pakistan verboten. Das "Haqqani-Netzwerk" agiert vor allem in Afghanistan. 176 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. Weitere Jihad-Schauplätze Obwohl das IS-Kalifat territorial am Ende ist und zumindest Kern"al-Qaida" weit von ihrer früheren Schlagkraft entfernt scheint, ist der jihadistische Terror in vielen Teilen der Welt virulent, nicht nur in Syrien und im Irak oder in Afghanistan/Pakistan. Beispiele für mehr oder weniger große regionale Netzwerke, die sich tatsächlich oder auch nur vorgeblich der global-jihadistischen Agenda verschrieben haben und unter Ausnutzung eines staatlichen Machtvakuums und regionaler Konflikte agieren, existieren an vielen Orten weltweit. Es handelt sich bislang um "Neben-Schauplätze"; diese können jedoch zukünftig eine erhebliche Dynamik entfalten, die dazu führen kann, dass auch Interessen "des Westens" in Gefahr geraten. Ein Beispiel dafür ist die Situation im Norden der ägyptischen Sinai-Halbinsel. Die Region ist schon seit vielen Jahren durch eine instabile Sicherheitslage geprägt. Auch infolge der teilweisen Abwesenheit staatlicher Strukturen und des gleichzeitig harten Vorgehens des ägyptischen Militärs gegenüber der Bevölkerung, insbesondere der dort lebenden Beduinenstämme, bildete sich ein Nährboden für Sympathisanten des globalen Jihads und die Präsenz jihadistischer Gruppierungen, die sich schließlich als "Provinz Sinai" zum IS bekannten. In der Region dürften sich auch ausländische Kämpfer aufhalten. Im Jahr 2017 kam es zu mehreren schweren Anschlägen, die zunächst auf die christliche Bevölkerung zielten und sich zuletzt, am 24. November 2017, gegen eine vor allem von Sufis (Anhänger einer mystischen Ausrichtung des Islam) besuchte Moschee richteten. Bei diesem schwersten Anschlag der jüngeren ägyptischen Geschichte wurden über 300 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt. Trotz bislang fehlender Bekennung dürfte der Anschlag auf das Konto der "Provinz Sinai" gehen. Sollte es dem Netzwerk gelingen, seinen Einfluss auf andere Regionen Ägyptens auszudehnen, könnte das weitreichende Folgen für die gesamtägyptische und damit auch regionale Stabilität haben. Zu den weiteren Regionen, in denen jihadistische Gruppierungen, die sich entweder dem IS oder "al-Qaida" "unterstellt" haben und teilweise bereits seit vielen Jahren aktiv sind, gehören der Jemen, die Sahelzone (vornehmlich Mali), Somalia und die Philippinen. 177 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Auch wenn diese Jihad-Schauplätze in der Propaganda der dort kämpfenden jihadistischen Gruppierungen thematisiert werden, sind bisher kaum Ausreisen westlicher Jihadisten dorthin festzustellen. Obwohl die dortigen Auseinandersetzungen und ihre Folgen zahlreiche Menschenleben kosten und die betroffenen Regionen destabilisiert werden, sind die konkreten und unmittelbaren Auswirkungen auf "den Westen" bislang eher gering. 4. Internetpropaganda von IS und "al-Qaida" In Bezug auf Umfang und Professionalität wurde die islamistische Propaganda im Berichtszeitraum von den global ausgerichteten jihadistischen Gruppierungen IS und "al-Qaida" dominiert. Beide Gruppierungen haben die militärische und ideologische "Überwindung des Westens" beziehungsweise aller "Ungläubigen" zum Ziel und räumen dem "Online-Jihad" dabei eine große Bedeutung ein. PropagandaDer IS verfügt über eine Reihe von Plattformen, die als sogenannte plattformen offizielle Sprachrohre der Terrororganisation fungieren. Hierzu gehört mit "Amaq" ein Medienlabel, das sich mittlerweile als offizielles Medienorgan des IS präsentiert. Die Nachrichtenagentur "Amaq" berichtet über militärische Operationen des IS und lanciert regelmäßig Erfolgsmeldungen, um Handlungsfähigkeit und Effektivität des IS zu suggerieren. Bekennungen des IS zu Anschlägen innerhalb und außerhalb seines unmittelbaren Wirkungsbereichs werden ebenfalls verbreitet. Der IS bekannte sich über "Amaq" unter anderem zu dem Anschlag in London (Großbritannien) am 22. März 2017: Ein Attentäter steuerte ein Auto auf Fußgänger auf einer Brücke im Zentrum Londons und erstach anschließend einen Polizisten. Das arabischsprachige IS-Magazin "al-Naba" veröffentlicht Beiträge zu ähnlichen Themenkomplexen wie "Amaq". So berichtete auch "al-Naba" beispielsweise über den Anschlag in Barcelona (Spanien) am 17. August 2017, bei dem ein Attentäter mit einem Lieferwagen durch eine Menschenmenge fuhr. "Al-Naba" verknüpfte den Bericht mit einer ausführlichen Kommentierung und weiteren Anschlagsdrohungen. 178 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Seit September 2016 veröffentlicht der IS das monatlich in mehreren Sprachen erscheinende Magazin "RUMIYAH", welches das Vorgängermagazin "DABIQ" ersetzt. "RUMIYAH" richtet sich an nicht arabischsprachige Leser und orientiert sich an den spezifischen Belangen der jeweiligen Länder - auch Deutschlands. Das bislang vom "al-Hayat Media Center" herausgegebene Magazin "RUMIYAH" wurde zuletzt im September 2017 veröffentlicht. Teile der Medienorganisation scheinen noch intakt zu sein. Die Propaganda von Kern-"al-Qaida" und ihren Regionalorganisationen ist im Internet ebenfalls stark vertreten, fällt jedoch quantitativ deutlich hinter die IS-Propaganda zurück. Hervorzuheben ist das englischsprachige, unregelmäßig erscheinende Onlinemagazin "INSPIRE", das von "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) herausgegeben wird. In der Ausgabe im Juli 2017 werden Drohungen "gegen den Westen" und insbesondere gegen die USA kolportiert. Eine weitere wichtige Plattform von Kern-"al-Qaida" ist das "al-Fidaa"-Forum, das auch Ansprachen von al-Zawahiri verbreitet. Während die zentralen Onlinemagazine und -plattformen nach Dezentralisierung wie vor eine bedeutende Rolle in der jihadistischen Propaganda spielen, zeichnet sich zugleich die Tendenz zu einer Dezentralisierung der Verbreitung jihadistischer Inhalte ab. Ein beträchtlicher Teil der Propagandaaktivitäten hat sich auf Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp und vor allem Telegram verlagert. Hier nehmen Online-Agitatoren eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung und Weiterentwicklung des Materials ein. Der Prozess der Dezentralisierung ist bereits seit geraumer Zeit zu beobachten und setzte sich im Jahre 2017 fort. In zahlreichen IS-nahen Kanälen und Gruppen werden Themen der offiziellen IS-Propaganda aufgegriffen, multipliziert, kommentiert und teilweise durch neue Themen ergänzt. Insbesondere Anschlagsdrohungen sind hier viel häufiger, vielfältiger und detaillierter. Die Schaffung dezentraler Strukturen bei der Verbreitung der Propaganda ist von jihadistischen Ideologen als strategisches Element schon früh erkannt und thematisiert worden. Mit Blick auf die 179 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS territorialen Verluste des IS und den dadurch bedingten Rückgang der Kapazitäten in der Medienproduktion gewinnt die Dezentralisierung der Propaganda weiter an Bedeutung. Deutschsprachige Deutschsprachige ISund "al-Qaida"-Aktivisten nutzen insbeAktivisten nutzen sondere Telegram. Sie thematisieren in ihren Beiträgen in der Telegram Regel den Konflikt in Syrien und im Irak. Dazu verbreiten und kommentieren sie umfassende Bildund Textmaterialien der offiziellen IS-Propaganda sowie aktuelle Lagedarstellungen aus den Kriegsgebieten. Trotz der militärischen Verluste des IS versuchen deutschsprachige Propagandisten, die Utopie des "Kalifats" aufrechtzuerhalten. Die Aufrufe zur Ausreise in das "Kalifat" sind stark zurückgegangen. Analog zur offiziellen IS-Propaganda wird dafür geworben, im Namen des IS selbstständig Anschläge zu planen und durchzuführen. Aber auch andere Jihad-Schauplätze, darunter Südund Südostasien, werden thematisiert. In einem deutschsprachigen Telegram-Kanal wurde berichtet, dass Kämpfer aus dem Ausland eingereist seien, um in Myanmar gegen die "Feinde Allahs" zu kämpfen. Auch für "al-Qaida" und ihr nahestehende Organisationen wird in deutscher Sprache geworben. Einige deutschsprachige TelegramKanäle verbreiten die Propaganda und kommentieren Ereignisse im Sinne der "al-Qaida"-Ideologie. Im Juni 2017 wurde über Telegram ein Film verbreitet, der einen angeblich aus Deutschland stammenden jungen Mann porträtiert. Das Leben in Deutschland wird als verdorben und nicht konform mit dem Islam dargestellt. Der Anschluss an die Kämpfer in Syrien erscheint als Akt der Befreiung, der erst ein islamgemäßes Leben ermöglicht. Der Film stammt aus dem Umfeld der syrischen "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS), die der Kern-"al-Qaida" nahesteht. Inhalte der Ein Großteil der Propaganda befasst sich mit theologisch-islamPropaganda rechtlich verbrämten ideologischen Fragen wie etwa den Grundlagen des Glaubens, mit dem Zusammenhang von Wort und Tat oder der Frage, unter welchen Voraussetzungen jemand für ungläubig zu erklären ist (takfir). Ein weiterer wichtiger Teil ist den Kriegsschauplätzen und militärischen Operationen vor allem in Syrien und im Irak, aber auch in Nordafrika, im Jemen, in Afghanistan oder auf den Philippinen gewidmet. Kämpfe werden nicht nur in Textform ausführlich be180 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS schrieben und kommentiert, sondern häufig auch durch Videos oder Bilder wiedergegeben, um dem Betrachter unmittelbare Nähe zum Kampfgeschehen zu suggerieren. Der IS veranschaulicht seine "militärischen Erfolge" bevorzugt in Infografiken, in denen die Zahlen von Toten und Verletzten unter den Feinden an den Kampfstätten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gut sichtbar platziert werden. Der konsequenten Verbreitung von militärischen Erfolgsmeldungen stellt er ein Opfernarrativ zur Seite, demzufolge die ungläubigen Feinde den Islam vernichten wollen und nicht einmal vor der Tötung von unschuldigen Frauen und Kindern zurückschrecken. Eine Besonderheit ist die kalifatsbezogene Propaganda des IS. Das "Kalifat" Nach der Ausrufung des "Kalifats" war die IS-Propaganda zunächst bemüht, das Alltagsleben im neu eroberten Herrschaftsgebiet zu idealisieren mit dem Ziel, weitere Menschen zur Ausreise in das "Kalifat" zu bewegen. Mittlerweile ist der IS militärisch fast vollständig geschlagen und verfügt nach dem Verlust zentraler Städte und Gebiete kaum noch über ein eigenes Territorium. Dies führte in der Propaganda neben verstärkten Durchhalteparolen dazu, dass vermehrt Vergleiche zum historischen Kalifat der islamischen Frühzeit gezogen wurden: Wie dieses stelle das vom IS errichtete "Kalifat" ein legitimes Staatswesen dar und müsse unbedingt verteidigt (bzw. zurückerobert) werden. Propagandistische Inszenierungen des "Kalifats" als aktuell funktionierendes Staatswesen, das Gerechtigkeit, Ordnung und ein harmonisches Zusammenleben gewährleiste, haben demgegenüber abgenommen. Die Propaganda von IS und "al-Qaida" beinhaltet nach wie vor Drohpotenziale ernst zu nehmende Drohpotenziale. Immer wieder, häufig auch im Zusammenhang mit der Kommentierung bereits verübter Anschläge, werden Drohungen an "den Westen" allgemein, bestimmte Länder oder Personengruppen gerichtet. So hat sich der IS nicht nur zu dem Anschlag in Barcelona (Spanien) am 17. August 2017 bekannt, sondern diesen in verschiedenen Berichten, Kommentierungen und Videos medial ausgeschlachtet und zum Anlass für weitere Drohungen gegen Spanien genommen. 181 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Eine besondere Drohkulisse stellen die Aufrufe zu autonom und selbstständig geplanten sowie durchgeführten Anschlägen vor allem in westlichen Staaten dar. Oft sind diese Aufrufe mit konkreten Handlungsanleitungen beziehungsweise Szenarien verknüpft, wie, wo und unter welchen Voraussetzungen ein Anschlag am besten auszuführen sei. Die meisten der in jüngster Zeit verübten Anschläge sind in der Art ihrer Ausführung (Messerattacken, LkwAnschläge etc.) zuvor in den jihadistischen Medien als mögliche Anschlagsvarianten thematisiert und detailliert beschrieben worden. Aufrufe zu Einzeltäteranschlägen stehen in engem Zusammenhang mit dem Versuch, moralischen Druck auf Muslime auszuüben. Es wird suggeriert, dass die Begehung von Anschlägen in Staaten, die sich am Kampf gegen den IS beteiligen, nicht nur wünschenswert, sondern auch legitim sei. Auch "al-Qaida" ruft zu autonom durchgeführten Anschlägen in westlichen Staaten auf. So rief die Regionalorganisation AQAH in der August-Ausgabe 2017 des englischsprachigen Onlinemagazins "INSPIRE" in einem ausführlichen Artikel zu Anschlägen im Transportwesen auf, wobei detaillierte Vorschläge zur Vorgehensweise unterbreitet wurden. Einzeltäter Die biografische Analyse von Einzeltätern zeigt, dass es vielen nicht gelingt, sich erfolgreich der jihadistischen Szene anzuschließen. Sie sind häufig ungewollt Einzelgänger. Die virtuelle Gemeinschaft nimmt stattdessen einen hohen Stellenwert ein; Einzeltäter sind online aktiver als in real existierende Gruppen eingebundene Personen. Zum Teil stehen sie in Kontakt mit bekannten Extremisten, äußern Gewaltfantasien oder suchen online nach einer "Erlaubnis" für eine Tat. Im Hinblick auf die Identifizierung potenzieller Einzeltäter sind ihre Onlineaktivitäten von erheblicher Bedeutung. Wesentliche Tatimpulse dürften von jihadistischer Propaganda und Onlineaktivitäten der Szene insgesamt ausgehen. Auch der am 31. Oktober 2017 in Mecklenburg-Vorpommern wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat festgenommene Syrer hatte Kontakt zur islamistischen Szene in den sozialen Netzwerken gesucht. Unter einem Pseudonym hatte er sich nach Bauanleitungen 182 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS zur Herstellung improvisierter Sprengvorrichtungen in mit dem IS sympathisierenden Chatgruppen erkundigt. Angesichts der fortdauernden militärischen Niederlagen und des Frauen und Kinder Todes vieler seiner Kämpfer hat der IS die Frage, wer am Jihad teilim Fokus nehmen kann und soll, neu aufgeworfen. Die Pflicht zum Jihad soll nun verstärkt auch für Frauen gelten, nachdem die Rolle der Frauen gemäß der bisherigen IS-Ideologie im Wesentlichen auf Aufgaben in der Familie und die Erziehung der Kinder beschränkt war. Zur Rechtfertigung verweist der IS in ausführlichen Beiträgen seiner Onlinemagazine auf das vorbildhafte jihadistische Verhalten einzelner Frauen zur Zeit des Propheten und der Prophetengefährten. Im Februar 2018 veröffentlichte das "al-Hayat Media Center" ein Video, in dem unter anderem augenscheinlich eine vollverschleierte Frau mit einer Schusswaffe an Kampfhandlungen teilnimmt. Mit der Videoveröffentlichung möchte der IS offenbar verdeutlichen, dass nach Auffassung der Terrororganisation Frauen ebenso wie Männer in den Krieg ziehen und mit Waffen kämpfen können. Der IS - wie schon andere Organisationen vor ihm - ist ferner bemüht, Kinder gezielt zu Jihadisten zu erziehen und auszubilden. Sie erhalten eine ideologische und eine praktisch-militärische Ausbildung und erscheinen in Videos sogar in Hinrichtungsszenen als Vollstrecker. 5. Reisebewegungen Seit Jahren lassen sich islamistisch-terroristisch motivierte Reisebewegungen von deutschen Islamisten respektive Islamisten aus Deutschland in Krisenregionen feststellen. Die Ausreisewelle nach Syrien und in den Irak, die im Jahr 2013 ihren Anfang nahm, ebbt seit 2015 merklich ab. Die Region bleibt aber das Hauptreiseziel von Islamisten aus Deutschland. Im Jahr 2017 sind einzelne Ausreisen dorthin bekannt geworden. In der Gesamtschau liegen den deutschen Sicherheitsbehörden zum Ende des Jahres 2017 Erkenntnisse zu mehr als 960 Perso183 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS nen vor, die seit Mitte des Jahres 2013 in Richtung Syrien und Irak gereist sind, um dort aufseiten des IS und anderer terroristischer Organisationen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder jene in sonstiger Art und Weise zu unterstützen. Verringerte Die Utopie des "Kalifats" hat mit den territorialen und personellen Ausreisedynamik Verlusten ihre Anziehungskraft nahezu vollständig verloren. Von der angeblichen "Lebensqualität im Kalifat", die der IS in seiner Propaganda suggerierte, ist nichts mehr übrig. Aufgrund zahlreicher nationaler und internationaler Reisebeschränkungen sowie sukzessiv verstärkter Grenzkontrollen durch die Türkei lassen sich Ausreisen in die Krisenregionen kaum noch realisieren. Von türkischen Sicherheitsbehörden aufgegriffene Ausreisewillige aus westlichen Staaten werden inhaftiert und konsequent zurückgeführt. Ausreiseklientel Der Großteil der aus Deutschland nach Syrien beziehungsweise in den Irak Ausgereisten ist jünger als 30 Jahre. Rund 5 % waren zum Zeitpunkt der (Erst-)Ausreise minderjährig. Etwa die Hälfte der Minderjährigen ist weiblich. Der Frauenanteil insgesamt liegt bei etwa 20 %. Überwiegend handelt es sich bei den ausgereisten Personen um männliche Muslime mit Migrationshintergrund. Ungefähr ein Achtel aller Ausgereisten sind Konvertiten. Nicht in allen Fällen verfügen die Sicherheitsbehörden über Erkenntnisse, dass sich die ausgereisten Personen tatsächlich in Syrien und im Irak aufhalten oder aufgehalten haben. Dagegen liegen 184 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS zu circa 150 Personen Hinweise vor, wonach sie in der Region ums Leben gekommen sind. Etwa ein Drittel aller in Richtung Syrien und Irak ausgereisten PerRückkehrer sonen befindet sich wieder in Deutschland. Zu der Mehrzahl der Rückkehrer liegen keine belastbaren Informationen darüber vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen vor Ort beteiligt haben. Mit einer kurzfristig eintreffenden Welle von Rückreisenden dürfte in Deutschland allerdings nicht zu rechnen sein. Nahezu alle syrischen und irakischen Anrainerstaaten haben ihre Grenzen geschlossen. Die Gebietsverluste des IS gehen mit Todesfällen unter den Anhängern, Gefangennahmen durch verschiedene Konfliktparteien und vermutlich auch mit mehr Konsularfällen, also Anfragen nach Betreuung durch die örtliche konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, einher. Trotzdem erreichen Rückkehrwillige Deutschland, und ihr Gefährdungspotenzial ist nur schwer zu bewerten. Grundsätzlich muss bei allen Zurückgekehrten davon ausgegangen werden, dass sie weiterhin an ihrer islamistischen Grundhaltung festhalten. Ein Sicherheitsrisiko stellen vor allem Personen dar, die während ihres Aufenthalts in Syrien und im Irak ideologisch indoktriniert, militärisch ausgebildet und in Kämpfen eingesetzt wurden. "Terror durch Rückkehr" kann insbesondere für den IS ein zweckdienliches Mittel sein, seine Rückschläge in Syrien und im Irak zu kompensieren. Bei den Anschlägen in Paris (2015) und Brüssel (2016) wurde dieses Gefahrenszenario real. Die Aufarbeitung der Ereignisse erbrachte den Beweis einer grenzüberschreitenden Vernetzung von Rückkehrern aus Syrien und dem Irak in Europa mit Verbindungen in den Nahen Osten. Es sind bislang deutlich weniger Frauen zurückgekehrt als Männer. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass verstärkt Frauen gemeinsam mit (ihren) Kindern aus Syrien/Irak nach Deutschland zurückkommen. Die Kinder und Jugendlichen können durch den IS radikalisiert oder durch Propaganda, Gewalt und traumatisierende Erlebnisse beeinflusst worden sein. Eine Teilhabe oder Mitwirkung an Gewalttaten in Syrien und im Irak ist ebenfalls nicht 185 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS auszuschließen. Etwaige Kontakte mit dem salafistischen Milieu in Deutschland dürften negative Entwicklungen noch verstärken. Migration Deutschland ist nach wie vor Ziel von Menschen, die die Kriegsund Krisengebiete des Nahen Ostens, Afrikas und Südasiens verlassen haben. Migranten stellen die Sicherheitsbehörden in Deutschland und anderen Aufnahmestaaten vor unterschiedliche Herausforderungen. Ein Fokus liegt auf der Einreise von Islamisten und islamistischen Terroristen. Deutschland ist Zielland von Menschen, die teilweise aus Kriegsgebieten stammen, in denen jihadistische Kampfverbände agieren. Unter diesen Migranten finden sich Personen, die in unterschiedlichem Maß in islamistisch-terroristische Organisationen eingebunden waren. Zum Teil offenbarten sie diese Aktivitäten im Kontakt mit deutschen Behörden. Dabei schilderten sie beispielsweise den Aufenthalt in einem islamistisch-terroristischen Trainingslager, den gescheiterten Einsatz als Selbstmordattentäter sowie die Teilnahme an gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Regierungskräften des Herkunftslandes. Zur Abwehr der von einreisenden Islamisten und islamistischen Terroristen möglicherweise ausgehenden Gefahren erfolgt in den Arbeitsgruppen des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) ein enger Austausch der deutschen Sicherheitsbehörden. Ergänzt wird dies um eine bilaterale und multilaterale Kooperation mit europäischen und außereuropäischen Partnern. Einen weiteren Aufklärungsschwerpunkt bilden Migranten, die sich ohne erkennbaren Bezug zu einer in Deutschland aktiven extremistischen Organisation radikalisieren und sich im extremen Fall zu einem Anschlag entschließen. Beobachtet werden zudem Bestrebungen islamistischer Gruppierungen beziehungsweise Organisationen, die der Kontaktaufnahme zu und Rekrutierung von in Deutschland lebenden Migranten dienen. 6. Gefährdungspotenzial Die Sicherheitsbehörden gehen nach wie vor von einer erhöhten Bedrohungslage aus. Es sind keine Anzeichen erkennbar, dass sich 186 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS diese in näherer Zukunft entspannen wird. Dafür sprechen unter anderem die zahlreichen propagandistischen Aufrufe islamistischer Terrorgruppen zur Begehung von Anschlägen mit einfachen Tatmitteln auch in Deutschland. Im Jahr 2017 gelang es einem Täter, sein kurzfristig gefasstes VorAnschlagsereignis haben mit tödlichen Folgen umzusetzen: 2017 Am 28. Juli 2017 stach ein 26-jähriger palästinensischer Migrant in Hamburg in einem Supermarkt auf einen Kunden mit einem Messer ein und verletzte diesen tödlich. Bevor er festgenommen werden konnte, stach er auf sechs weitere Menschen ein und verletzte diese zum Teil schwer. In den polizeilichen Vernehmungen gab der Täter an, dass er - ohne Mitglied des IS oder einer anderen terroristischen Vereinigung zu sein - seine Tat in einen Kontext mit islamistischen Anschlägen stelle und als persönlichen Beitrag zum weltweiten Jihad verstehe. Er habe möglichst viele deutsche Staatsangehörige christlichen Glaubens töten wollen, um Vergeltung für das Unrecht zu üben, das aus seiner Sicht den Muslimen weltweit zugefügt werde. Dass es im Jahr 2017 nur zu einem islamistisch motivierten TerErfolgreiche roranschlag in Deutschland kam, ist unter anderem auch auf erAufklärungsarbeit folgreiche bundesweite Aufklärungsbemühungen der Sicherheitsbehörden zurückzuführen. So wurden in diesem Jahr - auch unter Mitwirkung des BfV - in einer Vielzahl von Fällen Anschlagsplanungen tatgeneigter Islamisten frühzeitig aufgedeckt oder Anschlagsvorhaben vereitelt, die sich bereits in einem konkreten Vorbereitungsstadium befanden. Beispiele für eine erfolgreiche Aufklärungsarbeit sind: Am 9. Februar 2017 wurden in Niedersachsen ein 22-jähriger Nigerianer und ein 27-jähriger Algerier wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Anschlags in Deutschland verhaftet. Die beiden Personen unterhielten enge Verbindungen zu anderen gewaltorientierten Salafisten in Deutschland. In einer Grundsatzentscheidung vom 21. März 2017 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die sofortigen Abschiebungen gemäß SS 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Am 16. Februar 2017 wurde gegen einen 21-Jährigen mit deutscher und kasachischer Staatsangehörigkeit Untersuchungshaft angeordnet, nachdem bei der Durchsuchung seiner Wohnung 187 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS unter anderem geeignete Mittel für die Herstellung des Sprengstoffs Triacetontriperoxid (TATP) sowie ein auf Arabisch verfasster Treueeid auf den Kalifen des IS Abu Bakr al-Baghdadi gefunden worden waren. Mit Urteil vom 20. Oktober 2017 wurde er zu einer Freiheitstrafe von drei Jahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Am 8. August 2017 wurden zwei Brüder aus Bosnien und Herzegowina in Mecklenburg-Vorpommern festgenommen. Die Brüder waren als Teilnehmer der "LIES!"-Kampagne bekannt. Sie verkehrten in den salafistischen Szenen in MecklenburgVorpommern, Brandenburg und Berlin, sympathisierten mit dem IS und waren als gewaltbereit bekannt. Sie wurden auf Grundlage des SS 58a AufenthG in ihr Heimatland abgeschoben. Am 31. Oktober 2017 wurde ein 19-jähriger syrischer Staatsangehöriger in Mecklenburg-Vorpommern festgenommen. Der Verdächtige hatte über einen Online-Versandhandel bereits verschiedene Gerätschaften (Lötkolben, Messbecher, Teethermometer) und Chemikalien (Batteriesäure, Schwefelsäure, Oxidatorlösung) bestellt. Die bei der Durchsuchung der Wohnung vorgefundene Situation deutete auf erste Versuche zum Bau einer funktionstüchtigen Bombe hin. Am 5. März 2018 erhob die Bundesanwaltschaft vor dem OLG Hamburg Anklage wegen des Tatvorwurfs der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Angeschuldigte ist hinreichend verdächtig, in Deutschland einen islamistisch motivierten Anschlag mit hochexplosivem Sprengstoff geplant und bereits mit dessen Vorbereitung begonnen zu haben. 188 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS III. Salafistische Szene in Deutschland Salafistische Gruppierungen verzeichnen mit 10.800 Personen in Deutschland weiterhin signifikant steigende Anhängerzahlen (2016: 9.700; 2015: 8.350). Seit 2011 hat sich die Zahl der Salafisten in Deutschland somit fast verdreifacht. Der Salafismus ist eine islamistische Ideologie und zugleich eine Extremistische extremistische Gegenkultur mit einem abgrenzenden Lebensstil Gegenkultur durch markante Alleinstellungsmerkmale (Kleidung und Sprache). Der Salafismus will eine eingeschworene Gemeinschaft mit intensivem Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen. Dies zieht insbesondere Personen an, die sich von der Mehrheitsgesellschaft marginalisiert fühlen. Gerade ungefestigte Personen, die auf der Suche nach einem Lebenssinn, nach Orientierung und Sicherheit sind, werden durch das einfache salafistische Regelwerk angesprochen, welches das tägliche Leben bis in seine Details hinein bestimmt. Der Einzelne wird durch salafistische Propaganda zu einem Teil einer Elite, zum Vorkämpfer des "wahren Islam", ausgezeichnet durch seine moralische Überlegenheit gegenüber einer "Welt des Verdorbenen". Diese subkulturellen Elemente machen im Wesentlichen die AnIdeologie ziehungskraft der salafistischen Ideologie aus, die vom Wahhabismus, der "Staatsdoktrin" Saudi-Arabiens, geprägt ist und eine be189 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS sonders strenge und radikale Strömung innerhalb des Islamismus darstellt. Salafisten sehen sich als Verfechter eines ursprünglichen, unverfälschten Islam. Sie geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran, dem Vorbild des Propheten Muhammad und der ersten drei muslimischen Generationen, den sogenannten rechtschaffenen Altvorderen (arab. al-Salaf al-Salih), auszurichten. In dieser Konsequenz versuchen Salafisten, einen "Gottesstaat" nach ihrer Auslegung der Regeln der Scharia zu errichten, in dem die freiheitliche demokratische Grundordnung keine Geltung mehr haben soll. Immanente Politische und jihadistische Salafisten teilen dieselben ideologiGewaltorientierung schen Grundlagen. Sie unterscheiden sich primär in der Wahl der Mittel, mit denen sie ihr Ziel, den "salafistischen Gottesstaat", verwirklichen wollen. Politische Salafisten versuchen, ihre islamistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten - die sie als "Missionierung" (Dawa) bezeichnen - zu verbreiten und die Gesellschaft in einem langfristig angelegten Prozess nach salafistischen Normen zu verändern. In Teilbereichen positionieren sich die Anhänger des politischen Salafismus ausdrücklich gegen Terrorismus, heben den friedfertigen Charakter des Islam hervor und vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt. Dennoch ist festzustellen, dass der politische Salafismus ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele pflegt, da religiös legitimierte Gewalt nicht prinzipiell ausgeschlossen wird. Salafisten beziehen sich in ihrer Islamauslegung selektiv auf klassische Werke der islamischen Rechtsliteratur, die im Umgang mit Nichtmuslimen eine starke Affinität zur Gewalt aufweisen. Nach salafistischer Islamauslegung muss der universelle Geltungsanspruch des Islam aufgrund seiner Überlegenheit und nach göttlichem Heilsplan der gesamten Menschheit zuteil und notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden. Damit ist die grundsätzliche Bejahung von Gewalt ein immanenter Bestandteil salafistischer Ideologie. Die beiden salafistischen Strömungen haben unterschiedliche, aber leicht zu überbrückende Auffassungen darüber, unter welchen Voraussetzungen Gewalt angewendet werden darf. Das erklärt auch, weshalb der Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus fließend ist. Im Berichtszeitraum beobachtete das BfV innerhalb der salafistischen Szene einen Trend zum Rückzug aus der Öffentlichkeit 190 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS ins Private. Öffentlich sichtbare "Straßenmissionierung" ("Street Dawa") findet nur noch selten statt. Dies ist mutmaßlich auch eine Folge der staatlichen Ermittlungserfolge. Indoktrinierung und Radikalisierung findet weniger in Moscheen oder in größeren überregionalen salafistischen Organisationen, sondern in kleinen konspirativen Zirkeln und vor allem im Internet statt. Am 15. November 2016 verbot der Bundesminister des Innern mit Verbot der "LIES!"Verfügung vom 25. Oktober 2016 die salafistische Vereinigung "Die Kampagne Wahre Religion" (DWR) einschließlich ihrer Teilorganisationen sowie die damit im Zusammenhang stehende Koranverteilaktion "LIES!" und löste sie mit Wirkung vom 15. November 2016 auf. DWR/"LIES!" (einschließlich ihrer Teilorganisationen) richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Sie vertrat eine Ideologie, die die verfassungsmäßige Ordnung ersatzlos verdrängen wollte, befürwortete den bewaffneten Jihad und stellte ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungsund Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für solche Personen dar, die aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach Syrien beziehungsweise in den Irak ausreisen wollten. Insgesamt reisten mindestens 140 Personen aus, um sich in Syrien oder im Irak terroristischen Organisationen anzuschließen, nachdem sie an "LIES!"-Aktionen teilgenommen hatten. Am 1. Januar 2017 gab der Initiator des "LIES!"-Projekts auf YouTube eine Stellungnahme zu dem Verbot ab. Das Verbot beruhe auf einer Lüge und sei Resultat des erfolglosen Versuchs, einzelne "LIES!"-Akteure strafrechtlich zu verfolgen. Bereits am 15. Dezember 2016 hatte er beim BVerwG Klage gegen die Verbotsverfügung eingereicht. Die Klage bestreitet die Vereinseigenschaft und die materiellen Verbotsgründe. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach SS 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingereicht, den das BVerwG mit Beschluss vom 4. Mai 2017 ablehnte. Die mündliche Hauptverhandlung vor dem BVerwG am 19. Dezember 2017 wurde wegen der Rücknahme der Klage kurz nach der Eröffnung beendet. Das Verbot ist damit bestandskräftig. 191 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Missionierung" Islamisten beziehungsweise islamistische Organisationen versuchen, auch unter den in Deutschland Zuflucht suchenden Menschen zu missionieren und Anhänger zu rekrutieren. Gerade unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe könnte es Islamisten gelingen, Migranten zu radikalisieren. In der Vergangenheit bemühten sich insbesondere Salafisten um eine Kontaktaufnahme zu Migranten. Sie besuchten zu diesem Zweck Flüchtlingsunterkünfte und boten Unterstützungsleistungen an. Zielgruppe waren nicht nur erwachsene Migranten, sondern auch unbegleitete Jugendliche, die aufgrund ihrer Situation und ihres Lebensalters als besonders anfällig für salafistische Missionierungsversuche gelten können. GefährdungsDie vielfältigen Propagandaaktivitäten von Salafisten, die sie verpotenzial harmlosend als "Missionierung" oder "Einladung zum Islam" bezeichnen - in Wahrheit ist es eine systematische Indoktrinierung und oftmals auch der Anfang einer noch weitergehenden Radikalisierung -, sind "erfolgreich": Der Salafismus ist nach wie vor die am stärksten wachsende islamistische Strömung in Deutschland. Mit einer umfassenden propagandistischen Arbeit in den sozialen Netzwerken, provokativen Straßenaktionen und dem Einsatz salafistischer Prediger aus dem Ausland, die sich oftmals radikaler äußern als ihre deutschen Pendants, werden neue Anhänger rekrutiert. Sie geraten in eine Szene, die geprägt wird von einer "Wagenburgmentalität" gegenüber einer als "ungläubig" diffamierten Umwelt, zu der nicht nur Christen, Juden und Nichtgläubige zählen, sondern auch nicht salafistische Muslime. Damit soll jeglicher Einfluss von außen unterbunden werden. Kontakte zu Nichtsalafisten gelten lediglich dann als legitim, wenn sie der Verbreitung der eigenen Ideologie dienen. Die salafistische Szene stellt das wesentliche Rekrutierungsfeld für den Jihad dar. Fast ausnahmslos alle Personen mit Deutschlandbezug, die sich dem Jihad angeschlossen haben, standen zuvor mit der salafistischen Szene in Kontakt. Die im Jahr 2016 konkretisierten Hinweise auf Personen, die zunächst an den Koranverteilaktionen des "LIES!"-Projekts teilgenommen hatten, um sich danach an den Kämpfen in Syrien oder im Irak zu beteiligen, führten nicht zuletzt zum Verbot von DWR/"LIES!". Zumindest in diesen Fällen 192 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS ist der Zusammenhang zwischen salafistischer Propaganda und Jihad-Ausreisen in die Region Syrien/Irak evident. Zudem wird hier erkennbar, wie wenig trennscharf die Unterscheidung zwischen politischem und jihadistischem Salafismus in der Realität ist. Das Gefährdungspotenzial durch salafistische Gewalt bleibt unverändert hoch. Salafistische Gewalt könnte eine zusätzliche Dynamik durch Wechselwirkungen mit extremistischen Gruppen aus anderen, "verfeindeten" ideologischen Lagern bekommen, wie in der Vergangenheit bereits an Einzelfällen deutlich wurde. Innerhalb der salafistischen Szene in Deutschland haben zuletzt Salafisten nordkaukavermehrt Akteure nordkaukasischer Herkunft - insbesondere aus sischer Herkunft der russischen Teilrepublik Tschetschenien - an Bedeutung gewonnen. Betroffen hiervon sind insbesondere ostund norddeutsche Bundesländer. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in NordrheinWestfalen. Die nordkaukasische islamistische Szene ist durch weitläufige, zum Teil europaweite Netzwerke und Kennverhältnisse gekennzeichnet. Nach außen ist sie weitgehend abgeschottet. Entscheidender Faktor für eine Radikalisierung ist das persönliche Kontaktspektrum. Verbindende Elemente bilden die Religion und die traditionelle Clanstruktur. Von den "Erfolgen" der nordkaukasischen Kämpfer in Syrien beziehungsweise im Irak inspiriert - so hatten auch Nordkaukasier bedeutende Positionen beim IS in Syrien beziehungsweise im Irak inne -, hat sich die nordkaukasische islamistische Szene in Deutschland in den vergangenen Jahren auch Terrororganisationen in dieser Region zugewandt. Westeuropa wird von Angehörigen der nordkaukasischen islamistischen Szene vor allem als Ruheund Rückzugsraum betrachtet. Angesichts des Niedergangs des vornehmlich regional agierenden "Kaukasischen Emirats" und des Bedeutungszuwachses global agierender jihadistischer Organisationen, insbesondere des IS, für die Szene könnte sich jedoch das von ihr ausgehende abstrakte Gefährdungspotenzial erhöhen. 193 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS IV. Antisemitismus im Islamismus41 Definition Antisemitismus ist nicht nur ein Agitationsthema von Rechtsund Linksextremisten, sondern stellt auch ein wesentliches Element in der Ideologie des gesamten islamistischen Spektrums dar. Unter dem Begriff "Antisemitismus" versteht man die politisch, sozial, rassistisch oder religiös fundierte Feindschaft gegenüber Juden. Antisemitisch sind jegliche Äußerung und jegliches Verhalten, das sich gegen einen Juden als Juden beziehungsweise gegen die jüdische Gemeinschaft richtet. Dabei ist es unerheblich, ob sich diese Gemeinschaft im Verband des Staates Israel organisiert oder außerhalb. Erscheinungsbild In der islamistischen Propaganda verbinden sich oftmals religiöse, territoriale und/oder national-politische Motive zu einem antisemitischen Weltbild. Das "Feindbild Judentum" bildet deshalb einen zentralen Pfeiler in der Propaganda aller islamistischen Gruppierungen. Dabei werden Stereotype und Vorurteile verwendet, die mit der judenfeindlichen Hetze in Europa vom Mittelalter bis zur nationalsozialistischen Rassenideologie im 20. Jahrhundert in Verbindung gebracht werden können. Einen besonderen Stellenwert nimmt im islamistischen Antisemitismus die "jüdische Weltverschwörung" ein. Ähnlich wie im Rechtsextremismus werden Juden als Drahtzieher einer weltweiten politischen Verschwörung gesehen und kollektiv für verschiedene nationale und internationale Übel und Missstände verantwortlich gemacht. Antisemitische Das BfV stellte im Jahr 2017 eine Vielzahl antisemitischer Vorfälle Vorfälle fest. Das Spektrum der Ereignisse reicht dabei von antiisraelischen Spruchbändern auf öffentlichen Veranstaltungen über antisemitische Predigten und judenfeindliche Postings in sozialen Medien bis hin zu verbalen oder körperlichen Attacken gegen einzelne jüdische Personen. Im Folgenden zwei Beispiele: Ein Anhänger der im Jahr 2001 verbotenen islamistischen Organisation "Kalifatsstaat" postete am 13. März 2017 auf seinem Facebook-Profil ein Bild des niederländischen Politikers Geert 41 Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Antisemitismus im politischen Extremismus. Ideologische Grundlagen und Argumentationsformen, Köln 2016, abrufbar unter: www.verfassungsschutz.de. 194 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Wilders mit Kippa und dem Satz "Die Niederlanden gehört den Zionisten Rothschild und Rockefeller." Auf der Facebook-Seite eines Vorstandsmitglieds der "Islamischen Gemeinde Stendal" (Sachsen-Anhalt) konnte am 11. September 2017 ein Video festgestellt werden, in welchem eine Kindergruppe der Gemeinde ein arabisches Lied singt. Thema des Liedes ist Jerusalem. Die Kinder drücken darin die Bereitschaft zum Kampf gegen Israel aus und singen vom Jihad. Die Erkenntnisse des BfV zeigen, dass sämtliche in Deutschland Nährboden aktive islamistische Organisationen antisemitisches Gedankenfür Eskalationen gut hegen und auf unterschiedlichsten Wegen verbreiten. Dieses Gedankengut stellt eine erhebliche Herausforderung für das friedliche und tolerante Zusammenleben in Deutschland dar. Zwar ist die Zahl der körperlichen Angriffe gegen jüdische Personen derzeit noch sehr gering. Allerdings verdeutlichen schon diese Einzelfälle, dass die ideologische Radikalisierung von Menschen und die Aufstachelung zu Hass und Gewalt durch antisemitisches Gedankengut den Nährboden für gewalttätige Eskalationen bilden. Welche Auswirkungen islamistischer Antisemitismus bereits heute auf die öffentliche Ordnung in Deutschland haben kann, zeigte sich schlaglichtartig im Dezember 2017. Als Reaktion auf die Entscheidung des US-Präsidenten, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, kam es im gesamten Bundesgebiet zu zahlreichen Demonstrationen von in Deutschland lebenden Palästinensern, Türken und weiteren muslimischen Personengruppen mit Migrationshintergrund. Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) erklärte in einer öffentlichen Stellungnahme, dafür zu beten, dass Jerusalem bald von Besatzung und Unterdrückung befreit werde. Auf den beiden größten Veranstaltungen in Berlin, die unter anderem von Personen aus dem HAMAS-Umfeld angemeldet worden waren, verbrannten einzelne Personen israelische Fahnen und riefen antisemitische Parolen.42 42 Die Teilnehmer skandierten unter anderem "Chaibar, Chaibar, oh ihr Juden, die Armee Muhammads wird zurückkehren!". Chaibar war eine ca. 150 Kilometer nördlich von Medina im heutigen Saudi-Arabien gelegene, von Juden bewohnte Oasensiedlung, die vom Propheten Muhammad im Jahr 628 angegriffen und erobert wurde. 195 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS V. Staatliche Maßnahmen Vereinsrechtliche Vereinsverbote sind ein geeignetes Mittel, um die organisatoriMaßnahmen schen und finanziellen Möglichkeiten von Islamisten zu beschränken. Wenngleich sich dadurch extremistische Gesinnungen nicht ändern, werden Strukturen und Kommunikationswege doch nachhaltig gestört. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport verbot am 14. März 2017 den Moscheeverein "Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim e.V." (DIK Hildesheim). Laut Verbotsverfügung richtete sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Seine Tätigkeit lief Strafgesetzen zuwider. Das Verbot ist bestandskräftig. Der DIK Hildesheim wurde im Jahr 2012 in das Vereinsregister eingetragen. Ab etwa 2014 trat ein irakischer Staatsangehöriger als regelmäßiger Imam im DIK Hildesheim auf, dessen Predigten und Aktivitäten bestimmend für die inhaltliche Ausrichtung der Moschee wurden. Der Imam - und damit der DIK Hildesheim - sind ideologisch dem "Islamischen Staat" (IS) zuzurechnen. Auch wenn der Imam in seinen Predigten und öffentlichen Auftritten in der Regel ein offenes Bekenntnis zum IS vermied, war diese Ausrichtung für die Besucher durchaus erkennbar. Die Freitagspredigt im DIK Hildesheim wurde zu Spitzenzeiten von mehreren Hundert Personen besucht. In der Moschee fanden mehrmals pro Jahr sogenannte Islamseminare statt. Diese wurden von Personen aus zahlreichen Bundesländern sowie zum Teil aus dem benachbarten Ausland besucht. Im Nachgang dieser Seminare kam es teilweise gehäuft zu Ausreisen von DIKHildesheim-Besuchern nach Syrien beziehungsweise in den Irak, um sich dort dem IS anzuschließen. Seit dem Jahr 2014 reisten laut Verbotsverfügung mindestens 15 niedersächsische Teilnehmer solcher Seminare dorthin aus. Der Imam, der bundesweit aktiv war, wurde bereits am 8. November 2016 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Am 26. September 2017 begann vor dem OLG Celle (Niedersachsen) die Hauptverhandlung gegen ihn und weitere Angeklagte wegen Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung IS. 196 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Aus einer Vielzahl von Verfahren im Zusammenhang mit dem isStrafverfahren lamistischen Terrorismus werden die folgenden exemplarisch aufgeführt: Am 26. Januar 2017 verurteilte das OLG Celle eine minderjährige Angeklagte mit deutscher und marokkanischer Staatsangehörigkeit wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren (Jugendstrafe). Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte am 26. Februar 2016 bei einer Personenkontrolle im Hauptbahnhof Hannover versucht hatte, einen Beamten der Bundespolizei zu töten. Mit der Tat habe sie den IS unterstützen wollen, was unter anderem durch Chats auf dem Mobiltelefon der Angeklagten belegt sei. Das Urteil ist rechtskräftig. Das OLG Düsseldorf verurteilte am 3. April 2017 einen Angeklagten mit deutscher Staatsangehörigkeit wegen versuchten Mordes und versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie unter anderem der Gründung einer terroristischen Vereinigung und Verabredung zum Mord an dem Vorsitzenden der rechtsextremistischen "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. Nach der Überzeugung des Gerichts hatte der Angeklagte am 10. Dezember 2012 versucht, auf einem Bahnsteig des Bonner Hauptbahnhofes eine selbstgebaute Rohrbombe zur Explosion zu bringen, um hierdurch eine Vielzahl von Menschen zu töten. Zu einer Explosion des Sprengsatzes kam es nicht, weil die Zündvorrichtung durch Einwirkungen Dritter beschädigt worden war. Mit gleichem Urteil hat das Gericht einen albanischen Staatsangehörigen und einen Angeklagten mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit unter anderem wegen Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der Verabredung zum Mord und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu jeweils einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren sowie einen weiteren deutschen Staatsangehörigen unter anderem wegen Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie der Verabredung zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die vier Angeklagten gemeinsam mehrere Anschläge geplant hatten, unter anderem ein tödliches Attentat auf den Vorsitzenden von 197 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "pro NRW" im März 2013. Die Festnahme der Angeklagten erfolgte, bevor es zur Ausführung dieser Taten kommen konnte. Am 26. Juli 2017 verurteilte das OLG Düsseldorf einen Angeklagten mit deutscher Staatsangehörigkeit wegen der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung "Jaish al-Muhajirin wa-l-Ansar" (JAMWA - "Armee der Auswanderer und Helfer") in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte spätestens seit Anfang 2013 Ansprechpartner und Anlaufstelle für Kampfund Ausreisewillige war, insbesondere aus der salafistischen Szene im Großraum Düsseldorf. In der Zeit von Juli 2013 bis November 2013 hatte er maßgebliche Beiträge geleistet, zwei in Deutschland lebende Männer einer in Syrien stationierten Kampfeinheit der IS-nahen Organisation JAMWA zuzuführen. Bei Reisen nach Syrien im Jahr 2013 übergab der Angeklagte der JAMWA für deren bewaffneten Kampf Gelder und ließ der Organisation aus Deutschland drei Nachtsichtgeräte aus ehemaligen Bundeswehrbeständen zukommen. Das Urteil ist rechtskräftig. Am 27. Oktober 2017 erhob die Bundesanwaltschaft vor dem OLG Hamburg Anklage gegen einen palästinensischen Volkszugehörigen wegen Mordes sowie sechsfachen versuchten Mordes und sechsfacher gefährlicher Körperverletzung. Der Angeschuldigte ist hinreichend verdächtig, am 28. Juli 2017 in einem Supermarkt in Hamburg mit einem Messer einen Menschen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben und sechs weitere Menschen bei dem Versuch, sie heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten, zum Teil lebensgefährlich verletzt zu haben. Den Ermittlungen zufolge kam es dem Angeschuldigten darauf an, möglichst viele deutsche Staatsangehörige christlichen Glaubens zu töten. Seine Taten wollte der Angeschuldigte im Kontext islamistischer Anschläge wahrgenommen und mithin als Beitrag zum weltweiten Jihad verstanden wissen. Belastbare Anhaltspunkte für eine Einbindung des Angeschuldigten in eine terroristische Vereinigung liegen nicht vor. Der Prozess vor dem OLG Hamburg begann am 12. Januar 2018. Am 1. März 2018 verurteilte das OLG Hamburg den Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. 198 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Islamischer Staat" (IS) Gründung: Ende 2003 als "al-Qaida im Irak", seit Mitte 2014 "Islamischer Staat" Leitung: Abu Bakr al-Baghdadi Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Naba" (arabischsprachiges Onlinemagazin, erscheint wöchentlich) "Amaq" (Nachrichtenagentur) "RUMIYAH" (Onlinemagazin, erschien seit September 2016 in mehreren westlichen und orientalischen Sprachen; die bislang letzte Ausgabe erschien im September 2017) "al-Hayat Media Center" (Medienstelle) Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 12. September 2014 Im Verlauf des Jahres 2013 nahm der "Islamische Staat" (IS) eine zentrale Rolle im syrischen Bürgerkrieg ein und eroberte Anfang 2014 auch Gebiete im Nordirak. Am 29. Juni 2014 rief der IS das "Kalifat" aus. Seit dem Beginn der US-geführten Luftangriffe gegen den IS im Jahr 2014 ruft dieser zu Anschlägen "im Westen" auf. Zahlreiche Anschläge wurden bereits im Namen der Organisation begangen, auch in Deutschland. Trotz seiner fast vollständigen militärischen Niederlage geht vom IS, seinen regionalen Ablegern ("Provinzen") sowie von durch ihn "inspirierte" Einzeltäter und Kleinstgruppen auf nicht absehbare Zeit eine sehr hohe terroristische Gefahr aus, sowohl in "islamischen Ländern" als auch "im Westen". Strukturen des IS in Deutschland sind nicht bekannt. 199 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. Kern-"al-Qaida" Gründung: Mitte der 1980er-Jahre Leitung: Aiman al-Zawahiri Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "Resurgence" (Onlinemagazin) "as-Sahab" (Medienstelle) Die von Usama Bin Ladin gegründete "al-Qaida" strebt ein islamistisches Regime zumindest in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern und darauf aufbauend eine globale Ausdehnung an. Ihr Kampf gilt sowohl dem "äußeren Feind" (dem westlichen Einfluss, insbesondere den USA und Israel) als auch dem "inneren Feind" (den sogenannten unislamischen Regierungen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika). Ziel von "al-Qaida" sind weiterhin "große", medienwirksame Anschläge. Daneben werden Einzeltäter oder Kleinstgruppen dazu aufgerufen, Anschläge ohne Absprache und formale Anbindung an die Organisation durchzuführen. Strukturen der "al-Qaida" in Deutschland sind nicht bekannt. 200 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) Gründung: Ende der 1990er-Jahre in Algerien als "Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf" ("Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" - GSPC) Leitung: Abdalmalik Droukdal alias Abu Mus'ab Abdalwadud Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Andalus" (Medienstelle) Der Beitritt der "Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf" ("Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" - GSPC) zu "al-Qaida" wurde im September 2006 offiziell bekannt gegeben; im Januar 2007 erfolgte die Umbenennung in "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM). Die AQM gilt als die größte islamistisch-terroristische Organisation im Maghreb (im Sinne der AQM umfasst der Maghreb die Staaten Tunesien, Algerien, Marokko, Libyen, Mauretanien, Mali und Niger), wo sie die Errichtung eines islamistischen Staates anstrebt. Ihre terroristischen Aktivitäten (u.a. Selbstmordattentate) konzentriert die AQM momentan vor allem auf Mali und die angrenzenden Sahel-Staaten. Im Jahr 2017 schlossen sich die in Mali aktiven Gruppierungen der AQM zu der Gruppe "Jama'at Nusrat al-Islam wal-Muslimin" zusammen. Durch den Zusammenschluss wurde die Organisation gestärkt, um ihr Ziel, die Errichtung eines islamistischen Staates, voranzutreiben sowie dem IS nahestehenden Gruppierungen besser begegnen zu können. Strukturen der AQM in Deutschland sind nicht bekannt. 201 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 4. "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) Gründung: Januar 2009 Leitung/Vorsitz: Qasim al-Raimi Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Anmerkung: Publikationen/Medien: "INSPIRE" (Onlinemagazin) Verschiedene jihadis"Sada al-Malahem" (Onlinemagazin) tische Organisationen "al-Malahem Media" (Medienstelle) benutzen häufig dasselbe Logo; Im Januar 2009 schlossen sich "al-Qaida im Jemen" (AQJ) und "alvgl. Logo IS. Qaida"-Kräfte aus Saudi-Arabien zu "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) zusammen, wodurch die bis dahin ausschließlich im Jemen aktive AQJ ihren terroristischen Aktionsradius auf Saudi-Arabien erweiterte. Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf der Arabischen Halbinsel. Seit ihrer Gründung hat AQAH ihre operative Handlungsfähigkeit durch Anschläge und Anschlagsversuche unter Beweis gestellt. Ziele waren unter anderem der internationale Luftverkehr sowie staatliche Institutionen und Einrichtungen insbesondere im Jemen und in Saudi-Arabien. Die andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen im Jemen erleichtern es AQAH, sich vor allem im Süden und Osten des Landes zumindest bis auf Weiteres als lokale Macht zu etablieren. AQAH ruft außerdem auch zu "einfachen" Anschlägen "im Westen" auf. Strukturen und Unterstützer der AQAH in Deutschland sind nicht bekannt. 202 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 5. "Al-Shabab" Gründung: 2006 in Somalia Leitung: Ahmad Umar alias Abu Ubaidah Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Kataib" (Medienstelle) Die Gruppierung "al-Shabab" hat sich im Jahr 2006 von der "Union islamischer Gerichtshöfe" abgespalten und sich im Wesentlichen aus deren jungen, radikalen Kämpfern formiert. Im Februar 2012 wurde "al-Shabab" durch Kern-"al-Qaida" offiziell als regionaler Arm des "al-Qaida"-Netzwerks anerkannt. Ziel von "al-Shabab" ist die Errichtung eines islamistischen Staates in "Groß-Somalia" unter Einbeziehung der äthiopischen Region Ogaden sowie Teilen Kenias und Dschibutis. Die terroristische Organisation betrachtet Selbstmordattentate und Anschläge auf Regierungsvertreter sowie diplomatische Einrichtungen - vor allem in der Hauptstadt Mogadischu - als probates Mittel zur Umsetzung ihrer Ziele. Das Nachbarland Kenia ist ebenfalls immer wieder von Angriffen der Gruppierung betroffen. Strukturen von "al-Shabab" in Deutschland sind nicht bekannt. 203 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 6. "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS)43 Gründung: Ende 2011 als "Jabhat al-Nusra" (JaN)44, Ende Juli 2016 Umbenennung in "Jabhat Fath al-Sham" (JFS)45, Ende Januar 2017 aufgegangen in "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) Leitung: bis Oktober 2017: Hashim al-Shaikh ab Oktober 2017: Abu Muhammad al-Julani Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "IBAA" (Nachrichtenagentur) Als "al-Qaida"-nahe Organisation strebt die ehemalige "Jabhat al-Nusra (JaN), heute "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS), die Errichtung eines islamistischen Staatswesens in "Großsyrien" an. Die regionalen Schwerpunkte der Gruppierung liegen im westlichen Teil Syriens, von Aleppo im Norden des Landes bis nach Daraa an der Grenze zu Jordanien im Süden. Mit der neuerlichen Umbenennung versucht die Organisation, möglichst viele regionale islamistisch-terroristische Gruppierungen in Syrien unter sich zu vereinigen. Seit Herbst 2017 sind verstärkte Spannungen zwischen Kern-"al-Qaida" und HTS zu verzeichnen. Strukturen von HTS in Deutschland sind nicht bekannt. 43 Arabisch für "Komitee zur Befreiung Großsyriens". 44 Arabisch für "Unterstützungsfront für das Volk Syriens". 45 Arabisch für "Front zur Eroberung Syriens". 204 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 7. "Hizb Allah"46 Gründung: 1982 im Libanon Sitz: Beirut (Libanon) Leitung: Generalsekretär Hassan Nasrallah, Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 950 (2016 : 950) in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Ahd - al-Intiqad" (Zeitschrift, (Auswahl) wöchentlich) "al-Manar" (TV-Sender) "Moqawama.org" (Website) Betätigungsverbot gegen Verbotsverfügung des "al-Manar TV": Bundesministers des Innern vom 29. Oktober 2008 Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des "Waisenkinderprojekt Bundesministers des Innern Libanon e.V." (WKP)47: vom 2. April 201448 46 Arabisch für "Partei Gottes". 47 Der Verein hat sich umbenannt und heißt seit dem 16. Oktober 2014 "Farben für Waisenkinder e.V.". 48 Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat das Verbot am 16. November 2015 bestätigt. Die Klage des Vereins gegen das Verbot wurde als unbegründet abgewiesen. Damit ist das Vereinsverbot rechtskräftig. 205 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die schiitisch-islamistische "Hizb Allah" bestreitet das Existenzrecht Israels. Sie propagiert den bewaffneten, mit terroristischen Mitteln geführten Kampf gegen Israel als "unrechtmäßigen Besatzer palästinensischen Bodens", der als "legitimer Widerstand" bezeichnet wird. Es muss damit gerechnet werden, dass die "Hizb Allah" auch außerhalb des Nahen Ostens weiterhin terroristische Aktionen gegen Israel oder israelische Interessen plant. In Deutschland pflegen die Anhänger der "Hizb Allah" den organisatorischen und ideologischen Zusammenhalt unter anderem in örtlichen Moscheevereinen, die sich in erster Linie durch Spendengelder finanzieren. Das BVerwG hat mit Urteil vom 16. November 2015 seine ständige Rechtsprechung zur HAMAS (vgl. Nr. 8) auf die "Hizb Allah" übertragen. Danach richtet sich die "Hizb Allah" insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt. Sie stellt das Existenzrecht des Staates Israel offen infrage und ruft zu dessen gewaltsamer Beseitigung auf. 206 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 8. HAMAS49 Gründung: Ende 1987 Sitz: Palästinensische Autonomiegebiete, Gazastreifen Leitung: bis Mai 2017: Khalid Mash'al ab Mai 2017: Isma'il Haniya Mitglieder/Anhänger 320 (2016: 320) in Deutschland: Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des "al-Aqsa e.V.": Bundesministers des Innern vom 31. Juli 2002 Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des "YATIM-Kinderhilfe e.V.": Bundesministers des Innern vom 30. August 2005 Ziel der HAMAS ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet "Palästinas" - auch durch bewaffneten Kampf. Unter "Palästina" versteht die HAMAS das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan, was damit auch das Territorium des Staates Israel einschließt. Westliche Staaten wie Deutschland werden von der HAMAS als Rückzugsraum betrachtet, in dem die Organisation sich darauf konzentriert, Spendengelder zu sammeln, neue Anhänger zu rekrutieren und ihre Propaganda zu verbreiten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile zum Verbot des "al-Aqsa e.V." vom 3. Dezember 2004 und zum Verbot der "Internationalen Humanitären Hilfsorganisation e.V." vom 18. April 2012) festgestellt, dass die HAMAS sich insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt. 49 Abkürzung für "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" - "Islamische Widerstandsbewegung". Das arabische Wort HAMAS bedeutet übersetzt "Begeisterung, Eifer". 207 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 9. "Türkische Hizbullah" (TH) Gründung: 1979 in Batman (Türkei) Leitung: Edip Gümüs (Führer), Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 400 (2016: 400) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "INZAR" "Dogru Haber" "Kelhaamed" Onlinemagazine: "Hurseda" "Huseynisevda" Hauptziel der sunnitischen, kurdisch dominierten "Türkischen Hizbullah" (TH) ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet der Türkei und dessen kontinuierliche, letztlich globale Ausweitung. Zur Durchsetzung ihrer Ziele hält die TH die Anwendung von Gewalt für gerechtfertigt. Die Organisation nutzt Deutschland als Rückzugsraum zur Gewinnung neuer Mitglieder, Spendensammlung und Veranstaltung religiöser und kultureller Treffen. 208 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 10. "Hizb ut-Tahrir"50 (HuT) Gründung: 1953 in Jerusalem (Israel) Leitung: Ata Abu al-Rashta alias Abu Yasin Mitglieder/Anhänger 350 (2016: 320) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "al-Khilafa" "Hilafet" "Köklü Degisim" "al-Waie" "Expliciet" Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 10. Januar 2003 Ziel der panislamisch ausgerichteten "Hizb ut-Tahrir" (HuT) ist die "Befreiung" aller Muslime von Unterdrückung und ihre Vereinigung in einem weltweiten Kalifat. Aus Sicht der HuT haben "unterdrückte" Muslime das Recht auf "Selbstverteidigung" mit allen Mitteln. Als Konsequenz werden Gewalttaten anderer islamistischer Gruppierungen oftmals gebilligt. Die HuT kann in Deutschland wegen des Betätigungsverbots keine öffentlichen Aktivitäten entfalten, setzt jedoch ihre Agitation und die Rekrutierung neuer Mitglieder im Untergrund fort. 50 Arabisch für "Partei der Befreiung". 209 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 11. "Muslimbruderschaft"51 (MB) Gründung: 1928 in Ägypten Leitung: Muhammad Badi Mitglieder/Anhänger 1.04052 (2016: 1.040) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Risalat al-Ikhwan" (Zeitschrift) Die "Muslimbruderschaft" (MB) gilt als älteste und einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung. Sie ist eigenen Angaben zufolge in mehr als 70 überwiegend muslimischen Ländern in unterschiedlicher Ausprägung vertreten. Zahlreiche islamistische Organisationen, zum Beispiel die palästinensische HAMAS, sind aus der MB hervorgegangen. Ziel der MB ist die Errichtung eines "bürgerlichen Staates mit islamischen Werten". Seit den 1970er-Jahren formuliert die MB den Verzicht von Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele. Ausgenommen davon sei jedoch der Widerstand gegen "Besatzer", worunter die MB vor allem Israel versteht. Nach der gewaltsamen Übernahme der Staatsgewalt durch das Militär unter dem jetzigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi im Juli 2013 wurde die MB in Ägypten verboten und als Terrororganisation eingestuft. 51 Arabisch "al-Ikhwan al-Muslimun". 52 Einschließlich 340 Mitglieder der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD; vgl. Nr. 11.1). 210 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 11.1 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) Gründung: 1958 Sitz: Köln (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Samir Falah Mitglieder in Deutschland: 340 (2016: 300) Jugendorganisation: "Muslimische Jugend in Deutschland e.V." (MJD; formal unabhängige Jugendorganisation mit engen Verbindungen zur IGD) Die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) ist die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der "Muslimbruderschaft" (MB) in Deutschland. Ziel der IGD ist es unter anderem, sich in Deutschland als anerkannter Ansprechpartner zum Thema Islam zu etablieren. Sie verfolgt daher eine an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Eigenen Angaben zufolge koordiniert die IGD ihre Aktivitäten mit mehr als 50 Moscheegemeinden. Bei öffentlichen Auftritten werden Bekenntnisse zur MB und verfassungsfeindliche Äußerungen vermieden. Gleichwohl sind die Aktivitäten der IGD-Zentren aufgrund der ideologischen Ausrichtung an der MB geeignet, eine ablehnende Haltung gegenüber westlichen Werten zu verstärken und eine Distanz zur Demokratie zu fördern. 211 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 12. "Tablighi Jama'at"53 (TJ) Gründung: 1926 in Indien Leitung: Führungszirkel (Schura), Vorsitzender: Maulana Ibrahim Saad Mitglieder/Anhänger 650 (2016: 650) in Deutschland: Die transnationale Massenbewegung "Tablighi Jama'at" (TJ) mit weltweit etwa 12 Millionen Anhängern wird von einem Führungszirkel (Schura) sowie den drei religiösen Zentren in Dhaka (Bangladesch), Neu-Delhi (Indien) und Raiwind (Pakistan) geleitet. Die TJ orientiert sich eng an dem Islamverständnis der islamischen Frühzeit. Langfristiges Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staates. Die Ablehnung säkularer Prinzipien und die Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen können die Bildung abgeschotteter Parallelgesellschaften zur Folge haben und individuelle Radikalisierungsprozesse zumindest passiv begünstigen. Die Aktivitäten der TJ in Deutschland werden über informelle Kontakte in einem hierarchisch aufgebauten Netzwerk herausragender Akteure koordiniert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Werbung neuer Anhänger und der Durchführung von sogenannten Jama'aten (Bildungsreisen). In den vergangenen beiden Jahren konnte eine vermehrte Kontaktaufnahme von TJ-Anhängern zu Flüchtlingen festgestellt werden, in deren Rahmen Einladungen zu Gebeten, Moscheebesuchen oder anderen Veranstaltungen ausgesprochen wurden. Für die multiethnische und gegenüber allen Muslimen Offenheit demonstrierende TJ bilden insbesondere die muslimischen Flüchtlinge - gerade auch in ihrer ethnischen und ideologischen Heterogenität - eine naheliegende Zielgruppe für ihre Werbungsarbeit. 53 Urdu für "Gemeinschaft der Verkündigung und Mission". 212 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 13. Einfluss regierungstreuer Iraner auf in Deutschland lebende Schiiten durch das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH) Gründung: 1962 Sitz: Hamburg Leitung/Vorsitz: Reza Ramezani Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Fadschr" (Zeitschrift, vierteljährlich) "SALAM! Zeitschrift für junge Muslime" (vierteljährlich) In Deutschland existiert eine Reihe islamischer Zentren und Organisationen regierungstreuer Iraner, mit deren Hilfe der Iran versucht, Einfluss auf hier lebende Schiiten unterschiedlicher Nationalität zu nehmen. Das größte und einflussreichste Zentrum ist das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH), das Träger der "Imam Ali Moschee" ist. Der Leiter des IZH gilt als Vertreter des "Revolutionsführers" der Islamischen Republik Iran in Deutschland - derzeit Ayatollah Seyyed Ali Khamenei. Die Aktivitäten des IZH sind darauf ausgerichtet, die islamische Lehre schiitisch-iranischer Prägung auf unterschiedliche Art und Weise in Deutschland und Europa zu verbreiten. Hierfür organisiert das IZH unter anderem regelmäßige Gebetsund Vortragsveranstaltungen, religiöse Feierlichkeiten sowie Sprachunterricht und andere Lehrveranstaltungen. 213 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 14. "Milli Görüs"-Bewegung Die "Milli Görüs"-Bewegung besteht aus mehreren Vereinigungen, die von einer gemeinsamen ideologisch-religiösen Ausrichtung und der ideellen Bindung an den türkischen Politiker Necmettin Erbakan (1926-2011) zusammengehalten werden. Obgleich alle Vereinigungen selbstständig und unabhängig voneinander agieren, ist die "Milli Görüs"-Ideologie - wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung - das verbindende Element. Die von Erbakan geprägten Schlüsselbegriffe seines politischen Denkens sind "Milli Görüs" ("Nationale Sicht") und "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung"). "Gerecht" sind für Erbakan die Ordnungen, die auf "göttlicher Offenbarung" gegründet, "nichtig" jene, die von Menschen entworfen wurden. Gegenwärtig dominiere mit der westlichen Zivilisation eine "nichtige", auf Gewalt, Unrecht und Ausbeutung der Schwachen basierende Ordnung. Dieses "nichtige" System müsse durch eine "Gerechte Ordnung" ersetzt werden, die sich ausschließlich an islamischen Grundsätzen ausrichte, anstatt an von Menschen geschaffenen und damit "willkürlichen Regeln". Alle Muslime sollen an der Verwirklichung der "Gerechten Ordnung" mitwirken. Hierzu müssen sie eine bestimmte Haltung einnehmen und einen bestimmten Blick ("Görüs") auf die Welt gewinnen, nämlich einen nationalen/ religiösen ("Milli") Blick, einen "Milli Görüs". 214 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 14.1 Der "Milli Görüs"-Bewegung zuzuordnende Vereinigungen "Ismail Aga Cemaati" (IAC) Die "Ismail Aga Cemaati" (IAC) ist der weitverzweigten mystischen Bruderschaft der Naqshbandiya zuzuordnen. Die IAC gilt allgemein als einer der radikaleren Zweige der Bruderschaft. Spirituelles Oberhaupt ist der in der Türkei lebende Scheich Mahmud Ustaosmanoglu, der seine Anhänger in der Vergangenheit immer wieder zur Unterstützung der "Milli Görüs"-Ideologie aufgefordert hat. Bis zu seiner Abschiebung in die Türkei am 23. Oktober 2015 prägte der Prediger Nusret Cayir die IAC in Deutschland. Seiner Auffassung zufolge gebe es niemanden außer der "Milli Görüs", der die Türkei "retten" könne. Seit Cayirs Ausreise in die Türkei werden seine Predigten für seine Anhänger - in der Regel via Skype - live nach Deutschland übertragen. "Deutschlandvertretung der 'Saadet Partisi' (SP)" Die "Saadet Partisi" (SP), seit dem Jahr 2001 die politische Vertretung der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei, hat im Jahr 2013 damit begonnen, auch außerhalb der Türkei Strukturen aufzubauen. Erklärtes Ziel der Auslandsvertretungen ist zum einen die Verbreitung der "Milli Görüs"-Ideologie und zum anderen die Unterstützung der Mutterpartei, zum Beispiel bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 und den Neuwahlen im November 2015 in der Türkei. Während sich die "Deutschlandvertretung der ,Saadet Partisi' (SP)" bereits am 30. September 2013 in München (Bayern) vereinsrechtlich angemeldet hatte, fand die offizielle Gründungsveranstaltung erst am 27. Dezember 2013 in Köln (Nordrhein-Westfalen) statt. "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" Die "Erbakan-Stiftung" wurde im Juni 2013 in der Türkei gegründet. Fatih Erbakan, der Sohn Necmettin Erbakans und der Vorsitzende der Stiftung, erklärte, dass die Stiftung das Ziel habe, eine Wiederbelebung der Ideen Necmettin Erbakans herbeizuführen und die gesamte "Milli Görüs"-Bewegung wieder stärker hierauf zu verpflichten. Am 24. November 2013 fand in Solingen (NordrheinWestfalen) unter Teilnahme von Fatih Erbakan die offizielle Gründungsveranstaltung der "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" statt. 215 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Milli Gazete" Als Sprachrohr der "Milli Görüs"-Bewegung bildet die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der Bewegung und trägt zur Verfestigung der ideologischen Positionen bei. In Deutschland ist die Europa-Ausgabe der "Milli Gazete" erhältlich (seit Mai 2011 lediglich im Abonnement). "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Vorliegende Anhaltspunkte belegen die auch weiterhin bestehenden Verbindungen der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG), die im Jahr 1985 in Köln (Nordrhein-Westfalen) als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) gegründet wurde, zu Teilbereichen der "Milli Görüs"-Bewegung. Gleichwohl ist deutschlandweit - allerdings regional in unterschiedlicher Intensität - ein schwächer werdender Extremismusbezug der IGMG festzustellen. Dies korrespondiert mit den anhaltenden Bemühungen des IGMG-Vorsitzenden Kemal Ergün, die Organisation aus der Einflussnahme der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei loszulösen und der IGMG ein eigenständiges Profil zu geben. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt inzwischen eindeutig im religiösen Bereich, zum Beispiel auf dem Ausbau entsprechender Bildungseinrichtungen. Die IGMG veröffentlicht neben einer Vielzahl von Broschüren unter anderem die Zeitschriften "Perspektif" (monatlich oder zweimonatlich) und "Camia" (zweiwöchentlich). 216 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 217 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) I. Überblick Im nicht islamistischen Ausländerextremismus finden sich Ideologieelemente aus dem Rechtsund Linksextremismus, einige Organisationen verfolgen auch separatistische Bestrebungen. Insoweit handelt es sich nicht um ein einheitliches, tendenziell bündnisfähiges Spektrum, sondern um ungleichartige Teile, die nur fallund anlassbezogen untereinander oder mit deutschen extremistischen Gruppierungen kooperieren. Politik, Strategie und Aktionen der nicht islamistischen extremistischen Ausländerorganisationen in Deutschland werden entscheidend von der Situation in den jeweiligen Herkunftsländern (und den dortigen zentralen Organisationseinheiten) bestimmt. Entsprechend zielen sie - oftmals auch durch den Einsatz von Gewalt und Terror - auf eine radikale Veränderung der politischen Verhältnisse im Heimatland. Auch in der Bundesrepublik Deutschland können extremistische Ausländerorganisationen die innere Sicherheit gefährden. Darüber hinaus verstoßen sie zum Teil gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Deutschland gilt den meisten als sicherer Rückzugsraum. Von hier aus können sie die Heimatorganisationen propagandistisch, vor allem aber auch materiell und finanziell unterstützen. 1. Entwicklungstendenzen Agitation und Militanzniveau der ausländerextremistischen Organisationen sind weit überwiegend von der politischen Entwicklung in den Heimatländern abhängig. In Deutschland lebende Anhänger sind in der Regel die Empfänger politisch-strategischer Richtlinien der Organisationen in den jeweiligen Heimatländern; sie sind auch bereit, diese konsequent in die Tat umzusetzen. Für die innere Sicherheit in Deutschland bleiben - wie bereits in den Vorjahren - die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) sowie die "Ülkücü"-Bewegung von herausgehobener Bedeutung: die PKK wegen ihrer gewalttätigen Aktionen, die DHKP-C wegen ihres of218 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) fenen Bekenntnisses zum bewaffneten Kampf in der Türkei und die "Ülkücü"-Bewegung wegen ihrer militanten Ablehnung des Gleichheitsgrundsatzes. Die Aktivitäten der PKK wurden im Jahr 2017 wesentlich von der PKK: bewaffneter Sorge um die Haftsituation und den Gesundheitszustand ihres inund politischer haftierten Organisationsgründers Abdullah Öcalan bestimmt. In Kampf diesem Kontext fanden bundesweit zahlreiche demonstrative Aktionen statt, insbesondere nachdem im Oktober 2017 Meldungen über eine angebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zum angeblichen Tod Öcalans über soziale Medien verbreitet worden waren. Nach wie vor sind auch die anhaltenden militärischen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und den Guerillaeinheiten der PKK ein beherrschendes Thema innerhalb der Organisation. Das Versammlungsgeschehen im Berichtsjahr war auch von der Konkretisierung des PKK-Kennzeichenverbots durch das Bundesministerium des Innern (BMI) geprägt. Insbesondere war das Kennzeichenverbot zentrales Thema einer Demonstration am 4. November 2017 in Düsseldorf, an der etwa 6.000 PKK-Anhänger teilnahmen. Bei der Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Angriffen auf eingesetzte Polizeibeamte. Darüber hinaus war das Versammlungsgeschehen auch durch das am 16. April 2017 in der Türkei durchgeführte Verfassungsreferendum geprägt. So hatten sich PKK-Anhänger im Vorfeld des Referendums darum bemüht, Wahlberechtigte innerhalb der kurdischstämmigen Bevölkerung zu einer Stimmabgabe gegen die Verfassungsänderung zu mobilisieren. Die PKK lehnte die Verfassungsänderung ab, da sie bei einer Ausweitung der Befugnisse des türkischen Staatspräsidenten eine Verschärfung der gegen sie gerichteten Repressionen sowie eine Intensivierung der militärischen Auseinandersetzungen befürchtete. Das aus Sicht der PKK daher unerfreuliche Ergebnis des Referendums - 51,4 % der Wähler stimmten für die Verfassungsänderung - rief innerhalb der Anhängerschaft jedoch nur verhaltene Reaktionen hervor, etwa in Form schriftlicher Stellungnahmen und Beteiligungen an störungsfrei verlaufenen Kundgebungen. 219 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) DHKP-C propagiert Die DHKP-C hat ihre terroristischen Aktivitäten in der Türkei im unverändert die Jahr 2017 zwar fortgesetzt, jedoch ging das Ausmaß im Vergleich Notwendigkeit zum Vorjahr erneut zurück. Die seit dem Putschversuch am 15. Juli des bewaffneten 2016 weiterhin verschärfte Sicherheitslage in der Türkei und die Kampfes in der Türkei damit verbundenen umfangreichen staatlichen Maßnahmen hatten unmittelbare Auswirkungen auf die DHKP-C, etwa durch die Festnahme von Organisationsmitgliedern. Zudem wurde Anfang 2017 bekannt, dass Mitglieder der DHKP-C bei einem Luftangriff des türkischen Militärs getötet wurden. Aus Protest gegen die Verhaftung ihres mutmaßlichen Europaleiters am 2. Dezember 2016 in Hamburg führte die DHKP-C Anfang 2017 einen "Langen Marsch" durch, in dessen Rahmen zahlreiche Demonstrationen im Bundesgebiet sowie im benachbarten Ausland stattfanden. Nach wie vor stellen Auftritte der Musikgruppe "Grup Yorum" einen integralen Bestandteil der Propagandaaktivitäten der DHKP-C dar. Wie im Vorjahr gelang es der DHKP-C jedoch auch im Jahr 2017 nicht, eine Halle oder ein Stadion für einen Auftritt im größeren Rahmen anzumieten. Die DHKP-C betrachtet Deutschland weiterhin als Rückzugsraum. Die hierzulande durchgeführten Gedenkveranstaltungen für "Märtyrer" (in der Türkei ums Leben gekommene Attentäter) belegen, dass auch die in Deutschland lebenden Anhänger die Linie der Gesamtpartei, einschließlich der terroristischen Option, mittragen. "Ülkücü"Die nationalistische beziehungsweise rassistische rechtsextremisBewegung: tische "Ülkücü"-Ideologie, die auf einer Überhöhung der Türkei organisatorischer und des Türkentums bei gleichzeitiger Abwertung anderer Ethnien Kern und strukturlose basiert, wird in Deutschland im Wesentlichen durch den DachverFormen band "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) sowie andere - unorganisierte - Anhänger vertreten. Während sich der Dachverband nach außen hin um ein gesetzeskonformes Verhalten bemüht, demonstrieren unorganisierte Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung insbesondere im Internet ihre rassistischen Überlegenheitsvorstellungen. So werden in sozialen Netzwerken Gewaltaufrufe und gewaltverherrlichende Äußerungen verbreitet, die sich gegen die Feindbilder der "Ülkücü"-Bewegung richten, insbesondere gegen Kurden. Zu dem nicht dachverbandlich organisierten Teil der "Ülkücü"-Bewegung 220 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) gehören auch rockerähnliche Gruppierungen, bei denen eindeutige Bekenntnisse zum türkischen Rechtsextremismus zu erkennen sind. Das Aufeinandertreffen rivalisierender extremistischer GruppieWechselwirkungen rungen aus der Türkei - insbesondere im Rahmen von Demonstzwischen den rationen - stellt eine permanente Gefahr für die innere Sicherheit Extremismen in Deutschland dar. Auch aufgrund der durch die Gruppierungen geschürten aggressiven Stimmung kommt es zu spontanen und situativ bedingten gewalttätigen Auseinandersetzungen. Dies gilt insbesondere bei einem Aufeinandertreffen von Anhängern der PKK mit nationalistischen beziehungsweise rechtsextremistischen türkischstämmigen Personen. 2. Organisationen und Personenpotenzial Das Personenpotenzial nicht islamistischer sicherheitsgefährdender beziehungsweise extremistischer Ausländerorganisationen stieg im Jahr 2017 aufgrund des Zuwachses im Bereich der PKK auf insgesamt 30.550 Personen an. Der größte Anteil entfiel mit 18.050 Personen auf linksextremistische Ausländergruppierungen, 11.000 Personen gehörten rechtsextremistischen Ausländergruppierungen an, 1.500 Personen waren separatistischen Ausländergruppierungen zuzurechnen. 221 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Personenpotenzial extremistischer Ausländerorganisationen1, 2 (ohne Islamismus) 2015 2016 2017 Linksextremisten 17.550 17.550 18.050 davon: "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 14.000 14.000 14.500 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 650 650 650 "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) 1.300 1.300 1.300 "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 600 600 600 Sonstige 1.000 1.000 1.000 Separatisten 1.500 1.500 1.500 Rechtsextremisten 10.000 11.000 11.000 Summe 29.050 30.050 30.550 1 Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Hier wird auch das Personenpotenzial der mit Verbot belegten Gruppen erfasst. II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 1. Reaktionen der PKK in Deutschland auf die politischen Entwicklungen in der Türkei Die Aktivitäten der etwa 14.500 Anhänger (2016: 14.000) der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)54 in Deutschland wurden im Jahr 2017 wesentlich von folgenden Faktoren bestimmt: der Sorge um die Haftsituation und den Gesundheitszustand des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Militär in der "Heimatregion" sowie dem Kennzeichenverbot für PKK-Symboliken Nach wie vor gehören die Anerkennung der kurdischen Identität sowie eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden unter 54 "Partiya Karkeren Kurdistan". 