Verfassungs schutz bericht 2001 1997 Verfassungsschutz durch Aufklärung Linksextremistische Bestrebungen Rechtsextremistische Bestrebungen Betrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Gesetzestexte Sabotageschutz Scientology Organisation Gesetzestexte Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 ISSN: 0177-0357 2 Impressum Herausgeber: Bundesministerium des Innern Berlin: Alt-Moabit 101 D, 10559 Berlin August 2002 Hinweis: Der Verfassungsschutzbericht 2001 ist auch über das Internet abrufbar: http://www.bmi.bund.de http://www.verfassungsschutz.de Herstellung: Bercker Graphischer Betrieb, Kevelaer Bildnachweis: dpa u. a. 3 Vorwort des Bundesministers des Innern Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, demokratische Gesellschaften sind offene Gesellschaften. Das ist ihre Stärke, macht sie jedoch auch verletzlich. Kennzeichnend für moderne pluralistische Staaten sind sowohl ein hohes Sicherheitsals auch ein ausgeprägtes Freiheitsbedürfnis. Beiden Ansprüchen Rechnung zu tragen, ist die vordringliche Aufgabe von Staat und Politik. Sicherheit und Freiheit sind in einer liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie keine Gegensätze, sondern bedingen einander. Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist ein durch die Grundwerte unserer Verfassung vorgegebener Auftrag, der Freiraum für politische und soziale Veränderungen lässt. Die Gewährleistung der Grundrechte, der demokratischen Willensund Entscheidungsbildung sowie friedlicher Verfahren der Konfliktbewältigung bilden den Kern des demokratischen Gemeinwesens. Der Schutz von Demokratie und Verfassung ist Teil des rechtsstaatlichen Sicherheitssystems; dies wurde aufgrund der Erfahrungen mit der totalitären NS-Diktatur zur Bewahrung der offenen Gesellschaft als notwendig erkannt. Rechtsstaat und innere Sicherheit in Deutschland werden seit jeher von einzelnen Gruppen, Organisationen und Parteien mit verfassungsfeindlichen Zielen bedroht. Doch mit den Anschlägen islamistischer Extremisten in den USA am 11. September 2001 demonstrierte eine fanatisierte, mit extrem krimineller Energie agierende Terrorgruppe unter missbräuchlicher Berufung auf den Islam eine neue Dimension des Hasses, der Feindschaft und der Menschenverachtung. Wir wenden uns - unabhängig von Versuchen ideologischer oder religiöser Rechtfertigung - mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates gegen Terrorismus und seine Wegbereiter in unserem Land. Die Bundesregierung hat unmittelbar nach den Anschlägen in den USA eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Die terroristische Bedrohung erforderte die Anpassung zahlreicher nationaler Gesetze und internationaler Vereinbarungen gegen den Terror. Grundlage hierfür bilden vor allem die Resolutionen des Sicherheitsrats der Ver- 4 einten Nationen vom 12. September 2001. Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus verlangt unser gemeinsames Engagement für Frieden und Völkerverständigung im internationalen Verbund. Unser Ziel ist die Gewährleistung der Menschenrechte, der geistigen Freiheit, des Rechtsstaates und der Achtung der Würde des Menschen. In Deutschland leben mehr als drei Millionen Menschen, die von unterschiedlichen islamischen Traditionen geprägt sind. Muslime sind Teil der deutschen Gesellschaft. Die Bundesregierung setzt sich für den interkulturellen Dialog, für Aufklärung, für Verständnisbereitschaft und geistige Offenheit zur gemeinsamen Festigung des Verfassungskonsenses ein. Die Bundesregierung sieht sich aber auch veranlasst, denjenigen deutliche Grenzen aufzuzeigen, die nicht gewillt sind, diesen demokratischen Konsens zu akzeptieren. Deshalb habe ich im Dezember 2001 die islamistische Vereinigung "Kalifatsstaat" verboten. Der vorliegende Verfassungsschutzbericht informiert Sie, die interessierten Bürgerinnen und Bürger, über verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2001. Er beschreibt unter anderem auch die Reaktionen von extremistischen Gruppierungen und Parteien in Deutschland auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Eine wehrhafte Demokratie hängt auch vom Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger gegen Rassismus, Antisemitismus und Extremismus ab. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, für Demokratie, Freiheit und den gesellschaftlichen Frieden einzutreten. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich eine wachsende Zahl zivilgesellschaftlicher Initiativen in unserem Land für die Bewahrung der Grundwerte unseres Zusammenlebens einsetzt. Ich danke in diesem Zusammenhang auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz für ihren unverzichtbaren Einsatz zur Bewahrung unserer Demokratie. Otto Schily Bundesminister des Innern 5 Inhaltsverzeichnis Strukturdaten I. Strukturdaten gemäß SS 16 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz. . . . 11 1. Bundesamt für Verfassungsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Militärischer Abschirmdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Weitere Strukturdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Verfassungsschutz und Demokratie I. Verfassungsschutz im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Verfassungsschutzbehörden - Aufgaben und Befugnisse . . . . . . . . . . . 15 III. Kontrolle des Verfassungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 IV. Verfassungsschutzbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 V. Verfassungsschutz durch Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Rechtsextremistische Bestrebungen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Ideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Entwicklungen im Rechtsextremismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Reaktionen von Rechtsextremisten auf die Terroranschläge in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4. BfV-Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Übersicht in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Organisationen und Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.1 Neues Definitionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2 Politisch motivierte Strafund Gewalttaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.3 Rechtsextremistische Strafund Gewalttaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.3.2 Zielrichtungen der Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund . . . 38 2.3.3 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Gewaltbereite Rechtsextremisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Rechtsextremistisches Gewaltpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Bewaffnung und Gewaltdiskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Rechtsextremistische Skinhead-Szene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 6 3.1 Bundesweit aktive Skinhead-Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.2 Rechtsextremistische Skinhead-Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.3 Vertrieb von Skinhead-Musik und sonstigen Skinhead-Materialien . . . 51 3.4 Skinhead-Fanzines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. Neonazismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Neonazistische Kameradschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 V. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) . . . . . . . . . . . . 62 1.1 Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1.2 Organisation und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1.3 Verbotsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1.4 "Junge Nationaldemokraten" (JN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Deutsche Volksunion (DVU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.1 Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.2 Organisation und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Partei "Die Republikaner" (REP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.1 Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.2 Organisation und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4. Rechtsextremistische Kleinparteien und Wählervereinigungen. . . . 114 VI. Intellektualisierungsbemühungen im Rechtsextremismus . . . . . . . . . . 114 VII. Revisionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 VIII. Internationale Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Internationale Treffen und Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Zusammenarbeit deutscher und niederländischer Rechtsextremisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Sonstige Einflüsse ausländischer rechtsextremistischer Aktivisten . . 125 3.1 Der Revisionist Ernst ZÜNDEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3.2 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 IX. Agitationsund Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Periodische Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste. . . . . . . . . 127 3. Neue Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 7 3.1 Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3.2 Rechtsextremistische Parteien im Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3.3 Parteiunabhängige rechtsextremistische Info-Telefone . . . . . . . . . . . 135 X. Übersicht über wesentliche organisationsunabhängige Verlage und Presseerzeugnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Linksextremistische Bestrebungen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Entwicklungen im Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Übersicht in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Organisationen und Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Linksextremistische StrafundGewalttaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Gewalttätiger Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Autonome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1.1 Potenzial und Selbstverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1.2 Organisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1.3 Aktionsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1.4 Autonome Strukturen mit terroristischen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . 154 2. Traditionelle Anarchisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Parteien und sonstige Gruppierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld . . . . . . . . . . . 158 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN - BdA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1.3 Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1.3.1 "Marx-Engels-Stiftung e. V." (MES). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1.3.2 "Bundesausschuss Friedensratschlag" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2.1 Ideologische und programmatische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 166 2.2 Extremistische Strukturen in der PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2.3 Zusammenarbeit mit deutschen Linksextremisten außerhalb der Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2.4 Internationale Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) . . . . . . . . . . 172 4. Trotzkistische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5. "Rote Hilfe e. V." (RH). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 6. "Bund der Antifaschisten (Dachverband) e .V." (BdA). . . . . . . . . . . . . 174 8 V. Aktionsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Reaktionen von Linksextremisten auf die Terroranschläge in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. "Antifaschismus" und "Antirassismus" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Proteste gegen "Globalisierung" und "Neoliberalismus" . . . . . . . . . . 185 4. Kampagne von Linksextremisten gegen Kernenergie . . . . . . . . . . . . 186 VI. Agitationsund Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Verlage, Vertriebe und periodische Publikationen . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. Übersicht in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Organisationen und Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Extremistische Strafund Gewalttaten aus dem Bereich des Ausländerextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 III. Ziele und Aktionsschwerpunkte einzelner Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Araber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1.1 "Arabische Mujahedin" (Kämpfer für die Sache Allahs). . . . . . . . . . . 200 1.2 "Al-Qaida" (Die Basis). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1.3 Ägyptische islamistische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1.4 Algerische islamistische Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1.5 Weitere islamistische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1.5.1 Muslimbruderschaft (MB)/Islamische Zentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1.5.2 "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/ "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1.5.3 "Hizb Allah" (Partei Gottes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Türken (ohne Kurden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2.1 Türkische Islamisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2.1.1 Der "Kalifatsstaat", auch "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln" (ICCB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2.1.2 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) . . . . . . . . . . . . . 213 2.2 Linksextremisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2.2.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) . . . . . . . . . . . 222 2.2.2 "Türkische Volksbefreiungspartei/ -Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol). . . . . . . . . . . 225 9 2.2.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) . . 227 2.2.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) . . . . . . . 229 3. Kurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3.2.1 Allgemeine Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3.2.2 Organisatorische Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3.2.3 Propaganda der PKK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3.2.4 Finanzielle und wirtschaftliche Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3.2.5 Strafverfahren gegen führende Funktionäre der PKK . . . . . . . . . . . . 238 4. Iraner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 5. Tamilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 6. Kosovo-Albaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 7. Annex: Schleusungsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 IV. Agitationsund Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Periodische Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Neue Kommunikationsmedien/Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 V. Übersicht über weitere erwähnenswerte Organisationen . . . . . . . . . . . 248 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 II. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation . . . 250 1. Aktuelle Situation und Aufgaben der Dienste, personelle und strukturelle Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Aufklärungsziele und Methoden der russischen Nachrichtendienste . . . 254 3. Die Legalresidenturen der russischen Nachrichtendienste . . . . . . . . 256 III. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der übrigen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 IV. Aktivitäten von Nachrichtendiensten aus Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Iranische Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Syrische Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Irakische Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Libysche Nachrichtendienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 10 V. Aktivitäten fernöstlicher Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Chinesische Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Nordkoreanische Nachrichtendienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 VI. Proliferation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 VII. Festnahmen und Verurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Geheimschutz, Sabotageschutz 270 "Scientology-Organisation" (SO) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 3. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4. Auftreten in der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Erläuterungen und Dokumentation I. Fußnoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Gesetzestexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 III. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 IV. Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Strukturdaten 11 I. Strukturdaten gemäß SS 16 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz 1. Bundesamt für Verfassungsschutz Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt im Jahr 2001 betrug 115.270.837,60 EUR (2000: 113.340.239,07 EUR). Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte 2.097 (2000: 2.085) Bedienstete. 2. Militärischer Abschirmdienst Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt im Jahr 2001 betrug 61.740.900 EUR (2000: 62.203.259 EUR). Der Militärische Abschirmdienst hatte 1.285 (1999: 1.280) Bedienstete II. Weitere Strukturdaten Anfang 2002 waren von Bund und Ländern gemeinsam im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 925.650 (Anfang 2001: 972.915) personenbezogene Eintragungen enthalten, davon 499.000 Eintragungen (53,9 %) aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen (Anfang 2001: 50,1 %). Bericht 2001 12 Strukturdaten Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 14 Verfassungsschutz und Demokratie I. Verfassungsschutz im Grundgesetz Das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland gewährt den Bürgerinnen und Bürgern eine Vielzahl an Freiheitsrechten. Dazu gehören das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG). Diese Rechte stehen selbst Gegnern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Staates zu. Eine klare Grenze bei der Inanspruchnahme dieser Rechte ist allerdings dort zu ziehen, wo deutlich erkennbar wird, dass sie zur Durchsetzung politischer Ziele missbraucht werden, um die freiheitliche demokratische Grundordnung zu untergraben und damit das Fundament dieser Freiheitsrechte zu beseitigen. Die leidvollen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Untergang der Weimarer Republik, deren Verfassung keine wirksamen Abwehrmechanismen vorsah, haben dazu geführt, dass im Grundgesetz das Prinzip der wehrhaften und abwehrbereiten Demokratie verankert worden ist. "wehrhafte Dieses Prinzip ist durch drei Wesensmerkmale gekennzeichnet: Demokratie" 1 - die Wertegebundenheit, d. h., unser Staat bekennt sich zu Werten, denen er eine besondere Bedeutung beimisst und die deshalb nicht zur Disposition stehen, - die Abwehrbereitschaft, d. h., der Staat ist gewillt, diese wichtigsten Werte gegenüber extremistischen Positionen zu verteidigen, und - die Vorverlagerung des Verfassungsschutzes, d. h., der Staat reagiert nicht erst dann, wenn Extremisten gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Das Prinzip der wehrhaften und abwehrbereiten Demokratie findet in einer Reihe von Vorschriften des Grundgesetzes deutlichen Ausdruck: - Art. 79 Abs. 3 GG bestimmt, dass wesentliche Grundsätze der Verfassung - darunter der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG - unabänderlich und damit einer Änderung auch durch den Verfassungsgesetzgeber entzogen sind. - Nach Art. 21 Abs. 2 GG können Parteien vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden, wenn sie darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. - Art. 9 Abs. 2 GG bestimmt, dass Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten sind. - Nach Art. 18 GG kann das Bundesverfassungsgericht die Verwirkung bestimmter Grundrechte aussprechen, wenn sie zum Kampf Verfassungsschutz und Demokratie 15 gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden. - Art. 73 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG sind die Grundlage dafür, dass die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder eingerichtet worden und berechtigt sind, für Zwecke des Verfassungsschutzes Unterlagen u. a. über Bestrebungen zu sammeln, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. II. Verfassungsschutzbehörden - Aufgaben und Befugnisse Hauptsächliche Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes Aufgaben und der Länder ist nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz die Sammlung und Auswertung von Informationen über - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes für eine fremde Macht, - Bestrebungen im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002, mit dem der Gesetzgeber auf die Anschläge in den USA am 11. September 2001 reagiert hat, wurde den Verfassungsschutzbehörden darüber hinaus die Sammlung und Auswertung von Informationen zugewiesen über - Bestrebungen im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörden gewinnen die zur Erfüllung Informationsihrer Aufgaben für sie wichtigen Informationen in erster Linie aus gewinnung offen zugänglichen Quellen. Sofern das nicht möglich oder nicht effektiv ist, dürfen sie sich im Rahmen gesetzlich genau festgelegter Befugnisse und unter Wahrung des Grundsatzes der VerhältBericht 2001 16 Verfassungsschutz und Demokratie nismäßigkeit so genannter nachrichtendienstlicher Mittel bedienen. Hierzu gehören etwa der Einsatz geheimer Informanten, die Observation, Bildund Tonaufzeichnungen außerhalb des Schutzbereichs der Wohnung sowie die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10Gesetz - G 10). Um der Bedrohungslage nach dem 11. September gerecht zu werden, wurden die Befugnisse des BfV durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus ausgeweitet. U. a. wurden dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) unter engen Voraussetzungen Auskunftsrechte eingeräumt gegenüber Finanzunternehmen, Luftfahrtunternehmen, Postdienstleistungsunternehmen sowie Telekommunikationsdiensten und Telediensteunternehmen. SicherheitsDarüber hinaus haben die Verfassungsschutzbehörden die Aufüberprüfungen gabe, bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen mitzuwirken, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Informationen anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen und die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen. Die Befugnisse für das Bundesamt für Verfassungsschutz in diesem Zusammenhang sind im Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (SÜG), zuletzt durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus geändert, im einzelnen geregelt. Keine polizeilichen Den Verfassungsschutzbehörden stehen bei der Erfüllung ihrer Befugnisse Aufgaben keinerlei polizeiliche Befugnisse zu, d. h. sie dürfen u. a. niemanden festnehmen, keine Durchsuchungen durchführen und keine Gegenstände beschlagnahmen. Bindung an Recht Die Verfassungsschutzbehörden sind bei ihrer Tätigkeit an die allund Gesetz gemeinen Rechtsvorschriften gebunden. Daraus folgt vor allem, dass bei der Aufgabenerfüllung keine strafbaren Handlungen begangen werden dürfen. Die Verfassungsschutzbehörden tragen in ihrem Zuständigkeitsbereich dazu bei, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten. Sie arbeiten mit anderen Sicherheitsbehörden, insbesondere den weiteren Nachrichtendiensten des Bundes - dem für den Bereich der Bundeswehr zuständigen Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem mit Auslandsaufklärung befassten Bundesnachrichtendienst (BND) - sowie Polizeiund Strafverfolgungsbehörden auf gesetzlicher Grundlage vertrauensvoll und eng zusammen. Das BfV als Inlandsnachrichtendienst steht darüber hinaus angesichts Verfassungsschutz und Demokratie 17 der zunehmenden Internationalisierung der Bedrohungsphänomene in regem Kontakt zu seinen Partnerdiensten im Ausland. III. Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Tätigkeit des BfV unterliegt der Kontrolle durch die BundesreBundesregierung gierung und den Deutschen Bundestag. Das zu diesem Zweck eingerichtete Parlamentarische Kontrollgremium (Gesetz über die parParlamentarisches lamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Kontrollgremium Bundes) ist in regelmäßigen Abständen umfassend über die allgemeine Tätigkeit des BfV und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Auf Verlangen ist ihm Einsicht in Akten und Dateien zu geben und die Anhörung von Mitarbeitern zu gestatten. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Art. 10 GG werden durch die vom Kontrollgremium bestellte unabhängige G 10-Kommission grundsätzlich vor deren G 10-Kommission Vollzug auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit überprüft. Gleiches gilt für die dem BfV mit dem Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus neu eingeräumten Auskunftsrechte (vgl. Nr. II). Das BfV ist gesetzlich verpflichtet, Betroffenen auf Antrag unentAuskunftsrecht geltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, soweit auf einen konkreten Sachverhalt hingewiesen wird und ein besonderes Interesse an einer Auskunft dargelegt wird (SS 15 Abs. 1 BVerfSchG). Eine Auskunft unterbleibt nur dann, wenn einer der im Absatz 2 dieser Vorschrift ausdrücklich bezeichneten Verweigerungsgründe vorliegt. Maßnahmen des BfV, bezüglich derer der Betroffene geltend Kontrolle durch macht, in seinen Rechten beeinträchtigt zu sein, unterliegen gerichtGerichte licher Nachprüfung. Das Bundesverfassungsschutzgesetz enthält eine Fülle datenKontrolle durch den schutzrechtlicher Bestimmungen, die zu einer weitreichenden KonBundesbeauftragten für den Datenschutz trolle durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz führen. IV. Verfassungsschutzbericht Der Verfassungsschutzbericht dient der Unterrichtung und AufJährliche Berichte klärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland. Er beruht auf den Erkenntnissen, die das BfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat. Bericht 2001 18 Verfassungsschutz und Demokratie Bei den im Bericht aufgeführten Personenzusammenschlüssen (Parteien, Organisationen und Gruppierungen) liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des BfV vor. Die Erkenntnislage zu den dargestellten Gruppierungen kann allerdings im Hinblick auf Umfang und Dichte der angefallenen Informationen jeweils ganz unterschiedlich sein, was wiederum Einfluss auf die Art und Weise der Beobachtung durch das BfV haben kann. Die Bewertung einer Gruppierung als extremistisch bedeutet nicht in jedem Fall, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen verfolgen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsschutzbericht keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse darstellt. V. Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen erfordert eine intensive Aufklärung der Bürger über Art und Umfang der Gefahren, die durch den politischen Extremismus drohen. Auch wenn unsere Demokratie gefestigt ist, dürfen akute und latente Risiken und Gefährdungen nicht übersehen werden: Extremismus und Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit, übersteigerter Nationalismus und Fundamentalismus. Die Bundesregierung misst der präventiven und repressiven Auseinandersetzung mit diesen Erscheinungen eine besondere Bedeutung zu. Geistig-politische Auseinandersetzung mit Extremismus bedeutet, über die Wissensvermittlung hinaus deutlich zu machen, dass die Demokratie grundlegende Wertorientierungen braucht, über die ein allgemeiner Konsens besteht. Wahrgenommen wird die Aufgabe "Verfassungsschutz durch Aufklärung" auf Bundesebene vom Bundesministerium des Innern und dem Bundesamt für Verfassungsschutz, auf Länderebene von den Innenministerien bzw. den Landesbehörden für Verfassungsschutz. Das Hauptaugenmerk gilt dem intensiven Dialog mit den Bürgern über die Aufgabenfelder des Verfassungsschutzes. Die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes bietet Informationen über seine Erkenntnisse an, die es jedermann ermöglichen sollen, sich selbst ein Urteil über die Gefahren zu bilden, die unserem Rechtsstaat durch verfassungsfeindliche Kräfte drohen. Im Rahmen dieser Aufgabenstellung wurde die Schülerzeitschrift "basta - Nein zur Gewalt" mit der dazugehörigen pädagogischen Handreichung in der fünften Auflage 2001/2002 neu gestaltet und Verfassungsschutz und Demokratie 19 erfreute sich einer regen Nachfrage. Die CD "Dunkle Schatten 3 - Tod in der Südkurve" aus der erfolgreichen Reihe der Computerspiele "Dunkle Schatten" ist im Jahr 2001 rund 100.000 mal angefordert und kostenlos verteilt worden. Hier werden Jugendliche in Form eines "adventure-game" sowohl mit Extremismus, Gewalt und Rassismus als auch mit gelebter Demokratie und Toleranz konfrontiert und müssen Position beziehen. Das BfV informierte im Jahr 2001 durch die Presseund Öffentlichkeitsarbeit über aktuelle Entwicklungen innerhalb seines Aufgabengebietes. So wurde das Angebot an Printprodukten durch folgende Neuveröffentlichungen bzw. Überarbeitungen ergänzt und aktualisiert: - "Iranischer Extremismus - 'Volksmojahedin Iran' und ihre Frontorganisation 'Nationaler Widerstandsrat Iran'" (Broschüre) - "Ein Jahrzehnt rechtsextremistischer Politik - Strukturdaten - Ideologie - Agitation - Perspektiven" (Broschüre) - "Proliferation - das geht uns an!" (Broschüre als Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern) - "Verfassungsschutz - Was Wir Für Sie Tun" (Faltblatt, aktualisiert) - "Verfassungsschutz - Gegen Rechtsextremismus" (Faltblatt, aktualisiert) Die Gesamtauflage der Publikationen einschließlich Nachdrucke lag bei ca. 120.000 Exemplaren, die neben der Druckform auch über die Internetseite des BfV (www.verfassungsschutz.de) sowohl zum Online-Lesen als auch als Download verfügbar sind. Für das BfV ist das Internet ein wichtiges Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Monatlich nutzen ca. 36.000 interessierte Bürgerinnen und Bürger das vielfältige Angebot. Nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA stiegen die Besuche der Homepage monatlich auf über 45.000 an. Neben dem Schwerpunktthema "Geh Rechtsextremisten nicht ins Netz!" ist in der Homepage des BfV eine Vielzahl weiterer Informationsangebote enthalten. Dazu zählen u. a. über 20 Broschüren - davon 14 auch in EngBericht 2001 20 Verfassungsschutz und Demokratie lisch - die ebenfalls über die BfV-Website abrufbar sind. Im Jahr 2001 wurden insgesamt ca. 128.000 Broschüren auf diesem Weg heruntergeladen. Dies zeigt das hohe Interesse an der Arbeit des Verfassungsschutzes und an Themen der inneren Sicherheit in der Bevölkerung. Wichtigste Neuerung in der Website des BfV war die Einrichtung der neuen Rubriken zum Aussteigerprogramm des BfV für Rechtsextremisten und "Fragen und Antworten", in der häufig gestellte Fragen zu den Aufgaben und der Arbeit des Verfassungsschutzes aufgegriffen und beantwortet werden. Zusätzlich erschienen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit erstmals zwei CD-ROMs des BfV: Die im April 2000 eröffnete Wanderausstellung "Es betrifft Dich! Demokratie schützen - Gegen Extremismus in Deutschland" wurde als virtuelle Führung durch die Ausstellung multimedial aufbereitet und richtet sich insbesondere an Multiplikatoren im Bildungsbereich. Das Computerspiel "Was steckt dahinter 2" ist ein Strategiespiel, bei dem die zu lösenden Fragen einen Einblick in die Aufgaben des Verfassungsschutzes vermitteln. Die Wanderausstellung des BfV "Demokratie ist verletzlich - Rechtsextremismus in Deutschland" ist auch im vergangenen Jahr auf großes Interesse gestoßen. Um der starken Nachfrage der Städte und Landkreise so weit wie möglich zu entsprechen, wurde die Zahl der Termine nochmals gesteigert: Insgesamt zwölf Ausstellungen - verteilt auf das gesamte Bundesgebiet - haben stattgefunden. Die Besucherzahl von ca. 24.500 im Jahr 2001 hat gegenüber dem Vorjahr um mehr als 50 Prozent zugenommen. Das Interesse der Schulen an der Ausstellung war ebenfalls größer als im Vorjahr. Die Steigerungsrate bei den Schulklassen - 599 im Jahr 2001 - betrug mehr als ein Drittel. Die über alle Formen des politischen Extremismus aufklärende Wanderausstellung mit dem Titel: "Es betrifft Dich! Demokratie schützen - Gegen Extremismus in Deutschland" wurde in acht Städten gezeigt. In Steinfurt und Freiberg erfolgte die Präsentation jeweils als Gemeinschaftsprojekt mit den dortigen Polizeidirektionen zur Unterstützung deren Krisenprävention gegen Extremismus und Intoleranz. Erfahrungen bei der Betreuung haben gezeigt, dass vor allem in der Lehrerschaft ein hoher Aufklärungsbedarf besteht. Darüber hinaus wurde deutlich, dass sich insbesondere die jugendlichen Besucher von dem pädagogisch-didaktischen Konzept, persönliche Betroffenheit zu erzeugen, angesprochen fühlten. Die Anzahl der Besucher schwankte zwischen 2.500 und 4.000 Personen pro Ausstellungsort. Verfassungsschutz und Demokratie 21 Bis zum Ende des Jahres 2003 sind bereits alle Termine der Wanderausstellung ausgebucht. Eine wesentliche Voraussetzung für eine wirksame Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist die Ursachenforschung. Mit Forschungsvorhaben zu Themen der inneren Sicherheit sollen Handlungsoptionen für die Politik gewonnen werden. Das Bundesministerium des Innern hat beispielsweise beim Deutschen Jugendinstitut in München ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, das im Rahmen einer Längsschnittanalyse die 1994 erstellte Studie "Analyse fremdenfeindlicher Straftäter" fortschreibt. Mit Hilfe dieser Studie sollte vor allem in Erfahrung gebracht werden, welche Motive, sozialen Umstände und Lebensverläufe den Taten zugrunde liegen und welche präventionsstrategischen Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Dieses Projekt wurde im Jahr 2001 abgeschlossen. Die gewonnen Erkenntnisse wurden Anfang des Jahres 2002 als Broschüre im Rahmen der Schriftenreihe des Bundesministeriums des Innern "Texte zur Inneren Sicherheit" veröffentlicht. Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt bleiben für den demokratischen und sozialen Rechtsstaat bedrohliche Phänomene. Die nach wie vor anhaltende Präsenz vor allem rechtsextremer, fremdenfeindlicher und rassistischer Straftaten und Übergriffe erfordert das entschiedene Eintreten für den Schutz und die Achtung demokratischer Regeln. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist ein Schwerpunkt der Innenpolitik. Das von der Bundesregierung initiierte und am 23. Mai 2000 der Öffentlichkeit vorgestellte "Bündnis BÜNDNIS FÜR für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt" DEMOKRATIE UND TOLERANZ GEGEN EXTREMISMUS UND GEWALT dient der Bestätigung und Bekräftigung des demokratischen Verfassungskonsenses. Es bündelt und mobilisiert die gesellschaftlichen Kräfte gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Eine seiner wichtigsten Aufgaben besteht darin, lokale Initiativen und Projekte durch Information, Beratung und Dokumentation zu fördern, zu unterstützen, zu vernetzen und bekannt zu machen. Das "Bündnis" ist ein Zusammenschluss von verschiedenen Initiativen, Vereinen und Verbänden sowie Privatpersonen aus der gesamBericht 2001 22 Verfassungsschutz und Demokratie ten Gesellschaft. Seine Arbeit wird von einem 20köpfigen Beirat maßgeblich gestaltet, dem Vertreter aus Parlament und Regierung, die Ausländerbeauftragte des Bundes und des Berliner Senats, Repräsentanten aus Wirtschaft, DGB, Wissenschaft und sozialen Organisationen angehören. Ein Unterstützerkreis prominenter Persönlichkeiten steht dem "Bündnis" zur Seite, um den Initiativen und Organisationen in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen und sich bei bestimmten Anlässen zu Wort zu melden. Wichtige öffentliche Förderprogramme wie z. B. XENOS, CIVITAS und ENTIMON im Rahmen des Aktionsprogramms "Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" (siehe auch unter www.bmfsfj.de) stehen unter dem Dach des "Bündnisses". Die zweite zentrale Veranstaltung des "Bündnisses" am 23. Mai 2001, dem Verfassungstag, mit Workshops, Diskussionsforen und Musik stand unter dem Motto "Jugend für Demokratie und Toleranz". Ein Höhepunkt der Veranstaltung war die Vorstellung von vier vorbildlichen Projekten und die Auszeichnung der Initiatoren als "Botschafter der Toleranz". Der u. a. mit der Dresdner Bank AG veranstaltete und im Jahr 2001/2002 zum zweiten Mal ausgeschriebene "Viktor-KlempererWettbewerb" richtete sich wieder vor allem an die junge Generation und regte dazu an, sich aktiv mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander zu setzen. Über eine Ausschreibung unter dem Titel "Aktiv für Demokratie und Toleranz" sammelte das "Bündnis" in 2001 beispielhafte Initiativen im Land und honorierte die erfolgund ideenreichsten Projekte mit Geldpreisen. So war es möglich, auch solche Aktivitäten zu unterstützen, deren Förderung im Rahmen der staatlichen Förderprogramme kaum möglich ist. Weitere Beispiele für die Aktivitäten des "Bündnisses": Unter dem Dach des "Bündnisses" führten das Bundesministerium des Innern und die Deutsche Bahn AG eine bundesweite Plakatkampagne unter dem Motto "Du willst RESPEKT. Ich auch." durch. Gemeinsam mit der Initiative Tageszeitung e. V. unterstützte das "Bündnis" die Erstellung einer "Argumentationshilfe für Lokaljournalisten" gegen Fremdenfeindlichkeit. Die Kampagne "Künstler bekennen Farbe", welche vom "Bündnis" in Zusammenarbeit mit dem Axel Springer young mediahouse und Musikern der Rock-, Pop-, Rapund Hip-Hop-Szene gestartet wurde, vermittelte den Jugendlichen die Botschaft von Respekt, gewaltfreier Auseinandersetzung und friedlichem Miteinander. Verfassungsschutz und Demokratie 23 Bis zum Ende das Jahres 2001 hatten sich über 900 zivilgesellschaftliche Initiativen und Verbände dem "Bündnis" angeschlossen. Weitere Informationen über das "Bündnis" sind über www.buendnis-toleranz.de zu erhalten. Der infolge des "Europäischen Jahres gegen Rassismus" 1997 aufgenommene Dialog zwischen staatlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen zu Fragen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im "Forum gegen Rassismus" konnte weiterentwickelt werden. Dem "Forum" gehören 75 Mitglieder an, davon 50 bundesweit bzw. überregional tätige Nichtregierungsorganisationen. Seit Ende 1999 fungiert das "Forum gegen Rassismus" auch als "Nationaler Runder Tisch" im Sinne der "Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" in Wien. Der "Nationale Runde Tisch" in Deutschland tagte am 20. März 2001 in Frankfurt/M. und am 4. Dezember 2001 in Berlin. Erstmalig kam es am 11. Juni 2001 in Freiburg/Br. im Rahmen des 77. deutsch-französischen Regierungsgipfels, der insbesondere der gemeinsamen Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gewidmet war, zu einem Treffen der Runden Tische Deutschlands und Frankreichs. Ansprechpartner In allen Fragen des Verfassungsschutzes steht das Bundesamt für Verfassungsschutz Merianstraße 100 50765 Köln Telefon: 02 21/79 20 Telefax: 02 21/79 83 65 als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung. Im Internet ist das Bundesamt für Verfassungsschutz unter www.verfassungsschutz.de erreichbar. Bericht 2001 24 Verfassungsschutz und Demokratie Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 26 Rechtsextremistische Bestrebungen I. Überblick 1. Ideologie Nationalistische und Die rechtsextremistische Gedankenwelt wird von nationalistischen rassistische und rassistischen Anschauungen geprägt. Dabei ist die Denkweise Gedankenwelt vorherrschend, die ethnische Zugehörigkeit zu einer Nation oder Rasse entscheide über den Wert eines Menschen. Da nach rechtsextremistischem Verständnis diesem Kriterium auch die Menschenund Bürgerrechte unterzuordnen sind, lehnen Rechtsextremisten das - nach unserem Staatsverständnis für jedes menschliche Individuum geltende - universale Gleichheitsprinzip ab. Sie treten für ein Autoritäres autoritäres politisches System ein, in dem oftmals Staat und Volk Staatsverständnis und - nach ihrer Vorstellung ein ethnisch homogenes Volk - als angeblich Volksgemeinschaftsnatürliche Ordnung in einer Einheit verschmelzen (Ideologie der Ideologie "Volksgemeinschaft") und die staatlichen Führer nach eigener Eingebung den vermeintlich einheitlichen Willen des Volkes erkennen und entsprechend handeln. In einem rechtsextremistisch geprägten Staat würde kein Raum für die wesentlichen Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - beispielsweise das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen auszuüben, oder das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition - bleiben. Ideologisch Der Rechtsextremismus in Deutschland stellt kein einheitliches uneinheitliches ideologisches Gefüge dar, sondern weist unterschiedliche BegrünGefüge dungen und Zielsetzungen auf: Gewaltbereite Rechtsextremisten, dazu zählen insbesondere rechtsextremistische Skinheads, haben meist ein diffuses Weltbild. Ihr Lebensgefühl wird von fremdenfeindlichen Ressentiments geprägt; darüber hinaus treten sie mit spontanen Gewalttaten und aggressiver, volksverhetzender Musik in Erscheinung. Neonazis, die einen stärkeren Willen zur zielgerichteten politischen Aktivität haben, orientieren sich an nationalsozialistischen Vorstellungen eines totalitären "Führerstaats" auf rassistischer Grundlage. Aus ihrer Sicht ist das deutsche Volk höherwertig und deshalb vor "rassisch minderwertigen" Ausländern oder Juden zu schützen. Verhindert werden müsse vor allem eine "Vermischung" der verschiedenen Rassen. Die rechtsextremistischen Parteien vertreten demgegenüber eher nationalistische Positionen. Ihnen gilt die Nation als oberstes Prinzip, was eine Abwertung der Menschenund Bürgerrechte zur Folge hat. Damit streben sie nach einer autoritären Staatsordnung, die wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung missachtet. Rechtsextremistische Bestrebungen 27 2. Entwicklungen im Rechtsextremismus Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten ist im monatlichen VerIm monatlichen gleich 2001 rückläufig. Trotz Rückgangs des gesamten rechtsextreVergleich rückläufige Zahl mistischen Personenpotenzials war ein Anstieg im gewaltbereiten rechtsextremistischer und neonazistischen Spektrum zu verzeichnen (vgl. Kap. II, Nr. 1). Gewalttaten Die bereits in den 90er Jahren zu verzeichnende Zunahme gewaltAnhaltende bereiter Rechtsextremisten setzte sich fort. Insbesondere die subkulZunahme gewaltbereiter turell geprägte Skinhead-Szene erhielt weiteren Zulauf von JugendRechtsextremisten lichen. Fast die Hälfte des Personenpotenzials rechtsextremistischer Skinheads und sonstiger gewaltbereiter Rechtsextremisten konzentriert sich auf die ostdeutschen Länder. Bis in den Herbst waren gewaltbejahende Äußerungen von Gewaltbejahende Rechtsextremisten deutlich zurückgegangen, auch wurde - im Äußerungen nach den Anschlägen Gegensatz zum Vorjahr - keine nennenswerte Anzahl an Waffen und vom 11. September Sprengstoffen mehr aufgefunden. Die Terroranschläge am 11. September in den USA lösten allerdings bei vielen deutschen Rechtsextremisten "Begeisterung" aus. Einige wenige Neonazis und Skinheads plädierten sogar dafür, sich mit Islamisten zu solidarisieren oder sprachen sich für Anschläge gegen amerikanische oder jüdische Einrichtungen in Deutschland aus (vgl. Nr. 3). Ansätze für ein Entstehen rechtsterroristischer Strukturen erwuchsen daraus aber nicht (vgl. Kap. III, Nr. 2). Die Skinhead-Musikszene spielt weiterhin eine bedeutende Rolle Skinhead-Musik bei der Entstehung und Verfestigung von Gruppen rechtsextremistiprägt politische Einstellung scher gewaltbereiter Jugendlicher. Die Anzahl der Konzerte, vor Gewaltbereiter allem die Zahl der Besucher, ist weiter zurückgegangen, nicht zuletzt wegen der konsequenten Gegenmaßnahmen der Sicherheitsbehörden. Nach dem Verbot der Skinhead-Organisation "Blood & Honour - Division Deutschland" und ihrer Jugendorganisation "White Youth" hat sich keine andere bundesweite Skinhead-Organisation herausbilden können, die in vergleichbarem Umfang Veranstaltungen für die Szene organisiert. Bei etwa unveränderter Zahl der Skinhead-Bands hat sich die Zahl der Vertriebe weiter verringert. Auch die Zahl der bundesweit aktiven Anbieter von Skinhead-CDs ist zurückgegangen, dafür waren aber mehr Einzelpersonen als Kleinstvertreiber tätig. Die Grenzen zwischen Skinheads und der Neonaziszene verschwimmen zunehmend (vgl. Kap. III, Nr. 3). Bei dem überwiegend in Kameradschaften organisierten neonaAnstieg des zistischen Personenpotenzial ist erstmals seit 1996 ein Anstieg zu verneonazistischen Potenzials zeichnen. Die Neonazi-Szene zeigt durch die Veranstaltung und Teilnahme an Demonstrationen, zu denen wiederholt über Tausend Bericht 2001 28 Rechtsextremistische Bestrebungen Teilnehmer mobilisiert werden konnten, stärkere Präsenz. Dadurch erscheint sie insbesondere für junge Erwachsene attraktiv. Die Vernetzung mit der Skinhead-Szene verdeutlicht auch die zunehmende Entwicklung sogenannter "Mischszenen", die sich neben rein neonazistisch orientierten Kameradschaften entwickelt haben. Regionale Verflechtungen sollen über Bündnisse, wie beispielsweise das "Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland", erreicht werden. Dies gelang aber nur partiell. Die eigenständige Präsenz in der Öffentlichkeit stärkte das Selbstbewusstsein der Neonazis gegenüber der NPD (vgl. Kap. IV, Nr. 2). NPD setzt Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) ist gegenverfassungswärtig die aggressivste rechtsextremistische Partei in Deutschland. feindlichen Sie agierte auch im Jahr 2001 nach ihrem "3-Säulen-Konzept": Kurs fort Demonstrationen ("Kampf um die Straße"), ideologische Schulung ("Kampf um die Köpfe") und Teilnahme an Wahlen ("Kampf um die Parlamente"). Sie verfolgte ihre Ziele in aggressiv-kämpferischer Weise und zeigt eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus. Trotz der Verbotsanträge beim Bundesverfassungsgericht im Jahr 2001 hält sie weiter an ihrer offen vorgetragenen Feindschaft zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung fest. Mit aktionsbetonten medienwirksamen größeren Veranstaltungen und Demonstrationen versucht die Partei, sich und ihre politischen Ziele darzustellen. Dabei wirkt sie mit Neonazis und Skinheads zusammen. Parteiintern kam es zu Spannungen über den künftigen Kurs. Konfliktträchtig blieben insbesondere Art und Ausmaß der Zusammenarbeit mit Neonazis, die in Auseinandersetzungen zwischen der Bundesführung und dem NPD-Landesverband Schleswig-Holstein gipfelten. Die Mitgliederzahl der Partei stagnierte. Bei Landtagswahlen konnte die NPD stets nur unter einem Prozent der Zweitstimmen erzielen (vgl. Kap. V, Nr. 1). Strategie des Obwohl die "Deutsche Volksunion" (DVU) Mitgliederverluste hinDVU-Vorsitzenden zunehmen hatte, blieb sie die mitgliederund finanzstärkste OrganiFREY gescheitert sation im parteipolitischen Rechtsextremismus. Gleichwohl ist die Partei weit davon entfernt, eine Führungsposition im rechtsextremistischen Lager einzunehmen. Ihr Vorsitzender Dr. Gerhard FREY scheiterte deutlich mit seiner Strategie, sich nur bei vermeintlich "sicheren" Wahlen in Stadtstaaten oder kleineren Ländern zu beteiligen. Bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft verfehlte die DVU den erhofften Einzug in das Parlament. Sie ist aber weiterhin in drei Landtagen vertreten (vgl. Kap. V, Nr. 2). Empfindliche Bei der Partei "Die Republikaner" (REP) liegen weiterhin tatsächWahlniederlagen liche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vor. Perder REP manente Wahlniederlagen, innerparteiliche Streitigkeiten und Mit- Rechtsextremistische Bestrebungen 29 gliederverluste prägen das Erscheinungsbild der von Dr. Rolf SCHLIERER geführten Partei. Keinem seiner Kontrahenten gelang es, den REP neue inhaltliche oder personelle Perspektiven aufzuzeigen. Die Partei blieb bei den vier Landtagswahlen im Jahr 2001 erfolglos; in ihrem Stammland Baden-Württemberg konnte sie nicht wieder in den Landtag einziehen (vgl. Kap. V, Nr. 3). Der intellektuelle Rechtsextremismus setzte seine Bemühungen Keine Ausstrahlung um eine "Kulturrevolution von rechts" fort, nennenswerte Erfolge des intellektuellen Rechtsextremismus blieben aber aus. Die geringe Resonanz auf Aktivitäten dieses theorieorientierten rechtsextremistischen Spektrums, dem zudem ein höheres intellektuelles Niveau fehlt, zeigt sich auch an der rückläufigen Erscheinungshäufigkeit der entsprechenden Publikationen (vgl. Kap. VI). Den rechtsextremistischen Verlagen gelang es nicht, ein herausragendes Buch zu veröffentlichen (vgl. Kap. IX, Nr. 2). Einige der den Holocaust leugnenden Revisionisten versuchten erfolglos, öffentliche Debatten in ihrem Sinn umzudeuten. Wegen der Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung in Deutschland wird für solche Behauptungen vor allem das Internet genutzt, das diese Szene zugleich international verbindet (vgl. Kap. VII). Für Rechtsextremisten hat das Internet weiter an Bedeutung Internet als gewonnen (vgl. Kap. IX, Nr. 3). Es wird zur Selbstdarstellung und Agizentrales Kommunikationstation genutzt, aber auch für die Mobilisierung zu Kundgebungen und Agitationsund die Kommunikation innerhalb der Szene. Die Zahl der von deutmedium schen Rechtsextremisten betriebenen Homepages erhöhte sich weiter. Strafbare Inhalte werden oftmals anonym über US-amerikanische Server in das World Wide Web (WWW) eingestellt, um dem Zugriff der deutschen Strafverfolgungsbehörden zu entgehen. Politische Gegner werden mit "Hass-Seiten" bedroht, auch detaillierte Bombenbauanleitungen weiterverbreitet. Rechtsextremisten versuchen aber auch mit Hilfe anderer Dienste des Internet, aktiv auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen. So verbreiten sie ihre Ideologie beispielsweise per E-Mail oder als Teilnehmer neutraler Diskussionsforen. 3. Reaktionen von Rechtsextremisten auf die Terroranschläge in den USA Die Reaktionen deutscher Rechtsextremisten auf die Terroranschläge in den USA am 11. September reichten von entschiedener Verurteilung bis hin zu uneingeschränktem Jubel. Rechtsextremisten unterschiedlicher Lager erklärten mehr oder Schuldzuweisung weniger unverblümt, die USA seien für die Anschläge vom 11. Sepfür Terroranschläge an die USA tember wegen ihrer Aktivitäten in der Vergangenheit selbst verantBericht 2001 30 Rechtsextremistische Bestrebungen wortlich. So zitierte die NPD in diesem Zusammenhang das Sprich- 2 wort "Wer Wind sät, wird Sturm ernten!". Gemeinsamkeiten: Die Äußerungen machten deutlich, dass der - mitunter antisemiAntiamerikanismus tisch gefärbte - Antiamerikanismus bei Rechtsextremisten eine zenund Nationalismus trale Rolle in ihrer Agitation spielt. Dabei richtete sich die Kritik gegen grundsätzliche, von den USA mit geprägte freiheitliche Wertvorstellungen wie Demokratie, Menschenrechte, Parlamentarismus und Pluralismus. Einig sind sich Rechtsextremisten auch in der Ablehnung eines deutschen Beitrags zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Eine Beteiligung Deutschlands an den am 7. Oktober begonnenen militärischen Aktionen der USA in Afghanistan lehnten sie entschieden ab. Statt dessen attackierten sie die USA als "Kriegstreiber" und "Kriegsverbrecher". Auch die Entscheidung der Bundesregierung vom 6. November, Bundeswehrsoldaten für einen Einsatz im Nahen und Mittleren Osten bereitzustellen, wurde scharf kritisiert. Deutsche Soldaten dürften nicht für fremde Interessen "verheizt" werden, so der Tenor ihrer Agitation. In dieser außenund sicherheitspolitischen Frage wurde eine nationalistisch geprägte Ablehnung internationaler Zusammenarbeit deutlich; die fundamentale Bedeutung des Nationalismus innerhalb des Rechtsextremismus trat klar hervor. Unterschiedliche Über die dargestellten gemeinsamen Positionen hinaus unterAkzente schieden sich die Stellungnahmen und Aktionen im Zusammenhang mit den Terroranschlägen im rechtsextremistischen Lager aber deutlich voneinander. Verstärkter Die als "Nationaler Widerstand" auftretenden Neonazis und die Antiamerikanismus NPD gingen in ihrer antiamerikanischen Agitation nach dem 11. Sepbei Neonazis und tember über eine bloße Schuldzuweisung an die USA hinaus. Die TerNPD roranschläge wurden als "Widerstandszeichen unterdrückter Völker im Kampf gegen Globalisierung" stilisiert und den USA wurde der Tod als Weltmacht gewünscht (vgl. Kap. IV, Nr. 1; Kap. V, Nr. 1.1). Dieses Spektrum des Rechtsextremismus mobilisierte in diesem Zusammenhang zu mehreren kleineren, oftmals kurzfristig organisierten Demonstrationen. Längerfristig geplante Aufzüge wurden thematisch angepasst. Demonstration am 1. Dezember in Berlin Rechtsextremistische Bestrebungen 31 Bei vielen gewaltbereiten Rechtsextremisten und einigen NeonaGewaltbereitschaft zis lösten die Anschläge sogar Begeisterung aus (vgl. Kap. III, Nr. 2). Einzelne Neonazis gingen soweit, sich ähnliche Anschläge in Deutschland zu wünschen, oder plädierten dafür, sich mit Islamisten im Kampf gegen "das Judentum", das Kapital und die USA zu solidarisieren. Die in diesem Spektrum ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit auch gegen Muslime wurde überlagert vom Antiamerikanismus und der Hoffnung, im islamistischen Terrorismus eine Unterstützung im Kampf gegen die USA zu finden. Eine Zusammenarbeit mit islamistischen Kreisen - insbesondere mit terroristischer Zielsetzung - wurde jedoch nicht festgestellt. Bei DVU und REP bestimmte Fremdenfeindlichkeit den Tenor der Fremdenfeindliche Stellungnahmen (vgl. Kap. V, Nr. 2.1 und 3.1). Sie verurteilten zwar Agitation der DVU die Terroranschläge, sahen sich aber zugleich auf ihrem traditionelund der REP len Agitationsfeld, der Ausländerfeindlichkeit, bestätigt. Im Hinblick auf die Verstrickung islamischer Extremisten in die Terroranschläge erhoben sie fremdenfeindlich motivierte ausländerpolitische Forderungen, wie die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, oder verlangten undifferenziert die Ausweisung aller Fundamentalisten bzw. des ausländischen "Gesindels" aus Deutschland. Beide Parteien hoben in ihren Stellungnahmen pauschal die Gefahr des Islam hervor. 4. BfV-Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten Rechtsextremismus ist ein vielschichtiges gesellschaftliches Problem, das ein differenziertes Instrumentarium an Maßnahmen erfordert. Das BfV-Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten ist ein spezifischer Beitrag der Verfassungsschutzbehörden zur umfassenden Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Es hat zum Ziel, zum einen durch das "Herausbrechen" von Führungspersonen die rechtsextremistische Szene zu schwächen und zu verunsichern. Zum anderen soll es noch nicht fest in die rechte Szene eingebundene Mitläufer veranlassen, sich kritisch mit dem rechtsextremistischen Gedankengut auseinander zu setzen, ihnen Hilfe zum Ausstieg anbieten und so ein weiteres Abdriften in gewaltbereite rechtsextremistische Kreise verhindern. Diesen Zielen entsprechend, setzt sich das BfV-Aussteigerprogramm aus unterschiedlichen Teilen zusammen. Einerseits spricht das BfV Führungspersonen und Aktivisten der Ansprache von rechtsextremistischen Szene an, insbesondere solche, bei denen sich Multiplikatoren Bericht 2001 32 Rechtsextremistische Bestrebungen Anzeichen für die Möglichkeit einer Herauslösung aus der Szene erkennen lassen. Aussteiger-"Hotline" Andererseits ist ein von speziell geschulten Mitarbeitern betreutes gibt Hilfe zur Kontakttelefon beim BfV geschaltet.3 Ausstiegswillige RechtsextreSelbsthilfe misten erhalten hier Beratung sowie auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmte konkrete Hilfsangebote, die es ihnen erleichtern, sich aus ihrem rechtsextremistischen sozialen Umfeld zu lösen. So sind Hilfen bei der Arbeitsoder Wohnungssuche sowie bei einem eventuell erforderlichen Umzug möglich. Im Vordergrund der Beratungen steht dabei die "Hilfe zur Selbsthilfe". Das Kontakttelefon wurde am 17. April BfV-HOTLINE eingerichtet. Die Resonanz auf das Ange02 21 - 7 92 62 bot war erfreulich: Bis zum Jahresende nutzten etwa 730 Anrufer die Hotline, davon wurden etwa 160 zunächst als potenziell ausstiegswillig eingestuft. Die Vorstellungen und Erwartungen der Anrufer im Hinblick auf eine mögliche Hilfe durch das Aussteigerprogramm des BfV waren sehr unterschiedlich. So richteten sich die Wünsche auf Gewährung finanzieller Hilfen, auf Unterstützung in laufenden Ermittlungsverfahren, auf Hilfestellung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz sowie auf persönlichen Schutz. Unter den Anrufern befanden sich aber auch Eltern von Rechtsextremisten, Sozialarbeiter, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Journalisten. Angebote der Ein großer Teil der Länder hat inzwischen eigene staatliche AusLänder steigerprogramme ins Leben gerufen. Diese sind bei unterschiedlichen Dienststellen angesiedelt, zum Beispiel Landeskriminalämtern, Justizministerien, Jugendund Sozialbehörden, aber auch Verfassungsschutzbehörden. Die Landesprogramme haben vom BfV-Aussteigerprogramm abweichende Schwerpunkte und unterscheiden sich größtenteils auch untereinander. Beispielsweise wenden sich einige Programme ausschließlich an Sympathisanten und Mitläufer, während andere vornehmlich inhaftierte oder unter Bewährung stehende Rechtsextremisten ansprechen wollen. Reaktionen der Die rechtsextremistische Szene diffamierte das BfV-AussteigerSzene programm als "Beitrag der psychologischen Kriegsführung gegen das nationale Spektrum" und bezeichnete es als "Bestechungsversuch". Zusätzlich kam es auch zu einer Protestveranstaltung am 2. Juni in Karlsruhe. An der Demonstration unter dem Motto "Der Widerstand lässt sich nicht kaufen. Zivilcourage zeigen - nicht aussteigen", die der Hamburger Neonazi Christian WORCH angemeldet hatte, nahmen etwa 400 Personen teil. Eine abschließende Bilanz des BfV-Aussteigerprogramms ist noch nicht möglich, zumal in vie- Rechtsextremistische Bestrebungen 33 len Fällen auch eine langfristige Betreuung oder Begleitung der Ausstiegswilligen notwendig ist. Im Hinblick auf erste bereits positiv abgeschlossene Fälle und die Initialwirkung für ähnliche staatliche Programme auf Länderebene, aber auch angesichts der dadurch hervorgerufenen Verunsicherung in der rechtsextremistischen Szene kann diese Initiative schon jetzt als Erfolg bewertet werden. II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Personenpotenzial Ende 2001 gab es in Deutschland 141 (2000: 144) rechtsextremistiWeiterer Rückgang sche Organisationen und Personenzusammenschlüsse. Die Zahl ihrer des rechtsMitglieder sowie der nichtorganisierten Rechtsextremisten ist weiter extremistischen Personenpotenzials zurückgegangen und liegt mit 49.700 rund 2,4 % unter der des Vorjahres (2000: 50.900) Die Zahl der subkulturell geprägten* und sonstigen gewaltbereiGewaltbereite ten Rechtsextremisten ist mit 10.400 Personen (2000: 9.700) um über Rechtsextremisten 7 % gestiegen. Damit hält die seit 1995 zu beobachtende Zunahme der Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten weiter an. Zu den Gewaltbereiten werden auch diejenigen Rechtsextremisten gezählt, die - ohne bislang Gewalttaten verübt zu haben - Gewaltanwendung befürworten. Dazu gehören als weitaus größte Gruppe rechtsextremistische Skinheads, die sich durch ihre subkulturelle Prägung von anderen gewaltbereiten Rechtsextremisten, beispielsweise aus dem Neonazilager, unterscheiden. Die Zahl der Neonazis ist mit 2.800 (2000: 2.200) seit 1996 erstZahl der Neonazis malig wieder gestiegen. Es konnten 65 Gruppen4 (2000: 60) mit einer gestiegen überwiegend geringen Organisationsstruktur festgestellt werden. In den rechtsextremistischen Parteien sind nur noch rund 33.000 RechtsPersonen organisiert (2000: 36.500). In dieser Zahl sind die Mitglieextremistische der der Partei "Die Republikaner" (REP) enthalten, ohne dass damit Parteien jedes einzelne Mitglied als rechtsextremistisch zu bewerten ist. Der Rückgang um rund 9,6 % ergibt sich aus den Mitgliederverlusten der REP (ca. 1.500) und der "Deutschen Volksunion" (ca. 2.000). *) Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeiten sind nicht nur bei Skinheads, sondern auch - in geringem Umfang - bei Neonazis und - noch seltener - bei Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien festzustellen. Daher kann die Gewaltbereitschaft nicht das einzige Abgrenzungskriterium zwischen Skinheadund Neonaziszene sein. Wichtiger ist vielmehr die subkulturelle Komponente, mit der sich die Skinheads von allgemeinen gesellschaftlichen Standards abgrenzen. Dazu gehören z. B. martialisches Auftreten, aggressive Musik und exzessiver Alkoholkonsum. Bericht 2001 34 Rechtsextremistische Bestrebungen Die Zahl der sonstigen rechtsextremistischen Organisationen ist mit 72 Gruppen (2000: 78) leicht zurückgegangen, diesem Spektrum gehören rund 4.300 (2000: 4.200) Mitglieder/Aktivisten an. Rechtsextremismuspotenzial 1) 1999 2000 2001 Gruppen Personen Gruppen Personen Gruppen Personen Subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten 2) 5 9.000 2 9.700 1 10.400 Neonazis 3) 49 2.200 60 2.200 65 2.800 Parteien 3 37.000 3 36.500 3 33.000 davon "Die Republikaner" (REP) 4) 14.000 13.000 11.500 "Deutsche Volksunion" (DVU) 17.000 17.000 15.000 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 6.000 6.500 6.500 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 77 4.200 78 4.200 72 4.300 Summe 134 52.400 143 52.600 141 50.500 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 5) 51.400 50.900 49.700 1) Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2) Die meisten subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten (hauptsächlich Skinheads) sind nicht in Gruppen organisiert. In die Statistik sind als gewaltbereit nicht nur tatsächlich als Täter/Tatverdächtige festgestellte Personen einbezogen, sondern auch solche Rechtsextremisten, bei denen lediglich Anhaltspunkte für Gewaltbereitschaft gegeben sind. 3) Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften innerhalb der Neonazi-Szene. Die Anzahl der Gruppen umfasst nur diejenigen neonazistischen Gruppierungen und diejenigen der rund 150 Kameradschaften, die ein gewisses Maß an Organisierung aufweisen. 4) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Mitglieder der REP rechtsextremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. 5) Die Mehrfachmitgliedschaften im Bereich der rechtsextremistischen Parteien und sonstigen rechtsextremistischen Organisationen wurden vom gesamten Personenpotenzial abgezogen (für das Jahr 2001: 800). Rechtsextremistische Bestrebungen 35 2. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 2.1 Neues Definitionssystem Der bis zum 31. 12. 2000 angewandte kriminalpolizeiliche MeldeNeues dienst "Staatsschutz" (KPMD - S) umfasste grundsätzlich alle StraftaDefinitionssystem ten, die aus einer extremistischen Motivation heraus, d. h. mit dem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) Ziel der Systemüberwindung begangen wurden. Die sich am Extremismusbegriff orientierende Bewertung und Erfassung führte in der Praxis zu Erfassungsdefiziten. Vor diesem Hintergrund haben sich Bund und Länder darauf verständigt, den bisherigen kriminalpolizeilichen Meldedienst "Staatsschutz" umzugestalten und zu verbessern. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder (IMK) hat am 10. Mai 2001 die Einführung des neuen Definitionssystems "Politisch motivierte Kriminalität" rückwirkend zum 1. Januar 2001 beschlossen. Zentrales Erfassungskriterium des neuen Meldesystems ist die politisch motivierte Tat. Als politisch motiviert gilt eine Tat insbesondere dann, wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuellen Orientierung, Behinderung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes bzw. ihres gesellschaftlichen Status richtet. Die erfassten Sachverhalte werden im Rahmen einer mehrdimensionalen Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet. Hierbei werden insbesondere Feststellungen zur Qualität des Delikts, zur objektiven thematischen Zuordnung der Tat, zum subjektiven Tathintergrund, zur möglichen internationalen Dimension der Tat und zu einer ggf. zu verzeichnenden, extremistischen Ausprägung der Tat getroffen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Bereich der Gewaltdelikte erweitert und bundeseinheitlich festgelegt. Die differenzierte Darstellung ermöglicht eine konkret bedarfsorientierte Auswertung der Daten und bildet damit die Grundlage für den zielgerichteten Einsatz geeigneter repressiver und präventiver Bekämpfungsmaßnahmen. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen zu den von Extremisten verübten Strafund Gewalttaten basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Die Einführung des Definitionssystems PMK wirkt sich auch auf die im Verfassungsschutzbericht enthaltenen Zahlenübersichten aus. Diese weisen weiterhin - dem gesetzlichen Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes entsprechend - schwerpunktmäßig extremistische Straftaten aus. Ein Vergleich der statistischen Angaben mit denen der Vorjahre ist aufgrund Keine Vergleichbarder Umstellung und der unterschiedlichen Erfassungsgrundlagen keit mit den Zahlen der Vorjahre nicht möglich. Bericht 2001 36 Rechtsextremistische Bestrebungen 2.2 Politisch motivierte Strafund Gewalttaten Für das Jahr 2001 wurden vom BKA 26.520 politisch motivierte Straftaten registriert. In dieser Zahl sind 14.730 (55,5 %) Propagandadelikte enthalten. 2.368 Delikte (8,9 %) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuordnen. Politisch motivierte 14.725 Straftaten wurden dem Phänomenbereich "rechts", 4.418 Straftaten nach dem Phänomenbereich "links" und 1.020 dem Phänomenbereich Phänomenbereichen der "politisch motivierten Ausländerkriminalität" zugeordnet. Bei 6.357 Straftaten konnte keine eindeutige Zuordnung zu einem Phänomenbereich getroffen werden. Extremistische 12.562 Straftaten (47,4 %) wurden als extremistisch eingestuft, Straftaten davon 10.054 aus dem Phänomenbereich "rechts", 1.895 aus dem Phänomenbereich "links" und 511 aus dem Bereich der "politisch motivierten Ausländerkriminalität". 102 Straftaten deuteten auf Grund der Tatumstände auf einen extremistischen Hintergrund hin, wurden aber ohne Zuordnung zu einem Phänomenbereich gemeldet. 2.3 Rechtsextremistische Strafund Gewalttaten 2.3.1 Überblick Rechtsextremistische Strafund Gewalttaten bilden eine Teilmenge des Phänomenbereichs "Politisch motivierte Kriminalität - rechts". Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" wurden 14.725 Straftaten, hiervon 9.418 Propagandadelikte nach SSSS 86, 86a StGB (64 %) und 980 Gewalttaten* (6,66 %), zugeordnet. Im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" wurden 10.054 Straftaten mit extremistischer Motivation, darunter 709 Gewalttaten und 6.336 Propagandadelikte erfasst. Unter den in diesem Phänomenbereich erfassten extremistischen Gewalttaten wurden insgesamt 153 Delikte im Themenfeld "Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten" und 45 Delikte im Themenfeld "Gewalttaten gegen sonstige politische Gegner" ausgewiesen. *) Nicht berücksichtigt in der Statistik ist ein vollendetes Tötungsdelikt am 8. August 2001 in Dahlewitz/Brandenburg. Die Bewertung der Tat als politisch motiviert erfolgte mit Urteil des Landgerichts Potsdam am 10. 04. 2002 und somit nach Meldeschluss. Fünf junge Männer hatten hier einen 61-jährigen Obdachlosen schwer misshandelt und zu Tode geprügelt. Das Landgericht Potsdam verurteilte die vier Haupttäter Anfang April 2002 wegen gemeinschaftlichen Mordes zu Freiheitsstrafen zwischen 8 und 13 Jahren sowie den 17-jährigen Mittäter wegen Totschlags zu einer mehrjährigen Jugendstrafe. Dabei ging das Gericht - laut Presseberichten - von einer politisch motivierten Tat aus. Entsprechend dieser Einschätzung wurde mit Meldung vom 26. 04. 2002 dieses Delikt vom LKA als rechtsmotiviert nachgemeldet. Rechtsextremistische Bestrebungen 37 Übersicht über Gewalttaten und sonstige Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" (01. 01. - 31. 12. 2001)* Gewalttaten: Tötungsdelikte 0 Versuchte Tötungsdelikte 9 Körperverletzungen 626 Brandstiftungen 16 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 1 Landfriedensbruch 34 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 3 Freiheitsberaubung 0 Raub 7 Erpressung 3 Widerstandsdelikte 10 gesamt 709 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 251 Nötigung/Bedrohung 190 Propagandadelikte 6.336 Störung der Totenruhe und andere Formen der Schändung jüdischer Friedhöfe und Gedenkstätten 30 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung 2.538 gesamt 9.345 Straftaten insgesamt 10.054 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA). Die Übersicht enthält - mit Ausnahme der Tötungsdelikte - vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Ist zum Beispiel während eines Landfriedensbruchs zugleich eine Körperverletzung begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. Anders als im Vorjahr gab es 2001 kein vollendetes rechtsextremistisch motiviertes Tötungsdelikt. Aus den Fällen versuchter Tötungen ist ein Beispiel besonders gravierend: Nach einer Geburtstagsfeier kam es am 13. Januar 2001 vor einer Gaststätte in München zu einem Überfall auf einen griechischen Staatsbürger. Zeugenaussagen zufolge versetzten mehrere Skinheads dem Geschädigten Tritte vor den Kehlkopf und sprangen mit beiden Füßen auf seinen Kopf. Die Aktionen wurden nach Zeugenaussagen von Kommentaren wie "Stirb, du Kanake" und "Du musst jetzt sterben, du Scheiß-Ausländer" begleitet. Als Passanten aus einer nahegelegenen Gaststätte Hilfe holten, gingen die Skinheads gegen die herbeigeeilten Personen vor, die sich daraufhin in das Lokal zurückzogen. Die Täter, die zwischenzeitlich Verstärkung erhalten hatten, wollten nunmehr unter "Sieg Heil"-, "Heil Hitler"und "AusBericht 2001 38 Rechtsextremistische Bestrebungen länder raus"-Rufen die Gaststätte stürmen, sie flüchteten jedoch beim Nahen der Polizei. Das Landgericht München verurteilte die beiden Haupttäter - einen zum Tatzeitpunkt 19-Jährigen und seine 17-jährige Freundin - Anfang März 2002 unter anderem wegen versuchten Totschlags zu Jugendstrafen von sechs bzw. fünf Jahren. Neun weitere Beteiligte wurden - überwiegend bereits im Jahr 2001 - wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen zwischen einem und drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, z. T. auf Bewährung. Mit Ausnahme der Urteile gegen die beiden Haupttäter sind alle Entscheidungen inzwischen rechtskräftig. Der 19-jährige Täter hatte bei den Kommunalwahlen im September 1999 in Nordrhein-Westfalen auf einer Reserveliste der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) kandidiert. 2.3.2 Zielrichtungen der Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund Mit 374 Delikten richtete sich die Mehrzahl der politisch rechtsmotivierten Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund gegen Fremde; somit waren rund 53 % aller Gewalttaten fremdenfeindlich motiviert. 153 Gewaltdelikte (22 %) richteten sich gegen (mutmaßliche) Linksextremisten, 18 Taten (3 %) waren antisemitisch motiviert. Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund* (01. 01 - 31. 12. 2001) Tötungsdelikte 0 Versuchte Tötungsdelikte 7 Körperverletzungen 343 Brandstiftungen 12 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 Landfriedensbruch 9 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 1 Freiheitsberaubung 0 Raub 1 Erpressung 1 Widerstandsdelikte 0 Fremdenfeindliche Gewalttaten insgesamt 374 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA). Rechtsextremistische Bestrebungen 39 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts"* [ZIELRICHTUNGEN] (01. 01. - 31. 12. 2001) 374 153 45 18 FremdenAntisemitische Gewalttaten Gewalttaten feindliche Gewalttaten gegen Linksgegen sonstige Gewalttaten extremisten politische oder vermeintGegner liche Linksextremisten * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Es sind nur die wichtigsten Zielrichtungen berücksichtigt. Bericht 2001 40 Rechtsextremistische Bestrebungen 2.3.3 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ereigneten sich mit 85 registrierten Delikten in Sachsen. Danach folgen Niedersachsen (79) und Bayern (72), die allerdings bezogen auf die Einwohnerzahl im Mittelfeld der Statistik stehen. Nach wie vor ist ein deutlicher Schwerpunkt in den östlichen Ländern festzustellen. Im Durchschnitt wurden dort mit 1,57 Gewalttaten je 100.000 Einwohner mehr als doppelt so viele Gewalttaten registriert wie in den westlichen Bundesländern (0,67). (siehe Grafik auf Seite 41 f.) Rechtsextremistische Bestrebungen 41 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts"* [IN DEN LÄNDERN] (01. 01. - 31. 12. 2001) Sachsen 85 Niedersachsen 79 Bayern 72 Brandenburg 67 SchleswigHolstein 66 BadenWürttemberg 61 Thüringen 54 NordrheinWestfalen 48 SachsenAnhalt 45 Hamburg 34 RheinlandPfalz 34 Hessen 31 Berlin 21 Saarland 9 Bremen 3 MecklenburgVorpommern 0 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Bericht 2001 42 Rechtsextremistische Bestrebungen Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts"* [JE 100.000 EINWOHNER IN DEN LÄNDERN] (01. 01. - 31. 12. 2001) Brandenburg 2,58 SchleswigHolstein 2,36 Thüringen 2,23 Hamburg 1,98 Sachsen 1,93 SachsenAnhalt 1,73 Niedersachsen 1,00 Saarland 0,84 RheinlandPfalz 0,84 Berlin 0,62 Bayern 0,59 BadenWürttemberg 0,58 Hessen 0,51 Bremen 0,45 NordrheinWestfalen 0,27 MecklenburgVorpommern 0,00 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) und des Statistischen Bundesamtes zu den Einwohnerzahlen der Länder. Rechtsextremistische Bestrebungen 43 III. Gewaltbereite Rechtsextremisten 1. Rechtsextremistisches Gewaltpotenzial Das Potenzial der gewaltbereiten Rechtsextremisten ist erneut angestiegen und liegt bei 10.400 Personen (2000: 9.700). Den weitaus größten Teil hiervon stellen rechtsextremistische Skinheads. 2. Bewaffnung und Gewaltdiskussion In der rechtsextremistischen Szene gibt es keine handlungsfähigen Keine terroristischen terroristischen Strukturen und kein Konzept für einen zielgerichteten Strukturen bewaffneten Kampf. Gleichwohl besteht weiterhin die Gefahr, dass Einzelne oder Kleinstgruppen auch schwere Anschläge begehen. So nahm die Polizei im August in Lienen (Nordrhein-Westfalen) einen 19jährigen fest, der einen Sprengstoffanschlag gegen ein Asylbewerberheim vorbereitete.5 Es wurden allerdings keine weiteren Planungen für einen Einsatz von Waffen oder Sprengstoff bekannt und auch nur wenige derartige Gegenstände bei Rechtsextremisten sichergestellt. Dies dürfte nicht zuletzt auf die erfolgreichen Exekutivmaßnahmen gegen einzelne Aktivisten und Kleinstgruppen im Jahr 2000 zurückzuführen sein. Damit gelang es nicht nur, weitere Planungen Einzelner zunichte zu machen; vielmehr dürften die Zugriffe der Sicherheitsbehörden auch eine erhebliche abschreckende Wirkung erzielt haben, indem sie gewaltbereiten Rechtsextremisten das hohe Entdeckungsrisiko verdeutlichten. Zum Jahresanfang gab es Anzei"Nationale chen, dass Rechtsextremisten im Raum Bewegung" Potsdam zu einem nachhaltigen militanten Kampf übergehen könnten. Im Namen einer "Nationalen Bewegung" verübten unbekannte Täter am 8. Januar einen Brandanschlag auf die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam*, bei dem erheblicher SachAnschlag am 8. Januar in Potsdam schaden entstand. Die "Nationale Be*) Da die Tat nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, hat der Generalbundesanwalt (GBA) gemäß SS 120 GVG die Ermittlungen übernommen. Gemäß einer Presseerklärung des GBA vom 12. Januar 2001 soll dabei auch geklärt werden, ob die Voraussetzungen des SS 129a StGB erfüllt sind. Bericht 2001 44 Rechtsextremistische Bestrebungen wegung" hatte sich bereits seit Anfang 2000 zu mehreren Straftaten bekannt, bei denen es sich überwiegend um Propagandadelikte und Sachbeschädigungen handelte. Im September und Dezember 2000 hatte sie Brandanschläge gegen türkische Imbissstände im Raum Potsdam verübt. Nach dem Anschlag in Potsdam kam es aber zu keinen weiteren schweren Folgetaten. Rückgang der Die Gewaltdiskussion in der Szene ging im Jahr 2001 zunächst Gewaltdiskussion deutlich zurück. Vereinzelte Stimmen befürworteten jedoch weiterhin Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. So wurde auf einer neonazistischen Homepage ein Interview mit dem wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Neonazi Kai DIESNER veröffentlicht. Unter Bezugnahme auf den Zukunftsroman "The Turner Diaries" des amerikanischen Rechtsextremisten William PIERCE über einen Rassenkrieg mit Angriffen von Rechtsextremisten auf Washington, New York und israelische Städte wird DIESNER unkommentiert zitiert: "Jeder sollte erkennen, wie die Welt da draußen wirklich ist. Er kann sich letztendlich nur für unsere Sache entscheiden. Die 'Turner Tagebücher' sagen und zeigen alles, was von Wichtigkeit ist. Laßt sie uns in die Tat umsetzen!" (Homepage der "Freien Nationalisten - Nationaler Widerstand Ruhr" im Frühjahr 2001) Ein anderes Beispiel für Gewaltbefürwortung lieferte der Neonazi Michael KRICK: "Greift das System und ihre Knechte an, wo immer es geht. Auch sie, die gegen unsere Rasse vorgehen und sie zu vernichten suchen. Staatsschmutz, Staatsanwälte, Richter haben Namen, Adresse und Familie. Eurer Phantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Als Vorbild mag uns hierbei die baskische ETA dienen. ... Zeigt kein Erbarmen, keine Reue. Der weiße arische Widerstand lebt. Bildet Zellen nach dem Vorbild des führerlosen Widerstandes. Unterstützt die national-revolutionären Zellen. Sieg oder Walhalla!" (ZDF-Sendung "Frontal 21" am 15. Mai) Gefahr gewalttätiger Die Terroranschläge in den USA lösten im September bei vielen Aktionen gewaltbereiten Rechtsextremisten und einigen Neonazis Begeisterung aus. Auf Kundgebungen agitierten sie nun verschärft antiamerikanisch und antisemitisch. Es wurden zwar keine konkreten Pla- Rechtsextremistische Bestrebungen 45 nungen bekannt, dennoch könnten sich einzelne Rechtsextremisten oder Kleingruppen von solchen Äußerungen zu schweren Straftaten angespornt fühlen. So äußerte sich beispielsweise ein Teilnehmer mit dem Pseudonym "Jens DD" in einem Internetforum zu den Militäraktionen der USA in Afghanistan: "... ich bekomme immer mehr das Verlangen, meine bei der BW erlernten pioniertechnischen Kenntnisse gegen die Völkermörder anzuwenden!" (Internetforum "Mitteldeutscher Gesprächskreis") Vereinzelt wurden "Racheaktionen" gegen Menschen islamischen Glaubens gefordert. So hieß es im Gästebuch einer Skinhead-Homepage: "... Ich sags immer wieder, die ISLAMISTEN, sie müssen von dieser Welt verbannt werden Wie NA Kopf kürzer" ... wirklich scheiss Islam, ... 88 und schlagt sie tot!" (Gästebuch der Homepage "White Power MP 3") Die bei gewaltbereiten Rechtsextremisten grundsätzlich vorhandene Fremdenfeindlichkeit wurde bislang überwiegend durch die Zustimmung zu den Attentaten überlagert. Sollte es aber zu Anschlägen durch islamistische Terroristen in Deutschland kommen, dürften fremdenfeindliche Bestrebungen Auftrieb gewinnen. Auch gewalttätige Aktionen gegen islamische Einrichtungen und Einzelpersonen wären dann nicht auszuschließen. 3. Rechtsextremistische Skinhead-Szene Der Skinhead-Szene gehören überwiegend männliche Jugendliche Jugendliche und Heranwachsende an, deren Lebenseinstellung wesentlich durch Subkultur ihr Zugehörigkeitsgefühl zu dieser jugendlichen Subkultur geprägt wird. Bestimmende Elemente dieser Lebensweise sind SkinheadMusik, -Konzerte und -Parties, hoher Alkoholkonsum sowie Gewaltbereitschaft. Die rechtsextremistisch orientierten Anhänger der Skinhead-Szene besitzen in der Regel keine geschlossene Ideologie; ihr diffuses rechtsextremistisches Weltbild wird von fremdenfeindlichen, nationalistischen, antisemitischen und den Nationalsozialismus verherrlichenden Einstellungen bestimmt. Da Aggressivität und Bericht 2001 46 Rechtsextremistische Bestrebungen Gewaltbereitschaft zu ihrem Selbstverständnis gehören, treten Skinheads immer wieder durch spontane, häufig durch starken Alkoholkonsum geförderte Gewalttaten gegen Fremde, Juden und politische Gegner in Erscheinung. Schwerpunkt in Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten ist in Ostdeutschland Ostdeutschland überproportional hoch. Dort lebt bei einem Bevölkerungsanteil von rund einem Fünftel fast die Hälfte der rechtsextremistischen Skinheads. Größere überregional aktive Szenen bestehen unter anderem in Westsachsen, in Südund Ostthüringen, im Berliner Umland und in den östlichen Bezirken Berlins. In Westdeutschland gibt es größere Szenen vor allem in den großen Städten und Ballungsgebieten. Skinheads Neben diesen Schwerpunktgebieten existierten auch in anderen Sächsische Schweiz Regionen relativ große und aktive gewaltbereite Szenen. Ein Beispiel verboten hierfür sind die 1996 gegründeten "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS), die sich mit ihrer straffen organisatorischen Struktur von der üblicherweise eher organisationsfeindlichen Skinhead-Szene abhoben. Die SSS bündelten einen Großteil der in der Sächsischen Schweiz lebenden jugendlichen Rechtsextremisten in diversen Untergliederungen und agitierten in aggressiver Weise gegen politische Gegner und Ausländer. Da die Organisation gegen Strafgesetze verstieß und sich ihre Tätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtete, wurde sie einschließlich ihrer "Aufbauorganisation" (SSS-AO) mit Wirkung vom 5. April durch den sächsischen Minister des Innern verboten. Verhältnis zu Der bereits in den letzten Jahren zu beobachtende Trend einer VerNeonazis flechtung von Skinhead-Cliquen und neonazistischen Kameradschaften (vgl. Kap. IV, Nr. 2) hat sich fortgesetzt. Zwischen den Szenen bestehen zwar nach wie vor viele Unterschiede: So besitzen die meisten rechtsextremistischen Skinheads im Gegensatz zu den Neonazis ein weniger stringentes neonazistisches Weltbild. Sie befürworten Gewalt, während Neonazis diese - mitunter aus taktischen Gründen - überwiegend ablehnen. Auch stehen Skinheads organisierter politischer Arbeit eher ablehnend gegenüber. Beide Spektren ziehen jedoch aus der Verflechtung gegenseitig Vorteile: Neonazis erweitern das Rekrutierungspotenzial für ihre öffentlichkeitswirksamen Aufmärsche; Skinheads nutzen die entwickelten Kommunikationsstrukturen der Neonazis (Info-Telefone und Homepages; vgl. Kap. IX, Nr. 3) für eigene Aktivitäten, beispielsweise für die Veranstaltung von Konzerten. Verhältnis zu Größtenteils stehen Skinheads einer Einbindung in organisatorirechtsextremistischen sche Strukturen rechtsextremistischer Parteien skeptisch gegenüParteien ber. Erhebliche gegenseitige Vorbehalte bestehen zwischen Rechtsextremistische Bestrebungen 47 Skinheads und den beiden rechtsextremistischen Parteien DVU und REP. Die NPD konnte hingegen mit ihrem aktionistischen Konzept ("Kampf um die Straße") und der Öffnung der Partei auch für Skinheads einige Akzeptanz erringen. So bestehen in einigen Fällen enge Verbindungen zu Parteifunktionären auf Bundesund Landesebene. Wenngleich eine dauerhafte Einbindung von Skinheads in die Parteiorganisation in vielen Fällen scheiterte, lassen sie sich doch bereitwillig für NPD-Demonstrationen mobilisieren. 3.1 Bundesweit aktive Skinhead-Organisationen Bundesweit war nur noch die Skinhead-Gruppierung "Hammerskins" aktiv. Nach dem Verbot von "Blood & Honour" und der Selbstauflösung des - sich selbst als "Frauenund Mädelkameradschaft" bezeichnenden - "Skingirl-Freundeskreis Deutschland" (SFD) im Jahr 2000 bildeten sich keine neuen bundesweiten Strukturen heraus. Die nationalsozialistisch und rassis"Hammerskins" tisch orientierten "Hammerskins" verstehen sich als elitäre Strömung innerhalb der Szene. Sie haben das Ziel, alle weißen Skinheads in einer weltumspannenden "Hammerskin-Nation" zu vereinen. Die aus den USA kommende Bewegung hat seit Mitte der 90er Jahre in Deutschland auch organisatorische Strukturen mit einigen regionalen "Chaptern" gebildet, konnte sich aber nicht als relevante szeneinterne Strömung etablieren. Ihr gehören wie im Vorjahr rund 100 Personen an. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 13. Juni die Klage zweier "Blood & Honour" Funktionäre der am 12. September 2000 vom Bundesminister des Innern verbotenen neonazistischen Gruppierung "Blood & Honour - Division Deutschland" und ihrer Jugendorganisation "White Youth" abgewiesen. Das Verbot ist damit bestandskräftig. Die Strukturen von "Blood & Honour" in Deutschland sind nach dem Verbot aufgelöst. Die meisten der früheren Aktivisten und Mitglieder zogen sich aus der rechtsextremistischen Szene zurück, einige wenige sind nur mehr in lokalen Cliquen oder Bericht 2001 48 Rechtsextremistische Bestrebungen Kameradschaften aktiv. Nur wenige ehemalige Mitglieder versuchen noch, Skinhead-Konzerte zu organisieren. 3.2 Rechtsextremistische Skinhead-Musik Skinhead-Musik als Die rechtsextremistische Skinhead-Musik und deren Erleben sind identitätsstiftender wesentliche identitätsstiftende Faktoren der Szene. Über die Musik Faktor mit ihren rassistischen, antisemitischen sowie nicht selten gewaltverherrlichenden Texten werden entsprechende Feindbilder aufgebaut. Der harte Musikstil erinnert an Heavy Metal. Skinhead-Konzerte erzeugen bei den Besuchern ein Gefühl von Gemeinschaft und Stärke, für manche außenstehende Jugendliche ist ein Konzertbesuch zudem mit dem Reiz des Tabubruchs verbunden. Über die Wirkung und Funktion rechtsextremistischer SkinheadMusik heißt es auf der Homepage der australischen Division der in Deutschland verbotenen "Blood & Honour"-Organisation: "WP-Musik6 erfüllt mehrere Zwecke. Sie verbindet und eint die Gemeinde der weißen Rasse. WP-Musik verleiht uns Inspiration und Hoffnung. Jeder, der schon mal in einem Raum voller Skinheads gestanden hat, ihre Stimmen wie eine vereint, um ein Lied über Ruhm und Ehre anzustimmen, wird die Kraft, Verbundenheit und Stärke gespürt haben. WP-Musik erreicht diejenigen, die sich uns anschließen und hilft ihnen, ihren Platz in unseren Reihen zu finden." Rechtsextremistische Die Zahl der aktiven rechtsextremistischen Skinhead-MusikgrupSkinhead-Bands pen in Deutschland, die bei Skinhead-Konzerten auftraten oder Tonträger veröffentlichten, liegt nunmehr bei 103 (2000: 100). Rund 30 davon sind seit Jahren aktiv und in der Szene sehr populär. Viele der anderen Bands bestehen allerdings nicht lange, sie kommen nur für eine kurze Zeit zusammen und lösen sich rasch wieder auf. Internationale Innerhalb der Skinhead-Musikszene findet eine internationale Kontakte Kooperation statt, die auf der gemeinsam empfundenen Zugehörigkeit zur "White Power"-Bewegung und übereinstimmenden Feindbildern basiert. Skinhead-Bands aus dem Ausland und deren CDs sind in der deutschen Szene beliebt. Besonderes britische und nordamerikanische Bands treten bei Konzerten in Deutschland auf, beispielsweise die Bands "Celtic Warrior", "Youngland", "Max Resist" oder "Intimidation One". Deutsche Bands spielen auf Veranstaltungen im Ausland. Zum Teil produzieren sie speziell für diesen Markt Tonträger in englischer Sprache. Rechtsextremistische Bestrebungen 49 Auch 2001 sind wieder mehrere strafrechtlich relevante Tonträger Volksverhetzende deutscher rechtsextremistischer Skinhead-Bands erschienen. So war Texte seit Januar die CD "Noten des Hasses"7 der Skinhead-Musikgruppe "White Aryan Rebels" erhältlich, in deren Liedtexten gegen Farbige, Juden und Homosexuelle gehetzt wird. Im Titelsong und in dem Lied "Nigger" werden Farbige als "Untermenschen" und "Ungeziefer" bezeichnet, ihnen wird das Recht zu leben abgesprochen. In dem Lied "Ausgeburt der Hölle" wird Juden unverhohlen die Massenvernichtung angedroht: "Das ist die Ausgeburt der Hölle, Teufel in Menschengestalt. Das ist die Ausgeburt der Hölle, mit ihrem Märchen von Auschwitz, Buchenwald. ... Und die Geschichte wird sich wiederholen und diesmal so, wie ihr sie uns falsch erzählt. Und so haben heute sechs Millionen ihr eigenes Schicksal schon selber gewählt." Anfang Oktober nahm die Polizei nach umfangreichen ErmittlunErmittlungs-verfahren gen des Landeskriminalamts Berlin im Auftrag des Generalbundesgegen die Band "Landser" anwalts (GBA) vier Mitglieder der bekanntesten und einflussreichsten rechtsextremistischen Musikgruppe "Landser" sowie einen Vertreiber ihrer rechtsextremistischen Musik fest. Es ist das erste Ermittlungsverfahren, das gegen Mitglieder einer rechtsextremistischen Band wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet wurde. Der GBA wirft den Beschuldigten vor, Musik zu produzieren und zu vertreiben, in der zu schweren Straftaten wie Brandstiftung und Mord aufgerufen wird. Die Band bezeichnet sich als "Braune Musik Fraktion" und will den Hass der Zuhörer schüren und diesem eine musikalische und politische Stimme geben. Ideologisch bekennt sich "Landser" zu einem völkischen Weltbild, in dem die Beschwörung des "germanischen Ariertums" im Sinne des Nationalsozialismus mit der Idee der "White Power"-Bewegung verbunden wird. In ihren seit 1992 verbreiteten Tonträgern hetzt die Band gegen politisch Andersdenkende, Farbige, Juden, Polen und Türken; diese werden als minderwertig und verbrecherisch dargestellt. Die Gesellschaft und der deutsche Staat werden als dekadent und verkommen bezeichnet. Bericht 2001 50 Rechtsextremistische Bestrebungen Die Skinhead-Szene reagierte auf die Exekutivmaßnahmen gegen ihre konspirativ auftretende und produzierende "Kultband" betroffen und verunsichert, zeigte sich aber solidarisch. Sinkende Der seit 1999 festgestellte Rückgang der Anzahl rechtsextremistiTeilnehmerzahl scher Skinhead-Konzerte setzte sich im Jahr 2001 abgeschwächt fort. bei rechtsInsgesamt fanden in Deutschland 80 Konzerte statt (2000: 82). extremistischen Wegen intensiver Aufklärungsmaßnahmen, Kontrollen an VortreffSkinhead-Konzerten punkten sowie ausgesprochener Verbote konnten erneut zahlreiche Veranstaltungen verhindert werden. Bundesweit wurden 16 Konzerte im Vorfeld verboten oder nach intensiven Ausklärungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden von den Veranstaltern abgesagt. Weitere 15 Veranstaltungen löste die Polizei auf. Es gelang der Szene kaum noch, größere Veranstaltungen zu organisieren. Die durchschnittliche Besucherzahl der Konzerte ist inzwischen auf rund 170 Personen gesunken (2000: rund 200). Nur vier Konzerte wurden von mehr als 500 Teilnehmern besucht. In der Regel reagierten die Konzertteilnehmer relativ ruhig auf die staatlichen Maßnahmen. Nur in einzelnen Fällen kam es zu Widerstandshandlungen, so zum Beispiel bei der Auflösung von Konzerten am 3. Februar in Hamburg, am 2. Oktober in Chemnitz und am 13. Oktober in Wittstock (Brandenburg). In Martinsrieth bei Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) leisteten die Teilnehmer bei der Auflösung eines Konzerts am 9. Juni massiven Widerstand. Die eingesetzten Polizeikräfte wurden mit Steinen, Flaschen, Getränkedosen und brennenden Gegenständen beworfen, 58 Personen wurden wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte festgenommen. Rechtsextremistische Bei den Musikveranstaltungen rechtsextremistischer LiedermaLiedermacher cher war ein geringfügiger Anstieg zu verzeichnen; es gab 47 Veranstaltungen (2000: 44). Die Zahl der Musiker blieb mit 19 im Vergleich zum Vorjahr (20) in etwa gleich. Das größte Konzert, ein von einem NPD-Funktionär organisierter Auftritt des populärsten rechtsextremistischen Liedermachers Frank RENNICKE, fand am 17. Februar bei Dresden vor über 1.000 Teilnehmern statt. Darüber hinaus bestritten RENNICKE sowie weitere Liedermacher wiederholt das musikalische Rahmenprogramm von NPD-Veranstaltungen, so beispielsweise auf dem Pressefest des NPDeigenen Verlags "Deutsche Stimme" in Riesa (Sachsen) am 8. September. RENNICKE trat auch auf Wahlkampfkundgebungen der NPD in Berlin auf. Rechtsextremistische Bestrebungen 51 3.3 Vertrieb von Skinhead-Musik und sonstigen Skinhead-Materialien Die Struktur der Skinhead-Vertriebsszene hat sich in den letzten JahWandel der ren insgesamt verändert, ohne dass es zu einem erkennbaren RückVertriebsstruktur gang bei der Verbreitung der CDs kam. Während die Szene bis Mitte der 90er Jahre von mehreren Großvertreibern im Inund Ausland dominiert worden war, ist nunmehr eine Aufsplitterung festzustellen. Die Zahl rechtsextremistischer Skinhead-Musikvertriebe, die ihr Material in bundesweit verbreiteten Listen anbieten, ist mit 40 (2000: 46) zwar weiterhin rückläufig. Die Verbreitung erfolgt jedoch immer mehr auch durch Einzelpersonen, die in ihrem persönlichen oder lokalen Umfeld CDs verkaufen, die sie in kleineren Mengen erworben oder nachgebrannt haben. Diese "Kleinstvertreiber" haben sich von ausschließlich konsumierenden Szeneangehörigen zu mitverdienenden Multiplikatoren entwickelt. Ursächlich für diese Entwicklung sind nicht nur die erfolgreichen Strafverfolgungsmaßnahmen gegen einige Großvertreiber rechtsextremistischer Musik. Auch die fortschreitende Verbreitung von zu erschwinglichen Preisen erhältlichen PCs mit integriertem CD-Brenner hat die Herstellung und Verteilung selbstgebrannter CDs erleichtert. Die für eine solche Produktion erforderlichen Musikstücke können aus dem Internet beschafft werden. Skinheads bieten sie auf zahlreichen Homepages als MP3-Dateien an oder stellen sie über Musiktauschbörsen zur Verfügung. Trotz der steigenden Bedeutung des Internet für den Austausch Erfolgreiche rechtsextremistischer Musik konnten im Rahmen zahlreicher StrafStrafverfolgung führt verfahren wieder größere Mengen rechtsextremistischer Tonträger zu Beschlagnahme von Tonträgern sichergestellt werden. Im Rahmen eines Strafverfahrens gegen den Inhaber des in Leer (Niedersachsen) ansässigen Skinhead-Vertriebs "Moin Moin Records" und weitere Personen beschlagnahmte die Polizei am 10. Januar in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen über 5.000 Tonträger mit rechtsextremistischen Liedtexten, umfangreiches Propagandamaterial sowie PCs. Gegen den Inhaber wurde Anklage erhoben. Gegen sechs Personen, darunter Funktionäre und Mitglieder von NPD und JN, wurden Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Am 25. Januar durchsuchte die Polizei in Borkwalde (Brandenburg) im Rahmen von Ermittlungen zu Vertriebsstrukturen rechtsextremistischer Musik die Wohnräume eines ehemals führenden "Blood & Honour"-Aktivisten. Neben diversen rechtsBericht 2001 52 Rechtsextremistische Bestrebungen extremistischen Schriften wurden über 250 Tonträger mit strafrechtlich relevanten Texten, darunter 200 seit Anfang Januar verbreitete CDs der Gruppe "White Aryan Rebels" mit dem Titel "Noten des Hasses", sichergestellt. Erkenntnisse aus diesem Verfahren führten am 14. August zur Durchsuchung von acht Wohnungen in Bochum und Wuppertal, Dresden, Lübeck und Hannover. Wegen des Verdachts, Tonträger mit rechtsextremistischen Inhalten sowie entsprechende Textilien international zu vertreiben, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen insgesamt fünf Personen. Allein bei dem in Bochum lebenden Hauptbeschuldigten wurden neben anderem umfangreichen Beweismaterial ca. 300 Tonträger und 5.000 Bekleidungsstücke mit strafrechtlich relevanten Logos sichergestellt. Gegen ihn und einen weiteren Beschuldigten aus Lübeck erging Haftbefehl. Im Zuge eines Ermittlungsverfahrens wegen der Produktion der CD "Ran an den Feind" der Gruppe "Landser" durchsuchte die Polizei im April und Juli Wohnund Geschäftsräume des in Sachsen ansässigen Vertriebs "Hate Records". Dabei wurden mehrere tausend CDs sowie eine Schusswaffe sichergestellt. Der Inhaber des Vertriebs wurde am 19. Dezember von der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden wegen Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Konspirative und Die Erfolge der Strafverfolgungsbehörden haben aber auch dazu arbeitsteilige geführt, dass Produktion und Vertrieb strafrechtlich relevanter CDs Produktion und zunehmend konspirativ organisiert werden. Um möglichst wenig Verbreitung Ansatzpunkte für Ermittlungsmaßnahmen zu bieten, gehen die an der Herstellung Mitwirkenden arbeitsteilig vor. So sind bei der Aufnahme, Pressung, Cover-Herstellung, Auslieferung und Verteilung einer CD mehrere Personen eingebunden, die häufig nur ihren eigenen Arbeitsschritt kennen. Rechtsextremistische Bestrebungen 53 3.4 Skinhead-Fanzines Die Bedeutung rechtsextremistischer Fanzines8 hat weiter abgenomAbnehmende men. Deren Zahl ist gegenüber dem Vorjahr um rund ein Viertel auf Bedeutung von 35 Publikationen (2000: 46) zurückgegangen. Die meisten Fanzines Fanzines haben nur einen geringen, meist regional begrenzten Verteilerkreis. Ursächlich für die sinkende Bedeutung dürfte das Internet sein, über das sich die Szene mit Konzertberichten, CD-Besprechungen sowie Interviews mit Bandmitgliedern und Vertreibern rechtsextremistischer Skinhead-Musik versorgt. Vor dem Hintergrund mehrerer Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Fanzine-Herausgeber scheint bei vielen Skinheads auch die Bereitschaft nachzulassen, an der Herstellung der Publikationen mit eigenen Beiträgen mitzuwirken oder auf Interviewanfragen zu antworten. IV. Neonazismus 1. Überblick Das neonazistische Personenpotenzial stieg im Jahr 2001 - nach Neonazis in mehreren Jahren der Stagnation - auf 2.800 Aktivisten (2000: 2.200). Kameradschaften Grund hierfür dürfte die erhöhte Attraktivität der Szene für junge eingebunden Rechtsextremisten sein. Diese Anziehungskraft entwickelte sich aus einer stärkeren Präsenz der Neonazis in der Öffentlichkeit - vor allem im Rahmen von Demonstrationen. Überwiegend sind Neonazis in Kameradschaften eingebunden. Diese meist lediglich regional agierenden Gruppierungen versuchen weiterhin, ihre Zusammenarbeit in Bündnissen zu institutionalisieren und zu vertiefen (vgl. Nr. 2). Demonstration am 1. Dezember in Berlin. Vorherrschende Themen in der Agitation der Neonazis waren die "Politische angebliche Verfolgung des "nationalen Widerstands" durch Staat und Verfolgung" und Medien sowie die antiamerikanisch ausgerichtete Kritik an der Glo"Globalisierung" als Agitationsthemen balisierung und ihren Folgen. Auch die Anschläge vom 11. September wurden agitatorisch genutzt: Sie seien die logische Folge eines USImperialismus, der sich überall in die Belange anderer Völker einmische. Die Opferzahlen der Anschläge versuchten die Agitatoren durch Aufrechnung gegen die Opfer der Kriege, in die die USA verwickelt waren, zu relativieren: Bericht 2001 54 Rechtsextremistische Bestrebungen "Der 'Tod von Oben' ist für die USA keineswegs ein Unbekannter - bislang jedoch kannte ihn die selbsternannte Weltpolizei nur aus der Vogelperspektive, wenn wieder einmal us-amerikanische Bomberkommandos in fremden Ländern freie Völker mit Bombenterror für 'Freiheit und Demokratie' zu begeistern versuchten. Am 'schwarzen Dienstag', dem 11. September 2001, bekamen die USA nun erstmals einen Schluck von der eigenen Medizin verabreicht: Die Völkermordzentrale 'Pentagon' schwer getroffen, der World Trade Center ruht in Schutt und Asche - das Symbol der weltweiten Ausbeutung und Globalisierung ist gefallen! ... Doch wo bleiben die Schweigeminuten für die Hunderttausenden Toten unseres Volkes, die 'Uncle Sam' auf dem Gewissen hat? ... Wenn die USA eines sicher nicht verdient haben, dann ist es Euer Mitleid! ... Wer sich an die Seite der USA begibt, steht auf der Seite des Internationalen Kapitals, der Multikultur und der Globalisierung - gegen die Freiheit der Völker!" (Pressemitteilung "Ein Schluck von der eigenen Medizin ...!" des neonazistischen "Aktionsbüros Norddeutschland" vom 12. September 2001) Neonazis wähnen hinter der fortschreitenden Globalisierung eine machtpolitische Strategie der USA zur Zerstörung der kulturellen und nationalen Identität der Völker, um ungehindert die Weltherrschaft ausüben zu können. Diese Überzeugung kommt in einem Flugblatt eines Neonazis aus Schleswig-Holstein zum Ausdruck: "Im Zeichen der zunehmenden Globalisierung verschwimmen die Grenzen zwischen einzelnen Staaten immer weiter. Längst hat sich auch in Deutschland die Wirtschaft zum großen Teil von der Arbeiterschaft entwurzelt. ... Diese Entwicklung ist kein Zufall. Die politischen Weichen wurden global auf höchsten Machtebenen gestellt. Hier in Europa mit der Schaffung der 'Europäischen Union'. ... Spötter könnten behaupten, die Völker im 'freien Westen' seien noch glimpflich vereinnahmt worden. Gewalt war auch gar nicht nötig, denn nach nunmehr über fünfzig Jahren 'Freiheit und Demokratie' sind die politischen Führungen westeuropäischer Satellitenstaaten bestens von der Machtzentrale USA eingenordet worden." (Flugblatt "Freiheit der Völker! statt Oneworld der Ausbeuter!" ohne Datum) Zur angeblichen "politischen Verfolgung" der Neonaziszene, einem wichtigen Agitationsthema, führt die bedeutendste Publika- Rechtsextremistische Bestrebungen 55 tion der Szene, das "Zentralorgan", in verschwörungstheoretischer Manier aus: "Etablierte Kräfte aus Medien, Politik, Gewerkschaften, Kirche etc. suchten händeringend nach einer günstigen Gelegenheit, um eine neue Verleumdungswelle gegen den Nationalen Widerstand ... lostreten zu können. ... Doch diese Medienhetze soll nicht nur Einschüchterungsversuch sein, sondern gleichzeitig auch Haß schüren und zu unüberlegten Reaktionen verleiten. Diese Systemfalle haben wir durchschaut - sie werden ihren 'Terror von Rechts' auch damit nicht bekommen! ... Wir müssen noch stärker auf diese Verfolgung und Willkür aufmerksam machen." ("Zentralorgan" Nr. 11, S. 4 ff.) Die Neonazis errangen eine größere öffentliche Präsenz; sie führStarke Zunahme von ten eigenständig Kundgebungen und Demonstrationen durch, an eigenständigen denen aktionsorientierte Skinheads teilnahmen. In mehreren, von NeonaziDemonstrationen Neonazis herbeigeführten Entscheidungen konkretisierte das Bundesverfassungsgericht die Bedingungen, unter denen beschränkende Auflagen und ausnahmsweise Versammlungsverbote erlassen werden können. Anlässe für Demonstrationen waren die angebliche politische DemonstrationsVerfolgung des eigenen Lagers, die Globalisierung und, verstärkt themen nach den Anschlägen vom 11. September, der "US-Imperialismus". In geringerem Maße demonstrierte die Szene gegen eine ihrer Meinung nach unzureichende Kriminalitätsbekämpfung (insbesondere in den Bereichen Kindesmissbrauch und Drogenhandel) oder zur Erinnerung an historische Ereignisse. Bei drei Demonstrationen gelang es, eine hohe Zahl an Teilnehmern zu mobilisieren: - Am 1. Mai kamen in Frankfurt/M. 1.200 Teilnehmer unter dem Motto "Kampf der Arbeitslosigkeit - Kampf dem Euro - für die DM und deutsche Interessen" zusammen. - Am 1. September versammelten sich in Leipzig 2.000 Teilnehmer unter der Parole "1. September - damals wie heute: Für Freiheit, Frieden und Selbstbestimmung". Beide Veranstaltungen organisierten die Neonazis Steffen HUPKA, 9 der sich als NPD-Mitglied für eine Zusammenarbeit mit Neonazis einsetzt, und Thomas WULFF, früherer Vorsitzender der verbotenen neonazistischen "Nationalen Liste" (NL). Bericht 2001 56 Rechtsextremistische Bestrebungen - Am 3. November beteiligten sich in Leipzig etwa 1.250 Rechtsextremisten an einer von dem früheren stellvertretenden Vorsitzenden der "Nationalen Liste" (NL) Christian WORCH angemeldeten Demonstration unter dem Motto "Für Versammlungsfreiheit und gegen Repression". Als besonderen Erfolg betrachtet die Neonazi-Szene, dass sie wieder eine zentrale "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltung" durchZentrale führen konnte. Nachdem der Bayerische Ver"Rudolf Heß-Gedenkwaltungsgerichtshof ein Verbot der Veranveranstaltung" staltung aufgehoben hatte, marschierten am 18. August rund 900 Rechtsextremisten durch Wunsiedel (Bayern), den Begräbnisort des ehemaligen Hitler-Stellvertreters. Demonstration am 8. August in Wunsiedel Geringere Die Bedeutung der "Anti-Antifa"-Aktivitäten war dagegen eher Bedeutung von gering. Zwar sammelten Neonazis weiterhin persönliche Daten poli"Anti-Antifa"tischer Gegner, indem sie beispielsweise bei Demonstrationen der Aktivitäten rechtsextremistischen Szene wiederholt Gegendemonstranten, Journalisten sowie Polizeieinsatzkräfte filmten und fotografierten. Angesichts mehrerer Ermittlungsverfahren gegen Aktivisten der "AntiAntifa" wurden diese Fotos und Personaldaten jedoch zurückhaltender als in den Vorjahren veröffentlicht. 