Verfassungsschutzbericht 2015 Vorwort des Bundesministers des Innern Dr. Thomas de Maiziere, MdB Der Verfassungsschutzbericht 2015 informiert über Gefahren für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Dabei zählt der Bericht nicht abschließend alle verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse auf, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden Entwicklungen und deren Bewertung. Der Verfassungsschutzbericht verdeutlicht die Gefährdungen durch den politischen Extremismus, den Terrorismus oder durch Spionage. Die unverändert größte Bedrohung für unsere freien Gesellschaften stellt aktuell der international agierende islamistische Terrorismus dar. Die schrecklichen Attentate am Abend des 13. November 2015 in Paris mit Hunderten von getöteten und verletzten Menschen haben eine neue Dimension des Terrors in Europa offenbart. Auch Deutschland ist und bleibt im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus. Doch auch der enorme Anstieg rechtsextremistischer Gewalt ist alarmierend: Rechtsextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten gegen Asylbewerberunterkünfte haben sich im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr mehr als verfünffacht. Die rechtsextremistische Szene erhält nach einem jahrelangen Rückgang nun wieder Zulauf. Auch in den anderen Aufgabenbereichen des Verfassungsschutzes bleiben die Herausforderungen hoch: sowohl im gewaltbereiten Linksund Ausländerextremismus als auch in der Abwehr von Spionage und sonstigen nachrichtendienstlichen Aktivitäten gegen unser Land und gegen unsere heimische Wirtschaft. 3 VORWORT Diesem breiten Spektrum an Gefahren kann nur mit einem gut aufgestellten Verfassungsschutz begegnet werden. Dazu gehört ein spürbarer personeller Aufwuchs im Bundesamt für Verfassungsschutz. Dazu gehört aber auch ein inhaltlicher Reformprozess. Mit dem im November 2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes ist eine Neuausrichtung eingeleitet worden, durch die die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder künftig noch besser kooperieren werden. Der Verfassungsschutzbericht 2015 verdeutlicht, wie wichtig die Arbeit des Verfassungsschutzes für die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger und für die Sicherheit unseres Landes ist. Er dokumentiert die engagierte und zuverlässige Arbeit einer Institution, die einen wesentlichen Eckpfeiler im System der deutschen Sicherheitsarchitektur bildet und deren Dienste unentbehrlich sind. Dr. Thomas de Maiziere, MdB Bundesminister des lnnern 4 5 Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz als wichtiger Akteur im System der wehrhaften Demokratie I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz 15 II. Kontrolle des Verfassungsschutzes 18 III. Verfassungsschutz durch Aufklärung 19 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK 23 II. Gesamtüberblick PMK 24 III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen 25 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 25 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten 26 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund 27 1.1.2 Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten 29 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 30 2. Linksextremistisch motivierte Straftaten 31 2.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten 32 2.1.1 Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten 33 2.1.2 Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden 34 2.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 35 3. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierten Ausländerkriminalität" 36 3.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 37 6 INHALTSVERZEICHNIS Rechtsextremismus I. Überblick 40 1. Entwicklungstendenzen 40 2. Personenpotenzial 43 II. Gewalt und Militanz 46 1. Organisierte Gewalt / Ansätze für Rechtsterrorismus 47 2. Rechtsextremistische Strafund Gewalttaten mit fremdenfeindlicher Motivation bzw. gegen Flüchtlinge und Asylbewerberunterkünfte 49 3. Angriffsziele: Politiker, Journalisten, politische Gegner, Flüchtlinge und ihre Helfer 53 4. Gefährdungspotenzial 55 III. Anti-Asyl-Agitation: Anschlussfähigkeit und Radikalisierung 56 1. Ausgangslage 56 2. Hetze und Radikalisierung 57 3. Rechtsextremistische Anti-Asyl-Agitation im Internet 61 4. Rechtsextremistische Demonstrationen 62 5. Rechtsextremistische Einflussnahme 64 5.1 PEGIDA-Bewegung und Rechtspopulismus 64 5.2 Rekrutierungsfeld Hooligans 66 6. Gefährdungspotenzial 68 IV. Parteistrukturen im Rechtsextremismus 70 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 70 2. "DIE RECHTE" 74 3. "Der III. Weg" 76 4. "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") 78 5. Gefährdungspotenzial 79 V. Überblick mit Strukturdaten zu wichtigen Beobachtungsobjekten 81 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 81 1.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 83 1.2 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 84 1.3 "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) 84 1.4 "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) 85 2. "DIE RECHTE" 86 3. "Der III. Weg" 87 4. "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") 88 5. "Europäische Aktion" (EA) 89 6. "Hammerskins Deutschland" 90 7 INHALTSVERZEICHNIS Linksextremismus I. Überblick 92 1. Entwicklungstendenzen 92 2. Entwicklung des Personenpotenzials 95 3. Aktionsfelder 97 3.1 "Antifaschismus" 97 3.2 "Antirassismus" 98 3.3 "Antikapitalismus" 99 3.4 "Antirepression" 100 3.5 "Antigentrifizierung" 100 3.6 Kurdistansolidarität 101 II. Gewalt und Militanz 102 1. Konfrontative Gewalt 104 2. Personenund objektbezogene Gewalt 106 III. Gewaltorientierter Linksextremismus zwischen Kontinuität und Kurskorrektur: Strategisch-strukturelle Neuformierung 107 1. Ausgangslage der linksextremistischen Strategiedebatte 107 2. Autonome 108 2.1 Autonome Organisierungsansätze 108 3. Marxisten, Leninisten, Antiimperialisten 111 4. Gefährdungspotenzial 113 IV. Kampagnenfähigkeit der linksextremistischen Szene 114 1. Ausschreitungen bei Protesten anlässlich der offiziellen Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) 115 2. Mobilisierung und Proteste gegen den G7-Gipfel 2015 in Elmau (Bayern) 118 3. "Ende Gelände"-Kampagne gegen den Braunkohletagebau in Garzweiler (Nordrhein-Westfalen) 121 4. Gefährdungspotenzial 122 V. Überblick mit Strukturdaten zu wichtigen Beobachtungsobjekten 124 1. "Interventionistische Linke" (IL) 124 2. "[3A]*Revolutionäres Bündnis" 125 3. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) 126 4. "Neue antikapitalistische Organisation" (NaO) 128 5. "Perspektive Kommunismus" (PK) 130 6. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 132 6.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 134 7. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 135 7.1 "REBELL" 136 8. "Rote Hilfe e.V." (RH) - Gefangenenhilfsorganisation 137 9. "GegenStandpunkt" (GSP) 138 8 INHALTSVERZEICHNIS 10. "Sozialistische Alternative" (SAV), deutsche Sektion des internationalen Dachverbandes "Committee for a Worker's International" (CWI) mit Sitz in London 139 11. Offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE 140 11.1 "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) 140 11.2 "Sozialistische Linke" (SL) 141 11.3 "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si" (Cuba Si) 142 11.4 "Antikapitalistische Linke" (AKL) 143 11.5 "Marxistisches Forum" (MF) 144 11.6 "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) 145 11.7 "marx21" 146 12. "junge Welt" (jW) 147 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick 150 1. Entwicklungstendenzen 151 2. Organisationen und Personenpotenzial 154 II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland 156 1. Lage in Syrien und im Irak - Auswirkungen auf die Sicherheitslage 156 1.1 Professionelle IS-Propaganda 157 1.2 Reisebewegungen 161 1.3 Jihadisten unter Flüchtlingen 164 1.4 Gefährdungspotenzial 165 2. Lage in Afghanistan/Pakistan und auf dem indischen Subkontinent - Auswirkungen auf die Sicherheitslage 167 2.1 Gefährdungspotenzial 169 3. Lage in Somalia - Auswirkungen auf die Sicherheitslage 169 3.1 Gefährdungspotenzial 170 III. Salafistische Szene in Deutschland 170 IV. Antisemitismus im Islamismus 176 V. Staatliche Maßnahmen 181 VI. Überblick mit Strukturdaten zu wichtigen Beobachtungsobjekten 185 1. Kern-"al-Qaida" 185 2. "Islamischer Staat" (IS) 186 3. "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) 187 4. "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) 188 5. "Al-Shabab" 189 6. "Jabhat al-Nusra" (JaN) 190 9 INHALTSVERZEICHNIS 7. "Al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS) 191 8. "Hizb Allah" 192 9. HAMAS 194 10. "Nordkaukasische Separatistenbewegung" (NKSB) 195 10.1 "Tschetschenische Republik Itschkeria" (CRI) 195 10.2 "Kaukasisches Emirat" (KE) 196 11. "Türkische Hizbullah" (TH) 197 12. "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 198 13. "Muslimbruderschaft" (MB) 199 13.1 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) 200 14. "Tablighi Jama'at" (TJ) 201 15. Einfluss regimetreuer Iraner auf in Deutschland lebende Schiiten durch das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH) 202 16. "Milli Görüs"-Bewegung 203 16.1 Der "Milli Görüs"-Bewegung zuzuordnende Vereinigungen 204 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) I. Überblick 208 1. Entwicklungstendenzen 208 2. Organisationen und Personenpotenzial 211 II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 212 1. Politische Ausgangslage 212 2. Auswirkungen der krisenhaften Entwicklung in der Heimatregion auf die Sicherheitslage in Deutschland 214 3. Rekrutierung für die Guerilla 215 4. Zentrale PKK-Veranstaltungen mit hohen Teilnehmerzahlen 216 5. Hierarchische Organisationsstruktur und finanzielle Situation der PKK in Europa 217 6. Strafverfahren gegen Funktionäre der PKK 219 7. Internetaktivitäten 219 8. Gefährdungspotenzial 220 III. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 221 IV. "Ülkücü"-Bewegung 225 V. Überblick mit Strukturdaten zu wichtigen Beobachtungsobjekten 230 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 230 1.1 "Ciwanen Azad" 231 1.2 "Komalen Ciwan" 232 10 INHALTSVERZEICHNIS 1.3 "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) 232 1.4 "AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland" (AZADI e.V.) 233 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 234 2.1 "Anatolische Föderation" 235 3. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) 236 3.1 "Partizan"-Flügel 237 3.2 "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) (bis September 2002 "Ostanatolisches Gebietskomitee" - DABK) 237 4. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 238 5. "Ülkücü"-Bewegung 239 5.1 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 240 5.2 "Ülkücü"-Jugendbewegung 241 6. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 242 7. Gruppierungen des extremistischen Sikh-Spektrums 243 7.1 "Babbar Khalsa International" (BKI) 243 7.2 "Babbar Khalsa Germany" (BKG) 244 7.3 "International Sikh Youth Federation" (ISYF) 244 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick und Entwicklungstendenzen 246 II. Bedrohung durch "Elektronische Angriffe" 248 1. Gefährdungsdimension 248 2. Erkannte Angreifer 249 III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation 253 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 254 2. Methodik der Informationsgewinnung 255 3. Gefährdungspotenzial 256 IV. Nachrichtendienste der Volksrepublik China 257 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 257 2. Methodik der Informationsgewinnung 258 3. Gefährdungspotenzial 259 V. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran 260 VI. Nachrichtendienste sonstiger Staaten 262 VII. Proliferation 264 1. Islamische Republik Iran 265 11 INHALTSVERZEICHNIS 2. Weitere Staaten mit Beschaffungsaktivitäten 266 VIII. Wirtschaftsschutz 267 IX. Festnahmen und Verurteilungen 269 X. Methodische Vorgehensweisen ausländischer Nachrichtendienste 269 1. Spionage mit menschlichen Quellen 269 2. Spionage mit technischen Mitteln 271 XI. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 275 1. Strukturen und Aufgaben russischer Nachrichtendienste 275 2. Strukturen und Aufgaben chinesischer Nachrichtendienste 276 3. Strukturen und Aufgaben iranischer Nachrichtendienste 279 "Scientology-Organisation" (SO) 281 Anhang Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2015 288 Register 294 Registeranhang 308 Bildnachweis 316 12 Verfassungsschutz als wichtiger Akteur im System der wehrhaften Demokratie Politisch motivierte Kriminalität 13 Verfassungsschutz als wichtiger Akteur im System der wehrhaften Demokratie Wehrhafte Eine der vorrangigen Aufgaben des Staates ist es, Sicherheit und Demokratie Freiheit für seine Bürger zu garantieren. Sicherheit ist die Grundlage, auf der Freiheit sich erst vollends entfalten kann. Die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland ist an die grundlegenden Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gebunden. Die Grundsätze einer wehrhaften Demokratie und die Unverletzlichkeit grundlegender Normen der Werteordnung finden ihre Konkretisierung in einer Reihe von Vorschriften des Grundgesetzes (GG): # Nach Art. 79 Abs. 3 GG sind wesentliche Grundsätze unabänderlich, insbesondere der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG, und die in Art. 20 GG enthaltenen Prinzipien der staatlichen Ordnung (Demokratie, Föderalismus, Rechtsund Sozialstaatlichkeit). # Parteien können nach Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden. # Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten. Voraussetzung für die Abwehr der von Feinden der demokratischen Grundordnung ausgehenden Gefahr ist eine umfassende Information der staatlichen Organe und der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Entwicklungen. Zur Sammlung von Unterlagen und Erkenntnissen über derartige Bestrebungen und sicherheitsgefährdende Tätigkeiten sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) eingerichtet worden und bilden einen festen, untrennbaren Bestandteil der wehrhaften Demokratie. Strukturdaten gemäß Im Jahr 2015 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz 2.813 SS 16 Abs. 2 Bundes(2014: 2.783) Bedienstete. Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt verfassungsschutzbetrug 222.480.785 Euro (2014: 205.956.162 Euro). gesetz 14 VERFASSUNGSSCHUTZ ALS WICHTIGER AKTEUR IM SYSTEM DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Der Militärische Abschirmdienst hatte 1.086 (2014: 1.067) Bedienstete und erhielt aus dem Bundeshaushalt einen Zuschuss von 75.554.628 Euro (2014: 72.250.895 Euro). Anfang 2016 waren von Bund und Ländern im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 1.851.584 (Anfang 2015: 1.807.023) personenbezogene Eintragungen enthalten, davon 1.405.920 Eintragungen (75,9%, Anfang 2015: 76,2%) aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen oder Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach den Bestimmungen des Luftsicherheitsgesetzes oder des Atomgesetzes. I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz Dem Verfassungsschutz kommt in der deutschen SicherheitsarAufgaben chitektur die Aufgabe zu, Gefahren durch den politischen Extremismus, den Terrorismus und deren Entwicklungspotenziale sowie die Bedrohungen durch Spionageaktivitäten weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen einzuschätzen. Darüber hinaus wirkt der Verfassungsschutz im Bereich des Geheimund Sabotageschutzes mit (z.B. durch Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen arbeiten). Sein wesentliches Betätigungsfeld - niedergelegt in SS 3 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) - besteht in der Sammlung und Auswertung von Informationen über # Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, # sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in Deutschland für eine fremde Macht, # Bestrebungen im Geltungsbereich des BVerfSchG, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 15 VERFASSUNGSSCHUTZ ALS WICHTIGER AKTEUR IM SYSTEM DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE # Bestrebungen in Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Im Sinne eines effektiven "Frühwarnsystems" erstellt der Verfassungsschutz Lagebilder und Analysen, die es der Bundesregierung und den Landesregierungen ermöglichen, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit einzuleiten. Einzelne Erkenntnisse übermittelt der Verfassungsschutz, dem selbst keinerlei polizeiliche Befugnisse zustehen, an Polizei und Staatsanwaltschaft, um exekutive Maßnahmen zu unterstützen. Die zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen sind im Lichte konkreter Bedrohungen immer wieder neu zu bestimmen. Gesetz zur VerbesseDas am 21. November 2015 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesrung der Zusammenserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes arbeit ist ein essenzieller Baustein bei der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses und ein weiterer konsequenter Schritt im Reformprozess des BfV und der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes. Zentrale Ziele des Gesetzes sind: # Stärkung der Zentralstellenfunktion und des Verbundes Dem BfV kommt eine gesetzlich normierte Koordinierungsaufgabe zu, die auf eine Stärkung des Verfassungsschutzverbundes durch optimiertes Zusammenwirken der Behörden zielt. Zudem ist das BfV nun berechtigt, im Benehmen mit dem jeweiligen Land eigenständig auch lediglich lokale, aber gewaltorientierte Bestrebungen zu beobachten. Diese Regelung dient dazu, etwaige Beobachtungslücken in diesem Bereich zu schließen. # Verbesserung des Informationsflusses und Ausbau der Analysefähigkeit Künftig müssen alle relevanten Informationen zwischen den Verfassungsschutzbehörden ausgetauscht werden. Dem BfV kommt hierbei die Aufgabe zu, Informationen über Bestrebungen bzw. Tätigkeiten i.S. des SS 3 Abs. 1 BVerfSchG zentral 16 VERFASSUNGSSCHUTZ ALS WICHTIGER AKTEUR IM SYSTEM DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE zusammenzuführen und länderübergreifend auszuwerten. Erst hierdurch wird es möglich, Strukturen verbessert zu erkennen und gefährliche Informationsinseln zu vermeiden. # Klare Regelungen zum Einsatz von V-Leuten V-Leute sind für den Nachrichtendienst ein unersetzliches Mittel zur Aufklärung von mitunter hoch konspirativ agierenden extremistischen Gruppierungen. Auswahl und Führung von V-Leuten haben nunmehr einen klaren transparenten Rahmen. Zudem wurden eindeutige Regelungen zum Einsatzrahmen von V-Leuten - einschließlich der Einsatzbeendigung bei begangenen Straftaten - gesetzlich normiert. # Neuregelung der Öffentlichkeitsarbeit Sachgerechte Information ist die notwendige Voraussetzung für die gebotene Auseinandersetzung mit Extremismus. Das BfV wird hier verstärkt auf Anforderungen der Medien wie auch öffentlicher oder zivilgesellschaftlicher Akteure eingehen, ohne eine Institution der politischen Bildung zu sein. Die zur sachgerechten Öffentlichkeitsunterrichtung unter Umständen erforderliche Bekanntgabe personenbezogener Daten darf neben dem BMI nunmehr auch durch das BfV vorgenommen werden. Die Verfassungsschutzbehörden arbeiten mit anderen deutschen Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden in Kompetenzzentren zusammen. Diese deutschen Sichergewährleisten die Bündelung von Fachwissen ebenso wie den heitsbehörden schnellen Austausch von Informationen und Analysen. Bei den Informationsund Kommunikationsplattformen - so das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ, seit Ende 2004) und das Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus, des Linksextremismus/-terrorismus, des Ausländerextremismus/terrorismus und der Spionage einschließlich proliferationsrelevanter Aspekte (GETZ, seit Ende 2012) - handelt es sich nicht um eigenständige Behörden. Einen wesentlichen Erkenntnisgewinn erzielt der VerfassungsInternationale schutz des Weiteren durch die Zusammenarbeit mit ausländiZusammenarbeit schen Partnerdiensten und in internationalen Gremien. Diese Kooperation ist insbesondere vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberattacken 17 VERFASSUNGSSCHUTZ ALS WICHTIGER AKTEUR IM SYSTEM DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE von überragender Bedeutung. Sie bleibt auszubauen und muss im Informationsaustausch und der gemeinsamen Analyse auch verbessert die Möglichkeiten zeitgemäßer IT nutzen. InformationsEinen erheblichen Teil ihrer Informationen gewinnen die Verfasgewinnung sungsschutzbehörden aus allgemein zugänglichen Quellen. Fremde Nachrichtendienste, Extremisten und Terroristen arbeiten indes konspirativ und legen ihre Ziele nicht offen dar. Entsprechend ist der Verfassungsschutz befugt, im Rahmen gesetzlich festgelegter Grenzen und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsbeschaffung einzusetzen, wie z.B. Observationen und Telefonüberwachungen. II. Kontrolle des Verfassungsschutzes Bundesregierung Die Tätigkeit des BfV unterliegt einer vielfältigen Überprüfung. Hierzu gehört die Fachaufsicht durch das Bundesministerium des Innern (BMI). Parlamentarisches Die Bundesregierung unterliegt - auch in Bezug auf die Arbeit des Kontrollgremium Verfassungsschutzes - der Kontrolle durch den Deutschen Bundestag. Zur Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle ist beim Deutschen Bundestag ein Kontrollgremium eingerichtet, das von der Bundesregierung regelmäßig und umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichtet wird. Auf Verlangen ist das Parlamentarische Kontrollgremium auch über sonstige Vorgänge zu unterrichten. G 10-Kommission Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Art. 10 GG werden durch die vom Parlamentarischen Kontrollgremium bestellte unabhängige G 10-Kommission auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit überprüft. Bundesbeauftragte Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informatifür den Datenschutz onsfreiheit (BfDI) unterzieht das BfV einer kontinuierlichen Überund die Informaprüfung. Grundlage sind die datenschutzrechtlichen Bestimmuntionsfreiheit (BfDI) gen im BVerfSchG und in den spezialgesetzlichen Regelungen, die 18 VERFASSUNGSSCHUTZ ALS WICHTIGER AKTEUR IM SYSTEM DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE den Aufgabenbereich des BfV berühren (z.B. das Ausländerzentralregister). Das BfV ist gesetzlich verpflichtet, Betroffenen auf Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, soweit auf einen konkreten Sachverhalt hingewiesen und ein besonderes Interesse an der Auskunft dargelegt wird (SS 15 Abs. 1 BVerfSchG). Die Auskunft unterbleibt nur dann, wenn einer der in SS 15 Abs. 2 BVerfSchG bezeichneten Verweigerungsgründe vorliegt. Maßnahmen des BfV, die nach Darstellung der Betroffenen diese Gerichte in ihren Rechten beeinträchtigen, unterliegen der gerichtlichen Nachprüfung. III. Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Aufgabe Verfassungsschutz durch Aufklärung wird auf Bundesebene gemeinsam vom BMI und BfV wahrgenommen. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann dauerhaft nicht ohne eine geistig-politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ausprägungen des Extremismus bewahrt werden. Eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes stellt daher die fundierte Aufklärung und Informationsvermittlung über Art und Umfang extremistischer Bedrohung dar. Der jährliche Verfassungsschutzbericht beruht auf den ErkenntVerfassungsschutznissen, die das BfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags bericht zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat. Der Verfassungsschutzbericht stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen und deren Bewertung. Informationen zu ideologischen Hintergründen, Strukturdaten, Aktivitäten und Publikationen zu den wichtigsten Beobachtungsobjekten 19 VERFASSUNGSSCHUTZ ALS WICHTIGER AKTEUR IM SYSTEM DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE des Verfassungsschutzes befinden sich in entsprechenden Einzelübersichten im Anschluss an die jeweiligen Berichtsteile. Personenpotenzial Die Zahlenangaben zum Mitgliederpotenzial der im Bericht genannten Personenzusammenschlüsse beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland und sind z.T. geschätzt und gerundet. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass den Verfassungsschutzbehörden nicht zu allen Mitgliedern dieser Personenzusammenschlüsse individuelle Erkenntnisse vorliegen. www.verfassungsDas BfV informiert im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit mit schutz.de einem umfangreichen Internetangebot sowie weiteren Publikationen über aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Arbeitsfeldern. Ausstellungen Die drei Wanderausstellungen1 des BfV verzeichneten im Jahr 2015 eine rückläufige Besucherzahl von annähernd 64.000 Personen. Newsletter Die Abonnentenzahl des vierteljährlich angebotenen Newsletters entwickelte sich weiterhin positiv. Neben Beiträgen zu wichtigen Ereignissen in den einzelnen Bereichen des Extremismus enthält er phänomenübergreifende Artikel sowie Interviews der Amtsleitung und Hinweise auf neue BfV-Publikationen. Ansprechpartner In allen Fragen des Verfassungsschutzes steht das Bundesamt für Verfassungsschutz Merianstr. 100 50765 Köln Tel.: 0221/792-0 oder 03018-792-0 Telefax: 0221/792-2915 oder 03018-10-792-2915 E-Mail: poststelle@bfv.bund.de als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung. 1 "Die braune Falle - Eine rechtsextremistische 'Karriere'" "Es betrifft Dich! Demokratie schützen - Gegen Extremismus in Deutschland" "Die missbrauchte Religion - Islamisten in Deutschland" 20 VERFASSUNGSSCHUTZ ALS WICHTIGER AKTEUR IM SYSTEM DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Zu einzelnen Phänomenbereichen hat der Verfassungsschutz Telefone eingerichtet, über die eine Kontaktaufnahme jederzeit möglich ist: # Für Hinweise auf Planungen und Tatvorbereitungen im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus hat das BfV ein vertrauliches Hinweistelefon eingerichtet: Telefon: 0221-792-3366 oder 03018-792-0 E-Mail: HiT@bfv.bund.de # Für Ausstiegswillige aus dem Rechtsextremismus existiert ein Aussteigerprogramm mit dem Experten des Verfassungsschutzes Ausstiegswillige beraten und betreuen: Telefon: 0221-792-62 oder 03018-792-0 E-Mail: aussteiger@bfv.bund.de # Ebenso gibt es für Linksextremisten ein spezielles Aussteigerprogramm, das Hilfesuchenden eine Vielzahl an unterstützenden Maßnahmen anbietet: Telefon: 0221-792-6600 oder 03018-792-0 E-Mail: aussteiger@bfv.bund.de 21 22 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK Als "Politisch motivierte Kriminalität" werden alle Straftaten bezeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Als solche klassischen Staatsschutzdelikte gelten die folgenden Straftatbestände: SSSS 80-83, 84-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB). Auch Straftaten, die in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie z.B. Tötungsund Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), fallen unter "Politisch motivierte Kriminalität", wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind, weil sie # den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, # sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, # durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, # sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten (sogenannte Hasskriminalität); dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden. 23 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen zu den politisch motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). II. Gesamtüberblick PMK Das BKA registrierte für das Jahr 2015 insgesamt 38.981 (2014: 32.700) politisch motivierte Straftaten. Davon sind 13.687 (35,1%) Propagandadelikte (2014: 12.543 Delikte = 38,4%). 4.402 Straftaten (11,3%) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuordnen (2014: 3.368 = 10,3%). Politisch motivierte Nach Phänomenbereichen unterschieden wurden 22.960 (2014: Straftaten nach 17.020) Straftaten dem Bereich "Politisch motivierte KriminaliPhänomenbereichen tät - rechts", 9.605 (2014: 8.113) dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" und 2.025 (2014: 2.549) dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" zugeordnet. Bei 4.391 (2014: 5.018) Straftaten konnte keine Zuordnung zu einem der o.g. Phänomenbereiche getroffen werden. Extremistisch Insgesamt wurden 29.681 Straftaten (76,1%) mit extremistischem motivierte Straftaten Hintergrund ausgewiesen (2014: 23.909 = 73,1%). Bei diesen Straftaten gab es Anhaltspunkte dafür, dass sie darauf abzielten, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind. Von den 29.681 Straftaten konnten 21.933 (2014: 16.559) dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts", 5.620 (2014: 4.424) dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" und 1.524 (2014: 2.014) dem Bereich der "Politisch motivierten Ausländerkriminalität" zugeordnet werden. 604 (2014: 912) Straftaten mit einem extremistischen Hintergrund wurden ohne Zuordnung zu einem bestimmten Phänomenbereich gemeldet. 24 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen Extremistisch motivierte Straftaten bilden eine Teilmenge des Phänomenbereichs "Politisch motivierte Kriminalität". Es handelt sich um diejenigen Straftaten, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind. 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - Erneuter Anstieg rechts" wurden 22.960 (2014: 17.020) Straftaten zugeordnet, hierrechtsextremistivon 12.175 (2014: 11.071) Propagandadelikte nach SSSS 86, 86a StGB scher Straftaten und und 1.485 (2014: 1.029) Gewalttaten. Als Teilmenge dieses Phänoinsbesondere der menbereichs wurden 21.933 (2014: 16.559) Straftaten mit rechtsGewalttaten extremistischem Hintergrund erfasst, darunter 1.408 (2014: 990) Gewalttaten. Dies entspricht einem Anstieg der Gewalttaten um 42,2%. Wie bereits im Vorjahr handelte es sich ganz überwiegend um Körperverletzungsdelikte. 25 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund 2 Gewalttaten: 2014 2015 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 1 8 Körperverletzungen 871 1.116 Brandstiftungen 21 99 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 6 18 Landfriedensbruch 23 42 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 5 10 Freiheitsberaubung 1 0 Raub 8 23 Erpressung 7 7 Widerstandsdelikte 45 84 Sexualdelikte 2 1 gesamt 990 1.408 Sachbeschädigungen 819 1.243 Nötigung/Bedrohung 209 443 Propagandadelikte 11.055 12.154 Störung der Totenruhe 12 9 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung 3.474 6.676 gesamt 15.569 20.525 Straftaten insgesamt 16.559 21.933 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten Mit 918 Delikten (2014: 512) nahm die Zahl rechtsextremistischer fremdenfeindlicher Gewalttaten um 79,6% zu. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund sank im Jahr 2015 auf insgesamt 1.236 Taten (2014: 1.328); bei den Gewalttaten war hingegen nur ein leichter Rückgang auf 29 (2014: 31) zu verzeichnen. 2 Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Die Übersicht enthält - mit Ausnahme der Tötungsdelikte - vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind z.B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 26 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * Gesamt Fremdenfeindliche Gewalttaten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Gewalttaten gegen sonstige politische Gegner Antisemitische Gewalttaten 01.01.-31.12.2014 01.01.-31.12.2015 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Es sind nur die wichtigsten Zielrichtungen berücksichtigt. Da die erfassten Sachverhalte im Rahmen einer mehrdimensionalen Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet werden, können Gewalttaten unter mehreren Zielrichtungen subsumiert sein. 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund Im Jahr 2015 setzte sich die seit Jahren steigende Anzahl der Körperverletzungen im Bereich rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund fort. Sieben der insgesamt acht versuchten Tötungsdelikte hatten einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte stiegen im Jahr 2015 drastisch 27 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT an (2014: 170, 2015: 894). Der Anteil der Gewalttaten gegen Asylbewerberunterkünfte hat sich mehr als verfünffacht im Jahr 2015 (2014: 25, 2015: 153); die Zahl der Brandanschläge stieg dramatisch auf 75 Delikte (2014: fünf) an. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund 3 Gewalttaten: 2014 2015 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 1 7 Körperverletzungen 464 756 Brandstiftungen 16 83 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 5 11 Landfriedensbruch 8 16 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 4 4 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 5 16 Erpressung 2 3 Widerstandsdelikte 6 21 Sexualdelikte 1 1 Fremdenfeindliche Gewalttaten insgesamt 512 918 3 Siehe Fußnote 2. 28 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1.2 Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten nahm gegenüber dem Vorjahr um 81,3% zu. Körperverletzungsdelikte sind weiterhin die am häufigsten verübten Gewalttaten. Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten 4 Gewalttaten: 2014 2015 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 1 Körperverletzungen 127 215 Brandstiftungen 1 5 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 1 4 Landfriedensbruch 5 14 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 1 1 Freiheitsberaubung 1 0 Raub 2 4 Erpressung 0 1 Widerstandsdelikte 1 7 gesamt 139 252 4 Siehe Fußnote 2. 29 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ereigneten sich mit 288 registrierten Delikten in Nordrhein-Westfalen. Danach folgen - in absoluten Zahlen - Sachsen (201), Berlin (132) und Brandenburg (128). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * in den Ländern 01.01.-31.12.2015 01.01.-31.12.2014 288 Nordrhein-Westfalen 370 201 Sachsen 83 132 Berlin 96 128 Brandenburg 73 95 Sachsen-Anhalt 46 Mecklenburg94 Vorpommern 35 91 Bayern 66 89 Niedersachsen 53 73 Thüringen 49 71 Baden-Württemberg 23 45 Rheinland-Pfalz 32 38 Schleswig-Holstein 21 25 Hamburg 17 20 Hessen 21 13 Saarland 2 5 Bremen 3 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 30 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 2. Linksextremistisch motivierte Straftaten Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" Hoher Anstieg wurden 9.605 (2014: 8.113) Straftaten zugeordnet, hiervon 2.246 linksextremistischer (2014: 1.664) Gewalttaten. In diesem Bereich wurden als TeilStrafund Gewaltmenge 5.620 (2014: 4.424) Straftaten mit linksextremistischem taten Hintergrund erfasst, darunter 1.608 (2014: 995) Gewalttaten. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg um 27%, die der Gewalttaten drastisch um 61,6% an. Im Jahr 2015 wurden acht versuchte linksmotivierte Tötungsdelikte mit extremistischem Hintergrund verübt (2014: sieben). Linksextremistisch motivierte Straftaten 5 Gewalttaten: 2014 2015 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 7 8 Körperverletzungen 633 986 Brandstiftungen 62 69 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 1 4 Landfriedensbruch 116 256 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 44 46 Freiheitsberaubung 1 0 Raub 15 21 Erpressung 1 2 Widerstandsdelikte 115 216 gesamt 995 1.608 Sachbeschädigungen 1.974 1.731 Nötigung/Bedrohung 68 84 Andere Straftaten 1.387 2.197 gesamt 3.429 4.012 Straftaten insgesamt 4.424 5.620 5 Siehe Fußnote 2. 31 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 2.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten Von den linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden 1.032 Fälle (2014: 623) im Themenfeld "Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden", 833 (2014: 367) "Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten", 572 (2014: 326) "Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole" sowie 54 Gewalttaten (2014: 60) im Themenfeld "Kampagne gegen Umstrukturierung" ausgewiesen. Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * Gesamt Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole Kampagne gegen Umstrukturierung 01.01.-31.12.2014 01.01.-31.12.2015 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Es sind nur die wichtigsten Zielrichtungen berücksichtigt. Da die erfassten Sachverhalte im Rahmen einer mehrdimensionalen Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet werden, können Gewalttaten unter mehreren Zielrichtungen subsumiert sein. 32 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 2.1.1 Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Anstieg der Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten um 127% zu verzeichnen. Fast zwei Drittel der Gewalttaten sind Körperverletzungsdelikte, gefolgt von Landfriedensbruchdelikten. Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten 6 Gewalttaten 2014 2015 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 2 1 Körperverletzungen 230 547 Brandstiftungen 21 25 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 2 Landfriedensbruch 45 120 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 26 22 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 11 16 Erpressung 0 2 Widerstandsdelikte 32 98 gesamt 367 833 6 Siehe Fußnote 2. 33 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 2.1.2 Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden Die Zahl der Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden stieg gegenüber dem Vorjahr um 65,7%. Neben den Protestmobilisierungen des letzten Jahres, so z.B. in Frankfurt a.M. im März 2015 anlässlich der offiziellen Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank, führte auch die gesteigerte Auseinandersetzung mit dem "politischen Gegner" zu massiver Aggression gegen die Polizei. Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden7 Gewalttaten 2014 2015 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 6 6 Körperverletzungen 382 600 Brandstiftungen 16 9 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 1 3 Landfriedensbruch 93 183 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 6 16 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 0 2 Erpressung 0 0 Widerstandsdelikte 119 213 gesamt 623 1.032 7 Siehe Fußnote 2. 34 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 2.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten ereigneten sich mit 401 registrierten Delikten in Nordrhein-Westfalen. Danach folgen - in absoluten Zahlen - Sachsen (283) und Hamburg (211). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * in den Ländern 01.01.-31.12.2015 01.01.-31.12.2014 401 Nordrhein-Westfalen 199 283 Sachsen 154 211 Hamburg 219 135 Baden-Württemberg 78 122 Bayern 50 108 Niedersachsen 98 86 Hessen 16 83 Berlin 86 Mecklenburg63 Vorpommern 34 48 Brandenburg 29 22 Schleswig-Holstein 4 15 Sachsen-Anhalt 12 13 Rheinland-Pfalz 7 8 Thüringen 0 6 Saarland 3 4 Bremen 6 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 35 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierten Ausländerkriminalität" Der Phänomenbereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" umfasst auch die Teilmenge der politisch motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund. Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" wurden 2.025 (2014: 2.549) Straftaten zugeordnet, hiervon 345 (2014: 390) Gewalttaten. In diesem Bereich wurden 1.524 (2014: 2.014) Straftaten mit extremistischem Hintergrund erfasst, darunter 235 (2014: 259) Gewalttaten. Damit sank die Zahl der Straftaten im Bereich "Politisch motivierter Ausländerkriminalität" mit extremistischem Hintergrund um 24,3%, die der Gewalttaten lediglich um 9,3%. Im Bereich der extremistisch motivierten Ausländerkriminalität waren drei versuchte Tötungsdelikte zu verzeichnen (2014: sechs). Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" 8 Gewalttaten: 2014 2015 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 6 3 Körperverletzungen 200 177 Brandstiftungen 2 11 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 1 Landfriedensbruch 28 21 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 1 2 Freiheitsberaubung 0 2 Raub 4 6 Erpressung 1 2 Widerstandsdelikte 17 10 gesamt 259 235 Sachbeschädigungen 136 175 Nötigung/Bedrohung 72 97 Andere Straftaten 1.547 1.017 gesamt 1.755 1.289 Straftaten insgesamt 2.014 1.524 8 Siehe Fußnote 2. 36 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" ereigneten sich mit 64 registrierten Delikten in Baden-Württemberg. Danach folgen - in absoluten Zahlen - Nordrhein-Westfalen (58) und Niedersachsen (40). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" * in den Ländern 01.01.-31.12.2015 01.01.-31.12.2014 64 Baden-Württemberg 22 58 Nordrhein-Westfalen 121 40 Niedersachsen 12 25 Berlin 17 11 Bayern 30 9 Hessen 3 7 Sachsen 8 4 Brandenburg 4 4 Hamburg 32 Mecklenburg- 4 Vorpommern 2 4 Schleswig-Holstein 1 4 Thüringen 0 1 Rheinland-Pfalz 3 0 Bremen 3 0 Sachsen-Anhalt 1 0 Saarland 0 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 37 38 Rechtsextremismus 39 Rechtsextremismus I. Überblick Im Rechtsextremismus herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder Rasse entscheide über den Wert eines Menschen. In der ethnisch-rassistisch definierten "Volksgemeinschaft" werden zentrale Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung missachtet. Hauptaspekte rechtsextremistischer Agitation sind Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Antisemitismus9 und Geschichtsrevisionismus sowie eine grundsätzliche Demokratiefeindschaft. 1. Entwicklungstendenzen Anti-Asyl-Agitation: Der exorbitante Anstieg rechtsextremistischer Gewalt und die Anstieg von Gewalt zunehmende Anschlussfähigkeit des Rechtsextremismus sind und Militanz zwei Entwicklungen, die für das Berichtsjahr prägend sind. Ausgehend von der angestiegenen Zahl an Flüchtlingen entwickelte sich eine Anti-Asyl-Agitation, die zum beherrschenden Thema im Jahr 2015 wurde. Sie ist von einer schwindenden Abgrenzung zum Rechtsextremismus und einer Akzeptanz von Gewalt und Militanz in Teilen der Bevölkerung geprägt. In einer tief polarisierten Gesellschaft stehen sich Befürworter und Gegner einer offenen Asylpolitik scheinbar kompromisslos gegenüber. Angst vor sozialer Unsicherheit und einem Staatsversagen sind entscheidende Motive einer kritischen Klientel. Sie werden von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten in Richtung einer fundamentalen Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates gelenkt. Die Anti-Asyl-Agitation schafft einen Resonanzboden für rechtsextremistische Ideologiefragmente (Enttabuisierung). Rechtsextremistische Protagonisten sind teilweise ein integraler Teil der Proteste. Damit wird an vielen Orten ein Nährboden verfassungsfeindlicher Agitation etabliert. Der Rechtsextremismus gewinnt an Anschlussfähigkeit. 9 Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Antisemitismus im politischen Extremismus. Ideologische Grundlagen und Argumentationsformen, Köln 2016, abrufbar unter: www.verfassungsschutz.de. 40 RECHTSEXTREMISMUS In den organisatorisch und personell höchst unterschiedlichen Ausformungen der Proteste wird deutlich, dass das Thema Asyl/ Flüchtlinge geeignet ist, aus Einstellungspotenzialen Handlungsorientierungen zu generieren. Empirische Befunde der Sozialwissenschaften belegen teilweise hohe Zustimmungswerte zu einzelnen fremdenfeindlichen und rassistischen Aussagen. In der gegenwärtigen angespannten Situation treten diese bislang untergründigen Strömungen deutlich an die Öffentlichkeit - im Internet, auf den Straßen und auch in Form von Brandanschlägen. Auf unzähligen Internetseiten finden sich Gewaltfantasien und Rechtsextremistische eine Entmenschlichung der Fremden und politischen Gegner. Konstrukte erzeugen Mit ihnen wird ein unmittelbarer Handlungsdruck erzeugt, der Handlungsdruck: von den Rechtsextremisten mit ihren ideologischen Konstrukten Gewalt und Militanz einer "Überfremdung" und eines drohenden "Volkstodes" angeheizt wird. Sie schaffen den Nährboden für Militanz und Gewalt mit dem Ergebnis enorm angestiegener Gewalttaten. Besonders deutlich wird dies bei der Entwicklung rechtsextremistisch motivierter Strafund Gewalttaten gegen Asylbewerberunterkünfte. Wurden im Jahr 2014 insgesamt 170 Straftaten (davon 25 Gewalttaten) verübt, sind es 2015 mehr als fünfmal so viele: 894 Straftaten, darunter 153 Gewaltdelikte. Angestiegen ist auch die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten (um 1.300 auf 11.800). Eine Vielzahl der rechtsextremistischen Gewalttaten im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage erfolgt indes nicht aus dem organisierten Rechtsextremismus. Die Mehrzahl der Täter ist vielmehr bislang nicht in rechtsextremistischen Zusammenhängen in Erscheinung getreten. Neben den Flüchtlingen selbst gehören vor allem Politiker, Journalisten und Menschen, die sich in der Flüchtlingsfrage engagieren, zum Feindbild einer radikalisierten Anti-Asyl-Bewegung. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten versuchen Militanz in Militanz als strateein übergeordnetes Handlungssystem zu integrieren und als vergisches Konzept: fassungsrechtlich legitim darzustellen. Mit Verweis auf Artikel 20 Diskussion um Absatz 4 Grundgesetz begründen sie ein vermeintliches Recht auf Widerstandsrecht Widerstand, um den Staat und seine Organe als verfassungsfeindlich zu diffamieren und gleichzeitig Gesetzesverstöße, Militanz und Gewalt zu legitimieren. 41 RECHTSEXTREMISMUS Neonazis, rechtsextremistische Parteien und Kräfte aus dem rechtspopulistischen beziehungsweise -intellektuellen Spektrum, die teilweise über eine breite organisationspolitische Erfahrung, ideologische Konzepte und eine alternative Publizistik verfügen, erhöhen somit die Gefahr, dass sich aufgrund ihrer scharfen Anti-Asyl-Agitation eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung formt. Für sie sind bürgerkriegsähnliche Zustände nur eine Frage der Zeit, für die sie bereits jetzt vorschlagen, Vorkehrungen zu treffen, beispielsweise in Form von Bürgerwehren oder auch durch Bewaffnung. Die Diktion der Rechtsextremisten ist auf Eskalation gerichtet - sie beschwören ein Szenario ethnisch-kultureller Konflikte, vor dem sie zu warnen vorgeben, während sie in Wahrheit versuchen, Konflikte zu schüren. Gefahr des Soziale Netzwerke spielen bei Agitation und Radikalisierung eine Rechtsterrorismus wichtige Rolle. Die enthemmte Hetze im Internet kann zu einer individuellen oder kollektiven Radikalisierung führen. Zunächst rein virtuelle Gruppen festigen und radikalisieren sich im Internet, um später Aktionen in der Realwelt durchzuführen. Mit den Exekutivmaßnahmen gegen Mitglieder der "Oldschool Society" (OSS) gelang es den Sicherheitsbehörden, eine Gruppierung mit mutmaßlich rechtsterroristischer Zielsetzung zu zerschlagen. Nach wie vor besteht jedoch die Gefahr, dass sich in einer derart aufgeheizten Stimmung gegen Flüchtlinge ähnliche Gruppierungen herausbilden oder radikalisierte Einzeltäter schwere Gewalttaten verüben. RechtsextremisDer Rechtsextremismus profitiert von einer schwindenden mus gewinnt an Abgrenzung: Seine Mobilisierungsfähigkeit steigt an und seine Anschlussfähigkeit Themen werden zunehmend diskutiert. Der organisierte Rechtsextremismus stellt den Protesten seine Infrastruktur zur Verfügung und ist bereit, dort, wo es erwünscht ist, rhetorisch abzurüsten und an anderer Stelle die Hetze zu verschärfen. Die militanten Teile fühlen sich als "Vollstrecker" eines vermeintlichen "Volkswillens". 42 RECHTSEXTREMISMUS Profitiert haben insbesondere auch die rechtsextremistischen Parteien Parteien. Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) hat die innerparteilichen Machtkämpfe eingedämmt und sich auf niedrigem Niveau konsolidiert. Die neonazistischen Parteien "DIE RECHTE" und "Der III. Weg", die im Berichtsjahr ihre Strukturen ausbauen konnten, stünden als Auffangbecken für Neonazis bei einem Verbot der NPD zur Verfügung. Das mit der Anti-Asyl-Agitation einhergehende gesteigerte Wechselwirkungen Selbstbewusstsein in der rechtsextremistischen Szene erhöht das der Extremismen Gewaltpotenzial zwischen den Extremismen. Rechtsextremisten kalkulieren Auseinandersetzungen mit linksextremistischen Gegendemonstranten ein. Eine Gewalteskalation wird zumindest billigend in Kauf genommen, wenn sie nicht sogar erwünscht ist und herbeigeführt werden soll. Jihadistische Anschläge in Europa führen immer wieder zu propagandistischen Aufwallungen im Rechtsextremismus und neuen Versuchen, die Gefährdungslage zu dramatisieren und als ethnisch-kulturellen Konflikt darzustellen. Auch wenn bislang unmittelbare Aktionen der gewaltorientierten rechtsextremistischen Szene gegen Salafisten ausgeblieben sind, besteht hier doch ein erhebliches Konfliktund Radikalisierungspotenzial. 2. Personenpotenzial Das rechtsextremistische Personenpotenzial belief sich Ende 2015 auf insgesamt 22.600 Personen (2014: 21.000). Damit erhielt die rechtsextremistische Szene nach einem jahrelangen Rückgang wieder Zulauf. Als begünstigend hierfür kann die dynamische Entwicklung im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise und der sich damit für Rechtsextremisten ergebenden Aktionsfelder gewertet werden. Bestärkt durch das eigene maßgeblich von Fremdenfeindlichkeit und der Ablehnung des demokratischen Systems in Deutschland geprägte Selbstverständnis fühlen sich Rechtsextremisten in ihrem Aktivismus bestärkt und herausgefordert. Gerade in diesem Zusammenhang gelang es den rechtsextremistischen Akteuren, wieder mehr neue Szeneangehörige oder Sympathisanten an sich zu binden und insbesondere mit fremdenfeindlichen 43 RECHTSEXTREMISMUS Anti-Asyl-Kundgebungen zu mobilisieren. Das Thema Anti-Asyl bietet vermehrt Möglichkeiten des Zusammenkommens und gemeinsamer Agitation. Der Anstieg des rechtsextremistischen Personenpotenzials ist unter anderem auf eher formlose Gruppierungen ohne feste Organisationsstruktur zurückzuführen: So etablierten sich zum Beispiel in einigen Regionen Deutschlands rechtsextremistisch ausgerichtete strukturarme Gruppierungen - zum Teil nur durch einen kleinen Personenkreis gesteuert -, die überwiegend durch ihre fremdenfeindlichen Aktivitäten in Erscheinung treten. Auch der NPD gelang es, ihren personellen Abwärtstrend der vergangenen Jahre zu stoppen. Die neonazistischen Parteien "Der III. Weg" und "DIE RECHTE" konnten auch 2015 neue Mitglieder gewinnen. In der Mehrzahl der Bundesländer kam es zu einem unterschiedlich starken Anstieg des rechtsextremistischen Personenpotenzials, meist einhergehend mit einer Zunahme der Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten. 44 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremismuspotenzial1 2013 2014 2015 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 7.400 7.200 8.200 Neonazis 5.800 5.600 5.800 in Parteien 7.000 6.850 6.650 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 5.500 5.200 5.200 "DIE RECHTE" 500 500 650 "Bürgerbewegung pro NRW"2 ("pro NRW") 1.000 950 500 "Der III. Weg" (Neuaufnahme 2014) - 200 300 in sonstigen rechtsextremistischen Organisationen 2.500 2.500 3.200 Summe 22.700 22.150 23.850 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 21.700 21.000 22.600 davon gewaltbereite Rechtsextremisten 9.600 - - davon gewaltorientierte Rechtsextremisten3 - 10.500 11.800 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Ende 2015 spaltete sich von "pro NRW" der Ortsverband "Bürgerbewegung pro Köln e.V." ab. Dessen Mitglieder werden nunmehr im Personenpotenzial sonstiger rechtsextremistischer Organisationen berücksichtigt. 3 Bis 2013 wurde bei der Darstellung des Personenpotenzials ausschließlich die Anzahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten ausgewiesen. Seit 2014 wird die Anzahl gewaltorientierter Rechtsextremisten angegeben, in der die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten als Teilmenge enthalten ist. 45 RECHTSEXTREMISMUS II. Gewalt und Militanz Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten ist 2015 mit 1.408 gegenüber dem Vorjahr (990) stark gestiegen. In Verbindung mit einer angestiegenen Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten (gegenüber dem Vorjahr um 1.300 auf nunmehr 11.800) ist ein deutlicher Beleg für die Gefahr, die von diesem Spektrum ausgeht. Aspekte der Drei Aspekte der Gewaltentwicklung sind besonders hervorzuGewaltentwicklung heben: # Hinweise auf organisierte Gewalt bis hin zu Ansätzen für rechtsterroristische Strukturen. # Fremdenfeindliche Gewalt wird auch von Personen außerhalb rechtsextremistischer Strukturen verübt. # Ausweitung von Opfertypen (Politiker, Polizisten, Journalisten, Mitarbeiter von Flüchtlingsorganisationen usw.). Funktionen Auch wenn die Anwendung von Gewalt durch Rechtsextremisten strategischer Gewalt in der Regel ohne längerfristige Planung erfolgt, so wird sie doch in der Summe zu einer strategischen Gewalt: # Sie dient der Einschüchterung der "Hassobjekte". # Gewalt soll den "Herrschenden" den Grad des Widerstands anzeigen. # Mit den Gewalttaten sollen Nachahmungstäter animiert werden. # Gewalt wird als exekutierter "Volkswille" verstanden. Intensität der Gewalt Die Intensität rechtsextremistischer Militanz kündigte sich bereits im Frühjahr 2015 an und steigerte sich seitdem kontinuierlich: von Bedrohungen von Politikern und Journalisten über Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte bis hin zu versuchten Tötungsdelikten. Die Gewalt verteilt sich auf das gesamte Bundesgebiet. Wenngleich sie im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen am höchsten ist (288 Gewalttaten), folgen mit Sachsen (201) und Brandenburg (128) zwei Hotspots der Gewalt, deren Gewaltintensität sich erst in Relation zur Bevölkerungszahl wirklich erschließt. 46 RECHTSEXTREMISMUS Im Jahr 2015 wurden insgesamt 99 Brandund 18 Sprengstoffdelikte mit rechtsextremistischer Motivation registriert. Dies ist beinahe eine Verfünffachung beziehungsweise eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr (2014: 21 bzw. 6). Die angestiegene Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Delikte Landfriedensbruch (2015: 42, 2014: 23) und Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte (2015: 84, 2014: 45) ist ein weiteres Indiz für das gesteigerte Selbstbewusstsein der rechtsextremistischen Szene und ihre zunehmende Bereitschaft, die offene Konfrontation mit dem politischen Gegner und der Polizei zu suchen. 1. Organisierte Gewalt / Ansätze für Rechtsterrorismus Gewalt und Terrorismus sind auch im Rechtsextremismus mit seiner nachdrücklichen Gewaltaffinität eine Handlungsoption. Auch wenn die Mehrheit der rechtsextremistischen Szene dies aktuell ablehnt, muss stets in Betracht gezogen werden, dass nicht nur schwerste Gewaltstraftaten durch Einzeltäter oder Kleinstgruppen, sondern auch die Bildung weiterer bislang unerkannter terroristischer Gruppen innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums nicht auszuschließen sind. Vor dem Hintergrund der aufgeheizten Anti-Asyl-Kampagne und deren Radikalisierung und Verrohung gilt dies umso mehr. Die Erfahrungen mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) haben den Blick der Sicherheitsbehörden auf diesen Phänomenbereich verändert und zu einer modifizierten Beobachtung des gewaltbereiten Rechtsextremismus geführt. Ein besonderes Augenmerk des Verfassungsschutzes liegt seitdem auf der Identifizierung von rechtsterroristischen Strukturen und deren Handlungsweisen. Im Jahr 2015 gelang es den Sicherheitsbehörden in mehreren Fällen, rechtsextremistische Bestrebungen, die auf die Anwendung von Gewalt ausgerichtet waren, zu unterbinden: # Am 23. Dezember 2015 erhob der Generalbundesanwalt (GBA) "Oldschool Society" vor dem Oberlandesgericht München (Bayern) gegen vier Angehörige der "Oldschool Society" (OSS) Anklage wegen des 47 RECHTSEXTREMISMUS Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Hauptverhandlung wurde am 27. April 2016 eröffnet. Ausgangspunkt für die Ermittlungen waren nachrichtendienstliche Erkenntnisse von BfV und einigen Landesbehörden für Verfassungsschutz. Die OSS hatte sich bereits im August 2014 als zunächst virtuelle Gruppe gegründet und mittels diverser Internetdienste (u.a. WhatsApp, Facebook) kommuniziert. Ende 2014 kristallisierte sich ein fester Personenzusammenschluss heraus, der zunächst verbal äußerst aggressiv auftrat und sich durch eine starke Waffenaffinität auszeichnete, zunehmend aber auch reale (Gewalt-)Aktionen ins Auge fasste. Demnach planten Mitglieder der OSS, in kleinen Gruppen einen "bewaffneten Kampf gegen Salafisten" zu führen beziehungsweise Anschläge gegen Moscheen zu verüben. Ebenso waren beispielsweise "Aktionen" gegen "Asylantenheime" und "Antifa-Quartiere" geplant. Die Bundesanwaltschaft ließ am 6. Mai 2015 vier Personen festnehmen. Ihre Wohnungen sowie die Räumlichkeiten von fünf weiteren Personen in den Bundesländern Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wurden durchsucht. Unter den beschlagnahmten Gegenständen befanden sich auch pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft. Bamberger Gruppe # Am 21. Oktober 2015 durchsuchte die Polizei zwölf Wohnungen von Angehörigen der rechtsextremistischen Szene im Großraum Bamberg (Bayern). Die betreffenden Personen - zum Teil Mitglieder der Partei "DIE RECHTE" sowie der "Weisse Wölfe Terrorcrew" (WWT)10 - stehen im Verdacht, eine kriminelle Vereinigung gemäß SS 129 StGB gegründet beziehungsweise ein Explosionsoder Strahlungsverbrechen vorbereitet zu haben. Bei den Durchsuchungen wurden neben einer scharfen Schusswaffe mit Munition und verschiedenen Hieb-, Stoßund Stichwaffen auch verbotene pyrotechnische Gegenstände sichergestellt. Es bestand der Verdacht, dass die Betroffenen Angriffe auf Asylbewerbereinrichtungen in Bamberg oder gegen den politischen Gegner geplant hatten. 10 Am 16. März 2016 hat der Bundesminister des Innern die rechtsextremistische Gruppierung "Weisse Wölfe Terrorcrew" (WWT) auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten. Hintergrund waren die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Aktivitäten der Organisation, welche neben wiederholter neonationalsozialistischer Propaganda auch die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund, vermeintliche politische Gegner und Polizeibeamte umfassten. 48 RECHTSEXTREMISMUS # Am 5. November 2015 durchsuchte die Polizei neun Woh"Bürgerwehr nungen mutmaßlicher Mitglieder der "Bürgerwehr FTL/360" FTL/360" in Dresden und Freital (beide Sachsen). Im Zuge der Maßnahmen wurden sogenannte Tschechenböller, Kugelbomben sowie Schwarzpulver sichergestellt. Den acht Beschuldigten wird unter anderem vorgeworfen, im Herbst 2015 an einem Sprengmittelund Buttersäureanschlag auf ein alternatives Wohnprojekt in Dresden und an einem Sprengmittelanschlag auf ein Asylbewerberheim in Freital beteiligt gewesen zu sein. Zunächst führte die Staatsanwaltschaft Dresden zwei Ermittlungsverfahren gegen diverse Mitglieder der "Bürgerwehr FTL/360" wegen gemeinschaftlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Am 11. April 2016 hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung gemäß SS 129a StGB übernommen. Am 17. Oktober 2015 wurde in Köln (Nordrhein-Westfalen) ein Messerattacke auf Messerangriff auf die später gewählte OberbürgermeisterkandiPolitikerin datin Henriette Reker verübt. An einem Wahlkampfstand stach ein Mann mit einem Messer auf Frau Reker und vier weitere im Umkreis stehende Personen ein. In ersten Angaben gegenüber der Polizei bezeichnete der Beschuldigte die schwer verletzte Politikerin als "Schuldige für das ganze Ausländerproblem". Er habe ein Zeichen setzen wollen gegen die aus seiner Sicht immer größer werdende Anzahl der von der Bundesrepublik aufgenommenen Flüchtlinge. Am 19. Oktober 2015 hat die Bundesanwaltschaft angesichts der besonderen Bedeutung des Falles mit Blick auf die Schwere der Tat und ihrer von dem Beschuldigten angestrebten Signalwirkung die Ermittlungen übernommen. Am 29. Januar 2016 wurde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) Anklage wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung erhoben. 2. Rechtsextremistische Strafund Gewalttaten mit fremdenfeindlicher Motivation bzw. gegen Flüchtlinge und Asylbewerberunterkünfte Im Jahr 2015 wurde mit insgesamt 918 fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund die 49 RECHTSEXTREMISMUS höchste Zahl seit Einführung des geltenden Definitionssystems "Politisch motivierte Kriminalität" zum 1. Januar 2001 registriert und der erst im Vorjahr erreichte Höchstwert deutlich überschritten (2014: 512). Augenfällig ist die massiv angestiegene Zahl der rechtsextremistisch motivierten Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte: Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) wurden im Jahr 2015 insgesamt 894 rechtsextremistische Straftaten (2014: 170), davon 153 Gewalttaten, verübt (2014: 25). Brandanschläge Die Zahl der rechtsextremistischen Brandanschläge gegen Asylbewerberunterkünfte ist mit 75 im Vergleich zum Vorjahr enorm angestiegen (2014: 5). Somit richtete sich mehr als jeder zweite rechtsextremistisch motivierte Brandanschlag in 2015 gegen die Unterbringung von Asylsuchenden. Während es sich bei einem Großteil der Gewaltdelikte nach vorläufiger Bewertung eher um situative und spontan ausgeführte Taten von Personen aus der engeren Wohnumgebung handeln dürfte, weisen einzelne Gewalttaten ein erhöhtes Maß an Vorbereitung und Planung auf. Beispiele für Brandanschläge sind: # In Freiberg (Sachsen) explodierte am 13. Februar 2015 im Flur einer bewohnten Asylbewerberunterkunft eine unkonventionelle Sprengund Brandvorrichtung (USBV) in Form eines rohrförmigen Gegenstandes. Durch die Druckwelle wurde eine Tür komplett aus der Verankerung gerissen, eine weitere wurde aus dem Türschloss gedrückt. Mehrere Personen wurden leicht verletzt. Die Ermittlungen unter anderem wegen versuchten Totschlags ergaben, dass die USBV auch tödlich hätte wirken können. # In Hoyerswerda (Sachsen) warfen am 3. Juni 2015 mehrere Personen einen Molotowcocktail gegen eine Flüchtlingsunterkunft. Zu dem Zeitpunkt hielten sich zahlreiche Menschen in dem Gebäude auf, verletzt wurde jedoch niemand. Die Polizei ermittelte vier Tatverdächtige, von denen einige bereits in der Vergangenheit mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung getreten sind. Durch das Amtsgericht Hoyerswerda wurde am 9. November 2015 Anklage wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten in Tateinheit mit Verstoß gegen das Waffengesetz erhoben. 50 RECHTSEXTREMISMUS # In Salzhemmendorf (Niedersachsen) warfen in der Nacht zum 28. August 2015 zwei Männer und eine Frau einen Molotowcocktail durch ein geschlossenes Fenster eines von Asylbewerbern bewohnten ehemaligen Schulgebäudes, wodurch Teile der Einrichtung in Brand gerieten. Die vier Bewohner, eine Frau und drei Kinder, befanden sich zum Tatzeitpunkt in einem Nebenraum und blieben unverletzt. Die Täter, zu denen den Verfassungsschutzbehörden keine Erkenntnisse vorlagen, hatten vor der Tat Alkohol konsumiert und sich durch rechtsextremistische Musik aufgeputscht. Das Landgericht Hannover (Niedersachsen) verurteilte am 17. März 2016 die beiden Haupttäter wegen versuchten Mordes und versuchter Brandstiftung zu Haftstrafen von acht beziehungsweise sieben Jahren, die Mittäterin zu vier Jahren und sechs Monaten Haft. