Verfassungsschutzbericht 2000 Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2000 ISSN: 0177-0357 2 Impressum Herausgeber: Bundesministerium des Innern Berlin: Alt-Moabit 101 D, 10559 Berlin Bonn: Graurheindorfer Straße 198, 53117 Bonn, Mai 2001 Hinweis: Der Verfassungsschutzbericht 2000 ist auch über das Internet abrufbar: http://www.bmi.bund.de http://www.verfassungsschutz.de Layout: 4D-Design Agentur Frankenforster Str. 141a, 51427 Bergisch Gladbach Satz: Bundesdruckerei GmbH Zweigniederlassung Bonn, Südstraße 119, 53175 Bonn Herstellung: Gebr. Garloff Gröperstr. 14, 39124 Magdeburg 3 Vorwort des Bundesministers des Innern Die übergroße Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland trägt die Grundwerte unserer Verfassung und bekennt sich zu Demokratie und Rechtsstaat. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht zeigt jedoch auch, dass leider nach wie vor einzelne Gruppen, Organisationen und Parteien mit verfassungsfeindlichen Zielen unseren Rechtsstaat und die innere Sicherheit bedrohen. Insbesondere Extremisten von rechts, aber auch von links sind eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie. Welches Ziel haben die aufgeführten verfassungsfeindlichen Organisationen? Wie arbeiten sie, wie setzen sie sich zusammen? Der Bericht macht es Ihnen, den Leserinnen und Lesern und damit der Öffentlichkeit, möglich, sich über diese Fragen zu informieren. Nur aufgeklärte Bürger sind in der Lage, die Absichten extremistischer Bestrebungen zu erkennen, sie kritisch zu bewerten und sich dagegen zur Wehr zu setzen. Sorge bereitet vor allem der Anstieg rechtsextremistischer Gewalttaten. Das Gift rassistischer, fremdenfeindlicher, antisemitischer und antidemokratischer Einstellungen verbindet sich hier auf verhängnisvolle Weise mit dem Einsatz von Gewalt. Besonders ernst zu nehmen ist die wachsende Gewaltbereitschaft jugendlicher Täter. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, Demokratie, Freiheit und den gesellschaftlichen Frieden gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und jeglichen Extremismus zu verteidigen. Deshalb gilt die Grundregel der wehrhaften Demokratie und des Rechtsstaats: Keine Toleranz der Intoleranz! Der Staat schöpft alle rechtsstaatlichen Mittel aus, um seine freiheitliche Verfassung gegen Angriffe unbelehrbarer Ewiggestriger und fehlgeleiteter Jugendlicher zu verteidigen. Daher habe ich die deutsche Sektion der internationalen rechtsextremistischen Organisation "Blood & Honour" sowie ihre Jugendorganisation verboten. Darüber hinaus haben Bundesregierung, Deutscher Bundestag und Bundesrat mit jeweils eigenen Anträgen das Verbot der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" beim Bundesverfassungsgericht beantragt. Diese rechtsextremistische Partei hat erkennbar das Ziel, das sie in kämpferisch-aggressiver Weise verfolgt, unseren Rechtsstaat und unsere freiheitliche Demokratie zu beseitigen. 4 Ohne die Lage dramatisieren zu wollen, muss allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes deutlich sein, dass das Engagement und die Wachsamkeit aufmerksamer Demokraten der beste Verfassungsschutz sind. Wir alle sind aufgerufen nicht achtlos beiseite zu stehen und in Gleichgültigkeit zu verharren, wenn ausländische Mitschüler oder Passanten bedroht und Obdachlose verfolgt werden, wenn öffentliche Plätze unsicher erscheinen oder Friedhöfe geschändet werden. Jeder ausländerfeindliche Übergriff, jede antisemitische Schmiererei, jede extremistische Gewalttat ist ein Angriff auf das friedliche Zusammenleben der Menschen in Deutschland und zugleich ein Angriff auf die Grundlagen unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Jede einzelne dieser menschenverachtenden Taten ist damit ein Angriff auf die Freiheit aller. Um unsere Demokratie vor Schaden zu bewahren, ist der Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz unverzichtbar. Ihrem Engagement gebührt großer Dank. Ihre Arbeit trägt in hohem Maße zur Bewahrung der Grundwerte unseres Zusammenlebens und damit zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens in Deutschland bei. Otto Schily Bundesminister des Innern 5 Inhaltsverzeichnis Strukturdaten I. Strukturdaten gemäß SS 16 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz 1.1 Bundesamt für Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Militärischer Abschirmdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Strukturdaten Verfassungsschutz und Demokratie I. Verfassungsschutz im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsschutzbehörden - Aufgaben und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . III. Kontrolle des Verfassungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfassungsschutzbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfassungsschutz durch Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsextremistische Bestrebungen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklungen im Rechtsextremismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übersicht in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisationen und Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zielrichtungen der Gewalttaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gewaltbereite Rechtsextremisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsextremistisches Gewaltpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zunahme von Waffenund Sprengstofffunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsextremistische Skinhead-Szene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Bundesweit aktive Skinhead-Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Skinhead-Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Vertrieb von Skinhead-Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Skinhead-Fanzines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 IV. Neonazismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neonazistische Kameradschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neonazistische "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Organisation und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 "Junge Nationaldemokraten" (JN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zielsetzung und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Organisation und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. "Die Republikaner" (REP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Organisation und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsextremistische Kleinparteien und Wählervereinigungen . . . . . . VI. Intellektualisierungsbemühungen im Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . VII. Revisionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Internationale Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Internationale Treffen und Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsextremistische Einflüsse aus den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 "National Alliance" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Agitationsund Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Periodische Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste . . . . . . . . . . . 3. Neue Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Parteiunabhängige rechtsextremistische Info-Telefone . . . . . . . . . . . . . X. Übersicht über wesentliche Verlage und Presseerzeugnisse . . . . . . . . . . . . Linksextremistische Bestrebungen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen im Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Übersicht in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisationen und Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Straftaten/Gewalttaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gewalttätiger Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Autonome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Potenzial/Selbstverständnis/Aktionsformen/Medien . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 "Traditionelle" Autonome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 "Organisierte" Autonome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Autonome Strukturen mit terroristischen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige militante Linksextremisten mit internationalistischer Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Traditionelle Anarchisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Parteien und sonstige Gruppierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld . . . . . . . . . . . . . . 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN - BdA) . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 "Marx-Engels-Stiftung e. V." (MES). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 "Bundesausschuss Friedensratschlag". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Allgemeine Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Extremistische Strukturen in der PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Teilnahme an Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zusammenarbeit mit deutschen Linksextremisten außerhalb der Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Internationale Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) . . . . . . . . . . . . . 4. Trotzkistische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. "Rote Hilfe e. V." (RH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. "Bund der Antifaschisten (Dachverband) e .V." (BdA) . . . . . . . . . . . . . . . V. Aktionsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. "Antifaschismus" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Proteste gegen "Globalisierung" und "Neoliberalismus" . . . . . . . . . . . . . 3. Kampagne von Linksextremisten gegen Kernenergie und die Nutzung der Gentechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. "Kampf gegen die EXPO 2000" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 VI. Agitationsund Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verlage, Vertriebe und periodische Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Mailboxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übersicht in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisationen und Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Straftaten/Gewalttaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aktionsschwerpunkte einzelner Ausländergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Allgemeine Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Organisatorische Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Propaganda der PKK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Strafverfahren gegen führende Funktionäre der PKK . . . . . . . . . . . . . . . 2. Türken (ohne Kurden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Linksextremisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) . . . . . . . . . . 2.3 Türkische Islamisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 "Der Kalifatsstaat", auch "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln" (ICCB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Araber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Algerische islamistische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Arabische Mujahedin (Kämpfer für die Sache Allahs) . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.3 Ägyptische Islamisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Sonstige extremistische und terroristische Gruppen aus dem Nahen Osten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 "Islamischer Bund Palästina" (IBP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 "Hizb Allah" (Partei Gottes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Iraner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Tamilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kosovo-Albaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Annex: Schleusungsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Agitationsund Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Periodische Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Kommunikationsmedien/Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Übersicht über weitere erwähnenswerte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation . . . . 1. Aktuelle Situation und Aufgaben der Dienste, personelle und strukturelle Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufklärungsziele und Methoden der russischen Nachrichtendienste . . . . 3. Die direkte Steuerung der nachrichtendienstlichen Arbeit aus Moskau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Legalresidenturen der russischen Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . III. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der übrigen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aktivitäten von Nachrichtendiensten aus Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Iranische Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Syrische Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Irakische Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Libysche Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aktivitäten fernöstlicher Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Chinesische Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nordkoreanische Nachrichtendienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 VI. Proliferation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Festnahmen und Verurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Personeller Geheimschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . "Scientology-Organisation" (SO) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auftreten in der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erläuterungen und Dokumentation Strukturdaten 11 I. Strukturdaten gemäß SS 16 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz 1.1 Bundesamt für Verfassungsschutz Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt im Jahr 2000 betrug 221.674.239,79 DM (1999: 224.264.345,47 DM). Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte 2.085 (1999: 2.136) Bedienstete. 1.2 Militärischer Abschirmdienst Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt im Jahr 2000 betrug 121.659.000,DM (1999: 120.272.000,DM). Der Militärische Abschirmdienst hatte 1.280 (1999: 1.250) Bedienstete. II. Weitere Strukturdaten Anfang 2001 waren von Bund und Ländern gemeinsam im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 972.915 (Anfang 2000: 908.328) personenbezogene Eintragungen enthalten, davon 487.754 Eintragungen (50,1 %) aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen (Anfang 2000: 52,6 %). Bericht 2000 12 Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2000 14 Verfassungsschutz und Demokratie I. Verfassungsschutz im Grundgesetz Das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland gewährt den Bürgerinnen und Bürgern eine Vielzahl an Freiheitsrechten. Dazu gehören das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG), auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und auf Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG). Diese Rechte stehen selbst Gegnern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Staates zu. Eine klare Grenze bei der Inanspruchnahme dieser Rechte ist allerdings dort zu ziehen, wo deutlich erkennbar wird, dass sie zur Durchsetzung politischer Ziele missbraucht werden, um die freiheitliche demokratische Grundordnung zu untergraben und damit das Fundament dieser Freiheitsrechte zu beseitigen. Die leidvollen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Untergang der Weimarer Republik, deren Verfassung wirksame Abwehrmechanismen vermissen ließ, haben dazu geführt, dass im Grundgesetz das Prinzip der wehrhaften und abwehrbereiten Demokratie verankert worden ist. "wehrhafte Dieses Prinzip ist durch drei Wesensmerkmale gekennzeichnet*: Demokratie" - die Wertegebundenheit, d. h., der demokratische Verfassungsstaat bekennt sich zu Werten, denen er eine besondere Bedeutung beimisst und die deshalb nicht zur Disposition stehen, - die Abwehrbereitschaft, d. h., der Staat ist gewillt, diese wichtigsten Werte gegenüber extremistischen Positionen zu verteidigen, und - die Vorverlagerung des Verfassungsschutzes, d. h., der demokratische Verfassungsstaat reagiert nicht erst dann, wenn Extremisten gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Es findet in einer Reihe von Vorschriften des Grundgesetzes deutlichen Ausdruck: - Art. 79 Abs. 3 GG bestimmt, dass wesentliche Grundsätze der Verfassung - darunter der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG - unabänderlich sind und damit auch einer Änderung durch den Gesetzgeber entzogen sind. - Nach Art. 21 Abs. 2 GG können Parteien auf Antrag vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden, wenn sie darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. - Art. 9 Abs. 2 GG bestimmt, dass Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten sind. - Nach Art. 18 GG können bestimmte Grundrechte verwirkt werden, wenn sie zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden. * Erläuterung siehe S. 258 Verfassungsschutz und Demokratie 15 - Art. 73 Nr. 10 b und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG sind die Grundlage dafür, dass die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder geschaffen worden und berechtigt sind, für Zwecke des Verfassungsschutzes Unterlagen u. a. über Bestrebungen zu sammeln, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. II. Verfassungsschutzbehörden - Aufgaben und Befugnisse Hauptsächliche Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes Aufgaben und der Länder ist nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG - vgl. Anhang, Gesetzestexte) die Sammlung und Auswertung von Informationen über - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes für eine fremde Macht, - Bestrebungen im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Verfassungsschutz gewinnt die zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationsfür ihn wichtigen Informationen in erster Linie aus offen zugängligewinnung chen Quellen. Sofern das nicht möglich oder nicht effektiv ist, darf er sich im Rahmen gesetzlich genau festgelegter Befugnisse und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sog. nachrichtendienstlicher Mittel bedienen. Hierzu gehören etwa der Einsatz geheimer Informanten, Observation, Bildund Tonaufzeichnungen außerhalb des Schutzbereichs der Wohnung sowie die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des G10Gesetzes. Darüber hinaus haben die Verfassungsschutzbehörden u. a. die SicherheitsAufgabe, bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen mitzuwirken, überprüfungen denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Informationen anvertraut werden oder die sich Zugang dazu verschaffen können. Die Befugnisse für das Bundesamt für Verfassungsschutz in diesem Zusammenhang sind im Gesetz über die Voraussetzungen Bericht 2000 16 Verfassungsschutz und Demokratie und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes vom 20.04.1994 im Einzelnen geregelt. Keine polizeilichen Den Verfassungsschutzbehörden stehen bei der Erfüllung ihrer Befugnisse Aufgaben keinerlei polizeiliche Befugnisse zu. Bindung an Recht Die Verfassungsschutzbehörden sind bei ihrer Tätigkeit an die allund Gesetz gemeinen Rechtsvorschriften gebunden. Daraus folgt vor allem, dass bei der Aufgabenerfüllung keine strafbaren Handlungen begangen werden dürfen. Durch ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit tragen die Verfassungsschutzbehörden in ihrem Zuständigkeitsbereich dazu bei, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten. Sie arbeiten dazu mit anderen beteiligten Behörden, insbesondere den weiteren Nachrichtendiensten des Bundes - dem für den Bereich der Bundeswehr zuständigen Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem mit Auslandsaufklärung befassten Bundesnachrichtendienst (BND) - sowie Polizeiund Strafverfolgungsbehörden auf gesetzlicher Grundlage vertrauensvoll und eng zusammen. Das BfV als Inlandsnachrichtendienst steht darüber hinaus angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Bedrohungsphänomene in regem Kontakt mit seinen Partnerdiensten im Ausland. III. Kontrolle des Verfassungsschutzes Bundesregierung Die Tätigkeit des BfV unterliegt der Kontrolle durch die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag. Das zu diesem Zweck eingeParlamentarisches richtete Parlamentarische Kontrollgremium (vgl. Anhang - GesetzesKontrollgremium texte: Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes) ist in regelmäßigen Abständen umfassend über die allgemeine Tätigkeit des BfV und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Auf Verlangen ist ihm Einsicht in Akten und Dateien zu geben und die Anhörung von Mitarbeitern zu gestatten. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Art. 10 GG werden durch die G 10-Kommission vom Kontrollgremium bestellte unabhängige G 10-Kommission grundsätzlich vor deren Vollzug auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit überprüft. Auskunftsrecht Das BfV ist gesetzlich verpflichtet, Betroffenen auf Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, soweit auf einen konkreten Sachverhalt hingewiesen wird und ein besonderes Interesse an einer Auskunft dargelegt wird (SS 15 BVerfSchG). Eine Auskunft unterbleibt nur dann, wenn einer der im Verfassungsschutz und Demokratie 17 Absatz 2 dieser Vorschrift ausdrücklich bezeichneten Verweigerungsgründe vorliegt. Maßnahmen des BfV, bezüglich deren der Betroffene geltend Kontrolle durch macht, in seinen Rechten beeinträchtigt zu sein, unterliegen gerichtGerichte licher Nachprüfung. Das im Zusammenhang mit dem am 29.12.1990 in Kraft getreteKontrolle durch den nen Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Bundesbeauftragten Datenschutzes (vgl. Anhang - Gesetzestexte) durch Art. 2 dieses für den Datenschutz Gesetzes novellierte BVerfSchG enthält eine Fülle datenschutzrechtlicher Bestimmungen, die zu einer wirksamen Kontrolle durch den Bundesbeauftragten führen. IV. Verfassungsschutzbericht Der Verfassungsschutzbericht dient der Unterrichtung und AufJährliche Berichte klärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland. Er beruht auf den Erkenntnissen, die das BfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat. Bei den im Bericht aufgeführten Personenzusammenschlüssen (Parteien, Organisationen und Gruppierungen) liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes vor. Die Erkenntnislage zu den dargestellten Gruppierungen kann allerdings im Hinblick auf Umfang und Dichte der angefallenen Informationen jeweils ganz unterschiedlich sein, was wiederum Einfluss auf die Art und Weise der Beobachtung durch das BfV haben kann. Die Bewertung einer Gruppierung als extremistisch bedeutet nicht in jedem Fall, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen verfolgen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsschutzbericht keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse darstellt. In allen Fragen des Verfassungsschutzes steht das Ansprechpartner Bundesamt für Verfassungsschutz Merianstraße 100 50765 Köln Telefon: 02 21/79 20 Telefax: 02 21/79 83 65 als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung. Bericht 2000 18 Verfassungsschutz und Demokratie V. Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen erfordert eine intensive Aufklärung der Bürger über Art und Umfang der Gefahren, die durch den politischen Extremismus drohen. Auch wenn unsere Demokratie gefestigt ist, dürfen akute und latente Risiken und Gefährdungen nicht übersehen werden: Extremismus und Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit, übersteigerter Nationalismus und Fundamentalismus. Die Bundesregierung misst der präventiven und repressiven Auseinandersetzung mit diesen Erscheinungen eine besondere Bedeutung zu. Geistig-politische Auseinandersetzung mit Extremismus bedeutet, über die Wissensvermittlung hinaus deutlich zu machen, dass die Demokratie grundlegende Wertorientierungen braucht, über die ein allgemeiner Konsens besteht. Diese Auseinandersetzung erfolgte im Jahr 2000 u. a. mittels Publikationen, durch Seminare für Lehrer, Sozialarbeiter im Jugendbereich, Kommunalvertreter, Wissenschaftler, Studenten, Schülerzeitungsredakteure und Elternvertreter sowie durch die Fortführung von Aufklärungskampagnen gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. Wahrgenommen wird die Aufgabe "Verfassungsschutz durch Aufklärung" auf Bundesebene vom Bundesministerium des Innern und dem Bundesamt für Verfassungsschutz, auf Länderebene von den Innenministerien bzw. den Landesbehörden für Verfassungsschutz. Das Hauptaugenmerk gilt dem intensiven Dialog mit den Bürgern über die Aufgabenfelder des Verfassungsschutzes. Der demokratische Rechtsstaat kann nicht allein von staatlichen Behörden geschützt und bewahrt werden. Den besten Schutz der Verfassung leistet der informierte und für die Demokratie engagierte Bürger selbst. Hierfür bietet die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Informationen über seine Erkenntnisse an, die es jedermann ermöglichen sollen, sich selbst ein Urteil über die Gefahren zu bilden, die unserem Rechtsstaat durch verfassungsfeindliche Kräfte drohen. Dies umfasst auch die Vermittlung der Grundwerte unserer Verfassung. Nur wer weiß, was durch wen bedroht ist, weiß auch, was es zu verteidigen und zu bewahren gilt. Gegen Gewalt und Die aus der gemeinsamen Aufklärungskampagne der InnenminisFremdenfeindlichkeit ter von Bund und Ländern gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit mit dem Motto "FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhass" abgeleitete Herausgabe der Schülerzeitschrift "basta - Nein zur Gewalt" sowie die dazugehörige pädagogische Handreichung wurde in der vierten Auflage 1999/2000 neu gestaltet. Verfassungsschutz und Demokratie 19 Die im Jahr 1995 erstmalig erschienene Jugendzeitschrift "Demokratie live" zur Grundund Menschenrechtsproblematik wurde inhaltlich überarbeitet und im Jahr 2000 neu herausgegeben. Auch die erfolgreiche Reihe der Computerspiele "Dunkle Schatten" ist ab Herbst 2000 mit der CD "Dunkle Schatten 3 - Tod in der Südkurve" fortgeführt worden. Hier werden Jugendliche in Form eines "adventure-game" sowohl mit Extremismus, Gewalt und Rassismus als auch mit gelebter Demokratie und Toleranz konfrontiert und müssen Position beziehen. Allein von Oktober bis Dezember 2000 wurden rd. 30.000 CD's angefordert und kostenlos verteilt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) informierte im Öffentlichkeitsarbeit Berichtsjahr im Rahmen der Presseund Öffentlichkeitsarbeit über des Verfassungsdie Tätigkeit der Behörde und ihre aktuellen Erkenntnisse. So verschutzes: öffentlichte das BfV folgende - teils neue, teils aktualisierte - Publikationen: - Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland - Ein LageBroschüren bild zu Beobachtungsschwerpunkten des Verfassungsschutzes - Skinheads - Bands & Konzerte - Neonazistische Kameradschaften in Deutschland - Rechtsextremistische Bestrebungen im Internet - Verfassungsschutz. Was wir für Sie tun - Verfassungsschutz. Spionageabwehr, Geheimschutz Die Gesamtauflage der im letzten Jahr gedruckten Broschüren betrug rund 100 000. Das fünfzigjährige Bestehen des Bundesamtes war Anlass zur Herausgabe der Festschrift "Bundesamt für Verfassungsschutz - 50 Jahre im Dienst der Inneren Sicherheit", in der Wissenschaftler und Praktiker zu historischen, rechtlichen und fachlichen Fragestellungen des Verfassungsschutzes Stellung bezogen. Eine vom BfV anlässlich dieses Jubiläums bei einem renommierten Meinungsforschungsinstitut in Auftrag gegebene Bürgerumfrage ließ ein hohes Maß an Zustimmung zur Institution Verfassungsschutz erkennen. Besonders erfreulich war die Resonanz junger Menschen (14 bis 29 Jahre), die sich wie nie zuvor positiv zum Verfassungsschutz äußerten. Diese Einschätzung wurde auch in Umfragen bestätigt, die das BfV selbst im Rahmen von Ausstellungen auf der Grundlage anonymer Fragebögen durchgeführt hatte. Seit dem 28.2.2000 präsentiert sich das BfV der Öffentlichkeit mit einer neuen Website (http://www.verfassungsschutz.de) im Internet. Die Neugestaltung zielte nicht nur auf eine ansprechendere Optik, sondern es ging auch um eine Verbesserung der Navigationsmöglichkeiten. Die Zahl der Anwendersitzungen stieg von durchschnittlich 10.000 im Vorjahr auf die Höchstzahl von 53.000 im Monat Bericht 2000 20 Verfassungsschutz und Demokratie August 2000 - möglicherweise infolge der heftigen öffentlichen Diskussionen zum Thema Rechsextremismus -, um sich dann mit rund 30.000 monatlichen Zugriffen auf einem vergleichsweise hohen Niveau zu stabilisieren. Von den Nutzern wurden allein im Dezember über 11.500 Dateien - insbesondere Broschüren - heruntergeladen. Das hier zum Ausdruck kommende Informationsbedürfnis der Bürger wäre aus Kapazitätsgründen ohne das Medium Internet nicht zu befriedigen. Ausstellungen Das Interesse der Öffentlichkeit an der BfV-Wanderausstellung "Demokratie ist verletzlich - Rechtsextremismus in Deutschland" war auch im letzten Jahr groß. Insgesamt wurden mehr als 16.000 Besucher gezählt, darunter 463 Schulklassen und zahlreiche andere Gruppen. Der Besuch von Schulklassen hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Die Resonanz der Medien war einheitlich positiv. Die bislang dritte Ausstellung des BfV "Es betrifft Dich! Demokratie schützen - Gegen Extremismus in Deutschland" wurde im April 2000 von Bundesinnenminister Schily in Berlin eröffnet. Sie wendet sich mit einer modernen, an pädagogischen Kriterien orientierten Konzeption vor allem an Schüler, Auszubildende und Multiplikatoren des öffentlichen Lebens. Die Ausstellung wurde bisher an fünf Orten von je ca. 5000 interessierten Besuchern gesehen, darunter ca. 80 % Schüler und Auszubildende. Am 14. und 18. Februar nahm das BfV wie in den Vorjahren an der internationalen Bildungsmesse "Interschul/didacta" (Köln) mit einem eigenen Messestand teil. Dabei wurden an die zahlreichen Besucher - hauptsächlich Lehrer, aber auch Schüler - über 8000 Publikationen aus den verschiedensten Arbeitsfeldern des BfV verteilt. Auch auf der alle zwei Jahre in Essen stattfindenden Sicherheitsmesse "security essen" war das BfV gemeinsam mit der Landesbehörde für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen vertreten. Die Besucher konnten Verfassungsschutz und Demokratie 21 sich über aktuelle Tendenzen in den Bereichen Extremismus, Spionageabwehr und Geheimschutz informieren. Eine wesentliche Voraussetzung für eine wirksame Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist die Erforschung der jeweiligen Ursachen. Studie zu fremdenfeindlichen Mit Forschungsvorhaben zu Themen der inneren Sicherheit sollen Straftaten Handlungsoptionen für die Politik gewonnen werden. Deshalb hat das Bundesministerium des Innern ein Forschungsprojekt beim Deutschen Jugendinstitut in München in Auftrag gegeben, das im Rahmen einer Längsschnittanalyse die 1994 erstellte Studie "Analyse fremdenfeindlicher Straftäter" fortschreibt. Mit Hilfe dieser Studie soll vor allem in Erfahrung gebracht werden, welche Motive, sozialen Umstände und Lebensverläufe den Taten zugrunde liegen und welche präventionsstrategischen Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Dieses Projekt wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2001 endgültig abgeschlossen sein. Der infolge des "Europäischen Jahres gegen Rassismus" (1997) aufgenommene Dialog zwischen staatlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen zu Fragen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im "Forum gegen Rassismus" konnte weiterentwickelt werden. Dem "Forum" gehören 65 Mitglieder an, davon 45 bundesweit bzw. überregional tätige Nichtregierungsorganisationen. Seit Ende 1999 fungiert das "Forum gegen Rassismus" auch als "Nationaler Runder Tisch" im Sinne der "Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" in Wien. Der "Nationale Runde Tisch" in Deutschland tagte jeweils am 17. März 2000 und am 15. November 2000 in Berlin. Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt bleiben für den demokratischen und sozialen Rechtsstaat bedrohliche Phänomene. Die nach wie vor anhaltende Präsenz vor allem rechtsextremer, fremdenfeindlicher und rassistischer Straftaten und Übergriffe erfordert das entschiedene Eintreten für den Schutz und die Achtung demokratischer Regeln. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist ein Schwerpunkt der Innenpolitik. Die Förderung der Toleranz und des Respekts gegenüber Anderen "Bündnis für und damit einhergehend die entschiedene Ablehnung jeglicher Form Demokratie und von Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt sind Toleranz - gegen Extremismus und auch grundlegende Aufgaben der Zivilgesellschaft. Dieses VermächtGewalt" nis verband alle in die Vorbereitung und Planung des von der Bundesregierung initiierte "Bündnisses für Demokratie und Toleranz - gegen Bericht 2000 22 Verfassungsschutz und Demokratie Extremismus und Gewalt" einbezogenen Vertreter von Politik, Regierung, Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft, Wirtschaft, Kirchen, Religionsgemeinschaften und Wohlfahrtsverbänden. Am 23. Mai 2000 wurde dieses Bündnis unter dem Motto "Hinschauen - Handeln - Helfen" in Berlin der BÜNDNIS FÜR Öffentlichkeit vorgestellt. Seitdem erhält das Bündnis als DEMOKRATIE UND TOLERANZ GEGEN EXTREMISMUS UND GEWALT gesellschaftliches Integrationsmodell regen Zuspruch aus allen Bereichen der Gesellschaft. Das Bündnis macht es sich zur Aufgabe, den demokratischen Verfassungskonsens zu bekräftigen und zu erneuern. Es steht allen Bürgerinnen und Bürgern offen, die sich diesem Ziel verpflichtet fühlen. Es sammelt und sichtet Vorhaben und Vorschläge, es berät und unterstützt, es initiiert auch selbst einzelne modellhafte Projekte. Es dokumentiert positive Beispiele zivilen Engagements (best-practiceModelle) und empfiehlt sie zum Nachahmen. Besonders erfolgreich waren Sportveranstaltungen gegen Gewalt sowie der "Victor-Klemperer-Wettbewerb", den das Bundesministerium des Innern gemeinsam mit der Dresdner Bank und dem Aufbauverlag ausgeschrieben hat und der auf ein lebhaftes Interesse stieß. Eine bundesweite Plakatkampagne wirbt unter dem Titel "Du willst Respekt. Ich auch" für Fairness im Umgang miteinander. Lokalredakteure und kommunale Mandatsträger erhalten Argumentationshilfe im Umgang mit dem Thema Ausländer und Extremismus. Auch Programme der Bundesregierung wie z. B. "Xenos - Leben und Arbeiten in Vielfalt", welches über mehrere Jahre Mittel in erheblichem Umfang aus dem Europäischen Sozialfonds einsetzt, stehen unter dem Dach des "Bündnisses für Demokratie und Toleranz". Mit "Xenos" werden Projekte gefördert, die das gemeinsame Lernen und Arbeiten von deutschen und ausländischen Jugendlichen und Erwachsenen unterstützen sowie zum Aufbau gegenseitigen Verständnisses und zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung beitragen. Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2000 24 Rechtsextremistische Bestrebungen I. Überblick 1. Ideologie Die rechtsextremistische Gedankenwelt wird von nationalistischen und rassistischen Anschauungen geprägt. Sie wird von der Vorstellung bestimmt, die ethnische Zugehörigkeit zu einer Nation oder Nationalistische und Rasse mache den Wert des Menschen aus. Da diesem Kriterium auch rassistische die Menschenund Bürgerrechte nach rechtsextremistischem VerGedankenwelt ständnis unterzuordnen sind, lehnen Rechtsextremisten das - für jedes Individuum geltende - universale Gleichheitsprinzip ab. Sie Autoritäres propagieren zudem ein autoritäres politisches System, in dem oftStaatsverständnis mals der Staat und ein ethnisch homogenes Volk als angeblich natürund Volksgemeinliche Ordnung in einer Einheit verschmelzen (Ideologie der "Volksschafts-Ideologie gemeinschaft") und die staatlichen Führer intuitiv nach dem einheitlichen Willen des Volkes handeln. Insofern erübrigen sich in einem rechtsextremistisch geprägten Staat die wesentlichen Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen auszuüben oder das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition. Ideologisch Der Rechtsextremismus in Deutschland bildet kein einheitliches uneinheitliches ideologisches Gefüge, sondern weist unterschiedliche BegründunGefüge gen und Zielsetzungen auf: Gewaltbereite Rechtsextremisten, dazu zählen insbesondere rechtsextremistische Skinheads, haben meist ein diffuses Weltbild, geprägt von fremdenfeindlichen Ressentiments und treten mit meist spontanen Gewalttaten und aggressiver, volksverhetzender Musik in Erscheinung. Die durch einen stärkeren Willen zur zielgerichteten politischen Aktivität gekennzeichneten Neonazis orientieren sich an nationalsozialistischen Vorstellungen eines totalitären Führerstaats auf rassistischer Grundlage. Aus ihrer Sicht ist das deutsche Volk höherwertig und deshalb vor "rassisch minderwertigen" Ausländern oder Juden zu schützen. Verhindert werden müsse vor allem eine Vermischung der verschiedenen Rassen. Die rechtsextremistischen Parteien vertreten demgegenüber eher eine nationalistische Position. Ihnen gilt die Nation als oberstes Prinzip, was eine Abwertung der Menschenund Bürgerrechte zur Folge hat. Damit streben sie nach einem autoritären Staat, in dem die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigt wäre. 2. Entwicklungen im Rechtsextremismus Anstieg Auch wenn die Verfassungsschutzbehörden im Jahr 2000 einen rechtsextremistischer geringen Rückgang des Personenpotenzials registrieren konnten, Gewalttaten war die Entwicklung rechtsextremistischer Bestrebungen durch die Rechtsextremistische Bestrebungen 25 steigende Zahl rechtsextremistisch motivierter Strafund Gewalttaten geprägt. Einen regionalen Schwerpunkt dieser Delikte bildeten die ostdeutschen Länder (vgl. Kap. II, Nr. 2). Dort konzentrierte sich auch etwa die Hälfte des PersonenpotenZunahme der zials rechtsextremistischer Skinheads und sonstiger gewaltbereiter gewaltbereiten Rechtsextremisten. Im Gegensatz zum Personenpotenzial insgesamt Rechtsextremisten ist die Anzahl gewaltbereiter Rechtsextremisten im Jahr 2000 weiter gestiegen - ein Trend, der seit 1995 zu verzeichnen ist. Ursächlich hierfür ist insbesondere der Zulauf zur rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Seit rund zwei Jahren sind vermehrt gewaltbejahende ÄußerunGefahren durch gen von Rechtsextremisten zu verzeichnen. Im Jahr 2000 beschlagWaffen und nahmte die Polizei wiederholt Waffen und Sprengstoff. In einigen Sprengstoff wenigen Fällen gab es - anders als in den Vorjahren - konkrete Planungen für ihren Einsatz. Solche Ansätze für ein Entstehen rechtsterroristischer Strukturen unterstreichen die gestiegene Gefährlichkeit militanter rechtsextremistischer Bestrebungen (vgl. Kap. III, Nr. 2). Die Skinhead-Musikszene stellt nach wie vor einen wichtigen FakZentrale Rolle der tor bei der Entstehung und Verfestigung von Gruppen rechtsextreSkinhead-Musik mistischer gewaltbereiter Jugendlicher dar. Durch die Gegenmaßnahmen der Sicherheitsbehörden hat sich im Jahr 2000 der bereits 1999 zu verzeichnende Abschwung bei den Konzertveranstaltungen fortgesetzt. Mit dem Verbot der Skinhead-Organisation "Blood & Honour - Division Deutschland" hat diese Vereinigung ihre zentrale Rolle für die Skinhead-Szene verloren. Nicht zuletzt deshalb ist die Zahl der Konzerte zurückgegangen. Auch die Zahl der Vertriebe ging leicht zurück, während die Zahl der aktiven Bands geringfügig stieg (vgl. Kap III, Nr. 3.2). Die Sicherheitsbehörden beschlagnahmten im Jahr 2000 Tausende strafbare Tonträger und lösten zahlreiche Konzerte auf. Die verunsicherte Szene reagierte zunehmend mit Gewalt auf Polizeieinsätze. So übte auch die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) mit ihrer "Umarmungsstrategie" eine gewisse Anziehungskraft auf rechtsextremistische Skinheads aus. Das neonazistische Personenpotenzial stagniert. Die meisten NeoStagnation der nazis haben sich mittlerweile in Kameradschaften organisiert, deren neonazistischen Szene regionale Verflechtung zugenommen hat. So prägt beispielsweise das "Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland" öffentlichkeitswirksame Auftritte von Neonazis entscheidend mit (vgl. Kap. IV, Nr. 2). Darüber hinaus demonstrierten Neonazis gemeinsam mit der NPD. Auf diese Weise nutzten Neonazis das "legale Dach" dieser Partei für ihre aggressive Agitation. Bericht 2000 26 Rechtsextremistische Bestrebungen Größeren Stellenwert haben "Anti-Antifa"-Aktivitäten gegen den politischen Gegner bekommen. Mit indirekten Gewaltaufrufen bis hin zu Morddrohungen im Internet sollen Andersdenkende eingeschüchtert werden. Symbiose der NPD Die von Udo VOIGT geführte NPD hat ihren aktionsorientierten mit Neonazis und Kurs fortgesetzt. Sie propagiert einen "Kampf um die Straße", für den Skinheads die Partei auch das Potenzial rechtsextremistischer Skinheads und Neonazis bei weit über 50 Demonstrationen mobilisierte. Das ambivalente Verhältnis der NPD zur Gewalt wurde durch die Verwicklung zahlreicher Mitglieder in Straftaten deutlich. Dagegen blieb die Partei bei Landtagswahlen ohne größere Erfolge. Im Zuge der Verbotsdiskussion verzeichnete die Partei einen Mitgliederzuwachs. Am 30. Januar 2001 hat die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD eingereicht.1 Bundestag und Bundesrat haben mittlerweile mit ihren Anträgen folgen. Das vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitete Verbotsverfahren verschärfte aber auch interne Konflikte über die Zusammenarbeit mit Neonazis (vgl. Kap. V, Nr. 1). DVU mitgliederDie "Deutsche Volksunion" (DVU) behauptete im rechtsextremististärkste Partei schen Parteiengefüge ihren Platz als mitgliederund finanzstärkste Partei. Trotz gelegentlicher parteiinterner Kritik wird sie von ihrem Gründer und Vorsitzenden Dr. Gerhard FREY unangefochten geführt. Wegen geringer Erfolgsaussichten bei Wahlkämpfen in Flächenländern beteiligte sich die in drei Landtagen vertretene DVU im Jahr 2000 an keiner Wahl (vgl. Kap. V, Nr. 2). Interne Die Partei "Die Republikaner" (REP) wurde von internen StreitigStreitigkeiten keiten um den Kurs der Partei geprägt. Den Kritikern des Vorsitzender REP den Dr. Rolf SCHLIERER gelang es aber weder, diesen aus seinem Amt zu verdrängen noch der Partei ein schärferes Profil zu geben. Nach wie vor lassen viele REP-Mitglieder mangelnde Distanz zu Rechtsextremisten erkennen. Die REP blieben im Jahr 2000 bei Landtagswahlen erfolglos und verloren - wie seit 1998 - weitere Mitglieder. Niedergang im Dem intellektuellen Rechtsextremismus gelang es im Jahr 2000 intellektuellen nicht, eine "Kulturrevolution von rechts" voranzubringen. Der NieRechtsextremismus dergang dieses eher theoretisch orientierten Spektrums des Rechtsextremismus ist an der sinkenden Auflage und dem abnehmenden Gehalt der ihm zuzuordnenden Publikationen ersichtlich (vgl. Kap. VI). Ein Teil dieses Spektrums - die den Holocaust leugnenden Revisionisten - nutzte wegen der Strafbarkeit solcher Behauptungen in Deutschland vor allem das Internet für die Verbreitung seiner Thesen (vgl. Kap. VII). Rechtsextremistische Bestrebungen 27 Insgesamt ist die Bedeutung des Internet als Agitationsund KomGewachsene munikationsmedium für Rechtsextremisten weiter gestiegen. Die Bedeutung des Zahl der von deutschen Rechtsextremisten betriebenen Homepages Internet erhöhte sich auf rund 800 (1999: rund 330). Soweit die Betreiber rechtsextremistischer Seiten in Deutschland strafbare Inhalte ins Netz einstellten, nutzten sie anonym US-amerikanische Server. Das Internet ist für Rechtsextremisten zum Medium für aggressive Propaganda geworden. Sie versenden unangefordert E-Mails, bedrohen politische Gegner mit "Hass-Seiten" oder rufen zur Gewalt mittels konkrete Bombenbauanleitungen auf. Die Begegnung im virtuellen Raum dient ihnen zur Selbstbestätigung und als Ersatz für reale Zusammenkünfte (Kap. IX, Nr. 3). II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Personenpotenzial Ende des Jahres 2000 gab es in Deutschland 144 (1999: 134) rechtsLeichter Rückgang extremistische Organisationen und Personenzusammenschlüsse. Die des rechtsextreZahl ihrer Mitglieder sowie der nichtorganisierten Rechtsextremistischen Potenzials misten lag mit rund 50.900 knapp unter der des Vorjahres (1999: 51.400). Die Zahl der subkulturell geprägten*) und sonstigen gewaltbereiGewaltbereite ten Rechtsextremisten ist mit 9.700 Personen (1999: 9.000) um fast Rechtsextremisten 8 % gestiegen. Damit hält die seit 1995 zu beobachtende Zunahme der Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten weiter an. Zu den Gewaltbereiten werden auch diejenigen Rechtsextremisten gezählt, die - ohne bislang Gewalttaten verübt zu haben - Gewaltanwendung befürworten. Dazu gehören als weitaus größte Gruppe, zu etwa 85 %, rechtsextremistische Skinheads, die sich durch ihre subkulturelle Prägung deutlich von anderen gewaltbereiten Rechtsextremisten, z. B. aus dem Neonazilager, unterscheiden. Die Zahl der Neonazis hat sich mit 2.200 gegenüber 1999 nicht Neonazis verändert. Es konnten 60 Gruppen2 (1999: 49) mit einer gewissen Organisationsstruktur festgestellt werden. *) Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeiten sind nicht nur bei Skinheads, sondern auch - in geringem Umfang - bei Neonazis und - noch seltener - bei Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien festzustellen. Daher kann die Gewaltbereitschaft nicht das einzige Abgrenzungskriterium zwischen Skinheadund Neonaziszene sein. Wichtiger ist vielmehr die subkulturelle Komponente, mit der sich die Skinheads von allgemeinen gesellschaftlichen Standards abgrenzen. Dazu gehören z. B. martialisches Auftreten, aggressive Musik und exzessiver Alkoholkonsum. Bericht 2000 28 Rechtsextremistische Bestrebungen RechtsIn den rechtsextremistischen Parteien sind rund 36.500 Personen extremistische organisiert (1999: 37.000). In dieser Zahl sind die Mitglieder der ParParteien tei "Die Republikaner" (REP) enthalten, ohne dass damit jedes einzelne Mitglied als rechtsextremistisch zu bewerten ist. Der Rückgang um rund 1,4 % ergibt sich aus den Mitgliederverlusten der REP (ca. 1.000) bei einem leichten Mitgliederzuwachs der NPD (ca. 500). Die Zahl der sonstigen rechtsextremistischen Organisationen ist mit 78 Gruppen (1999: 77) nahezu gleichgeblieben, diesem Spektrum gehören wie 1999 rund 4.200 Mitglieder/Aktivisten an. Rechtsextremismuspotenzial 1) 1998 1999 2000 Gruppen Personen Gruppen Personen Gruppen Personen Subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten 2) 5 8.200 5 9.000 3 9.700 Neonazis 3) 41 2.400 49 2.200 60 2.200 Parteien 3 39.000 3 37.000 3 36.500 davon "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 6.000 6.000 6.500 "Deutsche Volksunion" (DVU) 18.000 17.000 17.000 "Die Republikaner" (REP) 4) 15.000 14.000 13.000 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 65 4.500 77 4.200 78 4.200 Summe 114 54.100 134 52.400 144 52.600 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 5) 53.600 51.400 50.900 1) Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2) Die meisten subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten (hauptsächlich Skinheads) sind nicht in Gruppen organisiert. In die Statistik sind nicht nur tatsächlich als Täter/Tatverdächtige festgestellte Personen einbezogen, sondern auch solche Rechtsextremisten, bei denen lediglich Anhaltspunkte für Gewaltbereitschaft gegeben sind. 3) Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften innerhalb der Neonazi-Szene. Als Gruppen sind nur diejenigen neonazistischen Gruppierungen/Kameradschaften erfasst, die ein Mindestmaß an Organisierung aufweisen. 4) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Mitglieder der REP rechtsextremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. 5) Die Mehrfachmitgliedschaften im Bereich der rechtsextremistischen Parteien und sonstigen rechtsextremistischen Organisationen wurden vom gesamten Personenpotenzial abgezogen (für das Jahr 2000: 1.700). Rechtsextremistische Bestrebungen 29 2. Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund 2.1 Übersicht 2000 wurden 15.951 (1999: 10.037) Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund erfasst, davon 998 Gewalttaten (1999: 746) und 14.953 sonstige Straftaten (1999: 9.291). Damit stieg die Zahl der Straftaten insgesamt um 58,9 %, die Starker Anstieg der Gewalttaten stieg um 33,8 %. Zu den rechtsextremistischen der Strafund Gewalttaten zählen fremdenfeindlich motivierte, antisemitische Gewalttaten sowie Gewalttaten gegen den politischen Gegner und sonstige rechtsextremistische Gewalttaten. Der Anteil der Gewalttaten an der Gesamtzahl der Straftaten beträgt 6,3 % (1999: 7,4 %). Bei 65,4 % (1999: 66,9 %) aller Straftaten handelte es sich um Propagandadelikte (SSSS 86, 86a StGB). Noch bis Juli hatte es so ausgesehen, als ob im Jahresverlauf insMutmaßliche gesamt mit einem Rückgang der Straftaten gerechnet werden Ursachen für den könnte. Danach war jedoch ein starker Anstieg zu verzeichnen. MitAnstieg der Strafund Gewalttaten ursächlich dafür dürfte zum einen sein, dass der bislang nicht aufgeklärte Bombenanschlag in Düsseldorf am 27. Juli zahlreiche Nachahmungstäter zu Gewalttaten veranlasst hat. Zum anderen dürfte die seither anhaltend intensive öffentliche Diskussion um rechtsextremistische Gewalt und mögliche Verbote rechtsextremistischer Organisationen zu einer gestiegenen Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung geführt haben; daneben scheint aber auch die Aktionsbereitschaft mancher Rechtsextremisten im Sinne eines "jetzt erst recht" gewachsen zu sein. Bericht 2000 30 Rechtsextremistische Bestrebungen Übersicht über Gewalttaten und sonstige Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund1) 1999 2000 Gewalttaten2): Tötungsdelikte 1 2 3) Versuchte Tötungsdelikte 13 15 Körperverletzungen 630 874 Brandstiftungen 35 41 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 7 Landfriedensbruch 65 59 gesamt 746 998 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 373 704 Nötigung/Bedrohung 220 320 Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 6.719 10.435 Störung der Totenruhe und andere Formen der Schändung jüdischer Friedhöfe und Gedenkstätten 47 56 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung 1.932 3.438 gesamt 9.291 14.953 Straftaten insgesamt 10.037 15.951 1) Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) (Stand: 31. 1. 2001). Die Übersicht enthält ausgeführte und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind zum Beispiel während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur der Landfriedensbruch als eine Straftat in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 2) Ab 1997 werden Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung nicht mehr den Gewalttaten zugerechnet. 3) Ein nachträglich gemeldetes vollendetes Tötungsdelikt vom 13. 9. 2000 in SchleswigHolstein zum Nachteil eines Obdachlosen ist in dieser Darstellung nicht enthalten. Zwei vollendete Im Jahr 2000 gab es zwei vollendete, rechtsextremistisch motiTötungsdelikte vierte Tötungsdelikte: - Am 11. Juni wurde ein mosambikanischer Staatsangehöriger im Bereich des Stadtparks in Dessau (Sachsen-Anhalt) von drei männlichen Tätern angegriffen. Das Opfer verstarb am 14. Juni an den Folgen der Tritte und Schläge. Die Täter wurden am 30. August wegen gemeinschaftlichen Mordes schuldig gesprochen. Der Hauptangeklagte wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die beiden Mitangeklagten jeweils zu 9 Jahren Jugendstrafe. - In der Nacht zum 24. Juli wurde in Ahlbeck (Mecklenburg-Vorpommern) ein 51-jähriger Obdachloser von vier männlichen Tätern durch Tritte und Schläge gegen den Kopf getötet. Die Täter erklärten gegenüber der Polizei: "Asoziale und Landstreicher passten nicht in die Gesellschaft". Der 24-jährige Haupttäter wurde am 23. Februar 2001 durch das Landgericht Stralsund (Mecklen- Rechtsextremistische Bestrebungen 31 burg-Vorpommern) wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Gegen die drei Mittäter hatte das Gericht bereits am 2. Februar 2001 Jugendund Freiheitsstrafen von 3, 8 und 12 Jahren verhängt. Am 20. April verübten drei Täter einen Brandanschlag auf die Brandanschlag auf jüdische Synagoge in Erfurt (Thüringen). Gegen die Rückfront des jüdische Synagoge Gebäudes wurden zwei Flaschen mit Brandbeschleuniger (sogenannte Molotow-Cocktails) geworfen. Die Flaschen zerbrachen auf dem Dachgiebel und der Gebäuderückwand, ohne größeren Schaden anzurichten. In Tatortnähe wurde folgendes Bekennerschreiben aufgefunden: "Dieser Anschlag basiert auf rein antisemitischer Ebene! Wir grüßen den Verfassungsschutz Gotha. Heil Hitler. Die Scheitelträger". Das Thüringer Oberlandesgericht verurteilte die Täter am 13. Juli wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu Jugendstrafen von drei bzw. zwei Jahren und drei Monaten. Ein dritter Angeklagter, der Fahrer des Tatfahrzeuges, erhielt eine Bewährungsstrafe. Mit 56 Taten ist die Zahl der Schändungen jüdischer Friedhöfe Schändungen und Gedenkstätten im Vergleich zu 1999 (47) leicht angestiegen. jüdischer Friedhöfe Beispiele: - Am 16. Februar beschmierten unbekannte Täter in Göttingen (Niedersachsen) auf dem dortigen jüdischen Friedhof insgesamt 47 Grabsteine mit Hakenkreuzen und Parolen wie "Juda verrecke". - Am 24. Februar errichteten unbekannte Täter auf dem jüdischen Friedhof in Potsdam (Brandenburg) ein rotes, mit einem Hakenkreuz versehenes Holzkreuz mit der Aufschrift: "Die Nationale Bewegung gedenkt dem durch jüdische Kommunisten ermordeten SA-Helden Horst Wessel3 zum 70. Todestag. 23.02.30". - Am 27. März besprühten unbekannte Täter die Grabsteine des jüdischen Friedhofs in Georgensgmünd (Bayern) mit Parolen wie: "Für's Volk - Juden sterbt - Sieg Heil - ins KZ mit den Volksbetrügern - Friedmann4, du stirbst". Insgesamt wurden 20 Grabsteine auf diese Weise beschädigt. Bericht 2000 32 Rechtsextremistische Bestrebungen 2.2 Zielrichtungen der Gewalttaten Fremdenfeindliche Wie bereits in den Vorjahren richteten sich auch 2000 die meisten Gewalt nimmt weiter Gewalttaten (641) gegen Fremde (1999: 451). Damit waren 2000 rund zu 64 % aller Gewalttaten fremdenfeindlich motiviert (1999: 60 %). Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem *) fremdenfeindlichem Hintergrund 1999 2000 Tötungsdelikte 1 1 Versuchte Tötungsdelikte 11 9 Körperverletzungen 386 569 Brandstiftungen 29 31 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 3 Landfriedensbruch 24 28 Fremdenfeindliche Gewalttaten insgesamt 451 641 *) Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) (Stand: 31. 1. 2001). Rechtsextremistische Bestrebungen 33 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund [ZIELRICHTUNGEN] 1100 1000 998 GESAMT 2000 900 800 746 700 GESAMT 1999 641 600 500 451 400 300 285 226 200 100 16 53 43 0 29 0 0 01.01. - 31.12.1999 01.01. - 31.12.2000 Fremdenfeindliche Gewalttaten Antisemitische Gewalttaten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Gewalttaten gegen sonstige politische Gegner (2000: 0) Sonstige rechtsextremistische Gewalttaten Bericht 2000 34 Rechtsextremistische Bestrebungen 2.3 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die meisten Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund ereigneten sich 2000 in Nordrhein-Westfalen, dem einwohnerstärksten Land. Allerdings liegt es hinsichtlich dieser Taten bezogen auf die Einwohnerzahlen im letzten Viertel der Statistik. Statt dessen ist nach wie vor ein deutlicher Schwerpunkt in den östlichen Ländern festzustellen. Im Durchschnitt wurden dort 2,21 Gewalttaten je 100.000 Einwohner registriert, in den westlichen Ländern 0,95. (siehe Grafik auf Seite 35 f.) Rechtsextremistische Bestrebungen 35 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund [IN DEN LÄNDERN] Nordrhein153 Westfalen 87 Nieder129 sachsen 80 Baden100 Württemberg 61 92 Thüringen 50 76 Brandenburg 62 Sachsen66 Anhalt 81 62 Sachsen 86 60 Bayern 58 Mecklenburg49 Vorpommern 51 43 Hessen 21 42 Hamburg 23 39 Berlin 30 Rheinland37 Pfalz 24 Schleswig35 Holstein 24 10 Saarland 2 5 Bremen 6 0 30 60 90 120 150 180 01.01. - 31.12.2000 01.01. - 31.12.1999 Bericht 2000 36 Rechtsextremistische Bestrebungen Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund [JE 100.000 EINWOHNER IN DEN LÄNDERN] 3,74 Thüringen 2,03 2,93 Brandenburg 2,39 Mecklenburg2,72 Vorpommern 2,83 2,47 Hamburg 1,35 Sachsen2,47 Anhalt 3,03 Nieder1,64 sachsen 1,02 1,38 Sachsen 1,92 Schleswig1,27 Holstein 0,87 1,15 Berlin 0,88 Baden0,96 Württemberg 0,59 0,93 Saarland 0,19 Rheinland0,92 Pfalz 0,60 Nordrhein0,85 Westfalen 0,48 0,75 Bremen 0,90 0,71 Hessen 0,35 0,50 Bayern 0,48 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 4,00 01.01. - 31.12.2000 01.01. - 31.12.1999 Rechtsextremistische Bestrebungen 37 III. Gewaltbereite Rechtsextremisten 1. Rechtsextremistisches Gewaltpotenzial Die Zahl der rechtsextremistischen Skinheads und der sonstigen Weitere Zunahme des gewaltbereiten Rechtsextremisten hat im Jahr 2000 weiter zugenomPersonenpotenzials men. Sie belief sich Ende des Jahres auf rund 9.700 (1999: 9.000). Den größten Teil dieses Potenzials bilden die rechtsextremistischen Skinheads. 2. Zunahme von Waffenund Sprengstofffunden Zwar gibt es schon seit Jahren Hinweise auf Waffen und Sprengstoffe Waffenund in der rechtsextremistischen Szene; es fehlte aber bisher die Absicht Sprengstofffunde sowie in aller Regel auch die Fähigkeit, diese gezielt zu Anschlägen einzusetzen. Dies galt auch im Jahr 2000 für den weitaus größten Teil der Szene. Das Besondere in einigen Fällen war allerdings, dass die Täter nicht aus reiner Vorliebe zu Waffen handelten, sondern teilweise konkrete Planungen für ihren Einsatz hatten. Darüber hinaus waren die Funde teilweise nicht nur Einzelpersonen zuzurechnen, sondern vielmehr Kleinstgruppen - mit allerdings sehr geringen Strukturen. Einige Funde ragen besonders heraus: - Die Polizei beschlagnahmte am 13. Mai in Berlin bei einem Neonazi ein Kleinkalibergewehr mit Zielfernrohr, Schalldämpfer und Munition. Die konspirativ beschaffte Waffe sollte angeblich zur eigenen Verteidigung genutzt werden. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte den Neonazi am 5. Oktober wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung. - Nach Hinweisen der Verfassungsschutzbehörden beschlagnahmte die Polizei am 16. Juni bei einem militanten Neonazi in Berlin eine zündfähige Rohrbombe sowie Propagandamittel der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO; vgl. Kap. VIII, Nr. 2.2). Die Rohrbombe sollte im Rahmen einer Vergeltungsaktion gegen den Pkw eines politischen Gegners eingesetzt werden. Das Landgericht Berlin verurteilte den Neonazi am 8. August wegen Planung und Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags sowie wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung. - Am 9. Juli stellte die Polizei in Potsdam bei einem führenden Neonazi aus dem südlichen Brandenburg zwei Schusswaffen, Munition und eine nicht mehr funktionsfähige Maschinenpistole sicher. - In Bocholt (Nordrhein-Westfalen) konnte die Polizei am 15. Oktober bei Kontrollen jugendlicher Skinheads eine Rohrbombe sicherstellen, Bericht 2000 38 Rechtsextremistische Bestrebungen die nach ersten Ermittlungen bei möglichen Auseinandersetzungen gegen eine türkische Jugendgruppe eingesetzt werden sollte. - Am 31. Oktober stellte die Polizei bei einem Neonazi in Bremen Bauanleitungen zur Herstellung von Sprengsätzen sowie etwa 100 Gramm eines hochexplosiven Selbstlaborats sicher. Nach Erkenntnissen der Polizei plante er einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim. Gegen ihn sowie einen weiteren Beteiligten wurde Haftbefehl erlassen.*) Aggressive Wie schon 1999 forderten einzelne Aktivisten - zumeist in interPropaganda vor nen Zirkeln - eine kompromisslose und eindeutig gewaltorientierte allem im Internet Strategie zur Durchsetzung politischer Ziele. Auch die anonymen rechtsextremistischen Internetveröffentlichungen waren von zunehmender Aggressivität geprägt (vgl. Kap. IX, Nr. 3). So heißt es auf der Homepage eines "Arischen Kämpferbundes", man arbeite aus dem Untergrund und schrecke auch vor Waffengewalt nicht zurück. Unter Bezugnahme auf die militante britische Neonaziorganisation "Combat 18", die im Verdacht steht, eine Briefbombenserie initiiert zu haben, heißt es: "WIR SIND DER DEUTSCHE COMBAT 18, nur geheimer und unsere Aktionen werden härter für die Betroffenen sein." *) Das Amtsgericht Bremen-Blumenthal verurteilte den Haupttäter am 22. Februar 2001 wegen Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion zu einer Jugendstrafe von drei Jahren. Der Mittäter wurde zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt, die unter Auflagen (u. a. Lösen aus der rechten Szene) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Rechtsextremistische Bestrebungen 39 Die Homepage einer "Arischen Bruderschaft 2000" veröffentlichte neben Anleitungen zum Bombenbau auch eine "Todesliste" mit persönlichen Daten und Wohnorten von Zielpersonen. In allen bekannten Fällen ist es bisher gelungen, terroristische Ansätze 5 rechtzeitig zu erkennen. Die Gefahr der Entstehung rechtsterroristischer Strukturen konnte dadurch stets im Anfangsstadium verhindert werden. Es bleibt aber festzustellen, dass auch weiterhin einzelne Aktivisten und Kleingruppen versuchen werden, sich die nötige Ausrüstung bzw. Struktur zu verschaffen, um insbesondere gegen politische Gegner gewaltsam vorzugehen. 3. Rechtsextremistische Skinhead-Szene Innerhalb der gewaltbereiten Rechtsextremisten bilden seit Anfang der 90er Jahre die Skinheads und ihr Umfeld die zahlenmäßig größte Gruppe. Ihr Anteil lässt sich wegen der hohen Fluktuation in den meist nur regionalen oder lokalen, in Großstädten sogar stadteilbezogenen Gruppen nur schätzen, er dürfte bei etwa 85 % liegen. Die Szene setzt sich überwiegend aus Jugendlichen und Heranwachsenden zusammen. In ihren Cliquen verbinden sich Aggressivität und Gewaltbereitschaft mit einem meist nicht programmatisch-ideologisch geprägten, sondern eher diffusen rechtsextremistischen Weltbild, dass von fremdenfeindlichen, nationalistischen, antisemitischen und den Nationalsozialismus verherrlichenden Einstellungen beherrscht wird. Das Potenzial gewaltbereiter Rechtsextremisten ist in OstdeutschSchwerpunkt in land besonders hoch. Dort lebt bei einem Bevölkerungsanteil von Ostdeutschland ca. 21 % 6 mehr als die Hälfte der rechtsextremistischen Skinheads. Auch die Mehrzahl der größeren überregional aktiven Szenen befindet sich hier. Solche bestehen unter anderem in Westsachsen, in der Sächsischen Schweiz, in Südund Ostthüringen sowie im Raum Berlin. Auch in Berlin liegen die Schwerpunkte im Ostteil der Stadt. In Westdeutschland bestehen größere Szenen vor allem in den großen Städten und Ballungsgebieten. Bericht 2000 40 Rechtsextremistische Bestrebungen Die Gewaltbereitschaft insbesondere der jüngeren Szeneangehörigen ist weiterhin hoch. Gerade von diesen gehen - häufig unter Alkoholeinfluss - spontane Gewaltoder sonstige Straftaten aus; durch besonders brutale und spektakuläre Taten will man sich in der Szene profilieren. Verhältnis Selbst wenn manche Skinheads die von ihnen spöttisch als "Scheizu Neonazis telträger" bezeichneten Neonazis ablehnen, so ist doch - insbesondere auf der regionalen Ebene - ein Zusammenwirken festzustellen. Die Zahl der Gruppen, denen sowohl Neonazis als auch Skinheads angehören, hat weiter zugenommen. Verhältnis zu Auch rechtsextremistischen Parteien steht die Skinhead-Szene, die rechtsextremistischen eine längerfristige Einbindung in solche Organisationsstrukturen Parteien, weitgehend ablehnt, größtenteils skeptisch gegenüber. Eine nicht insbesondere der NPD geringe Anziehungskraft übt allerdings die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) mit ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) aus (vgl. Kap. V, Nr. 1). Grund hierfür ist die in der Vergangenheit vollzogene Öffnung der NPD für Skinheads und die zum Teil engen Verbindungen einiger Parteifunktionäre auf Bundesund Landesebene zur Skinhead-Szene. So wurden beispielsweise die "Skinheads Sächsische Schweiz" unter maßgeblicher Beteiligung eines kommunalen NPD-Funktionärs gegründet, Mitglieder dieser Organisation leisteten zum Teil Ordnerdienste bei NPD-Veranstaltungen. Insbesondere regionale JNund NPD-Aktivisten haben es durch persönliche Kontakte und Unterstützung der Szene geschafft, Skinheads für sich zu gewinnen. 3.1 Bundesweit aktive Skinhead-Organisationen Bundesweit waren im Jahr 2000 drei Skinhead-Gruppierungen aktiv: "Blood & Honour" mit ihrer Jugendorganisation "White Youth", die "Hammerskins" sowie der "Skingirl-Freundeskreis Deutschland" (SFD). "Blood & Honour" Insbesondere der 1993 von Ian Stuart Donaldson in Großbritannien gegründeten international aktiven Skinhead-Organisation "Blood & Honour" war es in den letzten Jahren gelungen, szeneinterne Strukturen auch in Deutschland zu entwickeln. Durch die Organisation von SkinheadKonzerten, die Herausgabe ihres Fanzines sowie infolge der herausragenden Stellung ihrer Mitglieder in den regionalen Szenen konnte sie weit über ihren Mitgliederbestand hinaus Einfluss auf das Milieu ausüben. Der Organisation Rechtsextremistische Bestrebungen 41 gehörten rund 200 Personen in 15 Sektionen im gesamten Bundesgebiet an. Im Vordergrund der Aktivitäten von "Blood & Honour" stand die konspirative Organisation rechtsextremistischer SkinheadKonzerte. Diese hatten - wie in den Jahren zuvor - aufgrund der dort auftretenden Bands eine besondere Anziehungskraft für die Szene. Aus den Publikationen der Organisation ergab sich eine rassistische, antisemitische, den Nationalsozialismus glorifizierende Haltung. "Blood & Honour" trat für eine auf die Überhöhung der weißen Rasse gerichtete Politik ein und lehnte fundamentale Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu Gunsten eines völkisch elitären und nationalistischen Politikverständnisses ab. Im März konnte die Polizei die Verbreitung der Ausgabe Nr. 9 des Exekutivmaßnahmen "Blood & Honour"-Fanzines durch Exekutivmaßnahmen in Berlin, Sachsen-Anhalt und Bayern weitgehend unterbinden. Nicht nur das Magazin, sondern auch die als Beilage vorgesehene CD enthielt strafrechtlich relevante Symbole und Texte. Die diesbezüglichen Strafverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Am 12. September hat der BundesVerbot durch minister des Innern (BMI) "Blood & den BMI Honour - Division Deutschland" sowie ihre Jugendorganisation "White Youth" verboten. 7 Die Vereinigung richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. "Blood & Honour" weist in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf und bekennt sich zu Hitler und anderen führenden Nationalsozialisten. In der organisationseigenen Broschüre "Der Weg Vorwärts" beschreibt ein Autor "Blood & Honour" als "national-revolutionäre Bewegung, der Adolf Hitlers Ideale zugrunde liegen". In einer anderen Publikation der Gruppierung heißt es: Bericht 2000 42 Rechtsextremistische Bestrebungen "Die Patrioten von heute müssen sich auf den größten aller Kriege, den Rassenkrieg, vorbereiten und dafür muss man geheime Strukturen schaffen und bereit sein, sein Leben zu opfern." ("Blood & Honour, Sektion Berlin, Brandenburg, Sachsen, Württemberg, Baden", Ausgabe 2/96) Die Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland und der parlamentarischen Demokratie äußert sich in einer dem Nationalsozialismus entlehnten Sprache. So wird beispielsweise der Deutsche Bundestag als "Schwätzerparlament" tituliert. Die Ausrichtung gegen den Gedanken der Völkerverständigung wird durch die Ablehnung der Außengrenzen Deutschlands deutlich. "Blood & Honour" fordert ein "... Großdeutschland! Ohne Geschichtslügen, Gesinnungsterror und rassenfremde Elemente, in den völkerrechtlich gültigen OSTGrenzen von 1914." ("Blood & Honour" Nr. 9/2000, S. 116) "Hammerskins" Als weitere international aktive rechtsextremistische SkinheadBewegung sind die "Hammerskins" in Deutschland aktiv. Mit dem Ziel, alle weißen Skinheads in einer "Hammerskin-Nation" zu vereinen, verstehen sie sich als elitäre Strömung innerhalb der Szene. Die zunächst nur durch Einzelpersonen in Deutschland vertretene Bewegung bildete seit Mitte der 90er Jahre erste Sektionen, konnte sich aber bis heute nicht in dem Maße wie "Blood & Honour" etablieren. Ihre Mitgliederzahl liegt bei rund 100 Personen. Meist scharen sich diese um langjährige Aktivisten der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Die Hammerskins verherrlichen den Nationalsozialismus und propagieren Rassismus und Antisemitismus. So finden sich in den HammerskinFanzine "Wehrt Euch" nicht nur Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 8, sondern auch rassistische Aussagen wie: "Ganz klar ... die Moral der Geschichte ist nunmal, daß es kein Schwein interessiert ob man ein verschißener NIGGERLOVER ist oder nicht ... Tatsache ist nunmal, wen DER Tag kommt, und sei es nur auf einer verpissten Schultoilette - Dann sieht sich schwarz und weiß in die Augen ... und dann Himmel dir Gott, denn dann kommt es nur auf deine Hautfarbe an und nicht darauf, ob du farbige Bekannte haben solltest oder nicht!!!" ("Wehrt Euch" Nr. 10 (1999), S. 16) Rechtsextremistische Bestrebungen 43 Bundesweit aktiv war darüber hinaus der 1990 von weiblichen Sze"Skingirlneangehörigen gegründete "Skingirl-Freundeskreis Deutschland" Freundeskreis(SFD). Während zu Beginn der 90er Jahre die internen subkulturellen Deutschland" Aktivitäten im Vordergrund standen, entwickelte sich der SFD seit Mitte der 90er Jahre verstärkt zu einer nach außen agierenden Organisation. Auf seiner Homepage im Internet bezeichnete sich der Freundeskreis als gut funktionierende, von Parteien unabhängige Frauenund Mädelkameradschaft, deren Mitglieder über eine "ernste nationale Grundeinstellung" verfügten. Anfang November erklärte der SFD im Internet seine Auflösung ohne Angabe konkreter Gründe. 3.2 Skinhead-Musik Viele Jugendliche finden über die Skinhead-Musik den Einstieg in die rechtsextremistische Szene. Reizen sie zunächst oft nur der harte und aggressive, dem Heavy Metal ähnliche Musikstil sowie das bei den Konzerten vermittelte Gemeinschaftserlebnis, so dürften sie nach und nach auch die in den Liedtexten propagierten Feindbilder übernehmen. Die Zahl der aktiven rechtsextremistischen deutschen SkinheadHohe Fluktuation Musikgruppen, die bei Skinhead-Konzerten auftraten oder ihre bei Skinhead-Bands Musik auf Tonträgern veröffentlichten, ist gegenüber dem Vorjahr leicht angestiegen und liegt nunmehr bei 100 (1999: 93). Obwohl zahlreiche Bands bereits seit Jahren auftreten, ist die Fluktuation hoch; einige lösten sich auf, andere waren über längere Zeit inaktiv, 26 haben sich neu gegründet. Großer Beliebtheit erfreuen sich in der Skinhead-Szene rechtsexAusländische tremistische Bands aus dem Ausland, insbesondere aus den USA, Gruppen Großbritannien, Skandinavien und Kanada. Diese vertreten in ihren Texten häufig offener als deutsche Bands ihre rassistischen und antisemitischen Einstellungen. Gleichwohl ist auch die Aggressivität der von deutschen rechtsextremistischen Skinhead-Bands verbreiteten Texte hoch. Einzelne Bands konzentrieren sich sogar auf die Aufnahme strafrechtlich relevanter Texte. So veröffentlichte die 1994 mit ihrem volksverhetzenden TonträVolksverhetzende ger "Lieder zum Mitsingen" erstmals in Erscheinung getretene Texte "WAW-Kampfkapelle" 9 im Jahr 2000 die CD "Der zweite Streich - Nur vom Feinsten". Diese enthält erneut überwiegend volksverhetzende Titel. So heißt es beispielsweise in einem Lied: Bericht 2000 44 Rechtsextremistische Bestrebungen "Wer vermischt denn unsere Rasse, wer dealt im deutschen Land? Wer ist's, den ich hasse? Der Kanacke, du hast's erkannt. ... Mit der Keule, mit dem Gewehr, Kanacken gibt's bald nicht mehr. ... Platte Nasen, Knoblauchgestank, dreckig ist ihr Blut Weg mit ihnen, es macht mich krank, weg mit dieser Brut. ... Bimbo, Ali, was wollt ihr hier? Nigger, Kanacken, raus aus dem Revier." Im Herbst erschien die neue CD "Ran an den Feind" der rechtsextremistischen Musikgruppe "Landser". Die Mehrzahl der Titel enthält strafrechtlich relevante Passagen. So werden z. B. in dem Lied "Die Ratten aus Bonn" der Bundestag und seine Mitglieder in aggressiver Weise verunglimpft und es wird zur Jagd auf die "Demokratiemeute" aufgerufen: "... stürmt den Reichstag, räuchert sie aus, macht der Rattenbande den Garaus." Weitere Lieder richten sich in volksverhetzender und menschenverachtender Weise gegen Ausländer und Juden. So heißt es z. B. in "Niemals": "Irgendwer wollte den Niggern erzählen, sie hätten hier das freie Recht zu wählen Das haben sie auch: Strick um den Hals oder Kugel in den Bauch?" Rechtsextremistische Bestrebungen 45 Im Titelsong "Ran an den Feind" heißt es: "Wir stellen die Auserwählten zum letzten entscheidenden Schlag, wir halten Gericht, ihre Feldmacht zerbricht ... Refrain: Kameraden, Kameraden, es lautet der Befehl: Ran an den Feind, Bomben auf Israel" Im November erfolgten umfangreiche Exekutivmaßnahmen gegen Personen, die in die Verbreitung des Tonträgers eingebunden waren. Dabei wurden etwa 200 Exemplare des Tonträgers und sonstiges Propagandamaterial sichergestellt. Der bereits 1999 festgestellte Rückgang rechtsextremistischer Weiterer Rückgang Skinhead-Konzerte setzte sich auch im Jahr 2000 fort. Insgesamt fanbei Skinheadden in Deutschland 82 (1999: 109) derartige Veranstaltungen statt; Konzerten das entspricht einem Rückgang um mehr als ein Viertel. Die Polizei löste davon über 20 Konzerte auf, weitere 17 wurden bereits im Vorfeld verboten oder nach intensiven Aufklärungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden von den Veranstaltern abgesagt. Seit dem Sommer war bei Skinhead-Konzerten, insbesondere solchen, die von ehemaligen Mitgliedern der verbotenen Skinhead-Vereinigung "Blood & Honour" organisiert wurden, eine neue Entwicklung zu verzeichnen. Die Polizei sah sich bei diesen Veranstaltungen immer häufiger mit aggressiven Reaktionen der Teilnehmer, die bis zum gewalttätigen Widerstand gegen die Auflösung der Konzerte reichten, konfrontiert. So kam es bei Konzerten am 22. Juli in Holvede (Niedersachsen) und am 23. September in Kaarßen-Laave (Niedersachsen) zu massiven Ausschreitungen durch einen Teil der Teilnehmer. In Kaarßen-Laave wurden 46 Polizeibeamte verletzt. In einer Presseerklärung, die von der "Blood & Honour"-Sektion Weser-Ems nach der Auflösung des Konzerts in Holvede herausgegeben wurde, heißt es: "Für uns (ist es) nur verständlich, dass sich die Wut über derlei Willkür zum Teil in Gewalt gegen die anwesenden Beamten entlud. Absolut unverständlich ist es, dass sich einige Beamte immer noch fragen, warum Menschen wie Kay Diesner 10 auf Polizisten schießen. Bei diesem Verhalten ... sollten sie sich besser fragen, warum die anderen dies nicht machen! Nach dem gewaltsamen Ende der Feier haben Bericht 2000 46 Rechtsextremistische Bestrebungen sich einige Gäste spontan auf den Weg in das benachbarte Tostedt gemacht, um dort - zur Not auch mit Gewalt - auf die Staatswillkür aufmerksam zu machen." RechtsGanz anders als bei der Skinhead-Musik verläuft der Trend bei den extremistische Aktivitäten rechtsextremistischer Liedermacher. Mit insgesamt Liedermacher 44 Konzerten fanden im Jahr 2000 deutlich mehr Veranstaltungen als im Vorjahr statt (1999: 27). Über ein Drittel dieser Auftritte erfolgte im Rahmenprogramm anderer rechtsextremistischer Veranstaltungen, insbesondere solcher der NPD und ihrer Jugendorganisation, der JN. Neben dem seit 1989 aktiven rechtsextremistischen Liedermacher Frank RENNICKE traten 19 weitere Personen auf oder veröffentlichten rechtsextremistische Tonträger. 3.3 Vertrieb von Skinhead-Musik Zahl der rechtsDie Zahl der Vertriebe, die in größerem Umfang rechtsextremistiextremistischen sche Musik anboten, lag mit 46 unter der von 1999 (50). Darüber hinVertriebe aus verkauften auch zahlreiche Szeneläden entsprechende Tonträzurückgegangen ger. Eine große Rolle bei der Verbreitung rechtsextremistischer Musik spielen die "mobilen Händler", die ihre Ware bei SkinheadKonzerten oder sonstigen Szenetreffen anbieten. CDs mit strafbaren Inhalten werden hauptsächlich aus dem Ausland bezogen. Es existieren allerdings auch einige deutsche Vertriebe, die sich hierauf spezialisiert haben. Daneben gibt es zunehmend regional aktive Szeneangehörige, die solche Klangdateien aus dem Internet herunterladen und für ihre Abnehmer auf einem PC nachbrennen. Erfolgreiche Im Rahmen zahlreicher Strafverfahren konnten Polizeiund ZollExekutivmaßnahmen dienststellen im Jahr 2000 erneut mehrere zehntausend Tonträger beschlagnahmen. Am 6. April wurden über 10.000 rechtsextremistische CDs durch ein Zollamt in Sachsen sichergestellt, die an einen Vertreiber weitergeleitet werden sollten. Im Rahmen einer bundesweiten Durchsuchungsaktion gegen Käufer und Händler rechtsextremistischer Skinhead-Musik am 14. Juni wurden rund 1.100 CDs beschlagnahmt. Betroffen waren zahlreiche Kundenund Geschäftspartner eines Versanddienstes in Nordrhein-Westfalen. Rechtsextremistische Bestrebungen 47 Am 18. Juli stellte eine Zollverwaltung in Bayern auf dem Flughafen Nürnberg 3.000 Tonträger mit strafrechtlich relevanten rechtsextremistischen Inhalten sicher, die ein Vertreiber in Bayern geordert hatte. Bei Exekutivmaßnahmen gegen einen langjährigen Szeneaktivisten und Vertreiber rechtsextremistischer Musik aus Weimar stellte die Polizei am 30. August in Sachsen-Anhalt und Thüringen über 6.000 CDs mit überwiegend strafrechtlich relevanten Inhalten sicher. Darüber hinaus beschlagnahmte sie bei der Durchsuchung von insgesamt elf Wohnund Geschäftsräumen ca. 30.000 CD-Cover und Videos, ca. 250 Fanzines sowie eine umfangreiche Kundendatei. 3.4 Skinhead-Fanzines Rechtsextremistische Fanzines sind - trotz der steigenden Bedeutung des Internet - ein wichtiger Faktor der szeneinternen Kommunikation. Sie informieren über Szeneveranstaltungen, insbesondere Konzerte, neue Tonträger und Publikationen. Darüber hinaus enthalten sie vor allem Interviews mit rechtsextremistischen Bands, Berichte über Vertriebe und Herausgeber von Publikationen sowie Selbstdarstellungen szeneinterner aber auch anderer rechtsextremistischer Gruppen. In einigen Fanzines gibt es in letzter Zeit auch vermehrt Darstellungen über Germanenund Wikingerkult sowie über die Black Metalund Dark Wave-Szene. IV. Neonazismus 1. Überblick Das neonazistische Personenpotenzial ist im Jahr 2000 mit Rund 2.200 Neonazis etwa 2.200 Aktivisten gleich geblieben. Ganz überwiegend sind - überwiegend in diese Neonazis in Kameradschaften eingebunden. Aktionistisch Kameradschaften eingebunden und ideologisch geprägt wurde die Szene insbesondere durch das "Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland" (vgl. Nr. 2). Eines der vorherrschenden ideologischen Themen war die oftAgitationsthema mals antiamerikanisch ausgerichtete Kritik an der Globalisierung "Globalisierung" und ihren Folgen. So heißt es in der sich selbst als unabhängiges Organ des "Nationalen Widerstands" bezeichnenden Publikation "Nachrichten Informationen Meinungen" (NIM) des Münchner Neonazis Friedhelm BUSSE: Bericht 2000 48 Rechtsextremistische Bestrebungen "Ist die Globalisierung aber wirklich ein unabwendbares Naturereignis oder nur eine Waffe, um dem internationalen Kapital freie Bahn zu schaffen? ... Die Globalisierungsdebatte suggeriert, der einzelne Staat sei heute nicht mehr den Herausforderungen einer neuen Zeit gewachsen. Der Nationalstaat muss daher wichtige Funktionen abgeben zu Gunsten subnationaler Identitäten, die sich unter dem Dach des Multikulturalismus tummeln." ("Nachrichten Informationen Meinungen Nr. 19, S. 1 f.) Kein Interesse Der 1999 gegründete "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS) an Kooperation sieht sich als parteiund organisationsunabhängiges Diskussionszwischen Rechtsund und Kampfforum "linker" und "rechter" Sozialisten. Seine wesentLinksextremisten lichen Aktivisten, der Neonazi Thomas BREHL und Michael KOTH, ehemals Funktionär der "Kommunistischen Partei Deutschlands - Ost", fordern die Bildung einer nationalen und sozialistischen Volksfront zur Rettung Deutschlands. 