2. Neonazistische Kameradschaften Neonazistische Die neonazistische Gedankenwelt der etwa 150 Kameradschaften Grundhaltung (2000: 150) wird geprägt durch ein aggressives Eintreten für ein nationalsozialistisches System, offenen Rassismus, Fremdenhass und Antisemitismus. Unterschiede zwischen den einzelnen Kameradschaften zeigen sich vor allem in der Festigkeit der Strukturen und der Aktionsfähigkeit. Unterschiedliche Eine Kameradschaft zählt in der Regel 5 bis 20 Mitglieder, meist Organisationszwischen 18 und 25 Jahren. Der Anteil der Frauen liegt bei etwa strukturen 10 %. Die neonazistische Gesinnung der Mitglieder ist bereits gefestigt, der Wille zu politischer Aktivität deutlich ausgeprägt. In einigen Regionen - vornehmlich in Ostdeutschland - ist zu beobachten, dass Rechtsextremistische Bestrebungen 57 die Zahl der Skinheads in Kameradschaften wächst. Diese subkulturell geprägten Mitglieder besitzen ein eher oberflächliches politisches Bewusstsein. In ihrer Aktionsorientierung stehen sie jedoch den Neonazis nicht nach. Sie stellen mittlerweile ein wesentliches Kontingent der Teilnehmer bei Demonstrationen der Szene. Die meisten Kameradschaften sind hierarchisch gegliedert. So gibt es Kameradschaftsführer und Stellvertreter, die die Gruppe und ihre Aktionen autoritär leiten. Die Übertragung weiterer Funktionen und Aufgaben an Kameradschaftsmitglieder, z. B. Kassenführer, Sicherheitsbeauftragte oder Leiter von Arbeitsgemeinschaften dient nicht zuletzt der Identifikation der einzelnen Mitglieder mit der Kameradschaft und trägt somit zu deren Geschlossenheit und Stabilität bei. Zu diesem Zweck haben sich viele Kameradschaften Namen gegeben wie "Kameradschaft 73 Celle", "Fränkische Aktionsfront" oder "Nationaler Widerstand Hagen/Lüdenscheid". Andere nutzen nur für die Dauer bestimmter öffentlicher Aktionen Bezeichnungen, zum Beispiel "Einsatzkommando Kehrt Marsch!" anlässlich von Protesten gegen den BunDemonstration am 1. Dezember in Berlin deswehreinsatz in Mazedonien. Mit solchen temporären Organisationsbezeichnungen soll den Behörden die Identifizierung der Organisationen erschwert und die Öffentlichkeit über den tatsächlichen Hintergrund der Aktivisten getäuscht werden. Auch wenn sich die Aktionsfähigkeit mancher Kameradschaften auf interne Treffen beschränkt, versuchen doch die meisten neonazistischen Zusammenschlüsse, ihre politischen Überzeugungen planmäßig zu verbreiten. Die Mitglieder dieser Kameradschaften reisen organisiert zu rechtsextremistischen Demonstrationen, suchen die Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Gruppierungen oder werben offensiv Mitglieder. Um Zusammenhalt und Stärke zu demonstrieren, veranstalten Kameradschaften auch kleinere Demonstrationen in ihren Heimatregionen. Sobald Thema, Ort oder Zeitpunkt der geplanten Kundgebung jedoch eine überregionale Mobilisierung erfolgsversprechend Bericht 2001 58 Rechtsextremistische Bestrebungen erscheinen lassen, werden rechtskundige Szeneangehörige mit Anmeldung und Organisation der Demonstration betraut. Insbesondere WORCH ist häufig in dieser Hinsicht tätig geworden. Örtliche Kameradschaften übernehmen in diesem Fall die Mobilisierung in ihrer Region oder Ordnertätigkeiten. So wurde beispielsweise gegen das BfV-Aussteigerprogramm die Demonstration "Der Widerstand läßt sich nicht kaufen - Courage zeigen - nicht aussteigen!" am 2. Juni in Karlsruhe mit rund 400 Teilnehmern von WORCH angemeldet, während Karlsruher Neonazis maßgeblich für die Mobilisierung der Teilnehmer sorgten. Einzelne Um ihre Aktionsfähigkeit zu verbessern, haben Kameradschaften in Kameradschaftseinzelnen Regionen Deutschlands Bündnisse gebildet; zu einer bunbündnisse zur desweit organisierten Zusammenarbeit kam es gleichwohl bislang Verbesserung der nicht. Überregionale Bedeutung kommt seit mehreren Jahren dem Aktionsfähigkeit der Kameradschaftsszene "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis Norddeutschland" (NSAN) zu. Diesem gehören vor allem Neonazis aus den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Niedersachsen an. Das "Aktionsbüro Norddeutschland" des NSAN koordiniert die politische Arbeit, indem es vor allem im Internet auf Veranstaltungen hinweist und Stellungnahmen zur Tagespolitik verfasst. Damit beeinflusst es maßgeblich die aktionistische und ideologische Ausrichtung der Neonazi-Szene, auch über Norddeutschland hinaus. Andere Aktionsbündnisse versuchen, das NSAN zu kopieren, erreichen aber nicht dessen Effektivität und Bedeutung. So haben sich beispielsweise in Thüringen mehrere Kameradschaften im "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis Westthüringen" (NSAW) zusammengeschlossen. Dieses unterrichtet Kameradschaftsangehörige über eine Homepage und organisiert regelmäßig Demonstrationen, so beispielsweise eine Demonstration gemeinsam mit der NPD am 28. Juli in Gotha mit rund 250 Teilnehmern unter dem Motto "Gegen Sozialabbau und Globalisierung - Heimat statt Standort Deutschland". Zunehmende Das Verhältnis zwischen NPD und der neonazistischen Kameradeigenständige schaftsszene hat sich insofern gewandelt, als die neonazistische Präsenz in der Szene nunmehr verstärkt eigenständige Präsenz zeigt. Eine Ursache Öffentlichkeit, weiterhin hierfür war der als Folge der Verbotsdiskussion zu sehende, voranlassbezogene übergehende Verzicht der NPD auf öffentliche Aktionen im Herbst Zusammenarbeit 2000. Entscheidend dürfte sich aber ausgewirkt haben, dass die mit NPD-Kräften Neonazis nach Erfolgen vor Gericht nunmehr eigenständig Demonstrationen organisieren und öffentlichkeitswirksam agieren konnten. Eine Zusammenarbeit mit Kräften der NPD findet anlassbezogen weiterhin statt. Insbesondere wenn es - wie bei der Demonstration Rechtsextremistische Bestrebungen 59 am 1. Dezember in Berlin gegen die Wanderausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskriegs 19411944" - um lagerübergreifende Themen geht, werden etwaige Bedenken gegen ein Zusammenwirken zurückgestellt. Vor allem in den ostdeutschen Ländern ist die Zusammenarbeit von Neonazis und NPD nach wie vor gut, da dort eine parteienunabhängige neonazistische Demonstration am 1. Dezember in Berlin Szene wie in den westlichen Ländern kaum anzutreffen ist und zudem oftmals personelle Verflechtungen zwischen Verbänden der NPD und Kameradschaften bestehen. Gute Beziehungen zur NPD lassen sich auch dort beobachten, wo neonazistisch ausgerichtete NPD-Mitglieder und Funktionäre Einfluss in der Partei besitzen - so z. B. im NPD-Landesverband Schleswig-Holstein.10 Neonazistische Kameradschaften haben bisher nicht versucht, Gewaltbereitschaft ihre politischen Ziele offen mit Gewalt durchzusetzen. Bei Demonwird aus taktischen strationen verzichten sie zumeist auf Gegenwehr bei gewalttätigen Gründen verborgen Übergriffen von militanten Autonomen. Ursächlich hierfür dürfte die hohe Präsenz der Polizei bei den Demonstrationen und der Wille sein, das Risiko staatlicher Exekutivmaßnahmen zu minimieren. Auch hoffen Neonazis, durch den Verzicht auf Gewalt Sympathien bei der Bevölkerung zu wecken. Dagegen wird bei internen Treffen gelegentlich ganz unverhohlen Gewaltbereitschaft gegen Andersdenkende und Ausländer geäußert. Dies birgt die latente Gefahr, dass Kameradschaftsmitglieder zu Gewalttaten veranlasst werden. Letztlich ist auch zu befürchten, dass bei militanten Aktionen die in der Szene durchaus vorhandenen Waffen eingesetzt werden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass gewaltbejahende Äußerungen von Neonazis auch Skinheads als Haupttäter fremdenfeindlicher Gewalttaten beeinflussen. Bericht 2001 60 Rechtsextremistische Bestrebungen 3. Neonazistische "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) gegründet: 1979 Sitz: Frankfurt/M. Bundesvorsitzende: Ursula MÜLLER Mitglieder: 600 (2000: 550) Publikation: "Nachrichten der HNG", Auflage: rund 700, monatlich HNG als Die HNG ist der mitgliederstärkste Zusammenschluss deutscher mitgliederstärkster Neonazis mit fast kontinuierlich steigenden Mitgliederzahlen. Sie Zusammenschluss ist in der Gefangenenbetreuung aktiv, veranstaltet jährlich eine von Neonazis Mitgliederversammlung und gibt monatlich die Publikation "Nachrichten der HNG" heraus. Um ihre angeblich nicht rechtsextremistische Ausrichtung zu dokumentieren, betont die HNG-Führung stets den in der Satzung vom 3. August 1991 festgeschriebenen Zweck des Vereins: "Die HNG verfolgt ausschließlich karitative Zwecke, indem sie nationale politische Gefangene und deren Angehörige im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel unterstützt. Die HNG ist parteipolitisch, konfessionell sowie wirtschaftlich neutral". Ein Großteil der derzeit rund 600 Mitglieder gehört auch anderen rechtsextremistischen Organisationen an. Einen besonderen Stellenwert für die neonazistische Szene besitzt die HNG wegen ihrer organisationsübergreifenden und damit integrierenden Funktion. Betreuung von Mit der materiellen und ideologischen Betreuung von Inhaftierten "nationalen versucht die HNG, die Gesinnungsgenossen auch während und nach politischen der Haft in der rechtsextremistischen Szene zu halten. Sie will darüber Gefangenen" hinaus das Bewusstsein von Rechtsextremisten wecken oder bestärken, kein wirkliches Unrecht begangen zu haben; damit stellt sie sich gegen den Strafverfolgungsanspruch des Staates und untergräbt so den Zweck von Strafen, den Täter zu Einsicht und Umkehr zu bewegen. "Nachrichten der Die "Nachrichten der HNG" sollen sowohl die angebliche "politiHNG" sche Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland" dokumentieren als auch über Aktionen des eigenen Lagers berichten. Polemisch heißt es in der Monatspublikation der HNG zu Einrichtungen des demokratischen Rechtsstaats: Rechtsextremistische Bestrebungen 61 "'Demokraten'-Diktatur. Mit Sondereinheiten von Staatsschutz, Polizei und BGS macht das BRD-Regime gegen Andersdenkende mobil." ("Nachrichten der HNG", März 2001, S. 8) Berichte über Gerichtsverfahren nehmen breiten Raum in der Publikation ein. Dabei wird offen oder unterschwellig versucht, den in jedem Heft erhobenen Vorwurf der "Gesinnungsjustiz" zu belegen. So heißt es zu einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren gegen den rechtsextremistischen Liedermacher Frank RENNICKE: "Wie in derartigen politischen Verfahren üblich, konnte sich Rennicke nicht auf die in der BRD angeblich gewährleistete Kunstund Meinungsfreiheit berufen. ... Die Stimmungsmache der Medien und gewisser politischer Kreise 'gegen rechts' hat im Urteil neue Opfer gefunden." ("Nachrichten der HNG", Januar 2001, S. 8 f.) In einem anderen Artikel berichtet die HNG über die Beschwerden, die ein Inhaftierter beim Bundesverfassungsgericht und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt hat. Dort heißt es: "Deren [des Bundesverfassungsgerichts, Anm. des Verf.] derzeitige Präsidentin, Jutta Limbach, ist eine Parteigängerin der SPD und macht aus ihrem fanatischen Haß gegen den Nationalsozialismus keinen Hehl. Kein Wunder also, daß alle Beschwerden und Klagen abgeschmettert wurden. ... Die Ablehnung der Beschwerden läßt den Schluß zu, daß politische Gefangene durch Isolationshaft psychisch gefoltert werden dürfen, und daß ihnen durch ungerechtfertigte Haft eine lebensnotwendige medizinische Behandlung verweigert werden darf." ("Nachrichten der HNG", Februar 2001, S. 16 f.) Die "Nachrichten der HNG" geben zudem Ratschläge für das VerhalKritik an ten gegenüber Polizei und Justiz. So werden in der Publikation etwa Justizbehörden angebliche Umerziehungsmethoden der Justizverwaltung angeprangert: "Justizminister will inhaftierte Nationalisten bekehren: Umerziehungslager als nächster Schritt? Vor allem junge Gefangene sollen ideologisch beeinflußt werden." ("Nachrichten der HNG", Juli 2001, S. 8) Bericht 2001 62 Rechtsextremistische Bestrebungen In einer "Gefangenenliste" werden regelmäßig die Namen inhaftierter Rechtsextremisten veröffentlicht. Die HNG versucht, diesen Personen ein Märtyrerimage zu verschaffen, indem sie auf derselben Seite ein Bild des Hilter-Stellvertreters Rudolf Heß veröffentlicht, der für die HNG die Symbolfigur des politischen Gefangenen darstellt. Die Einbindung inhaftierter Rechtsextremisten in die Szene wird durch den Abdruck von ihnen verfasster Leserbriefe erreicht. Die Briefschreiber erhalten so Gelegenheit, sich und ihren Fall in der Szene bekannt zu machen. Schon dadurch erfahren sie eine gewisse Solidarität, für die sie sich aus dem Inund Ausland bei der Vorsitzenden Ursula MÜLLER bedanken: "An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bedanken, daß Du mir und allen anderen inhaftierten Kameraden tatkräftig zur Seite stehst. Bitte bleibe so, wie Du bist und laß Dich nicht von diesen 'linken' Staatsdienern unterkriegen!" ("Nachrichten der HNG", August 2001, S. 7) V. Parteien 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) gegründet: 1964 Sitz: Berlin Bundesvorsitzender: Udo VOIGT Mitglieder: 6.500 (2000: 6.500) Publikation: "Deutsche Stimme", monatlich, Auflage: 10.000 Unterorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN), "Nationaldemokratischer Hochschulbund e. V." (NHB) 1.1 Zielsetzung Reichsidee und "Neue Die NPD hielt auch nach Einleitung des Verbotsverfahrens11 an ihrer Ordnung" offen vorgetragenen Feindschaft gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fest und kämpfte weiter um das "Reich", das sich "von der Maas bis an die Memel" und "von der Etsch bis an den Belt" erstrecken soll. So versicherte der sächsische NPD-Landesvorsitzende Winfried PETZOLD bei einer Demonstration der Partei in Dresden: Rechtsextremistische Bestrebungen 63 "Gleich welche Terrormaßnahmen das BRD-Regime gegen uns aufbietet, wir versichern es hier und heute feierlich und für alle Zeiten, nichts und niemand wird uns abbringen vom Kampf ums Reich. ... Das Reich bleibt unser Kampfauftrag für alle Zeiten." (Rede PETZOLDs während der NPD-Demonstration unter dem Motto "Soziale Gerechtigkeit durchsetzen - gleicher Lohn für gleiche Leistung" am 1. Mai in Dresden) Der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Holger APFEL sagte auf der gleichen Veranstaltung: "Im Gegensatz zum vaterlandslosen Denken von dem antifaschistischen Pöbel da oben bekennen wir uns als Nationalisten und zu unserem Vaterland ..., zu unserer angestammten Heimat - von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt." Die NPD strebt eine neue politische Ordnung an. In einem PosiAgitation gegen tionspapier "Klarheit im Denken und Handeln beim Thema 'Neue freiheitliche Ordnung'" analysierte der Parteiideologe und Vorsitzende des demokratische Grundprinzipien Arbeitskreises beim Parteivorstand "Volk und Staat" Jürgen SCHWAB beide Seiten der "Systemmedaille".12 Danach gingen "antisozialer Kapitalismus" und "demokratiefeindlicher Parlamentarismus" - als "geistige Wurzel" des "Systems" - von einem "vermeintlichen 'Pluralismus'" aus, der "gemeinschaftszerstörend auf Volk und Staat" wirke. Ein "Interessenpluralismus" setze die Summe der gesellschaftlichen Sonderinteressen an die Stelle des "Allgemeinen Interesses ('Gemeinwohl') von Volk und Staat".13 Gleichwohl behauptete SCHWAB in seinem Positionspapier, die NPD akzeptiere die derzeit gegebene politische Ordnung als Ausgangspunkt für dringend notwendige Reformen.14 Demonstration am 1. Dezember in Berlin SCHWAB referiert mit dem Anspruch einer theoretischen Standortbestimmung der Partei klassische Elemente rechtsextremistischer Demokratiekritik. Hiernach zersetzen die etablierten Parteien angebBericht 2001 64 Rechtsextremistische Bestrebungen lich die identitäre Gemeinschaft und es mangelt an Volkssolidarität, da wegen einer ethnischen Überfremdung ein souveränes Staatsvolk nicht existiere. Darüber hinaus vertritt SCHWAB ein antiindividualistisches Menschenrechtsverständnis, indem er den Einzelnen nur aus seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gemeinschaft definiert und ihm einen originären Wert verweigert. Der Hinweis SCHWABs, die NPD agiere verfassungskonform, und die nur rudimentären Ausführungen zu konkreteren Strukturen der von der NPD angestrebten "Neuen Ordnung" sind angesichts des Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht als taktisches Verhalten zu werten. Dies belegen SCHWABs Ausführungen in der rechtsextremistischen Publikation "Das Herrenhaupt"15. Wegen Vorgaben der NPD-Führung im Hinblick auf das Verbotsverfahren habe er ursprünglich eindeutige Formulierungen verhaltener darstellen müssen. Vieles Richtige hätte in der Broschüre nur angedeutet werden können, insbesondere sei der "schädliche Einfluß des Parlaments" zu groß und das Ordnungsdenken in der Partei orientiere sich noch zu sehr am Grundgesetz. Völkischer Völkisch-kollektivistische Zielsetzungen bekräftigte die NPD Kollektivismus und auch auf ihrem außerordentlichen Bundesparteitag am 3./4. März Fremdenfeindlichkeit in Lichtenhaag (Bayern). Der verabschiedete Leitantrag des Parteivorstands "Die NPD und das politische System der BRD" beschreibt die "Volksgemeinschaft" als "politisches Modell" der Partei und betont eine "sozial und kulturell begründete enge Zusammengehörigkeit und Solidarität zwischen Menschen gleicher Volkszugehörigkeit und Nation". Demgegenüber zeichne sich die "politische Klasse der BRD als Repräsentantin des herrschenden politischen Systems", durch "internationalistische Fremdbestimmung" aus. Der Volkssouverän verliere durch "die zunehmende bevölkerungsmäßige und kulturelle Überfremdung" seine "unverwechselbare Identität und damit die soziale und kulturelle Fähigkeit zur Selbstbestimmung". Die NPD nennt in ihrer "Abrechnung mit dem System" den derzeitigen Zustand "unerträglich" und dessen Beseitigung "unerläßlich".16 Der Parteiideologe SCHWAB schrieb in der September-Ausgabe des Parteiorgans "Deutsche Demonstration am 17. Februar in Ludwigshafen Stimme" zu der angestrebten Rechtsextremistische Bestrebungen 65 Volksgemeinschaft, im Nationalstaat würden "auf staatlicher Ebene, über der Gesellschaft stehend", Freiheit und Gleichheit zu einem höheren Ganzen, nämlich der Volksgemeinschaft, vereint. Damit hätten sich für das "ethnisch homogene Staatsvolk" staatsbürgerliche Gleichheit und staatsbürgerliche Freiheit zu einem harmonischen Ganzen verwirklicht.17 Eine solche neue Ordnung unter völkischem Primat, wie sie die NPD anstrebt, beinhaltet eine Überbetonung der Gemeinschaft auf Kosten des Einzelnen. Zwangsläufig wäre damit eine mit den Maßstäben des Grundgesetzes, insbesondere der Grundrechte, nicht zu vereinbarende Einschränkung von Individualrechten verbunden. Ein weiteres Bekenntnis zur Volksgemeinschaft und zu einem Volksgemeinschaft volksbezogenem Sozialismus legte das Redaktionsmitglied der "Deutund Sozialismus schen Stimme" Waldemar MAIER in der Februar-Ausgabe ab. Unter der Überschrift "Anspruch und Wirklichkeit der Demokratie in Deutschland" erklärte MAIER, das Wohlergehen der "Nutznießer des herrschenden Systems" beruhe auf der Unfreiheit der Nation und der Zerstörung der Volksgemeinschaft; er kündigte an: "Die wirkliche Volksherrschaft wird in Deutschland erst dann Wirklichkeit, wenn die Deutschen als Volk ihre nationale Identität wiedererlangen. Dies kann erst nach Abschüttelung der politischen, wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Fremdherrschaft erfolgen. Der Weg dorthin geht nur über eine Revolutionierung der bestehenden Verhältnisse. Dies kann nur eine nationale und soziale Fundamentalopposition bewerkstelligen, die den politischen Kampf gegen die 'bürgerliche Mitte', die alles das vertritt, was wir zutiefst verachten müssen, rücksichtslos führt. Unser Nationalismus ist selbstloser Dienst am Staat; unser Sozialismus ist selbstloser Dienst an der Gemeinschaft. Aus dem Dienst am Staat und dem Dienst an der Gemeinschaft entsteht der neue Geist, der die Konventionen der 'bürgerlichen Mitte' über den Haufen werfen und eine wirkliche Herrschaft des Volkes über Deutschland errichten wird." ("Deutsche Stimme" Nr. 2/2001, S. 13) Der NPD-Prozessbevollmächtigte im Verbotsverfahren vor dem Volksgemeinschaft Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Horst MAHLER18 setzte sich in und positive Haltung der Juni-Ausgabe der NPD-Publikation "Deutsche Stimme" mit dem zu Ideen des Nationalsozialismus Verbotsantrag des Bundestags auseinander. Zum dortigen Vorwurf der Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus, insbesondere in Bezug auf die Idee einer "Volksgemeinschaft", führte er aus: Bericht 2001 66 Rechtsextremistische Bestrebungen "Die Antragsteller wüten gegen den Begriff 'Volksgemeinschaft'. Bei aller Gegensätzlichkeit ergibt sich auch immer Gemeinsamkeit. Diese besteht hier in der Übereinstimmung darin, daß die Idee der Volksgemeinschaft für den Nationalsozialismus - hier als Volksbewegung verstanden - wesensbestimmend war und für die NPD gleichfalls im Mittelpunkt aller Überlegungen zur Neugestaltung Deutschlands steht." ("Deutsche Stimme" Nr. 6/2001, S. 18) Im Mai hatte MAHLER in der "Deutschen Stimme" behauptet, die NPD werde bei einer Beweisaufnahme im Verbotsverfahren zeigen können, dass der Nationalsozialismus nicht wegen der Verbrechen verteufelt werde, "für die die Reichsregierung unter Adolf Hitler verantwortlich gemacht wird", sondern wegen seiner "realistischen Vision einer selbstbewußten solidarischen Volksgemeinschaft, in der die Wirtschaft nicht mehr der grenzenlosen Bereicherung einer winzigen Minderheit, sondern dem Gemeinwohl dient, in der die sittlichen Werte nicht länger dem Wert des Geldes untergeordnet und dadurch zerstört sind".19 Mit ihrer ständigen Forderung nach Schaffung einer Volksgemeinschaft verwendet die NPD einen zentralen Begriff des Nationalsozialismus, der darunter insbesondere eine Blutsund Schicksalsgemeinschaft verstand, in der die Interessen des Einzelnen bedingungslos der Gemeinschaft der Volksgenossen untergeordnet wurden. Entsprechend definiert der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbands Hessen Jürgen W. GANSEL in der SeptemberAusgabe der "Deutschen Stimme" die Volksgemeinschaft als "Lebensgemeinschaft körperlich, geistig und seelisch verwandter Menschen, die durch Raum, Zeit und Blut zu einer ... Schutz-, Solidarund Notgemeinschaft" verwachsen seien. Diese Idee und Realität der Volksgemeinschaft sei das "höchste irdische Gesetz, der letzte Wert, der gegen die marxistischen Klassenkämpfer genauso zu verteidigen" sei wie gegen die "plutokratischen Klassenkämpfer".20 Verharmlosung des Die Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus NS-Regimes, wird deutlich an der Heroisierung führender Repräsentanten des NSHeroisierung von Systems. So würdigte GANSEL in der Mai-Ausgabe des Parteiorgans NS-Protagonisten den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß als "Märtyrer für den Frieden" und unbeugsamen Geist, der den "BRD-Meinungsmachern von Anfang an suspekt bis verächtlich" gewesen sei.21 Auch der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Holger APFEL rühmte Heß in der September-Ausgabe des Parteiorgans als "Mär- Rechtsextremistische Bestrebungen 67 tyrer für Deutschland", der "wie kaum ein anderer für Standhaftigkeit und Furchtlosigkeit vor dem Feind" stehe und sich insbesondere "für die junge deutsche Nachkriegsgeneration" zu einem "beispiellosen Vorbild" entwickelt habe.22 In einem Nachruf ehrte die "Deutsche Stimme" die am 13. März verstorbene ehemalige "Reichsreferentin des Bunds Deutscher Mädel" (BDM) Jutta Rüdiger, die "bis zuletzt für die geschichtliche Wahrheit über die Hitlerjugend und den BDM" gekämpft habe.23 Aussagen der Partei sowie einiger maßgeblicher Funktionäre lasRechtfertigung/ sen weiterhin eine aktiv-kämpferische, aggressive Diktion erkennen, Billigung der die bis hin zur Militanz reicht. Das ambivalente Verhältnis der NPD Terroranschläge vom 11. September zur Gewalt wird insbesondere in den Reaktionen der Partei auf die Terroranschläge in den USA am 11. September deutlich. In ihren offiziellen Stellungnahmen versuchte die NPD-Parteiführung eine differenzierte Haltung zu den Anschlägen einzunehmen. So verurteilte sie in einer Pressemitteilung vom 13. September einerseits aus humanitären Gründen den gewaltsamen Tod zahlreicher unschuldiger Menschen und bekundete ihre grundsätzliche Ablehnung von Gewalt als Mittel der Politik. Andererseits behauptete sie aber, dass die Aktivitäten der USA in der Vergangenheit überhaupt erst Auslöser dieser Terroranschläge gewesen seien ("Wer Wind säht, wird Sturm ernten!") und rechtfertigt damit indirekt die Anschläge, die Tausende von Menschenleben gekostet haben. Außerdem sei an die von den USA geführten Kriege zu erinnern und der Toten des Zweiten Weltkriegs und Vietnams zu gedenken. Weiter heißt es in der Pressemitteilung: "Amerika befindet sich seit Jahrzehnten im Krieg und muß immer mit entsprechenden Gegenreaktionen rechnen. Erstmals wurden die Amerikaner auf ihrem eigenen Territorium empfindlich getroffen. ... Der NPD-Parteivorsitzende nannte die gestrige Erklärung des Bundeskanzlers eine Kriegserklärung an das deutsche Volk. Voigt wörtlich: 'Die kriegswütige Rot-Grüne Bundesregierung bricht mit der Aktivierung des Art. 5 des NATO-Vertrages das GG.'" (NPD-Pressemitteilung vom 13. 09. 2001: "Erklärung des Parteivorstandes zum Terroranschlag in den USA - Rot-Grün führt Deutschland in den Krieg") Bericht 2001 68 Rechtsextremistische Bestrebungen Dr. Hans-Günter EISENECKER, stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender, zugleich Justitiar und neben MAHLER Prozessvertreter vor dem BVerfG, gelangte in einer Abhandlung in einer Sonderausgabe der "Deutschen Stimme" zu dem Schluss, die USA seien weder rechtlich noch moralisch berechtigt, gegen den Terrorismus Anklage zu erheben. Schließlich verstießen sie immer wieder gegen das Kriegsvölkerrecht, indem sie Kriegshandlungen ohne förmliche Kriegserklärung vorgenommen hätten, beispielsweise in beiden Weltkriegen, in Vietnam, dem Irak und in Jugoslawien. Dabei hätten die USA die Zivilbevölkerung nicht geschont, sondern diese sogar erstrangig getroffen. In der Sache unterscheide die "US-Politik eigentlich gar nichts vom Terrorismus". Beiden ginge es um Machterlangung und Machterhaltung durch den Einsatz von kriegerischer Gewalt. Die von den USA praktizierte Methode habe "sozusagen im Terrorismus Schule gemacht". Dies drohe nun, die "innerlich haltlose Massengesellschaft und den seelenlosen, rein auf Geld basierenden Machtapparat langfristig zu zerstören".24 Weitere Aussagen gehen bis hin zur Befürwortung der Anschläge: Auf einer von MAHLER betriebenen Homepage erklärte das "Deutsche Kolleg"25 am 12. September unter der Überschrift "Independence day live": "Dem Vernichtungskrieg der Globalisten gegen die Kulturen der Völker ist jetzt erstmals auf amerikanischem Boden eine militärische Niederlage beigebracht worden. ... Die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft sind - weil sie vermittelt durch die Medien den Widerstandsgeist der Völker beleben und auf den Hauptfeind ausrichten - eminent wirksam und deshalb rechtens." (Internet-Erklärung des "Deutschen Kollegs": "Independence day live") Diese Erklärung ist als Artikel von MAHLER auch in der oben erwähnten Sonderausgabe der Parteizeitung "Deutsche Stimme" unter der Rubrik "Zur Diskussion" erschienen. Die NPD-Parteiführung attestierte der "nationalen Opposition" in einer im Internet eingestellten Meldung vom 15. September, "die Dinge beim Namen" genannt zu haben. Diese Beurteilung gilt ausdrücklich auch für die Bewertung des "Deutschen Kollegs", die Angriffe seien "eminent wirksam und deshalb rechtens". In einer Fernsehsendung bezeichnete MAHLER die Attentäter als "opferbereite Krieger", für die er Hochachtung empfinde. Darüber Rechtsextremistische Bestrebungen 69 hinaus führte er in antisemitisch-verschwörungstheoretischer Weise aus: "Das, was jetzt mit New York und in Washington geschehen ist, ist die Kampfansage an den Globalismus. ... Und das heißt eben, dass die Macht des Geldes gebrochen werden muss. Und dann ist auch das Judaismus-Problem gelöst. Das ist nicht die Sache der Juden als Menschen, sondern das ist die Frage der Macht des Geldes, die jüdische Macht ist." (ZDF-Sendung "Reporter" am 19. September) Am 20. September bekräftigte MAHLER seine Haltung und fügte hinzu, endlich seien die USA einmal "im Herzen getroffen. ... Das war höchste Zeit."26 Der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) in Thüringen und Mitbegründer des neonazistisch ausgerichteten "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnisses Westthüringen" (NSAW) Patrick WIESCHKE äußerte im Fernsehen: "(Gewalt ist zu verurteilen,) 27 aber Osama bin Laden steht mit seinem Freiheitskampf uns natürlich viel näher, als ein Imperialist und Kriegsverbrecher namens George Bush. ... Wir können schon sagen, daß wir uns in einem politischen Krieg mit den USA befinden. Genauso, wie wir uns in einem politischen Krieg mit der ... Bundesregierung hier in Deutschland befinden." (ZDF-Sendung "Reporter" am 19. September) Der neonazistisch dominierte NPD-Landesvorstand Schleswig-Holstein veröffentlichte am 16. September im Internet eine "Erklärung zur US-amerikanischen Kriegsdrohung gegen die freie Welt" sowie ein "Aktionsprogramm gegen die islamische Bedrohung in unserem Land".28 Die Erklärung bewertete die Terroranschläge als einen "kriegerischen Befreiungsschlag der freien Welt gegen die imperialistische Politik der USA und ihrer verbündeten Satellitenstaaten". Sie verurteilte scharf einen angeblich von der US-Regierung beabsichtigten "Angriffsund Vernichtungskrieg gegen die freien Völker dieser Welt" und sicherte den "besonders bedrohten Völkern des Irak, Afghanistans und Palästinas" Solidarität und Anteilnahme zu. Der Erklärung zufolge gehören zur "freien Welt" auch "nationalistische Nichtregierungsorganisationen, die sich ebenfalls jeglichem volksfremden Einfluß auf Bericht 2001 70 Rechtsextremistische Bestrebungen ihre Angelegenheiten entziehen". Hierzu werden die "palästinensische Hamas" und "in gewisser Weise" auch die NPD gezählt. Damit stellt der NPD-Landesverband Schleswig-Holstein die Partei auf eine Stufe mit einer terroristischen palästinensischen Organisation.29 Das "Aktionsprogramm" forderte, alle "der herrschenden Politikerklasse angehörigen Personen, die eine direkte oder indirekte Verantwortung für die in den letzten Jahrzehnten stattgefundene Massenzuwanderung tragen, ... mit sofortiger Wirkung aus ihren politischen Ämtern zu entlassen" sowie gegen diesen Personenkreis Strafverfahren einzuleiten. Zudem seien insbesondere diejenigen islamischen Gruppen sofort zu verbieten, die auf deutschem Boden politische Ziele verfolgten, und es sei eine "konsequente Rückführung aller auf deutschem Boden lebenden Bürger außereuropäischer Herkunft ... innerhalb der nächsten 100 Tage" vorzunehmen. In einer Fernsehsendung am 20. September erklärte der neonazistische Vorsitzende des NPD-Landesverbands Schleswig-Holstein Peter BORCHERT, was am 11. September passiert sei, sei die logische Konsequenz dessen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika seit Jahrzehnten permanent versuchten, sich in fremde Interessen und fremde Kulturen einzumischen. Die Terroranschläge bezeichnete er als "Befreiungsschlag".30 Der Schatzmeister des NPD-Landesverbands Berlin-Brandenburg und Vorsitzende des NPD-Kreisverbands Ostprignitz-Ruppin/Prignitz (Brandenburg) Mario SCHULZ verbrannte bei einer von ihm angemeldeten Demonstration am 22. September in Neuruppin (Brandenburg) öffentlich eine US-Fahne. Die knapp 100 Teilnehmer skandierten die Parole "USA - internationale Völkermordzentrale". Aktiv-kämpferische, Auch im Zusammenhang mit Angriffen gegen den politischen aggressive Agitation Gegner, das aus Sicht der NPD zu bekämpfende freiheitliche demogegen den kratische "System" und seine Repräsentanten, zeigt die Partei eine politischen Gegner aktiv-kämpferische, aggressive Diktion. Im Rückblick auf eine von der Polizei aufgelöste Demonstration am 25. November 2000 in Berlin hieß es im Parteiorgan "Deutsche Stimme", Berlin sei zum "Schauplatz eines machtvollen NPD-Aufzuges" geworden.31 Der Parteivorsitzende VOIGT habe im Anschluss an die von der Polizei aufgelöste Veranstaltung deutlich gemacht, dass der "Kampf um Deutschland erst begonnen habe". Weiter schreibt das Parteiorgan: "Für jeden Nationalisten gilt es heute, nicht tatenlos zuzuschauen, wie eine kleine Clique um ihre Pfründe bangender Politbonzen scham- Rechtsextremistische Bestrebungen 71 los den freiheitlichen Rechtsstaat aushebeln will. Jetzt gilt es, gegen das in Deutschland schreiende Unrecht politischen Widerstand zu leisten!" ("Deutsche Stimme" Nr. 12/2000-1/2001, S. 5) Der NPD-Kreisverband Frankfurt/M. berichtete in seinem Mitteilungsblatt "Der Nationalist" über eine von Neonazis organisierte Demonstration am 1. Mai in Frankfurt: "Da marschierten nun erstmals seit 22 (!) Jahren, rund 1500 fanatische Kämpfer für unsere Weltanschauung ... durch die Straßen der europäischen Zentrale des internationalen Börsenund Finanzkapitals! Jawohl, wir haben dem Marxismus auch dort wieder beigebracht, daß der künftige Herr der Straße der Nationalismus ist, genauso wie er einst Herr des Staates sein wird!" ("Der Nationalist" Nr. 1/2001, ohne Seitenangabe) Der Parteiideologe SCHWAB behauptete in seinem Positionspapier "Klarheit im Denken und Handeln beim Thema 'Neue Ordnung'" zwar, die NPD wolle ihre neue politische Ordnung "evolutorisch aus der gegenwärtigen politischen Ordnung heraus" erreichen.32 Gleichwohl sieht er das "politische System der BRD vor allem von Reformunfähigkeit gekennzeichnet" und meint, die NPD müsse die "Reformfähigkeit der politisch Herrschenden", die nicht selten zu "liberalistischer Orthodoxie" tendierten, sehr in Zweifel ziehen.33 Der evolutorische Weg sei daher, "gemessen am dogmatischen Selbstverständnis der Herrschenden des Systems der BRD ein konsequenter revolutionärer Anspruch der NPD".34 Demonstration am 1. Mai in Frankfurt am Main In der rechtsextremistischen Schrift "Das Herrenhaupt" bezeichnete SCHWAB die NPD als "Speerspitze für eine Neue Ordnung" und fügte hinzu: "Revolutionen sind eine Sache von handlungsfähigen Minderheiten. Dazu brauche ich Köpfe. Diesen muß ich jedoch die Neue Ordnung des Neuen Nationalismus erklären können als Alternative zur BRD-Oligarchie." ("Das Herrenhaupt" Nr. 4, S. 31 f.) Bericht 2001 72 Rechtsextremistische Bestrebungen Eine Autorin der "Deutschen Stimme" appellierte in der FebruarAusgabe des Parteiorgans an "unsere Frauen und Mütter", den Männern nachzueifern, die ihr Leben, ihr Denken und Fühlen ihrer politischen oder weltanschaulichen Arbeit in Deutschland opfern und ebenfalls ein Bekenntnis zu einem anderen Deutschland abzulegen. Weiter forderte sie: "Wir müssen alle aufstehen und unser bürgerliches, schon zu sehr materialistisch geprägtes Leben abstreifen. Wenn der Mann schon im Kampfe steht, so stellen wir uns nun dazu! Wenn er es noch nicht tut - so nehmen wir ihn in seine Pflicht." ("Deutsche Stimme" Nr. 2/2001, S. 14) Diskussion um die Die in den letzten Jahren verstärkt geführte Diskussion um Schaffung von "befreite Zonen" geht auf ein erstmals 1991 vom "Nationaldemokra"befreiten Zonen" tischen Hochschulbund e. V." (NHB) veröffentlichtes Konzept "Revolutionärer Weg konkret: Schafft befreite Zonen!" zurück. Der unbekannte Autor verbindet damit die "Etablierung einer GEGENMACHT", um Freiräume zu schaffen, "in denen WIR faktisch die Macht ausüben".35 Dieses Verständnis von "befreiten Zonen" stellt das staatliche Gewaltmonopol infrage und zielt auf die Etablierung rechtsfreier Räume. Als Varianten haben sich in der NPD auch Vorstellungen von "befreiten Zonen" herausgebildet, die von der Eroberung "kulturellen Einflusses auf politische Entscheidungsprozesse"36 über die Organisation und Unterstützung von Kinderfesten und Schülerinitiativen37 bis zum Hilfsangebot bei Schulproblemen und Schwangerschaftsfragen38 reichen. In der Einleitung zum Seminarplan für ihr Sommerseminar 2001 mit dem Thema "Neue Kultur in nationalbefreiten Zonen" schrieb die NPD-Vorfeldorganisation "Deutsche Akademie"39: "Wenn die totalitäre BRD-Gesellschaft nationale Bürger politisch verfolgt und sozial ausgrenzt, müssen sich diese ihre eigenen Schutzräume schaffen - mangels Masse punktuell nur in einzelnen Städten und Gemeinden, wo sie nach ihrer Facon seelig werden können (Friedrich II.) und den deutschen Leviathan erwarten - das Reich -, der allen Reichsbürgern in der Volksgemeinschaft Schutz zukommen läßt. Ganz Deutschland wird dann politisch, wirtschaftlich und kulturell 'befreite Zone' sein." (Seminarplan der "Deutschen Akademie" zum Sommerseminar vom 29. Juni bis 1. Juli 2001) Rechtsextremistische Bestrebungen 73 Der Vorsitzende des NPD-Landesverbands Schleswig-Holstein BORCHERT rief in seiner Rede anlässlich einer Demonstration in Eisenach (Thüringen) dazu auf, in Ostdeutschland "national befreite Zonen" zu schaffen: "Auch hier müssen wir national befreite Zonen schaffen und überall dort, wo wir auf der Straße marschieren und den Protest dorthin tragen, wo er hingehört. Dort schaffen wir, zumindest für einen kurzen Zeitraum, eine national befreite Zone." (Rede BORCHERTs anlässlich der Demonstration einer "Bürgerinitiative deutsches Eisenach" unter dem Motto "Schluss mit der linken Nestbeschmutzung - Gleiches Recht für alle" am 17. März in Eisenach) Die NPD-Publikation "Bayern Stimme" berichtete unter der Überschrift "Befreite Zonen sind machbar ...!" über den Aufbau eines Stützpunkts der NPD in Hollstadt (Bayern). Dort sei ein alter Bauernhof gekauft und zu einem Veranstaltungssaal, einem "Kameradschaftsraum" und einem Ladengeschäft für "Nationale Szenekleidung, Tonträger, Videos und Bücher" ausgebaut worden. Die NPD erklärt zum Zweck solcher "befreiten Zonen": "Treffen sich heutzutage Nationalisten an bestimmten Plätzen, wird es nicht lange dauern, bis bestimmte BRD Gutmenschen auf den Plan gerufen werden und dafür sorgen, dass die vermeintlichen 'Nazis' schnell wieder vertrieben werden. Aus diesem Grund ist es heute sinnvoll, oder sogar unerlässlich, dass wir uns eigene Plätze schaffen, wo wir uns treffen können und von welchen aus wir unseren Kampf für eine bessere Zukunft führen können. ... Einen solchen Ort, in welchem das Reich wieder Einzug gehalten hat mitten in der BRD, zu haben ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Kameraden und die Heranziehung neuer junger Mitstreiter, die man hier außerhalb der Greifweite des Systems kennenlernen und schulen kann. ... Schafft befreite Zonen!" ("Bayern Stimme" Nr. 1/2001, Februar 2001, ohne Seitenangabe) Die NPD agitierte auch 2001 unverändert aggressiv rassistisch Rassismus und und fremdenfeindlich. So erklärte der stellvertretende BundesvorFremdenfeindlichkeit sitzende APFEL während einer Demonstration der Partei in Dresden: Bericht 2001 74 Rechtsextremistische Bestrebungen "Unverzüglicher Ausländerstopp muss das Gebot der Stunde sein. Deutschland muss wieder das Land der Deutschen werden. ... Wir fordern den Erhalt deutscher Kultur, den Erhalt der nationalen Identität. Wir sind gegen die Integration der in Deutschland lebenden Ausländer, weil es unser erklärtes Ziel ist, die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre angestammte Heimat zurückzuführen. ... Wir Nationaldemokraten bekennen uns zum Staatsangehörigkeitsrecht auf der Grundlage völkischer Abstammung. Nur wer deutsches Blut in seinen Adern fließen hat, kann für uns ein Deutscher sein." (Rede APFELs während der NPD-Demonstration unter dem Motto "Soziale Gerechtigkeit durchsetzen - gleicher Lohn für gleiche Leistung" am 1. Mai in Dresden) Der NPD-Bundesvorsitzende VOIGT erklärte in einer Stellungnahme unter der Überschrift "Gastfreundschaft geht zu Ende!": "Vor allem im Zeitalter des mammonistischen Globalismus und der massenhaften Menschenverschiebungen durch das Großkapital - strebt die NPD ein gesichertes Überleben des deutschen Volkes in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung an. ... Wenn wir vom Volk sprechen, dann reden wir nicht von der Wohnbevölkerung, sondern vom Deutschen Volk. Diesem fühlen wir uns verpflichtet." ("Deutsche Stimme" Nr. 3/2001, S. 2) In einem Wahlaufruf als Spitzenkandidat der Partei zu den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin am 21. Oktober rief VOIGT zu einem deutschen Berlin auf: "Berlin, die Hauptstadt der BRD und immer noch deutsche Reichshauptstadt, ist zumindest in einigen Westbezirken einer der Brennpunkte für die 'Durchmischung' und 'Durchrassung' des Deutschen Volkes. Der Wahlkampf in Berlin ist somit nicht irgendein Landtagswahlkampf, sondern die Sache aller bekennenden Deutschen in diesem Lande! Der Widerstand gegen den Ausverkauf und Verrat an Deutschland muß künftig in der Hauptstadt eine Stimme haben." (Wahlsonderseite der NPD im Internet) Die rassistische Grundlage der von der Partei vertretenen Fremdenfeindlichkeit offenbarte Carl-Arthur BÜHRING, Großspender der NPD, in seinem im "Deutsche Stimme-Verlag" erschienen Buch "Mut Rechtsextremistische Bestrebungen 75 zur Volkssolidarität"40, das der Verlag als "leidenschaftlichen Beitrag zur geschichtlichen Wahrheit und Gerechtigkeit in Deutschland" bezeichnet.41 Anhand einer Fabel von unterschiedlichen Pferderassen beschreibt BÜHRING die angebliche Verschiedenheit der menschlichen Rassen. Gleichzeitig wendet er sich gegen deren Vermischung, um eine "Höherentwicklung durch Rassenzucht" zu erreichen und fügt hinzu: "Heute wollen die Menschen allgemeine Rassenmischung .... Die Menschen sagen dazu Proletariat, ihr Endziel ist der Durchschnittsmischling ohne herausragende Sonderqualitäten. Diese Gleichmacherei von Vielfalt und Auslese ist auch unser Untergang. ... Bestes Beispiel für ein kapitales Naturverbrechen ist ohne jeden Zweifel die heute gepredigte Abschaffung der naturgewollten Vielfalt der Völker einschließlich der Vielfalt der Kulturen, um als Ersatz eine anonyme Massengesellschaft zu erzwingen, die in einem kriminellen Massenzirkus von Volksaufständen a la Jugoslawien untergeht. ... Für die Erhaltung der Volksidentität ist der Liberalismus der größte Feind. Darum ist eine gewollte Überschwemmung eines geschichtlich gereiften Volkes mit vielen andersartig gewachsenen Volksbestandteilen ein naturwidriges und national schädliches Unternehmen, da sich größere Volksmassen niemals einseitig integrieren bzw. verdauen lassen .... Heute erleben wir: Je mehr Völkermischmasch, desto mehr Kriminalität." ("Mut zur Volkssolidarität", S. 27, 33, 43) Die rassistisch motivierte Fremdenfeindlichkeit der NPD wird auch in einem Flugblatt des NPD-Kreisverbands Magdeburg deutlich, in dem es zur Ursache einer "angeblichen Gewalt von Rechts" heißt: "Seit Ende des 2. Weltkrieges setzt die westliche Siegermacht den Krieg gegen das deutsche Volk fort. ... Der Krieg gegen uns Deutsche wird nun mittels einer gezielten Umvolkung fortgeführt. ... Aus dem Deutschen Volk soll ein afro-eurasisches Mischvolk werden, damit der Globalismus, wie der Imperialismus heute genannt wird, sich ungestört von 'lästigen' Nationen, wie eine Krake ausbreiten kann." (Flugblatt des NPD-Kreisverbands Magdeburg "Gewalt von Rechts?", ohne Datumsangabe) Weiter heißt es in dem Flugblatt, jede oppositionelle Regung werde mittlerweile als Straftat registriert, so etwa wenn "Deutsche, die es noch sein wollen, (...) etwas falsches gegen die Mulattisierung Bericht 2001 76 Rechtsextremistische Bestrebungen und Felachisierung Deutschlands" sagten. Als gemeinsames Ziel des "nationalen Freiheitskampfes" von Deutschen und Ausländern wird eine "ethnopluralistische Welt freier Völker" beschworen, die ein "afro-eurasisches Völkergemisch aus geschichtsund kulturlosen Konsumidioten" verhindern soll, wie sie das "mammonistische System braucht, damit Globalismus und Freihandel ungehindert ihr Vernichtungswerk verrichten können". In der vom Regionalverband Berlin der NPD-Jugendorganisation JN herausgegebenen Schrift "Jugend-wacht" entwirft ein ungenannter Autor zum Thema "Die globale politische Entwicklung und die Auswirkungen für Deutschland und Europa" das Szenario eines Rassenkampfes: "Es wird sich zeigen, ob die weiße Rasse in der Lage sein wird, die große Entscheidung treffen zu können, eine Weltanschauliche und politische Erneuerung einzuleiten und zu verwirklichen. Sollte die Biologische Substanz der europäischen Völker nicht ausreichen, ist der Untergang des Abendlandes unaufhaltsam. ... Jeder politische Internationalismus, der die Rassen und Völkervermischung propagiert, zerstört jede natürlich gewachsene Ordnung. Und hinterläßt ein rassisches und politisches Chaos. ... Wir müssen mit allen legalen Mitteln die uns zur Verfügung stehen kämpfen um die Existenzerhaltung der weißen Rasse und ihrer Völker zu sichern." ("Jugend-wacht" Nr. 1/2001, S. 6) Der NPD-Parteivorstand beschloss am 1./2. September in Wandlitz (Brandenburg) ein "Fünf-Punkte-Rückführungsprogramm der hier lebenden Ausländer" mit Forderungen wie: "Sofortige Ausgliederung der in Deutschland lebenden und beschäftigten Ausländer aus dem deutschen Sozialund Rentenversicherungssystem. Strikte Anwendung eines Ausländergesetzes, welches dafür Sorge trägt, daß Ausländer ohne Arbeit Deutschland nach längstens drei Monaten verlassen müssen. Ausländer dürfen kein Eigentum an Grund und Boden in Deutschland erwerben, bereits erworbenes Grundund Wohneigentum ist rückzuübertragen." (Pressemitteilung der NPD-Bundesgeschäftsstelle vom 3. September 2001) Rechtsextremistische Bestrebungen 77 Die NPD verbreitete auch weiterhin antisemitische Propaganda Antisemitismus und bot Antisemiten ein Forum für ihre Agitation. So hetzt insbesondere MAHLER42 gegen den "Judaismus", den er als "tödliche Gefahr für die Völker" bezeichnet. Im Rahmen einer NPD-Veranstaltung am 7. Januar in Bad Oldesloe (Schleswig-Holstein) verteilte MAHLER eine auf den 15. Oktober 2000 datierte und von ihm selbst zusammen mit den rechtsextremistischen Theoretikern und Publizisten Dr. Reinhold OBERLERCHER und Uwe MEENEN unterzeichnete Broschüre des "Deutschen Kollegs" mit dem Titel "Ausrufung des Aufstandes der Anständigen". Darin wird auch "das Verbot der jüdischen Gemeinden" und "aller vom jüdischen Volksgeist beeinflußten Vereinigungen und Einrichtungen" gefordert und behauptet: "Der Judaismus ist eine tödliche Gefahr für die Völker. ... Der Krieg der jüdischen Organisationen gegen das Deutsche Volk dauert an. ... Der Kulturkampf gegen den Judaismus ist das Mittelpunktgeschehen, das der Welt eine neue Gestalt gibt. ... Die praktische Seite der Kritik des Judaismus ist die nationale und soziale Revolution der Deutschen. ... Die ersten praktischen Schritte zur Befreiung vom Judaismus sind der friedliche Aufstand der Anständigen mit dem Ziel, eine Deutsche Nationalversammlung zu berufen, die durch Einsetzung einer provisorischen Reichsregierung und mit der Inkraftsetzung einer neuen Reichsordnung die Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches wiederherstellen wird." ("Deutsches Kolleg": "Ausrufung des Aufstandes der Anständigen", S. 2 f., 10, 12 f.) In der im Namen des "Deutschen Kollegs" verbreiteten Erklärung vom 12. September zu den Terroranschlägen in den USA43 formuliert MAHLER antisemitisch und verschwörungstheoretisch: "Die Luftangriffe auf Washington und New York vom 11. September 2001 markieren das Ende des Amerikanischen Jahrhunderts, das Ende des globalen Kapitalismus und damit das Ende des weltlichen Jahwe-Kultes, des Mammonismus. ... Seit 1916 haben die Stämme Judas und Israels zielstrebig die politischen und militärischen Potentiale der USA usurpiert, um unter deren Schutz - gestützt auf die erkaufte Balfour-Erklärung - zum zweiten Male zu versuchen, das ihnen von Jahwe verheißene Land an sich zu bringen und ethnisch zu säubern. ... Es ist der die gläubigen Juden auf die Erlangung der Weltherrschaft durch Geldleihe ausrichtende Jahwe-Kult, der dem kapitalistischen System gegenwärtig seine tödliche Dynamik verleiht." (Internet-Erklärung des "Deutschen Kollegs": "Independence day live") Bericht 2001 78 Rechtsextremistische Bestrebungen Die von MAHLER vertretene Form des politischen Antisemitismus, die auf der Vorstellung von einer planvollen jüdischen Verschwörung mit dem Ziel der Vergrößerung des jüdischen Einflusses bis hin zur Erringung der Weltherrschaft basiert, kommt auch in einem im Internet am 10. Oktober eingestellten Beitrag des NPDKreisverbands Jena zum Ausdruck. Darüber hinaus werden darin Mitbürger jüdischen Glaubens pauschal diskriminiert und ihnen die Auswanderung nahegelegt. Unter der Überschrift "Der Gipfel der Arroganz - Zentralrat hat wieder was zu meckern" berichtet der Kreisverband zunächst, der Zentralrat der Juden in Deutschland habe die FDP aufgefordert, sich von ihrem stellvertretenden Vorsitzenden wegen dessen Äußerungen über die israelische Außenpolitik zu distanzieren und fügt hinzu: "Es stellt sich die Frage, wer eigentlich in Zukunft unsere Außenpolitik zu bestimmen hat, Vertreter von Parteien, welche vom deutschen Volk in den Bundestag gewählt wurden oder die Vertreter einer kleinen Minderheit, welche ihr Privileg allein aus den Geschehnissen von vor über 50 Jahren zieht. ... Und nebenbei, das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU steht jedem Bürger dieses Landes zu, Auserwählten allemal!" (Homepage des NPD-Kreisverbands Jena) Während einer NPD-Demonstration am 1. Mai in Essen unter dem Motto "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" erklärte der Hauptredner, der ehemalige Bundesvorsitzende der 1995 verbotenen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) Friedhelm BUSSE, wenn Deutschland erst "judenfrei" sei, dann "brauchen wir kein AuschRevisionismus witz mehr".44 Die NPD verwendete unverändert revisionistische Argumentationsmuster, indem sie insbesondere die nationalsozialistische Diktatur verharmloste oder sogar aufwertete. Ziel der Partei ist es, das nationalsozialistische Regime insgesamt oder zumindest in Teilbereichen in einem besseren Licht darzustellen, um damit der gesellschaftlichen Stigmatisierung zu entgehen, die sich aus ihrer eige- Rechtsextremistische Bestrebungen 79 nen ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus ergeben hat. So erklärte die "Deutsche Stimme", der ehemalige Chefredakteur der "Hitler-Jugend"-Zeitung "Wille und Tat" habe mit seinem Buch "Ein anderes Drittes Reich" den "Entweder-oder-Revisionismus" überwunden und einen Weg aus der "lähmenden Nazismusfalle" - das ganze Dritte Reich blanko zu entschuldigen - geebnet. Damit habe einer der "letzten Verantwortungsträger des Dritten Reiches, der Deutschland treu geblieben" sei, als "Vermächtnis und Auftrag" gezeigt: "Es gab ein anderes Drittes Reich, einen anderen Nationalismus in Opposition zu den tatsächlich begangenen Verbrechen und es gibt deshalb auch eine Zukunft für den Nationalismus, der sich eben nicht als historische Fehlkonstruktion erwiesen hat." ("Deutsche Stimme" Nr. 6/2001, S. 17) Damit werden die Greueltaten des NS-Regimes nach einem verbreiteten revisionistischen Argumentationsmuster als "Entgleisung" einer im Grunde positiven Staatsidee dargestellt. Ein häufiger Autor der "Deutschen Stimme" agitierte in der AprilAusgabe des Parteiorgans in einem Artikel zur Bildungspolitik unter der Überschrift "Mentizid 45 beginnt bereits im Vorschulalter, Umerziehung schon im Kindergarten und in der Grundschule" gegen die "Holocaust-Erziehung": "Seit vergangenem Jahr enthält der Lehrplan des Landes Brandenburg das Fach 'Holocaust-Erziehung'. Es ist ungewiß, ob sich damit die politische Indoktrination auf der Jugendund Erwachsenenebene überhaupt noch steigern läßt. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ist inzwischen jedoch das Kindergartenund Grundschulalter Ziel der pseudo-pädagogischen Dogmatik geworden. ... Mit einer vom Freiheitsgedanken getragenen Pädagogik, die die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit mit einem positiven Selbstbezug unterstützt, hat die Holocaust-Erziehung wenig zu tun. Sie ist vielmehr die Eingliederung der noch unmündigen Generation in die ideologische Sphäre des herrschenden Systems." ("Deutsche Stimme" Nr. 4/2001, S. 19) In polemischer, diffamierender und verunglimpfender Weise Agitation gegen die agitierte die NPD auch 2001 gegen die demokratische und rechtsparlamentarische staatliche Ordnung des Grundgesetzes. Das wird deutlich durch die Demokratie und den Rechtsstaat Behauptung einer vermeintlichen Umerziehung der deutschen Bericht 2001 80 Rechtsextremistische Bestrebungen Bevölkerung und den Vorwurf der Fremdherrschaft; hinzu kommen Verunglimpfungen von Repräsentanten und Institutionen der freiheitlichen Demokratie sowie abwertende Kritik am demokratischen Rechtsstaat. Damit versucht die Partei, sowohl das parlamentarische System als illegitim, unfähig, korrupt und gegen die Interessen des Volkes handelnd darzustellen als auch den demokratischen Rechtsstaat als Ganzes anzuzweifeln mit dem Ziel, ihn abzuschaffen und durch ein anderes System zu ersetzen. So behauptet der Parteiideologe SCHWAB in seinem Positionspapier über eine "Neue Ordnung", das Grundgesetz sei dem deutschen Volk 1949 von den westalliierten Besatzungsmächten oktroyiert worden und daher völkerrechtswidrig zustande gekommen. Somit besitze die "derzeit gegebene politische Ordnung" keine Legitimation.46 Sie binde zudem fälschlich das Prinzip der Demokratie an die zersetzende Vorstellung des politischen Liberalismus und des Parlamentarismus. Insbesondere die "Verwerfungen eines durch einseitige Parlamentszentrierung deformierten politischen Systems", in dem zur Oligarchie tendierende Parteien und einflussreiche Interessengruppen zur Macht gelangen würden, werden kritisiert. Hierbei dienten die etablierten Parteien den "im Hintergrund wirkenden Machtgruppen" lediglich als "Instrumente einer charakterlosen politischen Klasse".47 SCHWAB verwendet hier übliche Elemente rechtsextremistischer Demokratiekritik, indem er behauptet, der Verfassung fehle es an Legitimation durch das Volk, Parteien und Interessengruppen zersetzten die identitäre Gemeinschaft. Dass die Verschwörungstheorie SCHWABs der Parteimeinung entspricht, geht aus dem vom außerordentlichen Bundesparteitag am 3./4. März in Lichtenhaag (Bayern) verabschiedeten Leitantrag des Parteivorstands hervor, der behauptet: "Hinter diesem tatsächlichen politischen und gesellschaftlichen Wirkungsgefüge der BRD zeichnet sich eine usurpierte Macht ab, ein jenseits der verfassungsmäßigen Ordnung etabliertes, real herrschendes oligarchisches System, welches konspirativ, unter Ausschaltung der Öffentlichkeit über Schicksalsund Existenzfragen des Volkes entscheidet." (Leitantrag "Die NPD und das politische System der BRD") In der Juni-Ausgabe der "Deutschen Stimme" schreibt ein Autor zum 8. Mai 1945 unter der Überschrift "Vergeltung statt Befreiung. Bombenterror, Vertreibung, Landraub und Umerziehung": Rechtsextremistische Bestrebungen 81 "Der 8. Mai bedeutete für Deutschland das Ende eines sechs Jahre währenden Krieges, doch ein neuer Krieg begann, ein Krieg, der sich gegen die geistigen und kulturellen Wurzeln des deutschen Volkes richtete. Seine Träger waren nicht Generale und Soldaten, sondern Professoren und Sozialpsychologen. Sein Ziel war die dauerhafte Ausschaltung Deutschlands als selbständig handelndem politischen Machtfaktor. ... Statt des Friedensvertrages gab es die Feindstaatenklauseln der UNO, die bis heute wie Falltore über uns hängen, die herabsausen sollen, wenn wir uns mausig machen. Wie das funktioniert, zeigen die fortsetzenden Eingriffe der Amerikaner in die Bonner Kanzlerschaften ...". ("Deutsche Stimme" Nr. 6/2001, S. 13) Der Parteivorsitzende VOIGT agitiert in der "Deutschen Stimme" unter der Überschrift "Die Etablierten haben Angst - und die ist berechtigt!" gegen die Politik der Bundesregierung: Demonstration am 1. Februar in Ludwigslust "Es ist das unverrückbare Ziel der herrschenden Klasse: Deutschland soll es nicht mehr geben und unser Volk soll durch eine multikulturelle Bevölkerung ausgetauscht werden! ... Herr Schröder und die seinen, die sich in Schmiergeldskandalen und im Korruptionssumpf tummeln, merken, dass immer weniger Deutsche zur Wahl gehen und ... immer mehr Bürger sich von ihnen angewidert abwenden! ... Der große Bruder in USA hat in den letzten Jahrzehnten nie einen Zweifel daran gelassen, wie er mit Völkern umspringt, die nicht Kolonie sein wollten: In Japan wurde die Atombombe eingesetzt, Vietnam mit giftigen Chemikalien entlaubt und entvölkert und bis in die jüngste Zeit der Irak und Serbien niedergebombt. Mittlerweile hat die amerikanische Ostküste auch ihre getreuen Vasallen in Deutschland soweit, unter Bruch von Art. 26 GG, den Jugoslawen Bomben aufs Haupt zu werfen, weil diese nicht so wählten, wie Washington es wünschte. Konsequenterweise ist man nun zum erneuten Verfassungsbruch bereit und will die nationale Opposition in Deutschland liquidieren." ("Deutsche Stimme" Nr. 12/2000-01/2001, S. 2) Im Wahlkampf zur Berliner Abgeordnetenhauswahl am 21. Oktober stellte sich die NPD als einzige Alternative zu den "Volksverderbern" im Abgeordnetenhaus dar und agitierte mit der Parole "Die Polit-Kriminellen aus dem Abgeordnetenhaus direkt in den Knast!". Bericht 2001 82 Rechtsextremistische Bestrebungen Ein häufiger Autor der "Deutschen Stimme" behauptet eine "Jugendrevolte von rechts". Unter der Überschrift "'Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt ...'" agitiert er: "Mit dem Ausbau des Polizeistaates will das Regime rechte Jugendliche einschüchtern - das Ergebnis: die nationale Bewegung hat Zulauf. Im zunehmenden Maße wendet sich die Jugend von der herrschenden Politik ab. Das Regime, längst nur noch von einer Minderheit getragen und der Mehrheit der Deutschen fremd geworden, reagiert mit Verfolgungswahn. ... Dieser Verfolgungswahn hat aus Deutschland einen regelrechten Polizeiund Überwachungsstaat gemacht, der einen Teil seiner Jugend rücksichtslos einschüchtert und systematisch verfolgt. Die ,wehrhafte Demokratie' läßt ihre Bürger bespitzeln und drangsalieren und betreibt systematisch politische Verfolgung. Allein für Umerziehungsmaßnahmen werden daher Millionenund Milliardenbeträge veranschlagt. Gleichzeitig wird der Polizeiapparat massiv aufgerüstet und auf die Unterdrückung mißliebiger Meinungsäußerungen geschult. ... Wenn ein Regime seinen Polizeiapparat nicht mehr zur Repression gegen Straftäter, sondern zur Aggression gegen politisch Andersdenkende einsetzt, ist das Ende des Rechtsstaatsprinzipes erreicht. Ein Regime, das zu solchen Methoden greift delegitimiert sich daher selbst. Nicht nur aus moralischer, auch aus juristischer Sicht haben alle Deutschen in der BRD das Recht gegen ein solches Regime, ... mit allen (friedlichen) Mitteln vorzugehen. ... In Zeiten zunehmender Pogromstimmung sollte über dieses Widerstandsrecht einmal nachgedacht werden." ("Deutsche Stimme" Nr. 12/2000-01/2001, S. 16) Am 14. September rief der Parteivorsitzenden VOIGT in einer Pressemitteilung im Zusammenhang mit den Terroranschlägen in den USA zum Widerstand gegen erwartete Einsatzbefehle der Bundeswehr auf. Die "einstigen Friedensapostel der 68er in Regierungsverantwortung" seien zu einer "kriegslüsternen amerikahörigen Vasallenregierung" mutiert. Der Interventionseinsatz der Bundeswehr sei verfassungswidrig. Kriegsdienstverweigerung werde in diesem Fall zur soldatischen Pflicht. Deutsches Blut dürfe nicht für fremde Interessen geopfert werden.48 1.2 Organisation und Entwicklung Der im Spätsommer und Herbst 2000 im Zuge der öffentlichen Diskussion um ein Verbot der NPD zu verzeichnende Mitgliederzuwachs setzte sich nicht fort. Im Jahr 2001 stagnierte der Mitgliederbestand der Partei bei rund 6.500 (2000: rund 6.500; 1999: rund 6.000). Mit Rechtsextremistische Bestrebungen 83 rund 1.000 Mitglieder blieb Sachsen der mitgliederstärkste Landesverband, gefolgt von Bayern (rund 900) und Nordrhein-Westfalen (rund 750). Die durch das Verbotsverfahren und den damit verbundenen erhöhten Finanzbedarf bedingte, schwierige finanzielle Situation der NPD entspannte sich im Mai durch den Verkauf einer als Geschäftsstelle des Landesverbandes Baden-Württemberg genutzten Villa in Eningen (Baden-Württemberg) für 1,10 Millionen EUR.49 Gegenüber dem "Reutlinger General-Anzeiger" räumte der Parteivorsitzende VOIGT ein, dass die NPD im Verbotsverfahren Kapital benötige, sie befinde sich jedoch "nicht in finanziellen Nöten".50 Für VOIGT genießt die themenund aktionsbezogene Zusammenarbeit mit dem Neonazi-Lager weiterhin Priorität und stellt unverändert den zentralen Grundpfeiler seiner Bündnispolitik dar. Dies kommt auch durch die Mitgliedschaft der Neonazis Jens PÜHSE, Sascha ROßMÜLLER und Frank SCHWERDT im Bundesvorstand der NPD zum Ausdruck. SCHWERDT wurde darüber hinaus Ende Januar zum NPD-Bundesgeschäftsführer ernannt51 und am 21. April zum neuen Vorsitzenden des Landesverbands Thüringen gewählt.52 Ferner gehört seit Ende Januar mit dem NPD-Bundesorganisationsleiter Manfred BÖRM53 - ehemaliger Funktionär der 1994 verbotenen "Wiking Jugend"54 - ein weiterer Neonazi dem Parteivorstand an.55 Ihren "Kampf um die Straße"56 setzte die NPD auch 2001 fort und Demonstrationen führte - zumeist zusammen mit Neonazis und Skinheads - rund 70 als Erfolg der Bündnispolitik Demonstrationen durch (2000: über 50). Am 1. Mai nahmen rund 3.300 Personen an fünf NPD-Kundgebungen in Berlin-Hohenschönhausen, Dresden, Mannheim, Augsburg und Essen teil. Weitere öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen konnte die Partei am 16. Juni in Göttingen (rund 600 Teilnehmer), am 3. Oktober und am 1. Dezember in Berlin (rund 2000 bzw. 3.300 Teilnehmer) durchführen. In Göttingen und Berlin traten mit Thomas WULFF bzw. Christian WORCH Protagonisten der Neonazi-Szene als Redner auf. Am Pressefest der NPD am 8. September in Grimma (Sachsen) nahmen ca. 1.500 Personen teil. Demonstration am 1. Dezember in Berlin Auch 2001 setzten sich die Spannungen innerhalb der NPD fort. Innerparteiliche Trotz der auf Vermittlung MAHLERs Ende Januar zustande gekomOpposition menen Einigung zwischen Vertretern der innerparteilichen Oppositionsgruppe "Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000" (RPF)57 und Bericht 2001 84 Rechtsextremistische Bestrebungen dem NPD-Parteivorstand über die Auflösung der RPF58 setzten deren Angehörige ihre Aktivitäten fort. Sie übten weiter heftige Kritik an der Parteiführung - auch in ihrem Organ "Unabhängiger Rundbrief - Rundbrief kritischer Nationalisten". RPF-Anhänger warfen dem Vorstand vor, die bei der Auflösung der RPF gegebene Zusage, eine Arbeitsgemeinschaft einzurichten, nicht eingehalten zu haben. Ungeachtet dessen setzten sich frühere RPF-Aktivisten weiterhin für einen Verbleib in der NPD ein. Ihr Wortführer, der Neonazi Steffen HUPKA, bis März 2000 Mitglied des Bundesvorstandes und Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, forderte "alle revolutionären und konstruktiven Kräfte auf, ihre Pflicht in der Partei weiter zu erfüllen". "Alle Zögerlichen außerhalb der Partei" rief er zudem auf, "den Schritt in die Organisation zu vollziehen", um endlich die NPD zu "eine(r) geschlossene(n), revolutionäre(n) Weltanschauungspartei mit einer klaren strategischen Konzeption" zu machen.59 Die früheren RPF-Anhänger führten 2001 vier als Strategiekongresse bezeichnete Treffen durch und organisierten maßgeblich die neonazistischen Demonstrationen am 1. Mai in Frankfurt am Main und am 1. September in Leipzig mit rund 1.200 bzw. 2.000 Teilnehmern. Organisatorischer Obwohl die NPD-Parteiführung bereits im Oktober 2000 über den Notstand über Landesverband Schleswig-Holstein u. a. wegen einer zu engen Landesverband Zusammenarbeit führender Funktionäre mit den "Freien NationalisSchleswig-Holstein ten" den organisatorischen Notstand verhängt hatte, setzten sich die Streitigkeiten in diesem Jahr fort. Der Neonazi Peter BORCHERT, der am 24. Februar zum neuen Landesvorsitzenden gewählt worden war, wurde Ende April von der NPD-Bundesführung von seinem Amt suspendiert. Er hatte sich einer Weisung des NPD-Bundesvorsitzenden VOIGT widersetzt, der ihn aufgefordert hatte, nicht als Redner bei der von Neonazis organisierten Mai-Demonstration in Frankfurt/M. aufzutreten. Im Verlauf des am 23. September zur Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl 2002 durchgeführten Landesparteitages suspendierte VOIGT den Landesvorstand und verhängte über den Landesverband erneut den organisatorischen Notstand. Zur Begründung hieß es, schon im Vorfeld hätten sich die Hinweise gehäuft, dass der Parteitag dazu dienen solle, "die Partei im Sinne einer ihren demokratischen Grundsätzen widersprechenden Richtung zu beeinflussen und den Landesverband unter den Einfluss parteifremder Elemente zu bringen".60 Der als "Landesgeneralsekretär" der NPD in Schleswig-Holstein firmierende GERG behauptete in einem Artikel, der stellvertretende Bundesvorsitzende und neben MAHLER zweite Prozessbevollmächtigte vor dem BVerfG Dr. EISENECKER habe die Vorgehensweise des Parteivorsitzenden kritisiert und gegen diesen beim Parteivorstand die Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens beantragt.61 Mit Urteil vom 8. November gab das Berliner Landgericht dem Antrag des Landesverbandes Rechtsextremistische Bestrebungen 85 Schleswig-Holstein auf vorübergehende Außerkraftsetzung der Ordnungsmaßnahmen des Bundesvorstandes statt. Schließlich verwarf das Bundesschiedsgericht der NPD auf seiner Sitzung am 15. Dezember die Verhängung des organisatorischen Notstands über den NPDLandesverband Schleswig-Holstein. BORCHERT und GERG sind damit wieder im Amt. Spannungen mit neonazistisch orientierten Kräften gab es darüber hinaus im Landesverband Sachsen-Anhalt. Indem er seinen Einfluss auf Anhänger der "Freien Nationalisten" nutzte, versuchte Steffen HUPKA, die Arbeit des eher "traditionell-nationaldemokratisch" ausgerichteten Landesvorstands zu behindern und wieder an Einfluss zu gewinnen, beispielsweise durch Anmeldung von Demonstrationen gegen den Willen der Partei. HUPKA wurde im Dezember wegen parteischädigenden Verhaltens aus der NPD ausgeschlossen. Die anhaltenden Querelen mit Parteigliederungen wegen zu enger und eigenmächtiger Zusammenarbeit mit der Neonazi-Szene stellen keine Abkehr von der bisherigen bündnispolitischen Ausrichtung der NPD dar, sondern belegen vielmehr den zerstrittenen Zustand der Partei, der es gegenwärtig an einem von allen maßgeblichen Parteiführern mitgetragenen Konzept mangelt. Neonazis, insbesondere Kameradschaftsangehörige, stellen unverVerhältnis der NPD ändert neben den Skinheads das Mobilisierungspotential der Partei zu Neonazis und Skinheads dar (vgl. Kap. IV, Nr. 2). In einem Interview mit dem Parteiorgan "Deutsche Stimme" unterstreicht Sascha ROßMÜLLER, Mitglied des NPD-Bundesvorstands und Bundesvorsitzender der JN, die Bedeutung der unabhängigen Kameradschaften als Bündnispartner für die Partei: "In den meisten Fällen existiert eine konstruktive, freundliche Zusammenarbeit mit unabhängigen Kameradschaften. Das ist gut so und wird von uns natürlich auch weiter gefördert. Am ehesten kann man wohl sagen, daß wir partiellen Kooperationen mit allen politikfähigen Nationalisten aufgeschlossen gegenüberstehen, die ... erkennen lassen, daß in der Kooperation zwischen parteigebundenen und ungebundenen Kräften nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame zu suchen ist." ("Deutsche Stimme" Nr. 8/2001, S. 3) In einem mit "Rudolf-Heß-Marsch - Sieg für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" überschriebenen Artikel erklärt der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende APFEL in der "Deutschen Stimme" zur Zusammenarbeit mit Neonazis: Bericht 2001 86 Rechtsextremistische Bestrebungen "Bemerkenswert war an diesem Tag der zuletzt manchmal vermißte Einklang von Nationaldemokraten und den in den Widerstandsreihen zweifelsohne vielfach konstruktiv arbeitenden parteiungebundenen Nationalisten. ... Allen punktuell bestehenden Differenzen zum Trotz hat die NPD immer betont, daß sie einer Zusammenarbeit mit allen zukunftsorientierten Nationalisten aufgeschlossen gegenübersteht, sofern der Wille zu einer sachlichen, sich gegenseitig respektierenden Kooperation gegeben ist." ("Deutsche Stimme" Nr. 9/2001, S. 13) Zur Einbindung der freien Kameradschaften "im Kampf um Deutschland" bekannte sich auch der NPD-Bundesvorsitzende VOIGT in seiner Rede anlässlich einer Demonstration in Göttingen: "Und ich kann noch einmal sagen, ich bin stolz darauf, dass Ihr heute diesem Ruf gefolgt seid. Und zwar bin ich stolz darauf, unabhängig davon, ob ihr Bürger seid, ob ihr Nationaldemokraten seid, ob ihr freie Kameradschaften seid. Wir haben im Kampf um Deutschland an einer Seite zu stehen. Wir lassen uns von diesem System nicht auseinander dividieren." (Rede von VOIGT während der NPD-Demonstration unter dem Motto "Stoppt den Globalisierungswahn - Freiheit für die Völker" am 16. Juni 2001 in Göttingen) Zum Verhältnis der NPD zu den Skinheads - hier der inzwischen verbotenen "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) (vgl. Kap. III, Nr. 3) - äußerte sich Uwe LEICHSENRING, Geschäftsführer und Schatzmeister des NPD-Kreisverbands Sächsische Schweiz und Fraktionsvorsitzender der NPD im Stadtrat von Königstein (Sachsen). In einem Interview in der etwa seit Jahresbeginn 2001 in der Skinheadszene verbreiteten Ausgabe des Fanzines "White Supremacy" (Nr. 3/2000) bescheinigt er den SSS, dass "es sich bei diesen Kameraden, um junge, zuverlässige und anständige Männer und Frauen handelt".62 Ferner erklärt LEICHSENRING: "Unser Erfolg basiert auf eiserner Disziplin, engagierter politischer Arbeit und der guten Zusammenarbeit mit freien Kräften wie der SSS, denen mein ganz besonderer Dank für ihre Unterstützung in den letzten Jahren gilt." (Publikation "White Supremacy" Nr. 3/2000, S. 22) Rechtsextremistische Bestrebungen 87 Die Solidarität LEICHSENRINGs mit den verbotenen SSS wird auch in einem Interview mit der "Deutschen Stimme" deutlich, in dem er die SSS als "Freundeskreis" verharmlost und das am 5. April erfolgte Verbot der Vereinigung durch das Sächsische Staatsministerium des Innern als "äußerst lächerliche Handlungsweise" bezeichnet.63 Das Verhältnis der NPD zur Gewalt erscheint ambivalent. EinerAmbivalentes seits distanzieren sich Funktionäre der Partei von Gewalt und gewaltVerhältnis zur Gewalt tätigen Aktionen, andererseits - und das zeigen in besonderer Weise die unterschiedlichen Reaktionen aus der Partei auf die Terroranschläge in den USA vom 11. September - wird Gewalt für bestimmte Situationen gerechtfertigt bis hin zu eindeutigen Bekenntnissen für die Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Die NPD hatte als Wahlpartei weiterhin nur geringe Bedeutung. Teilnahme Sie beteiligte sich 2001 an drei Landtagswahlen und an vier an Wahlen Kommunalwahlen. Zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 25. März trat die Partei nur in 34 der 70 Wahlkreise an. Sie erhielt insgesamt 0,2 % der Zweitstimmen (bei letzter Wahlteilnahme 1992: 0,9 %). Bei der ebenfalls am 25. März durchgeführten Wahl zum rheinland-pfälzischen Landtag erzielte die landesweit kandidierende NPD einen Zweitstimmenanteil von 0,5 % (1996: 0,4 %). Am 21. Oktober errang die Partei bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 0,9 % der Zweitstimmen (1999: 0,8 %); mit 1,6 % im östlichen und 0,5 % im westlichen Teil der Stadt blieb das Ost-WestGefälle in etwa unverändert. Demonstration am 17. Februar in Ludwigshafen Bei den hessischen Kommunalwahlen am 18. März büßte die NPD rund zwei Drittel ihrer kommunalen Mandate ein. Sie errang insgesamt 9 Mandate (1997: 30) in kreisangehörigen Städten und Gemeinden sowie 4 Mandate in Kreistagen (1997: 0). Insbesondere in ihren Hochburgen erlitt die Partei deutliche Verluste. So erhielt sie in Ehringhausen nur noch 7,1 % der Stimmen (1997: 22,9 %), in Leun 8,9 % (1997: 21,5 %) und in Wölfersheim 12,1 % (1997: 22,7 %). Bei den Kommunalwahlen am 9. September in Niedersachsen konnte die NPD landesweit nur 3 Mandate erzielen, bei den Wahlen am 23. September in Hamburg und am 21. Oktober in Berlin blieb sie jeweils ohne Mandatsgewinn. Bericht 2001 88 Rechtsextremistische Bestrebungen Die NPD konzentrierte ihre Anstrengungen als Wahlpartei auf den "Kampf um Berlin", den sie als "Kampf für Deutschland" bezeichnete.64 Zwar konnte sie ihre Ziele, mindestens 1 % der Stimmen zur dortigen Abgeordnetenhauswahl und ein Mandat in einer Bezirksverordnetenversammlung, nicht erreichen. Gleichwohl gelang es ihr, im Ostteil der Stadt die Partei "Die Republikaner" (REP) zu überflügeln und zumindest ein kleines "rechtes" Protestwählerpotential zu mobilisieren. Bei gestiegener Wahlbeteiligung konnte die NPD ihr Wahlergebnis in Berlin insgesamt sogar leicht verbessern. 1.3 Verbotsverfahren Nach den Entscheidungen aller drei gesetzlich berechtigten Bundesorgane, beim Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 21 Abs. 2 GG den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD stellen zu wollen, reichte die Bundesregierung am 30. Januar ihren Verbotsantrag in Karlsruhe ein. In der Begründung des Antrags der Bundesregierung werden die verfassungswidrigen Zielsetzungen der Partei, ihr aggressiv-kämpferisches Verhalten und ihre Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus dargelegt. Der Verbotsgrund der NS-Wesensverwandtschaft wird im Antrag des Deutschen Bundestages, der ebenso wie der des Bundesrates am 30. März gestellt wurde, unterstrichen und weiter vertieft. Der Antrag des Bundesrates veranschaulicht, wie sich vor allem in der intensiven Zusammenarbeit der NPD mit Neonazis und Skinheads das Bestreben der Partei und ihrer Anhänger zeigt, die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen zu wollen. Auf dem außerordentlichen Bundesparteitag am 3./4. März in Lichtenhaag (Bayern) wurde MAHLER nach kontroverser und bis in die Parteispitze reichender Debatte über die von ihm vorgeschlagene und von VOIGT unterstützte offensive Prozessstrategie65 zum Verfahrensbevollmächtigten ernannt. In seinem Erwiderungsschriftsatz vom 20. April auf den Antrag der Bundesregierung argumentiert er auf einer abstrakten Ebene mit Hilfe eines gesellschaftstheoretisch-philosophischen Ansatzes "vor-rechtlicher Natur", dem als Kernthese die Behauptung zugrunde liegt, die NPD und die von ihr verfolgten Ziele seien nicht nur nicht verfassungswidrig, sondern vielmehr Ausdruck eines sich gerade innerhalb der deutschen Jugend immer stärker manifestierenden Volkswillens. MAHLER beantragt die Nichtzulassung des Hauptverfahrens, da die Bundesregierung ihr Rechtsextremistische Bestrebungen 89 Antragsrecht missbrauche, um die NPD als Konkurrentin auszuschalten, und dabei offenbar den Zweck verfolge, dass die Multiethnisierung der Bevölkerung in der Mitte Europas als nicht mehr debattierbares Schicksal des deutschen Volkes hingenommen wird. Der Verbotsantrag diene nicht dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sondern dem Schutz einer gescheiterten Politik der "Systemparteien" und ihrer Vertreter. Diese seien die Gehilfen einer von den USA und dem "internationalen Judentum" bestimmten Fremdherrschaft über das deutsche Volk. Auch ziele der Vorwurf der Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus ins Leere, da die NPD mit dem historischen Nationalsozialismus nichts zu tun habe. Das bei der NPD vorhandene Bekenntnis zur nationalsozialistischen Idee als solcher stünde hingegen unter dem Schutz der in Art. 5 GG garantierten Meinungsfreiheit. Daran anknüpfend bezeichnet es MAHLER in seiner Stellungnahme vom 30. Mai zum Antrag des Deutschen Bundestages als eine Schande für die den Antrag unterstützenden Bundestagsparteien, die NPD wegen Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus verbieten zu wollen. Ein dieser Art begründeter Antrag spiegele letztlich nur die nach wie vor bestehende Unfreiheit des deutschen Volkes zur Betrachtung seiner eigenen Geschichte wider und sei deshalb in seinem "Namen und kraft seiner Souveränität zurückzuweisen". Der auf den 19. Juni datierte Erwiderungsschriftsatz zum Verbotsantrag des Bundesrates wurde vom zweiten Prozessbevollmächtigten der Partei, dem Leiter ihrer Rechtsabteilung66 und stellvertretenden Bundesvorsitzenden Dr. EISENECKER, verfasst. Er bewertet die einzelnen vorgebrachten Verbotsargumente als unbegründet, ihre Zusammenstellung als willkürlich und den Verbotsantrag in seiner Gesamtheit als politisch motiviert und interessengeleitet. Der Antragsteller habe nicht einmal ansatzweise den Versuch unternommen, die der Arbeit der NPD zugrundeliegende Weltanschauung zu verstehen. Dr. EISENECKER behauptet, der Verfassungsschutz habe sich seine Beweise für das Verbotsverfahren "wunschgerecht geschaffen" und nennt als Beispiele hierfür vier damals in Medien schon namentlich genannte ehemalige V-Leute.67 Der als Verbotsgrund angeführte Vorwurf der Zusammenarbeit mit Neonazis und Skinheads sei zurückzuweisen. In Umsetzung des Verfassungsauftrages nach Art. 21 Abs. 1 GG sorge die Partei auf diese Weise vielmehr dafür, dass "die Jugendszene, die mit der so genannten 'rechten Gewalt' in Verbindung gebracht wird, ... in politisch konstruktive Bereiche" kanalisiert werde. Am 3. Juli verband das BVerfG die drei Anträge von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat durch Beschluss zu einem einheitlichen Verfahren. Bericht 2001 90 Rechtsextremistische Bestrebungen Am 1. Oktober beschloss der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts gemäß SS 45 BVerfGG, dass die Verhandlung über die drei Verbotsanträge durchzuführen ist. Voraussetzung für diese Entscheidung ist gemäß SS 45 BVerfGG, dass die Anträge weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet sind. Mit Terminsnachricht vom 5. Dezember 2001 beraumte das BVerfG Termine zur mündlichen Verhandlung an und lud 14 Auskunftspersonen. Am 19. Dezember 2001 trugen die drei Antragsteller in einem gemeinsamen Schriftsatz neue Tatsachen zum Beleg der fortdauernden Verfassungswidrigkeit der NPD seit Antragstellung vor. Mit Beschluss vom 22. Januar 2002 hob der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts die im Februar 2002 vorgesehenen Termine zur mündlichen Verhandlung auf, nachdem bekannt geworden war, dass eine der 14 Auskunftspersonen eine Aussagegenehmigung einer Landesbehörde für Verfassungsschutz vorlegen werde. Die damit aufgeworfenen prozessualen und materiellen Rechtsfragen seien bis zu dem Verhandlungstermin nicht zu klären. Die Antragssteller haben in einem gemeinsamen Schriftsatz im Februar 2002 zur "V-Mann-Problematik" Stellung genommen. Darin wird deutlich gemacht, dass der Einsatz von V-Leuten ein rechtlich zulässiges sog. nachrichtendienstliches Mittel ist, das seine gesetzliche Grundlage im Bundesverfassungsschutzgesetz (SS 8 Abs. 2) und in den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungsschutzgesetze hat. Da verfassungsfeindliche Zielsetzungen nicht ständig öffentlich verkündet werden, ist auch die verdeckte Beobachtung unverzichtbar, um ein vollständiges Bild über extremistische Bestrebungen zu erlangen. 1.4 "Junge Nationaldemokraten" (JN) gegründet: 1969 Bundesgeschäftsstelle: Riesa (Sachsen) Bundesvorsitzender: Sascha ROßMÜLLER Mitglieder: bis zu 500 (2000: bis zu 500) Publikationen: nur regional Als einzige rechtsextremistische Partei verfügt die NPD über eine zahlenmäßig relevante Jugendorganisation. Die JN sind laut Satzung der NPD "integraler Bestandteil" der Partei. Der JN-Bundes- Rechtsextremistische Bestrebungen 91 vorsitzende ist Kraft seines Amtes zugleich Mitglied des NPD-Parteivorstands. Die JN verstehen sich nach Angaben ihres Bundesvorsitzenden Sascha ROßMÜLLER unverändert als "nationalistische Jugendorganisation mit revolutionärem Geist".68 Vor dem Hintergrund des "in Verbotshysterie verfallene(n) 'freiheitlichste(n) Staat(es)'" unterstreicht ROßMÜLLER die "immense Bedeutung der Existenz einer im Völkischen verwurzelten authentisch nationalistischen Opposition".69 Demonstration am 1. Juni in Göttingen Die enge Verbindung der JN zum Neonazilager und zu nationalsozialistischem Gedankengut zeigt sich in ihrer aktiven Einbindung in die Vorbereitung der Gedenkveranstaltung anlässlich des 14. Todestags des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß am 18. August in Wunsiedel (Bayern). So wurde auf der Homepage des neonazistischen "Aktionsbüro Norddeutschland" (vgl. Kap. IV, Nr. 2) ausdrücklich auf die "JN-Nordmark (Schleswig-Holstein)" verwiesen, bei der "offizielle Rudolf Hess-Materialien" wie Aufkleber und Plakate bezogen werden könnten. Sascha ROßMÜLLER beschreibt das Verhältnis der JN zur NPD mit dem Begriff der "kritischen Loyalität".70 Die JN haben in den letzten Jahren insbesondere durch den Übertritt führender Funktionäre in die NPD und die Übernahme und Durchführung der demonstrativen Aktionen durch die Mutterpartei zunehmend an Eigenständigkeit und Profil verloren und sind zu einem bloßen Anhängsel der NPD verkümmert. Hinsichtlich der "oftmals auftretenden Diskussion um die sog. 'Kaderorganisation'" räumt ROßMÜLLER daher auch ein, "daß es sich hierbei aus realitätsnaher Betrachtung natürlich nur um ein Ideal handeln kann, das natürlich als gedankliche Forderung aufrecht erhalten werden soll". Dies dürfe aber nicht einer erwünschten Mitgliederrekrutierung im Wege stehen, "da 'Kader' heute kaum vorzufinden sind, sondern erst gebildet werden müssen".71 Auf dem am 22. September in Neustadt-Glewe (Mecklenburg-VorReaktionen auf die pommern) durchgeführten 30. ordentlichen Bundeskongress, an Anschläge in den USA dem neben dem NPD-Parteivorsitzenden VOIGT auch MAHLER sowie der österreichische Rechtsextremist Herbert SCHWEIGER teilnahmen, verabschiedete der JN-Bundesvorstand eine Erklärung zu den Terroranschlägen in den USA. Darin verurteilten die JN diese Anschläge, lehnten jedoch eine "blinde" Solidarisierung mit den USA strikt ab. Auf das allerschärfste verurteilten sie "den politisch perversen Missbrauch der Situation von Seiten der Israelis". Nicht zuletzt Bericht 2001 92 Rechtsextremistische Bestrebungen vor diesem Hintergrund hielten es die JN "nicht einmal für gänzlich ausgeschlossen, dass es sich bei den Anschlägen in den USA um eine strategische Operation westlicher und israelitischer Geheimdienste" handeln könnte.72 In einer im Internet eingestellten Erklärung des JN-Bundesvorstands zum Verlauf des Bundeskongresses hieß es selbstzufrieden, "konzeptionelle Neuerungen sowie die Ausweitung der politischen Basisarbeit" hätten "einen enormen Mitgliederaufschwung" gebracht. Diese Angaben der JN-Führung erscheinen angesichts ihrer rückläufigen Aktivitäten wenig glaubhaft. 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) gegründet 1987* Sitz: München Bundesvorsitzender: Dr. Gerhard FREY Mitglieder: Knapp 15.000 (2000: 17.000)** Publikation: "National-Zeitung/Deutsche WochenZeitung" (NZ) Auflage: 45.000 **, wöchentlich * DVU e. V. 1971 als Verein gegründet, 1987 als Partei konstituiert, 1987-1991 "DVU-Liste D" ** geschätzt Die "Deutsche Volksunion" (DVU) ist die mitgliederstärkste Partei im rechtsextremistischen Parteienspektrum. Sie wird von ihrem Gründer und Bundesvorsitzenden, Dr. Gerhard FREY, autokratisch geführt und weitestgehend finanziert.73 FREY ist Inhaber der "DSZ - Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" (DSZ-Verlag) und Herausgeber der wöchentlich erscheinenden "National-Zeitung/Deutsche WochenZeitung" (NZ), die die auflagenstärkste rechtsextremistische periodische Publikation in Deutschland ist.74 2.1 Zielsetzung Die DVU besetzt typisch rechtsextremistische Themenfelder. Ihre verfassungsfeindlichen Bestrebungen lassen sich an der übersteigert nationalistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen und revisio- Rechtsextremistische Bestrebungen 93 nistischen Propaganda erkennen. Ausländer und Juden werden diskriminiert und dienen der Partei als antideutsche Feindbilder. Die politische Zielsetzung der DVU spiegelt sich in der NZ wider, National-Zeitung als die aufgrund der organisatorischen und personellen Anbindung an DVU-Sprachrohr die DVU als deren Presseorgan angesehen werden kann. Die Agitation in der Wochenzeitung NZ ist durchdrungen vom fremdenfeindlichen Gedankengut der DVU. Sie besteht vor allem in einer einseitigen und verzerrenden Berichterstattung über Asylmissbrauch und Ausländerkriminalität. Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt der NZ bilden tendenziöse und verharmlosende Beiträge zur nationalsozialistischen Vergangenheit. Außerdem schürt sie mit aggressiven Schlagzeilen und mit unterschwellig antisemitischen Beiträgen Ressentiments gegen Juden und diffamiert Repräsentanten des demokratischen Rechtsstaats. Die Fülle solcher Beiträge nach traditionellen rechtsextremistischen Agitationsmustern in der NZ belegte auch im Jahr 2001 wieder, dass es nicht um die Lösung von Problemen oder um die demokratische Auseinandersetzung im Rahmen unserer verfassungsmäßigen Ordnung geht. Vielmehr dienen Pauschalisierungen und Herabwürdigungen als Angriffe auf wesentliche Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die fremdenfeindliche Einstellung der DVU trat in der einseitigFremdennegativen, schablonenhaften Berichterstattung der NZ zutage. Häufig feindlichkeit wiederholte Schlagzeilen wie "Verheimlichte Ausländer-Kriminalität - Was die Deutschen nicht erfahren sollen"75 und "Freibrief für kriminelle Ausländer? - Deutsche rechtlos im eigenen Land"76 sollen die in Deutschland lebenden Ausländer generell als Kriminelle brandmarken. Mit der Veröffentlichung von eigenen Schaubildern versuchte die Zeitung, diesen Pauschalisierungen einen vermeintlich seriösen Anstrich zu geben. So erklärte die NZ unter der Überschrift "Deutschland als Verbrecher-Paradies? - Die Macht internationaler Banden": "Sie stammen aus 92 (!) Staaten, was zeigt, dass sich Deutschland zum Tummelplatz von Kriminellen aus praktisch aller Herren Ländern entwickelt hat. ... 