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. # In Nauen (Brandenburg) brannte in der Nacht zum 25. August 2015 eine Turnhalle nieder, die als Flüchtlingsunterkunft vorgesehen war. Die ermittelten Tatumstände deuten darauf hin, dass die bislang unbekannten Täter Gas in die Halle einleiteten und mittels eines angezündeten Autoreifens den Brand auslösten. Nach umfangreichen Ermittlungen konnten die zuständigen Strafverfolgungsbehörden mehrere Tatverdächtige - darunter einen kommunalen Mandatsträger der NPD - identifizieren. Bei drei dringend Tatverdächtigen fanden am 1. März 2016 Exekutivmaßnahmen statt, zwei der mutmaßlichen Täter befinden sich seitdem in Haft. Gegen die Beschuldigten und weitere Personen wird wegen diverser Straftaten - unter anderem wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und Brandstiftung - ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß SS 129 StGB bei der Staatsanwaltschaft Potsdam (Brandenburg) geführt. Allerdings werden nicht nur Unterkünfte angegriffen - mit zum Angriffe auf Teil lebensbedrohlichen Folgen für die Bewohner -, sondern Flüchtlinge Flüchtlinge auch außerhalb ihrer Unterkünfte ganz direkt und gezielt: # In Magdeburg (Sachsen-Anhalt) griff in der Nacht zum 1. November 2015 eine teilweise mit Baseballschlägern bewaffnete Gruppe von 20 bis 30 Personen sechs syrische Asylbewerber an. Beim Eingreifen durch zivile Polizeibeamte flüchteten 51 RECHTSEXTREMISMUS die Angreifer, wobei ein Polizeibeamter mit einem Schlagstock bedroht wurde. Nach Einsatz von Pfefferspray flüchtete auch dieser Angreifer. Drei der Opfer des Überfalls mussten mit Prellungen und Verletzungen im Gesicht ambulant im Krankenhaus behandelt werden. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung, schweren Landfriedensbruchs, Verstoßes gegen das Waffengesetz und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. # In Dresden (Sachsen) kam es am 23. Dezember 2015 in einer Straßenbahn zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen zwei augenscheinlich deutschen Staatsangehörigen und einem somalischen Asylbewerber. Als der Somali mit zwei weiteren Landsleuten die Bahn verließ, folgten ihm die beiden Täter. Während sie ihn mit Worten wie "Nigger" und "black man" beleidigten, stach einer mit einem Messer auf den Asylbewerber ein und verletzte ihn an der Hand schwer. Die Täter konnten unerkannt flüchten. Lokale Schwerpunkte Lokale Schwerpunkte schwerer Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte - Delikte nach dem Sprengstoffund dem Waffengesetz, Körperverletzungsund Brandstiftungsdelikte, das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion bis hin zu (versuchten) Tötungsdelikten - waren im laufenden Jahr Berlin, Teile des Ruhrgebietes, Brandenburg sowie in Sachsen insbesondere Dresden und Umgebung. Die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden haben bisher keine Hinweise auf eine zentrale Steuerung von Gewalttaten oder eine regionale oder überregionale Koordinierung durch Rechtsextremisten ergeben. Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass etwa zwei Drittel der ermittelten Tatverdächtigen in der Vergangenheit weder durch politisch motivierte Straftaten noch durch eine strukturelle Anbindung an die rechtsextremistische Szene aufgefallen sind. Fremdenfeindliche Nach wie vor ist die fremdenfeindliche Gewalt in Deutschland Gewalt außerhalb der nicht auf Flüchtlinge begrenzt. Ein Beispiel: Asylthematik # In Kassel (Hessen) versuchte am 7. Juni 2015 ein Mann mit einem Küchenmesser auf zwei ihm mutmaßlich unbekannte türkische Frauen einzustechen. Nachdem er von Passanten gehindert wurde, rief er "Ich hasse Scheiß-Türken!". Auch 52 RECHTSEXTREMISMUS gegenüber Polizeibeamten äußerte er fortwährend, dass er Türken hasse und diese abstechen wolle. 3. Angriffsziele: Politiker, Journalisten, politische Gegner, Flüchtlinge und ihre Helfer Einen weiteren Schwerpunkt rechtsextremistischer Gewalt bilden Angriffe auf politische Gegner, auf Linksextremisten und Repräsentanten des demokratischen Rechtsstaates sowie Journalisten und Helfer von Flüchtlingen. Die als "Volksfeinde" diffamierten Personen geraten nicht wegen ihrer Ethnie, sondern aufgrund ihrer politischen Einstellung in den Fokus aggressiver rechtsextremistischer Agitation und Gewalt. Rechtsextremistische Kampagnen und Demonstrationen richten sich zum Teil gegen Politiker und zielen auch auf deren Einschüchterung. In den vergangenen Jahren haben Rechtsextremisten punktuell ein Bedrohungsszenario gegenüber Politikern aufgebaut. Der Dortmunder Kreisverband der Partei "DIE RECHTE" führte beispielsweise mehrmals in der Weihnachtszeit Demonstrationen im unmittelbaren Wohnumfeld von lokalen Entscheidungsträgern, Landtagsabgeordneten (z.B. Piratenpartei, SPD) oder anderen Personen des öffentlichen Lebens durch, die sich in der Bekämpfung des Rechtsextremismus engagieren. Mitunter werden die Mitglieder von Parteien oder deren EinrichAngriffsziel: Parteien tungen Ziel von Straftaten, wie zum Beispiel: # In Offenbach am Main (Hessen) beschmierten am 17. März 2015 unbekannte Täter ein Büro der Partei DIE LINKE. mit einem Hakenkreuz und dem Schriftzug "Wir kommen wieder". # In Viersen (Nordrhein-Westfalen) sprühten am 1. Juli 2015 Unbekannte auf eine Hausfassade der Geschäftsstelle der CDU das Wort "Volksverräter" sowie ein Hakenkreuz. # In Bernau (Brandenburg) beschädigten am 4. Oktober 2015 unbekannte Personen den Briefkasten am DIE LINKE.-Parteibüro und brachten einen Aufkleber mit dem Schriftzug "ANTIFA aufs Maul, nein zum Heim" an. Im Zeitraum August 2014 bis Juli 2015 wurden in Berlin ins"Deutsche Widergesamt acht versuchte schwere Brandstiftungen an Gebäuden stands Bewegung" 53 RECHTSEXTREMISMUS demokratischer Institutionen verübt, unter anderem dem Reichstag, dem Paul-Löbe-Haus und dem Amtssitz des Bundespräsidenten Schloss Bellevue. Die Brandstiftungen verursachten nur geringe Sachschäden und Personen kamen nicht zu Schaden. In den an den Tatorten gefundenen Flugblättern einer "DWB - Deutsche Widerstands Bewegung" wurde - in Anlehnung an demokratiefeindliche Protagonisten der Weimarer Republik - eine kollektivistische, ethnisch homogene Gesellschaft propagiert. Als Motivation für die Brandstiftungen gab ein kurz nach der letzten Tat festgenommener Mann an, ein Zeichen setzen zu wollen: Entfremdet von den etablierten Parteien fühle er sich mit seiner (asylkritischen) Stimme in der jetzigen Demokratie nicht mehr ausreichend gehört. Der Tatverdächtige beging in Untersuchungshaft Suizid. Hinweise auf weitere Gruppenmitglieder lagen nicht vor. Bis zu seinen Taten lagen keine verfassungsoder staatsschutzrelevanten Erkenntnisse zu dem Verstorbenen vor. Konfrontative Gewalt Nicht immer werden die Gewalttaten klandestin verübt. Anlässlich und am Rand von Demonstrationen kommt es auch zu Übergriffen auf politische Gegner. Ein besonders eklatantes Beispiel ereignete sich zu Jahresanfang 2016 in Leipzig (Sachsen): # Am 11. Januar 2016 überfielen 250 Personen aus der rechtsextremistischen und Hooliganszene zeitgleich zu einer LEGIDADemonstration den in der alternativen und "linken" Szene besonders beliebten Leipziger Stadtteil Connewitz. Sie zerschlugen Schaufensterscheiben und steckten Autos in Brand. Angriffsziel: Journalisten werden immer häufiger zum Ziel von Angriffen. Die Journalisten Mitarbeiter der "Lügenpresse" werden als Teil des herrschenden Machtkartells gesehen, die - indem sie die Hintergründe der fremdenfeindlichen Demonstrationen deutlich machen - eine Aufklärung des Volkes behinderten. # Im Internet wurde beispielsweise die fingierte Todesanzeige eines Journalisten aus Nordrhein-Westfalen veröffentlicht ("nehmen wir fröhlich bald Abschied"), unterzeichnet mit "Nationaler Widerstand jetzt". # Tätliche Übergriffe gibt es immer wieder bei PEGIDA-Demonstrationen, so beispielsweise am 28. September 2015, als ein Reporter des MDR getreten und einem Reporter der "Dresdner Neueste Nachrichten" ins Gesicht geschlagen wurde. 54 RECHTSEXTREMISMUS Zum Angriffsziel rechtsextremistischer Gewalt werden auch Angriffsziel: Flüchtlingshelfer: Flüchtlingshelfer # In Niederau bei Meißen (Sachsen) waren im September 2015 THW-Mitarbeiter angegriffen und beschimpft worden, als sie ein Haus für den Einzug von Flüchtlingen vorbereiteten. Asylgegner bewarfen sie und ihre Autos mit Steinen. # Ebenfalls im September 2015 zündeten Unbekannte in Neuhardenberg (Brandenburg) Fahrzeuge von Mitgliedern einer örtlichen Helfergruppierung an. Im Januar 2016 fanden in diesem Zusammenhang Durchsuchungen bei neun Männern und zwei Frauen statt, die alle bereits wegen Staatsschutzdelikten beziehungsweise in zwei Fällen auch als politisch motivierte Straftäter in Erscheinung getreten sind. 4. Gefährdungspotenzial Das Gefährdungsniveau rechtsextremistischer Gewalt hat sich im Verlauf des Jahres 2015 deutlich erhöht. Dies zeigen die Anzahl der Gewalttaten, die Tatausführungen, die zunehmend Leib und Leben von Menschen gefährden, sowie die Tätertypen, die oftmals ohne extremistischen Vorlauf direkt zur "Propaganda der Tat" schreiten. Für die Eindämmung von Militanz und Gewalt bedarf es eines konsequenten Vorgehens der Sicherheitsbehörden sowie einer unmissverständlichen Distanzierung von der Gewalt seitens der nichtextremistischen Asylkritiker. Die Sicherheitsbehörden jedenfalls beobachten die Entwicklung sehr genau: von den Radikalisierungsprozessen über den Aufbau organisierter Strukturen bis hin zur Beschaffung von Waffen. Dabei hat sich das Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) bewährt, wie nicht zuletzt die Enttarnung der rechtsterroristischen OSS gezeigt hat. Gleichwohl bleiben Risiken und Unwägbarkeiten, insbesondere durch eine mögliche Selbstradikalisierung einzelner Personen oder Kleinstgruppen. 55 RECHTSEXTREMISMUS III. Anti-Asyl-Agitation: Anschlussfähigkeit und Radikalisierung 1. Ausgangslage Der Anstieg der Flüchtlingszahlen in Deutschland ist ein beherrschendes Thema im politischen und medialen Diskurs. Es ist eine tiefe Polarisierung der Gesellschaft erkennbar, in der sich die Fronten scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen. Ein über das Berichtsjahr hinweg ständig steigender Prozentsatz in der Bevölkerung ist von erheblicher Skepsis bis Ablehnung geprägt - bis hin zu Behauptungen von einem Kontrollverlust durch die Politik.11 Agitation und An dieses Meinungsbild knüpfen Rechtsextremisten an. Sie sehen Ideologie der hier eine Möglichkeit, ihre weit über die bloße Ablehnung der Rechtsextremisten Asylpolitik hinausgehenden Forderungen zu popularisieren. Sie versuchen, die Debatte zu radikalisieren, indem zum Beispiel nicht über die konkrete Ausformung von Migration und Asyl gestritten, sondern eine fundamentale Ablehnung der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung propagiert wird: Anhänger der Regierungspolitik werden dann zu "Volksverrätern" und eine nicht willfährige Presse zu einer "Lügenpresse" - eine Terminologie, die nur noch zwischen gut und böse unterscheidet und einem demokratischen Diskurs den Raum nimmt. Radikalisierung Den Rechtsextremisten entgegen kommt eine zunehmende Radider Proteste kalisierung der vordergründig nicht extremistischen Proteste. Vielfach etabliert sich hier ein populistischer "unten-gegenoben"-Diskurs, der einen "reinen" Volkswillen gegen eine angeblich abgehobene bürokratische Politikerkaste und ihre "Lakaien" in Presse und Verwaltung setzt. Die vielfach von einem tiefen Ressentiment gegen die parlamentarische Demokratie geprägten Proteste zeigen, dass die sozialwissenschaftlich seit Jahren festgestellten hohen Zustimmungsraten zu demokratieskeptischen und fremdenfeindlichen Positionen von einem bloßen Einstellungspotenzial zu einer Handlungsoption gerinnen - wie im konkreten Fall, wenn sich ein prägendes Ereignis anbietet und der Eindruck entsteht, die Politik bleibe Antworten schuldig oder verharre in tiefer Zerstrittenheit. 11 Vgl. Homepage Frankfurter Allgemeine Zeitung (21. Oktober 2015); vgl. auch INSAUmfrage für Focus Online (21. Oktober 2015). 56 RECHTSEXTREMISMUS Proteste gegen die Asylpolitik sind nicht BeobachtungsgegenAsylkritik nicht Beobstand der Verfassungsschutzbehörden, schließlich sind freie achtungsobjekt des Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit grundgesetzlich Verfassungsschutzes festgeschriebene Verfassungsgüter. Im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeit beobachtet das BfV nur (rechts)extremistische Bestrebungen. Darunter fallen unter anderem die Anti-AsylDemonstrationen, bei denen Anhaltspunkte vorliegen, dass sie rechtsextremistisch oder zumindest rechtsextremistisch beeinflusst sind. Um dies zu beurteilen, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Für eine rechtsextremistische Beeinflussung spricht zum Beispiel, wenn der Anmelder oder Veranstalter der Demonstration den Verfassungsschutzbehörden als Rechtsextremist bekannt ist. Aber auch die Mobilisierung auf einschlägigen rechtsextremistischen Internetseiten kann Hinweise darauf geben, ob der Charakter der Veranstaltung sich noch im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewegt oder schon rechtsextremistisch beziehungsweise rechtsextremistisch beeinflusst ist. Auch das Motto der Veranstaltung oder die auftretenden Redner und deren Aussagen sind für die Einordnung der Veranstaltung relevant. 2. Hetze und Radikalisierung Der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen nach Europa dient Rechtsextremisten Rechtsextremisten als Beleg für ihre "Volkstod"und "Überwarnen vor fremdungs"-Thesen. Angesichts der Dringlichkeit wird ein End"Volkstod" zeit-Diskurs initiiert, in dem ein sofortiges, militantes Handeln lebensnotwendig erscheint, einschließlich der Gewalt, die als "Selbstverteidigung" verbrämt wird. Diesen unmittelbaren Handlungszwang dokumentiert beispielsweise eine Äußerung der Kleinstpartei "Der III. Weg": "Die Flut an kulturfremden Menschen wird unser Volk an den Rand seiner Existenz drängen. Überfremdet, verarmt, als Deutscher nicht mehr Herr im eigenen Land - so sieht unsere Zukunft aus, die, wendet man sie nicht ab, der endgültige Todesstoß für unser Volk bedeuten wird." (Homepage "Der III. Weg", 15. September 2015) 57 RECHTSEXTREMISMUS In diesem Sinne bezeichnet auch die neonazistische "Europäische Aktion" (EA) die "Masseneinwanderung nach Europa" als einen "Vernichtungskrieg gegen die Völker Europas", als "unkontrollierte Flut" und als "Völkerund Rassenchaos". Wie auch andere neonazistische Gruppierungen argumentiert die EA antisemitisch und sieht hinter den Flüchtlingsbewegungen eine Bestrebung des "weltweit operierenden Zionismus", um die "Völker durch Völkervermischung zu vernichten". Ebenso sei die Europäische Union (EU) eine "Dienststelle dieses Machtkartells ... mit dem Ziel, die genetische Substanz der Europäer nachhaltig zu vernichten."12 Andere Teile des rechtsextremistischen Spektrums argumentieren weniger mit rassistischen Versatzstücken, sondern beziehen sich auf die Herkunft vieler Migranten aus dem islamischen Kulturraum, so beispielsweise die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN): "Auch wenn wir den Islam nicht als das Hauptproblem ansehen, ist die Bedrohung einer feindlichen Übernahme durch die Steinzeitmenschen akuter denn je. Wir müssen sie aufhalten, bevor sie unsere Kultur gänzlich verbannen und Europa ins Mittelalter katapultieren." (Facebook-Seite JN, 3. September 2015) Gewalt Auf einschlägigen Internetseiten oder in Einträgen und Postings in sozialen Netzwerken sind unzählige Hasskommentare zu finden, von der rassistischen Abwertung von Migranten bis hin zu offenen Gewaltfantasien. Die Wortwahl - vor allem im Internet - zeugt von einer stetig anwachsenden Emotionalisierung bis hin zur offenen Propagierung von Gewalt: "Der Krieg kommt zu uns, in unsere Städte und Dörfer. Es ist an der Zeit Neger und Musels wieder aus Europa zu vertreiben, sonst ist unser Fortbestehen und unsere Kultur dem Untergang geweiht. Von allen Edelmetallen ist BLEI das Wertvollste zur Zeit: als Flugblei im Kaliber .45" (Homepage "Globalecho", 23. Oktober 2015) 12 Vgl. Homepage "Europäische Aktion" (24. September 2015). 58 RECHTSEXTREMISMUS Neben diesen - eher unreflektierten, wenngleich drastischen - Gewaltfantasien gibt es eine Militanz, die Gewalt in einen politischen Kontext setzt. "DIE RECHTE" spricht im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Brandstiftung an einer Asylbewerberunterkunft in Nauen (Brandenburg) von einem anwachsenden Widerstand: "Der Widerstand wächst! Und erst recht die Volksverräter, die die Fremden aus der ganzen Welt nach Deutschland holen, sollten sich nicht zu sicher fühlen..." (Facebook-Seite Kreisverband München der Partei "DIE RECHTE", 26. August 2015) Die Partei "Der III. Weg" beschwört eine existenzielle Notlage und fordert zur "Gegenwehr" auf: "Der Rest des deutschen Volkes, die noch deutsch sein wollen und ihren Kindern eine lebenswerte Heimat hinterlassen möchten, sollten endlich die geballte Faust aus den Taschen nehmen und sich mit aller Vehemenz gegen diese identitätsvernichtende und im Grunde für alles Deutsche todbringende Politik zur Wehr setzen." (Homepage "Der III. Weg", 20. August 2015) Dabei gewinnen die Wortmeldungen in Bezug auf politische EntHetze gegen scheidungsträger zunehmend an Schärfe. Wenngleich "zum jet"Volksverräter" zigen Zeitpunkt Gewaltaktionen noch nicht in Betracht" kämen, seien doch, so eine sich euphemistisch als "Neue Gemeinschaft von Philosophen" bezeichnende Gruppe, "widerlichste Volksverräter" ins Visier zu nehmen: "Patrioten, die ihre Wut gar nicht mehr bändigen können und auf Strafaktionen aus sind, sollten diese auf eine möglichst intelligente und wirksame Weise den so scheinheiligen und heuchlerischen System-Vertretern des Unterdrückungssystem zu spüren kommen lassen, also die Inquisitoren des Gutmenschentums in den Fokus nehmen". (Homepage "Reichsbewegung im Kulturkampf", 12. Oktober 2015) Im Mittelpunkt der Hetze steht die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. In einem Beitrag in der neonazistischen Publikation 59 RECHTSEXTREMISMUS "National Journal" (NJ) wird sie als "grauenhafte Gestalt auf zwei Beinen" verunglimpft, die mit ihrer Politik eine "Vernichtung der Deutschen" ("Blutverbrechen") plane.13 Die Kommentare nach einer Veröffentlichung auf der Internetplattform "Altermedia Deutschland" zeigten schlaglichtartig das Ausmaß des Hasses, der den politisch Verantwortlichen entgegenschlägt. Die Radikalisierung gipfelte in einer "Hassliste", auf der unter anderem Politiker und Personen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, in Fadenkreuzen abgebildet waren. Diese Personen seien "zum Abschuss freigegeben"14. "Recht zum Das "National Journal" veröffentlichte einen Beitrag mit AusfühWiderstand" rungen zur angeblichen Anwendbarkeit des Artikels 20 Absatz 4 des Grundgesetzes auf die aktuelle politische Situation ("Recht zum Widerstand"). Der Verfasser15 bejaht darin die Rechtmäßigkeit verschiedener Widerstandsformen (Blockade von Zufahrtswegen, Unterbrechung der Stromzufuhr in Asylbewerberunterkünften). Entsprechende Aktionen wurden seit Mitte 2015 mehrfach durchgeführt - zum Teil unter Mitwirkung von Rechtsextremisten. Vor allem in Sachsen und Thüringen wurden des Öfteren Zufahrtsstraßen zu Asylunterkünften von größeren Personengruppen blockiert. Exemplarisch werden zwei Beispiele genannt: # In Heidenau (Sachsen) wurde an drei aufeinanderfolgenden Tagen gegen eine bezugsreife Asylbewerberunterkunft demonstriert. Am 21. August 2015 beteiligten sich rund 1.100 Teilnehmer - die meisten davon nicht der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen - an einer zunächst friedlichen Demonstration. Während der Demonstration, die ein NPD-Funktionär initiiert hatte, wurden Zettel herumgereicht, auf denen zur Blockade einer Asylunterkunft aufgerufen wurde. Diesem Aufruf folgten etwa 600 Personen, die wiederholt versuchten, mit Sitzblockaden und dem Einsatz von Gewalt, mit Flaschenund Steinwürfen die Durchfahrt eines 13 Homepage "National Journal" (3. November 2015). 14 Internetplattform "Altermedia Deutschland" (7. November 2015). 15 Der Autor ist Rechtsanwalt und ehemaliger Vorsitzender des "Nationaldemokratischen Hochschulbundes" (NHB) und trat in der Vergangenheit mehrmals als Redner bei Jahreskongressen der größten rechtsextremistischen Kulturvereinigung "Gesellschaft für freie Publizistik e.V." (GfP) auf. 60 RECHTSEXTREMISMUS Busses mit Flüchtlingen zu verhindern. Im Zuge der Ausschreitungen wurden 31 Polizeibeamte verletzt. Die Strafverfolgungsbehörden haben mittlerweile rund 50 Tatverdächtige ermittelt, denen unter anderem Landfriedensbruch, Volksverhetzung, Körperverletzung und ähnliche Delikte vorgeworfen werden. # Am 18. Oktober 2015 wurde die Asylbewerbererstaufnahmeeinrichtung in Leipzig-Mockau (Sachsen) kurze Zeit blockiert, unter anderem durch etwa 40 Angehörige des örtlichen Kreisverbands der NPD. # In Gotha (Thüringen) beteiligten sich nach eigenen Angaben Aktivisten des Landesverbands Thüringen der Partei "DIE RECHTE" vom 3. bis 7. November 2015 an einer fünftägigen Blockade der Zufahrt zur dortigen Erstaufnahmestelle für Asylsuchende. 3. Rechtsextremistische Anti-Asyl-Agitation im Internet Rechtsextremisten nutzen das Internet unter anderem, um für Anti-Asyl-Veranstaltungen zu mobilisieren, ihre Propaganda zu verbreiten oder sich gar zu Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte zu verabreden. Dabei spielen sowohl soziale Netzwerke als auch Instant Messenger-Dienste eine wichtige Rolle. Zunehmend erfolgen Absprachen zur Planung von Aktionen bis hin zur Verabredung zu Straftaten in zugangsbeschränkten und/oder verschlüsselten Bereichen von Kurznachrichtendiensten. Beispielsweise verabredeten sich am 20. August 2015 rund 15 Instant Messaging Personen, unter ihnen auch einschlägig in Erscheinung getretene Rechtsextremisten, zu einer Brandstiftung gegen eine Asylbewerberunterkunft in Berlin-Marzahn, die jedoch fehlschlug. Der Aufruf zur Zusammenkunft an einem Vorabtreffpunkt war über ein kleines, lediglich etwa 25 bis 30 Personen umfassendes Hooligan-Supporter-Forum per Facebook und über WhatsApp-Nachrichten verbreitet worden. Zur Verbreitung rechtsextremistischer Propaganda, zur RekrutieSoziale Netzwerke rung neuer Anhänger und zur Hetze gegen Flüchtlinge werden hingegen vor allem die öffentlich zugänglichen Bereiche des Internets genutzt, unter anderem die sozialen Netzwerke. Hier existieren weit über hundert - zum Teil von Rechtsextremisten 61 RECHTSEXTREMISMUS initiierte oder administrierte - Gruppen und Seiten, die sich gegen die Errichtung von Asylbewerberunterkünften richten. Die Anonymität des Internets führt zu einer Verrohung der Sprache: In der Realwelt noch vorhandene zivilisatorische Schranken scheinen sich hier gänzlich aufzulösen. In völlig enthemmter Art und Weise werden Flüchtlinge entmenschlicht und bedroht, ebenso wie Politiker und Flüchtlingshelfer. Das Internet bietet Rechtsextremisten zwar einerseits ein hohes Potenzial an Öffentlichkeitswirksamkeit für Propagandaund Rekrutierungszwecke. Andererseits bergen Maßnahmen der Diensteanbieter oder Sicherheitsbehörden aus ihrer Sicht auch ein relativ hohes Risiko der Identifizierung von Verantwortlichen und der Möglichkeiten strafrechtlicher Verfolgung. Die Folge sind Abwanderungsbewegungen in geschützte Bereiche des Netzes (z.B. Szeneforen oder Instant Messenger-Gruppen wie WhatsApp). Verbot "Altermedia Eine bedeutende Rolle in der Verbreitung rechtsextremistischer Deutschland" Propaganda kam der Internetplattform "Altermedia Deutschland" zu. Der Bundesminister des Innern hat die Internetplattform daher am 27. Januar 2016 verboten. Hintergrund war insbesondere die Verbreitung rassistischer, ausländerfeindlicher, antisemitischer und islamfeindlicher Inhalte. Die Bundesanwaltschaft führt gegen fünf Beschuldigte ein Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. 4. Rechtsextremistische Demonstrationen Mobilisierungsschub Im Zug der aktuellen Asyldebatte gelang es der rechtsextremistischen Szene, deutlich mehr Anhänger und Sympathisanten für ihre Kundgebungen zu mobilisieren als in den vergangenen Jahren. So nahmen im Jahr 2015 insgesamt 95.200 Personen an rechtsextremistischen oder maßgeblich von Rechtsextremisten gesteuerten Demonstrationen teil (2014: 20.610), wobei mitunter nicht alle Kundgebungsteilnehmer der rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden können. Rund 80 Prozent aller rechtsextremistischen Demonstrationen befassten sich mit den Themen Zuwanderung, Asyl und Flüchtlinge. 62 RECHTSEXTREMISMUS Die gestiegene Mobilisierungsfähigkeit führt zu einem erhöhten Selbstbewusstsein der rechtsextremistischen Szene. Nach wie vor gelten öffentliche Kundgebungen als "Machtdemonstration" ("Kampf um die Straße"). Besonders viele Kundgebungen fanden in den Bundesländern Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen statt. Neben öffentlicher Aufmerksamkeit ging es den beteiligten Rechtsextremisten auch darum, durch ein vordergründig gemäßigtes Auftreten über die eigene Szene hinaus zu wirken und Anschlussfähigkeit an nichtextremistische Potenziale zu demonstrieren, insbesondere durch den Versuch, sich als Interessenvertreter der Bevölkerung oder als "besorgte Nachbarn" zu gerieren. Dies gelang vor allem der NPD in einigen Regionen Sachsens und Sachsen-Anhalts (vgl. Kap. IV, Nr. 1). Anzahl rechtsextremistischer Kundgebungen NPD/JN "DIE RECHTE" "Der III. Weg" "pro NRW" Neonazis/sonstige Rechtsextremisten 2014 2015 63 RECHTSEXTREMISMUS 5. Rechtsextremistische Einflussnahme Neben eigenen Demonstrationen ist die Beteiligung von Rechtsextremisten an Veranstaltungen anderer Gegner der Asylpolitik festzustellen. Auch wenn in vielen Fällen ein steuernder Einfluss verneint werden kann, sind hier Faktoren erkennbar, die einerseits einem weiteren Aufschwung des Rechtsextremismus und andererseits einer Radikalisierung des Protests hin zu einer verfassungsfeindlichen Einstellung den Weg ebnen können. 5.1 PEGIDA-Bewegung und Rechtspopulismus Nachdem bereits Ende 2014 in Dresden (Sachsen) erste Kundgebungen einer Initiative Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) durchgeführt worden waren, stiegen die Teilnehmerzahlen zum Jahreswechsel 2014/2015 rapide an und erreichten im Januar 2015 einen Höchststand von bis zu 25.000 Personen. Zeitgleich gründeten sich in zahlreichen Regionen Deutschlands Ableger, die zwar teilweise das Namensfragment "-GIDA" ("gegen die Islamisierung des Abendlandes") übernahmen, jedoch nicht von Dresden aus gesteuert werden. Islamfeindlichkeit In einem "Positionspapier" - zu dem sich die offiziellen PEGIund PolitikverDA-Ableger formal bekennen mussten - erläuterten die Orgadrossenheit nisatoren ihre Beweggründe. Ausgehend von der Gefahr einer "Islamisierung Deutschlands" erheben sie Forderungen nach Änderungen in der aktuellen Asylpolitik, einer forcierten Bekämpfung der extremistischen Ausprägungen des Islams sowie einem rigideren Vorgehen gegen straffällig gewordene Ausländer. Mitunter ressentimentgeladene Redebeiträge oder Sprechchöre auf den PEGIDA-Kundgebungen offenbarten nicht nur fremdenund islamfeindliche Tendenzen bei einem Teil der Sympathisanten. Sie zeigten auch eine grundlegende Politikverdrossenheit und ein vorherrschendes Misstrauen bis hin zur Feindschaft insbesondere gegenüber den etablierten Parteien und Politikern ("Volksverräter"), aber auch gegen Journalisten und Medien ("Lügenpresse"). Kein BeobachtungsDie heterogene GIDA-Bewegung insgesamt stellt kein Beobobjekt achtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden dar, da in der Gesamtschau noch keine hinreichenden tatsächlichen 64 RECHTSEXTREMISMUS Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung vorliegen. Mit Blick auf seine gesetzliche Aufgabenstellung beobachtet der Verfassungsschutz jedoch die Versuche einer Einflussnahme durch Rechtsextremisten. Intention und Rhetorik der GIDA-Bewegung bieten grundsätzliRechtsextremistische che Anknüpfungspunkte für Rechtsextremisten. Diese deuteten Einflussnahme die Dynamik und Breitenwirkung der Proteste als Beginn eines Krisenszenarios, in dem die Bevölkerung gegen die Bedrohung der eigenen "völkischen Identität" endlich aufbegehre. Rechtsextremisten hofften dabei auf eine sich verschärfende feindselige Stimmung und die Etablierung einer grundsätzlichen Abkehr vom politischen System. Ungeachtet einiger ideologischer Differenzen - Rechtsextremisten lehnen zum Beispiel die PEGIDAForderung nach einer Pflicht zur Integration weitgehend ab - riefen rechtsextremistische Gruppierungen ihre Anhänger verstärkt zur Teilnahme an den Kundgebungen auf oder versuchten regionale GIDA-Ableger in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Beispielhaft können hier die Kundgebungen in Köln (KÖGIDA) und Düsseldorf (DÜGIDA) in Nordrhein-Westfalen genannt werden, die von einer zeitweiligen Funktionärin der rechtsextremistischen Partei "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") initiiert wurden - letztlich jedoch erfolglos. Das rechtsextremistische Spektrum konnte das Ziel einer nachhaltigen Einflussnahme beziehungsweise Steuerung bisher nur eingeschränkt erreichen. Einerseits führte eine Zunahme des rechtsextremistischen Einflusses meist zu rückläufigen Teilnehmerzahlen, während andererseits bei Veranstaltungen mit hohen Teilnehmerzahlen organisierte Rechtsextremisten vergleichsweise schwach vertreten waren und nicht über einen prägenden Einfluss verfügten. Bei einigen Veranstaltungen mit geringeren Teilnehmerzahlen war dagegen eine rechtsextremistische Beeinflussung beziehungsweise Steuerung feststellbar. In einigen Regionen Deutschlands gelang es zudem, rechtsextremistisch beeinflusste beziehungsweise gesteuerte Kundgebungen mit Ähnlichkeit zur originären PEGIDA-Bewegung zu etablieren. Hervorzuheben sind folgende Regionen, wo einschlägige Kundgebungen mittlerweile überwiegend von Rechtsextremisten frequentiert werden: 65 RECHTSEXTREMISMUS # Unter der Bezeichnung THÜGIDA agierten Funktionäre von NPD und "Europäischer Aktion" (EA) als treibende Kräfte. Bei den Kundgebungen rückte bereits früh die "Islamisierung Deutschlands" gegenüber einer generellen Ablehnung von Zuwanderung und aktueller Asylpolitik in den Hintergrund. # Auch in Mecklenburg-Vorpommern gelang es insbesondere der NPD, ihre Dominanz bei Kundgebungen der Initiative MVGIDA auszubauen. # In Magdeburg (Sachsen-Anhalt) hat sich die extremistische Ausrichtung der Initiative "Magida 2.0" zum Jahresende hin verfestigt. Weitere rechtsextremistisch beeinflusste oder gesteuerte Kundgebungen in Anklang an die PEGIDA-Bewegung fanden sich unter anderem in den Bundesländern Berlin ("Bärgida"), Brandenburg ("BraMM-PEGIDA") oder Bayern ("PEGIDA Franken"). 5.2 Rekrutierungsfeld Hooligans Die Initiative Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) hatte bereits 2014 mit zwei Veranstaltungen gezeigt, dass sich mit einem Aufruf "gegen islamischen Extremismus" ein breites, heterogenes und militantes Personenpotenzial mobilisieren lässt, einschließlich zahlreicher Rechtsextremisten. Im Jahr 2015 versuchten Rechtsextremisten - einige von ihnen gehören selbst der Hooliganszene an - an diese Mobilisierungserfolge anzuknüpfen und gleichzeitig die Klientel um eine Fußballfanszene mit fremdenund islamfeindlichen Tendenzen zu erweitern. In diesem Sinne fanden beispielsweise folgende Kundgebungen statt: Kundgebungen # Unter maßgeblicher Beteiligung eines stellvertretenden "pro NRW"-Parteivorsitzenden fand am 8. Februar 2015 in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) eine Versammlung mit dem Motto "Gemeinsam gegen Salafisten - Jahrestag der überparteilichen Islamkritik" statt. Unter den 500 Teilnehmern - überwiegend aus der Hooligan-Szene - befanden sich auch 150 organisierte Rechtsextremisten. # Die Partei "DIE RECHTE" mobilisierte am 28. März 2015 für eine Kundgebung (gegen "Einwanderung" und "gegen Pressehetze und die Politik der Etablierten!") mit insgesamt 1.000 66 RECHTSEXTREMISMUS Teilnehmern in Dortmund (Nordrhein-Westfalen), darunter rund 280 Hooligans aus dem HoGeSa-Spektrum. # Für den 12. September 2015 versuchten kleinere Personengruppen der rechtsextremistischen und der Hooligan-Szene, mit den Schlagworten "Multikulti - Werteverfall - Volkstod - Überfremdung" für einen "Tag der deutschen Patrioten" (TddP) in Hamburg zu mobilisieren. Das Motto erinnerte nicht zufällig an die neonazistische Kundgebungsreihe "Tag der deutschen Zukunft" (TddZ). Unter maßgeblicher Beteiligung eines Hamburger Neonazis und des NPD-Landesgeschäftsführers warben die Organisatoren insbesondere in einem dem Hooligan-Spektrum zuzurechnenden Internetforum für die Veranstaltung. Die Kundgebung wurde schließlich im Vorfeld richterlich verboten, da Gewaltund Straftaten von Teilnehmern und Gegendemonstranten befürchtet wurden. # Mit zeitweise bis zu 1.700 Teilnehmern fand am 25. Oktober 2015 in Köln eine HoGeSa-Kundgebung unter dem Motto "Köln 2.0 - friedlich und gewaltfrei gegen islamische Extremisten" statt. Unter den Teilnehmern befanden sich rund 130 gewaltbereite Hooligans und etwa 100 organisierte Rechtsextremisten. Die Demonstration war in Anlehnung an die ein Jahr zuvor durchgeführte erste HoGeSa-Demonstration erneut von dem stellvertretenden "pro NRW"-Parteivorsitzenden als Privatperson angemeldet worden. Die Teilnahme unterschiedlich großer Personengruppen aus der Hooliganszene an solchen Kundgebungen zeigt, dass eine signifikante Anzahl Hooligans durchaus gewillt ist, sich für politische Aktionen einzubringen. Hier erhoffen sich Rechtsextremisten, ein - zum Teil gewaltorientiertes - Rekrutierungspotenzial zu erschließen. Rechtsextremisten bemühen sich erkennbar, eine lagerübergreifende Protestbewegung zu initiieren - vergleichbar der PEGIDABewegung in Dresden mit ihren teils beachtlichen Teilnehmerzahlen. So wurde beispielsweise der "Tag der deutschen Patrioten" in Hamburg von der rechtsextremistischen Szene als "ein Mittelding zwischen HoGeSa und Pegida" wahrgenommen, bei dem neben Personen aus der gewaltbereiten Fußballfanszene auch 67 RECHTSEXTREMISMUS "heimattreue Bürger" gemeinsam gegen das "korrupte (...) System" protestieren sollten.16 6. Gefährdungspotenzial Mit den im Laufe des Jahres rapide angestiegenen Flüchtlingszahlen gewann die Anti-Asyl-Agitation eine ungeheure Dynamik. Unabhängig von den Ängsten und Sorgen, die im Zusammenhang mit der Asylpolitik geäußert werden und deren Artikulation grundgesetzlich geschützt ist, gibt es in der Anti-Asyl-Agitation einzelne Aspekte, die für die innere Sicherheit und den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hochgradig relevant sind. Radikalisierung der Obgleich PEGIDA und ähnliche Protestformen nicht gänzlich Anti-Asyl-Agitation Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes sind, könnte hier ein Nährboden für verfassungsfeindliche Agitation etabliert werden. Einerseits finden fremdenfeindliche Einstellungspotenziale einen Entfaltungsraum. Andererseits gelangt der Rechtsextremismus aus der gesellschaftlichen Isolation heraus und gewinnt an Resonanz und Anschlussfähigkeit. Es steht zu befürchten, dass die Radikalisierung noch nicht ihr Ende gefunden hat, wie ein Beispiel zu Beginn des Jahres 2016 zeigt: # Bei einer Kundgebung eines rechtsextremistisch beeinflussten GIDA-Ablegers aus Nordrhein-Westfalen am 9. Januar 2016 in Köln glaubte ein Redner den "Beginn des Bürgerkriegs" zu erkennen: "Ich rufe euch Deutsche auf zum Widerstand gegen das verbrecherische System" - zum "kollektiven und unbeschränkten Widerstand".17 Im weiteren Verlauf der Demonstration bewarfen Teilnehmer die eingesetzten Polizeikräfte massiv mit Pyrotechnik, Steinen etc., woraufhin der Aufzug von der Polizei aufgelöst wurde. Solcherart Äußerungen finden ihre Entsprechung auf den unzähligen Internetseiten, in denen Entmenschlichung der Fremden und politischen Gegner sowie Gewaltfantasien einen 16 Homepage "AG Nordheide" (17. Mai 2015). 17 Videoportal YouTube (11. Januar 2016). 68 RECHTSEXTREMISMUS unmittelbaren Handlungsdruck bei Ausländerfeinden, Rassisten und sonstigen "Rettern deutscher Identität" erzeugen. Militanz und Gewalt wachsen auf diesem rhetorischen und ideoMilitanz und Gewalt logischen Nährboden - dies belegen die enorm angestiegenen rechtsextremistischen Gewalttaten. Aber auch hier zeigt sich die Erosion der Abgrenzung: Eine Vielzahl der fremdenfeindlichen, "asylkritischen" Gewalttaten erfolgt nicht aus dem organisierten Rechtsextremismus. Es sind vielmehr Täter, die bislang nicht einschlägig in Erscheinung getreten sind. Die Anti-Asyl-Agitation wirkt auch im linksextremistischen Wechselwirkungen Spektrum als Gewaltbeschleuniger. Rechtsextremisten kalkulieder Extremismen ren Auseinandersetzungen mit linksextremistischen Gegendemonstranten ein oder bereiten sich gezielt auf Gewalttätigkeiten vor (z.B. durch das Mitführen von Pfefferspray oder Schlaghandschuhen). Rechtsextremistische Wortmeldungen im Vorfeld von Demonstrationen lassen erkennen, dass eine Gewalteskalation zumindest billigend in Kauf genommen wird, wenn sie nicht sogar erwünscht ist und herbeigeführt werden soll. Auch außerhalb von Demonstrationen finden Provokationen statt, die zu Auseinandersetzungen führen können. So provozierten Rechtsextremisten am 18. Januar 2015 in Bamberg (Bayern) aus einer Gruppe heraus mehrere Angehörige der "linken" Szene mit den Rufen "Scheiß Antifa" und "Scheiß Zecken". Nachdem einem Geschädigten zunächst aus nichtigem Grund dessen Baseball-Kappe entwendet und er zu Boden gestoßen worden war, schlugen die Rechtsextremisten wahllos und brutal auf ihre Gegner ein und verletzten mehrere Personen leicht. Ein weiterer Faktor sind Aktionen und vor allem Anschläge von Islamisten in Europa. Sie führen immer wieder zu propagandistischen Aufwallungen und neuen Versuchen, die Gefährdungslage zu dramatisieren und als ethnisch-kulturellen Konflikt darzustellen. Auch wenn bislang unmittelbare Aktionen der gewaltorientierten rechtsextremistischen Szene gegen Salafisten ausgeblieben sind, besteht hier doch ein erhebliches Konfliktund Radikalisierungspotenzial. Die rechtsextremistische Szene fühlt sich im Aufwind: Ihre MobiAuswirkungen auf die lisierungsfähigkeit steigt an und ihre Themen finden Eingang in rechtsextremistische einen breiteren Diskurs. Sie stellt den Protesten ihre Infrastruktur Szene 69 RECHTSEXTREMISMUS zur Verfügung und ist bereit, dort, wo es erwünscht ist, rhetorisch abzurüsten und an anderer Stelle ihre Hetze zu verschärfen. Rechtsextremisten initiieren sich als Teil einer "Volksbewegung", die sie radikalisieren und auch weiterhin in Richtung einer grundsätzlichen Ablehnung des politischen Systems lenken möchten. IV. Parteistrukturen im Rechtsextremismus 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Konsolidierung der 2015 gelang es der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" Partei (NPD) sich zu konsolidieren. Unter dem neuen Bundesvorsitzenden Frank Franz wurde der jahrelange Führungsstreit über den Parteikurs eingedämmt, die Kommunikation nach innen und außen verbessert sowie die Mobilisierungsfähigkeit gestärkt. Der Parteivorsitzende Franz trat sein Amt im November 2014 am Ende eines Jahres an, das durch weitgehend desaströse Wahlergebnisse sowie den Verlust der Landtagsfraktion in Sachsen geprägt war und die NPD personell und finanziell erheblich geschwächt hatte. Die Wahlniederlagen hatten die parteiinternen, auf persönlicher Ebene bemerkenswert schroff geführten Auseinandersetzungen weiter verschärft und den anhaltenden Mitgliederrückgang beschleunigt. Vor diesem Hintergrund legte der neue Vorsitzende sein Hauptaugenmerk darauf, eine positivere Außendarstellung und damit ein "sympathischeres" Image der NPD zu erreichen und den Parteikonflikten durch eine bessere Binnenkommunikation zu begegnen. Der nicht mit einer eigenen Machtbasis ausgestattete Franz versucht, die konkurrierenden Parteiflügel auszubalancieren, indem er durch seinen Führungsstil Polarisierungen vermied. Tatsächlich arbeitete der heterogen zusammengesetzte Bundesvorstand weit störungsfreier als in den vorausgegangenen Jahren; öffentlich ausgetragene Parteifehden wie sie die Ära der beiden Vorgänger Holger Apfel und Udo Pastörs prägten, blieben weitgehend aus. 70 RECHTSEXTREMISMUS Exemplarisch für den Modernisierungsansatz sind etwa die ModernisierungsKampagne "Frieden. Freiheit. Souveränität" oder das Ende März versuche 2015 etablierte Medienprojekt "DS-TV". Positiv besetzte Begriffe, die nicht erkennbar rechtsextremistisch konnotiert sind, sollen einerseits die Partei anschlussfähig für gesellschaftliche Diskurse machen, bleiben aber andererseits inhaltlich so vage, dass sie in der NPD strömungsübergreifend Akzeptanz finden. In Ergänzung zur Druckversion des Parteiorgans "Deutsche Stimme" (DS) soll der Internetauftritt "DS-TV" die öffentliche Wahrnehmung der NPD verstärken und der rechtsextremistischen Partei ein modernes Image geben. Dort veröffentlicht die NPD wöchentlich einen kurzen, professionell gefertigten Filmbeitrag zu unterschiedlichen politischen Aspekten, wobei 2015 die Asyldebatte einen deutlichen Schwerpunkt bildete. Die Sendereihe soll - nicht zuletzt durch die Person der Moderatorin - das Bild einer sympathischen Partei zeichnen, die investigativ und sachorientiert Themen aufgreift, die für die Bürger allgemein von Interesse sind. Tatsächlich aber handelt es sich bei den Verantwortlichen von "DS-TV" um Aktivisten mit einem geschlossenen rechtsextremistischen Weltbild. Die durch den Wegfall der sächsischen Landtagsfraktion knapper gewordenen finanziellen und materiellen Ressourcen versuchte die NPD durch einen möglichst öffentlichkeitswirksamen Einsatz der noch vorhandenen Mittel zu kompensieren. Udo Voigt, einziger Abgeordneter der NPD im Europaparlament, gelang es - unterstützt durch einen Mitarbeiterstab aus langjährigen Vertrauten - punktuell öffentlichkeitswirksam zu agieren. Die Partei ist Teil der Vernetzung im europäischen Parteienbündnis "Alliance for Peace and Freedom" (APF). Ein Bündnis, das jedoch im Wesentlichen - mit Ausnahme der neonazistisch geprägten griechischen Partei "Chrysi Avgi" (Goldene Morgenröte) und der NPD - aus unbedeutenden Splitterparteien besteht. Zu den wesentlichen Aktivitäten des Bündnisses zählte die Teilnahme an einem internationalen Seminar im März 2015 im russischen St. Petersburg. Zudem reiste eine APF-Delegation im Juni 2015 auf Einladung der regierenden Baath-Partei des Machthabers Baschar al-Assad nach Syrien. Beide Reisen, an denen Voigt teilnahm, wurden in der Parteizeitung DS und auf der NPD-Homepage propagandistisch besonders hervorgehoben. 71 RECHTSEXTREMISMUS Kommunale VeranVon großer Bedeutung für die Gesamtpartei bleibt die einzig kerung als Basis für verbliebene Landtagsfraktion der NPD. Die mit den fünf AbgeordAnti-Asyl-Agitation neten in Mecklenburg-Vorpommern verbundenen finanziellen, logistischen und propagandistischen Möglichkeiten sollen im September 2016 durch den dritten Einzug in den Landtag in Folge gesichert werden. Hervorzuheben sind schließlich die für die NPD enorm wichtigen rund 360 Kommunalmandate, von denen gut 80 Prozent auf die ostdeutschen Bundesländer entfallen. Die kommunalen Mandatsträger zeigen die lokale Verwurzelung der Partei und schaffen andererseits die Basis um Ressentiments und fremdenfeindliche Stimmungen vor Ort - etwa im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylbewerbern - aufzugreifen und Proteste zu beeinflussen oder auch zu initiieren und zu steuern. Instrumentalisierung Die NPD nutzte 2015 die Flüchtlingsdebatte als zentrales und der Asyldebatte alles überragende Agitationsthema im Kampf gegen die politische Ordnung. Die Partei verbindet die Flüchtlingsfrage mit ihren theoretischen Grundsätzen: Die Aufnahme von Migranten stellt für sie einen Angriff auf ihr Bild einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" dar. In ihrer völkischen Diktion entsteht ein unmittelbarer Handlungsdruck, da die Zuwanderung inzwischen die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung irreversibel zulasten der Deutschen verändere. Die NPD zeigte bei Protesten gegen Asylbewerber und deren Unterbringung taktische Flexibilität: Sie variierte zwischen dem Image einer an den Sorgen von Anwohnern orientierten, vermeintlich sachbezogenen "Kümmererpartei" und - vor allem in den sozialen Netzwerken - diffamierend-hetzerischen Tiraden gegen Einwanderer. NPD-Mitglieder beteiligten sich 2015 an GIDA-Demonstrationen, hielten sich dort aber aus taktischen Gründen zurück. Bei verschiedenen GIDA-Ablegern - etwa MVGIDA in Mecklenburg-Vorpommern oder THÜGIDA in Thüringen - erlaubte die Konstellation jedoch eine deutlich stärkere Einflussnahme oder gar Dominanz dieser Veranstaltungen. Ähnlich gelang es der Partei auch an anderen Orten, asylfeindliche Proteste nachhaltig zu beeinflussen: 72 RECHTSEXTREMISMUS # Beispielsweise organisierte ein kommunaler Mandatsträger der NPD im Zeitraum Januar bis März 2015 eine Reihe von Kundgebungen gegen die Zuweisung von Asylbewerbern in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) mit Teilnehmerzahlen zwischen 70 und 200 Personen. Der dortige Bürgermeister trat zurück, nachdem die Proteste an Militanz zugenommen hatten und eine Kundgebung vor seinem Haus geplant wurde. # Die NPD war auch in der Lage, kurzfristig Demonstrationen gegen eine bevorstehende Unterbringung von Flüchtlingen zu organisieren, so etwa am 24. Juli 2015 in Dresden und am 21. August 2015 in Heidenau (Sachsen). Im Nachgang zu beiden Veranstaltungen, die jeweils durch eine hochaggressive Grundstimmung gekennzeichnet waren, kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Polizei und Gegendemonstranten. Die gestiegene Mobilisierungsfähigkeit der NPD lässt sich auch quantitativ belegen: Die Partei organisierte 2015 insgesamt 113 überwiegend asylfeindlich ausgerichtete Demonstrationen mit mehr als 100 Teilnehmern (2014: 27), darunter zwei Demonstrationen, bei denen die Teilnehmerzahl von 1.000 Personen überschritten wurde (2014: 0). In diesem Kontext sind zudem NPD-beeinflusste Veranstaltungen wie THÜGIDA zu berücksichtigen. So konnten für eine THÜGIDA-Demonstration in Altenburg (Thüringen) am 19. Oktober 2015 beispielsweise insgesamt rund 2.300 Teilnehmer mobilisiert werden. Die Partei sieht sich in der Asylproblematik im Aufwind und zeigt ein gesteigertes Selbstbewusstsein. Im Zuge ihrer "Wortergreifungsstrategie" stören ihre Mitglieder Veranstaltungen von politischen Gegnern, so beispielsweise eine DGB-Kundgebung am 1. Mai 2015 in Weimar (Thüringen): Nach Polizeiangaben behinderten etwa 40 bis 50 Rechtsextremisten, darunter einige JN-Mitglieder, die Kundgebung, entwendeten einem SPDBundestagsabgeordneten das Mikrofon und verletzten eine Angehörige der Partei DIE LINKE. leicht. Mit Beschluss vom 2. Dezember 2015 (2 BvB 1/13) gab der Zweite Prüfung eines Senat des Bundesverfassungsgerichts bekannt, dass die VerhandParteiverbots lung über das vom Bundesrat beantragte Parteiverbot durchzuführen ist. Der Verbotsantrag des Bundesrates ist also nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zulässig und hinreichend 73 RECHTSEXTREMISMUS begründet. Die mündliche Verhandlung fand vom 1. bis zum 3. März 2016 statt. 2. "DIE RECHTE" Der Partei "DIE RECHTE" gelang es 2015 ihre organisatorischen Strukturen und ihre Mitgliederbasis auszubauen. Mittlerweile verfügt die Partei in elf Bundesländern über Landesverbände/-gruppen beziehungsweise einen landesgrenzenübergreifenden "Gebietsverband Südwest". Bemühen um Schwerpunkt bleibt indes Nordrhein-Westfalen mit rund der Parteistatus Hälfte der Mitglieder. Vor allem in den regionalen Hochburgen Hamm und Dortmund (Nordrhein-Westfalen) - hier ist die Partei mit jeweils einem Mandat im Stadtrat vertreten - agitiert "DIE RECHTE" offensiv und nutzt ihren Parteistatus, um neonazistische Aktivitäten durchzuführen. Hierzu zählen auch öffentlichkeitswirksame Provokationen wie eine Anfrage an die Stadt Dortmund nach der Anzahl dort lebender Juden. Um die Privilegien der Parteiform weiter nutzen zu können und einem Parteiverbot entgegenzuwirken, zeigt sich die Organisation bemüht, den Anforderungen des Parteiengesetzes (PartG) nachzukommen, beispielsweise durch eine (zumindest auch als taktisch zu wertende) Teilnahme an den Landtagswahlen im März 2016 in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg und 2017 in Nordrhein-Westfalen. Im Berichtsjahr fokussierte "DIE RECHTE" ihre Aktivitäten auf die Asylproblematik. In Nordrhein-Westfalen führte sie regelmäßige Mahnwachen durch und errichtete Informationsstände (in der Regel mit mehreren Dutzend Teilnehmern) gegen bereits bestehende oder geplante Flüchtlingsunterkünfte - zum Teil mit deutlich provokativer Ausrichtung. Im Rahmen von Kundgebungen äußern sich Parteifunktionäre massiv hetzerisch gegen Politiker, Flüchtlinge oder deren Unterstützer. So organisierte der Dortmunder Kreisverband am 7. September 2015 eine Kundgebung unter dem Motto "Gegen den Asylanten-Sonderzug! - Vier Tage Ausnahmezustand sind Chaos und keine Willkommenskultur", die sich gegen die fast zeitgleiche Ankunft von etwa 1.000 Asylsuchenden in Dortmund richtete. 74 RECHTSEXTREMISMUS Der stellvertretende Bundesvorsitzende Christoph Drewer führte aus: "Diese Menschen sind kriminell (...) und werden hier in unserem geliebten Vaterland ihre kriminelle Ader knallhart ausleben. (...) Ich hoffe, dass diese geisteskranken Subjekte, die täglich an den Bahnhöfen (...) die Asylbetrüger begrüßen, dass die Männer unter euch brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt werden. Und den Frauen unter euch wünsche ich dazu noch eine Vergewaltigung von den Asylbetrügern." (Videoportal YouTube, 8. September 2015) Wenngleich die Partei offene Gewaltaufrufe vermeidet, zeigt sich die Gewaltorientierung bei der Mitgliederschaft deutlich, bei dem Mobilisierungspotenzial ebenso wie bei einem Aufeinandertreffen mit dem linksextremistischen Antipoden: # Im Rahmen einer Demonstration (einschließlich eines einschlägigen Musikprogramms) gelang es der Partei am 28. März 2015 rund 1.000 Personen in Dortmund zu mobilisieren, unter ihnen auch etliche gewaltorientierte Fußballfans der überwiegend nicht als rechtsextremistisch einzustufenden HoGeSa-Initiative. Vor allem die Dortmunder Parteistrukturen werben - wie bereits 2014 - in der gewaltorientierten, regionalen Fußballfanszene um Unterstützung. # Im Vorfeld einer Kundgebung des Landesverbands NordrheinWestfalen am 1. Mai 2015 in Essen ("Heraus zum 1. Mai 2015", 360 Teilnehmer) kam es am Kölner Hauptbahnhof, an dem sich potenzielle Teilnehmer zur gemeinsamen Anreise sammelten, zwischen jeweils etwa 100 Rechtsund Linksextremisten zu Auseinandersetzungen, wie anschließend auch am Zielbahnhof in Essen. Gegenüber gewaltbereiten Parteimitgliedern zeigte der BundesGewaltbereite vorsitzende Christian Worch in öffentlichen Äußerungen eine Parteimitglieder und gewisse Gleichgültigkeit, nicht zuletzt auch, indem er Straftaten Positionierung des gegen Asylbewerberheime verharmloste: Als von ExekutivmaßBundesvorsitzenden nahmen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung am 21. Oktober 2015 in Bayern auch Mitglieder der Partei "DIE RECHTE" betroffen waren (vgl. Kap. II, Nr. 1), weigerte sich Worch, sich von den Tatverdächtigen zu distanzieren. Auf die Frage von Journalisten, ob es denkbar sei, dass 75 RECHTSEXTREMISMUS sich Parteimitglieder Sprengstoff und Waffen beschafften, um Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte zu begehen, entgegnete Worch, dies sei durchaus möglich, schließlich könne man "den Leuten nicht hinter die Stirn schauen". Zu beanstanden sei lediglich die Missachtung der "Grundregeln der Konspiration". Worch nannte es eine "elegante Aktion", für Asylbewerber vorgesehene Wohnungen unter Wasser zu setzen, da sich Täter einem geringeren strafrechtlichen Risiko als bei einer Brandstiftung aussetzten.18 "DIE RECHTE" kooperiert in der Anti-Asyl-Agitation mitunter mit anderen rechtsextremistischen Parteien oder Gruppierungen. Der Landesverband Thüringen organisierte beispielsweise gemeinsam mit der neonazistischen Organisation "Europäische Aktion" (EA) und der rechtsextremistisch dominierten Initiative THÜGIDA am 3. Oktober 2015 eine Kundgebung in Jena. 3. "Der III. Weg" Die rechtsextremistische Kleinstpartei "Der III. Weg" konzentriert ihre Aktivitäten überwiegend auf die Bundesländer RheinlandPfalz und Bayern. Darüber hinaus versuchte sie im Berichtsjahr ihre Strukturen vor allem in Sachsen und Brandenburg auszubauen. Asylfeindschaft im Im Vordergrund der Parteipropaganda steht die Anti-Asyl-AgiVordergrund tation. "Der III. Weg" hat einen - auch im Internet abrufbaren - "Leitfaden: Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft! Wie bebzw. verhindere ich die Errichtung eines Asylantenheims in meiner Nachbarschaft" veröffentlicht mit der Darstellung unterschiedlicher Protestformen sowie juristischen Handreichungen. Zudem ist auf der Homepage eine Deutschlandkarte mit geplanten und bereits existierenden Unterkünften für Asylbewerber abrufbar. Nachdem diese im Juli 2015 von dem Internetanbieter aufgrund von Pressemeldungen gesperrt worden war, wurde wenige Tage später eine neue, fast identische Karte eingestellt, die bis heute aktualisiert wird, mit Kennzeichnungen von deutschlandweit über 4.900 Unterkünften. 18 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Oktober 2015, S. 4. 76 RECHTSEXTREMISMUS Die Kleinstpartei ist erkennbar um lokale und regionale Präsenz bemüht. Angesichts der bescheidenen personellen Ressourcen konzentriert sie ihre Aktivitäten - neben der Agitation im Internet - vor allem auf Orte mit vorhandenen oder geplanten Asylbewerberunterkünften. Dort sucht sie auch das Gespräch mit Bürgern, um eine Beeinflussung von Nichtextremisten zu erreichen. Kommentierungen von Brandanschlägen auf Unterkünfte von Positionierung Asylbewerbern lassen immer wieder Genugtuung erkennen: Herzu Gewalt vorgehoben wird die Tatsache, dass dadurch die Unterbringung von Asylbewerbern im jeweiligen Ort wirksam verhindert worden sei. So kommentierte die Partei eine Brandstiftung an einer als Asylbewerberunterkunft geplanten Turnhalle in Wertheim (BadenWürttemberg) in der Nacht zum 20. September 2015 wie folgt: "Letztes Wochenende fiel eine Turnhalle im baden-württembergischen Wertheim, welche als Unterkunft für 400 Asylanten zweckentfremdet werden sollte, den Flammen zum Opfer. Die Asyl-Unterbringungspläne sind somit in Wertheim vorerst durchkreuzt. (...) Sollte es sich also tatsächlich um einen asylkritischen Anschlag handeln, hat der oder die Täter ihr Ziel erreicht." (Homepage "Der III. Weg", 22. September 2015) Triumphierend hieß es an anderer Stelle: "Nach Brandanschlag bleibt Tröglitz asylantenfrei." (Homepage "Der III. Weg", 6. April 2015) Der Bundesvorsitzende der Partei "Der III. Weg" Klaus Armstroff ging in einer Stellungnahme zu einem Brandanschlag, der auf drei für den Bezug von Asylbewerbern vorgesehene Häuser in Rockensußra (Thüringen) in der Nacht zum 7. September 2015 verübt worden war, noch weiter und sprach von "nachvollziehbaren" Taten im Allgemeinen: "Es gibt Taten, die man nicht verstehen kann, und welche, die man nachvollziehen kann. Taten, die zum Beispiel verhindern, daß Kinder mißbraucht werden, daß deutsche Frauen nachts sexuell belästigt werden oder junge Deutsche grundlos auf offener Straße verprügelt werden." (Homepage "Der III. Weg", 9. September 2015) 77 RECHTSEXTREMISMUS 4. "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW")19 Die Entwicklung der "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") war im Jahr 2015 maßgeblich von parteiinternen Streitigkeiten geprägt. Eine bereits Ende 2014 begonnene Auseinandersetzung zwischen dem Landesvorstand und Funktionären des mitgliederstarken Kölner Ablegers eskalierte im Frühjahr 2015 mit der Abspaltung der "Bürgerbewegung pro Köln e.V." und dem Austritt zahlreicher Parteikader. Der Verlust dieser regionalen Hochburg schränkte die Funktionsfähigkeit von "pro NRW" auf Landesund Kreisebene nachhaltig ein. "Pro NRW" setzte ihren fremdenund islamfeindlichen Kurs fort, wenngleich die Anzahl öffentlichkeitswirksamer Aktionen rückläufig war. Zu Beginn des Jahres 2015 versuchten einzelne "pro NRW"-Funktionäre insbesondere in Bonn, Köln und Düsseldorf - letztlich jedoch erfolglos - eigene Ableger der GIDA-Bewegung zu initiieren. Weitere öffentliche Aktionen der Partei erzielten eine nur begrenzte Außenwirkung, beispielsweise die "Frühjahrsoffensive gegen Asylmissbrauch - Flüchtlings-Tsunami stoppen". Die Partei definiert die "Flüchtlingskrise" als zerstörerische "Naturkatastrophe" mit deutlichen Drohungen an die handelnden Politiker. Ein Vorstandsmitglied führte aus, Deutschland werde "mit Sozialschmarotzern geflutet (...) Das dicke Ende kommt und dann werden sich diese 'Volksverräter' rechtfertigen müssen."20 Die weitere Entwicklung von "pro NRW" wird in den nächsten Monaten maßgeblich durch die Aktivitäten auf lokaler Ebene geprägt werden. Um bei dem nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 2017 überhaupt eine Chance auf ein nennenswertes Wahlergebnis zu haben, bräuchte die Partei eine Phase der Konsolidierung. Sollte der Absturz in die Bedeutungslosigkeit weitergehen, werden die Verfassungsschutzbehörden aufmerksam 19 Mit Urteil vom 21. Januar 2016 hat das Verwaltungsgericht Berlin festgestellt, dass die Erwähnung von "pro NRW" im Verfassungsschutzbericht 2012 und die dort über "pro NRW" getroffenen feststellenden und wertenden Aussagen rechtmäßig sind, da die Voraussetzungen der SS 16 Absatz 2 in Verbindung mit SS 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vorlägen. "Pro NRW" habe im Berichtszeitraum 2012 Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betrieben. 20 Facebook-Seite "pro NRW" (26. Juli 2015). 78 RECHTSEXTREMISMUS beobachten, inwieweit sich die bisherigen Akteure organisationspolitisch neu orientieren. 5. Gefährdungspotenzial Der NPD gelingt es, von den nach wie vor vorhandenen innerparteilichen Spaltungslinien abzulenken und gleichzeitig in verschiedenen Regionen Ostdeutschlands ihr Image als "Kümmererpartei" erneut zu stärken. Die Partei - beziehungsweise einzelne Protagonisten - wird in einigen Regionen als Kooperationspartner oder Mitorganisator für Anti-Asyl-Kundgebungen und -Initiativen auch jenseits des extremistischen Spektrums wahrgenommen. Von Teilen der bürgerlichen Asylgegner wird dabei die bewusste Abgrenzung zu rechtsextremistischen Akteuren zugunsten eines möglichst starken Protestes gegen die Asylpolitik aufgegeben. Das Schicksal des neuen NPD-Vorsitzenden hängt von vorzeigbaren Wahlergebnissen ab - ein schwieriges Unterfangen angesichts der Konkurrenz aus dem "rechten" und rechtspopulistischen Milieu. Dass dies in Einzelfällen punktuell gelingen kann, offenbaren die hessischen Kommunalwahlen im März 2016. Hier errang die NPD in Regionen, in denen sie mit ihrer Asylablehnung ein Alleinstellungsmerkmal inne hatte, überdurchschnittliche Ergebnisse. So erreichte die Partei ein nicht unerhebliches Protestwählerpotenzial und konnte von einem Zugewinn an Kommunalmandaten profitieren. Dennoch belasten die Unwägbarkeiten des Verbotsverfahrens nach wie vor die Partei. Es ist zu vermuten, dass im Falle eines Verbots ehemalige Funktionäre der NPD ihre verfassungsfeindliche Agitation - insbesondere im Anti-Asyl-Kontext - auch ohne den organisatorischen Überbau einer Partei fortsetzen werden. Als Auffangbecken für die neonazistische Klientel stünden die beiden Kleinstparteien "DIE RECHTE" und "Der III. Weg" bereit. Ihnen ist es im Berichtsjahr gelungen, die Parteistrukturen auszubauen. Nicht zuletzt erhoffen sie sich, mit der Anti-Asyl-Agitation an Bedeutung zu gewinnen und neue Aktivisten zu rekrutieren. Die Zugewinne an Mitgliedern bei beiden Parteien belegen indes, dass gerade Personen des neonazistischen Spektrums die 79 RECHTSEXTREMISMUS Organisationsform der Partei zunehmend akzeptieren und bereit sind, sich in Parteistrukturen zu engagieren. Auch jenseits von messbaren Wahlerfolgen ergibt sich aus der fremdenfeindlichen Agitation rechtsextremistischer Parteien ein Gefährdungspotenzial. Mit ihrer zum Teil aggressiven Rhetorik verschärfen sie eine bereits hoch emotional geführte Asyldebatte. Dadurch kann bei Einzelpersonen der Eindruck entstehen, ein radikaleres oder gewalttätiges Handeln sei von einer weit größeren Menge erwünscht oder zumindest gebilligt. 80 RECHTSEXTREMISMUS V. Überblick mit Strukturdaten zu wichtigen Beobachtungsobjekten 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Frank Franz Mitglieder/Anhänger 5.200 (2014: 5.200) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Deutsche Stimme" (Zeitung, monatlich, Auflage: 25.000) "DS-TV" (Internet-TV-Projekt) Teil-/Nebenorganisationen: 16 Landesverbände zzgl. Kreisund Regionalverbände "Junge Nationaldemokraten" (JN; Jugendorganisation) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) 81 RECHTSEXTREMISMUS Die NPD ist die bedeutendste und mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Ideologisches Kernelement der NPD ist die Vorstellung einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft". Das "Volksgemeinschafts"-Dogma bestimmt die grundsätzliche Fremdenfeindlichkeit der Partei. Die fremdenfeindliche Agitation der Partei belegt Ausländer, Muslime und Asylbewerber pauschal mit Negativeigenschaften und diffamiert diese als Bedrohung für die einheimische Bevölkerung. Auch der Antisemitismus ist ein fester Bestandteil der NPD-Agitation. Mit geschichtsrevisionistischen Äußerungen unterstreicht die NPD ihre grundsätzlich bejahende Haltung gegenüber dem NS-Regime und ihr Bemühen, die Zeit des Nationalsozialismus fundamental umzudeuten beziehungsweise Teilbereiche als vorbildlich darzustellen. Die sogenannte Vier-Säulen-Strategie - "Kampf um die Köpfe", "Kampf um die Straße", "Kampf um die Parlamente" und "Kampf um den organisierten Willen" - verdeutlicht seit Jahren die Intention der NPD, den demokratischen Verfassungsstaat systematisch und umfassend zu bekämpfen. 82 RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) Leitung/Vorsitz: Sebastian Richter Mitglieder/Anhänger 350 (2014: 350) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Der Aktivist" (Zeitschrift, 2015 keine Ausgabe) Mit den JN verfügt die NPD über eine Jugendorganisation, die laut Satzung "integraler Bestandteil" der Gesamtpartei ist. Ziel der JN ist die Verbreitung nationalistischer und völkischer Positionen. Die JN sind bestrebt, eigene Akzente und Agitationsschwerpunkte zu setzen sowie entsprechende Kampagnen und öffentlichkeitswirksame Aktionen mit der Zielgruppe Jugendliche/Erstwähler zu initiieren. Während die Mutterpartei sich unter anderem als parlamentarischer Arm der "nationalen Opposition" versteht, sehen die JN ihren Tätigkeitsschwerpunkt im "vorpolitischen Raum". 83 RECHTSEXTREMISMUS 1.2 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Gründung: 2006 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Ricarda Riefling Mitglieder/Anhänger unter 100 (2014: 100) in Deutschland: Der RNF sieht sich als "Sprachrohr und Ansprechpartner für nationale Frauen" und propagiert frauenund familienpolitische Themen im Sinne der NPD. Vertreterinnen des RNF unterstützen die NPD bei Wahlkämpfen, nehmen an Demonstrationen der Mutterpartei teil oder organisieren Infostände auf Veranstaltungen. 1.3 "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) Gründung: 2003 Sitz: Dresden (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Hartmut Krien Die in der Satzung der NPD verankerte KPV versteht sich als bundesweite Interessenvertretung für kommunale Mandatsträger der Partei. Die KPV zielt darauf ab, die kommunalpolitischen Aktivitäten der NPD zu professionalisieren. In Schulungen für Mandatsträger werden Vernetzung und Erfahrungsaustausch gefördert. 