222 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Aufrechterhaltung nationaler Grenzen in ihren türkischen, aber auch syrischen Siedlungsgebieten zu den Kernforderungen der PKK. Die Kampfhandlungen zwischen dem türkischen Militär und den Anhaltende KampfGuerillaeinheiten der PKK in den südostanatolischen Gebieten handlungen mit überwiegend kurdischer Bevölkerungsmehrheit sowie in den nordsyrischen Siedlungsgebieten hielten zwar an, erreichten jedoch nicht die Intensität des Vorjahres. Eine Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat erscheint gegenwärtig unwahrscheinlich. Die Situation in der Türkei war im Berichtszeitraum von den AusAuswirkungen des wirkungen des Putschversuchs durch Teile des türkischen Militärs Putschversuchs am 15. Juli 2016 geprägt. Der infolge dieses Ereignisses verhängte und für die Dauer von jeweils drei Monaten geltende Ausnahmezustand in der Türkei wurde zwischenzeitlich sieben Mal - zuletzt im April 2018 - verlängert. Dies ermöglichte unter anderem, dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ohne Beteiligung des Parlaments Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen konnte. Zudem konnten Ausgangssperren verhängt und Medienberichterstattungen kontrolliert oder verboten werden. In der Türkei wurden mehr als hunderttausend Staatsbedienstete entlassen oder vom Dienst suspendiert, zahlreiche - darunter auch kurdische - Radiound Fernsehanstalten sowie Printmedien wurden geschlossen. Darüber hinausgehende, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Putschversuch stehende Auswirkungen in Bezug auf die PKK waren nicht feststellbar. Am 16. April 2017 wurde in der Türkei ein Referendum über die VerfassungsreferenÄnderung der türkischen Verfassung hin zu einem Präsidialsystem dum in der Türkei mit weitreichenden Befugnissen für das Staatsoberhaupt durchgeführt. Insgesamt stimmten 51,4 % der Wähler für die Verfassungsänderung, wobei die Wahlbeteiligung bei 85,4 % lag. Auch in Deutschland waren rund 1,4 Millionen wahlberechtigte Türken aufgerufen, in insgesamt 13 deutschen Städten - zumeist in den Generalkonsulaten der Türkei - an der Abstimmung teilzunehmen. Dabei stimmten hier 63,1 % für die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei. Die Wahlbeteiligung lag bei 46,2 %. 223 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) "Hayir"-Kampagne Im Vorfeld des Referendums intensivierten auch im Bundesgebiet lebende PKK-Anhänger ihre Bemühungen, Wahlberechtigte innerhalb der kurdischstämmigen Bevölkerung zu einer Stimmabgabe gegen die Verfassungsänderung zu mobilisieren. So wurde beispielsweise Ende Januar 2017 ein überwiegend von PKK-Aktivisten und PKK-nahen Organisationen getragenes europaweites Bündnis, die Plattform "'Nein' in Europa"55, gegründet, deren Ziel der Zusammenschluss aller Gegner Erdogans war. In diesem Kontext wurde die "Hayir"56-Kampagne initiiert, an der sich sodann auch regionale Bündnisse ("Plattformen") beteiligten. Im Rahmen dieser Kampagne fanden bundesweit, wie auch in ganz Europa, zahlreiche friedlich verlaufene Kundgebungen und Veranstaltungen statt, bei denen um Nein-Stimmen zu der geplanten Verfassungsänderung in der Türkei geworben wurde. Das Verfassungsreferendum war auch ein beherrschendes Thema der zentralen Feierlichkeiten anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes "Newroz" am 18. März 2017 in Frankfurt am Main (Hessen), bei dem etwa 30.000 Teilnehmer, darunter viele PKK-Anhänger und Mitglieder PKK-naher Organisationen, friedlich gegen die Verfassungsänderung und für die "Hayir"-Kampagne demonstrierten (vgl. Nr. 2). Der aus Sicht der PKK unerfreuliche Ausgang des Referendums führte innerhalb der Anhängerschaft in Deutschland zu keinen nennenswerten Reaktionen. Vereinzelt erfolgten jedoch schriftliche Stellungnahmen sowie Beteiligungen an störungsfrei verlaufenen Kundgebungen in mehreren deutschen Städten gegen den Ausgang des Referendums. Erster Jahrestag Am 15. Juli 2017 jährte sich der Putschversuch durch Teile des türdes Putschversuchs kischen Militärs in der Türkei erstmals. Da die PKK den Putschverin der Türkei such primär als "innertürkischen" Konflikt ansieht, waren seitens der PKK und ihr nahestehender Gruppierungen auch anlässlich des ersten Jahrestages keinerlei Aktivitäten oder Reaktionen zu verzeichnen. Im Rahmen der im Juli 2017 durchgeführten PKKGroßveranstaltungen, dem "13. Zilan-Frauenfestival" in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) und dem "20. Mazlum Dogan Jugend-, Kulturund Sportfestival" in Blegny (Belgien), wurde der Jahrestag des Putschversuchs ebenfalls nicht thematisiert. 55 "Avrupa'da Hayir Platformu". 56 "Nein". 224 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Unumstrittener Anführer ist weiterhin der seit 1999 auf der türkiMeldungen über schen Gefängnisinsel Imrali inhaftierte Gründer der Organisation Öcalans GesundÖcalan, der innerhalb der PKK-Anhängerschaft als Führungsund heitszustand Integrationsfigur des "kurdischen Freiheitskampfes" verehrt wird. Dies wurde einmal mehr deutlich, nachdem Mitte Oktober 2017 Meldungen über eine Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zum angeblichen Tod Öcalans über soziale Medien verbreitet worden waren. Infolgedessen kam es in Europa, auch im gesamten Bundesgebiet, zu einer mehrere Wochen anhaltenden Protestwelle mit zahlreichen demonstrativen - zumeist friedlich verlaufenen - Ereignissen. Die in der Türkei aktive PKK-Splittergruppe "Freiheitsfalken KurDrohung der TAK distans" (TAK)57, welche seit 2006 auf der EU-Liste der terroristischen Organisationen verzeichnet ist, kündigte am 6. Juni 2017 in einer in türkischer und englischer Sprache veröffentlichten Erklärung an, ihren Kampf in der Türkei zu intensivieren. So erklärte die TAK "alle Metropolen und Tourismusgebiete" in der Türkei zu potenziellen Anschlagsgebieten: "Wir warnen diejenigen, die die Türkei im Hinblick auf Investitionen und Tourismus für ein sicheres Land halten. Alle Städte, Megastädte58, Metropolen und Tourismusgebiete der Türkischen Republik sind unser Kriegsgebiet, und unsere Anschläge werden viel häufiger als in der Vergangenheit erfolgen." (Homepage TAK, 24. November 2017) 2. Versammlungsgeschehen mit PKK-Bezug in Deutschland Mit öffentlichkeitswirksamen, meist zentral gesteuerten Propagandaaktivitäten versucht die PKK regelmäßig, ihren Anliegen in Deutschland und Europa Geltung zu verschaffen. Das Schicksal des in der Türkei inhaftierten Organisationsgründers Öcalan, das militärische Vorgehen des türkischen Staates in den kurdischen Siedlungsgebieten sowie staatliche Maßnahmen gegen die PKK und ihr nahestehende Organisationen bleiben dabei die zentralen Themen. 57 "Teyrebazen Azadiya Kurdistan". 58 Der verwendete türkische Ausdruck "megapol" bezeichnet eine aus mehreren Städten zusammengewachsene sehr große Stadt. 225 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Schwerpunkt der Aktivitäten sind Demonstrationen und Kundgebungen. Daneben initiiert die Organisation auch regelmäßig Podiumsdiskussionen, Unterschriftenkampagnen, Hungerstreiks und Mahnwachen. Wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, gelingt es der PKK bei diesen Veranstaltungen regelmäßig, ihre Anhängerschaft zur Teilnahme zu mobilisieren: 11. Februar 2017, Straßburg (Frankreich): Großdemonstration zum 18. Jahrestag der Festnahme Öcalans (12.000 bis 15.000 Teilnehmer, darunter ein Großteil aus Deutschland, 2016: 15.000 Teilnehmer). 18. März 2017, Frankfurt am Main (Hessen): Zentrale Großkundgebung zum traditionellen kurdischen Neujahrsfest "Newroz" unter dem Motto "No Pasaran - kein Fußbreit dem Faschismus, Demokratie in der Türkei, Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan" (30.000 Teilnehmer, 2016: 12.000 Teilnehmer). 16. September 2017, Köln (Nordrhein-Westfalen): "25. Internationales Kurdisches Kulturfestival" unter dem Motto "Freiheit für Öcalan, Status für Kurdistan, Demokratie für den Mittleren Osten" (14.000 Teilnehmer aus ganz Europa, 2016: 28.000 Teilnehmer). Konkretisierung Neben den jährlich stattfindenden zentralen Großveranstaltungen des PKK-Kennder PKK war das Versammlungsgeschehen in Deutschland auch zeichenverbots durch Reaktionen auf die Konkretisierung des PKK-Kennzeichenverbots durch das BMI am 2. März 2017 geprägt. Grundlage dieser Aktualisierung ist das gegen die PKK im Jahr 1993 ausgesprochene Betätigungsverbot. Dieses umfasst auch das öffentliche Zeigen von Symbolen der PKK sowie ihrer Unterund Teilorganisationen. Dazu gehören sowohl PKK-Symbole, die bereits zum Zeitpunkt des Betätigungsverbots verwendet wurden, als auch solche, die erst später - zum Beispiel durch Umbenennungen - hinzugekommen sind. Durch die Konkretisierung des Kennzeichenverbots wurde klargestellt, welche Symbole von dem Verbot der PKK umfasst sind, darunter die Kennzeichen und Symbole der syrischen PKKSchwesterorganisation "Partei der Demokratischen Union" (PYD), der der PYD unterstellten "Volksverteidigungseinheiten" (YPG) und "Volksverteidigungseinheiten der Frauen" (YPJ),59 der PKK59 Die YPG und die YPJ sind die bewaffneten Einheiten der PYD in Syrien. 226 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Jugendorganisation "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad" sowie der PKK-Studierendenorganisation "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (YXK). Darüber hinaus verwendet die PKK inzwischen zunehmend Symbole, die für sich genommen zunächst keinen unmittelbaren Bezug zu ihr aufweisen, so zum Beispiel Fahnen mit dem Abbild des PKK-Gründers Öcalan. Aufgrund des durch die Darstellung Öcalans hervorgerufenen erheblichen Emotionalisierungseffekts bei Versammlungen sind diese Fahnen aber in besonderer Weise dazu geeignet, den Zusammenhalt der PKK zu fördern und diesen nach außen hin unübersehbar zu demonstrieren. Aus diesem Grund sind Darstellungen mit dem Abbild Öcalans in diesem Kontext ebenfalls von dem Kennzeichenverbot umfasst. Die Aktualisierung des Kennzeichenverbots, insbesondere im HinKennzeichenverbot blick auf Abbildungen Öcalans, war das zentrale Thema einer am als Auslöser für 4. November 2017 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) durchKonfrontation mit geführten Demonstration, an der etwa 6.000 PKK-Anhänger teilder Polizei nahmen. Im Vorfeld dieser Veranstaltung hatte eine gerichtliche Auseinandersetzung über eine polizeiliche Versammlungsauflage stattgefunden, die das Zeigen von Abbildern Öcalans verbot. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster bestätigte die Rechtmäßigkeit der Auflage am Vorabend der Demonstration.60 Während der Veranstaltung wurde dennoch eine Vielzahl verbotener Fahnen und Abbilder Öcalans gezeigt. Entsprechenden polizeilichen Aufforderungen, die nicht zugelassenen Abbildungen zu entfernen, kamen die Versammlungsteilnehmer nicht nach. Im weiteren Verlauf der Demonstration kam es zu Angriffen von Demonstrationsteilnehmern auf die eingesetzten Polizisten, von denen mehrere verletzt wurden. Gegen einen Demonstrationsteilnehmer wurde Haftbefehl erlassen, nachdem er mit einer Zwille auf Einsatzkräfte der Polizei geschossen hatte. Weitere Eskalationen konnten durch den Einsatz des Reizstoffsprühgeräts unterbunden werden. Die Polizei stellte circa 1.000 verbotene Fahnen und Gegenstände sicher. Im Zusammenhang mit dem Kennzeichenverbot kam es Mitte November 2017 auch in Hannover (Niedersachsen) und Dortmund (Nordrhein-Westfalen) zu Auseinandersetzungen von PKK-Anhängern mit der Polizei. Hintergrund war eine europaweite Bustour unter dem Motto "Die Zeit ist reif! Freiheit für Öcalan!", die PKK-Anhänger vom 9. Oktober bis 12. November 2017 durchführ60 OVG NRW, Beschluss vom 03.11.2017 - 15 B 1371/17. 227 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) ten. Auf der Website der PKK-Jugendorganisation wurde das Ziel der Aktion wie folgt dargestellt: "Ziel der Kampagne und Bustour ist es eine breite Öffentlichkeit sowie politische Institutionen der bereisten Länder auf die Situation Öcalans und seine Ideen aufmerksam zu machen." (Homepage "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad", 13. November 2017) Im Rahmen dieser Bustour kam es aufgrund von Verstößen gegen das PKK-Kennzeichenverbot zu polizeilichen Maßnahmen. So war der Bus selbst mit Abbildern Öcalans versehen. Aus diesem Grund untersagte die Polizei im Rahmen der Veranstaltung am 9. November 2017 in Hannover zunächst die Weiterfahrt. Versammlungsteilnehmer bespuckten die Polizeibeamten und versuchten sie körperlich anzugreifen, als diese die am Bus angebrachten Abbildungen entfernten. Bei einer Durchsuchung des Busses durch die Polizei wurden unter anderem Hämmer, ein Teleskopschlagstock, Metallstangen und ein Baseballschläger aufgefunden. Am 10. November 2017 wurde in Dortmund eine Versammlung von PKK-Anhängern untersagt, da diese sich unter anderem weigerten, die Konterfeis Öcalans von dem Bus zu entfernen beziehungsweise unkenntlich zu machen. 3. Rekrutierungsmaßnahmen Nach wie vor indoktriniert und rekrutiert die PKK auch in Deutschland zumeist jugendliche Anhänger für den bewaffneten Kampf. Dabei ist insbesondere die Jugendorganisation der PKK "Komalen Ciwan"61/"Ciwanen Azad"62 maßgeblich für die Rekrutierungsaktivitäten in Deutschland und Europa verantwortlich. Jugendliche werden in Aufrufen der PKK, die über den Medienapparat der Organisation verbreitet werden, dazu aufgefordert, sich den bewaffneten PKK-Einheiten in Syrien, im Irak beziehungsweise in der Türkei anzuschließen, um ihre "Heimat" zu verteidigen. 61 Sinngemäß: "Gemeinschaft der Jugendlichen". 62 Sinngemäß: "Freie Jugend". 228 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) In einem am 13. Juli 2017 durch die PKK-nahe Nachrichtenagentur "Ajansa Nuceyan a Firate" (ANF) veröffentlichten Artikel werden die PKK-Guerillaeinheiten glorifiziert und Jugendliche zum Beitritt aufgerufen: "Die kurdischen Jugendlichen müssen der Guerilla zu Tausenden beitreten (...). Die größte Organisation der kurdischen Jugendlichen ist die Guerilla. In den Reihen der Guerilla können die kurdischen Jugendlichen den Befreiungskampf des kurdischen Volkes intensivieren und sich selbst befreien. (...) Mit diesem Widerstand und diesem Kampf wird die kurdische Jugend zur Avantgarde für die Jugend der ganzen Welt werden." (Homepage ANF, 4. Dezember 2017) Darüber hinaus rief auch die "Gemeinschaft der Frauen Kurdistans" (KJK), der Dachverband der PKK-Frauenorganisationen, über ANF junge Frauen und Männer anlässlich des Jahrestages der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK am 15. August 2017 dazu auf, sich der Guerilla anzuschließen und den Kampf in "radikaler Weise" zu verstärken. Die in Deutschland rekrutierten Jugendlichen werden durch PKKRekrutierung von Kader auf ihre Tauglichkeit für den bewaffneten Kampf geprüft. Jugendlichen aus Ein Teil dieser Personen reist tatsächlich in den Nordirak aus; von Deutschland dort werden sie dann weiter in ihre jeweiligen Zielgebiete gebracht. Dass Personen dort tatsächlich militärisch ausgebildet und im Kampf eingesetzt werden, zeigt der Fall eines aus Deutschland stammenden Rekruten: Die PKK-Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP) berichtete am 12. September 2017 über eine Gedenkveranstaltung im PKK-nahen Verein "Demokratisches kurdisches Kulturzentrum Dortmund" für einen im Alter von 30 Jahren im "Freiheitskampf" ums Leben gekommenen PKK-Aktivisten, der zuletzt in Hamburg wohnte. Er habe auch in Europa Jugendarbeit geleistet. Auf einer PKK-nahen französischsprachigen Website heißt es, er sei am 28. August 2017 bei einem Bombenanschlag auf ein kurdisches Camp im Nordirak getötet worden. 229 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Insgesamt sind bereits mindestens 230 Personen aus Deutschland in die Kampfgebiete ausgereist, von denen die meisten durch die PKK rekrutiert wurden. Am bewaffneten Kampf nahmen jedoch nicht nur Personen mit vorherigen Bezügen zur PKK teil. Es wurden auch Fälle bekannt, bei denen sich Personen erst in den Kampfgebieten als Freiwillige an die Strukturen der PKK wandten. Eine zentrale Rolle für dieses Phänomen der eigenständigen Ausreise spielt das Internet. Hier können Personen, die sich zum Beispiel für den Kampf gegen den IS interessieren, Informationen unter anderem zur Anreise finden und austauschen. Es ist davon auszugehen, dass dieses Phänomen zumindest bis zu einer vollständigen militärischen Niederlage des IS bedeutsam bleiben wird und sich insbesondere dann verstärken dürfte, wenn die militärischen Aktionen der türkischen Streitkräfte in den Kurdengebieten zunehmen. 4. Aktionsverhalten der PKK-Jugendorganisation Schwerpunkt der Aktivitäten der PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad" bilden die Mobilisierung zu sowie die Durchführung von Demonstrationen mit thematischem Bezug zur PKK beziehungsweise zur Lage in den kurdischen Siedlungsgebieten. Dabei kommt es auch immer wieder zu spontanen und situativ bedingten gewalttätigen Auseinandersetzungen mit zumeist nationalistischen/rechtsextremistischen türkischstämmigen Personen. So kam es am 6. Februar 2017 in Bruchsal (Baden-Württemberg) während eines siebentägigen "Langen Marsches", der im Vorfeld einer Großkundgebung in Straßburg (Frankreich) anlässlich des Jahrestages der Festnahme Öcalans von der "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad" initiiert worden war, zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen mit einer Gruppe türkischstämmiger Personen. Hierbei erlitt eine türkischstämmige Person eine Kopfverletzung und wurde zudem durch Messerstiche schwer verletzt. Nur durch das schnelle Einschreiten von Polizeikräften konnte die Lage beruhigt werden. 230 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Insbesondere die gesamtpolitischen und militärischen Entwicklungen in der Türkei haben sich im Jahr 2017 auf die "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad" ausgewirkt. So rief die PKK-Jugendorganisation immer wieder dazu auf, "Widerstand" zu leisten und Aktionen durchzuführen. Eine "Apoistische63 Jugendinitiative" rief am 18. Oktober 2017 - nach Meldungen über die Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zum angeblichen Tod des PKK-Führers Öcalan - über die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF zu Racheaktionen auf. Man habe eine unbefristete Kampagne gestartet und sei jederzeit zu Aktionen bereit: "Alle faschistischen türkischen Zentren in Europa, alle Einrichtungen, die der Erdogan-MHP64-Diktatur angehören, sind unsere Ziele. Bis wir Nachricht von unserem Führer haben, wird niemand unsere Aktionen und uns selbst stoppen können." (Homepage ANF, 18. Oktober 2017) Am 30. Oktober 2017 kam es zu einem Angriff mit Farbund Steinwürfen auf die Vereinsräume der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in Bielefeld (Nordrhein-Westfalen). Die UETD steht der türkischen Regierungspartei Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP)65 nahe. Auf die Außenfassade des Gebäudes wurde in schwarzer Farbe großflächig das Wort "INTIKAM!" (übersetzt: "RACHE!") aufgebracht. Scheiben wurden durch Dutzende Steinwürfe zerstört; mit Farbe sowie mit Bitumen gefüllte Gläser wurden an die Gebäudefassade geworfen. Unter der Bezeichnung "Apoistische Jugendinitiative - Rachekommando Eylem Newroz"66 wurde am 31. Oktober 2017 auf der Website der PKK-Jugendorganisation eine Taterklärung veröffentlicht. In dieser wird der UETD vorgeworfen, als verlängerter Arm der AKP und somit des "faschistische[n] Regime[s]" der Türkei zu agieren. Auch die Haft63 Der Begriff "Apo" (kurdisch: Onkel) wird von den PKK-Anhängern für den Organisationsgründer Öcalan verwendet. 64 Die extrem nationalistische türkische Partei "Milliyetci Hareket Partisi" (MHP - "Partei der Nationalistischen Bewegung") ist im türkischen Parlament vertreten. 65 Adalet ve Kalkinma Partisi. 66 Das Bekenntnis zu dem Anschlag auf das UETD-Gebäude unter der Bezeichnung "Rachekommando Eylem Newroz" nimmt Bezug auf Eylem Yasa, Deckname "Eylem Newroz". Als Mitglied der TAK verübte sie am 7. Juni 2016 in Istanbul einen Selbstmordanschlag. Damals kamen durch eine Bombe, die neben einem Polizeibus detonierte, elf Menschen ums Leben. 231 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) bedingungen Öcalans wurden in der Taterklärung als Motivation für die Tat bezeichnet: "Solange unser Vorsitzender Abdullah Öcalan in Isolationshaft gehalten wird, solange wir keinerlei Information über seinen Gesundheitszustand oder seine Haftbedingungen erhalten, sehen wir uns gezwungen unsere Aktionen pausenlos und an jedem Ort fortzusetzen. Dabei werden sämtliche Einrichtungen des kolonialistischen türkischen Staates und seiner Kollaborateure in Europa unser Ziel sein." (Homepage "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad", 6. November 2017) 5. Hierarchische Organisationsstruktur und finanzielle Situation der PKK in Europa Die PKK in Europa hat in den vergangenen Jahren mehrere Namensänderungen vorgenommen, um nach außen hin den Eindruck einer politischen und demokratischen Neuausrichtung zu erwecken. Dadurch versucht sie, sich von dem Makel einer Terrororganisation zu lösen. Trotz der mehrfachen Ankündigung der Einführung interner demokratischer Strukturen hält die Organisation an ihrer autoritären Führung mit einem Kaderprinzip fest. Demokratieansätze, wie etwa die Einbeziehung der Basis in Entscheidungsabläufe, wurden auch im Jahr 2017 weder auf struktureller noch auf personeller Ebene realisiert. Bei den PKK-Strukturen in Europa, mithin auch in Deutschland, handelt es sich nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) weder um organisatorisch selbstständige (Teil-)Vereinigungen noch sind sie in ihrem Willensbildungsprozess von der ausländischen Hauptorganisation PKK unabhängig. Zum einen sind sie nahtlos in den PKK-Aufbau eingegliedert, zum anderen werden auch die politisch-ideologischen Zielsetzungen und die Art und Weise ihrer Umsetzung von der PKK-Führungsspitze vorgegeben und sind für die Strukturen der Organisation im Ausland verbindlich. Deren eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum ist somit äußerst gering und bewegt sich ausschließlich im Rahmen der vorgegebenen Direktiven.67 67 BGH, Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10. 232 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Die PKK hat ihre im Jahr 2016 geänderte Struktur in Deutschland Struktur in mit neun Regionen und 31 Gebieten mit jeweils einem FührungsDeutschland funktionär an der Spitze beibehalten. Die verantwortlichen Führungsfunktionäre, deren Tätigkeit in aller Regel zeitlich begrenzt ist, agieren zumeist konspirativ und leiten organisationsinterne Anweisungen und Vorgaben zur Umsetzung an nachgeordnete Ebenen weiter. Für die Umsetzung von Vorgaben nutzt die PKK überwiegend die örtlichen kurdischen Vereine, die den Anhängern der Organisation als Treffpunkt und Anlaufstelle dienen. Als Dachverband der Vereine fungiert das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM)68. Die PKK versucht, ihre Politik mithilfe sogenannter Massenorganisationen zu popularisieren, in denen sie ihre Anhänger nach sozialen Kriterien oder Berufsund Interessengruppen organisiert. Besonders hervorzuheben sind die Jugendorganisation "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad", die "Kurdische Frauenbewegung in Europa" (AKKH/TJK-E)69 sowie die Studentenorganisation "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (YXK). Zu erwähnen sind auch Religionsgemeinschaften wie die "Islamische Gemeinde Kurdistans" (CIK), die "Föderation der demokratischen Aleviten e.V." (FEDA) und der "Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V." (NAV-YEK). Die PKK steigerte im Jahr 2017 bei ihrer alljährlichen SpendenErneut herausragenkampagne ("kampanya") in Deutschland mit mehr als 14 Millides Ergebnis der onen Euro erneut das Ergebnis des Vorjahres (2016: mehr als 13 "JahresspendenkamMillionen Euro). Sie konnte damit ihre Spendeneinnahmen in pagne" Deutschland in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifachen. Demgegenüber blieb der Gesamtspendenerlös in Europa mit geschätzt mehr als 25 Millionen Euro weitgehend konstant. Die hohe Spendenbereitschaft ist auf den Kampf kurdischer Einheiten gegen den IS in den Kurdengebieten im Nordirak und in Nordsyrien zurückzuführen. Zudem dürfte das Vorgehen des türkischen Militärs in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei entscheidend dazu beigetragen haben, dass bei den Spendensammlungen ein neues Rekordergebnis erzielt werden konnte. 68 "Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye". 69 AKKH ist die türkische Abkürzung, TJK-E die kurdische Abkürzung. 233 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Dieses militärische Vorgehen des türkischen Staates hat innerhalb der kurdischen Gemeinschaft ein großes Solidaritätsgefühl erzeugt, sodass die PKK über die eigene Anhängerschaft hinaus Spender erreichen konnte. Die Einnahmen aus der Spendenkampagne, aus Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf von Publikationen und der Durchführung von Veranstaltungen werden vor allem für den Unterhalt der Organisation und des umfangreichen Propagandaapparats in Europa eingesetzt, dienen zum Teil aber auch der Unterstützung in den Kampfgebieten. Die finanziellen Aktivitäten der PKK in Deutschland und Europa werden von der Kadereinheit "Wirtschaftsund Finanzbüro" (EMB)70 gesteuert und kontrolliert. 6. Medienwesen der PKK Die PKK verfügt zur Verbreitung ihrer Propaganda und Ideologie über ein vielfältiges Medienwesen. Dadurch informiert beziehungsweise mobilisiert sie nicht nur ihre Anhänger, sondern sie versucht auch, die in Deutschland lebenden Kurden insgesamt im Sinne der Organisation zu beeinflussen und ihren Alleinvertretungsanspruch für die "kurdische Sache" zu unterstreichen. Funktionäre der PKK erhalten in den verschiedenen Medien regelmäßig öffentliche Plattformen zur Verbreitung ihrer Propaganda. Die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF mit Sitz in den Niederlanden betreibt Informationspolitik im Sinne der Organisation. Anspruch der ANF ist es, die kurdische Presse durch ein Korrespondentennetz in der Türkei, im Iran, im Irak, in Syrien sowie in den europäischen Staaten zu repräsentieren. Sie berichtet täglich in türkischer, kurdischer, englischer, spanischer, arabischer und persischer Sprache. Von besonderer Bedeutung ist zudem die in türkischer Sprache in Deutschland herausgegebene PKK-Tageszeitung YÖP, die mit einer Auflage von knapp 10.000 Exemplaren erscheint. Die monatlich veröffentlichte PKK-Zeitung "Serxwebun", die in den Niederlan70 "Ekonomi ve Maliye Bürosu". 234 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) den verlegt wird, soll PKK-Kadern die ideologischen Grundlagen der Organisation vermitteln. 7. Internetaktivitäten Das Internet spielt für die PKK eine maßgebliche Rolle. Vor allem die jugendliche Anhängerschaft nutzt neben klassischen Websites auch Videoportale wie YouTube, zum Beispiel zur Verbreitung von Propagandavideos über die Guerillaeinheiten der Organisation. Am wichtigsten sind jedoch die Aktivitäten in sozialen Netzwerken, wobei Facebook das Hauptmedium darstellt. Auf diesem Weg werden eigene Anhänger kurzfristig und überregional für Demonstrationen oder sonstige Protestaktionen mobilisiert. Außerdem dient das Internet, insbesondere soziale Netzwerke, der allgemeinen Emotionalisierung der eigenen Anhängerschaft und der Diffamierung des Gegners. Die im Jahr 2016 festgestellte Entwicklung, dass soziale Netzwerke auch eine wichtige Rolle bei der Rekrutierung für den Kampf gegen den IS spielen, hat sich im Berichtszeitraum fortgesetzt. 8. Strafverfahren gegen Funktionäre der PKK Auch im Jahr 2017 wurden mehrere Strafverfahren gegen PKKFunktionäre geführt, zum Beispiel: Am 24. Januar 2017 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf einen PKK-Funktionär wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass der Angeklagte von Juni 2013 bis Juli 2014 als Sektorleiter "Mitte" für die PKK aktiv war. Das Urteil ist rechtskräftig. Am 17. März 2017 verurteilte das Kammergericht Berlin einen Funktionär wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte von Juli 2014 bis Juli 2015 Leiter des Gebiets "Berlin" war. Das Urteil ist rechtskräftig. 235 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Am 13. Juli 2017 verurteilte das OLG Stuttgart einen Funktionär wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte zunächst ab August 2013 bis Juli 2014 den PKK-Sektor Süd 2 leitete, anschließend bis zum Sommer 2015 Gebietsleiter Dortmund und zuletzt bis zur Festnahme im Februar 2016 Gebietsleiter Düsseldorf war. Das Urteil ist rechtskräftig. 9. Gefährdungspotenzial Die PKK ist nach wie vor die mitgliederstärkste und schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation in Deutschland. Sie ist in der Lage, Personen weit über den eigenen Kreis der Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. Die zeitnahe Ausrichtung einer hohen Zahl von Protestveranstaltungen im Oktober 2017 unterstrich erneut das erhebliche Mobilisierungspotenzial der PKK. Die innerhalb der Anhängerschaft der PKK verbreitete Sorge um den Gesundheitszustand Öcalans sowie die Lage in der Türkei und den benachbarten Kurdengebieten erweisen sich immer wieder als geeignet, emotionale Reaktionen, insbesondere jugendlicher PKKAnhänger, hervorzurufen. Dies gilt in besonderem Maße für den Fall, dass sich die Situation Öcalans vermeintlich oder tatsächlich verschlechtern sollte. Ereignisse und krisenhafte Entwicklungen in der Türkei und der Heimatregion können nach wie vor stets auch unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben. Mit einem dadurch oftmals unmittelbar erhöhten Demonstrationsaufkommen von Anhängern der PKK steigt sodann auch das Risiko von Zusammenstößen insbesondere mit nationalistischen oder rechtsextremistischen Türken. Zudem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit militanter Aktionen gegen (halb-)staatliche Einrichtungen der Türkei. Die renitent-provokante Haltung der PKK im Zusammenhang mit dem Kennzeichenverbot stellt zwar noch keine Abkehr von dem grundsätzlich friedlichen Kurs der Organisation in Europa dar. Die Übergriffe auf die Polizei belegen aber die nach wie vor vorhandene Bereitschaft der PKK, auch in Deutschland gewaltsam gegen 236 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) exekutive Maßnahmen vorzugehen, wenn diese essenzielle Interessen der PKK betreffen. Derartige Reaktionen sind auch in Zukunft in vergleichbaren Situationen zu erwarten. Insbesondere folgende Umstände dürften zu Reaktionen der PKK führen, die die innere Sicherheit auch in Deutschland gefährden: die Sorge um Leben und Gesundheit Öcalans Berichte über brutales Vorgehen des türkischen Militärs gegen die kurdische Zivilbevölkerung in den kurdischen Siedlungsgebieten existenzgefährdende Angriffe auf die beziehungsweise die Beendigung der "kurdischen Autonomie" in "Rojava"71 durch die Türkei Wenngleich in Europa weiterhin friedliche Veranstaltungen im Vordergrund stehen, bleibt Gewalt eine Option der PKK-Ideologie. Das wird nicht zuletzt durch die Guerilla-Rekrutierungen deutlich. 71 Mit "Rojava" sind die von Kurden besiedelten Gebiete in Nordsyrien gemeint. 237 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) III. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Die marxistisch-leninistische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C)72 spricht sich seit ihrer Gründung 1994 in Damaskus (Syrien) für eine revolutionäre Zerschlagung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei aus. Als Hauptfeinde betrachtet die DHKP-C die als "faschistisch" und "oligarchisch" bezeichnete Türkei und den "US-Imperialismus", der die Türkei in politischer, wirtschaftlicher und vor allem militärischer Hinsicht dominiere. Ihr Ziel, die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft in der Türkei, ist laut Parteiprogramm der DHKP-C nicht durch Wahlen zu erreichen, sondern ausschließlich durch den "bewaffneten Volkskampf" unter der Führung der DHKP-C beziehungsweise ihres militärischen Arms, der "Revolutionären Volksbefreiungsfront" (DHKC). In Deutschland unterliegt die DHKP-C seit 1998 einem Organisationsverbot. Die EU listet sie seit 2002 und die USA bereits seit 1997 als terroristische Organisation. Die unveränderte ideologische Grundhaltung der DHKP-C zeigt sich beispielhaft in einer zum Jahrestag der Parteigründung am 30. März auf der Internetplattform der DHKP-C veröffentlichten Erklärung: "Wir werden nicht das Opfer des Imperialismus, sondern sein Henker sein. (...) Die Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi fährt damit fort, zu sagen und umzusetzen, dass unter den heutigen Bedingungen der Welt der einzige Weg zur Rettung über den bewaffneten Kampf des Volkes führt. (...) Den Krieg werden nicht die schweren Waffen und Tausende von Tonnen Bomben gewinnen, sondern die Guerillakräfte und das Volksheer, die mit Hilfe der sozialistischen Ideologie Krieg führen und den Krieg zur Sache des Volkes machen. (...) Wir führen 72 "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi". Die DHKP-C untergliedert sich in einen politischen Arm, die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP), und den ihr nachgeordneten militärisch-propagandistischen Arm, die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC). 238 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Krieg für Unabhängigkeit, Sozialismus und Demokratie. (...) Wir werden uns bewaffnen." (Internetplattform "halkinsesi", 28. März 2017) Darüber hinaus wird die Anhängerschaft in nahezu jeder Ausgabe der Parteipublikation "Yürüyüs" auf die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes unter Führung der DHKP-C eingeschworen. Die wöchentlich erscheinende "Yürüyüs" ist in Deutschland verboten, wird jedoch weiterhin illegal vertrieben. In einer Ausgabe im Februar 2017 heißt es beispielsweise: "Wir wollen unseren Kampf so ausweiten, dass er alle Berge, alle Städte und alle Armenviertel dieses Landes erfasst. Wir wollen die organisierte Kraft des Volkes mit der revolutionären Gewalt bündeln und diese gebündelte Kraft der faschistischen Gewalt entgegensetzen. Wir wollen den bewaffneten Kampf erweitern und das Volk bewegen, sich an diesem Kampf zu beteiligen. Das ist unser Hauptanliegen. Die Fortentwicklung der Revolution hängt davon ab, ob wir dieses Ziel erreichen können oder nicht." ("Yürüyüs", Ausgabe Nr. 559 vom 5. Februar 2017)73 Eine kurze und prägnante Zusammenfassung der Parteiideologie findet sich erneut in einer Ausgabe der "Yürüyüs" im September 2017: "In unserem Land, welches eine Kolonie des Imperialismus ist, und welches - wie alle anderen Kolonien auch - durch den Faschismus regiert wird, muss der bewaffnete Kampf die Grundlage jenes Kampfes sein, durch den die Revolution verwirklicht werden wird." ("Yürüyüs", Ausgabe Nr. 30 vom 3. September 2017) Die DHKP-C hat ihre terroristischen Aktivitäten in der Türkei auch Terroristische Aktiviim Berichtszeitraum mit Anschlägen und militanten Aktionen täten in der Türkei gegen staatliche Einrichtungen und Angehörige der Polizei fortgesetzt. Insgesamt jedoch verringerte sich das Ausmaß militanter Aktionen gegenüber den Vorjahren erneut. 73 Die Nummerierung der "Yürüyüs" wurde nach der Ausgabe 559 in 2017 ausgesetzt und startete im selben Jahr erneut mit Ausgabe Nr. 1. 239 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Am 20. Januar 2017 attackierten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul (Türkei) das Gebäude der Polizeizentrale und wenig später ein Büro der türkischen Regierungspartei Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) jeweils mit einem Raketenwerfer. Hierbei wurde niemand verletzt. Einer der Täter wurde festgenommen, ein weiterer später durch türkische Polizeikräfte getötet, als er sich durch Schusswaffengebrauch der Festnahme entziehen wollte. Die DHKP-C bekannte sich in einer in der "Yürüyüs" vom 29. Januar 2017 veröffentlichten Erklärung zu dem Anschlag. Am 9. Mai 2017 beschossen Mitglieder der Milizen der DHKP-C in Istanbul eine Polizeistreife. Es wurde niemand verletzt. Festnahmen und Auch die seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 weiterhin verDurchsuchungen schärfte Sicherheitslage in der Türkei und die damit verbundenen in der Türkei umfangreichen polizeilichen Maßnahmen haben unmittelbare Auswirkungen auf die DHKP-C. Neben zahlreichen Festnahmen und wiederholten Durchsuchungen von Räumlichkeiten der DHKP-C wurden mehrere Mitglieder der Organisation in der Türkei getötet. So beklagte die DHKP-C im Januar 2017 den Tod mehrerer Mitglieder der "DHKP-C-Landguerilla" durch einen Luftangriff des türkischen Militärs in der Provinz Tunceli am 7. November 2016. Darüber hinaus wurde ein polizeilich gesuchtes Mitglied der DHKP-C-Jugendorganisation "Devrimci Genclik"74 ("Dev Genc") Anfang Mai 2017 bei einem Festnahmeversuch in Istanbul erschossen. Anklage gegen Am 28. September 2017 hat der Generalbundesanwalt vor dem DHKP-C-EuropaStaatsschutzsenat des OLG Hamburg Anklage gegen den mutverantwortlichen in maßlichen Europaleiter der DHKP-C erhoben. Er ist dringend Deutschland verdächtig, sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung DHKP-C beteiligt zu haben. Der Prozess begann am 25. Januar 2018. Der Angeklagte galt seit Jahren als Führungsperson der Organisation in Westeuropa, der sogenannten Rückfront, und soll unter anderem für den Nachschub an Waffen für die Kampfeinheiten der DHKP-C in der Türkei verantwortlich gewesen sein. Er war am 2. Dezember 2016 in Hamburg aufgrund eines seit Juni 2013 bestehenden Haftbefehls der Generalbundesanwaltschaft festgenommen worden. 74 "Revolutionäre Jugend". 240 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Die DHKP-C protestierte mit einem "Langen Marsch" gegen die Verhaftung. Beginn der Aktion, die unter dem Motto "Revolutionär zu sein ist kein Verbrechen" stand, war am 31. Dezember 2016 in Hamburg. Sie endete am 18./19. März 2017 in Berlin. In diesem Zeitraum fanden aufeinanderfolgende Demonstrationen an verschiedenen Orten in ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland statt, die sich gegen die Festnahme des mutmaßlichen Europaleiters der DHKP-C richteten. Des Weiteren wurde die ehemalige Vorsitzende der "Anatolischen Föderation"75, einer Tarnorganisation der DHKP-C in Deutschland, am 16. Februar 2017 vor dem OLG Düsseldorf wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die griechische Polizei verhaftete am 28. November 2017 in Athen Festnahme von neun türkische Staatsangehörige, die der DHKP-C angehören. Bei DHKP-C-Mitgliedern Durchsuchungen wurden Gegenstände aufgefunden, die auf die in Griechenland Vorbereitung von Anschlägen in der Türkei schließen lassen, so etwa eine Pistole sowie Materialien zur Herstellung von Sprengkörpern. Unter den Festgenommenen befanden sich auch Personen mit Bezügen nach Westeuropa, so unter anderem der ehemalige Deutschlandleiter der DHKP-C. In Deutschland ist die DHKP-C über die "Anatolische Föderation" Aktivitäten in sowie unter der Bezeichnung "Volksfront"76 politisch-propaganDeutschland distisch aktiv. Zunehmend wird auch die Bezeichnung der DHKPC-Jugendorganisation verwendet. Darüber hinaus bemüht sich die DHKP-C vermehrt darum, die alevitischen Gemeinden und Kulturvereine in Deutschland für ihre Zwecke zu nutzen. Um sich für diese Kreise attraktiv zu machen und zu öffnen, tritt die DHKP- C gelegentlich unter der Bezeichnung "Avrupa Anadolu Alevi Hareketi"77 (AAAH) auf. Weitere Agitationsthemen bleiben die von der DHKP-C als "politische Gefangene" bezeichneten, in Deutschland inhaftierten Mitglieder, insbesondere der in Hamburg in Untersuchungshaft sitzende mutmaßliche Europaleiter der DHKP-C, sowie die "un75 "Anadolu Federasyonu". 76 "Halk Cephesi". 77 "Alevitische Bewegung Anatoliens in Europa". 