11 Die Bedeutung des KDS ist aber gering, da in der rechtsund linksextremistischen Szene kaum Interesse an der von ihm angestrebten Kooperation besteht. Vielfältige Im Gegensatz zu 1999, als mit den Protesten gegen die WanderDemonstrationsausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 themen bis 1944" sowie gegen die NATO und deren Einsatz gegen Jugoslawien zwei zentrale Themen vorherrschten, waren in diesem Jahr die Zielrichtungen bei Demonstrationen breit gefächert: "Anti-Drogen", Demonstrationen "Gegen linke Gewalt", "Arbeit zuerst für Deutsche", "Gegen Inlängegen die derfeindlichkeit" oder "Gegen das Holocaust-Mahnmal" lauteten ei"Systempresse" nige der plakativen Überschriften, unter denen Neonazis auf die Straße gingen. Zunehmend wurde die angebliche Informationsund Meinungsdiktatur der "Systempresse" thematisiert. So demonstrierten am 20. August in Hamburg rund 160 Rechtsextremisten unter dem Motto "Gegen Lüge und Hetze der Bild-Zeitung! - Enteignet Springer!";12 rund 90 Teilnehmer erschienen zu einer Kundgebung am 3. September in Hamburg gegen die Hamburger MorDemonstration am 29. Januar in Berlin genpost. Rechtsextremistische Bestrebungen 49 Beide Demonstrationen hatte der Hamburger Neonazi Christian WORCH angemeldet. Ansonsten traten meist die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands"/"Junge Nationaldemokraten" (NPD/JN) oder eines ihrer Mitglieder als Anmelder der Kundgebungen auf; die Vielzahl der beteiligten Neonazis vermittelte allerdings oft eher den Eindruck, dass sie selbst für die Veranstaltung organisatorisch verantwortlich waren. "Anti-Antifa"-Aktivitäten haben sich "Anti-Antifa" zu einem wesentlichen Schwerpunkt ein Schwerpunkt neonazistischer Aktivitäten entwickelt. neonazistischer Aktivitäten Das Sammeln und Verbreiten persönlicher Daten wie Adressen, Telefonnummern und Arbeitsstellen politischer Gegner geschieht dabei zunehmend über das Internet. Auf anonymen, oft nur kurzzeitig eingestellten Seiten finden sich "schwarze Listen" oder "Hass-Seiten". So wünschte der anonyme Betreiber der Homepage "ANTI-Antifa Seite" dem Leser Spaß mit den veröffentlichten Anschriften und Telefonnummern von ein "paar Linken, ANTIFA Organisierten, Punks und sonstigem Linken Müll". Indirekt rief er zu Telefonterror und Gewalt auf. Der Leser wurde darüber hinaus aufgefordert, Adressen und Telefonnummern von "Linkem Gesocks" zu übersenden; diese würden dann Eingang in die Liste finden, um "die Rote Scheisse (zu) besiegen". Unter der Überschrift "Die Anti-Antifa braucht auch Dich!" rief "Anti-Antifa auch die "Anti-Antifa Saarpfalz" auf ihrer Homepage zur Mithilfe bei Saarpfalz" gegen der Sammlung von Namen, Adressen und Fotos von politischen Geg"Rote Feinde" nern auf. Die "Anti-Antifa Saarpfalz" führe gezielte Aktionen gegen "unsere Roten Feinde" durch. Selbst vor Morddrohungen schreckte die "Anti-Antifa" nicht Morddrohungen der zurück. So wurden Mitte April und Mitte Juli in Elmshorn (Schleswig"Anti-Antifa" - Holstein) Plakate festgestellt, auf denen ein Kopfgeld in Höhe von Gewalttaten 10.000 DM auf einen dortigen IG-Metall-Funktionär ausgesetzt worden war. Er hatte öffentlich vor rechtsextremistischen Tendenzen gewarnt. Die Tatverdächtigen dürften aus der neonazistischen Szene im Raum Elmshorn stammen. Bisher sind Gewalttaten auf solche Aufrufe hin nicht bekannt Gefahr von geworden. Die steigende Zahl von "Anti-Antifa"-Veröffentlichungen "Anti-Antifa"und die in der rechtsextremistischen Szene zunehmende Akzeptanz von Gewalt birgt aber die Gefahr, dass eine Gruppe oder Einzelne sich zu Angriffen animiert fühlen. Bericht 2000 50 Rechtsextremistische Bestrebungen 2. Neonazistische Kameradschaften Rassismus, Einheitliches Merkmal der etwa 150 Kameradschaften (1999: 150) ist Fremdenhass und deren neonazistische Grundhaltung, geprägt durch ein aggressives Antisemitismus Eintreten für ein nationalsozialistisches System, offenen Rassismus, prägen die Fremdenhass und Antisemitismus. Unterschiede zeigen sich vor Kameradschaften allem in den Strukturen und der Aktionsfähigkeit. Mitgliedschaften und Beiträge sind verschieden geregelt, auch ist die Bedeutung von Funktionsträgern und Hierarchien nicht überall gleich. Zudem sind die Kameradschaften nicht immer politisch homogen: So sind bei einigen neben Neonazis auch rechtsextremistische Skinheads vertreten. Viele Kameradschaften orientieren sich an der NPD und den JN. Unterschiedliche Eine Kameradschaft zählt in der Regel zwischen 5 und 20 - fast ausOrganisationsschließlich männliche - Mitglieder, meist im Alter zwischen 18 und strukturen bei 25 Jahren. Die neonazistische Gesinnung der Mitglieder ist häufig beKameradschaften reits gefestigt, der Wille zu politischer Aktivität ist deutlich vorhanden. Ein Mindestmaß an Organisationsstruktur ist auch bei Kameradschaften erforderlich, wenn deren Identität und Handlungsfähigkeit gewährleistet sein sollen. So ist meist eine Führungsperson ("Kameradschaftsführer") vorhanden, die Kameradschaftsabende oder sonstige Unternehmungen initiiert. Es gibt aber auch Kameradschaften, die wesentlich straffer organisiert sind. Regelmäßige Treffen, Mitgliedsbeiträge, Kameradschaftsembleme oder die Verteilung von Aufgaben sind Ausdruck einer manchmal fast vereinsmäßigen Ordnung. "Hamburger Sturm" Der am 11. August verbotene "Hamburger Sturm" besaß eine solche verboten Organisationsstruktur und erfüllte damit die Merkmale eines Vereins im Sinne des SS 2 Abs. 1 Vereinsgesetz. Die Gruppierung brachte eine Publikation gleichen Namens heraus, trat aber auch bei Demonstrationen - zum Teil unter dem Namen "Hamburger Sturm 18" 13 auf. Sie verherrlichte den Nationalsozialismus und vertrat rassistische und ausländerfeindliche Positionen. In der Zeitschrift "Hamburger Sturm" wurde auch die demokratische Staatsform verächtlich gemacht und der Einsatz von Gewalt gerechtfertigt. Der Innensenator der Hansestadt verbot die Organisation, weil sich ihre politischen Zielsetzungen und Aktivitäten gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten. KameradschaftsUm ihre Aktionsfähigkeit zu steigern und ihre Aktivitäten aufeinbündnis ander abzustimmen, haben sich in verschiedenen Regionen Deutsch"Nationales und lands Kameradschaftsbündnisse gebildet. Die Vernetzung der NeoSoziales Aktionsnaziszene konnte so zumindest auf regionaler Ebene ausgebaut bündnis Norddeutschland" werden. Am erfolgreichsten war insofern das "Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland", das auch unter Bezeichnungen Rechtsextremistische Bestrebungen 51 wie "Initiative gegen Drogenfreigabe" oder "Initiative Volksaufklärung" auftritt. Dahinter steckt das von dem Hamburger Neonazi Thomas WULFF 1996 entwickelte Konzept der "Freien Nationalisten", das auf eine Bündelung der zersplitterten neonazistischen Einzelaktivisten und Kameradschaften abzielt, um ihre Handlungsfähigkeit zu erhöhen. Anlassbezogen arbeitet man insbesondere mit der NPD oder den JN zusammen, wie beispielsweise am 1. Mai in Berlin-Hellersdorf: Unter dem Motto "Arbeit für Millionen - statt Millionen für das Ausland" demonstrierten gemeinsam Anhänger der NPD sowie Neonazis und Skinheads. Neben dem NPD-Bundesvorstandsmitglied Andreas STORR, der die Kundgebung angemeldet hatte, sprach auch Christian WORCH, einer der führenden Köpfe der "Freien Nationalisten" Norddeutschlands. Viele Kameradschaftsmitglieder stehen wegen ihrer aktionsbeGespaltenes tonten Orientierung den rechtsextremistischen Parteien grundsätzVerhältnis zur NPD lich kritisch gegenüber. Allein NPD und JN mit ihren zum Teil aus neonazistischen Organisationen stammenden führenden Funktionären und ihrer bei zahlreichen Demonstrationen gezeigten Bereitschaft zum "Kampf um die Straße" üben auf einen Großteil der Kameradschaftsszene Anziehungskraft aus. Diese Anziehungskraft wirkt aber auch umgekehrt: NPD und JN mobilisieren Mitglieder neonazistischer Kameradschaften für ihre vielen Demonstrationen. Außerdem ist dieses Personenspektrum bei der Mitgliedergewinnung und dem Versuch der NPD, im "nationalen Lager" die Vorherrschaft zu erlangen, von großer Bedeutung. Zahlreiche Mitglieder in Kameradschaften sind auch Mitglied in der Partei oder deren Jugendorganisation. Wegen der Verbotsdiskussion hatte die NPD ihre Aktivitäten auf der Straße vorübergehend eingestellt. Ein Teil der Neonazis in den Kameradschaften hat schon länger enge Verbindungen zur NPD und den JN abgelehnt oder aber allenfalls mit kritischer Solidarität betrachtet. Diese Kameradschaftsmitglieder befürchten, dass die NPD die MeiDemonstration am 9. Dezember in Köln nungsführerschaft innerhalb des "Nationalen Widerstands" erlangen könnte, die Kameradschaftsmitglieder sich der Parteidisziplin unterordnen und auf eigenständige Handlungsmöglichkeiten und Einfluss verzichten müssen. Bericht 2000 52 Rechtsextremistische Bestrebungen Verzicht auf Neonazistische Kameradschaften haben bisher überwiegend Gewaltanwendung nicht versucht, ihre politischen Ziele mit Gewalt durchzusetzen. oft aus taktischen Selbst bei Demonstrationen des rechtsextremistischen Spektrums Gründen vermied man in der Regel Gegenwehr auf gewalttätige Übergriffe - wie beispielsweise Steinund Flaschenwürfe - von militanten Autonomen. Grund für eine derartige Zurückhaltung ist neben der Angst vor weiteren staatlichen Exekutivmaßnahmen die Vorstellung, durch diszipliniertes Auftreten Sympathien in der Bevölkerung zu wecken. Gewaltbejahende Indessen mehren sich in neonazistischen Kameradschaften wie in Äußerungen der gesamten neonazistischen Szene gewaltbejahende Äußerungen. mehren sich Angesichts von Waffenund Sprengstofffunden bei Rechtsextremisten sind solche Äußerungen sehr ernst zu nehmen, zumal diese Waffen zum Teil für den politischen Kampf beschafft worden waren (vgl. Kap. III). Sollten sich die Befürworter von Gewalt durchsetzen, besteht die Gefahr, dass sich einzelne neonazistische Kameradschaften zu militanten Kameradschaften entwickeln. Gefahr von Der in Kameradschaftskreisen oft unverhohlen geäußerte Hass Gewalttaten auf Fremde und politisch Andersdenkende, das verbreitete Gefühl, einzelner einer kleinen und von vielen Seiten bedrängten, aber auch entKameradschaftsschlossenen und opferbereiten Elite anzugehören, kann - verbunden mitglieder mit zunehmenden szeneinternen Gewaltaufrufen - manchen Kameradschaftsangehörigen zu Gewalttaten veranlassen. 3. Neonazistische "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) gegründet: 1979 Sitz: Frankfurt/M. Bundesvorsitzende: Ursula MÜLLER Mitglieder: 550 (1999: 500) Publikation: "Nachrichten der HNG", Auflage: rund 600, monatlich Betreuungswerk Die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren für "nationale Angehörige e. V." (HNG) versteht sich als Betreuungswerk für "natioGefangene" nale Gefangene". Ihre Hauptaufgabe sieht die HNG weniger in der materiellen als vielmehr in der psychischen Unterstützung inhaftierter Gesinnungsgenossen mit dem Ziel, diese in der rechtsextremistischen Szene zu halten. Außerdem will sie das Bewusstsein von Rechtsextremistische Bestrebungen 53 Rechtsextremisten wecken oder bestärken, kein wirkliches Unrecht begangen zu haben; damit stellt sie sich gegen den Strafverfolgungsanspruch des Staates und untergräbt so den Zweck von Strafen, den Täter zu Einsicht und Umkehr zu bewegen. Die "Betreuung der in Deutschland inhaftierten politischen Gefangenen" 14 ist - so die Bundesvorsitzende Ursula MÜLLER bei Einsatz ihrer Dankesrede anlässlich der Verleihung des mit 2.000 DM dotierfür politische ten "Nationalen Solidaritätspreises" der NPD - erforderlich, Gewalttäter "... um die Folgen jenen Unrechts zu lindern, das mittels Besatzerrecht aus Angehörigen unseres Volkes Politkriminelle macht." ("Nachrichten der HNG", Juli 2000, S. 18) Betreut würden "selbstverständlich keine 'Kriminellen', sondern jene, die " 'mittels zurechtgefälschter Zeugenaussagen zu Gewalttätern hingelogen werden'. Die Verfahrensakten von Mölln, Solingen, Lübeck stünden als ,Brandmale der Falschheit' in der politischen Landschaft der BRD." ("Nachrichten der HNG", Juli 2000, S. 18) Die "Nachrichten der HNG" enthalten eine "Gefangenenliste", der Symbolfigur seit 1990 ein Bild des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß als dem "MärRudolf Heß tyrer des Friedens und Symbol der unterdrückten Freiheit in Deutschland!" vorangestellt wird.15 Diese Gefangenenliste soll sowohl eine angebliche politische Verfolgung dokumentieren als auch den Kontakt zu den "nationalen Gefangenen" ermöglichen. Die Organisation - so heißt es regelmäßig in den "Nachrichten Informationsder HNG" - sei bemüht, sammlung über Staatsanwälte, Polizisten und "... die Eingriffe des BRD-Regimes in die politischen GrundfreiRichter heiten nationaldenkender Menschen lückenlos zu dokumentieren. ... Um die Verantwortlichen später einmal zur Rechenschaft ziehen zu können, brauchen wir möglichst viele Informationen. ... Dazu gehören auch die Namen von Staatsanwälten, Einsatzleitern der Polizei oder Richtern, die mit den jeweiligen Vorgängen zu tun haben." ("Nachrichten der HNG", Juli 2000, S. 2) Bericht 2000 54 Rechtsextremistische Bestrebungen Leserbriefe mit Einen wesentlichen Bestandteil der "Nachrichten der HNG" stelDurchhalteparolen len die veröffentlichten Leserbriefe dar. Die meist als Dankschreiben an Ursula MÜLLER abgefassten Briefe enthalten oft Durchhalteparolen. So schreibt ein ehemaliger Inhaftierter in seinem mit "volkstreuem Gruß" unterzeichneten Brief: "Einen herzlichen Dank für Deine Kameradschaft. ... Der Kampf wird weitergeführt - und diesmal gestärkt durch die Verbindung zu Kameraden, die ich durch die HNG aufbauen konnte, noch erfolgreicher und besser". ("Nachrichten der HNG", Juni 2000, S. 7) Für die rund 550 Mitglieder - überwiegend aus der zersplitterten Neonaziszene - besitzt die HNG die Funktion einer Klammer, die einen gewissen Zusammenhalt der Szene sichert. V. Parteien 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) gegründet: 1964 Sitz: Berlin Bundesvorsitzender: Udo VOIGT Mitglieder: 6.500 (1999: 6.000) Publikation: "Deutsche Stimme", monatlich, Auflage: 10.000 16 Unterorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN), "Nationaldemokratischer Hochschulbund e. V." (NHB) 1.1 Zielsetzung Gegen die bestehende Die NPD versteht sich als nationale Weltanschauungspartei, deren freiheitliche Handeln ein Bekenntnis - auch laut Parteiprogramm - zum "lebensGrundordnung richtigen Menschenbild" zugrunde liegt. 17 Die Partei strebt - so ihr Bundesvorsitzender Udo VOIGT - die Errichtung einer neuen Ordnung als "Alternative zum liberalkapitalistischen System des BRDDeutschlands der Westalliierten" an. Die NPD kämpft gegen das "System", womit sie die nach 1945 unter dem Einfluss der Alliierten in Deutschland wiederbegründete freiheitliche Ordnung meint, die die Partei als aufgezwungen und illegitim brandmarkt. Die NPD ver- Rechtsextremistische Bestrebungen 55 wendet den Begriff in bewusster Anlehnung an den Nationalsozialismus, der dieses Wort verächtlich für die Weimarer Republik benutzte. Der stellvertretende Parteivorsitzende Dr. Hans Günter EISENECKER erklärte auf dem Parteitag des NPD-Landesverbands Berlin-Brandenburg am 23. Januar in Borgsdorf (Brandenburg), nur die NPD könne in Deutschland dem inzwischen für alle sichtbaren Fäulnisprozess des Bonner Systems eine glaubwürdige Alternative entgegenstellen. Unter dem Beifall der Anwesenden betonte EISENECKER: "Wir wollen nicht bewahren, wir wollen dieses System überwinden, weil davon das Überleben unseres Volkes abhängt." ("Zündstoff - Mitteilungsblatt des NPD-Landesverbands BerlinBrandenburg" Nr. 1/2000, S. 2) Mit einem überzeugten Kader gut geschulter Führungskräfte und der Begeisterungsfähigkeit ihrer Mitglieder und Anhänger will die NPD eine glaubhafte politische Alternative sein und schon bald die politische Machtfrage stellen, um aus der "multikulturellen Gesellschaftsordnung der BRD" eine neue nationale Volksgemeinschaft zu schmieden.18 Dabei setzt die NPD insbesondere auf die Jugend. So erklärte VOIGT am 27. Mai bei einer NPD-Saalveranstaltung in Passau: 19 "Der NPD muss es gelingen, den bereits vorhandenen sozial-revolutionären Geist zu kanalisieren, die Kräfte zu bündeln und für die längst überfällige neue politische Ordnung zu gewinnen. Unser größtes Augenmerk richten wir auf die Jugend ... Wir müssen dieser Jugend beibringen, die Zustände unter denen sie zwangsläufig aufwächst, nicht zu akzeptieren, sondern ... aufzeigen, dass wir gemeinsam als Deutsche sehr wohl eine Zukunft haben werden, ... . Voraussetzung dafür ist ... die Schaffung einer Volksgemeinschaft!" ("NPD-Infoseiten": "2. Tag des nationalen Widerstandes", S. 3) In einem Beitrag im Parteiorgan "Deutsche Stimme" vom Juli stellte VOIGT fest, die NPD habe gegenüber der Partei "Die Republikaner" (REP) und der "Deutschen Volksunion" (DVU) eine Besonderheit: Sie verfüge über geschulte Kader, weltanschaulich gefestigte Mitglieder sowie den nicht zu unterschätzenden Zugang zur Jugend, somit über das notwendige Aktionspotenzial auf der Straße. 20 Bericht 2000 56 Rechtsextremistische Bestrebungen Den völkisch-kollektivistischen Primat der NPD bekräftigte VOIGT in seiner Rede vor dem Bundesparteitag am 18./19. März in Mühlhausen/LKrs. Neumarkt (Bayern). Er rief die Partei dazu auf, den Menschen wieder klarzumachen, welchen Wert jeder Einzelne von ihnen innerhalb einer intakten Volksgemeinschaft hätte - mit dem Ziel, ein Alternativmodell zum Liberalkapitalismus in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. 21 Volksgemeinschaft In dem im Frühjahr erstmals erschienen Schulungsheft "Weg und und "volksbezogener Ziel" des Bildungsreferats im Parteivorstand erläutert die NPD ihre Sozialismus" Vorstellungen von der Volksgemeinschaft und von einem "volksbezogenen" Sozialismus.22 Danach setzt sie der "anarchistischen Utopie der absoluten Freiheit des Individuums" die "bewusste, an die Gemeinschaft des Volkes gebundene Freiheit" gegenüber. Der "utopischen Idee der internationalen 'menschlichen Gesellschaft'" stellt sie die "nationale Volksgemeinschaft" gegenüber. Der von der NPD erstrebte "volksbezogene Sozialismus", den die Partei definiert als das wortlose Bewusstsein, das den Einzelnen in ein Ganzes einfügt, hat als Bezugspunkt die nationale Gemeinschaft des Volkes, die eine Schicksalsund Leistungsgemeinschaft sei. Jeder Volksangehörige habe das Recht und die Pflicht, an der Gestaltung und dem Leben in dieser Gemeinschaft mitzuwirken. Das Bekenntnis zur Volksgemeinschaft fasste VOIGT im August nochmals zusammen: Damit seien Solidarprinzip, Volkssozialismus, gemeinsame ethnische und kulturelle Entwicklung und eine raumorientierte Volkswirtschaft untrennbar verbunden. Die neue politische Ordnung würde die dem Kapitalismus dienende moderne Massengesellschaft durch eine dem Menschen dienende solidarische Volksgemeinschaft ersetzen; gelinge dies nicht, würden die Völker und Nationalstaaten untergehen. 23 Volksgemeinschaft Mit ihrer ständigen Forderung nach Schaffung einer Volksgeund meinschaft verwendet die NPD einen zentralen Begriff des NationalNationalsozialismus sozialismus, der darunter insbesondere eine Blutsund Schicksalsgemeinschaft verstand, in der die Interessen des Einzelnen bedingungslos der Gemeinschaft der Volksgenossen untergeordnet wurden. Dass die NPD - wie der Nationalsozialismus - die Volksgemeinschaft auch als Schicksalsgemeinschaft versteht, geht aus dem Beitrag eines Autors im Parteiorgan "Deutsche Stimme" vom März 2000 hervor. Unter der Überschrift "Wie die Frankfurter Schule die Köpfe der Nachkriegsdeutschen vergiftete" wird dort behauptet, die kleine Gruppe von Remigranten, die vor rund 50 Jahren die (Denkrichtung der) "Frankfurter Schule" neu begründet hätten, habe ihr Ziel erreicht: Rechtsextremistische Bestrebungen 57 Das Volk als Schicksalsund Abstammungsgemeinschaft sei dem Konstrukt einer "vom Naturzwang emanzipierten Gesellschaft" gewichen. 24 Die von der NPD erstrebte neue Ordnung mit ihrem vom Nationalsozialismus entliehenen kollektivistischen Modell der Volksgemeinschaft ist unmittelbar gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet, in deren Mittelpunkt das Individuum steht. Dass die Zielsetzung der Partei mit dem Menschenbild des Grundgesetzes unvereinbar ist, wird auch aus Äußerungen des ehemaligen Linksterroristen und heute maßgeblich für die NPD aktiven Horst MAHLER, der seit dem Sommer auch Parteimitglied ist, deutlich. Er spricht sich für antipluralistische Gesellschaftskonzeptionen aus und lehnt allgemeingültige Menschenrechte, die zur "Vernichtung der souveränen Nationen" führten, ab. So erklärt MAHLER in einem zusammen mit dem ehemaligen REPBundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER verfassten Buch: "Ich bin also dafür, den Sozialstaat als eine menschenunwürdige Einrichtung zu liquidieren und eine solidarische Volksgemeinschaft an dessen Stelle zu setzen." (Horst MAHLER/Franz SCHÖNHUBER, "Schluß mit deutschem Selbsthaß. Plädoyers für ein anderes Deutschland",25 Berg am Starnberger See 2000, S. 22) Aussagen der Partei sowie einiger maßgeblicher Funktionäre aktiv-kämpferische, lassen weiterhin eine aktiv-kämpferische, aggressive Diktion erkenaggressive Diktion nen, die bis hin zur Militanz reicht. So forderte der Parteivorsitzende Udo VOIGT: "Reiht Euch ein, ... . Der Kampf um Deutschland ist noch lange nicht zu Ende!" und bekräftigte, die NPD werde ihren Beitrag zur längst überfälligen Machtablösung leisten.26 In der "Deutschen Stimme" vom Februar äußerte sich VOIGT wie folgt: "Die NPD ist der Garant dafür, das 'Übel' bei der Wurzel zu packen und mit Stumpf und Stil auszureißen." ("Deutsche Stimme" Nr. 2/2000, S. 2) Bericht 2000 58 Rechtsextremistische Bestrebungen Ein anderer Funktionär drohte denjenigen, die heute nationale Kameraden verfolgten, sie würden eines Tages vor dem Volksgerichtshof stehen. 27 "3-Säulen-Konzept" Die NPD äußert ihre verfassungsfeindlichen Ziele zudem nicht nur verbal, sondern sie will diese im Rahmen ihres strategischen "3-Säulen-Konzeptes"28 auch in einer aktiv-kämpferischen und aggressiven Weise umsetzen. So forderte der sächsiche Landesvorsitzende Winfried PETZOLD in der "Sachsen Stimme" in militanter Diktion und in einer an den Nationalsozialismus erinnernden Wortwahl: "Jetzt, da die politische Abenddämmerung der Bonner/Berliner Besatzerrepublik anbrach, muß der nationale Widerstand mit verstärkten Repressionen rechnen. Dagegen gilt es Vorbereitungen zu treffen. ... Geben wir der deutschen Jugend die Möglichkeit zu Protest und Widerstand. ... Zukünftig kann und darf die Partei auf das bewährte Kampfmittel der Demonstration nicht verzichten. Wenn die Medien und das korrupt-verkommene Regime gegen uns hetzen, dann gibt es nur ein Gegenmittel: Die Wut auf die Straße tragen! ... Wenn eine Änderung der politischen und damit wirtschaftlichen Verhältnisse zum Überleben unseres Volkes erreicht werden soll, dann nur mit entschlossenen, hochmotivierten Kämpfern für die deutsche Sache. ... Der zweifellos bevorstehende Endkampf bedarf gut geschulter politischer Soldaten, die aus voller Überzeugung bereit sind, im Notfall alles zu opfern, ja das Letzte zu geben. ... Festigen wir unsere Reihen, bauen wir die Bewegung zu einer Festung aus! ... Kameraden, alles für das ewige Leben unseres Volkes! Alles für Deutschland! Ihnen gilt unser Kampf! Ihnen gilt unser Einsatz!" ("Sachsen Stimme" Januar - April 2000, S. 4 ff.) "Kampf um die In einer Sonderbeilage der "Deutschen Stimme" vom März zum Straße" 35-jährigen Parteijubiläum wird erklärt, die NPD wolle sich im Kampf um die Straße durchsetzen. VOIGT wird mit den Worten zitiert: "Neu wird die Konsequenz in der Durchsetzung unserer Ziele sein. ... Unser revolutionärer Kampf fängt jetzt erst richtig an." ("Aufbruch 2000", Sonderbeilage zur "Deutschen Stimme" Nr. 3/2000 zum 35-jährigen Bestehen der NPD) Auf dem von der Partei veranstalteten "2. Tag des nationalen Widerstandes" am 27. Mai in Passau agitierte VOIGT mit Slogans wie: Rechtsextremistische Bestrebungen 59 "Deutschland, wir warten auf Deine Befehle! Für eine bessere Zukunft unseres Volkes! Deutschland den Deutschen! Nationaler Widerstand, erwache! ... Organisierter Widerstand bedeutet Macht! Darum muss die Bewegung jetzt Partei ergreifen! Wir brauchen die politische Macht, damit Deutschland und seine Kinder wieder eine hoffnungsvolle Zukunft haben." ("NPD-Infoseiten": "2. Tag des nationalen Widerstandes", S. 6) Der sächsische Landesvorsitzende Winfried PETZOLD sprach sich im Januar in einem Beitrag in der vom Landesverband herausgegebenen "Sachsen Stimme" unter der Überschrift "NPD 2000. Mit geschlossenen Reihen vorwärts" dagegen aus, politische Veränderungen allein durch Wahlen anzustreben: "Nach 10 Jahren BRD in Mitteldeutschland liegt es klar auf der Hand, daß ein Wandel zum Besseren durch Wahlen nicht zu erreichen ist. ... Unsere Partei versteht sich als Kampfund Sammlungsbewegung aller nationalen Kräfte, sie ist kein Wahlverein. Wahlen sind eines von vielen Mitteln des politischen Kampfes, jedoch kein ausschließliches. ... Nicht im erfolglosen Wahlprozentkampf liegen unsere Chancen, sondern im Ausbau der eigenen Stärke ... ." ("Sachsen Stimme" Januar - April 2000, S. 5 f.) Bericht 2000 60 Rechtsextremistische Bestrebungen "Nationale AußerAusdruck einer aggressiven Strategie der NPD ist auch das Konparlamentarische zept der "Nationalen Außerparlamentarischen Opposition" (NAPO), Opposition" ein Begriff, den VOIGT erstmals im Februar 1998 auf dem "1. Tag des Nationalen Widerstands" in Passau öffentlich als Synonym für den "Nationalen Widerstand" auf der Straße verwandte. Laut VOIGT hat die NPD den Kampf um die Straße als Speerspitze der "Nationalen Außerparlamentarischen Opposition" aufgenommen.29 VOIGT bekräftigte damit die strategische Position der NPD, wonach eine Massenwirkung nur durch die Mobilisierung der Straße zu erreichen ist. In seiner Rede am 27. Mai in Passau unterstrich VOIGT, die Partei müsse sich der Methoden einer "Außerparlamentarischen Opposition" bedienen: "Gerade die ständigen Rechtsbrüche der Herrschenden zeigen, daß eine nationale APO, daß die NAPO notwendig ist. Wir brauchen die NAPO sowohl als Ausdruck des Protestes gegen Willkür und Unterdrückung, wie zur Formierung der Geschlossenheit und des Zusammenhalts unserer Aktivisten und als verlängerten Arm unserer künftigen Abgeordneten im Parlament. Das Zusammenspiel der Kräfte auf der Straße mit geistiger Elite und parlamentarischer Unbestechlichkeit wird dann glaubhafte Alternative zu den sogenannten 'Volksvertretern', die uns zu oft als Abzocker, notorische Nestbeschmutzer und vaterlandslose Gesellen im Dienste fremder Mächte erscheinen." ("NPD-Infoseiten": "2. Tag des nationalen Widerstandes", S. 6 f.) Die aggressive Strategie der NPD wird auch bei dem von ihr vertretenen Nationalismus deutlich: Im Schulungsheft "Weg und Ziel" heißt es, entscheidendes Kennzeichen sei dessen revolutionäres Ziel, das eine Orientierung am nationalen und sozialen Status quo ausschließe. Im Interesse der Menschen und des ganzen Volkes werde eine Veränderung der territorialen und sozialen Zustände eingeleitet, die zwangsläufig revolutionären Charakter haben müsse. 30 Rechtsextremistische Bestrebungen 61 So erklärte der sächsische Landesvorsitzende PETZOLD in der Diskussion um die "Sachsen Stimme" im Zusammenhang mit einer angeblichen Kultur Schaffung von des nationalen Widerstandes, gegenwärtig entständen in vielen "befreiten Zonen" Regionen "Mitteldeutschlands" nationale Szeneläden, die nebenbei als Treffpunkte dienten, wo Veranstaltungstipps und Konzerttermine ausgetauscht würden. Im Umfeld solcher Stätten bildeten sich "national befreite Zonen" heraus. PETZOLD rief dazu auf, Strukturen zu schaffen, die ein Überleben Deutsch denkender Menschen in Zukunft unter vielleicht noch schwereren Bedingungen ermöglichten. 31 Ein Redakteur der "Deutschen Stimme" und Beisitzer im NPD-Landesvorstand Bayern erklärte im Februar im Parteiorgan unter der Überschrift "Unsere Doktrin ist die Tat", Wahlen seien immer Mittel zum Zweck und würden nie den entscheidenden Ausschlag zur Befreiung unseres Volkes geben. Deshalb werde das Projekt "befreite Zonen" immer beliebter. 32 Die im Jahr 2000 verstärkt geführte Diskussion um "befreite Zonen" geht auf ein erstmals 1991 vom "Nationaldemokratischen Hochschulbund e. V." (NHB) veröffentlichtes Konzept "Revolutionärer Weg konkret: Schafft befreite Zonen!" zurück. Darin definiert ein unbekannter Autor den Begriff der "befreiten Zonen" wie folgt: "Einmal ist es die Etablierung einer GEGENMACHT. Wir müssen Freiräume schaffen, in denen WIR faktisch die Macht ausüben, in denen WIR sanktionsfähig sind, d. h. WIR bestrafen Abweichler und Feinde, WIR unterstützen Kampfgefährtinnen und -gefährten ... . Befreite Zonen sind sowohl Aufmarschals auch Rückzugsgebiete für die Nationalisten Deutschlands." ("Vorderste Front - Zeitschrift für politische Theorie & Strategie" des NHB, Ausgabe 2/Juni 1991, S. 4 f.) Dieses Verständnis von "befreiten Zonen" stellt das staatliche Gewaltmonopol infrage und zielt auf die Etablierung rechtsfreier Räume. Daneben gibt es in der NPD auch Stimmen, die mit dem Begriff "befreite Zonen" Vorstellungen über eine "Eroberung kultureller Freiräume",33 ihre Nutzung als "geistige, moralische und seelische Kraftquelle"34 oder die Befreiung aus einer "sozialen Isolation durch die sog. 'gesellschaftlich relevanten Gruppen'"35 verbinden. Die NPD agitiert unverändert aggressiv fremdenfeindlich. Die rasFremdenfeindlickeit sistisch motivierte Fremdenfeindlichkeit der Partei erschöpft sich Bericht 2000 62 Rechtsextremistische Bestrebungen dabei nicht in gelegentlichen Äußerungen einzelner Funktionäre oder Mitglieder, sondern ist Parteijargon und Bestandteil der Ideologie vom "lebensrichtigen Menschenbild".36 So erklärte der Landesverband Nordrhein-Westfalen im März, die NPD bekenne sich zum "lebensrichtigen Menschenbild" und zur Vielfalt der Völker, repräsentiert durch die Vielfalt der Rassen. Jeder, der dazu eine andere Auffassung vertrete, hasse und bekämpfe nicht nur das eigene Volk, sondern er bekämpfe jedes Volk und jede andere Menschenrasse der Erde mit dem Ziel, gewachsene Kulturen zu zerstören. Ein System, das durch seine Apologeten jederzeit von der Einhaltung der Menschenrechte rede, sich aber selbst der "Rassenvermischung" und der "Auflösung des eigenen Volkes" verschrieben habe, heuchele nur und verachte das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Der Beitrag schließt mit dem Slogan: "Rassenvermischung ist gegen die Natur und Völkermord!".37 Im NPD-Schulungsheft "Weg und Ziel" heißt es, eines der wichtigsten biologischen Grundprinzipien sei das der Erhaltung der Art. Sämtliche für das menschliche Leben zu treffenden Regelungen müssten dies berücksichtigen. Die Antriebe des menschlichen Verhaltens seien weitgehend angeboren. Dies gelte insbesondere für die "arterhaltenden Elemente". Darüber hinaus bekundet die NPD: "Die Wurzeln des Nationalismus sind tief in der sozialen Territorialität fast jedes Volkes und jeder Rasse eingebettet. ... Der Nationalismus ist die politische Ausprägung des Territorialverhaltens und dient der Arterhaltung, also einem biologischen Grundprinzip." ("Weg und Ziel - Nationalistisches Schulungsheft" Nr. 1/April - Juni 2000, 2. Auflage, S. 6 f.) Die vom NPD-Landesverband Sachsen herausgegebene "Sachsen Stimme" behauptete im Frühjahr, Deutschland sei wirtschaftlich abhängig, seine Firmen internationalisiert und das Volk werde über Medien und Zuwanderung geistig und genetisch zersetzt. 38 Im April agitierte Jürgen DISTLER, Mitglied des Parteivorstands und Chefredakteur der "Deutsche Stimme", indische Programmierer seien vom "Kapital gefordert, damit der Rubel rollt". Deswegen werde mit einer geradezu infernalischen, verbrecherischen Bosheit und Hinterlist die Umvolkung Deutschlands weiterbetrieben. 39 Rechtsextremistische Bestrebungen 63 Im Juni 2000 erklärte ein ständiger Autor im Parteiorgan: "Immer wieder war Mitteleuropa in seiner Geschichte durch rassenfremde Eindringlinge wie Hunnen, Magyaren, Mongolen, Araber und Türken bedroht. Im Kampf gegen die zunehmende rassische Überfremdung sollten uns die Nibelungen Warnung und Vorbild zugleich sein." ("Deutsche Stimme" Nr. 6/2000, S. 13) Die in der rassistischen Agitation enthaltene Abwertung von Fremden verletzt die Menschenwürde und verstößt insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Die NPD verbreitet auch weiterhin antisemitische Propaganda Antisemitismus bzw. bietet Antisemiten ein Forum für ihre Agitation. So versucht Horst MAHLER auf der Internet-Homepage des NPD-Landesverbands Sachsen-Anhalt, den Antisemitismus zu rechtfertigen, indem er ihn als Notwehrhandlung darstellt, die aus einer natürlichen und zwingenden Entwicklung entstanden sei.40 MAHLER sieht es an der Zeit, die "Totschlagswörter Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass", durch deren unreflektierten Gebrauch unser Volk in böser Absicht seit über 50 Jahren in Knechtschaft gehalten werde, philosophisch auf den Begriff zu bringen. Er wolle diesen Wörtern die tabuisierende Kraft nehmen, indem er bewusst mache, dass die in den Medien aufgebauschten widerlichen Zeiterscheinungen nichts anderes seien, als Symptome einer seelischen Erkrankung, die aus der Ächtung und Verdrängung gesunder, lebenswichtiger Antriebe hervorgingen. Darüber hinaus erklärt MAHLER: "Rassebewusstsein, Antijudaismus und Fremdenangst sind nur bestimmtere Gestalten des Willens zur Grenze gegen Anderes und zugleich der Selbsterkenntnis, d.h. des Identitätserlebnisses, das für Völker so wichtig ist, wie für Einzelwesen die Luft zum Atmen. ... Antisemitismus ist die Krüppelgestalt des Antijudaismus. Dieser ist ein Jahrtausendphänomen - weltweit - und seinem Wesen nach die notwendige geistige Abwehrreaktion der nicht-jüdischen Völker gegen das menschheitsverachtende Sendungsbewusstsein des Judaismus, der sich einbildet, Jahwe habe den Juden ... die Weltherrschaft durch die Abführung der Völker in die Schuldknechtschaft verheißen. ... Es ist jetzt für Deutschland zur Überlebensfrage geworden, die Deutsche idealistische Philosophie in das Zentrum der Auseinandersetzung mit dem Judentum zu stellen." (Internet-Erklärung MAHLERs: "Was sind die Tatsachen? Wie ist die Lage? Was ist zu tun?", Berlin/Karlsruhe, 12. August 2000, S. 4 ff.). Bericht 2000 64 Rechtsextremistische Bestrebungen Am 7. Oktober äußerte das damalige bayerische NPDund JN-Landesvorstandsmitglied Michael PRAXENTHALER an einem Informationsstand der Partei in München während einer Diskussion mit Gegendemonstranten: "Die einzigen anständigen Toten in Dachau waren die Männer der Waffen-SS!" Gegen PRAXENTHALER wurde in diesem Zusammenhang wegen Volksverhetzung Anklage erhoben. Im Februar schürte eine Autorin im Parteiorgan unter der Überschrift "Jüdischer Lobby entgegentreten. Debatte um Zwangsarbeiterforderung kultiviert Schuldkomplex" antisemitische Stimmungen, relativierte Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus und griff deren Opfer an: "Wie lange soll unser Volk noch bluten für Ereignisse, die mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegen? Und hätten 'unsere' Politiker nicht die Pflicht, die Interessen derjenigen zu vertreten, die in den Lagern der Alliierten geschunden wurden? Die unseriöse Praxis der Sammelklagen läßt zudem vermuten, daß die Entschädigung Einzelner nur ein Vorwand ist, um die finanziellen Interessen von Anwälten und jüdisch-zionistischen Organisationen (WJC, JCC u. a.) zu verschleiern, die bei Erfolg einer solchen Sammelklage einen erheblichen Teil der Gesamtsumme einkassieren? Außerdem handelt es sich bei dieser 'Wiedergutmachung' oftmals um die Nachkommen der 'Opfer', die persönlich nicht betroffen waren, aber meinen, von den ebenfalls nicht persönlich betroffenen Nachkommen der 'Täter' Entschädigung (für was?) fordern zu können. Dabei handelt es sich um nichts anderes als um den alttestamentarischen Rachegedanken. ... Um dem Alptraum einer ewigen Schuldund Büßerrolle entrinnen zu können, brauchen wir Politiker, die bereit sind, den ständig wiederkehrenden Forderungen der jüdischen Lobby friedlich, aber dennoch entschlossen entgegenzutreten und zu sagen: 'Jetzt ist Schluß!'" ("Deutsche Stimme" Nr. 2/2000, S. 2) In seiner Januar-Ausgabe zitierte das Parteiorgan "Deutsche Stimme" eine Resolution des Parteivorstandes vom 26. November 1999, in der die Parteiführung Entschädigungsforderungen "sogenannter ausländischer Zwangsarbeiter" als "erpresserischen Akt" bezeichnet. 41 Rechtsextremistische Bestrebungen 65 Die NPD agitiert unverändert revisionistisch. In einer verharmloRevisionismus senden bis aufwertenden Darstellung der nationalsozialistischen Diktatur werden die Verbrechen des Dritten Reichs relativiert oder gänzlich geleugnet und die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg verneint. Ziel ist es, das Dritte Reich und auch das deutsche Volk aus der Verantwortung zu nehmen und - direkt oder indirekt - das nationalsozialistische Regime in einem besseren Licht darzustellen. Ihre revisionistische Agitation betreibt die NPD insbesondere, indem sie zustimmend über bekannte rechtsextremistische Revisionisten (vgl. Kap. VII) berichtet oder ihnen im Parteiorgan ein Forum bietet. So beklagte ein häufiger Autor im NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" vom April die strafrechtliche Verfolgung der angeblich an der Wahrheit orientierten Revisionisten und behauptete: Die "Einzigartigkeit deutscher Verbrechen" sei seit 1945 in Deutschland zu einem Dogma erhoben. Die Vertreter bestehender Geschichtsschreibung ordneten den Wahrheitsbeweis ihrer Aussagen den Dogmen der politischen Korrektheit unter. Diese etablierten Agitatoren setzten hauptsächlich auf die suggerierende Wirkung ihrer ideologisch gefärbten, einseitigen Geschichtsdarstellung. Dagegen würden Wissenschaftler, die sich kritisch mit der offiziellen Geschichtsschreibung auseinandersetzen, verfolgt.42 Im Juli beklagte ein anderer Autor in der "Deutschen Stimme" unter der Überschrift "Faschismuskeule gegen Historiker" die "geistige Verfaßtheit" des deutschen Volkes, wenn die Öffentlichkeit derartig mit der Faschismuskeule gegen diejenigen vorgehe, welche die Epoche des Faschismus - ohne falsche Tabus - wissenschaftlich erhellen wollten.43 Im April bot das Parteiorgan dem wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilten rechtsextremistischen Revisionisten Udo WALENDY, 1965 bis 1972 Mitglied im NPD-Parteivorstand, ein Forum und ließ ihn in einem mit "Die Wahrheit im Visier" überschriebenen Beitrag über angebliche Verfolgungsmaßnahmen gegen seine Person berichten.44 In einer Besprechung des vom "Deutsche Stimme Verlag" herausgegebenen Buches "Die Abrechnung. Die inneren und äußeren Feinde Deutschlands im Spiegel des 20. Jahrhunderts" eines rechtsextremistischen Revisionisten leugnet der Redakteur der "Deutschen Stimme" Jürgen SCHWAB die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg: "Zum einen nennt der Autor die wahren Ursachen, die zum Zweiten Weltkrieg führten, so unter anderem das Versailler Diktat und den Terror von Polen und Tschechen gegen Volksdeutsche." ("Deutsche Stimme" Nr. 8/2000, S. 13) Bericht 2000 66 Rechtsextremistische Bestrebungen Agitation gegen Die NPD begreift aufgrund ihrer Rassenlehre und dem daraus das Demokratieresultierenden aggressiv-völkischen Nationalismus die zukünftige prinzip Gesellschaftsordnung als autoritäre Eliteherrschaft. Nach ihrem Weltbild werden sich in einer Art evolutionär-biologistischem Widerstreit die Besten zu Führern über die Gesellschaft und das Volk erheben. Dieser Ansatz stellt einen totalitären Anspruch auf Führerschaft dar und steht in radikalem Widerspruch zum pluralistischen Mehrparteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. Die NPD greift insbesondere die demokratischen Parteien an, die sie als "Systemparteien" bezeichnet. Sie kämpft gegen das "System", womit sie die Demonstration am 29. Januar in Berlin politische Ordnung in Deutschland meint. Dementsprechend bezeichnet die Partei die Wiederbegründung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland nach 1945 als von den Alliierten aufgezwungen und illegitim. Die NPD verwendet den Begriff System teilweise ähnlich wie die Nationalsozialisten, die ebenfalls Begriffe wie "Systemparteien" und "Systempresse" verwandten. So behauptete der Parteivorsitzende Udo VOIGT: "Das Kind der Alliierten, das System der BRD, ist korrumpierbar ... . Wir weisen schon seit Jahrzehnten einen Weg aus der hausgemachten und systembedingten Krise. Nur wir werden wirklich etwas ändern, dies aber müssen wir den Menschen klar machen ... . Mit der NPD könnte das deutsche Volk eine sozial gerechte und gesicherte Zukunft haben. Unter der weiteren Herrschaft der Systemparteien allerdings steht zu befürchten, daß es im Sumpf von Korruption und Spekulation untergehen wird." ("Deutsche Stimme" Nr. 2/2000, S. 2) Zur angeblich erzwungenen Umerziehung der deutschen Bevölkerung nach 1945 erklärte VOIGT: "Wie lange wird sich der Wähler noch von den etablierten Parteien 'an der Nase' herumführen lassen und erkennen, daß er von den Helfershelfern der Besatzer seit 50 Jahren umerzogen, belogen, Rechtsextremistische Bestrebungen 67 betrogen und getäuscht wird. ... Wer wirklich etwas ändern will, unterstützt die NPD, damit unser Land wieder frei wird vom Einfluß fremder Mächte ... ." ("Deutsche Stimme" Nr. 5/2000, S. 2) Im Februar führte das Mitglied des Parteipräsidiums Per Lennart AAE in der "Deutschen Stimme" unter der Überschrift "Ein System unter Anklage. Die 'Volksparteien' haben sich den Staat zur Beute gemacht" zum Parteispendenskandal aus, die Systempresse wolle offenbar durch Personalisierung die wirkliche Lehre aus den Affären verschleiern, nämlich die Erkenntnis, dass die kriminelle Energie der Führungsfiguren dieses Staates nicht in erster Linie nur personenbezogen und zufallsbedingt, sondern vielmehr als allgemeines Symptom einer schweren Krankheit des Staatskörpers selbst zu verstehen sei. AAE fuhr fort: "Ja, der tiefere Grund für diese tiefsitzende Korruptheit der BRD ist in der Tat eine Art Systemkrankheit, die eher ihre Wurzeln in dem der Republik von den alliierten Siegern in die Wiege gelegten nationalen Selbsthaß als in den speziellen Machenschaften von irgendwelchen zufälligen 'Seilschaften' hat. ... Die Vertreter des BRD-Parteiensystems suchen sich nun - das wird in der aktuellen Spendenaffäre deutlich - ihre Sündenböcke, damit das System selbst ungeschoren davonkommt. ... Die politische Statik dieses Parteiensystems muß kontrolliert abgebaut werden, bevor sie zusammenbricht und das deutsche Volk unter sich begräbt." ("Deutsche Stimme" Nr. 2/2000, S. 1) Im Januar sprach ein häufiger Autor im Parteiorgan von unabdingbaren Maßnahmen zur Beseitigung der Fehlkonstruktion des Systems und forderte: "Unverrückbares Ziel nationaldemokratischer Politik muß daher die restlose Überwindung und Ablösung des kapitalistischen Systems durch eine sozialund leistungsgerechte Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung sein." ("Deutsche Stimme" Nr. 1/2000, S. 17) Dieser Alleinvertretungsanspruch der NPD, der die Existenz und das Wirken anderer Parteien ausschließt, wird auch in Äußerungen des Bericht 2000 68 Rechtsextremistische Bestrebungen Landesverbands Nordrhein-Westfalen deutlich, der die Partei mit ihrer Einstellung, insbesondere mit dem "lebensrichtigen Menschenbild", auf "Seiten der Natur und der göttlichen Gesetze" sieht.45 Diesen Anspruch bekräftigte auch der Bundesvorsitzende VOIGT, der seine Partei als grundsätzliche Alternative zum gegenwärtigen Parteienspektrum bezeichnete.46 Am 20. Februar äußerte die Vorsitzende des NPD-Landesverbands Berlin-Brandenburg Carola NACHTIGAL auf dem Parteitag des Bezirksverbands Brandenburg, die Partei betrachte sich als einzige nationale Alternative nicht nur in Brandenburg, sondern in ganz Deutschland.47 Darüber hinaus erklärte sie: "Wir brauchen keinen 'kleinen Haider', der nur das bestehende System korrigieren will, wir brauchen die Einsicht in die Tatsache, daß dieses System nicht korrigierbar ist ... ." ("Zündstoff - Mitteilungsblatt des NPD-Landesverbands BerlinBrandenburg" Nr. 1/2000, S. 6) In der Antwort auf eine angebliche Anfrage eines Bürgers zur Haltung der NPD zum Drogenkonsum der deutschen Jugend erklärte ein "Rurik" unter der Internetadresse der vom NPD-Landesverband Sachsen herausgegebenen "Sachsen Stimme": "Was kann man nun dagegen tun? Was tut die NPD dagegen? Die geschilderten Zustände sind systemimmanent, das heißt sie werden nur mit dem Sturz dieses Systems fallen. Um dieses kranke und pervertierte System zu stürzen ist die NPD angetreten. Mit Flickwerk und halblauen Reförmchen ist gar nichts getan! Wir müssen dem Grundübel an die Wurzel gehen und es mit allen Fasern ausreißen!" Horst MAHLER hebt in seinem mit Franz SCHÖNHUBER herausgegebenen Buch die Rolle der NPD hervor: "Ich glaube, diese Rechtsparteien, über die Sie gerade gesprochen haben, sind gekennzeichnet durch den Mangel, daß sie das Parteienprinzip verinnerlicht haben und es gar nicht wirklich überwinden wollen. In Deutschland gibt es nur eine Rechtspartei (...) die anders zu beurteilen ist. Das ist die NPD. Sie ist auch eine Partei - zweifellos. Aber sie bedient sich der Parteiform lediglich aus taktischen Gründen. Ihre Kritik am Parteienstaat ist fundamental." ("Horst MAHLER/Franz SCHÖNHUBER, "Schluß mit deutschem Selbsthaß. Plädoyers für ein anderes Deutschland", S. 24 f.) Rechtsextremistische Bestrebungen 69 1.2 Organisation und Entwicklung Im Jahr 2000 konnte die NPD ihren Mitgliederbestand auf rund 6.500 (1999: rund 6.000) ausbauen.48 Mit rund 1.100 Mitgliedern blieb Sachsen der mitgliederstärkste Landesverband, gefolgt von Bayern (rund 1.000) und Nordrhein-Westfalen (rund 850). Auf dem Bundesparteitag am 18./19. März in Mühlhausen/Lkrs. Neumarkt (Bayern) wurde der amtierende Bundesvorsitzende Udo VOIGT mit rund 83 % der Stimmen in seinem Amt bestätigt. VOIGTs Strategie war es weiterhin, die NPD auf eine möglichst breite personelle Basis zu stellen und unterschiedlichste Strömungen des nationalen Widerstands zu bündeln. Im Rahmen des "Kampfes um die Straße" hatte dabei die themenund aktionsbezogene Zusammenarbeit mit Neonazis bis etwa Mitte des Jahres Priorität. Diese kam auch durch die Mitgliedschaft der Neonazis Jens PÜHSE, Sascha ROßMÜLLER und Frank SCHWERDT im Bundesvorstand der NPD zum Ausdruck; bis März gehörte auch der Neonazi Steffen HUPKA diesem Gremium an. Die Wahl PÜHSEs am 21. Oktober zum stellvertretenden sächsischen NPD-Landesvorsitzenden und ferner die Funktion des Schriftleiters der "Nachrichten der HNG" Hans-Christian WENDT (vgl. Kap. IV, Nr. 3.1) als Mitglied der Redaktion der "Deutschen Stimme" 49 belegen die unveränderte Bereitschaft der NPD, Neonazis führende Parteiaufgaben zu übertragen. Darüber hinaus führte die NPD - zumeist zusammen mit Neonazis - Demonstrationen weit über 50 Demonstrationen durch (1999: rund 60). als Erfolg der Bündnispolitik Den mit Abstand größten Erfolg ihrer Bündnispolitik erzielte die NPD am "2. Tag des nationalen Widerstandes" am 27. Mai in der Passauer Nibelungenhalle mit rund 4.000 Teilnehmern. Weitere öffentlichkeitswirksame Erfolge konnte die Partei am 1. Mai und am 25. November in Berlin mit rund 1.200 bzw. 1.400 Teilnehmern sowie mit sieben weiteren Demonstrationen (Berlin 29. Januar, Gera 12. Februar, Berlin 12. März, Salzwedel 25. März, Fürth und Grimma 1. Mai und Essen 6. Mai) verzeichnen, an denen jeweils zwischen 500 und 600 Personen teilnahmen. Demonstration am 25. November in Berlin Nachdem die NPD-Parteiführung noch Anfang August gelassen Reaktionen auf die auf die öffentliche Forderung nach einem Verbot reagiert und die Verbotsdiskussion Bericht 2000 70 Rechtsextremistische Bestrebungen Debatte als "Sommertheater" bezeichnet hatte50, sah sie sich auf Grund der anhaltenden Verbotsdiskussion genötigt, auf einer Sondersitzung des Parteivorstands am 14. August einen Maßnahmenkatalog zu verabschieden. Dieser beinhaltete u. a. die Durchführung einer Kampagne "Argumente statt Verbote" sowie die generelle Untersagung weiterer Demonstrationen. 