56,2 Prozent der Tatverdächtigen sind demnach ausländische Staatsbürger. Zum Vergleich: der Ausländeranteil an der Bevölkerung in der Bundesrepublik beträgt rund 10 Prozent." (NZ Nr. 35/2001, S.1 f.) Mit solchen reißerischen Überschriften und Pauschalisierungen sollen Ressentiments und Angst vor Fremden in der Bevölkerung Bericht 2001 94 Rechtsextremistische Bestrebungen geschürt werden. Die NZ will den Eindruck vermitteln, dass von in Deutschland lebenden Ausländern eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit ausgehe und der Einzelne nicht mehr vor Ausländerkriminalität zu schützen sei. Die NZ thematisierte wiederum die aus ihrer Sicht drohende "Umvolkung der Deutschen".77 Im Zusammenhang mit dem geplanten Zuwanderungsgesetz verbreitete sie unter der Schlagzeile "'15 Millionen Ausländer rein!'" sarkastisch: "Ein solches scheußliches Volk aber wie das deutsche muss zweifellos umoder ausgetauscht werden. ... Auf allen Ebenen wird kräftig an der Verwirklichung des Volksaustausches in Deutschland gearbeitet." (NZ Nr. 13/2001, S. 3) In dieselbe Richtung zielten fremdenfeindlich motivierte Beiträge unter Überschriften wie "Brauchen wir noch mehr Ausländer? - Wohin die Überfremdung führt"78 und "Kommen 15 Millionen Ausländer? - Wie das deutsche Volk ausgetauscht werden soll".79 Auch in einem Beitrag zur EU-Osterweiterung sollten Ängste vor Massenzuwanderung hervorgerufen werden: "Dass eine traditionell am wenigsten bodenständige, dafür aber stets mobile Gemeinschaft von Menschen die geplante EU-Osterweiterung am stärksten zur Westwanderung nutzen wird, liegt auf der Hand. Gemeint sind Zigeuner. Hunderttausende, wenn nicht Millionen von ihnen warten auf den Startschuss, nämlich die Verwirklichung der EU-Freizügigkeit für ihre Aufenthaltsländer im Osten. Wunschziele der meisten von ihnen dürften die Bundesrepublik Deutschland und Österreich sein." (NZ Nr. 19/2001, S. 2) Häufig endeten entsprechende Artikel mit der Werbung für das in FREYs "FZ - Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH" (FZVerlag)80 2001 in aktualisierter, erweiterter Neuauflage erschienene Buch "Ausländer - Die wahren Fakten". Der Abdruck von Schaubildern aus dem genannten Buch dient dazu, die pauschalisierenden Rechtsextremistische Bestrebungen 95 Aussagen plakativ zu verstärken. Die fremdenfeindliche Agitation der DVU zeigt, dass sie die unantastbaren Prinzipien der Menschenwürde und den Gleichheitsgrundsatz für den ausländischen Teil der Bevölkerung nur eingeschränkt gelten lassen und aushöhlen will. Die DVU vertritt meist unterschwellig, manchmal aber auch kaum Antisemitismus verhohlen, einen für Rechtsextremisten typischen Antisemitismus. So wurden in der NZ antisemitisch gefärbte Beiträge verbreitet, in denen unterstellt wurde, das deutsche Volk werde besonders durch die Juden auf die NS-Vergangenheit festgelegt und so daran gehindert, ein gleichberechtigtes Mitglied in der Völkergemeinschaft zu werden. Weitere Artikel der NZ behandelten die angeblich übergroße Präsenz von Personen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung in Politik, Wirtschaft und Medien. Durch Beiträge mit Überschriften wie "Dank Ziehvater Beresowskij zu Reichtum und Macht - Abramowitsch - Reformgewinnler und Kreml-Finanzier"81 und "Wer bestimmt die deutsche Außenpolitik? - Zentralrat der Juden in Deutschland will Einfluss nehmen"82 wurde der Eindruck erweckt, "das Judentum" versuche, ein weltweites wirtschaftliches Machtkartell aufzubauen oder aber bestimmenden Einfluss auf die deutsche Politik zu nehmen. Weitere Beiträge diskreditierten jüdische Organisationen, verurteilten deutsche Wiedergutmachungsleistungen und kommentierten Vorgänge in Israel mit antisemitischer Zielsetzung. Dabei verbirgt sich in den Einzelbeiträgen die herabsetzende Kritik am "Judentum" zwar häufig zwischen den Zeilen, doch die Fülle der einschlägigen Artikel soll dem Leser einen angeblich bedrohlichen Einfluss "antideutscher Juden" vor Augen führen. Am Ende solcher Ausführungen wird stets das zweibändige, mit antisemitischen Anklängen versehene Standardwerk des FZ-Verlags "Wer ist wer im Judentum" als weiterführende Literatur angepriesen. Der Verlag bietet zudem die Publikation "Jüdische Kriegserklärungen an Deutschland" an, in der der rechtsextremistische Mythos einer angeblichen massiven Bedrohung durch das Judentum übernommen und fortgeschrieben wird. Auch die 2001 neu vom FZ-Verlag aufgelegte Veröffentlichung "Der Rote Judas - Das wahre Gesicht des Gregor Gysi" ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Zahlreiche Artikel machten Stimmung gegen wichtige Repräsentanten jüdischer Institutionen, wie beispielsweise führende Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland. Unter der Schlagzeile "Die Geschäfte des Paul Spiegel" wurde der Präsident des Zentralrats angegriffen: Bericht 2001 96 Rechtsextremistische Bestrebungen "Wie schon sein Vorgänger als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, ist auch Paul Spiegel erschüttert darüber, dass die Forderung nach einem Schlussstrich unter die ebenso permanente wie penetrante 'Bewältigung' der Hitlerzeit zunehmend lauter ertönt." (NZ Nr. 10/2001, S.1) In einem Beitrag zur Nationalstolz-Debatte wurde unter der Überschrift "Die 'Ich-bin-stolz-Deutscher-zu-sein'-Welle" der Vizepräsident des Zentralrats Dr. Michel Friedman heftig kritisiert: "Der selbstangemaßte Oberlehrer, Sittenwächter, Moralhüter, Generalankläger und Hohe Priester der Republik in Personalunion meint, vor einem 'Schmusekurs mit engstirnigen nationalistischen Ansichten' warnen zu müssen, wähnt Deutschland auf 'einem gefährlichen Weg' und mahnt allgemeine deutsche Scham für Auschwitz und Hitler an - so als würde es dafür einen Nachholbedarf geben, was nach jahrzehntelangem Kriechen, Sühnen, Büßen (und Zahlen) in einem weltgeschichtlich und weltweit beispiellosen Ausmaß nun wirklich nicht der Fall ist." (NZ Nr. 14/2001, S. 3) Relativierung des Die DVU bemüht sich nach wie vor, den Holocaust zu relativieren. Holocaust Das historische Wissen über den Völkermord an den europäischen Juden wurde durch Fälschungsvorwürfe und Zweifel an der Höhe der Opferzahlen in Frage gestellt. Auch Vergleiche mit den Zahlen der deutschen Kriegsopfer dienen dazu, die Einmaligkeit des Holocaust zu relativieren: "1945 wurden zuerst 8 Millionen Auschwitz-Tote propagiert, dann 6 Millionen. Später waren es 4 Millionen, anschließend 3 Millionen. Die Zahl sank im Lauf der Jahrzehnte weiter auf 2, 11/2 und eine Million. Nach dem heutigen Stand der veröffentlichten Erkenntnisse ... starben in Auschwitz annähernd 500000 Juden eines gewaltsamen Todes oder durch Krankheit. ... Was aber ganz besonders ins Auge sticht, ist die Tatsache, dass die 11 Millionen Toten unseres Volkes im 2. Weltkrieg und danach (davon 7 Millionen durch Mord, Massenmord und Völkermord im Krieg und in der Nachkriegszeit) praktisch überhaupt keine Würdigung erfahren. Sind denn Deutsche Menschen minderen Ranges oder keine Menschen?" (NZ Nr. 5/2001, S. 3 f.) Rechtsextremistische Bestrebungen 97 Auch mit einer inflationären Verwendung des Begriffs Holocaust in unterschiedlichen Zusammenhängen versuchte die NZ, die inhaltliche Eindeutigkeit des Begriffs zu verwischen. 83 Zudem wurde wiederholt behauptet, "falsche Meinungen" zu dem historischen Geschehen deutscher Massenmorde an Juden und zu anderen NS-Verbrechen würden kriminalisiert. Die NZ wertet Holocaust-Mahnmale als Negativsymbole einer angeblich einseitigen Vergangenheitsbewältigung und lehnte die Planung und Errichtung solcher Gedenkstätten ab. Zahlreiche Beiträge mit Schlagzeilen wie "Fast 500 NS-Mahnmale allein in Berlin - Wohin die 'Gedenkstätten-Pädagogik' bereits geführt hat"84 kritisierten die Zahl der bereits bestehenden Mahnmale. Eine angeblich unseriöse Finanzierung geplanter Gedenkstätten wurde mit Schlagzeilen wie "Kostenexplosion beim Holocaust-Mahnmal?"85 beklagt. Demokratischen Politikern warf die NZ vor, die Errichtung der Mahnmale sei der Versuch, dem deutschen Volk auf Dauer eine Kollektivhaftung aufzubürden: "Nach dem Willen selbsternannter 'Volkspädagogen' soll ganz Deutschland mit Anklagestätten überzogen werden, um deutsche Schuld wegen der in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts untergegangenen NS-Zeit auf ewig ins Bewusstsein zu rufen und auf Dauer zu zementieren. Besonders haben Dauerankläger den Blick auf Berlin gerichtet." (NZ Nr. 16/2001, S. 13) Die zum Repertoire der Wochenzeitung gehörende Relativierung Relativierung weiterer der NS-Verbrechen dient dem Zweck, das Dritte Reich in günstigerem NS-Verbrechen Licht darzustellen. Vornehmlich durch geschichtsklitternde Umdeutungen werden die menschenverachtenden Untaten des Hitler-Regimes in Frage gestellt und verharmlost. Zur Reinwaschung des NS-Regimes präsentiert die NZ zudem Gräueltaten aus der Geschichte anderer Staaten, um das Dritte Reich in günstigerem Licht darzustellen. Die DVU leugnete damit formal nicht die vom nationalsozialistischen Deutschland verübten Verbrechen, stritt aber deren Einzigartigkeit ab. Dies wird beispielsweise deutlich an Schlagzeilen wie "Der andere 8. Mai 1945 - Frankreichs Gräueltaten an den Algeriern"86 und "US-Massaker im Koreakrieg bestätigt - Soldaten ermordeten wehrlose Flüchtlinge".87 Auch die positive Einstellung der DVU zu Repräsentanten und Institutionen des NS-Regimes verdeutlichte ihre rechtsextremistiBericht 2001 98 Rechtsextremistische Bestrebungen schen Bestrebungen. So warb der FZ-Verlag für zahlreiche Druckerzeugnisse und Videos, in denen die vermeintlichen Leistungen des NS-Regimes der angeblich verfälschenden Geschichtsschreibung entgegengesetzt werden. Die NZ veröffentlichte wiederholt Artikel über einzelne Wehrmachtseinheiten und über die deutsche Kriegsführung in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs, in denen unter Überschriften wie beispielsweise "Deutschlands Nationalheld Oberst Rudel"88 der Mythos einer heldenhaften Verteidigung gegen den alliierten "Vernichtungskrieg gegen Deutschland" aufrecht erhalten und belebt werden sollte. In diesen Zusammenhang gehört auch die NZ-Serie "Große deutsche Soldaten - Unsterbliche Helden", die seit Februar 1999 im Wochenrhythmus fortgeschrieben wird. Sie wurde im FZ-Verlag unter dem Titel "Helden der Wehrmacht - Unsterbliche deutsche Soldaten" auch als Buch vermarktet. Weitere vom FZ-Verlag verbreitete Publikationen lauteten: "Die Wehrmacht als Befreierin" und "Deutsche Soldaten - Mörder oder Helden?". Relativierung der Zu den regelmäßigen revisionistischen Kampagnen der DVU Kriegsschuld gehören die Relativierung der Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die These vom deutschen Präventivschlag gegen die Sowjetunion im Juni 1941. Diese Beiträge mit Überschriften wie "War Hitler allein Schuld am Krieg? - Sensationelle Erkenntnisse über Amerikas Rolle"89 sollen den Schluss nahe legen, insbesondere für die USA und Großbritannien sei der Ausbruch des Krieges längst beschlossene Sache gewesen. Ein friedliebendes Deutschland sei somit das Opfer seiner Gegner gewesen, die es in den Krieg getrieben hätten. Wider historisches Wissen behauptete die NZ, der deutsche Einmarsch in die Sowjetunion habe eine Großoffensive Stalins gegen Deutschland und seine Verbündeten gerade noch verhindern können: "Hat sich Deutschland 1941 auf Stalin wie der böse Wolf auf das Geißlein geworfen? Dokumente, dass der Gulag-Diktator seinerseits einen Überfall auf Deutschland plante, die Wehrmacht ihm aber zuvorkam, haben Forscher nicht zuletzt aus jahrzehntelang geheimen Sowjet-Archiven ans Licht gebracht." (NZ Nr. 26/2001, S. 1) Agitation gegen Die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für NS-ZwangsarbeiWiedergutter wurde in der NZ einschlägig kommentiert. Die den Deutschen machungsaufgebürdeten Summen seien überhöht und nicht mehr zeitgemäß. forderungen Mit aggressiven Schlagzeilen wie "Wiedergutmachung oder Erpres- Rechtsextremistische Bestrebungen 99 sung? - Wie Deutschland zur Kasse gebeten wird"90 und "Wer kassiert die 'Zwangsarbeiter'-Milliarden? - Deutschland soll ewig büßen und zahlen"91 beklagte die DVU die fehlende Entschädigung für deutsche Zwangsarbeiter: "Während Deutschland in riesigem Umfang Wiedergutmachung für NS-Opfer leistete und leistet und im Zuge der neuerlichen gigantischen Kampagne weitere 10 Milliarden Mark als Entschädigung für ausländische 'Zwangsarbeiter' aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges verfügbar macht, spielt für politisch Verantwortliche das grauenvolle Schicksal jener keine Rolle, die als Angehörige unseres Volkes als Arbeitssklaven etwa in die Sowjetunion verschleppt wurden. ... die meisten erlitten in Stalin-Lagern einen qualvollen Tod. ... Nicht einmal Mitgefühl wird den damaligen Opfern seitens der herrschenden politischen Klasse zuteil. Nur weil sie Deutsche sind?" (NZ Nr. 21/2001, S. 17) Die DVU griff in der NZ - wie auch im Vorjahr - den demokratiAgitation gegen schen Rechtsstaat und seine Repräsentanten an. Maßlose Polemik92 demokratisch und diffamierende Hetze sollen das Ansehen von Institutionen und gewählte Repräsentanten Personen beschädigen und damit das Vertrauen des Staatsbürgers in des Staates die Werteordnung des Grundgesetzes erschüttern. Unablässig erhob die DVU den Vorwurf, demokratische Politiker beharrten aus machtpolitischen Gründen auf einer Kollektivschuld der Deutschen an der Massenvernichtung der Juden. Mit dieser ständigen Anklage wollten sie angeblich das Volk demoralisieren, um es leichter regierbar zu machen und ihre eigene Macht zu sichern. So hieß es unter der Überschrift "Die Entschuldigungs-Weltmeister": "Die Vergangenheitsbewältiger wollen zwar nichts von Volksgemeinschaft im positiven Sinne wissen, beschwören aber eine schicksalhafte Schuldund Schamgemeinschaft der Deutschen. ... Es zeichnet sich vielmehr ab, dass die von Politikern und Medien gut geölte deutsche Bewältigungsmaschinerie ihre Kapazität stetig zu vergrößern gedenkt und immer tiefer in die Menschheitsgeschichte eintauchen will." (NZ Nr. 21/2001, S. 5) Die DVU nutzte auch die Terroranschläge am 11. September in Terroranschläge den USA und die Reaktionen der internationalen Staatenwelt sowohl in den USA zu Angriffen auf den demokratischen Rechtsstaat und seine Repräsentanten als auch zu fremdenfeindlicher und antiislamischer ProBericht 2001 100 Rechtsextremistische Bestrebungen paganda. Zwar wurden in der NZ die Anschläge verurteilt, doch gleichzeitig griff sie durch Beiträge mit reißerischen Schlagzeilen wie "Frisst uns der Islam? - Einwanderungsland - ein Wahnsinn!"93 und "Vor dem Dritten Weltkrieg? - Schwerwiegende Konsequenzen der Terroranschläge in den USA" 94 die Bundesregierung scharf an: "Dass sich die Bundesrepublik als Zielscheibe für eventuelle Terrorakte besonders eignet, hat einen banalen Grund: Durch die verantwortungslose Überfremdungspolitik Herrschender sind ausreichend ausländische Extremisten längst vor Ort. ... Unsere übliche Denkweise versagt bei Politikern, die es als ihre Aufgabe verstehen, deutsche Interessen in den Abgrund zu führen und dabei möglichst viele Bürger mitzunehmen." (NZ Nr. 40/2001, S. 15) Die DVU verschärfte in diesem Zusammenhang auch ihre antisemitische und anti-amerikanische Agitation. In der NZ behauptete sie unter der Schlagzeile "Wie ist Bushs Kriegspolitik zu erklären?"95 eine starke Einflussnahme jüdischer Kreise auf die US-amerikanische Regierung. Den USA warf sie vor, der Angriff auf Afghanistan sei vom Völkerrecht so wenig gedeckt wie fast alle ihre militärischen Operationen seit ihrer Gründung.96 Die innenpolitische Diskussion um die innere Sicherheit veranlasste die DVU erneut zu maßlosen Angriffen auf demokratische Politiker: "Und in Deutschland wetteifern Bundesund Landespolitiker darum, die Freiheit der Bürger zu schlachten und die Deutschen einer totalen Kontrollmöglichkeit zu unterwerfen."(NZ Nr. 44/2001, S. 16) 2.2 Organisation und Entwicklung OrganisationsDie DVU ist in 16 Landesverbände untergliedert und verfügt - bis auf struktur den saarländischen Landesverband - in allen Ländern zumindest formell über Kreisverbände. Die innerparteiliche Machtposition FREYs lässt weder dem Bundesvorstand noch den Landesund Kreisverbänden Raum für eigene Initiativen und selbständige politische Arbeit. Rechtsextremistische Bestrebungen 101 Vorrangig, um die DVU-Mitglieder und -Anhänger enger um den DVUBundesvorsitzenden FREY zu scharen, aber auch um die Produkte Saalveranstaltungen aus FREYs Verlagen einem größeren Publikum persönlich anbieten zu können, organisierte die DVU bis zu den Wahlen in Hamburg im September sieben Saalveranstaltungen, die gleichzeitig eine Kulisse boten für Landesparteitage mit Neuwahlen der Vorstände von insgesamt zehn Landesverbänden. Die Teilnehmerzahlen lagen jeweils zwischen 200 und 500. Neben dem Bundesvorsitzenden FREY traten auf diesen Veranstaltungen wiederholt Abgeordnete aus Brandenburg oder Bremen als Redner auf, um so eine angeblich produktive Parlamentsarbeit der DVU zu belegen. Die für die Partei weiterhin bedeutendste Veranstaltung war die alljährliche "Großkundgebung" am 29. September in der Passauer Nibelungenhalle, die in diesem Jahr unter dem Motto stand "Wir sind stolz, Deutsche zu sein". Im Hinblick auf die aktuelle politische Weltlage wurde kurzfristig das zusätzliche Motto "Stopp der Einwanderung - Kampf dem Terror! Rettet Deutschland vor dem Krieg!" ausgegeben. Mit nur etwa 1.200 Gästen, darunter Abordnungen aus dem Ausland, hat sich die Teilnehmerzahl gegenüber der Vorjahresveranstaltung jedoch deutlich verringert (2000: ca. 2.500 Teilnehmer) und blieb erheblich unter den Erwartungen der Parteiführung. Nach der Spaltung der DVU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt DVU-Fraktionen in im Januar 2000 bestand die Fraktion seit Juli 2000 dort nur noch aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg acht Mitgliedern. Die kurzzeitig angenommene Bezeichnung "DVUFreiheitliche Liste" legte sie im März wieder ab. In unregelmäßigen Abständen gab die Landtagsfraktion ein "DVU-Info" für SachsenAnhalt heraus. Das Mitte 2000 gegen drei DVU-Abgeordnete eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der zweckwidrigen Verwendung von Fraktionsgeldern ist weiterhin anhängig. Seit dem Frühjahr gibt die Fraktion eine unregelmäßig erscheinende kleine Zeitung heraus, die über die Plenarsitzungen berichtet und auch im Internet verbreitet wird. Die DVU beteiligte sich 2001 ausTeilnahme an schließlich an den Wahlen zur HamburWahlen ger Bürgerschaft und zu den kommunalen Bezirksversammlungen am 23. September. Da FREY hier mit deutlichen Wahlerfolgen rechnete, verzichtete er von vornherein auf eine Teilnahme an den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am 25. März und in Berlin am 21. Oktober. Nachdem Bericht 2001 102 Rechtsextremistische Bestrebungen die DVU 1997 bei der Bürgerschaftswahl mit 4,98 % der Stimmen knapp an der 5 %-Hürde gescheitert war, waren es die erklärten Ziele FREYs, bei den Wahlen 2001 in Hamburg den Einzug in die Bürgerschaft zu erreichen und die Zahl der Mandate in den Bezirksversammlungen zu erhöhen. Bereit ab Jahresmitte 2000 rief FREY mit persönlichen Kolumnen in der NZ die Leser unter Hinweis auf eine angebliche Wahlfälschung im Jahre 199797 zu Spenden auf. Daneben trat FREY regelmäßig bei geschlossenen DVU-Veranstaltungen auf, um Stimmen für die Partei zu werben und die Anhängerschaft zum finanziellen wie auch persönlichen Wahlkampfeinsatz zu motivieren. Für den Wahlkampf gab die Partei über 1,02 Millionen EUR aus. Insbesondere plakatierte sie breit und verschickte Postwurfsendungen - hauptsächlich an jüngere Wähler sowie Wahlberechtigte über 60 Jahre. Unter dem Schlagwort "Protestwahl" agitierte die DVU mit aggressiven, vor allem fremdenfeindlichen Slogans wie "Bürgerantrag Ausländerbegrenzung, Überfremdung stoppen", "Blick hinter die Kulissen - Zum Beispiel: Milliarden für Asyl-Betrüger", "Hamburg ausländisch oder Hamburg deutsch?" und prangerte sowohl Arbeitslosigkeit, eingeschränkte Sozialleistungen, Kriminalität als auch Politiker der "Altparteien" an. Anders als bei früheren Wahlkämpfen hatte die DVU bereits frühzeitig - im April - ihre Aktivitäten für die Hamburger Wahlen gestartet. Sie nutzte für ihren Wahlkampf auch das Internet, in dem sie auf ihrer Homepage Wahlwerbespots einstellte (vgl. Kap. IX, Nr. 3.2). Reaktionen auf den Wenige Tage vor der Wahl in Hamburg versuchte die DVU, auch 11. September aus den Terroranschlägen in den USA politisches Kapital zu schlagen. Ein in hoher Auflage verteiltes Flugblatt mit dem Titel "TerrorAlarm!", prangerte die Ausländerpolitik an und kommentierte hämisch "Das haben wir jetzt davon!". In einem Wahlwerbebrief behauptete der DVU-Vorsitzende FREY, schlagartig sei klar geworden, dass seine Partei recht behalten habe. Hätte man auf die DVU gehört, "wäre es nicht zu einer total verrückten Ausländer-Politik gekommen. Sogar Terroristen aus der ganzen Welt hat man uns reingeholt."98 Die DVU erzielte mit 0,7 % der Stimmen die schwerste Wahlniederlage seit den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 1989.99 Die Partei erreichte damit nicht die Mindestzahl von 1 % der Wählerstimmen, die einen Anspruch auf die im Parteiengesetz geregelte staatliche Teilfinanzierung eröffnet hätte. Vor diesem Hintergrund erlitt die DVU aufgrund des mit hohem Kapitaleinsatz geführten Wahlkampfes finanzielle Einbußen. Bei der Wahl zu den Bezirksversammlungen erlebte die Partei mit Ergebnissen zwischen 0,5 % und Rechtsextremistische Bestrebungen 103 1,4 % ebenfalls eine schwere Wahlniederlage; die DVU ist in keinem der Bezirksparlamente mehr vertreten. Die Hamburger Ergebnisse verdeutlichen, dass die DVU nur wenige Stammwähler hat und es ihr nicht gelang, Protestwähler für sich zu mobilisieren. Damit ist die Taktik des Parteivorsitzenden FREY gescheitert, nur bei ausgewählten und als sicher erscheinenden Wahlen anzutreten. Gleichwohl drang keine Kritik aus der Partei an seinem Kurs nach außen. 3. "Die Republikaner" (REP) gegründet: 1983 Sitz: Berlin Bundesvorsitzender: Dr. Rolf SCHLIERER Mitglieder: ca. 11.500 (2000: 13.000) Publikation: "Der Republikaner", Auflage: 20.000, monatlich Unterorganisationen: "Republikanische Jugend" (RJ), "Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB), "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF), "Republikanischer Hochschulverband" (RHV) 3.1 Zielsetzung Bei der Partei "Die Republikaner" (REP) sind weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen festzustellen, auch wenn nicht jedes einzelne Mitglied verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Der Bundesvorsitzende Dr. Rolf SCHLIERER ist zwar nach wie vor bemüht, die REP als eine seriöse rechtskonservative Alternative innerhalb des demokratischen Parteienspektrums darzustellen. Wesentliche Teile der Partei machen jedoch unverändert ihre Ablehnung gegenüber fundamentalen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung deutlich. Die Art und Weise ihrer Kritik an den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland lässt in ihrer Gesamtschau Fremdenfeindlichkeit, Revisionismus sowie Agitation gegen den parlamentarischen Verfassungsstaat und seine Repräsentanten erkennen. Auch arbeiten Bericht 2001 104 Rechtsextremistische Bestrebungen REP-Mitglieder immer wieder mit Personen zusammen, die eindeutig dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind. Fremdenfeindlichkeit Die fremdenfeindliche Agitation der REP wird im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt einer Gefahr des Untergangs des deutschen Volkes geführt. Ausländische Mitbürger werden in aggressiver Weise diffamiert und pauschal für gesellschaftliche Probleme, die zu existenziellen Fragen stilisiert werden, verantwortlich gemacht. So sprach der wiedergewählte baden-württembergische REP-Landesvorsitzende Christian KÄS auf dem Landesparteitag am 7. Juli von einer "Afrikanisierung unserer Gesellschaft" und eine "Islamisierung". Er "habe etwas dagegen", dass "systematisch nach dem Motto: wir erobern Deutschland über die Wiege" eine "Umvolkungspolitik" betrieben werde.100 Die Partei prophezeit, die Deutschen würden künftig zur Minderheit im eigenen Land; sie suggeriert sowohl die Zerstörung "unsere(r) Heimat" durch "Massenzuwanderung"101 als auch die "Ausplünderung unserer Sozialkassen"102 und beschwört einen "Kampf der Kulturen".103 Unter der Überschrift "Es gibt kein Recht auf Faulheit" heißt es in einem Flugblatt der REP über "Millionen Ausländer, die uns seit Jahren auf der Tasche liegen": "Die türkische Wirtschaft brummt wie nie. Die Türkei ist inzwischen selbst Gastarbeiterland. Iraker, Rumänen, selbst Russen verdingen sich am Bosporus wegen der dort besseren Entlohnung. Und unsere Türken dürfen sich hier im sozialen Netz verdrücken? Lassen hierzulande Deutsche und in ihrer Heimat Russen für sich arbeiten? Ist das in Ordnung? ... Soll das heißen, dass wir noch 100 Jahre für ungebetene Gäste den Rücken krumm machen dürfen? So lange, bis wir aufgrund der nicht endenden Zuwanderung und der höheren Geburtenrate endlich in der Minderheit sind?" (Flugblatt des REP-Landesverbands Berlin ohne Datum) In einem Mitteilungsblatt der REP im hessischen Kreis Groß-Gerau wird erklärt: "Die Massenzuwanderung zerstört unsere Heimat - In der jüngsten Vergangenheit haben Millionen von Deutschen ihre Heimat durch Vertreibung verloren. Heute laufen wir Gefahr, das was uns von Deutschland geblieben ist, auch noch zu verlieren - an ein ständig größer werdendes Heer von Zuwanderern aus aller Herren Länder! Rechtsextremistische Bestrebungen 105 Schuld daran ist die von den Altparteien betriebene verfehlte Asylund Zuwanderungspolitik. Sie hat dazu geführt, daß sich immer mehr Deutsche als Fremde im eigenen Land fühlen, weil ihr Lebensumfeld immer stärker von Menschen aus fremden Kulturkreisen geprägt wird." ("Groß-Gerauer Kreis-Report", Ausgabe 1/2001, S. 1) Der REP-Landesverband Berlin behauptet im Internet: "Nach wie vor sollen wir den Dahergelaufenen aus aller Welt die Tore öffnen, Wohnungen, ja ganze Stadtteile überlassen, fremde Sitten und Gewohnheiten hinnehmen, die Arbeitsplätze teilen, fröhlich die Ausplünderung unserer Sozialkassen dulden und uns dabei auch noch frech kommen lassen." (Homepage des REP-Landesverbands Berlin) In einer Reaktion auf die Terroranschläge in den USA am 11. SepReaktionen auf den tember erklärte SCHLIERER, mit dem World Trade Center sei die 11. September "multikulturelle Illusion" untergegangen. Wer erkannt habe, dass "wir in einem 'Kampf der Kulturen' zwischen einer 'zivilisierten' und einer 'unzivilisierten' Welt stehen", dürfe "nicht länger das unterschiedslose multikulturelle Zusammenleben von Menschen aller Kulturen predigen."104 Die fremdenfeindliche Agitation der REP stellt die unantastbaren Grundsätze der Menschenwürde und den Gleichheitsgrundsatz in Frage. Mit ihrer pauschalen Kritik am Islam streben die REP eine Ausgrenzung von Anhängern dieses Glaubens an. In einer im Internet eingestellten Broschüre "Streitthema Islam - Noch Zeit zum Umdenken?"105 wird das Bild eines die westliche aufgeklärte Zivilisation überrollenden Islams gezeichnet. Dabei wird keine klare Grenze gezogen zwischen dem Islam als Religion und dem von einer Minderheit politisch instrumentalisierten Islamismus. So heißt es u. a.: "Die Legitimität von gezielter Gewalt im Islam steht der generellen Ablehnung von Gewalt im modernen Christentum gegenüber." (S. 8) "... Daher ist der Islam als Integrationsvorschlag, egal in welcher Form, nicht vereinbar mit den individualistisch-humanistischen Bericht 2001 106 Rechtsextremistische Bestrebungen Grundsätzen der westlichen Wertegemeinschaft. Hingegen eignet sich der Islam sehr wohl für Täuschungen in einer Gastgesellschaft mit dem Ziel der Förderung islamischer Interessen." (S. 10) "... Daraus entsteht in der Praxis die Entwicklung zu islamischen Räumen. Das mögen anfangs Straßenzüge oder Wohngebiete sein, die aber zu Regionen und gar zu einem Staat im Staat wachsen können." (S. 11) "... Das Zustandekommen von sogenannten 'islamisch-befreiten Zonen' in den Großstädten ergibt sich nicht zuletzt aus dem Bedürfnis der türkischen Diasporagemeinde, sich im Namen der Identitätswahrung von den Einheimischen abzuschotten. Es impliziert zumindest scheinbar die Vertreibung von Bürgern nicht islamischen Glaubens aus solchen Gebieten." (S. 31 f.) (Broschüre "Streitthema Islam - Noch Zeit zum Umdenken?") Revisionistische Die REP versuchen, durch historische Verzerrungen das nationalsoArgumentationszialistische Regime zu verharmlosen und dessen Verbrechen zu relatiansätze vieren. Hierzu nutzten sie die öffentliche Diskussion um die Zwangsarbeiterentschädigung. So schrieb ein REP-Stadtrat aus Dachau in einem Artikel "Entschädigungswahn in Dachau", weit über 100 Milliarden Mark habe Deutschland seit Kriegsende als Wiedergutmachung gezahlt. Jetzt kämen "weitere 10 Mrd. einer als 'Entschädigung für Zwangsarbeiter' getarnten Schutzgelderpressung aus den USA dazu".106 Der REP-Kreisvorsitzende in Fürstenfeldbruck erklärte, als Zeitzeuge sei es für ihn eine Verpflichtung, seinen "Beitrag für historische Wahrheit und Gerechtigkeit" zu leisten. Unerträglich sei es, die deutsche Geschichte in Form eines Verbrecheralbums darzustellen. Was dies bedeute, zeige die Zwangsarbeiter-Diskussion überdeutlich. Das deutsche Volk solle in "Kollektivschuld gehalten werden", damit es bis in alle Ewigkeit zahle.107 Im Rahmen einer unter dem Motto "Sühne oder Erpressung" am 7. September in München durchgeführten Podiumsdiskussion, die sich mit der "Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft" und dem Thema "Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter" beschäftigte, erklärte ein ehemaliger baden-württembergischer REP-Landtagsabgeordneter: "... Die Politik der alten CDU-Regierung und der jetzigen SPD-Regierung kennzeichnet die absolute Zurückstellung eigener, also deutscher Interessen und das schon fast sklavische Einknicken vor den Forderungen, nicht mehr den Wünschen, vor den Forderungen unserer Rechtsextremistische Bestrebungen 107 politischen Freunde, insbesondere vor den Forderungen der USA. ... Schon am 6. Juli 2000 wurde das Stiftungsgesetz im Bundestag mit nur wenigen Gegenstimmen verabschiedet. Von da an lief eine noch nie dagewesene Erpressungsund Nötigungs-Kampagne in Deutschland." (REP-Broschüre "Die große Erpressung - 20 sachliche Gründe, das Gesetz zur Stiftungsinitiative NS-Zwangsarbeiter abzulehnen") Einer Pressemeldung zufolge forderten auf dem Landesparteitag der REP in Leinfelden (Baden-Württemberg) am 7. Juli ein bisheriger Landestagsabgeordneter und die bisherige stellvertretende Landesvorsitzende: "Schluss mit der Kriminalisierung der Deutschen Wehrmacht ... Schluss mit den immer mehr nervenden Holocaust-Filmen im deutschen Fernsehen."108 Die REP agitieren systematisch mit Beschimpfungen und VerdächAgitation gegen das tigungen gegen die demokratischen Parteien und führende Vertreter Mehrparteienprinzip des parlamentarischen Verfassungsstaats. Mit Angriffen auf dessen Repräsentanten versuchen sie, das Vertrauen der Bürger in die Funktionsfähigkeit des Mehrparteiensystems und damit in die verfassungsstaatliche Werteordnung zu erschüttern. So wird behauptet, Bundespräsident Johannes Rau sei einer "unserer unerträglichsten Bussprediger, der nur für deutsche Opfer (Bombenopfer, Vertreibungsopfer, Internierungsopfer, Zwangsverschleppte) fast nie ein Wort des Bedauerns übrig hat".109 Ferner ist die Rede von "machtverliebten Altparteien" und von "den Altparteien, die sich nur nach ihren Parteiinteressen richten".110 Eine Publikation pfälzischer Kreisverbände enthält Beschimpfungen der "Altparteien", die sich "unseren Staat zur Beute gemacht" hätten.111 Im Mitteilungsblatt der REP von Dachau und Fürstenfeldbruck schrieb der Kreisvorsitzende der Dachauer REP: "Erfreulich sind die vielen jungen Menschen, die sich bei den REPUBLIKANERN engagieren. Wen dies wundert, der sehe sich die geklonten Jungpolitiker der Altparteien an: Blindwütige Anbeter eines herzlosen Kapitalismus! Dazu noch die Winseljusos, die jeden Bericht 2001 108 Rechtsextremistische Bestrebungen Ausländer hochjubeln und hinter jedem Busch einen bösen Deutschen sitzen sehen." ("Amper Rechts", Ausgabe 5/01, S. 1) In einem Flugblatt zur hessischen Kommunalwahl am 18. März in Wiesbaden erklärte ein REP-Kandidat in Bezug auf die "Altparteien": "Sie werden von diesen politischen Falschmünzern systematisch (wie immer) belogen, betrogen und hinters Licht geführt." 3.2 Organisation und Entwicklung Die REP mussten auch im Jahr 2001 einen weiteren Mitgliederrückgang auf 11.500 (2000: 13.000, 1999: 14.000) hinnehmen. In den ostdeutschen Ländern ist die ohnehin geringe Präsenz weiter rückläufig, die Partei verfügt dort über höchstens 1.000 Mitglieder (2000: rund 1.100). Vor diesem Hintergrund haben sich die östlichen sowie die strukturund mitgliederschwachen nördlichen Landesverbände Bremen, SchleswigHolstein und Hamburg zu einer Arbeitsgemeinschaft Nord-Ost ("ARGE-Nord-Ost") zusammengeschlossen, um sich gegenseitig zu unterstützen und ihre Interessen auch gegenüber der Parteiführung besser wahrnehmen zu können. In der Öffentlichkeit trat die Partei auch in diesem Jahr außerhalb der Wahlkämpfe wenig in Erscheinung. An der alljährlichen Aschermittwochsveranstaltung am 28. Februar im bayerischen Geisenhausen/Landkreis Landshut nahmen wie im Jahr 2000 ca. 800 Personen teil. Zu einer vom Landesverband Berlin organisierten Kranzniederlegung am 16. Juni zum Gedenken an den 17. Juni 1953 kamen lediglich ca. 30 Personen (2000: 80). Als Folge der Niederlage bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 25. März und dem damit verbundenen Ausscheiden aus dem einzigen Landesparlament, in dem die REP noch vertreten waren, hat sich die programmatische und personelle Krise der Partei weiter verschärft. Zwischen Befürwortern und Gegnern des vom Bundesvorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER vertretenen Abgrenzungskurses gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen kam es zu gegenseitigen Schuldzuweisungen. So verabschiedete der Rechtsextremistische Bestrebungen 109 Bundesvorstand auf seiner Sitzung am 8. April eine Resolution, in der die politische Ausrichtung der Partei durch SCHLIERER unterstützt und eine Personaldebatte als unnötig und daher als abgeschlossen bezeichnet wurde.112 Ursächlich für die Wahlniederlage seien neben dem Fehlen typischer Protestthemen und einer anhaltenden Hetzkampagne gegen "rechts" die organisatorischen Mängel bei der Wahlkampfführung in Baden-Württemberg gewesen. Der Landesverband Sachsen unterstützte die Bundesführung und bezeichnete in einer Resolution den SCHLIERER-Kritiker und badenwürttembergischen Landesvorsitzenden Christian KÄS als Hauptverantwortlichen für die Niederlage, da er mehr mit innerparteilichen Querelen beschäftigt gewesen sei als mit der Vorbereitung des Wahlkampfs. Eine weitere Ursache sahen die Mitglieder des sächsischen Landesverbands in einer kaum erkennbaren propagandistischen Profilierung der REP in den letzten Jahren.113 Der von KÄS dominierte Landesvorstand Baden-Württemberg hingegen reagierte mit Rücktrittsforderungen gegen zwei als SCHLIERER-Anhänger bekannte stellvertretende Landesvorsitzende und forderte darüber hinaus eine "nachhaltige Kurskorrektur hin zu einem klaren Profil als 'Protestpartei'".114 Presseberichten zufolge erklärte das ehemalige Landesvorstandsmitglied Klaus RAPP, der Wahlkampf habe klipp und klar die Handschrift SCHLIERERs getragen, am liebsten wäre ihm, wenn SCHLIERER von sich aus zurücktreten würde.115 Ein bayerisches Landesvorstandsmitglied prophezeite, ein unbeirrtes "Weiter-so" werde "mit Sicherheit in der absoluten Bedeutungslosigkeit einer marginalisierten Splittergruppe enden".116 Der Verlust aller Mandate im baden-württembergischen Landtag hat die Partei nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung weiter ins Abseits gedrängt, sondern auch ihre ohnehin prekäre Finanzsituation verschärft. Abgeordnetendiäten, Aufwandsentschädigungen und Fraktionsgelder gingen verloren. Darüber hinaus muss die Partei die im Rahmen der staatlichen Teilfinanzierung gemäß SSSS 19 ff. ParteiG zuviel erhaltenen Abschläge zurückzahlen. Der Landesparteitag der baden-württembergischen REP bestätigte am 7. Juli überraschend den Landesvorsitzenden Christian KÄS, einen der exponierten Kritiker des Bundesvorsitzenden SCHLIERER und dessen Abgrenzungskurs gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen, in seinem Amt. Es gelang nicht, die Ursachen des Scheiterns bei der Landtagswahl am 25. März aufzuarbeiten und Auswege aus der Krise aufzuzeigen. Die Zusammensetzung des neuen Landesvorstands - der gemäßigte SCHLIERER-Flügel und die KÄS-Anhänger sind etwa gleich stark vertreten - lässt auch zukünftig Richtungsstreitigkeiten erwarten. Darüber hinaus offenbart die Wiederwahl von KÄS, dass es der Partei sowohl an einer stringenten poliBericht 2001 110 Rechtsextremistische Bestrebungen tischen Konzeption als auch an personellen (Führungs-) Alternativen fehlt. Infolge der immer wieder auftretenden Querelen um den politischen Kurs der Partei haben mehrere führende Funktionäre die Partei verlassen. So begründete der stellvertretende baden-württembergische Landesschatzmeister Ende Juli seinen Austritt mit den ständigen Richtungskämpfen, durch die die Partei häufig mit sich selbst beschäftigt sei, statt alle Kraft vorrangig auf "Deutsche Interessen" und den politischen Gegner zu richten. Mit einer "CDU-LightPolitik" sei die Partei zum Scheitern verurteilt.117 Verbindungen zu Der Bundesvorstand der REP beschloss auf seiner Sitzung am Rechtsextremisten 1. September eine "Schärfung des Profils als rechte demokratische Opposition". Auch künftig werde es keine Kooperation und insbesondere keine gemeinsamen Wahlantritte oder Listenverbindungen mit der NPD geben. Die hierzu in den vergangenen zwölf Jahren gefassten Beschlüsse seien unverändert gültig und würden konsequent durchgesetzt.118 Viele REP-Mitglieder pflegen jedoch Kontakte zu Rechtsextremisten, die bis hin zu einer Zusammenarbeit gehen. Dies lässt sich auch für das Jahr 2001 an Beispielen belegen: - In der Februar-Ausgabe der rechtsextremistischen Monatszeitschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" (vgl. Kap. IX, Nr. 3.2) veröffentlichte der REP-Fraktionsvorsitzende im Kreistag von Waldeck-Frankenberg einen Artikel mit der Überschrift "Als Minderheit überleben - Brauchen die Deutschen eine Volkstumspartei?".119 - "Nation & Europa" berichtete in der Ausgabe vom Mai, dass es im April zu einem Treffen zwischen Spitzenvertretern der badenwürttembergischen "Republikaner", darunter drei bisherige Landtagsabgeordnete, und Vertretern der rechtsextremistischen "Deutschen Aufbau-Organisation" (DAO; vgl. Nr. 4) gekommen sei.120 - In der Juni-Ausgabe von "Nation & Europa" wurde über einen Auftritt des früheren REP-Generalsekretärs Harald NEUBAUER121 beim REP-Kreisverband Ravensburg-Biberach berichtet.122 Gegen NEUBAUER war am 9. Mai 1999 von der REP-Bundesführung ein Auftrittsverbot auf REP-Veranstaltungen verhängt worden, das hiermit - wie bereits in der Vergangenheit mehrfach - unterlaufen wurde. - Das NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" berichtete in der MaiAusgabe, dass sich auch Vertreter der REP erstmals einer am 1. Mai von der NPD organisierten Demonstration in Essen angeschlossen und so deutlich gemacht hätten, dass über Aktions- Rechtsextremistische Bestrebungen 111 bündnisse manches zurzeit noch Trennende überwunden werden könne.123 - Der REP-Bezirksverband München lud zu einem Vortrag zum Thema "Zwangsarbeiter-Entschädigung, Sühne oder Erpressung?" den Rechtsextremisten Peter DEHOUST124 als Redner ein.125 - In Augsburg bildete sich anlässlich der Stadtratswahl 2002 am 10. August ein Wahlbündnis mit der Bezeichnung "Augsburger Bündnis - Nationale Opposition" aus Vertretern der REP, DVU und NPD. Der bayerische REP-Landesvorsitzende Johann GÄRTNER distanzierte sich allerdings von diesem Bündnis und teilte mit, dass die Mitgliedsrechte des Spitzenkandidaten derzeit ruhten.126 - "Nation & Europa" berichtete in der September-Ausgabe über den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der "Republikanischen Jugend" Peter SCHREIBER, der nunmehr auch für "Nation & Europa" tätig sei.127 - Nach einer Veröffentlichung von Neonazis im Internet sei die Demonstration des "Bündnis Rechts"128 und der NPD am 3. Oktober in Berlin von dem Kreisjugendbeauftragten der REP in Böblingen unterstützt worden. - Der REP-Bezirksverband München veranstaltete am 3. Oktober eine Gedenkveranstaltung, an der auch Wim VERREYCKEN, Senator und Mitglied des "Vlaams Blok" einen Vortrag hielt.129 - Anlässlich der Wiedereröffnung der "Wehrmachtsausstellung" in Berlin am 24. November nahm der Berliner RJ-Vorsitzende zusammen mit NPD-Anhängern an einer Veranstaltung von Gegnern der "Wehrmachtsausstellung" teil.130 - Im Internet-Forum auf der Homepage des REP-Landesverbands Sachsen wird berichtet, dass der Berliner Landesvorsitzende an der NPD-Demonstration am 1. Dezember gegen die "Wehrmachtsausstellung" teilgenommen habe.131 Die REP beteiligten sich im Jahr 2001 an vier Landtagswahlen und Teilnahme an an vier Kommunalwahlen. Wahlen - In ihrem Stammland Baden-Württemberg, in dem die Partei für die Landtagswahl am 25. März Kandidaten in allen 70 Wahlkreisen nominiert hatte, musste sie schwere Verluste hinnehmen. Sie erzielte einen Zweitstimmenanteil von lediglich 4,4 % und ist damit nicht mehr im Landtag vertreten. Gegenüber der Landtagswahl 1996 (9,1 %) büßte die Partei 4,7 Prozentpunkte ein. - Bei der ebenfalls am 25. März durchgeführten Wahl zum rheinland-pfälzischen Landtag erhielten die REP einen Zweitstimmenanteil von 2,4 % (1996: 4,5 %). - Bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 23. September erhielten die REP nur noch 566 Stimmen (0,1 %). Das ist gegenüber der Wahl 1997 ein Verlust von 14.641 Stimmen (1,7 %). Bericht 2001 112 Rechtsextremistische Bestrebungen - Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 21. Oktober erzielten die REP 1,3 % der Zweitstimmen (1999: 2,7 %). Sie verloren damit rund die Hälfte der Stimmen; gleichwohl konnten sie die für die staatliche Teilfinanzierung der Parteien maßgebliche Hürde von 1 % überspringen. Die Verluste betrugen in den östlichen Bezirken 1,6 %, in den westlichen 1,2 %. Auch bei Kommunalwahlen mussten die REP erhebliche Verluste hinnehmen. - Bei den Wahlen zu den hessischen Kommunalparlamenten am 18. März verlor die Partei mehr als die Hälfte ihrer Mandate. Sie errang insgesamt lediglich 94 Kommunalmandate (1997: 202). - Bei den niedersächsischen Kreisund Gemeindewahlen am 9. September erzielten die REP insgesamt nur noch 8 Mandate (1996: 30). - Bei den Wahlen zu den kommunalen Berliner Bezirksverordnetenversammlungen am 21. Oktober erhielten die REP insgesamt 1,5 % der Stimmen (1999: 2,8 %). Ein Mandatsgewinn gelang ihnen nicht mehr (1999: 8 Mandate). - In Hamburg erzielte die Partei bei den Wahlen zu den kommunalen Bezirksversammlungen am 23. September marginale Ergebnisse um jeweils 0,1 %; 1997 hatte sie noch Anteile von bis zu 3,5 % erreicht. Die zahlreichen Wahlniederlagen der REP verdeutlichen, dass die Partei selbst in ihren bisherigen Hochburgen nur über eine geringe Stammwählerschaft verfügt. Auch ist es ihr nicht gelungen, sich im Wahlkampf Protestwählern als Alternative anzubieten. VerwaltungsMit Beschluss vom 6. April hat das Bundesverwaltungsgericht gerichtsverfahren (BVerwG) die Beschwerde der REP gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 21. Dezember 2000 zurückgewiesen. Damit ist die Entscheidung des OVG Münster rechtskräftig. Mit Urteil vom 21. Dezember 2000 hatte das OVG die Berufung der REP gegen ein 1994 ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf zurückgewiesen und damit die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörde Nordrhein-Westfalen und die öffentliche Verbreitung des die REP betreffenden Teils des Verfassungsschutzberichtes 1991 für zulässig erklärt. Die Partei hatte 1993 mit einer Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln und die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht unterbinden wollen. Mit Beschluss vom 1. Juni hat das BVerwG die Beschwerde der REP gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des OVG Lüne- Rechtsextremistische Bestrebungen 113 burg vom 19. Oktober 2000 verworfen. Auch dieses Urteil ist damit rechtskräftig. Das OVG hatte nach Rückverweisung durch das BVerwG die Beobachtung des REP-Landesverbands Niedersachsen mit bestimmten nachrichtendienstlichen Mitteln (Sammeln von Informationen durch V-Leute sowie verdeckte Ermittlungen und Befragungen) für zulässig erklärt. Das BVerwG bestätigte in seiner Entscheidung insbesondere die Rechtsauffassung des OVG, dass die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertige, auch wenn jeder Anhaltspunkt für sich genommen noch nicht genüge. Das VG Berlin hat mit Beschluss vom 28. Juni den Antrag des Bundesverbands der REP auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Das Bundesministerium des Innern (BMI) sollte verpflichtet werden, den Beitrag über die REP im Verfassungsschutzbericht 2000 nicht länger zu verbreiten und die Behauptung zu unterlassen, bei den REP handele es sich um eine rechtsextremistische Partei, bei der verfassungsfeindliche Tendenzen festzustellen seien. Das VG stellte in den Gründen des Beschlusses fest, das BMI sei befugt, die ihm zur Aufklärung der Öffentlichkeit durch das Bundesamt für Verfassungsschutz gelieferten Informationen bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen auszuwerten, in den Verfassungsschutzbericht aufzunehmen und diesen zu verbreiten. Für die Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht und dessen Verbreitung sei nicht Voraussetzung, dass sich die tatsächlichen Anhaltspunkte zur Gewissheit im Sinne tatsächlich festgestellter verfassungsfeindlicher Bestrebungen verdichtet haben müssten. Nach Auffassung des VG Berlin ergeben sich solche tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen der REP gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung insbesondere aus ihrer fremdenfeindlichen Ausrichtung und Haltung, die unter Missachtung zentraler Verfassungsgrundsätze Ausländern und Menschen nicht weißer Hautfarbe ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Lebensgemeinschaft abspreche und sie als minderwertige Wesen behandle. Diese zeige sich nicht nur bei einem einzelnen Ortsverband, sondern kennzeichne weite Teile der Partei. Ausländer würden pauschal und diffamierend etwa für den Verlust der deutschen Identität, für Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Wohnungsnot und steigende Sozialkosten verantwortlich gemacht. Anhängig sind noch Verfahren der REP gegen ihre Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln in Berlin und Baden-Württemberg. Bericht 2001 114 Rechtsextremistische Bestrebungen 4. Rechtsextremistische Kleinparteien 132 und Wählervereinigungen Unbedeutende Rolle Die rechtsextremistischen Kleinparteien und Wählervereinigungen befinden sich im Niedergang bzw. in Stagnation. Ihre Rolle wird immer unbedeutender. Die 1997 entstandene Kleinpartei "Vereinigte Rechte" löste sich auf. Die in den 90er Jahren gegründeten Kleinparteien "Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland (Deutschland)" und "Bund für Gesamtdeutschland" (BGD) beteiligten sich nicht an Wahlen; sie waren auch sonst nahezu inaktiv. Die Mitgliederzahl des Vereins "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) ist stark gesunken und beträgt nur noch gut 200. Als Sammlungsbewegung im "rechten Lager" spielt sie keine Rolle mehr. Lediglich einer der Bundesvorsitzenden ist in einem Kommunalparlament aktiv. Mit der "Deutschen Aufbau-Organisation" (DAO) und dem "Friedenskomitee 2000"/"Deutschland-Bewegung" versucht Dr. Alfred MECHTERSHEIMER ohne größere Resonanz, die Zersplitterung im rechtsextremistischen Parteienbereich zu überwinden. Die im Jahr 2000 als DVU-Abspaltung gegründete "Freiheitliche Deutsche Volkspartei" (FDVP) mit ca. 200 Mitgliedern verfügte zwar im Landtag von Sachsen-Anhalt über eine zuletzt sechsköpfige Fraktion. Ihre Bemühungen, auch außerhalb ihres Stammlands Landesverbände zu gründen und sich so organisatorisch zu stabilisieren, sind aber bis auf Thüringen und Sachsen erfolglos geblieben. VI. Intellektualisierungsbemühungen im Rechtsextremismus Abwertung des Langfristiges Ziel rechtsextremistischer Intellektualisierungsbemüdemokratischen hungen ist der politische Systemwechsel im Wege einer intellektuelVerfassungsstaats len und kulturellen Vorherrschaft. Dem demokratischen Verfassungsstaat soll gezielt seine Berechtigung abgesprochen werden. Dazu werden mobilisierungsfähige Themen besetzt, mit denen die Meinungsbildung bestimmt und der Einfluss erhöht werden kann. Demokratische Wertvorstellungen werden dabei diffamiert oder im rechtsextremistischen Sinne umgedeutet. Zudem bemühen sich rechtsextremistische Intellektuelle zum Teil darum, Parteien oder Organisationen des gemeinsamen politischen Lagers mit Argumentationshilfen oder Schulungen zu unterstützen. Rechtsextremistische Bestrebungen 115 Rechtsextremistische Intellektuelle verzeichneten in Deutschland Kritik an eigener jedoch kaum nennenswerte Erfolge. Sie beklagten bisweilen selbst Erfolglosigkeit das geringe intellektuelle Niveau innerhalb des eigenen Lagers. So kritisierte etwa der Publizist und Leiter des NPD-Arbeitskreises "Volk und Staat" Jürgen SCHWAB Antiintellektualismus und Theoriefaulheit innerhalb der "Rechten". Geistige Lethargie verhindere bei vielen, dass der unabdingbare Zusammenhang zwischen politischer Theorie und politischer Praxis erkannt werde: "Das Niveau, das ... die Führungsebenen nationaler Organisationen seit Jahren offenbaren, läßt sich metaphorisch mit einem Alkoholiker vergleichen, der am Abend zur Flasche greift und in großkotzige Euphorie verfällt und am nächsten Morgen im Katzenjammer aufwacht und in Depressionen schwelgt." (Jürgen SCHWAB: "Der Kampf um die Köpfe fängt beim ordungspolitischen Denken an - Ein Strategiepapier des Arbeitskreises 'Volk und Staat'", veröffentlicht auf einer neonazistischen Homepage) Die wenigen eigenständigen rechtsextremistischen Intellektuellenorganisationen in Deutschland fanden 2001 kaum Resonanz: Das 1980 nach dem Vorbild der französischen "Neuen Rechten" "Thule-Seminar" stellt gegründete und von Dr. Pierre KREBS geleitete "Thule-Seminar"133 in Publikationen ein Kassel agierte weiterhin sektiererisch. Seine Theoriezeitschrift "Elemente" erschien zuletzt 1998. Auch das mit hohen Erwartungen gestartete Zeitschriftenprojekt "Metapo - Metapolitik im Angriff zur Neugeburt Europas", das vor allem Jugendliche ansprechen sollte, wurde nach nur vier Ausgaben eingestellt. KREBS gibt lediglich noch einen "Taschenkalender der Avantgarde" mit der Bezeichnung "Mars Ultor" heraus. Der Kalender enthält Verweise auf heidnisch-germanische Feiertage, Porträts zu Protagonisten der "Neuen Rechten" im Inund Ausland sowie zu einzelnen nationalsozialistischen Theoretikern und Schriftstellern, zudem Kurzinformationen zur Entwicklung der "Neuen Rechten". Die bereits seit 1997 andauernde Zusammenarbeit zwischen der Geringe Resonanz auf nationalrevolutionären Intellektuellenorganisation "Deutsch-Eurodie Zusammenarbeit päische Studien-Gesellschaft" (DESG) und "Synergon Deutschland", von DESG und "Synergon der deutschen Sektion des europaweit agierenden IntellektuellenzirDeutschland" kels "Europäische Synergien" blieb ohne größere Außenwirkung. Bericht 2001 116 Rechtsextremistische Bestrebungen Seit April 2000 steht "Synergon Deutschland" unter der Leitung von Sven HENKLER, der gleichzeitig Geschäftsführer des neoheidnisch ausgerichteten "Verlags Zeitenwende" und Herausgeber der Publikation "Hagal - Die Allumfassende" ist. Unter seiner Führung konnte sich "Synergon Deutschland" zwar organisatorisch konsolidieren, doch fanden die zwei 2001 durchgeführten Tagungen nur geringen Zuspruch. Die schleppende Herausgabe von Informationsblättern und Zeitschriften ist ein weiteres Indiz für die beschränkte Aktionsund Wirkungsfähigkeit der rechtsextremistischen Intellektuellenorganisationen: - Das Mitteilungsblatt "DESG-Inform" musste mehrfach als Doppeloder Dreifachausgabe erscheinen und wurde Ende 2001 ganz eingestellt. - Zwei als Nrn. 3-4 und 5-6/2000 veröffentlichte Ausgaben des "Jungen Forums"134 zum italienischen Kulturphilosophen Julius Evola - intellektueller Sympathisant des Mussolini-Faschismus - konnten erst Mitte 2001 ausgeliefert werden. - Von dem neuen Mitteilungsblatt "Synergon-Forum" erschien bislang nur eine Erstausgabe. Bezeichnend für die Schwerfälligkeit der Intellektuellenorganisationen "Thule-Seminar" und "Synergon Deutschland" sind auch deren optisch zwar aufwendige, aber nur unzureichend aktualisierte Internetseiten. Verschwommene Innerhalb des intellektuellen Rechtsextremismus verschwimmen ideologische die ideologischen Unterschiede zwischen "neurechter" und "natioPositionen im nalrevolutionärer" Ausrichtung. Während die "Neue Rechte" den intellektuellen Rechtsextremismus autoritären Staat als maßgebliche Bezugsgröße hat, sehen "Nationalrevolutionäre" im Volk das bestimmende Handlungssubjekt. Alain de BENOIST, als führender Vertreter der französischen "Neuen Rechten" lange Zeit Vorbild für das rechtsextremistische Intellektuellenmilieu in Deutschland, lässt in jüngeren Veröffentlichungen mehr und mehr nationalrevolutionäre Ansätze erkennen.135 Demgegenüber finden sich bei Protagonisten der nationalrevolutionär orientierten "Europäischen Synergien" wie Robert STEUCKERS vermehrt Bezüge zu autoritären Ordnungsvorstellungen im Sinne des Staatsrechtlers Carl Schmitt136. Ein trennschärferes Kriterium zur Charakterisierung der unterschiedlichen Strömungen im intellektuellen Rechtsextremismus ist gegenwärtig eher die jeweilige Einstellung zu Ausländerund Migrationsfragen. So hält etwa de BENOIST Einwanderungen für einen zwar bedauerlichen, aber unumkehrbaren Prozess, der nur durch das Nebeneinander ethnisch geschlosse- Rechtsextremistische Bestrebungen 117 ner Gemeinschaften gelindert werden könne. Der dem französischen Theoretiker ehemals eng verbundene KREBS sieht diese Auffassung allerdings als Verrat am "biologisch unabdingbaren Territorialprinzip".137 Den unterschiedlichen Facetten des intellektuellen Rechtsextremismus gemeinsam bleibt hingegen eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber dem Individualismus, den Menschenrechten und den westlichen Demokratievorstellungen insgesamt. Nicht nur in seiner Funktion als Leiter des NPD-Arbeitskreises "Volk und Staat" ist SCHWAB zentral verantwortlich für die Intellektualisierungsanstrengungen innerhalb seiner Partei, die bislang nach seiner Einschätzung nicht sonderlich erfolgreich sind. Darüber hinaus gilt er als einer der maßgeblichen Kräfte der im Umfeld der NPD agierenden "Deutschen Akademie". Es handelt sich dabei um "Deutsche einen organisationsübergreifenden Verbund, der in Schulungen und Akademie" Seminaren rechtsextremistische "staatstheoretische Bildungsarbeit" anbietet. Die "Deutsche Akademie" führte wie im Vorjahr ein Sommerund Winterseminar mit rechtsextremistischen Referenten durch. Derartige Ansätze, sich um Theorieund Strategiearbeit zu bemühen, sind gegenwärtig bei den anderen rechtsextremistischen Parteien DVU und REP nicht erkennbar. Bewusst Distanz zum parteipolitisch organisierten RechtsextreDistanz zum mismus halten rechtsextremistische Theorieorgane wie die Zeitparteipolitisch organisierten schrift "Staatsbriefe" oder das seit Ende 1999 nur noch unregelmäßig Rechtsextremismus erscheinende Magazin "Sleipnir". In den beiden "Sleipnir"-Ausgaben des Jahres 2001 kommen aggressive Antisemiten wie Eduard Peter KOCH oder entschiedene Revisionisten wie Pierre GUILLAUME und Serge THION zu Wort. Ausdrückliches Hauptanliegen der von HansDietrich SANDER herausgegebenen Zeitschrift "Staatsbriefe" ist es, die Bundesrepublik Deutschland zu überwinden und eine Reichsordnung einzuführen. Im Gegensatz zur beanspruchten Analysefähigkeit und Intellektualität neigen neben Herausgeber SANDER auch viele Stammautoren dazu, komplexe historische, ökonomische und politische Zusammenhänge wirklichkeitsfremd zu vereinfachen. Hierbei fällt der häufige Rückgriff auf offen antiamerikanische und latent antisemitische Verschwörungstheorien auf. Ende des Jahres stellte SANDER - nach kontinuierlichem Rückgang der Abonnentenzahl - das Erscheinen der "Staatsbriefe" ein. Der Herausgeber der Zeitschrift "Signal - Das patriotische Magazin" Manfred ROUHS hat die bereits Bericht 2001 118 Rechtsextremistische Bestrebungen länger zu beobachtende Akzentverschiebung seiner Zeitschrift als konzeptionelle Änderung bekannt gegeben. Das sich ursprünglich als politisches Magazin mit theoretischem Anspruch verstehende Publikationsorgan (Auflage: 5000 Exemplare) konzentriert sich nun stärker auf die Kommentierung tagesaktueller Informationen. Zukünftig, so die Ankündigung von ROUHS, soll "Signal" zudem in enger Verzahnung von Druckausgabe und Homepage eher den Charakter einer Internetzeitung bekommen.138 Eine stärkere Bedeutung erhielt zudem der Musiksektor. Bedingt durch diese Entwicklung spielt "Signal" für die Intellektualisierungsbemühungen kaum noch eine Rolle. Die Schwerpunktverlagerung ist zum einen auf kommerzielle Gesichtspunkte zurückzuführen, zum anderen will ROUHS die Musik dazu nutzen, Jugendliche rechtsextremistisch zu beeinflussen. Die auf der "Signal"-Homepage angebotenen Titel von Skinheadund Dark WaveBands sind zu einem Großteil als rechtsextremistisch einzustufen. Rechtsextremistische Intellektuelle deuten mitunter in ihren Texten extremistische Positionen nur an und sind um verbale Mäßigung bemüht, um auf diese Weise die Trennlinie zum demokratischen Spektrum aufzulösen. So wollen sie ihren Positionen den Anschein von Legitimität und eine größere Reichweite verleihen. Dazu tragen Veröffentlichungen von rechtsextremistischen und demokratischkonservativen Autoren in gleichen Verlagen oder Zeitschriften bei. Junge Freiheit Ein Beispiel dafür bietet die Wochenzeitung "Junge Freiheit" (JF). Einige namhafte demokratische Vertreter aus Medien, Politik und Wissenschaft stellten sich 2001 der JF für Interviews zur Verfügung. Daneben gibt die JF unverändert auch einzelnen rechtsextremistischen Autoren ein Forum. Bisweilen greifen Redakteure und Stammautoren auf gängige rechtsextremistische Argumentationsmuster zurück oder lassen wenig Distanz zu diesem politischen Lager erkennen. Beispielsweise bezeichnete ein Stammautor die Bundesrepublik Deutschland als heuchlerischsten und verlogensten Staat, der jemals auf deutschem Boden existiert habe. Gegenüber dem herrschenden System der Technokratie bedürfe es einer Revolte, indessen sei ein solcher Aufstand einstweilen nicht möglich.139 Ein anderer Verfasser äußerte vor dem Hintergrund der Terroranschläge gegen die USA am 11. September, die Vereinigten Staaten hätten seit Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Ziel einer einheitlichen Weltordnung eine aggressive Ausdehnungspolitik betrieben. Den Nationalsozialismus beschönigend hieß es weiter, als Exponent einer multipolaren, die Vielfalt der Kulturen bewahrenden globalen Struktur sei das "Dritte Reich" ausgeschaltet und der Pax Americana unterworfen worden.140 Die JF bot damit auch 2001 ein Forum für rechtsextremistische Meinungsäußerungen und Rechtsextremistische Bestrebungen 119 trug insofern weiterhin zur Erosion der Grenze zwischen rechtsextremistischen und demokratisch-konservativen Positionen bei. VII. Revisionismus Zu den wichtigsten rechtsextremistischen Agitationsfeldern gehört neben Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus der Revisionismus. Entgegen dem wissenschaftlichen Verständnis dieses Begriffs geht es Rechtsextremisten hierbei nicht um die Korrektur bisheriger Auffassungen im Licht neuer Erkenntnisse. Vielmehr handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für politisch motivierte Bemühungen, das Geschichtsbild über die Zeit des Nationalsozialismus zugunsten einer wohlwollenden bis rechtfertigenden Betrachtung zu korrigieren. Kernaussagen der damit verbundenen ideologischen Umdeutung sind zum einen die Leugnung der Schuld des Hitler-Regimes am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und zum anderen die Relativierung oder Leugnung des Massenmords an den Juden. Zu den Verfechtern derartiger Auffassungen gehören nicht nur Neonazis, die damit ihr historisch-politisches Vorbild verteidigen wollen. Auch andere Rechtsextremisten bedienen sich revisionistischer Agitation, da sie ihre Vision von einem autoritär geführten und ethnisch homogenen Staat durch das negative Bild des "Dritten Reichs" auf Dauer moralisch belastet sehen. In einschlägigen Veröffentlichungen wenden Revisionisten seit Gleichbleibende Jahren bestimmte Methoden der Manipulation und Täuschung an: Täuschungsmuster - Sie relativieren die Verbrechen der NS-Diktatur, indem sie beispielsweise die Massenvernichtung von Juden mit den alliierten Bombenangriffen auf Dresden oder mit der Vertreibung der Sudetendeutschen gleichsetzen. - Sie stellen vermeintlich positive Aspekte des nationalsozialistischen Herrschaftssystems heraus, so etwa die angeblichen sozialpolitischen Leistungen oder den Bau der Autobahnen. - Sie verbreiten "Gutachten", wie den pseudowissenschaftlichen "Leuchter-Report", der den Holocaust leugnet. - Sie zitieren historische Quellen selektiv oder verfälschend, wie etwa in dem als revisionistisches Grundlagenwerk anzusehenden Buch "Der erzwungene Krieg" von David L. Hoggan. - Sie erfinden oder verfälschen Dokumente zur Leugnung der Untaten des Nationalsozialismus, wie beispielsweise das "LachoutDokument"141, in dem die Massenmorde an Juden in Lagern abgestritten werden. - Sie interpretieren das Hitler-Regime als die pervertierte Form einer angeblich guten Idee, etwa bei der Hervorhebung "eines Nationalsozialismus mit menschlichem Antlitz". Bericht 2001 120 Rechtsextremistische Bestrebungen Methoden der Bei der revisionistischen Agitation arbeiten viele RechtsextremiManipulation sten mit Anspielungen, die dem Leser eine bestimmte Aussage nahebringen soll, ohne sie expressis verbis zu treffen. Insbesondere die "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) bedient sich dieser Methode (vgl. Kap. V, Nr. 2). So erschien etwa eine Ausgabe mit der Titelschlagzeile "War Hitler allein schuld am Krieg? Sensationelle Erkenntnisse über Amerikas Rolle". Der NZ-Herausgeber und DVU-Vorsitzende FREY berichtet in dem Artikel über eine neuere Forschungsarbeit, die die Konflikt-Politik des seinerzeitigen amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt gegenüber dem nationalsozialistischen Regime thematisiert, aber in keiner Weise die hauptsächliche Schuld der Hitler-Regierung am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs abstreitet.142 Der Tenor der Überschrift, der die nationalsozialistische Aggressionspolitik in Frage stellt, wird durch die Illustration mit historischen Dokumenten aus den USA sowie Andeutungen auf die angeblich auf einen Weltkrieg zusteuernden Kräfte in den USA aufgegriffen und verstärkt. "Präventivkrieg"Einem anderen revisionistischen Themenfeld liegt die Auffassung These zugrunde, dass Hitler 1941 gegen die Sowjetunion einen Präventivkrieg geführt habe. So behauptet etwa die Zeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" in einem Artikel mit dem Titel "Die Wehrmacht kam Stalins Angriff zuvor", Hitler habe gute Gründe gehabt, die Sowjetunion anzugreifen.143 Derartige Aussagen ignorieren, dass es keine Belege gibt, die auf ein konkretes subjektives Bedrohungsgefühl der militärischen und politischen Führung des Dritten Reiches schließen lassen. Darüber hinaus werden die neueren Forschungsarbeiten zu den Entscheidungsprozessen auf seiten der Sowjetunion nicht zur Kenntnis genommen, obwohl diese die Fehldeutungen einzelner Dokumente durch die Anhänger der Präventivkriegthese belegen.144 Revisionistische Ehemalige Funktionsträger des Dritten Reichs finden bei rechtsZeitzeugen extremistischen Verlagen ein Forum für revisionistische Geschichtsdarstellungen. So veröffentlichte etwa der zur "Verlagsgesellschaft Berg m. b. H." gehörende "Druffel-Verlag" (vgl. Kap. IX, Nr. 2) das Buch "Ein anderes Drittes Reich" von Günter KAUFMANN, dem ehemaligen Leiter des "Reichsinstituts für nationalsozialistische Jugendarbeit".145 Nach dessen Darstellung ist eine von Idealen beseelte deutsche Jugend an den Ränken einer machtbesessenen Parteioligarchie gescheitert. Der Nationalsozialismus sei kein monolithischer Block mit Einheitsideologie gewesen, es habe auch so etwas wie einen Nationalsozialismus mit menschlichem Antlitz gegeben. Derartige Geschichtsdeutungen nehmen nur eine Teilkritik am NS-Regime vor und wollen dessen angeblich wahren Kern politisch retten. Rechtsextremistische Bestrebungen 121 Eine besondere Variante des Revisionismus stellt die Leugnung "Auschwitz-Lüge" des systematischen Massenmords an den Juden im Zweiten Weltkrieg dar. Damit verbundene Aussagen, die auch als "AuschwitzLüge" oder "Holocaust-Leugnung" bezeichnet werden, stehen in Deutschland unter Strafe (SSSS 130, 185, 189 des Strafgesetzbuches). Infolgedessen beschlagnahmten deutsche Staatsanwaltschaften in den 90er Jahren mehrmals einschlägige Literatur; Gerichte verurteilten Propagandisten derartiger Agitation bis hin zu Freiheitsstrafen. Dies schreckte die meisten Rechtsextremisten vor einer öffentlichen Leugnung des Holocaust in Deutschland ab. Stattdessen wurden anonyme Schreiben mit diesbezüglichen provokativen und vulgären Inhalten an Personen und Einrichtungen des öffentlichen Lebens verschickt. Die Holocaust-Leugnung wird daher maßgeblich vom Ausland aus Holocaust-Leugnung propagiert. Eine der aktivsten Einrichtungen ist die in Belgien ansäsim Ausland sige Organisation "Vrij Historisch Onderzoek" (V.H.O.), die revisionistische Schriften in mehreren Sprachen vertreibt. Auch die meisten der in Deutschland beschlagnahmten oder indizierten Bücher wurden von der V.H.O. verbreitet. Darüber hinaus gibt die Organisation eigene Werke heraus. Hierzu gehört etwa das aufwendig gestaltete Buch "Die Lüge spricht zwanzig Sprachen" von Bruno MONTORIOL, der den Holocaust als verbrecherische Propagandalüge der Juden und des amerikanischen Imperiums bezeichnet.146 Außerdem setzt die V.H.O die Herausgabe der lange Jahre von dem deutschen Revisionisten Udo WALENDY betreuten Zeitschrift "Historische Tatsachen" fort. Wie wenig das Wirken der V.H.O. wissenschaftlich orientiert ist, veranschaulicht auch die kommentarlose Verbreitung einer Goebbels-Rede vom 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast. Zudem verbreitet die V.H.O. mit "Warum Arierparagraph?" den unkommentierten Nachdruck einer ursprünglich 1934 erschienenen antisemitischen Publikation, mit der im Dritten Reich die judenfeindliche Politik gerechtfertigt werden sollte. Die früher ebenfalls von der V.H.O. herausgegebene pseudowisFührender deutscher senschaftlich aufgemachte Zeitschrift "Vierteljahreshefte für freie Revisionist agiert vom Ausland aus Geschichtsforschung" (VffG) erscheint seit 1999 in dem britischen Verlag "Castle Hill Publishers". Der deutsche Verlagsinhaber Germar SCHERER geb. RUDOLF gilt wegen der formal wissenschaftlichen Art seiner Veröffentlichungen und seines großen publizistischen Engagements als einer der führenden Köpfe der revisionistischen Szene. 1993 hatte er das "Rudolf-Gutachten" publiziert, in dem er unter Vortäuschung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden die Existenz von Gaskammern im Konzentrationslager Auschwitz bestritt und die dort begangenen Massenmorde leugnete. 1995 war RUDOLF in Deutschland wegen Volksverhetzung verurteilt worden, setzte sich Bericht 2001 122 Rechtsextremistische Bestrebungen aber vor Haftantritt ins Ausland ab. In seinem Verlag veröffentlichte er nun eine zweite Auflage seines "Gutachtens", das um einen Überblick zur Szene der rechtsextremistischen Revisionisten erweitert wurde.147 Internationale Für besondere Aufmerksamkeit sorgte die Ankündigung einer Konferenz von Konferenz von Holocaust-Leugnern, die vom 31. März bis 3. April in Revisionisten Beirut (Libanon) stattfinden sollte. Zu den Initiatoren gehörten der Schweizer Revisionist Jürgen GRAF und die ebenfalls in der Schweiz ansässige revisionistische Vereinigung "Verite et Justice" sowie die amerikanische revisionistische Organisation "Institute for Historical Review" (IHR). Offenbar setzten die Veranstalter auf eine positive Resonanz bei antiisraelischen Organisationen im Nahen Osten, die teilweise den Holocaust als angeblichen Gründungsmythos des Staates Israel leugnen. Wegen öffentlicher Proteste, wozu auch ein Appell von arabischen Intellektuellen und Wissenschaftlern gehörte, untersagte die libanesische Regierung allerdings die Konferenz.148 Der als Redner vorgesehene NPD-Aktivist Horst MAHLER veröffentlichte daraufhin sein antisemitisch geprägtes Redemanuskript im Internet. Bedeutung des Für Revisionisten ist gerade das Internet besonders wichtig, Internet gestattet es doch das rasche und kostengünstige weltweite Verbreiten der Holocaust-Leugnung. Eine Vielzahl revisionistischer Organisationen und Personen nutzt diese Form der Propaganda wie etwa der in den USA lebende deutsche Neonazi Ernst ZÜNDEL (vgl. Kap. VIII, Nr. 3.1), die französische "Association des Anciens Amateurs de Recits de Guerre et d'Holocauste" (AAARGH) oder die beiden amerikanischen Einrichtungen IHR und "Committee for Open Debate On the Holocaust" (CODOH). Die V.H.O ist ebenfalls im Internet mit umfangreichen revisionistischen Einstellungen präsent und wirbt mit Aufklebern und Jahreskalendern. VIII. Internationale Verbindungen Deutsche Rechtsextremisten pflegen vielfältige Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen.149 Verbindungen bestehen sowohl im Bereich rechtsextremistischer Parteien als auch im Neonaziund Skinheadmilieu. Zusammenkünfte dienen der Festigung der Beziehungen, dem Informationsaustausch und der Absprache gemeinsamer Aktionen. Rechtsextremistische Bestrebungen 123 1. Internationale Treffen und Veranstaltungen Die Zahl der Teilnehmer an internationalen Treffen und Veranstaltungen war allerdings weiter rückläufig. Dazu haben nicht zuletzt verstärkte Maßnahmen deutscher und ausländischer Sicherheitsbehörden beigetragen; auch zeigten sich organisatorische Defizite bei den Veranstaltern. Deutsche Rechtsextremisten nahmen an mehreren Zusammenkünften teil: - Am 25. August, dem Vorabend der 74. "Ijzerbedevaart", bei der patriotisch gesinnte Flamen ihrer Gefallenen des Ersten Weltkriegs gedenken, nahmen rund 150 Rechtsextremisten aus mehreren europäischen Ländern, darunter 40 Deutsche, an einem von der rechtsextremistischen belgischen Organisation "Voorpost" veranstalteten "Europese Kameraadschaps-Avond" in Diksmuide (Belgien) teil. Dieser internationale Kameradschaftsabend gehört nicht zum Programm der "Ijzerbedevaart", sondern wird von Angehörigen der europäischen rechtsextremistischen Szene als eigene Veranstaltung organisiert. - Wie bereits im Vorjahr spielten Gedenkveranstaltungen aus Anlass des Todes des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß im Ausland auch 2001 nur eine untergeordnete Rolle. - Am 4. August führten dänische "Blood & Honour"-Mitglieder in Hillerod (Dänemark) eine "Heß-Gedenkfeier" mit 150 bis 200 Teilnehmern, darunter auch deutsche Rechtsextremisten, durch. Am 11. August marschierten rund 70 Rechtsextremisten, darunter nur wenige Deutsche, durch die Innenstadt von Zürich (Schweiz). Da zeitgleich die jährliche "Street Parade" mit ca. 1 Million Besuchern stattfand, wurde dieser "Heß-Marsch" von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. - Zur diesjährigen Kundgebung der DVU unter dem Motto "Wir sind stolz, Deutsche zu sein" kamen am 29. September ca. 1.200 Mitglieder und Anhänger in die Nibelungenhalle nach Passau (Bayern). Aus Österreich, Polen (Schlesien) und Italien (Südtirol) waren Fahnenabordnungen anwesend. Als Ehrengäste sprachen ein Funktionär der nationalistischen Partei "Vlaams Blok" (Belgien) sowie der deutsch-südafrikanische Publizist Dr. Claus NORDBRUCH. - Am 7. Oktober fand in der Nähe von Klagenfurt (Österreich) die traditionelle "Ulrichsberg-Gedenkfeier" statt. Die Feier zu Ehren der gefallenen Soldaten beider Weltkriege wurde von ca. 2.500 Personen besucht. Am Rande der u. a. von Veteranenverbänden ausgerichteten Veranstaltung traf sich eine kleine Gruppe von Rechtsextremisten, unter ihnen auch einige Deutsche. - An der "25. Gästewoche des Freundeskreises 'Ulrich von Hutten e. V.'" vom 2. bis 7. November in Rosenheim (Bayern) nahmen etwa 140 Gäste aus Deutschland und Österreich teil. Das Motto Bericht 2001 124 Rechtsextremistische Bestrebungen der Veranstaltung lautete "Kampf der Werte gegen die Zerstörungswelle des Amerikanismus. Um die gewachsenen Kulturen Europas als dem geistig-schöpferischen Lebenswillen seiner Völker". Veranstalter war neben dem Freundeskreis die "Deutsche Kulturgemeinschaft Österreich". Als Hauptredner trat der österreichische Rechtsextremist Herbert SCHWEIGER auf. - An Gedenkfeiern anlässlich der Todestage General Francos und des Falangistenführers Primo de Rivera am 17./18. November in Madrid nahmen etwa 15 deutsche Rechtsextremisten (2000: ca. 25) teil. 2. Zusammenarbeit deutscher und niederländischer Rechtsextremisten Besonders deutsche und niederländische Rechtsextremisten zeigten zahlreiche gemeinsame Aktivitäten. Die Zusammenarbeit der Neonazis beider Länder gilt bereits seit Jahren als gut. Am 3. Februar versuchte der deutsche Neonazi Christian MALCOCI mit ca. 35 Gesinnungsgenossen aus den Niederlanden und Deutschland in der Grenzstadt Kerkrade (Niederlande) eine Wahlveranstaltung abzuhalten. Er war zuvor von der rechtsextremistischen holländischen Partei "Nederlandse Volksunie" (NVU)150 für die Kommunalwahl 2002 als Kandidat aufgestellt worden.151 Da die Veranstaltung nicht angemeldet war, nahm die holländische Polizei nach einer Überprüfung 26 Personen, darunter 13 Deutsche, vorläufig fest. Daraufhin versammelten sich am 24. März im deutsch-holländischen Grenzraum ca. 160 deutsche und holländische Rechtsextremisten zu einem gemeinsamen Protestmarsch von Herzogenrath (Nordrhein-Westfalen) nach Kerkrade und zurück. Unter dem Motto "Gegen die Kriminalisierung nationaler Deutscher und Niederländer" wollten die Demonstranten sowohl gegen die polizeilichen Maßnahmen vom 3. Februar in Kerkrade protestieren als auch auf die Kandidatur MALCOCIs aufmerksam machen. Die in Herzogenrath beabsichtigte Kundgebung musste wegen zahlreicher Gegendemonstranten verlegt werden. In Würselen (Nordrhein-Westfalen) hielten MALCOCI und der niederländische Neonazi Constantijn KUSTERS daraufhin vor ca. 120 deutschen und niederländischen Anhängern kurze Ansprachen. Deutscher Neonazi Mit deutscher Beteiligung fand am 6. Mai in einer niederländiFunktionär in schen Kleinstadt in der Nähe von Nimwegen der Parteitag der holländischer "Nederlandse Volksunie" (NVU) statt. Der niederländische Rechtsexrechtsextremistischer tremist KUSTERS wurde zum Parteivorsitzenden, der deutsche NeoPartei nazi MALCOCI zum Parteisekretär gewählt. Rechtsextremistische Bestrebungen 125 Bei dieser Veranstaltung propagierte der ehemalige Aktivst der neonazistischen "Sauerländischen Aktionsfront" (SAF) Michael KRICK den politischen Kampf nach dem Vorbild der baskischen ETA.152 Gegen KRICK wurde seitens deutscher Behörden ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehl erlassen.* 3. Sonstige Einflüsse ausländischer rechtsextremistischer Aktivisten 3.1 Der Revisionist Ernst ZÜNDEL Der seit 1958 in Kanada lebende deutsche Rechtsextremist Ernst ZÜNDEL gab im Mai seinen Wohnsitz in Toronto (Kanada) auf und zog in die USA. Seit Jahrzehnten agitiert ZÜNDEL als einer der weltweit führenden Revisionisten gegen den Holocaust. ZÜNDELs Verbindung zu seiner in Deutschland lebenden Anhängerschaft beschränkte sich vornehmlich auf das Versenden des "Germania-Rundbriefes", der - bedingt durch den Wohnortwechsel - nur sporadisch erschien. ZÜNDEL äußert sich ferner über seine Homepage "Zündelsite" im Internet. Im deutschsprachigen Teil der "Zündelsite" werden mehr als 100 Bücher und Publikationen mit überwiegend revisionistischem Gedankengut angeboten. 3.2 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) Die sich an der NSDAP Adolf Hitlers orientierende "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) versorgt seit Mitte der 70er Jahre weltweit Neonazi-Zirkel mit Propagandamaterial. Ihr Gründer, der amerikanische Rechtsextremist Gary Rex LAUCK verbüßte von August 1996 bis März 1999 in Deutschland eine Freiheitsstrafe u. a. wegen Volksverhetzung. Nach seiner Rückkehr in die USA verlagerte er seine Aktivitäten weitgehend in das World Wide Web des Internet. Die von ihm herausge- * Nach seiner Verhaftung in den Niederlanden im Januar 2002 hat die Staatsanwaltschaft Dortmund ein Auslieferungsersuchen an die zuständigen niederländischen Justizbehörden gestellt. Bericht 2001 126 Rechtsextremistische Bestrebungen gebene deutschsprachige NSDAP/AO-Publikation "NS Kampfruf" erschien 2001 im vierteljährlichen Rhythmus. Auf seiner in 19 Sprachen abrufbaren Homepage bietet er umfangreiches neonazistisches Propagandamaterial, antisemitische Schriften und rechtsextremistische Devotionalien an. Daneben sind Hörfunkprogramme sowie Filme und Reportagen unter Rubriken wie "Nazi Internet Radio" bzw. "Nazi Internet Fernsehen" abrufbar. Auch Computerspiele mit volksverhetzenden Inhalten wie "KZ Rattenjagd" und "SA-Mann" werden angeboten. Strafrechtlich Gegen LAUCK wurde im Jahr 2001 erneut ein relevante Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung Internetaktivitäten (SS 130 StGB) eingeleitet. Auf seiner Homepage bot er die Nachbildung eines "Zyklon B Kanisters in Museumsqualität - Marke Konzentrationslager Auschwitz" zum Kauf an. Eine starke Anhängerschaft LAUCKs und seiner Organisation ist in Deutschland nicht feststellbar. Eine für September in Köln von zwei Sympathisanten angemeldete und gerichtlich verbotene Demonstration "Mein Freund ist Ausländer - Solidarität mit Gerhard Lauck" wurde vom größten Teil der rechtsextremistischen Szene im Vorfeld abgelehnt. Im "Nationalen Infotelefon Norddeutschland" hieß es dazu am 8. August kritisch: "Lauck ist ein Don Quichotte der, auf alten Tand zurückgreifend, sich in der Zeit geirrt hat. Vom Gros der nationalen Szene, NPD wie freie Kameraden, wird der Demo-Aufruf für den 8. September daher weitestgehend ignoriert." IX. Agitationsund Kommunikationsmedien 1. Periodische Publikationen Die Zahl der periodischen rechtsextremistischen Publikationen ging von 122 (2000) auf 118 zurück. Diese hatten eine Gesamtauflage von rund 5,7 Millionen (2000: 5,3 Millionen). 47 Publikationen erschienen mindestens viermal im Jahr (2000: 50). Rechtsextremistische Bestrebungen 127 2. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste Neben den an Parteien und Organisationen gebundenen Verlagen und Vertriebsdiensten bestehen im Rechtsextremismus 45 (2000: 45) eigenständige und organisationsunabhängige Unternehmen dieser Art. Sie wollen durch Herstellung und Vertrieb von Büchern und Zeitschriften, aber auch von Tonträgern und Videos ihre politischen Auffassungen verbreiten und dadurch zur Entwicklung einer rechtsextremistischen "Gegenkultur" beitragen. Diesem Zweck dienen auch Kalender, Kleidung, Poster oder Schmuck mit germanischen oder heidnischen Symbolen, die in den letzten Jahren vermehrt in die Vertriebsprogramme aufgenommen wurden. Die rechtsextremistische Verlagslandschaft bietet ein uneinheitUneinheitliche liches Bild: Wenigen größeren Verlagen mit einem breiten BuchVerlagslandschaft und Zeitschriftenangebot steht eine Vielzahl von kleineren Verlagen mit einem begrenzten Programm gegenüber. Hinzu kommen reine Vertriebsdienste, die keine eigenen Bücher oder Zeitschriften herstellen, sondern lediglich Produkte anderer Verlage zum Kauf anbieten. Zwischen den meisten Firmen bestehen Kontakte. Um ihr Angebot zu erweitern und attraktiver zu gestalten, legen viele Verlage und Vertriebsdienste ihren Sendungen Prospekte anderer rechtsextremistischer Unternehmen bei und rufen zur Bestellung - allerdings über den eigenen Versandhandel - auf. Zu den größeren organisationsunabhängigen Verlagen im Rechtsextremismus gehören - der "Arndt-Verlag" in Kiel (Schleswig-Holstein), - der "Grabert-Verlag" in Tübingen (Baden-Württemberg) und - die "Verlagsgesellschaft Berg m.b.H." in Inning am Ammersee (Bayern). Diese bereits seit Jahrzehnten bestehenden Verlage verfügen innerhalb des rechtsextremistischen Lagers und auch darüber hinaus über einen hohen Bekanntheitsgrad und einen festen Kundenstamm. Im Jahr 2001 gelang es allerdings keinem dieser Verlage, ein herausragendes rechtsextremistisches Buch zu veröffentlichen. Zum Angebot des "Arndt-Verlags" und seinen Subunternehmen "Arndt-Verlag" gehören insbesondere revisionistische Werke, in denen das "Dritte Reich" idealisiert oder dessen Politik verharmlost wird (vgl. Kap. VII). So erschien dort z. B. das besonders angepriesene Werk von Charles Callan Tansill "Die Hintertür zum Kriege", in dem die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den USA und nicht dem Dritten Reich zugeschrieben wird. Bericht 2001 128 Rechtsextremistische Bestrebungen Darüber hinaus bietet der Verlag Kalender mit Motiven aus der Zeit des Nationalsozialismus, Video-Cassetten mit Reden bekannter Rechtsextremisten sowie Gemälde, Schmuck und Waffennachbildungen an. Dem "Arndt-Verlag" zugeordnet ist der "Pour le Merite-Verlag", der überwiegend militärhistorische Bücher auch von nichtrechtsextremistischen Autoren veröffentlicht. "Grabert-Verlag" Der "Grabert-Verlag" publiziert neben Büchern auch Periodika. Hierzu gehören die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" mit Grundsatzbeiträgen zu tagespolitischen und zeitgeschichtlichen Themen und das zweimonatlich erscheinende Informationsblatt "Euro-Kurier" mit Kurzkommentaren und Verlagsmitteilungen. Schwerpunkt des Buchprogramms sind vor allem revisionistische Titel zur Leugnung der Kriegsschuld. Die Neuerscheinung "Hinter den Kulissen der Neuen Weltordnung" von Hans Werner WOLTERSDORF enthält nur eine Sammlung bereits anderweitig veröffentlichter Texte, in denen die Existenz einer jüdischen Verschwörung gegen die Deutschen angedeutet wird. Auch bei dem von Verlagslektor Rolf KOSIEK verfassten und durch völkisches Denken geprägten Buch "Die Frankfurter Schule und ihre zersetzenden Auswirkungen" handelt es sich um eine erweiterte Ausgabe eines erstmals 1983 veröffentlichten Werks. Im Schwester-Unternehmen "Hohenrain-Verlag" erscheinen Bücher zu aktuellen Themen oder politiktheoretischen Fragen. Damit sollen auch nicht-rechtsextremistische Leser angesprochen und so der Kundenund Wirkungskreis des Verlags erweitert werden. Hierfür steht etwa das Buch "Schöne Vernetzte Welt" des Vertreters der französischen "Neuen Rechten" Alain de BENOIST, in dem er sich, inhaltlich ähnlich wie "linke" Intellektuelle, kritisch mit der Globalisierung befasst. BENOISTs weiterhin bestehende rechtsextremistische Grundprägung zeigt sich allerdings bei der Verdammung des Individualismus-Prinzips und der spöttischen Kommentierung der Menschenrechte. "Verlagsgesellschaft In der "Verlagsgesellschaft Berg m.b.H." (VGB) erschien eine Berg" aktualisierte und erweiterte Auflage des bereits im Jahr 2000 verbreiteten Buchs "Schluß mit dem deutschen Selbsthaß"153 mit dem Protokoll eines Gesprächs zwischen dem ehemaligen REP-Bundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER154 und dem NPD-Mitglied Horst MAHLER. Der Verlagsleiter Dr. Gert SUDHOLT beschrieb in seinem Werk "Hexenjagd 2000" eine angeblich "gnadenlose Patriotenverfolgung" in Deutschland. Ansonsten beschränkt sich das aktuelle Verlagsprogramm der VGB auf wenige revisionistisch ausgerichtete Bücher und mehrere militärhistorische Werke über Armeen, Einsätze und Uniformen im 19. und 20. Jahrhundert. Um ältere, nur selten nachgefragte Bücher noch verkaufen zu können, arbeitet die VGB mit dem "Grabert-Verlag" zusammen. Rechtsextremistische Bestrebungen 129 Die bei der VGB im vierten Jahrgang erscheinende Zeitschrift "Opposition" als "Opposition. Magazin für Deutschland" versteht sich als NachrichNachrichtenmagazin gescheitert tenmagazin. Die Zeitschrift bringt kürzere Meldungen ebenso wie grundsätzliche Betrachtungen zu besonderen Themen. Nach der Einschätzung des Verlegers SUDHOLT soll "Opposition" ein "'Spiegel' von rechts" sein. Diesem Anspruch wird die Publikation weder in Bedeutung noch Inhalt gerecht. Konzeptionell bringt "Opposition" wenig Neues. Dies dürfte auch ein Grund für das Scheitern der Umstellung von einem zweimonatlichen auf einen monatlichen Erscheinungsrhythmus gewesen sein. Zwar trat der Redaktion der rechtsextremistische "Dark Wave"-Musiker Josef M. KLUMB bei, er konnte indessen keine neuen Akzente setzen. Während "Opposition" auch an größeren Kiosken zum Verkauf "Nation & Europa" angeboten wird, ist "Nation & Europa. Deutsche Monatshefte" ausals bedeutendstes schließlich im Abonnement erhältlich. Zur Zeit bestehen rund rechtsextremistisches Strategieund 15.000 Abonnements. Die Zeitschrift Theorieorgan erscheint bereits im 51. Jahrgang und verfügt als bedeutendstes rechtsextremistisches Strategieund Theorieorgan über eine gewachsene Leserschaft sowie Ansehen im rechtsextremistischen Lager. Sie enthält sowohl Beiträge zum aktuellen Tagesgeschehen als auch Überlegungen zu strategischen Fragen. Bei der Kommentierung der Außenund Europapolitik der Bundesregierung bezeichnete etwa der Redakteur Karl RICHTER die Menschenrechte als Hirngespinste, die nur zur betrügerischen Legitimation von Politik dienten.155 Der ehemalige Bundesvorsitzende der Partei "Die Republikaner" Rechtsextremistische (REP) Franz SCHÖNHUBER forderte in "Nation & Europa" in seiner Globalisierungskritik regelmäßigen Kolumne "Aus meiner Sicht" beim Kampf gegen die Globalisierung den Schulterschluss auch mit der anderen Seite des politischen Spektrums. Dabei betonte er, dass der gemeinsame Gegner im derzeit herrschenden System zu sehen sei.156 Neben Grundsatzbeiträgen bietet "Nation & Europa" in der Rubrik "Aktuelles aus Multikultopia" selektiv ausgewählte Nachrichten zur fremdenfeindlichen Agitation an und informiert in der Rubrik "Eurorechte im Blickpunkt" über politisch verwandte Strömungen im europäischen Ausland. Mit diesen Berichten verbinden sich strategische Ratschläge, die insbesondere auf die Bündelung des zersplitterten deutschen rechtsextremistischen Parteienlagers abzielen. Bericht 2001 130 Zunehmender In den unterschiedlichen Produkten der Verlage und VertriebsStellenwert dienste nimmt das Feindbild "Amerika" in den letzten Jahren antiamerikanistischer einen immer größeren Stellenwert ein. Dabei ist Grundlage der Positionen Kritik an den USA die fundamentale Ablehnung des dortigen politischen Systems mit seinen ihm zugrunde liegenden Wertvorstellungen. Reaktion auf die Noch in der September-Ausgabe von "Nation & Europa" hieß es Anschläge in den USA bei dem Stammautor Roland WUTTKE etwa, Usama bin Laden müsse am 11. September als Bedrohung zur Begründung der Außenpolitik des US-Präsidenten herhalten.157 In der folgenden Ausgabe kommentierte Karl RICHTER die Terroranschläge in den USA und deren Folgen unter der Überschrift "Lynchjustiz als neue Weltordnung?". Der Krieg habe nicht erst am 11. September begonnen, "aber an diesem Tag haben sich die Globalisierten im Zentrum der Globalisierer zurückgemeldet." Die USA nehmen nach Ansicht RICHTERs das Ereignis lediglich zum Vorwand für die Errichtung einer Weltdiktatur.158 Ähnlich äußerte RICHTER sich auch als Chefredakteur der Zeitschrift "Opposition": Washington habe offenbar auf die Anschläge gewartet. Es sei noch nicht klar, wer die Drahtzieher des Terrors seien, es könnten auch westliche Geheimdienste oder andere interessierte Stellen sein.159 Darüber hinaus argwöhnen andere Autoren einen übergroßen jüdischen Einfluss auf die amerikanische Politik. Davon profitiere Israel. Dementsprechend ist ihre Kritik an den USA oftmals latent antisemitisch gefärbt. So warf SCHÖNHUBER der "deutschen Rechten" vor, zu übersehen, dass die jüdische Macht in den USA aus dem Bereich der Banken und Medien herkomme.160 "Verlag und Agentur Neben den genannten größeren Verlagen bestehen zahlreiche Werner Symanek" kleinere Betriebe, die sich auf besondere Angebote spezialisiert (VAWS) haben. Hierzu gehört auch das Unternehmen "Verlag und Agentur Werner Symanek" (VAWS). Es vertreibt neben Büchern aus anderen Verlagen auch eigene Publikationen, die besonders der revisionistischen Propaganda dienen. Exemplarisch genannt seien die Bücher "Ein 'Nazi' in Argentinien" und "Dr. G. - Meister der Propaganda" von Wilfred von Oven, einem früheren Pressereferenten im NSPropagandaministerium von Joseph Goebbels. EinflussnahmeDarüber hinaus bemüht sich VAWS, über den Vertrieb von Tonversuche auf die trägern politisierend auf die jugendliche Subkultur des Dark Wave161 "Dark Wave"-Szene Einfluss zu nehmen. So warb das Unternehmen mit "Breker" für einen CD-Sampler162 zu Ehren des im Dritten Reich angesehenen Bildhauers Arno Breker. Außerdem produziert VAWS Tonträger des zeit- Rechtsextremistische Bestrebungen 131 weiligen Mitarbeiters KLUMB, der mit seiner Band "Von Thronstahl" 2001 die CD "E Pluribus Unum" veröffentlichte. Zu eintönigen Synthesizer-Klängen wird in martialischen Gesangsund Sprechpartien eine Untergangsstimmung inszeniert und zum heroischen Kampf aufgerufen. Eines der Lieder ist dem Gedenken an den rumänischen Faschistenführer Corneliu Z. Codreanu gewidmet. In einem weiteren Text im CD-Booklet wird die Humanität als Bestialität bezeichnet. Neben dieser und anderen KLUMB-CDs vertreibt VAWS auch die Tonträger der wenigen anderen rechtsextremistischen Bands aus dem Bereich des Dark Wave. 3. Neue Kommunikationsmedien Unter den von Rechtsextremisten genutzten Kommunikationsmedien steht das Internet an erster Stelle. Die parteiunabhängigen rechtsextremistischen Info-Telefone haben demgegenüber an Bedeutung verloren. Mailbox-Netze spielen für die Szene fast keine Rolle mehr. Internet und Info-Telefone werden zur Selbstdarstellung und Agitation, aber auch zur Mobilisierung für Kundgebungen genutzt. 3.1 Internet Die Zahl der von deutschen Rechtsextremisten betriebenen HomeZahl der Homepages pages im World Wide Web (WWW) stieg weiter auf etwa 1.300 weiter gestiegen (2000: 800, 1999: 330) an. Wegen der immensen Fluktuation ist die Zahl der tatsächlich aktiven rechtsextremistischen Internet-Seiten nur schwer festzustellen. Mittlerweile werden von Deutschen betriebene Homepages mit Ausweichen auf neue rechtsextremistischen Inhalten auf Initiative verschiedener staatliSpeicherplätze cher und nichtstaatlicher Stellen immer häufiger durch Provider - auch im Ausland - gesperrt. Einige Provider prüfen die bei ihnen gespeicherten Seiten zudem im Rahmen einer Selbstkontrolle. Die Betreiber solcher Homepages finden jedoch schnell neuen Speicherplatz - oft im Ausland - und richten dort ihre Internet-Seite wieder ein. So war wegen solcher Sperrungen eine deutsche rechtsextremistische Homepage im Verlaufe des Jahres unter zehn unterschiedlichen Speicherplätzen erreichbar. Bericht 2001 132 Rechtsextremistische Bestrebungen Szeneangehörige Vor diesem Hintergrund ist erklärlich, dass rechtsextremistische als Provider Provider in den USA, wie Gary Rex LAUCK (vgl. Kap. VIII, Nr. 3.2) oder "FRONT14", bei deutschen Rechtsextremisten an Beliebtheit gewinnen. Bei letzterem waren zeitweise Dutzende deutscher rechtsextremistischer Homepages angebunden. Erfolgreiche Auch im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und Exekutivmaßnahme polizeilicher Zugriffe werden immer wieder rechtsextremistische gegen "Radio Homepages - zumindest vorübergehend - aus dem Internet Wolfsschanze" genommen. So gelang es dem Bundesamt für Verfassungsschutz Mitte des Jahres, die Betreiber von "Radio Wolfsschanze" zu identifizieren. Auf der anonym über ausländische Provider betriebenen Homepage "Rastenburg" waren seit August 1999 in unregelmäßigen Abständen insgesamt vier Sendungen eines Internet-Radios "Großdeutscher Rundfunk - Radio Wolfsschanze" verbreitet worden. Die Sendungen boten volksverhetzende und gewaltverherrlichende und damit strafrechtsrelevante Lieder sowie Reportagen. Eine dieser fiktiven Reportagen berichtete aus einem Erdbebengebiet in der Türkei: "Zehntausend von leblosen Kanaken auf den Straßen - ich kann mich vor Freude kaum halten. ... Wenn das der Führer noch hätte erleben dürfen." (Reportage von "Radio Wolfsschanze" auf der Homepage "Rastenburg") Das Landeskriminalamt Niedersachsen durchsuchte am 15. Mai die Wohnungen von acht Personen im Alter zwischen 19 und 35 Jahren, die im Verdacht standen, an der Erstellung und Verbreitung der Internet-Sendungen beteiligt gewesen zu sein. Bei diesem Zugriff wurde neben rechtsextremistischem Propagandamaterial eine CD mit einer bislang unveröffentlichten fünften Sendung von "Radio Wolfsschanze" sichergestellt. Rückgang des Weitere Strafverfolgungsmaßnahmen gegen anonyme HomeAnteils strafrechtlich page-Betreiber führten zu einer starken Verunsicherung deutscher relevanter rechtsextremistischer Internet-Nutzer. Dies dürfte eine Ursache dafür Homepages gewesen sein, dass der Anteil rechtsextremistischer Homepages mit strafbaren Inhalten erstmalig leicht zurück ging. Austauschbörsen mit Nicht nur im World Wide Web, auch in anderen Bereichen des rechtsextremistischen, Internet entfalten Rechtsextremisten Aktivitäten. So werden über strafbaren Inhalten Musikaustauschbörsen Lieder mit strafbaren oder indizierten Texten verbreitet. Nachdem das Bundeskriminalamt Mitte des Jahres exeku- Rechtsextremistische Bestrebungen 133 tiv gegen rechtsextremistische Nutzer der Austauschbörse "Napster" vorgegangen war, werden andere Tausch-Plattformen wie z. B. "Audiogalaxy" genutzt. Möglicherweise als Folge der Exekutivmaßnahmen gegen HomeAnonyme page-Betreiber und wegen der Sperrung rechtsextremistischer InterPropaganda net-Seiten durch die Provider greifen Rechtsextremisten inzwischen via E-Mail auf alternative, aktivere Mittel zur Verbreitung strafbarer Propaganda zurück. Hierzu gehört insbesondere die Versendung anonymer E- Mails. Mitte des Jahres erhielten beispielsweise vor allem türkische Mitbürger E-Mails mit falschen Absenderkennungen, die vorgaben, von bekannten Personen des politischen Lebens zu stammen. In verächtlich machender Weise heißt es darin: "... GELD IST NOCH NICHT GUT ABER MAMA GRIGT SOZIALHILFE UND WONUNGGELD UND SCHWESTER AUCH. ICH HABE AUCH GEGRIGT GELD FÜR OHNE ARBEIT UND HILFE, ABER DEUTSCHE STAAT MUSS MEHR BEZAHLEN SAGT RECHTSANWALT MUSTEFA ... WENN BRAUCHE ICH KOHLE GEHE ICH BISCHEN KLAUEN ODER WARE VERKAUFEN ODER DROGE. ...". (Fremdenfeindliche E-Mail vom Sommer 2001) Der zweite Abschnitt der Mail richtet sich "an alle, die sich einbilden für diesen Staat verantwortlich zu sein". Die Verfasser werfen Politikern vor, den wahren Willen der Bevölkerung nicht ernst zu nehmen. Sie drohen zudem unverhohlen mit Gewalt: "WENN DIE ERSTEN ASYLANTEN TOT SIND UND DIE ERSTEN TÜRKISCHEN LAEDEN BRENNEN WERDET IHR FESTSTELLEN, DASS ES IN DEUTSCHLAND ZU WENIG POLIZISTEN GIBT UM DIESE WELLE DER SELBSTERHALTUNG UND SELBSTVERTEIDIGUNG AUFZUHALTEN". (Fremdenfeindliche E-Mail vom Sommer 2001) 3.2 Rechtsextremistische Parteien im Internet Die NPD hat ihr Internetangebot kontinuierlich erweitert. Ende 2001 NPD im Internet wurden etwa 110 NPDund JN-Homepages (2000: 60) festgestellt. Über 20 NPDund JN-Seiten sind auf Servern vorwiegend in den USA, Bericht 2001 134 Rechtsextremistische Bestrebungen aber auch in Kanada, den Niederlanden und Litauen gespeichert. Neben dem NPD-Bundesverband sind auch die meisten NPD-Landesverbände sowie zahlreiche NPD-Bezirksund Kreisverbände und Gliederungen der JN im Internet vertreten. Inhaltlicher Schwerpunkt ist das NPD-Verbotsverfahren, über das eine eigens erstellte Homepage des NPD-Prozessbevollmächtigten MAHLER informiert. Außerdem werden Berichte und Kommentare zu aktuellen Ereignissen, Demonstrationsaufrufe, Pressemitteilungen und andere Informationen über die Parteiverbände angeboten. Auf den InternetSeiten des "Mitteldeutschen Gesprächskreises" der NPDKreisverbände Jena und Magdeburg konnte darüber hinaus an Diskussionsforen zu Themen wie "Gewalt als Kampfmittel?" teilgenommen werden. Nach dem 11. September verbreiteten NPD-Verbände und Funktionäre antiamerikanische Stellungnahmen zu den Terroranschlägen in den USA (vgl. Kap. I, Nr. 3, und Kap. V, Nr. 1). Zur Abgeordnetenhauswahl in Berlin wurde eine aufwändig gestaltete Sonderseite ins Netz gestellt, die neben dem Wahlprogramm auch aktuelle Informationen und Pressemitteilungen anbot. DVU im Internet Die von der Münchener DVU-Zentrale gestaltete Internet-Seite enthält lediglich Informationen zum Parteiprogramm, Hinweise auf Stammtische und andere Parteiveranstaltungen. Im Hinblick auf die Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft und zu den Kommunalen Bezirksversammlungen am 23. September erweiterte die DVU ab Jahresmitte das Internet-Angebot. Unter dem Logo "DVU-TV - Das echte deutsche Fernsehen" wurden Videoclips mit Stellungnahmen des DVU-Bundesvorsitzenden FREY und des Hamburger Landesvorsitzenden Heinrich GERLACH sowie mit einem Zusammenschnitt von Höhepunkten der zentralen DVU-Saalveranstaltung in Passau eingestellt. Die DVU-Landtagsfraktionen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und der DVU-Abgeordnete in der Bremer Bürgerschaft sowie einige DVU-Landesverbände unterhalten eigene Internet-Seiten von unterschiedlicher Aktualität. REP im Internet Auch die REP bauten ihre Internet-Präsenz aus. Ende des Jahres wurden ca. 120 Homepages des REP-Bundesverbands, von Landes-, Kreissowie Ortsverbänden, von Vertretern in Kommunalund Kreisparlamenten und Funktionsträgern der Partei festgestellt. Die Homepage des Bundesverbands enthält u. a. aktuelle Nachrichten, Pressemitteilungen sowie die Internetausgabe des Parteiorgans "Der Republikaner". Rechtsextremistische Bestrebungen 135 Der REP-Bundesvorstand fasste auf seiner Sitzung am 1./2. September in Germersheim (Rheinland-Pfalz) einen Grundsatzbeschluss zum Auftreten der Partei im Internet, in dem die zunehmende Bedeutung dieses Mediums für die REP hervorgehoben wird. Durch verbindliche Regeln soll ein einheitliches Erscheinungsbild aller Internet-Seiten der REP sichergestellt werden.163 Im Rahmen eines Live-Chat164 erklärte der REP-Bundesvorsitzende SCHLIERER, er setze auf das Internet, denn damit komme die Partei ungefiltert an ihre wichtigsten Wählerschichten. Die REP hätten so aber auch die Möglichkeit, das darzustellen, was in den Medien sonst verschwiegen werde. 