84 RECHTSEXTREMISMUS 1.4 "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) Gründung: 1976 Sitz: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Peter Schreiber Publikationen/Medien: u.a. "Deutsche Stimme" (Zeitung, monatlich, Auflage: 25.000) Der DS Verlag dient der NPD als Vertrieb für eigene Publikationen, Medien, Devotionalien etc. Als bedeutendste Schrift verlegt der DS Verlag das Parteiorgan "Deutsche Stimme". Als Sprachrohr der Partei berichtet sie unter anderem über NPD-Aktionen, publiziert Stellungnahmen der Parteiführung oder liefert NPD-ideologisch ausgerichtete Reportagen. 85 RECHTSEXTREMISMUS 2. "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) Leitung/Vorsitz: Christian Worch Mitglieder/Anhänger 650 (2014: 500) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisationen: 11 Landesverbände (inkl. Landesgruppe Bremen), ein Gebietsverband Südwest, rund 30 Kreisverbände Die ideologischen Schwerpunkte der Partei "DIE RECHTE" bilden Neonationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Zahlreiche Kundgebungen und Internetverlautbarungen richten sich gegen "staatliche Repression" und Zuwanderung. Bei ihren Propagandaaktionen setzen Parteimitglieder mitunter verstärkt auf Provokation des politischen Gegners und der Polizei. "DIE RECHTE" lehnt den Parlamentarismus grundsätzlich ab und betrachtet die Organisationsform einer politischen Partei lediglich als Mittel zum Zweck für ihren Kampf gegen das "System". Einige Unterorganisationen der Partei haben sich zu Auffangbecken für Neonazis entwickelt und Funktionen verbotener Neonazi-Gruppierungen übernommen. 86 RECHTSEXTREMISMUS 3. "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Klaus Armstroff Mitglieder/Anhänger 300 (2014: 200) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisationen: 17 Regionalverbände ("Stützpunkte"), davon sechs in Bayern Die ideologischen Aussagen der Partei "Der III. Weg" sind geprägt vom historischen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. In ihrem "Zehn-Punkte-Programm" propagiert die Partei unter anderem die Schaffung eines "Deutschen Sozialismus" sowie die Entwicklung und Erhaltung der "biologischen Substanz des Volkes". Die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat kommt in ihrer politischen Agitation deutlich zum Ausdruck, insbesondere bei der mit einer aggressiven Rhetorik vorgetragenen Instrumentalisierung der Themen Asyl und Zuwanderung. 87 RECHTSEXTREMISMUS 4. "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") Gründung: 2007 Sitz: Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Markus Beisicht Mitglieder/Anhänger 500 (2014: 950) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisationen: acht Bezirksund 53 Kreisverbände (bis Ende 2015) Islamfeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit (insbesondere gegen Asylbewerber) bilden die ideologischen Schwerpunkte der "Bürgerbewegung pro NRW". So werden zum Beispiel Aktionen gegen "Armutszuwanderung", "Überfremdung" oder eine vermeintliche Islamisierung Deutschlands und Europas durchgeführt. "Pro NRW" versucht, unter anderem mit Kampagnen gegen Moscheebauten Ängste gegenüber dem Islam zu schüren und Vorurteile gegenüber Muslimen zu verbreiten beziehungsweise zu verstärken. Darüber hinaus sollen beispielsweise mit Kundgebungen vor Asylbewerberunterkünften Überfremdungsängste geweckt und fremdenfeindliche Ressentiments geschürt werden. 88 RECHTSEXTREMISMUS 5. "Europäische Aktion" (EA) Gründung: 2010 Leitung/Vorsitz: Rigolf Hennig (Landesleiter Deutschland) Mitglieder/Anhänger 100 (2014: 100) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Europa ruft!" (Zeitschrift, unregelmäßig) Die "Europäische Aktion" zeichnet sich durch eine besonders ausgeprägte antisemitische und revisionistische Agitation aus. Ein vorrangiges Ziel sieht die Organisation in der "Wiederherstellung der freien Rede", d.h. die "Revision" zeitgeschichtlicher Offenkundigkeiten, vor allem des Holocaust. Die international ausgerichtete EA fordert unter anderem die Herstellung homogener Volksgemeinschaften in Europa und die Ausweisung "rassisch Fremder" (notfalls mit Gewalt). Besondere Bedeutung erreicht die EA dadurch, dass unter ihrem organisatorischen und ideologischen Dach Rechtsextremisten mit unterschiedlichen Ausrichtungen zusammenarbeiten. In die Führungsstruktur der EA sind namhafte Rechtsextremisten eingebunden, die über weitreichende Verbindungen in alle Spektren des deutschen und ausländischen Rechtsextremismus verfügen, insbesondere in die Neonazi-Szene. 89 RECHTSEXTREMISMUS 6. "Hammerskins Deutschland" Gründung: Anfang der 1990er-Jahre Sitz: internationale Vereinigung; Ableger existieren neben Deutschland auch in Australien, Frankreich, Italien, Kanada, Luxemburg, Neuseeland, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Ungarn und den USA Leitung/Vorsitz: Bundesweit mehrere gleichberechtigte Regionalgruppen ("Chapter") Mitglieder/Anhänger 140 (2014: 130) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisationen: "Crew 38"21-Gruppierungen: Zusammenschluss von Unterstützern (Supporter) und Anwärtern (Prospect of the Nation) für die "Hammerskin Nation" Bei den "Hammerskins" handelt es sich um ein internationales Skinhead-Netzwerk, das in mehreren Ländern über Ableger verfügt. "Hammerskins" betrachten sich selbst als die Elite der Skinhead-Bewegung. Ihre Ideologie ist von Rassismus und Neonationalsozialismus geprägt. Ziele sind die Erhaltung der "Reinheit der weißen Rasse" sowie die Vereinigung aller rechtsextremistischen weißen Skinheads in einer weltweiten "Hammerskin Nation". Es werden interne Koordinierungstreffen und rechtsextremistische Konzerte im Inund Ausland durchgeführt. 21 Die Zahl 38 steht für die Buchstaben C und H und verweist auf das Logo der "Hammerskins", die "Crossed Hammers". 90 Linksextremismus 91 Linksextremismus I. Überblick Linksextremismus zielt auf die Überwindung der bestehenden "bürgerlichen", "kapitalistischen" Staatsund Gesellschaftsordnung, die durch ein kommunistisches oder ein "herrschaftsfreies", anarchistisches System ersetzt werden soll. Die theoretischen Leitfiguren sind - in unterschiedlichem Ausmaß und abweichender Interpretation - Marx, Engels und Lenin. Gewalt, verstanden als "revolutionäre Gewalt" der "Unterdrückten gegen die Herrschenden", gilt grundsätzlich als legitim. Unterschiede in der ideologischen Herleitung, Zielsetzung und Herangehensweise, insbesondere auch in der Anwendung konkreter Gewalt, erschweren ein einheitliches Vorgehen der verschiedenen Gruppierungen. 1. Entwicklungstendenzen "Kapitalistisches Linksextremisten sind weiterhin bestrebt, gesellschaftliche KonSystem" angreifen flikte im Sinne ihrer revolutionären Ziele zu instrumentalisieren. Sie intervenieren in unterschiedlichen Aktionsund Politikfeldern, um dort ihre Positionen zu popularisieren und neue Anhänger zu gewinnen. Ideologische Grundlage ist die Ablehnung des "kapitalistischen Systems", das für gesellschaftliche und politische Missstände wie soziale Ungerechtigkeit, Migrationsströme und Kriege, Rechtsextremismus und Rassismus ebenso verantwortlich gemacht wird wie für ökologische Katastrophen und die Zerstörung von Wohnraum. Im linksextremistischen Diskurs ist der "Kapitalismus" mehr als eine bloße Wirtschaftsform: Er ist die Basis "bürgerlicher Herrschaft" und der Staat durch "Repression" nach innen und Aggression nach außen ein Garant dieser Herrschaftsverhältnisse. "DestruktionsDie "Zerstörungsdynamik" dieses auf Wachstum und "Profitdynamik" erzeugt maximierung" ausgerichteten Systems hat sich aus linksextreHandlungsdruck mistischer Sicht bereits in aktuellen globalen und europäischen Krisen niedergeschlagen. Dies zeige sich etwa in der "Verwüstung" sozialer Strukturen, insbesondere in den ärmeren Ländern in Südeuropa, in den "Interventionskriegen" im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika sowie im Abbau sozialer und politischer Rechte. Mangels "linker Alternativen" folge die deutsche 92 LINKSEXTREMISMUS Bevölkerung zudem zunehmend rechtspopulistischen, rassistischen und rechtsextremistischen Denkmustern. Derart dramatisierende Zustandsbeschreibungen haben einen gesteigerten Handlungsdruck bei Linksextremisten erzeugt. Dies zeigt sich einerseits in dem Versuch, durch den Aufbau gesellschaftlich relevanter, interventionsfähiger Strukturen endlich die bisherige politische und gesellschaftliche Marginalisierung aufzubrechen, andererseits aber auch in der Ausübung von Militanz und Gewalt. Es sei die "Wut auf die Verhältnisse" oder schlicht die Antwort Hohes Gewaltniveau auf ein gewalttätiges System ("Gegengewalt"), heißt es dementsprechend immer wieder zur Begründung linksextremistischer Gewalt. Die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten ist 2015 mit 7.700 nach wie vor hoch. Akzeptanz und Intensität von Gewalt haben in der linksextremistischen Szene in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Dies betrifft insbesondere Gewaltanwendungen gegenüber der Polizei und dem politischen Gegner (vor allem Rechtsextremisten). Hier schrecken die Täter auch nicht vor schweren körperlichen Attacken zurück und nehmen dabei schwerste Verletzungen ihrer Opfer in Kauf. In Wechselwirkung mit einer Zunahme rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Agitation und Gewalt gegen Flüchtlinge ist eine Verschärfung der Gefährdungslage jederzeit möglich. Nach einer eher rückläufigen Entwicklung in 2014 hat die MiliMilitanz tanz im Zusammenhang mit Demonstrationen im Berichtsjahr 2015 deutlich zugenommen - was sich insbesondere bei den massiven gewalttätigen Ausschreitungen anlässlich der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen) am 18. März 2015 gezeigt hat. Die eigene gesellschaftliche Marginalisierung wird von LinksexAufbau intertremisten selbstkritisch auch als Folge einer zu selbstbezogenen ventionsfähiger Politik erkannt. Daher gelte es, innerer Zersplitterung und Agonie Strukturen entgegenzuwirken, indem eine Mitwirkung an gesellschaftlichen Prozessen, lokal wie regional, sowie eine bundesweite Organisierung und Zusammenarbeit mit anderen extremistischen und nichtextremistischen Zusammenhängen angestrebt wird - ohne dabei das Ziel einer grundlegenden, revolutionären Veränderung 93 LINKSEXTREMISMUS aufzugeben ("aus (...) einzelnen Widerstandsbewegungen ein Netzwerk der Gegenmacht"22 herstellen). Vor diesem Hintergrund hat es in den letzten Jahren verschiedene Organisierungsinitiativen gegeben, die auch 2015 fortgeführt wurden. # Im Bereich des (post-)autonomen Linksextremismus setzte die ideologisch offene "Interventionistische Linke" (IL) ihren Organisierungsprozess weiter fort. Mehrere autonome Gruppen traten bislang der Organisation bei. Ein für 2015 angekündigter Strategiekongress fand zwar nicht statt, die IL war jedoch maßgeblich beteiligt an der Konzeption des BlockupyAktionsbündnisses, das sich als Teil eines europaweiten Netzwerks gegen die Sparund Reformmaßnahmen im Rahmen der Finanzkrise versteht. Das Ziel der IL bleibt der "revolutionäre Bruch mit dem nationalen und dem globalen Kapitalismus, mit der Macht des bürgerlichen Staates". Sie strebt eine überregionale, aber lokal verankerte Organisation an, um als "radikale Linke in den gesellschaftlichen Kämpfen" präsent zu sein. # Auch das "...ums Ganze!"-Bündnis, ein Zusammenschluss autonomer, kommunistischer Gruppen, war an der Organisation der (militanten) Proteste in Frankfurt am Main im März 2015 beteiligt. Auch dieses Bündnis setzt auf eine Verbindung von Ausschreitungen und Organisierung. # Die "Neue antikapitalistische Organisation" (NaO) versucht, sowohl trotzkistische als auch autonome Potenziale miteinander zu verbinden. # Im nicht parteiförmigen, gewaltorientierten marxistischleninistischen Bereich gibt es derzeit zwei überregionale Bündnisse, die sich - neben den Anti-EZB-Protesten - insbesondere bei der Mobilisierung gegen den G7-Gipfel in Elmau (Bayern) im Juni 2015 engagiert haben: die "Perspektive Kommunismus" und das "[3A]*Revolutionäre Bündnis". Beide Bündnisse halten den Aufbau einer "revolutionären kommunistischen Organisation" für unabdingbar, denn mit den bislang vereinzelten Kämpfen der jeweils angeschlossenen Gruppierungen könnten die angestrebten Ziele nicht erreicht werden. 22 Internetplattform "linksunten.indymedia" (14. April 2015). 94 LINKSEXTREMISMUS Angesichts der von der "Hegemonialmacht Deutschland" angeInternationalismus führten "kapitalistischen Offensive" in Europa wird verstärkt die internationale Zusammenarbeit gesucht, um einen "wirklichen europäischen Widerstand gegen das Regime der Austerität, der Schulden, der Grenzen, der Prekarität, der Polizeiknüppel und der Exklusion"23 aufzubauen. Zwischen deutschen und ausländischen Linksextremisten besteht daher seit vielen Jahren eine enge Kooperation. Diese Zusammenarbeit äußert sich in der wechselseitigen Teilnahme an Demonstrationen, aber auch in einer multinationalen Beteiligung an Mobilisierungsveranstaltungen bei Großereignissen, wie zum Beispiel dem G7-Gipfel in Elmau, und in einem Protestgeschehen mit zum Teil signifikanter Unterstützung aus anderen, vor allem europäischen, Staaten. 2. Entwicklung des Personenpotenzials Das linksextremistische Personenpotenzial betrug Ende 2015 nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften insgesamt 26.700 Personen und weist damit gegenüber dem Vorjahr einen leichten Rückgang auf (2014: 27.200). Eine leichte Abnahme war - wie bereits in den Vorjahren - im Spektrum der marxistisch-leninistischen und anderen legalistischen linksextremistischen Zusammenschlüsse zu verzeichnen, deren Potenzial auf 20.300 Personen sank (2014: 21.100). Hingegen hat das Personenpotenzial der gewaltorientierten Linksextremisten im Berichtszeitraum leicht zugenommen und umfasste Ende 2015 7.700 Personen (2014: 7.600), darunter 6.300 Autonome (2014: 6.100). 23 Homepage IL (2. März 2015). 95 LINKSEXTREMISMUS Linksextremismuspotenzial1 2013 2014 2015 Autonome 6.100 6.100 6.300 Anarchisten 800 800 800 Marxisten-Leninisten und andere Linksextremisten 21.600 21.100 20.300 Summe 28.500 28.000 27.400 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 27.700 27.200 26.700 davon gewaltbereite Linksextremisten 6.900 - - davon gewaltorientierte Linksextremisten2 - 7.600 7.700 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Bis 2013 wurde bei der Darstellung des Personenpotenzials ausschließlich die Anzahl der gewaltbereiten Linksextremisten ausgewiesen. Seit 2014 wird die Anzahl gewaltorientierter Linksextremisten angegeben, in der die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten als Teilmenge enthalten ist. 96 LINKSEXTREMISMUS 3. Aktionsfelder Linksextremisten unterschiedlicher Ausprägung agieren und agitieren in diversen gesellschaftlichen und politischen Aktionsfeldern. In der Hauptsache geht es ihnen dabei nicht um die bloße Behebung gesellschaftlicher Missstände, sondern um eine revolutionäre Veränderung. Die sogenannten Teilbereichskämpfe, das heißt die Aktivitäten in den einzelnen linksextremistischen Aktionsfeldern, laufen aus Sicht von Linksextremisten nämlich ins Leere, wenn ihr Ziel nicht die Überwindung des "kapitalistischen Systems" als Ganzes ist. Linksextremistische Agitation zielt auf eine "Demaskierung" der "wahren" Herrschaftsverhältnisse und darauf, neue Sympathisanten und Mitglieder zu rekrutieren. Die unterschiedlichen Agitationsfelder werden dabei inhaltlich miteinander verbunden und nach einem immer gleichen Schema dargestellt: Die Gründe für Kriege, Flucht und Migration, für Armut und soziale Ungerechtigkeiten lägen im globalen "Kapitalismus" und im Herrschaftsstreben "imperialistischer Mächte". Rechtsextremismus und "staatliche Repression" seien im "kapitalistischen System" begründet und letztlich Instrumente zur Sicherung der Herrschaftsund Eigentumsverhältnisse. Im Berichtszeitraum 2015 standen vor allem die nachfolgend angeführten Aktionsfelder im Zentrum linksextremistischer Agitation. Angesichts der Bundeswehreinsätze in Syrien dürfte auch der im Berichtsjahr eher vernachlässigte "Antimilitarismus" zukünftig wieder verstärkt in den Fokus rücken. 3.1 "Antifaschismus" "Antifaschismus" ist in der linksextremistischen Diktion mehr als der bloße Kampf gegen den Rechtsextremismus. Aus linksextremistischer Sicht hat der "Faschismus" seine Wurzeln im "Kapitalismus". Der Kampf gegen Rechtsextremismus gilt vor diesem Hintergrund nur dann als ausreichend und zielführend, wenn er die vermeintlichen gesellschaftlichen Voraussetzungen mit in den Fokus rückt und angreift. "Antifaschismus" sei deshalb immer auch "Kampf gegen das kapitalistische System". 97 LINKSEXTREMISMUS Das Jahr 2015 war - als Reaktion auf die Häufung rechtsextremistischer und rechtspopulistischer Aktionen gegen Flüchtlinge (vgl. Berichtsteil Rechtsextremismus, Kap. III) - geprägt von einer Intensivierung "antifaschistischer" Aktionen, die über die "Antifa-Recherchearbeit", also die Sammlung von Informationen über "Faschisten" mit dem Zweck, diese zu "outen", hinausgingen. Neben rechtsextremistischen Protagonisten stand dabei auch die Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Fokus der Agitation. Wiederholt wurden deren Kundgebungen Ziel gewalttätiger Gegendemonstrationen. Einrichtungen der Partei und Fahrzeuge von Mitgliedern wurden beschädigt und in Brand gesetzt. Teilweise kam es dabei zu hohen Sachschäden. In der Konfrontation mit Rechtsextremisten ist eine Verschärfung der Gefährdungslage jederzeit möglich. So mehren sich die Stimmen von Linksextremisten, die mehr Militanz fordern. Dies manifestiert sich vor allem im Kontext der aktuellen Flüchtlingsthematik, bei der die Aktionsfelder "Antirassismus" und "Antifaschismus" ineinander übergehen: "Nazis angreifen, ob auf der Strasse oder in den Behörden." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 10. November 2015) 3.2 "Antirassismus" Mit der Flüchtlingsthematik gewann das Thema "Antirassismus" im Jahr 2015 weiter an Relevanz. In der linksextremistischen Propaganda stehen sowohl Staat als auch Gesellschaft unter dem Generalverdacht, rassistisch zu sein. Auch im Agitationsfeld "Antirassismus" werden unterschiedliche Themenfelder verknüpft, zum Beispiel "Antifaschismus", "Antiimperialismus" und "Antikapitalismus". Schließlich sei es der "Kapitalismus", der Fluchtursachen produziere. Solidarität mit Flüchtlingen wird verbunden mit dem Kampf gegen die "herrschende Klasse". Anknüpfungspunkte der linksextremistischen Agitation im Bereich der Asylthematik sind vor allem die "Verschärfung" der Asylgesetze und der vermeintliche "Alltagsrassismus": 98 LINKSEXTREMISMUS "Wir rufen zur aktiven Fluchthilfe und Unterbringung illegalisierter Flüchtlinge auf. (...) Wir rufen auf zu Anschlägen auf alle Behörden, deren Zweck es ist, Menschen nach ihrer Verwertbarkeit im Kapitalismus zu sortieren und alle Überflüssigen abzuschieben. Wir rufen allerorten auf zu Anschlägen auf Infrastruktureinrichtungen aller Art, die dazu dienen, die Normalität und Ordnung aufrecht zu erhalten (...)." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 30. November 2015) In diesem Begründungszusammenhang werden Straftaten - von Sachbeschädigungen bis hin zu Brandstiftungen - auf "Verantwortliche der Flüchtlingskrise" verübt, zumeist auf Einrichtungen von Parteien oder staatliche Institutionen. 3.3 "Antikapitalismus" "Antikapitalismus" ist die Basis linksextremistischer Ideologie. Strukturen und Eigentumsverhältnisse des "Kapitalismus" sind demnach nicht nur die Grundlagen für Armut, Hunger und soziale Ungerechtigkeit, sondern darüber hinaus für "Faschismus", "Repression", Migrationsströme, ökologische Katastrophen, "Imperialismus" und Krieg. Obgleich es Linksextremisten bislang nicht gelungen ist, die europäische Finanzund Wirtschaftskrise für die eigenen Ziele zu nutzen, unternehmen sie immer neue Anläufe, um linksextremistische Positionen zu verbreiten. Im Rahmen einer gesellschaftlich breiter angelegten Kapitalismuskritik sehen sie sich berufen, der Kritik an einzelnen Erscheinungsformen ein theoretisches Fundament zu verleihen und militant vorzugehen. Dies wurde am 18. März 2015 bei den Protesten anlässlich der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main erneut deutlich. Verantwortlich für Protestplanung und -mobilisierung war zwar das 2012 gegründete bundesweite Aktionsbündnis Blockupy, das sich als Teil eines europaweiten Netzwerks gegen die Sparund Reformmaßnahmen im Rahmen der Finanzkrise versteht. Tatsächlich aber bestimmten gewaltorientierte Linksextremisten die Choreografie am "Tag des Zorns", unter anderem mit Brandanschlägen auf Polizeiautos und 99 LINKSEXTREMISMUS Privat-Pkw und mit Verwüstungen in der Frankfurter Innenstadt (vgl. Kap. IV, Nr. 1). 3.4 "Antirepression" "Staatliche Repression" dient nach linksextremistischer Argumentation der Unterdrückung revolutionärer Prozesse und der Herrschaftssicherung im Allgemeinen. Militante Agitation richtet sich deshalb in erster Linie gegen Polizeikräfte, die als Repräsentanten des "Repressionsapparates" angesehen werden, und eine vermeintlich politisch instrumentalisierte "Klassenjustiz". Eine der bedeutendsten Organisationen im Themenfeld "Antirepression" ist die "Rote Hilfe e.V.", die sich selbst als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation" versteht und Personen aus dem linksextremistischen Spektrum unterstützt, die von "staatlicher Repression bedroht" sind, darunter auch Strafund Gewalttäter. Finanzielle Unterstützung erhalten dabei jedoch nur diejenigen, die sich jeglicher Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz verweigern. Angriffe auf Polizisten im Einsatz und Polizeireviere werden in der gewaltorientierten Szene überwiegend akzeptiert und begrüßt ("Kriminell ist das System und nicht der Widerstand!"24). Die Täter nehmen bei solchen Attacken mittlerweile auch schwere und sogar lebensbedrohliche Verletzungen in Kauf. 3.5 "Antigentrifizierung" Das Thema "Gentrifizierung" versuchen Linksextremisten zu nutzen, um eigene Interessen - unter anderem den Erhalt von "Freiräumen" (zum Beispiel besetzte Häuser oder kollektive Wohnprojekte) - in einen gesellschaftlich relevanten Diskurs einzubetten. Der Kampf gegen "antisoziale Stadtumstrukturierungen" in Form von Demonstrationen, Beschädigungen von Luxusimmobilien und Büros von Immobiliengesellschaften bis hin zu Drohungen gegen angeblich Verantwortliche, soll Menschen ansprechen, die 24 Internetplattform "linksunten.indymedia" (20. März 2014). 100 LINKSEXTREMISMUS vom Verlust ihres tradierten Wohnumfeldes bedroht sind. Wie in anderen Themenfeldern ist auch hier die Suche nach einem "revolutionären Potenzial" von entscheidender Bedeutung. Szeneobjekte, wie zum Beispiel die "Rote Flora" in Hamburg, gelten als wichtige Widerstandsstrukturen mit entsprechendem Symbolcharakter, die frei sind von "kapitalistischer Verwertungslogik", vor allem aber frei von Überwachung und staatlicher Einflussnahme, und in denen sogar versucht wird, das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft zu setzen. Mancherorts bilden sie den Rahmen für eine subkulturelle "Gegenkultur", die auch Nichtextremisten anspricht. Entsprechend aggressiv reagiert die Szene üblicherweise auf den drohenden Verlust solcher "Freiräume". So kam es beispielsweise im Juli 2015 in Berlin bei der "Langen Woche der Rigaer Straße" (dort gibt es mehrere autonome Wohnprojekte) zu gewalttätigen Angriffen auf die Polizei. Polizeiwagen und Polizeibeamte wurden mit Steinen, Flaschen und Eiern beworfen und Müllcontainer angezündet. 3.6 Kurdistansolidarität Die Kurdistansolidarität ist ein klassisches Agitationsfeld deutscher Linksextremisten, das vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Syrien und dem Vorgehen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) erneut an Bedeutung gewonnen hat. Die Solidarität gilt kurdischen Autonomiebestrebungen, insbesondere der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die linksextremistische Szene unterstützte 2015 bundesweite und regionale Demonstrationen und Veranstaltungen. Vor allem aber initiierte sie zwei Spendenkampagnen: Die "Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin" (ARAB), die seit 2014 in der "Neuen antikapitalistischen Organisation" (NaO) organisiert ist, gehörte neben anderen extremistischen und nichtextremistischen Organisationen zu den Akteuren der 2014 gestarteten Spendenkampagne "Waffen für Rojava - Solidarität mit der YPG/YPJ!", die nach Eigenangaben bis September 2015 eine Spendensumme von bis zu 119.000 Euro aufgebracht hat. Ein Großteil der Summe soll bereits an die bewaffneten syrischen 101 LINKSEXTREMISMUS "Volksverteidigungseinheiten" (YPG) geflossen sein. Einen ähnlich hohen Erlös erzielte die ebenfalls im Vorjahr gestartete Kampagne "Solidarität mit Rojava", die von der "Interventionistischen Linken" (IL) sowie der PKK-Studentenvereinigung "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (YXK) initiiert worden war. Die Ende Mai 2015 beendete Spendensammlung erbrachte - nach Eigenangaben der IL - bis März 2015 eine Summe von etwa 100.000 Euro. Darüber hinaus ist zum Beispiel die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) maßgeblich in die Organisation der "Kobane-Solidaritätsbrigaden" eingebunden, einer Initiative der linksextremistischen "Internationalistischen Organisation revolutionärer Parteien und Organisationen" (ICOR), der weltweit 49 Gruppierungen angehören. Ziel der "Solidaritätsbrigaden" ist die Errichtung eines Gesundheitszentrums in Nordsyrien. Zur Unterstützung dieses Projektes sind im Jahr 2015 auch deutsche Linksextremisten in die kurdisch kontrollierten Kampfgebiete in Syrien gereist. Im Jahr 2015 ist in Syrien eine deutsche Linksextremistin bei Kämpfen ums Leben gekommen - sie hatte für die türkische "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) auf Seiten der YPG gegen den IS gekämpft. II. Gewalt und Militanz Die Zahl linksextremistisch motivierter Gewalttaten ist im Jahr 2015 um fast zwei Drittel auf nunmehr 1.608 Taten gestiegen (2014: 995 Gewalttaten). Dieser Zuwachs ist im Wesentlichen auf folgende Fakten zurückzuführen: Die Anzahl der gewaltorientierten Autonomen hat zugenommen. Zudem ist deren Aktionsund Aggressionsniveau beträchtlich angestiegen; insbesondere bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten beziehungsweise angeblichen Rechtsextremisten ist ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen. Bei Großereignissen kam es zum Teil zu erheblichen Ausschreitungen, so zum Beispiel anlässlich der offiziellen Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) am 102 LINKSEXTREMISMUS 18. März 2015 in Frankfurt am Main (vgl. Kap. IV, Nr. 1). Von den 2015 bundesweit erfassten acht versuchten Tötungsdelikten (2014: sieben) wurden allein vier bei den Protestaktionen gegen die EZB verübt. In der zweiten Jahreshälfte 2015 war eine Zunahme der Gewalttaten im Zusammenhang mit der Kampagne "Ende Gelände" gegen den Braunkohletagebau in Garzweiler (Nordrhein-Westfalen) zu verzeichnen (vgl. Kap. IV, Nr. 3). Dies verdeutlicht die Gewaltbereitschaft der Szene, welche aktuell von Sachbeschädigungen über Körperverletzungen bis hin zu versuchten Tötungsdelikten reicht. Gewaltorientierter Linksextremismus ist primär ein urbanes Hot Spots Phänomen. Die Szene agiert insbesondere in städtischen Ballungsräumen. Die Schwerpunkte des gewaltorientierten Linksextremismus liegen vor allem in den sogenannten Hot Spots, den Stadtstaaten Berlin und Hamburg sowie in Leipzig (Sachsen). In diesen Städten lebt ein Großteil des linksextremistischen Personenpotenzials. Hier wird auch ein hoher Anteil der durch gewaltorientierte Linksextremisten verübten Straftaten begangen, darunter schwere Gewaltdelikte. Die Szene beweist in urbanen Ballungsräumen eine besonders große Mobilisierungskraft, Handlungsfähigkeit und Gewaltbereitschaft. Das gilt besonders für die jeweiligen Szeneviertel mit entsprechenden "Szeneläden" und besetzten Häusern, die gewaltorientierte Linksextremisten als ihr ureigenes Terrain ansehen. Stärker als andernorts schafft es die Szene hier üblicherweise, kurzfristig und spontan auf einschlägige Ereignisse zu reagieren und ein hohes Gewaltpotenzial auf die Straße zu bringen. Die Notwendigkeit "revolutionärer Gewalt" ist in allen linksextremistischen Ausprägungen anerkannt, denn es wird davon ausgegangen, dass die "Herrschenden" und ihr Staatsapparat sich revolutionären Veränderungsprozessen widersetzen. Unterschiedliche Auffassungen gibt es lediglich über Einsatz und Grad von Gewalt und Militanz in nichtrevolutionären Zeiten. Dabei handelt es sich aber eher um eine strategische als eine moralische Frage. Entscheidend ist insoweit die "Vermittelbarkeit" der Gewaltanwendung. Für Autonome ist Gewalt gar ein Mittel subjektiver Befreiung und Selbstverwirklichung. 103 LINKSEXTREMISMUS In der ideologisch und was die strategische Ausrichtung angeht eher heterogenen Szene gilt Gewalt weithin als legitimes Mittel gegen die "strukturelle Gewalt" eines "Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung". Die eigene Gewalttätigkeit wird verbrämt als moralisch gebotene Gegengewalt: "Wir denken, in einer unanständigen Gesellschaft ist es anständig, Steine zu werfen." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 18. Juni 2015) In Bezug auf die Formen der Gewaltausübung unterscheidet die Szene zwischen Gewalt gegen Personen und Gewalt gegen Sachen sowie zwischen konfrontativer Gewalt ("Massenmilitanz") und personenund objektbezogenen Anschlägen durch Kleinstgruppen. Hohes Während die Zahl linksextremistischer Gewalttaten über die Jahre Aggressionsniveau schwankt, ist die Intensität der Gewalt in den letzten Jahren angestiegen. Seit Jahren ist im gewaltorientierten Linksextremismus ein hohes Aggressionsniveau festzustellen. Immer wieder werden gerade Polizisten als Repräsentanten des verhassten "Repressionsapparates" angegriffen. Die Hemmschwelle, Polizeibeamte dabei zu verletzen ist gesunken. Die Täter nehmen nicht nur schwerste Körperverletzungen, sondern auch den Tod von Menschen billigend in Kauf. Angriffe werden meist im Umfeld von Demonstrationen verübt. In der gewaltorientierten Szene werden Angriffe auf Polizisten wie auch auf tatsächliche (oder vermeintliche) Rechtsextremisten weitestgehend akzeptiert. Zwar gibt es derzeit keinen Linksterrorismus in Deutschland. Dennoch sind bei radikalisierten Einzeltätern oder Kleinstgruppen auch strategisch geplante, gezielte Tötungen nicht vollständig auszuschließen. 1. Konfrontative Gewalt Konfrontative Gewalt soll die bedingungslose Grenzziehung zwischen Linksextremisten und dem "System" kennzeichnen. Sie zielt darüber hinaus auf mediale Aufmerksamkeit. 104 LINKSEXTREMISMUS Die Militanz der autonomen Szene - Straßenkrawalle, die im Militanz Zusammenhang mit Demonstrationen oder Großveranstaltungen initiiert werden - sucht die direkte Konfrontation mit der Polizei oder dem politischen Gegner. Eine entsprechende Stimmung der Teilnehmer wird im Rahmen der Mobilisierung via Internet oft durch gewaltfördernde Videoclips und Musik geschürt. Ein wichtiges Ziel aktionsorientierter Linksextremisten bleibt die Verhinderung rechtsextremistischer Veranstaltungen - auch mittels direkter Konfrontation: Teilnehmer werden etwa bei der Anreise zu Demonstrationen angegriffen oder Anreisewege werden blockiert. Während noch im Jahr 2014 ein Rückgang "massenmilitanter" Aktionen festgestellt werden konnte, trifft dies für das Berichtsjahr 2015 nicht mehr zu. Besonders hervorzuheben sind die gewalttätigen Aktionen im Zusammenhang mit der Eröffnung des Neubaus der EZB in Frankfurt am Main sowie einer rechtsextremistischen Demonstration in Leipzig: # Im Rahmen der Protestmobilisierung gegen die EZB am 18. März 2015 in Frankfurt am Main rief das in seiner Gesamtheit nichtextremistische Blockupy-Bündnis zu "vielfältigem Protest" auf: von einer Demonstration über symbolische Aktionen bis hin zu Blockaden der Zufahrtswege. Ziel war die Verhinderung, zumindest nachhaltige Behinderung der Feierlichkeiten zur Eröffnung des EZB-Neubaus. Während die offiziell angemeldete abendliche Demonstration unter Teilnahme von 17.000 Personen weitgehend friedlich verlief, hatten Autonome bereits in den frühen Morgenstunden die Frankfurter Innenstadt verwüstet, brennende Blockaden errichtet und zahlreiche Ladengeschäfte und Gebäude beschädigt. Ein Höhepunkt der Gewaltexzesse war der Angriff auf eine Polizeiwache in der Frankfurter Innenstadt, bei der allein vier Polizeifahrzeuge in Brand gesetzt wurden. Im Rahmen der Ausschreitungen wurden über 150 Polizeibeamte verletzt. # Nachdem die rechtsextremistische Szene für den 12. Dezember 2015 eine Demonstration im Leipziger Stadtteil Connewitz angekündigt hatte, mobilisierten Linksextremisten zu Gegenaktionen. Linksextremistische Gewalttäter initiierten eine Straßenschlacht mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern gegen die Polizei, bei der 69 Beamte verletzt wurden. 105 LINKSEXTREMISMUS Bemerkenswert ist, dass sich dieser Angriff in erster Linie gegen die Polizei richtete. Demgegenüber war die rechtsextremistische Kundgebung ein nachrangiges Ziel. 2. Personenund objektbezogene Gewalt Neben offener, konfrontativer Straßengewalt verüben gewaltorientierte Linksextremisten klandestin vorbereitete und ausgeführte Anschläge. Diese Gewalttaten sind planvoll konzipiert und sollen eine Signalwirkung entfalten. Neben der medialen Resonanz zielt die objektbezogene Gewalt darauf ab, die angegriffenen Einrichtungen oder Unternehmen zu einer Veränderung ihres Verhaltens zu nötigen. Aus diesem Grund ist ein finanzieller Schaden beabsichtigt: Die Anschläge sollen den Betriebsablauf stören. Sie werden in Selbstbezichtigungsschreiben, die häufig auf Internetplattformen wie "linksunten.indymedia" veröffentlicht werden, ideologisch begründet und gerechtfertigt. Zum Schutz vor Strafverfolgung verwenden die Täter wechselnde Aktionsbezeichnungen oder verzichten gänzlich auf die Nennung von Namen ("no-name-Militanz"): # 5. Juni 2015: Während des G7-Gipfels in Elmau (Bayern) randalierten etwa 50 vermummte Personen im Leipziger Stadtgebiet, errichteten Straßenbarrikaden, beschädigten Fassaden und Fensterscheiben von Geschäften, Banken und Behörden und setzten Fahrzeuge in Brand. # 9. Dezember 2015: Der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Kreisverbands Leipzig wurde in den Abendstunden in seinem Ladengeschäft überfallen und zusammengeschlagen. Während einer der mutmaßlich aus der gewaltorientierten linksextremistischen Szene stammenden Täter den Funktionär auf den Kopf schlug, filmte ein anderer den Überfall. Bilder der Tat wurden auf der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia" eingestellt, das Video des Überfalls wurde verlinkt. Der NPD-Funktionär erlitt eine Platzwunde am Kopf. Er erklärte Ende Dezember 2015 seinen Austritt aus der Partei. Mutmaßlich gewaltorientierte Linksextremisten reagierten darauf mit dem Posting: "Autonome Gruppen wünschen Halsund Beinbruch!"25 25 Internetplattform "linksunten.indymedia" (30. Dezember 2015). 106 LINKSEXTREMISMUS # 17. Januar 2016: Eine größere Gruppe mutmaßlicher Linksextremisten überfiel eine kleine Gruppe von Rechtsextremisten am Bahnhof Oschersleben (Sachsen-Anhalt) auf deren Rückweg von einer Kundgebung anlässlich des Jahrestags der Bombardierung der Stadt Magdeburg (Sachsen-Anhalt) im Jahre 1945. Sechs der Opfer konnten fliehen, vier wurden durch Eisenstangen und Holzlatten zum Teil schwer verletzt. Eine Person erlitt so schwere Schädelverletzungen, dass sie nur durch eine sofortige Notoperation gerettet werden konnte. Die Täter entkamen unerkannt. III. Gewaltorientierter Linksextremismus zwischen Kontinuität und Kurskorrektur: Strategischstrukturelle Neuformierung 1. Ausgangslage der linksextremistischen Strategiedebatte Der seit Jahren andauernde Bedeutungsverlust linksextremistischer Positionen, der sich in Mobilisierungsproblemen, gesellschaftlicher Marginalisierung und mangelnder Anschlussfähigkeit äußert, hat bei den Protagonisten eine Debatte über ideologische und strategische Grundlagen ausgelöst, die auch 2015 fortgeführt wurde. Hierbei werden zwar die grundsätzlichen Ausrichtungen und Prämissen nicht infrage gestellt, gleichwohl führt die Debatte zu strategischen Modifizierungen und einer tendenziellen Neugewichtung ideologischer Grundlagen. In einem Neuformierungsprozess versuchen gewaltorientierte Linksextremisten, durch die Schaffung bundesweiter Strukturen die Zersplitterung der Szene zu überwinden sowie gesellschaftliche und politische Relevanz zu erringen. Dabei sind sie sich weitgehend einig, dass dies nur möglich ist, wenn die "bequeme, oft unreflektierte Einrichtung in der eigenen Subkultur und in unseren bisherigen, oftmals nur selbst-referenziellen Formen von Politik"26 überwunden werden kann. 26 Internetplattform "linksunten.indymedia" (2. April 2015). 107 LINKSEXTREMISMUS 2. Autonome Autonome bilden mit 6.300 (2014: 6.100) Angehörigen die weitaus größte Gruppe des gewaltorientierten Linksextremismus. Wenngleich die Gruppe der Autonomen weder ideologisch noch strategisch homogen ist und handelt, verfügt sie doch über einheitliche Prämissen und Leitziele: individuelle und soziale Autonomie (Kampf gegen die Lohnarbeit und das "Kapital"), "Politik der ersten Person" (Ablehnung einer "Stellvertreterpolitik", keine Unterscheidung zwischen politischem und privatem Leben), Staatsfeindlichkeit, Antiautoritarismus, Organisationsfeindlichkeit sowie ein hoher Grad an Gewaltorientierung. Grundsätzlich organisationsund hierarchiefeindlich bevorzugen sie eher strukturlose, informelle Formen der Zusammenarbeit. Darüber hinaus fordern Autonome "Freiräume" (besetzte Häuser und selbstverwaltete Zentren), in denen zum Beispiel in autonomen Wohnprojekten "herrschaftsfreie" und selbstbestimmte Lebensformen praktiziert werden - unter Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols. 2.1 Autonome Organisierungsansätze Die letztlich auf die eigenen Belange beschränkten Aktionen der Autonomen führen dazu, dass der Wirkungsbereich "klassischer" autonomer Gruppen - mit Ausnahme weniger Großereignisse - meist nicht über den eigenen Wohnbereich hinausreicht. Um dieser Isolierung entgegenzuwirken, hat es in der Geschichte der Bewegung immer wieder Versuche gegeben, verbindlichere regionale und bundesweite Strukturen aufzubauen, um Kontakte und Zusammenarbeit mit anderen Akteuren zu ermöglichen und die "sozialen Kämpfe" vor Ort zu bündeln und bundesweit miteinander zu vernetzen. Diese Bestrebungen zu neuen "postautonomen" Organisierungsansätzen, bei denen es um die Beibehaltung militanter Konzepte, aber auch um deren Vermittelbarkeit ("Keine Militanz um der Militanz willen") geht, haben seit dem Jahr 2014 an Dynamik gewonnen. 108 LINKSEXTREMISMUS Die derzeit erfolgreichsten Akteure dieses Organisierungsansatzes sind das Bündnis "...ums Ganze!" und die "Interventionistische Linke" (IL). "...ums Ganze!" (uG) ist ein Verbund eigenständiger, lokal ver"...ums Ganze!" ankerter Gruppen der autonomen Szene. Er umfasst insgesamt circa 250 Personen. Lokal treten die einzelnen Mitgliedsgruppen autark, in Aktionsbündnissen und bei Großveranstaltungen aber unter dem Label "...ums Ganze!" auf. Das Bündnis bekennt sich zur Militanz als strategische Komponente einer Organisierung. Die Kräfte der einzelnen Gruppierungen sollen gebündelt werden, um auch überregional handlungsfähig zu sein. Das Bündnis konnte seinen Organisierungsgrad im Berichtszeitraum weiter steigern. Es bezeichnet sich selbst als ein "kommunistisches Bündnis" und beschreibt damit seinen ideologischen Anspruch: Ziel ist die kommunistische Revolution, die umfassende Umgestaltung von Staat und Gesellschaft. So heißt es in einem Aufruf des Bündnisses aus dem Jahr 2014: "There is an Alternative! Kommunismus statt Schweinesystem!"27. Das für Autonome eher ungewöhnlich deutliche Bekenntnis zum Reideologisierung der Kommunismus ist ein Beispiel für Reideologisierungstendenzen autonomen Szene in Teilen der gewaltorientierten Szene - bislang eher ein Kennzeichen im dogmatischen Linksextremismus. Ideologisch undogmatisch zielt die formell 2005 gegründete "Interventionistische "Interventionistische Linke" (IL) auf die Verbindung von MasLinke" senbasis (mit entsprechenden Interventionsmöglichkeiten) und Militanz. Der 2014 mit einem "Zwischenstandspapier" publik gemachte, gesteuerte Entwicklungsprozess von einem Netzwerk hin zu einer Organisation wurde im Berichtszeitraum weiter fortgesetzt. Ziel bleibt der "revolutionäre Bruch mit dem nationalen und dem globalen Kapitalismus, mit der Macht des bürgerlichen Staates"28. Dabei setzt die IL auf die "radikalisierende Wirkung von 27 Homepage uG (12. Juli 2014). 28 Homepage IL (28. April 2015). 109 LINKSEXTREMISMUS Widerständigkeit und Selbstermächtigung durch kollektiv organisierte ungehorsame Massenaktionen"29. Die IL strebt eine überregionale, lokal verankerte Organisation an, um als "radikale Linke in den gesellschaftlichen Kämpfen präsent zu sein". Die in der IL organisierte Gruppe Prisma aus Leipzig (Sachsen) sieht die IL auf dem Weg in "Richtung einer multizentrischen postautonomen Organisation". Sie sei der Versuch, "überregionale und transnationale Handlungsund Interventionsfähigkeit zu gewinnen."30 Breite Vernetzung Dem handlungsorientierten Ansatz der IL sollen keine ideologischen Dogmen entgegenstehen. Diese ideologische Unverbindlichkeit ermöglicht eine Vernetzung mit marxistischen Gruppierungen auf der einen und nichtextremistischen Akteuren auf der anderen Seite. Die IL manifestiert ihre Bündnisfähigkeit, indem sie die Notwendigkeit der Beteiligung an aktuellen "Kämpfen" betont. Durch sie sei es möglich, einer "hegemonialen Veränderung" den Boden zu bereiten. In ihren Äußerungen vermeidet die Organisation ein eindeutiges Bekenntnis zu (revolutionärer) Gewalt, sie spricht zum Beispiel von "Aktionsund Kampfformen": "Zugespitzte gesellschaftliche Bedingungen werden daher veränderte Aktionsund Kampfformen benötigen." (Homepage IL, 2. Februar 2016) Scharnierfunktion Die IL fungiert als Bindeglied sowohl innerhalb des linksextremistischen Spektrums als auch zwischen Extremisten und Nichtextremisten. Sie ist in der Lage, sowohl das gewaltorientierte als auch das nicht gewaltbereite Potenzial zu erreichen. Differenzen Stellt bereits die Debatte um den Grad verbindlicher Organisierung mit "klassischen" ein Grundprinzip "klassischer" Autonomer infrage, so gilt dies erst Autonomen recht für die verbale und strategisch begründete Zurückhaltung "Postautonomer" in der Gewaltfrage. Während für "klassische" 29 Homepage IL (28. April 2015). 30 Ebenda. 110 LINKSEXTREMISMUS autonome Strukturen Gewalt ein "Mittel subjektiver Befreiung" und ein unverzichtbares Element darstellt, vermeiden Gruppierungen wie uG und IL ein ostentatives Bekenntnis zur Gewalt, nicht zuletzt, um ihre Bündnisoptionen nicht zu gefährden. Die Kritik der "klassischen" Autonomen an "postautonomen" Militante KleinstInitiativen richtet sich gegen eine Strategie, die als grundlegende gruppen als GegenAbkehr von einem autonomen Politikverständnis verstanden trend wird, da dieses eine bundesweite Organisierung mit der Gefahr einer Hierarchisierung und eine strategische Zurückhaltung in der Gewaltfrage gerade ausschließt. Vor diesem Hintergrund ist im "klassischen" Bereich der Autonomen die Herausbildung militanter Kleinund Kleinstgruppen festzustellen, die für gewalttätige Eskalationen bei Demonstrationen und Anschläge auf Personen und Gebäude verantwortlich sind. Eine Gruppierung, die sich selbst als "autonome gruppe" bezeichnet, formuliert beispielsweise: "Jeder Glasbruch an (Bullen) Karren oder Neubauten, in Faschofenstern oder Wachhäuschen ist ein richtiges Signal. Uniformierte zu bedrohen und zu verletzen ist eine notwendige Konsequenz. (...) Wir sind gewaltbereit und erhalten unsere (nächtlichen) Aktionsformen aufrecht (...). Wir brauchen mehr gewaltbereite aktive Menschen, im Alltag sowie in den Nächten, auf verschiedenste Weisen." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 14. Juli 2015) 3. Marxisten, Leninisten, Antiimperialisten Während die linksextremistischen Parteien - die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) - keinerlei Relevanz für den gewaltorientierten Linksextremismus haben, sind die gewaltorientierten marxistischen, leninistischen und antiimperialistischen Gruppen zunehmend bemüht, eine bundesweite Vernetzung ihrer Strukturen aufzubauen. Der Zusammenschluss "[3A]*Revolutionäres Bündnis" - die drei "[3A]*Revolutionäres A stehen für "Antifaschismus", "Antikapitalismus" und "AntimiliBündnis" tarismus" - bekennt sich ausdrücklich zum Kommunismus und 111 LINKSEXTREMISMUS zur "internationalen Solidarität mit den fortschrittlichen und revolutionären Kräften in aller Welt": Die im Bündnis vertretenen Organisationen, darunter auch Gruppen aus dem säkularen Ausländerextremismus, stünden für eine "klassenkämpferische und revolutionäre Theorie und Praxis" auf der "Basis eines proletarischen Klassenstandpunkts". Ziel sei es, "eine langfristige Zusammenarbeit zu organisieren".31 Das "[3A]*Revolutionäre Bündnis" gehörte zu den maßgeblichen Akteuren im Aktionsbündnis "Stop G7" gegen den G7-Gipfel im Juni 2015 in Elmau (Bayern). Ebenso war das Bündnis an den Protesten anlässlich der Eröffnung des Neubaus der EZB am 18. März 2015 in Frankfurt am Main (Hessen) beteiligt. "Neue antikapitalistiDie eher trotzkistisch geprägte "Neue antikapitalistische Organische Organisation" sation" (NaO) verstärkt, allerdings ohne größeren Erfolg, seit 2014 ihre Vernetzungsbemühungen auch mit autonomen Gruppierungen. Anders als die Vernetzungsinitiativen aus dem (post-)autonomen Bereich setzt die NaO auf eine "Erneuerung des Marxismus und der Arbeiterbewegung". Übereinstimmung herrscht hingegen in der Einschätzung, eine Revolution sei unabdingbar: "Die bürgerliche Herrschaft wird nicht durch Parlamentsmehrheiten, sondern durch Massenmobilisierung und revolutionäre Umwälzung abgeschafft." (Homepage NaO, 17. Dezember 2015) Der "bürgerliche" Staat soll durch ein "System der Rätedemokratie" ersetzt werden. "Perspektive Die 2014 von sechs Organisationen des gewaltbereiten Spektrums Kommunismus" gegründete marxistisch-leninistische "Perspektive Kommunismus" strebt den "Aufbau des Sozialismus hin zu einer befreiten, einer kommunistischen klassenlosen Gesellschaft" an. Dies könne indes, so heißt es auf der Homepage, nicht durch Reformen, sondern nur durch die revolutionäre Zerschlagung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung erreicht werden: "(...) ein kapitalistisches Gebilde (...). Es kann nicht mit ein paar Reförmchen hier und da verbessert werden. Es kann nur 31 Homepage "[3A]*Revolutionäres Bündnis" (4. November 2014). 112 LINKSEXTREMISMUS grundlegend und das heißt auf revolutionärem Wege überwunden werden." (Homepage "Perspektive Kommunismus", 30. Oktober 2015) Die Militanz der Organisation zeigt sich beispielsweise in ihrer Definition des "Antimilitarismus": "Dazu gehören auch Sabotage-Aktionen wie Brandanschläge gegen deutsches Kriegsgerät (...). Wir zeigen uns solidarisch mit denjenigen, die auf diese weise zeigen, dass die Bundeswehr angreifbar ist (...)." (Broschüre "Fight G7 - Gemeinsam kämpfen gegen Kapitalismus, Rassismus & Krieg", April 2015) 4. Gefährdungspotenzial Seit 2014 ist eine gewisse Konstanz innerhalb der neu geschaffenen Strukturen erkennbar, die eine dauerhafte Organisierung im gewaltorientierten Linksextremismus möglich erscheinen lässt. Die IL hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie mit ihrem Konzept der Akzeptanz unterschiedlicher Protestformen über die eigene Szene hinaus ("massenwirksam") agieren kann. Mit der Fortsetzung ihrer Organisierungsbemühungen und der Aufnahme weiterer Gruppierungen und Mitglieder könnte sie die Voraussetzungen hierzu künftig weiter verbessern. Die Großereignisse linksextremistischen Protests im Jahr 2015 (Eröffnung des EZB-Neubaus und G7-Gipfel) haben gezeigt, dass eine Zusammenführung unterschiedlicher linksextremistischer Potenziale durchaus möglich ist. Dies entspricht zwar bei Weitem noch nicht dem Anspruch von Organisationen wie der IL bezüglich einer dauerhaften Bündelung, es zeigt jedoch eine wachsende Bereitschaft, gruppenspezifische und ideologische Differenzen zugunsten einer gemeinsamen Aktionsorientierung zurückzustellen und zu überwinden. In diesem Organisierungsprozess sind die "klassischen" Autonomen zunächst außen vor geblieben. Einige Gruppen werden möglicherweise ihre klandestinen gewalttätigen Aktivitäten verstärken, um ihrem eigenen Konzept weiterhin Nachdruck zu 113 LINKSEXTREMISMUS verleihen. Andere autonome Gruppen könnten sich hingegen dem Prozess der Neustrukturierung anschließen. IV. Kampagnenfähigkeit der linksextremistischen Szene Die Bündnisund Kampagnenarbeit - insbesondere im Zusammenhang mit Großereignissen - ist ein wichtiger Bestandteil der linksextremistischen Agenda, insbesondere auch vor dem Hintergrund mangelnder personeller und organisatorischer Stärke. Das Ziel besteht darin, anlassbezogen ein gesellschaftlich möglichst breites, über das extremistische Spektrum hinausgehendes Bündnis zu etablieren, das auch über eine regionale und lokale Verankerung verfügt. Eine wesentliche Komponente hierbei ist die internationale Vernetzung. Entsprechende Großereignisse werden von einer Vielzahl von Vorbereitungsund Mobilisierungsveranstaltungen begleitet. Aktionskonferenzen, Arbeitsgruppen und aktionsbezogene Kooperationen ermöglichen ein abgestimmtes Vorgehen der einzelnen Gruppierungen und Bündnisse. Im Vorfeld und während einer Veranstaltung werden linksextremistische Gruppierungen so zu einer treibenden Kraft der Mobilisierung. Vielfach wird in Aktionsbündnissen ein Konsens auch über die Formen des Protestes gesucht. Nicht immer halten sich alle Gruppen an solche Absprachen, vor allem aber handelt es sich oftmals um Formelkompromisse, die einen breiten Auslegungsspielraum zulassen, so etwa bei den Mitteln des "zivilen Ungehorsams" oder der "Blockade". Das Jahr 2015 war für die linksextremistische Szene von drei großen Kampagnen bestimmt: gegen die Feierlichkeiten zur Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen) im März, gegen den G7-Gipfel in Elmau (Bayern) im Juni sowie die Kampagne "Ende Gelände" und deren Protestaktionen gegen den Braunkohletagebau in Garzweiler (Nordrhein-Westfalen) im August. 114 LINKSEXTREMISMUS 1. Ausschreitungen bei Protesten anlässlich der offiziellen Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) Das Blockupy-Bündnis hatte bereits drei Jahre vor der offiziellen Eröffnung des Neubaus der EZB in Frankfurt am Main mit der Mobilisierung für den "Tag X" begonnen und seit 2012 auch Demonstrationen durchgeführt. Im Aufruf zu den Protesten am 18. März 2015 hieß es unmissverständlich: "Es wird nicht nur eine ungehorsame Massenaktion am Tag der EZB-Eröffnung geben, sondern eine Vielzahl von Demonstrationen, Blockaden und anderen Aktionen darum herum." (Homepage Blockupy, 9. November 2015) Die dominierende Kraft im extremistischen Segment des auch nichtextremistische Gruppierungen umfassenden BlockupyBündnisses war allen voran die "Interventionistische Linke" (IL), von der auch Idee und Grundkonzept für "Blockupy" stammen. Im Jahr 2013 kam außerdem das "...ums Ganze!"-Bündnis als weitere extremistische Gruppierung hinzu. Besonderen Wert legt das Blockupy-Bündnis auf die europaweite Vernetzung. Entsprechend fand im Vorfeld des Protestes eine Koordinierung mit vielfältigen Gruppierungen und Organisationen statt: zum Beispiel mit Gewerkschaften, Parteien und Flüchtlingsinitiativen aus annähernd allen Ländern Westeuropas. Bei den Blockupy-Aktionstagen in den zurückliegenden Jahren konnten dementsprechend viele Teilnehmer aus dem europäischen Ausland festgestellt werden, insbesondere aus Italien. Die Organisatoren hatten neben einer Großdemonstration Protestverlauf Blockaden auf den Zufahrtswegen zum EZB-Neubau beschlossen. Die IL strebte Proteste in Form eines "Metropolenstreiks" an: "Verhindern wir die Eröffnung der EZB durch Unterbrechung des Betriebs und der Betriebsamkeit der Stadt." (Homepage IL, 5. Januar 2015) 115 LINKSEXTREMISMUS Das "...ums Ganze!"-Bündnis assistierte: "Die Neueröffnung der Europäischen Zentralbank zum Desaster machen! (...) Face the players, fight the game!" (Homepage "...ums Ganze!"-Bündnis, 18. März 2014) In ihrem Demonstrationsaufruf hieß es: "Mit der EZB-Eröffnung inszeniert sich das Schweinesystem immer noch als unangreifbar, alternativlos und sympathisch. (...) Eine andere, eine solidarische Welt ist möglich - aber sie kann nur auf den Trümmern der alten Ordnung errichtet werden. Fangen wir mit dem Abriss an." (Homepage "...ums Ganze!"-Bündnis, 4. März 2015) Bereits in den frühen Morgenstunden des 18. März 2015 kam es in der Frankfurter Innenstadt zu massiven Krawallen. Autonome führten teilweise lebensbedrohliche Angriffe auf Polizeibeamte durch und begingen zahlreiche Sachbeschädigungen (Schadenssumme: über 1,5 Millionen Euro). Die Gewalt richtete sich nicht nur gegen die Polizei oder Einrichtungen des "kapitalistischen" Staates, sondern auch gegen Feuerwehrund Rettungskräfte. Die Kundgebungen und Demonstrationen am Nachmittag des 18. März 2015 verliefen hingegen weitestgehend störungsfrei, darunter auch die Demonstration des Blockupy-Bündnisses, welche mit bis zu 17.000 Teilnehmern die größte Versammlung darstellte. Insgesamt wurden bei den Protesten 150 Polizeibeamte verletzt (zwei von ihnen schwer) und 63 Polizeifahrzeuge beschädigt (sieben davon wurden durch Brandstiftung vollständig zerstört). Es wurden 26 Strafverfahren eingeleitet, davon vier wegen versuchter Tötung. Insgesamt zählte die Polizei 4.000 Straftäter. Stellungnahmen zu Nach den Ausschreitungen zeigten sich Vertreter des Blockupyden Protesten Bündnisses in diversen Stellungnahmen "überrascht" und "schockiert", äußerten andererseits aber auch Verständnis für eine Eskalation, deren Grund allein im provokativen Repressionsaufwand der Sicherheitsbehörden zu suchen sei. Damit wiesen sie jede Verantwortung des Bündnisses für den Gewaltausbruch zurück. Stattdessen bedankte sich das Bündnis über Twitter für einen "großartigen Vormittag". Bei der Bewertung 116 LINKSEXTREMISMUS der Geschehnisse herrscht innerhalb des Blockupy-Bündnisses Uneinigkeit. Mehrheitlich distanzierte man sich zwar von den Ausschreitungen, blieb dabei jedoch ambivalent. Eine eindeutige Stellungnahme der Gesamtorganisation gab es nicht. # Der Blockupy-Koordinierungskreis veröffentlichte ein Thesenpapier, in dem vom "Aktionstag in seiner Ambivalenz" die Rede war. Insgesamt sei es ein "wichtiger Tag des Protests" gewesen. Blockupy bestehe aus ganz unterschiedlichen "linken" Akteuren: "Das gilt auch für Militanz und militante Aktionen, die wir unterschiedlich sehen." Blockupy stehe für massenhaften, also auch bündnisfähigen Ungehorsam.32 # Ein Blockupy-Sprecher - gleichzeitig Mitglied des "...ums Ganze!"-Bündnisses - warf indes der Polizei vor, durch ihr martialisches Auftreten die Proteste "angeheizt" zu haben. Die autonomen und Antifa-Gruppen bezeichnete er als "Teil des Bündnisses, und das ist auch gut so." "Der Verlauf des Protestes ist nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir glauben aber auch, dass es wichtig ist, zu sehen, wo die Wut der Leute herkommt."33 Auch innerhalb der linksextremistischen Szene selbst wurde über den Verlauf der Proteste diskutiert. Während einige Stimmen kritisierten, die Kapitalismuskritik sei durch die Anwendung von Gewalt vollständig untergegangen, bewerteten Gruppen aus dem autonomen Spektrum die Proteste als Erfolg: Die militanten Aktionen seien ein "unmissverständliches Signal" an die EZB. Die Wut auf der Straße habe damit den richtigen Adressaten gefunden. In einer im Internet veröffentlichten "Auswertung" der Proteste verwahrten sich "autonome gruppen" gegen eine Ausgrenzung von Militanz: "Doch genau das wollten wir und unsere wütenden Freund*innen aus ganz Europa: einen politischen Krawall!" (Internetplattform "linksunten.indymedia", 9. November 2015) Auch in weiteren Veröffentlichungen wurde Gewalt als adäquates Mittel hervorgehoben. 32 Homepage Blockupy-Bündnis (22. Juli 2015). 33 Homepage Cicero (18. März 2015). 117 LINKSEXTREMISMUS Unter dem Titel "Vielfalt ist unsere Stärke" hieß es: "Wir finden, dass solche Aktionen - zusammen mit militanteren Aktionen wie dem Anzünden von Polizeiautos - eine Form von wichtiger und notwendiger Gegengewalt gegen die alltägliche Gewalt des Kapitalismus sind. (...) Auch die Polizei ist ein legitimes Ziel, ist sie doch die Institution die dieses kapitalistische System schützt." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 20. März 2015) Einige "Aktivist_innen" forderten "Schluss mit der Heuchelei": "Die Wut gegen die alltägliche Gewalt der tödlichen kapitalistischen Maschinerie wurde in Frankfurt auf die Straße getragen. Die Staatsmacht wurde dabei für kurze Zeit in die Defensive gezwungen. (...) Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr solcher Momente." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 20. März 2015) Schließlich wurde von einer Gruppe, die sich selbst als "sehr, sehr kleinen Haufen von Leuten" ("Flamme und Feuer") bezeichnete, die als scheinheilig empfundene Distanzierung der Organisatoren zurückgewiesen: "Wir sind welche, die Freude hatten am Riot (...), an jedem Angriff auf die Bullen. Und wir freuen uns schon auf den nächsten Krawall. (...) Der Widerstand ist - wegen uns allen - im Herzen der Bestie angekommen. (...) wenn ihr (...) in euren Aufrufen mit einem militanten Habitus kokettiert, dann ist doch klar, dass auch die kommen, die das anspricht. Ihr mobilisiert doch selbst die Leute, von denen ihr euch dann distanziert." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 3. Juli 2015) 2. Mobilisierung und Proteste gegen den G7-Gipfel 2015 in Elmau (Bayern) Gegen das Treffen der Gruppe der sieben führenden Industrienationen der Welt (G7) am 7./8. Juni 2015 auf Schloss Elmau riefen neben linksextremistischen Akteuren auch zahlreiche Organisationen aus dem nichtextremistischen Spektrum zu Protesten auf. 118 LINKSEXTREMISMUS Diese Treffen gelten seit den Protesten von Seattle (1999) und Genua (2001) als Kristallisationspunkte eines internationalen "antikapitalistischen Widerstands". Sie berühren eine Vielzahl der Themenbereiche, zu denen aktuell von Linksextremisten agitiert wird. Impulsgeber für eine bundesweite Vernetzung des Protestes war Protestbündnis das Aktionsbündnis "Stop G7 Elmau", das im Zeitraum von Juli 2014 bis April 2015 insgesamt fünf Aktionskonferenzen in München (Bayern) durchgeführt hatte.34 In dem Bündnis waren neben nichtextremistischen Organisationen auch Gruppen des gewaltorientierten linksextremistischen Spektrums vertreten, darunter das "[3A]*Revolutionäre Bündnis" (3A-Bündnis), die "Perspektive Kommunismus" (PK) und Teile der "Interventionistischen Linken" (IL). Die PK beschrieb in ihrer eigens zum Gipfel-Protest herausgegebenen Publikation "Fight G7", die im Untertitel bereits die wesentlichen Ziele der Proteste anführte - "Gemeinsam kämpfen gegen Kapitalismus, Rassismus und Krieg!" -, den Zweck des G7-Gipfels wie folgt: "Es geht um die Koordinierung eines Systems, das auf weltweiter Ausbeutung und Unterdrückung baut, um Erhalt und Stärkung kapitalistischer Machtblöcke, die ihre Vorherrschaft mit allen Mitteln absichern wollen." Die Breite des Bündnisses im Vorfeld des Gipfels wertete die PK als Erfolg: "Die spektrenübergreifende Zusammenarbeit, die Auseinandersetzungen über Positionen und Strategien und gerade die gemeinsamen praktischen Schritte im Aufbau einer breit aufgestellten klassenkämpferischen und internationalistischen Linken. Die Themenvielfalt des Widerstandes spiegelt sich auch in der Vielfalt der Protestmöglichkeiten wieder." An einer Demonstration in München am 4. Juni 2015, zu der verProtestverlauf schiedene nichtextremistische Gruppierungen aufgerufen hatten, nahmen circa 34.000 Personen teil, die ganz überwiegend aus 34 Das Aktionsbündnis gründete sich formal erst auf der zweiten Aktionskonferenz am 20./21. September 2014. 119 LINKSEXTREMISMUS dem nichtextremistischen Spektrum stammten. Vereinzelt waren unter den Demonstranten jedoch auch Linksextremisten aus dem orthodox-kommunistischen Spektrum. Die Beteiligung an diversen Aktionen in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) blieb indes deutlich hinter den ursprünglichen Erwartungen der Organisatoren. Ganz überwiegend handelte es sich bei den Teilnehmern um Personen aus dem linksextremistischen Spektrum: # An einer "antimilitaristischen" Demonstration am 5. Juni 2015 vor dem deutsch-amerikanischen Studienzentrum "George C. Marshall Center" beteiligten sich rund 400 Personen. # Zur "Großdemonstration" am 6. Juni 2015 konnten rund 3.600 Teilnehmer mobilisiert werden, darunter etwa 700 gewaltorientierte Linksextremisten sowie Aktivisten aus dem Ausland. Der Versuch einiger Demonstrationsteilnehmer, die Polizeisperren zu durchbrechen, wurde verhindert. # Am Morgen des 7. Juni 2015 starteten insgesamt rund 350 Personen auf drei Routen einen "Sternmarsch" in Richtung Elmau. An den Sicherungsstellen wurden sie jedoch von Einsatzkräften aufgehalten. Es kam zu mehreren Blockadeversuchen. Stellungnahmen zu Selbstkritisch merkten Linksextremisten an, es sei nicht gelunden Protesten gen, Menschen außerhalb der "'linken" Szene oder gar die lokale Bevölkerung in die Proteste einzubeziehen. Zudem seien die größeren Organisationen des linksextremistischen Spektrums, wie etwa die IL, kaum vertreten gewesen. Die PK hob zunächst positiv hervor, dass Proteste überhaupt möglich gewesen seien. Hierdurch sei ein "sichtbares Zeichen des Widerstands" gesetzt worden. Aufgrund der nur mäßigen Protestbeteiligung sei der Aktionsspielraum allerdings begrenzt gewesen: "Auch wenn das Stop-G7-Bündnis verschiedene Spektren umfasst, sind einige eher reformistische Akteure kaum sichtbar gewesen (...). Damit fehlten zum einen wichtige Adressaten revolutionärer Agitation, zum anderen grenzte es den praktischen Spielraum antikapitalistischer Kräfte ein." (Homepage PK, 22. Juni 2015) 120 LINKSEXTREMISMUS 3. "Ende Gelände"-Kampagne gegen den Braunkohletagebau in Garzweiler (Nordrhein-Westfalen) Die Kampagne gegen den Braunkohletagebau in Garzweiler veranschaulicht einen weiteren erfolgreichen Versuch von Linksextremisten, mithilfe von Aktionsbündnissen tagespolitische Themen aufzugreifen und in der Szene als Agitationsschwerpunkt zu etablieren. Im Mittelpunkt der Kampagne standen das Braunkohleabbaurevier mit dem angrenzenden "Hambacher Forst" in der Nähe von Köln (Nordrhein-Westfalen) sowie die Betreibergesellschaft RWE als der "größte CO2-Verursacher im Dienste der kapitalistischen Verwertungsgesellschaft". Ein breit gefächertes Bündnis von Gruppierungen vor allem der AntiAtomund der Anti-Kohle-Bewegung mobilisierte unter dem Motto "Ende Gelände" bundesweit zu Protestaktionen vom 14. bis 16. August 2015. Die "Interventionistische Linke" (IL, vgl. Kap. III, Nr. 2.1) war auch hier maßgeblich an der Organisation und Mobilisierung zu den Aktionstagen beteiligt. Die IL forderte dazu auf, den Klimaschutz "selbst in die Hand" zu nehmen. In einem Mobilisierungsaufruf hieß es, gegen eine zunehmende "Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen" komme man nicht mit "Appellen zur Weltrettung" an - überdies gelte es, gemeinsam die Welt als Ganzes zu verändern: "In dieser Situation ist massenhafter ungehorsamer Widerstand an den konkreten Orten der Zerstörungen die notwendig-angemessene Option. (...) Ziel massenhaften Ungehorsams ist nicht 'nur` Bebzw. Verhinderung konkreter Zerstörungen, sondern selbstverständlich auch Vertiefung und Intensivierung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über die herrschenden Zustände insgesamt. Eine Klimabewegung wird bei aller Dringlichkeit ihres Anliegens nicht als Ein-Punkt-Bewegung erfolgreich sein können. Sie muss sich vielmehr in Beziehung setzen und verbinden mit weiteren Kämpfen u.a. für Solidarität mit Geflüchteten, Care-Revolution, Recht auf Stadt, gegen Austerität, das herrschende Arbeitsbzw. Prekaritätsregime, Militarismus sowie jegliche weitere Herrschaftsformen." (Homepage IL, 29. Juli 2015) An den Protestaktionen am 15. August 2015 im BraunkohleProtestverlauf revier Garzweiler beteiligten sich etwa 1.200 Personen, darunter 121 LINKSEXTREMISMUS Angehörige des linksextremistischen Spektrums und zahlreiche Aktivisten aus dem Ausland. Bei wiederholten Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei wurden im Verlauf der Aktionstage 15 Polizeibeamte verletzt. Rund 800 Personen war es gelungen, in die Abbaugrube einzudringen und etwa 40 Aktivisten besetzten über mehrere Stunden drei Schaufelradbagger. In den Folgemonaten kam es im Bereich des Braunkohlereviers zu weiteren gewalttätigen Aktionen mit zum Teil hohen Sachschäden (Baggerbesetzungen, "Ankett-Aktionen", Brandanschläge auf Fahrzeuge der Betreibergesellschaft). Das Thema "Klimawandel" hat für Linksextremisten erheblich an Stellenwert gewonnen, da es ein hohes Maß an Anschlussfähigkeit bei der demokratischen Mehrheitsgesellschaft bietet. Breite Bündnisstrukturen werden genutzt, um sich als zuverlässiger und aktiver Partner zu zeigen. So wertete auch die IL die Protestaktion als großen Erfolg und sieht Anknüpfungspunkte für weitere Aktionen. 