51 Auf einer vom Parteivorstand am 7. September in Berlin durchgeführten Pressekonferenz stellte Horst MAHLER - vom Parteivorstand im Dezember als Prozessbevollmächtigter im Verbotsverfahren benannt - die Erstunterzeichner seiner Initiative "Ja zu Deutschland - Nein zum NPD-Verbot" vor 52, darunter den ehemaligen REP-Bundesvorsitzenden und zeitweiligen DVU-Spitzenkandidaten Franz SCHÖNHUBER, den rechtsextremistischen Theoretiker Dr. Reinhold OBERLERCHER und Prof. Dr. Michael NIER, ehemaliger DDR-Hochschullehrer für dialektischen und historischen Materialismus und zeitweiliges NPD-Mitglied.53 Im Rahmen ihrer Kampagne "Argumente statt Verbote" führte die NPD am 9. September einen bundesweiten Aktionstag durch; das von der Parteiführung anvisierte Ziel von 100 Infoständen wurde jedoch bei weitem nicht erreicht. Am 22. Oktober hob der Parteivorstand das zuvor aus taktischen Gründen verhängte Demonstrationsverbot wieder auf. 54 Innerparteiliche Unabhängig von der Verbotsdiskussion kam es innerhalb der NPD Opposition bereits im ersten Halbjahr zu Spannungen. Eine Gruppe von Parteiaktivisten um Steffen HUPKA, bis März Mitglied des Bundesvorstands und Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, formierte sich unter dem Namen "Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000" (RPF). Sie beklagte eine seit fast zwei Jahren andauernde völlige Stagnation in der Entwicklung der Partei und warf der Mehrheit des Parteivorstands eine verfehlte, rückwärts gewandte Politik vor.55 Das von der NPD-Parteiführung am 14. August verordnete Demonstrationsverbot stieß innerhalb der RPF - wie auch bei den "Freien Nationalisten" - auf heftige Kritik. Eine durch HUPKA und den führenden Neonazi Thomas WULFF vertretene "Initiative für Versammlungsfreiheit" 56 demonstrierte am 4. November in Berlin mit rd. 1.200 Personen unter dem Motto "Meinungsund Versammlungsfreiheit statt Verbote". Der Demonstrationsaufruf war maßgeblich von der RPF verbreitet und verantwortet worden.57 Darüber hinaus hatten sich angeblich auch NPDund JN-Untergliederungen sowie Angehörige der Neonazi-Szene, insbesondere der "Freien Nationalisten", dem Aufruf angeschlossen.58 Rechtsextremistische Bestrebungen 71 Die parteiinternen Spannungen verschärften sich durch die am 14. Oktober erfolgte Wahl von Jürgen GERG, Angehöriger des RPFSprecherrats und Protagonist einer engen Zusammenarbeit mit den "Freien Nationalisten", zum neuen NPD-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein. Die Parteiführung verhängte wenige Tage später den organisatorischen Notstand über den Landesverband und enthob den neu gewählten Landesvorstand mit sofortiger Wirkung seines Amtes. Nach Angaben der RPF wurden GERG u. a. seine Mitarbeit in der RPF sowie seine guten Kontakte zu dem führenden Neonazi Christian WORCH (vgl. Kap. IV) vorgeworfen.59 Offenbar um nicht die Kräfte zu verlieren, die durch ihre intensive Zusammenarbeit mit dem Neonazilager den Aufschwung der Partei in den letzten Jahren ermöglicht hatten, verzichtete die NPDFührung lange auf eine konsequente Distanzierung von der RPF. Nach kontroverser Diskussion beschloss der NPD-Vorstand schließlich am 9./10. Dezember, die Mitgliedschaft in der NPD sei nicht vereinbar mit der Zugehörigkeit zur RPF. Dieser Beschluss stieß innerparteilich zum Teil auf scharfe Kritik. So erklärte MAHLER, mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss habe der Parteivorstand einen "kapitalen Bock geschossen". Der richtige Kurs dürfe nicht verlassen werden. Die Partei und die "Freien Kräfte des Nationalen Widerstandes" müssten weiter aufeinander zugehen und die Zusammenarbeit intensivieren.60 Auf Vermittlung MAHLERs kam es Ende Januar 2001 zu einer Einigung zwischen Vertretern der RPF und dem Parteivorstand. Dem Parteiorgan "Deutsche Stimme" - Ausgabe Februar 2001 - zufolge geben "die in der RPF arbeitenden Mitglieder der NPD" die "eigenständige Form der Organisation der RPF auf". Im Gegenzug habe der Parteivorstand die formelle Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses und die "Installierung einer offiziellen Arbeitsgemeinschaft (AG)" angeboten, "in deren Rahmen die bisherigen RPF-Mitglieder tätig werden können". 61 Die Partei hat sich seit einigen Jahren zielgerichtet von einer Verhältnis der NPD "Altherrenpartei" zu einer Partei gewandelt, die eine Basis für die zu Neonazis und organisierte Unterwanderung des demokratischen Rechtsstaates bilSkinheads det. Die NPD sieht sich seither nicht mehr schwerpunktmäßig als Wahlpartei, sondern als Spitze einer breiten sozialen Protestbewegung, in der die Partei mit Neonazis und Skinheads Aktionsbündnisse eingeht, um ihre auf die Überwindung des Systems angelegten Ziele zu verfolgen. Neonazis, insbesondere Kameradschaftsangehörige, stellen daher neben den Skinheads das Mobilisierungspotenzial der Partei dar. Dem strategischen Konzept des "Kampfes um die Straße" entsprechend liefert die NPD dabei das "legale Dach", Bericht 2000 72 Rechtsextremistische Bestrebungen unter dem sich die eher lose organisierten Kameradschaften und Skinheads mit der NPD zu gemeinsamen Aktionen im nationalen Widerstand zusammenfinden. Entsprechend werden von Demonstration am 9. Dezember in Köln der NPD veranstaltete Demonstrationen als "Demonstration des nationalen Widerstandes" oder der NPD-Parteivorsitzende als ein "Wortführer des nationalen Widerstandes" bezeichnet.62 In einem Interview mit der "Deutschen Stimme" unterstreicht VOIGT die Rolle der freien Kameradschaften als Bündnispartner der NPD. In einer Stellungnahme zum "2. Tag des nationalen Widerstandes" am 27. Mai 2000 in Passau erklärte er: "Die freien Kameradschaften sind in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil des sogenannten nationalen Widerstandes geworden. ... Dazu braucht es die Konzentration aller vorhandenen nationalen Kräfte mit revolutionärem Geist auf eine nationale Wahlpartei." ("Deutsche Stimme" Nr. 7/2000, S. 9) "Auf die Frage, ob die Auseinandersetzungen um den Landesverband Schleswig-Holstein nun bundesweit das Verhältnis zu parteiunabhängigen Gruppen beeinflussen würden, sagte VOIGT unvermissverständlich: "Die Sache dort bedeutet natürlich nicht, daß wir die kameradschaftlichen Beziehungen zu den Freien Gruppen des nationalen Widerstandes insgesamt abbrechen". ("Deutsche Stimme" Nr. 11/2000, S. 9) "Der sächsische NPD-Landesvorsitzende Winfried PETZOLD begreift die freien Kameradschaften vor dem Hintergrund eines "zweifellos bevorstehende(n) Endkampf(s)" als wichtige politische "Vorfeldorganisationen" für die NPD. 63 Auch nach dem Beginn der öffentlichen Diskussionen um ein Verbot der NPD bekräftigte der Bundesgeschäftsführer Ulrich EIGEN- Rechtsextremistische Bestrebungen 73 FELD die Akzeptanz von Skinheads als natürliche Bündnispartner der Partei. In einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger, das in der Ausgabe vom 7. September veröffentlicht wurde, erklärte EIGENFELD zur Abgrenzung der Partei gegenüber den Skinheads: "Die Partei öffnet sich allen Kräften, die die Zukunft Deutschlands im Blick haben". (Kölner Stadt-Anzeiger vom 7. September 2000) Zum Verhältnis der NPD zu den freien Kameradschaften erklärte der Bundespressesprecher Klaus BEIER Ende November, es existierten schon seit längerem Spannungen. Diese beschränkten sich aber weitgehend auf die Person WORCH, der beanspruche, mehr Nationalisten auf die Straße zu bringen als die NPD. Von einem Bruch mit dem neonazistischen Lager der freien Kameradschaften könne aber nicht die Rede sein. Ferner erklärte BEIER grundsätzlich: Demonstration am 25. November in Berlin "Wir bleiben weiterhin nach allen Seiten offen." (die tageszeitung, 28. November 2000) Im Zusammenhang mit einem am 1. Juli in Hamburg-Altona von der NPD - ohne vorherige Einbeziehung der "Freien Nationalisten"durchgeführten Infostand, welcher von mutmaßlichen Angehörigen des linksextremistischen Spektrums angegriffen und zerstört worden war, gingen die "Freien Nationalisten" auf Konfrontationskurs zur NPD. Das ihnen zuzurechnende "Aktionsbüro Norddeutschland" erklärte in einem Flugblatt "Vorsicht! Bundes-NPD verheizt in Hamburg Aktivisten!", den NPD-Parteifunktionären gehe es vorrangig darum, den freien Kräften vor Ort den Rang abzulaufen.64 Die NPD wies diese Kritik zurück. Udo VOIGT wird auf den Internet-Seiten der Partei in einer Meldung vom 12. August mit den Worten zitiert, die NPD und die freien Kameradschaften würden künftig wieder öfter getrennte Wege gehen.65 Dass die NPD-Führung taktiert und trotz aller gegenteiligen Beteuerungen grundsätzlich an einer Zusammenarbeit mit den freien Kräften festhält, zeigt sich daran, dass VOIGT bereits am 7. September auf einer NPD-Pressekonferenz in BerBericht 2000 74 Rechtsextremistische Bestrebungen lin betonte, die Partei werde die bisherige Linie weiterführen, mit unabhängigen nationalen Gruppen zusammen zu arbeiten.66 Auch die Tatsache, dass VOIGT im Sommer Christian WORCH unter Umgehung des Hamburger NPD-Landesvorsitzenden Ulrich HARDER den Vorsitz der NPD in Hamburg anbot, unterstreicht sein strategisches Kalkül. In einer am 9. August herausgegebenen Öffentlichen Erklärung lehnte WORCH dieses Angebot ab und bewertete es als Versuch, die Szene "Freier Nationalisten" in Hamburg und in ganz Norddeutschland zu spalten und für die NPD zu vereinnahmen.67 Ambivalentes Das Verhältnis der NPD zur Gewalt erscheint ambivalent. EinerVerhältnis seits distanzieren sich Funktionäre der Partei von Gewalt/gewalttätizur Gewalt gen Aktionen, andererseits gibt es relativierende Töne bis hin zu eindeutigen Bekenntnissen für die Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung. So sprach sich der Parteivorsitzende Udo VOIGT in einer Pressemitteilung des Parteivorstands vom 5. August zwar gegen Gewalt aus: "Die NPD hat generell immer erklärt, dass sie Gewalt zur Durchsetzung der politischen Ziele vehement ablehnt. Und wer eine derartige Politik betreiben möchte, dessen Platz ist nicht in der NPD ... ." Einschränkend fügte er aber hinzu, wenn Übergriffe auf Fremde in Deutschland stattfinden, sei das "ganz gewiss eine leidvolle Geschichte, die aber die etablierten Parteien zu verantworten haben, die hemmungslos weiterhin Zuströme von Ausländern ins Land lassen, während sie nicht in der Lage sind, das Recht auf Arbeit für alle Deutschen zu garantieren." Entsprechend müsse auch damit gerechnet werden, "dass sich irgendwann ein Widerstandswille im Volke kundtut." Das sei "eine normale völkische Reaktion", die von der NPD nicht gesteuert zu werden brauche.68 Über den Fax-Anschluss des NPD-Landesverbands Bremen und ihres Vorsitzenden Jörg WRIEDEN wurde eine Presseerklärung der "Blood & Honour"-Sektion Weser-Ems vom 23. Juli versandt. Darin wird indirekt mit gewalttätigen Reaktionen auf die angebliche Willkür der Sicherheitsbehörden bei der Auflösung rechtsextremistischer Konzerte gedroht.69 Laut einem Pressebericht bestätigt und rechtfertigt WRIEDEN diese Zusammenarbeit. Darin wird er zitiert mit der Aussage: "Wenn wir von uns nahestehenden Organisationen gebeten werden, so etwas weiterzuverbreiten, dann tun wir das ... . Das ist doch unsere Aufgabe."70 NPD-Mitglieder/Funktionäre wenden auch tatsächlich Gewalt an oder treffen zumindest hierfür Vorbereitungen. Das zeigen exemplarisch folgende Strafverfahren: - Am 20. April versuchte ein ehemaliges NPD-Mitglied zusammen mit einem Mittäter die Synagoge in Erfurt in Brand zu setzen. Rechtsextremistische Bestrebungen 75 Nach der Tatausübung hinterlegten sie ein Schreiben mit folgendem Inhalt: "Dieser Anschlag basiert auf rein antisemitischer Ebene! ... Heil Hitler!". Wegen dieser Tat wurde das ehemalige NPD-Mitglied zu einer Jugendstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt. - Am 9. Juli griffen vermummte Täter, teilweise Mitglieder der NPD um das damalige JN-Bundesvorstandsmitglied Thorsten CRÄMER, zugleich nordrhein-westfälischer JN-Landesvorsitzender und Beisitzer des NPD-Landesvorstands, anlässlich einer Gedenkveranstaltung am Mahnmal der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Kemna die Teilnehmer an, bewarfen sie mit Steinen und schlugen mit Schlagstöcken auf sie ein. Drei Täter wurden am 10. August zu Jugendstrafen von jeweils 7 Monaten verurteilt. Das Landgericht Wuppertal setzte in Zweiter Instanz die Haftstrafen zur Bewährung aus und verpflichtete die Täter zur Ableistung von je 200 Sozialstunden. *) - Am 4. August versuchte ein damaliger NPD-Funktionär, ein leerstehendes, von Obdachlosen genutztes Haus in Wismar in Brand zu setzen. Er legte ein Geständnis ab und gab als Motiv an, die im Objekt "hausenden Obdachlosen sollten arbeiten gehen". **) Teilnahme Die NPD hat als Wahlpartei weiterhin nur geringe Bedeutung. Bei an Wahlen der Landtagswahl am 27. Februar in Schleswig-Holstein, an der die NPD als einzige rechtsextremistische Partei teilnahm, erzielte sie mit 1,0 % der Zweitstimmen (letzte Wahlbeteiligung 1988: 1,2 %) einen Achtungserfolg und erreichte die für die staatliche Teilfinanzierung der Parteien71 maßgebliche Grenze von einem Prozent. Zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai trat die NPD unter Verzicht auf eine Landesreserveliste lediglich in 11 der 151 Wahlkreise mit Direktkandidaten an. Sie erzielte in diesen Wahlkreisen zwischen 0,3 % und 0,6 % der Stimmen (landesweit: 0,0 %, letzte Wahlbeteiligung 1990: 0,0 %). **) Wegen seiner führenden Rolle bei dem Überfall wurde CRÄMER am 9. Januar 2001 vom Landgericht Wuppertal zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Sechs Mitangeklagte, darunter ein weiterer Spitzenfunktionär der nordrhein-westfälischen JN, erhielten Freiheitsstrafen zwischen 10 und 18 Monaten. In einem dritten Prozess wurde ein NPDFunktionär zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Alle Urteile sind noch nicht rechtskräftig. **) Am 22. Januar 2001 verurteilte das Landgericht Schwerin den Täter wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und ordnete die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus an. Bericht 2000 76 Rechtsextremistische Bestrebungen 1.3 "Junge Nationaldemokraten" (JN) gegründet: 1969 Bundesgeschäftsstelle: Riesa (Sachsen) Bundesvorsitzender: Sascha ROßMÜLLER Mitglieder: bis zu 500 (1999: 350) Publikation: "Der Aktivist", Auflage 1.000, unregelmäßig (1999 letztmalig erschienen) Als einzige rechtsextremistische Partei verfügt die NPD über eine zahlenmäßig relevante Jugendorganisation. Die JN sind laut Satzung der NPD "integraler Bestandteil" der Partei. Der JN-Bundesvorsitzende ist Kraft seines Amtes zugleich Mitglied des NPD-Parteivorstands. "Führungsanspruch" Die JN wollen der Mutterpartei "weltanschaulich geschulten und der NPD charakterlich gefestigten Führungsnachwuchs" liefern, um die NPD zum politischen "Willensträger der deutschen Nation" zu erheben. Sie verstehen sich als nationalistische und sozialrevolutionäre Jugendbewegung sowie als die junge "Mannschaft des neuen Reiches", die die entwurzelte Jugend Deutschlands wieder an ihr Volk und an ihr Vaterland bindet und ihr eine Vision des Kommenden gibt, für die es sich lohnt zu kämpfen. Die JN bezeichnen die Volksgemeinschaft als ihr höchstes Ziel, das es jeden Tag in den eigenen Reihen vorzuleben gelte.72 Der JN-Landesverband "Nordmark" bekräftigte diese Zielsetzung in einer Einladung zu einer Saalveranstaltung am 23. Juni: "Unser Kampf gilt dem Reich für eine nationale und soziale Revolution".73 Aggressive Diktion Wie die NPD bedienen sich auch die JN einer aggressiven Diktion; es werden Begriffe wie "Mobilmachung", "Einberufungsbefehl" und "politische Soldaten der Arbeit" verwandt. So lud der Neonazi Sascha ROßMÜLLER, Bundesvorsitzender der JN und in dieser Funktion Mitglied des NPD-Parteivorstands, unter der Überschrift "Mobilmachung" die Mitglieder und Mitgliedsanwärter der JN zu einer Tagung ein.74 Die Bekanntgabe klinge - so ROßMÜLLER - wie ein Einberufungsbefehl und dürfe auch dementsprechend aufgefasst werden. Angesichts der Verbotsdiskussion und Hetzkampagnen seien die JN bestrebt, als Antwort darauf die Ausweitung des nationalen Widerstands hin zu einer kontinental-nationalistischen Aktionsfront zu forcieren. Jeder Nationalist sei aufgerufen, sich mit ein- Rechtsextremistische Bestrebungen 77 zureihen und dafür Sorge zu tragen, dass "unser Europa" den Internationalisten entrissen werde. In einem anderen Rundschreiben rief ROßMÜLLER dazu auf, an der "propagandistischen Heimatfront" jetzt nicht zu schlafen, sondern als politische Soldaten der Arbeit eine Verteiloffensive mit dem Werbematerial der Mutterpartei zu starten. Kein Haushalt dürfe von der "nationalen Volksaufklärung" ausgenommen bleiben. 75 Auf dem JN-Bundeskongress am 5. Februar in Straßenhaus bei Neuwied (Rheinland-Pfalz) wurde ROßMÜLLER in seinem Amt als Bundesvorsitzender bestätigt. Dem 1999 aus einer Abspaltung von den JN hervorgegangenen "Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft" - im Frühjahr in "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) umbenannt - gelang es weiterhin nicht, nennenswerte Aktivitäten zu entfalten. Derzeit sind nur noch einige Aktivisten in Baden-Württemberg bekannt. Zu einer europäischen nationalistischen Einheitsfront - auch vor dem Hintergrund eines NPD-Verbotsantrags - sollte der "7. Europäische Kongress der Jugend" beitragen, der am 28. Oktober in Dreisen (Rheinland-Pfalz) mit rund 300 Teilnehmern stattfand, darunter Gäste aus mehreren Staaten. Die Teilnehmerzahl lag erheblich unter der des Vorjahres (1999: 500). 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) gegründet 1987* Sitz: München Bundesvorsitzender: Dr. Gerhard FREY Mitglieder: 17.000 (1999: 17.000)** Publikation: "National-Zeitung/Deutsche WochenZeitung" (NZ) Auflage: 45.000 **, wöchentlich * DVU e. V. 1971 als Verein gegründet, 1987 als Partei konstituiert, 1987-1991 "DVU-Liste D" ** geschätzt Bericht 2000 78 Rechtsextremistische Bestrebungen Die "Deutsche Volksunion" (DVU), weiterhin mitgliederstärkste Partei im rechtsextremistischen Spektrum, wird von ihrem Gründer, dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY76, und bisher einzigen Bundesvorsitzenden autokratisch geführt. FREY ist Herausgeber der wöchentlich erscheinenden "National-Zeitung/Deutsche WochenZeitung" (NZ), der auflagenstärksten periodischen Publikation im Bereich des Rechtsextremismus in Deutschland. Zunehmend musste sich FREY mit parteiinterner Opposition auseinandersetzen. 2.1 Zielsetzung und Methode Die DVU greift bei ihren verfassungsfeindlichen Bestrebungen die typischen rechtsextremistischen Agitationsfelder im Fokus eines übersteigerten Nationalismus auf. Besondere Schwerpunkte bilden die Themen "Fremdenfeindlichkeit", "Antisemitismus" und "Revisionismus". Ausländer und Juden werden als antideutsche Feindbilder dargestellt. DVU-Positionen in Die NZ kann - wegen der uneingeschränkt beherrschenden Stelder National-Zeitung lung FREYs in der DVU 77 - als das Presseorgan der Partei angesehen werden, das deren programmatische Linie widerspiegelt. Für den redaktionellen Teil der "national-freiheitlichen" Zeitung werden vorzugsweise solche aktuellen Themen und Ereignisse ausgewählt, die sich durch verzerrte Darstellung und tendenziöse Interpretation für die üblichen rechtsextremistischen Agitationsfelder der DVU nutzbar machen lassen. Viele Artikel enden mit Werbung für einschlägige Bücher aus FREYs Verlagsangebot; sie werden als das angeschnittene Thema vertiefende Literatur empfohlen. Diese Verbindung der rechtsextremistischen Propaganda mit intensiver Werbung für seine Verlagsgeschäfte verdeutlicht die wirtschaftlichen Interessen FREYs: Ankurbelung des Verkaufs eigener Produkte - also Gewinnmaximierung neben politischer Agitation. Die Agitation der NZ ist durchdrungen vom fremdenfeindlichen Gedankengut der DVU. Sie besteht vor allem in einer einseitigen und verzerrenden Berichterstattung über Asylmissbrauch und Ausländerkriminalität. Diese Beiträge tragen Überschriften wie "So sahnen Asylbetrüger ab - Was in Deutschland möglich ist".78 Einen weiteren Schwerpunkt der Zeitung bilden Themen, die eine tendenziöse Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit ermöglichen sollen. Dabei werden mit stereotypen Schlagzeilen und mit antisemitisch orientierten Beiträgen Ressentiments Rechtsextremistische Bestrebungen 79 gegen Juden geschürt. Die Fülle solcher Beiträge nach traditionellen rechtsextremistischen Agitationsmustern belegt, dass es nicht um die Lösung von Problemen oder um die demokratische Auseinandersetzung geht, sondern dass Pauschalierungen und Herabwürdigungen eindeutig zu Angriffen auf wesentliche Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dienen sollen. Häufig wiederholte Schlagzeilen wie "Die wahre AusländerkrimiFremdenfeindlichkeit nalität - Wie sie vertuscht und verheimlicht wird" 79 und "Gewalttaten junger Ausländer - Die Zeitbombe geht hoch" 80 sollen die in Deutschland lebenden Ausländer generell als Kriminelle brandmarken. Mit der Veröffentlichung eigener Schaubilder versucht die NZ, diese Pauschalierungen als offiziell bestätigt darzustellen. Dadurch werden bewusst Vorurteile in der Bevölkerung angeheizt. Es wird der Eindruck vermittelt, dass in Deutschland lebende Ausländer eine Bedrohung für den Bestand und die Sicherheit des Landes seien. Beim Thema Ausländerpolitik benutzt die DVU das Schreckgespenst einer angeblich drohenden "Umvolkung" der Deutschen: "Der nächste Akt des Dramas ist die irreparable Umvolkung des deutschen Volkes. Wer sich der Entdeutschung Deutschlands, sei es auch mit ausschließlich demokratischen und rechtsstaatlichen Argumenten entgegenstellt, wird zum 'Verfassungsfeind' und 'Ausländerfeind' gestempelt." (NZ Nr. 19/2000, S. 3 f.) In dieselbe Richtung zielen fremdenfeindlich motivierte Beiträge mit reißerischen Überschriften wie "Ersetzen Ausländer die Deutschen? - Wie unser Volk beseitigt werden soll" 81 und "Deutsche bald in der Minderheit? - Wohin die Überfremdung führt". 82 Damit appelliert die DVU an Abwehrinstinkte und versucht, Überfremdungsängste zu schüren. Die Agitation der Partei zielt darauf ab, die unantastbaren Grundsätze der Menschenwürde und des Gleichheitssatzes für den ausländischen Teil der Bevölkerung einzuschränken und auszuhöhlen. Häufig münden solche einschlägigen Artikel in die Werbung für das bereits 1999 in FREYs "FZ - Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH" (FZ-Verlag) erschienene Buch "Ausländer. Die wahren Fakten". Im Kontext von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zeigt die Antisemitismus DVU meist unterschwellig, teilweise aber auch kaum verhohlen, einen für Rechtsextremisten typischen Antisemitismus. Die Wochenzeitung veröffentlichte eine dichte Abfolge von Schlagzeilen und Bericht 2000 80 Rechtsextremistische Bestrebungen Artikeln mit antisemitisch gefärbten Botschaften. Sie unterstellen, das deutsche Volk werde besonders durch die Juden auf die NS-Vergangenheit festgelegt und so daran gehindert, ein gleichberechtigtes Mitglied in der Völkergemeinschaft zu werden. Ein weiteres Thema war die angebliche Überpräsenz von Personen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung in Politik, Wirtschaft und Medien. Andere Beiträge diskreditierten jüdische Organisationen, verurteilten deutsche Wiedergutmachungsleistungen und kommentierten polemisch Vorgänge in Israel. Dabei verbarg sich zwar die herabsetzende Kritik der Einzelbeiträge am Judentum häufig zwischen den Zeilen, doch die Fülle der einschlägigen Artikel soll dem Leser einen bedrohlichen Einfluss der angeblich antideutschen Juden und eine gegen Deutschland gerichtete Verschwörung suggerieren. Durch Beiträge mit Überschriften wie "Der mächtigste Mann der Weltgeschichte - Wie Alan Greenspan die Weltwirtschaft dirigiert" 83 und "Dirigiert Beresowskij Russlands Politik? - Unheimlicher Finanzmogul und Drahtzieher" 84 wurde der Eindruck erweckt, das Judentum versuche, ein weltweites wirtschaftliches und politisches Machtkartell aufzubauen. Am Ende solcher Ausführungen wurde stets das zweibändige Werk des FZ-Verlags "Wer ist wer im Judentum" als weiterführende Literatur angepriesen. In diesem Verlag erscheint zudem das Buch jüdische Kriegserklärungen an Deutschland", mit dem der rechtsextremistische Mythos von der massiven Bedrohung durch das Judentum übernommen und fortgeschrieben wird. Weitere Artikel dienten der Stimmungsmache gegen wichtige Repräsentanten jüdischer Institutionen, z. B. gegen den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. So wurde unter der Schlagzeile "Wir können es nicht mehr hören, Herr Spiegel!" eine Äußerung des Zentralratspräsidenten kritisiert: "Auf die Idee, dass der zunehmende Widerwillen in Sachen' Bewältigung' mit einer Überdosis an verordneter Beschäftigung mit diesem Thema zusammenhängt, scheint Spiegel nicht zu kommen. Jede Überfütterung führt irgendwann zu Ekel und Erbrechen. Weniger ist oft mehr - und mehr und mehr und mehr führt zu weniger!" (NZ Nr. 22/2000, S. 5) Dem Vizepräsidenten des Zentralrats wurde anlässlich seiner Ausführungen auf der Gründungsveranstaltung des von der Bundesregierung im Mai ins Leben gerufenen "Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt" vorgeworfen: Rechtsextremistische Bestrebungen 81 "Michel Friedman nutzte die Gelegenheit, um wieder einmal für ein multikulturelles Deutschland zu werben. Zuwanderung sei ,der Sauerstoff für diese Gesellschaft'. Die Überfremdung Deutschlands scheint Friedman, Abkömmling einer polnisch-jüdischen Familie aus Galizien, ein Herzensanliegen zu sein." (NZ Nr. 23/2000, S. 1) Gegen die Planung und Errichtung von Holocaust-Mahnmalen wurde von der NZ in gebetsmühlenhafter Wiederholung agitiert. Sie wurden als Symbole einer angeblich einseitigen Vergangenheitsbewältigung dargestellt. Mit Schlagzeilen wie "Auf jedem Quadratmeter ein Mahnmal? - Immer höhere Kosten für immer mehr HolocaustGedenkstätten"85 wurde die Zahl der bereits bestehenden Mahnmale kritisiert und die angebliche "Kostenexplosion bei Mahnmalen deutscher Schuld" 86 angeprangert. Gleichzeitig wurde demokratischen Politikern vorgeworfen, durch die Errichtung der Mahnmale versuchten sie, dem deutschen Volk auf Dauer eine Kollektivhaftung aufzubürden: "Dauerankläger fiebern geradezu der Errichtung eines weiteren Schuldkomplexes in der deutschen Hauptstadt entgegen. Die Gedenkstättenlandschaft in Berlin, die die 'einzigartige' und 'unvergängliche' deutsche Schuld ins Bewusstsein rufen und deren 'Krönung' das monströse Holocaust-Mahnmal sein soll, wird mit dem Neubau einer 'Topographie des Terrors' in Berlin-Mitte 'bereichert'. Geld spielt dabei offenbar die geringste Rolle." (NZ Nr. 11/2000, S. 7) Immer wieder ließ die DVU in der NZ anklingen, die Sichtweise Relativierung und vom Holocaust als historischer Tatsache sei in Wahrheit von maßloser Infragestellung Übertreibung und von Fälschungen geprägt. Insbesondere versuchte des Holocaust die DVU das Ausmaß des Holocaust zu relativieren, indem sie Zweifel an der Höhe der Opferzahlen weckte. Die Beiträge stellen damit - trotz aller gegenteiliger Beteuerungen - die Glaubwürdigkeit der historischen Berichte grundlegend in Frage und leugnen so indirekt in strafrechtlich nicht fassbarer Weise die gesamte Judenverfolgung. Bericht 2000 82 Rechtsextremistische Bestrebungen So behauptete die NZ ständig, "falsche" Meinungen zu dem historischen Geschehen deutscher Massenmorde an Juden und zu anderen NS-Verbrechen würden kriminalisiert. Im Zusammenhang mit der Zahl der Opfer nationalsozialistischer Verbrechen erklärte die NZ wiederholt: "Nun ist es kaum bestreitbar, dass Angaben über die in Auschwitz zu Tode gekommenen bzw. ermordeten Juden von einstmals 8 auf 6, 4, 3, dann 1,5 Millionen und schließlich 500 000 reduziert wurden. So schrecklich immer die letztgenannte Zahl ist, so wird doch niemand bestreiten können, dass es sich um 6 % der Erstziffer handelt." (NZ Nr. 39/2000, S. 13) Um das "Dritte Reich" in günstigerem Licht darzustellen, präsentiert die NZ ein weltweites Sündenregister von Gräueltaten aller Völker von der Antike bis zur Gegenwart. Die DVU leugnet damit formal nicht die vom nationalsozialistischen Deutschland verübten Verbrechen, streitet aber deren Einzigartigkeit ab. Dies zeigte sich z. B. an Schlagzeilen wie "USA bleiben der Geschichtslüge treu - Rassismus, Indianermord, Sklaverei werden geleugnet" 87 und in einem zweiteiligen Beitrag mit der Überschrift "Belgiens blutiges Geheimnis - 10-Millionen-Mord: Holocaust im Kongo". 88 Trotz der vordergründigen Distanzierung der Partei vom Nationalsozialismus gibt es Mitglieder und Funktionäre, die diesem Gedankengut nachhängen. So befand sich im Hausgiebel des DVULandesvorsitzenden in Mecklenburg-Vorpommern ein 60 mal 60 Zentimeter großes gemauertes Hakenkreuz. Nach Medienberichten darüber legte er Ende des Jahres sein Amt nieder und trat aus der DVU aus. Der revisionistischen Glorifizierung der deutschen Wehrmacht dienten die in der Zeitung seit Februar 1999 wöchentlich erscheinende Serie "Große deutsche Soldaten - Unsterbliche Helden" 89 sowie zahlreiche Auszüge aus den neuen Büchern des FZ-Verlags "Die Wehrmacht als Befreierin" und "Helden der Wehrmacht". KriegsschuldZu den Dauerkampagnen FREYs gehören ferner die Relativierung leugnung der Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die These vom deutschen Präventivschlag im Juni 1941 gegen Russ- Rechtsextremistische Bestrebungen 83 land. Schlagzeilen wie "Polnischer Historiker bestätigt Präventivschlagthese - Wehrmacht kam Roter Armee 1941 nur knapp zuvor" 90 sollen den Schluss nahe legen, der deutsche Einmarsch habe eine Großoffensive Stalins gegen Deutschland und seine Verbündeten gerade noch verhindern können. Mit zahlreichen Beiträgen agitierte die NZ gegen die vermeintlich Agitation gegen überhöhten und jetzt angeblich nicht mehr zeitgemäßen EntschädiWiedergutmachungsgungsforderungen von Juden und anderen Personengruppen, insbeforderungen sondere ehemaligen Zwangsarbeitern, gegenüber dem deutschen Staat und deutschen Unternehmen. Mit aggressiven Schlagzeilen wie "Wiedergutmachung - doppelt und dreifach? - Wie Steuerzahler ausgepresst werden" 91 und "Milliarden für 'Zwangsarbeiter' - Wohin die Gelder wirklich fließen" 92 wurden die Opfer des Nationalsozialismus beleidigt und die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Vertretern der Opfer kritisiert. Nach Abschluss der Verhandlungen bezeichnete die NZ die Unterzeichnung des Abkommens über den Entschädigungsfonds für NSZwangsarbeiter als "erfolgreiche Erpressung" und beklagte die fehlende Entschädigung für an Deutschen begangenes Unrecht: "So kann die deutsche Seite immer wieder das große Glück genießen, an den Pranger gestellt zu werden und zu zahlen. Und zwar von unseren 'besten Freunden' in der 'westlichen Wertegemeinschaft'. Unsere mehr als 6 Millionen durch den Holocaust des Luftterrors, der Massenvertreibung und der alliierten Straflager umgebrachten Landsleute auch nur zu erwähnen, geschweige denn für sie Entschuldigung, Entschädigung und Wiedergutmachung zu verlangen, wäre unfein, ja 'Aufrechnung'." (NZ Nr. 31/2000, S. 5) Die NZ - und damit die DVU - griff wieder mit einer Vielzahl von Agitation gegen das Beiträgen den demokratischen Rechtsstaat massiv an. Maßlose Demokratieprinzip Polemik und diffamierende Hetze sollen das Ansehen von Institutionen und Personen beschädigen und damit das Vertrauen des Staatsbürgers in die Werteordnung des Grundgesetzes erschüttern. Wieder und wieder brachte die DVU die Anklage vor, demokratische Politiker beharrten aus machttaktischen Gründen auf einer Kollektivschuld der Deutschen an der Massenvernichtung Bericht 2000 84 Rechtsextremistische Bestrebungen der Juden: Mit diesem ständigen Vorwurf wollten sie angeblich das Volk demoralisieren, um es leichter regierbar zu machen und ihre eigene Macht zu sichern. Ein Beispiel: "Aus der moralisch gebotenen wie wohl auch politisch erforderlichen Verneigung vor jüdischen Opfern, die in der früheren Bundesrepublik üblich war, ist nach der Phase von Kotau und Kniefall inzwischen die krasse Kriecherei geworden. ... Ein Volk, das wegen Verbrechen eines längst verflossenen Regimes den Gummischlauch statt Rückgrat im Kreuz hat, ist für gegenwärtige Machthaber biegsamer." (NZ Nr. 9/2000, S. 3) Im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik wurden Bundesregierung und Bundestagsparteien scharf angegriffen: "Die etablierte Politik ist am Ende. ... Außer Korruption und Skandale haben Etablierte weiterhin nichts zu bieten. ... Das ganze Chaos wird zusätzlich strapaziert mit Überfremdung, Ausuferung der Kriminalität, Verkehrung traditioneller Werte, Nationalmasochismus usw. Die Zukunft des deutschen Volkes hängt am seidenen Faden. Alle, aber auch wirklich alle fundamentalen Lebensfragen unseres Volkes wurden von den Bundestagsparteien nicht nur sträflich vernachlässigt, sondern verraten." (NZ Nr. 12/2000, S. 5) Angriffe auf den Die NZ nutzte auch die Diskussion über einen Verbotsantrag demokratischen gegen die NPD zu Angriffen auf den demokratischen Rechtsstaat Rechtsstaat in der und seine Repräsentanten. Mit reißerischen Schlagzeilen wie "LüDiskussion um gen-Orgie gegen rechts - So werden die Deutschen getäuscht" 93 ein NPD-Verbot und "'Rechtsextremismus': Der große Schwindel - Die wahren Hintergründe der Hetzkampagne" 94 wurden Politiker, Parteien und "Geheimdienste", aber auch die Medien für die Häufung rechtsextremistischer Straftaten und für eine systematisch gegen Rechte angeheizte "Hasspropaganda" verantwortlich gemacht: Rechtsextremistische Bestrebungen 85 "Diese systematische Erziehung zur Gewalt haben nicht rechte Parteien zu verantworten, sondern die in der Bundesrepublik seit ihrer Gründung regierenden Parteien. ... Die täglichen Meldungen über jeden Zwischenfall, den man 'Rechten' anlastet, werden wahrscheinlich Hunderte Nachahmungstäter animieren." (NZ Nr. 33/2000, S. 2) 2.2 Organisation und Entwicklung Die DVU ist in 16 Landesverbände untergliedert und verfügt bis auf Organisationsdas Saarland in allen Ländern zumindest formell über Kreisverstruktur bände. Die innerparteiliche Machtposition FREYs 95 lässt weder dem Bundesvorstand noch den Landesund Kreisverbänden Raum für eigene Initiativen und selbständige politische Arbeit. Die Stellung FREYs blieb allerdings nicht völlig unangefochten. Streit um Der bereits im Herbst 1999 entstandene Streit mit dem damals stellLandtagswahlvertretenden DVU-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein und beteiligung in Schleswig-Holstein Beisitzer im DVU-Bundesvorstand Prof. Dr. Dr. Klaus SOJKA über eine Teilnahme der DVU an der Landtagswahl in Schleswig-Holstein eskalierte. In einem Antrag vor dem Bundesschiedsgericht der DVU forderte SOJKA den Parteiausschluss FREYs und weiterer Mitglieder des Bundesvorstands. Um einem Autoritätsverlust FREYs entgegenzuwirken, führte die DVU abweichend von ihrem normalen Zweijahresrhythmus am 12. Februar einen Bundesparteitag mit Vorstandsneuwahlen durch. Auf diesem Weg konnte sich FREY seines Kritikers entledigen: SOJKA wurde nicht wieder in den Bundesvorstand gewählt; FREY wurde mit 98,9 % der abgegebenen Stimmen in seinem Amt als Bundesvorsitzender bestätigt. Um die Reihen der DVU-Mitglieder und -Anhänger enger um den DVUBundesvorsitzenden zu scharen, organisierte die DVU überdies in der Saalveranstaltungen ersten Jahreshälfte sechs Saalveranstaltungen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern, wie sie sonst nach Anzahl und Größenordnung nur bei Wahlkämpfen der DVU stattfinden. Als für die Partei bedeutendste Veranstaltung führte die DVU am 23. September ihre alljährliche Großkundgebung in der Passauer Nibelungenhalle durch. Das unter dem Motto "Recht und Freiheit für das deutsche Volk" stehende Treffen wurde von ca. 2.500 Teilnehmern - darunter auch Gäste aus dem Ausland - besucht. Bericht 2000 86 Rechtsextremistische Bestrebungen Konflikt in der Der bereits im Frühjahr 1999 ausgelöste Zerfallsprozess innerhalb DVU-Fraktion der DVU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt gipfelte Ende Januar in Sachsen-Anhalt der Spaltung. Neben der verbliebenen FREY-treuen Fraktion unter der neuen Bezeichnung "DVU-Freiheitliche Liste" schlossen sich die in Opposition zu FREY stehenden Mitglieder zur Fraktion der "Freiheitlichen Deutschen Volkspartei" (FDVP; vgl. Kap. V, Nr. 4) zusammen; mit dieser Bezeichnung hatte sich am 15. Februar - unter dem Vorsitz der von der DVU kurz vorher ausgeschlossenen bisherigen DVU-Fraktionsvorsitzenden Claudia WIECHMANN - eine neue Partei konstituiert, die in der "Freiheitlichen Partei Österreichs" (FPÖ) ihr Vorbild sieht. Die Instabilität auch dieser Fraktion wurde bereits Ende Juli durch den Austritt von zwei Abgeordneten, die zur DVUFraktion zurückkehrten, deutlich. StaatsanwaltschaftDie DVU-Fraktion im Landtag von Brandenburg blieb von interliche Ermittlungen nen Querelen verschont, allerdings rückte ein von der Potsdamer gegen DVUStaatsanwaltschaft eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen VerLandtagsabgeordnete dachts der Untreue die Fraktion ins Zwielicht. Bei drei der fünf in Brandenburg Fraktionsmitglieder wurden Mitte Juni wegen Verdachts der zweckwidrigen Verwendung von Fraktionsgeldern Hausund Bürodurchsuchungen durchgeführt. 