3.3 Parteiunabhängige rechtsextremistische Info-Telefone Die Bedeutung der parteiunabhängigen rechtsextremistischen InfoRückläufige Telefone für die Szene ist rückläufig. So hat das "Nationale Info-TeleBedeutung fon Hamburg" (NIT Hamburg) seine Informationsansagen eingestellt. Der Betreiber Andre GOERTZ verbreitet seine Kommentare zu tagespolitischen Ereignissen über eine Homepage im Internet. Lediglich für diejenigen Szeneangehörigen, die nicht über einen Zugang zum Internet verfügen, stellen die derzeit neun noch aktiven Info-Telefone (2000: 13) ein unverzichtbares Mittel zur Informationsbeschaffung dar. Bericht 2001 136 Rechtsextremistische Bestrebungen X. Übersicht über wesentliche Verlage und Presseerzeugnisse Verlag Publikationen - einschl. Sitz - (einschl. Erscheinungsweise und Auflage - z. T. geschätzt) "Arndt-Verlag" - Martensrade/Krs. Plön - "Castel del Monte-Verlag" "Staatsbriefe" - München - - monatlich - - 900 - "Europa vorn Verlag"/ "Signal" "Verlag Manfred Rouhs" (früher: "Europa vorn") - Köln - - vierteljährlich - - 5.000 - "Grabert-Verlag" "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" - Tübingen - - vierteljährlich - - 3.000 - "Nation Europa Verlag "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" GmbH" - monatlich - - Coburg - - 14.500 - (Eigenangabe) "VGB Verlagsgesellschaft "Deutsche Geschichte" Berg mbH" - zweimonatlich - - Berg am Starnberger See - - 5.000 - "Opposition" - zweimonatlich - - 1.400 - (Eigenangabe) Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 138 Linksextremistische Bestrebungen I. Überblick Entwicklungen im Linksextremismus Linksextremisten stehen in Gegnerschaft zur Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland, die von ihnen als kapitalistisch, imperialistisch oder rassistisch diffamiert wird. Je nach ideologisch politischer Ausrichtung - revolutionär-marxistisch oder anarchistisch orientiert - wollen sie an deren Stelle ein sozialistisch/ kommunistisches System bzw. eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" (Anarchie) etablieren. Die vielfältigen Aktionsformen der Linksextremisten reichen bei den einen von öffentlichen Kundgebungen und offener Agitation (mit Flugblättern, Plakataufrufen, periodischen Schriften, elektronischen Kommunikationsmedien) über Versuche der Einflussnahme in gesellschaftlichen Gremien bis hin zur Beteiligung an Wahlen; andere sehen in Gesetzesverletzungen einschließlich offen oder verdeckt begangener Gewalttaten (z. B. Zerstörungen von Sachen, gewalttätige Zusammenrottungen, Körperverletzungen) einen Weg zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Auch im Jahr 2001 gefährdeten gewalttätige Linksextremisten, insbesondere aus der anarchistisch orientierten autonomen Szene, die innere Sicherheit Deutschlands. Allerdings war - bei etwa gleichbleibendem Potenzial - die Mobilisierungsfähigkeit und -bereitschaft zu aktuellen Konfliktthemen und Anlässen geringer als in früheren Jahren. Die traditionell revolutionär-marxistischen Organisationen hielten an ihren klassischen Konzepten eines langfristig betriebenen Klassenkampfes zur Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft fest. Sie erzielten jedoch kaum öffentliche Resonanz. Dagegen schalteten sich die trotzkistischen Gruppen "Linksruck" und "Sozialistische Alternative Voran" (SAV) aktiv in die Antiglobalisierungsbewegung ein. Das Bild der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) blieb geprägt durch den selbst so bezeichneten Spagat165 zwischen grundsätzlicher gesellschaftlicher Opposition und aktueller tagespolitischer Mitgestaltung. Die Partei bekräftigte, eine "andere Gesellschaft" zur Überwindung der kapitalistischen "Herrschaftsund Ausbeutungsverhältnisse" anzustreben (vgl. Kap. IV, Nr. 2.1). Die Reaktionen aus dem linksextremistischen Bereich auf die Terroranschläge am 11. September in den USA reichten von Ablehnung Linksextremistische Bestrebungen 139 und Bestürzung bis zu kaum verhohlener Zustimmung. Nach Beginn der gegen die Taliban und die Kämpfer BIN LADENs gerichteten Militäroperationen bemühten sich vor allem Kräfte aus dem traditionell linksextremistischen Spektrum verstärkt um die Wiederbelebung einer in erster Linie antiamerikanischen, gegen das westliche Verteidigungsbündnis NATO gerichteten "Friedensbewegung". Aktivitäten gegen "Globalisierung" und "Neoliberalismus" haben sich in Deutschland, im Gegensatz zum europäischen bzw. internationalen Rahmen bisher nicht zu einer Massenbewegung entwickelt. An den Krawallen bei Protesten gegen internationale Gipfelkonferenzen im Ausland waren gleichwohl auch deutsche Autonome beteiligt. Auf dem traditionellen Aktionsfeld "Antifaschismus" brachten die verstärkten Diskussionen um eine organisatorische und inhaltliche Neuorientierung, u. a. mit der Forderung, die autonome "Antifa" solle sich nicht nur auf den "Antifaschismus" beschränken, sondern sich zu einer gesamtgesellschaftlichen antikapitalistischen Bewegung entwickeln, noch keine greifbaren Ergebnisse. II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Personenpotenzial Struktur und Erscheinungsbild des organisierten Linksextremismus haben sich im Jahr 2001 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Verluste einzelner Gruppierungen wurden durch Mitgliederzuwächse nicht vollständig ausgeglichen; das Gesamtpotenzial weist einen leichten Rückgang auf. Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften waren Ende 2001 etwa 32.900 Personen solchen Organisationen und sonstigen Personenzusammenschlüssen zuzurechnen, bei denen linksextremistische Bestrebungen feststellbar sind (2000: ca. 33.500). Darin enthalten sind auch die Anhänger der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), deren Zahl auf bis zu 1.500 (2000: ca. 2.000) zu schätzen ist. Die PDS hat eigenen Angaben zufolge etwa 84.000 Mitglieder (2000: ca. 88.600). Das Spektrum der gewaltbereiten Linksextremisten in überwiegend anarchistisch orientierten Gruppierungen umfasste Ende 2001 wie im Vorjahr bis zu 7.000 Personen, darunter rund 6.000, die sich selbst meist als Autonome bezeichnen. Bericht 2001 140 Linksextremistische Bestrebungen Bei marxistisch-leninistischen, trotzkistischen und sonstigen revolutionär-marxistischen Zusammenschlüssen verlief die Entwicklung unterschiedlich: Die Rückgänge bei einigen Gruppen überwogen leicht den Zulauf bei anderen. Insgesamt zählten diese Organisationen etwa 26.300 Mitglieder (2000: ca. 34.000). In Teilbereichen erhalten sie Unterstützung von linksextremistisch beeinflussten Organisationen, denen zum Jahresende etwa 12.000 Mitglieder (2000: ca. 15.000) angehörten. 1) Linksextremismuspotenzial 1999 2000 2001 Gruppen Personen Gruppen Personen Gruppen Personen Gewaltbereite Linksextremisten2) 65 7.0003) 61 7.0003) 55 7.0003) Marxisten-Leninisten andere revolutionäre Marxisten 4) - Kernund Nebenorganisationen 44 27.700 43 27.000 42 26.300 - beeinflusste Organisationen 34 18.000 34 15.000 31 12.000 Summe 143 34.700 18.000 138 34.000 15.000 128 33.300 12.000 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedca. ca. ca. ca. ca. ca. schaften 34.200 13.500 33.5005) 11.500 32.900 10.000 "Partei des Demokratischen Sozialismus" ca. ca. ca. (PDS)6) 94.000 88.600 84.000 1) Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2) In die Statistik sind nicht nur tatsächlich als Täter/Tatverdächtige festgestellte Personen einbezogen, sondern auch solche Linksextremisten, bei denen lediglich Anhaltspunkte für Gewaltbereitschaft gegeben sind. Erfasst sind nur Gruppen, die feste Strukturen aufweisen und über einen längeren Zeitraum aktiv waren. 3) Das Mobilisierungspotenzial der "Szene" umfasst zusätzlich mehrere tausend Personen. 4) Einschließlich "Kommunistischer Plattform der PDS" (KPF). Hinzu kommen die Mitglieder weiterer linksextremistischer Gruppen in der PDS. 5) Durch redaktionelles Versehen wurden im Verfassungsschutzbericht 2000 irrtümlich 35.500 Mitglieder ausgewiesen. 6) Die PDS ist wegen ihres ambivalenten Erscheinungsbildes gesondert ausgewiesen. Linksextremistische Bestrebungen 141 2. Linksextremistische Strafund Gewalttaten* Linksextremistische Strafund Gewalttaten bilden eine Teilmenge des Phänomenbereichs "Politisch motivierte Kriminalität - links". Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" wurden 4.418 Straftaten, hiervon 1.168 Gewalttaten (24,4 %), zugeordnet. In diesem Bereich wurden 1.895 Straftaten mit extremistischer Motivation, darunter 750 Gewalttaten, erfasst. Unter in diesem Bereich ausgewiesenen extremistisch motivierten Gewalttaten wurden insgesamt 85 Fälle im Themenfeld "Kampagne gegen Kernenergie", 60 Delikte im Themenfeld "Antiglobalisierung" und 11 Delikte im Themenfeld "Resonanzstraftaten auf den 11. 09. 2001" ausgewiesen. Übersicht über Gewalttaten und sonstige Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links"* (01. 01. - 31. 12. 2001) Gewalttaten: Tötungsdelikte** 1 Versuchte Tötungsdelikte 1 Körperverletzungen 194 Brandstiftungen 41 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 1 Landfriedensbruch 310 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 52 Freiheitsberaubung 0 Raub 5 Erpressung 0 Widerstandsdelikte 145 gesamt 750 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 671 Nötigung/Bedrohung 45 Andere Straftaten 429 gesamt 1.145 Straftaten insgesamt 1.895 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA). Die Übersicht enthält - mit Ausnahme der Tötungsdelikte - vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Ist zum Beispiel während eines Landfriedensbruchs zugleich eine Körperverletzung begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. ** Folgendes Tötungsdelikt wurde als linksextremistisch erfasst: Ein 46jähriger deutscher Langzeitarbeitsloser erstach am 06. 02. 2001 in Verden/Niedersachsen den Direktor des dortigen Arbeitsamtes. Der Täter hatte seinen persönlichen Fall zuvor über einen längeren Zeitraum im "Hoppetosse-Netzwerk", einem Aktionsnetzwerk des linken Spektrums, über Mailing-Listen verbreitet. * Zum neuen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) vgl. Kap. II, Nr. 2 im Berichtsteil "Rechtsextremistische Bestrebungen" Bericht 2001 142 Linksextremistische Bestrebungen Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links"* [ZIELRICHTUNGEN] (01. 01. - 31. 12. 2001) 373 85 60 11 Links gegen Kampagne AntiResonanzRechts gegen globalisierung gewalttaten Kernenergie* auf den 11. Sept. 2001 *beinhaltet Aktionen gegen CASTOR-Transporte * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Es sind nur die wichtigsten Zielrichtungen berücksichtigt. Linksextremistische Bestrebungen 143 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links"* [IN DEN LÄNDERN] (01. 01. - 31. 12. 2001) Berlin 184 SchleswigHolstein 178 Niedersachsen 127 Sachsen 47 BadenWürttemberg 47 Bayern 40 Hamburg 36 NordrheinWestfalen 31 Brandenburg 19 SachsenAnhalt 15 Hessen 11 Bremen 9 Saarland 3 RheinlandPfalz 3 Thüringen 0 MecklenburgVorpommern 0 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Bericht 2001 144 Linksextremistische Bestrebungen Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links"* [JE 100.000 EINWOHNER IN DEN LÄNDERN] (01. 01. - 31. 12. 2001) SchleswigHolstein 6,37 Berlin 5,44 Hamburg 2,09 Niedersachsen 1,60 Bremen 1,36 Sachsen 1,07 Brandenburg 0,73 SachsenAnhalt 0,58 BadenWürttemberg 0,45 Bayern 0,33 Saarland 0,28 Hessen 0,18 NordrheinWestfalen 0,17 RheinlandPfalz 0,07 MecklenburgVorpommern 0,00 Thüringen 0,00 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) und des Statistischen Bundesamtes zu den Einwohnerzahlen der Länder. Linksextremistische Bestrebungen 145 Übersicht über Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten* (01. 01 - 31. 12. 2001) Tötungsdelikte 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 Körperverletzungen 154 Brandstiftungen 8 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 Landfriedensbruch 126 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 5 Freiheitsberaubung 0 Raub 3 Erpressung 0 Widerstandsdelikte 77 insgesamt 373 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) III. Gewalttätiger Linksextremismus Von gewalttätigen Linksextremisten vor allem aus der autonomen Szene gingen auch im Jahr 2001 weiterhin Gefahren für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus, auch wenn im Laufe des Jahres insbesondere im Spektrum "organisierter Antifaschisten" eine starke Orientierungslosigkeit festzustellen war, die u. a. in nachlassender Mobilisierungsfähigkeit zum Ausdruck kam (vgl. Nr. 1.2). Nach wie vor existieren im autonomen Bereich Kleingruppen, die zum Schutz vor Strafverfolgung überwiegend auf eine einheitliche Namensbezeichnung verzichten und Anschläge unter ständig wechselnden Aktionsbezeichnungen durchführen ("no-name-Militanz", "no-name-Terrorismus"; vgl. Nr. 1.4). Seit dem Ende der terroristischen166 "Roten Armee Fraktion" (RAF) im Jahre 1998 besteht in Deutschland zwar keine vergleichbare handlungsfähige terroristische Struktur, die in der Lage wäre, schwerste Anschläge bis hin zu Mordtaten zu planen und durchzuführen. In der militanten autonomen Szene wurden jedoch vereinzelt Stimmen laut, die eine Debatte über den Einsatz "weitergehender Mittel" - also über Sachbeschädigungen hinaus - forderten. Neben den Autonomen existiert eine zweite Strömung gewaltbereiter Linksextremisten; sie umfasst vor allem antiimperialistisch und internationalistisch ausgerichtete Gruppen und Einzelpersonen, darunter Aktivisten aus ehemals der RAF nahe stehenden Strukturen. Sie konzentrieren sich im Wesentlichen auf einen Einsatz für "politische Bericht 2001 146 Linksextremistische Bestrebungen Gefangene" mit dem langfristigen Ziel einer internationalen Vernetzung "radikaler und revolutionärer Kräfte". Zudem unterstützen sie den kurdischen "Befreiungskampf" sowie die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Gruppierungen aus diesem antiimperialistischen Spektrum traten aktionistisch kaum nennenswert in Erscheinung; dies gilt vor allem für die Aktivisten aus der deutschen "Kurdistan-Solidarität", denen mit der politischen Neuausrichtung der PKK (vgl. Kap. III, Nr. 3.2.1 im Abschnitt Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern) das Vorbild für eigenes "revolutionäres" Handeln abhanden gekommen ist. Struktur: Gruppen existieren in fast allen größeren Städten, insbesondere in den Ballungszentren Berlin, Hamburg, Rhein-Main-Gebiet, aber auch in kleineren Universitätsstädten wie Göttingen. Anhänger: bis zu 7.000 (wie 2000) Publikationen: mehr als 50 Szenepublikationen; von bundesweiter Bedeutung ist vor allem das in Berlin erscheinende Blatt "INTERIM"; Beachtung finden auch - meist kostenlos verteilte - "Jugendzeitschriften" 1. Autonome 1.1 Potenzial und Selbstverständnis Autonome: Die Autonomen - eine heterogene Bewegung überwiegend anarchisgrößtes Potenzial tisch orientierter Gruppierungen - stellen den weitaus größten gewaltbereiter Anteil des gesamten gewaltbereiten linksextremistischen Potenzials; Linksextremisten auf ihr Konto gehen fast alle Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund, darunter Körperverletzungen, gefährliche Eingriffe in den Straßenund Schienenverkehr sowie Brandanschläge. Mit rund 6.000 Personen, die bundesweit zur autonomen Szene zu rechnen sind, liegt die Zahl ihrer Anhänger in etwa auf dem Niveau der Vorjahre; Abgänge und Neurekrutierungen halten sich weitgehend die Waage. Die vielgestaltige autonome Bewegung verfügt über kein einheitliches ideologisches oder strategisches Konzept. Diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente bilden den Rahmen ihrer eher praxisorientierten Aktivitäten; als Konsens wird eine "anti- Linksextremistische Bestrebungen 147 faschistische", "antikapitalistische" und "antipatriarchale" Haltung vorausgesetzt. Autonome propagieren den Widerstand gegen Autoritäten und die Missachtung von Normen. Dabei streben Autonome - wie alle Linksextremisten - nach Überwindung des "herrschenden Systems". So hieß es in einem Positionspapier einer militanten Bonner "Antifa-Gruppe": "Es wäre falsch, wenn ein linksradikaler Ansatz aus Sorge, es könnten wie auch immer definierte Massen abgeschreckt werden, seine eigentlichen Ziele verschweigt. Ziel ist die Überwindung des Kapitalismus und die Errichtung einer herrschaftsfreien, ausbeutungsfreien und klassenlosen Gesellschaft, mit einem Wort - Kommunismus. Das Mittel ist die soziale Revolution. ... Gleichzeitig muss jeder reformistischen Illusion klar entgegengetreten werden. Die Aufgabe wird also sein, den Antagonismus zwischen dem kapitalistischen System und der Bewegung seiner Überwindung in seiner ganzen Totalität herauszuarbeiten." ("Phase 2. zeitschrift gegen die realität" Nr. 1, Sommer 2001, S. 43-47 [S. 47]) Bei aller Heterogenität sind sich Autonome in der Bereitschaft Einig in der einig, zur Durchsetzung politischer Ziele Gewalt anzuwenden. Sie Bereitschaft zur rechtfertigen diese als angeblich erforderliches Mittel gegen die Gewaltanwendung "strukturelle Gewalt" eines "Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung". Eine militante Aktivistin beschrieb dies in einem Interview mit der Nürnberger Szenezeitschrift "barricada": "Alle Aktionsformen haben immer was mit politischem Ausdruck und Inhalt zu tun, der dargestellt und vermittelt werden muss. Militanz ist ein Teil des politischen Handelns, entschlossener Ausdruck gegen tagtägliche Ausbeutung, den Zwang zur Lohnarbeit, die immer weiter um sich greifenden Einschränkungen im Sinne kapitalistischer Verwertung, entschlossener Ausdruck gegen all die Unterdrückungsmechanismen im System und natürlich gegen den Staat an sich. Militanz ist Ausdruck eines Kampfes für eine befreite Gesellschaft und damit auch ein Kampf um das Ende der Gewalt." ("barricada", Ausg. Aug./Sept. 2001, S. 4 f.) Mögliche Adressaten autonomer Gewaltanwendung wurden in einer im Januar in Berlin erschienenen Jugendzeitschrift benannt: Bericht 2001 148 Linksextremistische Bestrebungen "Das Hauptangriffsziel kann nicht weiterhin nur der faschistoide Rand der Gesellschaft sein. Es ist notwendig, den demokratischen Kaspern die Maske vom Gesicht zu reißen. Die Strippenzieher in Wirtschaft und Politik müssen wieder Hauptangriffsziel linker Politik werden. Eine neue Gesellschaftskritik und ein neuer Versuch, eine Alternative zum System zu entwickeln, müssen wieder auf die Tagesordnung der Linken." ("Jugendinfo der antifaschistischen Aktionswoche Januar 2001", S. 4 f.) 1.2 Organisierungsansätze OrganisierungsAutonome sind ihrem Selbstverständnis entsprechend prinzipiell und Hierarchiehierarchiefeindlich; sie lehnen eine gegliederte Selbstorganisation feindlichkeit mit verbindlichen Entscheidungsinstanzen und Anordnungsbefugnissen ab. Stark kampagnenfixiert, orientieren sich Autonome an aktuellen, häufig wechselnden Konfliktfeldern, um deren Inhalte ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und sie durch militante Angriffe zu begleiten. Bereits Anfang der 90er Jahre verstärkte sich die Kritik an der damit einhergehenden Kurzatmigkeit autonomer "Politik" sowie an der Unverbindlichkeit autonomer Strukturen. In der Folge ergaben sich nach intensiven Diskussionen mehrere unterschiedliche Ansätze, innerhalb des autonomen Lagers Organisierungsmodelle zu erproben. Der seitdem bedeutendste Organisierungsansatz, die im Sommer 1992 in Wuppertal gegründete militante "Antifaschistische Aktion/ Bundesweite Organisation" (AA/BO), konnte sich von seiner bis weit in das Jahr 2000 zurückreichenden Schwächephase nicht erholen. Auflösung der Anfang April erfolgte die offiziell erklärte Auflösung der Organisa"Antifaschistischen tion, die seinerzeit angetreten war, um "antifaschistische" Inhalte Aktion/Bundesweite und Positionen zu einem wahrnehmbaren Faktor zu machen. Sie hatOrganisation" te sich als Sammlungsbewegung und Gegenpol zur Zersplitterung (AA/BO) der Linken verstanden und offensiv Widerstand gegen das bestehende "Herrschaftssystem" propagiert. Die Gruppen der AA/BO machten mit der Auflösung der Organisation zugleich den Weg frei für einen neuerlichen Versuch, in einem gemeinsamen Diskussionsprozess mit Vertretern "traditionel- Linksextremistische Bestrebungen 149 ler" autonomer Gruppen eine organisatorische und inhaltliche Erneuerung der autonomen Szene einzuleiten. Zu diesem Zweck hatten die "Autonome Antifa (M)", Göttingen, die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) - beides Mitgliedsgruppen der ehemaligen AA/BO - sowie das auto"Antifa-Kongress nome "Bündnis gegen Rechts" (BgR), 2001" im April in Leipzig, zur Teilnahme an einem Göttingen "Antifa-Kongress 2001" vom 20. bis 22. April in Göttingen aufgerufen. In einem hierzu erstellten Papier äußerten sich die Initiatoren kritisch zur Lage der autonomen "Antifa-Bewegung": "Eine bundesweite antifaschistische Organisation, in deren Rahmen eine grundlegende Neuorientierung diskutiert und vorangetrieben werden könnte, existiert momentan nicht. Die bisherigen Organisierungsversuche der Antifa waren nicht ausreichend erfolgreich." Die über 200 "Antifa-Gruppen" in Deutschland - so hieß es in dem Text weiter - vermittelten nicht das Bild einer Bewegung, sondern vieler vereinzelter Splittergruppen. Zum Zweck des Kongresses erklärten die Initiatoren: "Es soll ein Rahmen geschaffen und gestaltet werden, in dem antifaschistische Gruppen in der BRD zusammen mit VertreterInnen anderer linksradikaler Politikansätze eine kontinuierliche Diskussion über die Neuorientierung antifaschistischer und linksradikaler Politik einleiten können. Längerfristig muss eine Struktur entstehen, die gleichzeitig auch die Möglichkeit bietet, die angestellten Überlegungen bundesweit umzusetzen, um so die vorhandenen Kräfte zu einigen." ("KlaroFix" Nr. 84 von März 2001, S. 16 f.) Trotz reger Teilnahme am Kongress - etwa 500 Vertreter linksextremistischer Gruppen und Zusammenschlüsse waren anwesend - ergaben sich kaum Ansätze für eine organisatorische Erneuerung der autonomen "Antifa-Bewegung". Einzig greifbares Ergebnis ist bislang die Verwirklichung des Zeitungsprojekts "Phase 2. zeitschrift gegen die realität", welches "bundesweites Sprachrohr" der autonomen "Antifa-Bewegung" sein soll; die Erstausgabe erschien im Sommer. Darin hieß es in einem Beitrag der Leipziger Redaktionsgruppe: Bericht 2001 150 Linksextremistische Bestrebungen "Sicherlich hat der Kongress keine wirklich neuen Erkenntnisse über den Zustand der linksradikalen Bewegung gebracht. Genauer gesagt, hat er im Prinzip genau das bestätigt, was auch schon vorher klar war: Die Antifabewegung der 90er Jahre befindet sich in einer inhaltlichen wie strukturellen Krise und ist in der jetzigen Form an ihren Endpunkt geraten." ("Phase 2. zeitschrift gegen die realität" Nr. 1, Sommer 2001, S. 18 f.) Folgetreffen zum "Antifa-Kongress" stießen innerhalb der autonomen Szene kaum auf Interesse; Entwicklungen zu einer organisatorischen Neugestaltung waren nicht ersichtlich. Im Gegenteil: in einem im Internet verbreiteten Beitrag "Jedes Ende bedeutet einen Neuanfang" aus der Leipziger Szenepublikation "KlaroFix" hieß es zum Zustand der autonomen Szene insbesondere vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung nach dem 11. September eingeleiteten Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung: "Was macht der letzte überregionale organisatorische Zusammenhang der Radikalen Linken: er löst sich einfach auf - mittendrin im Gezeter. Die Transformation der Autonomen Antifa in eine linke Bewegung mit einem Politikansatz, der die kapitalistische Gesellschaft in ihrem gesamten Umfang kritisiert und diese auf den Müllhaufen der Geschichte befördert, ist gescheitert! Von 'außen' betrachtet, könnte man meinen, die Linken haben nicht mehr alle Tassen im Schrank."167 Damit dürfte dieser Versuch einer Neuorganisierung gescheitert sein. 1.3 Aktionsformen Autonome Gewalt tritt in vielerlei Facetten auf. Bei der Wahl von Aktionsformen und Angriffszielen bemühen sich Autonome grundsätzlich um "Vermittelbarkeit". Häufig greifen sie bei ihren militanten Aktionen daher aktuelle, kontrovers diskutierte "Reizthemen" auf, bei denen sie von einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz ausgehen. Die Aktionen können spontan oder auch langfristig konspirativ geplant sein. Linksextremistische Bestrebungen 151 Die Gewalt richtet sich zum einen gegen Sachen und geht dabei von Beschädigungen bis hin zu Zerstörungen. Zum anderen richtet sich die Gewalt auch gegen Personen wie Rechtsextremisten, Polizeibeamte, "Handlanger" und "Profiteure" des "Systems". Auch werden Angriffe auf "Nazis" und deren Infrastruktur, militante Anti-AKWAktionen, gewalttätige Demonstrationen mit Steinen und anderen Wurfgeschossen bis hin zu Brandund Sprengstoffanschlägen durchgeführt. Eine klassische Form autonomer Gewalt sind Straßenkrawalle. Straßenkrawalle Dabei kommt es häufig zur Bildung "schwarzer Blöcke": Aktivisten in martialisch anmutender einheitlicher "Kampfausrüstung", vermummt mit so genannten Hasskappen. Zu Straßenkrawallen kommt es oftmals bei Protesten gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten und regelmäßig im Zuge von Demonstrationen zum "Revolutionären 1. Mai", vor allem in Berlin. Dort gab es auch im Jahr 2001 erhebliche Ausschreitungen - wobei sich die Ausgangssituation für die Linksextremisten diesmal anders darstellte als in den vorangegangenen Jahren: Die zentrale 18-Uhr-Demonstration eines von der militanten "Antifaschistischen Aktion Berlin" (AAB) dominierten Bündnisses in Kreuzberg - der Kern der Proteste - war verboten, ein Aufzug der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) dagegen unter strengen Auflagen genehmigt worden. Linksextremisten sahen sich dadurch in ihrer Wahrnehmung des Staates als "Instrument der Repression" gegen "fortschrittliche Kräfte" bestätigt. So kam es auch bereits im Vorfeld zu einer Reihe von Anschlägen. Im Anschluss an einen genehmigten Aufzug "Gegen das Demonstrationsverbot für Linke am 1. Mai" kam es dann am frühen Abend des 1. Mai im Bezirk Kreuzberg zu stundenlangen Straßenschlachten. Einige hundert Teilnehmer einer unerlaubten Ansammlung hatten sich unter die etwa 3.000 Besucher eines Straßenfestes gemischt. Aus dieser Deckung heraus warfen die Störer, deren Zahl sich bis auf 1.500 vergrößerte, Pflastersteine und Flaschen auf Polizeibeamte. Ferner wurden Autos in Brand gesetzt und brennende Barrikaden errichtet. Ausschreitungen am 1. Mai in Berlin Bericht 2001 152 Linksextremistische Bestrebungen Insgesamt bewertete die "Szene" den Verlauf des 1. Mai als Erfolg; so resümierte ein im Internet verbreiteter Beitrag "1. Mai in Kreuzberg - Bericht": "9.000 Bullen sollten alles im Keim ersticken und haben so wie lange nicht mehr auf die Fresse bekommen. Massenhafte Militanz und Entschlossenheit wie selten haben einen klaren Punktsieg eingefahren. Diesmal war es kein 'mal schaun' über Stunden ..., sondern ein klarer, entschlossener Widerstand, der der konfusen 9000-BullenStrategie ihre Grenzen mal aufzeigte. ... Im Gegensatz zu den Jahren zuvor gab es kaum Kritik an diesem Widerstand innerhalb der Bevölkerung, weil angesichts der Polarisierung zwischen Rechts-Erlaubnis und Links-Verbot alle die Schnauze gestrichen voll hatten. Ein voller Erfolg!!"168 Klandestine Im Gegensatz zur Massenmilitanz ist die klandestine militante Aktionen Aktion - gemeint sind konspirativ vorbereitete und durchgeführte Anschläge - erheblich planvoller angelegt; solche Anschläge, die häufig die Grenze zur terroristischen Aktion überschreiten (vgl. Nr. 1.4), werden gewöhnlich in Selbstbezichtigungsschreiben gerechtfertigt. So verübten unbekannte Täter, die sich als "militante antiimperialistische Gruppe - Aktionszelle Pierre Overney" bezeichneten, in der Nacht zum 10. Januar einen Brandanschlag auf Fahrzeuge einer Renault-Niederlassung in Berlin-Reinickendorf; es entstand ein Sachschaden von ca. 76.000 EUR. Der Anschlag - so hieß es in der Taterklärung - sei Reaktion auf gemeinsame Exekutivmaßnahmen französischer und spanischer Polizeibehörden gegen mutmaßliche Angehörige der spanischen GRAPO/pce(r)169 am 9. November 2000; gleichzeitig sei er Ausdruck "militanter Solidarität" mit den dabei festgenommenen Aktivisten und ihrer politisch-militärischen Linie. In den frühen Morgenstunden des 25. Oktober verübten unbekannte Täter im Berliner Stadtteil Lichtenberg einen Brandanschlag auf die Filiale einer Lebensmittelkette. Durch die Eingangsscheibe warfen sie mindestens zwei so genannte Molotowcocktails in den Kassenbereich, der hierdurch vollständig zerstört wurde. Insgesamt entstand ein Sachschaden in Millionenhöhe. Vor den beiden Einfahrten des Marktes hatten die Täter auf der gesamten Straßenbreite "Krähenfüße" ausgelegt, durch die die Bereifung eines Polizeifahrzeugs beschädigt wurde. In der Selbstbezichtigung zu diesem Anschlag hieß es u. a.: Linksextremistische Bestrebungen 153 "dieser supermarkt ist einer jener supermaerkte, die an dem rassistischen chipkartensystem fuer fluechtlinge mitverdienen. ... durch diese ganze prozedur erfolgt eine weitere ausgrenzung, diskriminierung und entmuendigung, welche nicht hinzunehmen ist!" Der Anschlag sei ein Angriff gegen eine der vielen Strukturen der "rassistischen Politik Deutschlands". Es sei wichtig, dass es seit Jahren immer wieder Aktionen gegen diese Politik gebe: "wir stehen hinter allen forderungen, die sich gegen den rassismus in diesem land wenden, und beabsichtigen mit dieser aktion, die stille um diesen widerstand zu durchbrechen. ... wir fordern die profiteure an den geschaeften gegen fluechtlinge auf, sich sofort aus dem geschaeft zurueckzuziehen! ansonsten brennt vielleicht bald euer laden!" ("INTERIM" Nr. 537 vom 1. November 2001, S. 24) Gewaltbereite Linksextremisten wollen ihren gegen das demokra"Cyber-Guerilla" und tische System gerichteten Kampf künftig nicht nur "auf der Straße", Schutzmaßnahmen sondern auch im Internet als Plattform für wirkungsvolle militante Aktionen austragen. So dienen die neuen Kommunikationsformen und -möglichkeiten nicht nur dem "friedlichen" Nutzer, sondern sie bergen auch erhebliche Gefahren. Verwaltungsorganisationen, aber auch Wirtschaftsunternehmen, die sich im Visier von Linksextremisten befinden, werden leichter angreifbar. Die Zerstörung oder Manipulation von Datenbanken kann wesentlich höhere Schäden zur Folge haben als z. B. ein "konventioneller" Sprengstoffoder Brandanschlag. Hilfestellung für die Umsetzung von Standardsicherheitsmaßnahmen im Bereich der Informationstechnik leistet in diesem Zusammenhang das IT-Grundschutzhandbuch des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (www.bsi.bund.de/gshb), in dem für typische IT-Systeme Schutzmaßnahmen aufgezeigt werden; auch auf die Maßnahmenkataloge der Task Force "Sicheres Internet" im Bundesministerium des Innern (www.bsi.bund.de/taskforce) wird hingewiesen. Zur Kommunikation bedient sich die autonome Szene seit jeher Medien eigener Medien: Neben den "bewährten" und weiterhin wichtigsten Methoden des Informationsaustausches über Szenepublikationen170, Bericht 2001 154 Linksextremistische Bestrebungen "Infoläden" und geheime Treffen nutzen Autonome verstärkt das Internet171 und Mobiltelefone. Dabei begünstigen moderne Informationsund Kryptotechnologien - wie das kostenlose Verschlüsselungsprogramm Pretty Good Privacy (PGP) - das in weiten Teilen konspirative Verhalten von Linksextremisten, erhöhen deren Manövrierfähigkeit und erschweren die Aufklärung. 1.4 Autonome Strukturen mit terroristischen Ansätzen Grenzen zur Innerhalb der militanten autonomen Szene haben sich Strukturen terroristischen verfestigt, die bei ihren Anschlagsaktivitäten die Grenze zu terrorisAktion fließend tischem Gewalthandeln überschreiten. Diese im Verborgenen wirkenden Kleingruppen operieren aus der "Legalität" heraus; sie hinterlassen bei ihren klandestinen Aktionen kaum auswertbare Spuren und benutzen in der Regel zum Schutz vor Strafverfolgung in Taterklärungen ständig wechselnde Aktionsnamen. Für Angehörige solcher Personenzusammenschlüsse ist Militanz gleichermaßen unverzichtbarer und unmittelbarer Ausdruck ihrer Gegnerschaft zum "System" wie auch Bestandteil des eigenen Lebensgefühls. "autonome miliz" Einer der wenigen militanten Zusammenschlüsse, die Anschläge nicht unter ständig wechselnden Aktionsbezeichnungen ausführen, ist die in Berlin aktive Gruppe "autonome miliz". Seit 1998 verübte sie eine Reihe von Gewalttaten, darunter elf Brandanschläge auf Fahrzeuge, zuletzt: - In den frühen Morgenstunden des 4. März - im Vorfeld eines Castor-Transports nach Gorleben - setzten unbekannte Täter in Berlin-Friedrichshain einen VW-Bus der Firma SIEMENS in Brand; ein weiteres in unmittelbarer Nähe geparktes Fahrzeug wurde beschädigt. Es entstand ein Sachschaden von etwa 25.000 EUR. In der Selbstbezichtigung hieß es u. a.: "Mit solchen Aktionen werden wir diesen Castortransport nicht verhindern können, aber je höher der politische und materielle Schaden, desto eher werden diese Transporte aufhören." ("INTERIM" Nr. 522 vom 22. März 2001, S. 7) - In der Nacht zum 8. Mai wurde in Berlin-Prenzlauer Berg ein hochwertiges Kraftfahrzeug ("Bonzenwagen") durch einen Brand- Linksextremistische Bestrebungen 155 satz vollständig zerstört, ein in der Nähe geparkter Pkw wurde beschädigt. In der Taterklärung agitiert die "autonome miliz" gegen das Verbot der 1. Mai-Demonstration durch den "faschistischen Innensenator". Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Entschädigung "militante gruppe ehemaliger NS-Zwangsarbeiter kam es im Juni zu mehreren Aktio(mg)" nen einer "militanten gruppe (mg)". Zunächst erhielten der Regierungsbeauftragte für die Entschädigung der Zwangsarbeiter Otto Graf Lambsdorff sowie zwei Repräsentanten der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft mit der Überschrift "Auch Kugeln markieren einen Schlußstrich ..." versehene Drohschreiben, denen jeweils eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt war. Die Täter warfen den Adressaten vor, zu Lasten der noch lebenden Zwangsarbeiter eine Art Schlussstrichpolitik zu betreiben und Entschädigungszahlungen bewusst zu verzögern: "Wir haben diesen drei Personen eine Kugel zukommen lassen, um damit unmißverständlich zu erklären, daß sie auch perspektivisch für ihre Handlungen und ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen werden müssen." Die Verfasser des Drohschreibens bezeichnen überdies die Zielsetzung ihrer Aktion: "Für uns als militante AktivistInnen steht eine Debatte um den Debatte um den Einsatz von weitergehenden Mitteln an; und zwar eine Debatte in alle Einsatz "weitergehender Mittel" erdenklichen Richtungen. Wir müssen die Ebene der reinen Proklamation von 'revolutionären Ansprüchen' verlassen, wenn unsere militante Politik zu einem wirkungsvollen Faktor in der Konfrontation bspw. mit der Stiftungsinitiative werden soll." ("INTERIM" Nr. 529 vom 28. Juni 2001, S. 20 f.) In den frühen Morgenstunden des 22. Juni zerstörten mutmaßlich dieselben Täter auf dem Gelände einer DaimlerChrysler-Niederlassung in Berlin-Tempelhof mit einem zündzeitverzögerten Brandsatz einen Pkw (Sachschaden: über 30.000 EUR). Der Angriff galt dem Daimler-Konzern, der von den damaligen Zwangsarbeitern besonders profitiert habe und heute treibende Kraft im "zynischen Entschädigungsspektakel" sei. Auch das Selbstbezichtigungsschreiben zu diesem Anschlag enthielt eine Passage, die als Aufforderung zu interpretieren ist, künftig gegen Personen militant aktiv zu werden: Bericht 2001 156 Linksextremistische Bestrebungen "Um allerdings einen effektiven Druck ... ausüben zu können, braucht unsere Politik eine militante Kontinuität. Sie muß darüber hinaus gezielter werden, das heißt, sie muß verstärkt die personellen Verantwortlichkeiten benennen und demnach die handelnden Exponenten in den Vordergrund ... rücken. Es bleibt die alte Tatsache: hinter den anonymen Konzernfassaden stehen konkret definierbare AkteurInnen; SIE sind von uns zu treffen!" ("INTERIM" Nr. 529 vom 28. Juni 2001, S. 22 f.) "militante gruppe Ein Ende November veröffentlichter umfangreicher "Debattenver(mg)" treibt such" belegt das Bemühen der "militanten gruppe (mg)", die DiskusDiskussion voran sion über die Erweiterung militanter Aktionsformen zielstrebig voranzutreiben. In dem sechsseitigen Papier begründet die Gruppe erneut das Verschicken von scharfen Patronen an Personen und verteidigt die damit transportierte "immanente Drohung der Liquidation": "Wir können gesellschaftliche Zustände, die wir aus ganzem Herzen bekämpfen wollen, nicht allein an anonymen Strukturen festmachen, wir müssen die maßgeblichen AkteurInnen identifizierbar und angreifbar machen. ... Unsere Praxismittel sind mit dem 'ständigen abfackeln von autos' tatsächlich nicht an ihr Ende gekommen und können es auch nicht sein, wenn wir eine Perspektive eines umfassenden revolutionären Prozesses für uns in Anspruch nehmen. Die Orientierung an Praxismitteln, die über den Rahmen von militanter Politik hinausgehen, schließen notwendigerweise eine intensive Diskussion über vergangene und aktuell geführte bewaffnete Kämpfe ein. ... Es ist eine Diskussion, wie wir in Etappen von dem Angriff auf materielle Objekte zum Angriff auf verantwortliche Subjekte kommen. Dabei liegt im Zusammenhang mit der Aufbereitung der rz-Politik einiges an Material vor (Stichwort: Knieschüsse) und auch im AntifaBereich sind Angriffe gegen Personen durchaus akzeptiert." ("INTERIM" Nr. 539 vom 29. November 2001, S. 18 ff. [S. 20]) Zwischenzeitlich erfuhr die "militante gruppe (mg)" aus den Reihen einiger militanter Zusammenschlüsse Zustimmung zu ihren Aktionen und Diskussionsbeiträgen. Es wird intensiv zu beobachten sein, inwieweit diese Positionen innerhalb der gewaltbereiten autonomen Szene auf weitere Resonanz stoßen und ob sich daraus möglicherweise neue Bedrohungssituationen ergeben. Anschläge solcher im Grenzbereich zum Terrorismus operierender Zusammenschlüsse (Brandund Sprengstoffanschläge, Anschläge Linksextremistische Bestrebungen 157 gegen Fernmeldeund Datennetze sowie Hochspannungsmasten, Hakenkrallenanschläge gegen Strecken der Deutschen Bahn AG) verursachen Jahr für Jahr - von den Tätern bewusst einkalkulierte - Sachund wirtschaftliche Folgeschäden in vielfacher Millionenhöhe. 2. Traditionelle Anarchisten Klassische anarchistische Konzepte werden in Deutschland insbesondere von Gruppierungen der "Graswurzelbewegung" und der anarcho-syndikalistischen "Freien Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA) vertreten. Die sich selbst als gewaltfrei bezeichnende "Graswurzelbewe"Graswurzelgung" - mit etwa 200 Anhängern (2000: ca. 180) in einer Vielzahl bewegung" von Aktionsgruppen, Trainingskollektiven und sonstigen Zirkeln - strebt eine "tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung" an, um "Herrschaftsund Gewaltstrukturen" zu zerstören.172 Dazu propagiert sie auch das Konzept des "Zivilen Ungehorsams", das zwar personenverletzende Gewalt ablehnt, Gewalt gegen Sachen als legitime Aktionsform jedoch einschließt. So distanzierte sich ein "Graswurzelrevolutionär" davon, Gewaltfreiheit mit Dialog und Gesetzestreue gleichzusetzen. Dies habe mit revolutionärer Gewaltfreiheit, die radikalen zivilen Ungehorsam und Sachbeschädigung als gewaltfreie Aktion mit einschließe, nichts zu tun. Was "Gewaltfreiheit" bedeute, werde man sich nicht vom Staat diktieren lassen.173 Die FAU-IAA mit etwa 200 Mitgliedern (2000: ca. 180) versteht sich FAU-IAA als anarchistische Organisation mit gewerkschaftlichem Anspruch und setzt sich als sozialrevolutionäre Bewegung durch Mittel der "direkten Aktion" (Besetzungen, Boykotts, Streiks und Sabotage) für eine "herrschaftsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft" ein.174 Anarchisten beider Strömungen waren - meist in breitere Bündnisse eingebunden - an Protesten gegen die Globalisierung, an Widerstandsaktionen gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie sowie an antimilitaristischen Aktionen beteiligt. In einem Strategiepapier einer der "Graswurzelbewegung" zuzurechnenden Gruppe zum Thema "widerständige Politik" wurde Deutschland als die Nation dargestellt, deren "Regierung zu den aggressivsten und interventionsorientiertesten" hinsichtlich der "Durchsetzung von Herrschaftsund Verwertungslogik weltweit" gehöre. In einer Anmerkung zu den terroristischen Anschlägen am Bericht 2001 158 Linksextremistische Bestrebungen 11. September in den USA wurde die Trauer um die Opfer als "Einheits-Betroffenheitskult" abgewertet, der durch "die massive Gehirnwäsche des Patriotismus und Gedankenterrors" geschaffen worden sei. Nirgends seien in diesem Zusammenhang klare Forderungen "nach einem Ende von Nationen und Kapitalismus als originäre Gewalt" formuliert worden. Weiter hieß es: "Die Möglichkeit[en] zur politischen Intervention waren groß, denn die Anschläge schufen den größten Erregungskorridor aller Zeiten. Alle Mittel der direkten Aktion, der Intervention, der öffentlichen Vermittlung von Positionen und der Aneignung wären möglich gewesen." ("INTERIM" Nr. 535 vom 4. Oktober 2001, S. 27) IV. Parteien und sonstige Gruppierungen 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) gegründet: 1968 Sitz: Essen Vorsitzender: Heinz STEHR Mitglieder: über 4.500 (2000: 4.500) Publikation: "Unsere Zeit" (UZ), Auflage: 8.500, wöchentlich Die DKP hielt auch 2001 an ihrer politisch-ideologischen Ausrichtung fest. Nina HAGER, stellvertretende Parteivorsitzende, betonte auf einem Hearing der Programmkommission der DKP im März: Deutsche Kommunistische Partei "Die weltanschauliche Grundlage der Politik der DKP ist und bleibt die Theorie von Marx, Engels und Lenin, die wissenschaftliche Weltanschauung der kommunistischen und Arbeiterbewegung" ("DKP-Informationen" Nr. 2/01 - 10. März 2001, S. 6). Der Parteivorsitzende Heinz STEHR bekräftigte im Herbst im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines neuen DKP-Programms: Linksextremistische Bestrebungen 159 "Wir Kommunistinnen und Kommunisten, die DKP ... sind Anhänger einer wissenschaftlichen Weltanschauung, jener Theorien von Marx, Engels und Lenin und anderer marxistischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren erarbeitete Grundlagen wesentlich sind zur Entwicklung unserer Zielvorstellungen hin zum Sozialismus/ Kommunismus" ("DKP-Informationen" Nr. 5/01 - 4. Oktober 2001, S. 19). Der Rückgang der Mitgliederzahlen setzte sich im Jahr 2001 nicht Rückgang der fort. Nach Abschluss der Kampagne zur Werbung neuer DKP-MitMitgliederzahlen glieder und UZ-Abonnenten (vom 15. Parteitag im Juni 2000 bis zum gestoppt 12. UZ-Pressefest im Juni 2001) stellte die Parteiführung einen Mitgliederzuwachs um drei Prozent fest. Erstmals seit 1986 sei kein Rückgang zu verzeichnen.175 Damit gehören der Partei etwas mehr als 4.500 Mitglieder (2000: ca. 4.500) an, davon annähernd wie im Vorjahr 500 in Ostdeutschland. Das Durchschnittsalter ist nach wie vor sehr hoch. Die Parteiführung machte u. a. kontroverse Auffassungen über die Ursachen des Zusammenbruchs des Sozialismus in Europa sowie zur "Entwicklung des Imperialismus" für die mangelnde Attraktivität der Partei verantwortlich.176 Die Organisationsstruktur der Partei blieb unverändert. Sie umfasst nach wie vor etwa 280 Parteigruppen - davon ca. 15 Betriebsgruppen -, die in über 100 Kreisund 14 Bezirksorganisationen zusammengefasst sind. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen werden die wenigen Grundorganisationen durch "Koordinierungsräte" angeleitet. Die DKP hatte auch 2001 Probleme, ihre politische Arbeit zu finanzieren. Es wird darüber nachgedacht, künftig keine Funktionäre mehr hauptamtlich zu beschäftigen. In ihrem parteiintern veröffentlichten Rechenschaftsbericht gem. SS 23 des Parteiengesetzes wies die DKP für das Jahr 2000 Einnahmen in Höhe von 1,38 Mio. EUR aus, darunter 614.000 EUR Spenden - einschließlich Großspenden von insgesamt 125.000 EUR.177 Herausragendes Ereignis war für die DKP das 12. Pressefest ihres 12. Pressefest des Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ) vom 22. bis 24. Juni im Revierpark Zentralorgans Wischlingen in Dortmund. Dort präsentierten sich die DKP-Bezirks"Unsere Zeit" organisationen mit Informationsständen, aber auch "befreundete Organisationen", mit denen die DKP traditionell zusammenarbeitet. Aus dem Ausland waren Vertreter von 35 "Bruderparteien", mehrere Bericht 2001 160 Linksextremistische Bestrebungen Botschaftsvertreter kommunistisch regierter Staaten sowie ein Abgesandter der so genannten Linksfraktion178 im Europäischen Parlament erschienen. Nicht nur beim UZ-Pressefest pflegte die DKP ihre Beziehungen zu "Bruderparteien", sondern auch durch zahlreiche weitere Kontakte. So trafen Funktionäre der DKP zum Meinungsaustausch u. a. mit Vertretern der kommunistischen Parteien Frankreichs, Böhmen und Mährens, der Slowakei, Belgiens, der Türkei, Kubas und Nordkoreas sowie der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas zusammen.179 Auf einem internationalen Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien mit Repräsentanten von 54 Parteien aus 41 Ländern zum Thema "Kommunisten und die Arbeiterund Gewerkschaftsbewegung" (22. bis 24. Juni in Athen) war auch die DKP (durch ihren Vorsitzenden) vertreten.180 Internationale Alter Tradition folgend entsandte die DKP wieder Abordnungen Verbindungen zu Parteitagen und Pressefesten kommunistischer und sozialistischer Parteien u. a. in Vietnam, Finnland, in der Türkei, den USA, Österreich, Dänemark, Spanien, Portugal, Frankreich und in der Tschechischen Republik. Die DKP rief ihre Mitglieder zur Teilnahme an den Aktionen von Globalisierungsgegnern gegen den EU-Gipfel in Göteborg (Juni) und den G8-Gipfel in Genua (Juli) auf. Ein Schwerpunkt im Rahmen der "Internationalismusarbeit" der DKP blieb wie in den Jahren zuvor die "Solidaritätsarbeit" für Kuba. Für ihr viertes Solidaritätsprojekt, die Renovierung und Umgestaltung einer Kinderklinik in Cardenas, halten sich dort seit Oktober 2001 nacheinander jeweils etwa 15 Personen ca. sechs Wochen lang auf.181 Zuvor hatte die DKP sich bereits an dem Bau eines Gesundheitszentrums (1995), eines Rehabilitationszentrums (1997) und einer Familienarztpraxis (1999) auf Kuba beteiligt. Eine rege Zusammenarbeit pflegte die DKP weiterhin mit der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ), einer formal unabhängigen, aber mit der DKP eng verbundenen Gruppe. Diese ehemalige "Kaderreserve" der DKP verfügt wie bisher über etwa 300 Mitglieder. SDAJ bei den 15. WeltIn einer Sonderausgabe ihrer Publikation "position - magazin der festspielen der Jugend SDAJ" anlässlich der 15. Weltfestspiele der Jugend und der Studenten und der Studenten in (8. bis 16. August in Algier) wiederholte die SDAJ ihre Forderung nach Algier dem "revolutionären Bruch" mit der bestehenden Gesellschaftsordnung: Linksextremistische Bestrebungen 161 "Im Mittelpunkt stehen unsere Forderungen des Rechts auf Arbeit und Bildung, das Recht auf ein Leben ohne Ausbeutung, Rassismus, Faschismus und Krieg. Wir sind uns darüber im klaren, dass uns diese Grundrechte nicht geschenkt werden. Sie müssen gegen das Profitstreben der Konzerne, gegen den erbitterten Widerstand der Herrschenden erkämpft werden. Sie können nur dauerhaft durchgesetzt werden, wenn der Imperialismus durch einen revolutionären Bruch überwunden wird. Für uns ist der Sozialismus die einzige gesellschaftliche Alternative zur Herrschaft der Monopole. ... Sozialismus können wir nur erreichen, wenn es uns gelingt fortschrittliche Kämpfe in der BRD zusammenzuführen, das Klassenbewußtsein insbesondere unter der arbeitenden Jugend zu verbreiten und den Kampf um die Rechte der Jugend im Geiste des proletarischen Internationalismus solidarisch mit allen antiimperialistischen Jugendbewegungen auf der Welt zu führen." ("position - magazin der SDAJ", Sondernummer zu den Weltfestspielen in Algier, S. 4). An den - im Jahr 2001 wieder dezentral durchgeführten - vier Pfingstcamps der SDAJ vom 2. bis 4. Juni in Norderstedt/SchleswigHolstein ("Nordcamp"), Radis/Sachsen-Anhalt ("Ostcamp"), Ahaus/ Nordrhein-Westfalen ("Westcamp") und Heidenheim/Baden-Württemberg ("Südcamp") nahmen etwa 400 Jugendliche und Gäste teil. 1.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN - BdA) gegründet: 1947 Sitz: Frankfurt/M. Bundesgeschäftsstelle: Hannover Mitglieder: rund 5.000 (2000: rund 5.000) Publikation: "antifa-rundschau", vierteljährlich Die VVN-BdA blieb der mitgliederstärkste Zusammenschluss im Bereich des linksextremistischen "Antifaschismus". Das Bündnis unterschiedlicher linksextremistischer und auch nichtextremistischer Kräfte wird weiterhin von einem traditionell orthodox-kommunistischen Flügel wesentlich geprägt; in den Gremien und GlieBericht 2001 162 Linksextremistische Bestrebungen derungen der Vereinigung blieben aktive Mitglieder der DKP und dieser Partei nahe stehende Personen politisch tonangebend. Die Vereinigung lehnt unverändert den antitotalitären - gleichermaßen gegen alle Formen des Extremismus gerichteten - Konsens des Grundgesetzes ab: "Wir sind der Meinung, daß Neofaschismus und rechte Gewalt nur dann wirksam bekämpft werden können, wenn die in Deutschland im Zeichen von Antikommunismus und Totalitarismus-Doktrin übliche Gleichsetzung von 'Links' und 'Rechts' beendet wird." (Zeitschrift der Landesvereinigung Hamburg der VVN-BdA - "Hamburg info" -, Nr. 15 vom Juli/Sept. 2001, Seite 5) Ablehnung Dabei diskreditierte die VVN-BdA sogar demokratisch ausgerichdemokratischer tete Initiativen gegen den Rechtsextremismus. In einem DemonstraInitiativen gegen den tionsaufruf erklärte sie, der "Aufstand der Anständigen"182 habe mit Rechtsextremismus Antifaschismus wenig zu tun. Vielmehr trage er mit seiner Ideologie des "Anti-Extremismus" und des "Anti-Totalitarismus" zur Formierung eines repressiven, neoliberalen Staates bei.183 Der "antifaschistische Kampf" der VVN-BdA orientiert sich nach wie vor hauptsächlich an der orthodox-kommunistischen "AgenturTheorie"184, der zufolge Faschismus bzw. Rechtsextremismus seine Wurzeln ausschließlich im Kapitalismus hat. Diese Doktrin dient weniger der Analyse des Rechtsextremismus als vielmehr der Bekämpfung der freiheitlichen Demokratie als einer angeblich latent für den Faschismus anfälligen politischen Ordnung. Ein Bundessprecher der Vereinigung führte aus: "Solche Art des 'Übersehens' neofaschistischer und rassistischer Straftaten korrespondiert mit einer erkennbaren Akzeptanz ideologischer und politischer Grundpositionen von faschistischem und rassistischem Denken im Staatsapparat wie in der 'Mitte dieser Gesellschaft'." (Sammelband "tut was! Strategien gegen Rechts", herausgegeben von Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA, Köln 2001, S. 10) Die VVN-BdA setzte unverändert ihre Strategie einer "offenen Bündnispolitik" fort. So bemühte sie sich einerseits um Akzeptanz bei demokratischen Organisationen, andererseits arbeitete sie mit Linksextremistische Bestrebungen 163 linksextremistischen Zusammenschlüssen bis hin zu gewaltbereiten Antifa-Gruppen aus dem autonomen Spektrum zusammen. Eine Landessprecherin begründete die "breite Bündnisarbeit" der VVN-BdA: "Unsere Aufgabe besteht darin, in die antirassistischen Demos, Aktionen und Projekte die soziale Forderung der Umverteilung von unten nach oben einzubringen. Nur so können wir die gesellschaftlichen und ökonomischen Ursachen des Neofaschismus wirksam bekämpfen. ... Wir müssen mit unseren Aktionen und Forderungen zu den Ursachen in der Mitte der Gesellschaft vordringen. Wir dürfen nicht stehen bleiben oder uns gar abdrängen lassen, nur die Auswüchse an den Rändern zu bekämpfen. ... Erreichen werden wir das aber nur, wenn wir im Rahmen unserer breiten Bündnisarbeit unser weitergehendes Ziel, die Ursachen des Neofaschismus zu bekämpfen, in alle Aktionen mit einbringen und die Stoßrichtung gegen die Akteure und Gewinner des Neoliberalismus lenken. [...] Die Geschichte lehrt, wer am meisten am Faschismus an der Macht verdient hat: Banken und Großkonzerne." ("antifa-rundschau" Nr. 46 vom April-Juni 2001, S. 16) Diesem Verständnis entsprechend beteiligten sich Gliederungen und Mitglieder der VVN-BdA an zahlreichen Veranstaltungen, Aktionen und Bündnissen linksextremistischer Zusammenschlüsse und gewaltbereiter Antifa-Gruppen. Auf Bundesebene versuchte die VVN-BdA, die im Jahre 2000 gestartete "Initiative zur Unterstützung antirassistischer und antifaschistischer Arbeit vor Ort" fortzusetzen. Sie soll unterschiedliche Gruppen und Initiativen - ausdrücklich unter Einbeziehung auch autonomer Antifaschisten - stärker vernetzen sowie die regionalen und überregionalen Kräfte besser bündeln. Die im Laufe des Jahres 2001 angestrebte Zusammenführung der Zusammenschluss VVN-BdA mit ihrer ostdeutschen Partnerorganisation "Verband ehemit ostdeutschen maliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter Partnerverbänden kam nur schlecht des Nazi-Regimes und Hinterbliebener - Bund der Antifaschisten" voran (VVdN-BdA) kam nicht zustande. Stattdessen verabschiedeten ihre Führungsgremien auf einer gemeinsamen Tagung am 16./17. Juni in Braunschweig eine "Programmatische Erklärung von VVN-BdA und VVdN-BdA zu den Herausforderungen und Aufgaben einer engeren bundesweiten Zusammenarbeit gegen Nazismus und Rassismus, für Frieden und Demokratie". Das engere Zusammenwirken sei angesichts aktueller Entwicklungen notwendig und zugleich "eine wichBericht 2001 164 Linksextremistische Bestrebungen tige Bedingung in der Wirksamkeit breiter antifaschistischer Initiativen und Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland". Die Tagungsteilnehmer vereinbarten zudem weitere Schritte hin zu einer organisatorischen Vereinigung. 1.3 Sonstige 1.3.1 "Marx-Engels-Stiftung e. V." (MES) gegründet: 1979 Sitz: Wuppertal Vereinsmitglieder: ca. 50 (2000: ca. 35) Vorsitzender: Robert STEIGERWALD Auch im Jahr 2001 befasste sich die MES mit dem Leben und Wirken von Karl Marx und Friedrich Engels sowie der "heutigen Wirksamkeit" ihrer Ideen. Die mehr als 500 Personen umfassende "Förderergesellschaft der MES" - überwiegend Wissenschaftskader aus DKP und PDS - soll "die Stiftung ideell durch wissenschaftliche Beiträge zu ihrer Arbeit und/oder materiell durch Spenden zur Sicherung ihrer Existenz" unterstützen. Die MES führte am 17. März in Berlin gemeinsam mit der von älteren DKP-Mitgliedern betriebenen "Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges" eine Veranstaltung zum Thema "Karl Marx/Friedrich Engels und die politische Strafjustiz der Bundesrepublik Deutschland" durch. Die etwa 140 Teilnehmer befassten sich u. a. mit dem Verbot der kommunistischen Jugendorganisation "Freie Deutsche Jugend" (FDJ) in den 50er Jahren sowie der "Rolle der politischen Justiz bei der 'Delegitimierung des SED-Regimes'". Ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem "Marxistischen Arbeitskreis für die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der historischen Kommission der PDS" und der Geschichtskommission beim Parteivorstand der DKP setzte die MES durch gemeinsame Konferenzen im März und September fort. Linksextremistische Bestrebungen 165 1.3.2 "Bundesausschuss Friedensratschlag" gegründet: 1996 (als "Arbeitsausschuß Friedensratschlag") Sitz: Kassel Mitglieder: 50 Publikationen: "Friedenspolitische Korrespondenz" (FRIKORR) Der linksextremistisch beeinflusste "Bundesausschuss FriedensratReaktionen auf die schlag" hoffte nach den Terroranschlägen in den USA auf die WieTerroranschläge in den USA derbelebung einer in erster Linie antiamerikanischen und gegen das westliche Bündnis gerichteten "Friedensbewegung". Er bemühte sich mit einer "Aktionskonferenz der Friedensbewegung" am 22. September im Kasseler Gewerkschaftshaus um eine Sammlung DKP-naher "Friedenskämpfer" und ihrer traditionellen Bündnispartner. Nach Beginn der Militäroperationen gegen die Taliban und die Kämpfer des BIN LADEN am 7. Oktober verschärfte sich die antiamerikanische Haltung. Auf dem "8. Friedenspolitischen Ratschlag" am 1./2. Dezember in Kassel, der unter dem Motto "Weder Terror noch Krieg - Die Alternativen von Friedensforschung und Friedensbewegung" stand, hielt der Bundesausschuss den islamistischen Terrorismus und die Gegenmaßnahmen der Angegriffenen für prinzipiell vergleichbar. 2. "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) gegründet: 1989/90 (Umbenennung SED in PDS) Sitz: Berlin Parteivorsitzende: Gabriele ZIMMER Mitglieder: rund 84.000 (2000: ca. 88.600), davon in den westlichen Bundesländern mehr als 4.000 Publikationen: "DISPUT", (Auswahl) monatlich; "PDS-Pressedienst", wöchentlich; "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS", monatlich; "Marxistisches Forum", unregelmäßig; "PDS International", vierteljährlich Bericht 2001 166 Linksextremistische Bestrebungen Das Erscheinungsbild der PDS ist nach wie vor zwiespältig: Während die PDS in der Öffentlichkeit wie in den Medien ein modernes Image pflegt, in Bund, Ländern und Kommunen zudem eine pragmatische Tagespolitik betreibt, versteht sie sich ungeachtet dessen als Opposition in und zur bestehenden - von ihr als kapitalistisch bezeichneten - Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik. Programmatische Texte und Äußerungen führender Funktionäre der Partei bieten weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen. Nach wie vor arbeitet die PDS mit inund ausländischen Linksextremisten zusammen. Auch innerhalb der Partei können offen extremistische Kräfte wirken. 2.1 Ideologische und programmatische Entwicklung Programmentwurf Am 27. April stellte die Parteivorsitzende Gabriele ZIMMER den Entder Parteiführung wurf der Parteiführung für ein neues Parteiprogramm vor. Dieses soll das derzeit gültige - aus dem Jahre 1993 stammende - Programm nach innerparteilicher Diskussion und Beschlussfassung im Jahre 2003 ersetzen.185 Der Programmentwurf ist zwar insgesamt in der Strategie flexibler, bietet jedoch ebenfalls tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen: Sozialismus als Ziel Die ideologische Grundausrichtung bleibt unverändert: Unter "klarem Bezug" - so Gabriele ZIMMER bei der Erläuterung der Programmatik der Partei - auf Karl Marx und das "Manifest der Kommunistischen Partei"186 werde Sozialismus als ein notwendiges Ziel, als eine Gesellschaft, in der die freie Entwicklung des Einzelnen zur Bedingung der freien Entwicklung aller geworden sei, definiert; das sei die Basis des alten Programms und auch des aktuellen Entwurfs. Dass "Sozialismus" in der Tradition der "Klassiker" verstanden wird, bekräftigte die PDS-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt vom 22. Juni 2001 im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Geschichte in der PDS: "Unser Ziel ist und bleibt eine sozialistische Gesellschaft. Wenn man die Klassiker Marx, Engels, Lenin, die wir alle gelernt haben, ernst nimmt, dann ist dort zu lesen, dass sich die neue Gesellschaft im Schoße der alten entwickelt. Wenn man dies ernst nimmt, ist Kapitalismuskritik richtig, nur wenn wir diese Kritik weiter treiben, schrittweise Veränderungen betreiben, führt dies irgendwann zu einer neuen Gesellschaft." Linksextremistische Bestrebungen 167 Im Programmentwurf der Parteiführung wird ferner daran festSystemüberwindung gehalten, die kapitalistischen "Herrschaftsund Ausbeutungsverhältnisse", also Machtund Eigentumsverhältnisse, verändern, zurückdrängen und "letztlich überwinden" zu wollen.187 Die Parteivorsitzende verdeutlichte in der Tageszeitung "Neues Deutschland" (ND) vom 16./17. Juni die Strategie der Systemüberwindung: "Das besonders 'Gefährliche' unseres Entwurfes aber ist, dass hier sozialistische Utopie und radikale Gesellschaftskritik verknüpft sind mit konkreten Vorschlägen für gesellschaftliche Veränderungen, die Profitbzw. Kapitaldominanz real zurückdrängen, um sie in der Folge zu brechen. Diese Schritte zielen auf eine Entwicklung, die Kapitalismus überwindet." Der Vorsitzende der Grundsatzkommission der PDS Dieter KLEIN, zugleich einer der Autoren des Programmentwurfs, erläuterte die darin verankerte Strategie wie folgt: "Unser Entwurf umfasst vom Ansatz her und in Gestalt unserer alternativen Strategieangebote eine Spannweite von Erreichbarem in absehbarer Zeit bis zu Forderungen, die über den Kapitalismus hinausweisen. Er begründet ein transformatorisches Projekt, das im Heute ansetzt und in einem Prozess, der tiefe Brüche auch in den Eigentumsverhältnissen einschließen wird, auf eine andere Gesellschaft zielt." ("Neues Deutschland" vom 15. Juni 2001)188 Zum Verhältnis von Reformen und systemüberwindenden Zielen äußerte sich Gabriele ZIMMER auf dem Pressefest der Tageszeitung "Neues Deutschland" (ND) am 16. Juni, dokumentiert in der Ausgabe vom 22. Juni: "Die PDS ist eine Partei, ... [die] den Doppelweg gehen will, nämlich Opposition zum bestehenden Gesellschaftssystem zu sein und gleichzeitig hier und heute Politik machen zu wollen und nicht darauf zu warten, dass vielleicht in 10, 15, 20 Jahren mal die Verhältnisse so sind, dass wir sagen können, jetzt sind wir als Sozialisten gefragt." 189 Nach traditionellem Verständnis räumt die PDS dem "außerparla"Außermentarischen Kampf" Vorrang gegenüber der parlamentarischen parlamentarischer Kampf" Arbeit ein. Der Programmentwurf formuliert dies zwar schwächer Bericht 2001 168 Linksextremistische Bestrebungen als bisher, wenn es heißt, grundlegende gesellschaftliche Wandlungen seien "nicht ohne außerparlamentarische Bewegung und außerparlamentarische Kämpfe möglich"; Judith DELLHEIM, Mitglied des Parteivorstands, behauptete jedoch in einem Beitrag des Mitgliedermagazins "DISPUT", Heft Nr. 9 vom September 2001: "Sowohl dem geltenden Parteiprogramm als auch dem von Gabi Zimmer vorgestellten Entwurf liegt die Auffassung zu Grunde, dass der außerparlamentarische Kampf für gesellschaftliche Veränderungen entscheidend ist." Auch das Mitglied des Parteivorstands, Sahra WAGENKNECHT, bekräftigte in einem Interview mit dem Magazin "Konkret", Heft Nr. 8 vom August 2001: "Man muss die Möglichkeiten parlamentarischer Opposition nutzen, starkes Gewicht darauf legen, außerparlamentarisch verankert zu sein, und vor allem außerparlamentarischem Widerstand im Parlament eine Lobby geben." 2.2 Extremistische Strukturen in der PDS Die PDS versteht sich nach wie vor als Zusammenschluss unterschiedlicher "linker Kräfte"190; sie lässt auch offen extremistische Zusammenschlüsse wie die "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF), das "Marxistische Forum der PDS", in einigen Ländern die "Arbeitsgemeinschaft Junger GenossInnen in und bei der PDS" (AGJG)191 sowie die Organisationen des "Forum Kommunistischer Arbeitsgemeinschaften" (ehemals "Bund Westdeutscher Kommunisten" - BWK -)192 im Rahmen der Partei wirken. Auch entsenden sie nach einem festgelegten Schlüssel Delegierte zu den Parteitagen. In der Finanzplanung wird ihnen - soweit es die Partei öffentlich bekannt gibt - finanzielle Unterstützung gewährt. Die PDS hält an der KPF als Bestandteil der Partei fest. "Kommunistische Die in der KPF zusammengeschlossenen Kommunisten der PDS Plattform der PDS" fühlen sich nach wie vor der marxistisch-leninistischen Ideologie (KPF) verpflichtet: Einer der Sprecher der KPF und Mitglied des Parteirats Linksextremistische Bestrebungen 169 der PDS äußerte u. a., der Kampf für soziale Gerechtigkeit, Frieden, gegen Rassismus werde natürlich in dieser Gesellschaft weitergeführt, müsse aber auch gleichzeitig die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsform zum Ziel haben; letztlich sei ein qualitativer Sprung zur Gesellschaftsveränderung, zum Sozialismus, erforderlich. Ein anderer Funktionär sprach - trotz des historischen Scheiterns des Sozialismus - von der Notwendigkeit eines neuen Anlaufs.193 Nachdem es der KPF auf dem PDS-Parteitag in Dresden (6./7. Oktober) nicht gelungen war, eine gleichberechtigte Diskussion verschiedener, auch von der KPF favorisierter Programmentwürfe zu ermöglichen, appellierten Mitglieder des Bundeskoordinierungsrats, die Auseinandersetzung in der PDS mit der KPF gemeinsam weiterzuführen.194 Nach wie vor duldet die PDS in ihren Reihen das "Marxistische "Marxistisches Forum der PDS", einen Zusammenschluss kommunistisch orientierter Forum der PDS" Mitglieder und Sympathisanten. Mitglieder des Forums sind in wichtigen Gremien der Partei vertreten. Die PDS-Vorsitzende ZIMMER, die als Gast einem Treffen des Forums im Januar beiwohnte, setzte sich u. a. für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit vor allem in der Programmdiskussion ein. Sie nahm Kritiker des ideologisch politischen Kurses der Parteiführung u. a. aus dem Forum gegen Bezeichnungen wie "Bremser" und "Verhindererfraktion"195 in Schutz. Vertreter des Forums sehen eine unbedingte Notwendigkeit, die derzeitige "Gesellschaftsformation" der Bundesrepublik zu überwinden, wie sie in "einem Beitrag zur linken Programmdebatte in der BRD" vom Februar 2001196 bekräftigten: "Die Grundgebrechen der kapitalistischen Gesellschaftsformation sind unheilbar. Den Kapitalismus aus der Welt zu schaffen' 'ist heute überhaupt die einzige Rettung für den Bestand der Menschheit.' (Rosa Luxemburg) ... Nicht Anpassung an die bestehende Ordnung und Integration in das kapitalistische System, sondern Auseinandersetzung mit diesem System und entschiedene Opposition zum Kurs der Herrschenden, Formierung von Widerstand in der BRD, ... Aufbau von Gegenmacht gegen das große Kapital und seinen Staat sind geboten." Dabei halten sie unverändert daran fest, dass der PDS als sozialistische Partei eine führende Rolle, eine "Avantgardefunktion", zukommt: die Arbeiterklasse zum bewussten politischen Kampf zu befähigen.197 Bericht 2001 170 Linksextremistische Bestrebungen 2.3 Zusammenarbeit mit deutschen Linksextremisten außerhalb der Partei Verhältnis zur DKP Aufgrund gemeinsamer Traditionen pflegt die PDS zur DKP noch immer ein kritisch-solidarisches Verhältnis. Die Zusammenarbeit erfolgt vor allem auf lokaler und regionaler Ebene, oftmals über kommunistische Kräfte in der PDS.198 In den westlichen Bundesländern entwickelt sich die PDS, die die DKP dort an Mitgliedern zahlenmäßig eingeholt hat, zur Konkurrenz für die DKP. Listenverbindungen und Wahlabsprachen werden dadurch schwieriger.199 Zusammenarbeit Einzelne Vertreter und Gliederungen oder Strukturen der PDS mit Autonomen arbeiten in Aktionsbündnissen nach wie vor mit gewaltbereiten Linksextremisten zusammen. So werden von Fall zu Fall Räumlichkeiten für Treffen bzw. technische Geräte zur Verfügung gestellt, Materialkosten von der PDS übernommen und Demonstrationen angemeldet. Autonome und "Antifas" beteiligten sich neben dem PDS-nahen Jugendverband "['solid]"200 an einem von einer PDS-Bundestagsabgeordneten zum 1. Mai in Berlin-Kreuzberg angemeldeten Aufzug "Gegen das Demonstrationsverbot für Linke am 1. Mai" (vgl. Kap. III, Nr. 1.3). Der Aufzug wurde von der Masse der Teilnehmer als Ersatzveranstaltung für eine verbotene "18-Uhr-Demo" betrachtet. Im Internet warb die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) für eine Teilnahme. Nach der Demonstration hieß es im Internet, die Veranstalter hätten durch Bekanntgabe über Lautsprecher ausdrücklich Demonstrationsleitung und Rederecht auf die "vorbereitenden Gruppen der revolutionären 1. Mai-Demo" übertragen. Am 14. Juli fand eine Veranstaltung gegen den Aufmarsch des rechtsextremistischen "Kameradschaftsbundes Usedom" in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) statt. Anmelder war u. a. ein Landtagsabgeordneter der PDS. Unter den Teilnehmern waren mehrere hundert gewaltbereite Linksextremisten. Während der Gegenveranstaltung kam es zu Blockaden, Steinund Flaschenwürfen. Gegenüber der Tageszeitung "junge Welt" (jW) vom 16. Juli verteidigte der PDS-Abgeordnete die gewalttätigen Demonstranten, indem er die Schuld an den Ausschreitungen der Polizei zuwies.201 2.4 Internationale Verbindungen Die PDS bekennt sich entsprechend ihrem Selbstverständnis zum Internationalismus. Die internationalen Kontakte schließen Entsen- Linksextremistische Bestrebungen 171 dung von Parteitagsdelegationen, Teilnahme an Konferenzen, Gespräche sowie Besuche von Pressefesten der Parteizeitungen ein.202 Die internationalen Kontakte sind keineswegs nur eine formale Französische Fortführung der Beziehungen der ehemaligen "Sozialistischen EinKommunistische heitspartei Deutschlands" (SED), sondern besitzen eine eigene QuaPartei lität. So erklärte die PDS-Vorsitzende Gabriele ZIMMER anlässlich des 80. Jahrestages der Gründung der "Französischen Kommunistischen Partei" (FKP) in einem Grußschreiben u. a.: "Gemeinsam streben wir nach der Erneuerung unserer Parteien, nach ihrer Öffnung in die Gesellschaft, nach deren Veränderung auf demokratischem Wege. ... Gemeinsam ist uns das Anliegen, uns in diesem Kapitalismus nicht einzurichten, sondern mit allen eine über ihn hinaus gehende demokratische sozialistische Gesellschaft zu schaffen und damit das ... Unrecht der kapitalistischen Welt zu überwinden." ("PDS-Pressedienst" Nr. 1 vom 5. Januar 2001) Während des Besuchs einer PDS-Delegation unter der Leitung der "Kommunistische Parteivorsitzenden in China (25. März bis 1. April) vereinbarte die Partei" (KP) Chinas PDS mit der KP Chinas, die partnerschaftlichen Beziehungen durch einen verstärkten Informationsund Erfahrungsaustausch sowie die regelmäßige Entsendung von Studiendelegationen fortzusetzen.203 Zum Zusammenwirken europäischer "Linksparteien"204 erklärte Zusammenarbeit auf der Ehrenvorsitzende der PDS Hans MODROW auf einer Konferenz europäischer Ebene "Grenzregionen - Für ein solidarisches Europa" am 15. September in Frankfurt (Oder): "Die linken Kräfte in den EU-Staaten und in den Beitrittsländern stehen vor der Herausforderung, mit alternativen Positionen eine neue Qualität der Solidarität anzustreben. Sie wird noch nicht auf die grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse gerichtet sein können205, muss aber einen Reformweg beschreiten, der im Gegensatz zur Sicherung der Kapitalinteressen steht, wie sie vom Europäischen Rat und der Kommission betrieben wird. Lohndumping, Sozialabbau ... fordern den Widerstand der linken, der sozialistischen und kommunistischen Kräfte und ihrer Bündnispartner in den Gewerkschaften, Verbänden und Vereinen heraus. ... Welches Potential der Kampf gegen Globalisierung und Neoliberalismus zu mobilisieren vermag, haben die Protestaktionen in Seattle, Göteborg und jüngst in Genua eindrucksvoll gezeigt." ("Leipzigs Neue" Nr. 20 vom 28. September 2001) Bericht 2001 172 Linksextremistische Bestrebungen Solidarität für Besonderen Raum nimmt die SolidaSozialismus auf rität der PDS mit Kuba ein. Die 1991 Kuba gegründete "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si beim Parteivorstand der PDS", die eigenen Angaben zufolge aus 50 regionalen Gruppen besteht, ist wesentlicher Träger der Solidaritätsarbeit für Kuba. Sie setzte die Materialund Spendensammlungen für humanitäre Zwecke fort. Einer der Cuba Si-Sprecher bekräftigte in einem Interview der Tageszeitung "junge Welt" (jW) vom 28./29. Juli, die AG beschränke ihre Aktivitäten nicht nur auf humanitäre Hilfe, sondern unterstütze "bewusst" das sozialistische System in Kuba. Solidaritätsarbeit für Seit Jahren greift die PDS - sowohl durch einzelne Vertreter als Kurdistan auch durch Strukturen der Partei - Anliegen der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) auf, um sie politisch zu unterstützen. Sie setzt sich für die Aufhebung des gegen die PKK verhängten Betätigungsverbots ein. 3. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) gegründet: 1982 Sitz des Zentralkomitees: Gelsenkirchen Vorsitzender: Stefan ENGEL Mitglieder: ca. 2000 (2000: unter 2.000) Publikationen: "Rote Fahne", wöchentlich; "REBELL" (Magazin des Jugendverbandes "Rebell"), monatlich MLPD blieb weiter Die an Stalin und Mao Tse-Tung orientierte MLPD verharrte weiterhin politisch isoliert in selbstgewählter Isolation. Sie musste anhaltende Misserfolge hinnehmen: Das schon traditionelle "Pfingstjugendtreffen" ihrer Jugendorganisation "Rebell" fand nur bei den eigenen Mitgliedern Zuspruch. Das seit Jahren betriebene Projekt eines "Internationalen Kampfbundes für Befreiung" aus ideologisch gleichgerichteten ausländischen Gruppen und Zirkeln unter Führung der MLPD scheiterte; ein für Mai angekündigter Gründungskongress im Ruhrgebiet fand nicht statt. In dem - verspäteten - jährlichen Neujahrsinterview mit dem Zentralorgan "Rote Fahne"206 ließ der Parteivorsitzende Stefan ENGEL ungewohnt deutliche Kritik an der Entwicklung der MLPD durch- Linksextremistische Bestrebungen 173 scheinen: Dem - von der MLPD gesteuerten - Frauenverband "Courage" sei eine nachhaltige Stärkung offensichtlich noch nicht gelungen. Auch die MLPD selbst sei in ihrer heutigen organisatorischen Stärke nicht in der Lage, ihre revolutionären Aufgaben zu erfüllen. Als Ursache nannte ENGEL u. a. eine Neigung der Mitglieder zur Vernachlässigung ideologischer Arbeit. Dagegen lobte er einen Austausch von 20 bis 30 % der Mitglieder in den Leitungsgremien. Tatsächlich erklärt sich eine solche Fluktuation durch die Folgen fortgesetzter interner Säuberungen von "Abweichlern", aber auch durch die zunehmende Resignation von Mitgliedern, die aus dem "Kaderverschleiß" der autoritär strukturierten Partei Konsequenzen ziehen. 4. Trotzkistische Gruppen Die rund 2.300 (2000: ca. 2.350) deutschen Trotzkisten207 organisierten sich weiterhin in etwa 20 (2000: ca. 25), sich größtenteils gegeneinander abgrenzenden Gruppen und Zirkeln. Sie ordnen sich überwiegend einem der mehr als 14 internationalen trotzkistischen Dachverbände als deutsche Sektion zu. Die meisten der in Deutschland tätigen trotzkistischen Zusammenschlüsse sind aufgrund ihrer niedrigen Mitgliederzahlen von geringer Bedeutung; ihre Aktivitäten blieben auf die jeweilige örtliche Ebene und auf Präsenz im Internet beschränkt. Als agilste Organisation in Deutschland erwies sich die Gruppe "Linksruck", deutsche Sektion des internationalen trotzkistischen Dachverbands "International Socialists" (Sitz London). Mit 1.200 (2000: ca. 1.200) zumeist jugendlichen Anhängern hat sie eine Größe erreicht, die alle übrigen trotzkistischen Formationen in Deutschland bei weitem übertrifft. Ihr politisches Angebot zu Protestaktivitäten in gesellschaftlichen Konfliktfeldern ist für junge Leute derzeit offenbar attraktiver als Zusammenschlüsse gewaltbereiter Autonomer. Den Kern der Organisation bilden mehrere Hundert professionelle Aktivisten. Zur politischen Ausrichtung von "Linksruck" erklärte eine Funktionärin in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel auf die Frage, wen sie der internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung zuordnen würde: "Marx und Engels, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, Lenin und auch Trotzki - ja. Damit kann ich mich identifizieren. Stalin gewiss nicht." (Der Spiegel, Nr. 31 vom 30. Juli 2001, S. 81) Bericht 2001 174 Linksextremistische Bestrebungen Aktivitäten von "Linksruck" will über eine "Einheitsfrontpolitik" mit anderen Trotzkisten in der "antikapitalistischen" Kräften eine "revolutionäre Linke" aufbauen, "Antiglobalisierungsversucht in solchen Bündnissen aber zumeist, die übrigen Kräfte zu bewegung" dominieren. Seit Sommer ist die Gruppe hauptsächlich in dem globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC (vgl. Kap. V, Nr. 3) aktiv. "Linksruck"-Aktivisten beteiligten sich in geschlossenen Formationen gemeinsam mit Anhängern der "International Socialists" an den Globalisierungsprotesten in Göteborg (Juni), Genua (Juli) und Brüssel (Dezember). Dabei gelang es ihnen wiederholt, den eigenen Beitrag zu präsentieren. Die von "Linksruck" zur Verfügung gestellte Reiseund Demonstrationslogistik wird auch von gewaltbereiten Linksextremisten genutzt. Die "Sozialistische Alternative Voran" (SAV), deutsche Sektion des ebenfalls in London ansässigen trotzkistischen Dachverbands "Committee for a Workers International" (CWI), konnte ihren Stand von 300 Mitgliedern halten; sie ist in 25 Städten Deutschlands vertreten. Auch die SAV wandte sich aktiv der Anti-Globalisierungsbewegung zu. Im Sommer erklärte sie ihren kollektiven Beitritt zum Netzwerk ATTAC. Im Zusammenhang mit den Gipfelprotesten trat sie häufig als "Widerstand International - gegen die Diktatur der Banken und Konzerne" auf. Wie "Linksruck" wird die SAV von der Zentrale ihres Dachverbands in London angeleitet; die gegenwärtige Taktik zum Aufbau einer "antikapitalistischen Bewegung" war Gegenstand einer europaweiten Schulungsveranstaltung im Juli in Leuwen (Belgien). Auf den traditionsreichsten der trotzkistischen Dachverbände, die "IV. Internationale/Secretariat Unifie" mit Sitz in Paris, beziehen sich in Deutschland nach wie vor mehrere trotzkistische Zusammenschlüsse, u. a. der "Revolutionär-Sozialistische Bund" (RSB, rund 100 Mitglieder). Die "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP, ehemals "Vereinigte Sozialistische Partei") löste sich Anfang des Jahres auf. Lediglich ein kleiner Restbestand ihrer Anhänger ordnet sich weiter als "internationale sozialistische linke" der "IV. Internationalen" zu. 5. "Rote Hilfe e.V." (RH) gegründet: 1975 Sitz: Göttingen (Geschäftsstelle) Mitglieder: über 4.000 (2000: rund 4.000) Publikationen: "Die Rote Hilfe", vierteljährlich Linksextremistische Bestrebungen 175 Die RH versteht sich als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Die Zahl der Mitglieder, verteilt auf etwa 40 Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet, ist weiter leicht angestiegen. Die finanzielle Situation der RH hat sich stabilisiert. Hauptaufgabe der RH blieb die Unterstützung von Anhängern der linksextremistischen Szene, die aus politischen Motiven straffällig geworden sind. Sie unterstützte auch die Kampagne für die Freilassung des in den USA wegen Mordes zum Tode verurteilten ehemaligen "Black-Panther"Mitglieds Mumia Abu-Jamal und forderte die Freilassung von in Frankreich, Spanien, Argentinien, Chile und der Türkei inhaftierten Linksextremisten. Dahinter trat - anders als im Vorjahr - der Einsatz zugunsten der Inhaftierten aus der "Roten Armee Fraktion" (RAF) zurück. Einer der Agitationsschwerpunkte war die Kritik an dem neuen Typ Gefängnis in der Türkei; die Unterbringung der Inhaftierten in Einzelzellen bzw. Kleingruppen wurde als "Isolationshaft" bezeichnet. Der Bundesrepublik Deutschland wurde vorgeworfen, sie habe der türkischen Regierung die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim, die "wie kein anderer Knast für ... weiße Folter" stehe, als nachahmenswertes Modell empfohlen.208 Auch militante Aktivisten der Anti-Globalisierungskampagne wurden von der RH unterstützt. Bereits nach den Festnahmen von Demonstranten beim IWF/Weltbank-Gipfel in Prag im September 2000 hatte die RH ein Spendenkonto eingerichtet und zur Solidarität aufgerufen. Nach den gewalttätigen Ausschreitungen bei Protesten gegen den EU-Gipfel in Göteborg und besonders gegen den G8-Gipfel in Genua verstärkte die RH ihre Bemühungen zugunsten der Globalisierungsgegner, z. B. durch Einrichtung von Spendenkonten. 6. "Bund der Antifaschisten (Dachverband) e.V." (BdA) gegründet: 1990 Sitz: Berlin Vorsitzender: Dr. Heinrich FINK Bericht 2001 176 Linksextremistische Bestrebungen Bekenntnis zum Der 1990 noch in der DDR als generationsübergreifender Dachver"Antifaschismus" der band gebildete BdA steht in der Tradition des orthodox-kommunistiDDR schen Antifaschismus. Er bekennt sich unverändert zum "Antifaschismus" der DDR und fühlt sich besonders verpflichtet, Werte und Ideale dieses "antifaschistischen Erbes" zu erhalten und zu verbreiten. Dem BdA gehören auch "Antifa-Gruppen" an, die sich selbst als autonom bezeichnen oder Zusammenschlüssen autonomer Antifaschisten gleichen. Der Verband fördert nach wie vor die Einbeziehung gewaltbereiter Antifaschisten in die "antifaschistische Jugendarbeit". Der BdA unterstützte und beteiligte sich wiederum an "AntifaWorkcamps", "Antifaschistischen/Antirassistischen Ratschlägen", "Bündnissen gegen Rechts" sowie an Veranstaltungen und Aufrufen, bei denen neben anderen linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Zusammenschlüssen oft auch demokratische Gruppierungen eingebunden waren. Gemeinsam u. a. mit der VVN-BdA (vgl. Nr. 1.2) veranstaltete der BdA am 13. Januar in Berlin das "VI. Antifaschistische Jugendtreffen" mit den Schwerpunktthemen "Antifaschistische Gegenstrategien" und "Bündnisse gegen Rechts". An dem Treffen nahmen rund 200 Personen teil, darunter Angehörige orthodox-kommunistischer, trotzkistischer und autonomer Zusammenschlüsse. Der BdA gehörte - u. a. neben der VVN-BdA und der autonomen "Antifaschistischen Aktion Berlin" (AAB) - zu den Initiatoren der am 25. Mai in Berlin vorgestellten "Plattform gegen Rassismus in Staat und Gesellschaft". Der lose Zusammenschluss von zunächst acht "Bürgerund Menschenrechtssowie antifaschistischen und radikaldemokratischen Organisationen" wollte eine breite politische Bewegung zusammenbringen, die sich nicht auf "Toleranzbündnisse", wie sie von staatlicher Seite propagiert würden, beschränke. Die militante Jugendgruppe "R.O.T.K.Ä.P.C.H.E.N. im und beim BdA" blieb weiter aktiv. Gemeinsam mit autonomen Antifa-Gruppen und mit Unterstützung des BdA richtete sie das "13. Antifa-Workcamp" vom 21. bis 28. Juli im Bereich der KZ-Gedenkstätte Buchenwald aus. Es nahmen rund 200 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Österreich und Polen teil. VereinigungsbestreDer BdA beteiligt sich aktiv an den Fusionsbemühungen der trabungen mit anderen ditionell ausgerichteten antifaschistischen Verbände. Er hatte bereits antifaschistischen am 25. März 2000 mit dem ostdeutschen "Interessenverband ehemaVerbänden liger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Linksextremistische Bestrebungen 177 Nazi-Regimes und Hinterbliebener e. V." (IVVdN) den Dachverband VVdN-BdA (vgl. Nr. 1.2) gebildet und einen gemeinsamen Vorstand gewählt. Er beabsichtigt, seine Arbeit künftig nur noch in den gemeinsamen Strukturen fortzusetzen. V. Aktionsfelder 1. Reaktionen von Linksextremisten auf die Terroranschläge in den USA Die Reaktionen aus dem Bereich des Linksextremismus auf die Terroranschläge am 11. September in den USA reichten von Ablehnung Ablehnung, und Bestürzung, insbesondere wegen der ideologisch/politisch nicht Bestürzung, aber herzustellenden Identifizierung mit den Tätern, bis hin zu Schuldzuauch kaum verhohlene weisungen an die USA und zu kaum verhohlener Zustimmung. Zustimmung Zugleich wurden zunehmend die erwarteten und später erfolgten militärischen Gegenschläge der USA und die Unterstützung durch Deutschland kritisiert. Gegen die innenpolitischen Maßnahmen in Deutschland wurde teilweise heftig agitiert. Die "faschistoiden Anschläge", so formulierte die autonome Szenepublikation "INTERIM", seien "keinesfalls unter die Rubrik 'militante linke Politik'" einzuordnen. Gemeinsamkeiten mit den Tätern seien nicht zu sehen: "Weder Afghanistan noch der Multimillionär Bin Laden stehen dem Kapitalismus entgegen - allenfalls stehen sie ausgerechnet solchen persönlichen Freiheiten entgegen, die Linke in der hiesigen Gesellschaft erkämpft haben." ("INTERIM" Nr. 537 vom 1. November 2001, S. 2) In einer späteren Ausgabe hieß es dann: "Die Anschläge vom 11. September waren antisemitisch motiviert, sie entstammen zutiefst patriarchalem und unterdrückerischem Denken. Sie haben mit linker, emanzipatorischer Politik nichts, aber auch gar nichts zu tun." ("INTERIM" Nr. 538 vom 15. November 2001, S. 3) Vereinzelt wurde auch Zynismus deutlich. So erklärten Autonome aus Köln, ein Teil der in New York und Washington D.C. UmgekomBericht 2001 178 Linksextremistische Bestrebungen menen seien "partiell zur militärischen oder ökonomischen Führungsschicht der USA" zu zählen: "Und schließlich war im Gebäudekomplex des WTC ein Haufen fixes Kapital vergegenständlicht, um das einige ökonomisch Geschädigte wohl tatsächlich 'trauern'." 209 Auch eine angebliche Mittäterschaft oder Steuerung durch die USA wurde - zumindest anfangs - suggeriert. So schrieb der Chefredakteur der Tageszeitung "Neues Deutschland" in einem Kommentar: "Nichts gibt es, absolut nichts ist vorstellbar, was diesen kaltblütigen Massenmord rechtfertigt, was sein Kalkül auch nur begreifbar machen könnte. ... Sitzen die Drahtzieher völlig außerhalb der durch Wall Street und Pentagon symbolisierten Teilwelt, oder sind einige von Ihnen sogar reichlich 'Mitspieler' innerhalb der selben? ... Alle bisherigen Terrorakte, so Schreckliches sie im einzelnen angerichtet haben, verfügten nicht über ein solches Ausmaß an Logistik, wie es nur in einem finsteren Geflecht von geheimdienstlichen, militärischen und finanzmächtigen Strukturen denkbar scheint, wo immer es beheimatet ist. Und für das die ausführenden Attentäter auch bloße Werkzeuge gewesen sein können." ("Neues Deutschland" vom 13. September 2001) Auch der Chefredakteur der Tageszeitung "junge Welt" (er ist zugleich Mitglied des "Marxistischen Forums der PDS") schrieb in einem Kommentar den USA Verantwortung zu: "Ereignisse wie die vom Dienstag beweisen allein die Existenz eines Krieges, den die kapitalistischen Industrieländer mit Ausplünderung, mit 'humanitären' Interventionen und Interventionsarmeen führen." ("junge Welt" vom 12. September 2001) Unter Bezug auf die Tagung des Bundessicherheitsrates fuhr er fort: "So sehen Vorboten nationaler, diesmal NATO-weiter Hysterie aus. Zu erwarten sind militärische Vernichtungsaktionen gegen mutmaßliche Linksextremistische Bestrebungen 179 Urheber plus unbeteiligte Zivilisten. Sie folgen dem Terror, den man in diesem Fall weniger denn je 'individuell' nennen kann, mit jener Konsequenz, mit der die Nazis den Reichstagsbrand nutzten. Die USA haben jedenfalls nie Skrupel gehabt, bei der Beseitigung von sozialistischen Regierungen einen Völkermord wie in Vietnam zu begehen ... ." Zu den Auswirkungen der Terroranschläge behaupteten Linksextremisten, nach dem 11. September werde das "Machtgefüge auf der Welt einmal mehr neu sortiert - und dabei sein ist alles."210 Im übrigen würden die berechtigte Trauer und der Schock funktionalisiert; die Stimmung werde für eine "Militarisierung" nach außen und innen genutzt.211 Einhellig abgelehnt und als "Vergeltung" oder "Rachefeldzug" Antiamerikanische bezeichnet wurden die militärischen Gegenschläge der USA. Dabei Agitation drängt trat in der antiamerikanischen und antiimperialistischen Agitation verbrecherische Qualität der von Linksextremisten die verbrecherische Qualität der Anschläge Anschläge in den schnell in den Hintergrund. Hintergrund Gewaltbereite Linksextremisten unterstellten der Bundesregierung, sie dränge im Krieg gegen Afghanistan - nach den USA und Großbritannien - der Dritte im Bunde des aktiven Militärbündnisses zu werden. "Rot-Grün" rüste Deutschland zur militärischen Interventionsmacht auf.212 In einem Flugblatt behauptete die "Rote Hilfe e. V.", zunächst gerieten Muslime ins Visier der Sicherheitsbehörden, aber später könne es jede andere Bevölkerungsgruppe sein, die das Selbstverständnis des Staates real oder nur scheinbar in Frage stelle: "Treffen kann es damit über kurz oder lang vor allem soziale Bewegungen, seien es nun AtomkraftgegnerInnen oder streikende Arbeitnehmer. Den SicherheitsstrategInnen ist es letztlich egal, wer im Raster hängen bleibt und staatlicher Überwachung und Verfolgung ausgesetzt wird." Auf den Beginn der militärischen Gegenschläge auf Ziele in Protestaktionen Afghanistan am 7. Oktober reagierte die linksextremistische Szene als Reaktion auf die militärischen noch in der gleichen Nacht mit einer Vielzahl von ProtestkundgeGegenschläge bungen. In den Abendstunden des 7. Oktober kam es in zahlreichen Städten zu spontanen Demonstrationen. Am 8. Oktober gab es in fast Bericht 2001 180 Linksextremistische Bestrebungen allen deutschen Großund Universitätsstädten Protestdemonstrationen, die bereits im Vorfeld für den "Tag X" - den Tag nach Beginn militärischer Aktionen - geplant worden waren. Am 13. Oktober fanden in Berlin (etwa 15.000 Teilnehmer) und Stuttgart (etwa 10.000 Teilnehmer) zwei zentrale "Antikriegsdemonstrationen" statt. Daran beteiligten sich neben zahlreichen Vertretern kirchlicher und gewerkschaftlicher Organisationen auch Angehörige von Gruppen der traditionellen "Friedensbewegung", Anhänger der PDS sowie revolutionär-marxistischer Organisationen. Angehörige der autonomen/antiimperialistischen Szene waren nur in geringer Zahl vertreten. Nach Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Bereitstellung deutscher Soldaten für Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus kam es bundesweit zu Protestaktionen, an denen sich mehrere Tausend Personen, darunter Angehörige linksextremistischer Gruppen und Organisationen beteiligten. 