241 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) berechtigten Verfolgungsmaßnahmen" des "faschistischen deutschen Staates" gegenüber Migranten. Am 15. April 2017 fand in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) die jährliche Veranstaltung zum Gründungstag der DHKP-C statt, an der nach Angaben der Organisation 250 Personen teilnahmen. Wie in den Jahren zuvor wurden die in der Türkei getöteten DHKP-CMitglieder als "Märtyrer" glorifiziert, ihre dortigen Guerillaeinheiten geehrt sowie der Widerstand in der Türkei beschworen. Neben solchen organisationsbezogenen Gedenktagen der DHKP-C bestimmen immer wieder aktuelle Ereignisse in der Türkei Umfang und Zielrichtung der Aktivitäten. In Deutschland gedachten DHKP-C-Anhänger in mehreren Mahnwachen sowohl der im November 2016 getöteten Kämpfer der "Landguerilla" als auch des im Mai 2017 getöteten "Dev Genc"-Mitglieds. Ein weiterer Schwerpunkt der Aktivitäten der DHKP-C in Deutschland und Europa in 2017 waren die Solidaritätsbekundungen für zwei in der Türkei aus Protest gegen ihre Entlassung aus dem öffentlichen Dienst in den Hungerstreik getretene Akademiker. Der Hungerstreik wurde seitens der Organisation als vorbildliche Widerstandshandlung gegen das "Erdogan-Regime" stilisiert und zur Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft instrumentalisiert. "Grup Yorum"Integraler Bestandteil der Propagandaaktivitäten der DHKP-C Konzerte in sind die Auftritte der Musikgruppe "Grup Yorum". Dies bestätigte Deutschland auch ein 2015 ergangenes Urteil des OLG Stuttgart (Baden-Württemberg) gegen vier DHKP-C-Funktionäre, in dem festgestellt wurde, dass "Grup Yorum" seit den 1990er-Jahren mit der DHKPC-"Rückfront" in enger Verbindung stehe.78 Öffentliche "Grup Yorum"-Auftritte und -Konzerte seien immer wieder von Verantwortlichen der DHKP-C, teilweise über deren Tarnvereine, vorbereitet und zur Verbreitung ihrer Zielsetzung instrumentalisiert worden. So sei bei "Grup Yorum"-Auftritten unter anderem Propagandamaterial der DHKP-C verteilt und Reden von Organisationskadern in den Programmablauf aufgenommen worden. "Grup Yorum" diene der DHKP-C zur ideologischen Indoktrination und damit Mobilisierung der (Volks-)"Massen". 78 OLG Stuttgart, Urteil vom 28.07.2015 - 6-2 StE 1/14. Das Urteil ist rechtskräftig. 242 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Seit 2012 findet neben kleineren Konzertveranstaltungen jährlich das Europakonzert der "Grup Yorum" in Deutschland statt. Trat die Musikgruppe noch bis 2015 in großen Hallen auf, gelang es ihr seit 2016 vor dem Hintergrund ihrer Verbindungen zur terroristischen DHKP-C nicht mehr, Anbieter vergleichbar großer Veranstaltungsräumlichkeiten und -gelände zu gewinnen. Am 17. Juni 2017 fand in Fulda (Hessen) unter dem Motto "Die Völker erheben ihre Stimme gegen Rassismus" eine Kundgebung unter freiem Himmel statt, deren Höhepunkt der Auftritt der "Grup Yorum" war. An der Veranstaltung nahmen circa 2.000 Personen teil, die aus dem gesamten Bundesgebiet und den europäischen Nachbarländern angereist waren. Wie in den Jahren zuvor ergaben sich auch während dieser Veranstaltung eindeutige Bezüge zur DHKP-C: Neben einem Stand der "Dev Genc" wurde unter anderem ein Großplakat gezeigt, auf dem die Freilassung des mutmaßlichen Europaleiters der DHKP-C gefordert wurde. Die DHKP-C betrachtet Deutschland zwar als "Ruheraum", zeigt jedoch mit ihren hierzulande durchgeführten Gedenkveranstaltungen für "Märtyrer", dass auch die in Deutschland lebenden Anhänger die Linie der Gesamtpartei einschließlich der terroristischen Option mittragen. Die Betonung der Vorbildfunktion der "Revolutionsmärtyrer" deutet darauf hin, dass die DHKP-C auch Deutschland beziehungsweise Europa als Rekrutierungsbasis für potenzielle Attentäter betrachtet. IV. "Ülkücü"-Bewegung - Türkischer Rechtsextremismus Die rechtsextremistische türkische "Ülkücü"-Bewegung79 entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie fußt auf einer nationalistischen beziehungsweise rassistischen rechtsextremistischen Ideologie, deren Wurzeln im Panturkismus/Turanismus liegen. Die ideologische Bandbreite dieser Bewegung reicht von neuheidnischen Elementen über einen nationalistischen Kemalismus bis in den Randbereich des Islamismus. Das Ziel dieser Bewegung ist der Schutz des Türkentums sowie die Errichtung von "Turan", einem (fiktiven) ethnisch homogenen Staat unter Führung der 79 "Idealisten"-Bewegung. 243 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Türken, der die Siedlungsgebiete der Turkvölker umfasst und - je nach ideologischer Lesart - vom Balkan bis nach Westchina oder sogar Japan reicht. Die "Ülkücü"-Bewegung sieht die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als höchstes Gut an. Die dadurch unterstellte kulturelle und religiöse Überlegenheit äußert sich in der Überhöhung der eigenen türkischen Identität. Dabei werden andere Volksgruppen - auch völkerverständigungswidrig - herabgewürdigt und zu "Feinden des Türkentums" erklärt. Symbol und bekanntestes Erkennungszeichen der "Ülkücü"-Bewegung ist der "Graue Wolf" ("Bozkurt") und der daraus abgeleitete sogenannte Wolfsgruß (Finger der rechten Hand des ausgestreckten Arms formen den Kopf eines Wolfes). Oft werden Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung daher umgangssprachlich auch als "Graue Wölfe" ("Bozkurtlar") bezeichnet. ADÜTDF als Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine größter "Ülkücü"in Deutschland e.V." (ADÜTDF)80 ist der größte "Ülkücü"-DachverDachverband band in Deutschland. Sie vertritt in Deutschland die Interessen der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP)81. Der ADÜTDF gehören rund 170 lokale Vereine an, in denen 7.000 Mitglieder organisiert sind. In ihrer öffentlichen Darstellung demonstriert sie ein gesetzeskonformes Verhalten. Dennoch ist sie ein ernst zu nehmender Träger und Verbreiter rechtsextremistischen Gedankenguts - auch wegen ihrer hohen Mitgliederzahl. Einer der Vordenker der "Ülkücü"-Bewegung ist Nihal Atsiz (19051975), der in den Reihen der "Ülkücü"-Bewegung verehrt wird. Seine Texte und Publikationen werden auch durch die ADÜTDF propagiert und verbreitet. Auch Abdullah Catli (1956-1996), dem unter anderem mehrere politische Morde zur Last gelegt werden und der ein Verfechter der "Turanistischen Idee" war, wird in zahlreichen ADÜTDF-Vereinen verehrt. 80 "Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu". 81 "Milliyetci Hareket Partisi". Die MHP ist im türkischen Parlament vertreten. 244 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Das Bekenntnis zur "turanistischen" Ideologie wird regelmäßig durch Äußerungen der Vereine oder einzelner Mitglieder in den sozialen Netzwerken deutlich. Die ADÜTDF ist entgegen ihrem nach außen demonstrierten Integrationswillen und legalistischen Auftreten überzeugt von dem Glauben an die Überlegenheit des Türkentums. Dieses Weltbild verstößt gegen die im Grundgesetz formulierte Unantastbarkeit der Menschenwürde, den dort garantierten Gleichheitsgrundsatz und wirkt einer Integration türkischstämmiger Migranten in die deutsche Gesellschaft entgegen. Dabei stellen die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sowie die gesamte kurdische Bevölkerung aus Sicht der ADÜTDF sowie der "Ülkücü"-Bewegung Feindbilder dar. Insbesondere in sozialen Netzwerken werden Gewaltaufrufe und gewaltverherrlichende Äußerungen zum Nachteil von Kurden verbreitet, in denen etwa ihre "Deportation" und "Vernichtung" gefordert wird. Das Ausmaß der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der "Ülkücü"-Bewegung und der kurdischen PKK oder türkischen Linksextremisten ging 2017 im Vergleich zum Vorjahr zurück. Das im April 2017 in der Türkei durchgeführte VerfassungsreferenReaktionen auf das dum rief bei den "Ülkücü"-Anhängern in Deutschland nur wenig VerfassungsreferenResonanz hervor. Die mitunter kritische Einstellung traditionell dum in der Türkei kemalistisch orientierter "Ülkücü"-Anhänger zu dieser Änderung der türkischen Verfassung wurde nur vereinzelt offen geäußert; signifikanten Widerstand gab es dagegen nicht. Dies dürfte der Positionierung der Parteispitze der MHP geschuldet sein, die auf einen "Pro-Erdogan"-Kurs eingeschwenkt ist und sich für eine Zustimmung zur Verfassungsänderung eingesetzt hatte. Über die verbandlich organisierte "Ülkücü"-Bewegung hinaus finUnorganisierte det deren Ideologie Anhänger innerhalb der türkischstämmigen "Ülkücü"-Bewegung Bevölkerung, die sich nicht fest organisieren. Ihre Vernetzung vollzieht sich vor allem über soziale Medien, in denen oft drastische Bilder und Worte die ganze Bandbreite der Bewegung offenbaren. Jenseits der Restriktionen von Dachverbänden, die auf ihren öffentlichen Ruf bedacht sind, bekräftigen viele der oft jugendlichen 245 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Anhänger hier ihre rassistische, kulturelle und mitunter auch religiöse Überlegenheitsvorstellung. Dabei rückt neben den klassischen Feindbildern auch Deutschland immer stärker in den Fokus verbaler Stimmungsmache. So wird Deutschland im Hinblick auf die PKK zum Beispiel "Terrorunterstützung" vorgeworfen. Häufig wird Deutschland auch aggressiv und in abwertender Weise als "Hans" tituliert und einer angeblichen "Hetze" oder "Sabotage" gegen die Türkei bezichtigt: "[ , Halt die Fresse HANS !' ] #Heuchländer" "Wer bietet denn Schutz den Tod-Feinden der Türkei? Der Gülen-Sekte, der PKK?" "Wer versorgt denn die PKK mit Waffen seit Jahrzehnten?" "Wer sabotiert unseren Wirtschaftsaufschwung?" "Wer kümmert sich kaum um 2000 Anschläge auf Moscheen?" "Wessen Wahlkampf basiert auf Türkei-Hetze?" "Es reicht. Wir suchen uns andere ,Freunde'." (Facebook-Seite "M.I.T. Made in Turkey", 6. September 2017) Antisemitismus Die antisemitischen Stereotypen der türkischen Rechtsextreim türkischen misten reichen von traditionellen Verschwörungstheorien - mit Rechtsextremismus Juden als "finsteren Strippenziehern" eines internationalen Imperialismus - bis hin zu einer religiös-islamisch begründeten Ablehnung der Juden als Unbeziehungsweise Falschgläubige. Nihal Atsiz, einer der zentralen Vordenker der "Ülkücü"-Ideologie, hatte in seinem 1941 verfassten "Testament" eine Vielzahl von Völkern als Feinde bezeichnet. Die Juden nähmen eine Sonderstellung ein, denn sie seien "insgeheim die Feinde aller Völker". Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung sehen die Türken und die Türkei einer dauerhaften Bedrohung ausgesetzt. Feinde seien ständig bemüht, gegen die Türkei zu konspirieren, sie zu bekämpfen und zu spalten. Insbesondere "den Juden" wird vorgeworfen, gemeinsame Sache mit politischen Feinden, wie zum Beispiel den Kurden oder den türkischen "Linken", zu machen. 246 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Seit 2014 werden verstärkt Aktivitäten innerhalb der "Ülkücü"-AnRockerähnliche hängerschaft wahrgenommen, die sich in Rockergruppierungen Gruppen innerhalb und rockerähnlichen Vereinigungen organisieren. Das Motorradder "Ülkücü"fahren spielt dabei nur bei einer Vereinigung eine sinnstiftende Bewegung Rolle. Auch wenn die Vereinigungen mitunter eine türkischrechtsextremistische Gesinnung bestreiten und eher als "türkische Bruderschaft" gesehen werden wollen, sind bei einigen dieser Gruppen eindeutige Bekenntnisse zum türkischen Rechtsextremismus zu finden. Dies gilt unter anderem für "Turan e.V."82, welcher der nicht dachverbandlich organisierten "Ülkücü"-Bewegung zuzuordnen ist. Dabei handelt es sich um eine rockerähnliche Gruppierung rechtsextremistischer Männer türkischer Herkunft. "Turan e.V." propagiert die Errichtung eines homogenen Staates "Turan" unter Führung der Türken. Bei Auftritten in der Öffentlichkeit wird oftmals die Parole "Hedef Turan" ("Das Ziel ist Turan") skandiert. Seit 2015 waren etwa 20 "Chapter" von "Turan e.V." in Deutschland aufgetreten oder im Internet als solche erwähnt worden. Die Zahl tatsächlich aktiver örtlicher Gruppierungen von "Turan e.V." ist jedoch deutlich niedriger. Der regionale Schwerpunkt der Gruppierung lag in Nordrhein-Westfalen, die deutschlandweite Zentrale befand sich in Duisburg und wurde nach eigenen Angaben der Organisation im Februar 2018 aufgelöst. Schon im Jahr 2017 traten erhebliche Erosionserscheinungen auf und das Tragen der rockertypischen Kutten wurde weitgehend aufgegeben. Es ist von insgesamt nur noch etwa hundert Mitgliedern auszugehen. "Turan e.V." veranstaltete am 15. Januar 2017 in Dortmund eine friedlich verlaufene Demonstration mit etwa 430 Teilnehmern. Es wurden "Ülkücü"-Fahnen und der sogenannte Wolfsgruß gezeigt, was den Charakter der Veranstaltung prägte. Eine weitere Rockergruppierung, die der "Ülkücü"-Bewegung zuzuordnen ist, ist der "Turkos MC". Dieser wurde ursprünglich Anfang 2008 in München (Bayern) als türkischer Motorradclub (MC) gegründet und war zeitweise als Verein eingetragen. Später erfolgte ein Wandel hin zu einer auch politischen Agenda. Auch in dieser 82 Lediglich die örtlichen Gruppierungen in Duisburg und Hagen (beide NordrheinWestfalen) sind tatsächlich als Vereine eingetragen. 247 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Gruppierung wird der "Wolfsgruß" verwendet. Regionaler Schwerpunkt ist Süddeutschland, allerdings hat die Organisation ihren Zenit überschritten und mittlerweile ist nur noch von bundesweit höchstens 50 Mitgliedern auszugehen. Bei "Turkos MC" ist ebenfalls von wenigen Hundert Mitgliedern auszugehen. Sowohl bei "Turan e.V." als auch bei "Turkos MC" gibt beziehungsweise gab es Anhaltspunkte für die Verstrickung einzelner Mitglieder in Straftaten aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität beziehungsweise rockertypische Straftaten. 248 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) V. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gründung: 1978 in der Türkei Leitung/Vorsitz: Abdullah Öcalan Mitglieder/Anhänger 14.500 (2016: 14.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Serxwebun" (Zeitung, monatlich) "Yeni Özgür Politika" (Zeitung, täglich) "Sterk TV" (TV-Sender) Betätigungsverbot in Verbotsverfügung des BundesminisDeutschland: ters des Innern vom 22. November 1993; das Verbot bezieht sich auch auf alle späteren Umbenennungen: - "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" ("Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane" - KADEK) - "Volkskongress Kurdistans" ("Kongra Gele Kurdistan" - KONGRA GEL) - "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" ("Koma Komalen Kurdistan" - KKK) - "Union der Gemeinschaften Kurdistans" ("Koma Civaken Kurdistan" - KCK) Jugendorganisation: "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad" 249 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Die im Jahr 1978 in der Türkei gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist die mitgliederstärkste und bedeutendste Kurdenorganisation. Zentrale Forderung der PKK ist die Anerkennung der kurdischen Identität sowie unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden in ihren Siedlungsgebieten, vor allem in der Türkei und verstärkt auch in Syrien. Daneben konzentrieren sich die politischen Forderungen der PKK auf die Freilassung ihres seit 1999 inhaftierten Führers Abdullah Öcalan beziehungsweise auf die Verbesserung seiner Haftbedingungen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der PKK-Aktivitäten in Deutschland ist die logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation. Diesem Zweck dienen Spendenkampagnen und Großveranstaltungen, die auch dazu genutzt werden, weitere Anhänger für die Parteiarbeit und für den aktiven Guerillakampf zu gewinnen. Die Anhänger der PKK in Deutschland fordern die Aufhebung des im Jahr 1993 gegen die Organisation verfügten Betätigungsverbots. 250 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1.1 "Komalen Ciwan"/"Ciwanen Azad" Gründung: 2005/2013 Publikationen/Medien: "Sterka Ciwan" (Zeitschrift, monatlich) Die Jugendorganisation der PKK firmiert nach mehreren Umbenennungen seit 2005 unter der Bezeichnung "Komalen Ciwan". Parallel dazu wurde auf einer europaweiten Jugendversammlung am 27./28. April 2013 in Troisdorf (Nordrhein-Westfalen) die "Ciwanen Azad" gegründet. Die "Ciwanen Azad" wurde zwar als europäischer Dachverband der PKK-Jugendorganisation konstituiert, tatsächlich bestehen die "Ciwanen Azad" und die "Komalen Ciwan" aber parallel nebeneinander und umfassen denselben Personenkreis. Während "Ciwanen Azad" als offizielle Bezeichnung für die Jugend der PKK und als legaler Verband fungieren soll, wird die Bezeichnung "Komalen Ciwan" nur noch im Zusammenhang mit in der Öffentlichkeit negativ konnotierten Aktionen kurdischer Jugendlicher genutzt (z.B. bei Aufrufen zum Beitritt zur PKK-Guerilla). Der "Ciwanen Azad" sollen dagegen ausschließlich positive Schlagzeilen zugeschrieben werden (z.B. im Zusammenhang mit der Durchführung von friedlichen Demonstrationen). Schwerpunkt der Aktivitäten bildet die Mobilisierung zu sowie die Durchführung von Kundgebungen und Demonstrationen mit thematischem Bezug zur PKK beziehungsweise zur Lage in den kurdischen Siedlungsgebieten. Darüber hinaus ist die Jugendorganisation verantwortlich für anlassbezogene "Hit and Run"-Aktionen (bspw. Brandanschläge auf türkische Einrichtungen) und für die Rekrutierung von Personen für den bewaffneten Kampf der PKK (Aufrufe, Camps). 251 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1.2 "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) Gründung: 27. März 1994 als "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM)83 Gleichberechtigte bis Mai 2017: Fatos Göksungur und Vorstandsvorsitzende: Bahattin Dogan seit Mai 2017: Ayten Kaplan und Tahir Köcer Für die Umsetzung von Vorgaben der in Deutschland verbotenen europäischen Führungsspitze der PKK - insbesondere in Bezug auf die Durchführung von Großveranstaltungen - und für den Informationsfluss zur Basis bedient sich die PKK überwiegend der örtlichen kurdischen Vereine in Deutschland, die den Anhängern der Organisation als Treffpunkte und Anlaufstellen dienen. Als Dachverband dieser Vereine fungiert das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM). Der Dachverband ist damit ein Beispiel für eine der vom BGH im Urteil vom 28.10.2010 beschriebenen unselbstständigen (Teil-)Vereinigungen der PKK, deren eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum sich ausschließlich im Rahmen der von der PKK-Führung vorgegebenen Direktiven bewegt. 83 "Yekitiya Komalen Kurd li Elmanya". 252 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1.3 "AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland" (AZADI e.V.) Gründung: 1996 Publikationen/Medien: "AZADI infodienst" (Zeitschrift, monatlich) Bei dem "AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland" (AZADI e.V.) mit Sitz in Köln (Nordrhein-Westfalen) handelt es sich um einen Verein, dessen Hauptzweck in der finanziellen beziehungsweise materiellen Unterstützung von Personen liegt, die aufgrund ihrer Tätigkeit für die PKK in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden. Der Rechtshilfefonds übernimmt zum Beispiel ganz oder teilweise Anwaltsund Prozesskosten oder finanziert Abonnements PKK-naher Zeitschriften für verurteilte Personen. Auf diese Weise sollen die Betroffenen auch weiterhin an die Organisation gebunden werden. Es bestehen enge Verbindungen zu PKK-nahen Organisationen und zur linksextremistischen Gefangenenhilfsorganisation "Rote Hilfe e.V.". 253 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 30. März 1994 in Damaskus (Syrien) Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Mitglieder/Anhänger 650 (2016: 650) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "Yürüyüs" (wöchentlich) "Gündogdu" (unregelmäßig) "Devrimci Sol" (jährlich) "Tavir" (monatlich/zweimonatlich) "Bizim Genclik" (unregelmäßig) "DHKC Gerilla" (unregelmäßig) Organisationsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 6. August 1998; hierunter fällt auch ein Verbreitungsverbot der Wochenzeitschrift "Yürüyüs" Tarnorganisation: "Anatolische Föderation" Jugendorganisation: "Dev Genc"84 Die marxistisch-leninistische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) ist aus der 1978 in der Türkei gegründeten Organisation "Devrimci Sol", einer politisch-militärischen Organisation, hervorgegangen. Der ideologische Leitgedanke der DHKP- C ist die Errichtung eines sozialistischen Gesellschaftssystems durch gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung der Türkei. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele verübt die DHKP-C Terroranschläge in der Türkei. Angriffsziele sind vorrangig Einrichtungen des türkischen Staates. In Deutschland leisten Anhänger der DHKP-C als sogenannte Rückfront logistische, finanzielle und propagandistische Unterstützung. 84 "Devrimci Genclik". 254 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 2.1 "Anatolische Föderation"85 Gründung: 28. Februar 2004 (Umbenennung) Hervorgegangen aus dem "Verband anatolischer Volkskulturvereine e.V." Leitung/Vorsitz: Halit Uzuncelebi Als Tarnorganisation der DHKP-C entfaltet die "Anatolische Föderation" in Deutschland propagandistische Aktivitäten im Sinne der DHKP-C. In diesem Zusammenhang veranstaltet sie Demonstrationen. Schwerpunkte der Kampagnenarbeit sind die Themen "Antirassismus" und Gefangenenbetreuung. 85 "Anadolu Federasyonu". 255 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 3. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten"86 (TKP/ML) Gründung: 1972 in der Türkei Mitglieder/Anhänger 1.300 (2016: 1.300) in Deutschland: Die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) gründete sich 1972 in der Türkei und ist seit 1994 in die beiden Flügel "Partizan" und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) gespalten. Beide Fraktionen sind fest in dem ideologischen Fundament des Marxismus-Leninismus verankert, folgen dabei aber einer maoistischen Linie. Gemeinsames Ziel ist die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staates und die Errichtung eines kommunistischen Regimes. Guerillaeinheiten beider Fraktionen verüben in der Türkei terroristische Anschläge. Anhänger beider Flügel greifen die propagierten Themen in Deutschland auf und leisten Unterstützung bei der Veranstaltung von Demonstrationen und Kundgebungen. 86 "Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist". 256 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 3.1 "Partizan"-Flügel Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 800 (2016: 800) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Özgür Gelecek" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) 3.2 "Maoistische Kommunistische Partei"87 (MKP) (bis September 2002 "Ostanatolisches Gebietskomitee" - DABK) Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 500 (2016: 500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Halk Icin Devrimci Demokrasi" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) 87 "Maoist Komünist Partisi". 257 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 4. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei"88 (MLKP) Gründung: 1994 in der Türkei Zusammenschluss der "TKP/ ML-Hareketi" und der "Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung" (TKIH) Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 600 (2016: 600) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "Atilim" (wöchentlich) "Internationales Bulletin" (monatlich) "Partinin Sesi" (zweimonatlich) Die "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) bekennt sich ideologisch zum revolutionären Marxismus-Leninismus. Sie strebt in der Türkei die gewaltsame Zerschlagung der staatlichen Ordnung und die Errichtung eines kommunistischen Gesellschaftssystems an. Nach eigenen Angaben versteht sich die MLKP als politische Vorhut des Proletariats der türkischen und kurdischen Nation sowie der nationalen Minderheiten. Mit Kampagnen und Demonstrationen für die "Märtyrer" im Kampf für die Revolution und den Sozialismus reagieren die Anhänger der Organisation in Deutschland auf politische und gesellschaftliche Ereignisse in der Türkei. 88 "Marksist Leninist Komünist Parti". 258 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5. "Ülkücü"-Bewegung Mitglieder/Anhänger 11.000 (2016: 11.000) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisation: "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Die "Ülkücü"-Bewegung ist eine heterogene türkisch-rechtsextremistische Bewegung, deren Ursprünge in der nationalistisch-rassistischen panturkistischen Ideologie des frühen 20. Jahrhunderts liegen. Die unterschiedlichen Ausprägungen reichen von klassischem Rassismus bis in den Randbereich des Islamismus. Die türkische Nation wird von allen "Ülkücü"-Anhängern politisch-territorial und ethnisch-kulturell als höchster Wert erachtet. Die geschichtliche Größe beziehungsweise die politischen Errungenschaften des Osmanischen Reiches werden zu einem hegemonialen Nationalismus und Nachweis angeblicher türkischer Überlegenheit verklärt. Die so antizipierte Sonderstellung äußert sich in der Idealisierung der türkischen Identität bei gleichzeitiger Herabwürdigung anderer Volksgruppen und politischer Gegner. Die Überhöhung der eigenen türkischen Ethnie und Kultur stellt ein signifikantes Hindernis bei der Integration in die deutsche Gesellschaft dar. Anhänger des unorganisierten Teils der "Ülkücü"-Bewegung äußern sich - im Gegensatz zu den organisierten Teilen der Bewegung, die einen offenen Antisemitismus vermeiden - vor allem im Internet mitunter unverhohlen antisemitisch. Langfristiges Ziel und geografischer Sehnsuchtsort der "Ülkücü"Anhänger ist ein fiktiver, ethnisch und kulturell homogener Staat Turan als Heimat aller Turkvölker. 259 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5.1 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF)89 Gründung: 1978 in Frankfurt am Main (Hessen) Sitz: Frankfurt am Main Leitung/Vorsitz: Sentürk Dogruyol Mitglieder/Anhänger 7.000 (2016: 7.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Bülten" (Zeitung/Zeitschrift, unregelmäßig) Die türkische "Partei der Nationalistischen Bewegung" ("Milliyetci Hareket Partisi" - MHP) ist die Hauptorganisation der "Ülkücü"-Bewegung. Die MHP wurde 1969 von Alparslan Türkes gegründet, der bis heute als "ewiger Führer" ("Basbug") verehrt wird. Derzeitiger Vorsitzender der Partei ist Devlet Bahceli. Die MHP ist im türkischen Parlament vertreten. In Deutschland wird die MHP durch die "Föderation der TürkischDemokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) vertreten, dem mit 7.000 Mitgliedern größten "Ülkücü"-Dachverband im Bundesgebiet. Die hierarchisch aufgebaute ADÜTDF teilt Deutschland organisatorisch in 13 Bölge (Gebiete) ein, in denen sie rund 170 Vereine unterhält. In der Außendarstellung versucht die ADÜTDF einen positiven und legalistischen Eindruck zu vermitteln. Tatsächlich bekennt sich der Dachverband zu einer extrem nationalistischen, rechtsextremistischen Ideologie, die über die Mitgliedsvereine, das Internet und bei Kulturveranstaltungen verbreitet wird. Dies fördert die Bildung einer Parallelgesellschaft von türkischen Nationalisten in Deutschland. 89 "Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu". 260 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5.2 Unorganisierte "Ülkücü"-Bewegung Mitglieder/Anhänger 4.000 in Deutschland: Der unorganisierten "Ülkücü"-Bewegung werden 4.000 Personen zugerechnet. Sie sind mit der Bewegung ideologisch verbunden, aber nicht verbandlich organisiert. Die unorganisierte "Ülkücü"-Bewegung besteht überwiegend (aber nicht nur) aus jüngeren Menschen. Sie stehen zum Teil über soziale Netzwerke miteinander in Kontakt. Dort pflegen sie ihre Feindbilder und agitieren gegen ihre "Gegner". Vor allem Juden, Griechen, die USA, Kurden und Armenier sind Volksbeziehungsweise Religionsgemeinschaften, die - auch völkerverständigungswidrig - herabgewürdigt und zu Feinden des Türkentums erklärt werden. Emotionaler Hauptbezugspunkt der unorganisierten "Ülkücü"-Bewegung sind die Türkei und die dortigen Geschehnisse. 261 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 6. Gruppierungen des extremistischen Sikh-Spektrums 6.1 "Babbar Khalsa International" (BKI) Gründung: 1978 in Indien Sitz: Düren (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Vereinsvorstand Mitglieder/Anhänger 100 (2016: 100) in Deutschland: Bei der "Babbar Khalsa International" (BKI) handelt es sich um die in der Diaspora bestehenden Gruppierungen der 1978 in Indien gegründeten "Babbar Khalsa" (BK). Politisches Ziel der BK ist die Gründung eines eigenen, von Indien unabhängigen Staates "Khalistan" ("Land der Reinen") auf dem Gebiet des indischen Bundesstaates Punjab. Die Organisation operiert in Indien auch mit terroristischen Mitteln und versucht, die politische Lage im Punjab durch Anschläge auf indische Politiker, Angehörige der Sicherheitsbehörden und militärische Einrichtungen gezielt zu destabilisieren. Die in Deutschland existierenden Gruppierungen der BKI sind nicht terroristisch aktiv, unterstützen jedoch die Separationsbestrebungen in Indien propagandistisch und sammeln Spendengelder für inhaftierte Gesinnungsgenossen und deren Angehörige. Im Kampf für "Khalistan" getötete Sikh-Aktivisten werden im Rahmen von "Märtyrergedenken" in deutschen "Sikh-Tempeln" verehrt. 262 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 6.2 "Babbar Khalsa Germany" (BKG) Gründung: 2008 in Deutschland Sitz: Düren (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Vereinsvorstand Mitglieder/Anhänger 100 (2016: 100) in Deutschland: Die "Babbar Khalsa Germany" (BKG) wurde im Jahr 2008 als Abspaltung der "Babbar Khalsa International" (BKI, vgl. Nr. 6.1) in Deutschland gegründet. Auch ihre Anhänger unterstützen die Separationsbestrebungen der Sikhs in Indien propagandistisch. Sie führen regelmäßig Protestveranstaltungen vor indischen diplomatischen Vertretungen in Deutschland durch, fordern einen freien Staat "Khalistan" und prangern die Politik Indiens gegenüber den Sikhs an. 263 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 6.3 "International Sikh Youth Federation" (ISYF) Gründung: 1984 in Großbritannien Leitung/Vorsitz: In Deutschland gespalten in zwei Organisationen: "Sikh Federation Germany" (SFG) und "Sikh Federation International Germany" (SFIG) mit jeweils eigenem Bundesvorstand Mitglieder/Anhänger 300 (2016: 300) in Deutschland: Die "Sikh Federation Germany" (SFG) und die "Sikh Federation International Germany" (SFIG) sind aus der "International Sikh Youth Federation" (ISYF) hervorgegangenen. Auch sie fordern die Schaffung eines von Indien unabhängigen Staates "Khalistan" und beteiligen sich an den regelmäßig durchgeführten Protestveranstaltungen gegen die Regierungspolitik Indiens in Bezug auf die Rechte der Sikhs. 264 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 265 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick und Entwicklungstendenzen Staaten, die sich in politischen, militärischen (insbesondere strategischen) oder auch in wirtschaftlichen und technologischen Zusammenhängen einen Wissensvorsprung sichern wollen, scheuen nicht davor zurück, sich hierfür notwendige Informationen auch geheim und illegal unter Verstoß gegen geltendes Recht zu verschaffen. Deutschland als Das Interesse gilt Deutschland als weltpolitischem Akteur, als Spionageziel NATOund EU-Mitglied sowie seiner Wirtschaftskraft mit innovativen Unternehmen. Ein weiteres Ausforschungsziel ausländischer Dienste in Deutschland sind systemoppositionelle Gruppen aus ihren Heimatländern. Die Folgen für Deutschland reichen von einer geschwächten Verhandlungsposition über hohe materielle Kosten und volkswirtschaftliche Schäden bis hin zur Beeinträchtigung der nationalen Souveränität. Hauptakteure Die Russische Föderation, die Volksrepublik China und die Islamische Republik Iran sind die Hauptakteure der gegen Deutschland gerichteten Spionageaktivitäten. Darüber hinaus spielen weitere - auch westliche - Staaten eine Rolle. Ziele Die politische Agenda der Regierungen bestimmt die Schwerpunkte der Aufklärungsaktivitäten ihrer jeweiligen Dienste: Russlands Beziehungen zu den meisten EUund NATO-Staaten sind weiterhin stark belastet; die im Zuge der Ukraine-Krise im Jahr 2014 von der EU verhängten politischen und wirtschaftlichen Sanktionen wirken fort. Im Blickpunkt stehen daher alle Politikfelder mit möglichen Auswirkungen auf Russland, namentlich die Bündnispolitik innerhalb der NATO und der EU sowie die deutsche Außenpolitik. Die chinesischen Dienste sind ein wichtiger Faktor zur Umsetzung der politischen Leitlinien der Staatsführung: territoriale Integrität des Landes und Schutz der Hegemonie der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), Ausbau weltpolitischer und militärischer Machtpositionen und volkswirtschaftliche 266 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Modernisierung. Entsprechend gelten die Aufklärungsbemühungen im Ausland vor allem den politischen Entscheidungsprozessen, dem technologischen Wissen und der chinesischen Systemopposition. Die zentrale Aufgabe der iranischen Nachrichtendienste ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen. Darüber hinaus beschaffen die Dienste im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Eine nachrichtendienstlich agierende militärische Spezialeinheit des Iran richtet ihr Augenmerk aber auch auf (pro-)jüdische beziehungsweise (pro-)israelische Ziele. Im Zuge der Digitalisierung ist die Bedeutung der technischen InMethodik formationsbeschaffung stetig gestiegen. Cyberangriffe können neben der Spionage auch zur Sabotage genutzt werden: Diese Gefahr gilt insbesondere für sogenannte Kritische Infrastrukturen90. Die zunehmende Wirkungskraft digitaler Spionage geht allerdings nicht mit einem Bedeutungsverlust menschlicher Quellen einher. Vielmehr ergänzen sich diese Möglichkeiten der Informationsgewinnung und erhöhen so das Gefährdungspotenzial. Mögliche Opfer müssen ihre Schutzgüter daher nicht nur vor Ausspähungsversuchen von außen, sondern auch gegenüber illoyalen Mitarbeitern schützen ("Innentäter"), die von ausländischen Nachrichtendiensten für diese Zwecke angeworben, erpresst oder gar gezielt eingeschleust werden. II. Bedrohung durch Cyberangriffe 1. Gefährdungsdimension Die voranschreitende Digitalisierung hat die Welt in den vergangenen Jahren rapide verändert. Sie beeinflusst das Kommunikationsverhalten in unserer Gesellschaft und vervielfacht den Umfang an schnell verfügbaren Informationen. Die Vorteile der neuen technischen Möglichkeiten liegen auf der Hand. Nicht zu leugnen 90 Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen von besonderer Bedeutung für das Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere, z.T. dramatische Folgen eintreten können. Dies gilt z.B. für Energieund Telekommunikationsunternehmen oder Kraftwerkssteuerungen. 267 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN sind aber auch die dabei entstandenen Risiken durch ihren Missbrauch. In den letzten Jahren ist die Spionage durch Cyberangriffe zum Standardwerkzeug zahlreicher Nachrichtendienste mit einem hohen Gefährdungsgrad für potenzielle und tatsächliche Opfer geworden. Die schnelle Entwicklung der Informationsund Kommunikationstechnologie bietet vielfältige Möglichkeiten der Datenausspähung zum Zwecke der Spionage und politischen Desinformation, der Datenveränderung und Computersabotage. Es ist notwendig, dieser Bedrohungslage mit einer schnellen und schlagkräftigen Abwehr und Aufklärung von möglichen und tatsächlichen Cyberangriffen nachhaltig zu begegnen. Dafür ist die Umsetzung und laufende Aktualisierung beziehungsweise Überprüfung der organisatorischen, technischen und rechtlichen Maßnahmen zur Stärkung der Cyberabwehr bei allen damit befassten oder davon potenziell betroffenen Einrichtungen unabdingbar. Zusammenarbeit Um den Gefahren von Cyberangriffen zu begegnen, arbeiten auf im Cyber-AZ nationaler und internationaler Ebene zahlreiche Behörden zusammen. In Deutschland wird diese Zusammenarbeit durch das Nationale Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ) koordiniert, an dem auch das BfV beteiligt ist. Ziel des Cyber-AZ ist die Optimierung der operativen Zusammenarbeit staatlicher Stellen sowie die bessere Koordinierung von Schutzund Abwehrmaßnahmen gegen potenzielle IT-Vorfälle. BfV Cyber-Brief Zur Erhöhung der Cybersicherheit und in Ergänzung zu den Expertisen von IT-Dienstleistungsunternehmen kann das BfV aus seinem Erkenntnisaufkommen stammende Hinweise auf bestimmte IT-Infrastrukturen geben, die für Angriffe genutzt werden (sog. Indicators of Compromise, IOC). Damit werden gefährdete Stellen in die Lage versetzt, eine eigene Betroffenheit festzustellen, potenzielle Zugriffe von diesen Infrastrukturen auf ihr IT-Netzwerk im Vorfeld zu sperren und dadurch den Schutz gegen Cyberangriffe zu erhöhen. Das BfV hat hierzu mit dem Cyber-Brief ein Format etabliert, mit dem gezielte Warnmeldungen und Berichte in Form eines Rundbriefs per E-Mail an Behörden und die Wirtschaft weitergeleitet werden. 268 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 2. Erkannte Angreifer Besonders Russland und China hat das BfV mehrfach als Angreifer Angreifer: erkannt. Aber auch Nachrichtendienste anderer Staaten verfügen überwiegend inzwischen über die erforderlichen Ressourcen und Fähigkeiten Russland und zur Durchführung von Cyberangriffen. So lassen sich CyberangrifChina fe gegen Ziele in Deutschland inzwischen auch mutmaßlich staatlichen Stellen im Iran zuordnen. Nachhaltigkeit und Zielauswahl der Angriffe zeigen deutlich den Versuch, Politik und Bundesverwaltung strategisch auszuspionieren. Die nachrichtendienstlich initiierten und gesteuerten Kampagnen zur Informationsgewinnung gefährden aber auch in hohem Maß den Erfolg und die Entwicklungsmöglichkeiten deutscher Unternehmen. Die bereits seit geraumer Zeit beobachtete Angriffskampagne APT Russische Angriffs2891 ist weiterhin gegen deutsche Ziele aktiv. Zu ihren Aktivitäten kampagne APT 28 gehören auch Maßnahmen zur gezielten Desinformation und Propaganda. Bereits der Cyberangriff auf den Deutschen Bundestag im Frühjahr 2015 sowie erneute Angriffe auf das Parlament und auf politische Parteien im Frühjahr und Sommer 2016 wurden dieser Kampagne zugerechnet. Auch der Mitte Juni 2016 bekannt gewordene erfolgreiche Cyberangriff mit anschließendem Datendiebstahl auf das Netzwerk des Democratic National Committee (DNC) in den Vereinigten Staaten wird mit APT 28 in Verbindung gebracht. Dieser Angriff ist wegen der später erfolgten Veröffentlichung von über 19.000 internen E-Mails vor allem unter dem Aspekt der gezielten Einflussnahme auf den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf von Bedeutung. Die bisherigen Ermittlungen ergeben Anhaltspunkte für eine Steuerung durch russische staatliche Stellen. Die Cyberspionageaktivitäten von APT 28 gegen politische StrukPolitik und turen wie Parteien und Stiftungen setzten sich in Deutschland Parteien weiterhin auch im Jahr 2017 fort. im Fokus 91 APT steht für "Advanced Persistent Threat" (etwa "fortgeschrittene, andauernde Bedrohung") und bezeichnet einen komplexen, zielgerichteten und effektiven Angriff auf IT-Strukturen durch einen gut ausgebildeten und ressourcenstarken Angreifer. APT 28 ist auch unter den Bezeichnungen Sofacy, Fancy Bear und Pawn Storm bekannt. 