4. Gefährdungspotenzial Während die Ereignisse im Zusammenhang mit der Eröffnung des EZB-Neubaus in Frankfurt am Main und die Aktionstage "Ende Gelände" im Braunkohletagebau in Garzweiler in der Szene zum Teil breit diskutiert und insgesamt als Erfolg gewertet wurden, blieben Reaktionen auf die Veranstaltungen gegen den G7-Gipfel in Elmau weitgehend aus. Die gewalttätigen Proteste anlässlich der Eröffnung des EZB-Neubaus belegen die anhaltende Gefährdung der inneren Sicherheit durch den gewaltorientierten Linksextremismus. Einmal mehr haben gewalttätige Personenzusammenschlüsse eine Proteststimmung genutzt, um hemmungslose Gewalt auszuüben. Auch wenn die Initiatoren der Veranstaltung anführen, ihr Aktionskonzept habe in Widerspruch zum Gewaltausbruch gestanden, lässt sich nicht abstreiten, dass sie der Straßenmilitanz eine Bühne geliefert haben. Zudem fielen nachträgliche Distanzierungen der Organisatoren eher ambivalent aus. Bei den Protestaktionen gegen den G7-Gipfel waren die extremistischen Akteure in Garmisch-Partenkirchen weitgehend auf sich 122 LINKSEXTREMISMUS allein gestellt - wozu sicherlich auch die Aufspaltung der Proteste auf zwei Orte beigetragen haben dürfte. Diese Aufspaltung des Personenpotenzials - und damit das Fehlen einer Rückzugsmöglichkeit in eine Masse, die militante Aktionen aus ihrer Mitte heraus zumindest duldet - war einer der Gründe, warum die Mobilisierung für die Demonstration in Garmisch-Partenkirchen, die nahezu allein von Linksextremisten getragen wurde, weit hinter den Erwartungen der Organisatoren zurückblieb. Hinzu kommt, dass die Protestmöglichkeiten einer eher urban geprägten linksextremistischen Szene durch die geografischen Gegebenheiten rund um das Schloss Elmau und ungünstige Witterungsbedingungen signifikant beeinträchtigt wurden. Einige der Protagonisten bemängelten so auch, dass selbst die eigene Klientel (hier insbesondere die Aktivisten der EZB-Proteste um die IL) nicht den Weg nach Elmau gefunden hatte. Die im Gegensatz hierzu hohe Polizeipräsenz konnte Aktionen des gewaltbereiten Klientels überwiegend verhindern. Die "Ende Gelände"-Mobilisierung hat gezeigt, dass - bei einem entsprechend "zugfähigen" Thema - insbesondere die IL derzeit in der Lage ist, innerhalb relativ kurzer Zeit und selbst nach zwei großen Protestaktionen im selben Jahr, verhältnismäßig viele Aktivisten, darunter auch gewaltorientierte Linksextremisten, für eine öffentlichkeitswirksame Aktion zu mobilisieren. Aus Gefährdungssicht dürfte hier relevant sein, dass das Aktionsbündnis die Aktion "Ende Gelände" als so erfolgreich einstuft, dass man nun versucht, dieses Konzept auch auf andere Braunkohlereviere zu übertragen und den lokalen Widerstand gegen die Kohleförderung bundesweit zu vernetzen. Insgesamt zeigen die drei geschilderten Kampagnen, dass die Bündnisstrategie der linksextremistischen Szene durchaus als erfolgreich bezeichnet werden kann. Die Protestorganisatoren bedienen sich dabei einer vielfältigen Bandbreite linksextremistischer Betätigungsfelder, wobei die szenetypische Aktionsform des "zivilen Ungehorsams" bei gewaltorientierten Linksextremisten als Legitimation für gewaltsame Ausschreitungen angesehen wird. Die spektrenübergreifende Mobilisierung wird somit sowohl für die Propagierung der eigenen politischen Ziele als auch für die Durchführung militanter Aktionen genutzt. 123 LINKSEXTREMISMUS V. Überblick mit Strukturdaten zu wichtigen Beobachtungsobjekten 1. "Interventionistische Linke" (IL) Gründung: Ende 2005 Mitglieder/Anhänger in 700 (2014: 500 bis 600) Deutschland: in 30 Ortsgruppen Publikationen/Medien: Arranca!, halbjährlich sowie verschiedene, aktionsabhängig unregelmäßig erscheinende Publikationen Die "Interventionistische Linke" (IL) wurde 2005 als bundesweites Netzwerk mit dem Ziel einer verbindlichen "Organisierung" autonomer Gruppierungen und Aktivisten gegründet. Mit der Veröffentlichung des "Zwischenstandspapiers" im Oktober 2014 wurde diese Phase abgeschlossen und die IL zu einer bundesweiten Organisation umformiert. Statt wie bisher nur anlassbezogen unter einem gemeinsamen IL-Label zu agieren, soll mit der Gründung von einheitlich benannten Ortsgruppen das lokale Handeln dieser Gruppierungen als Handeln der IL wahrgenommen werden. Die IL bemüht sich in Bündnissen und Initiativen um eine kampagnenorientierte Zusammenführung linksextremistischer Akteure unterschiedlicher ideologischer Prägung zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit sowohl in Deutschland, als auch in internationalen Kampagnen und Netzwerken. Die IL fungiert dabei als Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nichtgewaltorientierten Linksextremisten, beziehungsweise nichtextremistischen Gruppen und Initiativen. Die Einstellung zur Gewalt ist taktisch geprägt, sie wird nicht grundsätzlich abgelehnt. Da die IL auf die Überwindung des "Kapitalismus" mittels eines revolutionären Umsturzes abzielt, bildet der "Antikapitalismus" einen ideologischen Schwerpunkt. 124 LINKSEXTREMISMUS 2. "[3A]*Revolutionäres Bündnis" Gründung: 2010 Publikationen/Medien: unregelmäßig erscheinende Schriften: 2015: "Ins Herz der Bestie!" Mitgliedsgruppen u.a.: "Antikapitalistische Aktion Bonn" (AKAB) "Rote Aktion Köln/Berlin" "Rote Antifa [NRW]" Das "[3A]*Revolutionäre Bündnis" - ein Zusammenschluss linksextremistischer Organisationen - orientiert sich grundlegend am Marxismus-Leninismus und zielt somit auf die Zerschlagung des "kapitalistischen Staates" in einer "sozialistischen Revolution" sowie den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft. Es bemüht sich um eine bundesweite Vernetzung gewaltorientierter linksextremistischer Gruppierungen; darunter auch solche aus dem Spektrum des säkularen Ausländerextremismus. Das Bündnis bekennt sich ausdrücklich zum Kommunismus und zur "internationalen Solidarität mit den fortschrittlichen und revolutionären Kräften in aller Welt". Gewalt als politisches Mittel wird hierbei als legitim erachtet. Das Bündnis beteiligt sich an überregional bedeutsamen Veranstaltungen und mobilisiert zu diesen, wie zum Beispiel zu den Protesten anlässlich der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) am 18. März 2015 in Frankfurt am Main (Hessen), den Protesten gegen den G7-Gipfel im Juni 2015 in Elmau (Bayern) und den jährlichen "Revolutionären 1. Mai-Demonstrationen". Die hauptsächlichen Aktionsfelder spiegeln sich auch im Namen ("[3A]") wider: "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". 125 LINKSEXTREMISMUS 3. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) Gründung: 2006 Mitglieder/Anhänger in 250 Deutschland: Publikationen/Medien: "mole" (englisch: "Maulwurf"; Zeitung, erscheint unregelmäßig) Mitgliedsgruppen: "Basisgruppe Antifaschismus" (Bremen) "Theorie. Organisation. Praxis" (Berlin) "Fast Forward" (Hannover, Niedersachsen) "redical [m]" (Göttingen, Niedersachsen) "Antifa AK Köln" (Köln, Nordrhein-Westfalen) "the future is unwritten" (Leipzig, Sachsen) "Kritik&Praxis" (Frankfurt am Main, Hessen) "Antifa NT" (München, Bayern) "critique'n'act" (Dresden, Sachsen) "LevelUP" (Tübingen, BadenWürttemberg) "autonome antifa [w]" (Wien, Österreich) 126 LINKSEXTREMISMUS Das 2006 gegründete "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) ist ein Zusammenschluss eigenständiger, lokal verankerter Gruppen der autonomen Szene, die ihre Kräfte bündeln, um überregional handlungsfähig zu sein. Bis Mitte 2015 war das Bündnis vor allem im norddeutschen Raum vertreten. Seitdem verstärkte sich seine Präsenz in Süddeutschland durch den Beitritt der Münchner "Antifa NT". Das Bündnis bezeichnet sich im Untertitel seines Namens als ein "kommunistisches Bündnis" und beschreibt damit seinen ideologischen Hintergrund. Dieser besteht in der Grundprämisse, dass der "Kapitalismus" das nicht reformierbare Grundübel der Menschheit sei, welches es bedingungslos zu bekämpfen und mitsamt seinem Staatssystem durch eine Revolution zu überwinden gelte, die dann die Errichtung einer kommunistischen Ordnung ermögliche. Das Bündnis organisiert maßgeblich Protestaktionen und Demonstrationen gegen die jährlichen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit und beteiligt sich an sogenannten Krisenprotesten gegen die Politik zur Bewältigung der europäischen Währungsund Wirtschaftskrise. 127 LINKSEXTREMISMUS 4. "Neue antikapitalistische Organisation" (NaO) Gründung: 2013 Mitglieder/Anhänger 150 in Deutschland: Mitgliedsgruppen: "Gruppe Arbeitermacht" (GAM), "REVOLUTION" (REVO), "Revolutionär Sozialistischer Bund" (RSB), "Internationale sozialistische Linke" (isL) (zur NaO-Berlin gehören noch zusätzlich "Partei des sozialistischen Wiederaufbaus in der Türkei" (SYKP), "Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin" (ARAB)) Sitz: sechs NaO-Ortsgruppen in Berlin, Bremen, Kassel (Hessen), Köln (Nordrhein-Westfalen), Potsdam (Brandenburg) und Stuttgart (Baden-Württemberg) 128 LINKSEXTREMISMUS Die ganz überwiegend trotzkistisch geprägte "Neue antikapitalistische Organisation" (NaO) trat unter diesem Namen erstmals Mitte Dezember 2013 mit der Herausgabe des "Manifests für eine Neue antikapitalistische Organisation" öffentlich in Erscheinung. Inhaltlich setzt die NaO im Gegensatz zu postautonomen Strukturen stärker auf eine Erneuerung des Marxismus und der Arbeiterbewegung. Die NaO betont die Erforderlichkeit der revolutionären Umwälzung und will den bürgerlichen Staat durch ein "System der Rätedemokratie" ersetzen. Ziel ist letztlich eine revolutionäre Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung hin zum Sozialismus/Kommunismus. Im Oktober 2014 trat die 2007 in Berlin gegründete aktionsorientierte "Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin" (ARAB) der NaO bei. Die ARAB war bis zur Fusion mit der NaO eine der aktivsten Gruppen im gewaltorientierten Spektrum Berlins und in nahezu allen linksextremistischen Aktionsfeldern aktiv. Der regionale Schwerpunkt der NaO liegt in Berlin und Potsdam (Brandenburg). Seit Oktober 2014 führt die NaO gemeinsam mit der ARAB die Spendenkampagne "Solidarität mit Rojava - Waffen für die YPG/YPJ" ("Volksverteidigungseinheiten"/"Frauenverteidigungseinheiten" der PYD, dem syrischen Ableger der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)) durch und mobilisiert seither regelmäßig zu Veranstaltungen von kurdischen Organisationen. Die NaO bringt hier ihre fundamentale Ablehnung der "herrschenden Verhältnisse" zum Ausdruck und propagiert "klassenkämpferische" Gewalt. 129 LINKSEXTREMISMUS 5. "Perspektive Kommunismus" (PK) Gründung: April 2014 Publikationen/Medien: Unregelmäßig erscheinende Schriften 2015: u.a. "Zeitung zum Revolutionären 1. Mai 2015", "Fight G7", "Berxwedan Jiyan E - Widerstand ist Leben" Mitgliedsgruppen: "Antikapitalistische Linke München" (al[m]) "Linke Aktion VillingenSchwenningen" "Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg" (PRP HH) "Revolutionäre Aktion Stuttgart" (RAS) "Revolutionäre Perspektive Berlin" (RPB) "Rote Aktion Mannheim" (RAM) 130 LINKSEXTREMISMUS Der Zusammenschluss "Perspektive Kommunismus" (PK) wird von lokal verankerten Organisationen aus dem gewaltorientierten Linksextremismus getragen. Ideologisch orientieren sich die eingebundenen Organisationen am Marxismus-Leninismus sowie einzelnen trotzkistischen Elementen. Durch eine "sozialistische Revolution" soll der "kapitalistische Staat" zerschlagen und durch eine kommunistische Gesellschaft ersetzt werden. Der Zusammenschluss bemüht sich um eine bundesweite Vernetzung gleichgesinnter linksextremistischer Akteure zu einer "bundesweiten, aktionsorientierten und revolutionär kommunistischen Organisation". Gewalt als politisches Mittel wird dabei grundsätzlich als legitim erachtet. Die PK beteiligte sich an überregional bedeutsamen Veranstaltungen wie zum Beispiel den jährlichen "Revolutionären 1. Mai-Demonstrationen", den Protesten anlässlich der offiziellen Eröffnung des Neubaus der "Europäischen Zentralbank" (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen) am 18. März 2015 und den Protesten gegen den G7-Gipfel im Juni 2015 in Elmau (Bayern). Der Zusammenschluss bekennt sich ausdrücklich zu einer "Vernetzung und Solidarität mit Bewegungen in anderen Ländern" und betrachtet diese als Bestandteil "revolutionärer Politik". 131 LINKSEXTREMISMUS 6. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Patrik Köbele Mitglieder/Anhänger 3.000 (2014: 3.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "unsere zeit" (Zeitung, wöchentlich) "Marxistische Blätter" (Theoriemagazin, zweimonatlich) Jugendorganisation: "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 132 LINKSEXTREMISMUS Das zentrale Ziel der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) ist der "grundlegende Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" sowie die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft. Die DKP versteht sich als politische Nachfolgerin der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Sie betont zudem, dass sie stets eng verbunden war mit der damaligen "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED). Seit 2009 herrscht in der DKP ein innerparteilicher Richtungsstreit über die künftige ideologische Ausrichtung und Strategie der Partei. Die dominierende "Parteilinke" votiert für die unbedingte Rückkehr zur unverfälschten Lehre des Marxismus-Leninismus. Demgegenüber hält die innerparteiliche Opposition um den Verein "Marxistische Linke e.V." an den "Politischen Thesen" fest, die 2010 vom vormaligen DKP-Parteivorstand formuliert worden waren. Dort wurden die Bedeutung der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt sowie die Avantgarderolle der Partei relativiert und dafür plädiert, in allen fortschrittlichen Bewegungen mitzuarbeiten. Die DKP bekannte sich auf ihrem 21. Parteitag am 14./15. November 2015 in Frankfurt am Main (Hessen) mit großer Mehrheit ausdrücklich dazu, eine "marxistisch-leninistische Partei" zu sein. Bei Wahlen erzielt sie - sofern sie antritt - keine nennenswerten Erfolge. Die DKP betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". 133 LINKSEXTREMISMUS 6.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Gründung: 1968 Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Paul Rodermund Mitglieder/Anhänger 500 (2014: 500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Position" (Magazin der SDAJ, zweimonatlich) Der marxistisch-leninistisch orientierte Jugendverband "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) ist formal unabhängig, betrachtet sich aber als Nachwuchsorganisation der DKP. Beide verfolgen das Ziel, eine sozialistische/kommunistische Gesellschaft zu errichten. Zusätzlich zu den Aktionsfeldern, in denen sich auch die DKP betätigt, liegt der Fokus der SDAJ auch auf der Schulund Jugendpolitik. Die SDAJ richtet traditionell im Zweijahresrhythmus stattfindende sogenannte Pfingstcamps aus. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen stehen politische Diskussionen; Musikveranstaltungen, Workshops und "sportliche" Wettkämpfe bilden das Rahmenprogramm. 134 LINKSEXTREMISMUS 7. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Stefan Engel Mitglieder/Anhänger 1.800 (2014: 1.800) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Rote Fahne" (Magazin, zweiwöchentlich) "Revolutionärer Weg" (theoretisches Organ, unregelmäßig) Jugendorganisation: "REBELL" Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) ist streng maoistisch-stalinistisch ausgerichtet und strebt die Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft an. Hierzu bedürfe es eines "revolutionären Sturzes der Diktatur des Monopolkapitals und der Errichtung der Diktatur des Proletariats, um den Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft" aufzubauen. Die MLPD ist in der linksextremistischen Szene weitgehend isoliert und sieht unter anderem in Parteien wie der DKP und DIE LINKE "Hauptträger des modernen Revisionismus in Deutschland". Sie ist dogmatisch geprägt. Ihre Eigenschaft als Kaderpartei zeigt sich nicht zuletzt in ihrem seit der Gründung amtierenden Vorsitzenden. Hauptsächlich betätigt sie sich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antiimperialismus". Arbeitsschwerpunkt im Jahr 2015 war die Solidarität mit der überwiegend von Kurden bewohnten syrischen Stadt Kobane. 135 LINKSEXTREMISMUS 7.1 "REBELL" Gründung: 1992 Sitz: Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Lisa Gärtner Mitglieder/Anhänger 100 (2014: 100) in Deutschland: Publikationen/Medien: "REBELL-Magazin" (Zeitschrift, zweimonatlich) Wie die MLPD ist auch ihr Jugendverband "REBELL" maoistisch-stalinistisch ausgerichtet und zielt auf die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft ab. Neben den Aktionsfeldern "Sozialismus" und "Internationalismus" betätigt sich "REBELL" auch in den Bereichen der Umweltpolitik sowie der Jugendarbeit an Schulen, Hochschulen und im Arbeitsund Ausbildungsbereich. Im Jahr 2015 organisierte REBELL ein "Internationales Pfingstjugendtreffen", welches am 23./24. Mai 2015 in Gelsenkirchen stattfand. 136 LINKSEXTREMISMUS 8. "Rote Hilfe e.V." (RH) - Gefangenenhilfsorganisation Gründung: 1975 Sitz: Göttingen (Niedersachsen) Bundesgeschäftsstelle. Mitglieder/Anhänger 7.000 (2014: 6.500) in Deutschland: in nahezu 50 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "DIE ROTE HILFE" (Zeitschrift, vierteljährlich und als Onlinemagazin) Die "Rote Hilfe e.V." (RH) definiert sich laut Satzung als eine "parteiunabhängige strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Sie leistet Strafund Gewalttätern aus dem linksextremistischen Spektrum politische und finanzielle Unterstützung, beispielsweise bei anfallenden Anwaltsund Prozesskosten sowie bei Geldstrafen und Geldbußen. Ferner versucht die RH durch meinungsbildende Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen, Vorträge, Demonstrationen), die Sicherheitsund Justizbehörden sowie die rechtsstaatliche Demokratie zu diskreditieren. Dazu organisiert sie unter anderem Informationsund Diskussionsveranstaltungen zu Themenfeldern wie "staatliche Repression" und fordert dazu auf, grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich der Aufklärung von Straftaten zu verweigern. 137 LINKSEXTREMISMUS 9. "GegenStandpunkt" (GSP) Gründung: 1992 Sitz: München (Bayern) lokale Strukturen in 24 deutschen Städten und drei Städten im Ausland Leitung/Vorsitz: Zentralredaktion des Verlags Mitglieder/Anhänger 3.500 (2014: 3.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "GegenStandpunkt - Politische Vierteljahreszeitschrift" Die sektenartig organisierte Gruppe "GegenStandpunkt" (GSP) vertritt eine modifizierte Marxismus-Konzeption. Sie lehnt die parlamentarische Demokratie als "perfekte Form bürgerlicher Herrschaft" ab und zielt auf die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft durch eine revolutionäre Überwindung der gegenwärtigen Staatsund Gesellschaftsordnung ab. Aufgrund ihres elitären Marxismus-Verständnisses ist die Gruppierung in der linksextremistischen Szene weitgehend isoliert. So findet beispielsweise keine Kampagnenarbeit mit anderen linksextremistischen Zusammenschlüssen statt. GSP betreibt eine Mitgliedergewinnung vorrangig an Hochschulen und widmet sich in erster Linie der Theorieentwicklung sowie der Veröffentlichung von Texten im Internet. Außerdem organisiert GSP interne und öffentliche Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zur Theorie-Schulung der Anhänger sowie zur Verbreitung ihrer spezifischen Ideologie. 138 LINKSEXTREMISMUS 10. "Sozialistische Alternative" (SAV), deutsche Sektion des internationalen Dachverbandes "Committee for a Worker's International" (CWI) mit Sitz in London Gründung: 1994 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Bundesleitung Mitglieder/Anhänger 300 (2014: 350) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Solidarität" mit Jugendbeilage "megafon" (Zeitung, monatlich) "sozialismus.info" (Theoriemagazin, vierteljährlich) Die trotzkistische "Sozialistische Alternative" (SAV) verfolgt das Ziel der Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft. Sie versteht sich als "revolutionäre, sozialistische Organisation in der Tradition von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und Liebknecht". Die SAV bedient sich der Strategie des Entrismus. So agieren ihre Mitglieder vorwiegend im offen extremistischen Zusammenschluss "Antikapitalistische Linke" der Partei DIE LINKE, um Einfluss auf die Partei nehmen zu können. Die SAV beteiligt sich an bundesweiten Protestaktionen und Kampagnen, insbesondere hat sie zur Teilnahme an den Protesten anlässlich der Eröffnung des EZB-Neubaus am 18. März 2015 in Frankfurt am Main (Hessen) mobilisiert und war mit zahlreichen Mitgliedern aus verschiedenen Bundesländern bei den Blockaden und der Demonstration vertreten. Sie betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antimilitarismus" und "Antiglobalisierung". Das tendenziell rückläufige Mitgliederpotenzial wirkt sich auch auf die Teilnehmerzahl der jährlich ausgerichteten sogenannten Sozialismustage aus. 139 LINKSEXTREMISMUS 11. Offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE 11.1 "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) Gründung: Dezember 1989 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Bundessprecherrat (vier Mitglieder) Mitglieder/Anhänger 1.200 (2014: 1.174) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform" (Zeitschrift, monatlich) Teil-/Nebenorganisationen: 13 Landesverbände der "Kommunistischen Plattform" Die "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) ist der mitgliederstärkste offen extremistische Zusammenschluss in der Partei DIE LINKE. Ziel der KPF ist die Überwindung des Kapitalismus als Gesellschaftsordnung und der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft. In der Partei DIE LINKE ist die KPF die Gruppierung, die sich am deutlichsten zum Kommunismus sowie zu marxistisch-leninistischen Traditionen bekennt. Sie verteidigt die historische Legitimität der DDR und setzt sich für eine Bewahrung der antikapitalistischen Grundhaltung der Partei DIE LINKE ein. Die KPF betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antirassismus". 140 LINKSEXTREMISMUS 11.2 "Sozialistische Linke" (SL) Gründung: August 2006 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: BundessprecherInnenrat (zwölf Personen) Mitglieder/Anhänger 826 (2014: 826) in Deutschland: Publikationen/Medien: "realistisch und radikal" (Debattenmagazin, unregelmäßig) Der offen extremistische Zusammenschluss "Sozialistische Linke" (SL) in der Partei DIE LINKE knüpft an "linkssozialistische und reformkommunistische Traditionen" an und vertritt neomarxistische Positionen. Ziel ist die Überwindung des Kapitalismus. Die DDR war für die SL "ein legitimer Versuch, auf deutschem Boden eine Alternative zum Kapitalismus aufzubauen". Aktionsfelder der SL sind gewerkschaftliche Themen, Umwelt und politische Bildungsarbeit. Des Weiteren richtet sie jährlich die "Sommerakademie" aus - eine öffentliche Veranstaltung, bei der die "Grundlagen linker Politik im und gegen den Kapitalismus" besprochen werden. 141 LINKSEXTREMISMUS 11.3 "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si" (Cuba Si) Gründung: 1991 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Koordinierungsrat Mitglieder/Anhänger 536 (2014: 536) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Cuba Si revista" (Zeitschrift, halbjährlich) Der als Arbeitsgemeinschaft beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE organisierte, offen extremistische Zusammenschluss Cuba Si tritt für eine uneingeschränkte politische und materielle Solidarität mit dem kubanischen Regime ein. Eine kritische Auseinandersetzung mit Menschenrechtsverstößen der kubanischen Regierung findet in der Regel nicht statt. Cuba Si unterhält Kontakte zu zahlreichen kubanischen Organisationen und Einrichtungen, unter anderem zur "Kommunistischen Partei Kubas" sowie zum "Kommunistischen Jugendverband Kubas". Der Ideologie des sozialistischen Internationalismus folgend führt Cuba Si Solidaritätsaktionen - wie zum Beispiel die Spendenkampagne "Kuba muss überleben" - zugunsten des sozialistischen Staates durch. 142 LINKSEXTREMISMUS 11.4 "Antikapitalistische Linke" (AKL) Gründung: 2006 Leitung/Vorsitz: BundessprecherInnenrat (sechs Mitglieder) Mitglieder/Anhänger 592 (2014: 592) in Deutschland: Die seit 2012 als Bundesarbeitsgemeinschaft in der Partei DIE LINKE organisierte "Antikapitalistische Linke" (AKL) fordert einen "grundsätzlichen Systemwechsel" sowie die Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung durch einen "Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen". Wesentliche Aktionsfelder sind "Antikapitalismus" und "Antimilitarismus". Auch Mitglieder der trotzkistischen "Sozialistischen Alternative" (SAV) agieren in der AKL. 143 LINKSEXTREMISMUS 11.5 "Marxistisches Forum" (MF) Gründung: 1995 Sitz: Berlin Mitglieder/Anhänger 400 (2014: 400) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Marxistisches Forum" (Zeitschrift, unregelmäßig) Dem orthodox-kommunistisch ausgerichteten "Marxistischen Forum" (MF) fehlen für eine Anerkennung als bundesweiter Zusammenschluss in der Partei DIE LINKE nach wie vor die satzungsgemäßen Voraussetzungen. Gleichwohl trägt es zur Profilierung des linken Flügels der Partei bei. Es bezieht sich positiv auf Marx, Engels und Lenin und sieht den Sozialismus als Vorstufe zum angestrebten Kommunismus an. Das MF zeichnet ein besonders positives Bild der SED-Diktatur und glorifiziert den "strukturellen Antifaschismus" in der DDR. 144 LINKSEXTREMISMUS 11.6 "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) Gründung: 2003 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Sprecherrat (zwei Mitglieder) Koordinierungsrat (drei Mitglieder) Mitglieder/Anhänger 250 (2014: 250) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Bulletin" (Zeitschrift, vierteljährlich) Der bundesweite Zusammenschluss "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) in der Partei DIE LINKE setzt sich für eine Stärkung und Verbreitung der marxistisch-sozialistischen Positionen in der Partei ein und fordert einen grundlegenden Richtungswechsel gesellschaftlicher Entwicklung hin zum Sozialismus. Er bezeichnet sich selbst als einen "nicht unwesentlichen Teil der marxistisch-kommunistisch-sozialistischen Strömungen und Plattformen" innerhalb der Partei. Die Hauptaktionsfelder des GSoD sind "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". 145 LINKSEXTREMISMUS 11.7 "marx21" Gründung: September 2007 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: marx21-Koordinierungskreis (17 Personen) Mitglieder/Anhänger 300 (2014: 400) in Deutschland: Publikationen/Medien: "marx21" (vier Ausgaben pro Jahr) "Theorie21" (Theoriemagazin, halbjährlich) Das trotzkistische Netzwerk "marx21" ist kein vom Parteivorstand der Partei DIE LINKE anerkannter Zusammenschluss innerhalb der Partei. Gleichwohl versucht das Netzwerk im Wege des Entrismus Einfluss auf die Partei zu gewinnen. Weiterhin agitiert "marx21" im offen extremistischen Zusammenschluss "Sozialistische Linke" (SL) der Partei DIE LINKE. Ziel ist die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. Unverzichtbare Voraussetzungen hierfür sind für "marx21" die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats" und die Errichtung einer "Diktatur des Proletariats". Das Netzwerk betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antiimperialismus", "Antimilitarismus" und "Antiglobalisierung". Dazu gehört auch die Teilnahme an Protestaktionen und Kampagnen. Außerdem richtet "marx21" eigene Konferenzen und Versammlungen aus, insbesondere den jährlich in Berlin stattfindenden Kongress "Marx Is Muss", an dem 2015 nach eigenen Angaben 800 Personen teilnahmen. 146 LINKSEXTREMISMUS 12. "junge Welt" (jW) Gründung: 1947 Sitz: Berlin Verlag: "8. Mai GmbH" gehört zur "Linke Presse VerlagsFörderungsund Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G." (LPG) Chefredakteur: Arnold Schölzel Erscheinungsweise: täglich Die kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung "junge Welt" (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein. Sie ist das bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus. Einzelne Redaktionsmitglieder und ein nicht unerheblicher Teil der Stammund Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Die jW bekennt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder Personen, die politisch motivierte Straftaten gutheißen, eine öffentliche Plattform. Die finanzielle Lage der jW ist weiterhin angespannt. 147 148 Islamismus/ islamistischer Terrorismus 149 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick Der Begriff "Islamismus" bezeichnet eine Form des politischen Extremismus. Unter Berufung auf den Islam zielt der Islamismus auf die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass Religion, hier: der Islam, nicht nur eine persönliche, private "Angelegenheit" ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmt oder zumindest teilweise regelt. Der Islamismus postuliert die Existenz einer gottgewollten und daher "wahren" und absoluten Ordnung, die über von Menschen gemachten Ordnungen steht. Mit ihrer Auslegung des Islam stehen Islamisten in Widerspruch insbesondere zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. Ein wesentliches ideologisches Element des Islamismus ist außerdem der Antisemitismus. Unter dem Oberbegriff "Islamismus" werden verschiedene Strömungen zusammengefasst, die sich hinsichtlich ihrer ideologischen Prämissen, ihrer geografischen Orientierung und ihrer Strategien und Mittel unterscheiden. Legalistische Strömungen wie die "Milli Görüs"-Bewegung versuchen, über politische und gesellschaftliche Einflussnahme eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen. Die Anhänger islamistisch-terroristischer Gruppierungen wie HAMAS und "Hizb Allah", deren Ziel die Vernichtung des jüdischen Staates Israel ist, sind auf ihre Herkunftsregionen fokussiert und wenden schwerpunktmäßig dort terroristische Gewalt an. Jihadistische Gruppierungen, wie zum Beispiel der "Islamische Staat" (IS) und "al-Qaida", sehen in ihrem Kampf für einen "Gottesstaat" in terroristischer Gewalt ein unabdingbares Mittel gegen "Ungläubige" und sogenannte korrupte Regime. Ihre terroristische Agenda ist global und bedroht die internationale Staatengemeinschaft. Eine seit mehreren Jahren stark an Bedeutung gewinnende Strömung innerhalb des Islamismus ist der Salafismus. Salafisten geben vor, sich in ihrem Denken und Handeln ausschließlich an einem wortgetreuen Verständnis von Koran und Sunna (zur 150 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Nachahmung empfohlene Handlungsweisen und Aussagen des Propheten) sowie am Vorbild der Gefährten des Propheten zu orientieren. Damit lehnen sie nicht nur die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gänze ab, sondern negieren auch weitestgehend die Geschichte des Islam und der Muslime. Salafisten vertreten einen Exklusivitätsanspruch, sie sehen sich als die einzigen "wahren" Muslime. 1. Entwicklungstendenzen Die Attentate zum Ende des Jahres in Paris (Frankreich) haben uns Terror in Europa in Europa eine neue Dimension des Terrors vor Augen geführt. Am späten Abend des 13. November kam es in der französischen Hauptstadt zu mehreren, nahezu zeitgleich ausgeführten Terroranschlägen. Ein Fussballspiel, Restaurants, Cafes und ein Konzert, das von vielen jungen Menschen besucht wurde, waren die Tatorte, die gezielt von islamistischen Terroristen angegriffen worden waren. Die Fernsehzuschauer des Fussballspiels wurden Zeugen der Stadionevakuierung noch während die Attentäter ihre Mordserie ein paar Kilometer weiter entfernt fortsetzten. Im Verlauf der Anschlagsserie wurden 130 Menschen getötet und mehr als 350 Personen zum Teil schwer verletzt. Der IS bekannte sich in einer Erklärung zu den Taten. Bereits zuvor war Frankreich immer wieder zum Ziel der Terrormiliz erklärt worden. In IS-Propagandaveröffentlichungen wurde Frankreich mehrmals gezielt angesprochen und verurteilt. Unter anderem drohten wiederholt französischsprachige Kämpfer mit entsprechenden Anschlägen in Frankreich. Es ist davon auszugehen, dass der IS Pläne für weitere Anschläge Jihadistische Gefahr in Europa, und damit auch in Deutschland, verfolgt. Das deutsche für Deutschland militärische Engagement in Syrien und im Irak stellt bereits ein hinreichendes Argument für den IS dar, um die Anwendung von Gewalt gegen deutsche Interessen zu legitimieren. Darüber hinaus hat der IS alle, die sich ihm nicht unterwerfen, zu "Ungläubigen" erklärt und damit zu Feinden, die zu bekämpfen und zu vernichten sind. Zu diesen Feinden zählt nicht nur "der Westen", dessen Kampf gegen den IS von diesem als Krieg gegen 151 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS den Islam dargestellt und propagandistisch ausgeschlachtet wird. Zu den Feinden zählen auch "die Juden" und "die Schiiten", aber auch alle Sunniten, die nicht für den IS sind, und damit auch konkurrierende jihadistische Organisationen wie "al-Qaida". Neben dem IS sowie Personen, die sich zu ihm bekennen, als derzeit größte Gefahr für "den Westen", propagiert auch "al-Qaida" den Kampf gegen "den Westen" als primäres Ziel weiter und ist nach wie vor in der Lage, Worten des Hasses auch tödliche Taten folgen zu lassen, wie der Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" in Paris am 7. Januar 2015 demonstrierte. Anschlagsrisiken bestehen vordringlich durch # sich selbst radikalisierende Einzeltäter und Kleinstgruppen, # Rückkehrer aus Jihad-Gebieten, # an der Ausreise gehinderte Personen sowie # langfristig lancierte Schläfer von Terrororganisationen. Angesichts der anhaltenden Zuwanderungsbewegungen nach Deutschland ist zudem davon auszugehen, dass sich unter den Flüchtlingen auch aktive und ehemalige Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten terroristischer Organisationen sowie Einzelpersonen mit extremistischer Gesinnung und/oder islamistisch motivierte Kriegsverbrecher befinden können. Verringerte Trotz der anhaltenden IS-Propaganda, die das Ziel verfolgt, Ausreisedynamik Anhänger zur Auswanderung in das "Kalifat" zu bewegen und sich auch gezielt an Sympathisanten in westlichen Staaten richtet, wurde für das Jahr 2015 eine verringerte Ausreisedynamik festgestellt. Die Ursachen des Rückgangs sind nicht geklärt: Neben der Häufung von Todesfällen in Syrien und im Irak unter den Islamisten aus Deutschland können auch die verschlechterte militärische Situation vor Ort verbunden mit einer katastrophalen humanitären Lage Einflussfaktoren dieser Entwicklung sein. Die verringerte Ausreisedynamik bedeutet jedoch keine Entwarnung für die Gefahr durch Jihadisten. Jihadistische Deutlich wird dies vor allem durch die jihadistische Propaganda, Propaganda die keine Grenzen kennt und den Jihadismus auch im "Westen" gedeihen lässt. Sie trägt nach wie vor wesentlich zur Radikalisierung insbesondere junger Menschen bei. Da die Dauer der 152 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Radikalisierung bis zum aktiven Eintreten für den militanten Kampf immer kürzer wird, ist sowohl die Bekämpfung des Terrorismus/Jihadismus als auch die Prävention des Islamismus im Vorfeld weiterhin eine dringliche Aufgabe. Der Islamismus in Deutschland verzeichnet ungebrochenen Weiterhin Zulauf für Zulauf. Besonders stark steigen die Anhängerzahlen beim SalaSalafisten fismus, der Strömung innerhalb des Islamismus, die - anders als die seit vielen Jahren in Deutschland "etablierten" islamistischen Organisationen - auf keine hier fortgeführten Traditionen und Strukturen aus (ehemaligen) Herkunftsländern Rücksicht zu nehmen braucht. Der Salafismus präsentiert sich einerseits als Gegenmodell zur hiesigen, westlichen Gesellschaft, ist aber andererseits auch deren Produkt. Mit dem Salafismus ist damit erstmals ein "einheimischer Islamismus" entstanden.35 Seine anhaltende "Attraktivität" verdeutlicht die Wichtigkeit sowohl der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit ihm als auch seiner Aufklärung durch die Verfassungsschutzbehörden. Dies umso mehr, als die jihadistische Ausrichtung des Salafismus "den Westen" - symbolisiert in der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - nicht nur ablehnt, sondern aktiv bekämpft, sei es durch die Ausreise zum IS oder durch Anschläge im Westen. Die Koranverteilaktion "LIES!" der salafistischen Vereinigung Koranverteilaktion "Die Wahre Religion" (DWR) ist - aus Sicht der Salafisten - ein der "LIES!"-Kampagne "Erfolgsmodell". Unter dem Deckmantel von "Missionierungsarbeit" wurden die Aktivitäten im Jahr 2015 mit ungebrochenem Engagement fortgeführt. Inzwischen wurden etwa drei Millionen Koran-Exemplare verteilt. Die im Inund Ausland stetig expandierende Kampagne wird von der Öffentlichkeit verstärkt wahrgenommen und entfaltet gerade auf Jugendliche und Heranwachsende eine besondere Anziehungskraft. Auch Personen aus dem jihadistischen Spektrum oder mit Kontakten in die jihadistische 35 Vgl. bspw. Rauf Ceylan, Michael Kiefer, Salafismus: Fundamentalistische Strömungen und Radikalisierungsprävention, Wiesbaden 2013, S. 75 f., 92 ff.; Analyse der Radikalisierungshintergründe und -verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind (Fortschreibung 2015), abrufbar unter: www.innenministerkonferenz.de. 153 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Szene nehmen an Aktionen des Projekts "LIES!" teil, mitunter bereits mit dem Vorsatz, islamistisch zu radikalisieren und jihadistisch zu rekrutieren. Mit dem Strom der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak wittern islamistische Organisationen in Deutschland die Chance, ihre Anhängerschaft zu vergrößern, indem sie versuchen, Flüchtlinge unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe für ihre extremistische Ideologie zu gewinnen. Diese Bestrebungen werden andauern. Antisemitismus im Ein Anknüpfungspunkt dafür kann der Antisemitismus sein, Islamismus der nicht nur integraler Bestandteil aller Erscheinungsformen des Islamismus ist, sondern generell geeignet ist, latent vorhandene, antisemitische Ressentiments bei vielen Muslimen, zumal in orientalischen Ländern, zu verstärken. Die Bandbreite des Antisemitismus im Islamismus ist groß. Sie reicht von jüdischen Weltverschwörungstheorien (z.B. in der dem Umfeld der "Milli-Görüs"-Bewegung zugeordneten Zeitung "Milli Gazete") über die Propagierung und Unterstützung des Kampfes gegen Israel (z.B. durch HAMAS und "Hizb Allah") bis zu Anschlägen auf (vermeintliche) Juden und jüdische Einrichtungen weltweit, zu denen jihadistische Gruppierungen aufrufen (z.B. der einem IS-Anhänger zugeschriebene Anschlag auf einen jüdischen Supermarkt in Paris am 9. Januar 2015). 2. Organisationen und Personenpotenzial Zu mehreren der bundesweit aktiven islamistischen Organisationen beziehungsweise Gruppierungen liegen keine gesicherten Anhängerzahlen vor, sodass ein umfassendes Personenpotenzial der Islamisten in Deutschland nicht ausgewiesen werden kann. Insbesondere das Personenpotenzial der der "Milli Görüs"Bewegung zugeordneten Vereinigungen - einschließlich der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) - kann nur grob geschätzt werden. Insgesamt verfügt die "Milli Görüs"-Bewegung über einige Zehntausend Anhänger. Die Zahl der extremistischen Anhänger wird dabei auf bis zu 10.000 Personen geschätzt. 154 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Islamismuspotenzial1 Organisationen2 2013 2014 2015 Kern-"al-Qaida" "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) "al-Shabab" "Jabhat al-Nusra" (JaN) "al-Qaida auf dem indischen keine gesicherkeine gesicherkeine gesicherSubkontinent" (AQIS) ten Zahlen ten Zahlen ten Zahlen "Islamischer Staat" (IS) noch nicht keine gesicherkeine gesicheraufgeführt ten Zahlen ten Zahlen Salafistische Bestrebungen 5.500 7.000 8.350 "Hizb Allah" 950 950 950 "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" (HAMAS) 300 300 300 "Nordkaukasische Separatistenbewegung" (NKSB) 250 220 200 "Türkische Hizbullah" (TH) 350 360 360 "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 300 300 320 "Muslimbruderschaft" (MB)/"Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V." (IGD) 1.300 1.000 1.040 "Tablighi Jama'at" (TJ) 700 700 650 "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) keine gesicherkeine gesicherkeine gesicherten Zahlen ten Zahlen ten Zahlen "Milli Görüs"-Bewegung und keine gesicherkeine gesicherzugeordnete Vereinigungen (IGMG) 31.000 ten Zahlen ten Zahlen Sonstige3 2.540 2.060 1.950 1 Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Die Reihenfolge der Auflistung ist geordnet von terroristischen Organisationen bis zu Organisationen, die auf Gewalt verzichten. 3 Weitere Organisationen, deren Mitgliederund Anhängerzahlen im Islamismuspotenzial zu berücksichtigen sind. 155 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland Die Sicherheitslage in Deutschland wird hinsichtlich des transnationalen islamistischen Terrorismus in hohem Maße von internationalen Entwicklungen bestimmt. Ganz maßgeblich sind hier der Krieg in Syrien und im Irak und die Eskalation des Terrors durch den IS. Das Jahr 2015 war geprägt von zahlreichen Anschlägen in westlichen Ländern, in der Türkei und im Nahen Osten, für die der IS die Verantwortung übernommen hat. Diese Anschläge führten unmittelbar zu politischen und militärischen Reaktionen, deren Folgen noch nicht absehbar sind. 1. Lage in Syrien und im Irak - Auswirkungen auf die Sicherheitslage Der Krieg in Syrien und im Irak geht weiter. Der IS eskaliert seinen Terror. Die Folgen von Krieg und Terror treffen nicht nur die Bevölkerungen beider Länder und ihrer Nachbarstaaten, sondern erreichen auch Europa und "den Westen" insgesamt sowie Russland. Die unterschiedlichen Interessen sowohl innerhalb des "Westens" als auch Russlands sowie der Regionalmächte Türkei, Saudi-Arabien und Iran erschweren es weiterhin, eine umfassende und nachhaltige Strategie für Syrien (und den Irak) und gegen den IS zu entwerfen und umzusetzen. Das militärische Eingreifen Russlands auf Seiten des AssadRegimes seit Ende September 2015 verkompliziert nicht nur die Findung einer politischen und militärischen Strategie. Der russische Einsatz führte auch dazu, dass sich mehrere jihadistische und islamistische Gruppierungen zu einer antirussischen Allianz zusammengeschlossen haben und sowohl der Führer des syrischen Ablegers von "al-Qaida", der "Jabhat al-Nusra" (JaN), Abu Muhammad al-Julani, als auch saudische Kleriker zum Jihad gegen Russland aufgerufen haben. Bereits seit Mitte 2015 weitet der IS seine Terrorangriffe aus. Seit Oktober 2015 ist eine weitere Eskalation zu verzeichnen: Terroranschläge des IS treffen nicht mehr ausschließlich die 156 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Nachbarstaaten Syriens oder andere arabische Länder. Mit der Anschlagsserie in Paris am 13. November 2015 hat der IS deutlich gemacht, dass er in der Lage ist, auch in Europa terroristische Angriffe durchzuführen. Es ist davon auszugehen, dass der IS Pläne für weitere Anschläge in Europa, und damit auch in Deutschland, verfolgt. Der Krieg und der Terror in Syrien und im Irak sind auch der Grund dafür, dass Abertausende von Menschen auf der Flucht sind, sowohl im Land selbst als auch in den Nachbarstaaten, und seit Spätsommer 2015 in großer Zahl weiter über den Balkan nach Europa. Der IS empfindet diesen Massenexodus offenbar als bedrohlich, er bezeichnet ihn als "Sünde". Daher hat er eine intensive Medienkampagne im Internet gestartet mit dem Ziel, die Muslime von einer Auswanderung in den Westen abzuhalten und sie zum Verbleib in den von ihm eroberten Gebieten im Irak und in Syrien zu überzeugen. 1.1 Professionelle IS-Propaganda Der IS dominiert die jihadistische Propaganda-Landschaft. Er Dominanz publiziert in täglichem Rhythmus Texte, Fotoreihen sowie Videooder Audiobotschaften. Die durchweg aufwendig produzierten Veröffentlichungen zielen auf die Ansprüche eines jungen und medienaffinen Publikums ab. Hinzu kommt eine Omnipräsenz in sozialen Netzwerken. Soziale Netzwerke wie Facebook spielen eine entscheidende Rolle Multiplikatoren für die Gewinnung von Unterstützern und Mitgliedern des IS. Dies gilt auch für die deutschsprachige Szene. In sozialen Netzwerken ist es leicht, mit Sympathisanten des IS oder mit deutschsprachigen Kämpfern vor Ort in Kontakt zu kommen. Die Nutzung von Instant-Messenger-Diensten für Smartphones und Tablets ist kein Novum. WhatsApp-Gruppen dienen zum Beispiel als Radikalisierungsplattformen und virtuelle Treffpunkte der Szene. 157 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Al-Hayat Media Neben Medienstellen für die Produktion und Verbreitung araCenter"/"DABIQ" bischsprachiger Propaganda verfügt der IS mit dem "al-Hayat Media Center" über eine international ausgerichtete Medienstelle, die Propaganda in vielen unterschiedlichen Sprachen verbreitet, darunter auch Deutsch. Das "al-Hayat Media Center" produziert das grafisch hochwertige englischsprachige Onlinemagazin "DABIQ". Die Ausgaben werden teilweise auch ins Französische und Deutsche übersetzt. "DABIQ" bündelt die unterschiedlichen Themen der IS-Propaganda und bereitet sie in komprimierter Form auf. In der zwölften Ausgabe (erschienen im November 2015) wurden unter anderem die Anschläge in Paris am 13. November 2015 sowie der Absturz der russischen Passagiermaschine über der Sinai-Halbinsel am 31. Oktober 2015 thematisiert. Deutschsprachige In Videoveröffentlichungen des IS treten ebenso deutschspraIS-Propaganda chige Kämpfer auf, die unter anderem mit jihadistischen Kampfgesängen dafür werben, in das "Kalifat" auszureisen. Neben der vom IS produzierten deutschsprachigen Propaganda wird von Unterstützern und Sympathisanten Propaganda des IS ins Deutsche übersetzt und über einschlägige Internetpräsenzen sowie über soziale Netzwerke verbreitet. Seit Juli 2015 existiert beispielsweise das Label "Furat", das sich aus einer russischsprachigen jihadistischen Internetpräsenz entwickelt hat. "Furat" produziert ausschließlich Propaganda für den IS und kann als halboffizielle Medienstelle des IS bezeichnet werden. Unter anderem produziert sie auch vereinzelt deutschsprachige Propaganda. In einer Serie von Videos porträtierte sie angeblich aus Deutschland stammende Kämpfer und Selbstmordattentäter. Das "Kalifat" als Im Zentrum der IS-Propaganda steht die Festigung und AusAusreiseziel weitung des "Kalifats", das der IS Ende Juni 2014 ausgerufen hat. Damit ist nach dem Selbstverständnis des IS Wirklichkeit geworden, was jihadistische Organisationen bis dato nur als Utopie und fernes Ideal betrachtet haben. Die IS-Propaganda stellt dieses nun errichtete "Kalifat" als einzig legitimes muslimisches Staatswesen dar. Nur hier sei eine "wahrhaft islamische Ordnung" nach den Regeln der Scharia realisiert, nur hier sei ein "wahrhaft islamisches Leben" möglich. Daher erklärt der IS es zur Pflicht eines jeden Muslims, in das Gebiet des "Kalifats" auszuwandern, an seinem Aufbau mitzuwirken und für seine Ausbreitung zu kämpfen. 158 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Eines der wichtigsten Ziele der IS-Propaganda ist es, Anhänger zur Auswanderung in das "Kalifat" zu bewegen. Der IS richtet diese Aufrufe auch gezielt an Sympathisanten in westlichen Staaten. Dass das "Kalifat" ein "wahrhaft islamisches Leben" ermögliche, versucht die Propaganda auf unterschiedliche Art zu untermauern: Die Einhaltung der Gebetszeiten und das Vorgehen gegen Alkoholund Zigarettenkonsum sowie gegen "unsittliches" Verhalten werden betont. Es wird über Scharia-Gerichte und eine Scharia-Polizei berichtet, die für die Einhaltung der islamischen Gesetze, wie sie der IS versteht, sorgen. In Videos und Bilderreihen wird gezeigt, wie angeblich auf der Scharia beruhende Strafen vollstreckt werden (z.B. Amputationen von Gliedmaßen, Steinigungen). Die religiöse Unterweisung von Kindern und Jugendlichen wird besonders hervorgehoben. Das "Kalifat" befindet sich, so stellt es die Propaganda dar, in Bewaffneter Kampf einem permanenten existenziellen Kampf: Es muss sich gegen seine Gegner verteidigen und seine Ausbreitung vorantreiben. Häufig werden endzeitliche Vorstellungen heraufbeschworen, die eine finale Schlacht zwischen den Kräften des Islam und denen des "Unglaubens" vorhersagen. Entsprechend ist die Propaganda des IS wesentlich von der Glorifizierung des bewaffneten Jihad und des religiös begründeten Märtyrertums geprägt. Der IS ruft seine Anhänger in westlichen Staaten dazu auf, dort Aufruf zu Anschlägen in eigener Regie Anschläge zu planen und zu verüben. In der Propaganda wird besonders für Angriffe geworben, die ohne großen logistischen Aufwand durchgeführt werden können, wie zum Beispiel Messerattacken, Brandanschläge oder absichtlich herbeigeführte Verkehrsunfälle. Attentäter, die solche Anschläge verübt und sich als IS-Anhänger zu erkennen gegeben haben, werden in Veröffentlichungen des IS ausführlich gewürdigt und als Vorbilder präsentiert. Auch die Anhänger des IS stellten in unterschiedlichen sozialen Medien des Internets Beiträge ein, in denen sie die Anschläge von Paris im November 2015 euphorisch guthießen. Häufig äußerten sie sich dahingehend, dass mit den Anschlägen nun die Drohungen wahrgemacht würden, die der IS in seinen früheren Botschaften an Frankreich gerichtet habe. Der IS hatte sich in der Vergangenheit in seinen Veröffentlichungen wiederholt 159 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS gegen Frankreich gewandt, beispielsweise drohten französischsprachige IS-Kämpfer Frankreich in Videos mit Anschlägen. Nach den Anschlägen im November 2015 drohte der IS Frankreich mit weiteren blutigen Attacken, sollte das Land seine angeblich antiislamische Politik fortsetzen und sich weiterhin am Krieg gegen den IS beteiligen. Nach dem Absturz eines russischen Passagierflugzeugs im Oktober 2015 über dem Sinai in Ägypten behauptete der IS umgehend, den Absturz durch einen Anschlag herbeigeführt zu haben. Dieser sei die Antwort auf das russische Vorgehen in Syrien. Exzessive Gewalt Kampfhandlungen, Hinrichtungen (Massenerschießungen, Entversus zivile hauptungen, Kreuzigungen, Steinigungen, Verbrennungen bei Staatlichkeit lebendigem Leib etc.) und andere exzessive Gewalttaten sind fester Bestandteil der IS-Propaganda. Die provozierenden Gewaltdarstellungen verschaffen dem IS ein hohes Maß an medialer Aufmerksamkeit und können bei einzelnen Anhängern Allmachtsfantasien auslösen. Das gilt ebenso für die durch die IS-Propaganda medienwirksam zelebrierte Zerstörung von aus IS-Sicht "unislamischen" oder "nichtislamischen" Kulturgütern, wie etwa in der syrischen Oasenstadt Palmyra. Ein wichtiger Strang im propagandistischen Narrativ des IS ist die Darstellung des "Kalifats" als reales Staatswesen mit einer ausdifferenzierten Verwaltung und funktionierenden Institutionen. In Propagandaveröffentlichungen wird über Krankenhäuser, Fabriken, Wasserund Stromversorgung, Müllabfuhr bis hin zu Maßnahmen des Verbraucherschutzes berichtet. In Filmen werden Interviews mit Menschen gezeigt, die hervorheben, wie "normal" und wohlgeordnet ihr Alltag unter der Herrschaft des IS verlaufe. Anwerbung von Unter den Anhängern/Unterstützern des IS sind seit einigen Frauen Jahren zunehmend auch Frauen festzustellen. Deutschsprachige Sympathisantinnen finden sich vorrangig in sozialen Netzwerken zusammen und tauschen sich über die Vorzüge des IS und Möglichkeiten der Ausreise in das "Kalifat" aus. Bereits ausgereiste Frauen berichten über ihre Erfahrungen und sprechen gezielt mögliche Interessentinnen an. Ziel der ausreisenden Frauen ist in vielen Fällen die Heirat mit einem IS-Kämpfer, der 160 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS als romantischer Held und idealer Ehemann verklärt wird. Die IS-Propaganda verspricht den Frauen ein von finanziellen Sorgen befreites und ihren religiösen Überzeugungen gemäßes Leben. Die Normalität des Alltags abseits der Kampfgebiete wird betont. Indem Frauen eine Familie gründen und ihre Kinder im Sinne der Ideologie des IS erziehen, legen sie - so wird ihnen suggeriert - das Fundament für die zukünftige Blüte des "Kalifats". Wenngleich der IS seine militärischen Erfolge und sein Handeln Fazit islamisch-religiös zu rechtfertigen versucht, verzichtet er doch propagandistisch weitgehend auf ausführliche und theologisch fundierte Predigten und Erklärungen. Vielmehr stellt er sich als schlagkräftige und erfolgreiche Organisation dar, der es gelingt, in die Tat umzusetzen, was jihadistische Ideologen seit Jahren predigen. Dieser handlungsorientierte Ansatz spricht vor allem junge Menschen an, deren Ziel es ist, Teil einer "Revolution" zu sein. Im Internet verschwimmt die Grenze zwischen Propagandaproduzenten und -konsumenten. Die Anhänger verbreiten nicht nur offizielle IS-Propaganda, vielmehr produzieren sie selbst mit eigenen Videos, Bildern, Einträgen und Kommentaren Inhalte. Die virtuelle Verknüpfung fördert neben einem Gemeinschaftsgefühl im Internet auch die realweltliche Vernetzung der Anhänger. 1.2 Reisebewegungen Die Region Syrien/Irak ist weiterhin ein Reiseziel für deutsche Islamisten beziehungsweise Islamisten aus Deutschland. Bis Ende des Jahres 2015 lagen Erkenntnisse zu mehr als 780 Personen vor, die in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des IS und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Insgesamt zeichnet sich eine verringerte Ausreisedynamik Verringerte Dynamik ab. Die Ursachen des Rückgangs sind nicht geklärt. Folgende Faktoren können die Entwicklung beeinflusst haben: 161 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Entwicklung der Ausreisezahlen gereiste Personen (gesamt) Jan 15 Feb 15 Mrz 15 Apr 15 Mai 15 Jun 15 Jul 15 Aug 15 Sep 15 Okt 15 Nov 15 Dez 15 Im Jahr 2015 haben sich die bekannt gewordenen Todesfälle in Syrien und im Irak unter den Islamisten aus Deutschland verdoppelt. Diese Entwicklung wirkt vermutlich abschreckend auf Ausreisewillige. Zu Beginn der Ausreisewelle "pendelten" etliche Islamisten zwischen Deutschland und der Region Syrien/Irak (z.B. Transport von Hilfsgütern). Die zunehmende "Jihadisierung" des Konflikts trägt mutmaßlich dazu bei, dass Islamisten ihre Ausreise (noch) gewissenhafter abwägen und im Falle einer tatsächlichen Ausreise längerfristig beziehungsweise dauerhaft vor Ort bleiben. Denkbare Hindernisse für eine Ausreise sind ebenso die verschlechterte militärische Situation vor Ort verbunden mit einer katastrophalen humanitären Lage sowie der Umgang des IS mit "straffällig" gewordenen Mitgliedern. Bei den Ausgereisten handelt es sich überwiegend um in Deutschland geborene männliche Muslime mit Migrationshintergrund. Etwa ein Achtel der Ausgereisten sind Konvertiten. Der 162 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Anteil der ausgereisten Frauen liegt bei circa 20%. Zudem reisen vereinzelt auch Minderjährige in die Region Syrien/Irak aus. Nicht in allen Fällen liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien/Irak aufhalten oder aufgehalten haben. Ferner liegen zu circa 130 Personen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind. Zudem wurden weitere Ausreiseplanungen bekannt. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind bestrebt, möglichst viele dieser Ausreiseplanungen frühzeitig wahrzunehmen, um deren Verwirklichung zu unterbinden. Die Anzahl der behördlich verhängten Ausreiseverbotsverfügungen bewegt sich im niedrigen dreistelligen Bereich. Etwa ein Drittel der gereisten Personen befindet sich momentan Rückkehrer wieder in Deutschland. Als Ergebnis der kontinuierlichen Ausund Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden aktuell zu über 70 Personen Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben. Insbesondere vom letztgenannten Personenkreis geht ein hohes Risiko aus. Neben terroristischer Ausbildung und "Kampfpraxis" verfügen diese Personen zumeist über eine Reihe weiterer Qualifikationen, die dem aktuellen Anforderungsprofil islamistischer Organisationen für potenzielle Operateure in westlichen Staaten entsprechen. Hierzu gehören häufig ein "westliches" Aussehen, das Wissen über unauffälliges Verhalten in westlichen Staaten im Alltag sowie der Besitz westlicher Reiseund Identitätsdokumente. Zudem verfügen jihadistische Rückkehrer aus Syrien/Irak in der Regel über eine Vielzahl an Kennverhältnissen. Hieraus resultiert perspektivisch die Gefahr einer grenzüberschreitenden Vernetzung zurückgekehrter Syrien-/Irak-Reisender in unterschiedlichste, unter anderem auch operative Netzwerke mit weiterhin bestehenden Verbindungen in den Nahen Osten. 163 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 1.3 Jihadisten unter Flüchtlingen Vor allem aus den Kriegsund Krisengebieten im Nahen Osten hält der Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland an. Außerdem ist Deutschland mit einer hohen Zahl irregulär einreisender Personen aus anderen Regionen, wie etwa dem Balkan, Afghanistan oder Eritrea, konfrontiert. Angesichts der anhaltenden Zuwanderungsbewegungen nach Deutschland ist davon auszugehen, dass sich unter den Flüchtlingen auch aktive und ehemalige Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten terroristischer Organisationen gemäß SSSS 129a und 129b StGB (wie dem sogenannten Islamischen Staat) sowie Einzelpersonen mit extremistischer Gesinnung und/oder islamistisch motivierte Kriegsverbrecher befinden können. Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder erhielten in diesem Zusammenhang Hinweise im unteren dreistelligen Bereich auf derartige Personen. Diesen Hinweisen gehen die Sicherheitsbehörden in jedem Einzelfall unverzüglich nach. Dies führte bisher zur Einleitung von Ermittlungsverfahren im unteren zweistelligen Bereich. Die Attentate vom 13. November 2015 in Paris haben gezeigt, dass sich der IS des aktuellen Flüchtlingsstroms bedient, um (Selbstmord-)Attentäter zur Begehung von Anschlägen nach Europa zu schleusen. Den deutschen Sicherheitsbehörden liegen Einzelhinweise auf ein gezieltes beziehungsweise organisiertes Einschleusen von Mitgliedern/Unterstützern terroristischer Organisationen im Flüchtlingsstrom mit dem Ziel der Begehung von Anschlägen in Deutschland vor. Bislang haben sich diese Einzelhinweise nicht bestätigt. Die Bearbeitung dieser Hinweise erfolgt im engen Austausch mit den betroffenen Sicherheitsbehörden beziehungsweise im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und mit europäischen und internationalen Partnern. 164 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 1.4 Gefährdungspotenzial Unverhohlener als andere global-jihadistische Organisationen fordert der IS dazu auf, den Jihad durch Terroranschläge mit möglichst einfach zu beschaffenden Tatmitteln und willkürlich ausgewählten sogenannten weichen Zielen in die Mitte der westlichen Gesellschaften zu tragen. Unmittelbare Nachbarstaaten Deutschlands wurden im Jahr 2015 durch islamistisch motivierte und im Kontext der IS-Propaganda stehende tödliche Attacken erschüttert. # Am Morgen des 8. Januar 2015 eröffnete ein Attentäter das Feuer auf Polizisten, die zu einem Unfall in einen Pariser Vorort gerufen worden waren. Eine Polizistin erlag ihren Verletzungen. Am 9. Januar 2015 überfiel derselbe Täter einen jüdischen Supermarkt, verschanzte sich mit den Geiseln und erschoss vier von ihnen. Nach Stürmung des Marktes durch die Polizei kam der Attentäter ums Leben. # Am 14. Februar 2015 wurde auf ein Kulturzentrum in Kopenhagen (Dänemark) ein Anschlag verübt. Ein dänischer Dokumentarfilmer wurde getötet und drei Polizisten verletzt. Ziel des Anschlags war eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Kunst, Blasphemie und Meinungsfreiheit". Am 15. Februar 2015 verübte derselbe Mann einen weiteren Anschlag auf eine Kopenhagener Synagoge, bei der ein jüdischer Wachmann erschossen und zwei Polizisten verletzt wurden. Der mutmaßliche Täter wurde kurz darauf von der Polizei gestellt und bei einem Schusswechsel getötet. # Am 26. Juni 2015 fuhr ein als Lieferant beschäftigter Mann mit seinem Lieferfahrzeug auf das Gelände einer Gasflaschenfabrik in der Nähe von Lyon (Frankreich) und führte dort vorsätzlich eine Explosion eines Gasbehälters herbei, durch die mehrere Menschen verletzt wurden. Bei dem anschließenden Versuch, weitere Explosionen mittels Gasflaschen zu erzeugen, konnte er von herbeieilenden Feuerwehrleuten überwältigt werden. Zuvor hatte der Attentäter eine männliche Person mit einem Messer enthauptet und deren Kopf am Absperrgitter des Industriegebäudes neben zwei Fahnen befestigt, die nach jihadistischem Vorbild das islamische Glaubensbekenntnis enthielten. 165 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS # Am 13. November 2015 kam es zu weiteren verheerenden Anschlägen in Paris. Ein Fußballländerspiel, Restaurants, Cafes und ein von vielen jungen Menschen besuchtes Konzert waren die gezielt ausgewählten Anschlagsorte. Das perfide Ziel der Attentäter: Niemand soll sich in der Öffentlichkeit mehr sicher fühlen. Im Verlauf dieser Anschlagsserie wurden 130 Menschen getötet und mehr als 350 Personen zum Teil schwer verletzt. Die koordinierten Attentate wurden von drei Tätergruppen verübt. Zwei der Täter, mutmaßlich irakische Staatsangehörige, reisten mit gefälschten syrischen Pässen als Flüchtlinge getarnt nach Europa. Die anderen Täter waren belgische beziehungsweise französische Staatsangehörige. Sieben der Täter kamen bei den Anschlägen ums Leben. Zwei weitere Täter, darunter der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge, wurden bei einer polizeilichen Maßnahme in St. Denis nahe Paris am 18. November 2015 erschossen. Schließlich wurde am 18. März 2016 in Brüssel (Belgien) ein weiterer Täter festgenommen. Nahezu alle Täter waren Mitglieder des IS und hielten sich zuvor in der Region Syrien/Irak auf. Der IS hat sich am 14. November 2015 zu den Anschlägen bekannt. Nicht nur die erschütternden Ereignisse in den Nachbarländern, sondern auch die anhaltenden Flüchtlingsbewegungen haben die Diskussion über "Islamisten in Deutschland" wieder neu entfacht. Das deutsche militärische Engagement in Syrien/im Irak stellt bereits ein hinreichendes Argument für den IS dar, um die Anwendung von Gewalt gegen deutsche Interessen zu legitimieren. Insgesamt bleibt festzustellen, dass Europa einen gemeinsamen Gefahrenraum bildet. Die Anschläge in Frankreich und anderen europäischen Staaten in der jüngsten Vergangenheit belegen die Gefahr islamistischer Terrorakte. Es ist davon auszugehen, dass der IS Pläne für weitere Anschläge in Europa, und damit auch in Deutschland, verfolgt. Es besteht daher grundsätzlich eine erhöhte Gefährdung für Deutschland. 