96 Keine Teilnahme Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrheinan Wahlen Westfalen entschied sich FREY gegen eine Wahlteilnahme der Partei. Gründe waren mangelnde Erfolgsaussichten und die angespannte Finanzlage der DVU. 3. "Die Republikaner" (REP) gegründet: 1983 Sitz: Berlin Bundesvorsitzender: Dr. Rolf SCHLIERER Mitglieder: 13.000* (1999: 14.000) Publikation: "Der Republikaner", Auflage: 20.000, monatlich Unterorganisationen: "Republikanische Jugend" (RJ), "Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB), "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF), "Republikanischer Hochschulverband" (RHV) * Die Partei selbst gibt höhere Zahlen an (15.000). Rechtsextremistische Bestrebungen 87 3.1 Zielsetzung Die Partei "Die Republikaner" (REP) weist weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen auf. Zwar verfolgt nicht jedes einzelne Parteimitglied verfassungsfeindliche Ziele, doch machen einflussreiche Gruppen und Funktionäre der REP keinen Hehl aus ihrer Gegnerschaft zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Darüber vermag auch das Bemühen des gegenwärtigen Parteivorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER nicht hinwegzutäuschen, den REP eine demokratische Fassade zu verleihen. Die Aussagen der REP beschränken sich aber nicht auf demokratische Kritik an gesellschaftlichen oder politischen Gegebenheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr attackieren sie den Kernbestand unserer Verfassung. Deutlich wird dies, wenn sich die Partei in fremdenfeindlicher Weise äußert, Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert oder gegen das Demokratieprinzip agitiert. Wenngleich die Schärfe in den Aussagen der REP - im Vergleich zu den Vorjahren - aus taktischen Erwägungen und angesichts einer anhaltenden öffentlichen Debatte um den Rechtsextremismus weiter zurückgenommen wurde, so lassen sich aus der Gesamtschau dennoch typische Muster rechtsextremistischer Argumentation entnehmen. Die Ablehnung des im Grundgesetz verbürgten GleichheitsgrundAblehnung des satzes zeigt sich, wenn die REP in fremdenfeindlicher Zielrichtung Gleichheitsgegen Toleranz und Minderheitenschutz agitieren. In einer durchgrundsatzes des Grundgesetzes weg diffamierenden und pauschalisierenden Kommentierung, in der Wahl bildhafter, bewusst überzogener Begriffe wie "Landnahme". 97 "Plünderung der Sozialkassen" 98 und mit dem Hinweis, es drohe eine "zweite Vertreibung" 99 des deutschen Volks schüren sie Ängste in der Bevölkerung und suggerieren den Eindruck, Deutschland stehe vor einer gewaltsamen Invasion fremdländischer Einwanderer. So behauptete etwa die sächsische Landesvorsitzende Kerstin Fremdenfeindlickeit LORENZ, das deutsche Volk werde zielgerichtet unterwandert und durch Menschen anderer Völker ersetzt.100 Sie prophezeite eine Einwanderungswelle, "von der wir regelrecht überrannt werden". Vergleichbar der "Ausrottung der Indianer in Amerika" sieht sie einen weiteren Schritt in Richtung "Vernichtung des deutschen Volkes": "Die Fremden wurden freundlich empfangen, sie konnten sich ansiedeln und im Laufe der Zeit haben die Einwanderer das Land übernommen und die Urbevölkerung ausgerottet bzw. die wenigen Überlebenden in Reservate gesteckt ... Die Entwicklung in DeutschBericht 2000 88 Rechtsextremistische Bestrebungen land geht auch in diese Richtung. Wie anders ist es zu erklären, daß immer öfter ein farbiger Mensch Mister Deutschland wird, die beste deutsche Nachwuchssängerin eine Farbige ist, immer mehr Moderatoren Farbige sind, im Bundestag schon jetzt Türken sitzen, mancher Oberbürgermeister ein Türke ist und selbst auf Plakaten Farbige als typisch deutsch gezeigt werden. Der Bürger merkt leider nicht, dass wir weißen Deutschen bald Exoten im eigenen Land sein werden!" (Beitrag im Forum der Homepage des REP-Landesverbands Sachsen vom 12. März 2000) Darüber hinaus werden Ausländer pauschal für soziale Missstände in der Gesellschaft verantwortlich gemacht. So erklärte ein Kreisvorsitzende der REP in Bayern in der Publikation "Amper Rechts", dass Ausländer Deutschland immer noch für das Sozialamt der Welt hielten, während den deutschen Beitragszahlern die Renten gekürzt und medizinische Leistungen verweigert würden. So sei die Anzahl der Ausländer, die auf Kosten des Staates lebten, doppelt so hoch wie ihr Anteil an der Bevölkerung. Das Lösungsmodell Masseneinwanderung werde im Chaos enden. Deutschland solle um jeden Preis sturmreif gemacht werden. 101 Als das einzig wirksame Gegenmittel gegen den Schwund der Deutschen sehen die REP eine Anhebung der Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung. Hierdurch könne auch langfristig dem Verlust des intellektuellen Potenzials vorgebeugt werden. 102 In ihrer rassistisch unterlegten Agitation billigen die REP insbesondere farbigen Mitbürgern nicht die gleichen Rechte zu. Sie verletzen damit die Menschenwürde und verstoßen insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Darüber hinaus offenbaren die REP ein rasseorientiertes und nicht politisch begründetes Verständnis des deutschen Staatsvolks. Damit einher geht die grundsätzliche Diskriminierung fremder Völker und Ethnien. Dies richtet sich insbesondere gegen Menschen, die nicht aus dem mitteleuropäischen Raum stammen. Beispiel hierfür sind Schlagzeilen in der Parteizeitschrift "Der Republikaner" wie etwa "Deutschland im Inderwahn" 103 oder "Sintiund Roma - Sumpf in Offenbach trockenlegen".104 Mit dieser Agitation wollen die REP zu einer breiten Abwehrhaltung gegenüber Fremden mobilisieren und die eigenen Forderungen nach einer ausländerfeindlichen Politik mehrheitsfähig machen. Rechtsextremistische Bestrebungen 89 Im Zuge dieser Argumentation setzen die REP auch auf eine Agitation gegen populistische Stigmatisierung der islamischen Religionsgemeinschafden Islam ten. Ihren hier lebenden Vertretern sprechen sie generell die Integrationswilligkeit in die deutsche Gesellschaft ab: "Seit Jahren entwickelt sich der islamische Fundamentalismus zur größten Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland ... und niemand begreift diese Entwicklung als den Beginn der Zerstörung des christlichen Abendlandes ... . Allein in Duisburg gibt es mittlerweile 37 islamische Gotteshäuser. Dort und in vielen anderen Orten wie Dortmund, Siegen usw. erschallt der Ruf des Muezzin zum Gebet. Und es ist kein Ruf des Friedens." (Aus einer Publikation der REP in Garbsen mit dem Titel "Morgenland contra Abendland", S. 1) Die pauschale Verunglimpfung von Menschen islamischen Glaubens als Fundamentalisten wird deutlich am Beispiel eines von der Stadt Mainz im Stadtteil Gonsenheim geplanten islamischen Jugend-, Kulturund Gemeindezentrums. Durch bewusste Überzeichnung versuchten die REP hier die fremdenfeindlichen Ängste der Bevölkerung zu schüren: "Wir setzen uns dafür ein ... ... daß unser Stadtteil kein Tummelplatz und Anziehungspunkt islamischer Fundamentalisten wird. In Gonsenheim ist kein Platz für eine intolerante und frauenfeindliche Religion, wie sie der Islam verkörpert ...!" (Flugblatt der REP im Mainzer Stadtrat und Ortsbeirat Gonsenheim vom Juli 2000) Die REP wirken in ihren Aussagen auf Revisionismus eine Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen hin, indem sie die historischen Hintergründe der Verbrechen des NS-Regimes ausblenden und gegen die Taten anderer Staaten aufrechnen. In einem Faltblatt suchten die REP den Nachweis zu führen, der Bau eines zentralen Holocaust-Mahnmals in Berlin diene nicht der Aufarbeitung der deutBericht 2000 90 Rechtsextremistische Bestrebungen schen Geschichte, sondern werde der deutschen Politik durch fremde Kräfte vorgegeben: "Selbsternannte Bewältiger zwingen den Deutschen jetzt das Schandmal als Zeichen ihrer ewigen Erniedrigung mitten in ihrer Hauptstadt auf. Diese Entscheidung fiel gegen das deutsche Volk, gegen die Lebenden, die die Sünden der Väter so gut wie möglich wiedergutzumachen trachteten." (Faltblatt der REP-Bundesgeschäftsstelle "Politik für Deutschland") Der Bundesvorsitzende Dr. Rolf SCHLIERER wurde in einer Pressemitteilung mit der Auffassung wiedergegeben, statt des HolocaustMahnmals brauche Deutschland ein zentrales Mahnmal für die eigenen Opfer. 105 Aktuellen Anlass einer relativierenden Gegenrechnung bot auch die "Stiftungsinitiative zur Zwangsarbeiterentschädigung". SCHLIERER erklärte hierzu in einer Pressemitteilung, der Bundestag habe mit der Annahme des Gesetzentwurfs zur Zwangsarbeiterentschädigung einem Erpressungsversuch nachgegeben, der in der internationalen Politik der letzten Jahrzehnte ohne Beispiel sei. Die Ursachen dieser Nötigung seien in der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg zu sehen. Eine Entschädigung sei nur dann vorstellbar, so SCHLIERER weiter, "... wenn alle Zwangsarbeiter bei den Entschädigungen in gleicher Weise berücksichtigt würden." Er erinnerte an das Schicksal deutscher Frauen und Männer, die von den Sowjets, Amerikanern und Franzosen zur Zwangsarbeit gezwungen worden seien und deren Anspruch auf Entschädigung für die Bundesregierung kein Thema sei.106 Schon früher hatte SCHLIERER gefordert: "Es ist an der Zeit, diese Leistungen Deutschlands zu bilanzieren und die Gegenrechnung aufzumachen, anstatt sich fortwährend moralischen Erpressungen zu beugen." (Pressemitteilung des REP-Bundesverbands Nr. 39/2000 vom 24. März) Agitation gegen das Die REP agitieren systematisch mit Beschimpfungen, VerleumMehrparteienprinzip dungen und Verdächtigungen gegen führende Vertreter des parlamentarischen Verfassungsstaats. Mit dem Angriff auf dessen Repräsentanten suchen sie insgesamt das Vertrauen der Bürger in die Funktionsfähigkeit des Mehrparteiensystems zu erschüttern und Rechtsextremistische Bestrebungen 91 damit die Werteordnung des Grundgesetzes zu untergraben. So wird behauptet, eine politische Klasse habe sich von der Bevölkerung abgesetzt und folge skrupellos den eigenen materiellen Interessen. Dementsprechend warfen die REP den "Altparteien" pauschal Filz, Skandale und Korruption vor 107 und erklärten darüber hinaus: "Während sich unsere Bundes-, Landes-, und Kommunalpolitiker in immer unverschämterer Weise selbst bedienen ... wird das deutsche Volk zunehmend ins Elend gestürzt." (Flugblatt des Landesverbands Sachsen mit dem Titel "Bürger wacht auf, ehe es zu spät ist!") In der Parteizeitung behauptete SCHLIERER: "... Die politische Klasse hat sich den Staat zur Beute gemacht und verteidigt diese Beute mit Zähnen und Klauen ..." ("Der Republikaner" Nr. 1-2/2000, S. 1) Neben dem Vorwurf mangelnder Integrität suggerieren die REP, die politischen Repräsentanten dienten entgegen ihrem Eid nicht den Interessen des deutschen Volkes, sondern ordneten sich willfährig fremden Vorgaben unter. In diesem Sinne behauptete der niedersächsische Landesvorsitzende Peter LAUER in einer Presseerklärung, die Verantwortlichen hätten es zugelassen, dass sich die Bundesrepublik zu "einem fremdgesteuerten Vasallenstaat von Amerikas Gnaden" entwickelt habe. LAUER wörtlich: "Es widert an, wenn man sieht, wie der einstige Straßenkämpfer Fischer die Außenministerin des großen Bruders USA umschleimt ... und die Bundeswehr zu einer Söldnertruppe der USA verkommt." (Pressemitteilung des REP-Landesverbands Niedersachsen Nr. 12 vom 8. März 2000) 3.2 Organisation und Entwicklung Wie bereits in den beiden Vorjahren mussten die REP auch im Jahr Mitglieder2000 einen weiteren Mitgliederrückgang auf 13.000 (1999: 14.000; entwicklung 1998: 15.000) hinnehmen. Die Parteistrukturen in Ostdeutschland Bericht 2000 92 Rechtsextremistische Bestrebungen blieben unverändert schwach. So verfügen die REP dort nur über rund 1.100 Mitglieder. In der Öffentlichkeit trat die Partei wenig in Erscheinung. An der alljährlichen Aschermittwochsveranstaltung am 8. März in Geisenhausen/Landkreis Landshut (Bayern) nahmen ca. 800 Personen teil (1999: 750). An einer vom REP-Landesverband Berlin am 17. Juni organisierten Demonstration zum Gedenken an den 17. Juni 1953 beteiligten sich lediglich ca. 80 Personen (1999 hatten am 12. Juni an einer entsprechenden Veranstaltung noch rund 750 Personen teilgenommen). Darüber hinaus fand am 30. September auf dem Münchener Marienplatz eine vom Landesverband Bayern angemeldete Demonstration unter dem Motto "Entwickelt sich die EU zu einer Gesinnungsdiktatur?" mit rund 60 Teilnehmern statt. Kennzeichnend für den anhaltenden Abwärtstrend der REP sind die seit Jahren andauernden innerparteilichen Differenzen um den - vom REP-Bundesvorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER vertretenen - Abgrenzungskurs gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen. Die Abgrenzungsbeschlüsse gelten nur bei Bedarf, so innerparteiliche Kritiker. Während in Baden-Württemberg eine gemäßigtbürgerliche Politik Erfolg verspreche, könne es den Wählern in den neuen Bundesländern teilweise nicht radikal genug sein. Dem müssten die REP Rechnung tragen. Der stellvertretende REP-Landesvorsitzende von Hessen Gerald WISSLER stellte in einer mit dem Titel "Zurück in die Offensive" ausgearbeiteten Analyse fest: "Zu Beginn des Jahres 2000 wird niemand in Zweifel ziehen, dass Die Republikaner sich in der schwersten Krise ihrer Geschichte befinden." 108 Er bewertet die Jahre 1998 und 1999 als eine Ansammlung von katastrophalen Wahlniederlagen, eine eigenständige Parteiorganisation sei faktisch nicht mehr existent, die Mitglieder seien demoralisiert und verunsichert. Als personelle Alternative zu SCHLIERER versuchte sich der Generalsekretär des REP-Landesverbandes Hessen Gottfried BURISCHEK zu profilieren. Bei mehreren von ihm organisierten Treffen der innerparteilichen Opposition forderten die Teilnehmer den Rücktritt SCHLIERERs und verurteilten den Abgrenzungskurs gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen. Am 19./20. Februar veranstalteten die REP in Leipzig eine Strategiekonferenz, bei der sie sich für ein Zusammengehen mit dem "Bund Freier Bürger" (BFB) aussprachen. SCHLIERER hatte sich aus taktischen Gründen für eine Strategiekonferenz entschieden, um einen von parteiinternen Kritikern geforderten Sonderparteitag zu vermeiden, bei dem personelle Veränderungen in der Parteispitze Rechtsextremistische Bestrebungen 93 im Vordergrund gestanden hätten. Durch die Option eines Neubeginns mit dem BFB gelang es ihm, seine Kritiker zu beschwichtigen und ihnen eine neue politische Perspektive zu eröffnen.109 Auf dem am 18./19. November in Winnenden bei Stuttgart durchgeführten Bundesparteitag wurde SCHLIERER mit rund 81 Prozent der Stimmen als Bundesvorsitzender bestätigt. BURISCHEK trat nicht als Gegenkandidat an. Christian KÄS, Landesvorsitzender der REP in Baden-Württemberg und einer der exponierten Kritiker von SCHLIERER und dessen Abgrenzungskurs, gehört dem Bundesvorstand nicht mehr an. Der Bundesvorstand der REP lehnte auf seiner Sitzung am Zusammenwirken 6. Februar zwar erneut eine Zusammenarbeit mit Vertretern der "extremit anderen men Rechten" ab. Der im Juli 1990 auf dem Bundesparteitag in RuhRechtsextremisten storf verfasste Abgrenzungsbeschluss gelte nicht nur für die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und die "Deutsche Volksunion" (DVU), sondern darüber hinaus auch für den rechtsextremistischen Liedermacher Frank RENNICKE und den Mitherausgeber der rechtsextremistischen Publikation "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" Harald NEUBAUER.110 SCHLIERER bekräftigte darüber hinaus im August in dem Positionspapier "Zwischen Republikanern und NPD gibt es keine Gemeinsamkeiten und keine Kooperation" noch einmal den offiziellen Abgrenzungskurs gegenüber der NPD.111 Gleichwohl wirkten viele REP-Mitglieder - wie auch für das Jahr 2000 zu belegen ist - mit anderen Rechtsextremisten zusammen: - Im Januar teilte der damalige NPD-Landesvorsitzende von SchleswigHolstein Ingo STAWITZ in einem Rundschreiben mit, dass die NPD für den Wahlkampf zu den dortigen Landtagswahlen im Februar 2000 insbesondere Spenden und Hilfe von den REP erhalten habe.112 - Nach einer Pressemitteilung der NPD sprach der damalige stellvertretende REP-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein am 23. Januar anlässlich einer NPD-Wahlveranstaltung in Bad Bramstedt ein Grußwort, das mit großem Beifall aufgenommen worden sei. In der Pressemitteilung heißt es weiter, die entscheidenden REP-Funktionäre in Schleswig-Holstein ermunterten ihre Mitglieder, die NPD zu wählen.113 - Einem Bericht des REP-Parteiorgans "Der Republikaner" zufolge bestehen freundschaftliche Kontakte zwischen der "Republikanischen Jugend" (RJ) und den belgischen "Vlaams Blok Jongeren" (VBJ), der Jugendorganisation des rechtsextremistischen "Vlaams Blok" (VB). Drei Vorstandsmitglieder der VBJ hätten den Deutschlandtag der RJ besucht, anlässlich des Bundesjugendparteitags der VBJ habe der Gegenbesuch einer RJ-Delegation in Brüssel stattgefunden.114 - Die NPD-Publikation "Sachsen Stimme" berichtete in ihrer Ausgabe von Mai/Juni 2000, dass anlässlich einer GedenkveranstalBericht 2000 94 Rechtsextremistische Bestrebungen tung der NPD am 13. Februar in Dresden u. a. ein REP-Kreisvorsitzender als Redner aufgetreten sei.115 - Der REP-Kreisverband Mettmann hat den früheren REP-Bundesvorsitzenden und Protagonisten einer "Vereinigten Rechten" Franz SCHÖNHUBER zum Ehrenvorsitzenden ernannt.116 - Das NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" (DS) berichtete in seiner Juni-Ausgabe, dass SCHÖNHUBER am 7. Mai in Mainz-Kastel als Gastredner beim Landesjugendkongress der "Republikanischen Jugend" (RJ) Hessen aufgetreten sei. Der hessische RJ-Landesvorsitzende Andreas LEHMANN habe geäußert, ohne die Zusammenarbeit mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) und den "Freien Nationalisten" "wäre ein wirksamer Protest gegen die Anti-Wehrmachtsausstellung in Kassel nicht zustande gekommen."117 - Die rechtsextremistische Zeitschrift "Nation & Europa" berichtete in ihrer Ausgabe vom Juni 2000, in Darmstadt-Dieburg wie auch anderswo gebe es zwischen REP und NPD konstruktive Kontakte zur Bildung einer gemeinsamen Liste für die Kommunalwahlen in Hessen im Frühjahr 2001. Auch im REP-Landesverband RheinlandPfalz würden sich derzeit ähnlich wie im Nachbarverband Hessen ernsthafte Einigungstendenzen entwickeln.118 - Der hessische RJ-Landesvorsitzende Andreas LEHMANN ist seit Juli Redaktionsmitglied 119 des rechtsextremistischen Strategieund Theorieorgans "Nation & Europa", das u. a. ein Zusammenwirken des zersplitterten rechtsextremistischen Parteienlagers fordert. - Das seit dem 9. Mai 1999 von der REP-Bundesführung verhängte Auftrittsverbot für den Mitherausgeber von "Nation & Europa" und früheren REP-Generalsekretär Harald NEUBAUER wurde - wie bereits 1999 - erneut unterlaufen. So nahm NEUBAUER am 23. September auf Einladung der REP-Stadtverordnetenfraktion Mainz an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Tollhaus EU! - Österreich raus, Türkei rein? Wie demokratisch ist das sozialistische Europa?" teil. Eingeladen und anwesend waren außerdem der REP-Funktionär BURISCHEK und der Fraktionsvorsitzende des belgischen "VLAAMS BLOK" Wim VERREYCKEN.120 Teilnahme Die REP beteiligten sich im Jahr 2000 lediglich an Wahlen an den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai. Die Partei trat mit einer Landesliste und Direktkandidaten in 132 von 151 Wahlkreisen an. Sie erzielte 1,1 % der Zweitstimmen (1995: 0,8 %) und blieb damit ohne Bedeutung. Planungen der REP, zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 27. Februar - auch mit Unterstützung der DVU - anzutreten, scheiterten. "Nation & Europa" berichtete in der Januar-Ausgabe, dass die Rechtsextremistische Bestrebungen 95 REP im Vorfeld dieser Landtagswahl auch Gespräche mit der NPD geführt hätten. Der REP-Bundesgeschäftsführer Gerhard TEMPEL habe sich im April 1999 mit dem DVU-Bundesvorstandsmitglied Klaus SOJKA und dem damaligen NPD-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein Ingo STAWITZ getroffen. 121 Mit Urteil vom 10. September 1999 hatte das OberverwaltungsgeGerichtsverfahren richt Rheinland-Pfalz die nachrichtendienstliche Beobachtung des REP-Landesverbands Rheinland-Pfalz für zulässig erklärt. Die von den REP gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde wurde am 3. März durch das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die vom REP-Landesverband Baden-Württemberg 1998 gegen das Land Baden-Württemberg eingereichte Klage zur Unterlassung der Beobachtung der REP mit nachrichtendienstlichen Mitteln als auch der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1999 wurde am 26. Mai vom Verwaltungsgericht Stuttgart abgewiesen. Die REP haben gegen das Urteil Berufung eingelegt, die der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 17. Oktober zugelassen hat. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Urteil vom 19. Oktober nach Rückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht die Beobachtung des REP-Landesverbands Niedersachsen mit bestimmten nachrichtendienstlichen Mitteln (Sammeln von Informationen durch V-Leute sowie verdeckte Ermittlungen und Befragungen) für zulässig erklärt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Der REP-Landesverband hat dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Urteil vom 7. Dezember 1999 bestätigt, dass die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts genügten, um den Verdacht zu begründen, dass die REP verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgten. Zur Klärung der Frage, ob und inwieweit der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die REP dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, war der Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen worden. Mit Urteil vom 21. Dezember hat das Oberverwaltungsgericht Münster die Beobachtung der REP durch die Verfassungsschutzbehörde Nordrhein-Westfalen für zulässig erklärt und damit die Berufung der REP zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Partei hat dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie wollte 1993 mit einer Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen ihre Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln und ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht unterbinden. Diese Klage hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf 1994 abgewiesen. Bericht 2000 96 Rechtsextremistische Bestrebungen Darüber hinaus ist noch ein Verfahren der REP gegen die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln in Berlin anhängig. 4. Rechtsextremistische Kleinparteien 122 und Wählervereinigungen "Freiheitliche Am 15. Februar gründeten überwiegend frühere Funktionäre der Deutsche "Deutschen Volksunion" (DVU; vgl. Kap. V, Nr. 2) in Oschersleben Volkspartei" (Sachsen-Anhalt) die "Freiheitliche Deutsche Volkspartei" (FDVP). Sie hat lediglich Landesverbände in Sachsen-Anhalt und Thüringen, ihre Mitgliederzahl liegt deutlich unter 200. Bundesvorsitzende der FDVP ist die frühere Fraktionsvorsitzende der DVU und heutige Fraktionsvorsitzende der FDVP im Landtag von Sachsen-Anhalt, Claudia WIECHMANN. Sieben der anfangs neun von der DVU zur FDVP übergetretenen Abgeordneten gehörten zum Ende des Jahres noch der FDVP-Fraktion im Landtag an. Das Programm der FDVP lässt keine grundlegende Abkehr von der DVU-Programmatik, insbesondere von der fremdenfeindlichen und unterschwellig antisemitischen Grundhaltung, wie sie die "National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) der DVU propagiert, erkennen. "Ab jetzt ... Bündnis Die Partei "Ab jetzt...Bündnis für Deutschland" (Deutschland) für Deutschland" wurde 1997 gegründet und wird von Dr. Helmut FLECK geleitet. Bei ca. 150 Mitgliedern verfügt sie über einen Unterbau von zehn Landesverbänden und diversen Kreisverbänden. Einzige Aktion mit nennenswerter Außenwirkung war eine Demonstration am 2. September in Siegburg (Nordrhein-Westfalen) gegen "Bildungsnotstand, Ausländerkriminalität und Drogen an deutschen Schulen". Im Demonstrationsaufruf hieß es, man wolle "gemeinsam gegen die verlogene rotgrüne Verdummungsund Überfremdungspolitik ... demonstrieren". 123 "Vereinigte Rechte" Ende 1997 entstand die Partei "Vereinigte Rechte" (VR). Sie hat ca. 50 Mitglieder, weitgehend inaktive Landesverbände bestehen in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und Sachsen; in verschiedenen anderen Ländern gibt es nur Landesbeauftragte. Viele Funktionsträger der VR stammen aus dem rechtsextremistischen Lager. 124 Das Programm der VR enthält einige nationalistische, völkischkollektivistische, fremdenfeindliche und revisionistische Zielsetzungen.125 Das ehrgeizige Vorhaben, alle "national-konservativen" Parteien in Deutschland auf einer gemeinsamen Liste zu vereinigen und damit bei Wahlen anzutreten, hat die VR nicht einmal ansatzweise verwirklichen können. Rechtsextremistische Bestrebungen 97 Auch die 1990 gegründete Kleinpartei "Bund für Gesamtdeutsch"Bund für Gesamtland" (BGD) unter der Führung von Horst ZABOROWSKI, früher eng deutschland" mit "Ab jetzt...Bündnis für Deutschland" verbunden, vertritt revisionistische, antidemokratische und fremdenfeindliche Positionen. Die Partei hat ca. 150 Mitglieder in sechs Landesverbänden. Ein Agitationsschwerpunkt des BGD war die Forderung nach Entschädigung in Höhe von 2.500 Milliarden DM für die Vertreibung von Deutschen aus ihrer Heimat: "Über 50 Jahre nach Kriegsende ist es höchste Zeit, dieses Kapitel der Geschichte aufzuarbeiten. Wir wurden seit Kriegsende pausenlos aufgefordert, unsere Geschichte zu 'bewältigen'. Nachdem in der gesamten Nachkriegszeit unvorstellbare Summen vom deutschen Volk gezahlt worden sind, und immer wieder neue 'Quellen' erschlossen werden, um uns zur Kasse zu bitten, drehen wir den Spieß um und arbeiten die Geschichte aus der Sicht des deutschen Volkes auf!" ("Unsere deutsche Heimat" Nr. 47, Januar/Februar 2000, S. 1 und 4) Die früher als Partei und nunmehr als Verein agierende "Deut"Deutsche Liga für sche Liga für Volk und Heimat" (DLVH), gegründet 1991, hat jahreVolk und Heimat" lang erfolglos versucht, Sammelpartei des "Rechten Lagers" zu werden. Diese Bemühungen scheiterten, weil andere rechtsextremistische Organisationen nicht bereit waren, ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Jedoch nehmen führende Vertreter der DLVH Funktionen in anderen rechtsextremistischen Zusammenhängen wahr. So fungierte der DLVH-Bundesvorsitzende Ingo STAWITZ bis Oktober als NPD-Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein. Das DLVH-Bundesvorstandsmitglied Peter DEHOUST sowie der langjährige frühere DLVHBundesvorsitzende Harald NEUBAUER sind Mitherausgeber der rechtsextremistischen Zeitschrift "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" (vgl. Kap. IX, Nr. 2). Der Verein weist einen Mitgliederbestand von über 300 Personen auf. VI. Intellektualisierungsbemühungen im Rechtsextremismus Rechtsextremistische Intellektuelle setzten ihre Bemühungen um Rechtseine "Kulturrevolution von rechts" - wenn auch ohne nennenswerte extremistische Erfolge - fort. Mit einem "Kampf um die politische MeinungsführerIntellektuelle ohne nennenswerte schaft" wollen sie die grundlegenden Wertvorstellungen des demoErfolge kratischen Verfassungsstaats wie die Menschenrechte oder die Volkssouveränität delegitimieren. Mit dem Ziel, eine dementsprechende attraktive politische Programmatik und Theorie zu entwickeln, Bericht 2000 98 Rechtsextremistische Bestrebungen erschienen seit Mitte der 80er Jahre verstärkt Bücher und Zeitschriften. Darüber hinaus wurden Seminare und Vortragsveranstaltungen durchgeführt sowie Lesekreise und "Sommeruniversitäten" gegründet. Wegen eigenen intellektuellen und organisatorischen Unvermögens, mangelnder Attraktivität und der kritischen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit konnten die anvisierten Ziele aber nur in Ansätzen erreicht werden. Im Laufe der zweiten Hälfte der 90er Jahre machte sich deshalb immer mehr Enttäuschung bei den Protagonisten der Intellektuellen-Szene breit. Intellektualisierung Auch die - zumindest teilweise - beabsichtigte Intellektualisierung der Parteien der Parteien scheiterte. Solche Bemühungen setzten bei den REP scheiterte bereits Anfang der 90er Jahre ein und wurden Mitte der 90er Jahre noch einmal intensiviert. Es gelang der Partei jedoch nicht, Intellektuelle an sich zu binden oder ihr Parteiorgan niveauvoller zu gestalten. Die DVU dagegen bemühte sich erst gar nicht darum, ihre Außendarstellung auf ein formal höheres Niveau zu heben. Sie setzt nach wie vor auf platte Parolen und Populismus. Allein in der NPD ließ sich in den letzten beiden Jahren eine gewisse Intellektualisierung feststellen. In die Redaktion ihres Parteiorgans "Deutsche Stimme" traten jüngere Rechtsextremisten ein, die im Jahr 2000 stärker ideologische, programmatische und strategische Fragen thematisierten. So erschienen etwa Artikel zur Debatte um die Schaffung von "befreiten Zonen", Aufsätze zum Demokratieverständnis der Partei, Grundsatzbeiträge zu wirtschaftspolitischen Fragen oder programmatische Texte zum Naturschutz. Eine wichtige Rolle bei der zumindest ansatzweisen Intellektualisierung des Parteiorgans der NPD spielt seit 1999 der Germanist Jürgen SCHWAB, der vor seinem Redaktionseintritt bereits Beiträge in rechtsextremistischen Theorie-Zeitschriften wie "Nation & Europa", "Sleipnir" und "Staatsbriefe" publiziert hatte. Im "Deutsche StimmeVerlag" veröffentlichte er Ende 1999 mit dem Buch "Deutsche Bausteine. Grundlagen nationaler Politik" ein programmatisches Grundsatzwerk, das Beachtung im rechtsextremistischen Lager auch über die NPD hinaus fand. SCHWAB lehnt darin den Parlamentarismus und Wahlen ab und bekennt sich zu fremdenfeindlichen und völkischen Einstellungen. Bei dem Werk handelt es sich um eine der wenigen programmatischen und theoretischen Schriften des rechtsextremistischen Lagers der letzten Jahre, auch wenn es weder formal noch inhaltlich den Anspruch erfüllt, der an ein Werk der politischen Theorie zu stellen ist. SCHWAB ist überdies neben weiteren rechtsextremistischen Intellektuellen wie Dietmar ENGELHARD, Pierre KREBS, Horst MAHLER und Reinhold OBERLERCHER Mitinitiator der organisationsübergrei- Rechtsextremistische Bestrebungen 99 fenden "Deutsche Akademie". Die im Umfeld der NPD agierende Verbundorganisation soll die staatstheoretische Bildungsarbeit vertiefen und unter Betonung der Reichsidee Alternativen zum System der Bundesrepublik Deutschland entwickeln. Die "Deutsche Akademie" führte im Juli und im Dezember ein Sommerrespektive Winterseminar durch. Referenten waren neben den Initiatoren u. a. Werner BRÄUNINGER, Uwe MEENEN, Michael NIER und Thor von WALDSTEIN. Es bestehen nur wenige eigenständige rechtsextremistische Intellektuellenorganisationen. Zu ihnen gehört das bereits 1980 gegründete "Thule-Seminar" in Kassel, das lediglich mit großen zeitlichen "Thule-Seminar" Abständen seine Theoriezeitschrift "Elemente" herausgeben konnte. Im Frühjahr veröffentlichte es erstmals eine neue Zeitschrift mit dem Titel "Metapo - Metapolitik im Angriff zur Neugeburt Europas". Deren Autoren wollen "aus einer grundsätzlich anderen, dem gegenwärtigen Sinnund Wertesystem entgegenstehenden Position Stellung beziehen." 126 "Metapo", das insbesondere Jugendliche ansprechen will, enthält kürzere Texte zu aktuellen Themen und kulturellen Traditionen wie auch Beiträge zu politischen Theoretikern. Ursprünglich bildete das von Dr. Pierre KREBS geleitete "ThuleSeminar" einen deutschen Ableger der französischen "Nouvelle Droite", einer Intellektuellen-Gruppe um den Publizisten Alain de BENOIST. "Metapo" distanziert sich inzwischen von dessen Auffassungen zur Ausländerund Immigrationspolitik. Seine "ethnopluralistische" Auffassung, die ein multikulturalistisches Nebeneinander ethnisch geschlossener Gemeinschaften auf einem Territorium vorsehe, sei absurd. Noch deutlicher zeigt sich der Bruch mit de BENOIST darin, dass nach einer Ankündigung in "Metapo" demnächst Guillaume FAYE als regelmäßiger Mitarbeiter schreiben werde. 127 Dieser einstige Mitstreiter von de BENOIST gehört mittlerweile zu dessen entschiedensten Gegnern innerhalb der rechtsextremistischen Intellektuellen-Szene Europas. Das "Thule-Seminar" ist somit auf der Seite derjenigen Rechtsextremisten positioniert, die ihre Ablehnung der Institutionen und Wertvorstellungen der demokratischen Verfassungsstaaten aggressiv und offen zum Ausdruck bringen. Weitere rechtsextremistische Intellektuellenorganisationen sind "Deutsch-Europäische die bereits 1972 gegründete "Deutsch-Europäische Studien-GesellStudien-Gesellschaft" schaft" (DESG) und die seit 1995 existierende Gruppierung "Synergon (DESG) und "Synergon Deutschland", die deutsche Sektion der europaweit agierenden, Deutschland" nationalrevolutionär ausgerichteten "Europäischen Synergien". Obwohl beide Organisationen bereits seit 1997 zusammenarbeiten, Bericht 2000 100 Rechtsextremistische Bestrebungen ergab sich daraus kein politischer Aufwärtstrend: Ihre Publikationsorgane "DESG-inform" und "Junges Forum" konnten nur unregelmäßig erscheinen, und an den Veranstaltungen der "Europäischen Synergien" nahmen nur wenige deutsche Vertreter teil. Anfang des Jahres versuchte man mit Hilfe eines neuen Kooperationspartners, wieder stärker in die Offensive zu gehen. Programmatische Stellungnahmen von "Synergon" erschienen seitdem in der neo-heidnisch ausgerichteten Zeitschrift "Hagal - Die Allumfassende". Deren Herausgeber ist der "Verlag Zeitenwende" in Dresden, der unter anderem die von dem Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard SCHAUB verfassten Broschüren "Adler und Rose" sowie "Reich Europa" mit ablehnenden Äußerungen zu den Menschenrechten und einem Plädoyer für ein neues Reich veröffentlichte. Auch in Form gemeinsamer Veranstaltungen zeigte sich die neue Kooperation. So fand Ende April ein erstes gemeinsames Seminar unter dem Titel "Reich Europa" statt. Dort referierte neben SCHAUB auch der österreichische Publizist Martin SCHWARZ, der für eine traditionelle Herrschaftsordnung im Sinne des italienischen Kulturphilosophen Julius Evola - intellektueller Sympathisant des MussoliniFaschismus - plädierte. Außerdem gehörte der Belgier Robert STEUCKERS, der intellektuelle und organisatorische Kopf der "Europäischen Synergien", zu den Referenten. Dieser entwickelte in einem Vortrag die geopolitischen Grundlagen des von ihm angestrebten neuen europäischen Reichs. Alle Referenten wandten sich gegen das westliche Gesellschaftsund Politikmodell, das aus ihrer Sicht von Dekadenz und Verfall geprägt sei. Anlässlich des Seminars wurde der Geschäftsführer des "Verlags Zeitenwende" als zukünftiger Leiter von "Synergon Deutschland" vorgestellt; auch darin wird die verstärkte Kooperation sichtbar. Während dieses erste gemeinsame Seminar gut besucht war, fand ein Folgeseminar anlässlich des 100. Todestags des Philosophen Friedrich Nietzsche im Oktober weitaus geringeres Interesse. Aufweichung der Inhaltlich verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen den Grenzen zwischen "Nationalrevolutionären" und der "Neuen Rechten". Eine politische "NationalVorstellung, die stärker den Staat als autoritäres Herrschaftsinstrurevolutionären" ment sieht, kennzeichnet die "Neue Rechte". Demgegenüber stellen und der "Neuen Rechten" die "Nationalrevolutionäre" das Volk als ethnische Einheit in den Vordergrund. Beide Richtungen eint der antiindividualistische und antipluralistische Grundkonsens. Niedergang Die desolate Situation rechtsextremistischer Intellektueller zeigt einschlägiger sich auch anhand der Entwicklung einschlägiger PublikationsorPublikationsorgane gane. Während "Nation & Europa" (vgl. Kap. IX) in Bedeutung und Rechtsextremistische Bestrebungen 101 Verbreitung stabil blieb, erschien nur ein Exemplar der Zwei-MonatsZeitschrift "Sleipnir". Die von dem Rechtsextremisten Manfred ROUHS vierteljährlich herausgegebene Schrift "Signal. Das europäische Magazin" verlor an Aussagekraft. Häufig platzierten rechtsextremistische Autoren dort nur noch Beiträge, deren Inhalte sie bereits in anderen Publikationsorganen veröffentlicht hatten. Auch innerhalb des rechtsextremistischen Lagers fand die Zeitschrift immer weniger Beachtung. Als ROUHS im Juni sein alljährliches Pressefest durchführte, stießen die Vorträge zu historischen und politischen Themen auf geringeres Interesse als die musikalischen Beiträge rechtsextremistischer Liedermacher. Aufgrund solcher Erfahrungen auch aus den Veranstaltungen der letzten Jahre konzentriert ROUHS seine Aktivitäten mittlerweile auf den Vertrieb von CDs. Die sich elitär gebende rechtsextremistische Theoriezeitschrift "Staatsbriefe" setzte ebenfalls keine nennenswerten Impulse für die Strategieoder Theoriediskussionen des rechtsextremistischen Lagers. Der Herausgeber Dr. Hans-Dietrich SANDER konnte außer politischen Beschwörungen weder theoretische noch praktische Wege für gesellschaftliche Veränderungen aufzeigen. Darüber hinaus ging die Zahl der Stammautoren der Zeitschrift - wie in den Vorjahren - weiter zurück. Nachdem es zu heftigen Differenzen zwischen SANDER und den ständigen Autoren Horst MAHLER und Reinhold OBERLERCHER um deren symbolische Ausrufung eines neuen Reiches gekommen war, fanden diese in den "Staatsbriefen" kein publizistisches Forum mehr. Die Auflagenzahl der Zeitschrift sank weiter auf unter 900. Den Niedergang der "Staatsbriefe" erklärte sich SANDER u. a. mit dem intellektuellen Unvermögen vieler "Rechter", etwas mit seiner Zeitschrift anfangen zu können. 128 Einer der wenigen Erfolge, die rechtsextremistische Intellektuelle im Laufe der 90er Jahre verzeichnen konnten, war die undeutlicher gewordene Abgrenzung zwischen einigen demokratisch-konservativen und rechtsextremistischen Autoren auf publizistischer Ebene. Vertreter beider Lager schrieben in gleichen Publikationsorganen, Sammelbänden und Verlagen. Allerdings stagnierten derartige Tendenzen in den letzten Jahren, erklärte sich doch nur ein kleiner Kreis von Konservativen zu einer solchen Zusammenarbeit bereit. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Kontext nach wie vor die Wochenzeitung "Junge Freiheit", die sowohl Demokraten als auch Rechtsextremisten zu ihren Autoren und Interviewpartnern zählt. Bei Interviews fällt ein unterschiedliches Vorgehen der das Gespräch führenden Redakteure auf. Während etwa demokratische Politiker mit Auffassungen, die den Positionen der "Jungen Freiheit" widersprechen, sehr kritisch befragt werden, bietet man bekannten Rechtsextremisten ein Forum ohne kritische Kommentierung. Ein Beispiel dafür ist das Bericht 2000 102 Rechtsextremistische Bestrebungen Interview mit Sascha WAGNER, dem Landesvorsitzenden der NPDJugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" in Rheinland-Pfalz; der Interviewer nahm eher die Rolle des Stichwortgebers ein, ohne kritisch nachzufragen. 