269 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Am 6. Februar 2017 wurde eine Domain festgestellt, die eine offizielle Seite der CDU imitierte und anscheinend für geplante Phishing-Angriffe gegen die Partei angelegt worden war. Die Domain wies starke technische Überschneidungen zu APT 28 auf. Offenbar fanden aber nur Angriffsvorbereitungen statt; Spear-Phishing-Mails92 wurden nicht bekannt. Am 8. März 2017 erlangte das BfV Kenntnis von einem Cyberangriff auf das Netzwerk der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) durch APT 28. Im Rahmen von Infrastrukturanalysen zu dieser Kampagne klärte das BfV in der Folge die Domain auf, von der der Angriff ausgegangen war. Sie war Anfang Februar 2017 wahrscheinlich für Angriffe auf Mitarbeiter der KAS registriert worden. Der Angriff erfolgte mittels einer Spear-PhishingMail mit der erwähnten Domain als nachgestellter Login-Seite. Am 3. April 2017 identifizierte das BfV eine kurz zuvor registrierte Domain, bei der aufgrund ihrer Bezeichnung davon auszugehen war, dass sie für Spear-Phishing-Angriffe gegen die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) angelegt worden war. Mitarbeiter der Stiftung hatten tatsächlich am 31. März 2017 entsprechende E-Mails mit dieser Domain als gefälschte LoginSeite erhalten. Ziel der Angriffe war offensichtlich das Erlangen von Zugangsdaten. Die auf Deutsch verfassten Phishing-Mails gaben vor, vom IT-Referat der FES zu stammen. Die Opfer wurden - nach einem üblichen Schema - aus angeblichen Sicherheitsgründen aufgefordert, ihre Webmail-Zugangsdaten in das Login-Fenster einzugeben. Am 11. April 2017 erfolgten weitere Phishing-Angriffe gegen die Stiftung. Zuvor hatte der Angreifer erneut eine gefälschte Domain registriert, welche den Login für den Internetauftritt der FES imitierte. Auch diese Angriffe waren nicht erfolgreich. Die verwendete Domain wies hinsichtlich des genutzten IT-Systems und der E-Mail-Adresse des Registranten deutliche Bezüge zu der bekannten Infrastruktur von APT 28 auf. Einflussnahme auf Die nach den russischen Einflussmaßnahmen auf die PräsidentBundestagswahl schaftswahlen in den USA und in Frankreich sowie den zahlreiausgeblieben chen russischen Cyberangriffen auf den Deutschen Bundestag, 92 Spear-Phishing ist eine Spezialform des Phishing-Angriffs, bei dem nicht breitflächig, sondern nur ein kleiner Empfängerkreis (häufig Führungskräfte oder Wissensträger auf Leitungsebene) attackiert wird. Voraussetzungen für einen erfolgreichen Angriff sind eine gute Vorbereitung und die Einbettung des Angriffs in einen für das Opfer glaubwürdigen Kontext. 270 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Politiker, Parteien und politische Stiftungen befürchtete Einmischung Russlands in den deutschen Wahlkampf ist letztlich ausgeblieben. Mit zunehmender Nähe zur Bundestagswahl war zuletzt sogar ein Rückgang russischer Cyberaktivitäten mit möglichem Bezug zur Wahl zu verzeichnen. Angesichts des Bedrohungspotenzials hatte das BfV zur Gewährleistung einer lageangepassten konzentrierten und strukturierten Bearbeitung möglicher Propagandaund Einflussaktivitäten im Vorfeld der Bundestagswahl bereits frühzeitig geeignete Maßnahmen getroffen. Zur Abwehr von Versuchen politischer Einflussnahme hatte das BfV mit langem Vorlauf Akteure in Politik und Medien sowie die Öffentlichkeit entsprechend sensibilisiert, um das Bewusstsein für solche Aktivitäten zu schärfen und mögliche Schäden zu minimieren. Die dadurch erreichte starke Präsenz der Thematik und die präventiven Maßnahmen haben zu einer hohen Aufmerksamkeit gegenüber einer möglichen Desinformation beigetragen und zu verstärkten Schutzmaßnahmen geführt. Demzufolge könnten potenzielle Angreifer von einem Einsatz abgesehen haben. Offensichtliche Beeinflussungsversuche im Vorfeld der Wahl hätten zudem das deutsch-russische Verhältnis weiter belastet und die von Russland angestrebte Lockerung der Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts zusätzlich erschwert. Insofern dürfte Russland schließlich auf Versuche zur Beeinflussung der Bundestagswahl wohl nach einer Kosten-Nutzen-Abwägung verzichtet haben. Nach Ansicht des BfV wird Russland jedoch unabhängig von der Bundestagswahl 2017 seine Strategie des Sähens von Zwiespalt in Deutschland beziehungsweise Europa sowie der Delegitimierung demokratischer Institutionen weiter verfolgen. Es besteht folglich kein Anlass für ein Nachlassen der Aufmerksamkeit in Bezug auf mögliche russische Beeinflussungsaktivitäten im Cyberraum oder gar eine Entwarnung. Dies betrifft neben APT 28 die Bearbeitung weiterer russischer Cyberangriffskampagnen wie Snake (auch Uroburos oder Turla genannt), die - teils auch gegen deutsche Ziele - unverändert aktiv sind. 271 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Angriff auf die Ende 2017 erhielt das BfV den Hinweis, dass die IT-Infrastruktur Bundesverwaltung deutscher Bundesbehörden durch die Cyberspionagekampagne Snake kompromittiert sei. Tatsächlich betroffen waren einzelne Rechner des Auswärtigen Amts und der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung beziehungsweise der Hochschule des Bundes. Das BfV unterstützte die Aufklärung des Cyberangriffs durch eigene operative Maßnahmen. Die gewonnenen Erkenntnisse über betroffene Rechner, Kommunikationsinhalte, Angriffsversuche und den Angreifer sowie den gewählten Modus Operandi flossen in die Abwehrmaßnahmen zum Schutze des Regierungsnetzes ein und dienten der Zuordnung des Angriffs zur Spionagekampagne Snake. Angriffe chinesischer China gehört ebenfalls nach wie vor zu den Hauptakteuren im BeStellen auf Ziele reich der Cyberangriffe. Chinesische Nachrichtendienste verfügen in Deutschland über die Möglichkeit zur Durchführung langfristiger und strategisch angelegter Cyberspionageangriffe. Die Kapazitäten umfassen dabei nicht nur die Fähigkeit, komplexe, internationale Angriffe zielgerichtet durchzuführen, sondern diese auch parallel mit einer Vielzahl von Opfern zu betreiben. Im Fokus stehen sowohl die deutsche Wirtschaft als auch Regierungsund Verwaltungseinrichtungen. Die Zahl der detektierten Angriffe auf Regierungsund Verwaltungsnetze war in den vergangenen Jahren rückläufig. Seit Ende 2016 sind chinesische Cybergruppen jedoch wieder verstärkt aktiv und nehmen dabei auch deutsche Ziele ins Visier. Sie setzen dabei auch auf neue, bisher unbekannte Angriffsverfahren. CyberangriffsCyberangriffe mit chinesischem Hintergrund sind zielgerichtet gruppe APT 10 und auftragsorientiert. APT 10 (auch MenuPass oder Stone Panda) ist eine chinesische Cyberangriffsgruppe, die in der jüngeren Vergangenheit ihren Interessensfokus und ihr Vorgehen verändert hat. Einen Schwerpunkt der aktuellen Cyberangriffe durch APT 10 bildet die Kompromittierung von Managed Service Providern ("Cloud-Anbietern") in Europa. Sie sind zuständig für das Management ausgelagerter Kunden-Infrastrukturen und haben damit grundsätzlich direkten Zugriff auf die Kundennetze. Zudem speichern sie oft signifikante Mengen an Kundendaten innerhalb der eigenen Infrastruktur. Damit stellen sie ein besonders 272 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN wertiges Ziel für Cyberangriffe dar, denn die eigentlichen Kundennetze sind häufig gegen Kompromittierungen abgesichert. Gelingt es aber, in das Netz eines IT-Dienstleisters mit direktem Zugang in diverse Kundennetze einzudringen, können so deren individuelle Sicherheitsmaßnahmen umgangen werden. Datendiebstahl durch APT 10 auf diesem Weg konnte in mehreren Fällen beobachtet werden. Seit dem Jahr 2014 registriert das BfV verstärkt Cyberangriffe mit Angriff mit mutmutmaßlich iranischer Urheberschaft. Auch im Jahr 2017 wurden maßlich iranischem zahlreiche Cyberangriffe gegen deutsche Stellen dem Iran zugeHintergrund ordnet. Das Erkenntnisaufkommen sowie öffentlich verfügbare Informationen über iranische Cyberkampagnen offenbaren hierbei weitreichende globale Aufklärungsinteressen. Angegriffen werden vor allem Ziele in Verwaltung und Regierung, Dissidenten und Oppositionelle, Menschenrechtsorganisationen, Wissenschaft und Forschung sowie Wirtschaft mit den Schwerpunkten Luftund Raumfahrt, Rüstung und Petrochemie. Schwerpunkt bei der Zielauswahl sind die traditionellen politischen Gegenspieler des Iran (Israel, Golf-Staaten, USA). In den letzten Jahren deuten vielfältige Hinweise jedoch ebenso auf eine deutsche Betroffenheit von Wirtschaftsunternehmen und Forschungsinstitutionen hin. Dies unterstützt die Einschätzung, dass iranische Cyberakteure nicht nur das Potenzial für Aktionen im direkten Wirkungsund Interessensbereich besitzen, sondern mittlerweile eine darüber hinausgehende Handlungsfähigkeit entwickelt haben. Die beobachteten Cyberkampagnen entwickeln zum Teil eine solche Wirkungskraft, dass die nachrichtendienstlich initiierten und gesteuerten Operationen zur Informationsgewinnung für deutsche Unternehmen und Forschungsinstitutionen eine Gefahr darstellen können. Neben klassischen Spionagezielen ist die erweiterte Ausrichtung auf personenbezogene Daten dabei ein zusätzliches Gefährdungsmoment. Iranische Cyberakteure versuchen, einen dauerhaften Zugang zu Modus Operandi schützenswerten Informationen zu erhalten. Ein solches Vorgehen stellt einen Wandel in der Durchführung von Cyberoperationen 273 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN dar. In den Jahren nach Stuxnet93 waren iranische Cyberoperationen von einem zeitlich stark beschränkten Wirkungsund Aktionszeitraum und im Zusammenhang mit offensiven Aktionen eher durch einen destruktiven und propagandistischen Charakter geprägt. Für die Cyberattacken werden häufig öffentlich verfügbare Tools verwendet. Nur gelegentlich ist auch die Verwendung eigener Malware zu beobachten. Besonders charakteristisch ist das durchweg hochwertige Social Engineering94 im Zusammenhang mit iranischen Cyberangriffen, das auch mit großer Ausdauer bis zur erfolgreichen Infektion des Systems des Opfers durchgeführt wird. Im Vergleich mit russischen oder chinesischen Attacken ist hier bereits kein qualitativer Unterschied mehr festzustellen. Bewertung Neben Russland und China hat sich der Iran als weiterer handlungsfähiger und potenter Akteur im Bereich Cyberspionage etabliert. Eine weitere Zunahme der Kapazitäten sowie der Bereitschaft zum Einsatz dieser Möglichkeiten ist wahrscheinlich. III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation Die Nachrichtendienste sind ein wichtiges Instrument für den Machterhalt der russischen Regierung. Sie dienen der Staatsführung zur Durchsetzung der Regierungspolitik, zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und stellen Informationen bereit, auf deren Grundlage die russische Regierung Entscheidungen trifft. Sie sind damit wichtige Garanten für die innere Stabilität des Landes und haben umfangreiche Befugnisse. Mit der Abkühlung der politischen Beziehungen zu westlichen Staaten hat die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung an Bedeutung gewonnen. Auslandsspionage ist dabei ein wichtiger Pfeiler. 93 Stuxnet ist ein im Jahr 2010 aufgedeckter Cybersabotageangriff auf das iranische Atomprogramm. 94 Ausspionieren über das persönliche Umfeld, durch zwischenmenschliche Beeinflussung bzw. durch geschickte Fragestellung, meist unter Verschleierung der eigenen Identität (Verwenden einer Legende). Social Engineering hat das Ziel, unberechtigt an Daten, geheime Informationen, Dienstleistungen oder Gegenstände zu gelangen. 274 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Die russischen Dienste betreiben mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand Spionage gegen Deutschland. Mit der Nutzung des Cyberraums steigerte sich das Ausmaß der Spionage noch um ein Vielfaches. Im Fokus sind alle Bereiche in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie das Militär, wobei die politische Haltung der Bundesregierung gegenüber der Russischen Föderation im Vordergrund steht. Wichtig sind ihnen daher insbesondere Politikfelder, in denen Entscheidungen getroffen werden, die russische Interessen beeinflussen können. Hierzu gehören die Bündnispolitik innerhalb der NATO und EU sowie die deutsche Außenpolitik. Von besonderem Interesse waren das sich stetig verschlechternde Verhältnis zwischen der EU und der Türkei und daraus resultierende mögliche Konsequenzen für die Beitrittsverhandlungen, ebenso - speziell nach dem sogenannten BREXIT-Votum - die Zukunft der EU sowie die Ausrichtung der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik. Die in den Jahren 2014 und 2015 stark im Vordergrund stehende Ukraine-Krise wurde nicht zuletzt durch das schwindende öffentliche Interesse von anderen Spannungsfeldern, wie etwa dem Syrienkonflikt, überlagert. Gleichwohl bleibt die Frage einer Aufhebung oder Verlängerung der gegen Russland im Zuge jener Ukraine-Krise im Jahr 2014 von der EU verhängten politischen und wirtschaftlichen Sanktionen für die russischen Dienste von hohem Interesse. Auf dem Gebiet der deutschen Innenpolitik versuchten die Dienste, Informationen zu parteipolitischen Strukturen und Entwicklungsprozessen, zu inhaltlichen Positionen einzelner Parteien sowie zu möglichen Konsequenzen von Wahlentscheidungen auszuspähen. Jenseits ihrer Spionageinteressen sind die russischen Dienste beVersuch politischer strebt, die politische und öffentliche Meinung in Deutschland zu Einflussnahme beeinflussen. Bei deutschen Gesprächspartnern vertreten Angehörige der russischen Dienste Positionen im Sinne der offiziellen Linie des Kremls, werben um Verständnis für die russische Politik 275 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN und versuchen, ihr Gegenüber als Multiplikator zur Verbreitung russlandfreundlicher Sichtweisen zu gewinnen. Propaganda und Daneben wurde wie auch in den vergangenen Jahren pro-russische Desinformation Propaganda auf vielfältigen Wegen verbreitet. Wichtige Werkzeuge sind die sozialen Netzwerke, der Kurznachrichtendienst Twitter, staatlich geförderte und private Institute (z.B. Think Tanks) und russische Staatsmedien. Weltweit sendende TV-, Radiound Internetkanäle betreiben gezielt Propaganda und Desinformationskampagnen. Es ist davon auszugehen, dass derartige "Meinungsäußerungen" durch staatliche russische Stellen initiiert werden. Sie suggerieren einen moralischen, politischen, gesellschaftlichen oder ökonomischen "Verfall" Deutschlands. Derartige Desinformationsund Propagandakampagnen sollen die Bundesregierung destabilisieren und ihre Position als Befürworterin einer Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland schwächen. Die Verhältnisse im eigenen Land werden demgegenüber geschönt dargestellt und die Ursachen für wirtschaftliche und soziale Einschnitte allein den westlichen Regierungen angelastet. Im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf nahm die Berichterstattung russischer Medien sowohl in Russland als auch in Deutschland im Verlauf des Jahres 2017 zu. Jedoch wurden konkrete Versuche russischer Stellen, durch Propaganda oder Desinformation auf die Bundestagswahl Einfluss zu nehmen, nicht bekannt. Zwar thematisierten russische Medien die Bundestagswahl; eine nachhaltige Agitation, die auf ein von Russland favorisiertes Wahlergebnis abzielte, blieb jedoch aus. Artikel staatsnaher russischer Medienkanäle waren eher zurückhaltend; an die Stelle des typisch emotionsgetragenen Stils trat ein vergleichsweise nüchterner. Die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter u.a.) im deutschsprachigen Raum bestätigten diesen Eindruck. Auch eine dem Fall "Lisa F." im Jahre 2016 vergleichbare öffentlichkeitswirksame Desinformationskampagne blieb aus. 276 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 2. Methodik der Informationsgewinnung Spionageaktivitäten russischer Nachrichtendienste gehen häufig Aktivitäten aus von sogenannten Legalresidenturen aus, die innerhalb der offizielLegalresidenturen len diplomatischen und konsularischen Vertretungen untergebracht sind. Die Dienste gewinnen ihre Informationen sowohl aus offenen, allOffene und kongemein zugänglichen Quellen (z.B. Internet, Presse und öffentliche spirative InformaVeranstaltungen) als auch durch konspirative, nachrichtendiensttionsbeschaffung liche Verbindungen. In beiden Fällen nutzen sie die von den Mitarbeitern der Legalresidenturen geknüpften Kontakte, zum Beispiel zu Gesprächspartnern in politiknahen Stiftungen oder (Wirtschafts-)Verbänden. "Abgeschöpfte" deutsche Kontaktpersonen wissen oft nicht, dass es sich bei den angeblichen "Diplomaten" tatsächlich um Angehörige eines Nachrichtendienstes handelt und verhalten sich ihnen gegenüber dementsprechend arglos. Darüber hinaus reisen russische Nachrichtendienstoffiziere aus Zentrale der Zentrale in Moskau oder einem Drittland zu Erkundungsund Steuerung Treffreisen nach Deutschland. Treffen zwischen den Führungsoffizieren und ihren deutschen Quellen finden zuweilen aber auch im Ausland statt. Die weitgehende Reisefreiheit innerhalb des Schengenraums bietet ihnen die Möglichkeit des nahezu gänzlich unkontrollierten Reisens zu nachrichtendienstlichen Zwecken. Auch "Illegalenoperationen" werden zentral gesteuert. Mit einer Falschidentität nach Deutschland eingeschleuste, hauptamtliche Mitarbeiter führen hier aufwendige, meist langfristige Spionageeinsätze aus. In Russland selbst richten die Nachrichtendienste ihren Blick Gefährdung überwiegend auf Personen, die sich beruflich oder privat für längein Russland re Zeit dort aufhalten. Dazu zählen insbesondere Angehörige deutscher diplomatischer Vertretungen, Behördenvertreter auf Dienstreisen, aber auch Repräsentanten verschiedener Firmen oder Studierende mit guten Russischkenntnissen und einer Fachrichtung, die Zugang zu öffentlichen Ämtern oder in die Wirtschaft verspricht. 277 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Persönliche Daten in Visaanträgen, Grenzkontrollen sowie die Telefon-und Internetüberwachung bieten den Diensten im eigenen Land zahlreiche Möglichkeiten, geeignete Zielpersonen für eine Ansprache zu ermitteln. Sofern gewonnene Informationen die Zielpersonen kompromittieren könnten, gehen die Dienste auch offensiv vor. 3. Gefährdungspotenzial Deutschland bleibt als Ausforschungsziel für die russischen Dienste weiterhin von großer Bedeutung. Solange die Ukraine-Krise und die damit verbundenen EU-Sanktionen andauern und Deutschland der russischen Militärintervention im Syrien-Krieg kritisch gegenübersteht, wird auch die Intensität russischer Spionageaktivitäten konstant hoch bleiben. Deutschlands NATO-Mitgliedschaft sowie seine wirtschaftliche und politische Stärke innerhalb der europäischen Gemeinschaft werden das Spionageinteresse Russlands aber auch ungeachtet aktueller Krisen künftig aufrechterhalten. IV. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China Seit dem Machtantritt Xi Jinpings im November 2012 hat im autoritären und repressiven politischen System Chinas die Bedeutung der Nachrichtendienste stetig zugenommen. Mit ihren umfangreichen Befugnissen dienen sie maßgeblich dem Machterhalt der KPCh. Im Juli 2017 verabschiedete der chinesische Volkskongress das neue Nationale Geheimdienstgesetz (NGG). Dadurch haben die Sicherheitsbehörden nun zahlreiche förmlich kodifizierte Sonderrechte, um nahezu ohne Einschränkungen im Inund Ausland nachrichtendienstlich tätig zu sein. Das NGG sieht unter anderem auch vor, Einzelpersonen, Firmen, staatliche Strukturen und sonstige Organisationen im Inund Ausland zur Mitarbeit zu verpflichten. 278 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Die Schwerpunkte der Tätigkeit chinesischer Nachrichtendienste Politische verschieben sich in Richtung politischer Spionage. Das Bestreben, Spionage Erkenntnisse über supranationale Einrichtungen wie die EU sowie über internationale Konferenzen (z.B. G20-Gipfel) zu gewinnen, spielt eine große Rolle. Auch politische Positionen, die China betreffen (wie die Anerkennung als Marktwirtschaft oder die Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer), sind für das Land von großem Interesse. In Deutschland stehen darüber hinaus auch folgende Aufklärungsziele im Fokus der Dienste: Wirtschaft, Wissenschaft und Technik: Das verlangsamte Wirtschaftswachstum auf dem chinesischen Binnenmarkt und die Forderung der chinesischen Staatsführung, die Wettbewerbsposition chinesischer Betriebe auch mittels Übernahmen ausländischer Unternehmen zu verbessern, hat vermehrt zum Aufkauf deutscher mittelständischer Unternehmen aus dem Spitzentechnologiesektor geführt. Mit den Investitionen beabsichtigt China, technologische Lücken zu schließen, um das ambitionierte Hightech-Programm "Made in China 2025" realisieren zu können. Ziel des Programms ist die Entwicklung des Landes zu einer führenden Industrienation. Zu diesem Zweck werden bestimmte Branchen und Zukunftstechnologien gezielt gefördert (u.a. Meerestechnik und Schifffahrt, Schienenverkehrstechnik und Eisenbahn, neue Energien und Antriebe, neue Werkstoffe, Medizintechnik, "Smart Manufacturing" und Industrierobotik, Informationstechnologien, Luftund Raumfahrttechnologie). Der chinesische Staat nimmt durch Investitionsgenehmigungen, strikte Kapitalverkehrskontrollen, selektive Kreditvergabe, enge Abstimmung zwischen Staatsunternehmen und Regierung sowie über die Parteizellen in chinesischen Unternehmen (Beeinflussung der Unternehmensleitung) Einfluss auf diese Investitionen und steuert beziehungsweise kontrolliert sie. Auch die Nachrichtendienste sind auf diese Weise eingebunden. Der Abfluss von Know-how kann der deutschen Wirtschaft langfristig schaden. Ferner ist nicht auszuschließen, dass China durch den Erwerb von sicherheitsrelevanten Unternehmen sensible Daten 279 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN und somit Wissen erlangt, das auch deutschen Sicherheitsinteressen zum Nachteil gereichen könnte. Militär: Insbesondere Informationen zu Struktur, Bewaffnung und Ausbildung der Bundeswehr sowie moderne Waffentechnik - trotz bestehender Exportbeschränkungen - gehören zu den Aufklärungszielen. Bekämpfung der Bestrebungen, die - nach chinesischem Verständnis - das Machtmonopol der Partei erschüttern und die nationale Einheit bedrohen: Zu den von den chinesischen Behörden als "Fünf Gifte" bezeichneten Bewegungen zählen die nach Unabhängigkeit strebenden ethnischen Minderheiten der Uiguren und Tibeter, die regimekritische Falun-Gong-Bewegung, die Demokratiebewegung und die Befürworter einer Eigenstaatlichkeit der Insel Taiwan. 2. Methodik der Informationsgewinnung Die offene Informationsbeschaffung (z.B. Gesprächsabschöpfung) erfolgt überwiegend aus den chinesischen Legalresidenturen in Deutschland oder durch dort eingebundene Journalisten. Die verdeckte, nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung wird zumeist von China aus zentral gesteuert. Soziale Netzwerke Chinesische Nachrichtendienste nutzen soziale Netzwerke wie LinkedIn für Anbahnungsoperationen im großen Stil. Der Modus Operandi ist fast immer gleich: Vermeintliche Wissenschaftler, Jobvermittler und Headhunter knüpfen Kontakte mit Personen, die über ein aussagekräftiges Personenprofil verfügen. Sie werden mit verlockenden Angeboten geködert und schließlich nach China eingeladen; dort erfolgt die nachrichtendienstliche Anbahnung. Wirtschafts-, Die Nachrichtendienste eruieren intensiv Arbeitsbereiche und WissenschaftsWissenspotenziale chinesischer Wissenschaftler in Deutschland. und TechnikÜber freundschaftliche Beziehungen und informelle Kontakte verspionage suchen sie, ausgewählte Personen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen ("Non-Professionals"). Wegen der engen Verflechtung von Staat und Wirtschaft in China ist es im Einzelfall kaum möglich, zwischen staatlich betriebener Wirtschaftsspionage und Ausspähung durch konkurrierende Unternehmen zu unterscheiden. 280 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die Nachrichtendienstmitarbeiter in den Legalresidenturen unterAktivitäten aus halten eine Vielzahl von Kontakten und Beziehungsnetzwerken Legalresidenturen ("guanxi") zu Gesprächspartnern, die über interessante Zugänge oder Informationen verfügen. Durch eine langfristig angelegte, geduldige "Kultivierung" sollen die Kontaktpersonen in Politik und Wirtschaft dazu verleitet werden, dem vorgeblichen "Freund" auch vertrauliche Informationen preiszugeben und so zum Informanten oder sogar Agenten für einen chinesischen Dienst zu werden. Nach wie vor ist die Einbindung politischer oder wissenschaftlicher Think Tanks Think Tanks in nachrichtendienstliche Strategien von Bedeutung. Diese fördern das Ansehen Chinas, helfen bei der Verbreitung chinesischer Werte und dienen einer "Soft-Power-Politik". Es bestehen offizielle Kooperationen mit politischen Stiftungen der Bundesrepublik. Die Nachrichtendienste nutzen diese Institutionen aber auch als Tarnung für Reisen nach Deutschland und - meist in China - für die Kontaktaufnahme zu jungen Studenten, Diplomaten und Geschäftsleuten. So dienen die chinesischen Think Tanks auch dazu, sensible Informationen zu sammeln, nicht zuletzt zur Vorbereitung von Cyberangriffen, sowie geeignete Zielpersonen auszuwählen und nachrichtendienstliche Aktivitäten zu tarnen. Die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland Aktivitäten in China und China eröffnen vielfältige Möglichkeiten zur Wirtschaftsund Technologiespionage, beispielsweise über deutsche Firmenniederlassungen in China (u.a. Joint Ventures). Die Nachrichtendienste werden dabei von staatlichen und privaten Unternehmen unterstützt. Die umfassend praktizierten Überwachungsmaßnahmen in China, die neben der einheimischen Bevölkerung auch den dort lebenden ausländischen Diplomaten, Studenten, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und selbst Touristen gelten, bieten konkrete Anknüpfungspunkte für nachrichtendienstliche Operationen. 3. Gefährdungspotenzial Die weltpolitische Situation und die politischen wie wirtschaftlichen Ambitionen Chinas lassen eine weitere Intensivierung der Spionageaktivitäten erwarten. Nach wie vor setzt das Regime auf eine umfassende Kontrolle der eigenen Bevölkerung durch die 281 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Partei. Mit neuen, strikteren Sicherheitsgesetzen stärkt Staatspräsident Xi Jinping die Macht des Sicherheitsapparates und dessen Einfluss auf die Wirtschaft und alle gesellschaftlichen Bereiche. Die wirtschaftliche Entwicklung und die stärkeren Interventionsmöglichkeiten von KPCh und Staat auf unternehmerische Entscheidungen gehen mit einer Intensivierung politischer und sozialer Kontrollmechanismen einher. Dies sowie die strategische Konkurrenz mit den USA und Japan, die territorialen Konflikte und die infolgedessen angespannten Beziehungen mit verschiedenen Nachbarländern sowie mit den USA lassen kaum Hoffnungen auf eine nachhaltige Entspannung zu. Ökonomisch ist China dabei, sich von der "verlängerten Werkbank" der Welt zu einem Land mit technologisch höherwertigen Produktionstechniken fortzuentwickeln - ein Ziel, das mithilfe illegaler Wissensund Technologietransfers durchaus schneller und kostengünstiger verfolgt werden kann. Hatten sich die chinesischen Nachrichtendienste in Deutschland zuvor auf die Bekämpfung der Exilopposition konzentriert, sind in den letzten Jahren vor allem in der klassischen Spionage (Politik und Militär, Wirtschaft und Technologie) wesentliche Akzentverschiebungen deutlich geworden: Während in der Vergangenheit fast ausschließlich chinesischstämmige Personen als Agenten rekrutiert worden waren, versuchen die Dienste mittlerweile verstärkt, Personen aus westlichen Ländern in ihrer Heimat, vor Ort in China oder über soziale Netzwerke als Informanten oder Agenten zu werben. 282 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN V. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran Die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen im Inund Ausland stellt nach wie vor den Schwerpunkt der Arbeit des iranischen Nachrichtendienstapparats dar. Darüber hinaus beschaffen die Dienste im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Hauptakteur der gegen Deutschland gerichteten Aktivitäten ist das Zielbereiche des Ministry of Intelligence (VAJA95, zumeist MOIS abgekürzt). In seiMOIS nem Fokus stehen insbesondere die in Deutschland aktiven iranischen Oppositionsgruppen. Daneben belegen nachrichtendienstliche Aktivitäten im Inund Ausland ein anhaltendes Aufklärungsinteresse des MOIS in den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik. Das MOIS beschafft Informationen durch nachrichtendienstliche Methodik Operationen, die unter Einbeziehung der Legalresidenturen vor Ort oder zentral in Teheran (Iran) und dort insbesondere durch das Hauptquartier des MOIS gesteuert werden. Zur Anbahnung im Heimatland nutzt der Dienst insbesondere beruflich oder familiär bedingte Reisen seiner Zielpersonen in den Iran. Dort können sie sich dem Zugriff des MOIS kaum entziehen - was eine ideale Voraussetzung für nachrichtendienstliche Ansprachen darstellt. In Deutschland hat die Legalresidentur des MOIS an der Iranischen Botschaft in Berlin eine wichtige Funktion bei der nachrichtendienstlichen Ausspähung. Zu ihren Aufgaben zählt neben der Durchführung eigenständiger nachrichtendienstlicher Operationen die Unterstützung zentral gesteuerter Aktivitäten der MOISZentrale. Diese richten sich hauptsächlich gegen Ziele in Deutschland, vereinzelt aber auch gegen Personen oder Einrichtungen im europäischen Ausland. Neben dem MOIS ist die Quds Force, eine auch nachrichtendienstQuds Force lich agierende Spezialeinheit der Iranischen Revolutionsgarden96, in Deutschland aktiv. Ihre umfangreichen Ausspähungsaktivitäten richten sich insbesondere gegen (pro-)jüdische beziehungsweise 95 In Farsi: Vezarat-e Ettela'at-e Jomhouri-ye Eslami-ye Iran - VAJA. 96 In Farsi: Sepah Pasdaran. 283 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN (pro-)israelische Ziele. Eine konkrete Gefährdung von Personen oder Objekten ließ sich bislang nicht feststellen. Verurteilung Am 27. März 2017 verurteilte das Kammergericht Berlin einen padurch das Kammerkistanischen Staatsangehörigen zu einer Freiheitsstrafe von vier gericht Berlin Jahren und drei Monaten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit. Nachdem der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28. November 2017 die Revision als unbegründet verworfen hatte, ist das Urteil nun rechtskräftig. Der Verurteilte stand seit dem Jahr 2011 in Kontakt zu einer Person, die der iranischen Quds Force angehört und dort für nachrichtendienstliche Aufklärungsaktivitäten in Europa zuständig ist. In deren Auftrag hatte er spätestens seit Juli 2015 in Paris eine Wirtschaftshochschule und einen dort tätigen Professor sowie den damaligen Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Berlin gegen Zahlung eines Agentenlohns ausgeforscht. Gegen den Verurteilten war am 5. Juli 2016 Haftbefehl erlassen und Untersuchungshaft angeordnet worden. Ausgangspunkt hierfür waren die Ergebnisse vorausgegangener nachrichtendienstlicher Maßnahmen des BfV. GefährdungsDie iranischen Nachrichtendienste sind ein zentrales Instrument potenzial der politischen Führung zur Sicherung ihres Herrschaftsanspruches. Demzufolge wird die iranische Opposition weiter im Blickpunkt des MOIS stehen. Der Iran versteht sich als Regionalmacht mit einem Gestaltungswillen über die eigenen Grenzen hinaus, einschließlich einer ausgeprägten antiwestlichen sowie antiisraelischen Stoßrichtung. Damit einhergehend ist die iranische Staatsführung an Informationen über die künftige Politik des Westens - beispielsweise über die deutschen Außenund Sicherheitspolitik - interessiert. Der Staat Israel, seine Repräsentanten und Unterstützer sowie Angehörige der jüdischen Glaubensgemeinschaft zählen zu den erklärten Feinden des Iran. An dieser Haltung hat auch die zwischen Iran und dem Westen getroffene Vereinbarung zur Beilegung des Nuklearkonflikts nichts geändert. Die Ausspähung (pro-)jüdischer beziehungsweise (pro-)israelischer Ziele in Deutschland gehört daher weiterhin zum Aufgabenfeld nachrichtendienstlich agierender Einrichtungen des Iran. 284 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN VI. Nachrichtendienste sonstiger Staaten Die Aufklärungs-und Abwehraktivitäten der deutschen Spionageabwehr richten sich gegen alle illegalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten ohne Festlegung auf einzelne oder einen Kreis ausgewählter Staaten. Seit dem Jahr 2014 wurden die Ressourcen der Spionageabwehr im Bereich der sonstigen Staaten kontinuierlich verstärkt und neue Methoden zur Gewährleistung eines Rundumblicks entwickelt. Im Rahmen dieser "360deg-Bearbeitung" können auch westliche und im Einzelfall auch solche Nachrichtendienste in den Fokus geraten, mit denen das BfV an anderer Stelle vertrauensvoll und partnerschaftlich zusammenarbeitet. Es ist jedoch auch in solchen Fällen nicht zu tolerieren, dass ausländische Nachrichtendienste durch Überwachung von Telekommunikation oder mittels menschlicher Quellen in beziehungsweise gegen Deutschland Spionage betreiben. Der türkische Nachrichtendienst Milli Istihbarat Teskilati (MIT) ist Türkische Nachein mit Exekutivbefugnissen ausgestatteter Inund Auslandsnachrichtendienste richtendienst. Er nimmt somit in der türkischen Sicherheitsarchitektur eine herausgehobene Stellung ein. Nach einer erheblichen Ausweitung seiner Befugnisse im Jahr 2014 wurden am 25. August 2017 zwei neue Dekrete mit Gesetzeskraft veröffentlicht, die ihm weitere Kompetenzen übertragen. Seitdem untersteht der MIT nicht mehr dem Ministerpräsidenten, sondern direkt dem Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der Staatspräsident hat in diesem Zuge auch den Vorsitz im nachrichtendienstlichen Koordinierungsrat übernommen. Diese Anpassungen sichern Erdogan den unmittelbaren Zugriff auf den MIT und erlauben ihm die Kontrolle der nachrichtendienstlichen Strukturen von Polizei, Gendarmerie und den türkischen Streitkräften. Der MIT unterhält Legalresidenturen in unterschiedlichen offiziellen Repräsentanzen der Türkei in Deutschland. Sie fertigen Stimmungsund Lagebilder und versuchen, auch über die türkische Gemeinde hinaus, Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. Kernaufgabe des Dienstes im Ausland ist jedoch die Aufklärung Oppositioneller. In den vergangenen Jahren standen in Deutschland verstärkt die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und die "Marxistische Leninistische 285 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Kommunistische Partei" (MLKP) im Fokus des MIT (vgl. Berichtsteil Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus), Kap. II, III und V). Verurteilung eines Am 10. Oktober 2017 verurteilte das Hanseatische Oberlandesgetürkischen Spions richt in Hamburg einen kurdischstämmigen türkischen Staatsangehörigen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Sein Agentenlohn wurde eingezogen. Er hatte im Zeitraum Januar bis November 2016 als Journalist getarnt die kurdische Szene in Deutschland, insbesondere in Bremen, ausspioniert und dafür 20.950 EUR Agentenlohn erhalten. Der Verurteilte war nicht geständig, wurde jedoch unter anderem durch Nachrichten auf seinem Mobiltelefon überführt. Das Urteil ist rechtskräftig. Aktuell hat für den MIT die Aufklärung der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen oberste Priorität. Die von der Türkei als "Fethullahistische Terrororganisation" (FETÖ) oder "Parallele Staatsstruktur" (PDY) bezeichnete Organisation ist aus Sicht der türkischen Regierung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich. "MIT-Listen" Im Februar 2017 übergab der Leiter des MIT ein Dossier über die Gülen-Bewegung in Deutschland. Darin sind mehrere Hundert Personen, darunter Lehrer, Journalisten und Vorstandsmitglieder von Vereinen sowie zwei deutsche Politikerinnen, namentlich und teilweise sogar mit Adressen, Telefonnummern oder Fotos benannt. Zusätzlich sind rund zweihundert Institutionen (Schulen, Firmen, Stiftungen, Vereine und Medieneinrichtungen) aufgeführt. Umfang und Qualität der in dieser Liste gesammelten Daten belegen, dass der türkische Nachrichtendienst systematisch Informationen über mutmaßliche Gülen-Anhänger in Deutschland zusammenträgt und hierfür auch auf menschliche Quellen und Zuträger zurückgreift. Staatliche Bei der Informationsbeschaffung zu mutmaßlichen Terroristen Einflussnahme greift der türkische Staat verstärkt auf türkische Diasporaorganisationen in Deutschland zurück. So wurden Imame, die in Moscheen der "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V." (DITIB) tätig waren beziehungsweise sind, von der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet über die türkischen Generalkonsulate beauftragt, Informationen zu Gülen-Angehörigen in 286 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN ihrer Gemeinde zu übermitteln. Zumindest Imame aus den Regionen Düsseldorf, Köln und München sind dieser Aufforderung gefolgt und haben den jeweiligen Religionsattaches an den dortigen türkischen Generalkonsulaten Namen und Einrichtungen übermittelt. Der Generalbundesanwalt hat in diesem Zusammenhang am 16. Januar 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit für einen türkischen Nachrichtendienst eingeleitet. Am 15. Februar 2017 erfolgten Durchsuchungen bei vier Imamen. Inzwischen wurden die Ermittlungsverfahren gegen besagte Imame und einen Angehörigen der türkischen Religionsbehörde eingestellt. Bei fünf der 19 Beschuldigten wurde von einer Verfolgung wegen Geringfügigkeit abgesehen, bei sieben weiteren erfolgte eine Einstellung der Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts und sieben Beschuldigte hatten Deutschland verlassen und halten sich mittlerweile an unbekannten Orten auf, weshalb die Ermittlungen gegen sie wegen des Vorliegens von Verfahrenshindernissen eingestellt wurden. Auch die türkische Diasporaorganisation "Union Europäisch-TürVorfeldkischer Demokraten e.V." (UETD) mit Sitz in Köln vertritt nachorganisation drücklich die Interessen der türkischen Regierung in Deutschland und Europa. Sie ist die inoffizielle Auslandsorganisation der türkischen Regierungspartei Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP)97. Im Vorfeld der Abstimmung zum türkischen Verfassungsreferendum am 16. April 2017 warb die UETD bei den hier lebenden wahlberechtigten Türken eindringlich für die Zustimmung zu der umstrittenen Verfassungsreform. Zudem organisierte sie mehrere Wahlkampfveranstaltungen, an denen führende AKP-Minister teilnahmen. Für den Wahlkampfauftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim am 18. Februar 2017 in Oberhausen stellte sie kostenlos Bustransfers zur Verfügung. An der Veranstaltung nahmen bis zu 10.000 Personen teil. Bei der UETD handelt es sich um eine türkisch dominierte, staatsbeziehungsweise regierungsnahe Vereinigung, die sich nach deutschem Vereinsrecht organisiert hat. Die Dachorganisation mit Sitz in Köln wurde 2004 auf Betreiben Erdogans gegründet. Ihr 97 Adalet ve Kalkinma Partisi. 287 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN gehören eine Vielzahl von lokalen und regionalen Mitgliedsvereinen in Deutschland und Europa an. In ihrer Vereinssatzung stellt sich die UETD als Nichtregierungsorganisation dar. Danach verfolgt der Verein keine politischen Ziele und ist "parteipolitisch und weltanschaulich neutral". Tatsächlich ist sie jedoch keinesfalls eine unabhängige Interessenvertretung türkischer Migranten, sondern eine regierungsnahe Vorfeldorganisation der AKP, die im Sinne ihrer Mutterorganisation auf politischer und gesellschaftlicher Ebene Lobbyismus für Interessen der AKP betreibt. In der Gesamtschau von Medienberichterstattung und UETD-Reaktionen zeigt sich ein weitverzweigtes Geflecht von Organisationen mit Einflusssträngen aus hohen politischen Stellen in der Türkei bis hin zu lokalen ausführenden Strukturen in Deutschland. So kann unmittelbar auf die Meinungsbildung und das Verhalten der türkischen Diaspora eingewirkt werden. Mittelbar ist es so außerdem möglich, auf politische Entscheidungsfindungsprozesse in Deutschland Einfluss zu nehmen. Schweizer NachAm 9. November 2017 wurde ein Schweizer Staatsbürger vom richtendienst Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und einer Zahlung von 40.000 EUR wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für einen Schweizer Nachrichtendienst verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Beschuldigte gestand im Laufe des Prozesses, für den Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB) persönliche Daten von drei deutschen Steuerfahndern beschafft zu haben, die in den Ankauf von Daten deutscher Steuerflüchtiger involviert waren. Der Vorwurf, eine Quelle in der deutschen Finanzverwaltung platziert zu haben, konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Das Urteil ist rechtskräftig. Syrische NachrichDer Aufgabenschwerpunkt syrischer Nachrichtendienste im Austendienste land ist die Ausforschung der Gegner des syrischen Regimes, zu denen sowohl islamistische und islamistisch-terroristische Gruppierungen als auch Menschenrechtsaktivisten und die breit gefächerte säkulare und kurdische Opposition zählen. Durch erfolgreiche Maßnahmen der Spionageabwehr und strafrechtliche Ermittlungen von Polizei und Generalbundesanwalt 288 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN sowie durch die Verurteilung syrischer Agenten und die Ausweisung syrischer Diplomaten waren die syrischen Dienste seit 2012 in ihren Aktivitäten in Deutschland erheblich geschwächt. Der Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Deutschland in den Jahren 2015 und 2016 bot den syrischen Diensten jedoch die Möglichkeit, sich zu konsolidieren: Sie scheinen den Zustrom zu nutzen, um in Deutschland neue Strukturen und Agentennetze zu etablieren. Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Zahl der Hinweise auf Aufklärungsbemühungen syrischer Dienste im Flüchtlingsumfeld im Jahr 2017 erneut gestiegen. Sollte es dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad weiterhin gelingen, seine Machtposition zu festigen, ist in Deutschland als Hauptaufnahmeland syrischer Flüchtlinge mit einer Fortsetzung und gegebenenfalls einem Ausbau der nachrichtendienstlichen Aufklärungsaktivitäten syrischer Dienste zu rechnen. Die Ausspähung oppositioneller und extremistischer Sikh-BeweIndische Nachrichgungen im Inund Ausland bleibt die zentrale Aufgabe des inditendienste schen Nachrichtendienstes. Die gegen Deutschland gerichteten Aktivitäten gehen hauptsächlich von dem für die Auslandsaufklärung zuständigen Nachrichtendienst Research & Analysis Wing (R&AW) sowie dem für die Inlandsaufklärung zuständigen Intelligence Bureau (IB) aus. Beide Dienste setzen offiziell akkreditierte Verbindungsbeamte ein, die in den Generalkonsulaten beziehungsweise in der Botschaft beschäftigt sind. Jeder Nachrichtendienst verfügt zudem über eine nicht bekannte Zahl von Mitarbeitern, die nicht offiziell als solche in der Bundesrepublik registriert sind und damit verdeckt operieren. Im Dezember 2017 ließ die Bundesanwaltschaft die Wohnungen Ermittlungsverfahren von drei indischen Staatsangehörigen wegen des Verdachts der gedes Generalbundesheimdienstlichen Agententätigkeit durchsuchen. Sie werden beanwalts schuldigt, für einen indischen Nachrichtendienst Informationen über Personen der indischen Sikh-Diaspora geliefert zu haben. Die Ermittlungen dauern noch an. Die Aktivitäten indischer Nachrichtendienste in Deutschland sind kein neues Phänomen. Im Juni 2014 und Januar 2017 wurden 289 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN jeweils Agenten indischer Nachrichtendienste wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu teils mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Der aktuelle Verdachtsfall zeigt, dass weder die Verurteilungen noch vorangegangene Exekutivmaßnahmen Wirkung gezeigt haben. Die recht kurz hintereinander erfolgten Exekutivmaßnahmen gegen zwei indische Agenten haben nicht zu einem Abklingen der illegalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten geführt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass trotz der aktuellen Exekutivmaßnahmen gegen drei weitere mutmaßlich indische Agenten ein fortwährendes Interesse des indischen Nachrichtendienstes an weiteren Quellen im Umfeld der indischen SikhGruppierungen besteht und die illegalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten fortgesetzt werden. Vietnamesische Am 23. Juli 2017 wurde ein ehemals hochrangiger vietnamesischer NachrichtenPolitfunktionär zusammen mit seiner Begleitperson auf offener dienste Straße in Berlin entführt und gewaltsam nach Vietnam verbracht. Ihm war in seiner Heimat Korruption vorgeworfen worden, woraufhin er nach Deutschland floh und Asyl beantragte. Die anschließenden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden führten zur Festnahme eines Tatverdächtigen und zur Ausstellung weiterer Haftbefehle. Außerdem erhärteten sie den bereits kurz nach der Tat aufgekommenen Verdacht, dass die vietnamesische Botschaft in Berlin sowie andere staatliche, offenkundig nachrichtendienstliche Stellen Vietnams in die Tatvorbereitung und -durchführung eingebunden waren. Als unmittelbare Reaktion auf den aus deutscher Sicht eklatanten Verstoß gegen deutsches und internationales Recht wies das Auswärtige Amt (AA) Anfang August 2017 den an der vietnamesischen Botschaft in Berlin eingesetzten Residenten des vietnamesischen Nachrichtendienstes und Ende September 2017 einen weiteren Botschaftsmitarbeiter aus. Am 24. April 2018 begann vor dem 3. Strafsenat des Kammergerichts Berlin die Verhandlung gegen einen Tatbeteiligten wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit und der Beihilfe zur Freiheitsberaubung. 290 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN VII. Proliferation Die Weiterverbreitung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) beziehungsweise der zu ihrer Herstellung verwendeten ("Dual-Use"-)Produkte sowie entsprechender Waffenträgersysteme (z.B. Raketen und Drohnen) einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows wird als Proliferation bezeichnet. Die Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Verbreitung stellen eine ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Sie können ferner zu einer erheblichen Destabilisierung ganzer Regionen beitragen. Es ist zu befürchten, dass proliferationsrelevante Staaten98 Massenvernichtungswaffen einsetzen oder dies zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. Dies birgt auch die Gefahr eines militärischen Wettrüstens in den betroffenen Regionen. Trotz eines teilweise erheblichen technologischen Fortschritts bleiben die proliferationsrelevanten Staaten bei der Erforschung und Herstellung solcher Waffen und Trägersysteme auf den Weltmarkt angewiesen. Unter anderem versuchen sie, notwendige Produkte unter Umgehung von Genehmigungspflichten und Ausfuhrverboten auch in Deutschland zu beschaffen. Die direkte Beschaffung solcher Güter bildet inzwischen eher die Ausnahme. Die bestehenden strengen deutschen und europäischen Exportkontrollbestimmungen zur Verhinderung entsprechender Güterkäufe haben zu einer Veränderung des Einkaufsund Beschaffungsverhaltens proliferationsrelevanter Staaten geführt. Zur Umgehung eines Ausfuhrverbots durch die Genehmigungsbehörden beschaffen sie die Produkte über Drittländer (sog. Umgehungsausfuhren), schalten Tarnfirmen ein oder machen bei "Dual-Use"-Produkten - dies sind Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können und daher ebenfalls den Exportkontrollregimen unterliegen - falsche Angaben über deren Verwendungszweck. Auch die direkte Finanzierung derartiger Geschäfte und Produkte aus den relevanten 98 Hierbei handelt es sich um Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus ABC-Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird. 291 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Staaten ist eher die Ausnahme. Diese läuft vielmehr über Firmenund Bankennetzwerke, um auch hier den Ursprung des Käufers zu verschleiern. Die Aufdeckung derartiger Netzwerke, einschließlich des eigentlichen Empfängers, ist daher ein wichtiger Baustein bei der Aufklärung und Verhinderung von Proliferation. Für Studenten und Wissenschaftler proliferationsrelevanter Länder kommen deutsche Universitäten, Fachhochschulen, wissenschaftliche Institute und Forschungsgesellschaften sowie Forschungsabteilungen in der Industrie als mögliche Quellen zur Beschaffung von Wissen in Betracht. 1. Islamische Republik Pakistan Pakistan hat den Kernwaffen-Nichtverbreitungsvertrag und die zugehörigen Sicherheitsabkommen nicht unterzeichnet und verfügt neben einem zivilen auch über ein umfangreiches militärisches Nuklearund Trägertechnologieprogramm, welches ausschließlich gegen den "Erzfeind" Indien gerichtet ist. Das Land baut sein Atomwaffenpotenzial stetig aus - zum einen durch die Entwicklung und Stationierung neuer nuklearfähiger Raketen, zum anderen durch die Produktionssteigerung spaltbarer Materialien. Es soll aktuell über etwa 130 bis 140 Atomwaffen verfügen und ist bestrebt, diese Zahl auf bis zu 250 Atomsprengköpfe bis zum Jahr 2025 zu erhöhen. Durch neue Kurzstreckenraketen und Marschflugkörper verschiebt Pakistan seine nuklearen Kapazitäten immer mehr in Richtung taktischer Atomwaffen; ein Einsatz dieser Waffen bei einem konventionellen Angriff auf pakistanisches Territorium gilt als wahrscheinlich. In Deutschland, wie auch in zahlreichen anderen westlichen Ländern, ist ein massiver Anstieg pakistanischer Beschaffungsversuche festzustellen. Im Fokus stehen vor allem Güter mit einer Verwendungsmöglichkeit im Bereich der Nukleartechnik. Entsprechend intensive Bemühungen sind auch zukünftig zu erwarten, insbesondere der Einsatz verdeckter pakistanischer Beschaffungsstrukturen. Nicht zuletzt wegen des verstärkt betriebenen Ausbaus des Atomwaffenarsenals rückt Pakistan künftig noch stärker in den Fokus der Bearbeitung durch die Verfassungsschutzbehörden. 292 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 2. Islamische Republik Iran Nach den Berichten der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) hält sich der Iran an die im Juli 2015 im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPoA) vereinbarten Beschränkungen seines Nuklearprogramms. Im Gegenzug wurden im Januar 2016 mit dem "Implementation Day" die Sanktionen gegen den Iran spürbar gelockert. Diese Lockerungen betreffen insbesondere Güter, deren Listung nicht unter dem Gesichtspunkt der Proliferationsbekämpfung, sondern zur wirtschaftlichen Schwächung des Iran erfolgte (z.B. im Bereich der Ölund Gasindustrie). Eine komplette Aufhebung der nuklearbezogenen Sanktionen soll erst am "Transition Day" (sofern sich der Iran an die Vereinbarung hält, spätestens am 18. Oktober 2023) erfolgen. Das BfV konnte gegenüber dem Vorjahr einen noch deutlicheren Rückgang der Anhaltspunkte für proliferationsrelevante Beschaffungsversuche des Iran für sein Nuklearprogramm feststellen. Solche Anhaltspunkte ergeben sich, wenn das methodische Vorgehen zur Beschaffung von Gütern, deren Einsatzmöglichkeit auch in einem Nuklearprogramm und/oder vorliegende Erkenntnisse zum Endempfänger beziehungsweise zur anfragenden Stelle auf einen potenziellen proliferationsrelevanten Beschaffungshintergrund hindeuten. Soweit eine Verifizierung dieser Anhaltspunkte möglich war, erbrachte diese keinen Beweis für einen Verstoß gegen den JCPoA. Das BfV beobachtet weiterhin, ob sich dieser Trend fortsetzt und der Iran die im Juli 2015 geschlossene Vereinbarung konsequent einhält. Im Bereich Trägertechnologie/Raketenprogramm, der nicht von den Regelungen des JCPoA umfasst wird, blieb die Zahl der Anhaltspunkte für proliferationsrelevante Beschaffungsversuche auf dem hohen Niveau des Vorjahres. 3. Weitere Staaten mit Beschaffungsaktivitäten Zu den Staaten, die in Deutschland Beschaffungsaktivitäten für sensitive Güter entwickeln, zählen auch die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) und die Arabische Republik Syrien. 293 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Nordkorea Nordkorea verfügt über ein weit fortgeschrittenes Kernwaffenund Raketenprogramm. Im Jahr 2017 wurden als Reaktion auf die zahlreichen Raketentests von den Vereinten Nationen (VN) sowie der Europäischen Union und national erneut weitgehende Sanktionen, auch im Finanzsektor, verhängt. Nach dem im September 2017 durchgeführten sechsten und bisher stärksten nordkoreanischen Nukleartest erreichten im September 2017 die Spannungen - gerade auch in der Rhetorik - einen neuen Höhepunkt. So kündigte Kim Jong Un zuletzt in seiner Neujahrsansprache die Massenproduktion nuklearer Gefechtsköpfe und ballistischer Raketen an. Eine direkte proliferationsrelevante Güterbeschaffung durch Nordkorea ist in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht festzustellen. Vielmehr konzentrieren sich die Aktivitäten auf die Beschaffung von Devisen für das Regime. Da das Land die absolute Priorisierung des Atomwaffenprogramms vorgibt, ist die staatlich gesteuerte Volkswirtschaft in jeder Hinsicht mit dessen Finanzierung verbunden. Somit geht jegliche Devisenbeschaffung Nordkoreas mit einer mittelbaren Proliferationsfinanzierung einher. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung Nordkorea wiederholt aufgefordert, das aus VN-Sicherheitsratsresolution 2321 hervorgehende Verbot der nichtdiplomatischen Nutzung von Immobilien einzuhalten. Legale Geschäfte mit Nordkorea sind aufgrund von VNund EU-Sanktionen in Deutschland kaum noch durchführbar. Wahrscheinlich wird das Regime daher nach anderen Wegen zur Devisenbeschaffung suchen. Somit ist die Beobachtung entsprechender Aktivitäten durch die Verfassungsschutzbehörden weiterhin erforderlich. Syrien Nach dem Beitritt Syriens zum Chemiewaffen-Übereinkommen (CWÜ) und der Aufnahme als Vertragsstaat in die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) wurden 2014 große Mengen chemischer Waffen unter internationaler Aufsicht vernichtet. Allerdings wurde seither wiederholt die Einhaltung der Vertragsbestimmungen durch den syrischen Staat von internationalen Organisationen und dort in Auftrag gegebenen Untersuchungen angezweifelt. Daher besteht auch weiterhin die Gefahr eines 294 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Einsatzes von Massenvernichtungswaffen gegen die eigene Bevölkerung. Nach Ermittlungen der OVCW und der VN kam es im April 2017 während eines Luftangriffs auf die im Nordwesten Syriens gelegene Stadt Khan Shaykhun zum Einsatz des Nervengases Sarin. Mehr als 80 Personen starben infolge des Angriffs. In einem Bericht der VN wird die syrische Regierung als Urheberin des Angriffs genannt. Die Urheber weiterer Angriffe mit chemischen Waffen im Jahr 2017, überwiegend mit Chlorgas, konnten jeweils nicht zweifelsfrei ermittelt werden. Die Beschaffungsaktivitäten des (als Hauptträger der syrischen Massenvernichtungswaffenprogramme geltenden) Scientific Studies and Research Centers (SSRC) in Deutschland bewegen sich in den letzten Jahren auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau. Nach wie vor werden jedoch Anstrengungen unternommen, um Rohstoffe und elektronische Bauteile für Fertigungseinrichtungen aus Europa zu beschaffen. Die Entwicklung Syriens im andauernden Konflikt bleibt abzuwarten. Die Auswirkungen auf Forschung, Entwicklung und Produktion der militärischen Programme lassen sich derzeit nicht abschließend beurteilen. VIII. Wirtschaftsschutz Deutsche Unternehmen sind aufgrund ihrer Innovationsstärke und Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten facettenreichen Bedrohungen ausgesetzt. Auch fremde Staaten und ihre Nachrichtendienste versuchen auf vielfältige Weise, Informationen und Know-how abzuschöpfen, um der eigenen Volkswirtschaft Vorteile zu verschaffen. Unternehmen können aber auch Ziel extremistisch motivierter Kampagnen oder Gewaltaktionen sein. Daneben stellt der internationale Terrorismus die deutsche Wirtschaft in Zeiten voranschreitender Globalisierung vor große Herausforderungen. Der Schutz der Unternehmen vor solchen Gefährdungsszenarien, insbesondere vor Wirtschaftsspionage, Sabotage und Konkurrenzausspähung, ist eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Wirtschaft. Seit der Gründung der Initiative Wirtschaftsschutz im April 2016 haben sich verschiedene Formate der Kooperation von 295 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Sicherheitsbehörden und Wirtschaft unter der Koordinierung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) etabliert. Das Informationsportal der Initiative Wirtschaftsschutz bündelt Know-how aller Partner für Unternehmen auf der Internetseite www.wirtschaftsschutz.info. Neben aktuellen Informationen hält das Portal ein umfangreiches Sensibilisierungsund Präventionsangebot bereit und benennt die Ansprechpartner der zuständigen Bundesund Landesbehörden. Handbuch WirtDas als Gemeinschaftsprojekt von BfV, Allianz für Sicherheit in der schaftsgrundschutz Wirtschaft e.V. (ASW Bundesverband) und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) herausgegebene Handbuch Wirtschaftsgrundschutz steht ebenfalls auf dem Informationsportal zur Verfügung. Durch das vielfältige Angebot aufeinander abgestimmter und sich ergänzender Module verhilft es vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen zu mehr Sicherheit. Seit der ersten Veröffentlichung Ende 2016 sind zahlreiche themenübergreifende Bausteine, zum Beispiel zu Schulung und Sensibilisierung, Notfallmanagement und Sicherheitsvorfallmanagement, hinzugekommen. Das konkrete und praxisorientierte Hilfestellung bietende Handbuch behandelt auch spezifische Fragestellungen wie Objektoder Reisesicherheit. Sensibilisierung im Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern etablierWirtschaftsschutz ten in Kooperation mit den Bundesund Landesverbänden der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. (ASW Bundesverband) im Jahr 2017 das Dialogformat Entscheiderfrühstück Wirtschaftsschutz, ein zwangloses Treffen von Entscheidungsträgern der regionalen Unternehmen mit Wirtschaftsschutzexperten der Verfassungsschutzbehörden. Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist die Sensibilisierung vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen in den verschiedenen Regionen Deutschlands hinsichtlich der Bedrohungen durch Wirtschaftsspionage und Cyberangriffe. Sie haben dabei die Möglichkeit, mit ausgewiesenen Experten unmittelbar in Kontakt zu treten, um sich über die vielfältigen Gefahren zu informieren und über Wirtschaftsschutzthemen sowie das Best Practice der Unternehmenssicherheit auszutauschen. Jeweils 60 bis 100 Teilnehmer nahmen an den sieben Terminen dieser Veranstaltungsreihe teil. Das BfV beabsichtigt die Fortführung solcher Formate mit Kooperationspartnern. 296 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Auch die Kooperation des BfV mit dem Bundesverband InformatiKooperation onswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) mit Bitkom wurde intensiviert. Neben dem regen fachlichen Austausch der Partner gab es gemeinsame Präsenzen sowohl auf der weltgrößten Industriemesse "Hannover-Messe" als auch auf der größten europäischen Fachmesse für Informationssicherheit, der "it-sa" in Nürnberg. Auf diese Weise brachten beide Partner ihr jeweiliges Know-how und die spezifischen Möglichkeiten ein, um gemeinsam für mehr Sicherheitsbewusstsein und proaktiven Wirtschaftsschutz in den Unternehmen zu werben. Im Jahr 2017 fand bereits zum dritten Mal ein gemeinsam mit dem BfV-BDSW Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) veranstaltetes Tagesseminar Tagesseminar Wirtschaftsschutz statt. Es eröffnet in besonderer Weise den fachlichen Austausch mit den über 900 im BDSW organisierten Sicherheitsunternehmen. Das Tagesseminar hilft dabei, den Gedanken des präventiven Wirtschaftsschutzes in der Sicherheitswirtschaft zu verankern. Zugleich kann er so auch gegenüber den Auftrag gebenden Firmen vermittelt werden. Hierdurch kann der Sensibilisierungsgrad bei Unternehmen, welche Dienstleistungen der Sicherheitswirtschaft nachfragen, mittelbar erhöht werden. Die Steigerung von Aufmerksamkeit im Rahmen von Schulungsmaßnahmen und der multiplikative Sensibilisierungsansatz tragen gleichermaßen zu einem höheren Schutzniveau der Wirtschaft bei. Darum beabsichtigt das BfV, diese Strategie auszubauen. IX. Festnahmen und Verurteilungen Im Jahr 2017 leitete der Generalbundesanwalt insgesamt 35 neue Ermittlungsverfahren im Bereich der Spionage ein (2016: 10 Verfahren). Davon wurden 34 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß SS 99 Strafgesetzbuch (StGB) und ein Ermittlungsverfahren wegen des Auskundschaftens von Staatsgeheimnissen (SS 96 StGB) geführt. Im Berichtszeitraum wurde ein Haftbefehl vollstreckt. Vier Personen wurden rechtskräftig verurteilt. 297 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN X. Methodische Vorgehensweisen ausländischer Nachrichtendienste Spionage gegen Deutschland wird sowohl mit technischen Mitteln als auch mit menschlichen Quellen durchgeführt, die offen oder konspirativ agieren. Nutzung von Ausgangsbasis für Spionageaktivitäten ausländischer NachrichLegalresidenturen tendienste sind häufig sogenannte Legalresidenturen, die in den offiziellen oder halboffiziellen Vertretungen ausländischer Staaten in Deutschland untergebracht sind. Dazu gehören Botschaften und Generalkonsulate sowie Repräsentanzen halbstaatlicher Einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen (z.B. Fluggesellschaften). Ein etwaiger Diplomatenstatus schützt die abgetarnten Nachrichtendienstangehörigen vor Strafverfolgung und lässt im Falle der Enttarnung nur die Ausweisung zu. Offene und Die Nachrichtendienste gewinnen ihre Informationen aus offeverdeckte Informatinen, allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Internet, Industriemesonsbeschaffung sen, Tagungen), aber auch aus konspirativen, mit einer Legende aufgebauten Verbindungen. Mit Bedacht gewählte Funktionen oder Tätigkeiten der Akteure in den Legalresidenturen lassen in der Außenwahrnehmung ein Informationsbedürfnis und eine gewisse "Kontaktfreudigkeit" nachvollziehbar erscheinen. Das gilt beispielsweise, wenn sich ein Konsulatsangehöriger im Bereich Handelsund Wirtschaftsangelegenheiten für Produkte und Marktstrategien interessiert. Gleichermaßen unauffällig ist die Tarnung als Journalist, wenn es etwa um die Anbahnung von Kontakten zu Parteien und politischen Institutionen oder zu Unternehmen und Forschungseinrichtungen geht. Die arglosen Zielpersonen werden dabei perspektivisch im Hinblick auf ihre aktuellen und langfristigen Zugangsmöglichkeiten ausgewählt und verkennen meist den nachrichtendienstlichen Hintergrund. Mit geschickter Gesprächsführung gelingt es oftmals, sensible Informationen zu erlangen oder auch Hinweise auf weitere potenzielle Quellen zu gewinnen. Zielpersonen derartiger Ausspähungsbemühungen sind neben Behördenvertretern, Bundeswehrangehörigen, Wissenschaftlern und Mitarbeitern von Wirtschaftsunternehmen auch Vertreter politischer Institutionen (z.B. Parteien und Stiftungen). 298 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Nachrichtendienstliche Operationen gegen deutsche Interessen Operationen werden auch unmittelbar aus den jeweiligen Zentralen der Dienste aus den in den Heimatländern initiiert und gesteuert und nehmen gezielt Dienstzentralen deutsche Bürger ins Visier, die sich für längere Zeit im jeweiligen Land aufhalten oder regelmäßig dorthin reisen (etwa Angehörige diplomatischer Vertretungen und Behördenvertreter, Firmenrepräsentanten und Studenten). Die Dienste bedienen sich hierzu der breiten Palette an Überwachungsmöglichkeiten im eigenen Land, von den Grenzkontrollen über die Beobachtung der Auslandsvertretungen bis hin zu den Kontrollmöglichkeiten im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich. Sie nutzen diesen "Heimvorteil",umZielpersonenbeipassenderGelegenheitzukompromittieren und mit entsprechenden Druckmitteln zur Mitarbeit zu drängen. In anderen Fällen versuchen die Nachrichtendienstoffiziere, ihre Zielperson für sich einzunehmen und auf "freundschaftlicher" Basis zu werben. Nachrichtendienste nutzen für Anbahnungsoperationen mittSoziale Netzwerke lerweile massiv auch soziale Netzwerke wie Facebook oder die Karriereplattform LinkedIn. Der Modus Operandi ist dabei fast immer gleich: Vermeintliche Wissenschaftler, Jobvermittler und Headhunter knüpfen Kontakte zu Personen, die in den sozialen Netzwerken über ein aussagekräftiges Personenprofil verfügen. Sie werden aufgefordert, aus ihrem Arbeitsbereich zu berichten, mit einem reizvollen Jobangebot geködert oder in das jeweils agierende Land eingeladen. Dort erfolgt die nachrichtendienstliche Anbahnung. Nachrichtendienstoffiziere aus der Dienstzentrale sind im ZusamReisende menhang mit Erkundungsund Treffreisen auch in anderen LänFührungsoffiziere dern operativ tätig. So werden deutsche Quellen von ihren Fühund Quellen rungsoffizieren auch im Ausland getroffen ("Drittlandtreff"). Die Nachrichtendienstangehörigen nutzen dabei die Reisefreiheit innerhalb des Schengenraums. Andernfalls verlagern sie ihre Aktivitäten in Länder außerhalb Europas, in denen sie sich vor einer Entdeckung sicher fühlen. Der Einsatz von Nachrichtendienstangehörigen, die mit einer fal"Illegale" schen Identität und langfristigen Perspektive im Ausland eingesetzt werden, erfordert einen besonders hohen infrastrukturellen Aufwand. Diese "Illegalen" sind wegen ihrer sorgfältigen Abdeckung entsprechend schwer zu enttarnen. Seit 2006 konnten in 299 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Mitgliedsstaaten der EU und der NATO insgesamt 20 "Illegale" enttarnt werden, die von russischen Diensten eingesetzt worden waren. Staatlicher Staatliche - nicht zwingend nachrichtendienstliche - Stellen verEinfluss suchen, politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen und die Deutungshoheit über tagespolitische Ereignisse zu gewinnen. Propaganda und Desinformationen werden zum Beispiel über Auslandsmedien und Think Tanks sowie durch Cyberaktivitäten gezielt verbreitet. Der Übergang zwischen dem Einsatz menschlicher Quellen und technischer Mittel ist hierbei fließend. Spionage mit Angesichts der großen Bedeutung der technischen Informationstechnischen Mitteln beschaffung im digitalen Zeitalter eröffnen sich auch für die Spionage neue Möglichkeiten und Wege - und für die Spionageabwehr neue Herausforderungen. Informationen, die früher nur durch Agenten zu erlangen waren, sind heutzutage verhältnismäßig leicht und ohne größere Risiken auf technischem Weg zu beschaffen. Dazu gehört das Abhören inländischer Kommunikation und der internationalen Kommunikationsverbindungen über Server oder Internetknoten im Ausland. FernmeldeaufkläFür Fernmeldeaufklärungsmaßnahmen in Deutschland eignen rungsmaßnahmen sich wegen ihrer günstigen Lage und ihrer Exterritorialität besonders die Botschaftsgebäude im Zentrum Berlins sowie andere vergleichbare diplomatische Vertretungen. Insbesondere im Regierungsviertel muss bei allen über Funk geführten Kommunikationsverbindungen (z.B. Gespräche mit Mobiltelefonen, WLANund Bluetooth-Verbindungen) mit einer Überwachung gerechnet werden. Auch die auf Laptops oder Tablet-PCs gespeicherten Daten sind dem unberechtigten Zugriff ausgesetzt, wenn die Geräte in Funknetzen in Betrieb sind. Cyberangriffe Cyberangriffe mit und gegen IT-Infrastrukturen haben sich in den letzten Jahren als wichtige Methode ausländischer Nachrichtendienste etabliert. Sie dienen dem Ausforschen sensibler Informationen und Strategien. Cyberangriffe können aber auch auf Sabotage, beispielsweise gegen Bereiche Kritischer Infrastrukturen, gerichtet sein. 300 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Cyberangriffe umfassen das Ausspähen, Kopieren oder Verändern von Daten, die Übernahme einer fremden elektronischen Identität, den Missbrauch oder die Sabotage fremder IT-Infrastrukturen sowie die Übernahme computergesteuerter und netzgebundener Produktionsund Steuereinrichtungen. Die Angriffe können von außen über Computernetzwerke wie das Internet oder durch einen direkten, nicht netzgebundenen Zugriff auf einen Rechner erfolgen, etwa über manipulierte Hardwarekomponenten wie Speichermedien (z.B. USB-Sticks). Seit 2005 werden in Deutschland zielgerichtete Cyberangriffe auf Staat und Wirtbreiter Basis gegen Bundesbehörden, Politik und Wirtschaftsunschaft im Fokus ternehmen festgestellt. Von besonderem Interesse für ausländische Nachrichtendienste sind dabei vor allem die Bereiche Außenund Sicherheitspolitik, Finanzen sowie Militär und Rüstung. Die Dauer einzelner Angriffsoperationen und die globale Ausrichtung bei der Auswahl von Themen und Opfern weisen deutlich auf ein strategisches Vorgehen hin. Die Attacken häufen sich regelmäßig im Zusammenhang mit bedeutenden wirtschaftsund finanzpolitischen Treffen. So werden zum Beispiel im Zusammenhang mit den G20-Gipfeltreffen unter anderem Bundesministerien und der Bankensektor angegriffen: In geschickt gestalteten E-Mails werden hochrangige Entscheidungsträger und deren unmittelbare Mitarbeiter an einer vermeintlichen Kommunikation der Chefunterhändler auf Regierungsebene (Sherpa-Gruppe) beteiligt. Auf diese Weise sollen die Empfänger dazu verleitet werden, den Schadanhang der E-Mail zu öffnen und so eine Infektion der Systeme auszulösen. Es liegt auf der Hand, dass Cyberangriffe auch in den Bereichen Hoher volkswirtWirtschaft und Forschung ein probates Spionagemittel darstellen. schaftlicher Schaden So haben manche Nachrichtendienste den gesetzlichen beziehungsweise staatlichen Auftrag, die eigene Volkswirtschaft mit nachrichtendienstlich beschafften Informationen zu unterstützen. Damit tragen die Dienste erheblich zu staatlicher Planerfüllung und Wirtschaftswachstum bei. In Deutschland verursachen sie dadurch immense volkswirtschaftliche Schäden, wenn aus Forschungseinrichtungen und privaten Unternehmen geistiges Eigentum abfließt. Cyberangriffe aller Tätergruppen führen in der deutschen Wirtschaft pro Jahr insgesamt zu einem auf mehrere Milliarden Euro geschätzten 301 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN finanziellen Schaden. Gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen finden die Angreifer häufig leicht verwundbare Standard-IT-Komponenten vor. Der zunehmende Einsatz mobiler Endgeräte (Smartphones, Tablet-PCs) mit Zugang zum Firmennetz sorgt für weitere Einfallstore. In der Wirtschaft sind insbesondere Unternehmen aus den Bereichen Rüstung, Luftund Raumfahrt (vor allem die Satellitensparte), die Automobilindustrie sowie Forschungsinstitute betroffen. Da die Angreifer die eingesetzten Schadprogramme permanent weiterentwickeln, steigt die Effektivität derartiger Angriffe. Selbst aktuelle Virenschutzprogramme können die eingesetzte Schadsoftware nicht erkennen. Weil die Methoden zunehmend komplexer werden, ist die Dunkelziffer nicht erkannter Cyberangriffe als hoch einzuschätzen. Die Opfer können solche Angriffe nur schwer aufdecken. Insbesondere die Anonymität des Internets erschwert eine Identifizierung und Verfolgung der Täter. Oft ist aber aufgrund bestimmter Merkmale und Indizien eine Zuordnung des Angriffs zu einem bestimmten Verursacher möglich. Soweit es Hinweise auf eine Steuerung durch ausländische Nachrichtendienste gibt, ist die Zuständigkeit der Spionageabwehr des BfV gegeben 302 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN XI. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 1. Strukturen und Aufgaben russischer Nachrichtendienste SWR Ziviler Auslandsnachrichtendienst (Slushba Wneschnej Raswedki) Leitung: Sergey Naryshkin Mitarbeiterzahl: mindestens 15.000 Der SWR ist für Spionage in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie zuständig. Zu seinen Aufgaben zählen ferner die Ausforschung von Zielen und Arbeitsmethoden westlicher Nachrichtenund Sicherheitsdienste sowie die elektronische Fernmeldeaufklärung. Der Dienst wirkt zudem an der Bekämpfung von Proliferation und Terrorismus mit. GRU (Glawnoje Raswedywatelnoje Militärischer AuslandsUprawlenije) nachrichtendienst Leitung: Generalleutnant Igor Korobow Mitarbeiterzahl: ca. 37.000 (inkl. ca. 25.000 SpetsNaz99) Aufgabenschwerpunkt der GRU ist die Beschaffung von Informationen in den Bereichen Militär und Sicherheitspolitik. Zu den Zielobjekten zählen die Bundeswehr, die NATO und andere westliche Verteidigungsstrukturen sowie organisationsübergreifend militärisch nutzbare Technologien. 99 Militärische Spezialeinheit der GRU. 303 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN FSB Inlandsnachrichtendienst (Federalnaja Slushba Besopasnosti) Leitung: Armeegeneral Alexander Bortnikow Mitarbeiterzahl: ca. 350.000, davon mehr als 200.000 im Grenzschutzdienst Zu den Kernaufgaben des FSB gehören die Spionageabwehr, die Beobachtung oppositioneller Gruppierungen sowie die Bekämpfung von Extremismus, Terrorismus und Organisierter Kriminalität (OK). Zudem zählen der Schutz der russischen Industrie vor Wirtschaftsspionage und OK, der Schutz ausländischer Investoren vor Wirtschaftskriminalität sowie die Sicherung der Staatsgrenzen zu seinen Aufgaben. In Einzelfällen betreibt der FSB Gegenspionage auch im Ausland. 2. Strukturen und Aufgaben chinesischer Nachrichtendienste MSS Ziviler Inund (Ministry of State Security) Auslandsnachrichtendienst Leitung: Minister Chen Wenqing Das MSS ist sowohl mit Abwehrals auch mit Spionageaktivitäten betraut. In Fragen der nationalen Sicherheit nimmt das MSS eine zentrale Rolle unter den chinesischen Diensten ein. Es ist für die Bekämpfung von Gefahren für die öffentliche Ordnung zuständig und in diesem Bereich auch mit Polizeibefugnissen ausgestattet. In Deutschland bemüht es sich nachhaltig um Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und späht aktive oppositionelle chinesische Gruppierungen aus. 304 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN MID (vormals 2PLA)100 Militärischer Inund (Military Intelligence Auslandsnachrichtendienst Directorate) Leitung: Direktor Chen Guangjun Der Dienst MID ist dem Joint Staff Department Intelligence Bureau (JSD-IB) der Zentralen Militärkommission unterstellt und weltweit offensiv tätig. Er entsendet Militärattaches und unterhält Verbindungen zu ausländischen Streitkräften. Er ist für die Beschaffung von Informationen zuständig, die die äußere Sicherheit der Volksrepublik betreffen. Hierzu gehören unter anderem Struktur, Stärke und Ausrüstung fremder Streitkräfte. Spionageziele sind aber auch Politik, Wissenschaft und Technik anderer Staaten. Auch die Bekämpfung regimekritischer Bestrebungen innerhalb und außerhalb Chinas gehört im Rahmen des Generalauftrags der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu den Aufgaben des Dienstes. NSD (vormals 3PLA) Technischer militärischer (Network Systems Nachrichtendienst Department) Leitung: Kommandeur Zheng Junji Das NSD ist der Ende 2015 gegründeten Teilstreitkraft PLA Strategic Support Force (SSF) unterstellt. Es betreibt weltweite Fernmeldeaufklärung, technische Spionage und Cyberspionage. Darüber hinaus ist der Dienst für Telekommunikationsüberwachung, ITSicherheit und Cyberabwehr im Militärbereich zuständig. 100 People's Liberation Army (PLA - Volksbefreiungsarmee). 305 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN MPS Polizeiministerium (Ministry of Public Security) Leitung: Minister Zhao Kezhi Das MPS ist für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig und kann hierzu auf die Ordnungsund Kriminalpolizei zurückgreifen. Ferner verfügt das MPS über nachrichtendienstliche Spezialeinheiten mit einem ähnlichen Aufgabenspektrum wie das MSS. Es sammelt auch im Ausland Informationen über Bevölkerungsgruppen, die aus Sicht der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) als staatsgefährdend eingestuft werden. Überdies kontrolliert und zensiert das MPS die Medien und den Internetverkehr. Büro 610 Institution der KPCh Leitung: Huang Ming Das Büro 610 untersteht dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und ist im Inund Ausland aktiv. Hauptaufgabe ist die Beobachtung und Verfolgung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Obwohl der Dienst ein Parteiorgan ist, arbeiten ihm die Verwaltungs-, Justizund Polizeibehörden des Staates zu. 306 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 3. Strukturen und Aufgaben iranischer Nachrichtendienste VAJA/MOIS101 Ziviler Inund (Ministry of Intelligence) Auslandsnachrichtendienst Leitung: Minister Mahmud Alawi Der Dienst VAJA (vormals VEVAK102, auch MOIS abgekürzt) wurde 1984 als Nachfolger verschiedener im Nachgang der sogenannten islamischen Revolution im Iran entstandener Nachrichtendienstorganisationen gegründet. VAJA/MOIS ist wegen seiner Größe und Bedeutung für den Machterhalt der Regierung eines der mächtigsten Ministerien. In seiner Funktion als Minister hat der Leiter des VAJA/MOIS einen Sitz im Kabinett. Kernaufgabe ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen im Inund Ausland. Darüber hinaus werden im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Wissenschaft beschafft. RGID Militärischer Inund (Revolutionary Guards Auslandsnachrichtendienst Intelligence Department)103 Der Nachrichtendienst der Iranischen Revolutionsgarden ist sowohl für Spionage im Ausland als auch für Abwehraufgaben im Inland zuständig. 101 In Farsi: Vezarat e Ettela'at-e Jomhouri-ye Eslami-ye Iran (VAJA). 102 Vezarat e Ettela'at Va Amniat e Keshsvar (VEVAK - Ministerium für Information und Sicherheit). 103 In Farsi: Sepah Pasdaran. 307 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Quds Force104 Militärische Spezialeinheit (auch: al-Quds-Einheit, Quds-Brigaden oder Sepah-Qods) Leitung: Generalmajor Qassem Soleimani Die Spezialeinheit der Revolutionsgarden wurde Anfang der 1990er-Jahre gegründet. Sie ist auf exterritoriale und verdeckte militärische Operationen (z.B. in Afghanistan, Irak, Libanon, Syrien) spezialisiert. 104 In Farsi: Niru-ye Quds (diese Bezeichnung der Einheit wird von dem arabischen Namen für Jerusalem "al-Quds" abgeleitet). 308 Geheimund Sabotageschutz 309 Geheimund Sabotageschutz MitwirkungsNach SS 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 BVerfSchG in Verbindung mit aufgabe SS 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) hat das BfV die gesetzliche Aufgabe, auf Bundesebene an Sicherheitsüberprüfungen von Personen mitzuwirken. Dies bedeutet, dass das BfV die bei Sicherheitsüberprüfungen erforderlichen Maßnahmen im Auftrag sogenannter zuständiger Stellen durchführt. Zuständige Stellen sind Behörden oder sonstige öffentliche Stellen des Bundes oder politische Parteien nach Art. 21 GG, für welche die zu überprüfenden Personen tätig werden sollen. Überprüfungen, die sicherheitsempfindliche Tätigkeiten in nichtöffentlichen Stellen betreffen, fallen grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Auch an diesen wirkt das BfV mit. Überprüft werden Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im Sinne des SÜG ausüben sollen. Eine solche liegt vor, wenn der Stelleninhaber Zugang zu Verschlusssachen (VS)105 ab dem Geheimhaltungsgrad VS-VERTRAULICH erhalten soll, sich diesen Zugang bei der Ausübung seiner Tätigkeit verschaffen kann oder in einem Sicherheitsbereich einer Behörde oder sonstigen öffentlichen Stelle des Bundes tätig werden soll (personeller Geheimschutz). Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt auch aus, wer an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb einer lebens105 VS sind im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse unabhängig von ihrer Darstellungsform. VS können auch Produkte und die dazu gehörenden Dokumente sowie zugehörige Schlüsselmittel zur Entschlüsselung, Verschlüsselung und Übertragung von Informationen sein (Kryptomittel). Geheimhaltungsbedürftig im öffentlichen Interesse können auch Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs-, Steueroder sonstige private Geheimnisse oder Umstände des persönlichen Lebensbereichs sein. 310 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ oder verteidigungswichtigen Einrichtung106 beschäftigt ist (vorbeugender personeller Sabotageschutz). Informationen, deren Bekanntwerden den Bestand, die Sicherheit Personeller oder die Interessen des Bundes oder eines Landes gefährden oder Geheimschutz schädigen können, müssen geheim gehalten und vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Je nach Schutzbedürftigkeit erfolgt eine Einstufung der VS in einen der vier Geheimhaltungsgrade: VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH; VS-VERTRAULICH; GEHEIM; STRENG-GEHEIM. Der personelle Geheimschutz dient der Kontrolle, wer mit diesen geschützten Informationen umgehen darf. Es gilt zu verhindern, dass VS Personen oder Institutionen in die Hände fallen, für die sie nicht bestimmt sind - sei es aus Nachlässigkeit oder durch eine bewusste Weitergabe. Deshalb wird beim personellen Geheimschutz sowohl die allgemeine Zuverlässigkeit einer Person bewertet als auch ihr Einstehen für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Zudem wird geklärt, ob die Gefahr besteht, dass die zu überprüfende Person aus einer Zwangssituation oder persönlichen Motiven heraus VS an ausländische Nachrichtendienste, kriminelle, extremistische oder terroristische Organisationen weitergeben könnte. Mit den Mitteln des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes Vorbeugender soll insbesondere unterbunden werden, dass potenzielle terroristipersoneller sche Saboteure an besonders sensible Stellen lebensoder verteidiSabotageschutz gungswichtiger Einrichtungen gelangen können. Ausgangspunkt einer Sicherheitsüberprüfung bildet eine von der Verfahren betroffenen Person auszufüllende Sicherheitserklärung, die dem BfV zur Verfügung gestellt wird. Die geforderten Angaben und der Umfang der durchzuführenden Überprüfungsmaßnahmen orientieren sich an der Sicherheitsüberprüfungsart. Im Bereich 106 Lebenswichtig sind Einrichtungen, deren Beeinträchtigung aufgrund der ihnen anhaftenden betrieblichen Eigengefahr (Explosions-, Brand-, Verseuchungsgefahr etc.) die Gesundheit oder das Leben großer Teile der Bevölkerung erheblich gefährden kann oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind und deren Beeinträchtigung erhebliche Unruhe in großen Teilen der Bevölkerung und somit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen lassen würde (z.B. die Versorgung der Bevölkerung mit Postund Telekommunikationsleistungen). Verteidigungswichtig sind neben dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung solche Einrichtungen, die der Herstellung oder Erhaltung der Verteidigungsbereitschaft dienen und deren Beeinträchtigung die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr sowie der Zivilen Verteidigung erheblich gefährden kann. 311 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ des personellen Geheimschutzes werden drei Arten von Sicherheitsüberprüfungen unterschieden107, die sich jeweils an der Höhe des Geheimhaltungsgrades orientieren, zu dem die betroffene Person Zugang erhalten soll. In die Überprüfungen für die beiden höchsten Sicherheitsstufen werden auch die Partnerin oder der Partner108 der von der Sicherheitsüberprüfung betroffenen Person einbezogen. Im Bereich des Sabotageschutzes ist eine einheitliche Überprüfungsart vorgegeben, deren Maßnahmen auf die diesbezügliche spezifische Zielsetzung (Verhinderung von Sabotagehandlungen durch Innentäter) ausgerichtet sind. Sicherheitsrisiken Im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens festgestellte Erkenntnisse werden durch das BfV dahingehend bewertet, ob sie sicherheitserheblich sind. Ein Sicherheitsrisiko liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, eine besondere Gefährdung der betroffenen Person, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, bei möglichen Anbahnungsund Werbungsversuchen109 oder Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Auch tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen entsprechender Sicherheitsrisiken bei der Partnerin oder dem Partner können sich negativ auf das Gesamtergebnis der Überprüfung auswirken. Das Ergebnis der durchgeführten Maßnahmen wird der jeweils zuständigen Stelle in Form eines Votums mitgeteilt, auf dessen 107 Einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü1); Erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü2); Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3). 108 Unter Partnerin/Partner ist zu verstehen: die volljährige Ehegattin oder der volljährige Ehegatte der betroffenen Person, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner der betroffenen Person oder die volljährige Partnerin oder der volljährige Partner, mit der oder dem die betroffene Person in einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft lebt (Lebensgefährtin/Lebensgefährte). 109 Als Akteure kommen hier ausländische Nachrichtendienste, Vereinigungen im Sinne der SSSS 129 bis 129b des Strafgesetzbuches oder extremistische Organisationen, die Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 BVerfSchG verfolgen, infrage. 312 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ Grundlage sie eigenverantwortlich über den Einsatz der überprüften Person in der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entscheidet. Das SÜG bildet den rechtlichen Rahmen, an den alle am ÜberprüSicherheitsüberfungsverfahren Beteiligten gebunden sind. Da die umfassenden prüfungsgesetz (SÜG) Maßnahmen der Sicherheitsüberprüfung in das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen, ist zu ihrer Durchführung eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Eine Sicherheitsüberprüfung darf zudem nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zu überprüfenden Person erfolgen. Mit einer umfassenden Gesetzesnovelle wurde das SÜG mit WirNovellierung des SÜG kung vom 21. Juni 2017 erstmals grundlegend an die aktuellen Sicherheitserfordernisse angepasst. Während bisher schon bei jeder Sicherheitsüberprüfung die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden, der übrigen Nachrichtendienste des Bundes, des Bundeszentralregisters, des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei beigezogen wurden, kommt nun als zusätzliche Standardmaßnahme ein Ersuchen um Datenübermittlung aus dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (ZStV) hinzu. Das ZStV ist eine Datenbank der in ganz Deutschland anhängigen und abgeschlossenen Ermittlungsverfahren. Auch für die Abfrage des Ausländerzentralregisters (AZR) besteht jetzt eine klare gesetzliche Regelung, um im Einzelfall Angaben der von der Sicherheitsüberprüfung betroffenen Person mit dem AZR abzugleichen. Besonders relevant ist dies zur Klärung von Wohnsitzangaben oder Angaben über den Zuzug nach Deutschland. Auch Informationen zu unerlaubten Einreisen und Aufenthalten oder Einreisebedenken können nun berücksichtigt werden. Des Weiteren ist die Beteiligung ausländischer Sicherheitsbehörden nun ausdrücklich - mit der Maßgabe der gesonderten Zustimmung - in den Maßnahmenkatalog der Sicherheitsüberprüfungen aufgenommen worden. Schließlich liefert das neue Gesetz auch eine Grundlage für die Durchführung von Recherchen im Internet. Wie bisher führt das BfV bei den Überprüfungen für die beiden höchsten Sicherheitsstufen weitere Regelmaßnahmen durch: Diese reichen von der Identitätsprüfung über Anfragen an Landespolizeien bis zu Befragungen von Referenzund Auskunftspersonen. 313 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ Im Einzelfall kann das BfV bei allen Sicherheitsüberprüfungen weitere Maßnahmen ergreifen. Als wesentliche Erweiterung des bisherigen Verfahrens ist zudem die Einführung der Wiederholungsüberprüfung bei allen Überprüfungsarten (bisher allein bei der höchsten Überprüfungsstufe) im Zehn-Jahres-Rhythmus zu nennen. Auch bei der fünf Jahre nach Abschluss der Sicherheitsüberprüfung durchzuführenden Aktualisierung der Sicherheitsüberprüfungsunterlagen sind seit der Gesetzesnovelle bestimmte Überprüfungsmaßnahmen erneut durchzuführen. Materieller Um ein angemessenes Schutzniveau für VS zu gewährleisten, wurGeheimschutz den mit der Gesetzesnovelle erstmals auch allgemeine Grundsätze zum materiellen Schutz von VS in das SÜG aufgenommen. So sind zum Beispiel Bundesbehörden und sonstige öffentliche Stellen des Bundes verpflichtet, VS durch Maßnahmen des materiellen Geheimschutzes (Schaffung der organisatorischen und technischen Vorkehrungen zum Schutz von VS) so zu schützen, dass ihre Vertraulichkeit dauerhaft gewahrt bleibt. Wer berechtigt Zugang zu einer VS erlangt, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und hat dafür Sorge zu tragen, dass keine unbefugte Person Kenntnis von der VS erlangt. Entwicklungen Im Durchschnitt hat das BfV in den vergangenen zehn Jahren jährlich rund 32.000 Sicherheitsüberprüfungen im Geheimund Sabotageschutz durchgeführt. Im Jahr 2017 wurden im Geheimschutz 4.570 einfache Sicherheitsüberprüfungen, 18.289 erweiterte Sicherheitsüberprüfungen und 1.985 erweiterte Sicherheitsüberprüfungen mit Sicherheitsermittlungen durchgeführt. Hinzu kamen 8.477 Überprüfungen im Bereich des Sabotageschutzes. Schulung und Das BfV trägt durch die Schulung von Geheimund SabotageSensibilisierung schutzbeauftragten von Behörden dazu bei, dass sich dort eine möglichst gleichwertige Sicherheitsstruktur etabliert. Darüber hinaus stellt es geeignete Werbeartikel zur Verfügung, um auch bei den Geheimnisträgern selbst ein nachhaltiges Sicherheitsbewusstsein zu fördern. 314 "Scientology-Organisation" (SO) 315 "Scientology-Organisation" (SO) Die "Scientology-Organisation" (SO) ist auch im Jahr 2017 ihrem Ziel nicht nähergekommen, in Deutschland eine "scientologische Gesellschaft" zu etablieren. Wie bereits in den Vorjahren stagniert die Mitgliederzahl in Deutschland bei rund 3.500 Personen. Die Zahl der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten ist weiterhin gering. Beständigkeit zeigt die SO allerdings in der Ausrichtung von Informationsständen in verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland. Ideologie "Wahre Demokratie" ist nach dem Organisationsgründer und der ideologischen Leitfigur L. Ron Hubbard (1911-1986) nur möglich in einer Nation von "Clears" - den mittels scientologischer "Techniken" geformten Menschen. Alle anderen Personen werden nicht als gleichwertig betrachtet. Hubbard hat die von ihm angestrebte Gesellschaftsform unter anderem als "Rechtsordnung" beschrieben, in der die Existenz des Einzelnen vom willkürlichen Ermessen der SO abhängt. Grundrechte stehen demzufolge nur denjenigen zu, die aus Sicht der Organisation zu den "Ehrlichen"/"Clears" gehören. Die SO strebt weiterhin eine Gesellschaft ohne allgemeine und gleiche Wahlen an und lehnt das demokratische Rechtssystem ab. Dieses soll langfristig durch einen eigenen Gesetzeskodex abgelöst werden. Nach außen hin versucht sich die SO hingegen als unpolitische und demokratiekonforme Religionsgemeinschaft zu präsentieren. Aus den maßgeblichen und nach wie vor gültigen Schriften Hubbards ergibt sich, dass die perspektivisch beabsichtigte Schaffung einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen durch eine langfristig ausgerichtete Expansionsstrategie, durch eine Erhöhung der finanziellen Einnahmen der Organisation sowie durch die Bekämpfung ihrer Kritiker erreicht werden soll. Der totalitäre Charakter der SO dokumentiert sich unter anderem in ihrem Anspruch, eine weitgehende Kontrolle über alle Mitglieder auszuüben. So werden diese etwa dazu aufgefordert, "Wissensberichte" über alle "unterdrückerischen Handlungen gegen Scientology oder Scientologen" sowie das "Fehlverhalten" von Gruppenmitgliedern zu verfassen.110 110 Homepage "Religious Technology Center" (27. November 2017). 316 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Die SO versucht weiterhin, Wirtschaftsunternehmen zu unterwandern, um ihre Einflussmöglichkeiten zu vergrößern. Hierzu dient die SO-Teilorganisation "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) - ein Zusammenschluss unternehmerisch tätiger Scientologen. Die SO betreibt diverse Kampagnen für angebliche "SozialproKampagnen und gramme" und vermeintliche "Hilfsorganisationen", um sich den Teilorganisationen Anschein einer wohltätigen Religionsgemeinschaft zu geben und ihre gesellschaftliche Anschlussfähigkeit zu erweitern. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass in den meisten Fällen die SO nicht als verantwortliche Organisation zu erkennen ist. Die scheinbar sozialen Programme und Institute wecken in ihrer Darstellung vielmehr Interesse und Sympathie, die sich dann später auf den eigentlichen Initiator, die SO, übertragen sollen. Beispiele: Der Verein "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" soll insbesondere Jugendliche über Drogenmissbrauch und -prävention aufklären. "NARCONON" dient als Anlaufstelle für Drogenabhängige. "CRIMINON" bietet Hilfeleistungen für Straftäter an. "Applied Scholastics" stellt ein Lernprogramm für Schüler und Studenten dar. Die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V." (KVPM) will angebliche Missbräuche und Menschenrechtsverletzungen in der Psychiatrie aufdecken und bekämpfen. Ziel der Initiative "Jugend für Menschenrechte" ("Youth for Human Rights") ist es, "Jugendliche auf der ganzen Welt über Menschenrechte aufzuklären".111 Mit dem Leitfaden "Der Weg zum Glücklichsein" gibt die SO eine Handreichung für alltägliche Lebensfragen heraus. Die "International Way to Happiness Foundation" führt entsprechende Schulungen durch. 111 Homepage "Jugend für Menschenrechte" (15. November 2017). 317 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Die SO nutzt das Internet als zentrale Propagandaund Werbeplattform. Mittels sozialer Netzwerke betreibt sie Imagepflege und Mitgliederwerbung. So berichtete die SO im Berichtsjahr unter anderem über die jährlich stattfindende internationale "Anti-Drogen-Konferenz" der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien im Juli 2017. Bewusst lässt die SO offen, ob sie an dieser Veranstaltung selbst teilgenommen hat, um ihrer Agitation gleichermaßen eine vermeintlich politische Legitimation und gesellschaftliche Akzeptanz zu verleihen. Mit zahlreichen multimedialen Angeboten zielt die SO darüber hinaus besonders auf Jugendliche ab. Nach wie vor werden verstärkt kostenlose "Online-Kurse aus dem Scientology-Handbuch" angeboten, um Interessenten auf diese Weise an das kostenintensive SO-Angebot heranzuführen. Hierzu zählt beispielsweise auch der Kurs "Probleme bei der Arbeit", der sowohl als Seminar sowie auch als Online-Kurs angeboten wird. Die Teilnehmer sollen über effiziente Kontrolle und Mechanismen zur Leistungssteigerung informiert werden. Bei den meisten Websites ist der Bezug zur SO bewusst nicht erkennbar. Im Berichtsjahr versuchte die Organisation ferner, mittels einer über das Internet erfolgten Kontaktaufnahme durch einen "Headhunter", junge Nachwuchssportler mit Sprachstipendien an die "Clearwater Academy International" nach Florida zu locken. Auch hier wurde gegenüber den Stipendiaten sowohl der SO-Hintergrund des "Headhunters" als auch der Einrichtung in Florida verschwiegen. 318 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) "Scientology-Organisation" (SO) Gründung: 1954 in den USA 1970 erste Niederlassung in Deutschland Sitz: Los Angeles (USA) ("Church of Scientology International", CSI), München (Bayern) ("Scientology Kirche Deutschland e.V.", SKD) Leitung/Vorsitz: USA: David Miscavige Deutschland: Helmuth Blöbaum Mitglieder/Anhänger 3.500 (2016: 3.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: (Auswahl) "Impact" "International Scientology News" "The Auditor" "Source" "Freewinds" 319 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Teil-/Nebenorganisationen: neun "Kirchen" in Deutschland, (Auswahl) darunter zwei "Celebrity Centres" "Office of Special Affairs" (OSA) "International Association of Scientologists" (IAS) "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) "Association for Better Living & Education" (ABLE) "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V." (KVPM) "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" "Jugend für Menschenrechte" "NARCONON" "CRIMINON" "International Way to Happiness Foundation" Nach wie vor sind die Schriften des Organisationsgründers L. Ron Hubbard (1911-1986) richtungsweisend. In ihnen wird deutlich, dass in einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen wesentliche Grundund Menschenrechte, wie beispielsweise die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, ebenso wenig gewährleistet sind wie das Recht auf Gleichbehandlung. 320 Anhang 321 VERBOTSMASSNAHMEN Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2017 (Soweit nicht anders gekennzeichnet, sind die Verbote unanfechtbar) Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Nationalistische Front" (NF) 26.11.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Deutsche Alternative" (DA) 08.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Nationale Offensive" (NO) 21.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Arbeiterpartei Kurdistans" 22.11.1993 Strafgesetzwidrigkeit, AE (PKK)/ "Nationale BefreiGefährdung der inneren Sicherheit ungsfront Kurdistans" und öffentlichen Ordnung (ERNK) und Teilorganisationen, sowie außenpolitischer Belange "Förderation der patriotiDeutschlands schen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan), "Kurdistan-Komitee e.V." "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 10.11.1994 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Kurdistan Informations20.02.1995 Ersatzorganisation des rechtskräftig AE büro" (KIB) alias verbotenen "Kurdistan Komitee e. V." "Kurdistan Informationsbüro in Deutschland" RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 322 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Freiheitliche Deutsche 22.02.1995 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Arbeiterpartei" (FAP) mäßige Ordnung gerichtet "Revolutionäre 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungsparteidung der inneren Sicherheit Front" (DHKP-C) Ersatzorganisation der am 9. Februar 1983 rechtskräftig verbotenen "Revolutionären Linke" ("Devrimci Sol") "Türkische 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungspartei/dung der inneren Sicherheit Front" (THKP/-C) "Blood & Honour" (B&H) mit 12.09.2000 Vereinszweck gegen die verfassungsRE "White Youth" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Kalifatsstaat" 08.12.2001 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT und 35 Teilorganisationen 14.12.2001 mäßige Ordnung gerichtet 13.05.2002 16.09.2002 Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung Propagierung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele "al-Aqsa e.V." 31.07.2002 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung (finanzielle Unterstützung der HAMAS und ihrer sogenannten Sozialvereine) RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 323 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 10.01.2003 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange "Yeni Akit GmbH" 22.02.2005 Leugnung und Verharmlosung des ISiT Verlegerin der Holocaust in volksverhetzender Europa-Ausgabe der türWeise kischsprachigen Tageszeitung "Anadoluda Vakit" Verbreitung antisemitischer/ antiwestlicher Propaganda "Bremer Hilfswerk e.V."107 SelbstaufISiT lösung mit Wirkung vom 18.01.2005; Löschung im Vereinsregister am 29.06.2005 "YATIM-Kinderhilfe e.V." 30.08.2005 Nachfolgeorganisation des rechtsISiT kräftig verbotenen "al-Aqsa e.V." "Collegium 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Humanum" (CH) mäßige Ordnung gerichtet mit "Bauernhilfe e.V." Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze 107 Das BMI hatte am 3. Dezember 2004 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Verbots gegen das "Bremer Hilfswerk e.V." eingeleitet. Der Verein ist dem Verbot durch Selbstauflösung zuvorgekommen. RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 324 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Verein zur Rehabilitierung 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE der wegen Bestreitens des mäßige Ordnung gerichtet Holocaust Verfolgten" (VRBHV) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Mesopotamia Broadcast 13.06.2008 Verstoß gegen den Gedanken der AE A/S", "Roj TV A/S" Völkerverständigung "VIKO Fernseh Produktion 13.06.2008 Teilorganisation von GmbH" "Roj TV A/S" "al-Manar TV" 29.10.2008 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung "Heimattreue Deutsche 09.03.2009 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Jugend - Bund zum Schutz mäßige Ordnung gerichtet für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." (HDJ) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Ideologische Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen mit nationalsozialistischem Gedankengut "Internationale Humanitäre 23.06.2010 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Hilfsorganisation e.V." (IHH) Völkerverständigung "Hilfsorganisation für natio30.08.2011 Vereinszweck gegen die verfassungsRE nale politische Gefangene mäßige Ordnung gerichtet und deren Angehörige e.V." (HNG) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 325 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Millatu Ibrahim" 29.05.2012 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Dawa FFM" einschließlich 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT der Teilorganisation "Intermäßige Ordnung gerichtet nationaler Jugendverein - Dar al Schabab e.V." Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "an-Nussrah" 25.02.2013 Teilorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "DawaTeam 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT Islamische Audios" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Waisenkinderprojekt Liba02.04.2014 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT non e.V." (WKP) Völkerverständigung (Umbenennung in "Farben für Waisenkinder e.V." am 16.10.2014) "Islamischer Staat" (IS) alias 12.09.2014 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT "Islamischer Staat im Irak" mäßige Ordnung gerichtet alias "Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien" Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 326 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Tauhid Germany" (TG) 26.02.2015 Ersatzorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "Altermedia Deutschland" 04.01.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Weisse Wölfe Terrorcrew" 10.02.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsRE (WWT) mäßige Ordnung gerichtet "Die Wahre Religion" (DWR) 25.10.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "linksunten.indymedia" 14.08.2017 Vereinszweck und -tätigkeit gegen LE die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 327 REGISTER Register al-Khilafa (Publikation) ................................... 209 Alliance for Peace and A Freedom (APF) ............................................. 62, 75 f. A'maq (Medienstelle) ...............................178, 199 al-Malahem Media (Medienstelle).............. 202 Adalet ve Kalkinma Partisi al-Manar TV (Fernsehsender) ..............205, 325 (AKP - Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) ..................................231, 240, 287 f. Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu Adil Düzen (Gerechte Ordnung) ................. 214 (ADÜTDF - Föderation der TürkischAffinität zu Waffen ........................................92, 95 Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.).................220, 244 f., 259 f. Agent .........................281 f., 284, 286 ff., 297, 300 al-Naba (Onlinemagazin) ......................178, 199 Ajansa Nuceyan a Firate (ANF) .................................... 229, 231, 234 al-Qaida ..............164, 169 f., 173, 175 ff., 199 ff. Aktionsbündnis ............................... 111, 125, 136 al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) .............................. 170, 173, 179, 182, 202 Aktionsfelder.... 101, 103, 140 f., 143, 145, 151, 153 ff., 157, 159 f. al-Qaida im Irak ................................................. 199 Aktionskonferenz .............................................. 120 al-Qaida im islamischen Maghreb (AQM)..............................................................173, 201 al-Ahd - al-Intiqad (Publikation)................ 205 al-Qaida im Jemen (AQJ)................................. 202 al-Andalus (Medienstelle)............................... 201 al-Raimi, Qasim ................................................. 202 al-Aqsa e.V........................................... 207, 323, 324 al-Rashta, Ata Abu (alias Abu Yasin)........... 209 al-Baghdadi, Abu Bakr ...........................188, 199 al-Shabab ......................................................173, 203 al-Fadschr (Publikation).................................. 213 al-Shaikh, Hashim ............................................ 204 al-Fidaa-Forum ................................................... 179 Alternative für Deutschland al-Hayat Media Center (AfD) ................................... 102 f., 107, 122 ff., 136 (Medienstelle) .................................... 179, 183, 199 al-Waie (Publikation)........................................ 209 al-Ikhwan al-Muslimun (MB - Muslimbruderschaft) ... 173, 210 f., 349 al-Zawahiri, Aiman ......................... 175, 179, 200 al-Julani, Abu Muhammad ............................ 204 Anadolu Federasyonu (Anatolische Föderation) ................... 241, 254 f. al-Kataib (Medienstelle) .................................. 203 328 REGISTER Anarchisten........................................................... 103 APT 10 ..................................................................272 f. Anatolische Föderation APT 28 ................................................................269 ff. (Anadolu Federasyonu) ...................... 241, 254 f. Arbeiterpartei Kurdistans Anti-Asyl ..........................................44 f., 48, 52, 62 (PKK - Partiya Karkeren Kurdistan) 118 f., 218 f., 221 ff., 245 f., 249 ff., 285 Anti-Drogen-Konferenz ................................. 318 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si).... 156 Antifa ...................................................46, 106 f., 139 Argumentationsmuster ........................ 90 ff., 98 Antifa AK Köln .................................................... 139 Armee der Auswanderer und Helfer (JAMAntifa NT, München ......................................... 139 WA - Jaish al-Muhajirin wa-l-Ansar) ........ 198 Antifaschismus......103, 106 f., 136, 139 f., 143, Armstroff, Klaus.....................................................88 151, 154, 158 f. Arranca! (Publikation) ..................................... 138 Antifaschistische Gruppe Bremen ....139, 140 Assad-Regime ..................................................... 166 Antigentrifizierung ........................ 103, 107, 136 as-Sahab (Medienstelle)................................... 200 Antiglobalisierung ... 101, 103 f., 140 f., 151 ff., 160 Atilim (Publikation) .......................................... 258 Antiimperialisten ............................................... 109 Autonome.................. 102 f., 107, 109 ff., 119 ff., 138, 140 Antikapitalismus ....................138, 143, 157, 159 Autonome Nationalisten (AN) ........................61 Antikapitalistische Linke (AKL)..........151, 157 AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Antikapitalistische Linke München Kurdinnen und Kurden in Deutschland (al[m]) ....................................................................... 141 (AZADI e.V.) ........................................................... 253 Antikapitalistisches Kollektiv (AKK) ............61 AZADI infodienst (Publikation) .................. 253 Antimilitarismus ...... 143, 151, 154, 157, 159 f. B Antirassismus ................................... 151, 154, 255 Babbar Khalsa (BK) ...................................262, 263 Antirepression ............... 101, 103, 105, 121, 136 Babbar Khalsa Germany (BKG) .................... 263 Antisemitismus ....44, 83, 87 f., 164, 171, 194 f. Babbar Khalsa International (BKI) ..........262 f. antisoziale Stadtumstrukturierung ........... 108 Badi, Muhammad .............................................. 210 Applied Scholastics ........................................... 317 329 REGISTER Bahceli, Devlet ..................................................... 260 Bundestagswahl...........48, 66, 71, 73 f., 77, 103, 123 ff., 129 ff., 137, 148, 270 f., 276 Basbug ..................................................................... 260 Bundesverfassungsgericht Basisgruppe Antifaschismus, Bremen...... 139 (BVerfG).............................................. 14, 46, 72, 143 Bedrohungspotenzial ..........................................97 Bürgerbewegung pro NRW (pro NRW) ................................................... 50 f., 197 Bewaffnung ................................................... 96, 280 Büro 610 (chinesischer BfV Cyber-Brief................................................... 268 Nachrichtendienst der KPCh) ...................... 306 Bin Ladin, Hamza .............................................. 175 Bin Ladin, Usama ......................................175, 200 C Bizim Genclik (Publikation) .......................... 254 Camia (Publikation) .......................................... 216 Blockade ..............101, 104, 120 f., 125, 145, 153 Cayir, Nusret ........................................................ 215 Blood & Honour (B&H) ............................. 57, 323 Chemiewaffen-Übereinkommen (CWÜ) ...................................................................... 294 Bodenund Menschenrechte..........................95 Ciwanen Azad Bozkurtlar (Graue Wölfe)................................ 244 (Freie Jugend) ................. 227 f., 230 ff., 249, 251 Bulletin (Publikation)....................................... 159 Clears ....................................................................... 316 Bülten (Publikation) ......................................... 260 Clearwater Academy International ........... 318 Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) .......... 148 Combat 18 (C18)............................................... 56 ff. Bundesbeauftragte für den Datenschutz Committee for a Worker's International und die Informationsfreiheit ..........................18 (CWI) ........................................................................ 151 BundessprecherInnenrat ......................155, 157 CRIMINON ..................................................317, 320 Bundesstaat Baden ...............................................95 critique'n'act, Dresden..................................... 139 Bundesstaat Bayern .............................................95 Cuba si revista (Publikation) ......................... 156 Bundesstaat Sachsen ...........................................95 Cyberangriffe ............ 267 ff., 272 f., 296, 300 ff. Bundesstaat Württemberg ...............................95 Cyberattacken............................................... 17, 274 Bundesstaaten ........................................................95 330 REGISTER D Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (DHKP-C - Revolutionäre VolksbefreiungsDABIQ (Onlinemagazin) ................................. 179 partei-Front) .........218, 220, 222, 238 ff., 254 f., 285, 323 DawaFFM ............................................................... 326 Devrimci Halk Kurtulus Partisi (DHKP - Decker, Peter......................................................... 150 Revolutionäre Volksbefreiungspartei) ..... 238 Demokratiefeindschaft ......................................44 Devrimci Sol (Publikation) ...................254, 323 Demokratisches Gesellschaftszentrum Devrimci Sol (Revolutionäre Linke, der KurdInnen in Deutschland e.V. Personenzusammenschluss)................254, 323 (NAV-DEM - Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye)........................233, 252 DHKC Gerilla (Publikation) ........................... 254 Der Aktivist (Publikation) .................................84 DIE RECHTE............. 45, 48, 50 f., 63, 66, 69, 71, 76 f., 87 Der III. Weg ........ 45, 50 f., 63, 67, 70 f., 78 f., 88 DIE ROTE HILFE (Publikation) ................... 149 Desinformation............................ 268 f., 271, 276 Die Wahre Religion (DWR) ..... 171, 191 f., 327 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ...............................128 ff., 137, 142 f., 145 f. Diyanet (Amt für religiöse Angelegenheiten in der Türkei)................... 286 Deutsche Stimme (Publikation) .......75, 82, 86 Dogru Haber (Publikation) ............................ 208 Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH (DS Verlag) .........................................................82, 86 Dogruyol, Sentürk ............................................. 260 Deutsches Reich............................90, 92, 94 f., 98 Drittlandtreff ....................................................... 299 Deutschlandvertretung der Saadet Droukdal, Abdalmalik Partisi (SP) .............................................................. 215 (alias Abu Mus'ab Abdalwadud)................... 201 Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim DS-TV..........................................................................82 e.V. (DIK Hildesheim)...............................171, 196 Devrimci Genclik E (Dev Genc) ...................................... 240, 242 f., 254 Ebel, Wolfgang Günter .......................................90 Devrimci Halk Kurtulus Cephesi (DHKC - Revolutionäre Volksbefreiungsfront) ....... 238 Eigener Gesetzeskodex .................................... 316 Einflussnahme .................59, 108, 211, 216, 269, 270 f., 275, 286 331 REGISTER Einzeltäter ....................... 166, 174, 182, 199, 200 Fernmeldeaufklärungsmaßnahmen......... 300 Ekonomi ve Maliye Bürosu FIGHT CAPITALISM (Publikation) ........... 141 (EMB - Wirtschaftsund Finanzbüro) ..... 234 Fingertaktik .......................................................... 121 Ende Gelände (Kampagne) ...................................102, 119, 125 ff. Föderation der demokratischen Aleviten e.V. (FEDA)........................................... 233 Engel, Stefan ................................................130, 146 Entrismus......................................................151, 160 Föderation der Türkisch-Demokratischen Entziehungsmaßnahmen .................................95 Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Erbakan, Fatih .............................................214, 215 Ülkücü Türk Dernekleri Erbakan, Necmettin ................................214, 215 Federasyonu) ..............................220, 244 f., 259 f. Erbakan-Stiftung................................................ 215 Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM - Yekitiya Ergün, Kemal ........................................................ 216 Komalen Kurd Li Elmanya)........................... 252 Ethnopluralismus .................................................80 Franz, Frank ......................................... 46, 72 ff., 82 Europa Terra Nostra e.V. (ETN) ................... 75 f. Freie Kameradschaft Dresden (FKD)........ 55 f. Europäische Aktion (EA) ................................ 60 f. Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK - Kongreya Azadi u Europavertretung der Demokrasiya Kurdistane)............................... 249 Erbakan-Stiftung................................................ 215 Freiheitsfalken Kurdistans (TAK - Expansionsstrategie .......................................... 316 Teyrebazen Azadiya Kurdistan) ..........225, 231 Expliciet (Publikation) ..................................... 209 Freiräume ..................................107, 108, 110, 136 Freistaat Preußen ..................................................95 F Fremdenfeindlichkeit ................44, 78, 83, 87 f. Falah, Samir .......................................................... 211 Fantasieausweise ............................................93, 94 Front zur Eroberung Syriens (JFS - Jabhat Fath al-Sham) .......................... 204 Farben für Waisenkinder e.V................205, 326 Frühwarnsystem ............................................15, 16 Fast Forward, Hannover.................................. 139 FSB (russischer Fechtner, Gabi (geb. Gärtner) ...............130, 146 Inlandsnachrichtendienst) ............................ 304 332 REGISTER Führungsoffizier ........................................277, 299 Graue Wölfe (Bozkurtlar)................................ 244 Fünf Gifte ............................................................... 280 Grenzziehungen .............................................90, 94 Groupe Salafiste pour la Predication et le G Combat (GSPC - Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf)........................................... 201 G20-Gipfel ........... 32, 35, 46, 100 f., 103 ff., 109, 113 ff., 117 ff., 132 f., 136 f., 141, 279, 301 GRU (russischer militärischer Auslandsnachrichtendienst) ............................................ 303 Gefährdungspotenzial ....45, 48, 53, 56, 58, 97, 136, 167, 185 f., 192 f., 236, 267, 278, 281, 284 Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM)......152 f. Gegenlicht (Publikation)....................................66 Gruppe Freital.........................................................47 GegenStandpunkt (Organisation) .............. 150 Guerilla ................................................ 229, 237, 251 GegenStandpunkt (Publikation) ................. 150 Gümüs, Edip ........................................................ 208 Gelber Schein ...................................................... 93 f. Gündogdu (Publikation) ................................. 254 Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) ............................17 H Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum Hai'at Tahrir al-Sham (GTAZ)............................................................... 16, 186 (HTS - Komitee zur Befreiung von Großsyrien) ...............................173, 175, 180, 204 Gemeinschaft der Jugend (Komalen Ciwan) .......... 227 f., 230 ff., 249, 251 Halk Icin Devrimci Demokrasi (Publikation) ......................................................... 257 Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK - Koma Komalen Kurdistan), siehe Haniya, Isma'il .................................................... 207 auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ... 249 Haqqani-Netzwerk ...................................170, 176 Gemeinschaft der Verkündigung und Mission (TJ - Tablighi Jama'at) ............173, 212 Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS - Islamische WiderstandsGeraer/Sozialistischer Dialog (GSoD) ....... 159 bewegung) ................... 164, 173, 195, 206 f., 210 Gerechte Ordnung (Adil Düzen) ................. 214 Haverbeck-Wetzel, Ursula.................................70 Geschichtsrevisionismus............................44, 69 Headhunter........................................ 280, 299, 318 Gewalt und Militanz ............................................95 Heise, Thorsten ........................................72, 73, 75 Globalisierungsgegner ..................................... 104 Hennig, Rigolf .........................................................69 333 REGISTER Hilafet (Publikation) ......................................... 209 Intelligence Bureau (IB, indischer Inlandsnachrichtendienst) ............................ 289 Hit and Run-Aktionen..................................... 251 International Sikh Youth Federation Hit-Teams .....................................................166, 174 (ISYF) ........................................................................ 264 Hizb Allah (Partei Gottes) ...164, 173, 205, 206 International Way to Happiness Foundation...................................................317, 320 Hizb ut-Tahrir (HuT - Partei der Befreiung) ..................... 173, 209, 324 Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)....................................................................... 293 Höchstes Gericht - Geeinter deutscher Völker und Stämme (GdVuSt) ........................92 Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V. (IHH) .......................... 325 Hubbard, L. Ron .........................................316, 320 Internationaler Währungsfond (IWF) ...... 104 Hurseda (Onlinemagazin) .............................. 208 Internationales Bulletin (Publikation) ..... 258 Huseynisevda (Onlinemagazin) .................. 208 Internationales Komitee der Vierten Huth, Stefan .......................................................... 161 Internationalen (IKVI) ............................131, 148 Internationales Kurdisches I Kulturfestival ....................................................... 226 IBAA (Nachrichtenagentur)........................... 204 Interventionistische Linke (IL) ...........111, 138 Idealisten-Bewegung (ÜlkücüINZAR (Publikation) ......................................... 