166 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. Lage in Afghanistan/Pakistan und auf dem indischen Subkontinent - Auswirkungen auf die Sicherheitslage Für Kern-"al-Qaida" ist die Lage in ihren traditionellen RückzugsKerngebieten im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet schwierig. "al-Qaida" Militäroffensiven und Drohnenangriffe forderten in den vergangenen Jahren zahlreiche personelle Verluste und führten dazu, dass die Organisation einen großen Teil ihrer Ressourcen für die Eigensicherung aufwenden muss. Die Kommunikation mit den "al-Qaida"-Organisationen in anderen Regionen gestaltet sich aufgrund des Verfolgungsdrucks schwerfällig. Im Jahr 2014 formierte sich ein weiterer "al-Qaida"-Ableger: AQIS "al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS). In einer Videoveröffentlichung erklärte "al-Qaida"-Anführer Aiman al-Zawahiri, dass die Neugründung "den Muslimen in Burma, Bangladesch sowie den indischen Bundesstaaten und Regionen Assam, Gujarat, Ahmedabad und Kaschmir zeigen soll, dass 'al-Qaida' sie nicht vergessen hat" und rief dazu auf, "die künstlich von den Engländern geschaffenen Grenzen des Subkontinents einzureißen, die die Muslime trennen". Das Aktionsgebiet von AQIS lag bislang primär in Pakistan, scheint sich mittlerweile aber nach Bangladesch auszudehnen. AQIS veröffentlichte am 18. Juni 2015 eine Erklärung auf Twitter, wonach die im Januar 2015 bei einem amerikanischen AntiTerroreinsatz an der afghanisch-pakistanischen Grenze getöteten zwei westlichen Geiseln zuvor in der Gefangenschaft zum Islam konvertiert seien. Die Beteiligung an der Geiselhaft36 zeigt, dass die Aktivitäten von AQIS über bloße Propagandaarbeit hinausgehen. Die Entführung westlicher Geiseln war und ist erklärtes Ziel von Kern-"al-Qaida". Im Jahr 2015 verkündeten die "Taleban" den bereits zwei Jahre Tod des Anführers der zurückliegenden Tod ihres Anführers Mullah Omar. In der Ver"Taleban" gangenheit hatten die "Taleban" mehrfach Botschaften im Namen ihres bereits verstorbenen Anführers veröffentlicht und dessen Tod dementiert. Etliche Gruppierungen und Anhänger fühlten 36 Kern-"al-Qaida" hatte sich zuvor in Botschaften zur Entführung einer der Geiseln bekannt. 167 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS sich nach der Bekanntmachung hintergangen. Sie wandten sich von den "Taleban" ab und dem IS beziehungsweise dessen Regionalorganisation zu. Prominentes Beispiel ist die "Islamische Bewegung Usbekistans" (IBU). Für Kern-"al-Qaida" leistete al-Zawahiri gleichwohl den Treueeid auf den neu ernannten Anführer der "Taleban" Mullah Akthar Mansur.37 Konflikt zwischen Im globalen Jihadismus stehen sich seit 2014 zwei große Lager IS und AQ unversöhnlich gegenüber: Anhänger des IS auf der einen und Anhänger von "al-Qaida" auf der anderen Seite. Der Konflikt zwischen IS und "al-Qaida" wird auch in Afghanistan/Pakistan ausgetragen. Im Januar 2015 rief der IS die "Provinz Khorasan" beziehungsweise den "Islamischen Staat - Khorasan Provinz" (ISKP) aus. Der ISKP rekrutiert sich vornehmlich aus ehemaligen pakistanischen und afghanischen "Taleban". Insbesondere in der ostafghanischen Provinz Nangarhar kam es im Jahresverlauf verstärkt zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen der ISKP und den "Taleban". Hierbei konnte der ISKP zahlreiche Gebietsgewinne erzielen. Mitte 2015 verübte der ISKP dann erstmals Anschläge gegen afghanische Sicherheitskräfte. Der Konflikt zwischen beiden jihadistischen Organisationen dauert an und verschärft die Lage insbesondere für die "Taleban" und die mit ihr durch Treueeid verbundene "al-Qaida". Nach einer längeren Pause veröffentlichte al-Zawahiri im Sommer 2015 erstmals wieder Botschaften. In diesen setzte er sich mit dem Herrschaftsanspruch des IS über alle Muslime auseinander. Nach den anfänglich eher kompromissbereiten Botschaften alZawahiris im Jahr 2014 kritisiert er inzwischen das Vorgehen des IS scharf. Der Konflikt zwischen IS und "al-Qaida" spiegelt sich in der jeweiligen Propaganda wider. 37 Nach der Eroberung weiter Teile Afghanistans im Herbst 1994 durch die "Taleban" gewährten sie Jihadisten aus aller Welt Zuflucht, unter ihnen Usama Bin Ladins "al-Qaida". 168 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2.1 Gefährdungspotenzial "Al-Qaida" ist seit Jahren bestrebt, wieder spektakuläre Großanschläge in westlichen Ländern durchzuführen. Alternativ setzt "al-Qaida" auch auf radikalisierte Einzeltäter, die ohne eine konkrete Beauftragung Anschläge begehen. Am 7. Januar 2015 überfielen zwei Brüder die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" in Paris und töteten mit ihren Schusswaffen zwölf Personen, darunter zwei Polizisten. Weitere Personen wurden verletzt. Beide Attentäter wurden im Rahmen eines polizeilichen Zugriffs getötet. Am 14. Januar 2015 wurde ein als authentisch bewertetes Video der "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) bekannt. Hierin übernimmt die Organisation, vertreten durch ihren Militärkommandeur Nasr al-Anisi, die Verantwortung für die Anschläge. Al-Anisi, wie auch ein weiterer ranghoher Anführer der AQAH, Nasir al-Wuhayshi, kamen im Jahr 2015 bei US-geführten militärischen Luftschlägen im Jemen ums Leben. In der Vergangenheit wurden "Schläferzellen" von "al-Qaida" in westlichen Ländern enttarnt. Zahlreiche Menschen aus Afghanistan/Pakistan kamen bislang mit dem Flüchtlingsstrom nach Deutschland. Es kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass sich potenzielle "al-Qaida"-Attentäter als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland begeben. 3. Lage in Somalia - Auswirkungen auf die Sicherheitslage Die "al-Shabab" ist ein regionaler Ableger der "al-Qaida". Die Terrorgruppe kompensierte die in den letzten Jahren in Somalia erlittenen Gebietsverluste durch eine hohe Anschlagsintensität, die sich in Somalia vor allem gegen Regierungsmitglieder, Parlamentarier und die Truppen der "Mission der Afrikanischen Union in Somalia" (AMISOM) richtet. Daneben stellt insbesondere das Nachbarland Kenia als wichtiger AMISOM-Truppensteller und überwiegend christlich geprägtes 169 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Land ein erklärtes Ziel der Terrororganisation dar. Ihre Fähigkeit, auf kenianischem Territorium erfolgreich zu operieren, unterstrich "al-Shabab" beispielsweise durch ihren Angriff auf den Campus der Universität Garissa am 2. April 2015, bei dem 148 Personen getötet wurden. Propaganda Die Terrororganisation betreibt das Medienportal "al-Kataib", das regelmäßig Videoverlautbarungen und Statements veröffentlicht, zum Beispiel über Twitter und einschlägige Internetseiten. Twitter hat in der Vergangenheit mehrere der "al-Shabab" zuzurechnende Kanäle geschlossen. 3.1 Gefährdungspotenzial Der ostafrikanische Jihad-Schauplatz gilt derzeit für ausländische Kämpfer im Vergleich zu Syrien oder Irak als weniger attraktiv. Reisebewegungen deutscher Islamisten beziehungsweise von Islamisten aus Deutschland sind nicht zu verzeichnen. Die Zahl der somalischen Asylsuchenden in Deutschland ist gering. Die meisten somalischen Migranten gelangen auf dem Seeweg über Libyen nach Europa. Die Reisen werden in der Regel über professionelle Schleusungsnetzwerke abgewickelt. Istanbul (Türkei) hat sich als wichtige Drehscheibe für Reisen von in Europa lebenden Somaliern nach Ostafrika entwickelt. Diese Route könnten hypothetisch auch Angehörige und Sympathisanten der "al-Shabab" nutzen. Konkrete Hinweise liegen nicht vor. III. Salafistische Szene in Deutschland Salafistische Gruppierungen verzeichnen mit 8.350 Personen in Deutschland weiterhin signifikant steigende Anhängerzahlen (2014: 7.000; 2013: 5.500). Extremistische Salafismus ist eine fundamentalistische islamistische Ideologie Gegenkultur und zugleich eine extremistische moderne Gegenkultur mit einem alternativen Lebensstil mit markanten Alleinstellungsmerkmalen 170 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS (Kleidung und Sprache). Salafismus will eine eingeschworene Gemeinschaft mit intensivem Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen. Dies zieht insbesondere diejenigen Personen an, die sich von der Mehrheitsgesellschaft marginalisiert fühlen. Gerade ungefestigte Personen, die auf der Suche nach einem Lebenssinn, nach Orientierung und Sicherheit sind, werden durch das einfache salafistische Regelwerk angesprochen, welches das tägliche Leben bis in die Details hinein bestimmt. Der Einzelne wird zum Teil einer Elite, zum Vorkämpfer des "wahren Islam", ausgezeichnet durch seine moralische Überlegenheit gegenüber einer Welt des Verdorbenen. Diese subkulturellen Elemente machen im Wesentlichen die Ideologie Anziehungskraft einer Ideologie aus, die der Verfassungsschutz als eine vom Wahhabismus, der "Staatsdoktrin" Saudi-Arabiens, geprägte, besonders strenge und radikale Strömung innerhalb des Islamismus definiert. Salafisten sehen sich als Verfechter eines ursprünglichen, unverfälschten Islam. Sie geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran, dem Vorbild des Propheten Muhammad und der ersten drei muslimischen Generationen, den sogenannten rechtschaffenen Altvorderen (arab. al-salaf al-salih), auszurichten. In letzter Konsequenz versuchen Salafisten, einen "Gottesstaat" nach ihrer Auslegung der Regeln der Scharia zu errichten, in dem die freiheitliche demokratische Grundordnung keine Geltung mehr haben soll. Politische und jihadistische Salafisten teilen dieselben ideologiImmanente schen Grundlagen. Sie unterscheiden sich vornehmlich in der Gewaltorientierung Wahl der Mittel, mit denen sie ihre Ziele verwirklichen wollen. Politische Salafisten versuchen, ihre islamistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten - die sie als "Missionierung" (dawa) bezeichnen - zu verbreiten und die Gesellschaft in einem langfristig angelegten Prozess nach salafistischen Normen zu verändern. In Teilbereichen positionieren sich die Anhänger des politischen Salafismus ostentativ gegen Terrorismus, heben den friedfertigen Charakter des Islam hervor und vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt. Dennoch ist festzustellen, dass der politische Salafismus ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele pflegt, da religiös legitimierte Gewalt nicht prinzipiell ausgeschlossen wird. Salafisten beziehen sich in ihrer Islamauslegung selektiv auf klassische Werke der 171 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS islamischen Rechtsliteratur, die im Umgang mit Nichtmuslimen eine starke Affinität zur Gewalt aufweisen. Nach salafistischer Islamauslegung muss der universelle Geltungsanspruch des Islam aufgrund seiner Überlegenheit und nach göttlichem Heilsplan der gesamten Menschheit zuteil werden und notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden. Damit ist die grundsätzliche Bejahung von Gewalt ein immanenter Bestandteil salafistischer Ideologie. Die Grenzen zwischen politischem und gewaltbereitem/jihadistischem Salafismus verschwimmen zunehmend. Die beiden salafistischen Strömungen haben unterschiedliche, aber leicht zu überbrückende Auffassungen darüber, unter welchen Voraussetzungen Gewalt angewendet werden darf. Das erklärt auch, weshalb der Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus fließend ist. Kampagne "LIES!" Die salafistische Vereinigung "Die Wahre Religion" (DWR) setzte auch im Jahr 2015 ihre "Missionierungsarbeit" mit ungebrochenem Engagement fort, wobei sich ihre Aktivitäten auf die Durchführung von Infoständen im Rahmen des Projekts "LIES!" konzentrierten. Es liegen vermehrt Hinweise auf Personen vor, die zunächst an den Koranverteilaktionen teilgenommen hatten, um sich danach an den Kämpfen in Syrien zu beteiligen. Daneben finden nur noch vereinzelt Vortragsveranstaltungen DWR-naher Prediger, Seminare sowie anlassbezogen Benefizveranstaltungen statt. Im Rahmen der Kampagne "LIES!" werden kostenlos Koranübersetzungen vorwiegend an Nichtmuslime verteilt und Spenden für das Projekt erbeten. Da die Durchführung von Infoständen anmeldepflichtig ist, gingen die Organisatoren dazu über, neben den Infoständen eine sogenannte Street Dawa durchzuführen. Dabei bewegen sich die Verteiler durch Fußgängerzonen und bieten Passanten den Koran aus Taschen und Rucksäcken zur Mitnahme an. So können Aktionen spontan und flexibel durchgeführt werden, man umgeht das Anmeldeerfordernis und erschwert ordnungsrechtliche Maßnahmen. DWR ist mittlerweile nicht nur in zahlreichen Städten und Gemeinden Deutschlands aktiv, sondern verteilt den Koran auch international in mehreren Ländern. Um ein möglichst breites 172 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Publikum zu erreichen und zu "missionieren", wird die Übersetzung des Koran inzwischen in vielen Sprachen verteilt. Nachdem zuletzt die schwedische Übersetzung gedruckt wurde, ist nun eine portugiesische Übersetzung geplant. Nach Angaben der Organisation wurden bis Herbst 2015 drei Millionen Koranexemplare von bis zu 3.000 Aktivisten (für Deutschland) verteilt. Stände des "LIES!"-Projekts oder "Street Dawa" bieten deren Akteuren die Möglichkeit, salafistische Ideologie zu propagieren, die geeignet ist, eine islamistische Radikalisierung anzustoßen oder voranzutreiben. Gerade bei jungen Menschen in der Identitätsfindungsphase und auf der Suche nach Antworten finden salafistische Ideen oftmals Anklang, wenn charismatische Leitfiguren der salafistischen Szene einfache Lösungen auf komplexe Fragen anbieten. Das dürfte einer der Gründe sein, warum es sich bei der überwiegenden Zahl der Koranverteiler um Jugendliche und Heranwachsende handelt. Nicht zuletzt durch die intensive Nutzung moderner Medien und sozialer Netzwerke bei der Verbreitung der salafistischen Ideologie wird insbesondere ein junges Publikum auf DWR aufmerksam. Hinzu kommt, dass auch Personen aus dem jihadistischen Spektrum oder mit Kontakten in die jihadistische Szene an Aktionen des Projekts "LIES!" teilnehmen, mitunter bereits mit dem Vorsatz, islamistisch zu radikalisieren und jihadistisch zu rekrutieren. In der Vergangenheit kooperierte DWR bereits offen mit jihadistischen Gruppierungen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass sich nicht wenige Teilnehmer der Koranverteilaktion "LIES!" so weit radikalisierten, dass sie zur Teilnahme am Jihad nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind. Eine neue Form der von Salafisten praktizierten "Missionierungs"Home Dawa" arbeit" stellen Treffen in Privatwohnungen dar. Zu diesen als "Home Dawa" bezeichneten Vortragsveranstaltungen können über das Internet salafistische Prediger nach Hause eingeladen werden. Die Veranstaltungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich. Im Gegensatz zur jihadistischen Szene, die die Anschläge auf Reaktionen auf die die Redaktion des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo" Anschläge in Paris im am 7. Januar 2015 in Paris begrüßte und die Attentäter zu ihrem Januar und November Erfolg beglückwünschte, bemühten sich politisch-salafistische 173 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Akteure in der Öffentlichkeit um Schadensbegrenzung. In Videobotschaften verurteilten salafistische Prediger den Anschlag und riefen dazu auf, sich nicht provozieren zu lassen und sich von jeder Gewalt fernzuhalten. Muslime sollten den Propheten mit Argumenten und vorbildlichem Verhalten verteidigen. Diese Aufrufe können jedoch als taktisch motiviertes Lippenbekenntnis gewertet werden, da in der Vergangenheit weitere jihadistische Anschläge mit Verweis auf die vermeintliche Verteidigung des Islam entschuldigt wurden. Die Anschläge in Paris am 13. November 2015 lehnten bekannte Akteure des politisch-salafistischen Spektrums ebenfalls öffentlich ab. Im Rahmen der Kritik an den Anschlägen sprachen sie aber nicht nur Beileidsbekundungen für die Opfer aus, sondern rückten die solchen Anschlägen angeblich folgende "Hetze gegen Muslime" und deren daraus resultierende Opferrolle in den Vordergrund. Zugleich wurde das im Vergleich angeblich geringe Interesse des "Westens" an den Konflikten und Opfern in der muslimischen Welt thematisiert. "Missionierung" Etwa 70% der in Deutschland eintreffenden Flüchtlinge sind Musunter Flüchtlingen lime. Islamisten beziehungsweise islamistische Organisationen versuchen, unter diesen Neuankömmlingen zu missionieren und Anhänger zu rekrutieren. Dabei bietet sich eine Kontaktaufnahme unter dem Deckmantel humanitärer Hilfsangebote an. Eine zentrale Koordinierung durch namhafte salafistische Organisationen konnte dabei bislang nicht festgestellt werden. So rief ein bekannter deutscher salafistischer Prediger auf seiner Facebook-Seite dazu auf, "Teams zu bilden", "Flüchtlingsunterkünfte ausfindig" zu machen und diese schließlich zu besuchen. Der Prediger betonte, es gehe dabei nicht um die Befriedigung materieller Bedürfnisse, sondern um das "Gebet und Ähnliches". In mehreren Fällen traten Salafisten in Kontakt mit Flüchtlingen, indem sie Gegenstände zur Religionsausübung (z.B. Gebetsteppiche) verteilten und Einladungen in einschlägig bekannte salafistische Moscheen aussprachen. In sozialen Netzwerken äußerten Einzelpersonen aus dem salafistischen Umfeld ihre Betroffenheit. Hier fanden sich Aufrufe zur Solidarität mit den Flüchtlingen und zu deren Unterstützung. Teilweise erfolgte auch die Aufforderung, man solle darauf achten, dass der Einfluss der Nichtmuslime 174 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS nicht überhandnehme: "Diese Kinder brauchen uns Muslime als Betreuer, sonst werden sie bei Nichtmuslimen landen." Perspektivisch ist von einer Zunahme dieser Aktivitäten auszugehen. Die Kontaktaufnahmen von Salafisten beziehungsweise Islamisten zu Flüchtlingen werden den Verfassungsschutz auch in Zukunft beschäftigen. Dabei ist zu klären, inwieweit islamistische Organisationen oder Personen sich bei ihren Aktivitäten auf humanitäre Hilfe beschränken oder diese zur Verbreitung islamistischer Ideologie nutzen. Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf sogenannte unbegleitete Jugendliche unter den Flüchtlingen gelegt werden, da diese aufgrund ihrer Situation besonders anfällig für Versprechen von Islamisten sein dürften. Die vielfältigen Propagandaaktivitäten der Salafisten, die sie verGefährdungsharmlosend als "Missionierung" oder "Einladung zum Islam" potenzial bezeichnen - in Wahrheit ist es eine systematische Indoktrinierung und oftmals auch der Anfang einer noch weitergehenden Radikalisierung -, sind "erfolgreich": Der Salafismus ist nach wie vor die am stärksten wachsende islamistische Strömung in Deutschland. Mit einer umfassenden propagandistischen Arbeit in den sozialen Netzwerken, provokativen Straßenaktionen und dem Einsatz salafistischer Prediger aus dem Ausland, die sich oftmals radikaler äußern als ihre deutschen Pendants, werden immer neue Anhänger rekrutiert. Sie geraten in eine Szene, die geprägt wird von einer "Wagenburgmentalität" gegenüber einer als "ungläubig" diffamierten Umwelt, zu der nicht nur Christen, Juden und Nicht-Gläubige zählen, sondern auch nicht-salafistische Muslime. Damit soll jeglicher Einfluss von außen unterbunden werden; Kontakt mit Nicht-Salafisten gilt lediglich dann als legitim, wenn er der Verbreitung der eigenen Ideologie dient. Die salafistische Szene stellt ein wesentliches Rekrutierungsfeld für den Jihad dar. Fast ausnahmslos alle Personen mit Deutschlandbezug, die sich dem Jihad angeschlossen haben, standen zuvor mit salafistischen Strukturen in Kontakt. So durchsuchte das LKA Berlin im Rahmen zweier Ermittlungsverfahren gemäß SS 89a StGB im September 2015 eine salafistisch beeinflusste Moschee in Berlin-Tempelhof. Dem Imam dieser Moschee wird vorgeworfen, Personen radikalisiert und zur Teilnahme am Jihad 175 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS in Syrien angestiftet zu haben. Sowohl bei der "LIES!"-Kampagne als auch in der "Syrien-Solidarität" wird zudem erkennbar, wie wenig trennscharf die Unterscheidung zwischen einem politischen und einem jihadistischen Salafismus in der Realität ist: Es liegen Hinweise auf Personen vor, die zunächst an den Koranverteilaktionen teilgenommen hatten, um sich danach an den Kämpfen in Syrien zu beteiligen. Zumindest in diesen Fällen ist der Zusammenhang zwischen salafistischer Propaganda und Jihad-Ausreisen nach Syrien evident. Das Gefährdungspotenzial durch salafistische Gewalt bleibt unverändert hoch. Salafistische Gewalt könnte eine zusätzliche Dynamik aufgrund von Wechselwirkungen mit extremistischen Gruppen aus anderen, "verfeindeten" ideologischen Lagern bekommen, wie in der Vergangenheit bereits an Einzelfällen deutlich wurde. IV. Antisemitismus im Islamismus38 Erscheinungsbild Antisemitismus ist nicht nur ein Agitationsthema von Rechtsund Linksextremisten, vielmehr stellt er auch ein konstitutives Element in der Ideologie des gesamten islamistischen Spektrums dar. Vor allem in der islamistischen Propaganda spielt der Antisemitismus eine Rolle. Hier werden Stereotype und Vorurteile verwendet, die allgemein mit der judenfeindlichen Hetze in Europa vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert in Verbindung gebracht werden. Allerdings verzichten in Deutschland aktive islamistische Organisationen angesichts der strafrechtlichen Relevanz und der Sensibilität für Antisemitismus in der Öffentlichkeit weitgehend auf offen antisemitische Propaganda. Auch in der salafistischen Szene existieren Juden beziehungsweise der Staat Israel als erklärtes Feindbild. Dies wird am Beispiel der im Jahr 2013 vom Bundesminister des Innern verbotenen Vereinigung "Islamische Audios" deutlich. Auf deren Facebook-Profilen 38 Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Antisemitismus im politischen Extremismus. Ideologische Grundlagen und Argumentationsformen, Köln 2016, abrufbar unter: www.verfassungsschutz.de. 176 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS waren in der Vergangenheit zahlreiche antisemitische Bilder und Wortbeiträge veröffentlicht worden, die letztlich auch als Grundlage für das ausgesprochene Verbot dienten. Ein wesentliches Kennzeichen des islamistischen Antisemitismus ist die antijüdische "Weltverschwörungstheorie". Ähnlich wie im Rechtsextremismus werden Juden als Drahtzieher einer weltweiten Verschwörung gesehen und kollektiv für verschiedenste Übel und Missstände verantwortlich gemacht. Im islamistisch begründeten Antisemitismus findet man auch Inhalte, die den besonderen Stereotypen der jahrhundertealten europäischen Judenfeindschaft entlehnt sind und ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Kolonialisierung der arabischen beziehungsweise islamischen Welt dort Verbreitung fanden. Antisemitische Aussagen finden sich beispielsweise regelmäßig in Druckerzeugnissen aus dem Umfeld der "Milli Görüs"-Bewegung, insbesondere in der Zeitung "Milli Gazete". Die Juden - so die "Milli Görüs"-Ideologie - würden den gottlosen Westen und den größten Teil der Welt beherrschen. Sie seien hinter den Kulissen agierende Führer der herrschenden unislamischen, tyrannischen und "nichtigen" Ordnung und damit ewige Gegner des Islam. So hieß es in einer Kolumne der Zeitung, für die "Milli Gazete" zu schreiben bedeute unter anderem, "sich der Weltherrschaft der zionistischen Ideologie zu widersetzen".39 In einer anderen Kolumne mit dem Titel "Wenn das Gerechte kommt, verschwindet das Ungerechte" machte der Kolumnist die "Zinswirtschaft" des "Monopolkapitals" für alle aktuellen Missstände in der Türkei verantwortlich. Schuld an den wirtschaftlichen Missständen seien circa 200 jüdische Familien in den USA.40 In einem Beitrag über den im Jahr 2011 verstorbenen Gründer der "Milli Görüs"-Bewegung Necmettin Erbakan und seinen Kampf gegen den Zionismus, den Erbakan als einen "5700 Jahre alten Krankheitserreger" bezeichnet haben soll, wird der Zionismus als der hauptverantwortliche Feind für den Niedergang des Osmanischen Reiches und die Besatzung der islamischen Welt benannt. 39 "Milli Gazete" vom 10. August 2015, S. 12. 40 "Milli Gazete" vom 13. April 2015, S. 6. 177 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Zudem sei die Gründung eines "Israel" genannten "Besatzungsund Terrorregimes" auf palästinensischem Boden durch den Zionismus eine der größten Katastrophen in der Geschichte.41 Antisemitische Stereotype schreiben "den Juden" ein ganzes Arsenal negativer Eigenschaften und antiislamischer Weltverschwörungspläne zu, was die Ablehnung, Bekämpfung oder gar Vernichtung von Juden, wo immer sie auch leben, rechtfertigen soll. Zeugenbefragungen und einschlägige Dokumente geben Aufschluss darüber, dass auch den Attentätern des 11. September 2001 derartige Auffassungen nicht fernlagen. So ging der als "Todespilot" bekannt gewordene Mohammed Atta davon aus, dass die Juden als reiche Drahtzieher hinter den Kriegen der USA auf dem Balkan und am Persischen Golf agierten. Das Zentrum des "Weltjudentums" lag für ihn in New York. Folglich musste auch von dort aus der vermeintliche Befreiungskrieg für die Errichtung eines islamischen Gottesstaates seinen Anfang nehmen. Bei salafistischen Predigern in Deutschland fällt generell auf, dass sie antisemitische Äußerungen in der Öffentlichkeit weitgehend vermeiden. Offen antisemitische Propaganda findet daher nur selten statt. Ein explizites Beispiel für die Bedeutung von Predigern im Bereich des von Islamisten verbreiteten Antisemitismus vermag jedoch die antiisraelische Predigt eines salafistischen Reisepredigers am 18. Juli 2014 in der Berliner "al-Nur-Moschee" zu geben. Darin sprach der Prediger den Vernichtungswunsch gegen die "zionistischen Juden" im Rahmen eines Bittgebets an Allah unverblümt aus: "Oh Allah, rechne mit den zionistischen Juden ab, sie können nichts gegen Dich tun. Zähle sie, töte sie alle und lass niemanden von ihnen übrig." Bei dieser Predigt handelt es sich um einen besonders schweren Fall von antiisraelischer Agitation und islamistisch fundiertem Antisemitismus. Zwar rief der Prediger nicht ausdrücklich zur Gewaltanwendung auf, jedoch schürt diese Predigt Hass gegen den Staat Israel und seine Bürger. Der Prediger wurde vom Amtsgericht Tiergarten im Jahr 2015 zu einer Geldstrafe verurteilt. 41 "Milli Gazete" vom 10. März 2015, S. 1 und 11. 178 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Hiergegen hat er Berufung eingelegt, sodass das Urteil bislang nicht rechtskräftig ist. Derartige Predigten durch religiöse Autoritäten (z.B. Imame) tragen maßgeblich zur Meinungsbildung ihrer Zuhörer bei. Insbesondere können sich damit bereits vorhandene antisemitische Ressentiments weiter verfestigen. Bei der Demonstration anlässlich des "al-Quds-Tages" am 11. Juli 2015 in Berlin waren während der gesamten Veranstaltung antizionistische Tendenzen zu verzeichnen. Es konnten folgende Aufrufe dokumentiert werden: "Kindermörder Israel", "Zionisten sind Faschisten" und "Seid ihr alle taub und stumm - Israel bringt Kinder um". Zur Schlusskundgebung der Demonstration wurde unter den Teilnehmern eine Broschüre mit dem Titel "Wer tötet mehr Kinder? - Israel oder ISIS?" verteilt. Die Broschüre enthält stark antizionistische Propaganda an der Grenze zum Antisemitismus. Israel wird als "zionistisches Apartheidregime" oder als "Krebsgeschwür" bezeichnet. Sein Vorgehen sei "faschistisch" und "manipulativ". Israel wird als tyrannischer Unterdrücker des palästinensischen Volkes dargestellt. Die "unterdrückten Nationen" werden aufgefordert, sich "wie die Islamische Republik Iran zu erheben und die arroganten Mächte niederzuschlagen". Beim "al-Quds-Tag" handelt es sich um einen von Ayatollah Khomeini im Jahre 1979 ausgerufenen Gedenktag, der die Muslime dazu auffordert, Jerusalem aus der Hand des "Ursurpators Israel" zu befreien. Der "al-Quds-Tag" ist somit auch Ausdruck der Leugnung des Existenzrechts des Staates Israel durch den iranischen Staat. Die alljährlich in Berlin stattfindende und von regimetreuen Iranern organisierte Demonstration setzt sich überwiegend aus Anhängern der "Hizb Allah", regimetreuen Iranern sowie schiitischen Türken und Irakern zusammen. Auch innerhalb der jihadistischen Internetszene ist AntisemitisAntisemitismus mus ein fester Bestandteil der weltweit propagierten islamistiim Internet schen Ideologie. Dabei ist festzustellen, dass ein deutlicher, hinter antiisraelischen oder vermeintlich antizionistischen Positionen versteckter islamistischer Antisemitismus seit Jahren auch über das Internet sowie in islamistischen Medien verbreitet wird. In 179 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS einschlägigen jihadistischen Internetforen werden Juden nicht als Religionsgemeinschaft wahrgenommen, sondern insbesondere als Vertreter einer politischen Macht, die den Muslimen grundsätzlich feindlich gesonnen erscheint. Übersetzungen antisemitischer Verlautbarungen, die regelmäßig auf einschlägigen Internetseiten eingestellt werden, führen zu einer Verbreitung der Propaganda auch unter deutschen Islamisten. Ein zentrales Thema im Hinblick auf die pauschale Kritik und die Verunglimpfung von Juden bleibt der Nahost-Konflikt. Entsprechende Presseartikel werden hochgeladen und kommentiert sowie Bilder von Demonstrationen gegen das Vorgehen Israels in Gaza veröffentlicht. Bilder von Palästinensern, insbesondere von palästinensischen Kindern, die durch israelische Angriffe ums Leben gekommen sind, verbreiten sich nahezu ohne Unterlass über die sozialen Netzwerke im Internet. Auf islamistischen Facebook-Profilen sind in diesem Zusammenhang immer wieder eindeutig antisemitische beziehungsweise antizionistische Äußerungen feststellbar. In einer Serie von Videobotschaften rief der IS im Oktober/ November 2015 dazu auf, Anschläge auf Juden zu verüben. Die Aufrufe standen im Kontext der Ereignisse in Israel, wo es eine Vielzahl von Messerattacken einzelner Palästinenser auf Israelis gegeben hatte. Der IS unterstützte in seinen Videoveröffentlichungen diese Angriffe, betonte aber, dass der zugrundeliegende Konflikt kein politischer, sondern ein religiöser sei. Die Aufrufe des IS zu Anschlägen gingen daher über den israelisch-palästinensischen Konflikt hinaus und richteten sich gegen Juden im Allgemeinen. Anhänger des IS weltweit könnten dies als Aufforderung verstehen, ihrerseits Angriffe auf Juden zu verüben. Auch die vermutete weltweite "zionistische Verschwörung" zur Unterstützung "jüdischer Interessen" bleibt als Thema virulent. Im Zusammenhang mit den andauernden Umwälzungen in der arabischen Welt warnen unterschiedliche jihadistische Organisationen in ihren Verlautbarungen davor, dass nach dem Sturz der jeweiligen Regime neue "Statthalter" des Westens eingesetzt werden könnten, um dann die "Interessen des Westens und Israels" zu vertreten und den Muslimen zu schaden. 180 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS V. Staatliche Maßnahmen Vereinsverbote sind ein geeignetes Mittel, um die organisatoriVereinsrechtliche schen und finanziellen Möglichkeiten von Islamisten zu beschränMaßnahmen ken. Wenngleich sich dadurch extremistische Gesinnungen nicht ändern, werden doch Strukturen und Kommunikationswege nachhaltig gestört. # Am 26. März 2015 verbot der Bundesminister des Innern mit Verfügung vom 26. Februar 2015 den jihadistischen Verein "Tauhid Germany" (TG) als Ersatzorganisation der bereits im Jahre 2012 verbotenen Gruppierung "Millatu Ibrahim" (MI). Im Rahmen des Verbotsvollzugs am 26. März 2015 fanden Durchsuchungsmaßnahmen gegen 26 Mitglieder von TG in vier Bundesländern statt. Die zahlreichen Internetpräsenzen des Vereins wurden abgeschaltet. Das Verbot von TG ist seit dem 30. April 2015 rechtskräftig. Bereits kurz nach dem Verbot von MI im Jahre 2012 begannen zwei in Deutschland verbliebene MI-Führungsmitglieder mit Planungen für eine Ersatzorganisation. Dabei stimmten sie sich eng mit dem Gründer von MI ab, der zu diesem Zeitpunkt bereits aus Deutschland ausgereist war. Im Mai 2013 führten diese Absprachen schließlich zur Gründung von TG. Der Verein setzte die Tätigkeit von MI inhaltlich fort. Zudem fiel bereits früh auf, dass es eine ausgeprägte personelle Kontinuität zwischen beiden Organisationen gab. Das Ziel von TG bestand darin, Jugendliche zu rekrutieren, zu radikalisieren und letztlich zur Ausreise in ein Jihad-Gebiet - vorzugsweise Syrien - und zur Teilnahme am bewaffneten Kampf zu bewegen. Zu diesem Zweck verbreitete der Verein über das Internet umfangreiche salafistische und jihadistische Propaganda. TG organisierte aber auch zahlreiche Infostände und führte interne Schulungsveranstaltungen durch. Ergänzt wurde dieses Angebot durch gemeinsame Freizeitaktivitäten (z.B. Fußballturniere), die insbesondere auf eine jugendliche Zielgruppe zugeschnitten waren und dazu dienten, neue Anhänger zu rekrutieren. In seinen Veröffentlichungen bekannte TG sich zum gewaltsamen Jihad, der als Verteidigungskrieg der Muslime gegen eine angebliche Unterdrückung verstanden wurde. Die Muslime in Deutschland stellte TG als Opfer einer staatlich gesteuerten Diskriminierungsund Vernichtungskampagne dar. Dabei 181 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS wurden auch Parallelen zur Judenverfolgung im Dritten Reich suggeriert. Diese Form der Propaganda diente dazu, Terroranschläge und Gewalttaten durch Islamisten als eine Form der Selbstverteidigung zu legitimieren. Spätestens seit dem Jahr 2014 war TG ideologisch dem IS zuzuordnen, der in der TG-Propaganda gegen Kritiker verteidigt wurde. Selbst die grausame Ermordung von Gefangenen durch den IS, wie etwa die Verbrennung eines jordanischen Piloten bei lebendigem Leib im Februar 2015, versuchte TG durch Internetveröffentlichungen zu rechtfertigen. In der Realwelt verfügte TG über Mitglieder im mittleren zweistelligen Bereich, die überwiegend in Nordrhein-Westfalen aktiv waren. Der virtuelle Wirkungsradius des Vereins war jedoch durch dessen umfangreiche Internetpropaganda wesentlich größer. Auf YouTube hatte TG in den knapp zwei Jahren seines Bestehens über 400 Videos veröffentlicht, deren Spieldauer zum Teil über eine Stunde betrug. Die Facebook-Seite von TG hatte zuletzt innerhalb von sechs Monaten über 3.000 "Likes" erhalten. Auch wenn es schwierig ist, von derart unspezifischen Sympathiebekundungen auf eine tatsächliche Anhängerschaft zu schließen, zeigt diese Zahl zumindest, dass der Verein über das Internet einen großen Personenkreis erreichen und propagandistisch ansprechen konnte. Das Radikalisierungspotenzial von TG war damit erheblich. # Mit Urteil vom 16. November 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Klage des Vereins "Farben für Waisenkinder e.V." - vormals "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." (WKP) - gegen das vom Bundesminister des Innern am 2. April 2014 verfügte Verbot ab. Der Verein hatte Spendengelder aus Deutschland an die "Shahid-Stiftung" im Libanon weitergeleitet. Die "ShahidStiftung" ist integraler Teil der "Hizb Allah" und betreut Waisenkinder sowie Hinterbliebene von "Hizb Allah"-Kämpfern, die bei Kampfhandlungen gegen die israelischen Streitkräfte oder als Attentäter ums Leben gekommen sind. Dieses soziale Engagement steigert das Ansehen der "Hizb Allah" in der libanesischen Bevölkerung und fördert die Bereitschaft zum bewaffneten Kampf. Wie schon zuvor in seinen Urteilen vom 3. Dezember 2004 ("al-Aqsa e.V.") und 18. April 2012 ("Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V." - IHH) hat das BVerwG erneut festgestellt, dass auch karitative Tätigkeiten gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen 182 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS können, wenn dadurch eine Gruppierung unterstützt wird, die ihrerseits durch Ausübung von Gewalt das friedliche Miteinander der Völker beeinträchtigt. Weiter hat das BVerwG wie bereits in den vorangegangenen Urteilen zur HAMAS nun auch zur "Hizb Allah" festgestellt, dass es sich um ein einheitliches Gebilde handelt, bei dem soziale, politische und militärische Aktivitäten eine Einheit bilden. Insofern stellt das WKP-Urteil eine konsequente Fortführung der bisherigen Rechtsprechung dar. Aus der Vielzahl von Verfahren im Zusammenhang mit dem Strafverfahren islamistischen Terrorismus werden die folgenden exemplarisch aufgeführt: # Am 15. Juni 2015 erhob die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) Anklage gegen eine Person mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung IS und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Syrien. Darüber hinaus ist der Angeschuldigte wegen Mordes angeklagt. Ihm wird zur Last gelegt, Anfang März 2013 über die Türkei nach Syrien gereist zu sein und sich dort spätestens im September 2013 dem IS angeschlossen zu haben. Laut Anklage sei er in einem militärischen Ausbildungslager unter anderem im Umgang mit Schusswaffen geschult worden. Anschließend habe er einer in Syrien stationierten Kampfgruppe des IS angehört und mit dieser wiederholt an Kampfhandlungen teilgenommen. Dabei habe der Angeschuldigte mindestens einen Menschen getötet. Nach einer vorübergehenden Rückkehr nach Deutschland zu Beginn des Jahres 2014 soll der Angeschuldigte Anfang Juli 2014 erneut nach Syrien gereist sein und erneut an Kampfhandlungen teilgenommen haben. Im Januar 2015 habe er sich in die Türkei begeben, wo er von den türkischen Behörden festgenommen und anschließend nach Deutschland abgeschoben wurde. # Am 24. Juni 2015 verurteilte das OLG Düsseldorf eine Frau mit deutscher und polnischer Staatsangehörigkeit wegen Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung IS zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Nach Feststellung des Gerichts hielt sich die Angeklagte im Jahr 2013 zweimal über einen Zeitraum von mehreren 183 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Wochen mit ihrem Ehemann nach islamischem Recht und dem im Oktober 2012 geborenen gemeinsamen Sohn in Syrien auf. Sie sei eine überzeugte Anhängerin der vom IS vertretenen radikal-islamischen Ziele gewesen. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland Ende 2013 habe sie unter hier lebenden Muslimen Spendenund Sachsammlungen durchgeführt und sich um den Transfer nach Syrien zum IS gekümmert. Die Angeklagte wurde wegen insgesamt fünf Unterstützungshandlungen verurteilt. Bei der Strafzumessung wurde berücksichtigt, dass sich die Angeklagte zu einem überwiegenden Teil der gegen sie erhobenen Vorwürfe am Ende der Hauptverhandlung geständig eingelassen hat. Das Urteil ist rechtskräftig. # Am 4. September 2015 erhob die Bundesanwaltschaft vor dem OLG Düsseldorf Anklage gegen einen deutschen Staatsangehörigen wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung IS und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Syrien. Dem Angeschuldigten wird zur Last gelegt, sich spätestens ab Mitte Oktober 2013 bis Anfang November 2014 in Syrien dem IS als Mitglied angeschlossen zu haben. Zu Beginn dieses Zeitraums soll sich der Angeschuldigte zunächst Schusswaffen und Handgranaten verschafft und sich in deren Umgang sowie in der Verarbeitung von Sprengstoff zum Bau von Sprengsätzen unterweisen lassen haben, um gegebenenfalls an Kampfhandlungen für den IS teilzunehmen. Anschließend sei er von April bis November 2014 in eine Spezialeinheit zur Festnahme von Deserteuren aus den Reihen des IS und die Verwaltung von dessen Gefängnissen eingebunden gewesen. Außerdem habe der Angeschuldigte bei verschiedenen Gelegenheiten Wachdienst zum Schutz von Stützpunkten des IS abgeleistet. Während des gesamten Zeitraums habe er der Organisation eigene finanzielle Mittel in Höhe von 7.000 bis 9.000 Euro dadurch zur Verfügung gestellt, dass er seinen Lebensunterhalt selbst bestritt, um damit den IS hiervon zu entlasten. Weiterhin habe er beim bewaffneten Transport von verletzten Kämpfern des IS und der Bestattung eines toten Gefangenen geholfen. Außerdem sei er bei einem Verhör eines Gefangenen als Sprachmittler in Erscheinung getreten. 184 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu wichtigen Beobachtungsobjekten 1. Kern-"al-Qaida" Gründung: Mitte der 1980er-Jahre Leitung: Aiman al-Zawahiri Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "Resurgence" (Onlinemagazin) "as-Sahab" (Medienstelle) Die von Usama Bin Ladin gegründete "al-Qaida" strebt ein islamistisches Regime zumindest in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern und darauf aufbauend eine globale Ausdehnung an. Ihr Kampf gilt dem "äußeren Feind" (dem westlichen Einfluss, insbesondere den USA und Israel) und dem "inneren Feind" (den sogenannten unislamischen Regierungen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika). Ziel von "al-Qaida" sind weiterhin medienwirksame Anschläge. Zudem werden Einzeltäter oder Kleinstgruppen dazu aufgerufen, Anschläge ohne Absprache und formale Anbindung an die Organisation durchzuführen. Strukturen der "al-Qaida" in Deutschland sind nicht bekannt. 185 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. "Islamischer Staat" (IS) Gründung: Ende 2003 als "al-Qaida im Irak", seit Mitte 2014 "Islamischer Staat" Leitung: Abu Bakr al-Baghdadi Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "DABIQ" (Onlinemagazin) "KONSTANTINIYYE" (türkischsprachiges Onlinemagazin) "ISTOK" (russischsprachiges Onlinemagazin) "al-Hayat Media Center" (Medienstelle) Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 12. September 2014 Der "Islamische Staat" (IS) ist die aktivste terroristische Gruppierung im Irak sowie in weiten Teilen Syriens. Im Verlauf des Jahres 2013 nahm er eine zentrale Rolle im syrischen Bürgerkrieg ein und eroberte seit Anfang 2014 auch Gebiete im Nordirak. Am 29. Juni 2014 rief der IS das "Kalifat" aus. Propagandistisch agiert er wie ein modernes, globales Unternehmen und ist in sozialen Netzwerken weiträumig präsent. Die IS-Propaganda zielt darauf ab, den "Islamischen Staat" als das einzig wahre, islamische Staatswesen darzustellen, dem sich Muslime in aller Welt anschließen sollen, um ihn zu verteidigen. Seit dem Beginn der US-geführten Luftangriffe gegen den IS im Jahr 2014 ruft die Terrororganisation auch zu Anschlägen im Westen auf. Strukturen des IS in Deutschland sind nicht bekannt. 186 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) Gründung: Ende der 1990er-Jahre in Algerien als "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC) Leitung: Abdalmalik Droukdal alias Abu Mus'ab Abdalwadud Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Der Beitritt der "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC) zu "al-Qaida" wurde im September 2006 offiziell bekannt gegeben; im Januar 2007 erfolgte die Umbenennung in "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM). Die AQM ist die derzeit größte und aktivste islamistisch-terroristische Organisation im Maghreb (im Sinne der AQM umfasst der Maghreb die Staaten Tunesien, Algerien, Marokko, Libyen, Mauretanien, Mali und Niger), wo sie die Errichtung eines islamistischen Staates anstrebt. Die terroristischen Aktivitäten der AQM (unter anderem Anschläge durch Selbstmordattentäter) konzentrieren sich insbesondere auf Algerien und Mali. Strukturen der AQM in Deutschland sind nicht bekannt. 187 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 4. "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) Gründung: Januar 2009 Leitung/Vorsitz: Qasim al-Raimi Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Anmerkung: Verschiedene jihadistiPublikationen/Medien: "INSPIRE" (Onlinemagazin) sche Organisationen "PALESTINE" (Onlinemagazin) benutzen häufig "Sada al-Malahem" (Onlinemagazin) dasselbe Logo; "al-Malahem Media" (Medienstelle) vgl. Logo IS. Im Januar 2009 schlossen sich "al-Qaida im Jemen" (AQJ) und "al-Qaida"-Kräfte aus Saudi-Arabien zu "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) zusammen, wodurch die bis dahin ausschließlich im Jemen aktive AQJ ihren terroristischen Aktionsradius auf Saudi-Arabien erweiterte. Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf der Arabischen Halbinsel. Seit ihrer Gründung hat AQAH ihre operative Handlungsfähigkeit durch Anschläge, unter anderem auf den internationalen Luftverkehr sowie staatliche Institutionen und Einrichtungen, insbesondere in Jemen und Saudi-Arabien, unter Beweis gestellt. Strukturen beziehungsweise Unterstützer der AQAH in Deutschland sind nicht bekannt. 188 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 5. "Al-Shabab" Gründung: 2006 in Somalia Leitung: Ahmad Umar alias Abu Ubaidah Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Kataib" (Medienstelle) Die Gruppierung "al-Shabab" hat sich im Jahr 2006 von der "Union islamischer Gerichtshöfe" (UIG) abgespalten und sich im Wesentlichen aus deren jungen, radikalen Kämpfern formiert. Im Februar 2012 wurde "al-Shabab" durch Kern-"al-Qaida" offiziell als regionaler Arm des "al-Qaida"-Netzwerks anerkannt. Ziel von "al-Shabab" ist die Errichtung eines islamistischen Staates in "Groß-Somalia" unter Einbeziehung der äthiopischen Region Ogaden sowie Teilen Kenias und Dschibutis. Zur Durchsetzung ihres Ziels wurden eine Vielzahl von Selbstmordattentaten und Anschlägen auf Regierungsvertreter und diplomatische Einrichtungen - vor allem in der Hauptstadt Mogadischu - durchgeführt. Organisationsstrukturen von "al-Shabab" in Deutschland sind nicht bekannt. 189 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 6. "Jabhat al-Nusra" (JaN) Gründung: Ende 2011 Leitung: Abu Muhammad al-Julani Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "AZBIRU" (Onlinemagazin) Als eine Regionalorganisation von "al-Qaida" strebt "Jabhat al-Nusra" (JaN) die Errichtung eines islamistisch geprägten Staatswesens in "Groß-Syrien" an. Die regionalen Schwerpunkte der Gruppierung liegen im westlichen Teil Syriens, von Aleppo im Norden des Landes bis nach Daraa an der Grenze zu Jordanien im Süden. Im Umgang mit der Bevölkerung und der Implementierung der (jeweils eigenen) Interpretation der Scharia in den "befreiten" Gebieten in Syrien gilt JaN als "moderater" als der "Islamische Staat" (IS), zu dem sie in scharfer Konkurrenz steht. Strukturen von JaN in Deutschland sind nicht bekannt. 190 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 7. "Al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS) Gründung: 3. September 2014 Leitung: Asim Umar Mitglieder/Anhänger keine bekannt in Deutschland: Publikationen/Medien: "as-Sahab" (Medienstelle) Am 3. September 2014 gab al-Zawahiri (vgl. Nr. 1) die Gründung von "al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS) als neue Regionalorganisation des "al-Qaida"-Netzwerks bekannt. Deren Ziele seien unter anderem die Bekämpfung der USA und ihrer Verbündeter, die Einführung der Scharia, die "Befreiung" muslimischer Gebiete sowie der Jihad zur Etablierung des Kalifats. Bei AQIS handelt es sich um einen Zusammenschluss "al-Qaida"naher Gruppen und Personen auf dem indischen Subkontinent. Innerhalb des "al-Qaida"-Netzwerks betrachtet AQIS vor allem Pakistan, Indien, Bangladesch und Myanmar als Einflussgebiet. Zeitnah zu ihrer Gründung bekannte sich AQIS zu Anschlägen in Pakistan. Im Februar 2015 übernahm AQIS die Verantwortung für mehrere Morde an Bloggern in Bangladesch und Pakistan. 191 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 8. "Hizb Allah"42 Gründung: 1982 im Libanon Sitz: Beirut (Libanon) Leitung: Generalsekretär Hassan Nasrallah, Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 950 (2014: 950) in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Ahd - al-Intiqad" (Auswahl) (Zeitschrift, wöchentlich) "al-Manar" (TV-Sender) "Moqawama.org" (Internetseite) Betätigungsverbot gegen Verbotsverfügung des "al-Manar TV": Bundesministers des Innern vom 29. Oktober 2008 Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des "Waisenkinderprojekt Bundesministers des Innern Libanon e.V." (WKP)43: vom 2. April 201444 42 Arabisch für "Partei Gottes". 43 Der Verein hat sich umbenannt und heißt seit dem 16. Oktober 2014 "Farben für Waisenkinder e.V." 44 Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat das Verbot am 16. November 2015 bestätigt. Die Klage des Vereins gegen das Verbot wurde als unbegründet abgewiesen. Damit ist das Vereinsverbot rechtskräftig. 192 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die mit Unterstützung des Iran gegründete schiitisch-islamistische Organisation "Hizb Allah" bestreitet das Existenzrecht Israels. Ihr erklärtes Ziel ist der mit terroristischen Mitteln geführte und als "legitimer Widerstand" bezeichnete Kampf gegen Israel als "unrechtmäßigen Besatzer palästinensischen Bodens". Es muss damit gerechnet werden, dass die "Hizb Allah" auch außerhalb des Nahen Ostens weiterhin terroristische Aktionen gegen Israel plant. In Deutschland pflegen die Anhänger der "Hizb Allah" den organisatorischen und ideologischen Zusammenhalt, unter anderem in örtlichen Moscheevereinen, die sich in erster Linie durch Spendengelder finanzieren. Das BVerwG hat mit Urteil vom 16. November 2015 seine ständige Rechtsprechung zur HAMAS (vgl. Nr. 9) auf die "Hizb Allah" übertragen. Danach richtet sich die "Hizb Allah" insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt. Sie stellt das Existenzrecht des Staates Israel offen in Frage und ruft zu dessen gewaltsamer Beseitigung auf. 193 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 9. HAMAS45 Gründung: Ende 1987 Sitz: Palästinensische Autonomiegebiete, Gazastreifen Leitung: Khalid Mash'al Mitglieder/Anhänger 300 (2014: 300) in Deutschland: Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des Bundesminis"al-Aqsa e.V." ters des Innern vom 31. Juli 2002 Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des "YATIM-Kinderhilfe e.V." Bundesministers des Innern vom 30. August 2005 Ziel der HAMAS ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet "Palästinas" - auch durch bewaffneten Kampf. Unter "Palästina" versteht die HAMAS das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan, somit auch das Territorium des Staates Israel. Westliche Staaten wie Deutschland werden von der HAMAS als Rückzugsraum betrachtet, in dem die Organisation sich darauf konzentriert, Spendengelder zu sammeln, neue Anhänger zu rekrutieren und ihre Propaganda zu verbreiten. Das BVerwG hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile zum Verbot des "al-Aqsa e.V." vom 3. Dezember 2004 und zum Verbot der "Internationalen Humanitären Hilfsorganisation e.V." vom 18. April 2012) festgestellt, dass die HAMAS sich insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt. 45 Abkürzung für "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" - "Islamische Widerstandsbewegung". Das arabische Wort HAMAS bedeutet übersetzt "Begeisterung, Eifer". 194 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 10. "Nordkaukasische Separatistenbewegung" (NKSB) 10.1 "Tschetschenische Republik Itschkeria" (CRI) Gründung: Anfang der 1990er-Jahre im Kaukasus Leitung: Ahmed Zakaev Mitglieder/Anhänger 30 (2014: 40) in Deutschland: Nach dem Zerfall der Sowjetunion führte die "Tschetschenische Republik Itschkeria" (CRI) einen Guerillakrieg gegen die Russische Föderation mit dem Ziel der Errichtung eines islamistischen Regimes. 2007 proklamierte der damalige CRI-Präsident Dokku Umarov das islamistisch ausgerichtete "Kaukasische Emirat" (KE), das mit terroristischen Mitteln für einen islamistischen Staat auf dem Gebiet des gesamten Nordkaukasus kämpft. Dieser Strategiewechsel führte zur Spaltung. Die CRI entwickelte sich zu einer legalistischen Bewegung und beschränkt sich auf die politische Durchsetzung ihres Unabhängigkeitsbestrebens für Tschetschenien. 195 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 10.2 "Kaukasisches Emirat" (KE) Gründung: 2007 (durch Abspaltung von der CRI; vgl. Nr. 10.1) Leitung: derzeit keine Führung bekannt Mitglieder/Anhänger 170 (2014: 180) in Deutschland: Ziel des "Kaukasischen Emirates" (KE) ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet des gesamten Nordkaukasus. Dabei setzt das KE in der Region auch terroristische Mittel ein. Deutschland dient den Anhängern des KE primär als Rückzugsraum zur finanziellen und logistischen Unterstützung der Organisation im Nordkaukasus. Mit Blick auf den Bedeutungsgewinn globaler jihadistischer Bewegungen ist das regional auf den Kaukasus ausgerichtete KE im Wandel begriffen. Zuletzt bekannte sich ein Teil des KE zum "Islamischen Staat" (IS) (vgl. Nr. 2) und dessen Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, der eine globale jihadistische Agenda verfolgt. Insbesondere in Deutschland wenden sich Anhänger des KE verstärkt solchen überregionalen jihadistischsalafistischen Bestrebungen zu. 196 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 11. "Türkische Hizbullah" (TH) Gründung: 1979 in Batman (Türkei) Leitung: Edip Gümüs (Führer), Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 360 (2014: 360) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "INZAR" "Dogru Haber" "Kelhaamed" "Kendi Dilinden Hizbullah" Onlinemagazine: "Hurseda" "Susaningulleri" "Huseynisevda" Hauptziel der sunnitischen, kurdisch dominierten "Türkischen Hizbullah" (TH) ist die Abschaffung des laizistischen Staatssystems in der Türkei, die Errichtung eines islamistischen Staates und dessen kontinuierliche, letztlich globale Ausweitung. Zur Durchsetzung ihrer Ziele hält die TH die Anwendung von Gewalt für gerechtfertigt. Die Organisation nutzt Deutschland als Rückzugsraum zur Gewinnung neuer Mitglieder, Spendensammlungen und Organisation religiöser und kultureller Veranstaltungen. 197 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 12. "Hizb ut-Tahrir"46 (HuT) Gründung: 1953 in Jerusalem (Israel) Leitung: Ata Abu al-Rashta alias Abu Yasin Mitglieder/Anhänger 320 (2014: 300) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "al-Khilafa" "Hilafet" "Köklü Degisim" "al-Waie" "Expliciet" Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 10. Januar 2003 Ziel der panislamisch ausgerichteten "Hizb ut-Tahrir" (HuT) ist die Vereinigung der Gemeinschaft aller Muslime (Umma) in einem weltweiten Kalifat mit islamischer Rechtsordnung (Scharia). Aus Sicht der HuT haben "unterdrückte" Muslime das Recht auf "Selbstverteidigung" mit allen Mitteln. Als Konsequenz werden Gewalttaten anderer islamistischer Gruppierungen oftmals gebilligt. Die HuT kann in Deutschland wegen des Betätigungsverbots keine öffentlichen Aktivitäten entfalten, setzt jedoch ihre Agitation, Spendensammlungen und die Rekrutierung neuer Mitglieder im Untergrund fort. 46 Arabisch für "Partei der Befreiung". 198 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 13. "Muslimbruderschaft"47 (MB) Gründung: 1928 in Ägypten Leitung: Muhammad Badi Mitglieder/Anhänger 1.04048 (2014: 1.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Risalat al-Ikhwan" (Zeitung/Zeitschrift) Die "Muslimbruderschaft" (MB) gilt als älteste und einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung. Sie ist eigenen Angaben zufolge in mehr als 70 überwiegend muslimischen Ländern in unterschiedlicher Ausprägung vertreten. Zahlreiche islamistische Organisationen, zum Beispiel die palästinensische HAMAS, sind aus der MB hervorgegangen. Ziel der MB ist die Errichtung eines "bürgerlichen Staates mit islamischen Werten". Seit den 1970er-Jahren formuliert die MB den Verzicht von Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele. Ausgenommen davon sei jedoch der Widerstand gegen "Besatzer", worunter die MB vor allem Israel versteht. Im Jahr 2013 wurde die MB in Ägypten verboten und als Terrororganisation eingestuft. 47 Arabisch "Gama'at al-Ikhwan al-Muslimin". 48 Einschließlich 300 Mitglieder der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD; vgl. Nr. 13.1). 199 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 13.1 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) Gründung: 1958 Sitz: Köln (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Samir Falah Mitglieder in Deutschland: 300 (2014: 300) Jugendorganisation: "Muslimische Jugend in Deutschland e.V." (MJD; formal unabhängige Jugendorganisation mit engen Verbindungen zur IGD) Die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) ist die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der MB in Deutschland. Ziel der IGD ist es, sich in Deutschland als anerkannter Ansprechpartner zum Thema Islam zu etablieren. Sie verfolgt daher eine an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Eigenen Angaben zufolge koordiniert die IGD ihre Aktivitäten mit mehr als 50 Moscheegemeinden. Bei öffentlichen Auftritten werden Bekenntnisse zur MB und verfassungsfeindliche Äußerungen vermieden. Gleichwohl sind die Aktivitäten der IGD-Zentren aufgrund der ideologischen Ausrichtung an der MB geeignet, eine ablehnende Haltung gegenüber westlichen Werten zu verstärken und Demokratiedistanz zu fördern. 200 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 14. "Tablighi Jama'at"49 (TJ) Gründung: 1926 in Indien Leitung: Führungszirkel (Schura), Vorsitzender: Maulana Ibrahim Saad Mitglieder/Anhänger 650 (2014: 700) in Deutschland: Die transnationale Massenbewegung mit weltweit etwa 12 Millionen Anhängern wird von einem Führungszirkel (Schura) sowie den drei religiösen Zentren in Dhaka (Bangladesch), Neu-Delhi (Indien) und Raiwind (Pakistan) geleitet. Die TJ orientiert sich eng an dem Islamverständnis der islamischen Frühzeit. Langfristiges Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Regimes. Die Ablehnung säkularer Prinzipien und die Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen können die Bildung abgeschotteter Parallelgesellschaften zur Folge haben und individuelle Radikalisierungsprozesse begünstigen. Die Aktivitäten der TJ in Deutschland werden über informelle Kontakte in einem hierarchisch aufgebauten Netzwerk herausragender Akteure koordiniert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Werbung neuer Anhänger, der Missionierung und der Durchführung ideologischer Schulungen. 49 Urdu für "Gemeinschaft der Verkündigung und Mission". 201 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 15. Einfluss regimetreuer Iraner auf in Deutschland lebende Schiiten durch das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH) Gründung: 1962 Sitz: Hamburg Leitung/Vorsitz: Reza Ramezani Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Fadschr" (Zeitung/Zeitschrift, vierteljährlich) "SALAM! Zeitschrift für junge Muslime" (vierteljährlich) In Deutschland existieren eine Reihe islamischer Zentren und Organisationen regimetreuer Iraner, mit deren Hilfe das iranische Regime versucht, Einfluss auf hier lebende Schiiten unterschiedlicher Nationalität zu nehmen. Das größte und einflussreichste Zentrum ist das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH), das Träger der "Imam Ali Moschee" ist. Der Leiter des IZH gilt als Vertreter des "Revolutionsführers" der Islamischen Republik Iran - derzeit Ayatollah Seyyed Ali Khamenei - in Deutschland. Die Aktivitäten des IZH sind darauf ausgerichtet, die islamische Lehre schiitisch-iranischer Prägung auf unterschiedlichste Art und Weise in Deutschland und Europa zu verbreiten. Hierfür organisiert das IZH unter anderem regelmäßige Gebetsund Vortragsveranstaltungen, religiöse Feierlichkeiten sowie Sprachunterricht und andere Lehrveranstaltungen. 202 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 16. "Milli Görüs"-Bewegung Die "Milli Görüs"-Bewegung besteht aus mehreren Bestrebungen, die von einer gemeinsamen ideologisch-religiösen Ausrichtung und der ideellen Bindung an den türkischen Politiker Necmettin Erbakan (1926-2011) zusammengehalten werden. Obgleich alle Vereinigungen selbstständig und unabhängig voneinander agieren, ist die "Milli Görüs"-Ideologie - wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung - das verbindende Element. Die von Erbakan geprägten Schlüsselbegriffe seines politischen Denkens sind "Milli Görüs" ("Nationale Sicht") und "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung"). "Gerecht" sind für Erbakan die Ordnungen, die auf "göttlicher Offenbarung" gegründet, "nichtig" jene, die von Menschen entworfen wurden. Gegenwärtig dominiere mit der westlichen Zivilisation eine "nichtige", eine auf Gewalt, Unrecht und Ausbeutung der Schwachen basierende Ordnung. Dieses "nichtige" System müsse durch eine "gerechte Ordnung" ersetzt werden, die sich ausschließlich an islamischen Grundsätzen ausrichte, anstatt an von Menschen geschaffenen und damit "willkürlichen Regeln". Alle Muslime sollen an der Verwirklichung der "Gerechten Ordnung" mitwirken. Hierzu müssen sie eine bestimmte Haltung einnehmen, einen bestimmten Blick ("Görüs") auf die Welt gewinnen, nämlich einen nationalen/religiösen ("Milli") Blick, einen "Milli Görüs". 203 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 16.1 Der "Milli Görüs"-Bewegung zuzuordnende Vereinigungen "Ismail Aga Cemaati" (IAC) Die "Ismail Aga Cemaati" (IAC) ist der weitverzweigten mystischen Bruderschaft der Naqshbandiya zuzuordnen. Die IAC gilt allgemein als einer der radikaleren Zweige der Bruderschaft. Spirituelles Oberhaupt ist der in der Türkei lebende Scheich Mahmud Ustaosmanoglu, der seine Anhänger in der Vergangenheit immer wieder zur Unterstützung der "Milli Görüs"-Ideologie aufgefordert hat. Bis zu seiner Abschiebung in die Türkei am 23. Oktober 2015 prägte der Prediger Nusret Cayir die IAC in Deutschland. Seiner Auffassung zufolge gebe es niemanden außer der "Milli Görüs", der die Türkei retten könne. Wer nach Cayirs Ausreise in die Türkei die IAC in Deutschland vertreten wird, ist derzeit noch ungewiss. "Deutschlandvertretung der 'Saadet Partisi' (SP)" Die "Saadet Partisi" (SP), seit dem Jahr 2001 die politische Vertretung der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei, hat im Jahr 2013 damit begonnen, auch außerhalb der Türkei Strukturen aufzubauen. Erklärtes Ziel der Auslandsvertretungen ist zum einen die Verbreitung der "Milli Görüs"-Ideologie und zum anderen die Unterstützung der Mutterpartei, zum Beispiel bei den im Juni 2015 erfolgten Parlamentswahlen und den im November 2015 durchgeführten Neuwahlen in der Türkei. Während sich die "Deutschlandvertretung der SP" bereits am 30. September 2013 in München (Bayern) vereinsrechtlich angemeldet hatte, fand die offizielle Gründungsveranstaltung erst am 27. Dezember 2013 in Köln (Nordrhein-Westfalen) statt. "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" Die "Erbakan-Stiftung" wurde im Juni 2013 in der Türkei gegründet. Fatih Erbakan, der Sohn Necmettin Erbakans und Vorsitzender der Stiftung, erklärte, dass die Stiftung das Ziel habe, eine Wiederbelebung der Ideen Necmettin Erbakans herbeizuführen und die gesamte "Milli Görüs"-Bewegung wieder stärker hierauf zu verpflichten. Am 24. November 2013 fand in Solingen (Nordrhein-Westfalen) unter Teilnahme von Fatih Erbakan die offizielle Gründungsveranstaltung der "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" statt. 