129 Auch ein Spendenaufruf der "Jungen Freiheit" 130 zugunsten des rechtsextremistischen "Dark Wave"-Musikers Josef KLUMB zeugt nicht von einer grundlegenden Distanz zu diesem politischen Lager. VII. Revisionismus Zu den wichtigsten thematischen Agitationsfeldern der Rechtsextremisten gehört der Revisionismus. Entgegen dem wissenschaftlichen Verständnis dieses Begriffs, das auf Korrekturen einer bestimmten Auffassung durch neu gewonnene Erkenntnisse abstellt, geht es dem rechtsextremistischen Revisionismus um die politisch motivierte Umdeutung der Vergangenheit, insbesondere hinsichtlich der Zeit des Nationalsozialismus. Das Hitler-Regime soll moralisch entlastet oder gar verteidigt werden. Nicht nur Neonazis sondern auch andere Rechtsextremisten gehen so vor, sehen sie doch durch das negative öffentliche Bild vom "Dritten Reich" auch ihre politischen Grundauffassungen diskreditiert. Methoden der Zu den von Revisionisten genutzten Methoden der Manipulation Manipulation und Täuschung gehören: - relativierende Aussagen durch Gleichsetzung der Verbrechen der Nazi-Diktatur mit anderen Verbrechen; so wird etwa die Massenvernichtung von Juden mit den alliierten Bombenangriffen auf Dresden auf eine Stufe gestellt, - das Herausstellen "positiver" Aspekte des Nationalsozialismus, wozu beispielsweise die Würdigung angeblicher sozialpolitischer Leistungen oder des Autobahnbaus gehört, - das manipulative Erstellen sogenannter Gutachten, wie etwa des angeblich naturwissenschaftlichen "Leuchter-Reports", der den Holocaust leugnet, oder - die einseitige Auswahl und die Erfindung von Dokumenten, um den Nationalsozialismus rechtfertigende Aussagen zu untermauern. Als eigenständiges Agitationsfeld ging der Revisionismus in den letzten Jahren zurück. Zwar finden sich in der Agitation von rechtsextremistischen Parteien und anderen Organisationen immer wieder revisionistische Äußerungen, allerdings erschienen immer weniger Buchpublikationen in diesem Zusammenhang. Rechtsextremistische Die rechtsextremistische Umdeutung von in der Öffentlichkeit disUmdeutung kutierten Themen nahm hingegen zu. Ein Beispiel dafür sind die Rechtsextremistische Bestrebungen 103 Berichte über das inzwischen auf Deutsch erschienene Buch "Die Holocaust-Industrie" des amerikanischen Politologen Norman Finkelstein.131 Der Autor kritisiert polemisch und überspitzt die von ihm behauptete Instrumentalisierung der Erinnerung an den Holocaust durch jüdische Interessensverbände. Die "National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) thematisierte dies unter der Überschrift "Holocaust: Lug und Betrug? Jüdischer Wissenschaftler rechnet ab". 132 Dies suggeriert fälschlicherweise, Finkelstein habe inhaltliche Zweifel an der Massenvernichtung der Juden als historischem Ereignis geäußert. Durch diese Verdrehung der eigentlichen Sachverhalte versucht die Zeitung, dem Leser unausgesprochen zu vermitteln, die Fakten der Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg seien betrügerisch verändert worden. Die Leugnung der Massenvernichtung von Juden in den Gaskammern "Auschwitz-Lüge" der Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs ist eine spezielle Variante des Revisionismus. Derartige - auch als "AuschwitzLüge" oder Holocaust-Leugnung bezeichnete - Aussagen sind in Deutschland strafbar (SSSS 130, 185, 189 StGB); auf Grund dessen wurden in den letzten Jahren Rechtsextremisten bis hin zu Freiheitsstrafen verurteilt. Das erklärt auch, warum sich die den Holocaust leugnende Propaganda im Laufe der 90er Jahre aus Deutschland heraus in andere Länder verlagerte. So verbreitet etwa die in Belgien ansässige rechtsextremistische Organisation "Vrij Historisch Onderzoek" (V.H.O.) die wichtigsten, in Deutschland beschlagnahmten oder indizierten deutschsprachigen Veröffentlichungen von Protagonisten der Holocaust-Leugnung. Sie gibt darüber hinaus die pseudo-wissenschaftlich aufgemachte Zeitschrift "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung" (VffG) heraus. Deren eigentlicher Kopf ist der von Großbritannien aus agierende deutsche Revisionist Germar SCHEERER, geb. RUDOLF. Er war 1995 in Deutschland wegen Volksverhetzung verurteilt worden und hatte sich vor Haftantritt ins Ausland abgesetzt. Im Verlag "Castle Hill Publishers" erscheinen neben den VffG auch Schriften anderer Holocaust-Leugner. So verbreitete SCHEERER zuletzt die von dem Schweizer Revisionisten Jürgen GRAF bereits Ende 1999 veröffentlichten Bücher "Das Konzentrationslager Stutthof" (zusammen mit Carlo MATTOGNO) und "Riese auf tönernen Füßen". Insgesamt gelang es SCHEERER aber nicht, seine Projekte entscheidend voranzutreiben, so entschuldigte er sich in der Art eines Rechenschaftsberichts an seine Leser für die Verzögerung der 1999 angekündigten Vorhaben. Einen Rückschlag erhielt die gesamte internationale RevisionistenHolocaust-Leugner Szene durch einen Prozess um den weltweit wohl bekanntesten HoloIRVING unterliegt caust-Leugner, den britischen Schriftsteller David IRVING. 133 Er hatte vor Gericht eine Verleumdungsklage gegen die amerikanische Historikerin Deborah Lipstadt angestrengt, die ihn als "einen der gefährlichsten HolocaustBericht 2000 104 Rechtsextremistische Bestrebungen Leugner" bezeichnet hatte. Im Prozess in London bezeugten zahlreiche renommierte Historiker IRVINGs manipulativen Umgang mit Quellen. Das Gericht kam in seinem Urteil zu der Auffassung, der Schriftsteller sei ein Rassist, Antisemit, Holocaust-Leugner und Fälscher historischer Fakten. Verbittert bemerkte das in Großbritannien erscheinende deutschsprachige revisionistische Publikationsorgan "National Journal": "Irving ist nunmehr als Historiker ruiniert. Welcher Verlag beschäftigt einen Autor, den jedermann einen 'Geschichtsfälscher' nennen darf? Das hat er sich weitgehend selbst zuzuschreiben." ("National Journal" Nr. 44/2000, S. 10) Agitation Die den Holocaust leugnenden rechtsextremistischen Organisaüber das Internet tionen im Ausland nutzen auch das Internet, um ihre Agitation weltweit und damit auch in Deutschland zu verbreiten. Zu diesen gehören etwa der Personenkreis um den in Kanada lebenden deutschen Neonazi Ernst ZÜNDEL, die belgische Organisation V. H. O., die französische "Association des Anciens Amateurs de Recits de Guerre et d'Holocauste" (AAARGH) und die beiden amerikanischen Organisationen "Commitee for Open Debate On The Holocaust" (CODOH) und "Institute for Historical Review" (IHR). Das IHR hielt Ende Mai in Orange County (California) einen Kongress mit revisionistischen Referenten aus verschiedenen Ländern ab, u. a. mit GRAF, IRVING, SCHEERER und ZÜNDEL. Das IHR stellte Informationen zu dieser Tagung sowie die einzelnen Vorträge ins Internet ein. VIII. Internationale Verbindungen Deutsche Rechtsextremisten pflegen vielfältige Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen. 134 Gegenseitige Treffen und Besuche dienen der Kontaktpflege, dem Informationsaustausch und der Absprache gemeinsamer Aktionen. Neben bilateralen Kontakten gab es Veranstaltungen mit internationalem Charakter, die von Rechtsextremisten aus verschiedenen europäischen Ländern als Forum genutzt wurden. Durch solche Auslandskontakte versuchten die rechtsextremistischen Organisationen ihre angebliche Bedeutung herauszustellen und ihr Ansehen zu verbessern. Rechtsextremistische Bestrebungen 105 1. Internationale Treffen und Veranstaltungen Die Zahl der Teilnehmer an internationalen Treffen und Veranstaltungen war allerdings weiter rückläufig. Dazu haben nicht zuletzt verstärkte repressive Maßnahmen deutscher und ausländischer Sicherheitsbehörden beigetragen, von Bedeutung waren auch organisatorische Defizite bei den Veranstaltern. Deutsche Rechtsextremisten nahmen an mehreren Zusammenkünften teil: - Die von der neonazistischen Partei "Ungarische Nationale Front" (MNA) und der ungarischen "Blood & Honour"-Division veranstaltete Gedenkfeier zu Ehren der gefallenen Soldaten der "Waffen-SS" am 13. Februar in Budapest zog - im Gegensatz zum Vorjahr - nur wenige ausländische Besucher an, darunter knapp ein Dutzend deutsche Gesinnungsgenossen. Den ungarischen Organisatoren war es wegen der Proteste von Bürgerinitiativen und infolge behördlicher Maßnahmen nicht gelungen, die alljährliche Großdemonstration und das traditionelle Skinhead-Konzert wie geplant durchzuführen. Insbesondere die deutschen Rechtsextremisten dürften auch vor dem Hintergrund zahlreicher Exekutivmaßnahmen der ungarischen Sicherheitsbehörden im Jahr 1999 von einer Teilnahme abgehalten worden sein. - Am 26. August, dem Vorabend der 73. "Ijzerbedevaart", bei der Flamen ihrer Gefallenen des I. Weltkrieges gedenken, fanden sich rund 250 Rechtsextremisten aus mehreren Ländern, darunter 60 Deutsche, zu einem "internationalen Kameradschaftstreffen" in Diksmuide (Belgien) ein. Zehn Deutsche wurden bei Kontrollen durch die belgische Polizei vorübergehend festgenommen. - Rund 50 Rechtsextremisten, darunter etwa 15 deutsche Neonazis, demonstrierten am 26. August in Echt (Niederlande) zum Gedenken an Rudolf Heß. Die Polizei löste die Kundgebung auf und nahm einen Teilnehmer aus den Niederlanden vorläufig fest. Eine ähnlich geringe Anzahl deutscher Rechtsextremisten hatte auch an einem Rudolf Heß-Marsch am 29. Juli in Helsingör (Dänemark) teilgenommen. - Die traditionelle "Ulrichsberg-Gedenkfeier" zu Ehren der gefallenen Soldaten beider Weltkriege fand in diesem Jahr am 1. Oktober in der Nähe von Klagenfurt (Österreich) statt. Nur wenige deutsche Rechtsextremisten nutzten die Gelegenheit, sich am Rande dieser Veranstaltung mit ausländischen Gesinnungsgenossen zu treffen. - Vom 27. Oktober bis 1. November veranstalteten der "Freundeskreis Ulrich von Hutten e. V." und die "Deutsche Kulturgemeinschaft Österreich" in Rosenheim (Bayern) die "24. Gästewoche". Die geschlossene Veranstaltung unter dem Motto "Aufbruch zur Bericht 2000 106 Rechtsextremistische Bestrebungen seelischen und geistigen Gesundung Deutschlands und Europas durch die Neuwertung der Werte" wurde von einer österreichischen Rechtsextremistin geleitet. An der Eröffnung nahmen rund 120 Deutsche und Österreicher teil. - Ihren "7. Europäischen Kongreß der Jugend" hielten die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) am 28. Oktober in Dreisen/Pfalz ab. Unter den etwa 300 Gästen befanden sich zahlreiche ausländische Rechtsextremisten, u. a. auch größere Delegationen aus Schweden und Italien. - An den Feierlichkeiten anlässlich der Todestage des Diktators General Francisco Franco und des Falangistenführers Jose Primo de Rivera vom 17. bis 19. November in Madrid nahmen nur etwa 25 deutsche Rechtsextremisten teil. 2. Rechtsextremistische Einflüsse aus den USA 2.1 "National Alliance" Der US-amerikanische Rechtsextremist und Leiter der neonazistisch geprägten Organisation "National Alliance" (NA) Dr. William PIERCE versuchte, seinen Einfluss auf die rechtsextremistische Szene in Europa auszudehnen. Schon seit einigen Jahren steht er mit der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in Verbindung und nahm mehrfach an Kongressen ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) als Redner teil. Mit der Ende 1999 erfolgten Übernahme des Musikverlags "Resistance Records", einem der weltweit größten Vertreiber von "White Power"-Musik mit Sitz in Detroit und dem Erwerb des Warenbestands und der Rechte vom schwedischen Vertriebsdienst "Nordland" beabsichtigt PIERCE, die Skinhead-Musikszene zu fördern und die Bereiche "Black Metal" und "Gothic" für ein breiteres Spektrum, über die Skinheadszene hinausgehend, attraktiv zu machen. Dabei will er insbesondere europäische Musiker fördern, die sich heidnischen oder antisemitisch-antichristlichen Themen widmen. Er hofft, damit Jugendliche an die "National Alliance" zu binden und seinen Einfluss international auszuweiten. Über seinen Verlag "National Vanguard Books" bietet PIERCE eine große Auswahl rechtsextremistischer Bücher zum Kauf an, unter anderem "Mein Kampf", "The International Jew" und den von ihm unter dem Pseudonym "Andrew MacDonald" geschriebenen Roman "The Turner Diaries". Dieser im Tagebuchstil angelegte fiktive Erlebnisbericht eines weißen Patrioten namens Earl Turner beschreibt Rechtsextremistische Bestrebungen 107 den Fortgang einer "weißen Revolution", die mit einem Anschlag auf das FBI-Hauptquartier ihren Anfang nimmt. Das Buch, das Anleitungen zur Sprengstoffherstellung enthält, soll als Vorlage für den Bombenanschlag von Oklahoma-City im April 1995 gedient haben, bei dem 168 Menschen den Tod fanden. Im August nahm die amerikanische Polizei den mit Internationalem Haftbefehl gesuchten Leiter der "Deutschen Heidnischen Front" (DHF) Hendrik MÖBUS in Marlinton (West Virginia/USA) in der Nähe des Anwesens von PIERCE fest. MÖBUS war 1994 in Deutschland wegen Mordes an einem Mitschüler zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Nach seiner Entlassung auf Bewährung wurde er erneut straffällig und erhielt im Dezember 1999 eine Jugendstrafe von 976 Tagen. Dem Prozess und einer zu erwartenden Verhaftung hatte er sich bereits Anfang Dezember 1999 durch Flucht entzogen. Fast zeitgleich mit der Festnahme von MÖBUS in den USA wurden Verbindungen der DHF zu PIERCE ersichtlich. Die Homepage der DHF im Internet enthält Links zur "National Alliance" und zu "Resistance Records". 2.2 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) Nach Verbüßung seiner Strafhaft in Deutschland und Rückkehr in die USA hat der US-amerikanische Rechtsextremist Gary Rex LAUCK, Leiter der NSDAP/AO, seine Aktivitäten weitgehend ins Internet verlagert. Seine Website ist inzwischen in 16 Sprachen abrufbar. LAUCK gibt Hinweise, wie das Internet als Propagandawaffe nutzbar zu machen ist und wie den Sperrungen rechtsextremistischer Homepages begegnet werden kann. Als Service für Gesinnungsgenossen bot LAUCK an, gegen Bezahlung Homepages in den USA einzurichten, darüber könnten europäische Rechtsextremisten ihre Propaganda gefahrlos ins Internet einstellen. Auf seiner eigenen Homepage wirbt LAUCK - wie auch in der weiterhin zweimonatlich erscheinenden deutschsprachigen NSDAP/AO-Publikation "NS Kampfruf" - für neonazistisches Propagandamaterial, antisemitische Schriften und NS-Devotionalien. So bietet er die Nachbildung eines "Zyklon B-Kanisters in Museumsqualität - Marke Konzentrationslager Auschwitz" an. Mit dem Angebot lobt LAUCK einen Preis für denjenigen aus, "dem es gelingt, die passende Werbung für die Nachbildung dieses bekannten Schädlingsbekämpfungsmittels zu finden". Bericht 2000 108 Rechtsextremistische Bestrebungen Mit seinen Aktivitäten im Internet ist LAUCK bestrebt, sich einen größeren Kundenkreis gerade auch unter den vielen jugendlichen Nutzern des Internet zu erschließen. So offerierte er zeitweise das antisemitische Computerspiel "Nazi Moorhuhnjagd" als DownloadDatei, bei dem die abzuschießenden Hühner durch einen Davidsstern gekennzeichnet waren. IX. Agitationsund Kommunikationsmedien 1. Periodische Publikationen Die Zahl der periodischen rechtsextremistischen Publikationen erhöhte sich von 116 auf 122. Sie hatten eine Gesamtauflage von rund 5,3 Millionen (1999: 6,5 Millionen). 50 Publikationen erschienen mindestens viermal im Jahr (1999: 57). 2. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste Zahl der Verlage und Im rechtsextremistischen Lager bestehen neben den an Parteien und Vertriebsdienste Organisationen gebundenen Verlagen und Vertriebsdiensten auch konstant 45 (1999: 44) eigenständige und organisationsunabhängige Unternehmen. Sie bieten Bücher, Publikationsorgane, Tonträger und Videos an, die rechtsextremistische Ideologie propagieren. In den letzten Jahren wurden verstärkt Devotionalien wie Gemälde, Kalender, Kleidung und Schmuck mit einschlägiger Symbolik in die Programme aufgenommen. Alle Angebote dienen der Entwicklung einer politischen "Gegenkultur", aber auch finanziellen Interessen der Anbieter. Heterogene Struktur Die organisationsunabhängigen Verlage und Vertriebsdienste verfügen über keine einheitliche Struktur: Neben wenigen größeren Unternehmen mit einem breiten Buchund Zeitschriftenprogramm gibt es kleinere Unternehmen mit einem eingeschränkten oder spezialisierten Angebot. Zwischen den Verlagen und Vertriebsdiensten besteht gleichermaßen ein Konkurrenzwie ein Kooperationsverhältnis: Einerseits wird mit ähnlichen oder gleichen Produkten um eine bestimmte Kundschaft geworben, andererseits gibt es einen gegenseitigen Austausch von Prospektmaterial. Dieses wird den Sendungen beigelegt und ermöglicht es, die Angebote anderer Verlage über den eigenen Versand zu verbreiten. Eine solche Zusammenarbeit ist primär wirtschaftlich bedingt. Rechtsextremistische Bestrebungen 109 Zu den größeren organisationsunabhängigen Verlagen gehören der "Arndt-Verlag" (Kiel), der "Grabert-Verlag" (Tübingen) und die "Verlagsgesellschaft Berg" (Berg am Starnberger See). Die Unternehmen haben bereits seit Jahrzehnten einen festen Platz im rechtsextremistischen Verlagsbereich inne. Der "Arndt-Verlag" veröffentlicht als eigene Bücher insbesondere "Arndt-Verlag" kulturkritische Schriften und revisionistische Werke. Beispielhaft dafür stehen die Bücher "Tollhaus Deutschland" des verstorbenen Publizisten Gustav Sichelschmidt und "Göring. Eine Biographie" des britischen Revisionisten David IRVING. Mit den Schwerpunkten "Die Heimat im Bild und Buch" und "Flucht und Vertreibung" zielt der Verlag insbesondere auf das potenzielle Interesse von Vertriebenen. Dem Unternehmen zugeordnet ist der "Pour le Merite"-Verlag, der auch Bücher nicht-rechtsextremistischer Autoren veröffentlicht, welche aber einem rechtsextremistischen Diskurs dienen sollen. Mit diesen Büchern, so Verlagsinhaber Dietmar MUNIER, habe man "der öffentlichen Debatte um die Anti-Wehrmachtausstellung einen entscheidenden Impuls"135 geben können, da in renommierten Magazinen und Zeitungen über die Veröffentlichungen wohlwollend berichtet worden sei. Neben Büchern gehören auch Gemälde, Schmuck und Waffen-Repliken zum Angebot des Verlags. Der "Grabert-Verlag" beschränkt sich auf die Verbreitung von "Grabert-Verlag" Büchern und Publikationsorganen. Hierzu gehören die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" mit Grundsatzbeiträgen zu tagespolitischen und zeitgeschichtlichen Themen und das zweimonatlich erscheinende Infoblatt "Euro-Kurier" mit Kurz-Kommentaren und Verlagsmitteilungen. Das Buchprogramm umfasst insbesondere revisionistische Titel zur Leugnung der Kriegsschuld wie den Band "Der erzwungene Krieg" des verstorbenen US-Revisionisten David L. Hoggan oder als neueres Werk "Die Wurzeln des Unheils" von Hans-Henning Bieg. Im Schwester-Unternehmen, dem "Hohenrain-Verlag", erscheinen Bücher zu aktuellen Themen wie zur Einführung des Euro, den Folgen der Globalisierung, den Gefahren einer multikulturellen Gesellschaft oder den Hintergründen des Kosovo-Krieges. Damit sollen auch nichtrechtsextremistische Leser angesprochen und so der Kundenund Wirkungskreis des Verlags erweitert werden. In der "Verlagsgesellschaft Berg" (VGB), einem Zusammenschluss "Verlagsgesellschaft der früheren Unternehmen "Druffel", "Türmer" und "Vowinckel", Berg" erschien ein Buch des ehemaligen REP-Bundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER. Unter dem Titel "Schluß mit dem deutschen Selbsthaß" wird ein Gespräch SCHÖNHUBERs mit dem ehemaligen Linksterroristen und jetzigen NPD-Mitglied Horst MAHLER dokumentiert Bericht 2000 110 Rechtsextremistische Bestrebungen (vgl. Kap. V, Nr. 1). Darin wird eine klare Ablehnung des Demokratieprinzips, der Menschenrechte, der Parteiendemokratie und des Pluralismus deutlich. Durch die Kombination der beiden Personen als Autoren erlangte das Buch auch Aufmerksamkeit über das rechtsextremistische Lager hinaus. Das Verlagsprogramm der VGB beschränkte sich ansonsten auf wenige revisionistisch ausgerichtete Bücher und mehrere militärhistorische Werke über Armeen und Uniformen seit dem 19. Jahrhundert. Zweimonatlich wird die Zeitschrift "Deutsche Geschichte" mit populär aufgemachten Beiträgen zu historischen Themen herausgegeben. Insgesamt geht der Anteil an dezidiert politisch ausgerichteten Angeboten zurück. Etablierung der Die ebenfalls zweimonatlich in der VGB erscheinende Zeitschrift Zeitschrift "Opposition. Magazin für Deutschland" konnte sich als Publikations"Opposition. organ etablieren. Sie erscheint bereits im dritten Jahrgang, nach Magazin für eigenen Angaben mit einer Auflage von rund 1.300 Exemplaren. Die Deutschland" Zeitschrift enthält Grundsatz-Beiträge und kürzere Kommentare zu tagespolitischen Fragen. Der Chefredakteur Karl RICHTER gehört auch der Redaktion der Zeitschrift "Nation & Europa" an, wodurch sich die starke Überschneidung des Autorenkreises beider Zeitschriften erklärt. "Opposition" ist inhaltlich und konzeptionell eine Art "Parallel-Produkt", bei dem es sich zwar formal um eine neue Publikation handelt, die inhaltlich allerdings weder ideologisch noch strategisch und thematisch Neues liefert. Strategieorgan Die im "Nation Europa Verlag" (Coburg) in "Nation & Europa - einer Auflage von rund 15.000 Exemplaren Deutsche Monatserscheinende Zeitschrift "Nation & Europa - hefte" Deutsche Monatshefte" wird primär über Abonnements verbreitet. Die Zeitschrift erscheint im 50. Jahrgang und verfügt über eine gewachsene Leserschaft sowie über ein entsprechendes Ansehen im rechtsextremistischen Lager. Sie ist als bedeutsamstes rechtsextremistisches Strategieund Theorieorgan anzusehen. FremdenNeben Grundsatzbeiträgen zum Tagesgeschehen enthält die Zeitfeindlichkeit schrift unter Rubriken wie "Aktuelles aus Multikultopia" selektiv ausgewählte Nachrichten mit fremdenfeindlichem Anklang; in der Rubrik "Eurorechte im Blickpunkt" wird über politisch verwandte Strömungen im europäischen Ausland berichtet. In den Beiträgen werden häufig auch strategische Ratschläge gegeben, die insbesondere auf die Bündelung des zersplitterten rechtsextremistischen Parteienlagers abzielen. Es wird versucht, immer wieder neue Handlungsoptionen für das rechtsextremistische Lager aufzuzeigen. Diese Rechtsextremistische Bestrebungen 111 gehen aber ins Leere, da die Autoren einen Verantwortlichen zur Umsetzung ihrer Vorschläge nicht zu benennen wissen. Als Stichwortgeber zu aktuellen Debatten dient auch das Buchprogramm des Verlags. Neben militärhistorischen Werken mit revisionistischem Einschlag veröffentlichte er mit dem Werk "Zwangsarbeiter. Lüge & Wahrheit" des früheren langjährigen Chefredakteurs Peter DEHOUST ein im rechtsextremistischen Lager viel beachtetes Werk. Die zahlreichen kleineren Verlage und Vertriebsdienste haben sich auf besondere Angebote spezialisiert. Einige Unternehmen bieten etwa Originale oder Nachdrucke von Schriften aus dem nationalsozialistischen und völkischen Lager zwischen 1918 und 1945 an. Hierzu gehören etwa der "Uwe Berg Verlag" (Toppenstedt), die "Roland Faksimile - Roland Versand KG" (Bremen) mit dem Buchdienst "RolandAntiquariat" (früher: "Faksimile Verlag - Versandbuchhandlung") und der "Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur" (Viöl). Damit sollten - so wird behauptet - nur selten greifbare Werke wieder der wissenschaftlichen Forschung zugänglich gemacht werden. Angesichts der politischen Ausrichtung der Unternehmen handelt es sich aber lediglich um eine Schutzbehauptung. Das Unternehmen "Verlag und Agentur Werner Symanek" (VAWS) "Verlag und Agentur hat sich auf den Vertrieb von Tonträgern aus dem Bereich der "Dark Werner Symanek" Wave-Musik"136 spezialisiert, wozu auch einige wenige Bands mit (VAWS) rechtsextremistischem Hintergrund gehören. Daneben produzierte VAWS eigene Tonträger wie die CDs des zeitweiligen Mitarbeiters Josef M. KLUMB. Nachdem sich dieser 1999 von seiner damaligen Band "Weissglut" getrennt hatte, spielte er mit der Band "Von Thronstahl". Deren CD "Imperium Internum" wird von VAWS vertrieben. In den Liedtexten wird nicht nur ein neues Reich heraufbeschworen, sondern es werden auch zwei Divisionen der Waffen-SS verherrlicht. VAWS veröffentlichte auch KLUMBs Buch "Leicht entflammbares Material", das nicht nur Äußerungen gegen das Ethos menschlicher Fundamentalgleichheit enthält, sondern in dem auch eine antisemitische Verschwörungstheorie propagiert wird. Mit derartigen Veröffentlichungen beabsichtigt der VAWS politisierend in die "Dark Wave"-Szene hineinzuwirken. Die 1960 gegründete "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) ist GFP bedeutendste mit etwa 450 Mitgliedern die größte rechtsextremistische Kulturverrechtsextremistische einigung. Ihr gehören verschiedene Verleger, Redakteure und BuchKulturvereinigung Bericht 2000 112 Rechtsextremistische Bestrebungen händler sowie Autoren aus dem rechtsextremistischen Lager an. Über diese unterhält die GFP Kontakte zu verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen und Verlagen. Die GFP gibt vor, sich für die Freiheit und Wahrheit des Wortes einzusetzen - Werte, die der freiheitliche Rechtsstaat angeblich seinen Bürgern verweigere - und vermeintlich einseitige Verzerrungen der Zeitgeschichte richtigzustellen. Ihr Vorsitzender Dr. Rolf KOSIEK, selbst Mitarbeiter des "Grabert-Verlags", würdigte in seiner Eröffnungsrede zum "Deutschen Kongreß" der GFP vom 14. bis 16. April in Regensburg (Bayern) das 40-Jährige Bestehen der Organisation. Auf der Veranstaltung unter dem Motto "National 2000 - Freie Völker statt Globalismus" traten verschiedene publizistisch tätige Rechtsextremisten als Referenten auf, so auch Dr. Alfred MECHTERSHEIMER, Dr. Gert SUDHOLT, Karl RICHTER, Jürgen SCHWAB und Harald NEUBAUER. 3. Neue Kommunikationsmedien Die Bedeutung der neuen Kommunikationsmedien für die rechtsextremistische Szene zur Selbstdarstellung, Mobilisierung und Agitation hat weiter zugenommen. Während allerdings die Nutzung von Mailboxnetzen stark zurück ging, gab es insbesondere im World Wide Web (WWW) des Internet hohe Zuwachsraten. 3.1 Internet Da es Rechtsextremisten durch eine konsequente Verbotspraxis erschwert wurde, sich zu gemeinsamen Veranstaltungen zusammenzufinden und so ein "Gemeinschafts-Gefühl" herzustellen, suchen sie nach Ausweichmöglichkeiten. Auch wenn das Internet keinen gleichwertigen Ersatz für Demonstrationen, Konzerte und andere Veranstaltungen mit Erlebniswert darstellt, wird es verstärkt als alternative Form der Artikulation und Kommunikation genutzt. Auch aus diesem Grunde stieg die Zahl der von deutschen RechtsZahl der Homepages extremisten betriebenen Homepages weiter von 330 (1999) auf weiter angestiegen etwa 800 an. Solche Zahlen sind jedoch starken Schwankungen ausgesetzt: Häufig wechseln die Betreiber der Homepages ihren Speicherplatz - teilweise auch unfreiwillig wegen einer vom Provider vorgenommenen Sperrung. Neue Seiten erscheinen und verschwinden wieder nach einigen Wochen oder Monaten. Darüber hinaus ist es oft schwierig festzustellen, ob eine in deutscher Sprache verfasste Homepage auch aus Deutschland heraus betrieben wird. Rechtsextremistische Bestrebungen 113 Eine ganze Reihe dieser Seiten ist mit Passund Kennwörtern geschützt. Damit kann der Homepage-Betreiber seine Informationen ganz oder zum Teil nur einem von ihm autorisierten Personenkreis zur Verfügung stellen. Homepages mit strafbaren Inhalten werden ganz überwiegend über in den USA ansässige Provider verbreitet. Deutsche Rechtsextremisten nutzen so das nahezu schrankenlose Recht auf Meinungsfreiheit, das durch das First Amendment der amerikanischen Verfassung gewährleistet wird. Die bereits seit 1999 verstärkt geführte Diskussion über den EinAufrufe zur Gewalt satz von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele fand auch im Internet ihren Widerhall. Einzelne rechtsextremistische Internet-Nutzer radikalisierten ihre Aussagen. So forderte beispielsweise ein anonymer Teilnehmer im Gemeinschaftsforum mehrerer rechtsextremistischer Internet-Homepages Ende Oktober wiederholt zum Kampf gegen die Bundesrepublik Deutschland auf. Er bemängelte, die Bewegung sei nicht radikal genug. Es bedürfe konspirativ agierender kampfbereiter Kameraden, die in der Lage seien, gezielte Anschläge durchzuführen. Der Autor bedauerte, dass der Anschlag in Düsseldorf 137 nicht von "unseren Leuten" begangen worden sei und es in der Szene an "solch fähigen Aktivisten" fehle: "In der derzeitigen Situation können wir nur mit TERROR handeln. MACH KAPUTT WAS DICH KAPUTT MACHT! Der Bürgerkrieg wird kommen. Wenn wir ihn nicht beginnen, dann beginnt ihn der Staat. Doch bedenkt: ANGRIFF IST DIE BESTE VERTEIDIGUNG! Wir müssen diejenigen sein, die zuerst zuschlagen!". In weiteren Beiträgen forderte der Diskussionsteilnehmer dazu auf, aus dem Untergrund heraus zu operieren und sich mit Waffen und Sprengstoff zu versorgen. Die zunehmende Gewaltbefürwortung im Internet fand ihren Verbreitung Ausdruck auch in der Verbreitung von "Todeslisten" mit den persönsogenannter lichen Daten Andersdenkender, teilweise in Kombination mit BomTodeslisten benbauanleitungen, oder auf speziellen "Anti-Antifa"-Seiten, die der Koordinierung der Arbeit gegen den politischen Gegner dienen (vgl. Kap. IV, Nr. 1). Bericht 2000 114 Rechtsextremistische Bestrebungen Störung Rechtsextremisten boten über ihre Homepages nicht nur Propademokratischer ganda an, sondern versuchten auch mit Hilfe weiterer Dienste des Diskussionsforen Internet aktiv auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen, indem sie andere Internet-Nutzer mit ihrer Ideologie konfrontierten. So feierten sie im Juli die eigene starke Präsenz in den InternetDiskussionsforen demokratischer Parteien und Zeitschriften als erfolgreiche "Übernahme". Es sei gelungen, in verschiedenen Foren Zwietracht unter den Leuten zu säen, so dass "sie sich selbst nicht mehr trauten". Auf verschiedenen rechtsextremistischen Internet-Seiten fanden sich textidentische Aufrufe mit dem Wortlaut: "Es läuft z. Z. ein Angriff auf das Forum der xxx. Ziel ist die Übernahme des Forums durch Nationale deutsche Patrioten. Auch du kannst deinen Anteil leisten Jetzt". Auch wurde vorgeschlagen, die Leser in anderen Foren über einen Link, d. h. über eine automatisierte Verbindung, zu rechtsextremistischen Seiten zu leiten, "damit sie die Wahrheit sehen". Einflussnahme auf Einen anderen Weg der aktiven Verbreitung rechtsextremistiunbeteiligte Bürger scher Positionen ging der in die NPD eingetretene Horst MAHLER (vgl. Kap. V, Nr. 1). Im August versandte er via Internet eine E-Mail an alle Mitglieder des Deutschen Bundestags. In diesem mehrseitigen "Appell an die Bürger des Deutschen Reiches" betonte er sein Festhalten an der Reichsidee, wandte sich gegen angebliche Überfremdung und Umvolkung und behauptete eine Ausgrenzung derjenigen, die noch Deutsche sein wollten. Danach wurde MAHLERs Text per E-Mail an unzählige, anscheinend zufällig ausgesuchte Bürger versandt. Den ideologischen Hintergrund für diese Aktionen verdeutlicht ein in der rechtsextremistischen Szene verbreiteter automatisierter Rundbrief. Dort heißt es, der Einzelne sei gefordert, den Aufruhr in die Köpfe zu tragen. So könne in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Systemalternative geschaffen werden. Kombination der Solche Rundbriefe werden auf der Basis sogenannter Mailingslists Kommunikationsmeversandt, die bis zu 600 Abonnenten enthalten können. Sie sind dien - ebenso wie die über SMS (Short Message System) verbreiteten Nachrichten - zwischenzeitlich zu einem festen Bestandteil rechtsextremistischer Kommunikation geworden. Insbesondere im Rahmen der Rechtsextremistische Bestrebungen 115 Mobilisierung und Steuerung rechtsextremistischer Veranstaltungen und Aktionen haben sich diese Kommunikationswege - im Zusammenspiel mit Mobilfunk - etabliert. Die NPD hat ihr Internetangebot in den letzten JahUmfangreiches ren kontinuierlich erweitert und zu einem vom BunInternetangebot desvorsitzenden Udo VOIGT angestrebten elektronider NPD schen Sprachrohr der Partei ausgebaut. Über die Homepage des NPD-Bundesverbands sind durch Links alle 15 NPD-Landesverbände, zahlreiche NPD-Bezirksund Kreisverbände sowie Gliederungen der NPDJugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) zu erreichen. Daneben sind weitere NPDund JN-Homepages auf Bezirksbzw. Kreisebene bekannt. Auch einige NPD-Publikationen wie die "Deutsche Stimme" oder die "Sachsen Stimme" halten Informationen zum Abruf bereit. Die Internetseiten der NPD enthalten meist Berichte und Kommentare zu aktuellen Ereignissen sowie Flugblätter, Demonstrationsaufrufe, Pressemitteilungen und andere Informationen über die Parteiverbände. Im Lauf des Jahres wurden zahlreiche Homepages der NPD und der JN wegen ihrer Inhalte von den Providern gesperrt oder gelöscht. In den meisten Fällen erschienen diese Homepages nach kurzer Zeit unter einer neuen Internetadresse. NPD und JN-Untergliederungen verweisen über Links auf mitunter als "Partnerseiten" bezeichnete Homepages, die neonazistische Inhalte verbreiten. Darunter befinden sich beispielsweise die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG), die "Kameradschaft Gera" und der neonazistische Informationsdienst "Nachrichten-Informationen-Theorie" (NIT). Auch die REP nutzen verstärkt das Internet als Agitationsmittel REP im Internet und zur Mitgliederwerbung und -unterrichtung. Die Homepage des Bundesverbands enthält u. a. aktuelle Nachrichten, Pressemitteilungen sowie die Internetausgabe des Parteiorgans "Der Republikaner". Über automatisierte Verknüpfungen wird der Internet-Nutzer auf die Homepage des Bundesvorsitzenden SCHLIERER und die anderer Funktionsträger weitergeleitet. Auch bieten die REP Verbindungen zu ihren Landes-, Kreisund Ortsverbänden sowie zu ihren Vertretern Bericht 2000 116 Rechtsextremistische Bestrebungen im Landesparlament von Baden-Württemberg und in einigen Kommunen und Kreisen an. DVU-Werbung Die DVU ist ebenfalls mit einer Homepage im Internet präsent, um im Internet Mitglieder und Sympathisanten über ihre Aktivitäten zu informieren. Neben Veranstaltungshinweisen und Pressemitteilungen kann Propagandamaterial angefordert werden. Über die Unterseite "Anschriften & Links" werden Adressen der Landesund Kreisverbände mitgeteilt und Links zu den Landtagsfraktionen in Brandenburg, Bremen und Sachsen-Anhalt angeboten. 3.2 Parteiunabhängige rechtsextremistische InfoTelefone MobilisierungsDen 13 derzeit aktiven parteiunabhängigen rechtsextremistiund Koordinierungsschen Info-Telefonen (1999: 16) kommt im Rahmen der Bemühungen instrument parallel der Szene, ein umfassendes Kommunikationsnetzwerk aufzubauen, zum Internet weiterhin eine zentrale Bedeutung zu. Insbesondere für diejenigen Szeneangehörigen, die nicht über einen Zugang zum Internet verfügen, stellen sie ein unverzichtbares Mittel zur Information dar. Vor allem zur Koordinierung von Veranstaltungen spielen die Info-Telefone eine wichtige Rolle, da sie mit einem Mobiltelefon auch während der Anreise abgerufen werden können. Nur wenige Info-Telefone - wie beispielsweise das "Nationale Info-Telefon" (NIT) "Hamburg" - verbreiten darüber hinaus regelmäßig und ausführlich in ihren Ansagetexten Kommentare zu tagespolitischen Ereignissen. Rechtsextremistische Bestrebungen 117 X. Übersicht über wesentliche Verlage und Presseerzeugnisse Verlag Publikationen - einschl. Sitz - (einschl. Erscheinungsweise und Verlag Auflage - z.Publikationen T. geschätzt) - einschl. Sitz - "Arndt-Verlag" (einschl. Erscheinungsweise und - Martensrade/Krs. Plön - Auflage - z. T. geschätzt) "Castel del Monte-Verlag" "Arndt-Verlag" "Staatsbriefe" - München - - monatlich - - Martensrade/Krs. Plön - - 900 - "Castelvorn "Europa Monte-Verlag" "Signal" "Staatsbriefe" delVerlag"/ "Verlag Manfred-Rouhs" - München (früher: "Europa vorn") - monatlich - - Köln - - vierteljährlich - - 5.000 - - 900 - "Europa vorn Verlag"/ "Grabert-Verlag" "Deutschland"Signal" in Geschichte und Gegenwart" -"Verlag TübingenManfred - Rouhs" - vierteljährlich - (früher: "Europa vorn") - 3.000 - - Köln - - vierteljährlich - "Nation Europa Verlag GmbH" - 5.000 "Nation & Europa - - Deutsche Monatshefte" - Coburg - - monatlich - "Grabert-Verlag" - 14.500 - "Deutschland (Eigenangabe) in Geschichte und Gegenwart" - Tübingen "VGB - Verlagsgesellschaft "Deutsche - vierteljährlich Geschichte" - Berg mbH" - 3.000 - zweimonatlich - - - Berg am Starnberger See - - 10.000 - "Nation Europa Verlag GmbH" "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" "Opposition" - Coburg - - - zweimonatlichmonatlich - - - 14.500 - (Eigenangabe) - 1.400 - (Eigenangabe) "VGB Verlagsgesellschaft "Deutsche Geschichte" Berg mbH" - zweimonatlich - - Berg am Starnberger See - - 10.000 - "Opposition" - zweimonatlich - - 1.400 - (Eigenangabe) Bericht 2000 118 Rechtsextremistische Bestrebungen Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2000 120 Linksextremistische Bestrebungen I. Überblick Entwicklungen im Linksextremismus Linksextremisten verfolgen letztlich das Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland - von ihnen als kapitalistisch, imperialistisch und rassistisch diffamiert - zu beseitigen und an deren Stelle eine totalitäre sozialistisch/kommunistische Gesellschaft oder eine aus ihrer Sicht herrschaftsfreie Gesellschaft - die Anarchie - zu errichten. Das politische Handeln von Linksextremisten wird bestimmt durch revolutionär-marxistische oder anarchistische Ideologien. Die Aktionsformen reichen bei den einen von öffentlichen Kundgebungen, offener Agitation (mit Flugblättern, Plakataufrufen, periodischen Schriften, elektronischen Kommunikationsmedien) über Versuche der Einflussnahme in gesellschaftlichen Gremien bis hin zur Beteiligung an Wahlen; andere sehen in Gesetzesverletzungen einschließlich offen oder verdeckt begangener Gewalttaten (z. B. Zerstörungen an Sachen, gewalttätige Zusammenrottungen, Körperverletzungen) einen Weg zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Die Gesamtzahl der Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund stieg im Vergleich zum Vorjahr nicht unerheblich an. Konspirativ vorbereitete und durchgeführte Brandanschläge sowie die erneut hohe Anzahl von Körperverletzungen und Landfriedensbrüchen weisen deutlich auf das unverändert große Gewaltpotenzial von Linksextremisten hin. Die in der Öffentlichkeit geführte Debatte über eine effizientere Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen hat Linksextremisten nicht veranlasst, verstärkt gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten vorzugehen; vielmehr blieb die Zahl solcher einschlägigen Gewalttaten konstant. Die Masse militanter Aktionen ging wie in den Vorjahren auf das Konto der autonomen Szene, einer heterogenen Bewegung ohne einheitliches ideologisch/strategisches Konzept, aber einig in der Bereitschaft zur Gewalt entsprechend ihrer taktischen Einschätzung der "Vermittelbarkeit". Die Aktivitäten zu einzelnen Konfliktthemen erzielten jedoch nicht immer die erwartete Resonanz und Mobilisierung. Die traditionell revolutionär-marxistischen Organisationen wie die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und die "MarxistischLeninistische Partei Deutschlands" (MLPD) setzten - trotz strukturell bedingter Probleme - weiter auf kontinuierlich betriebenen Klassenkampf bis zum revolutionären Bruch mit den bestehenden Verhältnissen, verfügen aber kaum noch über öffentliche Ausstrahlung. Linksextremistische Bestrebungen 121 Das trotzkistische "Linksruck-Netzwerk" dagegen trat bei vielen Protestaktionen zumindest optisch massiv in Erscheinung und konnte dabei systematisch jüngere Mitglieder rekrutieren. Die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) - dem Parteiengefüge der Bundesrepublik Deutschland angepasst und vielfach akzeptiert - hat bislang ihr ideologisch/politisches Profil nicht grundsätzlich verändert. Die neue PDS-Vorsitzende hat sich ausdrücklich gegen eine "Sozialdemokratisierung" (vgl. Kap. IV, Nr. 2.1) der Partei und gegen den "Weg der Versöhnung mit der herrschenden Macht" ausgesprochen. 138 II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Personenpotenzial Struktur und Erscheinungsbild im Bereich des organisierten Linksextremismus haben sich 2000 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Mitgliederzuwächse haben Verluste einzelner Gruppierungen nicht vollständig ausgeglichen; das Gesamtpotenzial weist einen leichten Rückgang auf. Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften waren Ende 2000 etwa 33.500 Personen solchen Organisationen und sonstigen Personenzusammenschlüssen zuzurechnen, bei denen linksextremistische Bestrebungen feststellbar sind (1999: 34.200). Darin enthalten sind auch die Anhänger der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), deren Zahl auf bis zu 2.000 zu schätzen ist. Die PDS hat - eigenen Angaben zufolge - etwa 88.600 Mitglieder (1999: 94.000). Das Spektrum der gewaltbereiten Linksextremisten in überwiegend anarchistisch orientierten Gruppierungen umfasste Ende 2000 bis zu 7.000 Personen, darunter rund 6.000, die sich selbst meist als Autonome bezeichnen. Bei marxistisch-leninistischen, trotzkistischen und sonstigen revolutionär-marxistischen Zusammenschlüssen verlief die Entwicklung unterschiedlich: Einige Gruppen hatten Zulauf, andere verzeichneten Rückgänge. Insgesamt zählten diese Organisationen etwa 27.000 Mitglieder. In Teilbereichen erhalten sie Unterstützung von linksextremistisch beeinflussten Organisationen, denen zum Jahresende etwa 14.500 Mitglieder angehörten. Bericht 2000 122 Linksextremistische Bestrebungen Linksextremismuspotenzial1) 1998 1999 2000 Gruppen Personen Gruppen Personen Gruppen Personen Gewaltbereite Linksextremisten 2) 66 7.000 65 7.0003) 61 7.0003) Marxisten-Leninisten andere revolutionäre Marxisten 4) - Kernund Nebenorganisationen 43 28.400 44 27.700 43 27.000 - beeinflusste Organisationen 34 18.000 34 18.000 34 15.000 Summe 143 35.400 18.000 143 34.700 18.000 138 34.000 15.000 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedca. ca. ca. ca. ca. ca. schaften 34.700 13.500 34.200 13.500 35.500 11.500 "Partei des Demokratischen Sozialismus" ca. ca. ca. (PDS)5) 96.500 94.000 88.600 1) Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2) In die Statistik sind nicht nur tatsächlich als Täter/Tatverdächtige festgestellte Personen einbezogen, sondern auch solche Linksextremisten, bei denen lediglich Anhaltspunkte für Gewaltbereitschaft gegeben sind. Erfasst sind nur Gruppen, die feste Strukturen aufweisen und über einen längeren Zeitraum aktiv waren. 