208 Bewegung) ..........................218 ff., 243 ff., 259 ff. Islamische Gemeinde Kurdistans (CIK) ... 233 Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) (Verdachtsfall) .............................. 50 f., 80 f. Islamische Gemeinde Stendal...................... 195 Illegale ............................................................299, 300 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) ................... 173, 210 f. Illegalenoperation ............................................. 277 Islamische Gemeinschaft Imam Ali Moschee ............................................. 213 Milli Görüs e.V. (IGMG) ................. 172, 195, 216 Informationsgewinnung ......17, 267, 269, 273, Islamische Rechtsordnung (Scharia) ........ 190 277, 280 Islamische Widerstandsbewegung Initiative Wirtschaftsschutz.......................295 f. (HAMAS - Harakat al-Muqawama INSPIRE al-Islamiya)...................................................173, 207 (Onlinemagazin) .....................170, 179, 182, 202 Islamische Zentren ............................................ 213 334 REGISTER Islamischer Staat (IS) ..........164 ff., 173 ff., 193, K 196 ff., 201 f., 230, 233, 235, 326 Kalifat .... 166, 168 f., 177, 180 f., 184, 199, 209 Islamischer Staat - Khorasan Provinz (ISKP)........................................................................ 176 Kalifatsstaat .................................................194, 323 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. Kameradschaft Aryans .......................................58 (IZH).................................................................173, 213 Kampagne gegen den G20-Gipfel .............. 119 Islamistischer Terrorismus..........................20, 164 f., 173 f., 197 Kampagnen....33 f., 46 f., 59 f., 77, 80 f., 84, 90, 101 f., 119, 121 ff., 131, 136, 138, 140, 151 f., Ismail Aga Cemaati (IAC) ................................ 215 160, 188, 191, 224, 231, 233, 250, 255, 258, 269, 295, 317 J Kampagnenfähigkeit ........................................ 119 Jabhat Fath al-Sham (JFS - Front zur Kampf der Nibelungen .......................................68 Eroberung Syriens) ............................................ 204 Kampfsportszene ..................................................68 Jahresspendenkampagne ............................... 233 Kapitalismus .........100, 106, 108, 111, 114, 127, Jaish al-Muhajirin wa-l-Ansar (JAMWA - 138, 140 f., 146, 148, 154 f. Armee der Auswanderer und Helfer) ....... 198 Kaukasisches Emirat......................................... 193 Jama'at Nusrat al-Islam wal-Muslimin.... 201 Kelhaamed (Publikation) ................................ 208 Jihad............165 ff., 177 ff., 182 f., 195, 198, 202 Kern-al-Qaida ........170, 173, 175 f., 179 f., 200, Jihadisten/jihadistisch ...................186 f., 190 ff. 203 f. jihadistische Gruppierungen .............. 164, 177 Khamenei, Ayatollah Seyyed Ali ................. 213 Joint Comprehensive Plan of Action Klandestine Gewalt ........................................... 114 (JCPoA) .................................................................... 293 Kleingruppenmilitanz ..................................... 120 Jugend für Menschenrechte (Youth for Human Rights) ...........................................317, 320 Klimaproteste ......................................... 102, 125 f. Jugendplattform im internationalistischen Köbele, Patrik ....................................................... 142 Bündnis................................................................... 147 Köklü Degisim (Publikation) ........................ 209 Junge Nationaldemokraten Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union der (JN) ..........................................................45, 75, 82, 84 Gemeinschaften Kurdistans) ........................ 249 junge Welt (jW, Publikation) ......................... 161 335 REGISTER Koma Komalen Kurdistan (KKK - GemeinKrien, Hartmut .......................................................85 schaft der Kommunen in Kurdistan) ........ 249 Kritik&Praxis, Frankfurt am Main ............. 139 Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Jugend) ...................... 227 f., 230 ff., 249, 251 Kulturelle Autonomie .............................222, 250 Komitee zur Befreiung von Großsyrien Kurdische Frauenbewegung in Europa HTS - Hai'at Tahrir al-Sham) ..............173, 175, (AKKH/TJK-E) ...................................................... 233 180, 204 Kommissarische Reichsregierung (KRR) ...90 L Legalresidenturen .....277, 280 f., 283, 285, 298 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. Legitimität ............................ 90, 97, 109, 112, 154 (KVPM) ...........................................................317, 320 Leitfaden Der Weg zum Glücklichsein .... 317 Kommunalpolitische Vereinigung der NPD (KPV) ..........................................75, 82, 85 Leninisten ........................................... 103, 222, 256 Kommunismus ....111, 128, 141, 146, 154, 158 LevelUP, Tübingen ............................................. 139 Kommunistische Partei Chinas LIES!....................................................171, 188, 191 f. (KPCh)................................ 266, 278, 282, 305, 306 LIES!-Kampagne, -Projekt ....................188, 191 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ........................................................................ 143 Liga für die fünfte Internationale (L5I) .... 152 Kommunistische Plattform der Partei Linke Aktion Villingen-Schwenningen ... 141 DIE LINKE (KPF)................................................. 154 Linke Presse Verlags-, FörderungsKonfrontative Gewalt ...................................... 114 und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G. ..................................................... 161 Kongra Gele Kurdistan (KONGRA GEL - Volkskongress Kurdistans) ............................. 249 linksunten.indymedia (Internetplattform)...106 f., 114 f., 132 ff., 327 Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane (KADEK - Freiheitsund DemokratiekonLone Wolf-Prinzip ............................................ 53 f. gress Kurdistans)................................................. 249 Königreich Bayern ................................................94 M Königreich Preußen .............................................94 Made in China 2025 .......................................... 279 Kontaktpersonen ......................................277, 281 Mahler, Horst ...................................................69, 92 Konvertiten ........................................................... 184 336 REGISTER Maoistische Kommunistische Partei Milli Görüs (Nationale Sicht) .............. 164, 166, (MKP - Maoist Komünist Partisi) ...........256 f. 172 f., 195, 214 ff. Märtyrer .......................................... 220, 242 f., 258 Milli Görüs-Bewegung .............164, 166, 172 f., 214 ff. Marx is Muss......................................................... 160 Milliyetci Hareket Partisi marx21 (Publikation)........................................ 160 (MHP - Partei der Nationalistischen Bewegung) ...................................... 231, 244 f., 260 marx21 (trotzkistisches Netzwerk) ............ 160 Ministry of Intelligence (VAJA, Marxisten ............................................ 103, 222, 256 zumeist abgekürzt MOIS, vormals Marxistische Blätter (Publikation) ............. 142 VEVAK, iranischer ziviler Inund Auslandsnachrichtendienst) ............283 f., 307 Marxistische Leninistische Kommunistische Partei (MLKP - Marksist Leninist Ministry of Public Security (MPS, Komünist Parti) .............................222, 258, 285 f. chinesisches Polizeiministerium)............... 306 Marxistische Linke e.V. ...........................128, 143 Ministry of State Security (MSS, chinesischer ziviler Inund AuslandsnachrichtenMarxistisches Forum (MF) ............................. 158 dienst) ...................................................................... 304 Marxistisch-Leninistische Partei MIT (türkischer ziviler Inund Deutschlands (MLPD) ..................... 130 f., 146 f. Auslandsnachrichtendienst) ......................285 f. Mash'al, Khalid .................................................... 207 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform (Publikation) ................................... 154 Massenmilitanz ..........................................110, 113 Mobilisierung.......... 47 f., 58 f., 103 f., 119, 123, materieller Geheimschutz ............................. 314 127, 131 f., 230, 242, 251 Medienstelle ....................................................199 ff. mole (englisch: Maulwurf; Publikation).............. 139 Meier, Jan (Pseudonym) .................................. 144 Moqawama.org (Website) ............................... 205 Militanz....................... 52, 57, 95, 112 f., 119, 137 Muslimbruderschaft (MB - al-Ikhwan Military Intelligence Department al-Muslimun) .......................................... 173, 210 f. (MID, chinesischer militärischer Inund Auslandsnachrichtendienst .......................... 305 Muslimische Jugend in Deutschland e.V. (MJD) ........................................................................ 211 Millatu Ibrahim................................................326 f. MillA(r) Gazete (Publikation) .............................. 216 337 REGISTER N Network Systems Department (NSD, chinesischer militärischer technischer N.S. HEUTE (Publikation)...........................65, 66 Nachrichtendienst)............................................ 305 Nachahmungseffekte ..........................................91 Neue Internationale (Publikation) ............. 152 Nachrichtendienst des Bundes Newroz ................................................. 224, 226, 231 (NDB, ziviler Inund Auslandsnachrichtendienst der Schweiz) .................. 288 Newsletter ................................................................20 Nachrichtendienstliches NoG20-Bündnis .........................................119, 120 Informationssystem (NADIS) ..........................15 Non-Professionals ............................................. 280 NARCONON ................................................317, 320 Nordische Widerstandsbewegung Nasrallah, Hassan ............................................... 205 (NRM)...................................................................63, 79 O Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ........ 14, 45 f., 48, 50 f., 62, Öcalan, Abdulllah....... 219, 222, 225 ff., 230 ff., 64, 66, 69, 71 ff., 82 ff. 236 f., 249 f. Nationale Sicht Öffentlichkeitsarbeit ................................. 20, 149 (Milli Görüs) ...........164, 166, 172 f., 195, 214 ff. Oldschool Society (OSS) .......................47, 55, 58 Nationales Cyber-Abwehrzentrum Online-Kurse........................................................ 318 (Cyber-AZ) ............................................................. 268 Organisation für das Verbot Nationales Geheimdienstgesetz (NGG) ... 278 chemischer Waffen (OVCW) ......................294 f. Nationalismus ist keine Alternative Organisation für Sicherheit und (NIKA) ..............................................102, 119, 122 ff. Zusammenarbeit in Europa (OSZE) .......... 318 Nationalsozialismus ..57, 66, 70, 76, 78, 83, 88 Ostanatolisches Gebietskomitee Naturrecht .........................................................92, 98 (DABK) ..................................................................... 257 Nauener Gruppe ....................................................47 Outing-Aktionen................................................ 124 Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Özgür Gelecek (Publikation) ......................... 257 Almanyaye (NAV-DEM - Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V.) .......................................233, 252 Neonazis ...............45, 48, 50, 56 f., 60, 63, 65, 87 338 REGISTER P Prepper-Szene.........................................................68 Parlamentarisches Kontrollgremium Projekt Revolutionäre Perspektive (PKGr)...................................................................17, 18 Hamburg (PRP HH) ........................................... 141 Partei der Befreiung Proliferation .......................................... 291 ff., 303 (HuT - Hizb ut-Tahrir) .............................173, 209 Propaganda ...................................23 ff., 59, 61, 70, Partei der Demokratischen Union 87, 133, 167 ff., 175, 178 ff., 184 f., 189 ff., 207, (PYD)......................................................................... 226 220, 225, 234 f., 242, 269, 271, 276, 300, 318 Partei der Nationalistischen Bewegung Prophet Muhammad ...............................190, 195 (MHP - Milliyetci Hareket Provinz Sinai ........................................................ 177 Partisi)............................................... 231, 244 f., 260 pseudojuristische, langatmige Schreiben ..93 Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP - Adalet ve Kalkinma Putsch ............................... 220, 223, 224, 240, 286 Partisi)................................................231, 240, 287 f. Putschversuch ............... 220, 223, 224, 240, 286 Partei für soziale Gleichheit (PSG) ....131, 148 parteiunabhängige (-ungebundene) Q Strukturen .........................................................49, 51 Quds Force (iranische militärische Partinin Sesi (Publikation) ............................. 258 und nachrichtendienstliche Spezialeinheit) .................................. 283, 284, 308 Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - Arbeiterpartei Kurdistans) ........... 119., 218 f., 221 ff., 245 f., 249 ff., 285, 322 R Partizan-Flügel .................................................256 f. Radikale Linke Berlin ....................................... 104 Pastörs, Udo .............................................................74 Radikalisierung ....................... 47, 58, 112, 171 f., 191 ff., 195 Permanente Revolution.........................131, 148 Radikalisierung der Massen .......................... 112 personeller Geheimschutz........................310 ff. Ramezani, Reza ................................................... 213 Perspektif (Publikation) .................................. 216 Rassismus..................... 44, 66 100, 145, 243, 259 Perspektive Kommunismus (PK) ................ 141 realistisch und radikal (Publikation)......... 155 POSITION (Publikation)................................. 144 REBELL (Jugendverband) ............................146 f. Postautonome ..................................................110 f. REBELL (Publikation)....................................... 147 339 REGISTER Rechtsbeistände .....................................................93 Revolutionäre Gewalt .............................100, 139 Rechtsberatungen.................................................93 Revolutionäre Perspektive Berlin (RPB).. 141 rechtsextremistische Ideologieelemente...90 Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKC - Devrimci Halk Kurtulus Cephesi) ......... 238 Rechtsextremistische Musik ...................... 63 ff. Revolutionäre Volksbefreiungspartei Rechtskonsulenten...............................................93 (DHKP - Devrimci Halk Kurtulus Partisi) ..................................................................... 238 Rechtsterrorismus ..................................... 47, 53 f. Revolutionäre Volksbefreiungsparteiredical [m], Göttingen ...................................... 139 Front (DHKP-C - Devrimci Halk Reichsbürger ..................... 30 f., 47 f., 50 f., 90 ff. Kurtulus Partisi-Cephesi) ........... 218, 222, 238, 243, 254, 285, 323 Reichsdokumente .................................................94 Revolutionärer Marxismus ........................... 152 Reichskanzler ..........................................................90 Revolutionary Guards Intelligence DepartReichsrecht...............................................................93 ment (RGID, iranischer militärischer Inund Auslandsnachrichtendienst)........ 307 Reichsregierung .....................................................90 Rhein-Rausch-Randale (Internetblog)........66 Rekrutierung .......71, 168, 170, 186, 191 f., 209, 228 f., 235, 237, 243, 251 Richter, Sebastian..................................................84 Reorganisation .......................................................95 Rigaer Straße 94 ..................................... 107, 117 f. Repräsentanten des Staates.................... 92, 109 Ring Nationaler Frauen (RNF) ..........75, 82, 85 Repression ..........................87, 100, 105, 115, 149 Rippert, Ulrich ..................................................... 148 Research & Analysis Wing (R&AW, Risalat al-Ikhwan (Publikation)................... 210 indischer Auslandnachrichtendienst) ...... 289 Rockergruppierungen...................................... 247 resist! ........................................................................ 139 Rojava (Westkurdistan) ................................... 237 Resurgence (Onlinemagazin) ....................... 200 Rote Fahne (Publikation) ................................ 146 REVOLUTION (REVO) ..................................152 f. Rote Flora............................................................... 107 Revolutionäre 1. MaiDemonstrationen.......................113, 141, 151 ff. Rote Hilfe e.V. (RH) ...................................149, 253 Revolutionäre Aktion Stuttgart (RAS) ...... 141 Rückkehrer ..................................166 f., 174, 185 f. RUMIYAH (Onlinemagazin) ................179, 199 340 REGISTER S sicherheitsempindliche Tätigkeit ..................................................... 310, 312 f. Saad, Maulana Ibrahim ................................... 212 Sicherheitsrisiko ........................................185, 312 Saadet Partisi (SP) ............................................... 215 Sicherheitsüberprüfung......................15, 310 ff. Sada al-Malahem (Onlinemagazin) ........... 202 Sicherheitsüberprüfungsgesetz Sag NEIN zu Drogen - (SÜG) ........................................................... 310, 313 f. Sag JA zum Leben ......................................317, 320 Sicherstellungen .............................................92, 95 Salafismus .....................164, 170 ff., 189 f., 192 f. Sikh Federation Germany (SFG) .................. 264 Salafisten/salafistisch .......... 164 ff., 170 f., 173, 186 ff., 198, 201 Sikh Federation International Germany (SFIG) ....................................................................... 264 Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC - Groupe Salafiste pour la PredicaSnake .....................................................................271 f. tion et le Combat) .............................................. 201 Social Engineering............................................. 274 Salafistische Prediger ....................................... 192 Soft-Power-Politik ............................................. 281 SALAM! Zeitschrift für junge Muslime Solidarität (Publikation).................................. 151 (Publikation) ......................................................... 213 Souveränität .................................... 64, 90, 97, 266 Scharia (islamische Rechtsordnung) ......... 190 soziale Netzwerke ..........46, 58 ff., 80, 182, 192, Scharnierfunktion ....................................112, 138 220, 245, 276, 318 Schiiten/schiitisch ....................................206, 213 Sozialismus .... 88, 128, 130, 141, 145 ff., 158 f., Schwarzer Block ........................................113, 121 239, 258 Scientific Studies and Research Center sozialismus.info (Publikation)...................... 151 (SSRC)....................................................................... 295 Sozialistische Alternative (SAV)..........151, 157 scientologische Techniken............................. 316 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend Scientology Handbuch .................................... 318 (SDAJ) .................................................128, 142, 144 f. Scientology-Organisation (SO) ... 315 f., 319 f. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ................................................................143, 158 Selbstermächtigungsschreiben ......................94 Sozialistische Gleichheitspartei Selbstverwalter.......... 23, 30 f., 47 f., 50 f., 89 ff. (SGP) ................................................................131, 148 Serxwebun (Publikation) .......................234, 249 Sozialistische Linke (SL) .........................155, 160 341 REGISTER Staatenbund Deutsches Reich .................... 94 f. Theorie21 (Publikation) .................................. 160 Staatenbund Deutschland ................................94 Think Tanks ....................................... 276, 281, 300 Staatsangehörigkeitsausweis ...........................94 TKP/ML-Hareketi (Bewegung) .................... 258 Sterk TV (Fernsehsender)................................ 249 Turan ................................................. 243, 247 f., 259 Sterka Ciwan (Publikation)............................ 251 Turan e.V.............................................. 243, 247, 248 Straßenkrawalle.................................................. 101 Türkische Hizbullah (TH) ......................173, 208 Stuart Donaldson, Ian .........................................57 Türkische Kommunistische Arbeiterbewegung (TKIH - Subkulturell geprägte Türk Komünist Isci Hareketi) ....................... 258 Rechtsextremisten ................................... 48 ff., 62 Türkische Kommunistische Partei/MarxisSWR (russischer ziviler ten-Leninisten (TKP/ML - Türk Komünist Auslandsnachrichtendienst) ......................... 303 Partisi/Marksist Leninist)......................222, 256 Syrien-Krieg.......................................................... 278 Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB)................................... 286 T Turkos MC ..........................................................247 f. Tablighi Jama'at (TJ - Gemeinschaft Turla ......................................................................... 271 der Verkündigung und Mission) ........173, 212 Tag der deutschen Zukunft (TddZ) ........... 46 f. U Tag des Ungehorsams ...................................120 f. Ülkücü-Bewegung (IdealistenBewegung) ..........................218 ff., 243 ff., 259 ff. Taleban ...........................................................170, 176 Umar, Ahmad (alias Abu Ubaidah) ............. 203 Tauhid Germany (TG)....................................... 327 ums Ganze! - kommunistisches Tavir (Publikation) ............................................. 254 Bündnis (uG) ..................................... 111, 139, 140 Teyrebazen Azadiya Kurdistan unabhängige Gemeinden ..................................94 (TAK - Freiheitsfalken Kurdistans) ............ 225 Union der Europäisch-Türkischen the future is unwritten, Leipzig ................... 139 Demokraten (UETD) ............................ 231, 287 f. Themar (Thüringen) ...................47, 62, 64 f., 67 Union der Gemeinschaften Kurdistans Theorie Organisation Praxis (KCK - Koma Civaken Kurdistan)............... 249 (TOP B3rlin) .......................................................... 139 342 REGISTER Union islamischer Gerichtshöfe ................. 203 Verschwörungstheorien .......................... 90, 246 Union Türkisch-Europäischer Vier-Säulen-Strategie ..........................................83 Demokraten e.V. (UETD) .................... 231, 287 f. virtuelle Netzwerke ..............................................90 Unsere Wahl: Klassenkampf, Revolution, Sozialismus (Publikation)............................... 141 Völkischer Flügel ...................................................73 unsere zeit (uz, Publikation) .......................... 142 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), siehe auch unstrukturiertes Personenpotenzial.....49, 51 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) .............. 249 Urkundenfälschung ......................................92, 95 Volksverteidigungseinheiten (YPG) .......... 226 Uroburos ................................................................ 271 Volksverteidigungseinheiten der Frauen (YPJ)........................................................................... 226 Ustaosmanoglu, Mahmud ............................ 215 vorbeugender personeller Uzuncelebi, Halit ............................................... 255 Sabotageschutz.................................................... 311 V W verbale Aggressivität.....................................92, 97 waffenrechtliche Erlaubnisse ..........................95 Verband anatolischer Volkskulturvereine Waisenkinderprojekt Libanon e.V. e.V............................................................................... 255 (WKP) ..............................................................205, 326 Verband der Studierenden aus Kurdistan Wechselwirkungen ..................................193, 221 (YXK)................................................................227, 233 Welcome to HellVerdeckte InformationsDemonstration ............................. 113, 120 f., 132 beschaffung .......................17, 274, 277, 280, 298 Widerstand....... 91, 96, 206, 210, 229, 231, 242, Vereinigung der neuen Weltsicht 245 in Europa e.V. (AMGT) ...................................... 216 Wirtschaftsund Finanzbüro Vereinsverbot ...........................133, 196, 205, 207 (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu).......... 234 Verlag 8. Mai GmbH .......................................... 161 Wirtschaftsschutz .........................................295 ff. Vermummung ..................................................... 113 Wissensberichte.................................................. 316 Verschlusssachen .............................................. 310 Wolfsgruß ................................................. 244, 247 f. verschwörungstheoretische Worch, Christian ........................................76 f., 87 Argumentationsmuster ..............................92, 98 343 REGISTER World Institute of Scientology Enterprises (WISE) ....................................317, 320 World Socialist Web Site (Publikation) .... 148 Y YATIM-Kinderhilfe e.V............................207, 324 Yekitiya Komalen Kurd Li Elmanya (YEK-KOM - Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) ......................... 252 Yeni Özgür Politika (YÖP, Tageszeitung) ........................ 229, 234, 249 Yürüyüs (Publikation) .........................239 f., 254 Z Zeitung zum 1. Mai 2016 ................................ 141 Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YEK) ..........................233, 352 Zündel, Ernst ...........................................................70 Zwischenstandspapier ..................................... 138 344 REGISTERANHANG Registeranhang zum Verfassungsschutzbericht 2017 In diesem Registeranhang sind die im vorliegenden Verfassungsschutzbericht genannten Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt. Gruppierungen Seitenzahl A Aktionsbüro Mittelrhein 66 al-Aqsa e.V 207, 323, 324 al-Ikhwan al-Muslimun (MB - Muslimbruderschaft) 175, 210 f. Alliance for Peace and Freedom (APF) 62, 75 f. Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu 220, 244 ff., 259 f. (ADÜTDF - Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.) al-Qaida 164, 169 f., 173, 175 ff., 199 ff. al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) 170, 173, 179, 182, 202 al-Qaida im Irak 199 al-Qaida im islamischen Maghreb (AQM) 173, 201 al-Qaida im Jemen (AQJ) 202 al-Shabab 173, 203 Anadolu Federasyonu (Anatolische Föderation) 241, 254 f. Anatolische Föderation (Anadolu Federasyonu) 241, 254 f. Antifa AK Köln 139 Antifa NT, München 139 Antifaschistische Gruppe Bremen 139, 140 Antikapitalistische Linke (AKL) 151, 157 Antikapitalistische Linke München (al[m]) 141 Antikapitalistisches Kollektiv (AKK) 61 Applied Scholastics 317 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya Karkeren Kurdistan), 118 f., 218 f., 221 ff., 245 f., alias KADEK, alias KONGRA GEL, alias KKK, alias KCK 249 ff., 285 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) 156 Autonome Nationalisten Berlin (AN Berlin) 61 AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in 253 Deutschland (AZADI e.V.) 345 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl B Babbar Khalsa Germany (BKG) 263 Babbar Khalsa International (BKI) 262 f. Basisgruppe Antifaschismus, Bremen 139 Bildungswerk für Heimat und nationale Identität e.V. 66 Blood & Honour (B&H) 57, 323 Bundesstaat Baden 95 Bundesstaat Bayern 95 Bundesstaat Sachsen 95 Bundesstaat Württemberg 95 Bürgerbewegung pro NRW (pro NRW) 50 f., 197 C Ciwanen Azad (Freie Jugend) 227 f., 230 ff., 249, 251 Clearwater Academy International 318 Combat 18 (C18) 56 ff. CRIMINON 317, 320 critique'n'act, Dresden 139 D DawaFFM 326 Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in 233, 252 Deutschland e.V. (NAV-DEM - Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye) Der III. Weg 45, 50 f., 63, 67, 70 f., 78 f., 88 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 128 ff., 137, 142 f., 145 f. Deutsches Reich 90, 92, 94 f., 98 Deutsches Reich - Freistaat Preußen 94 f. Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH (DS Verlag) 82, 86 Deutschlandvertretung der Saadet Partisi (SP) 215 Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim e.V. (DIK Hildesheim) 171, 196 Dev Genc, Devrimci Genclik 240, 242 f., 254 Devrimci Halk Kurtulus Cephesi (DHKC - 238 Revolutionäre Volksbefreiungsfront) Devrimci Halk Kurtulus Partisi (DHKP - 238 Revolutionäre Volksbefreiungspartei) Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi 218, 220, 222, 238 ff., (DHKP-C - Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) 254 f., 285, 323 346 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Devrimci Sol (Revolutionäre Linke - Organisation) 254, 323 DIE RECHTE 45, 48, 50 f., 63, 66, 69, 71, 76 f., 87 Die Wahre Religion (DWR) 171, 191 f., 327 E Ekonomi ve Maliye Bürosu 234 (EMB - Wirtschaftsund Finanzbüro) Erbakan-Stiftung 215 Europa Terra Nostra e.V. (ETN) 75 f. Europäische Aktion (EA) 60 f. Europavertretung der Erbakan-Stiftung 215 F Farben für Waisenkinder e.V. 205, 326 Fast Forward, Hannover 139 Föderation der demokratischen Aleviten e.V. (FEDA) 233 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in 220, 244 f., 259 f. Deutschland e.V. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu) Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM - 252 Yekitiya Komalen Kurd Li Elmanya) Freie Kameradschaft Dresden (FKD) 55 f. Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans 249 (KADEK - Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane) Freiheitsfalken Kurdistans (TAK - Teyrebazen Azadiya Kurdistan) 249 Freistaat Preußen 95 G GegenStandpunkt 150 Gemeinschaft der Jugend (Komalen Ciwan) 227 f., 230 ff., 249, 251 Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK - Koma Ko249 malen Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Geraer/Sozialistischer Dialog (GSoD) 159 Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) 152 f. Gruppe Freital 47 H Hai'at Tahrir al-Sham (HTS - Komitee zur Befreiung 173, 175, 180, 204 von Großsyrien) 347 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Haqqani-Netzwerk 170, 176 Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS - 164, 173, 195, 206 f., 210 Islamische Widerstandsbewegung) Hizb Allah (Partei Gottes) 164, 173, 205, 206 Hizb ut-Tahrir (HuT - Partei der Befreiung) 173, 209, 324 Höchstes Gericht - Geeinter deutscher Völker und Stämme 92 (GdVuSt) I Idealisten-Bewegung (Ülkücü-Bewegung) 218 ff., 243 ff., 259 ff. International Sikh Youth Federation (ISYF) 264 International Way to Happiness Foundation 317, 320 Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V. (IHH) 325 Interventionistische Linke (IL) 111, 138 Islamische Gemeinde Kurdistans (CIK) 233 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 173, 210 f. Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) 172, 195, 216 Islamischer Staat (IS) 164 ff., 173 ff., 193, 196 ff., 201 f., 230, 233, 235, 326 Islamischer Staat - Khorasan Provinz (ISKP) 176 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. (IZH) 173, 213 Ismail Aga Cemaati (IAC) 215 J Jaish al-Muhajirin wa-l-Ansar 198 (JAMWA - Armee der Auswanderer und Helfer) Jama'at Nusrat al-Islam wal-Muslimin 201 Jugend für Menschenrechte (Youth for Human Rights) 317, 320 Junge Nationaldemokraten (JN) 75, 84 Junge Nationalisten (JN) 45, 75, 82, 84 junge Welt (jW) 161 K Kalifatsstaat 194, 323 Kameradschaft Aryans 58 Kaukasisches Emirat 193 Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union der Gemeinschaften 249 Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Koma Komalen Kurdistan (KKK - Gemeinschaft der Kommunen 249 in Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 348 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Jugend) 227 f., 230 ff., 249, 251 Kommissarische Reichsregierung (KRR) 90 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschen317, 320 rechte e.V. (KVPM) Kommunalpolitische Vereinigung der NPD (KPV) 75, 82, 85 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE (KPF) 154 KONGRA GEL (Volkskongress Kurdistans), 249 siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane 249 (KADEK - Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans) Kritik&Praxis, Frankfurt am Main 139 Kurdische Frauenbewegung in Europa (AKKH/TJK-E) 233 L LevelUP, Tübingen 139 LIES!-Kampagne, -Projekt 171, 188, 191 f. Linke Aktion Villingen-Schwenningen 141 Linke Presse Verlags-, Förderungsund Beteiligungsgenossen161 schaft junge Welt e.G. M Maoistische Kommunistische Partei (MKP) 256 f. Marksist Leninist Komünist Parti 222, 258, 285 f. (MLKP - Marxistische Leninistische Kommunistische Partei) marx21 160 Marxistische Leninistische Kommunistische Partei 222, 258, 285 f. (MLKP - Marksist Leninist Komünist Parti) Marxistisches Forum (MF) 158 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 130 f., 146 f. Millatu Ibrahim 326 f. Milli Görüs-Bewegung 164, 166, 172 f., 214 ff. Muslimbruderschaft (MB - al-Ikhwan al-Muslimun) 173, 210 f. Muslimische Jugend in Deutschland e.V. (MJD) 211 N NARCONON 317, 320 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 14, 45 f., 48, 50 f., 62, 64, 66, 69, 71 ff., 82 ff. Nauener Gruppe 47 349 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye (NAV233, 252 DEM - Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V.) Nordische Widerstandsbewegung (NRM) 63 O Oldschool Society (OSS) 47, 55, 58 P Partei der Demokratischen Union (PYD) 226 Partei für soziale Gleichheit (PSG) 131, 148 jetzt Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - Arbeiterpartei Kurdistans), 119., 218 f., 221 ff., 245 f., alias KADEK, alias KONGRA GEL, alias KKK, alias KCK 249 ff., 285, 322 Partizan-Flügel (TKP/ML) 256 f. Perspektive Kommunismus 141 Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg (PRP HH) 141 R REBELL 146 f. redical [m], Göttingen 139 resist! 139 REVOLUTION (REVO) 152 f. Revolutionäre Aktion Stuttgart (RAS) 141 Revolutionäre Linke (Devrimci Sol - Organisation) 254, 323 Revolutionäre Perspektive Berlin (RPB) 141 Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKC - Devrimci Halk 238 Kurtulus Cephesi) Revolutionäre Volksbefreiungspartei (DHKP - Devrimci Halk 238 Kurtulus Partisi) Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C - Devrimci 218, 222, 238, 254, 285 Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) Ring Nationaler Frauen (RNF) 75, 82, 85 Rote Hilfe e.V. (RH) 149, 253 S Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben 317, 320 Scientology-Organisation (SO) 315 ff. Sozialistische Alternative (SAV) 151, 157 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 128, 144, 145 350 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) 131, 148 ehemals Partei für soziale Gleichheit (PSG) Sozialistische Linke (SL) 155, 160 Staatenbund Deutsches Reich 94 f. Staatenbund Deutschland 94 T Tablighi Jama'at (TJ - Gemeinschaft der 173, 212 Verkündigung und Mission) Taleban 170, 176 Tauhid Germany (TG) 327 Teyrebazen Azadiya Kurdistan (TAK - Freiheitsfalken Kurdistans) 225 the future is unwritten, Leipzig 139 Theorie Organisation Praxis (TOP B3rlin) 139 Turan e.V. 243, 247 f. Türkische Hizbullah (TH) 173, 208 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ 222, 256 ML - Türk Komünist Partisi/Marksist Leninist) Türk Komünist Partisi/Marksist Leninist (TKP/ML - 222, 256 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) Turkos MC 247 f. U Ülkücü-Bewegung (Idealisten-Bewegung) 218 ff., 243 ff., 259 ff. ums Ganze! - kommunistisches Bündnis (uG) 111, 139, 140 Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK - Koma Civaken 249 Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Union islamischer Gerichtshöfe 203 V Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK) 227, 233 Verlag 8. Mai GmbH 161 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), siehe auch Arbeiter249 partei Kurdistans (PKK) Volksverteidigungseinheiten (YPG) 226 Volksverteidigungseinheiten der Frauen (YPJ) 226 W Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) 205, 326 351 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Wirtschaftsund Finanzbüro 234 (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu) World Institute of Scientology Enterprises (WISE) 317, 320 Y YATIM-Kinderhilfe e.V. 207, 324 Yekitiya Komalen Kurd Li Elmanya (YEK-KOM - 252 Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) Z Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YEK) 233 352 BILDNACHWEIS Bildnachweis 59 https://pixabay.com 60 dpa 60 www.facebook.com 64 dpa 65 http://die-rechte.com 66 https://www.rhein-rausch-randale.info 66 www.facebook.com 67 https://der-dritte-weg.info 68 www.facebook.com 72 https://npd-materialdienst.de 76 www.facebook.com 77 www.facebook.com 78 https://der-dritte-weg.info 80 www.facebook.com 80 http://www.ibladen.de 81 www.twitter.com 95 https://staatenbund-deutschesreich.info 96 Pressestelle Polizei Krefeld 104 https://shutdown-hamburg.org 105 https://de.indymedia.org 106 http://rebell.info 108 http://antifainfopool.blogsport.eu 113 dpa 114 dpa 115 www.redside.tk 119 https://de.indymedia.org 121 dpa 121 https://de.indymedia.org 123 https://nationalismusistkeinealternative.net 123 https://nationalismusistkeinealternative.net 353 BILDNACHWEIS 126 www.ende-gelaende.org 127 dpa 165 dpa 169 https://telegram.org 170 https://jihadology.net 175 https://www.longwarjournal.org 175 http://fotooh.co 178 www.twitter.com 178 https://telegram.org 179 https://archive.org 180 www.twitter.com 181 https://telegram.org 182 https://jihadology.net 183 https://jihadology.net 183 www.twitter.com 186 BfV 191 www.facebook.com/diewahrereligion 193 http://occident.blogsport.com 224 www.facebook.com 226 www.facebook.com 227 dpa 243 www.facebook.com 244 www.facebook.com 244 dpa 267 BfV 268 BfV 268 Fotolia, BfV 276 Fotolia 277 dpa 279 Fotolia 287 www.twitter.com 291 BfV 354 BILDNACHWEIS 295 BfV 296 BfV 297 BfV 300 Fotolia 310 dpa 313 https://pixabay.com 314 dpa 317 www.sag-nein-zu-drogen.de 355 NOTIZEN 356 NOTIZEN 357 NOTIZEN 358 Impressum Herausgeber: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Alt-Moabit 140 10557 Berlin Redaktion: Bundesamt für Verfassungsschutz Druck: Silber Druck oHG, Niestetal Der Verfassungsschutzbericht 2017 ist auch über das Internet abrufbar, unter: www.bmi.bund.de www.verfassungsschutz.de ISSN: 0177-0357 Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. 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