204 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Milli Gazete" Als Sprachrohr der "Milli Görüs"-Bewegung bildet die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der Bewegung und trägt zur Verfestigung der ideologischen Positionen bei. In Deutschland ist die Europa-Ausgabe der "Milli Gazete" erhältlich (seit Mai 2011 lediglich im Abonnement). "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Vorliegende Anhaltspunkte belegen die auch weiterhin bestehenden Verbindungen der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG), die im Jahr 1985 in Köln (Nordrhein-Westfalen) als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) gegründet wurde, zu Teilbereichen der "Milli Görüs"-Bewegung. Gleichwohl ist deutschlandweit - allerdings regional in unterschiedlicher Intensität - ein schwächer werdender Extremismusbezug der IGMG festzustellen. Dies korrespondiert mit den anhaltenden Bemühungen des IGMG-Vorsitzenden Kemal Ergün, die Organisation aus der Einflussnahme der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei loszulösen und der IGMG ein eigenständiges Profil zu geben. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt inzwischen eindeutig im religiösen Bereich, zum Beispiel auf dem Ausbau entsprechender Bildungseinrichtungen. Die IGMG veröffentlicht neben einer Vielzahl von Broschüren unter anderem die Zeitschriften "Perspektif" (monatlich oder zweimonatlich) und "Camia" (zweiwöchentlich). 205 206 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 207 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) I. Überblick Im nichtislamistischen Ausländerextremismus finden sich Ideologieelemente aus dem Rechtsund Linksextremismus, einige Organisationen verfolgen auch gewaltorientierte separatistische Bestrebungen. Insoweit handelt es sich nicht um ein einheitliches tendenziell bündnisfähiges Spektrum, sondern um disparate Teile, die nur fallund anlassbezogen untereinander oder mit deutschen extremistischen Gruppierungen kooperieren. Politik, Strategie und Aktionen der nichtislamistischen extremistischen Ausländerorganisationen in Deutschland werden ganz entscheidend von den Entwicklungen und Ereignissen in den jeweiligen Herkunftsländern (und den dortigen zentralen Organisationseinheiten) bestimmt. Entsprechend zielen sie - oftmals auch durch den Einsatz von Gewalt und Terror - auf eine radikale Veränderung der politischen Verhältnisse im Heimatland. Darüber hinaus können sie auch in der Bundesrepublik Deutschland die innere Sicherheit gefährden und verstoßen zudem zum Teil gegen das Prinzip der Völkerverständigung. Deutschland gilt den meisten als sicherer Rückzugsraum. Von hier aus können sie die Heimatorganisationen propagandistisch, vor allem aber auch materiell und finanziell unterstützen. 1. Entwicklungstendenzen Agitation und Militanzniveau der ausländerextremistischen Organisationen sind weit überwiegend von der politischen Entwicklung in den Heimatländern abhängig. Daher ist es schwierig, Prognosen über Tendenzen und Relevanz der einzelnen Gruppierungen für die innere Sicherheit in Deutschland zu treffen. Die in Deutschland lebenden Anhänger sind in der Regel die Empfänger politisch-strategischer Richtlinien der Organisationen in den jeweiligen Heimatländern und bereit, diese konsequent in die Tat umzusetzen. 208 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Von herausgehobener Bedeutung für die innere Sicherheit in Deutschland bleiben - wie bereits in den Vorjahren - die "Arbeiterpartei Kurdistans" PKK (die mit Abstand aktionsund kampagnenfähigste Organisation im säkularen Ausländerextremismus), die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" DHKP-C (wegen ihres offenen Bekenntnisses zum bewaffneten Kampf) und die "Ülkücü"-Bewegung (wegen ihrer militanten Ablehnung des Gleichheitsgrundsatzes). Die Determinanten ihrer ideologischen und politischen Zielrichtungen bestehen unverändert fort. Die Kurden gehören zu den Leidtragenden des Bürgerkriegs in PKK: bewaffneter Syrien und der instabilen Lage im Irak, politisch könnte hingegen und politischer gerade die PKK von dieser Lage profitieren. Spätestens seit dem Kampf Vormarsch der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Jahr 2014 nimmt die Welt in hohem Maße Anteil an dem Schicksal der Kurden. Die Gründung der "Demokratischen Autonomie" in "Rojava" (kurdisch besiedelter Teil Nordsyriens) ist für die PKK ein bedeutender Schritt hin zu einer "demokratischen Konföderation" autonomer Einheiten über nationale Grenzen hinweg. Faktisch könnte dies auch auf separatistische Bestrebungen hinauslaufen. Die syrische Grenzstadt Kobane50 ist zu einem Synonym für den Verteidigungswillen der Kurden und anderer vom IS bedrohter Gruppen geworden. Dies sichert der PKK Sympathie und Zustimmung: Sie wird als Verteidigerin von Leib und Leben der Kurden wahrgenommen (wobei oft übersehen wird, dass neben ihr eben auch andere kurdische Milizen an den Kämpfen beteiligt sind). Die PKK nutzt den Reputationsgewinn, um vehementer noch als in der Vergangenheit die Aufhebung des Betätigungsverbots in Deutschland zu fordern. Sie ist bestrebt, sich vom Makel einer verbotenen Organisation zu befreien und erfährt hierbei Unterstützung aus dem linksextremistischen Spektrum. In den Hintergrund gerät dabei das Festhalten der PKK am bewaffneten Kampf in der Türkei, ihre in Europa indifferente Haltung zu Militanz und Gewalt, insbesondere auch die anhaltende Rekrutierung für die Guerilla, sowie die intransparenten Entscheidungsstrukturen und die fehlende demokratische Organisierung. Mit dem Ende des Friedensprozesses in der Türkei und den massiven bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK-Guerilla und Einheiten des türkischen Staates ist auch die 50 Kurdische Bezeichnung; arabisch: Ain al-Arab. 209 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) künftige Ausrichtung der PKK in Europa ungewiss: Eine Rückkehr zu militanten Formen ist jederzeit möglich. DHKP-C: Die DHKP-C propagiert nach wie vor die Notwendigkeit tertürkischer Staat und roristischer Gewalt in der Türkei und hat im Jahr 2015 ihre "US-Imperialismus" Anschlagsserie gegen den türkischen Staat und den "US-Impebleiben Hauptfeinde rialismus" fortgesetzt. In Deutschland ist die DHKP-C über ihre Tarnorganisation "Anatolische Föderation" tätig, insbesondere in der Betreuung von inhaftierten Anhängern und im Politikfeld "Antirassismus". Die DHKP-C betrachtet Deutschland zwar als Ruheraum, zeigt jedoch mit ihren Todeskult-Veranstaltungen zum Gedenken an die sogenannten Märtyrer (Organisationsmitglieder, die bei terroristischen Aktionen in der Türkei ums Leben gekommen sind), dass die Organisationseinheiten auch hier die Linie der Gesamtpartei einschließlich der terroristischen Option mittragen. "Ülkücü"-Bewegung: Die nationalistische und rassistische - und damit rechtsextreorganisatorischer mistische - "Ülkücü"-Ideologie, die auf einer Überhöhung der Kern und strukturlose Türkei und des Türkentums bei gleichzeitiger Abwertung anderer Formen Ethnien basiert, wird in Deutschland im Wesentlichen durch den Dachverband "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) und die meist unorganisierten jugendlichen Anhänger vertreten. Während sich der Dachverband nach außen hin um ein gesetzeskonformes Verhalten bemüht, propagieren die weitgehend über das Internet vernetzten Jugendlichen ihren Rassismus offensiv und fordern nicht nur verbalradikal zur Gewalt auf, sondern verüben gelegentlich auch Gewalttaten gegenüber anderen ethnischen Gruppen. Wechselwirkungen Eine permanente Gefahr für die innere Sicherheit stellt das zwischen den Aufeinandertreffen rivalisierender extremistischer Gruppen bei Extremismen Demonstrationen oder Kundgebungen dar. Die oftmals kriegerischen Auseinandersetzungen in ihren Herkunftsländern führen bei etlichen Migranten zu einer nachvollziehbar hohen Emotionalisierung. Extremisten versuchen dies für ihre Zwecke zu nutzen und instrumentalisieren Kundgebungen. Sie schüren eine aggressive Stimmung, die sich oftmals in Militanz und Gewalt gegen rivalisierende Gruppen oder gegen die Polizei entlädt, im Besonderen zwischen PKK-Anhängern und 210 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) rechtsextremistischen Türken sowie Personen, die von PKK-Anhängern dem salafistischen Spektrum zugerechnet werden. 2. Organisationen und Personenpotenzial Das Mitgliederund Anhängerpotenzial nichtislamistischer sicherheitsgefährdender beziehungsweise extremistischer Ausländerorganisationen ist im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant geblieben und beträgt 29.050 Personen. Der größte Anteil entfiel mit 17.550 Personen auf linksextremistische Ausländergruppierungen, 10.000 Personen gehörten rechtsextremistischen Ausländergruppierungen an, 1.500 Personen waren gewaltorientierten separatistischen Ausländergruppierungen zuzurechnen. Mitgliederpotenzial extremistischer Ausländerorganisationen1, 2 (ohne Islamismus) 2013 2014 2015 Linksextremisten 16.970 17.550 17.550 davon: "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 13.000 14.000 14.000 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 650 650 650 "Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) 1.300 1.300 1.300 "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 600 600 600 Sonstige 1.420 1.000 1.000 Gewaltorientierte Separatisten 1.790 1.780 1.500 davon: "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 1.000 1.000 1.000 extremistische Sikhs 790 780 500 Rechtsextremisten 10.050 10.000 10.000 Summe 28.810 29.330 29.050 1 Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Hier werden auch Mitglieder/Sympathisanten der mit Verbot belegten Gruppen gezählt. 211 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 1. Politische Ausgangslage Die Aktivitäten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)51 in Deutschland - sie verfügt wie im Vorjahr über 14.000 Anhänger, kann aber darüber hinaus weitaus mehr Personen mobilisieren - wurden 2015 ganz wesentlich von drei Faktoren bestimmt: # weltweit beachteter Kampf der Kurden in Syrien und im Irak gegen den islamistisch-terroristischen "Islamischen Staat" (IS), # Scheitern der Friedensverhandlungen und neuerliche bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat, # Forderungen nach Aufhebung des Betätigungsverbots für die PKK in Deutschland. Noch zu Beginn des Jahres hatte der nach wie vor unumstrittene PKK-Führer Abdullah Öcalan, der seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist, die PKK-Guerillaeinheiten zur Niederlegung der Waffen aufgefordert. Er stellte eine Beendigung des seit über 30 Jahren andauernden Konflikts in Aussicht, sofern der türkische Staat bereit sei, wesentliche Bedingungen der PKK zu erfüllen. Zentrale Forderungen der PKK sind die Anerkennung der kurdischen Identität sowie eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen in ihren Siedlungsgebieten, vor allem in der Türkei, verstärkt aber auch in Syrien. Der Co-Vorsitzende der "Union der Gemeinschaften Kurdistans" (KCK)52 Cemil Bayik bekräftigte im Frühjahr 2015, die PKK strebe eine politische Lösung des Konflikts an, da weder die Türkei noch die PKK ihre Ziele durch Krieg erreicht hätten. Der von der PKK gegenüber dem türkischen Staat angebotene Gewaltverzicht wurde im Sommer 2015 zurückgenommen. Auslöser für eine neuerliche Eskalation des militärischen Konflikts 51 "Partiya Karkeren Kurdistan". 52 "Koma Civaken Kurdistan". 212 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) war ein der Terrormiliz IS zugerechneter Selbstmordanschlag am Anschlag in der 20. Juli 2015 in der türkischen Grenzstadt Suruc, der über 30 Tote Türkei löst Eskalation und etwa 100 Verletzte gefordert hatte. PKK-Guerillaeinheiten zwischen PKK töteten daraufhin am 22. Juli 2015 zwei türkische Polizisten, die und türkischem Staat sie einer Kooperation mit dem IS bezichtigten. Das türkische aus Militär nahm dies zum Anlass, in der Nacht zum 25. Juli 2015 Bombenangriffe auf Lager der PKK in Syrien und im Nordirak zu fliegen. Parallel fanden in der Türkei landesweite Exekutivmaßnahmen gegen Einrichtungen der PKK statt. Noch am selben Tag erklärten die PKK-Guerillaeinheiten den - seit März 2013 jedenfalls auf dem Papier bestehenden - Waffenstillstand mit der türkischen Regierung für bedeutungslos. Die türkische Regierung kündigte nach deutlich intensivierten Kampfhandlungen der PKK am 28. Juli 2015 ihrerseits den Friedensprozess faktisch auf. Ende des In der Folgezeit setzte die türkische Luftwaffe ihre Angriffe auf Friedensprozesses PKK-Stellungen im eigenen Land und im Nordirak fort. Die PKK griff in der Folgezeit immer wieder türkische Sicherheitskräfte an. Seit Mitte August 2015 hat die PKK in zahlreichen Provinzen mit Autonomieüberwiegend kurdischer Bevölkerung die "Selbstverwaltung" ausbestrebungen gerufen, da sie nicht mehr bereit sei, die Autorität des türkischen Staates in diesen Gebieten anzuerkennen. Die PKK-Guerillaeinheiten forderten, sich gegen den "Genozid" der türkischen Regierung zu wehren und die ausgerufenen Selbstverwaltungsgebiete zu verteidigen. In der Provinz Hakkari kamen zum Beispiel bei einem Anschlag der PKK-Guerilla am 6. September 2015 16 türkische Soldaten ums Leben. Daraufhin drangen türkische Bodentruppen am 8. September 2015 erstmals seit 2011 wieder in den Nordirak ein, um PKK-Kämpfer zu verfolgen, die an dem Anschlag beteiligt gewesen sein sollen. In der überwiegend von Kurden bewohnten Grenzstadt Cizre im Südosten der Türkei, in der die PKK die "Selbstverwaltung" ausgerufen hatte, kam es ebenfalls zu anhaltenden Gefechten der PKK-Guerilla mit der türkischen Armee. Nach einem weiteren der Terrormiliz IS zugerechneten BomBombenanschlag benanschlag auf eine regierungskritische Großdemonstration in Ankara mit mehr als einhundert Toten und mehreren Hundert Verletzten am 10. Oktober 2015 in Ankara (Türkei) erklärte die PKK zunächst zwar, sie werde die gewaltsamen Aktionen gegen den türkischen Staat bis zur Neuwahl des türkischen Parlaments am 213 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1. November 2015 einstellen.53 Nachdem die türkische Armee dessen ungeachtet ihre Angriffe auf PKK-Stellungen jedoch fortgesetzt hatte, kündigte die PKK den Gewaltverzicht am 5. November 2015 wieder auf. 2. Auswirkungen der krisenhaften Entwicklung in der Heimatregion auf die Sicherheitslage in Deutschland Die durch den Anschlag in Suruc (Türkei) am 20. Juli 2015 ausgelöste zugespitzte Situation zwischen PKK und türkischem Staat führte zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der Kontrahenten auch in Deutschland. Insbesondere die PKKJugendorganisation "Ciwanen Azad" appellierte immer wieder an ihre Mitglieder, "Widerstand" zu leisten. Die überwiegende Anzahl der in der zweiten Jahreshälfte durchgeführten Protestkundgebungen von PKK-Anhängern verlief dennoch störungsfrei. In einigen Fällen kam es aber auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit rechtsextremistischen Türken (vgl. Kap. IV) oder mit Salafisten. Abseits von Demonstrationen kam es darüber hinaus zu Sachbeschädigungen an türkischen Einrichtungen. Einige Beispiele: # 20. Juli 2015, Berlin Ausschreitungen im Verlauf einer PKK-Demonstration mit 1.100 Teilnehmern; die Polizei nahm sechs Personen fest und leitete 13 Strafermittlungsverfahren ein. # 25. Juli 2015, Stuttgart (Baden-Württemberg) Teilnehmer einer PKK-Demonstration (insgesamt 1.500 Kundgebungsteilnehmer) griffen ein Fahrzeug mit Steinund Flaschenwürfen an, nachdem der Fahrer eine türkische Nationalflagge in Richtung der Demonstranten gezeigt hatte. # 25. Juli 2015, Mannheim (Baden-Württemberg) Junge Kurden griffen einen von Salafisten betriebenen Stand an, auf dem im Rahmen der "LIES!"-Kampagne kostenlose Koranexemplare verteilt wurden. 53 PKK-Anhänger unterstützten den Wahlkampf der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (Halklarin Demokratik Partisi - HDP) bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 und im November 2015 mit europaweiten HDP-Solidaritätsveranstaltungen. 214 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) # 10. September 2015, Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) Versuch einer Gruppe vermummter Jugendlicher, in eine der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung (vgl. Kap. IV) zugerechnete Moschee einzudringen; als dies misslang, beschädigten sie geparkte Fahrzeuge und schmierten PKK-Schriftzüge an die Hausfassade. # 12. September 2015, Hannover (Niedersachsen) Erhebliche Auseinandersetzungen zwischen türkischen und kurdischen Demonstranten; ein Kurde wurde durch einen Messerstich lebensgefährlich verletzt - der Täter hatte zuvor an einer Demonstration rechtsextremistischer Türken teilgenommen (vgl. Kap. IV). # 14. September 2015, Münster (Nordrhein-Westfalen) Das türkische Generalkonsulat wurde mit Molotow-Cocktails beworfen. Zuvor sind bereits am 12. September 2015 PKK-Farbschmierereien beziehungsweise PKK-Schriftzüge an dem Gebäude festgestellt worden. # 20. September 2015, Köln (Nordrhein-Westfalen) Massive körperliche Auseinandersetzungen, als etwa 70 überwiegend junge PKK-Anhänger mit sichtbaren kurdischen Symbolen auf einen protürkischen "Friedensmarsch für die Türkei" mit 1.200 Teilnehmern trafen. # 27. September 2015, Stuttgart Teilnehmer einer Demonstration rechtsextremistischer Türken wurden von in der Hauptsache kurdischen Gegendemonstranten mit Steinen und Flaschen beworfen - ein Aufeinandertreffen größerer Gruppierungen konnte nur durch verstärkten Polizeieinsatz verhindert werden. # 13. November 2015, Köln Brandanschlag auf eine türkische Moschee; die PKK-Jugend "Ciwanen Azad" Köln bekannte sich im Internet zu dem Anschlag. 3. Rekrutierung für die Guerilla Vor dem Hintergrund der weiterhin angespannten Lage in den kurdischen Siedlungsgebieten in Syrien und im Irak setzte die PKK ihre intensiven Rekrutierungsaktivitäten auch in Europa weiter fort. Sie forderte Jugendliche auf, sich den bewaffneten Einheiten der PKK anzuschließen, um ihre "Heimat" zu verteidigen. Die Anzahl der aus Deutschland in die Kampfgebiete 215 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) ausgereisten Rekruten stieg 2015 weiter an. Insgesamt sind über 100 Personen bekannt, die auf Seiten der Kurden gegen den IS kämpfen, der weitaus größte Teil der aus Deutschland ausgereisten Personen wurde von der PKK rekrutiert. Vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene werden durch PKK-Kader vor einem Einsatz auf ihre Tauglichkeit für entsprechende Aufgaben geprüft. Ein Teil dieser Personen wird im Nordirak militärisch ausgebildet und auch im Kampf eingesetzt. Mindestens zwei aus Deutschland stammende Personen sind bei solchen Kampfeinsätzen ums Leben gekommen: # 6. Juli 2015 Ein 21-Jähriger aus Baden-Württemberg, der sich Ende 2012 der PKK-Guerilla angeschlossen hatte, wurde bei Gefechten in Syrien getötet. # 18. Oktober 2015 Ein 24-Jähriger aus Baden-Württemberg, der sich im Jahr 2010 dem bewaffneten Kampf der PKK angeschlossen hatte, wurde in Syrien getötet. Solange die Kämpfe sowohl zwischen dem IS und der PKK als auch zwischen der PKK und türkischen Sicherheitskräften andauern, dürften die Rekrutierungsbemühungen der Organisation in Deutschland und Europa fortgesetzt werden. Neben den Rekrutierungsmaßnahmen der PKK wurden 2015 vermehrt auch Fälle bekannt, in denen sich Personen ohne vorherige Bezüge zur PKK eigenständig und aus Solidarität mit den Kurden entschlossen haben, in Syrien am bewaffneten Kampf gegen den IS teilzunehmen. Hinzu kam bei einigen Personen auch eine große Affinität zu Waffen und eine gewisse "Abenteuerlust". Die überwiegende Zahl der eigenständig ausgereisten Personen knüpfte im Vorfeld der Ausreise über das Internet Kontakt in das Krisengebiet. Erst vor Ort wandten sie sich an PKK-Strukturen. 4. Zentrale PKK-Veranstaltungen mit hohen Teilnehmerzahlen Wie in den Jahren zuvor führte die PKK auch 2015 zentrale Propagandaveranstaltungen in Deutschland und dem benachbarten Ausland durch. Im Mittelpunkt standen erwartungsgemäß die militärischen Auseinandersetzungen in den kurdischen 216 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Siedlungsgebieten sowie das Schicksal des seit 1999 inhaftierten PKK-Führers Öcalan und das PKK-Betätigungsverbot in Deutschland. Wesentliche Elemente der Propaganda sind Demonstrationen und Kundgebungen, die im Regelfall friedlich verlaufen, sowie Podiumsdiskussionen, Unterschriftskampagnen, Hungerstreiks und Mahnwachen. Wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, gelingt es der Organisation nach wie vor, ihre Anhängerschaft in hohem Maße zu mobilisieren: # 14. Februar 2015, Straßburg (Frankreich) Großdemonstration zum 16. Jahrestag der Festnahme Öcalans (8.000 Teilnehmer, darunter ein Großteil aus Deutschland, 2014: 10.000 Teilnehmer). # 21. März 2015, Bonn (Nordrhein-Westfalen) Zentrale Großkundgebung zum traditionellen kurdischen Neujahrsfest "Newroz" unter dem Motto "Im Lichte von Kobane zur Freiheit der Völker" (17.000 Teilnehmer, 2014: 10.000 Teilnehmer). # 5. September 2015, Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) "23. Internationales Kurdisches Kulturfestival" unter dem Doppel-Motto "Freiheit für Öcalan - Status für Kurdistan" und "No Pasaran - Wir sagen NEIN zum Krieg" (21.000 Teilnehmer aus ganz Europa, 2014: 30.000 Teilnehmer). 5. Hierarchische Organisationsstruktur und finanzielle Situation der PKK in Europa Die PKK hat in Europa diverse Umbenennungen vorgenommen, Autoritäre Führung um den Eindruck einer politischen Neuausrichtung zu erwecken und nicht mehr als Terrororganisation wahrgenommen zu werden. Nach außen hin wird die Einführung demokratischer Strukturen propagiert - tatsächlich jedoch hält die Organisation weiterhin an einem strikt hierarchischen Organisationsaufbau und einer autoritären Führung fest. Die zumeist konspirativ agierenden Führungsfunktionäre leiten nach wie vor organisationsinterne Anweisungen und Vorgaben nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam an nachgeordnete Ebenen weiter. 217 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Bei den PKK-Strukturen in Europa, mithin auch in Deutschland, handelt es sich nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) weder um organisatorisch selbstständige (Teil-)Vereinigungen, noch sind sie in ihrem Willensbildungsprozess von der ausländischen Hauptorganisation PKK unabhängig. Zum einen sind sie nahtlos in den PKK-Aufbau eingegliedert, zum anderen werden auch die politisch-ideologischen Zielsetzungen und die Art und Weise ihrer Umsetzung von der PKK-Führungsspitze vorgegeben und sind für die Strukturen der Organisation im Ausland verbindlich. Deren eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum ist somit äußerst gering und bewegt sich ausschließlich im Rahmen der vorgegebenen Direktiven.54 Deutschland ist in vier Bereiche mit je einem Führungsfunktionär eingeteilt, die ihrerseits aktuell insgesamt aus 31 Gebieten bestehen. Darüber hinaus bedient sich die Partei der überwiegend örtlichen kurdischen Vereine, die von der PKK-Anhängerschaft als Anlaufstellen und Treffpunkte genutzt werden. Als Dachverband der Vereine fungiert das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM)55. Herausragendes Die PKK steigerte im Jahr 2015 bei ihrer "JahresspendenkamErgebnis der "Jahrespagne" mit 13 Millionen Euro erneut das Ergebnis des Vorjahres spendenkampagne" (2014: 10 Millionen Euro). Demgegenüber blieb der Gesamtspendenerlös in Europa mit geschätzt mehr als 25 Millionen Euro weitgehend konstant. Die hohe Spendenbereitschaft ist auch eine Reaktion auf den militärischen Vormarsch des IS in den Kurdengebieten im Irak und in Syrien. Der PKK gelingt es, die große Solidarität in der kurdischen Gemeinschaft angesichts der Gräueltaten des IS für sich zu nutzen und Spender über die eigene Anhängerschaft hinaus zu erreichen. Die Einnahmen aus der Spendenkampagne, aus Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf von Publikationen und der Durchführung von Veranstaltungen werden vor allem für den Unterhalt der Organisation und des umfangreichen Propagandaapparats in Europa eingesetzt, fließen zum Teil aber auch in die Organisationsstrukturen in den Kampfgebieten. 54 Urteil des BGH, 3. Strafsenat, vom 28.10.2010, Aktenzeichen 3 StR 179/10. 55 "Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye". 218 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Die finanziellen Aktivitäten der PKK in Deutschland und Europa werden von der Kadereinheit "Wirtschaftsund Finanzbüro" (EMB)56 gesteuert und kontrolliert. 6. Strafverfahren gegen Funktionäre der PKK Auch im Jahr 2015 wurden Strafverfahren gegen PKK-Funktionäre geführt: # Am 6. März 2015 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) einen ehemaligen Leiter des EMB wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Er soll zudem ehemaliger Leiter des Bereichs "Mitte" in Deutschland gewesen sein. # Am 28. Mai 2015 verhängte das Oberlandesgericht Koblenz (Rheinland-Pfalz) gegen einen PKK-Funktionär wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK eine rechtskräftige Freiheitsstrafe von einem Jahr - ausgesetzt zur Bewährung. Er soll vor allem finanzielle Mittel für die PKK beschafft haben. # Am 28. August 2015 verurteilte das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg einen Führungsfunktionär wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Er war bis Mitte 2014 Leiter des PKK-Bereichs "Mitte", anschließend Leiter des PKK-Bereichs "Nord". 7. Internetaktivitäten Die Möglichkeiten des Internets spielen für die PKK eine immer wichtigere Rolle. Insbesondere die PKK-Jugend nutzt neben klassischen Internetseiten auch Videoportale wie YouTube, um zum Beispiel Propagandavideos über die Guerillaeinheiten der PKK zu verbreiten. Die größte Rolle spielen jedoch Aktivitäten in sozialen Netzwerken (insbesondere Facebook). Deren Möglichkeiten werden zur 56 "Ekonomi ve Maliye Bürosu". 219 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) kurzfristigen und überregionalen Mobilisierung für Demonstrationen oder zu sonstigen Protestaktionen sowie zu Rekrutierungen für den Kampf gegen den IS genutzt. Mit ihnen gelingt es, Anhänger schnell zu emotionalisieren - oft in Verbindung mit der Diffamierung des "Gegners". 8. Gefährdungspotenzial Die PKK ist nach wie vor die mitgliederstärkste und schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation in Deutschland. Die aktuelle Lage in der Türkei und in den übrigen kurdischen Siedlungsgebieten ist geeignet, Stellvertreter-Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der PKK und rechtsextremistischen Türken beziehungsweise Islamisten auszulösen. Sie sind ein beständiger Gefahrenherd für die innere Sicherheit in Deutschland. Die aufgeheizte Stimmung kann jederzeit zu spontanen Gewalteskalationen führen. Die schwere Körperverletzung eines Kurden in Hannover am 12. September 2015 (vgl. Nr. 2) ist Beleg für eine Gefährdungsdimension, in der auch Todesopfer nicht auszuschließen sind. Trotz der zur Schau gestellten "Demokratisierungsbemühungen" werden Linie und die Aktivitäten der PKK nicht von den scheinlegalen Organisationsstrukturen wie insbesondere des NAV-DEM bestimmt, sondern von der Führungsspitze der PKK. Die PKK ist nach wie vor in der Lage und im Bedarfsfall auch bereit, zumindest punktuell Gewalt auch in Deutschland einzusetzen beziehungsweise Gewalttaten ihrer jugendlichen Anhänger zu dulden. In einem am 9. April 2015 in der ARD ausgestrahlten Interview entschuldigte sich Cemil Bayik, Co-Vorsitzender der "Union der Gemeinschaften Kurdistans" (KCK), zwar im Namen der PKK beim deutschen Volk für die gewalttätigen Ausschreitungen von PKK-Anhängern in den 1990er-Jahren und erklärte, so etwas werde nie wieder passieren.57 Diese Entschuldigung - bezogen nur auf die 1990er-Jahre - dürfte aus taktischen Gründen erfolgt sein, um die Bemühungen für die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots zu forcieren. 57 Seinerzeit war es unter anderem zu Autobahnblockaden, tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte und zu Selbstverbrennungen gekommen. 220 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Wenngleich in Europa auch 2015 friedliche Veranstaltungen im Vordergrund standen, bleibt die Gewalt eine Option der PKK-Ideologie. Vor dem Hintergrund der Gewalteskalation in der Türkei ist eine Rückkehr der PKK zu militanten Kampfformen nicht auszuschließen. III. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Die türkische marxistisch-leninistische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C)58 - sie besteht aus einem politischen und einem militärischen Arm - propagiert weiterhin die Notwendigkeit eines revolutionären, gewaltsamen Umsturzes in der Türkei. Sie unterliegt in Deutschland seit 1998 einem Organisationsverbot. Die Europäische Union listet sie seit 2002 und die USA bereits seit 1997 als terroristische Organisation. An ihrem absoluten Avantgardeanspruch lässt die DHKP-C nach wie vor keinen Zweifel: "In der Welt des Jahres 2015, in der das marxistisch-leninistische Revolutionsverständnis aufgegeben wird und die Organisationen und Parteien, die den bewaffneten Kampf führen, bereit sind, sich mit den Imperialisten und ihren Helfershelfern vor Ort zu verständigen, sind wir die einzige Organisation, die den bewaffneten Kampf nach marxistisch-leninistischem Revolutionsverständnis, das für die Imperialisten eine Bedrohung darstellt, führt." (Bulletin der DHKP Nr. 48 vom 30. März 2015) Alljährlich veröffentlicht die DHKP-C eine Erklärung zum Geden"Märtyrergedenken" ken an Aktivisten, die bei terroristischen Aktionen ums Leben gekommen sind und als "Märtyrer" verehrt werden: "Die einzige Alternative für die Völker der Welt besteht im Sozialismus. Der einzige zum Sozialismus führende Weg ist der bewaffnete Kampf. (...) In den Tagen vom 30. März bis 17. April, 58 "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi". 221 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) den Tagen des Gedenkens an die Revolutionsmärtyrer und der Feier unserer Parteigründung, schwören wir unserem Volk und unseren Märtyrern, dass wir auf unserem Weg nicht umkehren werden, dass wir auf dem Weg des Sozialismus bis zur Befreiung Krieg führen werden, koste es, was es wolle. Wir werden den Völkern der Türkei und der Welt die antiimperialistische, antioligarchische Volksregierung schenken! ES LEBE DIE REVOLUTION, ES LEBE DER SOZIALISMUS!" (Bulletin der DHKP Nr. 48 vom 30. März 2015) Hauptfeinde: Als Hauptfeinde gelten die Türkei und insbesondere die USA. Die Türkei und die USA Türkei werde in politischer, wirtschaftlicher und vor allem militärischer Hinsicht vom "US-Imperialismus" dominiert. Die USA werden als das größte terroristische Land der Welt diffamiert: "Amerika mordet, foltert, besetzt und beutet aus. Amerika hat die Welt in ein Blutmeer und in ein Gefängnis verwandelt. (...) Wir schreien es nochmals hinaus: Amerika ist das größte terroristische Land der Welt. Der größte Feind ist der amerikanische Imperialismus. (...) Der einzige Weg, um die Herrschaft des amerikanischen Imperialismus zu beseitigen, ist der bewaffnete Befreiungskampf." (Erklärung der DHKC Nr. 452 vom 2. Juli 2015) Terroristische AktioDie DHKP-C setzte ihre terroristischen Aktivitäten in der Türkei nen in der Türkei mit Anschlägen und militanten Aktionen gegen staatliche Einrichtungen und Angehörige der Polizei im Jahr 2015 fort: # 1. Januar 2015, Istanbul (Türkei) Ein DHKP-C-Aktivist griff vor dem Dolmahbace-Palast, in dem der türkische Ministerpräsident ein Büro unterhält, zwei Polizisten mit Schusswaffe und Handgranaten an. # 30. Januar 2015, Istanbul Eine Einzeltäterin schoss im Zentrum der Stadt gezielt auf Polizisten. # 31. März 2015, Istanbul Zwei DHKP-C-Aktivisten drangen in ein Justizgebäude ein und nahmen einen Staatsanwalt als Geisel, der bei der späteren Befreiungsaktion seinen Schussverletzungen erlag. # 1. April 2015, Istanbul Bewaffneter Überfall einer DHKP-C-Aktivistin auf das 222 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Polizeipräsidium. In einer Erklärung rechtfertigt die DHKP-C den Anschlag: "WIR KÄMPFEN NICHT FÜR EINE POLITISCH VOM IMPERIALISMUS VORANGETRIEBENE VERSTÄNDIGUNG, KAPITULATION UND ELIMINIERUNG, SONDERN FÜR DIE REVOLUTION, EINE DEMOKRATISCHE VOLKSREGIERUNG. (...) Revolutionär, Linke(r), Sozialist(in) zu sein bedeutet, für das Volk, für das Land, alles Notwendige zu tun, auch wenn es einem das Leben kosten sollte. (...) bedeutet, für das Land, für die Leute und die Revolution zu kämpfen. (...) Unser revolutionärer Kampf wird nur so wachsen: schießend oder sterbend." (Erklärung der DHKP-C vom 3. April 2015) # 10. August 2015, Istanbul Zwei bewaffnete "Kämpferinnen" der DHKP-C nahmen das US-amerikanische Generalkonsulat unter Beschuss. Der bewaffnete DHKP-C-Arm kündigte in einer Taterklärung weitere Attentate an: "Wir werden Amerika und die AKP mitsamt ihren Fußspuren aus unserer Heimat vertreiben! Wir werden nicht die Opfer, sondern die Henker des Imperialismus sein! (...) Wir werden Waffen, Bomben, Stöcke, Molotowcocktails, Ketten, Messer und Steine in die Hand nehmen und mit unseren Gehirnen und Herzen kämpfen. Wir werden so lange kämpfen, bis wir den letzten amerikanischen Mörder aus unserem Land vertrieben haben. Wir werden keine Schuld der Amerikaner und ihrer Handlanger ungesühnt lassen." (Erklärung der DHKC Nr. 456 vom 11. August 2015) # 19. August 2015, Istanbul Neuerlicher Schusswaffenangriff von zwei DHKP-C-Aktivisten auf den Dolmahbace-Palast. # 24. September 2015, Istanbul Militante Anhänger der DHKP-C beschossen ein Polizeifahrzeug; in einer Taterklärung drohte die DHKP-C über das Internet weitere Aktionen an. 223 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Gewaltverherrlichung Die Wochenzeitschrift "YürüyüS" enthält regelmäßig gewaltverin der "YürüyüS" herrlichende Beiträge: "An unser Volk! Die Lösung liegt in der Revolution! Die Lösung liegt nicht im Parlament der Oligarchie, sondern in den Volksräten! Die Lösung liegt in der Ausweitung des Bürgerkrieges! (...) Unser Land ist ein von dem Faschismus regiertes Land, welches von dem Imperialismus inoffiziell besetzt ist, und welches mit einer Revolution schwanger geht. (...) Der im Lande herrschende Faschismus macht die Führung eines bewaffneten Kampfes erforderlich!" ("YürüyüS", Ausgabe Nr. 475 vom 28. Juni 2015) Publikationsverbot in Die Publikation unterliegt in Deutschland einem VerbreitungsDeutschland verbot, denn sie ist als Nachfolgepublikation der seinerzeitigen Parteizeitschrift "Kurtulus" von dem 1998 vom Bundesminister des Innern ausgesprochenen DHKP-C-Organisationsverbot betroffen. In der Türkei ist bei den Anhängern der DHKP-C-Jugendorganisation "Devrimci Genclik" ("Revolutionäre Jugend") eine Zunahme der Militanz festzustellen. Diesem Kreis haben sich auch einzelne aus Deutschland stammende Personen angeschlossen. Aktivitäten in Im Bundesgebiet konzentriert sich die DHKP-C auf propaDeutschland gandistische Aktivitäten. Sie tritt hier über ihre Tarnorganisation "Anatolische Föderation" in Erscheinung, zuweilen auch unter der Bezeichnung "Volksfront". Militante Aktionen der DHKP-C in der Türkei werden seitens der Organisation als wichtiges Mittel zur Stärkung des Zusammenhalts und der Motivation gewertet und stoßen auch hierzulande bei den Anhängern auf große Resonanz. Schwerpunktthemen in Deutschland sind "Gefangenenbetreuung", "Antirassismus" und "Märtyrergedenken": # 4. April 2015, Dortmund (Nordrhein-Westfalen) Etwa 300 Anhänger beteiligten sich an einer Kundgebung, bei der auch der drei Attentäter gedacht wurde, die am 31. März und am 1. April in Istanbul bei der Geiselnahme im Justizgebäude beziehungsweise bei dem Angriff auf das Polizeipräsidium ums Leben gekommen waren. Kundgebungsteilnehmer 224 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) führten ein Transparent mit dem Konterfei der Attentäter und dem Schriftzug "Dieses Volk liebt Euch!" mit sich. # 14. November 2015, Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) Mitglieder der DHKP-C organisierten ein Konzert unter dem Motto "Eine Stimme, ein Herz gegen Rassismus" mit der Musikgruppe "Grup Yorum", die zum Umfeld der DHKP-C gehört (6.000 Besucher). Im Foyer der Veranstaltungshalle wurde die verbotene Publikation "Yürüyüs" zum Verkauf angeboten. Am 28. Juli 2015 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart Verurteilungen (Baden-Württemberg) vier langjährige Funktionäre wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung DHKP-C zu mehrjährigen Haftstrafen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die in der Türkei von DHKP-C-Aktivisten im Laufe des Jahres Gefährdungs2015 verübten Anschläge zeigen die hohe Intensität und die potenzial Kompromisslosigkeit des gewaltsamen Vorgehens der Organisation bei der Verfolgung ihrer Ziele. Für die Durchführung solcher Anschläge sind die Strukturen der DHKP-C in Westeuropa, insbesondere in Deutschland, als Rückzugsraum und logistische Versorgungsbasis unverzichtbar. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die DHKP-C dies durch militante Aktivitäten hierzulande gefährden wird. IV. "Ülkücü"-Bewegung Die "Ülkücü"-Bewegung ("Idealisten"-Bewegung) entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie fußt auf einer nationalistischen und rassistischen rechtsextremistischen Ideologie, deren Wurzeln im Panturkismus/Turanismus liegen. Die ideologische Bandbreite reicht von neuheidnischen Elementen über einen nationalistischen Kemalismus bis in den Randbereich des Islamismus. Ziel ist ein ethnisch homogener Staat "Turan"59 unter Führung der Türken. Einer der zentralen Vordenker der Bewegung Nihal Atsiz hatte in seinem 1941 verfassten "Testament" eine 59 "Turan" würde vom Balkan bis Zentralasien reichen und alle Turkvölker vereinen. 225 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Vielzahl von Völkern als Feinde bezeichnet, die Juden indes seien "insgeheim die Feinde aller Völker".60 Das Symbol des "Grauen Wolfs" ("Bozkurt") und der "Wolfsgruß" - Daumen und Finger des rechten ausgestreckten Arms formen den Kopf eines Wolfs - gelten als Erkennungszeichen der umgangssprachlich als "Graue Wölfe" ("Bozkurtlar") bezeichneten "Ülkücü"-Anhänger. Organisierte Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine "Ülkücü"-Bewegung in Deutschland e.V." (ADÜTDF)61 ist der größte "Ülkücü"-Dachverband in Deutschland. Sie ist die Auslandsvertretung der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP)62. In rund 170 lokalen Vereinen sind etwa 7.000 Mitglieder organisiert und fungieren als Träger und Multiplikatoren der Ideologie. Nach außen hin bemüht sich die ADÜTDF um ein gesetzeskonformes Verhalten. Im Zentrum ihrer Aktivitäten stand 2015 die Unterstützung der MHP bei den türkischen Parlamentswahlen im Juni und November: Die ADÜTDF organisierte bundesweit in ihren Vereinsräumlichkeiten zahlreiche Wahlkampfveranstaltungen, bei denen MHP-Funktionäre auftraten, sowie Reisen zu den türkischen Konsulaten für die Stimmabgabe. Die größte Wahlkampfveranstaltung der MHP fand am 26. April 2015 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) statt. Unter dem Motto "Marschiert mit uns, ihr Türken Europas" sprach der MHP-Vorsitzende Devlet Bahceli vor rund 9.000 Zuhörern. Nationalismus und Bei Veranstaltungen der ADÜTDF wird nationalistisches und Rassismus rassistisches Gedankengut verbreitet. Am 3. Mai 2015 demonstrierten rund 850 Personen in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) im Gedenken an den "Rassismus-Turanismus-Prozess" in der Türkei im Jahr 1944. Seinerzeit waren führende Persönlichkeiten der panturkistischen Bewegung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Seither gilt der 3. Mai als Geburtsstunde der "Ülkücü"-Bewegung. Der Umstand, dass die ADÜTDF diesen Tag 60 Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Antisemitismus im politischen Extremismus. Ideologische Grundlagen und Argumentationsformen, Köln 2016, abrufbar unter: www.verfassungsschutz.de. 61 "Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu". 62 "Milliyetci Hareket Partisi". 226 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) als Feiertag begeht, zeigt, dass sie nicht mit ihren rassistischen Ursprüngen gebrochen hat. Demonstrationsteilnehmer zeigten Symbole der MHP und den "Wolfsgruß". Darüber hinaus organisierte die ADÜTDF 2015 bundesweit Kulturveranstaltungen und feierte besondere Anlässe, zum Beispiel den Geburtstag des MHP-Gründers Alparslan Türkes. In Publikationen und Internetauftritten vermeidet die ADÜTDF in der Regel rechtsextremistische Äußerungen - nicht immer erfolgreich, wie zum Beispiel der Facebook-Eintrag eines ADÜTDF-Vereins in Velbert (Nordrhein-Westfalen) zeigt: "Diejenigen, die nicht sagen können' wie glücklich bin ich, ein Türke zu sein, sind entweder Christ, Jeside, Jude oder orthodox." (Facebook-Seite "Velbert Ülkü Ocagi", 28. Dezember 2014) Dies zeigt deutlich, dass eine Ideologie vertreten wird, in der Türken mehr gelten als andere Volksgruppen. Eine solche Auffassung verstößt gegen die Menschenwürde und den Gleichheitsgrundsatz. Neben der strikt hierarchisch aufgebauten ADÜTDF mit GebietsUnorganisierte verantwortlichen und Vereinsstrukturen hat sich über die Jahre "Ülkücü"-Bewegung eine unorganisierte "Ülkücü"-Bewegung herausgebildet. Ihr sind etwa 3.000 meist jugendliche Anhänger zuzurechnen, die hauptsächlich über das Internet vernetzt sind. In diesem Spektrum zeigt sich die ganze politische und ideologische Bandbreite der Bewegung. Allen gemeinsam ist die Verwendung einschlägiger Symbole, eine grundsätzlich militaristische Einstellung sowie die Verherrlichung der Türkei und der Turkvölker. Feinde sind die zu Gegnern des Türkentums und der Türkei erklärten Armenier, Griechen, Chinesen und Russen sowie Juden, Israel und die USA. Kurden werden mitunter pauschal als Terroristen diffamiert - in Postings in einschlägigen Internetforen wird zum Beispiel der Wunsch geäußert, sich dieser "Probleme" durch Hinrichtungen zu entledigen. In Bezug auf den Konflikt zwischen Guerillaeinheiten der PKK und dem türkischen Staat heißt es: "Rache Rache nicht nur die Flagge wird brennen." (Facebook-Gruppe der "Atatürken Gemeinschaft", 10. Juni 2015) 227 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Postings in einschlägigen Foren und Internetgruppen belegen die offen rassistische Einstellung der "Ülkücü"-Anhänger. Einige Beispiele: "Der Turkismus wird marschieren und die türkische Rasse wird siegen!" (Facebook-Seite "Genc Atsizlar", 9. März 2015) "Hoch lebe die türkische Rasse." (Facebook-Gruppe der "Atatürken Gemeinschaft", 10. Juni 2015) "Die türkische Rasse hat gezeigt, was sie mit jenen macht, die ein Auge auf die Türkei (...) geworfen haben. 1915 wurden die Armenier und 1922 die Griechen in diesem Land vernichtet." (Facebook-Seite "Genc Atsizlar", 9. März 2015) Die gezielte Herabsetzung anderer Ethnien verstößt fundamental gegen das Prinzip der Menschenwürde und hemmt gleichzeitig massiv den Integrationsprozess in die deutsche Gesellschaft. Gewalt bei Die andauernden militärischen Auseinandersetzungen zwiDemonstrationen schen dem türkischen Militär und den Guerillaeinheiten der PKK führten im Verlauf des Jahres auch in Europa zu Konfrontationen beider Lager. Bei Kundgebungen und Demonstrationen kam es mehrfach zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen national gesinnten Türken und rechtsextremistischen "Ülkücü"-Anhängern auf der einen Seite und Kurden auf der anderen Seite. Bei den Demonstrationen wurden zwar keine Kennzeichen der ADÜTDF gezeigt, der "Ülkücü"-typische Wolfsgruß war jedoch omnipräsent - auch als Provokation kurdischer Gruppen. Hervorzuheben ist die Gewaltattacke am 12. September 2015 in Hannover (Niedersachsen): Während einer Demonstration von rund 600 nationalistischen Türken (Motto "Solidarität mit der Türkei") kam es zu stundenlangen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit kurdischen Gegendemonstranten. Ein kurdischer Demonstrant wurde durch Messerstiche schwer verletzt (vgl. Kap. II, Nr. 2). Zu weiteren Zusammenstößen kam es auch in Berlin, Frankfurt am Main (Hessen), Mannheim, Stuttgart (beide Baden-Württemberg) und weiteren Städten in Deutschland. 228 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Die "Ülkücü"-Ideologie fördert in Kreisen türkischer Migranten Gefährdungsdas Entstehen einer nationalistischen und rassistischen Jugendbepotenzial wegung. Konflikte in der Türkei, insbesondere im Zusammenhang mit der Kurdenpolitik, finden ihre Fortsetzung in Deutschland. Mit den jugendlichen Anhängern der "Ülkücü"-Bewegung ist das Potenzial für gewalttätige Auseinandersetzungen vorhanden. 229 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) V. Überblick mit Strukturdaten zu wichtigen Beobachtungsobjekten 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gründung: 1978 in der Türkei Leitung/Vorsitz: Abdullah Öcalan Mitglieder/Anhänger 14.000 (2014: 14.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Serxwebun" (Zeitung, monatlich) "Yeni Özgür Politika" (Zeitung, täglich) "Sterk TV" (TV-Sender) Betätigungsverbot in Verbotsverfügung des BundesminisDeutschland: ters des Innern vom 22. November 1993. Das Verbot bezieht sich auch auf alle späteren Umbenennungen: - "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" ("Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane" - KADEK) - "Volkskongress Kurdistans" ("Kongra Gele Kurdistan" - KONGRA GEL) - "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" ("Koma Komalen Kurdistan" - KKK) - "Union der Gemeinschaften Kurdistans" ("Koma Civaken Kurdistan" - KCK) Jugendorganisationen: "Ciwanen Azad" "Komalen Ciwan" 230 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Die im Jahr 1978 in der Türkei gegründete PKK ist die mitgliederstärkste und bedeutendste Kurdenorganisation. Zentrale Forderung der PKK ist die Anerkennung der kurdischen Identität sowie unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden in ihren Siedlungsgebieten, vor allem in der Türkei, verstärkt auch in Syrien. Daneben konzentrieren sich die politischen Forderungen der PKK auf die Freilassung ihres seit 1999 inhaftierten Führers Abdullah Öcalan beziehungsweise auf die Verbesserung seiner Haftbedingungen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der PKK-Aktivitäten in Deutschland ist die logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation. Diesem Zweck dienen Spendenkampagnen und Großveranstaltungen, die auch dazu genutzt werden, weitere Anhänger für die Parteiarbeit und für den aktiven Guerillakampf zu gewinnen. Die Anhänger der PKK in Deutschland fordern die Aufhebung des im Jahr 1993 gegen die Organisation verfügten Betätigungsverbots. 1.1 "Ciwanen Azad" Gründung: November 2013 Publikationen/Medien: "Sterka Ciwan" (Zeitschrift, monatlich) Bei "Ciwanen Azad" handelt es sich um den europäischen Dachverband PKK-naher Jugendorganisationen, wie etwa der "Komalen Ciwan" (vgl. Nr. 1.2). Er orientiert sich an den Zielen der PKK. Schwerpunkt der Aktivitäten bildet die Mobilisierung sowie die Durchführung von Kundgebungen und Demonstrationen mit thematischem Bezug zur PKK beziehungsweise zur Lage in den kurdischen Siedlungsgebieten. 231 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1.2 "Komalen Ciwan" Gründung: 2005 Publikationen/Medien: "Sterka Ciwan" (Zeitschrift, monatlich) Bei den "Komalen Ciwan" handelt es sich um eine Jugendorganisation der PKK. Sie agiert unter dem Dach der "Ciwanen Azad" (vgl. Nr. 1.1) und veranstaltet in diesem Kontext Demonstrationen und Kundgebungen. Darüber hinaus ist "Komalen Ciwan" verantwortlich für anlassbezogene "Hit-and-Run"-Aktionen - beispielsweise Brandanschläge auf türkische Einrichtungen - sowie für die Rekrutierung von Personen für den bewaffneten Kampf der PKK (Aufrufe, Camps). 1.3 "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) Gründung: 27. März 1994 als "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) Gleichberechtigte VorYüksel Koc und Fatos Göksungur standsvorsitzende: Für die Umsetzung von Vorgaben der Führungsspitze und den Informationsfluss zur Basis bedient sich die PKK überwiegend der örtlichen kurdischen Vereine in Deutschland, die den Anhängern der Organisation als Treffpunkte und Anlaufstellen dienen. Als Dachverband dieser Vereine fungiert das NAV-DEM. 232 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1.4 "AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland" (AZADI e.V.) Gründung: 1996 Sitz: Köln (Nordrhein-Westfalen) Publikationen/Medien: "AZADI infodienst" (Zeitschrift, monatlich) Bei dem "AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland" (AZADI e.V.) handelt es sich um einen Verein, dessen Hauptzweck in der finanziellen beziehungsweise materiellen Unterstützung von Personen liegt, die aufgrund ihrer Tätigkeit für die PKK in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden. Der Rechtshilfefonds übernimmt zum Beispiel ganz oder teilweise Anwaltsund Prozesskosten oder finanziert Zeitungsabonnements PKK-naher Zeitschriften für verurteilte Personen. Auf diese Weise sollen die Betroffenen auch weiterhin an die Organisation gebunden werden. Es bestehen enge Verbindungen zu PKK-nahen Organisationen sowie zur linksextremistischen Gefangenenhilfsorganisation "Rote Hilfe e.V." 233 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 30. März 1994 in Damaskus (Syrien) Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Mitglieder/Anhänger 650 (2014: 650) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "Yürüyüs" (wöchentlich) "Gündogdu" (15-täglich) "Devrimci Sol" (unregelmäßig) "Tavir" (monatlich/zweimonatlich) "Bizim Genclik" (unregelmäßig) Organisationsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 6. August 1998. Hierunter fällt auch ein Verbreitungsverbot der Wochenzeitschrift "YürüyüS". Tarnorganisation: "Anatolische Föderation" Die marxistisch-leninistische DHKP-C ist aus der 1978 in der Türkei gegründeten Organisation "Devrimci Sol", einer politisch-militärischen Organisation, hervorgegangen. Der ideologische Leitgedanke der DHKP-C ist die Errichtung eines sozialistischen Gesellschaftssystems durch gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung der Türkei. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele verübt die DHKP-C Terroranschläge in der Türkei. Angriffsziele sind vorrangig Einrichtungen des türkischen Staates. In Deutschland leisten Anhänger der DHKP-C als sogenannte Rückfront logistische, finanzielle und propagandistische Unterstützung. 234 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 2.1 "Anatolische Föderation" Gründung: 28. Februar 2004 (Umbenennung) Hervorgegangen aus dem "Verband anatolischer Volkskulturvereine e.V." Leitung/Vorsitz: Halit Uzuncelebi Als Tarnorganisation der DHKP-C entfaltet die "Anatolische Föderation" in Deutschland propagandistische Aktivitäten im Sinne der DHKP-C. In diesem Zusammenhang veranstaltet sie Demonstrationen. Schwerpunkte der Kampagnenarbeit sind die Themen "Antirassismus" und "Gefangenenbetreuung". 235 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 3. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Gründung: 1972 in der Türkei Mitglieder/Anhänger 1.300 (2014: 1.300) in Deutschland: Die Organisation gründete sich 1972 in der Türkei und ist seit 1994 in die beiden Flügel "Partizan" und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) gespalten. Beide Fraktionen sind fest in dem ideologischen Fundament des Marxismus-Leninismus verankert, folgen dabei aber einer maoistischen Linie. Gemeinsames Ziel ist die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staates und die Errichtung eines kommunistischen Regimes. Guerillaeinheiten beider Fraktionen verüben in der Türkei terroristische Anschläge. Anhänger beider Flügel greifen die propagierten Themen in Deutschland auf und unterstützen bei der Veranstaltung von Demonstrationen und Kundgebungen. 236 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 3.1 "Partizan"-Flügel Sitz: Türkei Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 800 (2014: 800) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Özgür Gelecek" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) 3.2 "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) (bis September 2002 "Ostanatolisches Gebietskomitee" - DABK) Sitz: Türkei Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 500 (2014: 500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Halk Icin Devrimci Demokrasi" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) 237 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 4. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Gründung: 1994 in der Türkei [Zusammenschluss der "TKP/ ML-Hareketi" (Bewegung) und der "Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung" (TKIH)] Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 600 (2014: 600) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "Atilim" (wöchentlich) "Internationales Bulletin" (monatlich) "Partinin Sesi" (zweimonatlich) Die MLKP bekennt sich ideologisch zum revolutionären Marxismus-Leninismus. Sie strebt in der Türkei die gewaltsame Zerschlagung der staatlichen Ordnung und die Errichtung eines kommunistischen Gesellschaftssystems an. Nach eigenen Angaben versteht sich die MLKP als politische Vorhut des Proletariats der türkischen und kurdischen Nation sowie der nationalen Minderheiten. Mit Kampagnen und Demonstrationen für die "Märtyrer" im Kampf für die Revolution und den Sozialismus reagieren die Anhänger der Organisation in Deutschland auf politische/gesellschaftliche Ereignisse in der Türkei. 238 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5. "Ülkücü"-Bewegung Mitglieder/Anhänger 10.000 (2014: 10.000) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisation: "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Jugendbewegung: "Ülkücü"-Jugendbewegung Die "Ülkücü"-Bewegung ist eine heterogene rechtsextremistische Bewegung, deren Ursprünge in der nationalistisch-rassistischen panturkistischen Ideologie des frühen 20. Jahrhunderts liegen. Die unterschiedlichen Ausprägungen reichen von klassischem Rassismus bis in den Randbereich des Islamismus. Die türkische Nation wird von allen "Ülkücü"-Anhängern politisch-territorial und ethnisch-kulturell als höchster Wert erachtet. Die geschichtliche Größe beziehungsweise die politischen Errungenschaften des Osmanischen Reiches werden zu einem hegemonialen Nationalismus und Nachweis türkischer Überlegenheit verklärt. Die so antizipierte Sonderstellung äußert sich in der Idealisierung der türkischen Identität bei gleichzeitiger Herabwürdigung anderer Volksgruppen und politischer Gegner. Die Überhöhung der eigenen türkischen Ethnie und Kultur stellt ein signifikantes Hindernis bei der Integration in die deutsche Gesellschaft dar. Jugendliche Anhänger der Bewegung äußern sich - im Gegensatz zu den organisierten Teilen der Bewegung, die einen offenen Antisemitismus vermeiden - vor allem im Internet mitunter unverhohlen antisemitisch. Langfristiges Ziel und geografischer Sehnsuchtsort der "Ülkücü"-Anhänger ist ein fiktiver, ethnisch und kulturell homogener Staat Turan als Heimat aller Turkvölker. 239 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5.1 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Gründung: 1978 in Frankfurt am Main (Hessen) Sitz: Frankfurt am Main (Hessen) Leitung/Vorsitz: Sentürk Dogruyol Mitglieder/Anhänger 7.000 (2014: 7.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Bülten" (Zeitung/Zeitschrift, unregelmäßig) Die türkische "Partei der Nationalistischen Bewegung" ("Milliyetci Hareket Partisi" - MHP) ist die Hauptorganisation der "Ülkücü"-Bewegung. Die MHP wurde 1969 von Alparslan Türkes gegründet, er wird bis heute als ewiger Führer (Basbug) verehrt. Derzeitiger Vorsitzender der Partei ist Devlet Bahceli. Die MHP ist Oppositionspartei im türkischen Parlament. In Deutschland wird die MHP durch die ADÜTDF vertreten, dem mit 7.000 Mitgliedern größten "Ülkücü"-Dachverband im Bundesgebiet. Die hierarchisch aufgebaute ADÜTDF teilt Deutschland organisatorisch in 13 Bölge (Gebiete) ein, in denen sie rund 170 Vereine unterhält. In der Außendarstellung versucht die ADÜTDF einen positiven und legalistischen Eindruck zu vermitteln. Tatsächlich bekennt sich der Dachverband zu einer extrem nationalistischen, rechtsextremistischen Ideologie, die über die Mitgliedsvereine, das Internet und bei Kulturveranstaltungen verbreitet wird. Dies fördert die Bildung einer Parallelgesellschaft von türkischen Nationalisten in Deutschland. 240 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5.2 "Ülkücü"-Jugendbewegung Mitglieder/Anhänger 3.000 (2014: 3.000) in Deutschland: Der "Ülkücü"-Jugend gehören 3.000 Personen an. Sie sind der Bewegung zwar ideologisch verbunden, jedoch in keinem Dachverband organisiert. Die "Ülkücü"-Jugendlichen stehen zum Teil über soziale Netzwerke miteinander in Kontakt. Dort pflegen sie ihre Feindbilder und agitieren gegen ihre "Gegner". Vor allem Juden, Griechen, die USA, Kurden und Armenier sind Volksbeziehungsweise Religionsgemeinschaften, die - auch in völkerverständigungswidriger Hinsicht - herabgewürdigt und zu Feinden des Türkentums erklärt werden. Emotionaler Hauptbezugspunkt der "Ülkücü"-Bewegung sind die Türkei und die dortigen Geschehnisse. Die militärische Auseinandersetzung des türkischen Staates mit Kämpfern der PKK (vgl. Nr. 1.) und anderer kurdischer Gruppen im Verlauf des Jahres 2015 fand Widerhall auch bei den "Ülkücü"-Jugendlichen in Westeuropa. Sie beteiligten sich 2015 an protürkischen Demonstrationen, bei denen es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit kurdischen Jugendlichen kam. Auslöser hierfür waren meist wechselseitige Provokationen, wie das Zeigen des "Ülkücü"-typischen Wolfsgrußes auf der einen und das Zeigen von Fahnen mit dem Konterfei des PKK-Gründers Abdullah Öcalan auf der anderen Seite. Bei diesen Auseinandersetzungen wurden auch Polizisten verletzt. 241 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 6. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Leitung/Vorsitz: seit 2009 unbekannt Mitglieder/Anhänger 1.000 (2014: 1.000) in Deutschland: Tamilen bilden im Inselstaat Sri Lanka die größte Minderheit. Um ihrer Teilhabe auf Macht Ausdruck zu verleihen, führten die LTTE seit den 1980er-Jahren Krieg für die Errichtung eines von Sri Lanka unabhängigen tamilischen Staates im Nordosten des Inselstaates. Im Mai 2009 wurden die LTTE-Kampfeinheiten militärisch zerschlagen. Die LTTE-Strukturen innerhalb der weltweiten tamilischen Diaspora sind jedoch überwiegend intakt geblieben und arbeiten auch nach der militärischen Niederlage weiter an einem Wiederaufbau der LTTE in Sri Lanka. Einnahmen aus kulturellen Veranstaltungen der LTTE in Deutschland dienen der finanziellen Unterstützung der Organisation. Durch Demonstrationen soll auf die Lage der tamilischen Bevölkerung auf Sri Lanka aufmerksam gemacht werden. 242 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 7. Gruppierungen des extremistischen Sikh-Spektrums 7.1 "Babbar Khalsa International" (BKI) Gründung: 1978 in Indien Sitz: Düren (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Vereinsvorstand Mitglieder/Anhänger 100 (2014: 200) in Deutschland: Die "Babbar Khalsa" (BK) gehört zum Spektrum der separatistisch-terroristischen Organisationen aus der Religionsgemeinschaft der Sikhs, deren Ziel die Gründung eines eigenen, von Indien unabhängigen Staates "Khalistan" auf dem Gebiet des indischen Bundesstaates Punjab ist. Die Organisation operiert in Indien auch mit terroristischen Mitteln und versucht, die politische Lage im Punjab mit gezielten Anschlägen zu destabilisieren. Die in der Diaspora bestehenden Gruppierungen der BK agieren unter dem Namen "Babbar Khalsa International" (BKI). Die BKI in Deutschland unterstützt propagandistisch die Separationsbestrebungen in Indien, zudem sammelt sie Spendengelder für inhaftierte Gesinnungsgenossen und deren Angehörige. Im Kampf für "Khalistan" getötete Sikh-Aktivisten werden in deutschen "Sikh-Tempeln" verehrt. 243 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 7.2 "Babbar Khalsa Germany" (BKG) Gründung: 2008 in Deutschland Sitz: Düren (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Vereinsvorstand Mitglieder/Anhänger 100 (2014: 30) in Deutschland: Von der "Babbar Khalsa International" (BKI) hat sich im Jahr 2008 eine Gruppierung abgespalten, die unter der Bezeichnung "Babbar Khalsa Germany" (BKG) firmiert. Auch sie unterstützt propagandistisch mit Protestveranstaltungen die Separationsbestrebungen der Sikhs in Indien. 7.3 "International Sikh Youth Federation" (ISYF) Gründung: 1984 in Großbritannien Leitung/Vorsitz: Gespalten in zwei Fraktionen: "Sikh Federation Germany" (SFG) und "Sikh Federation International Germany" (SFIG) mit jeweils eigenem Bundesvorstand Mitglieder/Anhänger 300 (2014: 550) in Deutschland: Die aus der "International Sikh Youth Federation" (ISYF) hervorgegangenen, in Deutschland aktiven Sikh-Gruppierungen "Sikh Federation Germany" (SFG) und "Sikh Federation International Germany" (SFIG) unterstützen mit regelmäßigen Protestveranstaltungen die Forderungen der Sikhs nach einem unabhängigen Staat "Khalistan" und kritisieren die Regierungspolitik Indiens in Bezug auf die Rechte der Sikhs. 244 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 245 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick und Entwicklungstendenzen Staaten, die sich in politischen, militärischen (insbesondere strategischen) oder auch in wirtschaftlichen und technologischen Zusammenhängen einen Wissensvorsprung sichern wollen, scheuen nicht davor zurück, sich hierfür notwendige Informationen auch geheim und illegal unter Verstoß gegen geltendes Recht zu verschaffen. Die Folgen für unser Land reichen von geschwächten Verhandlungspositionen über hohe materielle Kosten und volkswirtschaftliche Schäden bis hin zu möglichen Beeinträchtigungen nationaler Souveränität. Deutschland als Ausländische Nachrichtendienste betreiben mit hohem organisaSpionageziel torischem und finanziellem Aufwand Spionage gegen Deutschland. Das Interesse gilt Deutschland als weltpolitischem Akteur, als NATOund EU-Mitglied sowie seiner Wirtschaftskraft mit innovativen Unternehmen. Ein weiteres Ausforschungsziel ausländischer Dienste in Deutschland sind systemoppositionelle Gruppen aus ihren Heimatländern. Hauptakteure Nach wie vor sind die Russische Föderation, die Volksrepublik China und die Islamische Republik Iran die Hauptakteure der gegen Deutschland gerichteten Spionageaktivitäten. Daneben spielen aber auch nachrichtendienstliche Aktivitäten weiterer - auch westlicher - Staaten für die Spionageabwehr eine zunehmende Rolle. Ziele Die politische Agenda ihrer Regierungen bestimmt die Schwerpunkte der Aufklärungsaktivitäten der Dienste: # Die russische Spionage ist weiterhin wesentlich geprägt von dem Konflikt Russlands mit dem Westen in Bezug auf die Ukraine. Russland geht es dabei in erster Linie darum, frühzeitig Informationen über die Positionierung der Bundesregierung sowie politischer Parteien und Institutionen im Zusammenhang mit der Krise und einer künftigen Russlandpolitik in Erfahrung zu bringen. Nicht zuletzt versuchen russische 246 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Dienste auch, über ihre Kontakte ihre Sicht der Dinge in die Öffentlichkeit zu tragen und Einfluss auszuüben. # Die chinesischen Dienste sind ein wichtiger Faktor zur Umsetzung der politischen Leitlinien der Staatsführung: territoriale Integrität und Schutz der Hegemonie der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), Ausbau weltpolitischer und militärischer Machtpositionen und volkswirtschaftliche Modernisierung. Entsprechend gelten die Aufklärungsbemühungen im Ausland vor allem der Systemopposition, den politischen Entscheidungsprozessen und dem technologischen Wissen. # Der Iran sieht sich als Regionalmacht mit Führungsanspruch. Ungeachtet des am 14. Juli 2015 in Wien unterzeichneten "Joint Comprehensive Plan of Action"63 setzen iranische Stellen ihre illegalen proliferationsrelevanten Beschaffungsaktivitäten auf hohem Niveau fort. Die Staatsführung hat zudem ein erhebliches Interesse an Informationen über die deutsche Außenund Sicherheitspolitik. Weiterhin gilt für die Dienste im Inund Ausland das Prinzip der rigiden Bekämpfung Oppositioneller. Mit der Entwicklung der Informationsund KommunikationsMethodik technologien erweitert und verändert sich auch die Methodik der Spionage permanent. Im Zuge der Digitalisierung gewinnt die technische Informationsbeschaffung stetig an Bedeutung. "Elektronische Angriffe" können neben der Spionage aber auch zur Sabotage genutzt werden: eine Gefahr, die insbesondere für sogenannte Kritische Infrastrukturen64 gilt. Die zunehmende Wirkungskraft digitaler Spionage geht allerdings nicht mit einem Bedeutungsverlust menschlicher Quellen einher. Vielmehr ergänzen sich diese und erhöhen so das Gefährdungspotenzial. Die potenziellen Opfer von Spionageaktivitäten müssen ihre Schutzgüter daher nicht nur vor Ausspähungsversuchen von außen, sondern auch gegenüber 63 Die zwischen den VN-Vetomächten sowie Deutschland und dem Iran getroffene Vereinbarung sieht Kontrollmechanismen und technische Beschränkungen vor, die gewährleisten sollen, dass das iranische Nuklearprogramm ausschließlich zivilen Zwecken dient und nicht der Entwicklung von Atomwaffen. 