3) Das Mobilisierungspotenzial der "Szene" umfasst zusätzlich mehrere tausend Personen. 4) Einschließlich "Kommunistischer Plattform der PDS" (KPF). Hinzu kommen die Mitglieder weiterer linksextremistischer Gruppen in der PDS. 5) Die PDS ist wegen ihres ambivalenten Erscheinungsbildes gesondert ausgewiesen. 2. Straftaten/Gewalttaten Auch im Jahr 2000 verübten Linksextremisten Straftaten, um ihre politischen Ziele durchzusetzen, u. a. Brandstiftungen und Sachbeschädigungen mit Millionenschäden. Die Zahl der Straftaten, bei denen Linksextremisten als Täter oder Tatbeteiligte bekannt geworden sind oder nach den Tatumständen in Betracht kommen, ist im Jahr 2000 um ca. 4 % auf 3.173 gestiegen (1999: 3.055). Darunter waren 827 Gewalttaten (1999: 711); das entspricht einem Anstieg von rund 16 %. Die Zahl der militanten Aktionen gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten ist mit 300 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (299) konstant geblieben. Die nachfolgende Übersicht gibt das tatsächliche Ausmaß linksextremistischer Gewalt nur unvollkommen wieder; ein Vergleich mit den Straftaten im Bereich des Rechtsextremismus ist wegen der oftmals ungleichen Ausprägung der Gewalt - linksextremistische Straßenmilitanz, rechtsextremistische Angriffe vielfach auf Einzel- Linksextremistische Bestrebungen 123 personen - nur bedingt möglich. Auch existieren für den Bereich des Linksextremismus keine ebenso weitgehenden Strafvorschriften wie gegen die sogenannten Propagandadelikte mit rechtsextremistischem Bezug. Übersicht über Gewalttaten und sonstige Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund*) 1999 2000 Gewalttaten Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 4 Körperverletzungen 215 260 Brandstiftungen 68 58 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 1 Landfriedensbruch 269 321 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 19 44 Widerstandsdelikte 140 139 gesamt 711 827 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 1.246 1.292 Nötigung/Bedrohung 73 75 Andere Straftaten 1.025 979 gesamt 2.344 2.346 Straftaten insgesamt 3.055 3.173 *) Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) (Stand: 1. 2. 2001). Die Übersicht enthält ausgeführte und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind zum Beispiel während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur der Landfriedensbruch als eine Straftat in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. Bericht 2000 124 Linksextremistische Bestrebungen Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund [Zielrichtungen] 900 800 827 GESAMT 2000 700 711 GESAMT 1999 600 500 514 400 402 300 299 300 200 100 10 13 0 01.01. - 31.12.1999 01.01. - 31.12.2000 Links gegen Rechts Kampagne gegen Kernenergie sonstige extremistische Zielrichtungen Linksextremistische Bestrebungen 125 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund [in den Ländern] 396 Berlin 259 Nieder74 sachsen 97 Nordrhein67 Westfalen 66 Baden45 Württemberg 34 42 Hamburg 36 39 Bayern 25 38 Sachsen 36 Schleswig31 Holstein 45 28 Hessen 12 19 Brandenburg 17 Sachsen18 Anhalt 44 13 Thüringen 11 Mecklenburg- 7 Vorpommern 3 5 Bremen 18 Rheinland- 4 Pfalz 1 1 Saarland 7 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 01.01. - 31.12.2000 01.01. - 31.12.1999 Bericht 2000 126 Linksextremistische Bestrebungen Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund [je 100.000 Einwohner in den Ländern] 11,65 Berlin 7,62 2,47 Hamburg 2,12 Schleswig1,12 Holstein 1,63 Nieder0,94 sachsen 1,23 0,85 Sachsen 0,80 0,75 Bremen 2,69 0,73 Brandenburg 0,66 Sachsen0,67 Anhalt 1,65 0,53 Thüringen 0,45 0,46 Hessen 0,20 Baden0,43 Württemberg 0,33 Mecklenburg0,39 Vorpommern 0,17 Nordrhein0,37 Westfalen 0,37 0,32 Bayern 0,21 Rheinland0,10 Pfalz 0,02 0,09 Saarland 0,65 0,00 2,00 4,00 6,00 8,00 10,00 12,00 14,00 01.01. - 31.12.2000 01.01. - 31.12.1999 Linksextremistische Bestrebungen 127 Übersicht über Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten *) 1999 2000 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 3 Körperverletzungen 141 177 Brandstiftungen 20 22 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 1 Landfriedensbruch 108 81 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 3 3 Widerstandsdelikte 27 13 gesamt 299 300 *) Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) (Stand: 1. 2. 2001). III. Gewalttätiger Linksextremismus Auch für das Jahr 2000 lässt sich feststellen, dass in Deutschland - nach dem Ende der "Roten Armee Fraktion" (RAF) - keine handlungsfähige linksextremistisch-terroristische Struktur 139 existiert, die in der Lage wäre, schwerste Anschläge bis hin zu Mordtaten zu planen und durchzuführen. Gefahren für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gehen jedoch weiterhin von gewalttätigen Linksextremisten vor allem aus der anarchistisch orientierten autonomen Szene aus. Dort haben sich Kleingruppen etabliert, die zum Schutz vor Strafverfolgung überwiegend auf einen einheitlichen "Markennamen" verzichten und Anschläge unter ständig wechselnden Aktionsbezeichnungen durchführen ("no-name"-Militanz, "noname"-Terrorismus; vgl. Nr. 1.4). Struktur: Gruppen existieren in fast allen größeren Städten, insbesondere in den Ballungszentren Berlin, Hamburg, Rhein-Main-Gebiet, aber auch in kleineren Universitätsstädten wie Göttingen. Anhänger: bis zu 7.000 (wie 1999) Publikationen: mehr als 50 Szenepublikationen; von besonderer Bedeutung sind Blätter wie "INTERIM" (Berlin) und "RAZZ" (Hannover), zunehmend auch - meist kostenlos verteilte - "Jugendzeitschriften" Bericht 2000 128 Linksextremistische Bestrebungen 1. Autonome 1.1 Potenzial/Selbstverständnis/Aktionsformen/Medien Autonome: Die Zahl der bundesweit zur militanten autonomen Szene zu größtes Potenzial rechnenden Personen liegt bei rund 6.000. Damit bleibt sie - bei gewaltbereiter leichtem Rückgang - seit Jahren in etwa konstant; Verluste durch Linksextremisten "Rückzug ins Private" werden weitgehend ausgeglichen. Die Autonomen stellen den weitaus größten Anteil des gesamten gewaltbereiten linksextremistischen Potenzials; auf ihr Konto geht die Masse der Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund (darunter Körperverletzungen und konspirativ vorbereitete Brandanschläge). Eine treffende Charakterisierung autonomen Selbstverständnisses stammt von zwei ehemaligen Angehörigen der Szene, einer heterogenen Bewegung ohne einheitliches ideologisches oder strategisches Konzept: "Die Autonomen stellen ein Konglomerat vornehmlich aus Spontiund Italo-'Verschnitten' dar. Schlagwörter der autonomen Bewegung, die unterschiedlich gefüllt werden, sind: Selbstbestimmung, Politik der 1. Person, kollektive und Ich-Identität, Solidarität, Aktion vor Theorie, keine Hierarchien, sozialrevolutionär, alltägliche Veränderungen, Unabhängigkeit ... und diverse Anti-Einstellungen wie Antiimperialismus und Antifaschismus. Eine positive Bestimmung fällt meistens schwerer und bezieht sich auf Freiräume und gegenkulturelle Entwürfe in Musik und Kunst, im Zusammenleben und -arbeiten." 140 Autonome orientieren sich an diffusen anarchistischen und kommunistischen Ideologiefragmenten und propagieren den Widerstand gegen Autoritäten und die Missachtung von Regularien. Als Konsens wird eine "antifaschistische", "antikapitalistische" und "antipatriarchale" Haltung vorausgesetzt. "Freiräume" suchen sie u. a. in Wohngemeinschaften mit Gleichgesinnten, oftmals in besetzten oder "legalisierten" Häusern. Einig in der Trotz aller Unterschiede sind sich Autonome einig in der Bereitschaft zur Bereitschaft, zur Durchsetzung politischer Ziele Gewalt anzuGewaltanwendung wenden. Diese wird als angeblich erforderliche Gegengewalt gegen die "strukturelle Gewalt" eines "Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung" gerechtfertigt. Linksextremistische Bestrebungen 129 In einem im Frühjahr verbreiteten Positionspapier einer - nach eigenen Angaben verdeckt organisierten - Gruppierung aus dem Stuttgarter Raum wird dieser Ansatz besonders deutlich: "Für uns leitet sich die Notwendigkeit militanter Praxis bereits aus der ... politischen Lage ab. ... Damit meinen wir nicht nur verdeckte, militante Aktionen, sondern alle Protestund Widerstandsformen, die inhaltlich und praktisch einen Dialog mit den VertreterInnen des Systems weitgehend ablehnen. ... Politische Militanz ist für uns die Basis und Voraussetzung für neu zu entwickelndes linksradikales Bewußtsein." ("INTERIM" Nr. 502 vom 13. Mai 2000, S. 13 ff.) Eine Überwindung des bestehenden Systems - so heißt es weiter - sei nur mit "nicht integrierbaren Politikformen und Inhalten" möglich. Autonome Gewalt ist vielgestaltig: sie richtet sich gegen Sachen Aktionsformen oder Personen (Rechtsextremisten, Polizeibeamte, "Handlanger" und autonomer Militanz "Profiteure des Systems"), erfolgt spontan oder langfristig konspirativ geplant und reicht von Zerstörungen an Kraftfahrzeugen und Gebäuden, Angriffen auf "Nazis" und deren Infrastruktur, militanten Anti-AKW-Aktionen, gewalttätigen Demonstrationen mit Steinen und anderen Wurfgeschossen bis hin zu Brandund Sprengstoffanschlägen. Bei der Wahl von Aktionsformen und Angriffszielen bemühen sich Autonome grundsätzlich um "Vermittelbarkeit". Häufig orientieren sie sich an wechselnden Konfliktfeldern; sie klinken sich in laufende Kampagnen ein, um deren Inhalte ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und sie durch "militante Angriffe zu begleiten". Eigene Erfahrungen auf diesem Gebiet schilderte ein sich "Antonio" nennender Aktivist in einer Gesprächsrunde über die "Zukunft militanter Politik" plakativ: "Aktiv beteiligt haben wir uns zu allen möglichen Themen von Antifa über Anti-Castor/AKW, Mumia-Soli, Kurdistan, Antirassistische bis hin zu Anti-staatlichen und Anti-kapitalistischen Aktivitäten. ... Da wo es brennt, wo sich viel tut, wo soziale Bewegungen und Kampagnen existieren ..., wird mit militanten Mitteln unterstützt und eingegriffen." ("INTERIM" Nr. 498 vom 30. März 2000, S. 5) Bericht 2000 130 Linksextremistische Bestrebungen Straßenkrawalle Eine besondere Form der Gewalt sind Straßenkrawalle. Dabei treten Autonome häufig als "schwarze Blöcke" auf: in martialisch anmutender einheitlicher "Kampfausrüstung", vermummt mit so genannten Hasskappen. Zu Straßenkrawallen kommt es oftmals aus Anlass von Protesten gegen Rechtsextremisten und regelmäßig im Zuge von Demonstrationen zum "Revolutionären 1. Mai", vor allem in Berlin. Dort gab es auch im Jahr 2000 erhebliche Ausschreitungen. Bei den Krawallen im Anschluss an die Demonstrationen wurden Polizeibeamte und Einsatzfahrzeuge massiv mit Flaschen, Steinen Ausschreitungen am 1. Mai in Berlin und Feuerwerkskörpern angegriffen. In Kleingruppentaktik agierende Randalierer errichteten Barrikaden, setzten Container in Brand und zerstörten Bushaltestellen. Die Auseinandersetzungen dauerten bis spät in die Nacht hinein. Dieses "Kleingruppen-Konzept" wird von autonomen Gewalttätern als probate Taktik angesehen, im Rahmen solcher Straßenkrawalle in kurzer Zeit möglichst hohen Sachschaden bei geringer Gefahr des Gefasstwerdens anzurichten. In szeneinternen "Empfehlungen" heißt es, in unauffälligen Viereroder Fünfergruppen ließen sich Scheiben von Banken und Läden schnell einwerfen; bis die Polizei am Ort des Geschehens eintreffe, sei dieser längst verlassen. Dezentrale Im Vorfeld größerer militanter Demonstrationen tragen Autonome Aktionskonzepte bei zunehmend auch der Einschätzung des "Kräfteverhältnisses" gegenüDemonstrationen ber der Polizei Rechnung. So propagieren militante "Antifas" insbesondere bei Protestaktionen gegen Aufzüge von Rechtsextremisten verstärkt dezentrale Aktionskonzepte. Auf legalem Wege, so heißt es, gebe es faktisch keine Möglichkeit, "Naziaufmärsche" zu verhindern: An die "Nazis" komme man während einer Demonstration - wegen des Schutzes durch die "Bullen" - nicht heran. Möglichkeiten, effektiv "tätig zu werden", böten sich daher oftmals nur vor oder nach den Aufmärschen bei Anund Abreise der Teilnehmer. Ziel sei es dabei, bei den "Nazis" so viel materiellen Schaden wie möglich anzurichten, beispielsweise an Privatautos oder Bussen. Klandestine Die "klandestine militante" Aktion - gemeint sind heimlich vorAktionen bereitete und durchgeführte Anschläge - ist erheblich planvoller angelegt als Massenmilitanz; solche - insbesondere gegen Sachen Linksextremistische Bestrebungen 131 gerichtete - Anschläge werden häufig in Selbstbezichtigungsschreiben gerechtfertigt. So verübten unbekannte Täter, die sich als "militante zelle" bezeichneten, in der Nacht zum 17. Januar einen Anschlag mit zündzeitverzögerten Brandsätzen auf die Stromversorgung einer Einrichtung des Bundesgrenzschutzes (BGS) in Berlin-Grunewald. Die Täter begründeten ihren Anschlag mit Bedeutung und Funktion des BGS in einem zunehmend abgeschotteten Europa; damit sei der BGS klassisches Angriffsziel einer militanten antirassistischen Politik: "Unser Angriff auf eine BGS-Struktur hat zum Ziel, die Gewalt dieser rassistischen Institution sichtbar zu machen und sie als solche zu benennen. Wir hoffen, ... damit gezeigt zu haben, dass auch diesem Projekt der Herrschenden etwas entgegengesetzt werden kann; darüber hinaus sollen andere zu weiteren Aktionen motiviert werden. Trotz bewegungsarmer Zeiten sind militante Interventionen ein unverzichtbares Mittel, um die linksradikale Widerstandserfahrung zu erweitern und um unversöhnlich gegen die herrschenden Machtzentren vorzugehen." Zur Kommunikation bedient sich die autonome Szene seit jeher Medien eigener Medien: Neben den "bewährten" und weiterhin wichtigsten Methoden des Informationsaustausches über Szenepublikationen, 141 Mailboxverbundsysteme und "Infoläden" nutzen Autonome heute natürlich auch das Internet 142 und Mobiltelefone. Dabei begünstigen moderne Informationsund Kryptotechnologien - wie das kostenlose Verschlüsselungsprogramm "Pretty Good Privacy" (PGP) - das in weiten Teilen konspirative Verhalten von Linksextremisten, erhöhen deren Manövrierfähigkeit und erschweren den Sicherheitsbehörden die Aufklärung. 1.2 "Traditionelle" Autonome Mit dem Attribut "traditionell" (im Gegensatz zu "organisiert"; vgl. OrganisierungsNr. 1.3) lässt sich die Mehrzahl der militanten Autonomen belegen. und HierarchieIhrem Selbstverständnis entsprechend geben sie sich grundsätzlich feindlichkeit hierarchieund organisationsfeindlich; verbindliche Entscheidungsinstanzen und Anordnungsbefugnisse lehnen sie ab. Gezielte Nachwuchsrekrutierung, wie sie die meisten übrigen linksextremistischen Gruppen betreiben, ist den "traditionellen" Bericht 2000 132 Linksextremistische Bestrebungen Autonomen fremd; Einsteiger in die Szene müssen sich zumeist selber um Kontakte und Akzeptanz bemühen. Wie wichtig der Nachwuchs dennoch für den Fortbestand der Szene ist, formulierte eine Aktivistin in einer Diskussion mit militanten Genossen; sie betonte, "daß ein Übergang, ein 'Abwechseln' organisiert werden muß, daß politische Erfahrungen, Strukturen und praktisches Wissen aufgebaut, aber auch weitergegeben werden müssen. ... Nur dann kann man ... den Stab weiterreichen. Nur so entsteht Kontinuität der Basis bei Weiterentwicklung der Inhalte." ("INTERIM" Nr. 498 vom 30. März 2000, S. 10) Die Organisierungsund Hierarchiefeindlichkeit dieses Spektrums schließt jedoch inhaltlich abgestimmtes Gewalthandeln - gewollt "unberechenbar und unkontrollierbar" - nicht aus. So kommt es am Rande oder nach Abschluss von Demonstrationen häufig zu solchen Gewaltausbrüchen, bei welchen in Kleingruppen-Taktik vorgehende Randalierer hohe Sachschäden z. B. an Gebäuden von Banken und Kaufhäusern verursachen (vgl. Nr. 1.1). In letzter Zeit mehren sich auch unter den traditionellen Autonomen Stimmen, die - angesichts einer vor allem konzeptionellen Schwächephase der Szene bei gleichzeitigem Erstarken des Rechtsextremismus - für eine verbindlichere Organisierung insbesondere antifaschistischer Strukturen eintreten. So heißt es in einem von September datierenden Papier des aus Angehörigen der autonomen Szene bestehenden Leipziger "Bündnisses gegen Rechts": "Wollen wir als BgR in den nächsten Jahren wieder auf dem Niveau der Vergangenheit Politik machen, brauchen wir eine bundesweite Organisierung. ... Damit geben wir unsere distanzierte Haltung gegenüber den Entwicklungen der bundesweiten Antifaorganisierung auf." Aus denselben Gründen wird zudem vermehrt für die - durchaus auch taktisch begründete - Zusammenarbeit in Bündnissen mit anderen gesellschaftlichen Gruppen geworben. So schrieben "Autonome Traditions-Antifas" im Szeneblatt "INTERIM" (Nr. 509 vom 7. September, S. 5 ff.): Linksextremistische Bestrebungen 133 "Wenn wir uns eine Antifa wünschen könnten, dann würde sie in kontinuierlichen, ansprechbaren Gruppen arbeiten. ... Intensive Jugendarbeit gehört zu ihren Aufgaben genauso wie eine bundesweite Vernetzung und Organisierung zur Bündelung der Kräfte. Auch, wenn es mühselig und undankbar ist, gehört zu den Aufgaben der Antifa das permanente Suchen nach BündnispartnerInnen. ... Bei all dem halten wir Militanz für ein unverzichtbares Mittel." "1.3 "Organisierte" Autonome Die Kritik an der Unverbindlichkeit autonomer Strukturen und der Kurzatmigkeit autonomer "Politik" hatte bereits Anfang der 90er-Jahre zu intensiven Diskussionen in der Szene geführt. In der Folge ergaben sich mehrere unterschiedliche Ansätze, innerhalb des autonomen Lagers so genannte Organisierungsmodelle zu erproben. Der bis heute bedeutendste Organisierungsansatz - die meisten AA/BO Versuche scheiterten recht bald - ist die im Sommer 1992 in Wupnach wie vor pertal gegründete militante "Antifaschistische Aktion/Bundesweite stärkster OrganisierungsOrganisation" (AA/BO). ansatz Die Protagonisten dieses Zusammenschlusses sahen es als Hauptaufgabe der Organisierung an, Inhalte und Positionen wahrnehmbar zu machen. Dazu gehörten auch taktische Überlegungen, die breite Medienberichterstattung zu nutzen, Pressemitteilungen herauszugeben, eigene mediale Aktivitäten zu starten (Zeitungen, Veranstaltungen, Radiobeiträge) und eine "Gegenkultur" zu schaffen, die gesamtgesellschaftliche Alternativen aufzeigen sollte. Der AA/BO gehörten Ende 2000 sieben Gruppen als Mitglieder an, u. a. die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB), die "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen und die "Antifa Bonn/Rhein-Sieg". Sie begreift sich als Sammlungsbewegung und Gegenpol zur Zersplitterung der Linken und propagiert offensiv Widerstand gegen das bestehende "Herrschaftssystem". Gruppen aus der AA/BO beteiligten sich - z. T. in maßgeblicher Funktion - an zahlreichen, auch gewalttätig verlaufenen DemonstraBericht 2000 134 Linksextremistische Bestrebungen tionen. So rief die AAB im November zur alljährlich in Berlin stattfindenden Silvio-Meier-Demonstration143 - in deren Verlauf es zu Ausschreitungen kam - u. a. mit den Worten auf: "Wir haben es satt und wollen uns mit dem Bestehenden nicht abfinden. Nicht mit Nazi-Terror und staatlichem Rassismus, nicht mit Deutschland und schon gar nicht mit dem Kapitalismus! Für eine starke revolutionäre Jugendbewegung. Zusammen gehört uns die Zukunft!" Die "Politik" der AA/BO ist weiterhin durch eine bis in Schulen hineinwirkende "Jugendarbeit" gekennzeichnet. Dazu bedient sie sich von ihr angeleiteter "Jung-Antifa"-Gruppen und von ihr beeinflusster Publikationen. Doch stehen ihr viele Autonome auch ablehnend gegenüber. Grund ist neben der kaderartigen Struktur das als dominant empfundene Auftreten der Gruppen. Häufig werden ihnen Bevormundung und Vereinnahmung vorgeworfen. Im Jahr 2000 befand sich die AA/BO in einer deutlichen Schwächephase, die nicht nur ihre politische Arbeit weitgehend lähmte, sondern sich auch auf ihre Mobilisierungsfähigkeit auswirkte. Hauptgrund für diese Entwicklung ist der Vorwurf von Teilen der autonomen Antifaszene an die AAB - eine der wichtigsten Mitgliedsgruppen der AA/BO -, einen angeblichen Vergewaltiger in ihren Reihen zu schützen und nicht konsequent ausgeschlossen zu haben. Dieser "Täterschutzvorwurf" löste eine Linksextremistische Bestrebungen 135 grundsätzliche Debatte zum Thema Sexismus aus, spaltete die AA/BO in zwei Lager und führte zwischenzeitlich zum Austritt mehrerer Gruppierungen aus der Organisation. Ob diese Entwicklung die AA/BO letztlich in ihrem Bestand gefährden wird oder ob es ihr gelingt, einen Weg aus der Krise zu finden, lässt sich derzeit nicht beurteilen. Dem neben der AA/BO bestehenden, jedoch weniger starr ausgerichteten Organisierungsansatz, dem 1993 entstandenen "Bundesweiten Antifa-Treffen" (B.A.T.), gelang es wie in den Vorjahren nicht, zu einer bedeutsamen Alternative im Lager der organisierten Autonomen zu werden. 1.4 Autonome Strukturen mit terroristischen Ansätzen In einigen Bereichen der militanten autonomen Szene sind seit Grenzen zur Jahren Zusammenhänge zu beobachten, die die Grenze zu terroristischen Aktion terroristischem Gewalthandeln überschreiten. Diese klandestin fließend - heimlich, im Verborgenen - wirkenden Kleingruppen operieren aus der "Legalität" heraus; sie hinterlassen bei Anschlägen kaum auswertbare Spuren und geben sich - bis auf wenige Ausnahmen - aus Gründen des Schutzes vor Strafverfolgung in Taterklärungen ständig wechselnde Aktionsnamen. Militanz ist für sie unverzichtbarer, unmittelbarer Ausdruck ihrer Gegnerschaft zum "System". So hieß es in der Taterklärung einer "militanten autonomen gruppe" zu einem Brandanschlag auf das Gebäude des Verfassungsgerichts Brandenburg und des Verwaltungsgerichts in Potsdam am 30. Januar: "Staatliche Repression gegen linke und linksradikale Strukturen in der BRD hat eine jahrzehntelange Kontinuität; der organisierte und militante Widerstand dagegen auch. Deshalb haben wir ... eine Institution, die stellvertretend für den Staatsapparat und sein verrechtlichtes Verfolgungsinteresse steht, mit einem zündzeitverzögerten Brandsatz attackiert. ... Um den erforderlichen Druck zu erzeugen, müssen die verschiedenen Widerstandsformen ineinandergreifen und sich gegenseitig stärken. Eine militante Praxis ist dabei ein wesentliches Mittel." ("INTERIM" Nr. 493 vom 10. Februar 2000, S. 18) Bericht 2000 136 Linksextremistische Bestrebungen In Hamburg kam es innerhalb weniger Tage zu zwei "antirassistisch" motivierten Anschlägen auf Repräsentanten der "Abschiebemaschinerie": - In der Nacht zum 10. März verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf das Fahrzeug einer Amtsärztin, die u. a. für die Begutachtung der Abschiebefähigkeit von Asylbewerbern zuständig ist; das in der Hauseinfahrt abgestellte Fahrzeug brannte vollständig aus, das Wohnhaus wurde beschädigt.144 - In der Nacht zum 13. März bewarfen unbekannte Täter das Wohnhaus des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Lufthansa AG mit Steinen und Farbflaschen. In - offenbar von denselben Personen verfassten - Taterklärungen wurden die Geschädigten als Erfüllungsgehilfen bzw. als Nutznießer rassistischer Abschiebepraxis diffamiert; weiter heißt es in einem der Schreiben: "Solange sie sich sicher fühlen und unbehelligt bleiben, werden sie weiterhin unbekümmert ihren dreckigen Job machen. ... Eine Antwort auf das RZ/Rote Zora-Verfahren ist auch die Fortführung militanter Angriffe gegen die deutsche Flüchtlingspolitik." ("INTERIM" Nr. 497 vom 23. März 2000, S. 10 f.) Anschläge terroristisch operierender autonomer Gruppierungen (Brandund Sprengstoffanschläge, Anschläge gegen Fernmeldeund Datennetze sowie Hochspannungsmasten, Hakenkrallenanschläge gegen Strecken der Deutschen Bahn AG) verursachen Jahr für Jahr Sachund wirtschaftliche Folgeschäden in vielfacher Millionenhöhe. Diese werden von den Tätern auch regelmäßig ins Kalkül gezogen. 2. Sonstige militante Linksextremisten mit internationalistischer Orientierung Die neben den Autonomen zweite Strömung gewaltbereiter Linksextremisten umfasst vor allem antiimperialistisch und internationalistisch ausgerichtete Gruppen und Einzelpersonen, vornehmlich Aktivisten aus ehemals der "Roten Armee Fraktion" (RAF) nahe stehenden Strukturen. Diese sehen den Einsatz für "politische Gefangene" sowie die Unterstützung des kurdischen "Befreiungskampfs" und Linksextremistische Bestrebungen 137 auch der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) als Aktionsschwerpunkte. In diesem Bereich seit Jahren aktivster Zusammenhang ist "Libertad!"; Aktionshier engagieren sich u. a. Angehörige der Frankfurter Gruppierung "Kein schwerpunkte: Friede". "Libertad!" sieht in der "Gefangenenfrage" den Ausgangspunkt Internationale Vernetzung über die zum Aufbau eines internationalen Netzwerks von "radikalen und revolu"Gefangenenfrage" tionären Kräften aus Basisund Befreiungsprozessen". Im Sommer startete "Libertad!" mit einer Extra-Ausgabe der Zeitschrift "So oder So", dem Sprachrohr der Organisation, eine Kampagne gegen die Einführung der "Isolationsund Einzelhaftgefängnisse" in der Türkei. Unter dem Motto "Kein Stammheim am Bosporus" heißt es, mit dem Übergang zur europäischen Gefängnisnorm erwarte die politischen Gefangenen in der Türkei jetzt das, was die "wehrhafte Demokratie" in Deutschland, aber auch Frankreich und Spanien schon länger praktiziere, nämlich Hochsicherheitstrakte, Isolationsund Einzelhaft. Weiter schreibt "Libertad!": "Nur mit Widerstand und Protest kann die Einzelhaft in der Türkei verhindert werden. Die Sondertrakte und Isolationszellen sind nicht zuletzt auch eingeschrieben in die Revolten und Kämpfe der radikalen und militanten Linken Westdeutschlands. ... Die Kampagne Libertad! fordert alle fortschrittlichen, demokratischen, linken Initiativen und Menschen auf, mit ihren Ideen und Möglichkeiten für den Schutz der Gefangenen und gegen die Isolationsgefängnisse einzutreten." Ein zweiter - an Bedeutung weiter verlierender - Aktionsschwerpunkt im antiimperialistischen Spektrum ist die Unterstützung des kurdischen Befreiungskampfes und auch der PKK. Nach der Festnahme des Vorsitzenden der PKK Abdullah ÖCALAN im Februar 1999 sind Agitation und Aktivitäten deutscher Kurdistan-Aktivisten vor allem gegen das in der Türkei verhängte Todesurteil und auf die Freilassung ÖCALANs gerichtet. In örtlichen "Kurdistansolidaritätsgruppen" unter dem Dach der "Kurdistanin Berlin ansässigen "Informationsstelle Kurdistan" (ISKU) betreuen Solidarität" militante Linksextremisten mutmaßliche PKK-Anhänger in deutscher Haft, organisieren sog. Menschenrechtsdelegationen in die Türkei und agitieren gegen die Bundesregierung wegen angeblicher Unterstützung der Türkei im Kampf gegen die PKK. Bericht 2000 138 Linksextremistische Bestrebungen Seit dem von ÖCALAN aus der Haft heraus betriebenen Kurswechsel der PKK - Aufgabe der militärischen Option zur Lösung der Kurdenfrage zu Gunsten einer politischen Initiative - befinden sich weite Teile der deutschen Kurdistan-Solidarität in einer Sinnund Identitätskrise. Dies gilt insbesondere für jene Aktivisten, die sich - unter z. T. hohen persönlichen Risiken - zur Ausbildung bzw. zum Kampfeinsatz bei der PKK-Guerilla im kurdischen Siedlungsgebiet aufgehalten haben; ihnen galt die PKK bisher als Vorbild für den eigenen revolutionären Kampf. Prozess wegen Am 28. November begann vor dem Oberlandesgericht Stuttgart mutmaßlicher der Prozess gegen die langjährig wegen mutmaßlicher MitgliedRAF-Mitgliedschaft schaft in der RAF gesuchte und am 15. September 1999 in Wien festgenommene Andrea KLUMP. Ihr werden Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie versuchter Mord vorgeworfen. KLUMP war seinerzeit in Wien zusammen mit dem ebenfalls als RAFMitglied gesuchten Horst Ludwig MEYER, der bei einem Schusswechsel mit Polizeibeamten ums Leben kam, von der Polizei gestellt worden. Prozess wegen Zwei mutmaßliche ehemalige Angehörige der "Revolutionären Anschlags auf die Zellen" (RZ)145, die 1999 bzw. 1998 festgenommen worden waren, OPEC-Konferenz 1975 mussten sich seit dem 17. Oktober wegen Beihilfe zum Mord bzw. in Wien gemeinschaftlichen Mordes vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M. verantworten. Den Beschuldigten wurde vorgeworfen, an der Vorbereitung bzw. Durchführung des Anschlags auf die Konferenz der Ölminister der OPEC-Staaten in Wien im Dezember 1975 beteiligt gewesen zu sein. Damals waren drei Sicherheitsbeamte getötet worden, das sechsköpfige Terrorkommando hatte mit den Ölministern als Geiseln nach Algerien ausfliegen können.* 3. Traditionelle Anarchisten Klassische anarchistische Ideen werden insbesondere von Gruppierungen der angeblich gewaltfreien "Graswurzelbewegung" und dem deutschen Zweig der international organisierten anarcho-syndikalistischen "Freien Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA) propagiert. Dem Graswurzelspektrum werden - ebenso wie der FAU-IAA - derzeit etwa 180 Personen zugerechnet. Regionale Schwerpunkte sind Berlin, Hamburg und Hessen. Aktivitäten gingen fast ausschließlich von der "Graswurzelbewegung" aus. *) Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main verurteilte im Februar 2001 einen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren, der andere Angeklagte wurde freigesprochen. Linksextremistische Bestrebungen 139 Die "Graswurzelbewegung" umfasst eine Vielzahl von so genannten gewaltfreien Aktionsgruppen, Trainingskollektiven und sonstigen Zirkeln. Sie strebt eine "tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung" an, in der "durch Macht von unten alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschafft werden sollen".146 An die Stelle von "Hierarchie und Kapitalismus" soll eine "selbstorganisierte, sozialistische Wirtschaftsordnung" treten. Der Staat soll durch eine "föderalistische, basisdemokratische Gesellschaft" ersetzt werden. Um "Herrschaftsund Gewaltstrukturen" zu zerstören, propagieren und praktizieren ihre Anhänger das Konzept des "Zivilen Ungehorsams". Ihre Aktivisten bezeichnen sich in diesem Zusammenhang zwar als gewaltfrei, verkürzen aber den Begriff der Gewalt auf "menschenverletzende" Gewalt; Gewalt gegen Sachen wird als legitim angesehen. Thematische Schwerpunkte waren u. a. der Weltwirtschaftsgipfel in Prag (vgl. Kap. V, Nr. 2), "Antimilitarismus" sowie der Widerstand gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie (vgl. Kap. V, Nr. 3). Im Vorfeld der Kampagne gegen den Weltwirtschaftsgipfel wurde im Internet auf die europaweite Mobilisierung der europäischen "Graswurzelbewegungen" hingewiesen. In einem "Prag-Resümee" einer der "Graswurzelbewegung" zuzurechnenden Gruppe wurden Vorbereitung und Ablauf der Kampagne kritisiert und der Aufbau eines bundesweiten Netzes nach dem Vorbild des US-amerikanischen "Direct Action Network" (DAN) sowie das Training "von Blockade über Sabotage" bis zu "Kommunikationsguerilla und Internethacking" angeregt. IV. Parteien und sonstige Gruppierungen 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) gegründet: 1968 Sitz: Essen Vorsitzender: Heinz STEHR Mitglieder: 4.500 (1999: 5.000) Publikation: "Unsere Zeit" (UZ), Auflage: 8.500, wöchentlich Bericht 2000 140 Linksextremistische Bestrebungen 15. Parteitag Wichtigstes Ereignis des Jahres war für die DKP ihr 15. Parteitag vom 2. bis 4. Juni in Duisburg-Rheinhausen. Die Delegierten beschlossen den Leitantrag des Parteivorstands "Die DKP - Partei der Arbeiterklasse - Ihr politischer Platz heute", den die anschließend neu gewählte stellvertretende Parteivorsitzende Nina HAGER als wichtigen Baustein auf dem Weg zu einem neuen Parteiprogramm bezeichnete.147 Das ebenfalls verabschiedete Papier "Handlungsorientierung: Widerstand gegen Kriegspolitik, Sozialund Deutsche Kommunistische Demokratieabbau" enthält auf der GrundPartei lage der "Thesen zur programmatischen Orientierung der DKP" (1993) und des "Aktionsprogramms" (1996) Richtlinien für die politische Auseinandersetzung in der nahen Zukunft.148 Die wie bei früheren Parteitagen erhebliche Resonanz bei ausländischen Kommunisten belegt die Teilnahme von 33 "Bruderparteien" und "Befreiungsbewegungen" aus 30 Ländern; von 17 weiteren lagen Grußschreiben vor. Interne Spannungen - wie noch beim 14. Parteitag 1998 - wurden nicht mehr erkennbar. Von den Medien wurde das Ereignis ignoriert: die weitgehend politisch isolierte Partei spielt in der öffentlichen Wahrnehmung nahezu keine Rolle mehr. Die DKP hat ihre ideologische Ausrichtung nicht geändert. In dem beschlossenen Leitantrag hält sie am Marxismus-Leninismus als Anleitung zum Handeln fest und bekennt sich zur revolutionären Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung: "Das Ziel der DKP ist der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft. Sie strebt den grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen an, orientiert auf die Arbeiterklasse als entscheidende gesellschaftsverändernde Kraft. Grundlage ihres Handelns ist die wissenschaftliche Theorie von Marx, Engels und Lenin, die sie entsprechend ihrer Möglichkeiten weiterentwickelt." ("DKP-Informationen" Nr. 3/00 - Juni 2000, S. 24) Weiterer Der Mitgliederschwund der Partei hielt an. Sie verfügt nach der Mitgliederrückgang Neuausgabe der Mitgliedsbücher über 4.500 Mitglieder. Ursache für die negative Entwicklung ist nach Angaben der Partei vor allem das Linksextremistische Bestrebungen 141 sehr hohe Durchschnittsalter von derzeit 58 Jahren als Folge der unausgeglichenen Alterstruktur.149 Die geringe Zahl von neu aufgenommenen Mitgliedern - seit 1990 knapp 1.000 - reicht nicht aus, Abgänge auszugleichen. Die Mitglieder der DKP sind in 280 Parteigruppen - davon 12 Betriebsgruppen - organisiert, die in 110 Kreisund 14 Bezirksorganisationen zusammengefasst sind. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen werden die wenigen Grundorganisationen durch "Koordinierungsräte" angeleitet. Die DKP hat nach wie vor Schwierigkeiten, ihre Finanzierung Finanzen ausgeglichen zu gestalten. Wiederholt rief sie ihre Mitglieder zur Beitragsehrlichkeit und zu größerer Spendenfreudigkeit auf.150 In ihrem Rechenschaftsbericht gem. SS 23 Parteiengesetz wies sie für 1999 Einnahmen in Höhe von 2,7 Mio. DM aus, darunter 1,1 Mio. DM Spenden. Neben den Begegnungen während ihres 15. Parteitags pflegte die Internationale DKP die Beziehungen zu "Bruderparteien" durch zahlreiche weitere Verbindungen Kontakte: Funktionäre der DKP trafen sich zu Gesprächen u. a. mit Vertretern der kommunistischen Parteien Böhmens und Mährens, Griechenlands, des Irak, Israels, Italiens, Japans, Jugoslawiens, Kurdistans, Luxemburgs, Spaniens und Ungarns.151 Die DKP war vertreten auf einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz der tschechischen Kommunisten anlässlich des 10. Jahrestags der Gründung der KP Böhmens und Mährens, in deren Mittelpunkt die Probleme des Internationalismus der Arbeiterbewegung angesichts "imperialistischer Globalisierungsstrategien" standen.152 Der Parteivorsitzende nahm an einem von der KP Griechenlands ausgerichteten Treffen von 60 kommunistischen und Arbeiterparteien aus 52 Ländern zum Thema "Erfahrungen der Kommunisten mit Bündnissen und Zusammenarbeit" vom 23. bis 25. Juni in Athen teil.153 Abordnungen der DKP besuchten nach hergebrachter Tradition wiederum Parteitage und Pressefeste kommunistischer und sozialistischer Parteien u. a. in Dänemark, Frankreich, Griechenland, Österreich, Portugal, Serbien, Spanien, Japan, Russland und Zypern.154 Besondere Bedeutung im Rahmen der Internationalismusarbeit behielt für die DKP die Solidarität mit dem kommunistischen Kuba. Führende Funktionäre besuchten das Land zur Vorbereitung des vom Parteitag der DKP beschlossenen vierten Solidaritätsprojekts: Im Jahr 2001 soll zusammen mit der KP Kubas in Bericht 2000 142 Linksextremistische Bestrebungen Cardenas/Provinz Matanzas eine Kinderklinik renoviert und umgebaut werden. 155 Enge Verbindungen Weiterhin der DKP eng verbunden blieb die "Sozialistische Deutmit der "Sozialissche Arbeiterjugend" (SDAJ) mit ihren etwa 300 Mitgliedern. Der neu tischen Deutschen gewählte Bundesvorsitzende Jürgen WANGLER betonte auf dem Arbeiterjugend" 15. Bundeskongress der SDAJ (29./30. Januar in Gladbeck), die DKP (SDAJ) sei nicht einfach ein Bündnispartner von vielen, sie nehme vielmehr aufgrund der gemeinsamen Weltanschauung, des gemeinsamen sozialistischen Ziels, der gemeinsamen Geschichte und vieler Erfahrungen einen besonderen Platz ein. Gleichwohl sei die SDAJ ein selbständiger und unabhängiger Jugendverband und keine Parteijugendorganisation.156 Wie die DKP fordert die SDAJ den "revolutionären Bruch" mit der bestehenden Gesellschaftsordnung. In dem vom 15. Bundeskongress beschlossenen "Zukunftspapier" der SDAJ heißt es dazu: "Der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung kann nur gegen den erbitterten Widerstand des Kapitals durchgesetzt werden ... . Die Macht des Kapitals kann nur durch den bewussten Klassenkampf der Arbeiterklasse zurückgedrängt und überwunden werden. Ein revolutionärer Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen kann nur erfolgreich erkämpft und verteidigt werden, wenn die Mehrheit der Bevölkerung von der Notwendigkeit einer solchen Revolution überzeugt und darüber hinaus auch zur aktiven Beteiligung bereit ist. Um die Mehrheit der Arbeiterklasse von der Notwendigkeit eines revolutionären Bruches überzeugen zu können, ist es notwendig, ... den ideologischen Einfluss des Kapitals zurückzudrängen und Klassenbewusstsein sowie Erkenntnisse des wissenschaftlichen Sozialismus in der Arbeiterklasse zu verbreiten. Die Verbreitung von Klassenbewusstsein innerhalb der Arbeiterjugend betrachten wir als eine wesentliche Aufgabe der SDAJ." ("Zukunftspapier" der SDAJ, S. 31) Die SDAJ führte ihr traditionelles Pfingstcamp vom 9. bis 12. Juni in Ahaus (Nordrhein-Westfalen) auf dem Gelände der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" durch. Die Teilnehmer hörten u. a. Vorträge und führten Diskussionen zu Themen wie Imperialismus, Antifaschismus und Arbeiterjugendpolitik.157 Aktivitäten DKP-orientierter Studenten, über die seit etwa 3 Jahren tätige "Assoziation Marxistischer StudentInnen" (AMS) an Hochschulen kommunistische Politik zu betreiben, blieben ohne erkennbare Resonanz. Linksextremistische Bestrebungen 143 1.