2. "Antifaschismus" und "Antirassismus" "Antifaschismus" Der "Antifaschismus" blieb ein wichtiges Aktionsfeld für Gruppierungen im Bereich des Linksextremismus. Der "antifaschistische Kampf" zielt nur vordergründig auf die Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen; er richtet sich letztlich gegen die freiheitlich verfasste demokratische Gesellschaft, diffamiert als "kapitalistisches" System, in dem der Faschismus angeblich seine Wurzeln hat. So schrieb unmissverständlich eine "Antifa-Gruppe" im "reader zum antifa-nrw kongress zweitausendeins in köln": "Ein bürgerlicher Staat kann weder Rassismus noch Faschismus wirkungsvoll bekämpfen, sondern bringt beide selbst mit hervor. Sich gegen Nazis als Erscheinung der bürgerlichen Gesellschaft zu richten, ist nur im Widerstand gegen diesen Staat möglich. ... Die Aufgabe, vor die uns ein ernstgemeinter Antifaschismus stellt, ist ... nichts anderes also als revolutionärer Widerstand." Auch die PDS-Vorsitzende Gabriele ZIMMER behauptete zur Eröffnung einer Konferenz gegen Rechtsextremismus (12. Mai in Berlin), die Entwicklung der rechtsextremistischen Szene habe System, "sie Linksextremistische Bestrebungen 181 ist systemimmanent". Rechtsextremisten seien zwar quantitativ eine Minderheit. Diese Minderheit habe sich aber in den Jahrzehnten "lascher bundesdeutscher Staatspolitik" überall festgesetzt, weil politisch eine konsequente Abrechnung mit deutschem Faschismus nicht wirklich gewollt gewesen sei. Zur Bekämpfung der "Saat des Rechtsextremismus" gehöre auch, dass die PDS die "Kriminalisierung" von "Antifa-Gruppen", also vor allem junger Menschen, verurteile, die im Verfassungsschutzbericht beschrieben würden.213 Teile der autonomen Szene setzten die - bereits im Jahr 2000 begonnenen - Diskussionen über eine inhaltliche Erneuerung des "antifaschistischen Kampfes" fort (vgl. auch Kap. III, Nr. 1.2). Diese Versuche erfolgten vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Debatte über den Rechtsextremismus, die von Autonomen zunächst auch als Chance für die eigene politische Arbeit begriffen worden war, die aber die autonome "Antifa-Bewegung" ihres identitätsstiftenden Themas und Aktionsfeldes wenigstens zum Teil beraubte. So schilderte das autonome "Bündnis gegen Rechts", Leipzig, die Situation anschaulich: "Die Antifa hingegen stand am Rande des Geschehens und wurde von der Rhetorik der verzivilgesellschafteten Öffentlichkeit überrannt. Die seit Jahren betriebene eigene Politik schien plötzlich zum Mainstream aufzusteigen; ... Die Begriffe der eigenen Politik der letzten Jahre wurden plötzlich von der Staatsantifa aufgegriffen und für deren Politik verwendet. Hier wurde bereits klar, dass die zukünftige Politik sich stärker von den staatsantifaschistischen Begrifflichkeiten und Politikformen abgrenzen müsse und dass neue Handlungsfelder für linksradikale Politik von Nöten sein würden." ("KlaroFix" Nr. 85 von April 2001, S. 4) Eine andere autonome Gruppe forderte entsprechend: "deutliche Abgrenzung 'vom Aufstand der Anständigen'"214 laute das Gebot der Stunde, denn schließlich gelte es, ein eigenes Profil zu bewahren.215 Die verstärkte Einbeziehung der "Zivilgesellschaft" als Zielobjekt des "antifaschistischen Kampfes" wird deutlich in einem Aufruf des autonomen Leipziger "Bündnis gegen Rechts" zu Protesten sowohl Bericht 2001 182 Linksextremistische Bestrebungen gegen einen Aufmarsch der rechtsextremistischen "Freien Kameradschaften" als auch gegen eine von Gewerkschaften, Kirchen und demokratischen Parteien getragene Demonstration zum Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs am 1. September in Leipzig. Darin heißt es: "Die radikale Linke, die sich in den letzten Jahren maßgeblich als Antifabewegung definiert hat, kann heute nicht einfach nur gegen die Nazibewegung vorgehen. Sie muss ihren Begriff von Antifa verteidigen, indem sie gegen den Militarismus vorgeht, der sich in der BRD neuerdings hinter ehemals explizit linken Forderungen verbirgt. Alle Angriffe, die wir am 1. September gegen Nazis und die Zivilgesellschaft unternehmen, stehen unter Imperativ 'Deutschland den Krieg erklären!'" Trotz solcher Bemühungen um eine inhaltliche Neuausrichtung der autonomen "Antifa-Bewegung" gehört es weiterhin zu deren Selbstverständnis, gegen das Auftreten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit vorzugehen. Dabei soll offensive Aufklärung der "NaziSzene" in den Vordergrund rücken. So bekräftigten Düsseldorfer Autonome in einem Positionspapier zu einem "Antifa-Kongress" nordrhein-westfälischer Gruppen im Mai, die "Antifa" könne auch in Zukunft die "Aufmarschpraxis" der Neonazi-Szene nicht unkommentiert lassen. Es müsse jedoch gelingen, strategisch in die Offensive zu gelangen; das heiße, den täglichen Freiraum der Nazi-Szene einzuschränken und ihre Kader aus der Anonymität ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren.216 Bei Demonstrationen und Großveranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen suchten militante Linksextremisten häufig die direkte Konfrontation auf der Straße. So beteiligten sich am 1. September aus Anlass der oben erwähnten Demonstration in Leipzig mehr als 1.000 militante Linksextremisten, darunter insbesondere Angehörige autonomer Gruppen aus Sachsen, aber auch aus anderen Bundesländern, an Protestaktionen gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten sowie gegen ein überwiegend von nicht extremistischen Organisationen verDemonstration am 1. September in Leipzig anstaltetes Friedensfest. Da Polizei- Linksextremistische Bestrebungen 183 kräfte direkte Angriffe autonomer Gruppen auf die Demonstration der Rechtsextremisten verhinderten, errichteten Autonome Straßenbarrikaden aus Müllcontainern und Krankenhausbetten, die auf dem Hof einer Klinik abgestellt waren, und setzten diese in Brand. Sie zerstörten Fensterscheiben von Geschäften und Büros, plünderten einen Supermarkt und brachten eine Straßenbahn zum Entgleisen. Polizeikräfte wurden mit Pflastersteinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen, Einsatzkräfte der Feuerwehr behindert. Ein Aufmarsch von Rechtsextremisten am frühen Nachmittag des 1. Dezember in Berlin (Bezirk Mitte), der sich gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" richtete, war zeitweise von massiven Ausschreitungen durch Gegendemonstranten begleitet. Nachdem eine Protestdemonstration (Motto: "Gegen den Krieg und die Kriegsbeteiligung deutscher Soldaten ebenso wie gegen faschistische Aktivitäten") mit mehr als 2.000 Teilnehmern, darunter mehrere hundert militante "Antifas" und Angehörige revolutionärmarxistischer Gruppen, zunächst friedlich begonnen hatte, kam es insbesondere in der Nähe der Neuen Synagoge zu massiven Ausschreitungen. Militante Linksextremisten bewarfen Polizeibeamte mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern, errichteten Barrikaden, beschädigten Einsatzfahrzeuge und Schaufensterscheiben und setzten Müllcontainer in Brand; wiederholt versuchten sie, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. Die Polizei nahm über 60 Personen fest, u. a. wegen Landfriedensbruchs; 28 Beamte wurden verletzt. Militante "Antifas" schrecken auch nicht vor direkten Angriffen auf vermeintliche Rechtsextremisten zurück. So drang am 27. Mai in Rinteln (Niedersachsen) eine Gruppe Vermummter gewaltsam in die Wohnung eines vermeintlichen Rechtsextremisten ein; dabei versprühten sie Reizgas, zerstörten mehrere Türen und schlugen auf die Anwesenden ein. Aus der "Antifa-Debatte" heraus entstand die Forderung, die in der autonomen Szene vertretenen Zusammenschlüsse sollten ihre vielfach auf einzelne Aktionsfelder konzentrierten Aktivitäten überdenken und sich um eine deutlichere gesamtgesellschaftliche Kritik bemühen: Bericht 2001 184 Linksextremistische Bestrebungen "Die Antifa muss sich mittelfristig von der Ein-Punkt-Bewegung hin zu einer antikapitalistischen Bewegung entwickeln, da sie sonst nur die Symptome bekämpft nicht aber deren Ursachen." ("reader zum antifa-nrw kongress zweitausendundeins in köln") Das Thema "Antikapitalismus" müsse viel mehr zu einem zentralen Thema der "antifaschistischen Linken" werden; eine getrennte Bekämpfung von "Unterdrückungsmechanismen" sei unzureichend. Deutlicher als bisher müsse der "Zusammenhang zwischen Faschismus, Rassismus und dem kapitalistischen Verwertungsprinzip" aufgezeigt werden. "Antirassismus" Zur Bedeutung des Themas "Antirassismus" im Rahmen einer "antikapitalistischen Praxis" erklärte ein Leipziger Autonomer in einem Interview mit einem Radiosender aus Halle: "Im Themenfeld Rassismus lässt sich derzeit hervorragend ablesen, wie eine kapitalistische Gesellschaft die Menschen nach Verwertungskriterien einteilt. Da lässt sich dann auch eine Praxis entfalten und eine Gesellschaftskritik konkret verdeutlichen." So organisierten die aus Angehörigen der autonomen/antiimperialistischen Szene bestehende bundesweite Initiative "Libertad!" und das überwiegend von demokratischen Gruppen getragene Netzwerk "Kein Mensch ist illegal" für den 20. Juni eine "Online-Demo" gegen die Lufthansa AG. Die Initiatoren forderten einen Stopp der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und warfen der Lufthansa vor, an diesem "Geschäft" verdienen zu wollen: "Wenn Konzerne, die an Abschiebung Geld verdienen, ihre größten Filialen im Internet aufbauen, muss genau dort demonstriert werden , eCommerce? Wir können auch eProtest." 217 Ziel der "Online-Demo" am 20. Juni - Tag der Hauptversammlung der Lufthansa AG in Köln - war, die Homepage durch massenhafte Zugriffe zu blockieren. Der virtuelle Angriff scheiterte zwar; lediglich in den ersten Minuten des Blockadeversuchs kam es durch einen erhöhten Zugriff für Nutzer kurzfristig zu längeren Wartezeiten Linksextremistische Bestrebungen 185 beim Aufbau der Homepage. Die Initiatoren bewerteten jedoch das starke Interesse der Medien an der Aktion als Erfolg. Ein weiterer Schwerpunkt autonomer "Antirassismusarbeit" war das "4. Antirassistische Grenzcamp" vom 27. Juli bis 4. August in Kelsterbach (Hessen); bis zu 500 Personen nahmen daran teil. Bei der Abschlusskundgebung vor dem Frankfurter Flughafen forderten die etwa 2.000 Teilnehmer die Auflösung des Abschiebelagers für Asylbewerber im Flughafenbereich und ein Bleiberecht für Migranten. Die Polizei verhinderte ein gewaltsames Eindringen von bis zu 200 Demonstranten in den Flughafenbereich. 3. Proteste gegen "Globalisierung" und "Neoliberalismus" Vor dem Hintergrund sich häufender Proteste gegen internationale Gipfelkonferenzen konnte sich im europäischen bzw. internationalen Rahmen seit Ende 1999 eine außerordentlich heterogen zusammen gesetzte - oftmals untereinander vernetzte - "Anti-Globalisierungsbewegung" etablieren. Ihr vorrangiges Handlungsmotiv scheint in einer diffusen Angst vor negativen politischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen einer in zunehmendem Maße deregulierten und demokratisch nicht mehr kontrollierbaren Wirtschaftsordnung zu bestehen. Die Ablehnung dieser "neoliberalen Globalisierung" bildet den ideologischen Minimalkonsens eines Protestspektrums, dem Vertreter klassischer Nichtregierungsorganisationen (NGO)218, Interessenverbände von Arbeitnehmern und Erwerbslosen, Umweltschutzorganisationen und kirchliche Basisgruppen ebenso angehören wie sozialrevolutionär motivierte Gruppierungen, Organisationen und Parteien sowohl kommunistischer als auch anarchistischer Prägung. In Deutschland ist dieses Phänomen trotz medialer Aufmerksamkeit keine Massenbewegung; linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Kräfte dominieren. Herausragende Mobilisierungsanlässe für die "Anti-GlobalisieGewalttätige rungsbewegung" in Europa waren das 31. Jahrestreffen des World Proteste in Davos, Economic Forum (WEF) im Januar in Davos, der jährliche Gipfel der Göteborg und Genua Europäischen Union im Juni in Göteborg und das Treffen der Staatsund Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen (G8) im Juli in Genua. Gewalttätige Gruppierungen der international zusammengesetzten Bewegung, die zahlenmäßig eine kleine Minderheit darstellen, nutzten die ProteBericht 2001 186 Linksextremistische Bestrebungen ste gegen diese Gipfelveranstaltungen zur planmäßigen Inszenierung von Straßenmilitanz. So verwüsteten sie Teile der Innenstädte Göteborgs und Genuas und griffen Polizeibeamte massiv an. Im Sommer wurde das öffentliche Bild der "Anti-Globalisierungsbewegung" entscheidend von den "Gipfelkrawallen" gewaltbereiter Autonomer geprägt. Deutsche Autonome waren an den Ausschreitungen in Göteborg beteiligt; bis zu 500 waren zu den Protesten gegen das G8-Treffen nach Genua gereist. Die in Genua eskalierende Gewalt des Straßenkampfes, der - aus den eigenen Reihen erhobene - Vorwurf "hirnloser Militanz" gegen Unbeteiligte und die Erfahrung einer KonfrontaAusschreitungen am 21. Juli in Genua tion mit anderen Demonstranten, die das Agieren des "Schwarzen Blocks" nicht akzeptierten, führten zu Selbstzweifeln und der Einschätzung, eine Eskalation der Auseinandersetzungen in eine militärische Dimension hinein könne man nicht bestehen. Die Terroranschläge des 11. September trugen zusätzlich zu einer Verunsicherung der ohnehin wenig dynamischen deutschen Autonomen-Szene bei. An Mobilisierungen gegen drei im Zusammenhang mit der belgischen EU-Präsidentschaft stehende Gipfel im Herbst/Winter haben sich Autonome infolgedessen nicht mehr in einem nennenswerten Umfang beteiligt. An Bedeutung innerhalb der "Anti-Globalisierungsbewegung" gewonnen hat die deutsche Sektion des 1998 in Frankreich auf maßgebliches Betreiben von Trotzkisten aus der "IV. Internationalen/ Secretariat Unifie" (vgl. Kap. IV, Nr. 4) gegründeten internationalen Netzwerks ATTAC (Association pour une taxation des transactions financieres pour l'aide aux citoyens).219 Nach seiner Gründung im November 2000 hatte ATTAC-Deutschland rund 200 Mitglieder gewinnen können. Im Wesentlichen beeinflusst durch ihre öffentlichkeitswirksame Distanzierung von den Gewaltexzessen in Genua wuchs die Anhängerschaft von ATTAC-Deutschland auf bis zu 3.000 Personen an. 4. Kampagne von Linksextremisten gegen Kernenergie "Kampf dem Castor heißt Kampf dem System" - so lautete bezeichnenderweise die Überschrift einer Selbstbezichtigung militanter Autonomer zu Anschlägen gegen Strecken der Deutschen Bahn AG. Denn der Widerstand von Linksextremisten gegen die friedliche Nut- Linksextremistische Bestrebungen 187 zung der Kernenergie, der sich besonders in Protesten gegen CASTOR-Transporte ausdrückt, ist immanenter Bestandteil ihrer darüber hinausgehenden verfassungsfeindlichen Zielsetzung; wörtlich hieß es dazu in der Taterklärung: "Diese Bewegung ist für uns bei allen inhaltlichen Differenzen weiterhin ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Kritik an jeglichen Herrschaftsstrukturen. In der weitestgehend unabhängigen basisorientierten Struktur der Anti-Atom-Bewegung sehen wir viele Möglichkeiten selbstbestimmten Handelns auch über den unmittelbaren Kampf gegen Atomenergie hinaus." ("INTERIM" Nr. 537 vom 1. November 2001, S. 11) Im übrigen werde man sich "nicht die Wahl der Mittel durch den bürgerlichen Gewaltdiskurs diktieren lassen". Bereits im Vorfeld des im Frühjahr durchgeführten Atommülltransports von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague (Frankreich) in das niedersächsische Brennelementezwischenlager Gorleben (Ende März) - dem ersten Transport dieser Art seit mehreren Jahren - kam es zu Anschlägen gegen Einrichtungen der Deutschen Bahn. So wurden Schienenstücke aus einer Gleisanlage zwischen Lüneburg/Dannenberg getrennt (Februar) und mehrere Hakenkrallenanschläge im Großraum Berlin und in Niedersachsen verübt (Anfang März). Unverhohlen bekräftigten "Autonome Gruppen" in einem Selbstbezichtigungsschreiben zu den Anschlägen, das mehreren Tageszeitungen zuging: "Nach wie vor ist klar, dass (es) nicht allein um AKWs geht. Selbst nach einem realen Ausstieg in der BRD würde der Widerstand gegen internationale Endlager, Atomstrom aus Osteuropa und die Liberalisierung des Strommarktes weitergehen. Aber auch ohne all das ist dieses System unappetitlich genug. Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung wären weiter vorhanden und Ziel unseres unversöhnlichen Widerstandes. Der Anti-AKW-Kampf ist eine strategische Chance für Kämpfe in anderen Bereichen, da hier ein wirklicher Erfolg möglich ist. Politisch ist diese Auseinandersetzung seit langer Zeit zu unseren Gunsten entschieden, es geht jetzt um die praktische Umsetzung." Während des Transports demonstrierten allein im niedersächsischen Wendland etwa 6.000 Atomkraftgegner gegen den CASTORTransport. Die zur Sicherung des Transports eingesetzten PolizeibeBericht 2001 188 Linksextremistische Bestrebungen amten wurden wiederholt von mehreren Hundert militanten Atomkraftgegnern angegriffen. Die Gewalttäter bewarfen die Polizeikräfte mit Steinen, beschossen sie mit Signalmunition und Stahlkugeln. Auch ein Polizeihubschrauber wurde mit Signalmunition beschossen, ein Einsatzfahrzeug der Polizei in Brand gesetzt und völlig zerstört, weitere Fahrzeuge durch Steinwürfe oder andere Gewalteinwirkung schwer beschädigt. An mehreren Stellen wurden Gleisanlagen beschädigt und Schienenblockaden durchgeführt. So wurde stellenweise Schotter entfernt, Schrauben wurden von den Schwellen gelöst und mittels Hydraulikpresse wurde der Schienenstrang deformiert. Wegen einer Gleisblockade musste der CASTOR-Transport angehalten werden und konnte erst am folgenden Tag mit erheblicher Verspätung fortgesetzt werden. Bei den Ausschreitungen wurden insgesamt 29 Polizeibeamte verletzt, zwei davon schwer. Die Polizei nahm etwa 600 Personen in Gewahrsam, etwa 40 Personen wurden vorläufig festgenommen. Der zweite CASTOR-Transport von La Hague nach Gorleben (12. bis 14. November) war ebenfalls Anlass für Protestaktionen und Anschläge. So wurden Ende Oktober im Großraum Berlin an vier verschiedenen Orten Konstruktionen aus Ketten und Stahlseilen in Zugoberleitungen eingehängt, wodurch Kurzschlüsse entstanden. Ebenfalls Ende Oktober verübten unbekannte Täter in Niedersachsen einen Brandanschlag auf eine Eisenbahnbrücke, über die der CASTOR-Transport nach Gorleben führen sollte. Bei dem Anschlag waren tragende Teile der Brücke beschädigt worden, so dass diese vor dem Transport umfassend saniert werden musste. In der Anti-Atom-Bewegung wird zunehmend dafür plädiert, sich von der Fixierung auf "CASTOR-Events" zu lösen, um eine Vernetzung mit antikapitalistischen Kräften aus der Kampagne gegen "Globalisierung" anzustreben. VI. Agitationsund Kommunikationsmedien 1. Verlage, Vertriebe und periodische Publikationen Im Jahr 2001 verbreiteten nahezu 40 Verlage und Vertriebsdienste im Bereich des Linksextremismus Zeitungen, Zeitschriften und Bücher. Die Gesamtzahl der von ihnen herausgegebenen periodischen Publikationen ist mit rund 230 gegenüber dem Vorjahr ebenso konstant geblieben wie die Gesamtauflage mit rund 8 Millionen. Linksextremistische Bestrebungen 189 2. Internet Die Kommunikationsmedien Internet und Mailboxen werden im Bereich des Linksextremismus weiter zunehmend genutzt und dienen der Selbstdarstellung, Mobilisierung, Organisierung und Agitation. Die im World Wide Web (WWW) bereits vorhandenen Informationsportale wurden ausgebaut, auch der E-Mail Verkehr sowie die Nutzung von Mailinglisten und Diskussionsforen sind selbstverständlich geworden. Erstmals wurde 2001 auch ein "Angriff" auf eine Webseite durchgeführt. Mailboxsysteme - als geschlossene Netzwerke - haben nur noch Bedeutung für den internen Informationsaustausch. Fast alle linksextremistischen Organisationen, z. B. die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), "Linksruck", die "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU/IAA) sowie autonome Gruppen wie die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) und die "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen sind im Internet vertreten. Auch nahezu das gesamte linksextremistische Publikationsangebot ist im Internet abrufbar. In der Regel werden auch früher erschienene Ausgaben angeboten. Über als "Rote Zonen" bezeichnete Portalseiten verbreiten Linksextremisten ihre politischen Vorstellungen sowie umfangreiche für die Szene relevante Informationen. Das von Angehörigen der autonomen Szene Hamburg seit 1994 Informationsportale betriebene Internetportal "nadir" nutzt einen Server in den Niederlanden. Wie die anderen "arrivierten" Informationsportale "Partisan.net" und "DIE LINKE SEITE" hat auch "nadir" sein Angebot erweitert. Themenschwerpunkte waren neben "Antifaschismus" und "Antirassismus" vor allem die Mobilisierung und Berichterstattung im Rahmen der "Anti-Globalisierungsbewegung". Hierbei übernahm insbesondere das von Linksextremisten betriebene "indymedia.de", das sich als "unabhängiges medienzentrum" bezeichnet, die aktuelle Information. Dieses Medienkollektiv versteht sich als Teil eines internationalen Netzwerks - es trat erstmalig im Vorfeld des im Frühjahr 2001 durchgeführten Castor-Transports in Erscheinung und erlebte bei der Live-Berichterstattung zum G8-Treffen in Genua seine aktivste Phase. Nach den Terroranschlägen am 11. September in den USA wurde auf fast allen Webseiten/Internetportalen deutscher LinksextremisBericht 2001 190 Linksextremistische Bestrebungen ten - nach anfänglicher Bekundung von Anteilnahme - vehement gegen die angekündigten militärischen Gegenmaßnahmen der USA und der NATO agitiert und zu Demonstrationen und Gegenaktionen mobilisiert. "Widerstand im Erstmals praktizierten Linkextremisten den "Widerstand im Cyberspace" Cyberspace". Der von der Initiative "Libertad!" - einem Zusammenschluss von Angehörigen der autonomen/antiimperialistischen Szene - initiierte Versuch, am 20. Juni durch massenhafte Zugriffe die Homepage der Lufthansa AG zu blockieren, ist zwar gescheitert; lediglich in den ersten Minuten des Blockadeversuchs kam es durch einen erhöhten Zugriff für Nutzer kurzfristig zu längeren Wartezeiten beim Aufbau der Homepage. Gleichwohl bewerteten die Initiatoren das starke Interesse der Medien an der Aktion als Erfolg. Diskutiert wurden derartige Aktionen bereits seit einiger Zeit, so hieß es in der Nürnberger Szenezeitschrift "barricada" entsprechend: "Dem eigenen Aktionsfeld im Internet selbst sind bei entsprechender technischer Kenntnis kaum Grenzen gesteckt. Gegen einen wirkungsvollen Angriff auf eine Seite/eine Einrichtung im Netz per Viren oder Datenüberlastungsaktionen ist ein Sprengstoffanschlag in seiner Wirkung kaum mehr als Peanuts, Beispiele gab es dafür in der Vergangenheit einige. Cyber-Guerilla, vielleicht DIE militante Option des Widerstands im 21. Jahrhundert, wir werden's sehen." ("barricada", Ausgabe Juni 2000, S. 2 f.) In der Leipziger Szenepublikation "KlaroFix" wurde dieser Gedanke vertieft. Dort hieß es in einem mehrseitigen Beitrag, die Taktiken des zivilen Ungehorsams müssten überdacht werden: "Es wird notwendig, kapitalistische Strukturen durch breiter angelegte Vorgehensweisen zu stören. Zum Beispiel mit Mitteln der ,Imageverschmutzung'. Ein Teil davon kann elektronischer ziviler Ungehorsam sein. ... Elektronischer ziviler Ungehorsam ist jung, aber vielseitig. In Verbindung mit Aktionen anderer, d. h. nicht elektronischer, Art lässt sich für die Zukunft ein großes Potential ausmachen. Nutzen wir es! ... Wir denken, es ist Zeit, diese elektronischen Mittel im Widerstand zu erproben." ("KlaroFix", Nr. 87 von Juni 2001, S. 43 f.) Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 192 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern I. Überblick Extremistische und terroristische Ausländergruppierungen gefährden weiterhin in unterschiedlicher Intensität die innere Sicherheit Deutschlands. Auch im Jahr 2001 waren die Aktivitäten der Mehrzahl dieser Organisationen von den politischen Verhältnissen und aktuellen Ereignissen in den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt. Im Gefolge der Terroranschläge in den USA am 11. September hat sich die Gefahrenlage auch in Deutschland verschärft; das mögliche Bedrohungsszenario hat eine neue Dimension erreicht. Islamistische Extremistisch-islamische (islamistische) Bestrebungen haben sich, Positionen wie sich seit Jahren abzeichnete220, zu einer Bedrohung nicht nur für die muslimischen Länder, sondern auch für die internationale Staatengemeinschaft entwickelt. Auch in Deutschland gefährdeten Islamisten die innere Sicherheit; Bestrebungen islamistischer Organisationen richteten sich auch weiterhin gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die meisten der im Bundesgebiet aktiven Gliederungen und Zweige islamistischer Ausländerorganisationen türkischen, arabischen und vorderbzw. zentralasiatischen Ursprungs wollen vorrangig die in ihren Heimatländern bestehenden, aus ihrer Sicht mit den Geboten des Koran und der Scharia (islamisches Rechtssystem) nicht im Einklang stehenden Staatsund Gesellschaftsordnungen durch islamistische Staatswesen ablösen. Einzelne erklären offen, auch die Weltherrschaft des Islam anzustreben. Um westlichen Einfluss in den muslimischen Ländern zurückzudrängen, haben sich einige islamistische Terrorgruppen zum Ziel gesetzt, zunächst die dortige militärische Präsenz der USA (z. B. in Saudi-Arabien) zu beenden. Hierbei schrecken sie auch vor Terroranschlägen außerhalb der Region nicht zurück. Diese Organisationen sehen ihren gewaltsamen Kampf durch den im Koran angeführten Begriff des "Jihad" (wörtlich: [innerer] Kampf, Anstrengung oder heiliger Krieg) legitimiert, der nach Ansicht ihrer Ideologen gegen "Ungläubige" und vom "wahren Glauben" Abgefallene erlaubt sei und alle dem Islam zum Sieg verhelfenden Mittel einschließe. Andere islamistische Organisationen, darunter solche, die sich als Interessenvertreter großer Teile der im Bundesgebiet lebenden etwa drei Millionen Muslime sehen, wollen nicht mehr nur eine islamistische Gesellschaftsordnung in ihren Herkunftsländern, sondern ihre politisch religiösen Vorstellungen zunehmend auch in Deutschland umsetzen. Islamisten sind der Auffassung, dass mit der Scharia ein alle Lebensbereiche regelndes islamisches Gesellschaftssystem vorgegeben sei, das zur Ausübung eines "wahren" Islam unverzichtbar sei. Dementsprechend versuchen islamistische Organisationen, für ihre Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 193 Anhänger im Bundesgebiet Freiräume zu schaffen, in denen sie ein Leben nach der Scharia führen können. Zum Kern islamistischer Ideologie gehört die Behauptung, staatliche Herrschaft könne und dürfe nicht menschlichem Willen entspringen, sondern gehe von Allah aus, dessen Wille - geoffenbart im Koran - die alleinige, für alle und immer geltende Wahrheit darstelle. Islamisten lehnen deshalb das Prinzip der Volkssouveränität und alle Gesellschaftsmodelle, die auf die Entschließungsund Entscheidungsfreiheit der Menschen, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Pluralität der Meinungen setzen, ab. Der Absolutheitsanspruch von Islamisten steht in unauflösbarem Widerspruch zu weiteren obersten Wertprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie dem Gleichheitsgrundsatz, dem Mehrheitsprinzip oder dem Recht auf Bildung und Ausübung parlamentarischer Opposition. Linksextremistische Ausländergruppierungen wollen die jeweiLinksextremistische lige Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren Heimatländern Positionen durch ein sozialistisches bzw. kommunistisches System ersetzen. Dabei betrachten sie "revolutionäre Gewalt" als legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele. Ideologisch orientieren sich die meisten Organisationen an marxistisch-leninistischen Konzepten, einige haben auch maoistische Ideen aufgenommen. Gemeinsam ist auch den ausländischen Linksextremisten ein ausgeprägter "Anti-Imperialismus", der sich vor allem in Agitation gegen die USA äußert. Bei einigen Ausländergruppierungen (insbesondere kurdischen und tamilischen Ursprungs) ist die ehemals linksextremistische Orientierung in den letzten Jahren zugunsten ethnisch-motivierter Autonomieund Unabhängigkeitsbestrebungen in den Hintergrund getreten. Nationalistische bzw. nationalistisch geprägte AusländergruppieNationalistische rungen betrachten die eigene Nation in ihrer ethnisch-kulturellen Positionen Ausprägung und in ihrem politisch-territorialen Rahmen als höchstes Gut und machen dies zur alleinigen Richtschnur politischen und gesellschaftlichen Handelns. Rechte anderer Ethnien werden negiert. Der Wert des Menschen wird allein von der Zugehörigkeit zur eigenen Nation/Rasse abhängig gemacht. Dies verstößt fundamental gegen Menschenrechte und den Grundsatz der Völkerverständigung. Das Mitgliederpotenzial extremistischer Ausländerorganisationen Mitgliederpotenzial blieb im Vergleich zum Vorjahr (58.800) mit 59.150 nahezu unverändert. Bericht 2001 194 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern "Arabische Zu einer besonderen Bedrohung haben sich die Aktivitäten der Mujahedin" "Arabischen Mujahedin" entwickelt, die sich zum Teil in einem losen Netzwerk in Gefolgschaft des Usama BIN LADEN, zum Teil eingebunden in dessen Organisation "Al-Qaida" (Die Basis), am internationalen "Jihad" beteiligen. Religiös hergeleiteter Fanatismus, Hass, Rigorosität in der Wahl von Zielen und Aktionsmitteln, hohe Mobilität und Konspiration machen die Gefährlichkeit der "Arabischen Mujahedin" aus. Die Terroranschläge mutmaßlicher Anhänger Usama BIN LADENs am 11. September auf das "World Trade Center" und das US-Verteidigungsministerium (Pentagon) sowie der Absturz eines Flugzeuges in Pennsylvania lösten weltweites Entsetzen aus. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass drei der 19 Attentäter zuvor mehrere Jahre als Studenten unauffällig in Deutschland gelebt hatten, bevor sie in den USA eine Pilotenausbildung begannen und die konkreten Tatvorbereitungen trafen. Drei Personen, die während ihres Aufenthaltes Kontakt zu den Attentätern hatten, werden mit Haftbefehl gesucht. Bereits im Dezember 2000 waren in Frankfurt/M. vier mutmaßliche Angehörige einer Mujahedin-Gruppe verhaftet worden. Der Anführer dieser so genannten "Meliani"-Gruppe wurde Mitte 2001 in Spanien festgenommen. Die Gruppe steht im Verdacht, einen terroristischen Anschlag in Straßburg/Frankreich vorbereitet zu haben. Am 28. November hat der Generalbundesanwalt Anklage erhoben. Den fünf Angeschuldigten wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen; vier Angeschuldigten wird zudem zur Last gelegt, ein Verbrechen (Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Mord) verabredet und andere schwerwiegende Straftaten begangen zu haben. "Kalifatsstaat" Der Bundesminister des Innern hat am 12. Dezember die islamistische Organisation "Der Kalifatsstaat" verboten221. Sie hatte in Deutschland lebende türkische Muslime über Jahre zum "Jihad" aufgerufen und in ihren Schriften in türkischer und deutscher Sprache antisemitische und antidemokratische Agitation verbreitet. IGMG Die türkische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) - zahlenmäßig größte extremistische Organisation von Ausländern im Bundesgebiet - ist weiterhin bestrebt, ihren Anhängern ein Scharia-konformes Leben zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, will die breit strukturierte Organisation (mit über 300 Moscheevereinen und anderen Einrichtungen) ihre gesellschaftspolitischen Aktivitäten weiter verstärken. Dazu forderte sie ihre Anhänger seit April nachdrücklich auf, sich um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bemühen, um Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 195 über die ihnen daraus erwachsenden Rechte besser Einfluss auf die politische Willensbildung in Deutschland nehmen zu können. Um türkische Jugendliche in ihrem Sinne zu indoktrinieren, offeriert die Organisation weiterhin ein breites Angebot an Betreuungs-, Schulungsund Freizeitaktivitäten im religiösen und sozialen Bereich. Ihr besonderes Augenmerk gilt dabei auch dem Religionsunterricht für muslimische Kinder an öffentlichen Schulen, den sie in ihrem Sinne gestalten will. Dazu nutzt sie u. a. ihre Präsenz in landesbzw. bundesweiten Föderationen und Dachverbänden von Muslimen, wie z. B. im "Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland". Diese Verbände sehen sich zunehmend als wichtige Ansprechpartner staatlicher und kirchlicher Stellen in Deutschland. In der Türkei fördert die IGMG Bestrebungen zur Abschaffung der laizistischen Staatsordnung. Aus der bislang von der Organisation unterstützten islamistischen "Fazilet-Partisi" (FP - "Tugend-Partei") sind nach deren Verbot im Juni in der Türkei zwei Nachfolgeparteien hervorgegangen: die islamistische "Glückseligkeitspartei" ("Saadat-Partisi", SP) und die nach eigenem Bekunden reformbereite "Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei" (AKP). Welche Auswirkungen die Spaltung der FP auf die IGMG haben wird, bleibt abzuwarten. Das von den türkischen linksextremistischen Organisationen Türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und "Marxislinksextremistische tisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) gegründete "SoliOrganisationen daritätskomitee mit den politischen Gefangenen" (DETUDAK) sowie das von der DHKP-C gebildete "Komitee gegen Isolationshaft" (IKM) agitierten weiterhin auch in Deutschland gegen die Errichtung angeblicher "Isolationszellen" für "politische Gefangene" in türkischen Haftanstalten und begleiteten den von Gesinnungsgenossen in türkischen Haftanstalten zur Unterstützung ihrer Forderungen durchgeführten Hungerstreik propagandistisch. An den Folgen des im Oktober 2000 begonnenen Hungerstreiks starben bis Ende 2001 in der Türkei über 40 Personen. Die in Deutschland mit einem vereinsrechtlichen BetätigungsPKK verbot belegte "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) hielt an ihrem im August 1999 verkündeten Gewaltverzicht (der seitens der PKK als "1. Friedensinitiative" bezeichnet wird) fest. Die Versuche zur Wandlung der Organisation als politische Kraft, die mit ihren Forderungen in der Türkei politisches Gehör finden will, dauern an. Ihre Kampfeinheiten im Irak, nahe der türkischen Grenze, blieben aber bestehen. Im Bundesgebiet tritt die Organisation nicht offen auf. Veranstaltungen und Kundgebungen ihrer Anhänger verliefen friedlich. Im Rahmen einer "2. Friedensinitiative" versuchten PKKAnhänger in Deutschland und anderen europäischen Ländern ab Mai mit einer "Identitätskampagne", ihre Forderung nach AnerBericht 2001 196 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern kennung ihrer "kurdischen Identität" in die Öffentlichkeit zu tragen. MEK Die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" ("Modjahedin-E-Khalq" - MEK), vertreten durch ihren politischen Arm "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI), ist unverändert bemüht, die iranische Führung im westlichen Ausland zu diskreditieren und setzt ihre zumeist illegalen Geldbeschaffungsmaßnahmen fort. Asiatische Separatistische Gruppen aus Südasien wie die "Liberation Tigers Separatisten of Tamil Eelam" (LTTE) und mehrere Sikh-Organisationen versuchten weiterhin, zum Teil über Tarnorganisationen, Spendensammlungen durchzuführen, um so ihre Aktivitäten im Herkunftsland finanzieren zu helfen. II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Personenpotenzial 222 In Deutschland lebten Ende 2000 rund 7,3 Millionen Ausländer. Die meisten von ihnen achten unsere Rechtsordnung und leisten ihren Beitrag zur Integration. Lediglich eine Minderheit (weniger als 1 %) hat sich extremistischen Ausländerorganisationen angeschlossen. 2001 waren in Deutschland 65 (2000: 66) extremistische Ausländerorganisationen aktiv, in die nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden etwa 59.100 Personen (2000: 58.800) als Mitglieder oder Anhänger fest eingebunden sind. Der Wirkungsbereich dieser Organisationen ist allerdings erheblich größer; zu ihren Veranstaltungen können mehrere dieser Organisationen ein Vielfaches ihrer Mitgliederzahlen mobilisieren. Wie in den Vorjahren bildeten die islamistischen Gruppierungen mit 31.950 (2000: 31.450) das größte extremistische Potenzial. Mitgliederstärkste Organisation blieb die türkische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) mit ca. 27.500 Personen (2000: ca. 27.000). Die bis zu ihrem Verbot im Dezember 2001 zweitstärkste türkische islamistische Organisation, der "Kalifatsstaat", hatte rund 1.100 Mitglieder mit Gliederungen in sieben Bundesländern. Die islamistischen Organisationen aus dem arabischen Raum verfügten zusammen unverändert über ein Potenzial von 3.100 Personen. Mitgliederstärkste Organisation blieb die libanesische "Hizb Allah" (Partei Allahs) mit rund 800 Personen (2000: 800). In die Organisationen und "Islamischen Zentren" des ägyptischen und syrischen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 197 Zweiges der "Muslimbruderschaft" (MB) waren rund 1.200 Personen (2000: 1.200) eingebunden. Marxistisch-leninistische und sonstige linksextremistisch geprägte Ausländergruppen hielten noch ein Potenzial von 18.250 Personen (2000: 18.600). Die Abwärtsentwicklung bei den türkischen kommunistischen Parteien und Kadergruppen setzte sich aber fort. Die Mitgliederzahl der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" -"Partizan" - (TKP/ML) in Deutschland ging auf ca. 1.000 (2000: 1.100), die der "Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) auf 850 (2000: 900) Personen zurück. Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) konnte ihr Anhängerpotenzial (ca. 12.000) halten. Die Anhängerschaft nationalistischer Gruppierungen stieg auf 8.900 Personen (2000: 8.750) an. Mit rund 8.000 Personen (2000: 7.800) blieb die "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V." (ADÜTDF) die mitgliederstärkste Organisation. Mitgliederpotenzial extremistischer Ausländerorganisationen1) Staatsangehörigekit Linksextremisten Extreme Islamisten Gesamt bzw. Nationalisten Volkszugehörigkeit Gruppen Personen Gruppen Personen Gruppen Personen Gruppen Personen Kurden2) 2001 22 12.350 22 12.350 2000 22 12.400 22 12.400 1999 23 12.400 23 12.400 Türken2) 2001 12 3.950 1 8.000 5 28.650 18 40.600 2000 12 4.250 1 7.800 6 28.150 19 40.200 1999 12 4.850 1 7.800 5 28.150 18 40.800 Araber 2001 4 150 12 3.100 16 3.250 2000 4 150 12 3.100 16 3.250 1999 4 150 11 2.950 15 3.100 Iraner 2001 1 900 1 100 2 1.000 2000 1 900 1 100 2 1.000 1999 1 900 1 150 2 1.050 Sonstige 2001 2 900 4 950 1 100 7 1.900 2000 2 900 4 950 1 100 7 1.950 1999 4 1.250 4 1.000 1 100 9 2.350 Summe 2001 41 18.250 5 8.900 19 31.950 65 59.100 2000 41 18.600 5 8.750 20 31.450 66 58.800 1999 44 19.550 5 8.800 18 31.350 67 59.700 1) Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass den Verfassungsschutzbehörden nicht zu allen 59.100 Personen individuelle Erkenntnisse vorliegen. Dies folgt schon daraus, dass die Verfassungsschutzbehörden hauptsächlich einen Strukturbeobachtungsauftrag haben; umfassende personenbezogene Erkenntnisse zur gesamten Mitgliedschaft der beobachteten Organisationen sind dafür nicht erforderlich. 2) Seit 1997 werden hier auch mit Verbot belegte Gruppen gezählt. Bericht 2001 198 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 2. Extremistische Strafund Gewalttaten aus dem Bereich des Ausländerextremismus * Extremistische Strafund Gewalttaten aus dem Bereich des Ausländerextremismus bilden eine Teilmenge des Phänomenbereichs "Politisch motivierte Ausländerkriminalität". Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" wurden 1.020 Straftaten, hiervon 144 Gewalttaten (14 %), zugeordnet. In diesem Bereich wurden 511 Straftaten mit extremistischer Motivation, darunter 84 Gewalttaten, erfasst. Übersicht über Gewalttaten und sonstige Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität"* (01. 01.31. 12. 2001) Gewalttaten: Tötungsdelikte 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 Körperverletzungen 30 Brandstiftungen 2 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 Landfriedensbruch 14 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 4 Freiheitsberaubung 1 Raub 2 Erpressung 20 Widerstandsdelikte 9 gesamt 84 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 40 Nötigung, Bedrohung 34 Andere Straftaten 353 gesamt 427 Straftaten insgesamt 511 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA). Die Übersicht enthält - mit Ausnahme der Tötungsdelikte - vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Ist zum Beispiel während eines Landfriedensbruchs zugleich eine Körperverletzung begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. * Zum neuen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) vgl. Kap. II, Nr. 2 im Berichtsteil "Rechtsextremistische Bestrebungen". Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 199 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität"* [IN DEN LÄNDERN] (01. 01. - 31. 12. 2001) Berlin 32 BadenWürttemberg 14 Bayern 14 Bremen 4 Hessen 4 Saarland 3 Hamburg 2 RheinlandPfalz 2 Sachsen 2 SachsenAnhalt 2 Thüringen 2 Niedersachsen 1 NordrheinWestfalen 1 SchleswigHolstein 1 Brandenburg 0 MecklenburgVorpommern 0 * Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Bericht 2001 200 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern III. Ziele und Aktionsschwerpunkte einzelner Gruppen 1. Araber 1.1 "Arabische Mujahedin" (Kämpfer für die Sache Allahs) Entstehungszeit: Anfang der 80er Jahre in Pakistan/Afghanistan Leitung: autarke Zellen Mitglieder/Anhänger: keine gesicherten Zahlen Die weltweiten Aktivitäten "Arabischer Mujahedin" haben sich seit Mitte der 90er Jahre zu einer besonderen Bedrohung für die westliche Staatengemeinschaft entwickelt. Ihren organisatorischen Ursprung haben die "Arabischen Mujahedin" im sowjetisch-afghanischen Konflikt. Anfang der 80er Jahre, während des Krieges gegen die sowjetische Besatzungsmacht in Afghanistan, bildete sich aus muslimischen Freiwilligen eine "Mujahedin-Bewegung". Sie umfasst Militärische Islamisten größtenteils arabischer Herkunft, die in AusbildungslaAusbildungslager gern zunächst in Pakistan und Afghanistan, später auch im Jemen oder im Sudan, Unterweisungen im Gebrauch von Waffen, zum Teil auch in terroristischen Anschlagstechniken erhielten und ihre anschließenden Kampfeinsätze als "Jihad", als heiligen Krieg, verstanden. Die Lager und die Ausbildungstätigkeit wurden auch nach Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan fortgeführt und bestanden bis in die jüngste Zeit. Kennzeichnend für die ideologische Ausrichtung "arabischer Mujahedin" ist ein pan-islamischer Ansatz, der die bewaffnete Verteidigung der muslimischen Welt in ihrer gebietsmäßigen und religiösen Ausprägung gegen "Ungläubige" propagiert, verbunden mit einer militanten Ablehnung der westlichen Gesellschaft und deren Werteordnung. Viele der Freiwilligen absolvierten Kampfeinsätze auch auf anderen Schauplätzen "Arabische des internationalen "Jihad", so in Tschetschenien, Bosnien, im Mujahedin" agieren Kaschmir/Nordindien oder auf den Philippinen. Auch Angehörige in einem globalen zahlreicher militanter Islamistengruppen in nordafrikanischen StaaNetzwerk ten, wie z. B. der algerischen "Bewaffneten Islamischen Gruppe" (GIA) sowie der "Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf" (GSPC) (vgl. Nr. 1.4) oder der ägyptischen Gruppen "Al-Gama'a al-Islamiyya" (GI) und "Jihad Islami" (JI) (vgl. Nr. 1.3) haben solche Ausbildungslager durchlaufen und an Kampfeinsätzen teilgenommen. Die regionalen Islamistengruppen sind daher zum Teil eng mit den "Arabischen Mujahedin" verbunden. Vielfältig sind auch die Verbindungen der Mujahedin zu Angehörigen der Organisation Usama BIN Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 201 LADENs, "Al-Qaida" (vgl. Nr. 1.2). Die persönlichen Kontakte, die das nach und nach entstandene, inzwischen nahezu globale Netzwerk der "arabischen Mujahedin" kennzeichnen, resultieren aus den gemeinsamen Ausbildungszeiten und oft auch dem gemeinsamen Einsatz im Guerillakampf. Einige Gruppen aus diesem Spektrum versuchen, den "Jihad" in Europa mit terroristischen Mitteln zu führen. So bereitete eine von dem algerischen Staatsangehörigen Mohamed BEN SAKHRIA alias "Meliani" geführte "Mujahedin"-Gruppe ("Meliani"Gruppe) im Dezember 2000 einen Sprengstoffanschlag in Straßburg vor. Der Anschlag konnte durch die Festnahme mehrerer Angehöriger der Gruppe am 25. Dezember 2000 in Frankfurt/M. vereitelt werden. BEN Prozessbeginn am 16. April 2002 SAKHRIA konnte zunächst untertauchen; im Juni 2001 wurde er in Spanien festgenommen und nach Frankreich ausgeliefert. Im Rahmen polizeilicher und nachrichtendienstlicher Ermittlungen stellte sich heraus, dass die "Meliani"-Gruppe in Verbindung mit einer weiteren "Mujahedin"-Gruppe in Italien stand, die sich aus tunesischen und ägyptischen Staatsangehörigen zusammensetzte. Deutsche und italienische Sicherheitsbehörden nahmen in einer abgestimmten Aktion am 4. April in Frankfurt/M., München sowie an Orten in Oberitalien mehrere Personen fest. Die Ermittlungen erbrachten Hinweise darauf, dass auch diese Gruppe Anschläge vorbereitete. Durch die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mehrerer Verhinderung von europäischer Länder konnten im September AnschlagsvorbereitunAnschlägen gen, diesmal gegen die Botschaft der USA bzw. das US-amerikanische Kulturzentrum in Paris, erkannt und verhindert werden. Eine mehrheitlich aus algerischen Staatsangehörigen bestehende "Mujahedin"Gruppierung unter der Führung des französischen Staatsangehörigen algerischer Herkunft Djamal BEGHAL, mit Anhängern in Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Deutschland, plante nach den bisherigen Ermittlungen eine Selbstmordaktion. BEGHAL, der sich ab Mitte des Jahres 2000 in Afghanistan in Einrichtungen des Usama BIN LADEN aufgehalten hatte, war bei seiner beabsichtigten Rückreise nach Westeuropa schon Ende Juli in den Vereinigten Arabischen Emiraten festgenommen worden. Bericht 2001 202 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 1.2 "Al-Qaida" (Die Basis) gegründet: Mitte der 80er Jahre Leitung: Usama BIN LADEN Mitglieder/Anhänger: keine gesicherten Zahlen Die Organisation Usama BIN LADENs, "Al-Qaida", entstand Mitte der 80er Jahre während des Widerstandes der Mujahedin in Afghanistan gegen die sowjetische "Rote Armee". Ihr Zweck war zunächst die logistische Unterstützung der afghanischen Kämpfer mit Geld, militärischer Ausrüstung und auch mit Freiwilligen überwiegend arabischer Herkunft (den "Arabischen Mujahedin", vgl. Nr. 1.1). Nach dem Abzug der sowjetischen Armee beteiligte sich die "Al-Qaida" an den Kämpfen gegen das verUsama BIN LADEN bliebene kommunistische Regime in Kabul. Seit dem Golfkrieg (1991) verurteilt Usama BIN LADEN die Stationierung USamerikanischer Truppen in Saudi-Arabien, die er als "ungläubige Eindringlinge auf geheiligtem Boden des Islam" betrachtet. Die USA wurden zum erklärten Hauptgegner der "Al-Qaida". 1991 lehnte sich Usama BIN LADEN eng an die von Hasan AL-TURABI geführte "Nationale Islamische Front" (NIF) im Sudan an; er verlagerte noch im selben Jahr den Sitz seiner Organisation in den Sudan, richtete dort mehrere Ausbildungslager ein, gründete ein Netz von Firmen und investierte erhebliche Geldmittel in den Ausbau der sudanesischen Infrastruktur. Auf ägyptisches und US-amerikanisches Betreiben mussten BIN LADEN und seine Anhänger 1996 den Sudan verlassen; sie kehrten nach Afghanistan zurück. Dort stand "Al-Qaida" unter dem Schutz der Taliban223. Diese erlaubten den Aufbau zahlreicher Ausbildungslager und die Einreise gewaltbereiter Islamisten aus aller Welt, die politisch religiöse, militärische und terroristische Unterweisungen für den "Jihad" suchten. Viele der Freiwilligen leisteten sodann erste Kampfeinsätze auf Seiten der Taliban gegen die militärischen Einheiten der Nordallianz. Die Ausbildungslager der "Al-Qaida" in Afghanistan wurden bei den Militärschlägen der USA und mit ihr verbündeter Länder ab dem 7. Oktober zerstört. Zahlreiche Mujahedin kamen zu Tode oder wurden gefangengenommen, andere sind auf der Flucht. Die Organisation Usama BIN LADENs verübte seit 1993 mehrere terroristische Anschläge gegen US-Einrichtungen. US-Militärschläge Die somalischen Kämpfer, die 1993 in Mogadischu/Somalia 18 US- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 203 Soldaten töteten, sollen bereits von "Al-Qaida" ausgebildet worden sein. Auch die Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Nairobi/ Kenia und Daressalam/Tansania im August 1998 sowie auf den USZerstörer "Cole" im Hafen von Aden/Jemen im Oktober 2000 werden der Organisation Usama BIN LADENs zugeschrieben. Die Drohungen Usama BIN LADENs gegen die "Ungläubigen", Drohungen insbesondere die USA, waren mit den Jahren immer aggressiver gegen die USA geworden. Im Februar 1998 veröffentlichte er eine Fatwa (ein islamisches Rechtsgutachten), unterzeichnet von Vertretern anderer islamistischer Organisationen - darunter der ägyptische "Jihad Islami" (JI) sowie pakistanische bzw. kaschmirische Gruppen -, die gemeinsam als "Internationale Islamische Front für den Kampf gegen Juden und Kreuzfahrer" auftraten. In dieser Erklärung bezeichnete Usama BIN LADEN es als individuelle Pflicht jedes Muslim, Amerikaner und ihre Verbündeten - Zivilisten und Militärs - zu töten, wo immer sich dazu die Möglichkeit eröffne. Zur Rechtfertigung für den Jihad führte er im selben Jahr in einem Interview aus: "Allah ist derjenige, der uns geschaffen und mit dieser Religion gesegnet hat und uns befiehlt, diesen 'Heiligen Krieg' zu führen, um die Worte Allahs über die Worte des Ungläubigen zu erheben." (Auszug aus einem Interview von ABC-News mit Usama BIN LADEN an einem geheimen Ort in Afghanistan am 28. Mai 1998) Am 11. September entführten mutmaßliche "Al-Qaida"Angehörige in den USA vier Verkehrsmaschinen. Zwei der Flugzeuge lenkten sie in die Türme des "World Trade Center" in New York, die beide einstürzten, eines in das USVerteidigungsministerium (Pentagon) in Washington. Das vierte Flugzeug stürzte in Pennsylvania ab, nachdem es an Bord allem Anschein nach zu einem Kampf zwischen den Entführern und Passagieren gekommen war. Den Anschlägen fielen fast 3.000 Menschen zum Opfer. BIN LADEN rühmte in Videoaufzeichnungen die Anschläge als erfolgreiche Aktion und drohte weitere Angriffe auf Ziele in den USA an. Bei den Ermittlungen zu Tatbeteiligten und Hintergründen der Anschläge stellte sich heraus, dass sich drei der 19 Kommandomitglieder mehrere Jahre in Deutschland aufgehalten und in Hamburg studiert hatten, bevor New York am 11. September Bericht 2001 204 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern sie im Verlauf des Jahres 2000 in die USA übersiedelten, dort eine Pilotenausbildung begannen und die Aktionen im einzelnen vorbereiteten. Die Ermittlungen erbrachten auch Hinweise, dass sich diese drei Attentäter Ende 1999/Anfang 2000 zumindest kurze Zeit in Afghanistan in Einrichtungen der "Al-Qaida" aufgehalten haben. In den islamistischen Organisationen in Deutschland hatten sie sich nicht betätigt.224 Gegen mehrere Personen, mit denen die Attentäter während des Aufenthaltes in Deutschland in Verbindung standen und die mutmaßlich Kenntnis von Anschlagsvorbereitungen hatten, führt der Generalbundesanwalt Ermittlungsverfahren wegen Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (SS 129 a StGB); drei dieser Personen werden mit Haftbefehl gesucht. 1.3 Ägyptische islamistische Gruppen "Al-Gama'a al-Islamiyya" (GI) (Islamische Gemeinschaft) gegründet: 1971 (in Ägypten) Leitung: Shura, bestehend aus 8-10 Personen; die meisten davon außerhalb Ägyptens Mitglieder/Anhänger: in Deutschland nur Einzelne "Jihad Islami" (JI) (Islamischer Heiliger Krieg) gegründet: 1973 Leitung: Shura (Funktionärsgruppe von 8-10 Personen; die meisten davon außerhalb Ägyptens) Mitglieder/Anhänger: nur Einzelne Die "Al-Gama'a al-Islamiyya" (GI), eine der regionalen Islamistengruppen mit Verbindungen in das Netzwerk der "Arabischen Mujahedin" (vgl. Nr. 1.1), hielt sich an ihre Ankündigung aus dem Jahre 1999, militärische Operationen innerund außerhalb Ägyptens einzustellen. In der Organisation wird jedoch über die Zweckmäßigkeit dieser Entscheidung diskutiert. Mitglieder und Funktionäre der GI in Deutschland befürworteten die Fortsetzung des gewaltfreien Kurses. Kritisch äußerte sich wiederholt der in den USA wegen Beteiligung an dem 1993 verübten Sprengstoffanschlag auf das New Yorker "World Trade Center" verurteilte und inhaftierte Scheich Abdul RAHMAN; er gilt als geistlicher Führer der GI. Einer der entschiedenen Gegner des Verzichts auf Gewalt, Rifa'i TAHA, früheres Mitglied des GI-Führungsgremiums, der Shura, wurde 2001 in Syrien festgenom- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 205 menen und an Ägypten ausgeliefert; er war dort schon in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. 1998 war er an der Seite Usama BIN LADENs einer der Unterzeichner des Aufrufs der "Internationalen Front für den Kampf gegen Juden und Kreuzfahrer" (vgl. Nr. 1.2), distanzierte sich davon jedoch wieder auf Druck der GI, die ihm vorwarf, eigenmächtig gehandelt zu haben. Die militante islamistische Organisation "Jihad Islami" (JI) hielt über ihren langjährigen Führer, Dr. Ayman AL-ZAWAHIRI, schon seit Jahren engen Kontakt zur "Al-Qaida" Usama BIN LADENs. AL-ZAWAHIRI, der sich ebenfalls in Afghanistan aufhielt, gehörte zu den Unterzeichnern des Gründungsaufrufs der "Internationalen Front gegen Juden und Kreuzfahrer" und gab im Frühsommer 2001 den Zusammenschluss des JI mit der "Al-Qaida" bekannt. Er gilt als enger Vertrauter BIN LADENs und Mitverantwortlicher für Terroranschläge gegen US-amerikanische Einrichtungen. Die immer stärkere Annäherung an die "Al-Qaida" blieb innerhalb des JI nicht unumstritten. Derzeit ist nicht absehbar, inwieweit dieser Kurs nach der Zerschlagung großer Teile der "Al-Qaida"-Infrastruktur in Afghanistan beibehalten wird. Die Position der wenigen JI-Mitglieder und -Anhänger in Deutschland zur "Al-Qaida" blieb unklar. Offene Unterstützung oder Befürwortung terroristischer Aktionen blieben aus. Ein langjähriger JIFunktionär trat öffentlich für den Gewaltverzicht gegenüber der ägyptischen Regierung, wie ihn die "Al-Gama'a al-Islamiyya" erklärt hat, ein, zugleich forderte er die Intensivierung des Kampfes zur Befreiung der angeblich bedrohten "heiligen Stätten", insbesondere Jerusalems. Die "Befreiung" Jerusalems sei ein wesentliches Ziel aller Muslime. Bericht 2001 206 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 1.4 Algerische islamistische Gruppen "Islamische Heilsfront" "Front Islamique du Salut" (FIS) gegründet: 1988 in Algier, 1989 als Partei in Algerien offiziell zugelassen, seit 1992 dort verboten Leitung: Vorsitzender der "Exekutivinstanz der FIS im Ausland", Rabah KEBIR (derzeitiger Aufenthalt in Deutschland) Mitglieder/Anhänger: ca. 400 (2000: ca. 400) Publikationen: "Al-Ribat" (Das Band/Die Verbindung), wöchentlich "Bewaffnete Islamische Gruppe" "Groupe Islamique Arme" (GIA) gegründet: 1992 (in Algerien) Leitung: Antar ZOUABRI Mitglieder/Anhänger: In den Zahlen der FIS enthalten. "Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf" "Groupe salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC) gegründet: Ende 1997 in Algerien als Abspaltung von der GIA, seit Anfang 1999 unter dem Namen GSPC Leitung: Hassan HATTAB alias Abou HAMZA Mitglieder/Anhänger: In den Zahlen der FIS enthalten. Wachsende Unzufriedenheit in der algerischen Gesellschaft über die Politik des Staatspräsidenten Bouteflika bildete den Nährboden für Protestaktionen, die z. B. im Mai in der Kabylei und in der Hauptstadt Algier in Massenunruhen mündeten. Die Vorwürfe lauteten u. a., die angekündigten Reformen würden nicht umgesetzt. Den Islamisten in Algerien gelang es jedoch nicht, die von den Berberregionen ausgehenden Unruhen im Sommer 2001 politisch zu verwerten, da sie sich durch die Massaker der letzten Jahre in der Bevölkerung diskreditiert hatten. Dieser Bedeutungsverlust spiegelte sich in der Haltung der FIS-Anhänger im Exil wieder. So hat die "Exekutivinstanz der FIS im Ausland", die gewillt war, auf die Regierung in Algier zuzugehen, in Algerien kein politisches Gewicht mehr. Der Zuspruch der Anhängerschaft der FIS für den im Oktober 1997 in London ins Leben gerufenen "Koordinationsrat der FIS im Ausland" (Front Islamique du Salut - Conseil de Coordination a l'extranger/CCFIS) wuchs. Der "Koordinationsrat" empfiehlt einen kompromisslosen Kurs gegenüber der algerischen Regierung. Das von Staatspräsident Bou- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 207 teflika initiierte "Gesetz zur bürgerlichen Eintracht" sieht er als gescheitert an. Im Sommer begann der "Koordinationsrat" mit Vorbereitungen zur Einberufung einer "Europa-Konferenz" der FIS im Ausland mit dem vorrangigen Ziel, alle Strömungen innerhalb der islamistischen Regimegegner zu einen. Aufgrund der Terroranschläge in den USA am 11. September wurde die Konferenz verschoben. Die algerischen Terrorgruppen GIA und GSPC verfolgen weiterIslamisches hin das Ziel, in Algerien gewaltsam ein islamistisches Staatswesen Staatswesen als Ziel zu errichten. Die zur Zeit anhängerund aktionsmäßig dominierende GSPC hat in einem am 27. März veröffentlichten Kommunique erneut ihre Ablehnung der algerischen Staatsordnung bekundet und Kampf sowohl gegen das derzeitige System wie auch gegen westliche Staaten, die die algerische Regierung unterstützen, angedroht. Eine verstärkte Überwachung durch westliche Sicherheitsbehörden, verbunden mit exekutiven Maßnahmen in mehreren westeuropäischen Ländern, führten 2001 zu erheblicher Schwächung der Unterstützerstrukturen der GSPC in Europa. Im Namen der "Exekutivinstanz der FIS im Ausland" verurteilte Rabah KEBIR in einer via Internet verbreiteten Erklärung am 12. September die Anschläge in den USA als "terroristischen Akt" und "katastrophalen Angriff auf das friedliche Zusammenleben der Völker". Der Islam lehne Terroranschläge "gegen Zivilbevölkerungen und unschuldige Personen" ab. Der "Koordinationsrat" verband u. a. in einem Kommunique vom 18. September seine Ablehnung und Verurteilung der Anschläge mit Kritik an der USA und Israel: "In den ersten Stunden nach den Anschlägen auf die USA hat die FIS ihre Empörung angesichts derartiger Aktionen und ihr Mitgefühl für die Opfer zum Ausdruck gebracht. Zwar hat die amerikanische Regierung das Recht, darauf hinzuarbeiten, die Attentäter zu bestrafen, andererseits ist ebenso wichtig, dass die USA ihre Antwort auf gesicherte, erwiesene Fakten gründet und vermeidet, dass Unschuldige getroffen werden. ... Außerdem sollten alle Regierungen sich zusammentun, um gemeinsam den unterdrückten Völkern zu helfen, ihre mit Füßen getretenen Rechte zurück zu erlangen, wobei wir vor allem an das palästinensische Volk denken, das weiterhin unter der Herrschaft der Zionisten dahinvegetiert." Bericht 2001 208 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 1.5 Weitere islamistische Gruppen 1.5.1 Muslimbruderschaft (MB)/Islamische Zentren gegründet: 1928 (in Ägypten) Leitung: Shura in Ägypten Mitglieder/Anhänger: in Deutschland ca. 1.200 (2000: ca. 1.200) Publikationen: "Risalat ul-Ikhwan" (Rundschreiben der Bruderschaft), "Al-Islam" mit "Al-Islam aktuell" (Der Islam), "Al Raid" (Der Kundschafter), unregelmäßig Die islamistische MB wurde 1928 in Ägypten von Hassan al BANNA gegründet; die Bewegung verbreitete sich von dort in nahezu alle arabischen Staaten sowie in Länder, in denen arabische Muslime leben. Die MB betrachtet die Mehrzahl der Regime in der muslimischen Welt als unislamisch und strebt deren Umgestaltung in Staaten islamistischer Prägung auf der Grundlage der Scharia an. Die Ideologie der MB hat zur Herausbildung zahlreicher militanter islamistischer Organisationen geführt, wie u. a. der algerischen "Islamischen Heilsfront" (vgl. Nr. 1.4), der tunesischen "En Nahda" (Bewegung der Erneuerung), der ägyptischen Organisationen "AlGama'a al Islamiyya" (Islamische Gemeinschaft) und "Jihad Islami" (Islamischer Jihad) - vgl. zu beiden Nr. 1.3 - sowie der palästinensischen "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS, vgl. Nr. 1.5.2). In Deutschland gründeten Anhänger der Muslimbruderschaft 1960 die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V." (IGD). Diese steht unter dem Einfluss des ägyptischen Zweigs der MB. Schwerpunkt ist das "Islamische Zentrum" in München, von dem aus weitere Islamische Zentren u. a. in Frankfurt/M., Nürnberg, Erlangen und Stuttgart betreut werden. Anhänger des syrischen Zweiges der MB gründeten Anfang der 80er Jahre die "Islamischen Avantgarden" mit organisatorischem Schwerpunkt im "Islamischen Zentrum" in Aachen. In Einrichtungen der IGD wird z. T. offen gegen die Existenz des Staates Israel und insbesondere gegen die Anwesenheit von Juden in Jerusalem 225 agitiert. Die Reaktionen auf die Terroranschläge in den USA am 11. September waren unterschiedlich. Die Mehrzahl der Verantwortlichen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 209 in den "Islamischen Zentren" mahnte zur Besonnenheit und distanzierte sich von Terror als Mittel des "Jihad". Unter den Besuchern der Zentren gab es auch unverhohlene Zustimmung zu den Anschlägen und offenkundige Genugtuung, dass eine derartige Aktion auch in den USA möglich gewesen sei. Andere wollten eine Verantwortung Usama BIN LADENs und dessen Organisation "Al-Qaida" generell ausschließen und sprachen unbestimmt von Verschwörungen amerikanischer und israelischer Stellen. 1.5.2 "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/ "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) gegründet: 1981 (in München) Zentrale Begegnungsstätte: Islamisches Kulturund Erziehungszentrum Berlin e. V. Leitung: Führungsfunktionäre Mitglieder: ca. 250 (2000: ca. 250) Der palästinensische Zweig der "Muslimbruderschaft" (MB), die "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS), führte weiterhin terroristische Aktionen in Israel und gegen israelische Einrichtungen und Interessen in den palästinensischen Autonomiegebieten durch. Hauptziel der HAMAS ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet Palästinas auch durch bewaffneten Kampf. Die Organisation lehnt die kompromissbereite Position der PLO strikt ab und untermauert diese Haltung durch terroristische Aktionen wie Selbstmordattentate. Der 1981 von in Deutschland lebenden Angehörigen der palästinensischen "Muslimbruderschaft" gegründete "Islamische Bund Palästina" vertritt seit Dezember 1987 die Positionen der HAMAS. In Deutschland beteiligten sich HAMAS-Anhänger an mehreren Kundgebungen sowie Demonstrationen, z. B. anlässlich der "Arabischen Gipfelkonferenz in Amman" im März. Sie protestierten dabei vor allem gegen das israelische Vorgehen in den teilautonomen palästinensischen Gebieten. In Einrichtungen des IBP führte der in Aachen ansässige Spendenverein "Al-Aqsa e. V." weiterhin Geldsammlungen zur Unterstützung der Opfer der "Intifada" durch. In ihren Reaktionen auf die Terroranschläge des 11. September in den USA folgten HAMAS-Anhänger in Deutschland den Erklärungen Bericht 2001 210 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern der HAMAS-Führung, darunter Scheich Ahmad YASIN im Nahen Osten. Derartige Anschläge, die sich gegen unschuldige Menschen richteten, seien abzulehnen. Gleichzeitig werden die Anschläge jedoch als das Resultat einer "zionistischen Verschwörung" dargestellt und die muslimischen Staaten dazu aufgefordert, die Koalition gegen den Terrorismus in keiner Weise zu unterstützen. 1.5.3 "Hizb Allah" (Partei Gottes) gegründet: 1982 (im Libanon) Zentrale Begegnungsstätte: Islamisches Zentrum Münster Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger: ca. 800 (2000: 800) Publikationen: u. a. "Al Ahd" (Die Verpflichtung), wöchentlich Die Umwandlung des Libanon in einen nach den Regeln des Islam verfassten und geleiteten Staat nach iranischem Vorbild blieb langfristiges Ziel der von iranischer Seite ideologisch beeinflussten und materiell unterstützten "Hizb Allah", die ihre politischen Interessen seit 1992 auch im libanesischen Parlament verfolgt. Ihr militärischer Arm "Al Moquawama Al Islamiya" (Islamischer Widerstand) hat jedoch nicht an Bedeutung verloren. Als Beispiel für dessen Erfolg im Kampf gegen Israel sieht die "Hizb Allah" den Rückzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon im Mai 2000. Auch "Hizb Allah"-Anhänger in mehreren deutschen Städten feierten den Jahrestag dieses Ereignisses. Sie sprachen vom "ruhmreichen" Kampf des militärischen Arms der "Hizb Allah". Einer islamischen Widerstandsbewegung sei es erstmals gelungen, so der Hauptredner einer Veranstaltung, den Mythos der Unbesiegbarkeit Israels zu zerstören. Reaktionen auf den Nach den Terroranschlägen in den USA verbreitete sich bei den 11. September "Hizb Allah"-Anhängern in Deutschland zunächst Genugtuung darüber, dass sich auch die als übermächtig empfundenen Vereinigten Staaten als verletzbar erwiesen hätten, bald folgte aber die Sorge, mit der Vorbereitung der Anschläge in Verbindung gebracht zu werden und künftig an Handlungsspielraum zu verlieren. Hassan NASRALLAH, der politische Führer der "Hizb Allah" im Libanon, erklärte als- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 211 bald, dass die Aktionsziele der "Hizb Allah" ausschließlich im Nahen Osten lägen, Gewaltaktionen außerhalb der Region, zum Beispiel in Europa, seien nicht beabsichtigt. Ayatollah FADLALLAH, der geistliche Führer der Organisation, unterstrich diese Linie. In der Folge reduzierte die "Hizb Allah" in Deutschland ihre öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten deutlich. Zu den RamadanVeranstaltungen reisten, anders als in den Vorjahren, nur noch wenige Prediger aus dem Libanon an. "Hizb Allah"-Funktionäre forderten immer wieder dazu auf, die hier geltenden Gesetze und Regeln zu achten und keine Freude über die Terrorangriffe zu zeigen. An der zentralen muslimischen Demonstration zum "al-Quds"Tag (Jerusalem-Tag) 226 am 8. Dezember in Berlin waren allerdings zahlreiche Mitglieder der "Hizb Allah" unter den rund 1.000 Teilnehmern. 2. Türken (ohne Kurden) 2.1 Türkische Islamisten 2.1.1 Der "Kalifatsstaat", auch "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln" (ICCB) gegründet: 1984 in Köln Sitz: Köln Leitung: Metin KAPLAN Mitglieder: ca. 1.100 (2000: ca. 1.100) Publikation: "Ümmet-i Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds), wöchentlich Organisationsverbot: seit 12. Dezember 2001 Die Organisation Der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti), geführt von dem selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime", Metin KAPLAN, rief auch im Jahr 2001 zum Sturz des laizistischen türkischen Staatsgefüges auf, welches durch ein islamistisches System auf der Grundlage der Scharia ersetzt werden müsse - mit dem Endziel der Weltherrschaft des Islam unter der Führung eines einzigen Kalifen. Unverändert agitierte die Organisation auch gegen Demokratie und Parteienpluralismus, diese seien mit Bericht 2001 212 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern islamischen Glaubensgrundsätzen unvereinbar. So hieß es zum Beispiel in ihrem Verbandsorgan "Ümmet-i Muhammed": "Die Demokratie ist ein ... System der Unwissenheit. Aus diesem Grund ist die Demokratie in einem islamischen Land nicht möglich. Die Nicht-Muslime aber halten an der Demokratie fest. Daher ist ein islamischer Staat nur mit Rebellion durchzusetzen!" ("Ümmet-i Muhammed" Nr. 385 vom 28. Juni 2001) "Die Begriffe 'Menschenrechte' und 'Meinungsfreiheit' sind nur Masken, um das dreckige Gesicht der Demokratie zu verschleiern. Die Ungläubigen tun genau das, was ihnen Vorteile verschafft." ("Ümmet-i Muhammed" Nr. 388 vom 19. Juli 2001) Überdies verbreitete der "Kalifatsstaat", wie in den Vorjahren, antisemitische und antizionistische Parolen und betrieb Hetze gegen den Staat Israel und die Juden: "Der Jude genießt es, wenn in der Welt jeder jeden abschlachtet. Andernfalls findet er keine Ruhe. Es passt nicht zu der jüdischen Philosophie, wenn irgendein Volk in Ruhe und Frieden lebt oder die Beziehungen, die die Weltvölker zueinander unterhalten, gut und friedlich sind. Die jüdische Philosophie fußt auf Tyrannei und ein jeder Jude ist ein Tyrann." ("Ümmet-i Muhammed" Nr. 379 vom 17. Mai 2001) Die Organisation nutzte, um ihre islamistischen Positionen zu verbreiten, auch weiterhin Möglichkeiten, über Satellit bis in die Türkei Programme ihres Fernsehsenders "HAKK-TV" (sinngemäß: "Wahres islamisches Fernsehen") auszustrahlen. Auch im Internet war der "Kalifatsstaat" vertreten. Neben Veröffentlichungen zu aktuellen politischen Ereignissen bestanden "Links" zu Büchern und Broschüren, u. a. des 1995 verstorbenen Gründers der Organisation Cemaleddin KAPLAN. Auch auf die Zeitung "Ümmet-i Muhammed" wurde verwiesen. Zu den Anschlägen vom 11. September nahm die Organisation nicht ausdrücklich Stellung. Auf der deutschsprachigen Seite des Verbandsorgans wurde am 27. September unter der Überschrift "Dieje- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 213 nigen, die terrorisieren, sind überhaupt keine Muslime" eine Erklärung Metin KAPLANs veröffentlicht; danach sei die Ablehnung von Gewalt und Terrorismus eines der "Grundprinzipien der Organisation". Weiter hieß es: "Die Soldaten und der Generalstab des Kalifatsstaates dürfen niemals diese Prinzipien überschreiten und individuelle Handlungen wagen! Leider werden fast überall auf der Welt solche Terrorakte verübt und den Muslimen in die Schuhe geschoben mit Bezeichnungen wie: Verbrecher, Mörder, Räuber, Menschenschlächter usw." ("Ümmet-i Muhammed" Nr. 398 vom 27. September 2001). Metin KAPLAN, der Leiter der Organisation, blieb in Strafhaft. Sein Revisionsantrag gegen die am 15. November 2000 vom Oberlandesgericht Düsseldorf verhängte vierjährige Freiheitsstrafe wurde im Oktober abgewiesen. Im Verfahren vor dem selben Gericht über die mögliche Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung verweigerte er am 22. November die dafür erforderliche Zustimmung. Einen Tag zuvor war ihm die Ausweisungsverfügung des Ausländeramtes der Stadt Köln zugestellt worden. Mit Verfügung vom 8. Dezember hat der Bundesminister des Verbot des Innern den "Kalifatsstaat", die dazugehörende in den Niederlanden "Kalifatsstaats" registrierte Stiftung "Stichting Dienaar aan Islam" (Diener des Islam), soweit sie sich in Deutschland betätigt, sowie zahlreiche Teilorganisationen nach dem Vereinsgesetz verboten. Das Verbot wurde am 12. Dezember vollzogen. Dabei wurden in sieben Bundesländern Durchsuchungen vorgenommen und Einrichtungen der Organisation geschlossen. 2.1.2 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) gegründet: 1985 in Köln (als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V." - AMGT) Leitung: Mehmet Sabri ERBAKAN, Vorsitzender Mitglieder: ca. 27.500 (2000: ca. 27.000) Publikationen: u. a. "Milli Görüs & Perspektive", unregelmäßig Bericht 2001 214 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Die IGMG ist nach Anhängerschaft und Organisationsgrad seit Jahren die größte islamistische Organisation in Deutschland. Über ihre mehr als 300 örtlichen Einrichtungen, ihre sozialen und kulturellen Angebote sowie die ihr zuzurechnenden Presseerzeugnisse erreicht sie einen die Zahl der fest eingebundenen etwa 27.500 Mitglieder erheblich übersteigenden Personenkreis.227 Die Organisation unterhält Zweigstellen in mehreren europäischen Ländern sowie in den USA und Australien. Nach eigenen Angaben betreibt sie europaweit ca. 600 Moscheevereine, in denen sie 252.000 Gemeindemitglieder betreue. Die Organisation verfügt nach wie vor über erhebliche finanzielle Mittel. Für die Verwaltung des umfangreichen Immobilienbesitzes ist seit 1995 die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e. V." zuständig. Die IGMG präsentiert sich in ihren offiziellen Verlautbarungen als auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehende Organisation rechtstreuer Muslime in Deutschland. Sie empfiehlt sich damit als Interessenvertreterin möglichst aller hier lebenden türkischen Muslime, als Fördererin der Integration und - verstärkt seit den Terroranschlägen vom 11. September - des friedlichen Zusammenlebens von Muslimen und Christen. Ideologie, Strategie und Aktivitäten zeigen gleichwohl den islamistischen Charakter der IGMG. Die Organisation pflegte bereits in der Vergangenheit enge Kontakte zu islamistischen Parteien in der Türkei, die unter dem maßgeblichen Einfluss Necmettin ERBAKANs standen, zuletzt zu der im Juni in der Türkei verbotenen islamistischen "Fazilet-Partisi" (- FP - "Tugendpartei"). So nahmen Abgeordnete der FP auch im Jahr 2001 an verschiedenen Veranstaltungen der IGMG teil. Darüber hinaus bestehen zwischen führenden Funktionären der IGMG und islamistischen Parteien in der Türkei verwandtschaftliche Beziehungen. So ist der am 15. April in nicht öffentlicher Jahreshauptversammlung zum IGMG-Vorsitzenden bestellte Mehmet Sabri ERBAKAN ein Neffe von Necmettin ERBAKAN. Die bereits länger andauernden Flügelkämpfe in der FP führten nach deren Verbot zur Bildung von zwei Nachfolgeparteien in der Türkei. Am 20. Juli gründeten die "Traditionalisten" - sie stehen dem mit Politikverbot belegten Necmettin ERBAKAN nahe - die "Saadet Partisi" (- SP - "Partei der Glückseligkeit"), deren Vorsitz Recai KUTAN, vormaliger FP-Vorsitzender und enger Vertrauter Necmettin ERBAKANs, übernahm. Im August formierte sich die rivalisierende Gruppe der "Erneuerer" um den ehemaligen Istanbuler Oberbürgermeister Recep Tayyip Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 215 ERDOGAN unter dem Namen "Adalet ve Kalkinma Partisi" (- AKP -"Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei") zur zweiten Nachfolgepartei der FP. ERDOGAN, der bereits in der FP Führungsfunktionen innehatte, wurde zum neuen Vorsitzenden gewählt. Beide Parteien bezeichnen sich - ebenso wie ihre Vorgängerinnen - als demokratische, den Menschenrechten verpflichtete Organisationen "moralisch-religiöser" bzw. "konservativ-religiöser" Ausrichtung. Sie bestreiten, Nachfolgeorganisationen islamistischer Parteien in der Türkei zu sein und vermeiden die offene Propagierung islamistischer Positionen, die aufgrund der Rechtslage in der Türkei ein Verbotsverfahren begründen würden. Gleichwohl sind die Verbindungen der neuen Parteien zu den - in der Türkei sämtlich verbotenen - islamistischen Organisationen der vergangenen Jahre angesichts der dargestellten personellen Besetzung der Führungsebenen offenkundig. Die IGMG hat sich von den islamistischen türkischen ERBAKANNähe der IGMG zu Parteien bislang auch nicht ansatzweise distanziert. Nach wie vor islamistischen gilt Necmettin ERBAKAN als "großer Führer" 228 der "Milli Görüs"Parteien in der Türkei Bewegung und ist gern gesehener Gast auf IGMG-Großveranstaltungen. In der "Milli Gazete" ("Nationale Zeitung") vom 26. Juni veröffentlichte die IGMG eine Presseerklärung, in der sie das FP-Verbot in der Türkei als Verstoß gegen die Menschenrechte verurteilte. Die "Milli Gazete" 229 fungiert als propagandistisches Gelenkstück zwischen der SP und der IGMG. Geschäftsführer des Verlages ist Dr. Yusuf ISIK, der von April 1999 bis April 2001 kommissarischer Vorsitzender der IGMG war. Die in der Zeitschrift erscheinenden Artikel und Kolumnen belegen die ideologische Nähe zwischen der IGMG und dem türkischen Islamismus. Die IGMG wirbt für die Verbreitung der "Milli Gazete" und vertreibt über ihren Bücherkatalog auch Publikationen von "Milli Gazete"-Kolumnisten. Necmettin ERBAKAN warb auf einer Großveranstaltung mit großer Beteiligung von IGMG-Mitgliedern am 8. September in Düsseldorf zum "Tag der Milli Gazete" für die Zeitschrift. Er erklärte wörtlich: "Die Presse und Milli Gazete haben die wichtige Aufgabe, das Volk über die Wahrheit aufzuklären. Jeder Haushalt sollte die Milli Gazete abonnieren. Dies ist ein Muss, um die Geschehnisse richtig zu verstehen und um sich darüber zu informieren." ("Milli Gazete" vom 11. September 2001, S. 10) Bericht 2001 216 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Die Zeitschrift berichtet regelmäßig über die beiden neuen türkischen Parteien und veröffentlicht vorzugsweise Presseerklärungen der den "traditionalistischen" ERBAKAN-Kurs vertretenden SP. So erschienen in der "Milli Gazete" unkommentierte Erklärungen des SP-Vorsitzenden KUTAN, in denen der islamistische Hintergrund der Attentäter vom 11. September in Zweifel gezogen wurde. In der Ausgabe vom 28. September wurde KUTAN mit den Worten zitiert, die Terroristen könnten "aus allen Kreisen stammen". Er kritisierte, im Zusammenhang mit den Anschlägen sei nie die Rede von "christlichen Terrororganisationen" gewesen. Anfang Oktober veröffentlichte die "Milli Gazete" KUTANs Vermutung, auch "Oppositionelle innerhalb der USA oder Geheimdienstleute" könnten für die Attentate verantwortlich sein. Seit dem 11. September veröffentlichte die "Milli Gazete" regelmäßig Presseerklärungen und Aufrufe der IGMG, in denen die Anschläge verurteilt und zum Dialog der Religionen aufgerufen wird. Gleichzeitig erschienen aber Artikel mit antiamerikanischem, antijüdischem und antiisraelischem Tenor. So hieß es in einem Artikel vom 13. September wörtlich: "Nach diesem Angriff müssen wir eines ganz klar begreifen. Von den Zionisten, die die Weltwaffenindustrie beherrschen, ist für die Menschheit nichts Gutes zu erwarten. ... Die USA sollten sich nicht länger vom Zionismus als Mittel benutzen lassen, um ihr System der kolonialen Ausbeutung, die sogenannte Neue Weltordnung, aufrecht zu erhalten. Sie müssen ihre Macht in Richtung Bildung einer gerechten Weltordnung kanalisieren. Erst dann können sie zweifellos zu einer 'Supermacht' werden." ("Milli Gazete" vom 13. September 2001, S. 1) Zu der Frage, ob die türkischen Muslime in Frieden mit Israel leben könnten, schreibt der Publizist Sevket EYGI in der Ausgabe der "Milli Gazete" vom 11. Juni: "Natürlich können sie das. Jedoch müssen dafür einige Bedingungen erfüllt werden. ... Verzicht der Juden auf ihre imperialistischen Bestrebungen in Bezug auf die Türkei. ... Die Feindseligkeit der Juden und Sabbatianer 230 gegen den Islam und die Muslime ist erlaubt. Die Feindseligkeit anderer gegen die Juden wird als Verbrechen und Antisemitismus bewertet. Die Juden sind mit allen, außer mit sich selbst, im Streit. Toleranz kennen sie zwar in der Theorie, jedoch umsetzen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 217 können sie sie nicht. ... Die Absicht, die Türkei in eine israelische Kolonie zu verwandeln, wird einen hohen Preis fordern. Kein intelligenter Jude darf sich solchen Phantasien hingeben." ("Milli Gazete" vom 11. Juni 2001, S. 2) Die IGMG, die sich als "Bewegung" der Muslime versteht, behauptet, "den Islam" und seine Werte zu vertreten. Diese Positionsbestimmung ist jedoch nicht nur religiös zu verstehen. In der von der IGMG transportierten Auslegung des Islam werden vielmehr individuelle Glaubensüberzeugung und rechtliche sowie politische Gestaltungsansprüche miteinander verknüpft. Diese Argumentation ist der IGMG und den türkischen islamistischen Parteien traditionell gemein. Sie soll ermöglichen, islamistische Ideologie unter Berufung auf die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit zu verbreiten und islamistischen Positionen im gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland Geltung zu verschaffen. Für den Islamismus typisch ist die Verbindung von Religion und Staatswesen. Ein Beispiel dafür ist die Bemerkung des IGMG-Vorsitzenden Mehmet Sabri ERBAKAN anlässlich einer Veranstaltung in den Niederlanden: "Wir sind weltweit unvergleichlich in Bezug auf unsere Bewegung. ... Seit wir als türkisches Volk nach dem Islam gegriffen haben, haben wir an Ansehen gewonnen. Und immer wenn wir davon abgekommen sind, haben wir an Ansehen verloren. So wie in diesen Tagen. ... Aber wir werden unseren Weg ohne Einschränkungen weitergehen." ("Milli Gazete" vom 3. Juli 2001, S. 1) ERBAKANs Wortwahl zeigt, dass er die IGMG und die türkische islamistische Bewegung als Einheit betrachtet. Des Weiteren verweist er auf die im türkischen Islamismus gängige Vorstellung, der zufolge mit der von Atatürk durchgesetzten konsequenten Trennung von Staat und Religion der Niedergang der Türkei begonnen habe. Deshalb wird eine Re-Islamisierung von Staat und Gesellschaft angeRe-Islamisierung strebt. der Türkei In der Konsequenz der Verbindung von Religion und weltlicher Ordnung liegen Überlegungen der IGMG, sich als politische Kraft in Europa zu etablieren. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Bericht 2001 218 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Zahl zugewanderter Muslime in Europa rief Mehmet Sabri ERBAKAN in seiner Antrittsrede als IGMG-Vorsitzender dazu auf, die Muslime aller Nationalitäten europaweit zu organisieren: "Durch die Stärkung der Muslime bekommen sie zugleich eine höhere globale Bedeutung, da die Region, in der sie leben [Europa] auch zunehmend an Bedeutung gewinnt. Aus diesem Grund sollten wir unsere Situation gut analysieren und unsere Aktionen reflektieren. Daher sollten unsere ersten Aktivitäten im Bereich des Organisierens liegen. Eine muslimische Masse wird es immer geben, eine unorganisierte muslimische Masse würde jedoch ohne Wirkung bleiben. Eine weitere Aufgabe besteht darin, dass man mit allen Muslimen, ungeachtet ihrer Nationalität, seine Aktionen koordiniert." ("Milli Gazete" vom 17. April 2001, S. 13) Konkret äußerte sich der stellvertretende IGMG-Vorsitzende Yavuz Celik KARAHAN. Im Vorfeld von Wahlen in den Niederlanden sagte er: "Wir müssen herausfinden, welches Wählerpotenzial wir haben, das ist von großer Bedeutung. Unsere Gemeinden müssen diesbezüglich Recherchen durchführen. In Europa steigt aus unterschiedlichen Gründen die Anzahl der Muslime. Die Muslime werden eine große Bedeutung bei den Wahlen haben." ("Milli Gazete" vom 3. Juli 2001, S. 1) IGMG betreibt eine Einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer politischen Gestal"Staatsbürgerschaftstungskraft in den europäischen Ländern bildet für die IGMG die kampagne" "Staatsbürgerschaftskampagne", die Mehmet Sabri ERBAKAN seit seiner Wahl zum IGMG-Vorsitzenden betreibt. Über großformatige Anzeigen in der "Milli Gazete" und über die Homepage der IGMG wurden die IGMG-Mitglieder aufgerufen, die Staatsangehörigkeit ihrer jeweiligen Gastländer anzunehmen, um auch Einfluss auf die bestehenden Parteien und deren Politik nehmen zu können. In einem Interview zu den Zielen der Einbürgerungskampagne mit der "Milli Gazete" im Juli unterschied der neue IGMG-Vorsitzende zwar einerseits zwischen der IGMG als "religiöser Gemeinschaft" und andererseits den Mitgliedern, die "ihre politischen Interessen" erörtern und die politisch aktiv werden sollten. Die Unterscheidung bleibt jedoch theoretisch. ERBAKANs Äußerung offenbart vielmehr die Absicht der Organisation, die politischen Aktivitäten der Mitglieder zu beeinflussen: Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 219 "Unsere Stellung wird hier eine religiöse Gemeinschaft sein. Aber unsere Mitglieder werden ihre politischen Interessen erörtern. Wir werden sie unterstützen und herausfordern. Unsere Mitglieder können durchaus solche Aktivitäten ergreifen." ("Milli Gazete" vom 7./8. Juli 2001, S.1) Vorgeblich dient die Einbürgerungskampagne der IGMG der Integration türkischer Muslime in Deutschland. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel an dem von der IGMG verlautbarten Integrationswillen. In der "Milli Gazete" vom 7. August formulierte der Kolumnist Sevket EYGI die klassische islamistische Auffassung des durch das islamische Recht beschränkten Geltungsbereichs jedes nicht-islamischen staatlichen Rechtssystems: "Ein religiöser Muslim ist auch gleichzeitig ein Verfechter der Scharia. Der Staat, die Medien und die Gerichtsbarkeit haben nicht das Recht, sich einzumischen. ... Die Verbundenheit eines Muslims zur Scharia darf nicht dazu führen, dass er deswegen verurteilt oder ins Kreuzverhör genommen wird." ("Milli Gazete" vom 7. August 2001, S. 2) Der Verweis auf die Scharia, das kanonische Gesetz des Islam, kennzeichnet den Absolutheitsanspruch der islamistischen Ideologie, Absolutheitsanspruch die jedes säkulare (weltliche) Rechtssystem ablehnt, da dieses auf der des Islam Trennung von Staat und Kirche/Religion beruht. Die Scharia als unfehlbare, umfassende religiöse Pflichtenlehre hingegen bestimmt nicht nur das individuelle und häusliche Leben der Muslime, sie regelt vielmehr auch die sozialen und politischen Verhältnisse. Die hier formulierte Verpflichtung der Muslime auf das religiöse Gesetz schließt daher die Anerkennung einer pluralistischen Gesellschaftsordnung aus. Die Empfehlungen für die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft zielen auf den Erwerb von Rechten und nicht auf die Akzeptanz des demokratischen Verfassungsstaats und seiner Werteordnung sowie auf die uneingeschränkte Anerkennung seines Rechtssystems, da die Integrationsbereitschaft der türkischen Muslime nach Auffassung der IGMG dort ihre Grenzen finden soll, wo ihre Religion, Kultur und nationale Identität berührt werden. Ein weiterer Beleg für den faktisch ungebrochen islamistischen Charakter der IGMG sind die Publikationen und Äußerungen der Bericht 2001 220 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern türkischen Schriftstellerin Emine SENLIKOGLU, deren Bücher in einem IGMG-Buchkatalog angeboten werden. SENLIKOGLU hielt in verschiedenen Moscheen der IGMG Vorträge. Sie vertritt in ihren Schriften islamistische Positionen, die westliche Werte wie Demokratie, Pluralismus und Parlamentarismus ablehnen. In einem ihrer Bücher zur Lage der Jugend sind "lehrreiche Aussagen" aufgelistet: "Es gibt keine andere Kraft, die bessere Gesetze als Allah erlässt." "Der Islam ist eine Politik." "Jede Gesellschaft, in der der Islam nicht herrscht, ist zum Verfall verurteilt." "Die westlichen Werte und der Koran sind unvereinbar." "Ihr müsst euer Haus geschlechtsgetrennt einrichten." "Auch wenn es teuer sein sollte, müsst ihr nur bei den Muslimen einkaufen." "Wünsche dir, im Namen des Islam zu sterben." "In einem Land, in dem der Islam nicht herrscht, kann es keine Ruhe (Frieden) geben." "Der Islam kann sich nicht jedem anpassen, jeder hat sich dem Islam anzupassen." "Im Islam gibt es keine Menschen, die linksoder rechtsgerichtet sind. Es gibt lediglich Muslime und Ungläubige." ("Gencligin Imanini Sorularla Caldilar" ("Man hat die Jugendlichen durch Fragen ihres Glaubens beraubt"), S. 404 - 408) IGMG betreibt Die unüberbrückbare Trennung von Muslimen und Nicht-Muslidesintegrative men bildet die pädagogische Leitlinie der vorgeblich integrationsJugendarbeit fördernden Bildungsarbeit der IGMG zumal unter jungen Muslimen in Deutschland. Nicht nach den Geboten des Islam lebenden türkischen Jugendlichen wird ebenso wie der nicht-muslimischen Jugend, also implizit auch der deutschen Jugend, generell Verderbtheit und Dekadenz unterstellt. Dem islamistischen Sprachgebrauch zufolge hat "Moral" nicht nur Bedeutung für die individuelle Lebensführung. Die Berufung auf "moralische", d. h. "islamische" Maßstäbe schließt vielmehr die Regelung des Gemeinschaftslebens und schließlich des Staates mit ein. Im Hintergrund steht die islamistische Auffassung, dass sich muslimische Gesellschaften von dem Einfluss des Westens befreien müssten. Sevket EYGI formulierte in der "Milli Gazete" vom 8. August diese Maxime: "Gesellschaften, die keine Helden heranziehen, sind zum Untergang verurteilt. ... Eine islamische Gesellschaft, die nicht betet, sondern stattdessen ihrer Sinneslust nachgeht, ist bedauernswert. Eine islamische Gesellschaft, die keine Almosen oder Almosen in die falschen Hände gibt, muss auf Unglück und Übel gefasst sein. ... Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 221 Diejenigen, die den kleinen und großen Jihad verlassen haben, haben sich der Schande, der Sklaverei und der Beleidigung ergeben." ("Milli Gazete" vom 8. August 2001, S. 2) Kritik an der IGMG und ihre Einschätzung als islamistisch wird kontinuierlich als Angriff auf "den Islam" und die islamischen Gemeinschaften generalisiert. Die IGMG wehrt sich in öffentlichen Erklärungen gegen den "unberechtigten Vorwurf des Extremismus". In einer Presseerklärung vom 8. Oktober behauptete die Organisation, Medien und Politiker in Deutschland schürten "das Feindbild Islam". 2.2 Linksextremisten Beherrschendes Agitationsthema linksextremistischer türkischer Organisationen in Deutschland war der seit Oktober 2000 in türkischen Haftanstalten durchgeführte Hungerstreik, der sich gegen die Verlegung "politischer Gefangener" aus Großraumzellen in neue Gefängnisse mit Einzelzellen richtete. Die Protestwelle - an der sich nahezu alle linksextremistischen türkischen Organisationen beteiligten - erreichte einen ersten Höhepunkt nach einer großangelegten Räumungsaktion türkischer Sicherheitskräfte in mehreren türkischen Haftanstalten im Dezember 2000. Der erste Todesfall unter den hungerstreikenden Gefangenen am 21. März löste erneut heftige Protestaktionen türkischer Linksextremisten aus, die sich in den folgenden Monaten mit unterschiedlicher Intensität wiederholten. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den beiden aus der "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervorgegangenen und miteinander rivalisierenden Organisationen "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/ -Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) wurden in Deutschland - bis auf einen geringfügigen Zwischenfall in Berlin - nicht mehr festgestellt. Deutsche Gerichte verurteilten zahlreiche Funktionäre der DHKP-C zu Freiheitsstrafen, die zur weiteren Verunsicherung der Basis beitrugen. Auch die beiden Flügel der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) und ihre in Deutschland tätigen Basisorganisationen agitierten vorwiegend gegen die Haftbedingungen in der Türkei. Dies trifft gleichermaßen auf die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) zu, die in einem ausschließlich für diese Zwecke von türkischen Linksextremisten gegründeten "Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen in der Türkei" (DETUDAK) dominierte. Bericht 2001 222 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 2.2.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) gegründet: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten, 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Leitung: Dursun KARATAS Mitglieder: ca. 850 (2000: ca. 900) Publikationen: u. a. "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke), unregelmäßig, "Vatan" (Heimat), wöchentlich Organisationsverbot: seit 13. August 1998 Die DHKP-C zielt auf eine revolutionäre Beseitigung der bestehenden Gesellschaftsordnung in der Türkei und die Errichtung einer "Volksmacht" - einer Gesellschaft "ohne Ausbeutung und ohne Klassen" auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus. Aus diesem leitet sie ein Feindbild her, das sich nicht nur gegen den türkischen Staat und dessen Einrichtungen, sondern gleichermaßen gegen "US-Imperialismus" und "Faschismus" richtet. In der Türkei operiert die DHKP-C terroristisch; dabei verübte sie im vergangenen Jahr erstmals auch Selbstmordaktionen - so bei einem Anschlag am 3. Januar auf die Polizeidirektion in Sisli, bei dem ein Polizist und der Attentäter ums Leben kamen. Die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC), der bewaffnete Arm der DHKP-C, übernahm die Verantwortung für einen weiteren Anschlag auf eine Polizeistation am 2. April in Istanbul. Zu einem erneuten der DHKP-C zuzurechnenden Selbstmordanschlag, bei dem drei Menschen starben, kam es am 10. September in Istanbul. DHKP-C nutzt die Die politischen Aktivitäten der DHKP-C in Deutschland orientierAnschläge vom ten sich wieder vornehmlich an tagespolitischen Ereignissen und 11. September zur zeigten sich in Demonstrationen und Kundgebungen, PresseerAgitation gegen den klärungen, Flugblättern und Äußerungen im Internet. Schon unmitUS-Imperialismus telbar nach den Anschlägen gegen das "World Trade Center" in New York und das US-Verteidigungsministerium in Washington am 11. September verbreitete die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP), der politische Arm der DHKP-C, eine Erklärung. Darin verur- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 223 teilte sie zwar den Tod von Zivilpersonen, machte jedoch die USA aufgrund ihrer angeblich imperialistischen Ideologie, die andere Völker in Hunger und Elend leben lasse, selbst für den Terror verantwortlich: "Der 11. September steht für den Untergang der US-Ideologie. ... Die USA haben geplündert und ausgebeutet, die US-Monopole sind fett geworden, die Völker sind hungrig geblieben. ... Seit Jahrzehnten schon schlachten sie Menschen ab. ... Wenn das US-Imperium nicht gezügelt wird, werden die Zeiten noch viel blutiger werden." Anklagend stellt die DHKP sodann die Frage: "Was hat Amerika getan, um Menschen dazu zu bringen, ihr Leben bei einer solchen Aktion zu opfern?" (DHKP-Bulletin Nr. 13 vom 14. September 2001) Im Hinblick auf die Terroranschläge und den von den USA angeblich mitzuverantwortenden Hunger in der Welt hieß es an anderer Stelle: "In einer solchen Welt kann man allerdings nicht darüber diskutieren, warum es am 11. September zu solchen Anschlägen kam, sondern warum es nicht mehr solcher Aktionen gegeben hat." (DHKC-Erklärung Nr. 211 vom 17. September 2001) Ein Schwerpunkt der DHKP-C-Agitation war auch der Weltwirtschaftsgipfel vom 20. bis 22. Juli in Genua (Italien). Die DHKP-C rief dazu auf, "... dass alle Völker der Welt sich gegen die G-8-Staaten, den IWF und die Weltbank auflehnen." (Erklärung der DHKC Nr. 28 vom 25. Juli 2001) In ihrer Publikation "Vatan" kündigte sie an: Bericht 2001 224 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern "Auch die Front wird sich an den Protesten in Italien beteiligen. Als gemeinsame Kraft gegen den Kapitalismus werden wir ihnen das Leben auf der Kapitalistenversammlung schon schwer machen ...". (Internet "Vatan" Nr. 97 vom 30. Juni 2001) Zu den Gewalttätern in Genua gehörten auch Anhänger der DHKP-C. Solidarität mit Durchgängig über das gesamte Jahr agitierte die DHKP-C gegen inhaftierten die Änderungen im Strafvollzug in der Türkei. Sie bezeichnete die hungerstreikenden Verlegung von Häftlingen in kleinere Gefängniszellen als "IsolationsGesinnungsgenossen folter". Den Bau neuer Gefängnisse mit Einzelzellen anstelle bisheriin der Türkei ger Großraumunterbringung hatten die linksextremistischen Häftlinge zum Anlass genommen, zunächst in einen unbefristeten Hungerstreik zu treten und diesen ab November 2000 als "Todesfasten" weitergeführt. An den Folgen des Hungerstreiks starben im Jahre 2001 in der Türkei mehr als 40 Personen, die Mehrzahl davon DHKP-C-Anhänger. Schon im Mai hatte die DHKP-C erklärt: "... die vierte Gruppe hat mit ihrem Todesfasten begonnen ... auch wenn Hunderte von uns sterben ... wird dieser Widerstand zum Sieg führen. Wir leisten Widerstand ... wir werden gewinnen." ("Vatan" Nr. 92 vom 28. Mai 2001, S. 26) Die Proteste gegen die Situation "politischer" Gefangener in der Türkei forderten auch in Deutschland ein Todesopfer. Ein 37-jähriger Aktivist der DHKP-C übergoss sich am 20. April in Regensburg mit Benzin und zündete sich an. Er erlag seinen schweren Brandverletzungen. In Deutschland, wie in anderen europäischen Ländern, wurde der Hungerstreik von einer breiten Solidaritätskampagne der DHKP-C begleitet. Die Organisation rief u. a. im Internet und mit Flugblattaktionen, bei Demonstrationen und Kundgebungen zu internationaler Solidarität auf. Die Aktivitäten des von der DHKP-C gebildeten "Komitees gegen Isolationshaft" (IKM) erlahmten jedoch in der zweiten Jahreshälfte. Stärker hervor trat stattdessen der DHKP-C nahe "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei" (Tayad) mit Sitz in Bielefeld. Tayad war in früheren Jahren im Wesentlichen auf die Türkei konzentriert. Nunmehr befasste sich dieser Verein auch in Deutschland mit der Häftlingsproblematik in der Türkei. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 225 Wie bereits in den Jahren zuvor verurteilten deutsche Strafgerichte zahlreiche Funktionäre und Aktivisten der DHKP-C zu Freiheitsstrafen. So wurde der ehemals für die Gliederungen der Organisation in Deutschland und Europa verantwortliche DHKP-CFunktionär Nuri ERYÜKSEL am 5. Januar durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt. Wie in den Vorjahren veranstaltete die DHKP-C im zeitlichen Zusammenhang mit dem Jahrestag ihrer Gründung wieder ihr jährliches Parteifest, diesmal am 21. April in s'Hertogenbosch (Niederlande) mit rund 5.000 Teilnehmern aus ganz Westeuropa. 