64 Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen von besonderer Bedeutung für das Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten könnten. Dies gilt z.B. für Energieoder Telekommunikationsunternehmen. 247 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN illoyalen Mitarbeitern schützen ("Innentäter"), die von ausländischen Nachrichtendiensten für diese Zwecke angeworben oder erpresst oder gar gezielt eingeschleust werden. II. Bedrohung durch "Elektronische Angriffe" 1. Gefährdungsdimension Mit der Entwicklung der Informationsund Kommunikationstechnologien hat sich auch der Modus Operandi ausländischer Nachrichtendienste verändert. Informationen können heute auf digitalem Wege und mit einem erheblich geringeren Entdeckungsrisiko beschafft werden, als dies früher der Fall war. Es ist davon auszugehen, dass ausländische Nachrichtendienste erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den Kommunikationsund Internetverkehr zu erfassen. Gefahren entstehen daher bei allen Formen der Kommunikation. Mit der Nutzung des Cyberraums für Spionageaktivitäten hat sich deren Intensität um ein Vielfaches gesteigert. Insbesondere "Elektronische Angriffe" sind inzwischen eine wichtige Methode ausländischer Nachrichtendienste geworden. "Elektronische Angriffe" können dazu führen, dass jahrelang unbemerkt Informationen illegal abfließen. Zudem ist es möglich, die Schadsoftware zunächst zu deponieren oder platzieren und erst zu einem späteren Zeitpunkt zu aktivieren. Sollte in einem solchen Fall nicht nur der Abfluss von Informationen, sondern die Manipulation von Daten und die (Zer-)Störung der Funktionalität, ggf. verbunden mit der gezielten Herbeiführung eines größeren Schadensfalles, also Sabotage, das eigentliche Ziel sein, könnte der entsprechende Angriff zu einer lautlos tickenden Zeitbombe werden. Eine solche Gefahr besteht insbesondere bei Kritischen Infrastrukturen. Zusammenarbeit im Bei der Bekämpfung der Gefahren durch "Elektronische Angriffe" Cyber-AZ arbeiten auf nationaler und internationaler Ebene zahlreiche 248 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Behörden zusammen. In Deutschland wurde zur Verbesserung der Zusammenarbeit der für diesen Aufgabenbereich zuständigen Behörden im April 2011 das Nationale Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ) eingerichtet, in dem das BfV maßgeblich mitwirkt. Ziel des Cyber-AZ ist die Optimierung der operativen Zusammenarbeit sowie die bessere Koordinierung von Schutzund Abwehrmaßnahmen gegen potenzielle IT-Vorfälle. Eine vertiefte und dauerhafte Zusammenarbeit mit potenziell Zusammenarbeit gefährdeten nationalen Stellen in Wirtschaft und Forschung war mit Wirtschaft und dagegen in der Vergangenheit häufig nur schwer zu realisieren. Wissenschaft Um dies zu verbessern, hat das BfV seit 2014 einen regelmäßigen Informationsaustausch mit zentralen Ansprechpartnern in Wirtschaft und Forschung etabliert: mit Arbeitskreisen, Vereinen oder Informationsplattformen, die jeweils stellvertretend für eine Vielzahl von Unternehmen oder Institutionen aus einem bestimmten Bereich oder Themenfeld stehen. Damit ist es zum Beispiel möglich geworden, Informationen, die dem Selbstschutz potenziell Betroffener dienen, zeitnah und zielgerichtet an einen bestimmten Adressatenkreis zu steuern. 2. Erkannte Angreifer Die erkannten Angreifer stammen überwiegend aus China und Russland, wenngleich auch Nachrichtendienste anderer Staaten über die erforderlichen Ressourcen und Fähigkeiten zur Durchführung "Elektronischer Angriffe" verfügen. So konnten 2015 erstmals "Elektronische Angriffe" mutmaßlich iranischen staatlichen Stellen zugeordnet werden. Nachhaltigkeit und Zielauswahl dieser Angriffe tragen deutliche Angriffsziele Anzeichen einer strategischen Aufklärung. Ziele in Politik und Bundesverwaltung sind hauptsächlich das Auswärtige Amt und seine diplomatischen Auslandsvertretungen, das Bundesministerium der Finanzen sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Auch das Bundeskanzleramt, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie Dienststellen der Bundeswehr stehen im Fokus der Angreifer. Zudem stellen nachrichtendienstlich initiierte und gesteuerte Kampagnen zur Informationsgewinnung eine nicht unerhebliche 249 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Gefahr für den Erfolg und die Entwicklungsmöglichkeiten deutscher Unternehmen dar. Chinesische Angriffe China ist seit Jahren gegen deutsche Unternehmen aktiv. Spionaauf Wirtschaftsgeschwerpunkte im staatlichen Interesse sind neben klassischen unternehmen Bereichen (z.B. die Rüstungsindustrie) folgende Branchen: # Eisen-, Stahlund Metallverarbeitung, # Automobil-, Luftfahrzeug-, Schiffsund Maschinenbau, # Chemie, Pharma und Biotechnologie, # Elektronik und Elektrotechnik. Mehrere deutsche Unternehmen dieser Branchen waren im Jahr 2015 Ziel einer Angriffskampagne mit einem mutmaßlich chinesischen Hintergrund. Auffallend war hierbei ein sehr sicheres und zielgerichtetes Vorgehen in den Netzwerken der Opfer, was eine Abkehr vom bisherigen Prinzip mutmaßlich chinesischer Angreifer bedeuten könnte, alle verfügbaren Informationen breitflächig "abzusaugen". Die Angreifer initiierten vielmehr einen auf spezifische Inhalte begrenzten Datenabfluss und verwischten ihre "digitalen Spuren", um eine Nachverfolgung oder Identifizierung zu vermeiden. Angriffsoperation Die russischen Nachrichtendienste nutzen ebenfalls "Elektronimit mutmaßlich sche Angriffe" zur Informationsbeschaffung. Die bereits 2014 russischem nachbeschriebene mutmaßlich russische Spionageoperation mit interrichtendienstlichem nationaler Zielauswahl unter Einsatz der sehr komplexen und Hintergrund qualitativ hochwertigen Schadsoftware Uroburos65 (auch Snake bzw. Turla genannt) hielt auch 2015 unverändert an. Dabei konnten weitere Angriffsziele weltweit festgestellt werden. Zu den betroffenen deutschen Zielen zählen unter anderem Botschaften sowie Hochschulen, Forschungsinstitute und Wirtschaftsunternehmen. Uroburos ist darauf ausgelegt, in großen Netzwerken von Behörden, Firmen und Forschungseinrichtungen zu agieren, wobei die Infektion über sogenannte Watering-Hole-Attacken66 erfolgt. 65 Vgl. Verfassungsschutzbericht 2014, Berichtsteil Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten, S. 145. 66 Hierbei identifiziert der Angreifer Webpräsenzen, die für das Opfer potenziell interessant sind, und leitet es auf den infizierten Webserver um. Hierüber erfolgt die Installation der Schadsoftware bei dem Opfer des "Elektronischen Angriffs". Die ausgewählten Opfer sind auf einer sogenannten white-list gespeichert. 250 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Aufgrund der Komplexität und Funktionsweise der eingesetzten Schadsoftware, des Modus Operandi sowie des erkennbaren Aufklärungsinteresses geht das BfV - wie auch andere Nachrichtendienste und IT-Sicherheitsunternehmen - nach wie vor von einer russischen nachrichtendienstlichen Angriffsoperation aus. Die Schadsoftware ist schwer zu detektieren, arbeitet autonom und verbreitet sich selbstständig in den infizierten Netzen. Dabei werden auch Rechner angegriffen, die nicht direkt mit dem Internet verbunden sind. Mitte Mai 2015 konnten die Sicherheitsbehörden einen schwerCyberangriff auf den wiegenden und weitreichenden "Elektronischen Angriff" auf das Deutschen Bundestag interne Netz des Deutschen Bundestages aufdecken. Das BfV hatte einen ersten Hinweis auf eine Kompromittierung von mindestens zwei Rechnern im Netz des Bundestages erhalten und umgehend die entsprechenden Stellen der Bundestagsverwaltung sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) informiert. Die sofort eingeleiteten Untersuchungen durch das BSI und ein externes IT-Sicherheitsunternehmen bestätigten eine umfangreiche Infektion von Teilen des internen Kommunikationsnetzes des Parlaments und stellten einen nicht unerheblichen Abfluss von Daten fest. Durch entsprechende Gegenmaßnahmen konnte innerhalb einer Woche ein weiterer Datenabfluss verhindert werden. Die Infektion war über Spear-Phishing-E-Mails67 mit Linkverweisen auf eine maliziöse Webseite erfolgt. Das Netz wurde derart weitreichend kompromittiert, dass es zu großen Teilen neu aufgesetzt werden musste. Die bei den Analysen festgestellten technischen Parameter deuten Internationale Kamdarauf hin, dass der "Elektronische Angriff" auf den Bundestag pagne mit vermutlich russischem Urheber 67 Spear-Phishing ist eine Spezialform des Phishing-Angriffs, bei dem nicht breitflächig, sondern nur ein kleiner Empfängerkreis (häufig Führungskräfte oder Wissensträger auf Leitungsebene) attackiert wird. Voraussetzung für einen erfolgreichen Angriff ist eine gute Vorbereitung und die Einbettung des Angriffs in einen für das Opfer glaubwürdigen Kontext. 251 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Teil einer APT-Angriffskampagne68 ist - eine der aktivsten und gefährlichsten im Cyberraum. Bei ihr handelt es sich um eine langjährige, international angelegte Angriffsoperation mit Opfern weltweit, deren Beginn mindestens bis ins Jahr 2007 zurückreicht. Auch das BfV beobachtet die Kampagne bereits seit mehreren Jahren. Die Ermittlungen lassen auf eine Steuerung durch russische staatliche Stellen schließen. Dies ergibt sich unter anderem aus der Analyse der Angriffsinfrastruktur und der eingesetzten Schadsoftware. Im Jahr 2015 kam es zu weiteren mutmaßlich staatlich gesteuerten Cyberangriffen auf öffentliche Stellen, deren Bekanntwerden teilweise auf großes mediales Interesse stieß. Dazu zwei Beispiele: DDos-Angriffe auf Am 7. Januar 2015 waren einige vom Bundespresseamt betriebene Webseiten von Internetseiten über mehrere Stunden nicht erreichbar, darunter Bundestag und unter anderem diejenigen der Bundeskanzlerin, der BundesregieBundesregierung rung und des Bundestages. Ursache war eine DDoS-Attacke, bei der Server durch massenhafte Anfragen von (in der Regel infizierten) Computersystemen überlastet werden und infolgedessen zusammenbrechen. Zu dem Angriff bekannte sich die pro-russische ukrainische Hackergruppe "CyberBerkut". In einer auf ihrer Internetseite veröffentlichten Stellungnahme begründete sie ihren Angriff mit dem Besuch des ukrainischen Ministerpräsidenten bei der Bundeskanzlerin am darauffolgenden Tag. Aufgrund vorgegebener Routinen können die attackierten Systeme derartige - qualitativ nicht sehr ausgefeilte - Überlastungsangriffe in der Regel selbst abwehren. So waren auch die hier angegriffenen Webpräsenzen nach einiger Zeit wieder verfügbar. Anfang Dezember 2015 fand im Raum Freiburg (BadenWürttemberg) eine Durchsuchungsmaßnahme in einem Geschäftslokal wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für einen russischen Nachrichtendienst statt. 68 APT steht für Advanced Persistent Threat (etwa "fortgeschrittene, andauernde Bedrohung") und bezeichnet einen komplexen, zielgerichteten und effektiven Angriff auf IT-Strukturen durch einen gut ausgebildeten und ressourcenstarken Angreifer, der sich im Opfersystem ausbreitet, weitere Hintertüren einbaut und - ggf. über einen längeren Zeitraum - Informationen sammelt (Cyberspionage) und/oder Manipulationen vornimmt (Cybersabotage). Mit dem Begriff APT kann sowohl die Cyberattacke selbst als auch die Angreifergruppe bezeichnet werden. Diese ist oft von einem Staat beauftragt und gut finanziert. 252 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Hintergrund war eine mutmaßlich durch russische Stellen gesteuerte Cyberspionageoperation. Neben China und Russland ist auch der Iran im Bereich der Angriffe mit Cyberspionage aktiv. Vieles spricht dafür, dass das Land bereits mutmaßlich seit Langem sowohl die Bereitschaft als auch die Fähigkeiten zur iranischem Durchführung von Cyberspionageaktionen besitzt. Bislang konnHintergrund ten Angriffe auf deutsche Stellen nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Jedoch erhielt das BfV im Jahr 2015 Kenntnis von mehreren Cyberspionagefällen, die - unter Berücksichtigung aller vorliegenden Informationen - mit hoher Wahrscheinlichkeit einem iranischen Nachrichtendienst zuzuordnen sind. Im besonderen Interesse der Angreifer stand vor allem der Bereich Wissenschaft und Forschung. Nach Analyse der dem Angreifer zuzuordnenden Infrastruktur ist zu vermuten, dass neben den national und international bekannten Opfern eine hohe Dunkelziffer von weiteren Opfern existiert. Auffällig war dabei insbesondere das hervorragende Social Engineering des Angreifers, mit dem die Empfänger der SpearPhishing-E-Mails zur Aktivierung von bestimmten Links verleitet werden sollten. Hierbei nutzte er gestohlene Identitäten verschiedener, tatsächlich existierender Wissenschaftler, deren Forschungsfelder thematische Schnittmengen zu den Fachgebieten der Opfer aufwiesen. Ziel dieser Angriffskampagne waren Informationen, um einen weitreichenden Zugriff auf einen geschützten Netzwerkbereich zu erhalten. III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation Die russischen Nachrichtendienste spielen in der Sicherheitsstruktur des Landes eine wichtige Rolle. Sie dienen der Staatsführung als Garant der inneren Stabilität, der staatlichen Einheit sowie der Sicherung der eigenen Machtposition. Die Nachrichtendienste analysieren die von ihnen beschafften Informationen für ihre politische Führung und sind dadurch an politischen 253 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Entscheidungen in Russland substanziell beteiligt. Durch die starke Präsenz ihrer Mitarbeiter in vielen staatlichen Einrichtungen und Bereichen des öffentlichen Lebens sind die Dienste maßgeblich in die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklung des Landes eingebunden. Russische Nachrichtendienste betreiben mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand Spionage gegen Deutschland und nutzen dabei auch die Möglichkeiten des Cyberraums. Die anhaltend angespannte Situation in der Ukraine hat erhebliche Auswirkungen auf die Arbeit russischer Nachrichtendienste. 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Die russischen Nachrichtendienste interessieren sich nach wie vor für die traditionellen Themenbereiche Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Energie, Technik und Militär. Aufklärungsfokus Allerdings hat der Ukraine-Konflikt zu einer deutlichen VerschieUkraine-Konflikt bung der Schwerpunkte geführt: Dieses Thema steht mit all seinen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konsequenzen verstärkt im Aufklärungsfokus. Russland geht es insbesondere darum, frühzeitig Informationen über die inhaltliche Positionierung und den Umgang der Bundesregierung sowie politischer Parteien und Institutionen mit der Krise und über deren künftige Russlandpolitik zu erlangen. Versuche politischer Neben der reinen Informationsbeschaffung versuchen die Dienste Einflussnahme auch, im Sinne der russischen Politik Einfluss auf Entscheidungsträger und die öffentliche Meinung in Deutschland zu nehmen. Hierfür ist für sie besonders von Interesse, wie Entscheidungen zustande kommen und inwieweit auf diese (noch) Einfluss genommen werden kann. Russische Nachrichtendienstoffiziere versuchen, ihre Gesprächspartner als Medium für die Weiterverbreitung russlandfreundlicher Sichtweisen zu nutzen. So werben sie beispielsweise für die Rolle Russlands im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt und versuchen, die Verantwortung für die Instabilität des Landes in Richtung Westen zu verlagern. 254 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Auch in verschiedenen deutschsprachigen Internetforen, in den sozialen Netzwerken oder beim Kurznachrichtendienst Twitter kann insbesondere seit Ausbruch der Ukraine-Konflikt politische Meinungsmache im Sinne Russlands festgestellt werden. Sogenannte Internet-Trolle versuchen, mit pro-russischer Agitation andere Nutzer zu manipulieren oder den Kommunikationsfluss in destruktiver Weise zu stören. Zeitweise erging eine regelrechte Flut russlandfreundlicher Kommentare. Dabei wurden nahezu identische Beiträge zeitgleich gepostet. Hier besteht die Vermutung, dass staatliche russische Stellen solche Meinungsäußerungen - direkt oder indirekt - veranlasst haben könnten. Darüber hinaus betreibt Russland zunehmend pro-russische Propaganda über verschiedene öffentliche Medien (TVund Radiosender, Internet, öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen etc.). So verbreiten beispielsweise deutschsprachige regierungsnahe russische Auslandssender Sachverhaltsdarstellungen im Sinne einer pro-russischen Haltung. Bei der Mehrzahl der entsprechenden Versuche einer Einflussnahme ist es jedoch nur schwer möglich, eine direkte nachrichtendienstliche Steuerung zu belegen. 2. Methodik der Informationsgewinnung Spionageaktivitäten gegen deutsche Interessen gehen in erster Aktivitäten aus Linie von Mitarbeitern an den Legalresidenturen aus. Im europäiLegalresidenturen schen Vergleich verfügen diese Stützpunkte in Deutschland über einen besonders hohen Personalbestand. Die Nachrichtendienste gewinnen ihre Informationen sowohl aus Offene und offenen, allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Internet, Industriekonspirative Informessen, Tagungen) als auch aus konspirativen, geheimdienstmationsbeschaffung lichen Verbindungen. In beiden Fällen nutzen sie die von den Mitarbeitern der Legalresidenturen geknüpften Kontakte. Abgeschöpfte deutsche Kontaktpersonen wissen häufig nicht, dass es sich bei den "Diplomaten" in Wirklichkeit um Angehörige 255 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN eines Nachrichtendienstes handelt. Entsprechend sorglos verhalten sie sich ihnen gegenüber. Zentrale Steuerung Daneben reisen russische Nachrichtendienstoffiziere aus der Moskauer Zentrale oder einem Drittland nach Deutschland. Die weitgehende Reisefreiheit innerhalb Europas durch Schengen-Visa oder Diplomatenpässe bietet ihnen die Möglichkeit des weitgehend unkontrollierten Reisens für nachrichtendienstliche Zwecke. Russische Nachrichtendienste setzen bei Aktivitäten aus der Zentrale unverändert auf "Illegalenoperationen" - ungeachtet der hohen finanziellen Kosten und des immensen Aufwands. Gefährdung in In Russland selbst richten die Nachrichtendienste ihren Blick vorRussland nehmlich auf Personen, die sich beruflich oder privat für längere Zeit dort aufhalten. Insbesondere Angehörige deutscher diplomatischer Vertretungen, Behördenvertreter auf Dienstreisen, aber auch Firmenrepräsentanten sowie Personen, die in Russland einer freiberuflichen Tätigkeit nachgehen oder studieren, geraten in das Blickfeld der dortigen Nachrichtendienste. Persönliche Daten in Visaanträgen, Grenzkontrollen sowie die Telefonund Internetüberwachung bieten den Diensten im eigenen Land zahlreiche Möglichkeiten, geeignete Zielpersonen für eine Ansprache zu ermitteln. Sofern die gewonnenen Informationen die Zielpersonen kompromittieren können, scheuen die Dienste nicht vor aggressiven Anwerbungsversuchen zurück. 3. Gefährdungspotenzial Mit ihren breit angelegten Beschaffungsund Beeinflussungsbemühungen sind die russischen Nachrichtendienste seit vielen Jahren mit hoher Intensität sowohl in Deutschland als auch in der Russischen Föderation gegen deutsche Interessen aktiv. Dabei reagieren sie flexibel auf aktuelle Ereignisse. Die Versuche, politische Entscheidungen nicht nur zu antizipieren, sondern Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit in Deutschland zu nehmen, zeigen die anhaltend große Bedeutung, die Deutschland für die russischen Dienste hat. Auf absehbare 256 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Zeit ist mit einem Nachlassen ihrer Spionageaktivitäten nicht zu rechnen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftsund Handelssanktionen der EU gegenüber der Russischen Föderation sind vielmehr verstärkte Spionageaktivitäten gegen die deutsche Wirtschaft, insbesondere den Energiesektor, zu erwarten. IV. Nachrichtendienste der Volksrepublik China Im autoritären und repressiven politischen System Chinas spielen die Nachrichtendienste eine bedeutende Rolle. Mit ihren umfangreichen Befugnissen dienen sie maßgeblich dem Machterhalt der Kommunistischen Partei. 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Die Zielrichtung chinesischer Ausspähungsaktivitäten wird von dem Streben der Regierung nach stärkerer weltpolitischer Bedeutung und territorialer Integrität geleitet. Ein wesentlicher Teil der Ausforschungstätigkeit in Deutschland Bekämpfung richtet sich gegen Bestrebungen, die - nach chinesischem Verregimekritischer ständnis - das Machtmonopol der Partei erschüttern und die Bewegungen nationale Einheit bedrohen. Hierzu zählt China die nach Unabhängigkeit strebenden ethnischen Minderheiten der Uiguren und Tibeter, die Falun Gong-Bewegung, die Demokratiebewegung sowie die Befürworter einer Eigenstaatlichkeit Taiwans. Diese Gruppen und Organisationen werden von den chinesischen Behörden diffamierend als die "Fünf Gifte" bezeichnet. Des Weiteren stehen deutsche Interessen im Fokus der Dienste: # Politik (Außen-, Sicherheitsund Wirtschaftspolitik sowie alle innenpolitischen Vorgänge, die chinesische Interessen berühren könnten), # Militär (Struktur, Bewaffnung und Ausbildung der Bundeswehr, moderne Waffentechnik - trotz bestehender Exportbeschränkungen), 257 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN # Wirtschaft, Wissenschaft und Technik: Die Nachrichtendienste sind in das ehrgeizige und langfristig angelegte Programm zur Modernisierung der chinesischen Wirtschaft eingebunden; konkret im Aufklärungsinteresse stehen sensible Informationen aus der deutschen Wirtschaft wie Produktinnovationen und aktuelle Forschungsergebnisse. 2. Methodik der Informationsgewinnung Offene Informationsbeschaffung (z.B. Gesprächsabschöpfung) erfolgt überwiegend aus den chinesischen Legalresidenturen in Deutschland oder durch dort eingebundene Journalisten, verdeckte Informationsbeschaffung zumeist durch zentral aus China gesteuerte nachrichtendienstliche Operationen. Aktivitäten aus Die Nachrichtendienstmitarbeiter in den Legalresidenturen Legalresidenturen unterhalten eine Vielzahl von Kontakten und Beziehungsnetzwerken ("guanxi") zu Gesprächspartnern, die über für sie interessante Zugänge oder Informationen verfügen. Durch eine langfristig angelegte, geduldige "Kultivierung" sollen die Kontaktpersonen dazu verleitet werden, dem vorgeblichen Freund auch vertrauliche Informationen preiszugeben und zum Informanten oder sogar Agenten für einen chinesischen Dienst zu werden. Bekämpfung der Bei der Bekämpfung regimekritischer Personen und Gruppierun"Fünf Gifte" gen gehen die chinesischen Nachrichtendienste offensiv und energisch vor und schrecken nicht vor Drohungen zurück. Dabei wirken sich Konfliktsituationen in China - wie Unruhen in der autonomen Region Xinjiang oder in Tibet - auf die Aufklärungsintensität in Deutschland aus. Wirtschafts-, Die chinesischen Nachrichtendienste eruieren intensiv ArbeitsbeWissenschaftsund reiche und Wissenspotenzial in Deutschland lebender chinesiTechnologiespionage scher Wissenschaftler. Über freundschaftliche Beziehungen und informelle Kontakte versuchen sie, ausgewählte Personen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen ("Non-Professionals"). Wegen der engen Verflechtung von Staat und Wirtschaft in China ist es im Einzelfall kaum möglich, zwischen staatlich betriebener Wirtschaftsspionage und Ausspähung durch konkurrierende Unternehmen zu unterscheiden. 258 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Ausspähungsaktivitäten erfolgen aber auch ohne Unterstützung Reisende der Legalresidenturen. So nutzen reisende NachrichtendienstoffiNachrichtenziere der Zentrale in Peking oder aus Provinzbüros die Möglichdienstoffiziere keiten des Schengenraumes, um in Deutschland und angrenzenden Ländern Agenten zu werben oder zu führen. Sie betreiben dabei einen erheblichen logistischen, finanziellen und teils auch technischen Aufwand. An Bedeutung gewinnt die Einbindung politischer oder wissenThink Tanks schaftlicher Think Tanks in nachrichtendienstliche Strategien. Diese fördern das Ansehen Chinas, helfen bei der Verbreitung chinesischer Werte und dienen einer "Softpower-Politik". Es bestehen offizielle Kooperationen mit politischen Stiftungen der Bundesrepublik. Die Nachrichtendienste nutzen diese Institutionen aber auch als Tarnung für Reisen nach Deutschland und - meist in China - für die Kontaktaufnahme zu jungen Studenten, Diplomaten und Geschäftsleuten. So dienen die chinesischen Think Tanks auch dazu, sensible Informationen zu sammeln, nicht zuletzt auch zur Vorbereitung "Elektronischer Angriffe", sowie geeignete Zielpersonen auszuwählen und nachrichtendienstliche Aktivitäten zu tarnen. Die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland Aktivitäten in China und China eröffnen vielfältige Möglichkeiten zur Wirtschaftsund Technologiespionage, beispielsweise über deutsche Firmenniederlassungen in China (u.a. "joint ventures"). Die Nachrichtendienste werden dabei von staatlichen und privaten Unternehmen unterstützt. Die umfassend praktizierten Überwachungsmaßnahmen in China, die neben der einheimischen Bevölkerung auch den dort lebenden ausländischen Diplomaten, Studenten, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und selbst Touristen gelten, bieten konkrete Ansatzpunkte für nachrichtendienstliche Operationen. 3. Gefährdungspotenzial Die weltpolitische Situation und die politischen wie wirtschaftlichen Ambitionen Chinas lassen eine Intensivierung der Spionageaktivitäten erwarten. Nach wie vor setzt das Regime auf eine umfassende Kontrolle der eigenen Bevölkerung durch die Partei. 259 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Mit neuen, strikteren Sicherheitsgesetzen stärkt Staatspräsident Xi Jinping die Macht des Sicherheitsapparates. Die wirtschaftliche Liberalisierung geht nicht mit einer demokratischen Öffnung einher. Ebenso wenig lassen die strategische Konkurrenz mit den USA und Japan, die territorialen Konflikte und die infolgedessen angespannten Beziehungen mit verschiedenen Nachbarländern sowie mit den USA Hoffnungen auf eine nachhaltige Entspannung zu. Ökonomisch ist China im Begriff, sich von der "verlängerten Werkbank" der Welt zu einem Land mit technologisch höherwertigen Produktionstechniken fortzuentwickeln - ein Ziel, das mithilfe illegaler Wissensund Technologietransfers durchaus schneller und kostengünstiger verfolgt werden kann. Hatten sich die chinesischen Nachrichtendienste in Deutschland zuvor auf die Bekämpfung der Exilopposition konzentriert, sind in den letzten Jahren vor allem in der klassischen Spionage (Politik und Militär, Wirtschaft und Technologie) wesentliche Akzentverschiebungen deutlich geworden: Während in der Vergangenheit fast ausschließlich chinesischstämmige Personen als Agenten rekrutiert worden waren, versuchen die Dienste mittlerweile verstärkt, Personen aus westlichen Ländern als Informanten oder Agenten zu werben. Hinzu kommen die Reiseaktivitäten von Nachrichtendienstoffizieren aus China, die in Deutschland und den angrenzenden Ländern agieren. Politische Think Tanks werden ebenfalls vermehrt für nachrichtendienstliche Zwecke genutzt. Ferner liegen Hinweise auf kombinierte HUMINTund SIGINT-Aktivitäten chinesischer Nachrichtendienste vor.69 V. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran Die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen im Inund Ausland stellt nach wie vor einen Schwerpunkt der Arbeit des iranischen Nachrichtendienstapparates dar. Darüber hinaus beschaffen die Dienste im westlichen Ausland 69 HUMINT steht für Human Intelligence und bezeichnet die Informationsgewinnung durch menschliche Quellen. SIGINT steht für Signals Intelligence und bezeichnet die technische Informationsbeschaffung. 260 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Hauptakteur der gegen Deutschland gerichteten Aktivitäten ist Zielbereiche des weiterhin das Ministry of Intelligence (VAJA70, zumeist MOIS MOIS abgekürzt). In seinem Fokus stehen insbesondere die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) und ihr politischer Arm, der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI). Daneben belegen nachrichtendienstliche Aktivitäten gegen deutsche Einrichtungen im Inund Ausland ein anhaltendes Aufklärungsinteresse des MOIS in den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik. Die Steuerung nachrichtendienstlicher Aktivitäten zur InformatiMethodik onsbeschaffung erfolgt in erster Linie durch das Hauptquartier des MOIS in Teheran. Zur Anbahnung nutzt der Dienst insbesondere beruflich oder familiär bedingte Reisen seiner Zielpersonen in den Iran. Dort ist es ihnen kaum möglich, sich dem Zugriff des MOIS zu entziehen - eine ideale Voraussetzung für nachrichtendienstliche Ansprachen. Daneben erfüllt auch die Legalresidentur des MOIS an der Iranischen Botschaft in Berlin eine wichtige Funktion bei der nachrichtendienstlichen Ausspähung. Zu deren Aufgaben zählt neben der Durchführung eigenständiger nachrichtendienstlicher Operationen auch die Unterstützung von zentral gesteuerten Aktivitäten der MOIS-Zentrale. Diese richten sich hauptsächlich gegen Ziele in Deutschland, vereinzelt aber auch gegen Personen oder Einrichtungen im europäischen Ausland. Die Mitarbeiter der iranischen konsularischen Vertretungen in Deutschland sind verpflichtet, die Legalresidentur des MOIS zu unterstützen. Die Bundesanwaltschaft hat am 17. September 2015 die Wohnung Ermittlungsverfahren eines 30-jährigen afghanischen Staatsangehörigen wegen des Verdes Generalbundesdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit durchsuchen lasanwalts sen. Er wird beschuldigt, für einen iranischen Nachrichtendienst exilafghanische Gruppierungen in Deutschland ausgeforscht zu haben. Am 28. Oktober 2015 ließ die Bundesanwaltschaft einen 31-jährigen iranischen Staatsangehörigen vorläufig festnehmen. Seine 70 In Farsi: Vezarat-e Ettela'at-e Jomhouri-ye Eslami-ye Iran - VAJA. 261 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Wohnung sowie die Wohnungen weiterer fünf Beschuldigter wurden durchsucht. Sie werden verdächtigt, für einen iranischen Nachrichtendienst die MEK ausgespäht zu haben. Der festgenommene Beschuldigte soll darüber hinaus die hierbei erlangten Erkenntnisse an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber weitergeleitet haben. Er befindet sich seit dem 29. Oktober 2015 in Untersuchungshaft. Am 22. März 2016 hat die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin Anklage gegen ihn und einen weiteren Beschuldigten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für den Iran erhoben. GefährdungsDie iranischen Nachrichtendienste sind ein zentrales Instrument potenzial der politischen Führung zur Sicherung ihres Herrschaftsanspruches. Demzufolge wird die iranische Opposition weiter im Blickpunkt des MOIS stehen. Der Iran versteht sich als Regionalmacht mit einem Gestaltungswillen über die eigenen Grenzen hinaus, einschließlich einer ausgeprägt antiwestlichen sowie antiisraelischen Stoßrichtung. Damit einhergehend ist das iranische Regime an (Insider-)Informationen über die künftige Politik des Westens - beispielsweise über die deutsche Außenund Sicherheitspolitik - interessiert. VI. Nachrichtendienste sonstiger Staaten Die Aufklärungsund Abwehraktivitäten der Spionageabwehr richten sich gegen alle illegalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten ohne Festlegung auf einen ausgewählten oder eingegrenzten Kreis von Staaten. Das BfV arbeitet mit einer Vielzahl ausländischer Nachrichtendienste vertrauensvoll und partnerschaftlich zusammen. Trotzdem gibt es immer wieder Hinweise, dass einzelne Partnerdienste durch Überwachung von Telekommunikationsund sonstigen Datenströmen oder mittels menschlicher Quellen Spionage in beziehungsweise gegen Deutschland betreiben. Die im Jahr 2014 eingeleitete Neuausrichtung der Spionageabwehr wurde 2015 fortgeführt: Mittels Ressourcenverstärkung und fortentwickelter Methodik wird eine umfängliche Bearbeitung 262 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN illegaler nachrichtendienstlicher Aktivitäten sonstiger Staaten im Rahmen der sogenannten 360deg-Bearbeitung gewährleistet. Dieser Ansatz schließt ausdrücklich auch die Untersuchung nachrichtendienstlicher Aktivitäten westlicher Dienste mit ein. Das BfV geht gemäß seinem gesetzlichen Auftrag jedem Anfangsverdacht von Spionage nach. Auch 2015 berichteten die Medien über Aktivitäten der National VeröffentlichunSecurity Agency (NSA), unter anderem mit direktem Bezug zu gen zu Aktivitäten Deutschland. So veröffentlichte die Internetplattform WikiLeaks US-amerikanischer im Juli 2015 Datenbankauszüge von mutmaßlich durch die NSA Nachrichtendienste überwachten Telefonanschlüssen deutscher Regierungsstellen und Behörden, darunter Minister, Staatssekretäre, hochrangige Beamte und Büroleiter. Gegen den im Juli 2014 verhafteten Mitarbeiter des BundesnachFall von richtendienstes (BND) wurde am 11. August 2015 durch den GeneUS-amerikanischer ralbundesanwalt Anklage wegen Landesverrats in zwei Fällen, Spionage beim BND Verletzung des Dienstgeheimnisses und Bestechlichkeit erhoben. Der Strafprozess hatte am 16. November 2015 vor dem Oberlandesgericht München (Bayern) begonnen. Am 17. März 2016 wurde der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Zudem wurde ihm für die Dauer von fünf Jahren das Wahlrecht aberkannt. Der Angeklagte hatte im Ermittlungsverfahren eingeräumt, seit 2008 über einen Zeitraum von sechs Jahren einem US-amerikanischen Dienst mehr als 200 vertrauliche Dokumente übergeben zu haben. Er soll hierfür insgesamt mindestens 95.000 Euro als Agentenlohn erhalten haben. 2014 hatte er sich zudem einem russischen Nachrichtendienst angedient. Im Zusammenhang mit den anhaltenden Flüchtlingsbewegungen Syrische nach Deutschland gab es im Jahr 2015 eine Vielzahl von HinweiNachrichtendienste sen auf bundesweite Aufklärungsbemühungen syrischer Dienste im Flüchtlingsumfeld. Die syrischen Nachrichtendienste verfügen ungeachtet des Bürgerkriegs und damit einhergehender Auflösungserscheinungen in Teilen des Machtapparates unverändert über leistungsfähige Strukturen. Ihr Aufgabenschwerpunkt ist die Ausforschung von Gegnern des syrischen Regimes, zu denen sowohl islamistische 263 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN und islamistisch-terroristische Gruppierungen als auch die breit gefächerte säkulare und kurdische Opposition zählen. Bei anhaltenden unkontrollierten Einreisen syrischer Staatsangehöriger in die EU ist auch mit weiteren Ausforschungsaktivitäten syrischer Nachrichtendienste zu rechnen. VII. Proliferation Die Weiterverbreitung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) beziehungsweise der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie entsprechender Waffenträgersysteme (z.B. Raketen und Drohnen) einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows wird als Proliferation bezeichnet. Die Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Verbreitung stellt eine ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Sie können zudem zu einer erheblichen Destabilisierung in den betroffenen Regionen beitragen. Es ist zu befürchten, dass proliferationsrelevante Staaten Massenvernichtungswaffen im Fall eines bewaffneten Konflikts einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. Dies birgt die Gefahr eines militärischen Wettrüstens in den betroffenen Regionen. Trotz eines teilweise erheblichen technologischen Fortschritts bleiben diese Staaten bei der Forschung und Herstellung dieser Waffen und Trägersysteme auf den Weltmarkt angewiesen. Unter anderem versuchen sie auch in Deutschland, entsprechende Produkte zu beschaffen - unter Umgehung von Genehmigungspflichten und Ausfuhrverboten. Die bestehenden strengen deutschen und europäischen Exportkontrollbestimmungen zur Verhinderung entsprechender Wareneinkäufe haben zu einer Veränderung des Einkaufsund Beschaffungsverhaltens proliferationsrelevanter Staaten geführt. 264 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die direkte Beschaffung solcher Waren bildet nunmehr eher die Ausnahme. Zur Umgehung eines Ausfuhrverbots durch die Genehmigungsbehörden beschaffen sie die Produkte stattdessen über Drittländer (sogenannte Umgehungsausfuhren), schalten Tarnfirmen ein oder machen bei "dual use"-Gütern - dies sind Produkte, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können - falsche Angaben über den Verwendungszweck. Für Studenten und Wissenschaftler aus proliferationsrelevanten Ländern kommen zudem deutsche Universitäten, Fachhochschulen, wissenschaftliche Institute und Forschungsgesellschaften sowie Forschungsabteilungen in der Industrie als mögliche Quellen zur Beschaffung von Wissen in Betracht. 1. Islamische Republik Iran Die im November 2013 zwischen der internationalen Staatengemeinschaft und dem Iran vereinbarten Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm wurden am 14. Juli 2015 mit der Verabschiedung des "Joint Comprehensive Plan of Action" abgeschlossen. Der Iran stimmt darin erheblichen Beschränkungen und Kontrollen seines Nuklearprogramms zu. Im Gegenzug wurde vereinbart, die wegen des Nuklearprogramms verhängten Sanktionen schrittweise aufzuheben. Eine mögliche militärische Dimension des iranischen Nuklearprogramms wurde von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) untersucht. In dem Abschlussbericht vom 2. Dezember 2015 stellte die IAEO fest, dass es im Iran bis Ende 2003 ein strukturiertes Programm und koordinierte Aktivitäten zum Bau einer Atomwaffe gegeben habe. Bis 2009 seien nur noch vereinzelte Aktivitäten fortgeführt worden. Für die Zeit nach 2009 hat die IAEO keine glaubhaften Hinweise auf entsprechende Aktivitäten mehr finden können. Ebenfalls hat die IAEO keine glaubhaften Hinweise auf eine Abzweigung von Nuklearmaterial für den Bau einer Atombombe gefunden. Die vom BfV festgestellten illegalen iranischen Beschaffungsversuche in Deutschland befanden sich 2015 weiterhin auf einem auch im internationalen Vergleich quantitativ hohen Niveau. Dies 265 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN galt vor allem für Güter, die im Bereich Nukleartechnik eingesetzt werden können. Das BfV konstatiert auch im Bereich des ambitionierten iranischen Trägertechnologieprogramms, das unter anderem dem Einsatz von Kernwaffen dienen könnte, eine steigende Tendenz der ohnehin schon erheblichen Beschaffungsbemühungen. Vor diesem Hintergrund sind weiterhin intensive Beschaffungsaktivitäten des Iran unter Nutzung konspirativer Methodik in Deutschland zu erwarten. 2. Weitere Staaten mit Beschaffungsaktivitäten Zu den Staaten, die in Deutschland Beschaffungsaktivitäten für sensitive Güter entwickeln, zählen auch die beiden Atommächte Nordkorea und Pakistan sowie Syrien. Nordkorea Nordkorea verfügt über ein weit fortgeschrittenes Atomwaffenprogramm und ist zu eigenständigen Entwicklungen beim Bau von Reaktoren in der Lage. Ungeachtet internationaler Sanktionen wird dieses Programm unverändert fortgesetzt. Daneben verfolgt das Land weiterhin ein umfangreiches Trägertechnologieprogramm. Zudem exportiert Nordkorea Raketen und bietet anderen proliferationsrelevanten Staaten Unterstützung beim Aufbau eines eigenen Raketenentwicklungsprogramms an. Der Ausbau bestehender Raketenstartanlagen soll die Voraussetzung für den Start von Raketen mit größerer Reichweite und Nutzlast schaffen. Neben diversen Kurzstreckenraketen testete Nordkorea im Mai 2015 erstmals eine U-Boot-gestützte ballistische Rakete. Trotz einer Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen71 als Reaktion auf den Nukleartest im Februar 2013 sind weiterhin anhaltende nordkoreanische Beschaffungsbemühungen um westliche Technologie zu beobachten, unter anderem in Deutschland. 71 VN-Resolution 2094 vom 07.03.2013, abrufbar auf der Homepage der Vereinten Nationen. 266 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Am 2. Juli 2015 beschloss die Europäische Kommission, die Hamburger Niederlassung der international tätigen "Korea National Insurance Corporation" (KNIC) sowie insgesamt sechs leitende Angestellte (drei in Hamburg und drei in Pjöngjang) in die Sanktionsliste der EU aufzunehmen. Die KNIC erwirtschaftet Devisen zur Finanzierung von Rüstungsgeschäften sowie zur finanziellen Unterstützung und Stabilisierung des herrschenden Regimes. Nordkorea legte vor dem Europäischen Gerichtshof Widerspruch gegen die Listung ein. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Pakistan verfügt über ein umfangreiches militärisches, gegen den Pakistan "Erzfeind" Indien gerichtetes Nuklearund Trägertechnologieprogramm. Es baut sein Kernwaffenpotenzial sukzessive aus. Für die Weiterentwicklung seines Massenvernichtungswaffenprogramms sowie zur Instandhaltung der vorhandenen Nuklearanlagen (militärische und/oder zivile Nutzung) und Trägersysteme versucht Pakistan, unter anderem in Deutschland hochwertige neue Produkte und Technologien zu beschaffen. Dazu zählt auch der Erwerb von technischem Know-how durch Entsendung von pakistanischen Studenten und Wissenschaftlern nach Deutschland. Syrien bemüht sich offensichtlich insbesondere um Wiederaufbau Syrien und Instandhaltung der Teile seines Raketenprogramms, die durch den seit 2011 herrschenden Bürgerkrieg in Mitleidenschaft gezogen wurden. So sind wieder verstärkt Beschaffungsbemühungen des als Hauptträger der syrischen Massenvernichtungswaffenprogramme geltenden Scientific Studies and Research Center (SSRC) und seiner Tarnunternehmen zu verzeichnen. VIII. Wirtschaftsschutz Die deutsche Wirtschaft ist eine der wissensintensivsten weltweit; ihre Erfolgsfaktoren sind Ideenreichtum, technische Innovation und deren kurzfristige Umsetzung sowie zukunftsweisende Forschung und Entwicklung. Vor diesem Hintergrund ist Wirtschaftsspionage gegen deutsche Unternehmen ein seit Jahren anhaltendes Phänomen. Die 267 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Erkenntnislage des BfV lässt vorrangig auf Aktivitäten chinesischer und russischer Nachrichtendienste schließen. Die Bundesregierung misst dem Wirtschaftsschutz und seinem Ziel, deutsches Know-how als Wettbewerbsvorteil zu sichern, hohe Bedeutung bei. Eine Kernzielgruppe des Wirtschaftsschutzes der Verfassungsschutzbehörden sind dabei innovative und technologieorientierte mittelständische Unternehmen. Nationale Effektiver Wirtschaftsschutz setzt jedoch das gemeinsame HanStrategie für den deln von Staat, Verbänden und Unternehmen voraus. Ein MeilenWirtschaftsschutz stein zur Kooperation ist die federführend vom Bundesminister des Innern begleitete "Nationale Strategie für den Wirtschaftsschutz". Expertengruppen unter Beteiligung von Staat und Wirtschaft72 haben Handlungsziele erarbeitet und korrespondierende Projekte konzipiert, die im Frühjahr 2016 als "Initiative Wirtschaftsschutz" unter anderem mit einer zentralen Internetplattform zum Wirtschaftsschutz (www.wirtschaftsschutz.info) gestartet wurden. Ziele sind vor allem eine stärkere Vernetzung, ein intensivierter Informationsaustausch zwischen staatlichen Stellen und der Wirtschaft sowie die Stärkung der unternehmerischen Eigenverantwortung zum Know-how-Schutz. Prävention Das BfV als Dienstleister für präventive Spionageabwehr wird verdurch Dialog und stärkt für eine Security-Awareness in der Wirtschaft sowie im Information Bereich von Forschung und Wissenschaft werben und den direkten vertrauensvollen Dialog mit seinen Partnern weiter intensivieren. Das Angebot umfasst eine inhaltlich breit aufgestellte Vortragstätigkeit sowie eine Vielzahl an Broschüren, Newslettern und Informationsmöglichkeiten auf der Homepage des BfV (Rubrik "Wirtschaftsschutz") und eine vom BfV maßgeblich mitgestaltete Internetplattform zum Wirtschaftsschutz. Das BfV beteiligt sich darüber hinaus an einem monatlichen Bericht von Sicherheitsbehörden des Bundes zum Thema Wirtschaftsschutz ("Sonderbericht Wirtschaftsschutz"). 72 Beteiligt sind das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium des Innern, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, der Bundesnachrichtendienst sowie auf Seiten der Wirtschaft der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., der Deutsche Industrieund Handelskammertag, die Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. sowie der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft. 268 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Ergänzt wird das Informationsund Beratungsangebot durch bilaterale themenund risikobezogene Informationsund Sensibilisierungsgespräche. Bei Verdacht auf Wirtschaftsspionage ist das BfV aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und Expertise in der Bewertung und Aufklärung von Sachverhalten ein fachkundiger Ansprechpartner für Betroffene, denen es angesichts der gesetzlichen Rahmenbedingungen weitreichend Vertraulichkeit zusichern kann. IX. Festnahmen und Verurteilungen Im Jahr 2015 leitete der Generalbundesanwalt insgesamt 14 neue Ermittlungsverfahren im Bereich Spionage ein. Die Anzahl der Verfahren liegt damit auf dem Niveau des Vorjahres (14 Verfahren). Davon wurden zwölf Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit (SS 99 StGB), eins wegen Landesverrats (SS 94 StGB) und eins wegen des Offenbarens von Staatsgeheimnissen (SS 95 StGB) geführt. Im selben Zeitraum wurde ein Haftbefehl vollstreckt. Eine Person wurde wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit rechtskräftig verurteilt. X. Methodische Vorgehensweisen ausländischer Nachrichtendienste Spionage gegen Deutschland wird sowohl mit menschlichen Quellen als auch technikgestützt durchgeführt. Der Einsatz menschlicher Quellen kann dabei sowohl offen als auch konspirativ erfolgen. 1. Spionage mit menschlichen Quellen Nachrichtendienstliche Arbeit findet oft aus sogenannten LegalNutzung von residenturen heraus statt, die in den offiziellen oder halboffizielLegalresidenturen len Vertretungen ausländischer Staaten in Deutschland untergebracht sind. Dazu gehören Botschaften und Generalkonsulate 269 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN sowie Repräsentanzen halbstaatlicher Einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen (z.B. Fluggesellschaften). Die in Botschaften und Konsulaten eingesetzten Dienstmitarbeiter verfügen zumeist über einen Diplomatenstatus, der sie vor Strafverfolgung schützt und im Fall ihrer Enttarnung daher nur die Möglichkeit der Ausweisung aus Deutschland zulässt. In der Regel handelt es sich bei den Funktionen oder Tätigkeiten, die von den so abgetarnten Nachrichtendienstangehörigen wahrgenommen werden, um solche, die ein Informationsbedürfnis und eine gewisse "Kontaktfreudigkeit" nachvollziehbar erscheinen lassen. Denkbar ist hier etwa die Tätigkeit im Bereich Handelsund Wirtschaftsangelegenheiten eines Konsulats, die ein vordringliches Interesse für Produkte und Marktstrategien plausibel erscheinen lässt. Gleichermaßen unauffällig ist beispielsweise die Abtarnung als Journalist, wenn es etwa um die Kontaktanbahnung zu Parteien und politischen Institutionen sowie zu Unternehmen und Forschungseinrichtungen geht. Offene und verdeckte Die Nachrichtendienste gewinnen ihre Informationen sowohl aus Informationsoffenen, allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Internet, Industriebeschaffung messen, Tagungen) als auch aus konspirativen, geheimdienstlichen Verbindungen. Abgeschöpfte deutsche Kontaktpersonen wissen nicht, dass es sich bei ihren Gesprächspartnern in Wahrheit um Angehörige eines Nachrichtendienstes handelt und verhalten sich dementsprechend arglos. Die Legalresidenturoffiziere nutzen die unter Legende aufgebauten Kontakte, um ihre Gesprächspartner auszuforschen und vorhandene Informationen zu ergänzen oder zu verdichten. Zielpersonen für den Aufbau eines Informantennetzes werden perspektivisch ausgewählt: Entscheidend sind deren aktuelle und langfristige Zugangsmöglichkeiten. Mit geschickter Gesprächsführung gelingt es, sensible Informationen zu erlangen oder auch Hinweise auf weitere potenzielle Quellen zu gewinnen. Zielpersonen derartiger Ausspähungsbemühungen sind unter anderem Behördenvertreter, Bundeswehrangehörige, Wissenschaftler und Mitarbeiter von Wirtschaftsunternehmen. Operationen aus den Nachrichtendienstliche Operationen gegen deutsche Interessen Dienstzentralen werden auch unmittelbar aus den jeweiligen Zentralen der Dienste in den Heimatländern initiiert und gesteuert und 270 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN nehmen gezielt deutsche Bürger ins Visier, die sich für längere Zeit im jeweiligen Land aufhalten oder regelmäßig dorthin reisen (z.B. Angehörige diplomatischer Vertretungen und Behördenvertreter, Firmenrepräsentanten, Studenten). Die Dienste nutzen hierzu die breite Palette der Überwachungsmöglichkeiten in ihrem Land, von den Grenzkontrollen über die Beobachtung von Auslandsvertretungen bis hin zu den Kontrollmöglichkeiten im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich. Die Nachrichtendienste nutzen ihren "Heimvorteil", indem sie gezielt nach kompromittierenden Ansatzmöglichkeiten suchen, um die Zielpersonen zu einer Mitarbeit zu drängen. In anderen Fällen versuchen die Nachrichtendienstoffiziere, ihre Zielperson für sich einzunehmen und auf freundschaftlicher Basis zu werben. Im Rahmen ihrer operativen Aktivitäten unternehmen NachrichReisende tendienstoffiziere aus der Dienstzentrale teilweise ErkundungsFührungsoffiziere und Treffreisen in andere Länder. Auch Treffen zwischen den Fühund Quellen rungsoffizieren und ihren deutschen Quellen finden zuweilen im Ausland statt. Dabei nutzen die Nachrichtendienstangehörigen die Reisefreiheit innerhalb des Schengenraums, treffen ihre Agenten aber bei sogenannten Drittlandtreffs auch in Ländern außerhalb Europas, in denen sie sich vor einer Entdeckung sicher fühlen. Einen enormen infrastrukturellen Aufwand erfordert der Einsatz "Illegale" von Nachrichtendienstangehörigen, die mit einer falschen Identität und langfristigen Perspektive im Ausland eingesetzt werden. Diese "Illegalen" sind wegen ihrer professionellen Arbeit und sorgfältigen Abdeckung nur schwer durch die Spionageabwehr zu enttarnen. Seit 2006 wurden in Mitgliedsstaaten der EU und NATO mindestens 15 "Illegale" enttarnt, die von russischen Diensten eingesetzt worden sind. 2. Spionage mit technischen Mitteln Angesichts der zunehmenden Bedeutung der technischen Informationsbeschaffung im digitalen Zeitalter eröffnen sich auch für die Spionage neue Möglichkeiten und Wege - und für die Spionageabwehr neue Herausforderungen. Informationen, die früher nur durch Agenten zu erlangen waren, können heutzutage verhältnismäßig leicht und ohne größere Risiken auf technischem Weg beschafft werden. 271 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Es ist davon auszugehen, dass fremde Nachrichtendienste erhebliche Anstrengungen unternehmen, um Kommunikationsverbindungen abzuhören, insbesondere auch den über Server oder Internetknoten im Ausland geführten deutschen Kommunikationsund Internetverkehr. FernmeldeaufkläFür Fernmeldeaufklärungsmaßnahmen in Deutschland stellen rungsmaßnahmen die Botschaftsgebäude im Zentrum Berlins sowie andere vergleichbare diplomatische Vertretungen wegen ihrer günstigen Lage und ihrer Exterritorialität besonders geeignete Standorte dar. Insbesondere im Bereich des Regierungsviertels in Berlin besteht ein konkretes Abhörrisiko für alle über Funk geführten Kommunikationsverbindungen (z.B. Gespräche mit Mobiltelefonen, WLANund Bluetooth-Verbindungen). Gleichermaßen gefährdet sind auch Daten, die auf in Funknetzwerken betriebenen Laptops oder Tablet-PCs vorgehalten werden. "Elektronische "Elektronische Angriffe" haben sich in den letzten Jahren als Angriffe" wichtige Methode fremder Nachrichtendienste etabliert. Hierbei handelt es sich um gezielte aktive Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen. Das Ziel kann Spionage sein, also das Ausforschen sensibler Informationen und Strategien. Sie können aber auch auf Sabotage ausgerichtet sein, beispielsweise auf das Lahmlegen Kritischer Infrastrukturen. Zu "Elektronischen Angriffen" zählen das Ausspähen, Kopieren oder Verändern von Daten, die Übernahme einer fremden elektronischen Identität, der Missbrauch oder die Sabotage fremder IT-Infrastrukturen sowie die Übernahme von computergesteuerten netzgebundenen Produktionsund Steuereinrichtungen. Die Angriffe können von außen über Computernetzwerke wie das Internet oder durch einen direkten, nicht netzgebundenen Zugriff auf einen Rechner erfolgen, etwa über manipulierte Hardwarekomponenten wie Speichermedien (z.B. USB-Sticks). "Elektronische Angriffe" sind ein effizientes Mittel zur Informationsbeschaffung. Von den betroffenen Stellen sind solche Angriffe nur schwer aufzuklären. Insbesondere die Anonymität des Internets erschwert eine Identifizierung und Verfolgung der Täter. Oft ist aber aufgrund bestimmter Merkmale und Indizien zumindest eine regionale Zuordnung der Urheber möglich. 272 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Seit 2005 werden in Deutschland auf breiter Basis durchgeführte, Staat und Wirtschaft zielgerichtete "Elektronische Angriffe" gegen Bundesbehörden, im Fokus Politik und Wirtschaftsunternehmen festgestellt. Solche Attacken häufen sich regelmäßig im Zusammenhang mit bedeutenden wirtschaftsund finanzpolitischen Treffen. So werden bereits seit Jahren im Zusammenhang mit den G20-Gipfeltreffen unter anderem Bundesministerien und der Bankensektor angegriffen. In geschickt gestalteten E-Mails an hochrangige Entscheidungsträger und deren unmittelbare Mitarbeiter wird eine Kommunikation der Chefunterhändler beteiligter Regierungen (SherpaGruppe) vorgetäuscht. Auf diese Weise sollen die Empfänger dazu verleitet werden, den Schadanhang zu öffnen und so eine Infektion der Systeme auszulösen. Fremde Nachrichtendienste sind in hohem Maße an Informationen interessiert, die bei staatlichen Stellen abgeschöpft werden können. Die anhaltenden "Elektronischen Angriffe" mit mutmaßlich nachrichtendienstlichem Hintergrund gegen Bundesbehörden verdeutlichen den hohen Stellenwert dieser Methodik. Von besonderem Interesse für die Angreifer sind dabei vor allem die Bereiche Außenund Sicherheitspolitik, Finanzen sowie Militär und Rüstung. Die Dauer einzelner Angriffsoperationen und die globale Ausrichtung bei der Auswahl von Themen und Opfern weisen deutlich auf staatliche Ausforschungsaktivitäten und ein strategisches Vorgehen hin. Es liegt auf der Hand, dass elektronische Spionageangriffe nicht nur im Bereich der Behörden, sondern auch im Bereich der Wirtschaft und Forschung ein probates Tatmittel darstellen. So haben manche Nachrichtendienste den gesetzlichen beziehungsweise staatlichen Auftrag, die eigenen Volkswirtschaften mit Informationen zu unterstützen, die auf nachrichtendienstlichem Weg beschafft wurden. Damit tragen die Dienste nicht unerheblich zu staatlicher Planerfüllung und Wirtschaftswachstum bei. Erfolgreiche Spionageangriffe - sei es mit herkömmlichen MethoHoher volkswirtden der Informationsgewinnung oder mit "Elektronischen schaftlicher Schaden Angriffen" - können immense volkswirtschaftliche Schäden verursachen, insbesondere wenn aus Forschungseinrichtungen und privaten Unternehmen geistiges Eigentum abfließt. "Elektronische Angriffe" aller Tätergruppen zusammengenommen führen in der deutschen Wirtschaft bereits jetzt pro Jahr zu einem auf mehrere 273 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Milliarden Euro geschätzten finanziellen Schaden. Gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen finden die Angreifer häufig leicht verwundbare Standard-IT-Komponenten vor; zudem sorgt der zunehmende Einsatz mobiler Endgeräte (Smartphones, Tablet-PCs) mit Zugang zum Firmennetz für neue Einfallstore. Hauptbetroffene Ziele in der Wirtschaft sind Unternehmen aus den Bereichen Rüstung, Luftund Raumfahrt (insbesondere die Satellitensparte), die Automobilindustrie sowie Forschungsinstitute. Da die Angreifer die eingesetzten Schadprogramme permanent weiterentwickeln, steigt die Effektivität derartiger Angriffe - selbst aktuelle Virenschutzprogramme können die eingesetzte Schadsoftware nicht erkennen. Da die Methoden zunehmend ausgeklügelter werden, ist die Dunkelziffer nicht erkannter "Elektronischer Angriffe" als hoch einzuschätzen. Die Urheber "Elektronischer Angriffe" sind oft nicht zweifelsfrei zu identifizieren. Soweit es Hinweise auf eine Steuerung durch fremde Nachrichtendienste gibt, fällt die Bearbeitung schwerpunktmäßig in die Zuständigkeit der Spionageabwehr. 274 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN XI. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 1. Strukturen und Aufgaben russischer Nachrichtendienste SWR Ziviler Auslandsnachrichtendienst (Slushba Wneschnej Raswedki) Leitung: General Michail Fradkow Mitarbeiterzahl: mehr als 13.000 Der zivile Auslandsnachrichtendienst SWR ist für Spionage in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie zuständig. Zu seinen Aufgaben zählen ferner die Ausforschung von Zielen und Arbeitsmethoden westlicher Nachrichtenund Sicherheitsdienste sowie die elektronische Fernmeldeaufklärung. Der Dienst wirkt zudem an der Bekämpfung von Proliferation und Terrorismus mit. GRU Militärischer Auslandsnachrichten(Glawnoje Raswedywatelnoje dienst Uprawlenije) Leitung: Generalleutnant Igor Sergun (bis Anfang Januar 2016) Generalleutnant Igor Korobov (seit 1. Februar 2016) Mitarbeiterzahl: ca. 12.000 Schwerpunkt des militärischen Auslandsnachrichtendienstes ist die Beschaffung von Informationen in den Bereichen Militär und Sicherheitspolitik. Zu den Zielobjekten zählen die Bundeswehr, die NATO und andere westliche Verteidigungsstrukturen sowie militärisch nutzbare Technologien. 275 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN FSB Inlandsnachrichtendienst (Federalnaja Slushba Besopasnosti) Leitung: General Aleksandr Bortnikow Mitarbeiterzahl: ca. 350.000, davon mehr als 200.000 im Grenzschutzdienst Zu den Kernaufgaben des Inlandsnachrichtendienstes FSB gehören die Spionageabwehr, die Beobachtung des "politischen Extremismus" sowie die Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität (OK). Zudem zählt der Schutz der russischen Industrie vor Wirtschaftsspionage und OK sowie ausländischer Investoren vor Wirtschaftskriminalität sowie die Sicherung der Staatsgrenzen zu seinen Aufgaben. In Einzelfällen betreibt der Inlandsnachrichtendienst Gegenspionage auch im Ausland. 2. Strukturen und Aufgaben chinesischer Nachrichtendienste MSS Ziviler Inund AuslandsnachMinistry of State Security richtendienst Leitung: Minister Geng Huichang Das MSS ist sowohl mit Abwehrals auch mit Spionageaktivitäten betraut. Innerhalb Chinas ist es für die Bekämpfung von Gefahren für die öffentliche Ordnung zuständig und in diesem Bereich auch mit Polizeibefugnissen ausgestattet. In Fragen der nationalen Sicherheit nimmt das MSS eine zentrale Rolle unter den chinesischen Diensten ein. In Deutschland bemüht es sich nachhaltig um Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und späht aktive oppositionelle chinesische Gruppierungen aus. 276 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 2PLA73 Militärischer Inund Military Intelligence Auslandsnachrichtendienst Department Leitung: Generalmajor Chen Youyi Der militärische Inund Auslandsnachrichtendienst 2PLA gehört zur Volksbefreiungsarmee und ist weltweit offensiv tätig. Er entsendet Militärattaches und unterhält Verbindungen zu ausländischen Streitkräften. Der Dienst ist für die Beschaffung von Informationen zuständig, die die äußere Sicherheit der Volksrepublik betreffen. Hierzu gehören unter anderem Struktur, Stärke und Ausrüstung fremder Streitkräfte. Spionageziele sind aber auch Politik, Wissenschaft und Technik anderer Staaten. Auch die Bekämpfung regimekritischer Bestrebungen innerhalb und außerhalb Chinas gehört - im Rahmen des Generalauftrags der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) - zu den Aufgaben des Dienstes. 2PLA ist dem Central Military Commission Joint Staff Department unterstellt. 3PLA Militärischer technischer Dienst Technische Aufklärung Leitung/Vorsitz: Generalmajor Meng Xuezheng 3PLA ist zuständig für technische Spionage, weltweite Fernmeldeaufklärung und Cyberspionage. Darüber hinaus ist der Nachrichtendienst für Telekommunikationsüberwachung und IT-Sicherheit im Militärbereich zuständig. 73 PLA = People's Liberation Army (Volksbefreiungsarmee). 277 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN MPS Polizeiministerium Ministry of Public Security Ministerium für öffentliche Sicherheit Leitung/Vorsitz: Minister Guo Shengkun Das chinesische Polizeiministerium MPS ist für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig. Hierzu unterstehen ihm zum Beispiel die Ordnungsund Kriminalpolizei. Ferner verfügt das MPS über nachrichtendienstliche Spezialeinheiten mit einem ähnlichen Aufgabenspektrum wie das MSS. So sammelt das MPS sowohl innerhalb als auch außerhalb Chinas Informationen über solche Bevölkerungsgruppen, die aus Sicht der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) als staatsgefährdend eingestuft werden. Überdies kontrolliert und zensiert das MPS die Medien und den Internetverkehr. Büro 610 Institution der KPCh Leitung/Vorsitz: Vizeminister Liu Jinguo Das Büro 610, das dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) untersteht, ist sowohl innerhalb als auch außerhalb Chinas aktiv. Hauptaufgabe dieses Nachrichtendienstes ist die Beobachtung und Verfolgung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Obwohl der Dienst ein Parteiorgan ist, arbeiten ihm die Verwaltungs-, Justizund Polizeibehörden des Staates zu. 278 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 3. Strukturen und Aufgaben iranischer Nachrichtendienste VAJA/MOIS Ziviler Inund (Ministry of Intelligence)74 Auslandsnachrichtendienst Leitung/Vorsitz: Minister Mahmud Alawi Der zivile Nachrichtendienst VAJA (vormals VEVAK75, oftmals auch MOIS abgekürzt) wurde 1984 als Nachfolger verschiedener unter dem revolutionären Regime im Iran entstandener Nachrichtendienstorganisationen gegründet. VAJA/MOIS ist wegen seiner Organisationsgröße und Bedeutung für den Machterhalt des Regimes eines der mächtigsten Ministerien der iranischen Regierung. In seiner Funktion als Minister hat der Leiter des VAJA/ MOIS einen Sitz im iranischen Kabinett. Schwerpunktaufgabe ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen im Inund Ausland. Darüber hinaus werden im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Wissenschaft beschafft. RGID Militärischer Inund (Revolutionary Guards Auslandsnachrichtendienst Intelligence Department)76 Der Nachrichtendienst der iranischen Revolutionsgarden RGID ist sowohl für Spionage im Ausland als auch für Abwehraufgaben im Inland zuständig. 