2.2.2 "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) gegründet: Mitte der 90er Jahre als Abspaltung aus der 1978 in der Türkei gegründeten, 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" entstanden Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder: ca. 100 (2000: ca. 100) Publikationen: "Devrimci Cözüm" (Revolutionäre Lösung), monatlich Betätigungsverbot: seit 13. August 1998 Die THKP/-C - Devrimci Sol versteht sich als Nachfolgerin der bereits 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke), an deren ideologischen Leitgedanken sie festhält. Dazu gehört die Forderung nach einer vom Marxismus-Leninismus angeleiteten Volksbewegung, die in der Türkei eine "antiimperialistische, anti-oligarchische Volksrevolution" herbeiführen und eine kommunistische Gesellschaft aufbauen müsse. Dies könnte nur im "bewaffneten Volkskrieg" unter der Anleitung einer proletarischen Partei gelingen. Terroristische Aktionen der THKP/-C - Devrimci Sol in der Türkei THKP-C - Devrimci wurden im Jahr 2001 aber nicht mehr bekannt. Auch in Deutschland Sol entwickelte kaum entwickelte die Organisation kaum noch öffentliche Aktivitäten; noch öffentliche Aktivitäten Strukturen sind nur noch in geringem Umfang vorhanden. Insgesamt verlor die Gruppe weiterhin an Bedeutung. Zu der jährlichen Großveranstaltung am 15. April in Zürich, zu der unter allen Bericht 2001 226 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern THKP/-C - Devrimci Sol-Anhängern in Europa geworben wurde, reisten aber noch 1.500 Besucher an. In ihren Veröffentlichungen ging die THKP/-C - Devrimci Sol vor allem auf die Situation der "politischen" Gefangenen in türkischen Haftanstalten ein und drohte: "Wir werden Rechenschaft von der blutrünstigen Oligarchie fordern. ... Die revolutionären Gefangenen sind unsere Ehre." ("Devrimci Cözüm" Nr. 4 vom April 2001) Eigene Solidaritätskundgebungen für die Häftlinge führte die Gruppe nicht durch. Ihre Anhänger beteiligten sich an Aktionen anderer linksextremistischer türkischer Organisationen im Bundesgebiet. Möglicherweise mit Blick auf ihre Mitgliedersituation thematisierte die THKP/-C - Devrimci Sol in ihrer Publikation auch die Stellung der Frau in der "Klassengesellschaft" und forderte, "... dass die Frauen sich organisieren und kämpfen müssen, wenn sie mit ihrer weiblichen Identität ..., menschlich und frei in einer klassenlosen Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung leben wollen. ... Die werktätige Frau muss ... dem Imperialismus und der Oligarchie ihre Kraft zeigen." ("Devrimci Cözüm" Nr. 5 vom Mai 2001) Auch wenn es im Berichtszeitraum nicht zu weiteren Verurteilungen von THKP/-C - Devrimci Sol-Aktivisten kam, sieht sich die Organisation durch den Druck der Strafverfolgungsbehörden sowie das gegen sie verhängte Betätigungsverbot in ihren Aktivitäten erheblich eingeschränkt. Im Spätsommer haben sich innerhalb der THKP/-C - Devrimci Sol zwei rivalisierende Gruppen gebildet, die sich in ihren Publikationen wechselseitig ideologisches Fehlverhalten unterstellen. Eine der beiden Gruppen soll unter dem Namen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hauptsächlich in der Schweiz aktiv sein, während sich die andere mit der Bezeichnung "Devrimci Cizgi" (Revolutionäre Linie) in Deutschland befinde. Richtungskämpfe Die Richtungskämpfe mit der verfeindeten DHKP-C (vgl. Nr. 2.2.1) wurden nicht mehr gewaltsam, sondern nunmehr verbal ausgetragen. Lediglich in Berlin kam es im Januar während einer Demonstration zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Anhängern beider Organisationen. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 227 Auf die Ereignisse vom 11. September in den USA reagierte die THKP/-C - Devrimci Sol mit einer im Internet am 15. September verbreiteten Erklärung: "Heute will der amerikanische Imperialismus unter dem Vorwand der Angriffe vom 11. September eine groß angelegte Offensive gegen die revolutionären Kämpfer auf der ganzen Welt starten. ... Jede Bewegung, die gegen die amerikanischen Imperialisten, die Vertreter des finanziellen Kapitalismus, die Grausamen und Volksfeinde gerichtet ist, achten wir als ehrenvoll und werden sie bis zum Schluss unterstützen." 2.2.3 "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) gegründet: 1972 (in der Türkei) Mitglieder: ca. 1.600 (2000: ca. 1.800) Die Organisation ist gespalten in: "Partizan"-Flügel Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder: ca. 1.000 (2000: ca. 1.100) Publikationen: "Devrim Yolunda Isci Köylü" (Arbeiter und Bauern auf dem Weg der Revolution), vierzehntäglich; "Isci Köylü Kurtulusu" (Arbeiterund Bauernbefreiung), zweimonatlich und "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder: ca. 600 (2000: ca. 700) Publikationen: "Devrimci Demokrasi" (Revolutionäre Demokratie), vierzehntäglich; "Isci Köylü Kurtulusu" (Arbeiterund Bauernbefreiung) *, zweimonatlich * nicht identisch mit der gleichnamigen Publikation des "Partizan"-Flügels Beide Flügel der seit 1994 - aufgrund von Zerwürfnissen unter den Führungskadern - gespaltenen TKP/ML unterhalten in der Türkei Bericht 2001 228 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern wie im europäischen Exil gleichartige Strukturen. Es handelt sich jeweils um hierarchisch aufgebaute Kaderorganisationen. Die Leitungen beider Flügel in Deutschland bzw. Europa unterstehen den jeweiligen Führungsgremien in der Türkei. Regionale Schwerpunkte in Deutschland bilden für beide Gruppierungen die Städte Hamburg, Berlin, Duisburg, Köln und Stuttgart. Beide Flügel orientieren sich an Marxismus, Leninismus und Maoismus und haben die Ziele der ursprünglichen - 1972 in der Türkei gegründeten - TKP/ML übernommen. Hauptziel ist danach, das gegenwärtige Staatsgefüge der Türkei in einem revolutionären Akt zu zerschlagen und durch eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen. In der Türkei unterhalten beide Flügel voneinander getrennte bewaffnete Gruppierungen unter der identischen Bezeichnung "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), die sich mehrfach Feuergefechte mit türkischen Sicherheitskräften lieferten und Terroranschläge verübten. Agitation zum Für beide Lager der Organisation bildete der Hungerstreik in den Hungerstreik türkischen Haftanstalten das zentrale Agitationsthema; Anhänger inhaftierter beider Lager beteiligten sich im Bundesgebiet an zahlreichen SolidaGesinnungsgenossen ritätsaktionen. Der "Partizan"-Flügel betonte in diesem Zusammenin der Türkei hang: "Unsere erste gemeinsame Aufgabe liegt darin, dass wir den Widerstand der politischen Gefangenen aus der Öffentlichkeit heraus unterstützen. ... Wir müssen von den revolutionären Gefangenen lernen, wie der Widerstand geleitet wird und wie man für den Sieg stirbt. ... Wo Gewalt herrscht, ist Rebellion gerechtfertigt. ... Für die Freiheit und Gleichheit ist die Revolution notwendig. ... Um die Volksmassen gegen den Staat zu organisieren, müssen wir das politische Bewusstsein und die Kampfbereitschaft der Volksmassen erwecken. Wir werden solange kämpfen, bis dieser unvergleichliche Widerstand sich aus den Gefängnissen auf alle Teile des Landes verbreitet." (Flugblatt TKP/ML-Pressebüro vom Januar 2001) Zu den Aufgaben der Anhänger beider TKP-ML-Flügel in Deutschland und anderen europäischen Ländern gehörte weiterhin die materielle Unterstützung der Organisationen in der Türkei. Einnahmequellen sind neben Spendensammlungen der Verkauf von Publikationen und die Durchführung von Großveranstaltungen wie am 12. Mai in Ludwigshafen ("Partizan"-Flügel) und 26. Mai in Oberhau- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 229 sen (DABK). Beide Veranstaltungen wurden von jeweils etwa 4.000 Personen besucht. Da beide Flügel in Deutschland verdeckt operieren, bedienen sie sich der Hilfe von Basisorganisationen, die nach außen hin keinen eindeutigen Bezug zur TKP/ML erkennen lassen. Dabei handelt es sich beim "Partizan"-Flügel um die "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) auf europäischer und um die "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V." (ATIF) auf nationaler Ebene. Die ATIF führte am 1. März in Offenbach anlässlich ihres 25-jährigen Gründungsjubiläums eine Saalveranstaltung mit etwa 1.500 Personen durch. In Propagandaschriften der ATIK wurden die Terroranschläge in den USA und die Militäroperationen wie folgt thematisiert: "Die Geschichte der USA ist mit Besetzungen, Putschen und Massakern überfüllt. ... Die USA und ihre Unterstützer ziehen die Menschheit in eine neue Katastrophe hinein. ... Der größte Kriegsverbrecher ist die USA! ... Wir dürfen nicht zulassen, dass hunderttausende Menschen massakriert werden. ... Die größte Gefahr der Menschheit ist der Imperialismus." Analog zum "Partizan"-Flügel unterhält das DABK die "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK) als Basisorganisation auf europäischer Ebene. In Deutschland ist das DABK durch die "Föderation für demokratische Rechte in Deutschland e. V." (ADHF) als Dachorganisation örtlicher Vereine vertreten. 2.2.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) gegründet: 1994 (in der Türkei) Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder: ca. 600 (2000: ca. 600) Publikationen: "Yasamda Atilim" ("Der Vorstoß im Leben"), wöchentlich; "Partinin Sesi" ("Stimme der Partei"), zweimonatlich Bericht 2001 230 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Auch die den politischen Konzepten Stalins verbundene MLKP zielt auf die Zerschlagung der staatlichen Ordnung der Türkei in einer bewaffneten Revolution der Arbeiterklasse. Das Zentralkomitee der Organisation betonte: "Die MLKP schreitet auf dem von Marx, Engels, Lenin und Stalin erleuchteten Weg voran. ... Das Endziel der MLKP ist der Kommunismus. Die Diktatur des Proletariats ist eine notwendige Vorbedingung zur Erreichung des Kommunismus." (Botschaft des Zentralkomitees der MLKP zum 5. Jahrestag der Parteigründung im September 1999) Als Reaktion auf die auch zwangsweise Belegung eines neuen Gefängnistyps in der Türkei verübten "Arbeitermilizen" der MLKP dort mehrere Anschläge mit Brandsätzen. Im Bundesgebiet blieben jedoch sowohl die MLKP als auch ihre Basisorganisation "Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e. V." (AGIF) gewaltfrei. In dem "Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen in der Türkei" (DETUDAK) übernahm die MLKP organisatorische Dominanz. Gemeinsam mit anderen linksextremistischen türkischen Gruppierungen beteiligten sich ihre Anhänger an einer Vielzahl von Solidaritätsaktionen mit den Häftlingen im Hungerstreik. Neben Mahnwachen, Protestkundgebungen und größeren MLKP-dominiertes Demonstrationen kam es auch zu "Besetzungsaktionen" u. a. in Büros Solidaritätskomitee deutscher politischer Parteien, in Redaktionen türkischer Zeitungen steuert Solidaritätsund Filialen türkischer Banken. Für eine von DETUDAK mitorganiaktionen türkischer sierte Demonstration am 27. Januar in Köln konnten rund 16.000 TeilLinksextremisten nehmer mobilisiert werden, überwiegend jedoch Anhänger der PKK, die gegen die Inhaftierung des PKK-Vorsitzenden Abdullah ÖCALAN protestierten (vgl. Nr. 3.2). In Flugblättern rief DETUDAK, ohne erkennbare Wirkung, zum Urlaubsboykott gegen die Türkei auf. Auch die MLKP thematisierte die Terrorakte in den USA und polemisierte in ihrem Publikationsorgan "Yasamba Atilim" ("Der Vorstoß im Leben"): "Der Imperialismus wurde an seiner empfindlichsten Stelle getroffen. ... Amerika, das im Verlauf vieler Jahre die Welt in einen Blutsee verwandelt, dem japanischen Volk die Grausamkeit der Atombombe Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 231 zugefügt, Vietnam in Feuer und Gemetzel erstickt hat und das die Völker des Nahen Ostens in den dauernd lodernden Kriegskessel wirft! ... Jahrelang hat Amerika Wind gesät, heute hat es Sturm geerntet." ("Yasamba Atilim" Nr. 36 vom 15. September 2001) Nach dem Beginn des Militäreinsatzes in Afghanistan schlossen sich im Oktober mehr als ein Dutzend auf nationaler und europäischer Ebene tätige Basisverbände der MLKP sowie beider Flügel der TKP/ML zur "Initiative gegen den imperialistischen Krieg" zusammen. In Flugschriften wurden alle "fortschrittlichen Kriegsgegner" aufgefordert, sich gegen den "imperialistischen Krieg" zu wehren und sich der Initiative anzuschließen, denn man dürfe nicht zulassen, dass der Imperialismus die Welt durch seine Profitgier in eine Katastrophe führe. Die AGIF merkte zur militärischen Intervention der NATO in Afghanistan an, dass "die imperialistischen Kriegstreiber" Profite auf Kosten von Menschen machten und dass die Menschenrechte und die Friedenserhaltung in Wirklichkeit keine Rolle spielten. In Flugschriften äußerte sich die AGIF auch zur Globalisierung und behauptete, diese bedeute verstärkte Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Armut. Wo Korruption, politische Einflussnahme und Wirtschaftsspionage nicht ausreichten, würden Marktanteile eben mit militärischen Mitteln gesichert. 3. Kurden 3.1 Überblick Aktivitäten kurdischer Organisationen in Deutschland spiegeln die anhaltende Konfliktlage vor allem in den kurdischen Siedlungsgebieten der Türkei und des Irak wider. Dort lebende Kurden kämpfen seit Jahren für einen eigenen Staat bzw. mehr politische und kulturelle Eigenständigkeit und unterhalten auch in Europa Strukturen, von denen sie Unterstützung erwarten. Unter den etwa 500.000 in Deutschland lebenden Kurden sind rund 12.350 Personen extremistischen Gruppierungen zuzurechnen, die von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet werden. Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist darunter nach wie vor die mitgliederstärkste Organisation. Bericht 2001 232 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 3.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1978 (in der Türkei) Leitung: Führungsfunktionäre der "Kurdischen demokratischen Volksunion" (YDK) (in Abhängigkeit vom Vorsitzenden der PKK, Abdullah ÖCALAN, und dem Präsidialrat) Mitglieder: ca. 12.000 (2000: ca. 12.000) Publikationen: u. a. "Serxwebun" (Unabhängigkeit), monatlich Betätigungsverbot: seit 26. November 1993 3.2.1 Allgemeine Lage Die PKK hatte seit 1984 im Südosten der Türkei einen Guerillakampf gegen die türkische Armee geführt, um auf diese Weise ihr ursprüngliches Ziel, die Schaffung eines selbständigen kurdischen Staates, zu erreichen. Ihr Vorsitzender Abdullah ÖCALAN wurde im Februar 1999 von türkischen Sicherheitskräften in Kenia festgenommen, gewaltsam in die Türkei verbracht und dort wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Die türkische Regierung hat eine Entscheidung über die Vollstreckung des Urteils aufgeschoben, um den Ausgang eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg abzuwarten, an den sich ÖCALAN mit einer Beschwerde gewandt hatte. ÖCALAN erklärte kurze Zeit nach seiner Verurteilung im Sommer 1999 den bewaffneten Kampf gegen die Türkei für beendet. Die Guerillaeinheiten der PKK zogen sich daraufhin nach und nach mit ihren Waffen aus dem Südosten der Türkei hauptsächlich in den benachbarten Nordirak zurück. ÖCALAN kündigte auch an, die PKK wolle sich zu einer legalen Kraft wandeln, die für ihre Ziele künftig nur noch friedliche und demokratische Mittel einsetzen werde. Statt eines eigenen kurdischen Staates solle jetzt die kulturelle Autonomie der Kurden innerhalb der Grenzen der Türkei angestrebt werden. PKK-Kongress Ein Parteikongress billigte Anfang 2000 die Vorgaben ÖCALANs beschließt und beschloss eine Neustrukturierung der PKK, die im Wege einer Neustrukturierung innerparteilichen Demokratisierung den neuen Kurs auch in der der Partei Organisation selbst abbilden soll. In der Türkei wie auch in den europäischen Staaten bemüht sich die PKK seither um Anerkennung als politische Gesprächspartnerin. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 233 In vielen europäischen Ländern kann sie unter den zugewanderten Kurden aus der Türkei auf eine feste Anhängerschaft und eine Organisationsstruktur zurückgreifen, die von ihrem politischen Arm, der "Kurdischen Demokratischen Volksunion" (YDK) 231, gelenkt wird. Seit dem von ÖCALAN im Sommer 1999 verkündeten Kurswechsel sind Anschläge und sonstige Gewalttaten von Anhängern der PKK im Bundesgebiet ausgeblieben. Gleichwohl kam es zu Gewalttaten durch Anhänger der PKK, insbesondere zur Disziplinierung in den eigenen Reihen. Die Organisation sieht sich in Deutschland durch das 1993 gegen sie verfügte Betätigungsverbot in ihrem Bemühen gehindert, als politische Vertretung der kurdischstämmigen Bevölkerung tätig zu werden. Die propagandistischen Aktivitäten ihrer Anhänger zielen daher zunehmend auf eine Aufhebung des Verbotes. Darüber hinaus versuchen sie, die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Schicksal ÖCALANs zu lenken, dessen Hinrichtung sie verhindern wollen. Der neue politische Kurs der PKK hat bislang noch keinen unumNeuer Kurs der PKK kehrbaren Stand erreicht. Ihre Guerillaeinheiten im Nordirak wären bislang nicht unumkehrbar nach eigenem Bekunden der Organisation nach wie vor in der Lage, militärische Einsätze und auch terroristische Aktionen durchzuführen. Viele Funktionäre der PKK und auch Anhänger an der Basis der Organisation zeigen sich enttäuscht über das aus ihrer Sicht mangelnde Entgegenkommen der Türkei in der Kurdenfrage. Das Ziel ihrer neuen Strategie, eine nachhaltige Verbesserung der Situation der Kurden in der Türkei, sieht die PKK bisher nicht erreicht. Gleichwohl haben ÖCALAN und die Führungsgremien der Organisation bekundet, sie wollten an der neuen Linie vorerst festhalten und den Kurs erst dann überdenken, wenn sich auch absehbar in der Kurdenfrage keine Fortschritte abzeichneten. Sie fordern ihre Anhänger beständig auf, die politischen Aktivitäten in Europa und der Türkei noch zu verstärken. 3.2.2 Organisatorische Situation Seit der Festnahme ÖCALANs wird die PKK maßgeblich von einem "Präsidialrat" geleitet, einem derzeit laut Statut aus neun Personen bestehenden Kreis hoher Funktionäre, die sich vorwiegend in den Kurdengebieten des Nahen Ostens aufhalten. Für die politischen Aktivitäten in Europa sind Führungsfunktionäre der YDK verantwortlich, die ihrerseits dem Präsidialrat unterstehen. In ihrem Gliederungsschema hat die PKK die europäischen Staaten in einzelne Regionen eingeteilt, die jeweils aus mehreren Gebieten bestehen. Insbesondere in Ballungsräumen werden unterhalb der Gebietsebene auch Teilgebiete Bericht 2001 234 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern gebildet. Die Regionen, Gebiete und Teilgebiete werden von Funktionären geführt, die nicht gewählt, sondern von der europäischen Leitungsebene der PKK eingesetzt werden. Die zumeist konspirativ agierenden Funktionäre unterstehen der jeweils nächsthöheren Funktionärsebene nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam; Zuweisungen auf die einzelnen Funktionen erfolgen stets nur für einige Monate. In Deutschland versucht die PKK trotz des vereinsrechtlichen Betätigungsverbots eine Gliederung in acht Regionen und mindestens 35 Gebiete aufrecht zu erhalten. Ein Teil ihrer Anhängerschaft ist zudem nach Interessengruppen in zehn Massenverbänden232 organisiert. In allen größeren Städten gibt es Zusammenschlüsse von PKK-Anhängern - vielfach in Verbindung mit der PKK-nahen "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V." (YEK-KOM). Die PKK hat 2001 nur wenig unternommen, um ihre auf dem 7. Parteikongress beschlossene Neustrukturierung in die Tat umzusetzen. Noch immer hält sie an dem traditionellen, streng hierarchischen Aufbau ihrer Gliederungen und ihres Funktionärsapparates fest. Ein Versuch, der Anhängerschaft auf der Ebene der Regionen mit der Bildung sog. Volksräte mehr Verantwortung zu übertragen, wurde nur ansatzweise verwirklicht. 3.2.3 Propaganda der PKK Der PKK ist in Deutschland nach wie vor an einer größtmöglichen Anhänger der PKK öffentlichen Wahrnehmung gelegen. Zu diesem Zweck entwickelten fordern weiterhin ihre Anhänger wieder umfangreiche propagandistische Aktivitäten. eine Aufhebung des Dabei traten sie zwar nicht offen unter dem Namen der Organisation Betätigungsverbots auf, verfolgten aber doch vielfach erkennbar die bekannten PKKZiele. Sie versuchten, die Organisation dem neuen Kurs entsprechend als demokratische und moderat auftretende politische Vertretung des kurdischen Volkes darzustellen. Thematische Schwerpunkte der Propaganda waren insbesondere das Betätigungsverbot und das Schicksal ÖCALANs. Bei einzelnen Veranstaltungen und in einer groß angelegten Kampagne bewies die Organisation erneut ihre Fähigkeit zu breiter Mobilisierung ihrer Anhänger und Sympathisanten. Die insbesondere von türkischen Linksextremisten thematisierten Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen und bewaffnete Angriffe konkurrierender Kurdengruppen auf die PKK-Guerilla im Nordirak waren Anlass für eine Demonstration am 27. Januar in Köln, an der rund 16.000 Personen - davon etwa zwei Drittel Anhänger der PKK - aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland teilnahmen. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 235 Die Veranstaltung wurde gemeinsam von YEK-KOM sowie dem linksextremistischen "Solidaritätskomitee für die politischen Gefangenen in der Türkei" (DETUDAK) (vgl. Nr. 2.2 und 2.2.4) organisiert. Die Teilnehmer führten vereinzelt verbotene Fahnen der PKK und Bilder ÖCALANs mit. Bei der abschließenden Kundgebung riefen Redner der PKK sowie verschiedener linksextremistischer türkischer Gruppierungen zur Solidarität von demokratisch gesinnten Türken und Kurden im Konflikt mit der türkischen Regierung auf. Die Demonstration war im Jahr 2001 das einzige nennenswerte Ereignis, bei dem die PKK und linksextremistische türkische Organisationen im Bundesgebiet zusammenwirkten. Das türkische linksextremistische Spektrum begegnet der PKK insbesondere seit deren Kurswechsel mit Misstrauen und kritischer Distanz. Anlässlich des 2. Jahrestages der Ergreifung ÖCALANs und seiner Verbringung in die Türkei (15. Februar) führten PKK-Anhänger, wie im Vorjahr, Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und Informationsstände durch. Die größte Veranstaltung mit 1.400 Teilnehmern fand in Hamburg statt. In Berlin, Hamburg, Hannover, Frankfurt/M. und Stuttgart legten Demonstranten Kränze u. a. vor den diplomatischen Vertretungen der Türkei, aber auch der USA und Griechenlands nieder, da auch diese Staaten aus Sicht der Organisation maßgeblich an der Ergreifung ÖCALANs beteiligt gewesen seien. Das kurdische Neujahrsfest Newroz (21. März) wird traditionell auch von PKK-Anhängern europaweit mit Kundgebungen, Fackelzügen und Saalveranstaltungen gefeiert. Die größten Newroz-Veranstaltungen im Bundesgebiet fanden in Hamburg (etwa 7.000 Teilnehmer) und Hannover (etwa 4.000 Teilnehmer) statt. Am 12. Mai demonstrierten in Dortmund rund 35.000 Personen überwiegend kurdischer Herkunft aus dem gesamten Bundesgebiet und dem europäischen Ausland unter dem Motto "Frieden in Kurdistan, Dialog jetzt". Während der Hauptkundgebung wurde eine Grußbotschaft ÖCALANs verlesen, in der dieser die Beibehaltung des Friedenskurses betonte. Die Polizei nahm mehrere Personen wegen des Zeigens verbotener Symbole der PKK fest. In den folgenden Monaten, insbesondere im Juni und Juli, erhoben PKKAnhänger bei einer Vielzahl von Demonstrationen und Informationsveranstaltungen Forderungen nach Aufhebung des Betätigungsverbots und nach Anerkennung der politischen und nationalen Identität der Kurden. Europaweit hielt die PKK ihre Anhänger dazu an, auf Demonstration am 12. Mai in massenhaft verteilten Formularen Unterschriften für das Dortmund Bericht 2001 236 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern "Identitätskampagne" Bekenntnis "Auch ich bin ein PKK'ler" zu leisten und diese Erklärunder PKK gen Gerichten, Staatsanwaltschaften, Ausländerämtern und anderen Behörden vorzulegen. Erklärtes Ziel dieser "Identitätskampagne" war unter anderem, kurdisches Selbstbewusstsein zu stärken sowie eine breite öffentliche Diskussion über Berechtigung und Zweckmäßigkeit des PKK-Betätigungsverbotes auszulösen. Bei Gerichten und Behörden in Deutschland wurden bis Jahresende mehr als 40.000 Selbstbezichtigungserklärungen abgegeben. Als die erhofften öffentlichen Diskussionen ausblieben, erlahmte die Kampagne. Auch zwei Jahre nach Beendigung des Guerillakampfes erinnerte die PKK an den Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes (15. August 1984) mit zahlreichen örtlichen Veranstaltungen. In einer in der Zeitung "Özgür Politika" am 14. August veröffentlichten Erklärung des Präsidialrates der PKK hieß es, der "politische Volksaufstand" müsse seinen Höhepunkt zu Beginn des Verfahrens finden, das ÖCALAN vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angestrengt habe. Das kurdische Volk habe den Punkt der Unbesiegbarkeit erreicht und die "Verleumdungsund Liquidationspolitik" zunichte gemacht. Anhänger der PKK-Jugendorganisation "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) in Norddeutschland und Berlin gaben sich mit angemeldeten Kundgebungen und bloßen Erklärungen nicht zufrieden. In Bremen (15. August), Hamburg (22. August) und Celle (25. August) gossen sie brennbare Flüssigkeit auf einer Straße aus, entzündeten diese und verstreuten Flugblätter mit Formulierungen wie: "Wir kritisieren die politische Haltung der Bundesregierung gegen die Kampagne 'Unsere nationale und politische Identität ist unsere Würde.'" Am 9. Oktober entzündeten jugendliche PKKAnhänger in Berlin Autoreifen auf einer Straßenkreuzung und hinterließen ähnlich lautende Flugschriften wie "Wir, die Falken Apo's 233, stehen sowohl in Friedensals auch in Kriegszeiten voll hinter unserem Vorsitzenden, Herrn Abdullah Öcalan." Weiterhin große Unter dem Motto "Lasst uns gemeinsam den Frieden säen" fand Mobilisierungsam 1. September in Köln das "9. Internationale Kurdistan-Kulturfestifähigkeit val" statt. Mehr als 45.000 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und dem europäischen Ausland waren angereist. Das Programm bestand wie in den Vorjahren aus kulturellen Darbietungen und politischen Reden u. a. gegen das PKK-Verbot in Deutschland und zum Verlauf der "Identitätskampagne". Wieder wurden Grußbotschaften u. a. des Präsidialrats der PKK und Abdullah ÖCALANs verlesen. Dieser betonte die aktuelle Friedenslinie der PKK. Auch der PKK-Präsidialrat hob in seiner Erklärung hervor, der friedliche Kurs werde fortgesetzt, sprach aber auch von einer kommenden "Phase des stärkeren Kampfes"; die Guerilla stehe nach wie vor bereit. Während Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 237 der Veranstaltung zeigten Teilnehmer vereinzelt PKK-Fahnen und zahlreiche Spruchbänder mit dem Aufdruck "Freiheit für ÖCALAN". Die PKK bedient sich für die Verbreitung ihrer politischen Ansichten und Forderungen u. a. des Fernsehsenders "MEDYA-TV", der auch in Deutschland über Satellit zu empfangen ist. In "MEDYA-TV" kommen regelmäßig auch führende Funktionäre der PKK zu Wort. Zu den systematisch genutzten Medien gehört weiterhin die türkischsprachige Tageszeitung "Özgür Politika", die durch den Abdruck von Verlautbarungen führender PKK-Funktionäre sowie durch Hinweise auf Veranstaltungen mit PKK-Bezug kontinuierlich für die Organisation eintritt. Bei ihrer Agitation greift die PKK zunehmend auch auf das Internet zurück. So wies die "Özgür Politika" am 13. August auf eine neue Website hin, auf der Informationen in türkischer Sprache über "Leben, Werk und Schicksal" Abdullah ÖCALANs abgerufen werden können. Die YEKKOM startete im Internet eine Umfrage mit dem Ziel, angebliche Menschenrechtsverletzungen an Kurden in Deutschland aufzudecken. Entsprechende Fragebögen waren über eine Internet-Seite abrufbar. Eine Frage lautete, ob die Wohnung oder Arbeitsstätte von der Polizei durchsucht worden sei, ob es Festnahmen bzw. Verurteilungen gegeben habe oder deutsche Behörden in sonstiger Weise Druck ausgeübt hätten. 3.2.4 Finanzielle und wirtschaftliche Aktivitäten Die PKK ist für den Unterhalt ihres Führungsapparates, ihrer Propagandaeinrichtungen, ihrer Vereine in Europa und ihrer militärischen Einheiten im Nordirak nach wie vor auf Gelder in Millionenhöhe angewiesen. Mindestens einmal im Jahr führt die Organisation bei ihren Anhängern eine Geldsammlung durch. Die Höhe einer erwarteten "Spende" wird von der vermuteten finanziellen Leistungsfähigkeit des Spenders abhängig gemacht. Die Spendenbereitschaft geht seit Jahren zurück. Nur mit einer deutlichen Verlängerung ihrer im Herbst 2000 begonnenen Spendenkampagne bis in den Mai 2001 konnte die PKK einen Erlös in Höhe etwa des letztjährigen Ergebnisses erzielen und blieb - im Gegensatz zu früheren Jahren - abermals unter 10 Millionen EUR. Neben den Spendengeldern erzielt die PKK weitere Einnahmen insbesondere aus regelBericht 2001 238 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern mäßigen Mitgliedsbeiträgen, Erlösen aus dem Verkauf von Publikationen und aus der Durchführung von Veranstaltungen. Auf ihrem 7. außerordentlichen Parteikongress hatte die PKK Anfang 2000 beschlossen, ihre Wirtschaftsaktivitäten neu zu ordnen. Erste Schritte dazu gelangen offensichtlich mit einem "1. Kurdischen Wirtschaftskongress" in Rotterdam (Niederlande). Die etwa 160 Teilnehmer aus Deutschland, anderen europäischen Ländern und auch aus Übersee (u. a. aus Australien und Kanada) gründeten die "Union der Internationalen kurdischen Arbeitgeber" (KARSAZ). Ziel des Unternehmerverbandes sei die Schaffung eines "kurdischen Marktes" und dessen Integration in den Weltmarkt. KARSAZ wolle die Interessen kurdischer Unternehmer wahren, deren Zusammenarbeit verstärken und sie auf nationaler und internationaler Ebene organisieren. Bei dem Kongress waren auch führende Vertreter der PKK als Redner aufgetreten. Im Juli eröffnete KARSAZ ein Büro in Frankfurt/M. und führte in mehreren deutschen Städten Informationsveranstaltungen für kurdische Unternehmer durch. 3.2.5 Strafverfahren gegen führende Funktionäre der PKK Das Oberlandesgericht (OLG) Celle verhängte am 23. Mai gegen den ehemaligen Leiter der PKK-Region Westfalen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Am 20. Juni verurteilte das OLG Düsseldorf den früheren Leiter der PKK-Region Mitte wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Gegen zwei weitere PKK-Funktionäre wurde am 23. Mai bzw. am 17. Dezember Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung beim OLG Düsseldorf erhoben. Am 29. Oktober wurde in Köln ein hochrangiger Funktionär der PKK unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung festgenommen. Er wird beschuldigt, in leitender Position auf europäischer Ebene für die Außenbeziehungen der PKK und für den Aufbau eines "PKK-Zentralbüros" verantwortlich gewesen zu sein. Am 19. Dezember verurteilte das OLG Düsseldorf einen hochrangigen PKK-Funktionär wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Landfriedensbruch und Anstiftung zum schweren Hausfriedensbruch zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 239 4. Iraner Im Jahr 2001 hat insbesondere die Wiederwahl Khatamis zum iranischen Staatspräsidenten die Aktivitäten der iranischen Opposition in Deutschland beeinflusst. Im Vorfeld der Wahlen wie auch am Wahltag selbst kam es zu zahlreichen Demonstrationen iranischer Oppositioneller vor iranischen Vertretungen. Weitere Schwerpunkte bildeten für einen Großteil der in Deutschland ansässigen Exilopposition - wie in den Vorjahren - die Agitation gegen die Verletzung von Menschenrechten im Iran und die Abschiebepraxis westlicher Staaten gegenüber iranischen Asylbewerbern. "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK; in Farsi: "Modjahedin-E-Khalq") gegründet: 1965 (im Iran) Sitz: Bagdad Leitung: Massoud RADJAVI Publikation: u. a. "Modjahed" (Glaubenskämpfer), wöchentlich militärischer Arm: "Nationale Befreiungsarmee" (NLA)234 gegründet: 1987 (im Irak) Sitz: irakisch-iranisches Grenzgebiet Leitung: "Oberbefehlshaber" Massoud RADJAVI Außerhalb der Heimatregion vertreten durch: "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) gegründet: 1981 (in Paris) - in Deutschland vertreten seit 1994 Sitz: Köln Leitung: Deutschlandsprecherin Dr. Massoumeh BOLOURCHI Mitglieder: ca. 900 (2000: 900) Die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) - in Deutschland durch ihren weltweit agierenden politischen Arm "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) vertreten - konzentrierte ihre Aktivitäten unverändert darauf, den politisch-kulturellen Dialog zwischen Deutschland und dem Iran zu stören. Wie in den vergangenen Jahren war sie weiterhin bemüht, die iranische Führung im westlichen Ausland zu diskreditieren. In diesem Kontext kam es im vergangenen Jahr in Deutschland zu Störaktionen, die dem Spektrum der MEK zugerechnet werden konnten: Während eines Arbeitsbesuches des iranischen Außenministers Kharrazi im Februar 2001 in Berlin wurde die Bericht 2001 240 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Wagenkolonne der iranischen Delegation mit Farbeiern und Farbbeuteln beworfen. Anlässlich eines Aufenthaltes des iranischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen, Namazi, im April 2001 kam es ebenfalls zu Störaktionen durch Anhänger der MEK. Anhänger der MEK und ihres politischen Arms NWRI nahmen den EU-Gipfel in Göteborg zum Anlass für Protestkundgebungen. Den Höhepunkt bildete eine friedliche Großdemonstration am 14. Juni, an der insgesamt rund 2.000 Mitglieder und Sympathisanten teilnahmen. Die Führung der Organisation zeigte sich im Vorfeld der Aktion bestrebt, ihre Anhängerschaft weltweit für eine Teilnahme an der Kundgebung in Göteborg zu mobilisieren. So waren aus Deutschland etwa 600 Angehörige der MEK nach Schweden gereist. Anlass der Demonstration war neben dem EUGipfel der "30. Khordat" 235, zu dem die Organisation bereits in der Vergangenheit jährlich um den 20. Juni Großveranstaltungen in Deutschland und im benachbarten Ausland durchgeführt hat. Während des G8-Gipfels in Genua beteiligten sich am 18. Juli ca. 3.000 aus mehreren europäischen Ländern angereiste Anhänger an einer friedlichen Protestkundgebung der MEK. Die bei solchen Großereignissen vorhandene Medienpräsenz betrachtet die MEK offenbar als ideale Plattform, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf ihre Belange zu lenken. Darüber hinaus führte die MEK vor dem Hintergrund massiver Luftangriffe des Iran auf die im Irak befindlichen Lager der "Nationalen Befreiungsarmee" (NLA) am 18. April in mehreren deutschen Städten Protestkundgebungen durch. Derartige Propagandaaktivitäten bilden - parallel zu den terroristischen Aktivitäten der MEK im Heimatland Iran - einen festen Bestandteil der von der Organisation verfolgten Doppelstrategie im Kampf gegen das iranische System und dienen unter anderem dazu, sich im Licht des "sympathieträchtigen Opfers" darzustellen. GeldbeschaffungsZur Finanzierung seiner Aktivitäten setzte der NWRI seine systemaßnahmen matischen und zumeist illegalen Geldbeschaffungsmaßnahmen fort. Zur Verschleierung der Verwendung der Spenden tritt die Organisation unter dem Namen verschiedener Tarnvereine auf. Hierzu zählen insbesondere: - die "Iranische moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V." (IMSV), Köln, Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 241 - die "Flüchtlingshilfe Iran e. V." (FHI), Hamburg und Bergisch-Gladbach, - der "Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e. V." (VIDA), Bremen, - die "Frauen für Demokratie im Iran e. V.", Köln, Heidelberg, Bremen, und - das "Hilfswerk für Kinder e. V.", Düsseldorf. Bei den Sammlungen werden zuvor in Asylbewerberunterkünften rekrutierte Iraner unter der Anleitung erfahrener Aktivisten der Organisation in kleineren Gruppen von vier bis sechs Personen eingesetzt. Potenziellen Spendern werden DIN-A4-Ordner mit Informationsmaterial zu angeblichen Gräueltaten des Regimes - u. a. Fotos von Gefolterten, Hingerichteten, Flüchtlingen, unterdrückten Frauen und Waisenkindern - gezeigt. Dabei geben die Sammler vor, dass das Geld für humanitäre Zwecke wie Medikamente, Nahrungsmittel, Zelte und sonstige Hilfsmittel Verwendung findet. Spender werden unter dem Vorwand der Zusendung von Spendenbescheinigungen veranlasst, sich in Spendenlisten einzutragen. In der Folgezeit werden diese Personen gezielt kontaktiert, um ihnen im Rahmen von Hausbesuchen die Übernahme von Kinderpatenschaften aufzudrängen. Es liegen überdies Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Organisation durch die Erschleichung von Sozialleistungen einen weiteren kontinuierlichen Geldzufluss sichert. Insoweit sind strafrechtliche Ermittlungsverfahren anhängig. Ein großer Teil der vom NWRI beschafften Gelder dient zum Unterhalt der Organisationsstrukturen in Deutschland. Auch in diesem Jahr war die Organisation bestrebt, Anhänger in Deutschland sowie in anderen westlichen Gastländern für einen Einsatz in der Rebellenarmee zu rekrutieren. Wie schon in den VorjahRekrutierungsren konnte eine Rotation von Führungskadern zwischen den Lagern bemühungen der NLA und NWRI-Stützpunkten in Deutschland festgestellt werden. Angesichts der akuten Bedrohung durch iranische Luftangriffe wurden zahlreiche MEK-Führungskader aus dem Westen - so auch aus Deutschland - in die Lager der NLA beordert. Der NLA kommt nach Auffassung ihres Führers die zentrale Bedeutung auf dem Weg zum Sturz der iranischen Regierung zu. Im Jahre 2001 konnte eine weitere Steigerung ihrer terroristischen Aktivitäten im Heimatland festgestellt werden. In Verlautbarungen der MEK übernahm sie die Verantwortung u. a. für folgende Anschläge: - Beschuss des Hauptquartiers des iranischen Nachrichtendienstministeriums am 14. Januar in Teheran, Bericht 2001 242 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern - Granatenanschlag auf das islamische Revolutionsgericht am 21. Januar in Teheran, - Mörseranschlag auf den Hauptsitz der "Organisation für Kultur und islamische Beziehungen" (ICRO) am 11. Mai in Teheran, - Mörseranschlag auf das Verteidigungsministerium am 23. Mai in Teheran. 5. Tamilen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) gegründet: 1972 (in Sri Lanka) Leitung: Führungskader der deutschen Sektion Mitglieder/Anhänger: ca. 750 (2000: ca. 750) Publikationen: u. a. "Kalathil" (Auf dem Schlachtfeld), vierzehntäglich Die Bemühungen, zuletzt insbesondere norwegischer Vermittler, die von der Volksgruppe der Singhalesen getragene srilankische Regierung und die tamilischen Separatisten der LTTE, die für einen unabhängigen Tamilenstaat im Nordosten Sri Lankas kämpfen, zu Friedensverhandlungen zu bewegen, waren 2001 noch ohne Erfolg geblieben. Die LTTE hatten zwar unter Bedingungen ihre Bereitschaft zu Gesprächen bekundet und Ende 2000 einen einseitigen Waffenstillstand erklärt. Die srilankischen Streitkräfte setzten jedoch ihre militärischen Operationen fort, woraufhin die LTTE Ende April 2001 ihren Waffenstillstand für beendet erklärten und zu Gegenangriffen übergingen. Am 24. Juli verübten LTTE-Kämpfer einen Anschlag auf den internationalen Flughafen in Colombo. Sie zerstörten mehrere Militärund Verkehrsflugzeuge bzw. beschädigten sie schwer. Im Verlauf der mehrstündigen Kampfhandlungen wurden etwa 20 Personen, überwiegend Mitglieder der LTTE, getötet. Am 31. Oktober bezichtigten sich die LTTE eines am Vortag verübten Sprengstoffanschlags auf einen Öltanker vor der Küste Sri Lankas, bei dem sieben Menschen starben, darunter vier Selbstmordattentäter. Anfang 2002 ist ein Abkommen über einen Waffenstillstand zwischen der Regierung Sri Lankas und den LTTE in Kraft getreten. Ob dies das Ende des Konflikts bedeutet, bleibt abzuwarten. In Deutschland tritt die LTTE nicht offen auf. Über Tarnund Hilfsorganisationen bemüht sie sich aber kontinuierlich, unter den tamilischen Flüchtlingen und Zuwanderern für die Ziele der Organisation zu werben und zur Deckung ihres Finanzbedarfs in der Heimat Geld zu beschaffen. Wie schon in den zurückliegenden Jahren geschieht Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 243 dies im Wege regelmäßiger oder anlassbezogener Spendensammlungen. Seit längerem wird auch nach Möglichkeiten gesucht, Gewinne aus gewerbsmäßiger Betätigung zu erzielen. Die Einnahmen in Deutschland belaufen sich insgesamt auf mehrere Millionen Mark jährlich. Bei der Propagandaarbeit - vor allem unter den tamilischen Landsleuten - nutzt die Organisation das gesamte Spektrum der Medien. Das Internet und ein im Ausland betriebener Fernsehsender, der in Deutschland mittels eines Decoders empfangen werden kann, sind neben einschlägigen Druckerzeugnissen zentrale Propagandainstrumente. Partiell versuchten LTTE-Anhänger auch wieder unter Nutzung ihrer Hilfsund Tarnorganisationen, die deutsche Öffentlichkeit anzusprechen. Kleinere Gruppen aus dem LTTE-Umfeld beteiligten sich z. B. an Kundgebungen zum 1. Mai und verteilten Propagandamaterial. 6. Kosovo-Albaner "Volksbewegung von Kosovo" (LPK) gegründet: 1982 (im Kosovo) Leitung: Kosovo/Schweiz, in Deutschland nur partielle Strukturen Mitglieder: ca. 150 (2000: 150) Publikationen: "Zeri i Kosoves" (Die Stimme Kosovos), erscheint nicht mehr in Deutschland Die LPK, die ein "Großalbanien"236 anstrebt, hat in den zurückliegenden Jahren im ehemaligen Jugoslawien drei albanische "Befreiungsarmeen" unterstützt, z. T. personell, vor allem aber finanziell: von 1996 bis 1999 die "Befreiungsarmee Kosovos" (UCK), von Frühjahr 2000 bis Mai 2001 die südserbische "Befreiungsarmee von Presevo, Medvedja und Bujanovac" (UCPMB) sowie zuletzt die "Nationale Befreiungsarmee" (UCK) Mazedoniens, die im Frühjahr erstmals in Erscheinung trat, jedoch bereits am 27. September aufgrund der von der mazedonischen Regierung in Aussicht gestellten Verfassungsänderung zugunsten der albanischen Minderheit ihre Selbstauflösung erklärt hat. Führende politische Kräfte der mazedonischen UCK waren vormals LPK-Funktionäre. Bereits nach dem Kosovo-Krieg im Jahre 1999 hatte die LPK wiederholt darauf hingewiesen, sie sehe den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit nunmehr vor allem in Mazedonien, Bericht 2001 244 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern da die dort lebenden Albaner von der slawischen Mehrheit unterdrückt würden. SpendensammelIn Deutschland hat die LPK im Frühjahr 2001 eine neue Spendenaktion sammelaktion initiiert, deren Erlös vor allem über den Anfang März in Skopje eingerichteten Fonds "Liria Kombetare" (Nationale Freiheit) der UCK in Mazedonien zufließen sollte. Die Spendensammlung ist jedoch mit der Unterzeichnung des Friedensplans zwischen den Parteien der mazedonischen (slawischen) Mehrheit und der albanischen Minderheit am 13. August weitestgehend wieder eingestellt worden. Das bis dahin erzielte Spendenvolumen war im Vergleich zur Zeit des Kosovo-Krieges 1999 gering. Auch eine systematische Rekrutierung für die mazedonische UCK ist, anders als während des Kosovo-Krieges, nicht zustande gekommen. Nur noch einzelne in Deutschland ansässige Albaner haben sich für den Einsatz in Mazedonien zur Verfügung gestellt. Die LPK verfügt inzwischen im Bundesgebiet - nach der Rückkehr zahlreicher Kader in die Heimat - nur noch über wenige handlungsfähige Strukturen. Sollte die Umsetzung der Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien in Mazedonien scheitern, werden hier lebende Anhänger der LPK jedoch Auftrieb erhalten und ihre Aktivitäten - vor allem im Bereich der Spendensammlung - verstärken. 7. Annex: Schleusungsaktivitäten Die Bundesrepublik Deutschland ist neben anderen westeuropäischen sowie den nordamerikanischen Staaten seit Jahren ein attraktives Zielland der illegalen Migration. Die Mehrzahl der extremistischen Ausländerorganisationen schleust ihre Mitglieder aus Gründen der Geheimhaltung über organisationseigene Strukturen und bedient sich nur im Einzelfall der Hilfe "professioneller" Schleuserorganisationen. Schleusungen erfüllen für diese Organisationen eine wichtige logistische Funktion. Sie ermöglichen die getarnte Verbringung vor allem hochrangiger Organisationsangehöriger in vermeintlich sichere Rückzugsräume. Gleichzeitig werden Schleusungen von einigen Organisationen aber auch genutzt, um in Deutschland angeworbene Aktivisten in die Heimatländer bzw. Krisenregionen zu verbringen, wo sie aktive Kampfeinheiten verstärken sollen. Auch Gelder, Pässe und Materialien, die für Kampfeinsätze erforderlich sind, werden durch illegal reisende Kuriere an den jeweiligen Bestimmungsort verbracht. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 245 Unter den extremistischen Ausländerorganisationen ist die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK, vgl. Nr. 3.2) die im Zusammenhang mit Schleusungen weiterhin aktivste Organisation. Sie verfügt hierfür über eine eigene konspirative Organisationseinheit, das "ÜLKEBüro" ("Heimatbüro"). Eine wesentliche Aufgabe des "Heimatbüros" ist es, systematisch Reiseaktivitäten von PKK-Kadern zu organisieren. Die hierfür benötigten Ausweisdokumente werden u. a. von Anhängern der PKK zur Verfügung gestellt, die über türkische Pässe mit eingetragener unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung für die Bundesrepublik Deutschland verfügen oder die als anerkannte Asylbewerber im Besitz eines Reiseausweises im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sind. Durch Lichtbildaustausch bzw. Abänderung einzelner Daten werden diese Dokumente so verfälscht, dass den Reisekadern eine falsche Identität verschafft wird. Wie im Vorjahr kam es auch im Jahr 2001 zu Verhaftungen bzw. Verurteilungen von PKKFunktionären im Zusammenhang mit einer Betätigung für das "ÜLKE-Büro". Von türkischen linksextremistischen Organisationen wie der "Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C, vgl. Nr. 2.2.1) und der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML, vgl. Nr. 2.2.3) gehen ebenfalls Schleusungsaktivitäten aus. Auch hier wird unter Verwendung verfälschter türkischer Reisepässe, die nach Möglichkeit mit langfristigen deutschen Aufenthaltstiteln versehen sein müssen, überwiegend auf dem Landweg geschleust. Algerische islamistische Gruppen (vgl. Nr. 1.4) wie die "Islamische Heilsfront" (FIS), die "Bewaffnete Islamische Gruppe" (GIA) und die aus der GIA hervorgegangene "Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf" (GSPC), aber auch die "Hizb Allah" (Partei Allahs, vgl. Kap. III, Nr. 1.5.2) verfügen zur Durchführung von Schleusungen über Stützpunkte in verschiedenen Ländern Westund Osteuropas, darunter auch in Deutschland. Auch im Bereich "Arabischer Mujahedin" (vgl. Kap. III, Nr. 1.1) konnten vermehrt Schleusungsaktivitäten festgestellt werden. Teile dieses Netzwerkes unterhalten auch in Deutschland Strukturen und Helfer u. a. zur Beschaffung gefälschter Ausweisdokumente. Bisher konnten keine Belege dafür gewonnen werden, dass extremistische oder terroristische Ausländerorganisationen sich aus Profitstreben oder zur Finanzierung ihrer Aktivitäten an der Verbringung ausländischer Flüchtlinge nach Westeuropa und nach Deutschland beteiligen. Einige dieser Organisationen versuchen jedoch, an den Gewinnen "professioneller" Schleuserorganisationen, mit denen sie landsmannschaftlich verbunden sind, teilzuhaben, indem sie ihnen Spendengelder abverlangen. Bericht 2001 246 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern IV. Agitationsund Kommunikationsmedien 1. Periodische Publikationen 2001 wurden von extremistischen Ausländergruppierungen 74 (2000: 73) regelmäßig erscheinende Schriften herausgegeben. Von diesen traten 49 (2000: 47) für linksextremistische, 21 (2000: 22) für islamistische und 4 (2000: 4) für nationalistische Ziele ein. Die meisten Publikationen wurden von linksextremistischen türkischen und kurdischen Gruppierungen, nämlich 26 bzw. 13 (2000: 24 bzw. 13), verbreitet. Die Zahl der arabischen islamistischen Schriften ging um eine auf 13 zurück. 2. Neue Kommunikationsmedien/Internet Nahezu alle in Deutschland vertretenen ausländischen extremistischen Organisationen sind mit eigenen Internetseiten im Netz vertreten. Sie nutzen das Internet vor allem zu Selbstdarstellungsund Propagandazwecken. Besonders nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September wurde dieses Medium intensiv genutzt, um Stellungnahmen, Analysen und Berichte der einzelnen Gruppierungen hierzu möglichst schnell in Umlauf zu bringen. Im Zusammenhang mit den Attentaten hat sich der Verdacht, dass Extremisten/ Terroristen das Internet zur verdeckten Kommunikation durch Verschlüsselung oder durch Verstecken von Informationen und wichtigen Daten in Bildund Audiodateien (Steganographie) nutzen, weiter erhärtet. Die Zahl der Diskussionsforen und Chatrooms, die der weltweiten Kommunikation von Anhängern extremistischer Ausländerorganisationen dienen, ist stark angestiegen. Im Bereich der "Arabischen Mujahedin" (vgl. Kap. III, Nr. 1.1) ist eine Homepage hervorzuheben, die u. a. unter der Adresse "www. qoqaz.net" bis unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September aufzurufen war. Sie trug den Namen "Jihad in Chechnya" und wurde in sechzehn Sprachen, u. a. auch in Deutsch, angeboten; die Homepage enthielt tagesaktuelle Nachrichten über Gefechte in Tschetschenien, Interviews mit Kommandanten der Mujahedin und andere Propaganda. Bereits im November 2000 war auf dieser Seite ein Boykottaufruf gegen "diejenigen, die die Muslime boykottieren" eingestellt und zum Boykott gegen israelische und US-amerikanische Produkte weltweit aufgerufen worden. Hinter dem Link "Wie kann ich für den Jihad trainieren?" befand sich ein Text, der dazu aufforderte, sich auf den "Jihad" vorzubereiten. Auch die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK, vgl. Kap. III, Nr. 3.2) präsentiert sich seit langem im Internet. So konnten z. B. Informationen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 247 des "Kurdistan Informationszentrum" (KIZ) in Berlin aufgerufen werden. PKK-Anhänger nutzen das Internet ebenfalls, um kurzfristig auf Veranstaltungen bzw. Versammlungen aufmerksam zu machen. Die Website des Dachverbandes PKKnaher örtlicher Vereine, der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM), stellte den Anhängern der PKK ein Formular zur Teilnahme an der "Identitätskampagne" (vgl. Kap. III, Nr. 3.2.3) zur Verfügung. Außerdem wies die YEK-KOM auf Veranstaltungen hin, die sich mit der Forderung nach Aufhebung des gegen die PKK erlassenen Betätigungsverbots befassen. In Opposition zur PKK stehende ehemalige PKK-Anhänger kommunizieren hauptsächlich über das Internet in sogenannten Diskussionsforen miteinander. Die türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKPC, vgl. Kap. III, Nr. 2.2.1) nutzte das Internet seit der Niederschlagung der Gefängnisrevolten in der Türkei im Dezember 2000 sehr intensiv. Täglich wurden die Homepages aktualisiert und ggf. neue Presseerklärungen eingestellt. Im Mittelpunkt der inhaltlichen Darstellung stand der Hungerstreik bzw. das "Todesfasten" inhaftierter Gesinnungsgenossen in der Türkei. Weiterhin wurde per Internet der DHKP-C-nahe Fernsehsender "HALKIN SESI-TV" (Stimme des Volkes) übertragen. Dessen ausführliche Webseite befasst sich ebenfalls intensiv mit dem "Todesfasten" und den damit verbundenen Maßnahmen des türkischen Staates. Die Homepage des islamistischen türkischen "Kalifatsstaates" (vgl. Kap. III, Nr. 2.1.1) wies hauptsächlich auf die wöchentliche Ausgabe des organisationseigenen Organs "Ümmet-i Muhammed" hin. Ferner wurden Informationen über die Haft von Metin KAPLAN veröffentlicht. Die Homepage wurde in Folge des Vereinsverbotes abgeschaltet. Seit März 1998 ist auch die extremistische türkische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG, vgl. Kap. III, Nr. 2.1.2) im Internet vertreten. Sie stellte ihren Anhängern und Interessierten ein breitgefächertes Angebot an Informationen über die Organisation zur Verfügung. Die Informationen wurden in mehreren Sprachen angeboten, vorwiegend aber in Türkisch. Auch die "Einbürgerungskampagne" wurde im Internet präsentiert. Hierbei wurden die Vorteile einer Einbürgerung aufgezeigt und diskutiert, die notwendigen Schritte erläutert und ein entsprechendes Formular eingestellt. Nach dem 11. September änderte sich das Aussehen und der Inhalt der Seite deutlich. Die aktuelle Webseite verfügt nicht mehr über einen türkischsprachigen Teil, sondern beinhaltet ausschließlich Presseerklärungen und Informationen zur IGMG in deutscher Sprache. Entgegen der vorangegangenen Internetpräsentation sind keine Angaben mehr zur Struktur der Organisation vorhanden. Bericht 2001 248 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern V. Übersicht über weitere erwähnenswerte Organisationen Organisation Mitglieder/Anhänger Publikationen - einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise) 2001 (2000) Türken (ohne Kurden) "Föderation der türkisch-democa. 8.000 (ca. 7.800) "Türk Federasyon Bülteni" kratischen Idealistenvereine (Bulletin der Türk-Föderation) in Europa e. V." (ADÜTDF) - monatlich - "Föderation der demokratischen ca. 700 (ca. 700) "Tatsachen" Arbeitervereine e. V." (DIDF) - zweimonatlich - "Front der islamischen Kämpfer Einzelmitglieder u. a. "Furkan" des Großen Ostens" (IBDA-C) (Die Rettung), "Akademya" (Die Akademie), "Haberci" (Der Bote) - alle unregelmäßig - Kurden Irakische Organisationen - "Demokratische Partei ca. 350 (ca. 400) Kurdistans/Irak" (DPK-I) - "Patriotische Union Kurdistans" (PUK) Araber "Hizb Al Da'Wa Al Islamiya" ca. 150 (ca. 150) "Al Jihad" (DA'WA) (Heiliger Krieg) (Partei des islamischen Rufs/ - wöchentlich - der islamischen Mission) "Gruppen des libanesischen ca. 200 (ca. 200) "Amal" (Hoffnung) Widerstandes" (AMAL) - wöchentlich - Iraner "Union islamischer ca. 100 (ca. 100) u. a. "Qods" Studentenvereine" (U.I.S.A.) (Jerusalem) - unregelmäßig - Sikhs "International Sikh Youth ca. 600 (ca. 600) Federation" (ISYF) "Babbar Khalsa ca. 200 (ca. 200) International" (BK) "Kamagata Maru Dal ca. 50 (ca. 50) International" (KMDI) Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 250 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick Deutschland bleibt Die Bundesrepublik Deutschland ist unverändert ein vorrangiges Ausspähungsziel Ausspähungsziel für die Nachrichtendienste fremder Staaten. Dafür spricht zum einen die nach wie vor hohe Präsenz fremden Nachrichtendienstpersonals, das an den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen der jeweiligen Staaten in Deutschland auf Tarndienstposten eingesetzt ist (Legalresidenturen). Auch die seit Jahren anhaltenden und auffallend häufigen Bemühungen ehemaliger Nachrichtendienstmitarbeiter insbesondere aus der Russischen Föderation um ein Einreisevisum sind ein weiteres Indiz. Bei diesem Personenkreis sind nach wie vor bestehende Kontakte zu den früheren Diensten nicht auszuschließen. "Klassische Spionage", Deutschland steht dabei nicht nur im Ausforschungsinteresse von OppositionellenNachrichtendiensten aus einigen Republiken der "Gemeinschaft ausspähung Unabhängiger Staaten" (GUS)237, auch die Dienste einzelner Staaten Nordafrikas sowie des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens entfalten gegen Deutschland gerichtete Spionageaktivitäten. Die zuletzt genannten Staaten sind neben der Informationsbeschaffung aus den klassischen Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik vor allem an der Ausspähung und Unterwanderung in Deutschland ansässiger Organisationen und Personengruppen interessiert, die in Opposition zum Regime des Heimatlandes stehen (Oppositionellenausspähung). Letzteres wird belegt durch zwei Fälle, die Ende 2001 aufgedeckt worden sind (vgl. Kap. IV, Nr. 2). Proliferation Schließlich sind einige Staaten - z. B. Iran, Irak, Syrien, Libyen - weiterhin bemüht, in den Besitz atomarer, biologischer und chemischer Massenvernichtungsmittel zu gelangen. II. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation 1. Aktuelle Situation und Aufgaben der Dienste, personelle und strukturelle Veränderungen Im Gefüge der russischen Nachrichtendienste erhebt besonders der zivile Aufklärungsdienst SWR einen elitären Anspruch. So äußerte sich der Leiter des SWR LEBEDEW im Dezember 2000 gegenüber der Zeitung ISWESTIJA, bei allen wichtigen Entscheidungen, die Russland auf dem Gebiet der Außenpolitik und der Wirt- Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 251 schaft, im Sicherheitsbereich sowie in Fragen der Entwicklung von Wissenschaft und Technik getroffen habe, sei auch immer nachrichtendienstliche Arbeit berücksichtigt worden. Auch die Vielfalt der nachrichtendienstlichen Aktivitäten hat Vielfalt der nach Ansicht LEBEDEWs eine Steigerung erfahren. So befindet sich Informationsdie Tätigkeit der Nachrichtendienste derzeit in einem Stadium perbeschaffung gesteigert manenter Entwicklung - auch in technologischer Hinsicht. Zur Durchsetzung ihrer innen-, außen-, militärund finanzpolitischen Ziele ist die Russische Föderation in der Tat in besonderem Maße auf die Unterstützung, Loyalität und die Leistungsfähigkeit der Nachrichtenund Sicherheitsdienste des Landes angewiesen. Die russischen Dienste werden daher voraussichtlich auch künftig ihren Status behaupten und mit ihren Aktivitäten dazu beitragen, den politischen Vorgaben sowie dem Informationsbedürfnis der russischen Regierung Rechnung zu tragen. Die Arbeitsmethodik der Nachrichtendienste und der SchwerPermanente punkt ihrer Tätigkeit orientiert sich daher an den Anforderungen Aktualisierung der Beschaffungsder politischen Bedarfsträger. Durch die Aufklärungsdienste erfolgt schwerpunkte z. B. die Unterrichtung der russischen Staatsführung über besondere Ereignisse und politische Entscheidungsprozesse im Ausland, die russische Interessen tangieren. Darüber hinaus werden Informationen in den Zielländern im Zusammenhang mit politischen Entscheidungen Russlands von internationaler Tragweite beschafft. Die russischen Dienste sowie deren Aktivitäten blieben in den letzten Jahren konstant. - Der SWR (Dienst für Auslandsaufklärung) ist ein ziviler AuslandsSWR nachrichtendienst. Er verfügt über ca. 13.000 Mitarbeiter und wird von Generaloberst Sergej LEBEDEW geleitet. Zu den Aufgaben des SWR (Informationsbeschaffung in den klasAufgaben sischen Teilbereichen Politik, Wissenschaft und Technologie sowie auf ökonomischem Gebiet) äußerte LEBEDEW in dem Interview, es gelte vor allem, die politische Stabilität sowie die äußere Sicherheit Russlands zu gewährleisten. Da Russland sich gegenüber anderen Ländern geöffnet habe und damit - im Gegensatz zur autonomen Sowjetunion - eine Abhängigkeit von der übrigen Welt entstanden sei, gehöre auch die Gewährleistung der ökonomischen und finanziellen Sicherheit des Landes zu den wichtigen Aufgaben des SWR. Zudem sei die Mitwirkung des SWR bei der Bekämpfung von Proliferation und des internationalen Terrorismus von Bedeutung. Bericht 2001 252 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten GRU - Der militärische Auslandsaufklärungsdienst GRU (Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab) untersteht dem russischen Verteidigungsministerium und ist für die Informationsbeschaffung im militärischen Bereich zuständig. Er hat ca. 12.000 Mitarbeiter und wird von Generaloberst Walentin KORABELNIKOW geleitet. Aufklärungsziele Die GRU interessiert sich vor allem für militärpolitische, strategische, taktische und geografische Informationen aus den jeweiligen Zielländern. Außerdem versucht sie, an militärisch nutzbare wissenschaftliche Forschungsergebnisse sowie an Militärtechnologie oder Produktinformationen aus der Rüstungstechnik zu gelangen. Dabei richtet sie auch den Blick auf zivile Produkte mit militärischen Anwendungsmöglichkeiten ("dual use"-Güter). Zielobjekte der GRU-Aktivitäten in Deutschland sind vorrangig die Bundeswehr und die NATO. FSB - Der FSB (Föderaler Sicherheitsdienst) ist ein Inlandsnachrichtendienst, dessen Hauptaufgaben in der zivilen und militärischen Spionageabwehr sowie in der Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität liegen. Darüber hinaus obliegt dem Dienst die Beobachtung des politischen Extremismus sowie der Schutz der russischen Wirtschaft und ausländischer Investoren vor Wirtschaftsverbrechen. Die Personalstärke des FSB, der von Armeegeneral Nikolaj PATRUSCHEW geleitet wird, dürfte etwa 100.000 Mitarbeiter betragen. Auch exekutive Der FSB ist in den Bereichen, für die er zuständig ist, zugleich Befugnisse Strafverfolgungsbehörde. Zu diesem Zweck ist er mit umfangreichen Exekutivbefugnissen ausgestattet; auch verfügt er über paramilitärische Spezialeinheiten. Unter bestimmten Voraussetzungen und in Abstimmung mit den Auslandsnachrichtendiensten werden dem FSB auch - allerdings eingeschränkte - Möglichkeiten eingeräumt, unter Abwehrgesichtspunkten Auslandsaufklärung zu betreiben (z. B. unter dem Gesichtspunkt der Spionageabwehr im Zusammenhang mit der Überwachung ausländischer Staatsangehöriger, die zwischen ihren Heimatländern und Russland pendeln, oder zur Strafverfolgung bei der grenzüberschreitenden Bekämpfung von Terrorismus, Proliferation sowie der Organisierten Kriminalität). Möglichkeiten der In seine Abwehraktivitäten hat der FSB auch die Internet-ÜberwaInternetchung in Russland einbezogen. Alle russischen Anbieter von InterÜberwachung net-Zugängen sind demnach verpflichtet, dem FSB einen ständigen Zugriff auf den Datenverkehr zu ermöglichen, der in Russland über Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 253 das Internet abgewickelt wird. Auf diese Weise können auch ausländische Staatsangehörige, die sich in Russland des Internet bedienen, in das Blickfeld des FSB geraten. - Die "Föderale Agentur für Regierungsfernmeldewesen und InforFAPSI mation" (FAPSI) agiert auf russischem Territorium und hat als Fernmeldespezialdienst Abwehrund Aufklärungsaufgaben. Der Dienst wird von Generalleutnant Wladimir MATJUCHIN geleitet und verfügt unter Einbeziehung der russischen Fernmeldetruppen, die dem Dienst ebenfalls unterstehen, über eine Personalstärke von etwa 120.000 Mitarbeitern. Im Abwehrbereich ist der Dienst für die technische Bereitstellung, Abwehraufgaben die Sicherheit und den störungsfreien Betrieb wichtiger staatlicher Nachrichtenverbindungen, z. B. der Regierung und der Armee, sowie für Verschlüsselungsverfahren zum Schutz gegen Abhörversuche verantwortlich. Die Aufklärungskomponente des Dienstes zielt darauf, mit FernAufklärung meldeund elektronischen Mitteln den internationalen Funkverkehr sowie die drahtlose Telekommunikation planmäßig zu überwachen, aufzuzeichnen und gegebenenfalls zu entschlüsseln. Dazu bedient sich der Dienst moderner Nachrichtentechnik; seine technische Ausstattung versucht er durch die Beschaffung westlicher Technologie oder durch die Entwicklung eigener Produkte auf hohem Niveau zu halten. Auch in die kommerzielle Nutzung von Nachrichtentechnik ist die Kommerzielle FAPSI einbezogen. Der Dienst erteilt Betreiberlizenzen für KommuniNutzung kationstechnik und ist für die Vergabe der Funkkanäle und Frequenzen, z. B. bei Banken und Industrieunternehmen, und für die Genehmigung von Verschlüsselungsverfahren zuständig. - Der Schutzdienst FSO (Föderaler Schutzdienst) hat die Aufgabe, FSO die Sicherheit und die Unversehrtheit des russischen Präsidenten, der Regierungsmitglieder und wichtiger Regierungsvertreter zu gewährleisten. Die Personalstärke des FSO, der von General Jewgenij MUROW geleitet wird, dürfte zwischen 30.000 und 35.000 Personen liegen. Seine Zuständigkeit umfasst alle Sicherheitsangelegenheiten der Aufgabenbereiche russischen Staatsführung, z. B. den Personenund Objektschutz an Regierungsgebäuden, die Spionageabwehr innerhalb der Präsidialverwaltung und die Sicherheitsüberprüfung der dort beschäftigten Mitarbeiter. Der Dienst verfügt darüber hinaus über eine Spezialeinheit sowie Sondermilizen für "besondere Aufgaben"; er ist damit Bericht 2001 254 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten auch in der Lage, auf Weisung des russischen Präsidenten, z. B. in staatsgefährdenden Situationen, spezielle Abwehr-, Überwachungsoder Aufklärungsaufträge auszuführen. FPS - Der "Föderale Dienst für Grenzschutz" (FPS) ist für den Schutz und die Sicherheit der Außengrenzen des russischen Staatsgebietes zuständig. Der Dienst mit mehr als 200.000 Mitarbeitern steht unter dem Oberkommando von Generaloberst Konstantin TOTZKIJ. Im Rahmen der Grenzüberwachung ist der FPS auch befugt, mit einem nachrichtendienstlich tätigen Truppenteil, der "Verwaltung Aufklärung", auf fremdem Territorium, vornehmlich in grenznahen Regionen der russischen Nachbarstaaten, Auslandsaufklärung zu betreiben. Die Mitarbeiter des FPS werden auch als Grenzkontrollpersonal bei der Einund Ausreise von Personen eingesetzt; sie können dabei Aktivitäten entwickeln, von denen die verschiedenen russischen Geheimdienste profitieren. 2. Aufklärungsziele und Methoden der russischen Nachrichtendienste Aufklärungsziele Bei der Informationsbeschaffung im Ausland standen für die russische Auslandsaufklärung traditionell auch im Jahre 2001 die klassischen Zielbereiche Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie, der militärische Bereich sowie die westlichen Nachrichtenund Sicherheitsdienste im Vordergrund. Die Priorität der Beschaffungsaktivitäten wird - neben Vorgaben der russischen Staatsführung - von aktuellen Ereignissen bestimmt. Nach den Anschlägen am 11. September in den USA bestand z. B. erhebliches Interesse an den amerikanischen Gegenmaßnahmen unter Einbeziehung der NATO und der Länder der Antiterrorallianz. Bei der Ausforschung der Zielländer durch die russischen Auslandsnachrichtendienste sind im Laufe der Jahre bestimmte Vorgehensweisen festgestellt worden: Zentrale Führung Eine dieser Vorgehensweisen besteht darin, die Zielländer unmitaus Moskau telbar von der Zentrale des SWR oder der GRU in Moskau aus aufzuklären. Hierbei werden z. B. Personen, die für eine geheimdienstliche Agententätigkeit im Ausland geworben wurden, ausschließlich von der Zentrale des Dienstes angeleitet und geführt. Auch die Übermittlung der im Einsatzland beschafften Informationen erfolgt dann über geheime Meldewege direkt nach Moskau. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 255 Bei solchen Beschaffungsaktivitäten auf fremdem Territorium entVisaproblematik senden die Aufklärungsdienste auch hauptamtliche Mitarbeiter aus der Zentrale, die als Privatoder Geschäftsreisende getarnt sind, sowie nachrichtendienstlich verpflichtete Informanten aus bestimmten Berufsgruppen - z. B. Wissenschaftler oder Journalisten - mit nachrichtendienstlichen Aufträgen in die Zielländer. Als Alternative zur direkten Aufklärung unter zentraler Steuerung Legalresidenturen aus Moskau machen die russischen Aufklärungsdienste nach wie vor von der Möglichkeit Gebrauch, hauptamtliche Mitarbeiter in staatlichen Auslandsvertretungen Russlands oder in Korrespondentenbüros russischer Medien in den Zielländern auf Tarndienstposten einzusetzen (vgl. Nr. 3). Auch werden Nachrichtendienstoffiziere in Russland oder im Ausland bei staatlichen Firmenniederlassungen oder in der Privatwirtschaft, z. B. in Handelsunternehmen mit russischer Kapitalbeteiligung, platziert. Zu den Arbeitsmethoden der russischen Aufklärungsdienste BeschaffungsSWR und GRU gehören sowohl die offene Informationsbeschaffung methoden durch Gespräche mit Kontaktpersonen oder die Nutzung offener Informationsquellen als auch die gesamte Palette der konspirativen Geheimdiensttätigkeit zur verdeckten Nachrichtenbeschaffung, z. B. mit Hilfe geheimer Mitarbeiter. Darüber hinaus werden hauptamtliche Nachrichtendienstangehörige, die als sogenannte Illegale mit einer falschen Identität ausgestattet sind, im Ausland eingesetzt. Zur konspirativen Nachrichtenbeschaffung durch den SWR äußerte im Dezember 2000 der Leiter der Beratergruppe des Diensstes, General Wadim KIRPITSCHENKO, gegenüber der russischen Presse: "Wir haben es nicht aufgegeben, Quellen für geheime Informationen zu bezahlen." Als erfahrener Geheimdienstoffizier könne er sagen, dass zwar 95 % der Informationen offen beschafft würden, aber erst das verdeckt erlangte Wissen von 5 % den vollen Wert der Information ausmache. Unterstützt und ergänzt wird die Informationsbeschaffung durch Nutzung neuer den Einsatz moderner Nachrichtentechnik, die als fester Bestandteil Technik in die Arbeitsmethodik der russischen Nachrichtendienste einbezogen ist. Sie findet z. B. als Mittel der Fernmeldeund elektronischen Aufklärung sowie als Kommunikationsinstrument bei der Agentenführung - z. B. beim Agentenfunk - Anwendung. Bericht 2001 256 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 3. Die Legalresidenturen der russischen Nachrichtendienste Die russischen Aufklärungsdienste nutzen die diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Landes sowie z. B. Presseagenturen russischer Medien in Deutschland nach wie vor als Stützpunkte für den getarnten Einsatz einer großen Zahl von Geheimdienstoffizieren. Die Möglichkeit, aus solchen Legalresidenturen zu operieren, wird von den russischen Auslandsnachrichtendiensten SWR und GRU für unverzichtbar in ihrer Aufklärungsstrategie gehalten. Möglichkeiten der Die Legalresidenturen bieten den Nachrichtendienstangehörigen Residenturausgezeichnete Rahmenbedingungen, die ihnen ihre Aufklärungsakaufklärung tivitäten wesentlich erleichtern. So können die mit Informationsbeschaffung befassten Residenturoffiziere gegenüber Außenstehenden ihr Interesse an bestimmten Informationen mit ihrer angeblichen Funktion als Diplomat oder als Auslandskorrespondent einer russischen Nachrichtenagentur begründen. Außerdem bietet die Tarnposition als Diplomat Schutz vor Strafverfolgung und vielfältige Möglichkeiten, mit interessanten Zielpersonen in Kontakt zu treten. Diese Verbindungen können unverfänglich für offene Gesprächsaufklärung oder in Einzelfällen sogar zur Kultivierung von Kontaktpersonen für eine spätere verdeckte Geheimdiensttätigkeit als Agent genutzt werden. Daneben sammeln die Residenturoffiziere frei zugängliches Informationsmaterial, z. B. bei Symposien oder Industriemessen sowie durch die gezielte Nutzung von offenen Informationsquellen wie Medien, Fachbibliotheken oder wissenschaftlichen Informationszentren. In methodischer Hinsicht ist in letzter Zeit im Verhalten der Legalresidenturoffiziere der russischen Aufklärungsdienste bei der Informationsbeschaffung ein Wandel in der traditionellen Arbeitsweise zu beobachten. So scheinen sich die Operativoffiziere bei der klassischen Form der Werbung und Führung von Agenten eine größere Zurückhaltung verordnet und sich zu einer taktisch geschickteren Vorgehensweise entschlossen zu haben. Dabei werden Verbindungen zu Zielpersonen, die in nachrichtendienstlicher Hinsicht von besonderem Interesse sind, zunächst unter Verzicht auf konspirative Elemente behutsam aufgebaut und gepflegt, um so die Zielpersonen nicht durch kompromittierende nachrichtendienstliche Methoden zu verschrecken. Nutzung des Dementsprechend gewinnt auch das Internet bei den ResidenturInternet aktivitäten der russischen Dienste SWR und GRU zunehmend an Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 257 Bedeutung. Die diplomatischen Vertretungen der Russischen Föderation sind auch mit eigenen Seiten im Internet präsent, mit denen Interessenten Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit den Vertretungen aufgezeigt werden. Davon könnten sich potenzielle Selbstanbieter angesprochen fühlen, die von sich aus den Kontakt zu den russischen Nachrichtendiensten suchen. Neben ihren vielfältigen Aktivitäten bei der InformationsbeschafUnterstützungsfung fungieren die Residenturangehörigen, z. B. bei unmittelbar aus aufgaben Moskau geführten Agentenverbindungen, auch als verlängerter Arm ihrer Zentrale. Die Personalstärke der Geheimdienstmitarbeiter an den russiHohe Präsenz von schen Auslandsvertretungen in Deutschland ist im Vergleich zum ND-Personal Vorjahr geringfügig gesunken. Die im internationalen Vergleich weiterhin sehr hohe Präsenz der Residenturangehörigen von SWR und GRU auf deutschem Boden unterstreicht allerdings unverändert den Stellenwert, der Deutschland als Aufklärungsziel von den russischen Geheimdiensten beigemessen wird. Bei ihren Aufklärungsaktivitäten zeigten die Residenturoffiziere Ausspähungsziele des SWR besonderes Interesse an innerdeutschen Ereignissen, wie den Landtagswahlen in verschiedenen Bundesländern. Außenpolitisch galt das Interesse des SWR etwa der deutschen Haltung zum Tschetschenienkonflikt, der deutschen Kosovo-Politik sowie der Rolle Deutschlands in der Allianz im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Darüber hinaus richteten SWR-Angehörige ihr Augenmerk auf die Entwicklung der EU. Besonderes Interesse galt dabei der bevorstehenden Aufnahme von Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts in die EU und den diesbezüglichen Chancen der baltischen Staaten. Auch auf finanzpolitische Fragestellungen, z. B. über die Einführung des EURO, Fragen zur Energiepolitik sowie zum Umweltund Klimaschutz, richtete der SWR seinen Blick. Die wissenschaftlich-technologische Informationsbeschaffung des SWR zielte insbesondere auf die Bereiche Datenkommunikation und Nachrichtentechnik. Die Residenturoffiziere der GRU zeigten fortgesetztes Interesse an der Beschaffung von Informationen über die Bundeswehr und die NATO. Dabei spielten Fragen zur Logistik und zur Einsatzplanung bei den Streitkräften sowie zur Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Einsätzen eine Rolle. Auch bei der wissenschaftlich-technologischen Informationsbeschaffung über Produkte mit militärischen Anwendungsmöglichkeiten waren Aktivitäten der GRU zu verzeichnen. Bericht 2001 258 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten III. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der übrigen Republiken der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Auch andere Republiken der GUS verfügen ebenso wie Russland über Sicherheitsund Nachrichtendienste, die aus den Strukturen der früheren sowjetischen zivilen und militärischen Dienste entstanden sind. In einigen Staaten - z. B. Weißrussland, Ukraine - ergibt sich aus den gesetzlichen Grundlagen auch die Befugnis zur Nachrichtenbeschaffung im Ausland. Zusammenarbeit Die Nachrichtendienste dieser Staaten arbeiten oft eng mit den der GUS-Dienste russischen Nachrichtendiensten zusammen. Die Grundlage dafür bildet eine Vielzahl von Kooperationsabkommen, die die GUS-Dienste in den vergangenen Jahren untereinander abgeschlossen haben und die sich auf Abwehrund Aufklärungsangelegenheiten erstrecken. Ausfluss dieser Kooperation sind etwa ein Zusammenarbeitsgremium und der Austausch von offiziellen Vertretern. Ein gemeinsames Datensystem ermöglicht eine schnelle gegenseitige Information, z. B. über interessante Personen, die in die GUS einreisen. Das kann auch Deutsche betreffen, die sich aus geschäftlichem oder privatem Anlass in der GUS aufhalten wollen. Unterstützung durch Die russischen Nachrichtendienste unterstützen die Nachrichtenrussische Dienste dienste der übrigen Staaten der GUS auch bei der technischen Ausrüstung und nachrichtendienstlichen Ausbildung ihrer Mitarbeiter. Gemeinsame nachrichtendienstliche Operationen können bei besonders engen Kontakten zwischen einzelnen Diensten nicht ausgeschlossen werden. Der Leiter des russischen SWR, LEBEDEW, bestätigte im Dezember 2000 in einem Presseinterview, dass eine Zusammenarbeit mit den anderen GUS-Nachrichtendiensten stattfindet. Überwachung in den Wie in Russland werden auch in den übrigen Republiken der GUS GUS-Republiken ausländische Staatsbürger, die sich dort aufhalten, von den jeweiligen Nachrichtendiensten aufmerksam beobachtet. Auch die deutschen diplomatischen Vertretungen müssen mit einer nachrichtendienstlichen Überwachung rechnen. Der Leiter des weißrussischen KDB238 JERIN bekannte sich im März 2001 im weißrussischen Fernsehen zur nachrichtendienstlichen Beobachtung von Ausländern in Weißrussland. Dieses Vorgehen sei selbstverständlich für einen Nachrichtendienst. Im Einzelnen begründete JERIN diese nachrichtendienstlichen Tätigkeiten mit Kritik an Aktivitäten ausländischer humanitärer Organisationen sowie Straftaten von Ausländern in Weißrussland. Nach der neuen weißrussischen Sicherheitsdoktrin sei es eine der Hauptaufgaben des KDB, zu verhindern, dass sich ausländische Bürger und Organisationen in Angelegenheiten Weißrusslands einmischen. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 259 Um aus dem Ausland Informationen zu erhalten, setzen einige InformationsGUS-Nachrichtendienste an den offiziellen Vertretungen ihres Lanbeschaffung im des Mitarbeiter auf Tarndienstposten ein. Dies deutet auf die ExiAusland stenz von Legalresidenturen hin, für die es auch in Deutschland Anhaltspunkte gibt. Diese Stützpunkte der Nachrichtendienste im Ausland beschaffen Informationen im politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen sowie im militärischen Bereich. Im Zusammenhang mit beabsichtigten Reisen in die GUS besteht auch die Möglichkeit, schon bei der Visumbeantragung an den diplomatischen Auslandsvertretungen interessierende Zielpersonen herauszufiltern. IV. Aktivitäten von Nachrichtendiensten aus Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas Die Nachrichtendienste einiger nahund mittelöstlicher sowie nordafrikanischer Staaten haben auch im Jahr 2001 in Deutschland Aufklärung betrieben. Neben der Beschaffung von Informationen aus den "klassischen" Bereichen der Spionage - Politik (speziell zum bilateralen Verhältnis dieser Staaten zu Deutschland und zur EU), Wirtschaft, Wissenschaft, Militär (einschließlich Militärtechnik) - stehen für diese zumeist autoritär bzw. diktatorisch regierten Staaten die Proliferation sowie die Ausforschung und Unterwanderung der in Deutschland aufhältlichen Exilopposition im Vordergrund. 1. Iranische Nachrichtendienste Die iranische Exilopposition in Deutschland ist unverändert AufMEK als primäres klärungsschwerpunkt des iranischen Nachrichtendienstes VEVAK Ausspähungsziel (Ministerium für Nachrichtenwesen und Sicherheit). Die zahlreichen Organisationen und Kleingruppen von Nationalisten, Monarchisten, Liberaldemokraten, Sozialisten bis hin zu Sozialrevolutionären und Kommunisten werden systematisch ausgespäht und überwacht. Vorrangiges Zielobjekt ist nach wie vor die militanteste und aktivste Oppositionsgruppe, die terroristische "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) und ihr weltweit aktiver politischer Arm, der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI). Der VEVAK konzentriert seine Anstrengungen derzeit offensichtlich darauf, die oppositionellen Gruppen und ihre Aktivitäten politisch zu neutralisieren. Er stützt sich dabei auf eine von ihm gesteuerte und finanzierte Gegenpropaganda, die mitunter von früheren Regimekritikern mitgetragen wird. Bericht 2001 260 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Wie in den vergangenen Jahren ist der iranische Nachrichtendienst darum bemüht, aktive oder ehemalige Mitglieder oppositioneller Gruppierungen anzuwerben. Das geschieht vielfach unter Androhung von Repressalien gegen den Betroffenen selbst oder seine im Iran lebenden Familienangehörigen. Diplomatische Die diplomatischen und konsularischen Vertretungen des Iran in Vertretungen als Deutschland bieten dem Nachrichtendienst eine gute Basis, um "InformationsInformationen über hier lebende Dissidenten zu gewinnen. Im Rahsammelstellen" men der konsularischen Betreuung kann eine Vielzahl interessanter Daten gesammelt werden, die von dem hier eingesetzten Nachrichtendienstpersonal durch zusätzliche Ermittlungen angereichert wird. Über die Werbungsvorschläge der VEVAK-Legalresidentur in Berlin entscheidet dann abschließend die Zentrale in Teheran. Gute Kontaktierungsund Werbungsgelegenheiten eröffnen sich dem VEVAK auch durch den liberalisierten Reiseverkehr zwischen Deutschland und dem Iran. Festnahme Am 8. Oktober wurde ein 43-jähriger iranischer Staatsbürger unter dem dringenden Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit festgenommen. Der Iraner, der als Konstrukteur in einem großen Luftfahrtunternehmen in Süddeutschland tätig war, hatte sich Unterlagen aus dem Flugzeugbau angeeignet, auf die er an seinem Arbeitsplatz normalerweise keinen Zugriff hatte, um sie iranischen Stellen zur Verfügung zu stellen. Bei der anschließenden Begutachtung erwies sich das Material als veraltet. Das Ermittlungsverfahren gegen den Iraner wurde gemäß SS 153a StPO mit einer Geldauflage eingestellt. 2. Syrische Nachrichtendienste Die - untereinander rivalisierenden - syrischen Sicherheitsund Geheimdienste bilden eine wichtige Stütze des Regimes. Ihre Aktivitäten in Deutschland steuern sie vornehmlich über die an der Syrischen Botschaft in Bonn abgetarnt tätigen Nachrichtendienstoffiziere. Aufklärungsziele Neben der Beschaffung politischer und wirtschaftlicher Informationen steht schwerpunktmäßig die Ausforschung und Unterwanderung von in Deutschland lebenden Landsleuten bzw. deren Organisationen im Vordergrund, die dem politischen System in ihrem Heimatland kritisch gegenüberstehen. Wichtige Aufklärungsziele sind hierbei u. a. die von Anhängern des syrischen Zweiges der islamistischen Moslembruderschaft beeinflussten islamischen Zentren. Daneben sind Personen, die die Syrische Botschaft z. B. in Konsular- Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 261 angelegenheiten aufsuchen, Ziel massiver Werbungsversuche. Wer eine Zusammenarbeit verweigert, hat bei Besuchsreisen in die Heimat mit Repressalien zu rechnen. Es ist davon auszugehen, dass es den Syrern auf diese Weise gelungen ist, ein dichtes Agentenund Informationsnetz auf deutschem Boden aufzubauen. Am 5. Dezember wurden in Bonn und Mainz zwei syrische StaatsFestnahmen angehörige wegen des dringenden Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit festgenommen. Sie werden beschuldigt, seit 1996 im Auftrag eines syrischen Nachrichtendienstes in Deutschland lebende Landsleute ausgeforscht zu haben, die eine oppositionelle Haltung gegen die Regierung ihres Heimatlandes gezeigt haben. Die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes dauern an. 3. Irakische Nachrichtendienste Vornehmliches Aufklärungsziel der irakischen Nachrichtendienste Oppositionellensind weiterhin die im Ausland lebenden Regimegegner, die auf den ausforschung Sturz von Saddam Hussein hinarbeiten. Neben der Penetrierung oppositioneller Gruppierungen in den jeweiligen Gastländern versuchen die irakischen Dienste, durch so genannte Einflussagenten Propaganda im Sinne der irakischen Führung zu betreiben und dadurch den Bestrebungen der Regimegegner entgegenzuwirken. Hauptziel bleibt dabei die Aufhebung der von den Vereinten Nationen nach dem Golfkrieg gegen den Irak verhängten Embargobestimmungen, die das Land nicht nur politisch weitgehend isoliert, sondern vor allem auch wirtschaftlich hart getroffen haben. 4. Libysche Nachrichtendienste Nach vierjähriger Verhandlungsdauer wurde am 13. November vor "La Belle"-Prozess dem Berliner Landgericht der "La Belle"-Prozess vorläufig abgeschlossen. Bei dem Anschlag auf die vornehmlich von US-Soldaten besuchte Berliner Diskothek waren am 5. April 1986 drei Personen getötet und über 200 Menschen verletzt worden. Neben der Überführung der an der Tat Beteiligten ging es in dem Prozess vor allem auch darum, zu klären, in wieweit der libysche Staat oder Organisationen in seinem Auftrag bzw. mit seiner Billigung an der Durchführung des Terrorakts beteiligt waren. Angeklagt waren fünf Personen. Das Gericht verurteilte vier von ihnen - drei Männer aus Libyen bzw. dem Nahen Osten sowie eine Bericht 2001 262 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Deutsche - wegen Mordes, Mordversuchs oder Beihilfe dazu zu Haftstrafen zwischen 12 und 14 Jahren. Eine weitere deutsche Angeklagte wurde mangels Beweises freigesprochen. Das Gericht führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass der libysche Staat bzw. der libysche Geheimdienst eine erhebliche Mitverantwortung bei dem Verbrechen habe. Der Anschlag sei im ausdrücklichen Einverständnis des libyschen Geheimdienstes erfolgt bzw. von diesem federführend geplant worden. Die Staatsanwaltschaft, die für die Angeklagten lebenslange Haftstrafen beantragt hatte, legte gegen das Urteil Revision ein. Dieses Verfahren, wie auch der sogenannte Lockerbie-Prozess in den Niederlanden239, illustriert noch einmal die staatsterroristische Vergangenheit des libyschen Regimes. Die von den Vereinten Nationen gegen Libyen verhängten internationalen Sanktionen und die daraus resultierende jahrelange Isolation des Landes waren offensichtlich mitbestimmend dafür, dass Libyen seine Politik gemäßigt hat und sich nunmehr allem Anschein nach um Wiedereingliederung in die internationale Staatengemeinschaft bemüht. Ausforschung der Gleichwohl unternimmt der libysche Nachrichtendienst im AusExilopposition land, so auch in Deutschland, unverändert große Anstrengungen, regimefeindliche Aktivitäten der im Exil lebenden Libyer auszuspähen und zu kontrollieren. Bei der Führung von Agenten und Informanten innerhalb der libyschen Gemeinde in Deutschland spielt das "Libysche Volksbüro" in Bonn - die Libysche Botschaft - eine wichtige Rolle. V. Aktivitäten fernöstlicher Nachrichtendienste Auch die Nachrichtendienste einzelner fernöstlicher Staaten entwickeln Aktivitäten, die deutsche Interessen tangieren. Zu nennen sind hier vor allem die Dienste der Volksrepubliken China und Nordkorea. 1. Chinesische Nachrichtendienste Aufklärungsziele Die chinesischen Nachrichtendienste setzen ihre Aufklärungsaktivitäten in Deutschland kontinuierlich fort. Das nachrichtendienstliche Interesse erstreckt sich dabei auch hier auf alle "klassischen" Felder der Spionage, d. h. Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 263 und Forschung. Ziel der Beschaffungsbemühungen ist es, den Abstand Chinas zu den führenden Industriestaaten so schnell wie möglich zu verringern und dadurch seine eigenen außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Einwirkungsmöglichkeiten stetig zu verbessern. Mit der Aufklärung im Ausland sind primär das Ministerium für Legalresidenturen Staatssicherheit (MSS) als ziviler Dienst und die 2. Hauptverwaltung Nachrichtenwesen des Generalstabes der Volksbefreiungsarmee als militärischer Nachrichtendienst (MID) betraut. Beide Nachrichtendienste unterhalten in Deutschland abgetarnte Stützpunkte an den diplomatischen Vertretungen. Ebenso werden die hier akkreditierten Journalisten sowie die Niederlassungen chinesischer Firmen für Aufklärungszwecke genutzt. Diplomatische Einrichtungen sowie Presseagenturen bieten den Mitarbeitern der Nachrichtendienste eine gute Plattform, ihren nachrichtendienstlichen Aufträgen nachzugehen. Ihr Interesse an bestimmten Informationen kann dabei durch ihre offiziellen Funktionen kaschiert werden. Die Nachrichtendienstoffiziere betreiben eine InformationsbeMethoden schaffung auf breiter Front, der oftmals langfristige Zielvorgaben zugrunde liegen. Ein bevorzugter Weg, an Informationen zu gelangen oder Kontakte zu knüpfen, ist der Aufbau von Beziehungen zu Personen politischer und wissenschaftlicher Institute, zu Stiftungen von Parteien und der Wirtschaft oder zu staatlichen Stellen. Die Teilnahme an Seminaren oder anderen Veranstaltungen erleichtert die Kontaktaufnahme zu nachrichtendienstlich interessanten Personen. Dazu zählen auch Personen, die ihr Berufsleben in einem hochrangigen Amt bereits beendet haben (z. B. Offiziere, Ministerialbeamte). Die Nachrichtendienstoffiziere, die über ausgezeichnete Deutschkenntnisse verfügen, unterhalten zu ihren Zielpersonen intensive Kontakte und versuchen, eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen. Dahinter steht die Absicht, das Wissen dieser Personen unauffällig abzuschöpfen und dabei auch vertrauliche Informationen zu erlangen. Um solche Beziehungen zu festigen, wird häufig versucht, das Interesse der Zielperson an der chinesischen Kultur und Geschichte zu wecken oder zu verstärken. Spätere Einladungen nach China sind in diesem Zusammenhang ein besonderer Ausdruck der Wertschätzung und Honorierung der erwiesenen "Freundschaftsdienste". Die Überwachung der in Deutschland lebenden oder zeitweise aufhältlichen Landsleute, insbesondere derjenigen, die dem politischen System ihres Heimatlandes kritisch gegenüberstehen und Bericht 2001 264 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten einer Oppositionsgruppe angehören, gehört ebenfalls zu den Aufgaben der chinesischen Nachrichtendienste. Mit Unterstützung der diplomatischen Einrichtungen gegründete chinesische Vereine dienen der Kontrolle und politischen Beeinflussung der Mitglieder. 2. Nordkoreanische Nachrichtendienste Aufnahme Die Bundesrepublik Deutschland und die Koreanische Demokratidiplomatischer sche Volksrepublik (KDVR) haben am 1. März 2001 volle diplomatiBeziehungen sche Beziehungen zu einander aufgenommen. Obwohl die bisherige nordkoreanische Interessenvertretung in Berlin bereits eine der personell am stärksten besetzten nordkoreanischen Missionen in Europa war, ist die KDVR seit Aufnahme der vollen diplomatischen Kontakte darum bemüht, die Zulassung einer weiteren Aufstockung des Botschaftspersonals zu erreichen. Für das Jahr 2001 ist allerdings festzustellen, dass das der Botschaft bisher zugestandene Personalkontingent noch nicht voll ausgeschöpft worden ist. Legalresidentur Vorliegende Informationen bestätigen, dass Nordkorea an seiner Botschaft in Berlin nach wie vor nachrichtendienstliche Residenturen unterhält. Deren Aktivitäten konzentrieren sich neben dem personellen und materiellen Schutz der Botschaft vor allem auch auf die Steuerung südkoreanischer Dissidentenorganisationen in Deutschland. Vorrangiges Ziel ist es dabei, Agenten für den Einsatz gegen Südkorea zu gewinnen. BeschaffungsDiplomaten der nordkoreanischen Botschaft, die gleichzeitig aktivitäten Beschaffungsorganisationen der Wirtschaftskomitees und der Volksstreitkräfte vertreten, fielen erneut beim Erwerb von Gütern aus dem sensitiven Bereich auf, die teilweise über nachrichtendienstlich gesteuerte Wege nach Nordkorea ausgeführt werden sollten. Das belegt, dass der Bundesrepublik Deutschland unverändert ein wichtiger Stellenwert in der Beschaffungsstrategie Nordkoreas beigemessen wird. Das wird auch daran deutlich, dass 2001 ca. 500 Nordkoreaner als Mitglieder verschiedener Wirtschaftsdelegationen nach Deutschland eingereist sind. Es ist davon auszugehen, dass zumindest ein Teil dieses Personenkreises auch in nachrichtendienstlich gesteuerte Beschaffungsaktivitäten eingebunden war. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 265 VI. Proliferation Die nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA festgestellten Milzbrandattacken rückten erneut die Problematik der terroristischen Verwendung biologischer, chemischer oder nuklearer Substanzen in das Licht der Öffentlichkeit. Dem Verfassungsschutz liegen jedoch zur tatsächlichen Verfügbarkeit von Massenvernichtungsmitteln in den Händen von Terroristen oder zu konkreten Angriffszielen keine Erkenntnisse vor. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der "Al-Qaida" wurde jedoch bekannt, dass sich diese Gruppierung offenbar um die Beschaffung entsprechender Substanzen bemüht hatte. Nachweisbar ist hingegen, dass einige Staaten - wie z. B. Irak, Anhaltende Iran, Syrien, Libyen - unverändert darum bemüht sind, in den Besitz Proliferationsbemühungen von Massenvernichtungswaffen und der erforderlichen Trägersysteme zu gelangen. Viele, nicht nur in Deutschland bekannt gewordene Beschaffungsbestrebungen weisen in diese Richtung. Wie in den vergangenen Jahren gestalten sich die BeschaffungsBeschaffungsmethoden aktivitäten der um Proliferation bemühten Staaten äußerst konspirativ. Dadurch sollen die wirkungsvollen Exportgenehmigungsund -kontrollmechanismen in Deutschland unterlaufen werden. Für die deutschen Behörden soll der wahre Endempfänger und -verwendungszweck eines bestimmten zu exportierenden Produkts nicht erkennbar werden. Dabei spielen insbesondere auch sogenannte Umweglieferungen über Drittländer eine wichtige Rolle. Für den Irak sind beispielsweise Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate als Umgehungsländer von Bedeutung. Zur Aufdeckung proliferationsrelevanter Beschaffungsaktivitäten arbeiten BND, Zollkriminalamt (ZKA), Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), BKA und BfV eng zusammen. Das BfV ergänzt durch die nachrichtendienstliche Beobachtung verdächtiger Personen und Firmen in Deutschland, die im Vorfeld zu konkreten Genehmigungsanträgen und Exporten auf vielfältige Art unterstützend für die Endabnehmer tätig werden. Manche dieser Personen betreiben Marktforschung, um geeignete Hersteller oder Lieferanten zu finden. Andere stellen Kontakte her oder bieten sich als Anlaufadresse für Einkaufsdelegationen aus den Bestellerländern an. Einige wickeln schließlich Geschäfte ab, deren tatsächlich proliferationsrelevanter Hintergrund nicht ausreichend sicher belegt werden kann, weil falsche Endabnehmer, Empfängerländer oder Endverwendungen angegeben werden. In derartige Geschäfte involvierte Firmen sind darum bemüht, dass ihnen die Kenntnis des Proliferationscharakters ebenfalls nicht nachzuweisen ist. In diesem ZusamBericht 2001 266 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten menhang spielt auch die Nutzung von Tarnfirmen oder Tarnorganisationen als Empfänger von Lieferungen eine wichtige Rolle. Gleiches gilt für so genannte Händleragenten. Das wird am Beispiel des Iran deutlich. "Händleragenten" In der Regel handelt es sich bei "Händleragenten" um Geschäftsleute aus dem Iran, die eine oft schon jahrelang bestehende Geschäftsverbindung zu Inhabern mittelständischer Unternehmen nutzen. Der Kontakt gerade zu mittelständischen Unternehmen wird vermutlich deshalb gesucht, weil bei diesen - im Gegensatz zu größeren Unternehmen - direkt mit der Firmenleitung verhandelt werden kann. Der aufgebaute Firmenkontakt geht häufig einher mit dem Besuch von Fachmessen. In Einzelfällen wurden deutsche Geschäftspartner dazu aufgefordert, Waren gänzlich an den deutschen Exportgenehmigungsund -kontrollbehörden vorbei in den Iran zu liefern. Vorliegenden Erkenntnissen zufolge erstreckt sich der Aktionsradius iranischer "Händleragenten" nicht nur auf Deutschland, sondern umfasst darüber hinaus auch das westeuropäische Ausland. Know-how-Transfer Neben dem illegalen Warenexport spielt auch der Transfer von Know-how in die um Proliferation bemühten Staaten eine Rolle. Da in einigen dieser Länder inzwischen eine beachtenswerte eigene industrielle und wissenschaftliche Infrastruktur aufgebaut wurde, müssen nicht mehr alle für Proliferationsprogramme erforderlichen Güter aus den Industrieländern beschafft werden. Der Transfer von Know-how, das für Proliferationsprogramme genutzt werden kann und soll, wird daher an Bedeutung gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist sehr sorgfältig zu beobachten, welche Studenten und Wissenschaftler aus proliferationsrelevanten Staaten in Deutschland arbeiten und an welchen Projekten sie mitwirken. Sensibilisierung Ziel des Verfassungsschutzes ist es, solche Personen und Firmen in Deutschland sowie ausländische Studenten und Gastwissenschaftler zu identifizieren, die beim Know-how-Transfer eine Rolle spielen könnten. Hinweise aus vielen Kontakten der Verfassungsschutzbehörden zu Firmen, Wissenschaftseinrichtungen und Bürgern sind dabei ebenso hilfreich wie etwa Informationen des BND und von ausländischen Diensten. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder haben gemeinsame Bemühungen unternommen, die gewerbliche Wirtschaft und wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland zu sensibilisieren. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 267 VII. Festnahmen und Verurteilungen Im Jahr 2001 wurden durch den Generalbundesanwalt 31 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit eingeleitet. Acht Personen wurden von den Strafverfolgungsbehörden festgenommen, gegen sechs von ihnen wurde Haftbefehl erlassen. Im gleichen Zeitraum verurteilten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland drei Angeklagte wegen Straftaten im Bereich "Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit" (SSSS 93 - 101a StGB), einen von ihnen wegen Landesverrats. Bericht 2001 268 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 270 Geheimschutz, Sabotageschutz Geheimschutz, Sabotageschutz Aufgaben des Der Geheimschutz ist ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls und für Geheimschutzes den demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass Informationen und Vorgänge, deren Bekannt werden den Bestand oder lebenswichtige Interessen, die Sicherheit oder die Interessen des Bundes oder eines seiner Länder gefährden kann, geheimgehalten und vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Verschlusssache Unabhängig von ihrer Darstellungsform sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die geheim zu shalten sind, Verschlusssachen (VS) und mit einem Geheimhaltungsgrad STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH oder VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH zu kennzeichnen. Materieller Der Materielle Geheimschutz schafft die organisatorischen und Geheimschutz technischen Vorkehrungen zum Schutz von VS. Diese Aufgabe obliegt in erster Linie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die Mitwirkung des BfV auf diesem Gebiet folgt aus SS 3 Abs. 2 Nr. 3 BVerfSchG und bezieht sich auf die Mitteilung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, die für den materiellen Schutz von VS von Bedeutung sein können. Personeller Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Geheimschutz Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Das Sicherheitsüberprüfungsverfahren ist im Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) vom 20. April 1994 - s. Gesetzestexte - geregelt. Die Mitwirkung des BfV hieran beruht auf SS 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BVerfSchG in Verbindung mit SS 3 Abs. 2 SÜG. Zuständigkeit Die Zuweisung des personellen Geheimschutzes als "Mitwirkungsaufgabe" bedeutet, dass das BfV keine originäre Zuständigkeit besitzt. Die Verantwortung für die Sicherheitsmaßnahmen liegt bei den zuständigen Stellen. Im öffentlichen Bereich des Bundes ist die zuständige Stelle i. d. R. die Beschäftigungsbehörde. Auch im nichtöffentlichen Bereich, z. B. in Wirtschaftsunternehmen, wird mit staatlichen VS umgegangen, deren Schutz gewährleistet werden muss. Hier nimmt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Aufgaben der zuständigen Stelle wahr. Geheimschutz, Sabotageschutz 271 Das SÜG kennt drei Überprüfungsarten: Die einfache SicherÜberprüfungsarten heitsüberprüfung (SS 8 SÜG), die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (SS 9 SÜG) sowie die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (SS 10 SÜG). Die Art der durchzuführenden Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der konkret auszuübenden sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Von den im Jahre 2001 durchgeführten Sicherheitsüberprüfungen entfielen ca. 36 % auf die einfache Sicherheitsüberprüfung, ca. 60 % auf die erweiterte Sicherheitsüberprüfung und ca. 4 % auf die Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen. Zu betonen ist, dass niemand, ausgenommen Wehrpflichtige, Zustimmung ohne seine ausdrückliche Zustimmung einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden darf. Der Umfang der Maßnahmen des BfV im Rahmen seiner Mitwirkung Überprüfungsrichtet sich nach der jeweils durch die zuständige Stelle vorgegebenen maßnahmen Überprüfungsart. Grundvoraussetzung für alle weiteren Maßnahmen ist die Bewertung aller Angaben in der Sicherheitserklärung, die vom Betroffenen auszufüllen ist und die auch Angaben zum Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten enthält. Die Bewertung erfolgt zum Betroffenen, zu seinem Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten, im Bedarfsfall auch zu den übrigen in der Sicherheitserklärung angegebenen Personen, Adressen und Objekten, unter Berücksichtigung eventuell vorliegender Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden. Zudem wird unabhängig von der Überprüfungsart immer eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister eingeholt und eine Abfrage an das Bundeskriminalamt, die Grenzschutzdirektion Koblenz sowie die anderen Nachrichtendienste des Bundes vorgenommen. Diese Sicherheitsbehörden sind wichtige Zentralstellen, die über sicherheitserhebliche Erkenntnisse verfügen können. Bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung nach SSSS 9 und 10 SÜG wird als weitere Maßnahme eine Anfrage zum Betroffenen an die örtliche Polizeistelle der Wohnsitze (in der Regel der letzten fünf Jahre) gerichtet, um dort möglicherweise vorliegende sicherheitserhebliche Erkenntnisse, wie z. B. noch nicht abgeschlossene Strafverfahren, berücksichtigen zu können. Bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen werden zusätzlich vom Betroffenen benannte Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen befragt. Wiederholungsüberprüfungen, die wie eine Erstüberprüfung durchgeführt werden, finden regelmäßig im Abstand von zehn JahBericht 2001 272 Geheimschutz, Sabotageschutz ren bei Personen statt, die Zugang zur höchsten Geheimhaltungsstufe STRENG GEHEIM haben bzw. eine Vielzahl von Geheim-Vorgängen bearbeiten müssen oder die bei den Nachrichtendiensten des Bundes tätig sind. Im übrigen werden die Sicherheitsüberprüfungen in der Regel alle fünf Jahre aktualisiert. Ergebnisse Die Sicherheitsüberprüfung wird mit dem Ziel durchgeführt, möglicherweise sicherheitserhebliche Erkenntnisse bei dem Betroffenen festzustellen, aus denen sich Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben. Sicherheitsrisiken sind gegeben, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen oder an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder Erpressbarkeit bzw. Anfälligkeit für Anbahnungsund Werbungsversuche durch fremde Nachrichtendienste für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland vorliegen. Votum Das BfV gibt gegenüber den für die Sicherheitsüberprüfung zuständigen Stellen ein so genanntes Sicherheitsvotum ab. Das Votum ist eine Entscheidungshilfe, auf deren Grundlage die zuständige Stelle (Beschäftigungsbehörde) über die Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entscheidet. Personeller Als unmittelbare Folge der am 11. September in den USA verübten Sabotageschutz Anschläge hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 beschlossen, dessen Art. 5 die Einführung von Regelungen des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes vorsieht. Die neue Gesetzeslage sieht vor, dass Personen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung beschäftigt sind oder werden sollen, künftig sicherheitsüberprüft werden (SSSS 1 Abs. 4 und 5, 8 Abs. 1 Nr. 3 SÜG i. V. m. SS 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVerfSchG). Es handelt sich ausschließlich um Einrichtungen, bei deren Beeinträchtigung die Gesundheit oder das Leben von großen Teilen der Bevölkerung erheblich gefährdet werden kann bzw. die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind und deren Beeinträchtigung Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen lassen würden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Mitglieder terroristischer Strukturen in lebensoder verteidigungswichtige Einrichtungen eingeschleust werden und "von innen" terroristische Anschläge verüben könnten. Welche lebensoder verteidigungswichtige Einrichtungen künftig dem vorbeugenden personellen Sabotageschutz konkret unterliegen werden, wird in einer Rechtsverordnung der Bundesregierung festgelegt. Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 274 Scientology-Organisation "Scientology-Organisation" (SO) gegründet: 1954 in den USA, erste Niederlassung in Deutschland 1970 Sitz: Los Angeles ("Church of Scientology International", CSI) Mitglieder: in Deutschland geschätzt: ca. 5.000 bis 6.000 (2000: 5.000 bis 6.000) *) Publikationen: u. a. "FREIHEIT", "IMPACT", "SOURCE", "INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS", "ADVANCE!"240 Teilorganisationen: In Deutschland u. a. zehn "Kirchen" und elf "Missionen"241 *)Die SO behauptet höhere Zahlen (30.000). 1. Vorbemerkung Die Feststellung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) vom 5./6. Juni 1997, dass hinsichtlich der SO tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen und dementsprechend die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden gegeben sind, hat nach wie vor Gültigkeit. 2. Grundlagen Der Organisationsgründer L. Ron HUBBARD (1911 - 1986) sah sich als Erfüllung einer Prophezeiung des indischen Religionsstifters Gautama Siddharta (genannt "Buddha"), nach der "... zu einer Zeit weltweiter Degeneration ein Mann aus dem Westen mit einer befreienden Technologie in Erscheinung treten würde, um ein geistiges Goldenes Zeitalter auf Erden herbeizuführen ...".242 Die SO betrachtet ihre von HUBBARD entwickelte Lehre als eine "Erlösungsreligion"243 in der Tradition ostasiatischer Religionen, insbesondere des Buddhismus, die dem Menschen angeblich den Zustand vollständiger geistiger Freiheit von dem endlosen Kreislauf von Geburt und Tod vermitteln und ihn von seinen Banden im physischen Universum befreien will.244 Charakteristisch für eine Person bzw. die Identität des Menschen ist nach Vorstellung der SO nicht Scientology-Organisation 275 deren Körper oder Name, sondern der "Thetan"; er habe keine Masse, keine Wellenlänge, also nichts Gegenständliches.245 Er sei im Idealzustand als "Operierender Thetan" "völlig Ursache über Materie, Energie, Raum, Zeit und Denken" und nicht in einem Körper.246 Um diesen Zustand zu erreichen, ist Ziel der Scientologen zunächst der "Clear", d. h. der Mensch, der als Ergebnis der "dianetischen" Therapie weder aktiv noch potenziell vorhandene psychosomatische Krankheiten oder "Aberrationen" hat.247 "Aberration" bedeutet im Sprachgebrauch der Scientologen eine Abweichung vom rationalen Denken oder Verhalten.248 Abweichungen von der Rationalität können auf so genannte "Engramme" zurückgehen. Unter einem "Engramm" verstehen Scientologen die Aufzeichnung einer bloßen Vorstellung von physischem Schmerz und Bewusstlosigkeit in einem begrenzten Zeitraum.249 Mit Hilfe des so genannten "Auditing" sollen diese "Engramme" entdeckt und ihre Auswirkungen eliminiert werden.250 Bei diesem Verfahren soll der "Auditor", ein so bezeichneter Geistlicher der "Scientology-Kirche" oder jemand, der dazu ausgebildet wird251, dem so genannten "Preclear" (jemand, der noch nicht "Clear" ist)252 durch eine festgelegte Abfolge von Fragen oder Anweisungen helfen, Bereiche von Kummer oder Schmerz aufzuspüren.253 Als Hilfsmittel steht dabei dem "Auditor" das "E-Meter" zur Verfügung. Dieses Gerät soll "den Körperwiderstand und dessen Schwankungen aufgrund seelischer Interaktion" gegen einen elektrischen Strom messen, wenn der Teilnehmer am "Auditing" die beiden Elektroden des Geräts in der Hand hält und vom "Auditor" befragt wird. Die durch den Stromfluss verursachten Ausschläge der Nadel des "E-Meters"254 sollen dem "Auditor" anzeigen, ob der richtige Bereich von Kummer und Schmerz von ihm angesprochen wurde.255 "Auditing-Kurse" und entsprechendes Schulungsmaterial werden von der SO nach Art eines Unternehmens gewinnorientiert gegen Entgelt angeboten. Darin besteht die Hauptaufgabe und -tätigkeit der "Kirchen" und "Missionen" in Deutschland.256 3. Zielsetzung Neben kommerziellen Motiven lässt das Handeln der Organisation Tatsächliche auch eine politische Zielsetzung erkennen, die gegen die freiheitAnhaltspunkte für liche demokratische Grundordnung gerichtet ist. Tatsächliche verfassungsfeindliche Bestrebungen Anhaltspunkte dafür finden sich in den Schriften HUBBARDs. Sie sind für die SO und den einzelnen Scientologen verbindlich und Bericht 2001 276 Scientology-Organisation unabänderlich.257 Die Organisation wirbt damit ausdrücklich in ihren Internet-Einstellungen: "Alle Kirchen unterstehen einem internationalen Verwaltungssystem ... um sicherzustellen, daß die von L. Ron Hubbard entwickelte geistige und spirituelle Lehre und religiöse geistige Philosophie und Technologie der Dianetik und Scientology ... genauso angewendet werden, wie Hubbard dies festgelegt hat ... ." Ablehnung der Die SO verkauft die Schriften ihres Gründers ohne inhaltliche Einparlamentarischen schränkung.258 Sie zitiert deren politischen Inhalt in ihren aktuell Demokratie erscheinenden Zeitschriften259, Internet-Einstellungen260 und in den verwendeten Kursunterlagen. So findet sich z. B. in den Unterlagen eines Organisationsführungskurses eine Zusammenfassung von Schriften HUBBARDs, nach denen die parlamentarische Demokratie abgeschafft und durch ein scientologisches System ersetzt werden muss: "Eine völlig demokratische Organisation ist in Dianetik und Scientology schlecht angeschrieben, trotz all dieses Geredes von Übereinstimmung. Durch ein tatsächliches Experiment (Los Angeles, 1950) hat man festgestellt, dass Menschengruppen, die aufgefordert werden, unter sich durch Nominierung und Abstimmung eine Führungsperson auszuwählen, routinemäßig nur jene auswählen, die sie umbringen würden. ... Sollten Sie jemals die Gelegenheit haben, für Ihre Gruppe eine Führungsperson auszuwählen, seien sie dabei nicht demokratisch. ... Nehmen Sie die Person, die ein guter Auditor ist. ... Hüten Sie sich vor diesen Damen und Herren parlamentarischer Vorgehensweisen, die sämtliche rechtlichen und zeitverschwenderischen Verfahren kennen. ...) Demokratien hassen Verstand und Können. Verfallen Sie nicht in diesen Trott. Demokratie ist nur in einer Nation von Clears möglich. ... Wenn die Mehrheit herrscht, leidet die Minderheit. Die Besten sind immer eine Minderheit. ... Scientology gibt uns unsere erste Chance, eine wirkliche Demokratie zu haben." (Organisationsführungskurs "Grundlegender Mitarbeiter-Hut" 261, Band O, S. 123 f. und S. 652) Eingeschränkte HUBBARD hat das von ihm angestrebte System in einer seiner Geltung der weiteren Veröffentlichungen als Rechtsordnung beschrieben, in der Grundrechte die Existenz des Einzelnen vom willkürlichen Ermessen der SO Scientology-Organisation 277 abhängt. Grundrechte stehen nur den Personen zu, die aus Sicht der Organisation nach einer Auslese im "Auditing" - Verfahren zu den "Ehrlichen" gehören: "... um Hilfe zu erhalten, muss man seinem Auditor gegenüber ehrlich sein. ... Dies ist der Weg zur geistigen Gesundheit ... und wirklicher Freiheit. ... Jemandes Recht auf Überleben ist direkt mit seiner Ehrlichkeit verknüpft. ... Freiheit ist für ehrliche Menschen da." (HUBBARD, "Einführung in die Ethik der Scientology", Kopenhagen 1998, S. 36 f. und S. 46) Ein organisationseigener Nachrichtendienst, der sich nicht an Unumschränkt Recht und Gesetz gebunden sieht, soll Sachverhalte erforschen sowie herrschender aus Sicht der SO erforderliche präventive und repressive Maßnahmen Nachrichtendienst treffen: "Wir kennen unsere Feinde, ehe sie zuschlagen. Wir halten sie von wichtigen Positionen fern. Wenn wir einen zufälligerweise in eine Schlüsselposition bringen und er anfängt, Fehler zu machen, dann schießen wir schnell und sprechen später Recht." (HUBBARD, "Handbuch des Rechts", Kopenhagen 1979, S. 2 f.) Die politischen Fernziele sollen nach den Kursunterlagen der SO Langfristige nicht durch Teilnahme der SO am Prozess der politischen WillensbilVeränderungen des dung erreicht werden, wie es politische Parteien und Vereine verpolitischen Systems durch "Expansion" suchen, sondern durch ständige Vergrößerung der Organisation und der SO ihrer Einnahmen: "Hitler hat (genau wie Cäsar) nicht sein erobertes Territorium gefestigt. Es war unmöglich, dies zu tun - nicht, weil er keine Truppen gehabt hätte, sondern weil er keine wirkliche Nachfrage nach deutscher Technologie und deutscher Sozialphilosophie hatte, bevor er die Eroberung begann. Daher verlor Hitler seinen Krieg, und das faschistische Deutschland starb. ... Sie können Nachfrage anregen ... . Sie können sie erschaffen ... . Da wir ein Produkt haben, das im höchsten Sinne befreit und entaberriert ... . Wir erobern sowieso nicht das Land in dem Sinne, wie es Regierungen tun ... . ... Dies wird erreicht, indem man Individuen von ihren Aberrationen befreit und indem man verhindert, dass Unterdrücker die Bericht 2001 278 Scientology-Organisation Nachfrage schwächen und die Leute erneut aberrieren; und dies ist die Methode der Expansion ... ." (Organisationsführungskurs "Grundlegender Mitarbeiter-Hut", Band O, S. 45 und S. 50) Führungsebene der SO David MISCAVIGE, als Vorstandsvorsitzender des SO-eigenen "Relizur Umsetzung der gious Technology Center" (RTC) einer der führenden Funktionäre der Vorgaben HUBBARDs Organisation, zeigt den Willen zur Umsetzung dieser Vorgaben, fest entschlossen wenn er in einer aktuellen SO-Publikation ausführt: "Als Scientologen streben wir nach einer Entwicklung zu höheren Seinszuständen ... für die Gesellschaft. Indem wir immer mehr Scientologen durch Ausbildung mit einer brilliant funktionierenden Technologie ausrüsten, erreichen wir unsere Ziele." ("INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS", Ausgabe 15, 2001, S. 15) In derselben Publikation hält MISCAVIGE an der Standardforderung HUBBARDs fest, Grundrechte in einer von der SO beherrschten Gesellschaft nur den aus Sicht der Organisation "Ehrlichen" zu gewähren.262 "Worauf dies alles hinausläuft, ist das Hervorbringen eines Planeten, ... wo ehrliche Wesen Rechte haben." ("INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS", Ausgabe 15, 2001, S. 7) 4. Auftreten in der Öffentlichkeit Broschüren und Die SO warb auch im Berichtszeitraum erneut für ihre Dianetik-Kurse Internet-Angebote mit Publikationen, Broschüren und Flugblättern, die sie in Fußgängerzonen deutscher Großstädte verteilte. Zudem veranstaltete sie unter anderem in Stuttgart, München und Hamburg Wanderausstellungen mit der Bezeichnung "Was ist Scientology?". Die Ausstellungen priesen schwerpunktmäßig scientologische Methoden zur Verhinderung oder Beendigung des Drogenmissbrauchs an. Wie in den Vorjahren bot die Organisation im Internet in mehreren Sprachen umfangreiche und technisch aufwendig gestaltete Seiten an, die Angaben über ihre Ziele, Teilorganisationen und aktuelle Scientology-Organisation 279 Publikationen enthalten. Daneben warben Scientologen, darunter ca. 600 deutsche Mitglieder, für die Organisation mit eigenen Internetseiten, auf denen sie sich zur SO bekannten. Die Terroranschläge am 11. September in den USA nutzte die Organisation, um in ihren Internet-Einstellungen für scientologische Methoden zur Beseitigung von "Traumata, Stress und Unwohlsein" zu werben und den Einsatz ihrer "Ehrenamtlichen Geistlichen" bei den Bergungsarbeiten in New York und Washington hervorzuheben. Die Werbeaktionen der SO blieben wie in den vergangenen JahKaum Resonanz ren weitgehend erfolglos. Der Organisation gelang es nur in (sehr) in der Öffentlichkeit geringem Umfang, neue Mitglieder zu gewinnen und sie für eine längere Zeitdauer an sich zu binden. Der größte Teil der neu gewonnenen Mitglieder trat schon nach kurzer Zeit wieder aus der SO aus. Wegen der Zielsetzung der SO ist es trotzdem notwendig, ihre Aktivitäten und deren Resonanz in der Öffentlichkeit weiterhin im Blick zu behalten. Die regionalen Schwerpunkte des Mitgliederbestandes und der Tätigkeit sind der Großraum Hamburg sowie die Länder Baden-Württemberg und Bayern. Daneben lässt sich eine größere Zahl von Mitgliedern jeweils den Ländern Hessen, Niedersachsen, NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz zuordnen. Bericht 2001 280 Scientology-Organisation Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Geheimschutz, Sabotageschutz Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2001 282 Erläuterungen und Dokumentation I. Fußnoten 1 JESSE, Eckhard: Der Verfassungsschutzauftrag der abwehrbereiten Demokratie: Theorie und Praxis, und LANGE, Hans-Gert: Verfassungsschutz in der Demokratie - ein Instrument zur Sicherung des inneren Friedens, beide in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie und Rechtsextremismus (Reihe: Texte zur Inneren Sicherheit), Bonn 1992, S. 7 ff. und S. 19 ff. 2 NPD-Pressemitteilung "Erklärung des Parteivorstandes zum Terroranschlag in den USA - Rot-Grün führt Deutschland in den Krieg!" vom 13. September 2001 3 Die Telefonnummer des BfV-Aussteigerprogramms lautet 02 21/ 7 92 62. 4 Unter Gruppen werden nur diejenigen Zusammenhänge erfasst, die über ein gewisses Maß an Struktur und Kontinuität verfügen. 5 Der Täter wurde am 12. Dezember rechtskräftig vom Jugendschöffengericht Ibbenbühren (Nordrhein-Westfalen) zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. 6 WP-Musik = "White Power"-Musik. "White Power": Neonazistische, rassistische Parolen, mit denen die Vormachtstellung der "weißen Rasse" propagiert wird. 7 Die CD wurde im Jahr 2001 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert (vgl. BAnz. Nr. 81 vom 28. April 2001). 8 Bei Skinhead-Fanzines handelt es sich um häufig unregelmäßig erscheinende Szene-Publikationen. Sie informieren über die Skinhead-Musikszene, insbesondere über Bands, Tonträger und Konzerte. Darüber hinaus erhalten Bands, aber auch andere Aktivisten und Gruppierungen der rechtsextremistischen Szene in Interviews Gelegenheit zur Selbstdarstellung sowie Verbreitung ihrer Ideologien. 9 HUPKA wurde im Dezember 2001 wegen parteischädigenden Verhaltens aus der NPD ausgeschlossen. 10 Der NPD-Bundesvorstand verhängte am 22. Oktober 2001 über den Landesverband Schleswig-Holstein wegen Einflusses parteifremder Elemente den organisatorischen Notstand. Erläuterungen und Dokumentation 283 11 Die Bundesregierung beantragte am 30. Januar, Bundestag und Bundesrat am 30. März die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD beim Bundesverfassungsgericht. 12 Vgl. "Profil Nationaldemokratische Schriftenreihe", Folge 11, Februar 2001, S. 17 13 Vgl. "Profil", a. a. O., S. 13 14 Vgl. "Profil", a. a. O., S. 19 15 Vgl. "Das Herrenhaupt" Nr. 4, S. 28, 31 16 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 3/2001, S. 1, 4, sowie Leitantrag 1 zum außerordentlichen NPD-Bundesparteitag am 3./4.03.2001 17 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 9/2001, S. 4 18 MAHLER ist zwar formal nur einfaches Mitglied der NPD, tritt aber außerhalb seiner Funktion als Rechtsvertreter und -berater bei ihren Veranstaltungen auf. Auch wird er an der Seite von Spitzenfunktionären als Berater und Stichwortgeber bei Parteiversammlungen und Pressekonferenzen präsentiert, so dass seine diesbezüglichen Ausführungen der Partei im Regelfall zuzurechnen sind. 19 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 5/2001, S. 1 20 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 9/2001, S. 22 21 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 5/2001, S. 17 22 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 9/2001, S. 13 23 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 4/2001, S. 5 24 Vgl. "Sonderausgabe" der "Deutschen Stimme" Nr. 9/2001, S. D 25 Das "Deutsche Kolleg" (DK) wurde 1994 als Nachfolgeeinrichtung des Berliner Leserkreises der Wochenzeitung "Junge Freiheit" gegründet. Schulungsleiter des DK ist der ehemalige Skinhead Heiko LUGE. Als "Chefideologe" fungiert der Soziologe Dr. Reinhold OBERLERCHER. Er versucht, über das DK Einfluss auf andere rechtsextremistische Organisationen und Einzelpersonen zu gewinnen. In den Schulungsunterlagen immer wiederkehrende Themen sind die Ablehnung des politischen Systems der BundesBericht 2001 284 Erläuterungen und Dokumentation republik Deutschland, programmatische Beiträge zur Reichsidee und auch Bekenntnisse zum Dritten Reich, Werben um Verständnis und Sympathie für die antisemitische Politik Hitlers und ausländerfeindliche Propaganda. 26 ARD-Magazin Panorama vom 20. September 2001 27 Die Äußerung ist durch den Klammerzusatz vervollständigt 28 Homepage des NPD-Landesverbands Schleswig-Holstein 29 In einer Pressemitteilung vom 28. 09. 2001 bekräftigte der NPDLandesvorstand Schleswig-Holstein seine Position, indem er die Terroranschläge als einen "notwendigen kriegerischen Befreiungsakt gegen den allgegenwärtigen US-Imperialismus" bezeichnete. Am 23. 09. 2001 hatte der Parteivorsitzende im Verlauf eines Landesparteitags den Landesvorstand suspendiert und im Namen des Parteipräsidiums den organisatorischen Notstand über den Landesverband verhängt. 30 ARD-Magazin Panorama vom 20. September 2001 31 "Deutsche Stimme" Nr. 12/2000-1/2001, S. 4 f. 32 Vgl. "Profil", a. a. O., S. 18 33 Vgl. "Profil", a. a. O., S. 11, 19 34 Vgl. "Profil", a. a. O., S. 18 35 Vgl. "Vorderste Front - Zeitschrift für politische Theorie & Strategie" des NHB, Ausgabe 2/Juni 1991, S. 4 36 So der Bericht über das Seminar der "Deutschen Akademie" vom 29. 06. bis 01. 07. 2001 in Eisenach zum Thema "Neue Kultur in nationalbefreiten Zonen" in der "Deutschen Stimme" Nr. 8/2001, S. 11. 37 Vgl. hierzu auch Berichte in der Ostsee-Zeitung Greifswald vom 5. Juni 2001 und den Norddeutschen Neuesten Nachrichten vom 24. Februar 2001. 38 "Funkenflug", Publikation der JN-Nordrhein-Westfalen, Nr. 8 - 2001, S. 12 39 "Die Deutsche Akademie ist eine gemeinsame Bildungsinitiative des Nationaldemokratischen Hochschulbundes, des Deutschen Erläuterungen und Dokumentation 285 Kollegs, der ,Werkstatt Neues Deutschland' und des Thule-Seminars." (vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 9/2000, S. 21) 40 Carl-Arthur BÜHRING, "Mut zur Volkssolidarität", Deutsche Stimme Verlag, Riesa, 2000 41 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 12/2000-01/2001, S. 3 42 MAHLER ist zwar formal nur einfaches Mitglied der NPD, tritt aber außerhalb seiner Funktion als Rechtsvertreter und -berater bei ihren Veranstaltungen auf. Auch wird er an der Seite von Spitzenfunktionären als Berater und Stichwortgeber bei Parteiversammlungen und Pressekonferenzen präsentiert, so dass seine diesbezüglichen Ausführungen der Partei im Regelfall zuzurechnen sind. 43 Vgl. "Sonderausgabe" der "Deutschen Stimme" Nr. 9/2001, S. C, in der die Erklärung des "Deutsche Kollegs" abgedruckt ist. 44 Am 25. April 2002 verurteilte das Landgericht Essen BUSSE wegen Volksverhetzung (SS 130 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 45 Gehirnwäsche 46 Vgl. "Profil", a. a. O., S. 19 47 Vgl. "Profil", a. a. O., S. 16 48 NPD-Pressemitteilung vom 14. September 2001 "Erklärung des Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten der NPD zur Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus" 49 Nach Abzug der auf der Villa in Eningen liegenden Verbindlichkeiten verblieb der NPD durch den Verkauf de facto ein deutlich geringerer Betrag. 50 Vgl. Reutlinger General-Anzeiger vom 16. Mai 2001 51 Rundschreiben G 03/2001 vom 16. Februar 2001 52 Pressemitteilung der NPD-Thüringen vom 24. April 2001 53 Rede VOIGTs am 27. Mai 2000 in Passau, dokumentiert auf der NPD-Homepage. Bericht 2001 286 Erläuterungen und Dokumentation 54 Rundschreiben "Arbeitswochenenden in Hetendorf" 1994, i. A. des Bundesführers der "Wiking-Jugend e.V." 55 Rundschreiben G 03/2001 vom 16. Februar 2001; BÖRM wurde auf dem Bundesparteitag am 16./17. März 2002 in Königslutter (Niedersachsen) als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt. 56 Das bereits 1997 von der Parteiführung in einem Grundsatzpapier als Anleitung zum Handeln propagierte Drei-Säulen-Konzept enthält als strategische Elemente den "Kampf um die Straße" (Demonstrationen und öffentliche Veranstaltungen), den "Kampf um die Köpfe" (Schulung von Anhängern und Beeinflussung der politischen Meinung) und den "Kampf um die Parlamente" (Teilnahme an Wahlen). 57 Eine Gruppe von Parteiaktivisten um den Neonazi Steffen HUPKA formierte sich im Frühjahr 2000 unter dem Namen "Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000" (RPF). Sie beklagte in einem "Offenen Brief" vom 24. September 2000 eine seit fast zwei Jahren andauernde völlige Stagnation in der Entwicklung der Partei und warf der Mehrheit des Parteivorstandes eine verfehlte und rückwärtsgewandte Politik vor. 58 Dem Parteiorgan "Deutsche Stimme" Nr. 2/2001, S. 7, zufolge geben "die in der RPF arbeitenden Mitglieder der NPD" die "eigenständige Form der Organisation der RPF auf". Im Gegenzug habe der Parteivorstand die formelle Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses und die "Installierung einer offiziellen Arbeitsgemeinschaft (AG)" angeboten, "in deren Rahmen die bisherigen RPF-Mitglieder tätig werden können." 59 "Unabhängiger Rundbrief" Nr. 2/01, S. 1 60 Pressemitteilung der NPD-Bundesgeschäftsstelle vom 23. September 2001 61 "Unabhängiger Rundbrief" Nr. 4/01, S. 2; in derselben Ausgabe heißt es in einer Anmerkung der Redaktion unterhalb des Artikels allerdings, der Ausschlussantrag gegen Udo VOIGT sei bislang nicht gestellt worden. 62 Publikation "White Supremacy" Nr. 3/2000, S. 20 63 "Deutsche Stimme" Nr. 5/2001, S. 10 64 So der Parteivorsitzende VOIGT im Parteiorgan "Deutsche Stimme" Nr. 8/2001, S. 2. Erläuterungen und Dokumentation 287 65 Zur offensiven Prozessstrategie kann auch gezählt werden, dass MAHLER das Verbotsverfahren auf einer eigens eingerichteten Internet-Homepage dokumentiert (vgl. Kap. IX, Nr. 3). 66 Von dieser Funktion trat Dr. EISENECKER Ende November nach seiner Kritik an der Vorgehensweise des Bundesvorsitzenden VOIGT gegenüber dem NPD-Landesverband Schleswig-Holstein zurück. 67 "Vertrauensleute", allgemein als V-Leute bezeichnet, sind Informanten, die der zu beobachtenden Organisation angehören oder ihr nahe stehen, sich in der Regel mit deren Zielen identifizieren und - zumeist gegen Geld - den Verfassungsschutzbehörden Informationen zutragen. V-Leute stehen in keinem Dienstverhältnis zu einer Verfassungsschutzbehörde. 68 "Deutsche Stimme" Nr. 8/2001, S. 3 69 Rundschreiben ROßMÜLLERs an alle Mitglieder und Mitgliedsanwärter vom 6. Juli 2001 70 "Deutsche Stimme" Nr. 8/2001, S. 3 71 "Deutsche Stimme" Nr. 8/2001, S. 3 72 "Erklärung des 30. ordentlichen Bundeskongresses der Jungen Nationaldemokraten am 22. September 2001 in Neustadt-Glewe zu den Anschlägen in New York und Washington". 73 So kreditiert FREY im Wesentlichen das Defizit der DVU, das sich nach Angaben eines Wirtschaftsprüfers auf der DVU-Großkundgebung am 29. September 2001 in Passau nach dem Stand von Ende 2000 auf ca. 4,45 Millionen EUR belief und inzwischen durch die Wahlkampfaufwendungen in Hamburg noch höher liegen dürfte. Zur Minderung des Defizits unterstützt FREY die Partei mit einer jährlichen Spende von ca. 500.000 EUR. 74 Die NZ beging ihr 50-jähriges Erscheinen mit einer 13-teiligen Artikelserie in den Ausgaben Nrn. 20 bis 32/2001. Nach dem stets gleichlautenden Tenor der Beiträge steht das Blatt in einer bis auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurückgehenden national-freiheitlichen publizistischen Tradition. Im Kampf für Meinungsvielfalt sei die Zeitung über fünf Jahrzehnte von den Etablierten vehement bekämpft worden, habe dennoch allen Vernichtungsversuchen widerstanden. Eindringlich werden die angeblichen Verdienste FREYs hervorgehoben. Zudem hätten neben zahlreichen herausraBericht 2001 288 Erläuterungen und Dokumentation genden Repräsentanten der deutschen Rechten auch eine Fülle bedeutender Vertreter des Frontsoldatentums sowie viele Persönlichkeiten - teils jüdischer Herkunft - aus Politik, Publizistik, Jurisprudenz, Wissenschaft und Kunst das Bild der NZ geprägt. FREY hatte die 1951 unter der Bezeichnung "Deutsche SoldatenZeitung" gegründete Publikation im Jahre 1959 erworben und sie ab 1963 unter dem Titel "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) erscheinen lassen. Nach dem Zukauf der "Deutschen WochenZeitung" des rechtsextremistischen Verlegers Waldemar SCHÜTZ im Jahr 1985, die FREY 1991 mit dem DVU-Organ "Deutscher Anzeiger" vereinigte, fasste er die beiden Zeitungen ab Ausgabe Nr. 36/1999 zur NZ zusammen. 75 Vgl. NZ Nr. 11/2001, S. 1 f. 76 Vgl. NZ Nr. 17/2001, S. 1 f. 77 Vgl. NZ Nr. 20/2001, S. 1 f. 78 Vgl. NZ Nr. 19/2001, S. 1 f. 79 Vgl. NZ Nr. 13/2001, S. 1 ff. 80 Die "FZ - Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH" (FZVerlag) wird von FREYs Ehefrau geleitet. 81 Vgl. NZ Nr. 34/2001, S. 16 82 Vgl. NZ Nr. 30/2001, S. 5 83 Vgl. z. B. Überschrift in der NZ Nr. 52/2001, S. 4: "US-Bombenholocaust in Afghanistan" 84 Vgl. NZ Nr. 3/2001, S. 17 85 Vgl. NZ Nr. 24/2001, S. 16 86 Vgl. NZ Nr. 19/2001, S. 8 87 Vgl. NZ Nr. 4/2001, S. 4 88 Vgl. NZ Nr. 28/2001, S. 1 89 Vgl. NZ Nr. 23/2001, S. 1 ff. 90 Vgl. NZ Nr. 13/2001, S. 1 f. Erläuterungen und Dokumentation 289 91 Vgl. NZ Nr. 22/2001, S. 1 f. 92 Vgl. NZ Nr. 3/2001, S. 1 ff.: "Wie kriminell ist Fischer? - Die Terror-Vergangenheit des Außenministers" sowie NZ Nr. 34/2001, S. 1 f.: "Wie Schröder Deutschland ruiniert - Bricht Wirtschaft zusammen?" 93 Vgl. NZ Nr. 40/2001, S. 1 f. 94 Vgl. NZ Nr. 39/2001, S. 3 95 Vgl. NZ Nr. 43/2001, S. 4 96 Vgl. NZ Nr. 42/2001, S. 3 f. 97 Nach der Wahl 1997 hatte FREY wiederholt - auch noch nach dem Urteil des Hamburger Verfassungsgerichts vom November 1998, das die Gültigkeit der Wahl bestätigt hatte - behauptet, der Misserfolg der DVU bei der damaligen Bürgerschaftswahl sei auf Wahlfälschung zurückzuführen. 98 Vgl. NZ Nr. 39/2001, S. 10 99 Die Partei hatte 1989 als "DVU - Liste D" mit Unterstützung der NPD an der Europawahl teilgenommen und diese Wahl mit einem riesigen Defizit abgeschlossen. Das erklärte Ziel war der Einzug in das Europaparlament. FREY hatte nach eigenen Angaben ca. 9,2 Millionen EUR für zahlreiche spektakuläre Aktionen in den Wahlkampf investiert, um dieses Ziel zu erreichen. Wegen des Ergebnisses von 1,6 % der Stimmen erhielt die DVU jedoch lediglich rund 1,89 Millionen EUR an Wahlkampfkostenerstattung. Die seinerzeit begonnene Verschuldung der DVU hat sich bis heute fortgesetzt. 100 Vgl. Redebeitrag von KÄS auf dem Landesparteitag am 7. Juli 2001 in Leinfelden (Baden-Württemberg) 101 Vgl. "Groß-Gerauer Kreis-Report", Ausgabe 1/2001, S. 1 102 Vgl. Homepage des REP-Landesverbands Berlin 103 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 10/2001, S. 7 104 Vgl. Pressemitteilung des REP-Bundesverbands Nr. 35/2001 vom 12. September 2001 Bericht 2001 290 Erläuterungen und Dokumentation 105 Der Inhalt der Broschüre war Gegenstand eines Vortrags im Plenarsaal des Landtags von Baden-Württemberg am 10. März 2000; Veranstalter war die damalige REP-Fraktion. Die Broschüre wurde noch mit Stand vom 19. September 2001 auf der Homepage des Mitautors, des REP-Mitglieds und ehemaligen Landtagsabgeordneten Wolf KRISCH, im Internet angeboten. 106 Vgl. "Amper Rechts", Ausgabe 4/01, S. 3 107 Vgl. "Amper Rechts", Ausgabe 5/01, S. 4 108 Vgl. Stuttgarter Nachrichten vom 10. Juli 2001 109 Vgl. "REP-Report" Nr. 6 für Lippstadt und Soest, S. 3 110 Vgl. "Römer-Report", Januar 2001, S. 1 111 Vgl. "Regional REPORT"; verantwortlich sind zwei rheinland-pfälzische REP-Funktionäre 112 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 4/2001, REP-Intern I 113 Resolution des REP-Landesverbands Sachsen vom 1. April 2001 114 Vgl. Pressemitteilung des REP-Landesverbands Baden-Württemberg "Landesvorstand berät Konsequenzen aus dem Ausgang der Landtagswahl" (ohne Datum) 115 So laut Internetseite der Badischen Zeitung vom 28. März 2001. 116 Vgl. Schreiben des bayerischen REP-Landesvorstandsmitglieds Wolfgang B. vom 31. März 2001 117 Vgl. Pressemitteilung des REP-Landesverbands - Kreisverband Freiburg Nr. 18/01 vom 31. Juli 2001 118 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 9/2001, REP-Intern I 119 Vgl. "Nation & Europa" Nr. 2/01, S. 27 ff. 120 Vgl. "Nation & Europa" Nr. 5/01, S. 55 121 NEUBAUER ist seit 1990 infolge parteiinterner Querelen nicht mehr Mitglied der Partei. Er ist Herausgeber des rechtsextremistischen Theorieorgans "Nation & Europa". Erläuterungen und Dokumentation 291 122 Vgl. "Nation & Europa" Nr. 6/01, S. 58 123 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 5/01, Sonderbeilage zum 1. Mai 124 DEHOUST ist Mitherausgeber des rechtsextremistischen Theorieorgans "Nation & Europa" (vgl. Kap. IX, Nr. 2). 125 Vgl. Homepage des REP-Bezirksverbands München 126 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 9/2001, S. 6 127 Vgl. "Nation & Europa" Nr. 9/01, S. 55 f. 128 Das "Bündnis Rechts" wurde im Mai 1998 nach der Auflösung des neonazistisch bestimmten "Bündnis Rechts für Lübeck" gegründet. Es bezeichnet sich selbst als "Zusammenschluss aller nationalen Kräfte". 129 Vgl. Homepage des REP-Bezirksverbands München 130 Vgl. "Potsdamer Neueste Nachrichten" vom 27. November 2001 131 Vgl. Homepage des REP-Landesverbands Sachsen 132 Der Parteienstatus solcher Gruppierungen ist im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) vom 17. November 1994 zweifelhaft. 133 Das "Thule-Seminar" wurde 1980 als deutscher Ableger der französischen intellektuellen "Neuen Rechten" um den Philosophen Alain de BENOIST von dem rechtsextremistischen Politologen, Juristen und Publizisten KREBS gegründet. Nach dessen Selbstverständnis handelt es sich um eine "geistig-geschichtliche und metapolitische Ideenschmiede für eine künftige europäische Neuordnung auf der Grundlage der gewachsenen Kulturen aller europäischen Stämme und Völker unter besonderer Berücksichtigung ihres heidnisch-religiösen Erbes". 134 Das "Junge Forum" ist ein Theorieorgan des rechtsextremistischen Verlags "Deutsch-Europäische Studien GmbH" in Zusammenarbeit mit "Synergon Deutschland". 135 Vgl. etwa: Alain de BENOIST, Schöne Vernetzte Welt. Eine Antwort auf die Globalisierung, Tübingen 2001 Bericht 2001 292 Erläuterungen und Dokumentation 136 Der einflussreiche Staatsrechtler Carl Schmitt (1888 - 1985) gehörte in der Weimarer Republik zu den Befürwortern eines autoritären Staates und Gegnern des Parlamentarismus (vgl. u. a. die Schrift "Die geistesgeschichtliche Grundlage des heutigen Parlamentarismus", München 1923). Nach 1933 trat er mehreren NS-Organisationen bei und rechtfertigte das Hitler-Regime und seine Untaten in staatsund völkerrechtlichen Veröffentlichungen (vgl. u. a. den Aufsatz "Der Führer schützt das Recht", in: Deutsche Juristen-Zeitung, 39. Jg. 1934, Sp. 945-950). 137 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 5/2001, S. 3 138 Vgl. "Signal. Das patriotische Magazin" Nr. 2/2001, S. 43 139 Vgl. "Junge Freiheit" Nr. 27/01, S. 7 140 Vgl. "Junge Freiheit" Nr. 39/01, S. 17 141 In dem "Lachout-Dokument" wird behauptet, dass bereits 1948 ein militärpolizeilicher Dienst über das Ergebnis einer "Alliierten Untersuchungskommission" berichtet habe. Danach habe es in verschiedenen Konzentrationslagern keine Tötungen von Menschen durch Giftgas gegeben, diesbezügliche Geständnisse seien angeblich durch Folterungen erpresst worden und gegenteilige Behauptungen ehemaliger Häftlinge wären Falschaussagen. Die vermeintliche Echtheit des Dokuments bestätigte 1987 der frühere Leutnant beim "Wachbataillon Wien" Emil Lachout. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine plumpe Fälschung. Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), "Das Lachout-'Dokument'. Anatomie einer Fälschung", Wien 1989 142 NZ Nr. 23 vom 1. Juni 2001 143 Vgl. "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" Nr. 3/September 2001, S. 20 - 24 144 Vgl. u. a. Bianka Petrow-Ennker (Hrsg.), Präventivkrieg? Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, Frankfurt/M. 2000; Gerd R. Ueberschär/Lev A. Bezymenskij (Hrsg.), Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Präventivkriegsthese, Darmstadt 1998 145 Vgl. Günter KAUFMANN, Ein anderes Drittes Reich. Visionen der nationalsozialistischen Jugendbewegung im Spiegel der Dokumente, Berg 2001 Erläuterungen und Dokumentation 293 146 Vgl. Bruno MONTORIOL, Die Lüge spricht zwanzig Sprachen, Antwerpen 2000 (erschienen 2001) 147 Vgl. Germar RUDOLF, Das Rudolf Gutachten. Gutachten über die "Gaskammern" von Auschwitz, 2. Auflage, Hastings 2001 148 Treffen und Veranstaltungen dieser Art sind immer wieder Anlass, über das Zusammenwirken von Rechtsextremisten und Islamisten zu berichten. Beiden gemeinsam ist die Ablehnung einer demokratischen Gesellschaftsordnung und eine antisemitische Grundhaltung. Der Holocaust wird nicht nur von Rechtsextremisten, sondern auch von Islamisten geleugnet. Ein Beispiel dafür stellt die auch in Deutschland verbreitete, von dem türkischen Autor Harun YAHYA veröffentlichte Broschüre "Soykirim Yalani" (Die GenozidLüge), Istanbul (ohne Jahresangabe) dar. Unter Berufung auf amerikanische und deutsche Revisionisten wird darin der Massenmord an den Juden als Erfindung der Zionisten zur Legitimation der Gründung des Staates Israel bezeichnet. 149 Ein Zusammengehen deutscher Rechtsextremisten und Islamisten, wie gelegentlich in den Medien gemutmaßt wird, ist nur vereinzelt festzustellen. Beiden gemeinsam ist die Ablehnung einer demokratischen Gesellschaftsordnung und eine antisemitische Grundhaltung. Wesentlich stärker sind jedoch trennende Elemente wie einander widersprechende Absolutheitsansprüche und Fremdenfeindlichkeit. 150 Die bereits 1979 gegründete fremdenfeindliche Partei NVU wurde nach einer Phase der Inaktivität in der zweiten Hälfte der 90er Jahre von Neonazis wiederbelebt. 151 MALCOCI erzielte für die NVU am 6. März 2002 lediglich 0,84 % der Stimmen und verfehlte deutlich das Ziel, ein Mandat zu erringen. 152 Die Ende der 50er Jahre von Studenten gegründete linksextremistische separatistische "Euskadi Ta Askatasuna" ("Baskisches Vaterland und Freiheit") kämpft mit Terroranschlägen für einen eigenen baskischen Staat. Über 800 Menschen sind bei Anschlägen getötet worden. 153 Vgl. Verfassungsschutzbericht 2000, S. 109 f. 154 Franz SCHÖNHUBER ist heute als regelmäßiger Kolumnist in den rechtsextremistischen Publikationen "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" und "Nation & Europa" tätig. Bericht 2001 294 Erläuterungen und Dokumentation 155 Vgl. Karl RICHTER, Die EU-Wahnsinnigen, in: "Nation & Europa" Nr. 7-8/Juli-August 2001, S. 5 156 Vgl. Franz SCHÖNHUBER, Anti-Globalisierer aller Länder, vereinigt Euch!, in: "Nation & Europa" Nr. 9/September 2001, S. 53 157 Vgl. Roland WUTTKE, Globale Ambitionen, in: "Nation & Europa" Nr. 9/September 2001, S. 49 158 Vgl. Karl RICHTER, Lynchjustiz als neue Weltordnung?, in: "Nation & Europa" Nr. 10/Oktober 2001, S. 5 159 Vgl. Karl RICHTER, Sterben für Amerika?, in: "Opposition" Nr. 5/ September-Oktober 2001, S. 1; ders., Die Stunde der Nemesis, ebenda, S. 4 ff. 160 Vgl. Franz SCHÖNHUBER, USA bleiben sich treu, in: "Nation & Europa" Nr. 4/April 2001, S. 35 161 Bei Dark Wave handelt es sich um eine Jugendund Musikkultur, die sich insbesondere an Düsterem und Okkultem orientiert und überwiegend unpolitisch ist. Deren heidnisch ausgerichteter Teil weist formale Gemeinsamkeiten mit rechtsextremistischen Ideologiebestandteilen auf. Dies motiviert Rechtsextremisten, mit einschlägigen Angeboten in diese Szene politisierend hineinzuwirken. Darüber hinaus entwickelten sich aus dieser Subkultur auch eigenständige rechtsextremistische Tendenzen. Vgl. Verfassungsschutzbericht 1999, S. 84 ff. 162 Es handelt sich dabei um den dritten Sampler zur Würdigung eines im Nationalsozialismus hochangesehenen Künstlers. Die beiden vorherigen Sampler waren der Filmregisseurin Leni Riefenstahl und dem Bildhauer Josef Thorak gewidmet. 163 "Der Republikaner", Ausgabe 9/2001, Sonderseite REP-Intern II 164 Bei der Internet-Politik-Simulation Dol2day. 165 PDS-Mitgliedermagazin "DISPUT", Heft Nr. 6 vom Juni 2001, S. 27 166 Nach der Definition der Verfassungsschutzbehörden ist Terrorismus der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Absatz 1 des Strafgesetz- Erläuterungen und Dokumentation 295 buches genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. 167 http://www.de.indymedia.org/2001/11/10636.html, Stand: 13. November 2001 168 u. a.: http://germany/indymedia.org/2001/05/1803.html, Stand: 22. November 2001 169 Die GRAPO ("Gruppen des antifaschistischen Widerstandes 1. Oktober") entstand 1975 gegen Ende der Franco-Diktatur als bewaffneter Arm der linksextremistischen "rekonstituierten kommunistischen Partei Spaniens" - (PCE). Sie ist nicht - wie etwa die ETA - separatistisch, sondern klassisch antikapitalistisch orientiert und vertritt eine klassenkämpferische kommunistische Programmatik. 170 Über 50 - z. T. konspirativ hergestellte und verbreitete - Szenepublikationen veröffentlichen regelmäßig Taterklärungen, Positionspapiere, Aufrufe zu Demonstrationen, "Bastelanleitungen" (Anleitungen zur Herstellung u. a. von Brandund Sprengsätzen) und andere für die linksextremistische Diskussion und Praxis relevante Beiträge. Die meisten dieser Publikationen - z. B. "Swing" (Frankfurt/M.) oder "EinSatz" (Göttingen) - haben vorrangig regionale Bedeutung. Von bundesweiter Relevanz sind die regelmäßig in Berlin erscheinende Schrift "INTERIM" sowie das Untergrundblatt "radikal". 171 So sind Homepages aus dem linksextremistischen Bereich im Internet abrufbar, die zur Vermeidung der Strafverfolgung gezielt über im Ausland angesiedelte Provider angeboten werden. 172 http://www.comlink.de/graswurzel/gwr_kurz.htm, Stand: April 2002 173 "graswurzelrevolution" 262, Oktober 2001, http//www.graswurzel.net/262/zuerich.shtml vom 26.10.2001 174 http://www.fau.org/neu/htm/fau/fau002.html, Stand April 2002 175 "DKP-Informationen" Nr. 4/00 - 11. Juli 2001, S. 25 176 "DKP-Informationen" Nr. 5/ 01 - 4. Oktober 2001, S. 24 177 "DKP-Informationen" Nr. 5/01 - 4. Oktober 2001, Anhang Bericht 2001 296 Erläuterungen und Dokumentation 178 Im Europäischen Parlament bildet die PDS mit Abgeordneten u. a. der kommunistischen Parteien aus Frankreich, Griechenland, Italien und Portugal die gemeinsame "Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordisch Grüne Linke" (KVEL/NGL), in der die PDS mit sechs von 42 Abgeordneten vertreten ist. Darüber hinaus gehört die PDS als einzige deutsche Organisation dem "Forum der Neuen Europäischen Linken" (NELF) an, einem Zusammenschluss von 17 europäischen kommunistischen, linkssozialistischen und grün-linken Parteien und Organisationen aus 14 Ländern, darunter Kommunistische Parteien aus Frankreich und Italien. 179 UZ vom 29. Juni 2001, "DKP-Informationen" Nr. 3/01 - 28. März 2001, S. 4, Nr. 5/01 - 4. Oktober 2001, S. 9 180 UZ vom 6. Juli 2001 181 "DKP-Informationen" Nr. 5/01 - 4. Oktober 2001, S. 10 182 Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Düsseldorf am 2. Oktober 2000 hat Bundeskanzler Schröder alle Bürger zum Kampf gegen den Rechtsextremismus aufgerufen. Bei einem Treffen mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland sagte Schröder: "Wegschauen ist nicht mehr erlaubt. Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen." 183 "Aufruf zur Antifaschistischen Demonstration gegen den NPDAufmarsch am 6. Oktober in Hannover"; verantwortlich im Sinne des Presserechts zeichnete ein Funktionär der Landesvereinigung Niedersachsen der VVN-BdA. 184 Bereits der IV. Weltkongress der Komintern 1922 stellte fest, dass der Faschismus Werkzeug der Bourgeoisie sei. Diese Vorstellung vom Faschismus als "Agentur des Kapitals" und ihrer herrschenden Klasse, der Bourgeoisie, wurde 1933 auf einer Sitzung des Exekutivkomitees der Komintern als so genannte "Dimitroff-Formel", benannt nach dem damaligen Generalsekretär der Komintern, kodifiziert: "Der Faschismus an der Macht ist die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals". 185 Die 2. Tagung des 7. Parteitages am 6./7. Oktober in Dresden beschloss, den Programmentwurf der Parteiführung zur wesentlichen Grundlage der weiteren programmatischen Debatte zu machen. Erläuterungen und Dokumentation 297 186 "PDS-Pressedienst" Nr. 18 vom 4. Mai 2001 Die Definition des sozialistischen Zieles im Programm von 1993 und im Entwurf von 2001 ist dem "Manifest der Kommunistischen Partei" von Karl Marx/Friedrich Engels entlehnt. Dort ist das Erreichen des Sozialismus an die Voraussetzung einer Revolution gebunden: "Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist." (Marx-Engels-Werke [MEW], Bd. 4, S. 482). 187 "PDS-Pressedienst" Nr. 17 vom 27. April 2001 188 Der Sprachgebrauch "um sie in der Folge zu brechen" bei ZIMMER bzw. "tiefe Brüche auch in den Eigentumsverhältnissen" bei KLEIN ist dem "Manifest der Kommunistischen Partei" von Marx/Engels entlehnt, in dem eine Stelle lautet "Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen." (Marx/Engels: "Manifest der kommunistischen Partei", MEW, Bd. 4, S. 481) 189 ZIMMER inhaltlich entsprechend in "Unsere Neue Zeitung" (UNZ), Heft Nr. 13 vom 2. Juni 2001: "Mit diesem Programmentwurf entwickeln wir eine Doppelstrategie ... . Das [konkrete Engagement] als Hilfe zur Heilung der Gebrechen des Kapitalismus zu diffamieren, ist einfach unredlich. Das hieße, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten, bis die Zeit für eine Revolution reif ist. Das ist eine Strategie des Überwinterns. Das funktioniert nicht ... Gerade weil wir den demokratischen Sozialismus als die gesellschaftliche Alternative sehen, versuchen wir heute etwas zu verändern ...". 190 Parteiprogramm, S. 23, und Programmentwurf der Parteiführung, "PDS-Pressedienst" Nr. 17 vom 27. April 2001, S. 23/24. 191 Obwohl sich die Bundesstruktur der "AG Junge GenossInnen in und bei der PDS" seit einigen Jahren aufgelöst hat - an ihre Stelle ist der PDS-nahe Jugendverband "['solid]" getreten - arbeiten Gruppen der AG nach wie vor in mindestens sieben Ländern: Bericht 2001 298 Erläuterungen und Dokumentation Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland, Berlin, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. 192 In drei westlichen Bundesländern sind eigene Aktivitäten von Strukturen des "Forums Kommunistischer Arbeitsgemeinschaften" feststellbar; in weiteren sechs westlichen Ländern haben sich die Organisationen soweit in die jeweiligen Landesverbände der PDS integriert, dass keine eigenständigen Aktivitäten mehr zu verzeichnen sind. 193 Bericht von der Landeskonferenz der KPF-Niedersachsen, in "Mitteilungen der KPF", Heft Nr. 11 vom November 2001 194 "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS", Heft Nr. 11 vom November 2001. Innerhalb der KPF zeichneten sich Differenzen zwischen der Führung und KPF-Aktivisten in einigen Ländern ab. Im Internet übten Mitglieder der Plattform Kritik an der Strategie der KPF-Führung: "Wir [die Autoren der "Kommunisten-Online"] haben uns zusammengetan, um als Ausdruck linker innerparteilicher Opposition die kommunistischen Positionen in der PDS zu bündeln. Hier werfen wir dem Bundessprecherrat [der KPF] unentschuldbares Versagen vor. Er hat reagiert, nie agiert. (...) Die KPF verkam zum linken Feigenblatt der Partei des Demokratischen Sozialismus und der Bundessprecherrat hat tatenlos zugesehen." ("www.kommunisten-online.de/impressum.htm", Stand: 9. Oktober 2001) 195 PDS-Mitgliedermagazin "DISPUT", Heft Nr. 1 vom Januar 2001 196 http://www.pds.sachsen.de/ag/MF, Stand: Februar 2001 197 Ekkehard Lieberam "PDS auf dem Weg nach Godesberg?", Witten/Dortmund 2001, S. 21 f. 198 So haben z. B. die Landesverbände Brandenburg der KPD, der KPF und der DKP eine "dauerhafte Zusammenarbeit" vereinbart ("offen-siv", Heft Nr. 6/2001, "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS", Heft Nr. 10 vom Oktober 2000). 199 So kandidierten zur Kommunalwahl in Hessen am 18. März aktive DKP-Mitglieder auf PDS-Listen in Frankfurt/M., in Kassel, Marburg, Gießen, Offenbach und Hanau. In Darmstadt war eine gemeinsame Liste "PDS/DKP Offene Liste" angetreten. Nach Angaben des PDS-Kreisvorsitzenden Frankfurt/M. sei ihm "offiziell" - gemeint ist die Parteispitze der PDS - kein Einspruch gegen diese Kooperation mit der DKP bekannt (DKP-Zentralor- Erläuterungen und Dokumentation 299 gan "Unsere Zeit" vom 9. Februar 2001). Die PDS erhielt insgesamt 18 Mandate. Zur Kommunalwahl in Niedersachsen - bei der die PDS 13 Mandate erringen konnte - stellte die DKP fest, dass in Osnabrück und Göttingen keine gemeinsame PDS-DKPListe zustande gekommen sei. ("DKP-Informationen" Nr. 5 vom 4. Oktober 2001). Zur Hamburger Bürgerschaftswahl am 23. September erhielt die PDS 0,4 % der Stimmen; PDS-Funktionäre hatten auch auf einer "Regenbogen"-Liste kandidiert, die ebenfalls von der DKP unterstützt wurde. Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 21. Oktober erzielte die PDS 22,6 % der Stimmen; Wahlabsprachen sind - soweit feststellbar - nicht erfolgt. 200 Der Mitte 1999 gegründete PDS-nahe Jugendverband "['solid]" verfügt - eigenen Angaben zufolge (Tageszeitung Die Welt vom 12. 11. 2001) - über rund 1.200 Mitglieder. Seit dem Parteitag im Oktober 2000 ist ein Mitglied des "BundessprecherInnenrates" von "['solid]" im Parteivorstand der PDS vertreten. 201 Allein durch den Anblick der schweren Technik [der Wasserwerfer] und der gepanzerten Fahrzeuge seien die Leute auf hundertachtzig gewesen. Mit Wasser gefüllte Luftballons, Eier und leere Flaschen seien erst geflogen, als sich die Wasserwerfer formiert hätten. Erst als deren Hubrichtungen hochgefahren wurden, seien auch Steine geflogen. 202 Für das erste Halbjahr 2001 sind im "PDS-Pressedienst" u. a. Kontakte zu kommunistischen Parteien aus Italien, Irak, Korea, Vietnam, China, Griechenland, Frankreich, Kuba und Bangladesch aufgeführt ("PDS-Pressedienst" Nr. 31 vom 3. August 2001). In einem Kondolenzschreiben zum Tod des ehemaligen Vorsitzenden der "Kommunistischen Partei Österreichs" (KPÖ) würdigte die PDS-Vorsitzende diesen als "engen Kampfgefährten und treuen Freund". Als Parteivorsitzender der KPÖ habe er sich ein Vierteljahrhundert lang unbeirrt für eine tief greifende Veränderung der österreichischen Gesellschaft eingesetzt. Die feste Solidarität der KPÖ habe die PDS immer begleitet. ("PDS-Pressedienst" Nr. 37 vom 14. September 2001) 203 Der Landesverband der PDS Brandenburg hat mit "linken Parteien Polens, Tschechiens und in der Slowakei" einen Rahmenvertrag über die internationale Zusammenarbeit abgeschlossen. Darin heißt es u. a., durch diese Vereinbarung solle eine grenzübergreifende politische Arbeit der sozialistischen und kommunistischen Parteien gesichert werden. Hauptaugenmerk gelte Bericht 2001 300 Erläuterungen und Dokumentation dem Kampf um Frieden und dem Antifaschismus ("PDS-Pressedienst" Nr. 44 vom 2. November 2001). 204 siehe Fußnote 178 205 Indem MODROW "grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse" von "Reformen" abgrenzt, liefert er einen Beleg dafür, dass entsprechende Formulierungen in programmatischen Texten der PDS (z. B. im Parteiprogramm, S. 25) als Synonym für "Revolution" gebraucht werden. 206 "Rote Fahne" vom 9. März 2001 207 Anhänger des Kommunisten Leo Davidowitsch Bronstein (1879 - 1940), als Leo Trotzki bekannt gewordener Weggefährte Lenins und zunächst auch Stalins. Als "Volkskommissar für Verteidigung" im russischen Bürgerkrieg für unzählige Kriegsverbrechen verantwortlich. Unterlag im innerkommunistischen Machtkampf Stalin, der ihn 1940 im mexikanischen Exil ermorden ließ. Trotzkisten verstehen sich bis heute als einzig legitime Erben Lenins. Sie propagieren die weltweite gewaltsame Errichtung einer "Herrschaft der Arbeiterklasse". 208 "Die Rote Hilfe", Nr. 4/2000, S. 9 209 Flugblatt des "Antikriegsplenums Köln" vom 28. September 2001 210 "INTERIM" Nr. 538 vom 15.11.2001, S. 4 211 Flugblatt des "Bündnis gegen Krieg" über einen Redebeitrag von Personen aus "Autonomen, anarchistischen, antimilitaristischen und antipatriarchalen Spektren", verteilt bei einer Demonstration am 22. September in Berlin. 212 Aufruf der Gruppe "organisierte autonomie" Nürnberg zu einer Protestdemonstration am 17. November 2001 gegen den SPDBundesparteitag 213 "PDS-Pressedienst" Nr. 20 vom 18. Mai 2001, S. 2 und 8 214 Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Düsseldorf am 2. Oktober 2000 hat Bundeskanzler Schröder alle Bürger zum Kampf gegen den Rechtsextremismus aufgerufen. Bei einem Treffen mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland sagte Schröder: "Wegschauen ist nicht mehr erlaubt. Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen." Erläuterungen und Dokumentation 301 215 "reader zum antifa-nrw kongress zweitausendeins in köln, S. 5 216 A. a. O., S. 5 217 http://go.to/online-demo 218 "Non-governmental organisations" (NGO) sind frei gebildete Zusammenschlüsse, die nicht lediglich wirtschaftlichen Zwecken dienen und nicht aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen gegründet wurden. Sie können sich unter bestimmten Voraussetzungen mit Konsultativstatus bei den UN registrieren lassen. Dafür wird weder der Nachweis einer gesonderten demokratischen Legitimation gefordert, noch sind damit besondere Privilegien verbunden. Besonders internationale NGOs (so genannte INGOs) sind vielfach in der Entwicklungs-, Sozialund Umweltpolitik engagiert, können jedoch auch als reine Lobbygruppen von Partikularinteressen tätig werden. 219 Vereinigung für die Besteuerung von Finanztransaktionen zugunsten der Bürger. 220 Vgl. bereits Verfassungsschutzbericht 1998, S. 134 221 Das Verbot wurde durch die am 8. Dezember 2001 in Kraft getretene Streichung des sogenannten "Religionsprivilegs" im Vereinsgesetz möglich. 222 Die Zahlenangaben beruhen auf Schätzungen. Veränderungen der Mitgliederzahlen gegenüber dem Vorjahr können auch auf neuere Erkenntnisse zurückzuführen sein, bedeuten daher nicht immer einen tatsächlichen Zuwachs bzw. Verlust. 223 Die Taliban (wörtl.: "Koranschüler"), eine von der afghanischen Volksgruppe der Paschtunen dominierte Miliz, bildeten sich aus Studenten an pakistanischen Koranschulen. Im Oktober 1994 durch erste militärische Erfolge im Krieg gegen die sogenannte Nordallianz bekannt geworden, übernahmen die Taliban im September 1996 die Macht im größten Teil des afghanischen Staatsgebietes, den sie fortan als "Islamisches Emirat Afghanistan" bezeichneten. Bis zum Beginn des Militäreinsatzes der USA am 7. Oktober beherrschten sie bis zu 90 % des Landes. 224 Bei diesen Attentätern handelte es sich wahrscheinlich nicht um Personen, die schon mit dem Auftrag nach Deutschland eingeschleust worden sind, hier den geeigneten Zeitpunkt für die Ausführung eines schon geplanten terroristischen Anschlags abzuBericht 2001 302 Erläuterungen und Dokumentation warten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Personen erst in den Jahren ihres Aufenthaltes in einem westeuropäischen Land zu Islamisten wurden und für den "Heiligen Krieg" (Jihad) rekrutiert worden sind. 225 Jerusalem gilt Muslimen als eine der wichtigsten heiligen Stätten 226 Der 1979 von dem iranischen Revolutionsführer Khomeini ins Leben gerufene "al Quds"-Tag wird jeweils am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan begangen und soll an die "fortdauernde Besetzung des Landes Palästina und der Heiligen Al AksaMoschee in Jerusalem" erinnern. In Berlin werden seit 1996 regelmäßig Kundgebungen zum "al Quds"-Tag veranstaltet. Das iranische Regime gehört zu den schärfsten Kritikern Israels, lehnt jegliche Verhandlungen ab und ruft zur Zerstörung des jüdischen Staates auf. Vor dem Hintergrund der Aufnahme von Friedensgesprächen zwischen Israel und Syrien hatte der Religionsführer des Iran, Ayatollah Khamenei, alle Muslime aufgefordert, anlässlich dieses Tages ihren Hass und ihre Bereitschaft zum Kampf gegen Israel in der ganzen Welt zum Ausdruck zu bringen und sich den bevorstehenden Demonstrationen anzuschließen. 227 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Mitglieder/ Anhänger der IGMG islamistische Ziele verfolgen oder unterstützen. 228 "Yeni Dünya" vom April 2001, S. 3. Erbakan ist nicht namentlich genannt, aber unzweifelhaft gemeint. 229 Die "Milli Gazete" wird von der "Milli Verlagsund Pressevertriebs GmbH" mit Sitz in Mörfelden herausgegeben. 230 Anspielung auf eine messianische, von Sabbatabai Zwi begründete Bewegung im Judentum Europas und des Orients im 17. / 18. Jhdt. 1666 konvertierte Zwi zum Islam. In türkischen islamistischen Zeitschriften wird der Begriff "Sabbatianer" abwertend für Muslime behaupteter oder tatsächlicher jüdischer Herkunft gebraucht. 231 Die "Kurdische Demokratische Volksunion" (YDK) entstand im Frühjahr 2000 durch Umbenennung des früheren politischen Arms der PKK, der in Deutschland ebenfalls dem Betätigungsverbot unterliegenden "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK). 232 Es handelt sich dabei um folgende Organisationen: "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) "Partei der freien Frauen" (PJA) Erläuterungen und Dokumentation 303 "Union der StudentInnen aus Kurdistan" (YXK) "Union der kurdischen Lehrer" (YMK) "Union der Journalisten Kurdistans" (YRK) "Union der Juristen Kurdistans" (YHK) "Union der Schriftsteller Kurdistans" (YNK) "Islamische Bewegung Kurdistans" (KIH) "Union der Yeziden aus Kurdistan" (YEK) "Union der Aleviten aus Kurdistan" (KAB) 233 Apo ist der Spitzname Abdullah ÖCALANs 234 Die NLA ist eine von Frauen dominierte Rebellenarmee mit derzeit ca. 5.000 Kämpfern, die vom Irak militärisch ausgebildet und bewaffnet wurden. 235 Hintergrund des "30. Khordat" bilden der "Tag des Widerstandes" (20. 6. 1981) und der "Tag der Märtyrer" (21. 6. 1981). Seinerzeit wurde eine Großdemonstration der MEK in Teheran durch Einheiten der Pasdaran gewaltsam niedergeschlagen. Zahlreiche Anhänger der Organisation wurden verhaftet und in anschließenden Schnellverfahren hingerichtet. Der Tag "30. Khordat" gilt innerhalb der MEK als Beginn des "Revolutionären Widerstandes gegen das Mullah-Regime". 236 "Großalbanien" umfasst nach dem Verständnis der LPK Kosovo, Albanien und an Albanien angrenzende Teile von Mazedonien, Montenegro und Griechenland. 237 Zur GUS gehören: Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, Russische Föderation, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan, Weißrussland. 238 Weißrussland hat als einziger der Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion die Bezeichnung "Komitee für Staatssicherheit" (russische Abkürzung: KGB) für seinen zivilen Nachrichtendienst beibehalten. Aus der weißrussischen Schreibweise ergibt sich allerdings die Abkürzung KDB. 239 Vgl. Verfassungsschutzbericht 2000, S. 243. Am 31. Januar 2001 verurteilte das Gericht in Camp Zeist den Angeklagten Abdelbasset MEGRAHI zu lebenslanger Haft, der zweite Angeklagte, Amin Khalifa FHIMAH, wurde freigesprochen. 240 Die Organisation gibt eine Vielzahl von Publikationen heraus. Angaben zur Auflagenhöhe veröffentlicht die SO nur vereinzelt, z. B. im Hinblick auf Sonderausgaben der "FREIHEIT". Bericht 2001 304 Erläuterungen und Dokumentation 241 Die Zahl beruht auf den Feststellungen der Verfassungsschutzbehörden. Nach eigenen Angaben besitzt die SO in Deutschland weniger "Missionen". 242 Vgl. "ADVANCE!", Ausgabe 140, 2000, S. 9; "THE AUDITOR", Ausgabe 290, 2001, S. 15 243 Nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 1995 (Neue Juristische Wochenschrift 1996, S. 143 ff.) handelt es sich bei der SO in Deutschland nicht um eine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes. Ihre religiösen oder weltanschaulichen Lehren dienten vielmehr nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele. 244 Vgl. SS 3 der Mustersatzung einer SO-Mission 245 Vgl. zum Begriff "Thetan": HUBBARD, Fachwortsammlung für Dianetics und Scientology, 4. Auflage, Kopenhagen 1985 (zitiert: HUBBARD, Fachwortsammlung) S. 98; HUBBARD, Scientology - Die Grundlagen des Denkens, 2. Auflage, Kopenhagen 1973, S. 37 246 Vgl. zum Begriff "Operierender Thetan": HUBBARD, Fachwortsammlung, S. 67 247 Vgl. zum Begriff "Clear": HUBBARD, Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit, 8. Auflage, Kopenhagen 1984 (zitiert: HUBBARD, Dianetik), S. 215 248 Vgl. zum Begriff "Aberration": HUBBARD, Fachwortsammlung, S. 1 249 Vgl. zum Begriff "Engramm": HUBBARD, Fachwortsammlung, S. 27 250 Vgl. zum Begriff "Auditing": HUBBARD, Das Scientology-Handbuch, Kopenhagen 1994, S. XX 251 Vgl. zum Begriff "Auditor": Was ist Scientology?, Kopenhagen 1998, S. 164 ff. 252 Vgl. zum Begriff "Preclear": Was ist Scientology?, a. a. O., S. 164 253 Vgl. zum Ablauf des "Auditing": Was ist Scientology?, a. a. O., S. 164 f. 254 Vgl. zum Begriff "E-Meter": Was ist Scientology?, a. a. O., S. 165 ff. Erläuterungen und Dokumentation 305 255 Vgl. Was ist Scientology?, a. a. O., S. 164 ff. 256 Auf die Gefahren, die der Besuch der Kurse oder die Anwendung scientologischer Methoden für den Einzelnen darstellen können, wird unter anderem in der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom Bundesverwaltungsamt herausgegebenen Broschüre "Die Scientology Organisation - Gefahren, Ziele und Praktiken" (Stand: November 1998) hingewiesen. 257 Vgl. SSSS 5 Nr. 3 und 8 Nr. 1 Buchst. a der Mustersatzung der SO für Kirchen und Missionen in Deutschland, die 1992 von ihr der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) übersandt wurde: " ... Verbreitung von einschlägigen Schriften über die Scientology Religion. Unter Schriften sind die schriftlichen, auf Tonband oder anderen Kommunikationsträgern aufgezeichneten Werke des Religionsgründers L. Ron HUBBARD in Bezug auf die Scientology Lehre und Scientology Kirchen gemeint." (SS 5 Nr. 3); "Die Ziele, Glaubensinhalte, Doktrinen, Kodizes, das Glaubensbekenntnis, die Richtlinien und religiösen Betätigungen, wie sie vom Begründer der Scientology Religion L. Ron HUBBARD in seinen Schriften und Werken niedergelegt und in den Artikeln 2 - 5 dieser Satzung kurz zusammengefasst wurden, zu beachten" (SS 8 Nr. 1, Buchst. a). Vgl. "IMPACT", Ausgabe 95, 2001, S. 1; "Informationsbeilage für die Mitgliedschaft" in der "International Association of Scientologists" (IAS), aus: "IMPACT", a. a. O.; in beiden Veröffentlichungen bezeichnet die IAS als ihren Organisationszweck; "die Scientology-Religion und Scientologen in allen Teilen der Welt zu vereinigen, zu unterstützen und zu schützen, damit die Ziele der Scientology, wie L. Ron HUBBARD sie aufgestellt hat, erreicht werden". Vgl. "Was ist Scientology?", Kopenhagen 1998, S. 405 ff.: "Sie (SO-Mitglieder) wissen, dass sie ... die spirituellen Erlösungsstufen, die sie in Scientology anstreben mit hundertprozentiger Sicherheit erreichen werden, wenn sie die Lehre exakt gemäß den Schriften L. Ron HUBBARDs ausüben. ... Um genau das sicherzustellen, existiert das Religious Technology Center ... in exakter Übereinstimmung mit den Original-Schriften des Gründers ...". 258 Vgl. "INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS"; Ausgabe 15, 2001, Werbebeilage; "ADVANCE!", Ausgabe 141, 2001, S. 7, 26 u. Werbebeilage; "SOURCE", Ausgaben 133 u. 134, 2001, Werbebeilagen; "THE AUDITOR", Ausgabe 290, 2001, S. 12 u. Werbebeilage. Bericht 2001 306 Erläuterungen und Dokumentation 259 Vgl. "IMPACT", Ausgabe 95, 2001, S.1: " ... die Ziele der Scientology - 'eine Zivilisation ohne Wahnsinn, ohne Verbrecher und ohne Krieg (LRH)' ..."; a. a. O., S. 21: " ... Wie es LRH in seinem Artikel in Rons Journal Nr. 31 ausdrückte: ,Inflation, Benzinmangel und sogar Krieg werfen lange Schatten auf die Welt. Und das Schlimmste ist ... Drogen ... . Ohne uns haben diese Gesellschaften den Punkt, an dem es keine Rückkehr mehr gibt, bereits überschritten' ... ." Vgl. auch "IMPACT", Ausgabe 94, 2001, S. 5; nach dem dort wiederveröffentlichten Aufsatz HUBBARDs aus dem Jahr 1969 mit dem Titel "Die Welt der Scientology" soll aus dem derzeit " ... verrücktesten Planeten im Universum ..." der "strahlendste Planet ..." werden, " ... auf dem Wesen mit guten Absichten in Sicherheit und Frieden leben können ...". 260 So heißt es auf einer SO-Homepage: " ... Die Ziele der Scientology ... . Eine Zivilisation ... in der der Fähige erfolgreich sein kann und ehrliche Wesen Rechte haben können ... ." 261 Die Bezeichnung des Organisationskurses rührt daher, dass er u.a. Aussagen über hierarchische Abstufungen innerhalb einer Organisation und deren Kenntlichmachung nach außen durch das Tragen unterschiedlicher Kopfbedeckungen enthält. 262 Vgl. HUBBARD, "Einführung in die Ethik der Scientology", Kopenhagen 1998 , S. 46; 38 f. Gesetzestexte 307 Bundesverfassungsschutzgesetz Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970) erstmalig geändert durch Art. 38 Abs. 2 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz -SÜG) vom 20. 04. 1994 (BGBl. I S. 867) erneut geändert durch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 17. 06. 1999 (BGBl. I S. 1334) erneut geändert durch Art. 11 des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1999 - Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) vom 02. 08. 2000 (BGBl. I S. 1253) erneut geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18. 05. 2001 (BGBl. I S. 904) erneut geändert durch Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 26. 06. 2001 (BGBl. I, S. 1254) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09. 01. 2002 (BGBl. I S. 361) Bericht 2001 308 Gesetzestexte Erster Abschnitt Zusammenarbeit, Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden SS1 Zusammenarbeitspflicht (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Der Bund und die Länder sind verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. (3) Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. SS2 Verfassungsschutzbehörden (1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern unterhält der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde. Es untersteht dem Bundesminister des Innern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (2) Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund und der Länder untereinander unterhält jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. SS3 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden (1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, Gesetzestexte 309 3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder wirken mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. Die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 und 2 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) geregelt. (3) Die Verfassungsschutzbehörden sind an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). SS4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; Bericht 2001 310 Gesetzestexte b) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des SS 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, e) die Unabhängigkeit der Gerichte, f) der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Gesetzestexte 311 SS5 Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verfassungsschutzbehörden (1) Die Landesbehörden für Verfassungsschutz sammeln Informationen, Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen zur Erfüllung ihrer Aufgaben, werten sie aus und übermitteln sie dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesbehörden für Verfassungsschutz, soweit es für deren Aufgabenerfüllung erforderlich ist. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf in einem Lande im Benehmen mit der Landesbehörde für Verfassungsschutz Informationen, Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen im Sinne des SS 3 sammeln. Bei Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des SS 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ist Voraussetzung, dass 1. sie sich ganz oder teilweise gegen den Bund richten, 2. sie sich über den Bereich eines Landes hinaus erstrecken, 3. sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland berühren oder 4. eine Landesbehörde für Verfassungsschutz das Bundesamt für Verfassungsschutz um ein Tätigwerden ersucht. Das Benehmen kann für eine Reihe gleichgelagerter Fälle hergestellt werden. (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die Landesbehörden für Verfassungsschutz über alle Unterlagen, deren Kenntnis für das Land zum Zwecke des Verfassungsschutzes erforderlich ist. SS6 Gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden Die Verfassungsschutzbehörden sind verpflichtet, beim Bundesamt für Verfassungsschutz zur Erfüllung der Unterrichtungspflichten nach SS 5 gemeinsame Dateien zu führen, die sie im automatisierten Verfahren nutzen. Diese Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und der dazu notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. Die Speicherung personenbezogener Daten ist nur unter den Voraussetzungen der SSSS 10 und 11 zulässig. Der Abruf im automatisierten Verfahren durch andere Stellen ist nicht zulässig. Die Verantwortung einer speichernden Stelle im Bericht 2001 312 Gesetzestexte Sinne der allgemeinen Vorschriften des Datenschutzrechts trägt jede Verfassungsschutzbehörde nur für die von ihr eingegebenen Daten; nur sie darf diese Daten verändern, sperren oder löschen. Die eingebende Stelle muss feststellbar sein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz trifft für die gemeinsamen Dateien die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach SS 9 des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Führung von Textdateien oder Dateien, die weitere als die in Satz 2 genannten Daten enthalten, ist unter den Voraussetzungen dieses Paragraphen nur zulässig für eng umgrenzte Anwendungsgebiete zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten. Die Zugriffsberechtigung ist auf Personen zu beschränken, die unmittelbar mit Arbeiten in diesem Anwendungsgebiet betraut sind; in der Dateianordnung (SS 14) ist die Erforderlichkeit der Aufnahme von Textzusätzen in der Datei zu begründen. SS7 Weisungsrechte des Bundes Die Bundesregierung kann, wenn ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes erfolgt, den obersten Landesbehörden die für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes erforderlichen Weisungen erteilen. Zweiter Abschnitt Bundesamt für Verfassungsschutz SS8 Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. Ein Ersuchen des Bundesamtes für Verfassungsschutz um Übermittlung personenbezogener Daten darf nur diejenigen personenbezogenen Daten enthalten, die für die Erteilung der Auskunft unerlässlich sind. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Obser- Gesetzestexte 313 vationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. Diese sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Bundesministers des Innern, der das Parlamentarische Kontrollgremium unterrichtet. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (4) Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen. (5) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (6) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. (7) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (8) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über TeleBericht 2001 314 Gesetzestexte kommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die Auskunft kann auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt werden. Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten sind: 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund Teledienst-Dienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (9) Auskünfte nach den Absätzen 5 bis 8 dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder seinen Vertreter schriftlich zu stellen und zu begründen. Über den Antrag entscheidet das vom Bundeskanzler beauftragte Bundesministerium. Es unterrichtet monatlich die G 10-Kommission (SS 1 Abs. 2 des Artikel 10-Gesetzes) über die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzuge kann das Bundesministerium den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. SS 15 Abs. 5 des Artikel 10-Gesetzes ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach den Absätzen 5 bis 8 erlangten personenbezogenen Daten erstreckt. Entscheidungen über Auskünfte, die die G 10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat das Bundesministerium unverzüglich aufzuheben. Für die Verarbeitung der nach den Absätzen 5 bis 8 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. SS 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes findet entsprechende Anwendung. (10) Das nach Absatz 9 Satz 3 zuständige Bundesministerium unterrichtet im Abstand von höchsten sechs Monaten das Parlamentarische Kontrollgremium über die Durchführung der Absätze 5 bis 9; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Gesetzestexte 315 Absätzen 5 bis 8 zu geben. Das Gremium erstattet dem Deutschen Bundestag jährlich sowie nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zusammenfassend zum Zweck der Evaluierung einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach den Absätzen 5 bis 8; dabei sind die Grundsätze des SS 5 Abs. 1 des Kontrollgremiumgesetzes zu beachten. (11) Die Befugnisse nach den Absätzen 5 bis 8 stehen den Verfassungsschutzbehörden der Länder nur dann zu, wenn das Antragsverfahren, die Beteiligung der G 10-Kommission, die Verarbeitung der erhobenen Daten und die Mitteilung an den Betroffenen gleichwertig wie in Absatz 9 und ferner eine Absatz 10 gleichwertige parlamentarische Kontrolle sowie eine Verpflichtung zur Berichterstattung über die durchgeführten Maßnahmen an das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes unter entsprechender Anwendung des Absatzes 10 Satz 1 Halbsatz 2 für dessen Berichte nach Absatz 10 Satz 2 durch den Landesgesetzgeber geregelt ist. (12) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 6, 8, 9 und 11 eingeschränkt. (13) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS9 Besondere Formen der Datenerhebung (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, mit den Mitteln gemäß SS 8 Abs. 2 erheben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder 2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtiBericht 2001 316 Gesetzestexte gende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine Auskunft nach SS 18 Abs. 3 gewonnen werden kann. Die Anwendung eines Mittels gemäß SS 8 Abs. 2 darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerlässlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 werden durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder seinen Vertreter angeordnet, wenn eine richterliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die erhobenen Informationen dürfen nur nach Maßgabe des SS 4 Abs. 4 des Artikel 10-Gesetzes verwendet werden. Technische Mittel im Sinne der Sätze 1 und 2 dürfen überdies zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen verwendet werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für deren Leben, Gesundheit oder Freiheit unerlässlich ist. Maßnahmen nach Satz 8 werden durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder seinen Vertreter angeordnet. Außer zu dem Zweck nach Satz 8 darf das Bundesamt für Verfassungsschutz die hierbei erhobenen Daten nur zur Gefahrenabwehr im Rahmen seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 sowie für Übermittlungen nach Maßgabe des SS 4 Abs. 4 Nr. 1 und 2 des Artikel 10-Gesetzes verwenden. Die Verwendung ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. SS 4 Abs. 6 des Artikel 10-Gesetzes gilt entsprechend. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes ) wird insoweit eingeschränkt. (3) Bei Erhebungen nach Absatz 2 und solchen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insbesondere das Gesetzestexte 317 Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit dem verdeckten Einsatz technischer Mittel gehören, ist 1. der Eingriff nach seiner Beendigung dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann, und 2. das Parlamentarische Kontrollgremium zu unterrichten. (4) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes auch technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräteund Kartennummern einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Für die Verarbeitung der Daten gilt SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend. Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. SS 8 Abs. 9 und 10 gilt entsprechend. Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes ) wird insoweit eingeschränkt. SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf zu Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 erforderlich ist oder 3. das Bundesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 2 tätig wird. (2) (aufgehoben) (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine AufgabenerfülIung erforderliche Maß zu beschränken. Bericht 2001 318 Gesetzestexte SS 11 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 10 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres in zu ihrer Person geführten Akten nur speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In Dateien ist eine Speicherung von Daten oder über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. (2) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten über Minderjährige sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 1 angefallen sind. SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten in Dateien (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden. (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Nr. 1 sind spätestens zehn Jahre, über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 sind spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter oder sein Vertreter trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. Gesetzestexte 319 (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verwendet werden. SS 13 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten (1) Stellt das Bundesamt für Verfassungsschutz fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind oder wird ihre Richtigkeit von dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat personenbezogene Daten zu sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen. SS 14 Dateianordnungen (1) Für jede automatisierte Datei beim Bundesamt für Verfassungsschutz nach SS 6 oder SS 10 sind in einer Dateianordnung, die der Zustimmung des Bundesministers des Innern bedarf, festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. Voraussetzungen der Speicherung, Übermittlung und Nutzung (betroffener Personenkreis, Arten der Daten), 4. Anlieferung oder Eingabe, 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, 7. Protokollierung. Bericht 2001 320 Gesetzestexte Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist vor Erlass einer Dateianordnung anzuhören. (2) Die Speicherung personenbezogener Daten ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. In angemessenen Abständen ist die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung der Dateien zu überprüfen. (3) In der Dateianordnung über automatisierte personenbezogene Textdateien ist die Zugriffsberechtigung auf Personen zu beschränken, die unmittelbar mit Arbeiten in dem Gebiet betraut sind, dem die Textdateien zugeordnet sind; Auszüge aus Textdateien dürfen nicht ohne die dazugehörenden erläuternden Unterlagen übermittelt werden. SS 15 Auskunft an den Betroffenen (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft der Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. Gesetzestexte 321 (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass er sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht der Bundesminister des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Bundesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des Bundesamtes für Verfassungsschutz zulassen, sofern es nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. SS 16 Berichtspflicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet den Bundesminister des Innern über seine Tätigkeit. (2) Die Unterrichtung nach Absatz 1 dient auch der Aufklärung der Öffentlichkeit durch den Bundesminister des Innern über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1, die mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassenden Bericht erfolgt. Dabei dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. In dem Bericht sind die Zuschüsse des Bundeshaushaltes an das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst sowie die jeweilige Gesamtzahl ihrer Bediensteten anzugeben. Dritter Abschnitt Übermittlungsvorschriften SS 17 Zulässigkeit von Ersuchen (1) Wird nach den Bestimmungen dieses Abschnittes um Übermittlung von personenbezogenen Daten ersucht, dürfen nur die Daten übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. Bericht 2001 322 Gesetzestexte (2) Absatz 1 gilt nicht für besondere Ersuchen der Verfassungsschutzbehörden, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes um solche Daten, die bei der Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben bekannt werden. Die Zulässigkeit dieser besonderen Ersuchen und ihre Erledigung regelt der Bundesminister des Innern in einer Dienstanweisung. Er unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium über ihren Erlass und erforderliche Änderungen. Satz 2 und 3 gilt nicht für die besonderen Ersuchen zwischen Behörden desselben Bundeslandes. SS 18 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörden (1) Die Behörde des Bundes, der bundesummittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie der Zoll, soweit er Aufgaben nach dem Bundesgrenzschutzgesetz wahrnimmt, unterrichten von sich aus das Bundesamt für Verfassungsschutz oder die Verfassungsschutzbehörde des Landes über die ihnen bekanntgewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 genannten Schutzgüter gerichtet sind. Über Satz 1 hinausgehende Unterrichtungspflichten nach dem Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst oder dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst bleiben unberührt. Auf die Übermittlung von Informationen zwischen Behörden desselben Bundeslandes findet Satz 1 keine Anwendung. (1a) Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge übermittelt von sich aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz, die Ausländerbehörden eines Landes übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde des Landes ihnen bekannt gewordene Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden erforderlich ist. Die Übermittlung dieser personenbezogenen Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen nach SS 19 Abs. 3 unterbleibt, es sei denn, die Übermittlung ist völkerrechtlich geboten. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie der Zoll, Gesetzestexte 323 soweit er Aufgaben nach dem Bundesgrenzschutzgesetz wahrnimmt, und der Bundesnachrichtendienst dürfen von sich aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz oder der Verfassungsschutzbehörde des Landes auch alle anderen ihnen bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. Absatz 1 Satz 3 findet Anwendung. (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie andere Behörden um Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen wenn sie nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Unter den gleichen Voraussetzungen dürfen Verfassungsschutzbehörden der Länder 1. Behörden des Bundes und der bundesummittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2. Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, Polizeien des Bundes und anderer Länder um die Übermittlung solcher Informationen ersuchen. (4) Würde durch die Übermittlung nach Absatz 3 Satz 1 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder der Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf das Bundesamt für Verfassungsschutz bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 sowie bei der Beobachtung terroristischer Bestrebungen amtliche Register einsehen. (5) Die Ersuchen nach Absatz 3 sind aktenkundig zu machen. Über die Einsichtnahme nach Absatz 4 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozessordnung bekanntgeworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1, 2 und 3 nur Bericht 2001 324 Gesetzestexte zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die einer Verfassungsschutzbehörde nach Satz 1 übermittelten Kenntnisse und Unterlagen findet SS 4 Abs. 1 und 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an inländische Behörden übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte übermitteln, soweit die Bundesrepublik Deutschland dazu im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) verpflichtet ist. (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden, und das Bundesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. (4) Personenbezogene Daten dürfen an andere Stellen nur übermittelt werden, wenn dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen nach SS 1 Abs. 4 des Gesetzestexte 325 Sicherheitsüberprüfungsgesetzes erforderlich ist. Übermittlungen nach Satz 1 bedürfen der vorherigen Zustimmung durch das Bundesministerium des Innern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt einen Nachweis über den Zweck, die Veranlassung, die Aktenfundstelle und die Empfänger der Übermittlungen nach Satz 1. Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt worden sind. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die Verwendung der Daten zu bitten. Die Übermittlung der personenbezogenen Daten ist dem Betroffenen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mitzuteilen, sobald eine Gefährdung seiner Aufgabenerfüllung durch die Mitteilung nicht mehr zu besorgen ist. Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn personenbezogene Daten zum Zweck von Datenerhebungen nach SS 8 Abs. 1 Satz 2 übermittelt werden. SS 20 Übermittlung von Informationen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeien von sich aus die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. Das Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelt dem Bundesnachrichtendienst von sich aus die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. (2) Die Polizeien dürfen zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten nach Absatz 1 Satz 2 das Bundesamt für Verfassungsschutz um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich persoBericht 2001 326 Gesetzestexte nenbezogener Daten ersuchen. Der Bundesnachrichtendienst darf zur Erfüllung seiner Aufgaben das Bundesamt für Verfassungsschutz um die Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. SS 21 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörden der Länder an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörden der Länder übermitteln den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeien Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1. Auf die Übermittlung von Informationen zwischen Behörden desselben Bundeslandes findet Satz 1 keine Anwendung. (2) Die Verfassungsschutzbehörden der Länder übermitteln dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 3 sowie Abs. 2 Satz 2. SS 22 Übermittlung von Informationen durch die Staatsanwaltschaften und Polizeien an den Militärischen Abschirmdienst Für die Übermittlung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten durch die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie den Zoll, soweit er Aufgaben nach dem Bundesgrenzschutzgesetz wahrnimmt, an den Militärischen Abschirmdienst findet SS 18 entsprechende Anwendung. SS 23 Übermittlungsverbote Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, Gesetzestexte 327 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 24 Minderjährigenschutz (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor, bleibt eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 25 Pflichten des Empfängers Der Empfänger prüft, ob die nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. SS 26 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung eines Sachverhalts ohne Bedeutung ist. Bericht 2001 328 Gesetzestexte Vierter Abschnitt Schlussvorschriften SS 27 Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz finden SS 3 Abs. 2 und 8 Satz 1, SS 4 Abs. 2 und 3, SSSS 4 b und 4 c sowie SSSS 10 und 13 bis 20 des Bundesdatenschutzgesetzes keine Anwendung. Gesetzestexte 329 Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst (MAD-Gesetz - MADG) Vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2977) geändert durch das Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. 04. 1994 (BGBl. I S. 867, 876) erneut geändert durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 vom 02. 08. 2000 (BGBl. I S. 1253, 1262) erneut geändert durch Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften; Lebenspartnerschaften vom 16. 02. 2001 (BGBl. I S. 266, 271) erneut geändert durch Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18. 05. 2001 (BGBl. I S. 904, 921) zuletzt geändert durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09. 01. 2002 (BGBl. I S. 361) SS1 Aufgaben (1) Aufgabe des Militärischen Abschirmdienstes des Bundesministers der Verteidigung ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, wenn sich diese Bestrebungen oder Tätigkeiten gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen im Geschäftsbereich des BundesmiBericht 2001 330 Gesetzestexte nisters der Verteidigung richten und von Personen ausgehen oder ausgehen sollen, die diesem Geschäftsbereich angehören oder in ihm tätig sind. Darüber hinaus obliegt dem Militärischen Abschirmdienst die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über die Beteiligung von Angehörigen des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung sowie von Personen, die in ihm tätig sind oder in ihm tätig sein sollen, an Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. SS 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet Anwendung. (2) Darüber hinaus obliegt dem Militärischen Abschirmdienst zur Beurteilung der Sicherheitslage 1. von Dienststellen und Einrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung und 2. von Dienststellen und Einrichtungen der verbündeten Streitkräfte und der internationalen militärischen Hauptquartiere, wenn die Bundesrepublik Deutschland in internationalen Vereinbarungen Verpflichtungen zur Sicherheit dieser Dienststellen und Einrichtungen übernommen hat und die Beurteilung der Sicherheitslage im Einvernehmen zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und den zuständigen obersten Landesbehörden dem Militärischen Abschirmdienst übertragen worden ist, die Auswertung von Informationen über die in Absatz 1 genannten Bestrebungen und Tätigkeiten gegen diese Dienststellen und Einrichtungen, auch soweit sie von Personen ausgehen oder ausgehen sollen, die nicht dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angehören oder in ihm tätig sind. (3) Der Militärische Abschirmdienst wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angehören, in ihm tätig sind oder werden sollen und a) denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, oder b) die an sicherheitsempfindlichen Stellen des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung eingesetzt sind oder werden sollen, Gesetzestexte 331 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. Die Befugnisse des Militärischen Abschirmdienstes bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a und b sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) geregelt. (4) Der Militärische Abschirmdienst darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (5) Der Militärische Abschirmdienst ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). SS2 Zuständigkeit in besonderen Fällen (1) Zur Fortführung von Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 kann der Militärische Abschirmdienst, soweit es im Einzelfall zwingend erforderlich ist, seine Befugnisse gegenüber Personen ausüben, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung nicht angehören oder nicht in ihm tätig sind. Dies ist nur zulässig 1. gegenüber dem Ehegatten oder Lebenspartner oder Verlobten einer in SS 1 Abs. 1 genannten Person oder dem mit ihr in eheähnlicher Gemeinschaft Lebenden, wenn angenommen werden muß, daß Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 auch von ihm ausgehen, 2. im Benehmen mit der zuständigen Verfassungsschutzbehörde gegenüber Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie mit einer in SS 1 Abs. 1 genannten Person bei Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 zusammenarbeiten, und wenn anderenfalls die weitere Erforschung das Sachverhalts gefährdet oder nur mit übermäßigem Aufwand möglich wäre. (2) Zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten kann der Militärische Abschirmdienst in Wahrnehmung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1, soweit es im Einzelfall zwingend erforderlich ist, im Benehmen mit der zuständigen Verfassungsschutzbehörde seine Befugnisse gegenüber Personen ausüben, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung nicht angehören oder nicht in ihm tätig sind. Bericht 2001 332 Gesetzestexte SS3 Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden (1) Der Militärische Abschirmdienst und die Verfassungsschutzbehörden arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zusammen. Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. (2) Zur Fortführung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes kann eine Verfassungsschutzbehörde, soweit es im Einzelfall zwingend erforderlich ist, im Benehmen mit dem Militärischen Abschirmdienst Maßnahmen auf Personen erstrecken, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angehören oder in ihm tätig sind und der Zuständigkeit des Militärischen Abschirmdienstes unterliegen. Dies ist nur zulässig gegenüber Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie mit einer Person aus dem Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden bei Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zusammenarbeiten, und wenn anderenfalls die weitere Erforschung des Sachverhalts gefährdet oder nur mit übermäßigem Aufwand möglich wäre. (3) Der Militärische Abschirmdienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichten einander über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. SS4 Befugnisse des Militärischen Abschirmdienstes (1) Der Militärische Abschirmdienst darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen nach SS 8 Abs. 2, 4 und 13 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. Er ist nicht befugt, personenbezogene Daten zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 zu erheben. SS 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet Anwendung; die Zustimmung zur Dienstanweisung erteilt der Bundesminister der Verteidigung. (2) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Militärischen Abschirmdienst nicht zu; er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. Gesetzestexte 333 SS5 Besondere Formen der Datenerhebung Der Militärische Abschirmdienst darf Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, nach SS 9 des Bundesverfassungsschutzgesetzes erheben, soweit es 1. zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und SS 2 Abs. 1 sowie zur Erforschung der dazu erforderlichen Quellen oder 2. zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Militärischen Abschirmdienstes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten, auch nach SS 2 Abs. 2, erforderlich ist; SS 9 Abs. 2 bis 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet entsprechende Anwendung. SS6 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Der Militärische Abschirmdienst darf personenbezogene Daten nach SS 10 des Bundesverfassungsschutzgesetzes speichern, verändern und nutzen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 gespeicherte Daten über Personen, die nicht dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angehören oder in ihm tätig sind, dürfen für andere Zwecke nicht verwendet werden, es sei denn, die Verwendung wäre auch für die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 zulässig. (2) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten über Minderjährige sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 1 Abs. 1 oder SS 2 angefallen sind. Dies gilt nicht, wenn der Betroffene nach SS 1 Abs. 3 überprüft wird. Die Speicherung personenbezogener Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres in zu ihrer Person geführten Akten und Dateien ist unzulässig. SS7 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Der Militärische Abschirmdienst hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, zu löschen und zu sperren nach SS 12 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Bericht 2001 334 Gesetzestexte (2) Der Militärische Abschirmdienst hat personenbezogene Daten in Akten zu berichtigen und zu sperren nach SS 13 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS8 Dateianordnungen Der Militärische Abschirmdienst hat für jede automatisierte Datei mit personenbezogenen Daten eine Dateianordnung nach SS 14 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zu treffen, die der Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung bedarf. SS 14 Abs. 2 und 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet Anwendung. SS9 Auskunft an den Betroffenen Der Militärische Abschirmdienst erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten Auskunft entsprechend SS 15 des Bundesverfassungsschutzgesetzes; an die Stelle des dort genannten Bundesministers des Innern tritt der Bundesminister der Verteidigung. SS 10 Übermittlung von Informationen an den Militärischen Abschirmdienst (1) Die Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts unterrichten von sich aus den Militärischen Abschirmdienst über die ihnen bekanntgewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 genannten Schutzgüter gerichtet sind, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Unterrichtung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 erforderlich ist. (2) Der Militärische Abschirmdienst darf nach SS 18 Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes jede Behörde um die Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. (3) Der Militärische Abschirmdienst darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei den- Gesetzestexte 335 jenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die Auskunft kann auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt werden. Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten sind: 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund Teledienst-Dienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. Die Auskünfte dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch den Präsidenten des Militärischen Abschirmdienstes oder seinen Vertreter schriftlich zu stellen und zu begründen. SS 8 Abs. 9 Satz 3 bis 11 und Abs. 10 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet entsprechende Anwendung. Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (4) Würde durch die Übermittlung nach Absatz 2 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder der Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf der Militärische Abschirmdienst bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 Nr. 2 amtliche Register einsehen. Diese Einsichtnahme bedarf der Zustimmung des Amtschefs des Amtes für den Militärischen Abschirmdienst oder seines Vertreters. (5) SS 17 Abs. 1 sowie SS 18 Abs. 5 des Bundesverfassungsschutzgesetzes sind entsprechend anzuwenden. SS 11 Übermittlung personenbezogener Daten durch den Militärischen Abschirmdienst (1) Der Militärische Abschirmdienst darf personenbezogene Daten nach SS 19 des Bundesverfassungsschutzgesetzes übermitteln. An die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern tritt diejenige des Bundesministeriums der Verteidigung. Für vom Bericht 2001 336 Gesetzestexte Verfassungsschutz übermittelte personenbezogene Daten im Sinne des SS 18 Abs. 1a Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes gilt SS 18 Abs. 1a Satz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (2) Der Militärische Abschirmdienst übermittelt Informationen einschließlich personenbezogener Daten an Staatsanwaltschaften, Polizeien und den Bundesnachrichtendienst nach SS 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS 12 Verfahrensregeln für die Übermittlung von Informationen Für die Übermittlung von Informationen nach diesem Gesetz finden die SSSS 23 bis 26 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechende Anwendung. SS 13 Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 bis 3 und SS 2 finden SS 3 Abs. 2 und 8 Satz 1, SS 4 Abs. 2 und 3, SSSS 4b und 4c sowie SSSS 10 und 13 bis 20 des Bundesdatenschutzgesetzes keine Anwendung. Gesetzestexte 337 Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-G) Vom 20.12.1990 (BGBl. I S. 2979) geändert durch das Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. 04. 1994 (BGBl. I S. 867, 876) erneut geändert durch Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18. 05. 2001 (BGBl. I S. 904, 921) erneut geändert durch Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 26. 06. 2001 (BGBl. I S. 1254) zuletzt geändert durch das Terrorismusbekämfungsgesetz vom 09. 01. 2002 (BGBl. I S. 361) SS1 Organisation und Aufgaben (1) Der Bundesnachrichtendienst ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Chefs des Bundeskanzleramtes. Einer polizeilichen Dienststelle darf er nicht angegliedert werden. (2) Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außenund sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus. Werden dafür im Geltungsbereich dieses Gesetzes Informationen einschließlich personenbezogener Daten erhoben, so richtet sich ihre Erhebung, Verarbeitung und Nutzung nach den SSSS 2 bis 6 und 8 bis 11. SS2 Befugnisse (1) Der Bundesnachrichtendienst darf die erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen, Bericht 2001 338 Gesetzestexte 1. zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten, 2. für die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die für ihn tätig sind oder tätig werden sollen, 3. für die Überprüfung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Nachrichtenzugänge und über Vorgänge im Ausland, die von außenund sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, wenn sie nur auf diese Weise zu erlangen sind und für ihre Erhebung keine andere Behörde zuständig ist. (1a) Der Bundesnachrichtendienst darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, soweit dies im Rahmen seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 Satz 1 für die Sammlung von Informationen über die in SS 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 4 und 6 des Artikel 10-Gesetzes genannten Gefahrenbereiche erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die außenund sicherheitspolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland vorliegen. Die Auskünfte dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes oder seinen Vertreter schriftlich zu stellen und zu begründen. SS 8 Abs. 9 Satz 3 bis 11 und Abs. 10 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet entsprechende Anwendung, wobei an die Stelle des vom Bundeskanzler beauftragten Bundesministeriums der Chef des Bundeskanzleramtes tritt. (2) Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach Absatz 1 Nr. 2 auf eine dienstund arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. Bei Sicherheitsüberprüfungen ist das Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) anzuwenden. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Bundesnachrichtendienst nicht zu. Er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. Gesetzestexte 339 (4) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat der Bundesnachrichtendienst diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS3 Besondere Formen der Datenerhebung Der Bundesnachrichtendienst darf zur heimlichen Beschaffung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten die Mittel gemäß SS 8 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes anwenden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. SS 9 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist entsprechend anzuwenden. SS4 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Der Bundesnachrichtendienst darf personenbezogene Daten nach SS 10 des Bundesverfassungsschutzgesetzes speichern, verändern und nutzen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. (2) Die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten über Minderjährige ist nur unter den Voraussetzungen des SS 11 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässig. SS5 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Der Bundesnachrichtendienst hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, zu löschen und zu sperren nach SS 12 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (2) Der Bundesnachrichtendienst hat personenbezogene Daten in Akten zu berichtigen und zu sperren nach SS 13 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS6 Dateianordnungen Der Bundesnachrichtendienst hat für jede automatisierte Datei mit personenbezogenen Daten eine Dateianordnung nach SS 14 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zu treffen, die der Zustimmung Bericht 2001 340 Gesetzestexte des Chefs des Bundeskanzleramtes bedarf. SS 14 Abs. 2 und 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist anzuwenden. SS7 Auskunft an den Betroffenen Der Bundesnachrichtendienst erteilt dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über zu seiner Person nach SS 4 gespeicherte Daten entsprechend SS 15 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. An die Stelle des dort genannten Bundesministers des Innern tritt der Chef des Bundeskanzleramtes. SS8 Übermittlung von Informationen an den Bundesnachrichtendienst (1) Die Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts dürfen von sich aus dem Bundesnachrichtendienst die ihnen bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung 1. für seine Eigensicherung nach SS 2 Abs. 1 Nr. 1 oder 2. im Rahmen seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 zur Sammlung von Informationen über die in SS 5 Abs. 1 Satz 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Gefahrenbereiche erforderlich ist. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie der Zoll, soweit er Aufgaben nach dem Bundesgrenzschutzgesetz wahrnimmt, übermitteln dem Bundesnachrichtendienst von sich aus die ihnen bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für seine Eigensicherung nach SS 2 Abs. 1 Nr. 1 erforderlich ist. Darüber hinaus dürfen sie dem Bundesnachrichtendienst von sich aus die ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten nach Maßgabe des Absatzes 1 Nr. 2 übermitteln. (3) Der Bundesnachrichtendienst darf nach SS 18 Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes jede Behörde um die Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen und nach SS 18 Abs. 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes amtlich geführte Register einsehen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. SS 17 Abs. 1 und SS 18 Abs. 5 des Bundesverfassungsschutzgesetzes sind anzuwenden. Gesetzestexte 341 (3a) Der Bundesnachrichtendienst darf im Einzelfall, soweit dies im Rahmen seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 Satz 1 für die Sammlung von Informationen über die in SS 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 4 und 6 des Artikel 10-Gesetzes genannten Gefahrenbereiche erforderlich ist, bei denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die Auskunft kann auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt werden. Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten sind: 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund Teledienst-Dienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. Die Auskünfte dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes oder seinen Vertreter schriftlich zu stellen und zu begründen. SS 8 Abs. 9 Satz 3 bis 11 und Abs. 10 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet entsprechende Anwendung, wobei an die Stelle des vom Bundeskanzler beauftragen Bundesministeriums der Chef des Bundeskanzleramtes tritt. Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (4) Für die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist SS 18 Abs. 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechend anzuwenden. SS9 Übermittlung von Informationen durch den Bundesnachrichtendienst (1) Der Bundesnachrichtendienst darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische Behörden übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder wenn der Empfänger die Daten für Zwecke der öffentlichen SicherBericht 2001 342 Gesetzestexte heit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Für die Übermittlung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten an andere Stellen ist SS 19 Abs. 2 bis 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechend anzuwenden; dabei ist die Übermittlung nach Absatz 4 dieser Vorschrift nur zulässig, wenn sie zur Wahrung außenund sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist und der Chef des Bundeskanzleramtes seine Zustimmung erteilt hat. Für vom Verfassungsschutz übermittelte personenbezogene Daten im Sinne des SS 18 Abs. 1 a Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes gilt SS 18 Abs. 1a Satz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (3) Der Bundesnachrichtendienst übermittelt Informationen einschließlich personenbezogener Daten an die Staatsanwaltschaften, die Polizeien und den Militärischen Abschirmdienst entsprechend SS 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS 10 Verfahrensregeln für die Übermittlung von Informationen Für die Übermittlung von Informationen nach SSSS 8 und 9 sind die SSSS 23 bis 26 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechend anzuwenden. SS 11 Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes finden SS 3 Abs. 2 und 8 Satz 1, SS 4 Abs. 2 und 3, SSSS 4b und 4c sowie SSSS 10 und 13 bis 20 des Bundesdatenschutzgesetzes keine Anwendung. SS 12 Berichtspflicht Der Bundesnachrichtendienst unterrichtet den Chef des Bundeskanzleramtes über seine Tätigkeit. Über die Erkenntnisse aus seiner Tätigkeit unterrichtet er darüber hinaus auch unmittelbar die Bundesminister im Rahmen ihrer Zuständigkeiten; hierbei ist auch die Übermittlung personenbezogener Daten zulässig. Gesetzestexte 343 Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG) vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453) geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes und zur Änderung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 27. Mai 1992 (BGBl. I S. 997) geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 17. Juni 1999 (BGBl. I S. 1334) geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnisses vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1260) SS1 (1) Die Bundesregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium. (2) Die Rechte des Deutschen Bundestages, seiner Ausschüsse und der Kommission nach dem Artikel 10-Gesetz bleiben unberührt. SS2 Die Bundesregierung unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit der in SS 1 Abs. 1 genannten Behörden und über die Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Parlamentarischen Kontrollgremiums hat die Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge zu berichten. Bericht 2001 344 Gesetzestexte SS2a Die Bundesregierung hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium im Rahmen der Unterrichtung nach SS 2 auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien der Dienste zu geben, die Anhörung von Mitarbeitern der Dienste zu gestatten und Besuche bei den Diensten zu ermöglichen. SS2b (1) Die Verpflichtung der Bundesregierung nach den SSSS 2 und 2a erstreckt sich nur auf Informationen und Gegenstände, die der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste des Bundes unterliegen. (2) Die Bundesregierung kann die Unterrichtung nach den SSSS 2 und 2a nur verweigern, wenn dies aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzuganges oder aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Dritter notwendig ist oder wenn der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung betroffen ist. Lehnt die Bundesregierung eine Unterrichtung ab, so hat der für den betroffenen Nachrichtendienst zuständige Bundesminister (SS 2 Abs. 1 Satz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, SS 1 Abs. 1 Satz 1 des MAD-Gesetzes) und, soweit der Bundesnachrichtendienst betroffen ist, der Chef des Bundeskanzleramtes (SS 1 Abs. 1 Satz 1 des BND-Gesetzes) dies dem Parlamentarischen Kontrollgremium auf dessen Wunsch zu begründen. SS2c Das Parlamentarische Kontrollgremium kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder nach Anhörung der Bundesregierung im Einzelfall einen Sachverständigen beauftragen, zur Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben Untersuchungen durchzuführen. Der Sachverständige hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium über das Ergebnis seiner Untersuchungen zu berichten; SS 5 Abs. 1 gilt entsprechend. SS2d Angehörigen der Nachrichtendienste ist es gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten, jedoch nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, mit Eingaben an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden, soweit die Leitung der Dienste entsprechenden Eingaben nicht gefolgt ist. An den Deutschen Bundestag gerichtete Eingaben von Bürgern über ein sie Gesetzestexte 345 betreffendes Verhalten der in SS 1 Abs. 1 genannten Behörden können dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kenntnis gegeben werden. SS2e (1) Der Vorsitzende, sein Stellvertreter und ein beauftragtes Mitglied können an den Sitzungen des Vertrauensgremiums nach SS 10a der Bundeshaushaltsordnung mitberatend teilnehmen. In gleicher Weise haben der Vorsitzende des Vertrauensgremiums nach SS 10a der Bundeshaushaltsordnung, sein Stellvertreter und ein beauftragtes Mitglied die Möglichkeit, mitberatend an den Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums teilzunehmen. (2) Die Entwürfe der jährlichen Wirtschaftspläne der Dienste werden dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Mitberatung überwiesen. Die Bundesregierung unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium über den Vollzug der Wirtschaftspläne im Haushaltsjahr. Bei den Beratungen der Wirtschaftspläne der Dienste und deren Vollzug können die Mitglieder wechselseitig mitberatend an den Sitzungen beider Gremien teilnehmen. SS3 Die politische Verantwortung der Bundesregierung für die in SS 1 genannten Behörden bleibt unberührt. SS4 (1) Der Deutsche Bundestag wählt zu Beginn jeder Wahlperiode die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums aus seiner Mitte. (2) Er bestimmt die Zahl der Mitglieder, die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Parlamentarischen Kontrollgremiums. (3) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf sich vereint. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Deutschen Bundestag oder seiner Fraktion aus oder wird ein Mitglied zum Bundesminister oder Parlamentarischen Staatssekretär ernannt, so verliert es seine Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium; SS 5 Abs. 4 bleibt unberührt. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium ausscheidet. Bericht 2001 346 Gesetzestexte SS5 (1) Die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind geheim. Die Mitglieder des Gremiums und die an den Sitzungen teilnehmenden Mitglieder des Vertrauensgremiums nach SS 10a der Bundeshaushaltsordnung sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus beiden Gremien. Das gleiche gilt für Angelegenheiten, die den Mitgliedern des Gremiums anlässlich der Teilnahme an Sitzungen des Vertrauensgremiums nach SS10a der Bundeshaushaltsordnung bekannt geworden sind. Satz 1 gilt nicht für die Bewertung aktueller Vorgänge, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ihre vorherige Zustimmung erteilt. (2) Das Parlamentarische Kontrollgremium tritt mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. Es gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Jedes Mitglied kann die Einberufung und die Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums verlangen. (4) Das Parlamentarische Kontrollgremium übt seine Tätigkeit auch über das Ende einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages so lange aus, bis der nachfolgende Deutsche Bundestag gemäß SS 4 entschieden hat. SS6 Das Parlamentarische Kontrollgremium erstattet dem Deutschen Bundestag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode einen Bericht über seine bisherige Kontrolltätigkeit. Dabei sind die Grundsätze des SS 5 Abs. 1 zu beachten. SS 14 Abs. 1 Satz 2 des Artikel 10-Gesetzes bleibt unberührt. Gesetzestexte 347 Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) geändert durch Art. 3 SS 5 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266, 271) Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18. Mai 2001 (BGBl. I S. 904, 921) Art. 5 der Siebenten Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785) Art. 5 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361, 365) - in Kraft getreten am 1. Januar 2002 gem. Art. 22 Abs. 1 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes - gemäß Art. 22 Abs. 2 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes gültig bis zum 10. Januar 2007 Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften SS1 Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes (1) Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Überprüfung einer Person, die von der zuständigen Stelle mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (Sicherheitsüberprüfung) oder bereits betraut worden ist (Wiederholungsüberprüfung). Bericht 2001 348 Gesetzestexte (2) Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt aus, wer 1. Zugang zu Verschlußsachen hat oder ihn sich verschaffen kann, die STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VS - VERTRAULICH eingestuft sind, 2. Zugang zu Verschlußsachen überstaatlicher Einrichtungen und Stellen hat oder ihn sich verschaffen kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, nur sicherheitsüberprüfte Personen hierzu zuzulassen, 3. in einer Behörde oder einer sonstigen öffentlichen Stelle des Bundes oder in einem Teil von ihr tätig ist, die auf Grund des Umfanges und der Bedeutung dort anfallender Verschlußsachen von der jeweils zuständigen obersten Bundesbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde zum Sicherheitsbereich erklärt worden ist. (3) Verpflichten sich Stellen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Stellen anderer Staaten durch Übereinkünfte, bei Personen, die Zugang zu Verschlußsachen ausländischer Staaten haben oder sich verschaffen können, zuvor Sicherheitsüberprüfungen nach deutschem Recht durchzuführen, ist in diesen Übereinkünften festzulegen, welche Verschlußsachengrade des Vertragspartners Verschlußsachengraden nach diesem Gesetz vergleichbar sind. Derartige Festlegungen müssen sich im Rahmen der Bewertungen dieses Gesetzes halten und insbesondere den Maßstäben des SS 4 entsprechen. (4) Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt auch aus, wer an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung oder wer innerhalb einer besonders sicherheitsempfindlichen Stelle des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung ("Militärischer Sicherheitsbereich") beschäftigt ist oder werden soll (vorbeugender personeller Sabotageschutz). (5) Lebenswichtig sind solche Einrichtungen, 1. deren Beeinträchtigung auf Grund der ihnen anhaftenden betrieblichen Eigengefahr die Gesundheit oder das Leben großer Teile der Bevölkerung erheblich gefährden kann oder 2. die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind und deren Beeinträchtigung erhebliche Unruhe in großen Teilen Gesetzestexte 349 der Bevölkerung und somit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen lassen würde. Verteidigungswichtig sind außerhalb des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung solche Einrichtungen, die der Herstellung oder Erhaltung der Verteidigungsbereitschaft dienen und deren Beeinträchtigung auf Grund 1. fehlender kurzfristiger Ersetzbarkeit die Funktionsfähigkeit, insbesondere die Ausrüstung, Führung und Unterstützung der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie der Zivilen Verteidigung, oder 2. der ihnen anhaftenden betrieblichen Eigengefahr die Gesundheit oder das Leben großer Teile der Bevölkerung erheblich gefährden kann. Sicherheitsempfindliche Stelle ist die kleinste selbstständig handelnde Organisationseinheit innerhalb einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung, die vor unberechtigtem Zugang geschützt ist und von der im Falle der Beeinträchtigung eine erhebliche Gefahr für die in den Sätzen 1 und 2 genannten Schutzgüter ausgeht. SS2 Betroffener Personenkreis (1) Eine Person, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (Betroffener), ist vorher einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Die Sicherheitsüberprüfung bedarf der Zustimmung des Betroffenen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit darf erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres übertragen werden. Auf eine Sicherheitsüberprüfung nach diesem Gesetz kann verzichtet werden, wenn für den Betroffenen bereits eine gleichoder höherwertige Sicherheitsüberprüfung durchgeführt worden ist. (2) Der volljährige Ehegatte, der Lebenspartner oder der volljährige Partner, mit dem der Betroffene in einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft lebt (Lebensgefährte), soll in die Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9 und 10 einbezogen werden. Über Ausnahmen entscheidet die zuständige Stelle. Im Falle der Einbeziehung ist die Zustimmung des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten erforderlich. Geht der Betroffene die Ehe während oder erst nach erfolgter Sicherheitsüberprüfung ein oder begründet er die Lebenspartnerschaft oder die auf Dauer angelegte Gemeinschaft in dem entsprechenden Zeitraum, so ist die zuständige Stelle Bericht 2001 350 Gesetzestexte zu unterrichten, um sie in die Lage zu versetzen, die Einbeziehung des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten in die Sicherheitsüberprüfung nachzuholen. Das gleiche gilt bei später eintretender Volljährigkeit des Ehegatten oder Lebensgefährten. (3) Dieses Gesetz gilt nicht für 1. die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes, 2. Richter, soweit sie Aufgaben der Rechtsprechung wahrnehmen, 3. ausländische Staatsangehörige, die in der Bundesrepublik Deutschland im Interesse zwischenstaatlicher Einrichtungen und Stellen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach SS 1 Abs. 2 Nr. 2 ausüben sollen. SS3 Zuständigkeit (1) Zuständig für die Sicherheitsüberprüfung ist 1. die Behörde oder sonstige öffentliche Stelle des Bundes, die einer Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zuweisen, übertragen oder sie dazu ermächtigen will, 2. bei deutschen Staatsangehörigen aus Anlaß ihrer Tätigkeit im sicherheitsempfindlichen Bereich bei der NATO oder anderen zwischenstaatlichen Einrichtungen und Stellen das Bundesministerium des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde, soweit nichts anderes bestimmt ist, 3. bei politischen Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes sowie deren Stiftungen die Parteien selbst, 4. im übrigen die Behörde oder sonstige öffentliche Stelle des Bundes, die eine Verschlußsache an eine nicht-öffentliche Stelle weitergeben will, 5. die Behörde oder sonstige öffentliche Stelle des Bundes, die auf Grund einer Rechtsverordnung gemäß SS 34 Aufgaben nach SS 1 Abs. 4 wahrnimmt und eine Person mit einer derartigen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betrauen will. In den Fällen der Nummern 1 und 4 kann bei nachgeordneten Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes deren oberste Bundesbehörde Aufgaben der zuständigen Stelle übernehmen. Gesetzestexte 351 Die Aufgaben der zuständigen Stelle nach diesem Gesetz sind von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit wahrzunehmen. (2) Mitwirkende Behörde bei der Sicherheitsüberprüfung ist das Bundesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes und im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung der Militärische Abschirmdienst nach SS 1 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a und b des MAD-Gesetzes, soweit nicht in Rechtsvorschriften zwischenstaatlicher Einrichtungen oder in völkerrechtlichen Verträgen, denen die gesetzgebenden Körperschaften gemäß Artikel 59 Abs. 2 des Grundgesetzes zugestimmt haben, etwas anderes bestimmt ist. (3) Der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst führen Sicherheitsüberprüfungen bei Bewerbern und Mitarbeitern des eigenen Dienstes allein durch. Sie wenden hierbei die Vorschriften dieses Gesetzes an. Gleiches gilt, wenn der Bundesnachrichtendienst oder der Militärische Abschirmdienst eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach Absatz 1 Nr. 1 und 4 zuweisen, übertragen oder dazu ermächtigen will. SS4 Verschlußsachen (1) Verschlußsachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. Sie werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung eingestuft. (2) Eine Verschlußsache ist 1. STRENG GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann, 2. GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann, 3. VS - VERTRAULICH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann, Bericht 2001 352 Gesetzestexte 4. VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. SS5 Sicherheitsrisiken, sicherheitserhebliche Erkenntnisse (1) Im Sinne dieses Gesetzes liegt ein Sicherheitsrisiko vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen oder 2. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsund Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpreßbarkeit, begründen oder 3. Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Ein Sicherheitsrisiko kann auch auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Person des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten vorliegen. (2) Eine Erkenntnis ist sicherheitserheblich, wenn sich aus ihr ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt. SS6 Rechte des Betroffenen (1) Vor Ablehnung der Zulassung zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Der Betroffene kann zur Anhörung mit einem Rechtsanwalt erscheinen. Die Anhörung erfolgt in einer Weise, die den Quellenschutz gewährleistet und den schutzwürdigen Interessen von Personen, die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung befragt wurden, Rechnung trägt. Sie unterbleibt, wenn sie einen erheblichen Nachteil für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zur Folge hätte, insbesondere bei Sicherheitsüberprüfungen der Bewerber bei den Nachrichtendiensten des Bundes. (2) Liegen in der Person des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten Anhaltspunkte vor, die ein Sicherheitsrisiko begrün- Gesetzestexte 353 den, ist ihm Gelegenheit zu geben, sich vor der Ablehnung der Zulassung des Betroffenen zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. (3) Die Absätze 1 und 2 sind auch im Falle der Ablehnung einer Weiterbeschäftigung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit anzuwenden. Zweiter Abschnitt. Überprüfungsarten und Durchführungsmaßnahmen SS7 Arten der Sicherheitsüberprüfung (1) Entsprechend der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit wird entweder eine 1. einfache Sicherheitsüberprüfung oder 2. erweiterte Sicherheitsüberprüfung oder 3. erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen durchgeführt. (2) Ergeben sich bei der Sicherheitsüberprüfung sicherheitserhebliche Erkenntnisse, die nur durch Maßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung geklärt werden können, kann die zuständige Stelle mit Zustimmung des Betroffenen und der einbezogenen Person die nächsthöhere Art der Sicherheitsüberprüfung anordnen. SS 12 Abs. 5 bleibt unberührt. SS8 Einfache Sicherheitsüberprüfung (1) Die einfache Sicherheitsüberprüfung ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu VS - VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Tätigkeiten in Bereichen nach SS 1 Abs. 2 Nr. 3 wahrnehmen sollen, 3. Tätigkeiten in Bereichen nach SS 1 Abs. 4 wahrnehmen sollen. Bericht 2001 354 Gesetzestexte (2) In den Fällen von Absatz 1 Nr. 2 kann die zuständige Stelle von der Sicherheitsüberprüfung absehen, wenn Art oder Dauer der Tätigkeit dies zulassen. SS9 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Zugang zu einer hohen Anzahl VS - VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 8 für ausreichend hält. SS 10 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen ist für Personen durchzuführen, 1. die Zugang zu STRENG GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. die Zugang zu einer hohen Anzahl GEHElM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 3. die bei einem Nachrichtendienst des Bundes oder einer Behörde oder sonstigen öffentlichen Stelle des Bundes tätig werden sollen, die nach Feststellung der Bundesregierung gemäß SS 34 Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wahrnimmt, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 8 oder SS 9 für ausreichend hält. SS 11 Datenerhebung (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde dürfen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlichen Gesetzestexte 355 Daten erheben. Der Betroffene sowie die sonstigen zu befragenden Personen und nicht-öffentlichen Stellen sind auf den Zweck der Erhebung, die Auskunftspflichten nach diesem Gesetz und auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht, ansonsten auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 3 Abs. 3 Satz 1 genannten Personen kann die Angabe der erhebenden Stelle gegenüber den sonstigen zu befragenden Personen oder nicht-öffentlichen Stellen unterbleiben, wenn dies zum Schutz des Betroffenen oder des Nachrichtendienstes erforderlich ist. (2) Die zuständige Stelle erhebt die personenbezogenen Daten beim Betroffenen oder bei dem in die Sicherheitsüberprüfung einbezogenen Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährte. Reicht diese Erhebung nicht aus oder stehen ihr schutzwürdige Interessen des Betroffenen oder seines Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten entgegen, können andere geeignete Personen oder Stellen befragt werden. SS 12 Maßnahmen bei den einzelnen Überprüfungsarten (1) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 8 trifft die mitwirkende Behörde folgende Maßnahmen: 1. Sicherheitsmäßige Bewertung der Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, 2. Einholung einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister, 3. Anfragen an das Bundeskriminalamt, die Grenzschutzdirektion und die Nachrichtendienste des Bundes. (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 9 trifft die mitwirkende Behörde zusätzlich zu Absatz 1 folgende Maßnahmen: 1. Anfragen an die Polizeidienststellen der innegehabten Wohnsitze des Betroffenen, in der Regel beschränkt auf die letzten fünf Jahre, 2. Prüfung der Identität des Betroffenen. Wird der Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte des Betroffenen in die Sicherheitsüberprüfung gemäß SS 2 Abs. 2 einbeBericht 2001 356 Gesetzestexte zogen, trifft die mitwirkende Behörde bezüglich der einzubeziehenden Person die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen. (3) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 befragt die mitwirkende Behörde zusätzlich von dem Betroffenen in seiner Sicherheitserklärung angegebene Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen, um zu prüfen, ob die Angaben des Betroffenen zutreffen und ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein Sicherheitsrisiko schließen lassen. (4) Die zuständige Stelle fragt zur Feststellung einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit des Betroffenen oder der einbezogenen Person für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik an, wenn der Betroffene oder die einbezogene Person vor dem 1. Januar 1970 geboren wurde und in dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wohnhaft war oder Anhaltspunkte für eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorliegen. Ergibt die Anfrage sicherheitserhebliche Erkenntnisse, übermittelt sie die zuständige Stelle zur Bewertung an die mitwirkende Behörde. (5) Soweit es eine sicherheitserhebliche Erkenntnis erfordert und die Befragung des Betroffenen oder seines Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten nicht ausreicht oder ihr schutzwürdige Interessen entgegenstehen, kann die mitwirkende Behörde neben den Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 weitere geeignete Auskunftspersonen oder andere geeignete Stellen, insbesondere Staatsanwaltschaften oder Gerichte, befragen oder Einzelmaßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung durchführen. Dritter Abschnitt Verfahren SS 13 Sicherheitserklärung (1) In der Sicherheitserklärung sind vom Betroffenen anzugeben: 1. Namen, auch frühere, Vornamen, 2. Geburtsdatum, -ort, Gesetzestexte 357 3. Staatsangehörigkeit, auch frühere und doppelte Staatsangehörigkeiten, 4. Familienstand, 5. Wohnsitze und Aufenthalte von längerer Dauer als zwei Monate, und zwar im Inland in den vergangenen fünf Jahren, im Ausland ab dem 18. Lebensjahr, 6. ausgeübter Beruf, 7. Arbeitgeber und dessen Anschrift, 8. Anzahl der Kinder, 9. im Haushalt lebende Personen über 18 Jahre (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort und Verhältnis zu dieser Person), 10. Eltern, Stiefoder Pflegeeltern (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz), 11. Ausbildungsund Beschäftigungszeiten, Wehroder Zivildienstzeiten mit Angabe der Ausbildungsstätten, Beschäftigungsstellen sowie deren Anschriften, 12. Nummer des Personalausweises oder Reisepasses, 13. Angaben über in den vergangenen fünf Jahren durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, und ob zur Zeit die finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden können, 14. Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die auf einen Anbahnungsund Werbungsversuch hindeuten können, 15. Beziehungen zu verfassungsfeindlichen Organisationen, 16. anhängige Strafund Disziplinarverfahren, 17. Angaben zu Wohnsitzen, Aufenthalten, Reisen, nahen Angehörigen und sonstigen Beziehungen in und zu Staaten, in denen nach Feststellung des Bundesministeriums des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befaßten Personen zu besorgen sind, Bericht 2001 358 Gesetzestexte 18. zwei Auskunftspersonen zur Identitätsprüfung des Betroffenen nur bei der Sicherheitsüberprüfung nach SSSS 9 und 10 (Namen, Vornamen, Anschrift und Verhältnis zur Person), 19. drei Referenzpersonen (Namen, Vornamen, Beruf, berufliche und private Anschrift und Rufnummern sowie zeitlicher Beginn der Bekanntschaft) nur bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 10, 20. Angaben zu früheren Sicherheitsüberprüfungen. Der Erklärung sind zwei aktuelle Lichtbilder mit der Angabe des Jahres der Aufnahme beizufügen. (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 8 entfallen die Angaben zu Absatz 1 Nr. 8, 11 und 12 und die Pflicht, Lichtbilder beizubringen; Absatz 1 Nr. 10 entfällt, soweit die dort genannten Personen nicht in einem Haushalt mit dem Betroffenen leben. Zur Person des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährte sind mit deren Einverständnis die in Absatz 1 Nr. 1 bis 4, 14 und 15 genannten Daten anzugeben. Ergeben sich aus der Sicherheitserklärung oder auf Grund der Abfrage aus einer der in SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes genannten Verbunddateien sicherheitserhebliche Erkenntnisse über den Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährte des Betroffenen, sind weitere Überprüfungsmaßnahmen nur zulässig, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte mit seiner Zustimmung in die erweiterte Sicherheitsüberprüfung einbezogen wird. (3) Wird der Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, so sind zusätzlich die in Absatz 1 Nr. 5 bis 7, 12, 13, 16, 17 und 18 genannten Daten anzugeben. (4) Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 3 Abs. 3 genannten Personen sind zusätzlich die Wohnsitze seit der Geburt, die Geschwister und abgeschlossene Strafund Disziplinarverfahren sowie alle Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik anzugeben. (5) Der Betroffene kann Angaben verweigern, die für ihn, einen nahen Angehörigen im Sinne von SS 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung, Lebenspartner oder Lebensgefährte die Gefahr strafrechtlicher oder disziplinarischer Verfolgung, der Entlassung oder Kündigung begründen könnten. Über das Verweigerungsrecht ist der Betroffene zu belehren. (6) Die Sicherheitserklärung ist vom Betroffenen der zuständigen Stelle zuzuleiten. Sie prüft die Angaben des Betroffenen auf ihre Voll- Gesetzestexte 359 ständigkeit und Richtigkeit. Zu diesem Zweck können die Personalakten eingesehen werden. Die zuständige Stelle leitet die Sicherheitserklärung an die mitwirkende Behörde weiter und beauftragt diese, eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen, es sei denn, die zuständige Stelle hat bereits bei der Prüfung der Sicherheitserklärung festgestellt, daß ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Die mitwirkende Behörde kann mit Zustimmung der zuständigen Stelle und des Betroffenen in die Personalakte Einsicht nehmen, wenn dies zur Klärung oder Beurteilung sicherheitserheblicher Erkenntnisse unerläßlich ist. SS 14 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung (1) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, daß kein Sicherheitsrisiko nach SS 5 Abs. 1 vorliegt, so teilt sie dies der zuständigen Stelle mit. Fallen Erkenntnisse an, die kein Sicherheitsrisiko begründen, aber weiterhin sicherheitserheblich sind, so werden diese mitgeteilt. (2) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, daß ein Sicherheitsrisiko vorliegt, unterrichtet sie schriftlich unter Darlegung der Gründe und ihrer Bewertung die zuständige Stelle. Bei nachgeordneten Stellen erfolgt die Unterrichtung über deren oberste Bundesbehörde. (3) Die zuständige Stelle entscheidet, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit des Betroffenen entgegensteht. Im Zweifel hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen. SS 6 Abs. 1 und 2 ist zu beachten. (4) Lehnt die zuständige Stelle die Betrauung mit der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ab, teilt sie dies dem Betroffenen mit. SS 15 Vorläufige Zuweisung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit Die zuständige Stelle kann in Ausnahmefällen abweichend von SS 2 Abs. 1 die sicherheitsempfindliche Tätigkeit des Betroffenen vor Abschluß der Sicherheitsüberprüfung erlauben, wenn die mitwirkende Behörde 1. bei der einfachen Sicherheitsüberprüfung die Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der eigenen Erkenntnisse bewertet hat oder Bericht 2001 360 Gesetzestexte 2. bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung und bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen die Maßnahmen der nächstniederen Art der Sicherheitsüberprüfung abgeschlossen hat und sich daraus keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben haben. SS 16 Sicherheitserhebliche Erkenntnisse nach Abschluß der Sicherheitsüberprüfung (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben sich unverzüglich gegenseitig zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über den Betroffenen oder den in die Sicherheitsüberprüfung einbezogenen Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährte bekanntwerden oder sich mitgeteilte Erkenntnisse als unrichtig erweisen. (2) Die mitwirkende Behörde prüft die sicherheitserheblichen Erkenntnisse und stellt fest, ob ein Sicherheitsrisiko nach SS 5 Abs. 1 vorliegt und unterrichtet die zuständige Stelle über das Ergebnis der Prüfung. Im übrigen ist SS 14 Abs. 3 und 4 entsprechend anzuwenden. SS 17 Ergänzung der Sicherheitserklärung und Wiederholungsüberprüfung (1) Die Sicherheitserklärung ist dem Betroffenen, der eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, in der Regel alle fünf Jahre erneut zuzuleiten und im Falle eingetretener Veränderungen vom Betroffenen zu ergänzen. (2) Bei sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten nach SS 10 ist in der Regel im Abstand von zehn Jahren eine Wiederholungsüberprüfung einzuleiten. Im übrigen kann die zuständige Stelle eine Wiederholungsüberprüfung einleiten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse dies nahelegen. Das Verfahren bei der Wiederholungsüberprüfung entspricht dem der Erstüberprüfung; die mitwirkende Behörde kann von einer erneuten Identitätsprüfung absehen. Die Wiederholungsüberprüfung erfolgt nur mit Zustimmung des Betroffenen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, und mit der Zustimmung seines Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten, falls er einbezogen wird. Gesetzestexte 361 Vierter Abschnitt. Akten über die Sicherheitsüberprüfung; Datenverarbeitung SS 18 Sicherheitsakte und Sicherheitsüberprüfungsakte (1) Die zuständige Stelle führt über den Betroffenen eine Sicherheitsakte, in die alle die Sicherheitsüberprüfung betreffenden Informationen aufzunehmen sind. (2) Informationen über die persönlichen, dienstlichen und arbeitsrechtlichen Verhältnisse der Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit befaßt sind, sind zur Sicherheitsakte zu nehmen, soweit sie für die sicherheitsmäßige Beurteilung erheblich sind. Dazu zählen insbesondere: 1. Zuweisung, Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, die dazu erteilte Ermächtigung sowie deren Änderungen und Beendigung, 2. Umsetzung, Abordnung, Versetzung und Ausscheiden, 3. Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit, 4. Anhaltspunkte für Überschuldung, insbesondere Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse, 5. Strafund Disziplinarsachen sowie dienstund arbeitsrechtliche Maßnahmen. (3) Die Sicherheitsakte ist keine Personalakte. Sie ist gesondert zu führen und darf weder der personalverwaltenden Stelle noch dem Betroffenen zugänglich gemacht werden; SS 23 Abs. 6 bleibt unberührt. Im Falle des Wechsels der Dienststelle oder des Dienstherrn ist die Sicherheitsakte nach dorthin abzugeben, wenn auch dort eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt werden soll. (4) Die mitwirkende Behörde führt über den Betroffenen eine Sicherheitsüberprüfungsakte, in die aufzunehmen sind: 1. Informationen, die die Sicherheitsüberprüfung, die durchgeführten Maßnahmen und das Ergebnis betreffen, Bericht 2001 362 Gesetzestexte 2. das Ausscheiden aus oder die Nichtaufnahme der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, 3. Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit. Die in Absatz 2 Nr. 4 und 5 genannten Daten sind zur Sicherheitsüberprüfungsakte zu nehmen, wenn sie sicherheitserheblich sind. (5) Die zuständige Stelle ist verpflichtet, die in Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 genannten Daten unverzüglich der mitwirkenden Behörde zu übermitteln. Die Übermittlung der in Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 genannten Daten erfolgt nach den in SS 22 Abs. 2 Nr. 1 festgelegten Fristen. SS 19 Aufbewahrung und Vernichtung der Unterlagen (1) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung sind gesondert aufzubewahren und gegen unbefugten Zugriff zu schützen. (2) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung sind bei der zuständigen Stelle innerhalb eines Jahres zu vernichten, wenn der Betroffene keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt, es sei denn, der Betroffene willigt in die weitere Aufbewahrung ein. Im übrigen sind die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung bei der zuständigen Stelle fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu vernichten, es sei denn, der Betroffene willigt in die weitere Aufbewahrung ein oder es ist beabsichtigt, dem Betroffenen in absehbarer Zeit erneut eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zuzuweisen, zu übertragen oder ihn dazu zu ermächtigen. (3) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung bei der mitwirkenden Behörde sind nach den in SS 22 Abs. 2 Nr. 2 genannten Fristen zu vernichten. Gleiches gilt bezüglich der Unterlagen zu den in SS 3 Abs. 3 genannten Personen. SS 20 Speichern, Verändern und Nutzen personenbezogener Daten in Dateien (1) Die zuständige Stelle darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz die in SS 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 genannten personenbezogenen Daten, ihre Aktenfundstelle und die der mitwirkenden Gesetzestexte 363 Behörde sowie die Beschäftigungsstelle, Verfügungen zur Bearbeitung des Vorganges und beteiligte Behörden in Dateien speichern, verändern und nutzen. (2) Die mitwirkende Behörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben 1. die in SS 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 genannten personenbezogenen Daten des Betroffenen und des in die Sicherheitsüberprüfung einbezogenen Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten und die Aktenfundstelle, 2. Verfügungen zur Bearbeitung des Vorgangs sowie 3. sicherheitserhebliche Erkenntnisse und Erkenntnisse, die ein Sicherheitsrisiko begründen, in Dateien speichern, verändern und nutzen. Die Daten nach Nummer 1 dürfen auch in die nach SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässigen Verbunddateien gespeichert werden. SS 21 Übermittlung und Zweckbindung (1) Die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen von der zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde nur für 1. die mit der Sicherheitsüberprüfung verfolgten Zwecke, 2. Zwecke der Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, 3. Zwecke parlamentarischer Untersuchungsausschüsse genutzt und übermittelt werden. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen die ihnen nach Satz 1 Nr. 2 übermittelten Daten für Zwecke eines Strafverfahrens nur verwenden, wenn die Strafverfolgung auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Die zuständige Stelle darf die gespeicherten personenbezogenen Daten darüber hinaus für Zwecke der disziplinarrechtlichen Verfolgung sowie dienstoder arbeitsrechtlicher Maßnahmen nutzen und übermitteln, wenn dies zur Gewährleistung des Verschlußsachenschutzes erforderlich ist. Die mitwirkende Behörde darf die gespeicherten personenbezogenen Daten darüber hinaus im Rahmen des erforderlichen Umfangs nutzen und übermitteln zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Bericht 2001 364 Gesetzestexte Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten oder zur Aufklärung sonstiger Bestrebungen von erheblicher Bedeutung. (2) Die Übermittlung der nach SS 20 in Dateien gespeicherten Daten ist nur zulässig, soweit sie für die Erfüllung der in Absatz 1 genannten Zwecke erforderlich ist. Die nach SS 20 Abs. 2 Nr. 1 gespeicherten Daten dürfen zur Erfüllung aller Zwecke des Verfassungsschutzes genutzt und übermittelt werden. (3) Die mitwirkende Behörde darf personenbezogene Daten nach den Absätzen 1 und 2 nur an öffentliche Stellen übermitteln. (4) Die Nutzung oder Übermittlung unterbleibt, soweit gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. (5) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verarbeiten und nutzen, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden, und zum Zweck der Strafverfolgung gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 2. Eine nicht-öffentliche Stelle ist darauf hinzuweisen. SS 22 Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Wird festgestellt, daß personenbezogene Daten unrichtig sind oder wird ihre Richtigkeit vom Betroffenen bestritten, so ist dies, soweit sich die personenbezogenen Daten in Akten befinden, dort zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) In Dateien gespeicherte personenbezogene Daten sind zu löschen 1. von der zuständigen Stelle a) innerhalb eines Jahres, wenn der Betroffene keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt, es sei denn, der Betroffene willigt in die weitere Speicherung ein, b) nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Betroffenen aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, es sei denn, der Betroffene willigt in die weitere Speicherung ein oder es ist beabsichtigt, dem Betroffenen in absehbarer Zeit eine sicherheitsemp- Gesetzestexte 365 findliche Tätigkeit zuzuweisen, zu übertragen oder ihn dazu zu ermächtigen, 2. von der mitwirkenden Behörde a) bei einfachen Sicherheitsüberprüfungen nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Betroffenen aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, b) bei den übrigen Überprüfungsarten nach Ablauf von zehn Jahren, beim Bundesnachrichtendienst nach Ablauf von 25 Jahren nach den in Nummer 1 genannten Fristen, c) die nach SS 20 Abs. 2 Nr. 3 gespeicherten Daten, wenn feststeht, daß der Betroffene keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt oder aus ihr ausgeschieden ist. Im übrigen sind in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. (3) Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen verarbeitet und genutzt werden. SS 23 Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten (1) Auf Antrag ist von der zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde unentgeltlich Auskunft zu erteilen, welche Daten über die anfragende Person im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeichert wurden. (2) Bezieht sich die Auskunftserteilung auf die Übermittlung personenbezogener Daten an die mitwirkenden Behörden, ist sie nur mit deren Zustimmung zulässig. (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde, 2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder Bericht 2001 366 Gesetzestexte 3. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Anfragenden an der Auskunftserteilung zurücktreten muß. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf einer Begründung nicht, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall sind die Gründe der Auskunftsverweigerung aktenkundig zu machen. Die anfragende Person ist auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß sie sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. (5) Wird dem Anfragenden keine Auskunft erteilt, so ist sie auf sein Verlangen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu erteilen, soweit nicht die jeweils zuständige oberste Bundesbehörde im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Die Mitteilung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der speichernden Stelle zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. (6) Die zuständige Stelle gewährt der anfragenden Person Einsicht in die Sicherheitsakte, soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen nicht ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist. Die Regelungen der Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend. (7) Die Auskunft ist unentgeltlich. Fünfter Abschnitt Sonderregelungen bei Sicherheitsüberprüfungen für nicht-öffentliche Stellen SS 24 Anwendungsbereich Bei Sicherheitsüberprüfungen von Betroffenen, die von der zuständigen Stelle zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach SS 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 bei einer nicht-öffentlichen Stelle ermächtigt oder mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach SS 1 Abs. 4 bei Gesetzestexte 367 einer nicht-öffentlichen Stelle betraut werden sollen, gelten folgende Sonderregelungen. SS 25 Zuständigkeit (1) Zuständige Stelle für sicherheitsempfindliche Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, soweit nicht im Einvernehmen mit ihm eine andere oberste Bundesbehörde die Aufgabe als zuständige Stelle wahrnimmt. (2) Zuständige Stelle für sicherheitsempfindliche Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 4 ist dasjenige Bundesministerium, dessen Zuständigkeit für die nicht-öffentliche Stelle in einer Rechtsverordnung nach SS 34 festgelegt ist. Das zuständige Bundesministerium kann seine Befugnis auf eine von ihm bestimmte sonstige öffentliche Stelle des Bundes übertragen. (3) Die Aufgaben der nicht-öffentlichen Stelle nach diesem Gesetz sind grundsätzlich von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit wahrzunehmen. Die zuständige Stelle kann Ausnahmen zulassen, wenn die nicht-öffentliche Stelle sich verpflichtet, Informationen, die ihr im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung bekanntwerden, nur für solche Zwecke zu gebrauchen, die mit der Sicherheitsüberprüfung verfolgt werden. SS 26 Sicherheitserklärung Abweichend von SS 13 Abs. 6 leitet der Betroffene seine Sicherheitserklärung der nicht-öffentlichen Stelle zu, in der er beschäftigt ist. Im Falle der Einbeziehung des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten nach SS 2 Abs. 2 fügt er dessen Zustimmung bei. Die nichtöffentliche Stelle prüft die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben und darf, soweit dies erforderlich ist, die Personalunterlagen beiziehen. Sie gibt die Sicherheitserklärung an die zuständige Stelle weiter und teilt dieser vorhandene sicherheitserhebliche Erkenntnisse mit. SS 27 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung, Weitergabe sicherheitserheblicher Erkenntnisse Die zuständige Stelle unterrichtet die nicht-öffentliche Stelle nur darüber, daß der Betroffene zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ermächtigt oder nicht ermächtigt wird. Erkenntnisse, die die AblehBericht 2001 368 Gesetzestexte nung der Ermächtigung zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betreffen, dürfen nicht mitgeteilt werden. Zur Gewährleistung des Verschlußsachenschutzes können sicherheitserhebliche Erkenntnisse an die nicht-öffentliche Stelle übermittelt werden und dürfen von ihr ausschließlich zu diesem Zweck genutzt werden. Die nicht-öffentliche Stelle hat die zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über den Betroffenen oder den in die Sicherheitsüberprüfung einbezogenen Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährte bekanntwerden. SS 28 Aktualisierung der Sicherheitserklärung (1) Die nicht-öffentliche Stelle leitet dem Betroffenen, der eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, auf Anforderung der zuständigen Stelle die Sicherheitserklärung in der Regel alle fünf Jahre erneut zu. (2) Der Betroffene hat die in der Sicherheitserklärung angegebenen Daten im Falle eingetretener Veränderungen zu ergänzen. Die zuständige Stelle beauftragt die mitwirkende Behörde, die Maßnahmen nach SS12 Abs. 1 Nr. 2 und 3 erneut durchzuführen und zu bewerten. SS 29 Übermittlung von Informationen über persönliche und arbeitsrechtliche Verhältnisse Die nicht-öffentliche Stelle hat der zuständigen Stelle das Ausscheiden aus sicherheitsempfindlicher Tätigkeit, Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit unverzüglich mitzuteilen. SS 30 Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle Für die Sicherheitsakte in der nicht-öffentlichen Stelle gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über die Sicherheitsakte entsprechend mit der Maßgabe, daß die Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht abgegeben wird. SS 31 Datenverarbeitung, -nutzung und -berichtigung in automatisierten Dateien Die nicht-öffentliche Stelle darf die nach diesem Gesetz zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Gesetzestexte 369 Daten des Betroffenen in automatisierten Dateien speichern, verändern und nutzen. Die für die zuständige Stelle geltenden Vorschriften zur Berichtigung, Löschung und Sperrung finden Anwendung. Sechster Abschnitt. Reisebeschränkungen, Sicherheitsüberprüfungen auf Antrag ausländischer Dienststellen und Schlußvorschriften SS 32 Reisebeschränkungen (1) Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben, die eine Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9 und 10 erfordert, können verpflichtet werden, Dienstund Privatreisen in und durch Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten, der zuständigen Stelle oder der nicht-öffentlichen Stelle rechtzeitig vorher anzuzeigen. Die Verpflichtung kann auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit angeordnet werden. (2) Die Reise kann von der zuständigen Stelle untersagt werden, wenn Anhaltspunkte zur Person oder eine besonders sicherheitsempfindliche Tätigkeit vorliegen, die eine erhebliche Gefährdung durch fremde Nachrichtendienste erwarten lassen. (3) Ergeben sich bei einer Reise in und durch Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten, Anhaltspunkte, die auf einen Anbahnungsund Werbungsversuch fremder Nachrichtendienste hindeuten können, so ist die zuständige Stelle nach Abschluß der Reise unverzüglich zu unterrichten. SS 33 Sicherheitsüberprüfung auf Antrag ausländischer Dienststellen (1) Ersucht eine ausländische Dienststelle die mitwirkenden Behörden um die Mitwirkung bei einer Sicherheitsüberprüfung, so richtet sie sich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit nicht in Rechtsvorschriften zwischenstaatlicher Einrichtungen oder völkerrechtlichen Verträgen, denen die gesetzgebenden Körperschaften gemäß Artikel 59 Abs. 2 des Grundgesetzes zugestimmt haben, etwas anderes bestimmt ist. Bericht 2001 370 Gesetzestexte (2) Die Mitwirkung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Dies gilt auch bei der Übermittlung personenbezogener Daten an die ausländische Dienststelle. (3) Die ausländische Dienststelle ist darauf hinzuweisen, daß die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung übermittelten personenbezogenen Daten nur für Zwecke der Sicherheitsüberprüfung verwendet werden dürfen und die mitwirkende Behörde sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. SS 34 Ermächtigung zur Rechtsverordnung Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzustellen, welche Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes oder nicht-öffentlichen Stellen oder Teile von ihnen lebensoder verteidigungswichtige Einrichtungen mit sicherheitsempfindlichen Stellen im Sinne des SS 1 Abs. 4 sind, welches Bundesministerium für die nicht-öffentliche Stelle zuständig ist und welche Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes Aufgaben im Sinne des SS 10 Satz 1 Nr. 3 wahrnehmen. SS 35 Allgemeine Verwaltungsvorschriften (1) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes erläßt das Bundesministerium des Innern, soweit in den Absätzen 2 bis 4 nichts anderes bestimmt ist. (2) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes im Bereich der Sicherheitsüberprüfung in der Wirtschaft erläßt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. (3) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung erläßt das Bundesministerium der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. (4) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes bei den Nachrichtendiensten des Bundes erläßt die jeweils zuständige oberste Bundesbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. Gesetzestexte 371 SS 36 Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes, Bundesverfassungsschutzgesetzes, MAD-Gesetzes und BND-Gesetzes (1) Die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme von SS 3 Abs. 2 und 8 Satz 1, SS 4 Abs. 2 und 3, SSSS 4b und 4c sowie SS 13 Abs. 1a und des Fünften Abschnitts sowie die SSSS 18 und 39 des Bundesdatenschutzgesetzes, des Ersten Abschnitts und die SSSS 14 und 23 Nr. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes auch in Verbindung mit SS 12 des MAD-Gesetzes und SS 10 des BND-Gesetzes sowie die SSSS 1 und 8 des MAD-Gesetzes und SS 6 des BND-Gesetzes finden Anwendung. (2) Für die Datenschutzkontrolle der von öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen nach diesem Gesetz gespeicherten personenbezogenen Daten gelten die SSSS 21 und 24 bis 26 des Bundesdatenschutzgesetzes. SS 37 Strafvorschriften (1) Wer unbefugt von diesem Gesetz geschützte personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, 1. speichert, verändert oder übermittelt, 2. zum Abruf mittels automatisierten Verfahrens bereithält oder 3. abruft oder sich oder einem anderen aus Dateien verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer 1. die Übermittlung von durch dieses Gesetz geschützten personenbezogenen Daten, die nicht offenkundig sind, durch unrichtige Angaben erschleicht oder 2. entgegen SS 21 Abs. 1 oder SS 27 Satz 3 Daten für andere Zwecke nutzt, indem er sie innerhalb der Stelle an einen anderen weitergibt. (3) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. (4) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Bericht 2001 372 Gesetzestexte SS 38 Änderung von Gesetzen (1) Artikel 1 SS 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 27. Mai 1992 (BGBl. I S. 997) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: Satz 3 wird wie folgt gefaßt: "Sie haben für die Durchführung der vorstehend genannten Anordnungen das erforderliche Personal bereitzuhalten, das gemäß dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) überprüft und zum Zugang zu Verschlußsachen des jeweiligen Geheimhaltungsgrades ermächtigt ist." (2) Das Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970) wird wie folgt geändert: 1. SS 3 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) Satz 2 wird wie folgt gefaßt: "Die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) geregelt." Die Sätze 3 und 4 werden aufgehoben. 2. SS 8 Abs. 4 Satz 2 wird wie folgt gefaßt: "Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen." 3. SS 10 Abs. 2 wird aufgehoben. (3) Das MAD-Gesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2977) wird wie folgt geändert: SS 1 Abs. 3 wird wie folgt geändert: 1. Satz 2 wird wie folgt gefaßt: "Die Befugnisse des Militärischen Abschirmdienstes bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) geregelt." Gesetzestexte 373 2. Die Sätze 3 und 4 werden aufgehoben. (4) SS 24 Abs. 6 Satz 1 Nr. 7 des Wehrpflichtgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juni 1986 (BGBl. I S. 879), das zuletzt durch Artikel 6 Abs. 45 des Gesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) geändert worden ist, wird wie folgt gefaßt: "7. auf Verlangen der zuständigen Wehrersatzbehörde sich im Hinblick auf eine für sie vorgesehene sicherheitsempfindliche Tätigkeit in der Bundeswehr einer erstmaligen Sicherheitsüberprüfung und weiteren Sicherheitsüberprüfungen zu unterziehen. Die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung bestimmt sich nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867). Einer Zustimmung des Wehrpflichtigen bedarf es nicht." (5) SS 2 Abs. 2 Satz 3 des BND-Gesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979) wird wie folgt gefaßt: "Bei Sicherheitsüberprüfungen ist das Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) anzuwenden." SS 39 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Bericht 2001 374 Abkürzungsverzeichnis III. Abkürzungsverzeichnis AAB Antifaschistische Aktion Berlin AA/BO Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation ADHF Föderation für demokratische Rechte in Deutschland ADHK Konföderation für demokratische Rechte in Europa ADÜTDF Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V. AGIF Föderation der Arbeitsimmigranten aus der Türkei in Deutschland e. V. AGJG Arbeitsgemeinschaft Junger GenossInnen in und bei der PDS AKP Adalet ve Kalkinma Partisi (Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei) AMAL Gruppen des libanesischen Widerstandes ATIF Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. ATIK Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa BdA Bund der Antifaschisten (Dachverband ) e. V. BGD Bund für Gesamtdeutschland BGR Bündnis gegen Rechts BK Babbar Khalsa International CWI Committee for a Workers International DABK Ostanatolisches Gebietskomitee DAO Deutsche Aufbau-Organisation DA'WA Hizb Al Da'Wa Al Islamiya (Partei des islamischen Rufs/ der islamischen Mission) DESG Deutsch-Europäische Studien-Gesellschaft DETUDAK Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen in der Türkei DHKC Revolutionäre Volksbefreiungsfront DHKP-C Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front DHKP Revolutionäre Volksbefreiungspartei DIDF Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V. DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DPK-I Demokratische Partei Kurdistans/Irak DSZ-Verlag DSZ - Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH DVU Deutsche Volksunion FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei FAU-IAA Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Arbeiter Assoziation Abkürzungsverzeichnis 375 FDVP Freiheitliche Deutsche Volkspartei FHI Flüchtlingshilfe Iran e. V. FIS Front Islamique du Salut (Islamische Heilsfront) FP Fazilet Partisi (Tugendpartei) FRIKORR Friedenspolitische Korrespondenz FZ-Verlag FZ - Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH GI Al-Gama'a al-Islamiyya (Islamische Gemeinschaft) GIA Groupe Islamique Arme (Bewaffnete Islamische Gruppe) GSPC Groupe salafiste pour la Predication et le Combat (Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf) HAMAS Islamische Widerstandsbewegung HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. IBDA-C Front der islamischen Kämpfer des Großen Ostens IBP Islamischer Bund Palästina ICCB Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln IGD Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. IHR Institute for Historical Review IKM Komitee gegen Isolationshaft IMSV Iranische moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. ISYF International Sikh Youth Federation IVVdN Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Nazi-Regimes und Hinterbliebener e. V. JI Jihad Islami (Islamischer Heiliger Krieg) JN Junge Nationaldemokraten KARSAZ Union der Internationalen Kurdischen Arbeitgeber KIZ Kurdistan Informations-Zentrum KMDI Kamagata Maru Dal International KPF Kommunistische Plattform der PDS LPK Volksbewegung von Kosovo LTTE Liberation Tigers of Tamil Eelam MB Muslimbruderschaft MEK Volksmodjahedin Iran-Organisation MES Marx-Engels-Stiftung e. V. MLKP Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei Bericht 2001 376 Abkürzungsverzeichnis MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands NHB Nationaldemokratischer Hochschulbund e. V. NIF Nationale Islamische Front NITHamburg Nationales Info-Telefon Hamburg NL Nationale Liste NLA Nationale Befreiungsarmee NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSAN Nationales und Soziales Aktionsbüro Norddeutschland NSAW Nationales und Soziales Aktionsbüro Westthüringen NSDAP/AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation NVU Nederlandse Volksunie NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran NZ National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PKK Arbeiterpartei Kurdistans PMK Politisch motivierte Kriminalität PUK Patriotische Union Kurdistans RBF Republikanischer Bund der Frauen REP Die Republikaner RepBB Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten RH Rote Hilfe e. V. RHV Republikanischer Hochschulverband RJ Republikanische Jugend RPF Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000 RSB Revolutionär-Sozialistischer Bund RTC Religious Technology Center SAV Sozialistische Alternative Voran SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SFD Skingirl-Freundeskreis Deutschland SO Scientology-Organisation SP Saadat-Partisi (Glückseligkeits-Partei) SSS Skinheads Sächsische Schweiz Tayad Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei THKP/-C - Devrimci Sol Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke TIKKO Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten Abkürzungsverzeichnis 377 UCK Nationale Befreiungsarmee Mazedoniens U.I.S.A. Union islamischer Studentenvereine UZ Unsere Zeit VAWS Verlag und Agentur Werner Symanek VffG Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH V.H.O. Vrij Historisch Onderzoek VIDA Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e. V. VR Vereinigte Rechte VSP Vereinigung für Sozialistische Politik VVdN-BdA Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener - Bund der Antifaschisten VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten YCK Union der Jugendlichen aus Kurdistan YDK Kurdische Demokratische Volksunion YEK-KOM Förderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V. Bericht 2001 378 Sachwortregister IV Sachwortregister Arbeitsgemeinschaft Junger GenossInnen in und bei der PDS (AGJG) 168 A Arndt-Verlag 127, 128, 136 Autonome 59, 139, 145, 146, 147, 148, 150 Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland 114 154, 170, 173, 177, 181, 183, 184 Adalet ve Kalkinma Partisi (Gerechtigkeits186, 187, 300 und Entwicklungspartei) (AKP) 195, 215 Autonome Antifa (M) 149, 189 ADVANCE 274, 304, 305 autonome miliz 154, 155 Akademya (Die Akademie) 248 Aktionsbüro Norddeutschland 58, 91 B Al Ahd (Die Verpflichtung) 210 Babbar Khalsa International (BK) 248 Al Jihad (Heiliger Krieg) 248 BANNA, Hasan al 208 Al Raid (Der Kundschafter) 208 barricada 147, 190 AL TURABI, Hasan 202 BEGHAL, Djamal 201 Al-Aqsa e. V. 209 BEN SAKHRIA, Mohamed 201 Al-Gama'a al-Islamiyya (Islamische Gemeinschaft) (GI) 200, 204, 205, 208 Bewaffnete Islamische Gruppe (Groupe Islamique Arme) (GIA) 200, 206, 245 Al-Islam (Der Islam) 208 BfV-Aussteigerprogramm 31, 32, 58, 282 Al-Qaida (Die Basis) 194, 201, 202, 203 204, 205, 209 BIN LADEN, Usama 194, 200, 201, 202, 203 204, 205, 209 Al-Ribat (Das Band/Die Verbindung) 206 Blood & Honour 47, 48, 51, 123 AL-ZAWAHIRI, Dr. Ayman 205 Blood & Honour - Division Deutschland 27, 47 Amal (Hoffnung) 248 BOLOURCHI, Dr. Massoumeh 239 Anarchisten 157 BORCHERT, Peter 70, 73, 84, 85 Anti-Antifa 56 BÖRM, Manfred 83, 286 antifa-rundschau 161, 163 Bund der Antifaschisten Antifaschismus 139, 161, 162, 176, 180,189, 300 (Dachverband) e.V. (BdA) 175 Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) 149, 151, 170 Bundesausschuss Friedensratschlag 165 176, 189 BÜHRING, Carl-Arthur 74, 75, 285 Antifaschistische Aktion/ Bund für Gesamtdeutschland (BGD) 114 Bundesweite Organisation (AA/BO) 148 Bündnis gegen Rechts (BgR) 149, 181 Antiglobalisierungsbewegung 138, 139, 174 BUSSE, Friedhelm 78, 285 Antirassismus 180, 184, 185, 189 Antisemitismus 56, 77, 78, 95 APFEL, Holger 63, 66, 73, 74, 85 Arabische Mujahedin C (Kämpfer für die Sache Allahs) 194, 200 Castel del Monte-Verlag 136 Arbeiterpartei 195, 197, 230, 231, 232, 233 Committee for a Workers International (CWI) 174 Kurdistans 234, 235, 236, 237, 238, 245 (PKK) 246, 247 Courage 173 Sachwortregister 379 D DISPUT 165, 168, 292, 298 DSZ - Druckschriftenund Zeitungsverlag Das Herrenhaupt 64, 71, 283 GmbH (DSZ-Verlag) 92 de BENOIST, Alain 116, 128, 291 Druffel-Verlag 120 DEHOUST, Peter 111, 291 DVU-Freiheitliche Liste 101 DELLHEIM, Judith 168 Demokratische Partei Kurdistans/Irak (DPK-I) 248 E Der Kalifatsstaat 194, 196, 211, 212, 213, 247 EISENECKER, Dr. Hans-Günter 68, 84, 89, 287 Der Republikaner 103, 134, 289, 290, 291, 294 Elemente 115 DESG-Inform 116 ENGEL, Stefan 172, 173 Deutsche Akademie 72, 117, 284 ERBAKAN, Mehmet Sabri 213, 214, 217, 218 Deutsche Aufbau-Organisation (DAO) 110, 114 ERBAKAN, Necmettin 214, 215, 217 Deutsche Geschichte 136 ERDOGAN, Rezep Tayyip 215 Deutsche Kommunistische 158, 159, 160, 162, 164 ERYÜKSEL, Nuri 225 Partei (DKP) 165, 170, 189, 298, 299 Euro-Kurier 128 Deutsche Kulturgemeinschaft Österreich 124 Europa vorn Verlag 136 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 114 Europäische Moscheebauund Deutsche Stimme 50, 62, 64, 65, 66, 67, 68, 70, 71 Unterstützungs-gemeinschaft e. V. 214 72, 74, 79, 81, 82, 84, 85, 86, 110 283, 284, 285, 286, 287, 291, 292 Europäische Synergien 115 Deutsche Stimme-Verlag 74 Exekutivinstanz der FIS im Ausland 206, 207 Deutsche Volksunion 28, 31, 47, 92, 93, 95, 96, 97 EYGI, Sevket 216, 219, 220 (DVU) 98, 99, 100, 101, 102, 103 111, 114, 117, 120, 123, 287, 288, 289 Deutsches Kolleg 77 F Deutsch-Europäische Studien-Gesellschaft Fazilet-Partisi (Tugendpartei) (FP) 195, 214 (DESG) 115, 116 FINK, Dr. Heinrich 175 Deutschland in Geschichte und Gegenwart 120, 128, 136, 292 Flüchtlingshilfe Iran e. V. (FHI) 241 Devrim Yolunda Isci Köylü (Arbeiter und Föderation der Arbeiter aus der Türkei Bauern auf dem Weg der Revolution) 227 in Deutschland e. V. (ATIF) 229 Devrimci Cözüm (Revolutionäre Lösung) 225, 226 Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e. V. (AGIF) 230, 231 Devrimci Demokrasi (Revolutionäre Demokratie) 227 Föderation der demokratischen ArbeiterDevrimci Sol (Revolutionäre Linke) 221, 225, 226 vereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (DIDF) 248 DIE LINKE SEITE 189 Föderation der türkisch-demokratischen Die Republikaner 28, 29, 31, 33, 34, 88, 103, 104 Idealistenvereine in Europa e. V. (REP) 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111 (ADÜTDF) 197, 248 112, 113, 117, 128, 129, 134,135 289, 290, 291, 294 Föderation für demokratische Rechte in Deutschland e. V (ADHF) 229 Die Rote Hilfe 174, 300 Föderation kurdischer Vereine 234, 235 DIESNER, Kay 44 in Deutschland e. V. (YEK-KOM) 237, 247 Bericht 2001 380 Sachwortregister Forum Kommunistischer Arbeitsgemeinschaften 168 H Frauen für Demokratie im Iran e. V. 241 Haberci (Der Bote) 248 Fränkische Aktionsfront 57 Hagal - Die Allumfassende 116 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Arbeiter Assoziation (FAU-IAA) 157 HAGER, Nina 158 Freie Nationalisten 84, 85 HAKK-TV (Wahres Islamisches Fernsehen) 212 FREIHEIT 274, 303 HALKIN SESI-TV (Stimme des Volkes) 247 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 78, 291 Hammerskins 47 Freiheitliche Deutsche Volkspartei (FDVP) 114 Hate Records 52 FREY, Dr. Gerhard 28, 92, 94, 287, 288, 289 HATTAB, Hassan (alias HAMZA, Abou) 206 Friedenskomitee 2000/Deutschland-Bewegung 114 HENKLER, Sven 116 Friedenspolitische Korrespondenz (FRIKORR) 165 Hilfsorganisation für nationale politische 60, 61 Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG) 62 FRONT14 132 Hilfswerk für Kinder e. V. 241 Front der islamischen Kämpfer des Großen Ostens (IBDA-C) 248 Hizb al-Da'Wa al-Islamiyya (Partei des islamischen Rufs/der islamischen Mission) (DA'WA) 248 Furkan (Die Rettung) 248 Hizb Allah (Partei Gottes) 196, 210, 211, 245 FZ - Freiheitliche Buchund Zeitschriftenverlag GmbH (FZ-Verlag) 94, 95, 98 Hohenrain-Verlag 128 HUPKA, Steffen 56, 84, 85, 282, 286 G GANSEL, Jürgen W. 66 I IMPACT 270, 305, 306 GÄRTNER, Johann 111 Info-Telefone 46, 131, 135 Geheimschutz 270 Initiativgruppe für die Rehabilitierung GERG, Jürgen 84, 85 der Opfer des Kalten Krieges 164 GERLACH, Heinrich 134 Institute for Historical Review (IHR) 122 Germania-Rundbrief 125 Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am Gewalttaten/Straftaten mit ausländerantifaschistischen Widerstand, Verfolgter des extremistischem Hintergrund 198, 199 Nazi-Regimes und Hinterbliebener e. V. (IVVdN) 177 Gewalttaten/Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund 141, 142, 143, 144, 145 INTERIM 146, 153, 154, 155, 156 158, 177, 187, 295, 300 Gewalttaten/Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42 INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS 274, 278, 305 GOERTZ, Andre 135 International Sikh Youth Federation (ISYF) 248 Grabert-Verlag 127, 128, 136 International Socialists 173, 174 GRAF, Jürgen 122 Internet 29, 45, 51, 53, 58, 68, 69, 70, 74, 77, 92 Graswurzelbewegung 157 101, 102, 105, 111, 116, 118, 122, 125, 126 131, 132, 133, 134, 135, 150, 152, 153, 154 Gruppen des libanesischen Widerstandes 170, 173, 189, 190, 207, 212, 222, 224, 227 (AMAL) 248 237, 243, 246, 247, 252, 253, 256, 257, 272 GUILLAUME, Pierre 117 274, 275, 287, 290, 294, 295, 298 Sachwortregister 381 Iranische moslemische Studentenvereinigung KAUFMANN, Günter 120, 292 Bundesrepublik Deutschland e. V. (IMSV) 240 KEBIR, Rabah 206, 207 Isci Köylü Kurtulusu (Arbeiterund BauernKIRPITSCHENKO, Wadim 255 befreiung) 227 KlaroFix 149, 150, 181, 190 ISIK, Dr. Yusuf 215 KLEIN, Dieter 167, 297 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) 208 KLUMB, Josef M. 129, 131 Islamische Gemeinschaft 194, 195, 196, 213, 214 KOCH, Eduard Peter 117 Milli Görüs e. V. (IGMG) 215, 216, 217, 218, 219 Komitee gegen Isolationshaft (IKM) 195, 224 220, 221, 247, 302 Kommunistische Plattform 139, 140, 168 Islamische Heilsfront der PDS (KPF) 169, 298 (Front Islamique du Salut) (FIS) 206, 207, 245 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei Islamische Widerstandsbewegung in Europa (ATIK) 229 (HAMAS) 208, 209, 210 Konföderation für demokratische Rechte Islamischer Bund Palästina (IBP) 209 in Europa (ADHK) 229 Islamisches Kulturund Erziehungszentrum KORABELNIKOW, Walentin 252 Berlin e. V. KOSIEK, Rolf 128 Islamisches Zentrum Münster 210 KREBS, Dr. Pierre 115, 117, 293 KRICK, Michael 44, 125 J Kurdische Demokratische JERIN 258 Volksunion (YDK) 232, 233, 302 Jihad 192, 194, 200, 201, 202 Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) 247 203, 209, 221, 246, 300 Kurdistan-Solidarität 146 Jihad Islami 200, 203, 204 KUTAN, Recai 214, 216 (Islamischer Heiliger Krieg) (JI) 205, 208 Junge Freiheit 118, 283, 292 Junge Nationaldemokraten (JN) 51, 62, 69, 76, 85 L 90, 91, 92, 133, 134 Landser 49, 52 junge Welt 170, 172, 178 Landtagswahlen 28, 29, 87 - Baden-Württemberg 101, 111 K - Berlin 112 Kalathil (Auf dem Schlachtfeld) 242 - Hamburg 101, 111 Kamagata Maru Dal International (KMDI) 248 - Rheinland-Pfalz 101, 111 Kameradschaft 73 Celle 57 LAUCK, Gary Rex 125, 126, 132 Kameradschaften 27, 28, 34, 46, 47, 48, 53 LEBEDEW, Sergej 250, 251, 258 56, 57, 58, 59, 85, 86 LEICHSENRING, Uwe 86, 87 KAPLAN, Metin 211, 212, 213, 247 Liberation Tigers of Tamil Eelam KARAHAN, Yavuz Celik 218 (LTTE) 196, 242, 243 KARATAS, Dursun 222 Libertad! 184, 190 KÄS, Christian 104, 109, 288 Linksruck 138, 173, 174, 189 Bericht 2001 382 Sachwortregister M N MAHLER, Horst 65, 66, 68, 69, 77, 78, 83, 84, 88 Nachrichten der HNG 60, 61, 62 89, 91, 122, 128, 134, 285, 287 nadir 189 MAIER, Waldemar 65 NASRALLAH, Hassan 210 Mailboxen 189 Nationale Befreiungsarmee (NLA) 239, 240 MALCOCI, Christian 124, 125, 293 Nationale Befreiungsarmee Mazedoniens (UCK) 243, 244 Marx-Engels-Stiftung e. V. (MES) 164 Nationale Islamische Front (NIF) 202 Marxistischer Arbeitskreis für die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der Nationaler Widerstandsrat Iran 19, 196, 239 historischen Kommission der PDS 164 (NWRI) 240, 241 Marxistisches Forum 165, 169 Nation & Europa 110, 111, 129, 130, 136 - Deutsche Monatshefte 290, 291, 293, 294 Marxistisch-Leninistische 195, 221, 229 Kommunistische Partei (MLKP) 230, 231, 293 Nation Europa Verlag GmbH 136 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands Nationaldemokratische 28, 30, 34, 38, 47, 50, 51 (MLPD) 172, 173 Partei Deutschlands 56, 58, 59, 62, 63, 64, 65 (NPD) 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72 MATJUCHIN, Wladimir 253 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79 80, 82, 83, 84, 85, 86, 87 MECHTERSHEIMER, Dr. Alfred 114 88, 89, 90, 91, 110, 111, 115 117, 122, 126, 128, 133, 134 MEDYA-TV 237 282, 283, 284, 285, 286, 289 MEENEN, Uwe 77 Nationaldemokratischer Metapo - Metapolitik im Angriff zur Hochschulbund e. V. (NHB) 62, 72, 284 Neugeburt Europas 115 Nationale Liste (NL) 56 militante antiimperialistische gruppe - Nationaler Widerstand 30, 44 Aktionszelle Pierre Overney 152 Nationaler Widerstand Hagen/Lüdenscheid 57 militante gruppe (mg) 155, 156 Nationales Info-Telefon Hamburg Milli Gazete 215, 216, 217, 218 (NIT Hamburg) 135 (Nationale Zeitung) 219, 220, 221, 302 Nationales Infotelefon Norddeutschland 126 Milli Görüs 194, 196, 213, 215, 247 Nationales und Soziales Aktionsbündnis Milli Görüs & Perspektive 213 Norddeutschland (NSAN) 58 MISCAVIGE, David 274 Nationales und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen (NSAW) 58, 69 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS 165, 298 Nationalrevolutionäre 116 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Modjahed (Glaubenskämpfer) 239 Auslandsund Aufbauorganisation MODROW, Hans 171, 300 (NSDAP/AO) 125 Moin Moin Records 51 National-Zeitung/Deutsche 92, 93, 94, 95, 96, 97 Wochen-Zeitung (NZ) 98, 99, 100, 102, 120 MONTORIOL, Bruno 121, 293 287, 288, 289, 292 MÜLLER, Ursula 60, 62 Nederlandse Volksunie (NVU) 124, 125, 293 MUROW, Jewgenij 253 Neonazis 26, 27, 28, 30, 31, 33, 34, 44, 46, 53 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 71, 83, 84 Muslimbruderschaft (MB) 197, 208, 209 85, 88, 89, 111, 119, 124, 293 Sachwortregister 383 Publikationen, linksextremistische 188 NEUBAUER, Harald 110, 290 Publikationen, rechtsextremistische 29, 53, 125, 126 Neue Rechte 116 PÜHSE, Jens 83 Nordbruch, Dr. Claus 123 NS Kampfruf 126 Q O Qods (Jerusalem) 248 OBERLERCHER, Dr. Reinhold 77, 283 ÖCALAN, Abdullah 230, 232, 233, 234 R 235, 236, 237, 303 RADJAVI, Massoud 239 Opposition. Magazin für Deutschland 129 RAHMAN, Abdul 204 Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) 227, 229 RAPP, Klaus 109 Özgür Politika 236, 237 Rebell 172 REBELL 172 P Religious Technology Center (RTC) 278 RENNICKE, Frank 50, 61 Partei des 138, 139, 140, 164, 165, 166, 167 Demokratischen 168, 169, 170, 171, 172, 178, 180 Republikanische Jugend (RJ) 103, 111 Sozialismus (PDS) 181, 294, 296, 297, 298, 299,300 Republikanischer Bund der Frauen (RBF) 103 Partini Sesi (Stimme der Partei) 229 Republikanischer Bund der Partisan.net 189 öffentlich Bediensteten (RepBB) 103 Partizan 197, 228 Republikanischer Hochschulverband (RHV) 103 Patriotische Union Kurdistans (PUK) 248 Revisionismus 78, 79, 103, 119, 121 PATRUSCHEW, Nicolaj 252 Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000(RPF) 83, 84, 286 PDS International 165 Revolutionäre Volksbefreiungsfront PDS-Pressedienst 165, 171, 297, 299, 300 (DHKC) 222, 223 Personenpotenzial extremistischer Revolutionäre Volksbefreiungspartei 222, 223 Ausländerorganisationen 196, 197 (DHKP) 224, 225, 247 Personenpotenzial, linksextremistisch 139, 140 Revolutionäre 195, 197, 221 Volksbefreiungspartei-Front 222, 223, 224 Personenpotenzial, 27, 33 (DHKP-C) 225, 226, 245, 247 rechtsextremistisch 34, 53 Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB) 174 PETZOLD, Winfried 62, 63 RICHTER, Karl 129, 130, 294 PIERCE, William 44 Risalat ul-Ikhwan Politisch motivierte 35, 36, 37, 39, 41, 42 (Rundschreiben der Bruderschaft) 208 Kriminalität (PMK) 141, 142, 143, 144, 198 ROßMÜLLER, Sascha 83, 85, 90, 91, 287 Pour le Merite-Verlag 128 Rote Fahne 172, 300 position - magazin der SDAJ 160, 161 Rote Hilfe e. V. (RH) 174, 179 Proliferation 250, 251, 252, 259, 265, 266 R.O.T.K.Ä.P.C.H.E.N. im und beim BdA 176 Publikationen extremistischer Ausländergruppierungen 246 ROUHS, Manfred 117, 118 Bericht 2001 384 Sachwortregister STEIGERWALD, Robert 164 S STEUCKERS, Robert 116 Saadat-Partisi 195, 214 (Glückseligkeits-Partei) (SP) 215, 216 Straftaten/Gewalttaten mit ausländerextremistischem Hintergrund 198 Sabotageschutz 272, 348 Straftaten/Gewalttaten mit Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf linksextremistischemHintergrund 141 (Groupe salafiste pour la Predication et le Combat) (GSPC) 200, 206, 207 Straftaten/Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 36, 37, 44 SANDER, Hans-Dietrich 117 SUDHOLT, Dr. Gert 128, 129 SCHEERER, Germar, geb. RUDOLF 121, 293 Synergon Deutschland 115, 116, 291 SCHLIERER, Dr. Rolf 29, 103, 105, 108, 109, 115 Synergon Forum 116 SCHÖNHUBER, Franz 128, 129, 130, 293, 294 SCHREIBER, Peter 111 SCHULZ, Mario 70 T SCHWAB, Jürgen 63, 64, 71, 80, 115, 117 Taliban 202, 301 SCHWEIGER, Herbert 91, 124 Tatsachen 248 SCHWERDT, Frank 83 Terroranschläge 24, 27, 29, 30, 44, 67, 87, 100, 105 in den USA 130, 165, 177, 189, 192, 207, 208, 229 Scientology-Organisation 274, 275, 276, 277, 278 (SO) 279, 303, 304, 305, 306 THION, Serge 117 SENLIKOGLU, Emine 220 Thule-Seminar 115, 116, 285, 291 Signal. Das patriotische Magazin117, 118, 136, 292 TOTZKIJ, Konstantin 254 Skingirl-Freundeskreis Deutschland (SFD) 47 Trotzkisten 173, 174, 186, 300 Skinhead-Musik 27, 45, 48, 49, 51, 53, 282 Trotzkistische Gruppen 173 Skinheads 26, 27, 28, 33, 34, 37, 43, 47 Türk Federasyon Bülteni (Bulletin der 48, 53, 57, 83, 85, 86, 88, 89 Türk-Föderation) 248 Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) 46, 86, 87 Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) 228 Skinhead-Szene 27, 28, 45, 46, 50 Türkische Kommunistische Partei/ 197, 221, 227 Sleipnir 117 Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 228, 229, 231, 245 ['solid] 170, 297, 299 Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Serxwebun (Unabhängigkeit) 232 Revolutionäre Linke 221, 225 (THKP/-C - Devrimci Sol) 226, 227 Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen (DETUDAK) 195, 221 Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei (Tayad) 224 U SOURCE 270, 305 ÜLKE-Büro (Heimatbüro) 245 Sozialistische Alternative Voran (SAV) 138, 174 Ümmet-i Muhammed 211, 212 (Die Gemeinde Mohammeds) 213, 247 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 160, 161 Union der Internationalen Kurdischen Arbeitgeber (KARSAZ) 238 Staatsbriefe 117, 136 Union der Jugendlichen aus Kurdistan STEHR, Heinz 158 (YCK) 236, 302 Sachwortregister 385 Union Islamischer Studentenvereine Von Thronstahl 131 (U.I.S.A.) 248 Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) 121 Unsere Zeit (UZ) 159, 160, 296 VERREYCKEN, Wim 111 Vlaams Blok 111, 123 V Vatan (Heimat) 222, 223, 224 Verband der islamischen Vereine und W Gemeinden e. V., Köln (ICCB) 211 WAGENKNECHT, Sahra 168 Verband ehemaliger Teilnehmer am antiWALENDY, Udo 121 faschistischen Widerstand, Verfolgter des White Aryan Rebels 49, 52 Naziregimes und Hinterbliebener - Bund der Antifaschisten (VVdN-BdA) 163, 177 White Youth 27, 47 Vereinigte Rechte (VR) 114 Widerstand im Cyberspace 190 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - WIESCHKE, Patrick 69 Bund der Antifaschistinnen und 161, 162 Antifaschisten (VVN-BdA) 163, 176, 296 WOLTERSDORF, Hans Werner 128 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 174 WORCH, Christian 32, 56, 58, 83 Verein Iranischer Demokratischer Akademiker WULFF, Thomas 56, 83 e. V. (VIDA) 241 WUTTKE, Roland 130, 294 Verlage, linksextremistische 188 Verlage, rechtsextremistische 29, 120, 127, 130, 136 Y Yasamda Atilim (Der Vorstoß im Leben) 229 Verlag Manfred Rouhs 136 YASIN, Ahmad 210 Verlagsgesellschaft Berg mbH (VGB) 128, 129, 136 Verlag und Agentur Werner Symanek (VAWS) 130, 131 Z Verlag Zeitenwende 116 Zentralorgan 55 Vierteljahreshefte für Zeri i Kosoves (Die Stimme Kosovos) 243 freie Geschichtsforschung (VffG) 121 ZIMMER, Gabriele 165, 166, 167, 168, VOIGT, Udo 62, 67, 70, 74, 81, 82, 83, 84 169, 171, 180, 297 86, 88, 91, 285, 286, 287 ZOUABRI, Antar 206 Volksbewegung von Kosovo (LPK) 243, 244, 303 ZÜNDEL, Ernst 122, 125 Volksmodjahedin Iran-Organisation 196, 239 (ModjahedinE-Khalq) (MEK) 240, 241, 303 ZÜNDELSITE 125 Bericht 2001 386 Notizen Notizen 387 Bericht 2001 388 Notizen