74 In Farsi: Vezarat e Ettela'at-e Jomhouri-ye Eslami-ye Iran - VAJA. 75 Vezarat e Ettela'at Va Amniat e Keshsvar - VEVAK, wörtlich übersetzt: Ministerium für Information und Sicherheit. 76 In Farsi: Sepah Pasdaran. 279 280 "Scientology-Organisation" (SO) 281 "Scientology-Organisation" (SO) Die Expansionsbestrebungen der 1954 in den USA gegründeten "Scientology-Organisation" (SO) bestehen im 45. Jahr ihrer Aktivitäten in Deutschland weiter fort, blieben aber auch im Jahr 2015 weitgehend erfolglos. Die Mitgliederzahl liegt - wie bereits 2014 - derzeit zwischen 3.000 und 4.000 Mitgliedern. Weiterhin haben lediglich die beiden Niederlassungen in Berlin und Hamburg den Status einer "Idealen Org"77. Ideologie Die SO hält an ihrer ideologischen Grundorientierung und Strategie sowie den bekannten Agitationsschwerpunkten fest und orientiert sich weiterhin an den Schriften des 1986 verstorbenen Gründers L. Ron Hubbard. Die scientologischen Vorstellungen verstoßen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, indem sie wesentliche Grundund Menschenrechte, wie zum Beispiel die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit oder das Recht auf Gleichbehandlung, einschränken. Ebenso widersprechen sie den Grundelementen des demokratischen Rechtsstaats, wie der Gewaltenteilung, Volkssouveränität und der Unabhängigkeit der Gerichte. Für die Verbreitung der SO-Ideologie sowie zur Imagepflege und Mitgliederwerbung nutzt die Organisation zunehmend Internetdienste und soziale Netzwerke wie Twitter, YouTube und Facebook. Kampagnen Einige Kampagnen der SO laufen über Teilund Nebenorganisationen, deren Zugehörigkeit zur SO in vielen Fällen für den Adressaten nicht unmittelbar ersichtlich ist. Sie konzentrieren sich bewusst auf Themenfelder, denen die Gesellschaft positiv gegenübersteht. Dadurch sollen Vorbehalte gegenüber der SO abgebaut und schließlich neue Interessenten gewonnen werden. Ein Beispiel hierfür sind Aktivitäten im Bereich der Drogenund Suchtprävention, wie sie durch den Verein "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" durchgeführt werden. So organisierte der Verein eine Werbetour ("Drogenpräventionstour") mit Informationsständen vom 20. bis 27. Juni 2015 von München (Bayern) nach Berlin. Ein weiterer Schwerpunkt der Kampagnenstrategie 77 Unter einer "Idealen Org" versteht die SO eine besonders große und repräsentative Niederlassung in für sie politisch und wirtschaftlich bedeutenden Städten. 282 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) ist das Angebot insbesondere an Schulen, Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen oder sogar Referenten für Vorträge zu vermitteln - in einigen Fällen mit Erfolg, so beispielsweise in Sachsen. In ähnlicher Art und Weise agiert auch die SO-Teilorganisation "Jugend für Menschenrechte". Diese versucht ebenfalls, mit jugendaffin gestalteten Broschüren ("Was sind Menschenrechte? - Nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch schützen") und Internetpräsenzen Kinder und Jugendliche für die SO zu gewinnen. Die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (KVPM), die der SO zuzurechnen ist, trat auch 2015 wieder mit Kampagnen zur Diffamierung von Psychologen und Psychiatern in Erscheinung. Die KVPM lehnt Psychiatrie als Wissenschaft und Psychotherapie mit der Begründung ab, diese seien schädlich für den Patienten und dienten als Mittel zur Unterdrückung. Die SO bietet als Lösung die eigene "Dianetik" an, mit der "negative Auswirkungen" auf die Seele geheilt werden könnten. Besonders öffentlichkeitswirksam trat die KVPM mit einer auch in Deutschland beworbenen Kundgebung am 28. März 2015 im österreichischen Wien auf, indem sie dort gegen einen Jahreskongress der Europäischen Vereinigung für Psychiatrie demonstrierte. Auch schreibt die Organisation nach wie vor Behörden und deren Mitarbeiter sowie Abgeordnete an, um diese über die KVPM selbst sowie über "Fakten über die Psychiatrie" zu informieren. 283 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) "Scientology-Organisation" (SO) Gründung: 1954 in den USA 1970 erste Niederlassung in Deutschland Sitz: Los Angeles (USA) ("Church of Scientology International", CSI), München (Bayern) ("Scientology Kirche Deutschland e.V.", SKD) Leitung/Vorsitz: USA: David Miscavige Deutschland: Helmuth Blöbaum Mitglieder/Anhänger 3.000 - 4.000 (2014: 3.000 - 4.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: (Auswahl) "Impact", "International Scientology News", "The Auditor", "Source", "Freewinds" 284 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Teil-/Nebenorganisationen: neun "Kirchen" in Deutschland, (Auswahl) darunter zwei "Celebrity Centres", "Office of Special Affairs" (OSA), "International Association of Scientologists" (IAS), "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE), "Association for Better Living & Education" (ABLE), "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (KVPM), "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben", "Jugend für Menschenrechte" Nach wie vor sind die Schriften des Organisationsgründers L. Ron Hubbard (1911-1986) richtungweisend. In ihnen wird deutlich, dass in einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen wesentliche Grundund Menschenrechte, wie beispielsweise die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, ebenso wenig gewährleistet sind wie das Recht auf Gleichbehandlung. 285 286 Anhang 287 VERBOTSMASSNAHMEN Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2015 (Soweit nicht anders gekennzeichnet, sind die Verbote unanfechtbar) Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Nationalistische Front" (NF) 26.11.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Deutsche Alternative" (DA) 08.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Nationale Offensive" (NO) 21.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Arbeiterpartei Kurdistans" 22.11.1993 Strafgesetzwidrigkeit, AE (PKK)/ "Nationale BefreiGefährdung der inneren Sicherheit ungsfront Kurdistans" und öffentlichen Ordnung sowie (ERNK) und Teilorganisationen, außenpolitischer Belange "Förderation der patriotiDeutschlands schen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan), "Kurdistan-Komitee e.V." "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 10.11.1994 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Kurdistan Informations20.02.1995 Ersatzorganisation des rechtskräftig AE büro" (KIB) alias verbotenen "Kurdistan Komitee e. V." "Kurdistan Informationsbüro in Deutschland" RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 288 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Freiheitliche Deutsche 22.02.1995 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Arbeiterpartei" (FAP) mäßige Ordnung gerichtet "Revolutionäre 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungspartei-Front" dung der inneren Sicherheit (DHKP-C) Ersatzorganisation der am 9. Februar 1983 rechtskräftig verbotenen "Revolutionären Linke" (Devrimci Sol) Türkische Volksbefreiungs06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE partei/-Front" (THKP/-C) dung der inneren Sicherheit "Blood & Honour" (B&H) mit 12.09.2000 Vereinszweck gegen die verfassungsRE "White Youth" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Kalifatsstaat" 08.12.2001 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT und 35 Teilorganisationen 14.12.2001 mäßige Ordnung gerichtet 13.05.2002 16.09.2002 Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung Propagierung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele "al-Aqsa e.V." 31.07.2002 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung (finanzielle Unterstützung der HAMAS und ihrer sogenannten Sozialvereine) RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 289 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 10.01.2003 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange "Yeni Akit GmbH" 22.02.2005 Leugnung und Verharmlosung des ISiT Verlegerin der Holocaust in volksverhetzender Europa-Ausgabe der türWeise kischsprachigen Tageszeitung "Anadoluda Vakit" Verbreitung antisemitischer/ antiwestlicher Propaganda "Bremer Hilfswerk e.V."78 SelbstaufISiT lösung mit Wirkung vom 18.01.2005; Löschung im Vereinsregister am 29.06.2005 "YATIM-Kinderhilfe e.V." 30.08.2005 Nachfolgeorganisation des rechtsISiT kräftig verbotenen "al-Aqsa e.V." "Collegium 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Humanum" (CH) mäßige Ordnung gerichtet mit "Bauernhilfe e. V." Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze 78 Das BMI hatte am 3. Dezember 2004 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Verbots gegen das "Bremer Hilfswerk e.V." eingeleitet. Der Verein ist dem Verbot durch Selbstauflösung zuvorgekommen. RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 290 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Verein zur Rehabilitierung 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE der wegen Bestreitens des mäßige Ordnung gerichtet Holocaust Verfolgten" (VRBHV) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Mesopotamia Broadcast 13.06.2008 Verstoß gegen den Gedanken der AE A/S", Völkerverständigung "Roj TV A/S" "VIKO Fernseh 13.06.2008 Teilorganisation von Produktion GmbH" "Roj TV A/S" "al-Manar TV" 29.10.2008 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung "Heimattreue Deutsche 09.03.2009 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Jugend - Bund zum Schutz mäßige Ordnung gerichtet für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." (HDJ) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Ideologische Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen mit nationalsozialistischem Gedankengut "Internationale Humanitäre 23.06.2010 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Hilfsorganisation e.V." (IHH) Völkerverständigung "Hilfsorganisation für natio30.08.2011 Vereinszweck gegen die verfassungsRE nale politische Gefangene mäßige Ordnung gerichtet und deren Angehörige e.V." (HNG) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 291 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Millatu Ibrahim" 29.05.2012 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Dawa FFM" einschließlich 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT der Teilorganisation "Intermäßige Ordnung gerichtet nationaler Jugendverein - Dar al Schabab e.V." Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "an-Nussrah" 25.02.2013 Teilorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "DawaTeam 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT Islamische Audios" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Waisenkinderprojekt 02.04.2014 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Libanon e.V." (WKP) Völkerverständigung (Umbenennung in "Farben für Waisenkinder e.V." am 16.10.2014) "Islamischer Staat" (IS) alias 12.09.2014 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT "Islamischer Staat im Irak" mäßige Ordnung gerichtet alias "Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien" Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 292 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Tauhid Germany" (TG) 26.02.2015 Ersatzorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 293 REGISTER Register Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu (ADÜTDF - Föderation der Türkisch-Demokratischen A Idealistenvereine in Deutschland e.V.) .... 226 Adil Düzen (Gerechte Ordnung) ................ 203 al-Nur-Moschee ................................................ 178 AG Nordheide (Internetportal) .....................68 al-Qaida .............150, 152, 155 f., 167 ff., 185 ff. Agent ....................................................... 258 ff., 271 al-Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) .................................................. 155, 167, 191 Ain al-Arab (arabische Bezeichnung; kurdisch: Kobane) ............................................. 209 al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) ................................................ 155, 169, 188 Aktionsbündnis Stop G7 ............................... 112 al-Qaida im Irak ................................................ 186 Aktionsfelder ............ 43, 97 f., 125, 129, 133 ff. 139 ff., 143, 146 al-Qaida im islamischen Maghreb (AQM) ............................................................155, 187 al-Ahd - al-Intiqad ........................................... 192 al-Qaida im Jemen (AQJ) ............................... 188 al-Anisi, Nasr ....................................................... 169 al-Quds-Tag ......................................................... 179 al-Aqsa e.V. ........................................ 182, 194, 289 al-Raimi, Qasim ................................................. 188 al-Assad, Baschar .................................................71 al-Rashta, Ata Abu (alias Abu Yasin) ......... 198 al-Baghdadi, Abu Bakr ...........................186, 196 al-Shabab ........................................155, 169 f., 189 al-Fadschr (Publikation) ................................ 202 Altermedia Deutschland al-Hayat Media Center (Internetportal) ..............................................60, 62 (Medienstelle) ............................................158, 186 Alternative für Deutschland (AfD) ..............98 al-Julani, Abu Muhammad ..................156, 190 al-Waie (Publikation) ...................................... 198 al-Kataib (Medienstelle) ........................170, 189 al-Wuhayshi, Nasir ........................................... 169 al-Khilafa (Publikation) ................................. 198 al-Zawahiri, Aiman ....................167 f., 185, 191 Alliance for Peace and Freedom (APF) ......71 Anadolu Federasyonu al-Malahem Media (Medienstelle) ............ 188 (Anatolische Föderation) ............................... 224 al-Manar TV (Fernsehsender) .............192, 291 Anarchisten ............................................................96 294 REGISTER Anatolische Föderation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)/Nationale (Anadolu Federasyonu) ............210, 224, 234 f. Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) und Teilorganisationen ........................................... 288 Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB) ........................................ 101, 128 f. Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) ... 142 Antifa AK, Köln .................................................. 126 Armstroff, Klaus ............................................77, 87 Antifa NT, München ....................................126 f. Arranca! (Publikation) .................................... 124 Antifaschismus ...... 97 f., 111, 125 f., 133, 135, Assad-Regime ..................................................... 156 140, 144 f. as-Sahab (Medienstelle) ........................185, 191 Antigentrifizierung .......................................... 100 Association for Better Living & Education Antiimperialisten ............................................. 111 (ABLE) ..................................................................... 285 Antikapitalismus ............98 f., 111, 124 f., 133, Atilim (Der Vorstoß, Publikation) ............. 238 143, 145 Atta, Mohammed .............................................. 178 Antikapitalistische Aktion Bonn (AKAB) .................................................................... 125 Ausbildungslager .............................................. 183 Antikapitalistische Linke (AKL) ........139, 143 Autonome ....... 95 f., 102 f., 105 f., 108 ff., 113, 116 Antikapitalistische Linke München (al[m]) ...................................................................... 130 autonome Organisierungsansätze ........... 108 Antimilitarismus ...........97, 111, 113, 125, 133, Autonomiebestrebungen .....................101, 213 135, 139 f., 143, 145 f. AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen Antirassismus ..................98, 140, 210, 224, 235 und Kurden in Deutschland (AZADI e.V.) .......................................................... 233 Antirepression .................................................... 100 AZADI infodienst (Publikation) ................. 233 Antisemitismus .............. 40, 82, 86 f., 150, 154, 176 ff., 226, 239 AZBIRU (Onlinemagazin) ............................. 190 antisoziale Stadtumstrukturierung ......... 100 B Apfel, Holger ..........................................................70 Babbar Khalsa (BK) ........................................... 243 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya Babbar Khalsa Germany (BKG) .................. 244 Karkeren Kurdistan) ...............101, 129, 209 ff., 212 ff., 227 f., 230, 241, 288 Babbar Khalsa International (BKI) ........243 f. 295 REGISTER Badi, Muhammad ............................................. 199 Büro 610 (chinesischer Nachrichtendienst der KPCh) ............................................................. 278 Bahceli, Devlet ..........................................226, 240 Bamberger Gruppe .............................................48 C Bärgida ......................................................................66 Camia (Publikation) ......................................... 205 Basbug .................................................................... 240 Cayir, Nusret ....................................................... 204 Basisgruppe Antifaschismus, Bremen .... 126 Celebrity Centres .............................................. 285 Bayik, Cemil ...............................................212, 220 Charlie Hebdo ................................. 152, 169, 173 Beisicht, Markus ...................................................88 Chrysi Avgi (Goldene Mörgenröte) ..............71 Benefizveranstaltungen ................................ 172 Church of Scientology International (CSI) ......................................................................... 284 Berxwedan Jiyan E - Widerstand ist Leben ...................................... 130 Ciwanen Azad (Freie Jugend; lang: Tevgera Ciwanen Azad a Kurdistane - Bewegung der Bin Ladin, Usama .....................................168, 185 freien Jugend Kurdistans) ...........214 f., 230 ff. Bizim Genclik Committee for a Worker's International (unsere Jugend, Publikation) ....................... 234 (CWI) ....................................................................... 139 Blöbaum, Helmuth .......................................... 284 Crew 38-Gruppierungen ..................................90 Blockupy ...................................94, 99, 105, 115 ff. critique'n'act, Dresden ................................... 126 Blockupy-Koordinierungskreis ................. 117 Cuba si revista (Publikation) ........................ 142 Bozkurtlar (Graue Wölfe) .............................. 226 D BraMM-PEGIDA ...................................................66 DABIQ (Onlinemagazin) ......................158, 186 Bulletin (Publikation) ..................................... 145 Demokratische Autonomie ......................... 209 Bülten (Das Bulletin, Publikation) ............ 240 Demokratisches Gesellschaftszentrum der Bürgerbewegung pro Köln e.V. .................45, 78 KurdInnen in Deutschland e.V. (NAV-DEM - Navenda Civaka Demokratik Bürgerbewegung pro NRW ya Kurden li Almanyaye) ............ 218, 220, 232 (pro NRW) ..........................................45, 65, 78, 88 Demokratische Konföderation .................. 209 Bürgerwehr FTL/360 .........................................49 296 REGISTER Demokratischen Partei der Völker Drewer, Christoph ...............................................75 (Halklarin Demokratik Partisi - HDP) .... 214 Droukdal, Abdalmalik (alias Abu Mus'ab Der Aktivist (Publikation) ................................83 Abdalwadud) ....................................................... 187 Der III. Weg ... 43 ff., 57, 59, 63, 76 f., 79 f., 87 f. DS-TV .................................................................71, 81 Destruktionsdynamik .......................................92 DÜGIDA ...................................................................65 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) .........................................................111, 132 ff. E Deutsche Stimme (Publikation) .....71, 81, 85 Ekonomi ve Maliye Bürosu (EMB - Wirtschaftsund Finanzbüro) .... 219 Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH (DS Verlag) ........................................................81, 85 Elektronische Angriffe ............... 247 ff., 272 ff. Deutsche Widerstands Bewegung Ende Gelände (Kampagne) ...103, 114, 121 ff. (DWB) .................................................................... 53 f. Engel, Stefan ....................................................... 135 Deutschlandvertretung der Saadet Partisi Entrismus ....................................................139, 146 (SP) ........................................................................... 204 Erbakan, Fatih .................................................... 204 Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (DHKP-C - Revolutionäre VolksbefreiungsErbakan, Necmettin ........................... 177, 203 f. partei-Front) ............. 209 ff., 221 ff., 234 f., 289 Erbakan-Stiftung .............................................. 204 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke, Personenzusammenschluss) ..............234, 289 Ergün, Kemal ...................................................... 205 Devrimci Sol (Revolutionäre Linke, Europäische Aktion (EA) .............58, 66, 76, 89 Publikation) ......................................................... 234 Europäische Zentralbank (EZB) ............93, 99, Dianetik ................................................................. 283 102 f., 105, 112 ff., 122 f., 125 DIE RECHTE ......... 43 ff., 48, 53, 59, 61, 63, 66, Europa ruft (Publikation) .................................89 74 ff., 79 f., 86 Europavertretung der DIE ROTE HILFE (Publikation) .................. 137 Erbakan-Stiftung .............................................. 204 Die Wahre Religion (DWR) .............. 153, 172 f. Expliciet (Publikation) .................................... 198 Dogru Haber (Publikation) ........................... 197 Dogruyol, Sentürk ............................................ 240 297 REGISTER F Fünf Gifte ..........................................................257 f. Falah, Samir ......................................................... 200 Furat (Medienstelle) ......................................... 158 Farben für Waisenkinder e.V. ..182 f., 192, 292 G Fast Forward, Hannover ................................ 126 G7-Gipfel ....... 94 f., 106, 112 ff., 118 ff., 122 f., Fernmeldeaufklärungsmaßnahmen ....... 272 125, 131 Fight G7 (Publikation) ................. 113, 119, 130 Gama'at al-Ikhwan al-Muslimin ............... 199 Föderation der patriotischen Arbeiterund Gärtner, Lisa ........................................................ 136 Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. Gefährdungspotenzial ... 68, 79 f., 122, 169 f., (FEYKA-Kurdistan) ........................................... 288 175 f., 225, 229, 247, 259, 262 Föderation der Türkisch-Demokratischen GegenStandpunkt (Organisation) ............. 138 Idealistenvereine in Deutschland e.V. GegenStandpunkt (Publikation) ............... 138 (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu) ....210, 226 ff., Gemeinschaft der Jugend 239 f. (Komalen Ciwan) ......................................... 230 ff. Föderation Kurdischer Vereine in Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan Deutschland e.V. (YEK-KOM - Yekitiya (KKK - Koma Komalen Kurdistan) ........... 230 Komalen Kurd Li Elmanya) .......................... 232 Gemeinschaft der Verkündigung und Franz, Frank .....................................................70, 81 Mission (TJ - Tablighi Jama'at) ..........155, 201 Freewinds ............................................................. 284 Geraer/Sozialistischer Dialog (GSoD) ..... 145 Freiheitsund Demokratiekongress Gerechte Ordnung (Adil Düzen) ................ 203 Kurdistans (KADEK - Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane) ............................. 230 Geschichtsrevisionismus .................................40 Freiräume ................................................ 100 f., 108 Gesellschaft für freie Publizistik e.V. (GfP) ............................................................................60 Friedensmarsch ................................................. 215 Gesetz zur Verbesserung der Friedensprozess ........................................209, 213 Zusammenarbeit ............................................ 4, 16 Frühwarnsystem .............................................. 15 f. Gewalt und Militanz ...........40 f., 46 ff., 102 ff. FSB Gewaltverherrlichung .................................... 224 (russischer Inlandsnachrichtendienst) ..... 276 Globalecho (Internetportal) ............................58 298 REGISTER Graue Wölfe (Bozkurtlar) .............................. 226 Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) ....................................................... 66 f., 75 Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (GSPC) ........................................ 187 Hot Spots .............................................................. 103 Gruppe Arbeitermacht (GAM) .................... 128 Hubbard, L. Ron ........................................282, 285 GRU (russischer militärischer AuslandsHurseda (Onlinemagazin) ............................. 197 nachrichtendienst) ........................................... 275 Huseynisevda (Onlinemagazin) ................. 197 Guerilla ....... 209, 212 f., 215 f., 219, 227 f., 236 Gümüs, Edip ........................................................ 197 I Gündogdu (Publikation) ............................... 234 Ideale Org ............................................................. 282 Idealisten-Bewegung H (Ülkücü-Bewegung) ...209, 215, 225 ff., 239 ff. Halk Icin Devrimci Demokrasi Illegale .................................................................... 271 (Revolutionäre Demokratie für das Volk, Publikation) ......................................................... 237 Illegalenoperation ............................................ 256 Halklarin Demokratik Partisi (HDP - Imam Ali Moschee ........................................... 202 Demokratische Partei der Völker) ............. 214 Impact (Publikation) ....................................... 284 Hammerskins ........................................................90 Infostände ............................................84, 172, 181 Harakat al-Muqawama al-Islamiya Ins Herz der Bestie! (Publikation) ............. 125 (HAMAS - Islamische Widerstandsbewegung) ..... 150, 154 f., 183, 193 f., 199, 289 INSPIRE (Onlinemagazin) ............................ 188 Hennig, Rigolf .......................................................89 International Association of Scientologists (IAS) ......................................................................... 285 Hilafet (Publikation) ........................................ 198 Internationale Humanitäre Hit-and-Run-Aktionen .................................. 232 Hilfsorganisation e.V. (IHH) ................182, 291 Hizb Allah (Partei Gottes) .......150, 154 f., 179, Internationales Bulletin (Publikation) ... 238 182 f., 192 f. Internationales Kurdisches Hizb ut-Tahrir (HuT - Partei der Kulturfestival ...................................................... 217 Befreiung) .......................................... 155, 198, 290 Internationale sozialistische Linke Home Dawa ......................................................... 173 (isL) .......................................................................... 128 299 REGISTER Internationalismus ..........................95, 136, 142 Islamische Zentren .......................................... 202 International Scientology News Islamistischer Terrorismus .......... 3, 21, 149 f., (Publikation) ....................................................... 284 156, 183 International Sikh Youth Federation Ismail Aga Cemaati (IAC) .............................. 204 (ISYF) ....................................................................... 244 ISTOK (Onlinemagazin) ................................ 186 Internetaktivitäten .......................................... 219 Internetüberwachung .................................... 256 J Interventionistische Linke (IL) ........... 94, 102, Jabhat al-Nusra (JaN) .......................... 155 f., 190 109 ff., 113, 115, 119 ff. Jahresspendenkampagne .............................. 218 INZAR (Publikation) ........................................ 197 Jihad .............. 152, 156, 159, 162, 165, 170, 173, Islamfeindlichkeit ........................................64, 88 175 f., 181, 191 Islamische Audios ................................ 176 f., 292 Jihadisten/jihadistisch ...43, 150, 156 ff., 161, 163 ff., 168, 171 ff., 176, 179 f., 196 Islamische Bewegung Usbekistans (IBU) ........................................................................ 168 Jihadistische Gruppierungen .............150, 154 Islamische Gemeinschaft in Jihadistischen Internetforen ....................... 180 Deutschland e.V. (IGD) ....................... 155, 199 f. Jugend für Menschenrechte Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (Youth for Human Rights) ...................283, 285 (IGMG) ....................................................... 154 f., 205 Junge Nationaldemokraten islamische Rechtsordnung (Scharia) ...158 f., (JN) ..................................................58, 63, 73, 81, 83 171, 190 f., 198 junge Welt (jW, Tageszeitung) ..................... 147 Islamischer Staat (IS) .....101 f., 150 ff., 164 ff., 168, 180, 182 ff., 186, 190, 196, 209, 212 f., 216, K 218, 220, 292 Kalifat ..........................152, 158 ff., 186, 191, 198 Islamischer Staat - Khorasan Provinz (ISKP) ...................................................................... 168 Kampagnenfähigkeit ...................................... 114 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. Kaukasisches Emirat (KE) ..........................195 f. (IZH) ...............................................................155, 202 Kelhaamed (Publikation) .............................. 197 Islamische Widerstandsbewegung (Harakat al-Muqawama al-Islamiya - Kendi Dilinden Hizbullah HAMAS) ......... 150, 154 f., 183, 193 f., 199, 289 (Publikation) ....................................................... 197 300 REGISTER Kern-al-Qaida ....................155, 167 f., 185, 189 Kongra Gele Kurdistan (KONGRA GEL - Volkskongress Kurdistans) ........................... 230 Khalistan ............................................................243 f. Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane Khamenei, Ayatollah Seyyed Ali ................ 202 (KADEK - Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans) ....................................... 230 Khomeini, Ayatollah ....................................... 179 KONSTANTINIYYE (Onlinemagazin) ..... 186 Klandestine Gewalt ..........................54, 106, 113 Kontaktpersonen ........................... 255, 258, 270 Kobane (kurdische Bezeichnung; arabisch: Ain al-Arab) .........102, 135, 209, 217 Kontrolle ...............................................18, 259, 265 Köbele, Patrik ..................................................... 132 Konvertiten ......................................................... 162 Koc, Yüksel ........................................................... 232 Krien, Hartmut .....................................................84 KÖGIDA ....................................................................65 Kritik&Praxis, Frankfurt am Main ............ 126 Köklü Degisim (Publikation) ....................... 198 Kulturelle Autonomie ...........................212, 231 Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union der Kurdistan ................................................. 101 f., 217 Gemeinschaften Kurdistans) .... 212, 220, 230 Kurdistan Informationsbüro (KIB) Koma Komalen Kurdistan (KKK - Gemeinalias Kurdistan Informationsbüro in schaft der Kommunen in Kurdistan) ...... 230 Deutschland ........................................................ 288 Komalen Ciwan Kurdistan-Komitee .......................................... 288 (Gemeinschaft der Jugend) ...................... 230 ff. Kurdistansolidarität ........................................ 101 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM) ..........................................................283, 285 L Kommunalpolitische Vereinigung der NPD Legalresidenturen ............255, 258 f., 261, 269 (KPV) ...................................................................81, 84 LEGIDA .....................................................................54 Kommunismus .. 109, 111, 125, 129, 140, 144 Leninisten .................................. 96, 111, 211, 236 Kommunistische Partei Chinas LevelUP, Tübingen ........................................... 126 (KPCh) ....................................................... 247, 277 f. Liberation Tigers of Tamil Eelam Kommunistische Plattform der Partei (LTTE) ............................................................211, 242 DIE LINKE (KPF) ............................................... 140 LIES! .................................... 153 f., 172 f., 176, 214 Konfrontative Gewalt .....................54, 104, 106 301 REGISTER Linke Aktion Villingen-Schwenningen ... 130 Mash'al, Khalid ................................................... 194 Linke Presse VerlagsFörderungsMassenmilitanz ................................................. 104 und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G. .................................................... 147 Merkel, Angela ......................................................59 linksunten.indymedia Mesopotamia Broadcast A/S ....................... 291 (Internetplattform) .........94, 98 ff., 104, 106 f., Militanz ..............40 f., 46, 55, 59, 69, 73, 93, 98, 111, 117 f. 102 f., 105 f., 108 f., 113, 117, 209 f., 224 M Millatu Ibrahim (MI) .......................... 181, 292 f. Magida 2.0 ...............................................................66 MillA(r) Gazete (Publikation) .......154, 177 f., 205 Mansur, Akthar .................................................. 168 Milli Görüs-Bewegung ............150, 154 f., 177, 203 ff. Maoistische Kommunistische Partei (MKP - Maoist Komünist Partisi) ...........236 f. Milli Görüs (Nationale Sicht) ....................... 203 Märtyrer ..........................................210, 221 f., 238 Milliyetci Hareket Partisi (MHP - Partei der Nationalistischen Bewegung) ........ 226 f., 240 Märtyrergedenken ..................................221, 224 Ministry of Intelligence (VAJA, zumeist marx21 (Publikation) ...................................... 146 abgekürzt MOIS, vormals VEVAK, iranischer ziviler Inund Auslandsmarx21 (trotzkistisches Netzwerk) ........... 146 nachrichtendienst) .............................. 261 f., 279 Marx Is Muss ....................................................... 146 Ministry of Public Security (MPS, chinesisches Polizeiministerium) ............. 278 Marxisten ................................... 96, 111, 211, 236 Ministry of State Security (MSS, Marxistische Blätter (Publikation) ............ 132 chinesischer ziviler Inund Marxistische Leninistische Kommunistische Auslandsnachrichtendienst) ..............276, 278 Partei (MLKP - Marksist Leninist Komünist Miscavige, David ............................................... 284 Parti) .................................................... 102, 211, 238 Mission der Afrikanischen Union in Marxistische Linke e.V. ................................... 133 Somalia (AMISOM) .......................................... 169 Marxistisches Forum (MF) ............................ 144 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform (Publikation) .................................. 140 Marxistisches Forum (Publikation) .......... 144 Marxistisch-Leninistische Partei mole (englisch: Maulwurf; Publikation) ... 126 Deutschlands (MLPD) ...............102, 111, 135 f. Moqawama.org (Internetseite) ................... 192 302 REGISTER Muslimbruderschaft (MB) ............... 155, 199 f. Newroz .................................................................. 217 Muslimische Jugend in Deutschland e.V. Newsletter ..................................................... 20, 268 (MJD) ....................................................................... 200 no-name-Militanz ............................................ 106 MVGIDA ............................................................66, 72 Non-Professionals ............................................ 258 N Nordkaukasische Separatistenbewegung (NKSB) ...........................................................155, 195 Nasrallah, Hassan ............................................. 192 Nationaldemokratische Partei Deutschlands O (NPD) ........... 43 ff., 51, 58, 60 f., 63, 66 f., 70 ff., 79, 81 ff., 106 Objektbezogene Gewalt ........................104, 106 Nationaldemokratischer Hochschulbund Öcalan, Abdulllah .............212, 217, 230 f., 241 (NHB) .........................................................................60 Office of Special Affairs (OSA) .................... 285 Nationales Cyber-Abwehrzentrum Oldschool Society (OSS) ................. 42, 47 f., 55 (Cyber-AZ) .........................................................248 f. Omar, Mullah ..................................................... 167 Nationale Sicht (Milli Görüs) ....................... 203 Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK - National Journal ...................................................60 Dogu Anadolu Bölge Komitesi) .................. 237 National Security Agency (NSA, US-ameriÖzgür Gelecek (Publikation) ....................... 237 kanischer militärischer technischer Nachrichtendienst) ..................................................... 263 P Nationalsozialismus ......................... 82, 86 f., 90 PALESTINE (Onlinemagazin) ..................... 188 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ...................................................................16, 47 Partei der Nationalistischen Bewegung (Milliyetci Hareket Partisi, MHP) ...226 f., 240 Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye (NAV-DEM - Demokratisches Parteiverbotsverfahren .....................................73 Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V.) ............................ 218, 220, 232 Partinin Sesi (Stimme der Partei, Publikation) ......................................................... 238 Neonazis ...................................42 f., 45, 63, 67, 86 Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - ArbeiterNeue antikapitalistische Organisation partei Kurdistans) ...101 f., 129, 209 ff., 227 f., (NaO) ..........................................94, 101, 112, 128 f. 230 ff., 241, 288 Neue Gemeinschaft von Philosophen .......59 Partizan-Flügel ...............................................236 f. 303 REGISTER Pastörs, Udo ............................................................70 Reichsbewegung im Kulturkampf (Internetportal) .....................................................59 PEGIDA .........................................................54, 64 ff. Reideologisierung ............................................ 109 PEGIDA Franken ..................................................66 Reker, Henriette ...................................................49 Personenbezogene Gewalt ........................... 104 Resurgence (Onlinemagazin) ...................... 185 Perspektif (Publikation) ................................. 205 Revolutionäre Aktion Stuttgart (RAS) .... 130 Perspektive Kommunismus (PK) ...94, 112 f., 119 f., 130 f. Revolutionäre Gewalt .....................92, 103, 110 Position (Publikation) ..................................... 134 Revolutionäre Perspektive Berlin (RPB) ....................................................................... 130 Postautonome .................................................... 110 Revolutionärer Weg (Publikation) ............ 135 Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg (PRP HH) ............................................................... 130 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C - Devrimci Halk Kurtulus Proliferation ...............................................264, 275 Partisi-Cephesi) ...... 209 ff., 221 ff., 234 f., 289 Propaganda ...48, 55, 61 f., 98, 152, 157 ff., 165, Revolutionär Sozialistischer Bund 168, 170, 176, 178 ff., 186, 194, 217, 255, 290 (RSB) ........................................................................ 128 Prophet Muhammad ...................................... 171 Revolutionary Guards Intelligence Department (RGID, Nachrichtendienst Publikationsverbot .......................................... 224 der iranischen Revolutionsgarde) ............. 279 REVOLUTION (REVO) ....................... 128, 222 f. R Richter, Sebastian ................................................83 Ramezani, Reza .................................................. 202 Riefling, Ricarda ...................................................84 realistisch und radikal (Publikation) ....... 141 Ring Nationaler Frauen (RNF) ................81, 84 REBELL (Jugendverband) ..........................135 f. Risalat al-Ikhwan (Publikation) ................. 199 REBELL (Publikation) ..................................... 136 Rodermund, Paul .............................................. 134 Rechtsextremistische Musik ..........................51 Rojava (Westkurdistan) ............101 f., 129, 209 Rechtsextremistischer Terrorismus/ Rechtsterrorismus ........................................42, 47 Roj TV A/S ............................................................ 291 redical [m], Göttingen ..................................... 126 Rote Aktion Köln/Berlin ............................... 125 304 REGISTER Rote Aktion Mannheim (RAM) .................. 130 Scientology-Organisation (SO) ............. 281 ff. Rote Antifa [NRW] ............................................ 125 Serxwebun (Unabhängigkeit, Publikation) ................... 230 Rote Fahne (Publikation) .............................. 135 Shahid-Stiftung ................................................. 182 Rote Flora ............................................................. 101 Sikh Federation Germany (SFG) ................ 244 Rote Hilfe e.V. (RH) ........................ 100, 137, 233 Sikh Federation International Germany Rückkehrer .................................................152, 163 (SFIG) ...................................................................... 244 Solidarität (Publikation) ................................ 139 S Source .................................................................... 284 Saadet Partisi (SP) ............................................. 204 Sozialismus .............. 87, 112, 129, 135 f., 144 f., Saad, Maulana Ibrahim .................................. 201 221 f., 238 Sada al-Malahem (Onlinemagazin) .......... 188 sozialismus.info (Publikation) .................... 139 Sag NEIN zu Drogen - Sozialistische Alternative (SAV) ........139, 143 Sag JA zum Leben ....................................282, 285 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend Salafismus .......................150, 153, 170 ff., 175 f. (SDAJ) .............................................................132, 134 Salafisten/salafistisch ......43, 48, 66, 69, 150 f., Sozialistische Einheitspartei Deutschlands 153, 171 ff., 178, 181, 196, 211, 214 (SED) ...............................................................133, 144 Salafistische Prediger ....................... 173 ff., 178 Sozialistische Linke (SL) ........................141, 146 SALAM! Zeitschrift für junge Muslime Sterka Ciwan (Stern der Jugend, (Publikation) ....................................................... 202 Publikation) ......................................................231 f. Schadsoftware ............................248, 250 ff., 274 Sterk TV (Fernsehsender) .............................. 230 Scharia (islamische Rechtsordnung) ...158 f., Stop G7 (Aktionsbündnis) ...................112, 120 171, 190 f., 198 Straßenkrawalle ................................................ 105 Schiiten/schiitisch ...............152, 179, 193, 202 Strategiedebatte ................................................ 107 Schölzel, Arnold ................................................ 147 Strukturdaten ............. 14, 19, 81, 124, 185, 230 Schreiber, Peter .....................................................85 Subkulturell geprägte Scientology Kirche Deutschland e.V. Rechtsextremisten ..............................................45 (SKD) ....................................................................... 284 305 REGISTER Sunnitisch ...................................................197, 199 Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung (TKIH - Türk Komünist Susaningulleri (Onlinemagazin) ................ 197 Isci Hareketi) ....................................................... 238 SWR (russischer ziviler Türkische Volksbefreiungspartei/-Front Auslandsnachrichtendienst) ....................... 275 (THKP/-C) ............................................................ 289 T U Tablighi Jama'at (TJ - Gemeinschaft der Ülkücü-Bewegung (Idealisten-Bewegung) Verkündigung und Mission) ..............155, 201 ......................................209, 215, 225 ff., 229, 239 ff. Taleban ...............................................................167 f. Ülkücü-Jugendbewegung ....................239, 241 Tauhid Germany (TG) ........................ 181 f., 293 Umar, Ahmad (alias Abu Ubaidah) ........... 189 Tavir (Haltung, Publikation) ........................ 234 Umar, Asim .......................................................... 191 The Auditor ......................................................... 284 Umarov, Dokku ................................................. 195 the future is unwritten, Leipzig ................. 126 Umma .................................................................... 198 Theorie21 (Publikation) ................................. 146 ums Ganze! - Kommunistisches Bündnis .............................. 94, 109, 115 ff., 126 f. Theorie. Organisation. Praxis (TOP B3rlin) ......................................................... 126 Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK - Koma Civaken Kurdistan) ...212, 220, THÜGIDA .............................................. 66, 72 f., 76 230 TKP/ML-Hareketi (Bewegung) ................... 238 Union islamischer Gerichtshöfe (UIG) ... 189 Tschetschenische Republik Itschkeria unsere zeit (uz, Publikation) ........................ 132 (CRI) ......................................................................195 f. Urbanes Phänomen ......................................... 103 Turan .............................................................225, 239 Ustaosmanoglu, Mahmud ............................ 204 Türkische Hizbullah (TH) ....................155, 197 Uzuncelebi, Halit .............................................. 235 Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML - Türk Komünist Partisi/Marksist Leninist) ...... 211, V 236 Verband anatolischer türkische Nationalisten ................................. 240 Volkskulturvereine e.V. .................................. 235 306 REGISTER Verdeckte Informationsbeschaffung ..... 258, Worch, Christian ....................................... 75 f., 86 270 World Institute of Scientology Enterprises Vereinigung der neuen Weltsicht in (WISE) ..................................................................... 285 Europa e.V. (AMGT) .......................................... 205 Wortergreifungsstrategie .................................73 Verlag 8. Mai GmbH ........................................ 147 Vier-Säulen-Strategie ........................................82 Y VIKO Fernseh Produktion GmbH ............ 291 YATIM-Kinderhilfe e.V. .........................194, 290 V-Leute .....................................................................17 Yekitiya Komalen Kurd Li Elmanya (YEK-KOM - Föderation Kurdischer Voigt, Udo ................................................................71 Vereine in Deutschland e.V.) ........................ 232 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL - Yeni Özgür Politika (YÖP - Neue Freie Kongra Gele Kurdistan) ................................. 230 Politik, Tageszeitung) ...................................... 230 Volksverteidigungseinheiten ( YPG - YürüyüS (Marsch, Publikation) ...... 224 f., 234 Yekineyen Parastina Gel) ................. 101 f., 129 Volksmodjahedin Iran-Organisation Z (MEK) ...................................................................261 f. Zakaev, Ahmed .................................................. 195 W Zeitung zum Revolutionären 1. Mai 2015 ........................................................... 130 Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) .................................................. 182, 192, 292 Zwischenstandspapier ..........................109, 124 Wanderausstellungen ........................................20 Wechselwirkungen ............43, 69, 93, 176, 210 2PLA (chinesischer militärischer Inund Auslandsnachrichtendienst) .............. 277 Wehrhafte Demokratie ................................. 13 f. [3A]*Revolutionäres Bündnis ..........94, 111 f., Weisse Wölfe Terrorcrew (WWT) .................48 119, 125 Wirtschaftsschutz ..........................................267 f. 3PLA (chinesischer militärischer technischer Nachrichtendienst) ................ 277 Wirtschaftsspionage ...........258, 267, 269, 276 Wirtschaftsund Finanzbüro (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu) ........ 219 Wolfsgruß .............................................. 226 ff., 241 307 REGISTERANHANG Registeranhang zum Verfassungsschutzbericht 2015 In diesem Registeranhang sind die im vorliegenden Verfassungsschutzbericht genannten Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt. Gruppierungen Seitenzahl A al-Aqsa e.V. 182, 194, 289 al-Manar TV (Fernsehsender) 192, 291 Almanya Demokratik Ülkücü Türk 226 Dernekleri Federasyonu (ADÜTDF - Föderation der TürkischDemokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.) al-Qaida 150, 152, 155 f., 167 ff., 185 ff. al-Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) 155, 167, 191 al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) 155, 169, 188 al-Qaida im Irak 186 al-Qaida im islamischen Maghreb (AQM) 155, 187 al-Qaida im Jemen (AQJ) 188 al-Shabab 155, 169 f., 189 Anadolu Federasyonu (Anatolische Föderation) 210, 224, 234 f. Anatolische Föderation (Anadolu Federasyonu) 210, 224, 234 f. an-Nussrah 292 Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB) 101, 128 f. Antifa AK Köln 126 Antifa NT, München 126 f. Antikapitalistische Aktion Bonn (AKAB) 125 Antikapitalistische Linke (AKL) 139, 143 Antikapitalistische Linke München (al[m]) 130 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya Karkeren Kurdistan) 101 f., 129, 209 ff., 212 ff., 227 f., 230 ff., 241, 288 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)/Nationale Befreiungsfront 288 Kurdistans (ERNK) und Teilorganisationen Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) 142 Association for Better Living & Education (ABLE) 285 AZADI e.V. Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in 233 Deutschland (AZADI e.V.) 308 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl B Babbar Khalsa Germany (BKG) 244 Babbar Khalsa International (BKI) 243 f. Basisgruppe Antifaschismus, Bremen 126 Bauernhilfe e.V. 290 Blood & Honour (B&H) 289 Bremer Hilfswerk e.V. 290 Berxwedan Jiyan E - Widerstand ist Leben 130 Bürgerbewegung pro Köln e.V 45, 78 Bürgerbewegung pro NRW (pro NRW) 45, 65, 78, 88 Bürgerwehr FTL/360 49 C Church of Scientology International (CSI) 284 Ciwanen Azad (Freie Jugend; lang: Tevgera Ciwanen Azad a 214 f., 230 ff. Kurdistane - Bewegung der freien Jugend Kurdistans) Collegium Humanum (CH) 290 Committee for a Worker's International (CWI) 139 critique'n'act, Dresden 126 D DawaFFM 292 Dawa Team Islamische Audios 292 Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in 218, 220, 232 Deutschland e.V. (NAV-DEM) Der III. Weg 43 ff., 57, 59, 63, 76 f., 79 f., 87 f. Deutsche Alternative (DA) 288 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 111, 132 ff. Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH (DS Verlag) 81, 85 Deutsche Widerstands Bewegung (DWB) 53 f. Deutschlandvertretung der Saadet Partisi (SP) 204 Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (DHKP-C - 209 ff., 221 ff., 234 f., 289 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) Devrimci Sol (Revolutionäre Linke - Organisation) 234, 289 DIE RECHTE 43 ff., 48, 53, 59, 61, 63, 66, 74 ff., 79 f., 86 Die Wahre Religion (DWR) 153, 172 f. 309 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl E Ekonomi ve Maliye Bürosu 219 (EMB - Wirtschaftsund Finanzbüro) Erbakan-Stiftung 204 Europäische Aktion (EA) 58, 66, 76, 89 Europavertretung der Erbakan-Stiftung 204 F Farben für Waisenkinder e.V. 182 f., 192, 292 Fast Forward, Hannover 126 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen 288 aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FEYKA-Kurdistan) Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in 210, 226 ff., 239 f. Deutschland e.V. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu) Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V. 232 (YEK-KOM - Yekitiya Komalen Kurd Li Elmanya) Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 289 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK - 230 Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane) G GegenStandpunkt 138 Gemeinschaft der Jugend (Komalen Ciwan) 230 ff. Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan 230 (KKK - Koma Komalen Kurdistan) Gruppe Arbeitermacht (GAM) 128 H Harakat al-Muqawama al-Islamiya 150, 154 f., 183, 193 f., (HAMAS - Islamische Widerstandsbewegung) 199, 289 Heimattreue Deutsche Jugend - Bund zum Schutz für Umwelt, 291 Mitwelt und Heimat e.V. (HDJ) Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren 291 Angehörige e.V. (HNG) Hizb Allah (Partei Gottes) 150, 154 f., 179, 182 f., 192 f. Hizb ut-Tahrir (HuT) 155, 198, 290 310 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl I Idealisten-Bewegung (Ülkücü-Bewegung) 209, 215, 225 ff., 239 ff. International Association of Scientologists (IAS) 285 Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V. (IHH) 182, 291 Internationale sozialistische Linke (isL) 128 International Sikh Youth Federation (ISYF) 244 Internationaler Jugendverein - Dar al Schabab e.V. 292 Interventionistische Linke (IL) 94, 102, 109 ff., 113, 115, 119 ff. Islamische Audios 176, 292 Islamische Bewegung Usbekistans (IBU) 168 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 155, 199 f. Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) 154 f., 205 Islamischer Staat (IS) 101 f., 150 ff., 164 ff., 168, 180, 182 ff., 186, 190, 196, 209, 212 f., 216, 218, 220, 292 Islamischer Staat im Irak 292 Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien 292 Islamischer Staat - Khorasan Provinz (ISKP) 168 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. (IZH) 155, 202 Ismail Aga Cemaati (IAC) 204 J Jabhat al-Nusra (JaN) 155 f., 190 Jugend für Menschenrechte (Youth for Human Rights) 283, 285 Junge Nationaldemokraten (JN) 58, 63, 73, 81, 83 K Kalifatsstaat 289 Kaukasisches Emirat (KE), siehe auch NKSB 195 f. Koma Civaken Kurdistan 212, 220, 230 (KCK - Union der Gemeinschaften Kurdistans) Koma Komalen Kurdistan 230 (KKK - Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan) Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Jugend) 230 ff. Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen 283, 285 Menschenrechte e.V. (KVPM) Kommunalpolitische Vereinigung der NPD (KPV) 81, 84 311 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE (KPF) 140 KONGRA GEL (Volkskongress Kurdistans) 230 Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane 230 (KADEK - Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans) Kritik&Praxis 126 Kurdistan Informationsbüro (KIB) 288 alias Kurdistan Informationsbüro in Deutschland Kurdistan-Komitee e.V. 288 L LevelUP 126 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 211, 242 Linke Aktion Villingen-Schwenningen 130 Linke Presse VerlagsFörderungsund 147 Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G. M Magida 2.0 66 Maoistische Kommunistische Partei 236 f. (MKP - Maoist Komünist Partisi) Marksist Leninist Komünist Parti (MLKP - Marxistische Leninis102, 211, 238 tische Kommunistische Partei) marx21 146 Marxistische Leninistische Kommunistische Partei 102, 211, 238 (MLKP - Marksist Leninist Komünist Parti) Marxistisches Forum (MF) 144 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 102, 111, 135 f. Mesopotamia Broadcast A/S 291 Millatu Ibrahim (MI) 181, 292 f. Milli Görüs-Bewegung 150, 154 f., 177, 203 ff. Muslimbruderschaft (MB) 155, 199 f. Muslimische Jugend in Deutschland e.V. (MJD) 200 MVGIDA 66, 72 N Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 288 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 43 ff., 51, 58, 60 f., 63, 66 f., 70 ff., 79, 81 ff., 106 Nationale Offensive (NO) 288 Nationalistische Front (NF) 288 312 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) 16, 47 Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye 218, 220, 232 (NAV-DEM - Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V.) Neue antikapitalistische Organisation (NaO) 94, 101, 112, 128 f. Neue Gemeinschaft von Philosophen 59 Nordkaukasische Separatistenbewegung (NKSB) 155, 195 O Office of Special Affairs (OSA) 285 Oldschool Society (OSS) 42, 47 f., 55 P Partei der Demokratischen Union 129 (PYD - Partiya Yekitiya Demokrat) Partiya Karkeren Kurdistan 101 f., 129, 209 ff., 227 f., (PKK - Arbeiterpartei Kurdistans) 230 ff., 241, 288 Partiya YekitA(r)ya Demokrat 129 (PYD - Partei der Demokratischen Union) PEGIDA Franken 66 Perspektive Kommunismus (PK) 94, 112 f., 119 f., 130 f. Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg (PRP HH) 130 R REBELL 135 f. redical [m] 126 Revolutionäre Aktion Stuttgart (RAS) 130 Revolutionäre Linke (Devrimci Sol) 234, 289 Revolutionäre Perspektive Berlin (RPB) 130 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C - Devrimci 209 ff., 221 ff., 234 f., 289 Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB) 128 REVOLUTION (REVO) 128, 222 f. Ring Nationaler Frauen (RNF) 81, 84 Roj TV A/S 291 Rote Aktion Köln/Berlin 125 Rote Aktion Mannheim (RAM) 130 Rote Antifa [NRW] 125 Rote Hilfe e.V. (RH) 100, 137, 233 Rückkehrer 152, 163 313 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl S Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben 282, 285 Scientology Kirche Deutschland e.V. (SKD) 284 Scientology-Organisation (SO) 281 ff. Shahid-Stiftung 182 Sozialistische Alternative (SAV) 139, 143 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 132, 134 Sozialistische Linke (SL) 141, 146 T Tablighi Jama'at 155, 201 (TJ - Gemeinschaft der Verkündigung und Mission) Taleban 167 f. Tauhid Germany (TG) 181 f., 293 the future is unwritten, Leipzig 126 Theorie. Organisation. Praxis (TOP B3rlin) 126 THÜGIDA 66, 72 f., 76 Tschetschenische Republik Itschkeria (CRI) 195 f. Türk Komünist Partisi/Marksist Leninist (TKP/ML - Türkische 211, 236 Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten 211, 236 (TKP/ML - Türk Komünist Partisi/Marksist Leninist) Türkische Volksbefreiungspartei/-Front (THKP/-C) 289 U Ülkücü-Bewegung (Idealisten-Bewegung) 209, 215, 225 ff., 229, 239 ff. Ülkücü-Jugendbewegung 239, 241 ums Ganze! - Kommunistisches Bündnis 94, 109, 115 ff., 126 f. Union der Gemeinschaften Kurdistans 212, 220, 230 (KCK - Koma Civaken Kurdistan) Union islamischer Gerichtshöfe (UIG) 189 V Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust 291 Verfolgten (VRBHV) Verlag 8. Mai GmbH 147 VIKO Fernseh Produktion GmbH 291 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) 230 314 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Volksverteidigungseinheiten (YPG - Yekineyen Parastina Gel) 101 f., 129 W Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) 182 f., 192, 292 Weisse Wölfe Terrorcrew (WWT) 48 White Youth 289 Wiking-Jugend e.V. (WJ) 288 Wirtschaftsund Finanzbüro 219 (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu) World Institute of Scientology Enterprises (WISE) 285 Y YATIM-Kinderhilfe e.V. 194, 290 Yekitiya Komalen Kurd Li Elmanya (YEK-KOM - Föderation 232 Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) Yeni Akit GmbH 290 Verlegerin der Europa-Ausgabe der türkischsprachigen Tageszeitung " Anadoluda Vakit" [3A]*Revolutionäres Bündnis 94, 111 f., 119, 125 315 Bildnachweis S. 48 https://www.facebook.com/pages/Oldschool-Society S. 48 dpa S. 49 https://www.facebook.com/Bürgerwehr-FTL-360 S. 54 https://www.facebook.com/Freies-Deutschland S. 58 https://facebook.com/junge.nationalisten/photos S. 59 https://www.facebook.com/pages/Die-Rechte-Kreisverband-Hamm S. 62 https://www.facebook.com/npd.sachsen/photos S. 65 dpa S. 66 https://linksunten.indymedia.org S. 66 https://de-de.facebook.com/dortmundsrechte S. 67 https://www.facebook.com/events/ S. 71 www.npd-materialdienst.de S. 71 https://www.facebook.com/npd.berlin S. 73 dpa S. 73 dpa S. 74 www.facebook.com/dortmundsrechte S. 76 www.der-dritte-weg.info S. 78 www.pro-nrw.net S. 97 https://linksunten.indymedia.org S. 98 https://linksunten.indymedia.org S. 98 https://linksunten.indymedia.org S. 100 http://miraberlin.blogsport.eu S. 100 http://wirbleibenalle.blogsport.de S. 101 http://arab.blogsport.de S. 101 http://arab.blogsport.de S. 103 https://linksunten.indymedia.org S. 103 http://roteszenehamburg.blogsport.de S. 115 dpa S. 116 https://beyondeurope.net S. 116 dpa 316 BILDNACHWEIS S. 118 http://www.stop-g7-elmau.info S. 119 http://perspektive-kommunismus.org S. 120 https://linksunten.indymedia.org S. 120 dpa S. 121 https://www.ende-gelaende.org S. 151 Internetforum SHUMUKH AL-ISLAM S. 158 https://shamikh1.info/vb/showthread.php?t=250816 S. 159 https://shamikh1.info/vb/showthread.php?t=250816 S. 160 https://shamikh1.info/vb/showthread.php?t=250816 S. 166 dpa S. 173 www.facebook.com/diewahrereligion S. 173 www.facebook.com/PierreVogelOffiziell S. 174 www.facebook.com/erolishaqselmani Facebookseite von "Siegel der Propheten" S. 217 http://navdem.com S. 217 https://www.facebook.com S. 220 http://www.kurdistan.blogsport.de S. 222 http://yuruyus.biz S. 224 http://halkinsesitv-2.blogspot.de S. 226 dpa S. 226 https://www.facebook.com S. 228 https://www.facebook.com S. 248 BfV S. 248 dpa S. 248 dpa S. 255 dpa S. 258 dpa S. 265 dpa S. 282 www.presse-scientology-berlin.de S. 282 www.facebook.com/scientology.berlin 317 Impressum Herausgeber: Bundesministerium des Innern Alt-Moabit 140 10557 Berlin Redaktion: Bundesamt für Verfassungsschutz Druck: Werbedruck GmbH Horst Schreckhase, Spangenberg Der Verfassungsschutzbericht 2015 ist auch über das Internet abrufbar, unter: www.bmi.bund.de www.verfassungsschutz.de ISSN: 0177-0357 Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. 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