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN - BdA) gegründet: 1947 Sitz: Frankfurt/M. Bundesgeschäftsstelle: Hannover Mitglieder: rund 5.000 (1999: 6.200) Publikation: "antifa-rundschau", vierteljährlich Die VVN-BdA blieb das mitgliederstärkste Bündnis im Bereich des linksextremistischen "Antifaschismus". Unverändert wird die Vereinigung von einem traditionell orthodoxkommunistischen Flügel wesentlich geprägt. In den Gremien und Gliederungen blieben aktive Mitglieder der DKP und dieser Partei nahe stehende Personen politisch tonangebend. Zum Selbstverständnis der VVN-BdA führte ein wieder gewählter Bundessprecher aus: "Die VVN-BdA ist und bleibt eine pluralistisch zusammengesetzte Bündnisorganisation von Antifaschisten unterschiedlicher Herkunft und Auffassung. Daher müssen auch grundsätzliche Meinungsunterschiede auszuhalten sein, wenn sie das gemeinsame Handeln gegen Neofaschismus und Krieg nicht verhindern." ("antifa-rundschau" Nr. 44, Oktober-Dezember 2000) Die VVN-BdA führte am 7./8. Oktober in Frankfurt/M. ihren Ideologische Bundeskongress unter dem Motto "Antifaschismus: Verpflichtung für Ausrichtung der die Zukunft - Gegen den Schlussstrich" durch. Die 132 Delegierten VVN-BdA verabschiedeten mit großer Mehrheit einen Leitantrag über die "Erfordernisse des Kampfes gegen rechts", in dem der antitotalitäre - gleichermaßen gegen Rechtswie Linksextremismus gerichtete - Konsens des Grundgesetzes abgelehnt wird: "Wir wenden uns gegen jede Gleichsetzung von Nazigegnern mit Neonazis und Rechtsextremisten. Jede Gleichsetzung von links und rechts verharmlost die rechte Gewalt, schwächt die Kräfte des Widerstandes und begünstigt den Neonazismus. ... Zum Nährboden des Rechtsextremismus gehören - neben der Fortdauer und Erneuerung von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus - ein rigoroser kapitalistischer Marktradikalismus mit Bericht 2000 144 Linksextremistische Bestrebungen seinen asozialen Folgen und Auswirkungen sowie neoliberale Strategien, die ihn fördern statt bekämpfen. Zum Nährboden des Rechtsextremismus gehört eine Gesetzesverachtung, wie sie in den Schwarzgeldpraktiken der CDU - und dem damit verbundenen Kauf politischer Macht - ebenso zum Ausdruck kommt wie im Hinwegsetzen über Grundgesetz und Völkerrecht bei der Führung des Krieges gegen Jugoslawien. ... Zum Nährboden geworden sind Beiträge und Stichworte aus der offiziellen Politik. Erklärungen von angeblich drohender 'Überfremdung', 'Überbelastung' durch Flüchtlinge, von Ausländer-'Flut' und 'Schwemme', von 'vollem Boot', 'Ausländerkriminalität' und 'unnützen' Menschen, die 'schnell raus zu werfen' seien, gaben letztlich die Stichworte und Anstöße für die rechtsradikale Gewalt." ("antifa-rundschau" Nr. 44, Oktober-Dezember 2000) Die Delegierten stimmten einem Initiativantrag zu, nach dem "die dringend notwendige Zusammenführung" der VVN-BdA mit ihrer ostdeutschen Partnerorganisation "Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener - Bund der Antifaschisten" (VVdNBdA, vgl. Nr. 6.1) im Laufe des Jahres 2001 angestrebt werden soll. Auf Leitungsebene wurden gemeinsame Initiativen, Aufrufe und Aktionen verabredet. Ferner wurde aus je fünf Mitgliedern der Vorstandsgremien eine "Gemeinsame Arbeitsgruppe" (GAG) gebildet, die die notwendigen Diskussionen und Arbeitsschritte für die Schaffung einer "gemeinsamen gesamtdeutschen und generationsübergreifenden Organisation der Antifaschisten" erarbeiten soll. Die VVN-BdA bekräftigte erneut ihre "offene Bündnispolitik" gegenüber linksextremistischen Zusammenschlüssen und gewaltbereiten Antifa-Gruppen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der VVdN-BdA am 21. August stellten beide Organisationen eine "Initiative zur Unterstützung antirassistischer und antifaschistischer Arbeit vor Ort" vor. Dabei forderte ein Bundessprecher der VVN-BdA die politisch Verantwortlichen auf, die Zusammenarbeit mit Gruppen zu suchen, auch wenn sie politisch unbequem sein mögen; so müssten auch autonome Antifaschisten in breite Bündnisse gegen Rechts einbezogen werden.158 Ihre Parteinahme für gewaltbereite autonome Antifaschisten bekräftigten die Bundessprecher der VVN-BdA: Linksextremistische Bestrebungen 145 "Wir fühlen uns solidarisch mit antifaschistischen Jugendbewegungen, die es in ihrer Besorgnis über bedrohliche Rechtsentwicklungen nicht bei verbalen Betroffenheitserklärungen belassen, sondern ihren Antifaschismus auf die Straße tragen und dafür dann aber in zunehmendem Maße kriminalisiert werden." ("antifa-rundschau" Nr. 43, Juli-September 2000, S. 9) Dieser Linie entsprechend führten Funktionäre der VVN-BdA am 9. Januar in Berlin eine "Spontandemonstration eines breiten Bündnisses" - darunter Angehörige der militanten "Antifaschistischen Aktion Berlin" (AAB), der DKP sowie der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) - an, die sich gegen das Verbot der für den 9. Januar angemeldeten Gedenkveranstaltungen anlässlich des 81. Jahrestags der Ermordung der KPD-Funktionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht richtete; im Verlauf der Demonstration kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen. Angehörige der VVN-BdA und der "VVN-Jugend" beteiligten sich - eigens formiert als "VVN-Block" - am 5. Februar in Berlin an einer bundesweiten Demonstration unter dem Motto "Für das Leben und die Freiheit von Mumia ABU-JAMAL und allen politischen Gefangenen. Abschaffung der Todesstrafe!". Die Demonstration war von "Mumia ABU-JAMAL-Solidaritätsgruppen" aus dem autonomen und antiimperialistischen Spektrum veranstaltet worden. Teilnehmer waren neben gewaltbereiten Autonomen auch Angehörige der DKP und der PDS sowie ausländische Linksextremisten. Auf der Abschlusskundgebung referierte ein Bundessprecher der VVN-BdA. Die Landesvereinigung Baden-Württemberg der VVN-BdA hatte 1998 dem in den USA wegen Mordes an einem Polizisten verurteilten Mumia ABU-JAMAL die Ehrenmitgliedschaft verliehen. 1.3 Sonstige 1.3.1 "Marx-Engels-Stiftung e. V." (MES) gegründet: 1979 Sitz: Wuppertal Vereinsmitglieder: ca. 35 Vorsitzender: Robert STEIGERWALD Bericht 2000 146 Linksextremistische Bestrebungen Die MES befasste sich weiter mit der "Erforschung des wissenschaftlichen Werkes von Karl Marx und Friedrich Engels sowie seiner geschichtlichen Wirksamkeit". Ihrer "Förderergesellschaft" gehörten rund 600 Mitglieder an - überwiegend Wissenschaftskader aus der DKP und der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Sie setzte ihre Zusammenarbeit mit der Geschichtskommission der DKP und dem "Marxistischen Arbeitskreis zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der Historischen Kommission der PDS" durch gemeinsame Ausrichtung mehrerer Tagungen fort. Die Stiftung wählte im Dezember den Altkommunisten Robert STEIGERWALD, einen maßgeblichen Parteiideologen der DKP, zum neuen Vorsitzenden. Der bisherige Vorsitzende hatte nicht mehr kandidiert. Der - für eine stärkere Öffnung zur PDS eintretende - Geschäftsführer wurde nicht wieder in den Vorstand gewählt und verlor seinen Posten. 1.3.2 "Bundesausschuss Friedensratschlag" gegründet: 1996 (als "Arbeitsausschuß Friedensratschlag") Sitz: Kassel Mitglieder: 50 Publikationen: "Friedenspolitische Korrespondenz" (FRIKORR) Der "Bundesausschuss Friedensratschlag" wird weiterhin maßgeblich von Linksextremisten beeinflusst. Sein Hauptaktivist Peter STRUTYNSKI (Dozent an der Universität Kassel) und die übrigen Funktionäre stammen überwiegend aus der DKP und ihrer Anfang der 90er Jahre zerfallenen Vorfeldorganisation "Deutsche FriedensUnion" (DFU). In seiner praktischen Politik bemüht er sich um eine Fortsetzung des traditionellen kommunistischen "Friedenskampfes".159 Besonders deutlich wurden solche Anstrengungen am Projekt eines "Europäischen Tribunals über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien", das vom "Bundesausschuss Friedensratschlag" unterstützt wurde. Es tagte - nach einem "1. Hearing" im Oktober 1999 in Berlin - am 16. April in Hamburg und am 2./3. Juni in Berlin160 und nahm dabei für das Milosevic-Regime in Jugoslawien Partei. Die "angeklagten" Politiker des westlichen Verteidigungsbündnisses wurden zu Anstiftern eines Angriffskriegs und Kriegsverbrechern gestempelt. Linksextremistische Bestrebungen 147 2. "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) gegründet: 1989/90 (Umbenennung SED in PDS) Sitz: Berlin Parteivorsitzende: Gabriele ZIMMER Mitglieder: ca. 88.600 (1999: ca. 94.000), davon in den westlichen Ländern mehr als 4.000 Publikationen: "DISPUT", (Auswahl) monatlich; "PDS-Pressedienst", wöchentlich; "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS", monatlich; "Marxistisches Forum", unregelmäßig; "PDS International", vierteljährlich Die PDS bietet auch zehn Jahre nach ihrer durch die deutsche Einigung erforderlich gewordenen Anpassung und Umbenennung ein zwiespältiges Bild: Auch wenn die Partei sich nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht als marxistisch-leninistische Partei darstellt, bestehen doch weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen im Sinne des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Sowohl im Programm wie auch im Statut der PDS ist auch die Existenz extremistischer Strömungen in der Partei verankert. Diese Gruppierungen sind in wichtigen Gremien (u. a. im Parteivorstand, Parteirat, Programmkommission) vertreten. Auch entsenden sie nach einem festgelegten Schlüssel Delegierte zu den Parteitagen. In der Finanzplanung wird ihnen - soweit es die Partei öffentlich bekannt gibt - finanzielle Unterstützung gewährt. Hinzu kommt die Zusammenarbeit mit anderen linksextremistischen Organisationen einschließlich gewaltbereiter Gruppierungen im Inund Ausland. Auch wenn sich die PDS an Wahlen und an der parlamentarischen Arbeit auf allen Ebenen beteiligt, betont sie andererseits die Notwendigkeit des "außerparlamentarischen Kampfes", räumt ihm gar Vorrang ein. Insgesamt ist das Verhältnis der Partei zu wesentlichen Elementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung immer noch ambivalent. Bericht 2000 148 Linksextremistische Bestrebungen 2.1 Allgemeine Entwicklung Parteitage Eine Änderung in der grundsätzlichen programmatischen Ausrichtung erfolgte - trotz der Diskussion über taktisch-strategische Fragen - weder auf dem Parteitag in Münster (3. Tagung des 6. Parteitags vom 7. bis zum 9. April) noch auf dem Parteitag in Cottbus (1. Tagung des 7. Parteitags am 14./15. Oktober). Ausdruck der eingangs geschilderten Ambivalenz ist, dass sich die PDS zwar einerseits in das demokratische Gesellschaftssystem eingefügt hat, andererseits aber nach wie vor erkennen lässt, dass sie am Sozialismus161 festhält und die als kapitalistisch bezeichnete Gesellschaftsordnung162 überwinden will. Dabei ist angesichts ihrer Wurzeln, ihrer Programmatik und insbesondere der bewussten Duldung offen extremistisch agierender Kräfte in der Partei (vgl. 2.2) bislang nicht deutlich, dass die konkrete Ausgestaltung dieser Ziele mit dem vom Grundgesetz vorgegebenen Rahmen in Einklang steht und dass die PDS als Ganzes dies innerhalb eines demokratischen Wandels anstrebt. So erklärte der "Rat der Alten beim Parteivorstand der PDS" zur programmatischen Debatte in der Partei u. a.: "Als Sozialistische Partei müssen wir die systemimmanenten Grenzen des 'modernen Kapitalismus' aufzeigen, also die historische Notwendigkeit seiner Überwindung. Wir bekennen uns zu Grundwerten des Sozialismus, wie sie schon im 19. und 20. Jahrhundert überzeugend entworfen ... und trotz der weiter zu kritisierenden Unzulänglichkeiten über Jahrzehnte praktiziert wurden." ("PDS-Pressedienst" Nr. 12 vom 24. März 2000) Überdies bekräftigten die Sprecher des PDS-Parteirats und der Bundesgeschäftsführer Dietmar BARTSCH u. a.: "... die Mehrheit der Programmkommission [der PDS hat] nie bestritten, daß vom Kapitalismus ursächlich die Gefährdung der menschlichen Zivilisation und Kultur ausgeht und die in den Eigentumsverhältnissen wurzelnden kapitalistisch geprägten Machtstrukturen überwunden werden müssen ... ." ("junge Welt" vom 30. März 2000) Nach Aussage des Europaabgeordneten der PDS und langjährigen Wahlkampfleiters Andre BRIE müsse diese Gesellschaft "in ihrer Linksextremistische Bestrebungen 149 Qualität, also revolutionär" verändert werden. Dies drücke auch die Programmkommission der PDS klar aus.163 Auch die Tatsache, dass die PDS sich an Wahlen beteiligt und auf Landesebene in Regierungsverantwortung eingebunden ist, bedeutet keine Abkehr von den programmatischen Zielsetzungen der Partei. Das Mitglied des Parteivorstands Judith DELLHEIM führte in einem Diskussionsbeitrag in der Tageszeitung "Neues Deutschland", in dem indirekt das Verhältnis von Tagespolitik und sozialistischem Endziel erörtert wurde, u. a. aus: "Wahlerfolge und Regierungsbeteiligung können nicht die Rahmenbedingungen umstürzen, aber sie müssen benutzt werden, um Opposition gegen die Herrschenden und gegen das herrschende Gesellschaftssystem zu stärken". ("Neues Deutschland" vom 2. März 2000) 164 Die PDS hält laut Parteiprogramm "den außerparlamentarischen AußerparlamenKampf um gesellschaftliche Veränderungen für entscheidend".165 Er tarischer Kampf hat weiterhin Vorrang vor der parlamentarischen Arbeit. Dazu äußerte das Mitglied der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag Winfried WOLF u. a.: "Die PDS als sozialistische Kraft weiß ..., dass Widerstand immer von unten kommen muss - von Basisbewegungen ... von Umweltund Anti-Gentechnik-Initiativen, von antifaschistischen Verbänden und Gruppen. Das heißt aber auch: Die Parlamente sind unser Spielbein. Unser Standbein muss die außerparlamentarische Bewegung und Aktion sein. ... Nur wenn wir dieses Selbstverständnis vom Primat der außerparlamentarischen Aktion haben, gewinnen wir auch den entscheidenden Zugang zur Jugend, die zumindest in Teilen auch im antikapitalistischen Sinn rebellisch ist". ("Marxistisches Forum" Nr. 32/33 vom September 2000) 166 Der stellvertretende Parteivorsitzende Diether DEHM wurde in der Wochenzeitung "Jungle World" mit der Forderung zitiert, grundsätzlich sollten die West-GenossInnen "die Kommunalparlamente als Tribüne des Klassenkampfes nutzen".167 Bericht 2000 150 Linksextremistische Bestrebungen 2.2 Extremistische Strukturen in der PDS Programm und Statut der PDS168 lassen nach wie vor Zusammenschlüsse unterschiedlicher Ausrichtung - darunter auch offen extremistische169 - innerhalb der Partei zu; dies wird in der PDS als "Pluralismus" verstanden. Die PDS sieht sich daher als "Strömungspartei". Studie "Zur PDSNach einer Studie "Die PDS-Strategiebildung im Spannungsfeld von Strategiebildung" gesellschaftlichen Konfliktlinien und politischer Identität"170 - datiert auf den 2. Juni 2000 - sind die kommunistischen und orthodox sozialistischen Kräfte in der Partei zwar nicht mehrheitsfähig, sie hätten jedoch eine starke und relativ komfortable Veto-Macht. Die innerparteiliche Auseinandersetzung könne nicht als antikommunistischer Kampf - also gegen die "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) oder das "Marxistische Forum der PDS" - geführt werden. Ein Angriff auf sie erscheine immer als ein Angriff auf die Identität der Mehrheit der Mitglieder und werde diese gegen die Parteiführung mobilisieren. Veränderungen der Identität der PDS und ihrer Außenund Binnenstrategie müssten diesem Kräfteverhältnis Rechnung tragen, wenn die PDS keinen Zerfall riskieren wolle. Dies verdeutlichen auch Äußerungen führender Funktionäre der PDS171 gegenüber extremistischen Strukturen wie der KPF. So betonte die auf dem Parteitag in Cottbus neu gewählte Parteivorsitzende Gabriele ZIMMER, der Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 13./14. Mai zufolge, sie gehe davon aus, dass die meisten Kommunisten in dieser Partei Demokraten seien. Der Bundesgeschäftsführer Dietmar BARTSCH erklärte in einem Interview der Zeitung "Tagesspiegel" vom 4. April, er wisse wirklich nicht, was an der KPF extremistisch sein solle. In der PDS hätten Kommunisten genauso Platz wie Sozialdemokraten. An Mitglieder der KPF und des "Marxistischen Forums" gewandt forderte Gabriele ZIMMER auf dem Parteitag in Cottbus, den Weg in eine kommunistische Gesellschaft darzustellen. Und wörtlich: "Mich schreckt der Popanz nicht, zu dem in Teilen der Medien und der politischen Klasse die KPF gemacht wird. ... Im Bemühen um eine bessere Gesellschaft gehören wir zusammen, solange wir uns miteinander, nicht gegeneinander in dieser Partei bewegen." ("DISPUT" Nr. 10 vom Oktober 2000) "Kommunistische Die KPF, die unverändert an der kommunistischen Tradition der Plattform der PDS" Arbeiterbewegung festhält, ist in wichtigen Parteigremien vertreten; (KPF) so wurde Sahra WAGENKNECHT, Mitglied des Bundeskoordinie- Linksextremistische Bestrebungen 151 rungsrates der KPF, mit großer Zustimmung (mehr als 60 % der Stimmen) auf dem Parteitag in Cottbus in den neuen Parteivorstand gewählt. Die KPF verfügt nach wie vor über Strukturen in fast allen Bundesländern. Zu den "Aufgaben der KPF nach dem Münsteraner Parteitag" erklärte Friedrich RABE, einer der Sprecher der KPF, auf der 3. Tagung der 9. Bundeskonferenz am 29. April in Berlin, die Auffassung, der kommunistische Anspruch auf qualitative Gesellschaftsveränderung habe sich erledigt, treffe nicht zu. Der Kapitalismus sei nicht in der Lage, auch nur ein Menschheitsproblem zu lösen; was auch geschehe, die Probleme verschärften sich. Dass Sozialisten und Kommunisten gegenwärtig nicht in der Lage seien, diese Situation grundlegend zu ändern, entpflichte sie nicht davon, zu kämpfen.172 Das "Marxistische Forum der PDS" - ein Zusammenschluss kom"Marxistisches munistisch orientierter Mitglieder und Sympathisanten der PDS - Forum der PDS" konnte seine organisatorische Struktur festigen. Seit Dezember 1999 existiert mit dem "Marxistischen Forum Sachsen" eine landesweite Arbeitsgemeinschaft in und beim Landesvorstand der PDS Sachsen. Detlef JOSEPH, Mitglied des Forums sowie des Parteirates der PDS, setzte sich dafür ein, an dem Ziel festzuhalten, "die kapitalistische Gesellschaft im Endergebnis zu beseitigen und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten".173 Auch andere Mitglieder des Forums machten aus ihrer fundamentalen Gegnerschaft zur parlamentarischen Demokratie keinen Hehl; dabei wurde die Notwendigkeit eines revolutionären Übergangs von der kapitalistischen zur sozialistischen Gesellschaft - selbst mit Gewalt - propagiert; so erklärte ein Mitglied des "Marxistischen Forums": "Die gegebenen Systeme der parlamentarischen Demokratie geleiten die Menschheit geradewegs in den Tod. ... Die bürgerliche Demokratie ist keine klassenneutrale Institution. Ein anderer Irrtum ist es, den Sozialismus auf demokratische Weise erreichen zu wollen. Als wenn die Bluthunde Noske, Franco, Pinochet u. a. nicht Wegzeichen genug wären. Die Opfer der Pariser Kommune, der Oktoberrevolution und der Revolution der Sandinisten, ... machen deutlich, welche Demokratie der Kapitalismus den Sozialisten genehmigt." ("Marxistisches Forum" Nr. 25 vom Januar 2000) 174 Bericht 2000 152 Linksextremistische Bestrebungen Veranstaltungen des Forums stießen auf eine breitere Resonanz in der PDS, worauf die Teilnehmerzahlen hinweisen: So nahmen an einer "wissenschaftlichen" Konferenz des "Marxistischen Forums" am 16. September in Berlin zum Thema "Zur Programmdebatte der PDS. Positionen - Probleme - Polemik" 165 Personen teil. Parteinahe Der Mitte 1999 gegründete PDS-nahe175 Jugendverband "['solid]" Jugendstrukturen - der Name steht für "sozialistisch, links und demokratisch - befindet sich weiter im Aufbau; derzeit verfügt er über Strukturen in 14 Bun- [ solid] desländern. Führende Funktionäre der PDS riefen zur Unterstützung des Jugendverbandes auf.176 Auf dem Parteitag im Oktober in Cottbus wandte sich der damalige Parteivorsitzende Lothar BISKY an die Delegierten: "Liebe Genossinnen und Genossen wird haben jetzt ['solid] einen Jugendverband bei der PDS. Darüber freuen sich alle sehr, aber an der ganz konkreten Hilfe fehlt es. Mein Vorschlag: Wir halbieren unsere Freude und verdoppeln unsere praktische Unterstützung für ['solid] in Kreisen, Ländern und auf Bundesebene." ("Disput" Nr. 10 vom Oktober 2000) Auf diesem Parteitag wurde ein Mitglied des BundessprecherInnenrates von "['solid]" in den Parteivorstand der PDS gewählt. "['solid]" unterstützte wiederholt antifaschistische Bündnisdemonstrationen wie "Für eine antifaschistische Jugendkultur" am 17. Juni in KönigsWusterhausen (Brandenburg) und die bundesweite Großdemonstration "Gemeinsam gegen Rechts - Weg mit der NPD-Zentrale - Faschismus ist keine Meinung - sondern ein Verbrechen" am 7. Oktober in Berlin, an der u. a. die militante "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) beteiligt war. Linksextremistische Bestrebungen 153 2.3 Teilnahme an Wahlen Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (27. Februar) und Landtagswahlen Nordrhein-Westfalen (14. Mai) verfehlte die PDS deutlich den angestrebten Einzug in ein westdeutsches Landesparlament. Die Partei, die zu beiden Landtagswahlen erstmals angetreten war, erreichte in Schleswig-Holstein 1,4 %, in Nordrhein-Westfalen 1,1 % der Stimmen. Dem Zentralorgan "Unsere Zeit" der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) zufolge gehörten von 37 Direktkandidaten der PDS in Nordrhein-Westfalen 12 der DKP an, darunter ein ehemaliges Mitglied des Parteivorstands.177 Bei den Kommunalwahlen in Thüringen (14. Mai) - gewählt wurKommunalwahlen den Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister - erhielt die PDS landesweit, wie bei den letzten Kommunalwahlen 1994, 12,5 % der Stimmen. 2.4 Zusammenarbeit mit deutschen Linksextremisten außerhalb der Partei Die PDS pflegt weiterhin ein kritisch-solidarisches Verhältnis zur Verhältnis zur DKP "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP); ihre Verbindungen zur DKP sind vielfältig: Sie reichen von der Teilnahme an Parteitagen, über Gespräche178, die Abstimmung von Gesetzesvorhaben179 bis hin zu Wahlabsprachen.180 Die DKP berichtete dazu aus ihrer Sicht: "In der Berichtsperiode haben Vertreter des Parteivorstandes [der DKP] Gespräche mit PDS-Vorstandsmitgliedern geführt und darüber in der UZ berichtet. Gespräche fanden statt im Herbst 1998, im Frühjahr und im Herbst 1999. Der DKP-Vorsitzende nahm die Einladungen ... zur Teilnahme an den Parteitagen der PDS 1999 in Berlin und 2000 in Münster an. ... Auf beiden Seiten gibt es bei den Gesprächen ein hohes Maß an politischer Sachlichkeit, die in keinem Verhältnis zu den gelegentlich aufgeheizten Diskussionen zu unterschiedlichen Anlässen steht." (Tätigkeitsbericht des Parteivorstands an den 15. Parteitag der DKP [2. bis 4. Juni 2000 in Duisburg]) Bericht 2000 154 Linksextremistische Bestrebungen Zusammenarbeit Der DKP-Vorsitzende Heinz STEHR nahm am Parteitag der PDS in auch mit Autonomen Cottbus (14./15. Oktober) als Gast teil und führte - dem DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) vom 20. Oktober zufolge - ein kurzes Gespräch mit der neugewählten PDS-Vorsitzenden Gabriele ZIMMER: Eine faire und offene Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei verabredet sowie eine Diskussion im Rahmen der Programmkommissionen der Parteien vereinbart worden. Zusammenarbeit In Aktionsbündnissen arbeitet die PDS - einzelne Vertreter und Gliederungen oder Strukturen der Partei - mit anderen, auch gewaltbereiten, Linksextremisten zusammen. Dies galt insbesondere für von sogenannten antifaschistischen Aktionsbündnissen getragene Demonstrationen gegen tatsächliche oder vermeintliche rechtsextremistische Aktivitäten. So meldete ein Mitglied der PDSFraktion im Berliner Abgeordnetenhaus eine Bündnisdemonstration "Smash Fascism! Fight Racism! Für eine antifaschistische revolutionäre Jugendbewegung" am 25. November in Berlin an, zu der maßgeblich autonome Antifaschisten mobilisiert haben. Resolution "PDS und Auf dem Parteitag in Cottbus verabschiedeten die Delegierten eine der Antifaschismus" Resolution "PDS und der Antifaschismus"181 (vgl. Kap. V, Nr. 1). Dort heißt es u. a., Neonazismus, rechte Gewalt, Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus seien stets wesentliche und mehr oder weniger legale Bestandteile des politischen Systems der Bundesrepublik gewesen und hätten auch in der DDR ihre Nischen und verdeckten Wirkungsmöglichkeiten gehabt. Die PDS unterstütze alle Anstrengungen zur Herstellung breiter Bündnisse auf allen Ebenen. Die Anerkennung gelte auch jenen Gruppierungen der Jugend, die - gemeint ist offensichtlich die autonome Antifa - oftmals alleingelassen und staatlicherseits kriminalisiert auf der Straße und in anderen Formen Neofaschismus und Rassismus widerstünden. Es sei die Verantwortung der Partei, sie politisch und materiell solidarisch zu unterstützen.182 Autonome Antifa Funktionäre der PDS - wie der stellvertretende Landesvorsitzende als wichtige der PDS Sachsen - wiesen den Gruppen der Autonomen Antifa eine politische Kraft bedeutende Rolle bei der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zu.183 Linksextremistische Bestrebungen 155 Die PDS-Bundestagsabgeordnete Angela MARQUARDT begründete ihre beabsichtigte Teilnahme an der Demonstration "Gemeinsam gegen Rechts - Weg mit der NPD-Zentrale - Faschismus ist keine Meinung - sondern ein Verbrechen", an der u. a. die militante "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) beteiligt war, am 7. Oktober in Berlin wie folgt: "Das [die "Antifaschistische Aktion Berlin"] ist nur eine von vielen kriminalisierten antifaschistischen Gruppierungen ... Dieser [antifaschistische] Kampf erfordert vielmehr eine langwierige Kleinarbeit vor Ort, so wie sie Antifa-Gruppen über Jahrzehnte hinweg betrieben haben. ... Sie kämpfen bis heute für eine Gesellschaft, die Rassismus und Diskriminierung von Minderheiten ausschließt. Nicht selten werden sie dafür als Chaoten beschimpft." ("PDS-Pressedienst" Nr. 41 vom 13. Oktober 2000) Bündnispolitik und Aktionsformen in der "Antifaschismusarbeit" wurden allerdings in der Partei auch kontrovers diskutiert. Neben Befürwortern äußerten sich auch Mitglieder der Partei kritisch zur Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Linksextremisten. 2.5 Internationale Verbindungen Nach dem Selbstverständnis der PDS gehört der Internationalismus zu den Wurzeln der Partei184; er umfasst u. a. die Entsendung von Parteitagsdelegationen, Teilnahme an Konferenzen, Gespräche und Begegnungen mit ausländischen kommunistischen Parteien185 sowie den Besuch von Pressefesten der Parteizeitungen. Der PDS-Vorstand berichtet regelmäßig über seine internationalen Aktivitäten im Pressedienst der Partei.186 Vor dem Hintergrund der politischen Integration der euroKonferenz der päischen Staaten erläuterte ein Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft "Kommunistischen Frieden und Internationale Politik beim Parteivorstand der PDS" auf Partei Böhmens und Mährens" einer Konferenz der "Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens" (KPBM) im Mai in der Tschechischen Republik die Zielrichtung dieser Zusammenarbeit: "Die sozialistisch-kommunistischen Kräfte Europas haben ... gute Gründe, der weiteren europäischen Einigung zuzustimmen. ... Vorerst gilt es, für eine sozialistische Zukunft auf dem Boden und im Rahmen Bericht 2000 156 Linksextremistische Bestrebungen der kapitalistischen Ordnung zu kämpfen ... Die Perspektive eines sozialistischen Europas wird davon abhängen, wie die linken, die sozialistisch-kommunistischen Kräfte ... auf einer zu erarbeitenden programmatischen Grundlage eine koordinierte politische Handlungsfähigkeit zurückgewinnen, damit sie in die Lage kommen, maßgeblich den Gang der weiteren Entwicklung zu beeinflussen." ("PDS-International" Nr. 2/2000) Intensiv wird die Zusammenarbeit mit der "Französischen Kommunistischen Partei" (FKP) gepflegt. So nahm Ende März eine PDSDelegation unter der Leitung des damaligen Parteivorsitzenden BISKY am 30. Parteitag der FKP teil. Im Mai folgte ein Gespräch zwischen den Vorsitzenden beider Parteien in Paris. Enger gestalteten sich auch die Kontakte zur KPBM, mit der auf Anregung des PDSEhrenvorsitzenden Hans MODROW Mitte Mai eine Koordinierungsgruppe für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit gebildet wurde. Solidaritätsarbeit Wichtiges Aktionsfeld im Jahr 2000 war wiederum die Unterfür Kuba stützung für das am Sozialismus festhaltende Kuba. Der stellvertretende Vorsitzende Diether DEHM nahm am "Welttreffen der Solidarität mit Kuba" (10. bis 14. November in Havanna) teil. In seiner Rede187 wies er u. a. auf die politische Bedeutung der Solidarität für Kuba hin, die keine rein selbstlose Sache der Barmherzigkeit sei, sondern auch den im eigenen Land arbeitenden Menschen im "Kampf gegen die gemeinsamen Feinde" einen messbaren Vorteil bringe. Für diesen Kampf rief er zur Vernetzung des Widerstands auf.188 Wesentlicher Träger der Solidaritätsarbeit in der Partei ist die "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si beim Parteivorstand der PDS".189 In der Debatte des Parteitags im April in Münster über "Strategie und gegenwärtige Aufgaben der PDS im Kampf um die Überwindung von sozialökonomischer Unterentwicklung in den Ländern des 'Südens'" vertrat ein Delegierter der "AG Cuba Si" u. a. den Standpunkt, Internationalismus sei Pflicht zur internationalen Solidarität mit den gegen politische Unterdrückung und soziale Ausbeutung rebellierenden Volksmassen überall in der Welt. Weiterhin plädierte er für die Akzeptanz verschiedenster Widerstandsformen, u. a. auch für den politischen und militärischen Kampf in Kolumbien.190 Linksextremistische Bestrebungen 157 3. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) gegründet: 1982 Sitz des Zentralkomitees: Gelsenkirchen Vorsitzender: Stefan Engel Mitglieder: unter 2.000 Publikationen: "Rote Fahne", wöchentlich; "Lernen und Kämpfen", mehrmals jährlich; "Revolutionärer Weg", unregelmäßig; "REBELL" (Magazin des Jugendverbandes "Rebell"), monatlich Die an Stalin und Mao Tse-Tung orientierte MLPD blieb weiterhin politisch isoliert und verfügte selbst im linksextremistischen Spektrum über keinerlei Ausstrahlung. Die in sich abgeschlossene und sektenartig strukturierte Organisation bescheinigte sich nach ihrem VI. Parteitag Ende 1999 gleichwohl eine hervorragende Zukunft.191 Die Partei fuhr fort, ihre verbliebenen Kader periodischen Säuberungen auszusetzen und sie finanziell und in ihrer Freizeit rigoros in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl wurden ihre Aktivitäten schwächer. Zu einem ihrer Aktionsschwerpunkte bestimmte sie ihre Beteiligung an den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai. Um die aus ihrer Sicht nötige - in der Öffentlichkeit gänzlich unbeachtet gebliebene - Agitation entfalten zu können, setzte sie auch Kader aus anderen Bundesländern ein. Das Ergebnis - keine 6.000 Stimmen (0,1 %) - feierte das Zentralorgan "Rote Fahne" wochenlang als herausragenden Erfolg. Rückschläge musste die MLPD auch in ihrer "internationalistischen Arbeit" hinnehmen. Im Sommer trennte sich die maoistisch-terroristische "Communist Party of the Philippines" (CPP) von Bericht 2000 158 Linksextremistische Bestrebungen der MLPD-dominierten "Konferenz marxistisch-leninistischer Parteien und Organisationen", nachdem die ideologischen Avantgardeansprüche sowohl von MLPD als auch CPP in diesem Zusammenschluss zu unüberwindbaren Gegensätzen geführt hatten. 4. Trotzkistische Gruppen Die etwa 25 in der Bundesrepublik aktiven trotzkistischen Gruppen und Zirkel werden überwiegend von einem der zahlreichen internationalen Dachverbände angeleitet. Die Mehrzahl der Gruppen entwickelte aufgrund ihrer niedrigen Anhängerzahlen und geringen Ressourcen nur verhaltene Aktivitäten. Insgesamt ist die Zahl der in trotzkistischen Strukturen organisierten deutschen Linksextremisten mit 2.350 gleich geblieben. Die aktivste und zahlenmäßig stärkste trotzkistische Gruppierung ist die "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG), deutsche Sektion des internationalen Dachverbands "International Socialists" (IS; Sitz: London). Die als "Linksruck-Netzwerk" (LR) auftretende SAG wähnt sich in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Dachverbands in einem Aufschwung revolutionärer Kämpfe. Sie rief zu einem Aufbau einer Neuen Linken auf und pries als Vorgehensweise straffe Organisation, revolutionäre Disziplin und geschlossenes Auftreten an. Dabei bekannte sie sich offen zu verfassungsfeindlichen Zielen: "Wir intervenieren in die Kämpfe gegen die Auswüchse des Kapitalismus. Wir wollen sie stärken, indem wir diese Kämpfe in eine Bewegung gegen das gesamte System bündeln. Linksruck versucht, die Erfahrungen aus vergangenem und aktuellem Widerstand aufzunehmen und zu einer Theorie zu verarbeiten. Eine Theorie, sowohl zur Erklärung der Welt, in der wir leben als auch der Möglichkeiten, sie aus den Angeln zu heben." ("Linksruck - Aktivisten-Handbuch", S. 4) Bei nahezu allen "linken" Protestanlässen trat LR mit einheitlich gestalteten Transparenten zumindest optisch massiv in Erscheinung. Allerdings nutzte die Gruppe dieses öffentliche Auftreten vorrangig dazu, jüngere Menschen für die eigene Organisation zu gewinnen. Um diese von konkurrierenden Gruppen bisweilen als penetrant kritisierte Linksextremistische Bestrebungen 159 Rekrutierung zentral steuern zu können, hat LR in seinen Ortsgruppen "Beitrittsverantwortliche" ernannt. Ihre Aufgabe ist vor allem die lückenlose Erfassung und Betreuung von Kontakten und Interessenten. Tatsächlich konnte die Organisation Zulauf verbuchen. Rund 1.200 Anhänger (1999: zwischen 1.000 und 1.100) sind in rund 35 Ortsgruppen organisiert. In mehr als 15 Gruppen wird unter der Bezeichnung "MOVE" Hochschulund Jugendarbeit betrieben. Innerhalb der Organisation herrschen keine demokratischen Prinzipien: Politische Leitlinien werden vom Dachverband vorgegeben und durch eine "Bundeskoordination" mit Sitz in Hamburg umgesetzt. Interne Diskussionen werden im Sinne des "demokratischen Zentralismus" nur zur Vereinheitlichung des Auftretens nach außen geduldet. So heißt es im "Aktivisten-Handbuch" von LR, ohne Einheit der Aktion sei Diskussion nur ein Selbstzweck: "Demokratie entsteht dann, wenn sie zu bindenden Entscheidungen führt - bindend für alle Mitglieder der Organisation". Abweichungen von der "Linie" werden nicht geduldet. Neu gewonnene Mitglieder werden in die zentralistische Disziplin eingefügt und finanziell stark in Anspruch genommen. Zweitstärkste trotzkistische Gruppierung ist mit rund 300 Mitgliedern die "Sozialistische Alternative Voran" (SAV) - deutsche Sektion des "Committee for a Workers' International" (CWI; Sitz: London). Sie unterhält Ortsgruppen in mehr als 20 Städten, wobei Rostock, Berlin, Siegen und Aachen Schwerpunkte bilden. In der zweiten Jahreshälfte verlegte die Organisation ihre Bundeszentrale von Köln nach Berlin. Dies wurde damit begründet, dass Berlin immer mehr zum Zentrum des Protests werde; politische Entwicklungen im linken Spektrum schlügen sich dort am schnellsten nieder. Als einen Arbeitsschwerpunkt betrachtete die Organisation weiterhin ihre Betriebsund Gewerkschaftsarbeit. Die Reaktivierung der einst mehr als 1.000 Mitglieder zählenden Vorfeldorganisation "Jugend gegen Rassismus in Europa" (JRE) verlief schleppend. Die lediglich rund 60 Mitglieder und Anhänger geben die "antifaschistische" Zeitung "No pasaran" heraus. Dem traditionsreichsten trotzkistischen Dachverband "IV. Internationale/Secretariat Unifie" (Sitz Paris) ordnen sich in Deutschland zwei Gruppen zu: Die "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP), die aber kaum noch eigene Aktivitäten entfaltet. Ihre wenigen Anhänger begnügen sich mit der Herausgabe des Zweiwochenblattes "Sozialistische ZeiBericht 2000 160 Linksextremistische Bestrebungen tung" (SoZ) und engagieren sich im Übrigen für die trotzkistisch gesteuerten, "globalisierungskritischen" Netzwerke "Euromarsch" und ATTAC192. Agiler und aktiver zeigte sich der kleine, 1994 als Abspaltung von der VSP entstandene "Revolutionär-Sozialistische Bund" (RSB). Er sieht einen Schwerpunkt seiner politischen Bemühungen zum "Aufbau einer Sozialistischen ArbeiterInnenpartei" in der Betriebsund Gewerkschaftsarbeit. 5. "Rote Hilfe e.V." (RH) gegründet: 1975 Sitz: Göttingen (Geschäftsstelle) Mitglieder: rund 4.000 (1999: 3.500) Publikationen: "Die Rote Hilfe", vierteljährlich Die "Rote Hilfe e.V." (RH) versteht sich selbst als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation. Sie unterstützt gezielt Anhänger vor allem der linksextremistischen Szene, die im Zusammenhang mit politischen Aktivitäten straffällig geworden waren. Finanzielle Leistungen wie Zuschüsse zu Anwaltsund Prozesskosten sowie Beihilfen zu Geldstrafen machten nach eigenen Angaben für die Jahre 1999/2000 einen Betrag von insgesamt etwa 250.000 DM aus. Finanzielle Probleme, die zu internen Auseinandersetzungen über eine angeblich zu großzügige Ausgabenpolitik und schließlich zum Rücktritt des für die Kassenführung Verantwortlichen geführt hatten, schienen Ende des Jahres überwunden. Aus Solidarität auch mit den noch Inhaftierten aus der "Roten Armee Fraktion" (RAF) erstellte die RH eine umfangreiche Dokumentation, die neben der Geschichte der RAF und Portraits ihrer Mitglieder den Aufruf zu bedingungslosen "Freilassung für die politischen Gefangenen aus der "'RAF'" enthält. Die RH beteiligte sich ferner im Rahmen der Kampagne zu Gunsten des in den USA wegen Polizistenmordes zum Tode verurteilten ehemaligen "Black-Panther"-Mitglieds Mumia ABU-JAMAL, an Aktivitäten zum 18. März - seit mehreren Jahren in linksextremis- Linksextremistische Bestrebungen 161 tischen Kreisen als "Tag der politischen Gefangenen weltweit" begangen - sowie an Solidaritätsinitiativen für Inhaftierte aus dem Komplex "Revolutionäre Zellen/Rote Zora". 6. "Bund der Antifaschisten (Dachverband) e.V." (BdA) gegründet: 1990 Sitz: Berlin Vorsitzender: Heinrich FINK Der 1990 noch in der DDR entstandene BdA beruft sich auf die Tradition des orthodox-kommunistischen Antifaschismus. Er bekennt sich zu den "antifaschistischen und internationalistischen Leitbildern" des Antifaschismus der DDR und fühlt sich verpflichtet, das "antifaschistische Erbe" in nachwachsenden Generationen wach zu halten. Der BdA setzte seine Bemühungen zur Schaffung einer gesamtdeutschen "antifaschistischen" Organisation fort. Er hatte bislang bereits seine Mitgliederund Basisorganisationen mit den Landesverbänden des "Interessenverbandes ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Nazi-Regimes und Hinterbliebener e. V." (IVVdN) in Thüringen (Oktober 1998), in Sachsen (März 1999) und in Mecklenburg-Vorpommern (Januar 2000) zusammengeführt. Der Zusammenschluss auf Zentralebene vollzog sich auf der 5. Delegiertenkonferenz des IVVdN am 25. März in Berlin. Es wurde ein neuer Dachverband mit einem gemeinsamen Vorstand gebildet, gleichzeitig nahm der IVVdN den Namen des neuen Dachverbandes "Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener - Bund der Antifaschisten" (VVdN-BdA) an. Die Delegierten beider Verbände erklärten, durch Intensivierung der Zusammenarbeit alsbald auch eine Fusion mit der VVN-BdA (vgl. Nr. 1.2) herbeiführen zu wollen. Ferner befürworteten die Delegierten die Einbindung der militanten autonomen Antifabewegung; sie unterstrichen diese Position durch einen einstimmigen Beschluss: Bericht 2000 162 Linksextremistische Bestrebungen "Wir sind solidarisch mit den antifaschistischen Jugendbewegungen, die es bei ihrer Besorgnis über die Rechtsentwicklung nicht bei verbalen Betroffenheitserklärungen belassen, sondern ihren Antifaschismus auf die Straße tragen und dafür in zunehmenden Maße kritisiert werden." ("antifa" Nr. 4/April 2000, hrsg. vom IVVdN, ab 25.3.00 VVdNBdA; vgl. auch Nr. 1.2) Eine stellvertretende Vorsitzende bestätigte, dass dazu "auch eindeutig junge und autonome Antifaschisten" gehörten: "Es gibt diese Verbindungen, und wir versuchen sie weiter auszubauen. Es gibt ganz unterschiedliche Meinungen über Kampfformen und Ziele. Es gilt also auch, diese Unterschiede auszuhalten." ("junge Welt" vom 27. März 2000, S. 3) Zu den BdA-Strukturen gehören bereits Antifa-Gruppen, die sich selbst als autonom bezeichnen oder autonomen Antifa-Zusammenschlüssen gleichen. Der BdA unterstützte und beteiligte sich wiederum an zahlreichen "antifaschistischen" Bündnissen wie "Antifa-Workcamps", "Antifaschistische/Antirassistische Ratschläge", "Bündnisse gegen Rechts" sowie an Kundgebungen/ Demonstrationen und Aufrufen, in denen neben anderen linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Zusammenhängen auch Demokraten eingebunden waren. Gemeinsam mit der VVN-BdA führte er am 8. Januar in Berlin das "V. Antifa-Jugendtreffen" mit dem Schwerpunktthema "Antifaschismus nach dem Jugoslawienkrieg der NATO" mit - eigenen Angaben zufolge - über 200 Teilnehmern durch, darunter Personen aus dem autonomen Spektrum, Angehörige von VVN-BdA, "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), "Deutscher Kommunistischer Partei" (DKP), "Sozialistischer Deutscher Arbeiterjugend" (SDAJ), sowie der militanten Jugendgruppe "'R.O.T.K.Ä.P.C.H.E.N.' im und beim BdA". Mit Unterstützung des BdA organisierte "R.O.T.K.Ä.P.C.H.E.N." gemeinsam mit autonomen Antifa-Gruppen u. a. das "12. AntifaWorkcamp" vom 22. bis 29. Juli in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, an dem rund 200 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Polen teilnahmen; zu den Teilnehmern gehörten Angehörige der autonomen und antiimperialistischen Szene, der "Roten Hilfe" (RH), PDS, VVN-BdA und SDAJ. Linksextremistische Bestrebungen 163 V. Aktionsfelder 1. "Antifaschismus" Für Gruppierungen im Bereich des Linksextremismus rückte der "Antifaschismus" - auch im Zuge der öffentlichen Debatte über die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit - noch stärker in den Mittelpunkt. Dabei zielt der "antifaschistische Kampf" von Linksextremisten letztlich darauf ab, die freiheitlich verfasste Demokratie - diffamiert als "kapitalistisches System" - und damit die angeblichen Wurzeln des Faschismus zu beseitigen. Auch die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) unterstellt, Neonazismus, rechte Gewalt, Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus seien "stets wesentliche und mehr oder weniger legale Bestandteile des politischen Systems der Bundesrepublik gewesen". Diese habe im Vergleich zur DDR einen weniger konsequenten Bruch "mit den gesellschaftlichen Grundlagen und den Eliten der NS-Diktatur" vollzogen. Mit der "Totalitarismuskeule" - so die PDS weiter - werde die Gleichsetzung der DDR mit dem NS-Regime betrieben, um damit die intolerante Abrechnung mit dem antifaschistischen Erbe der DDR wie auch repressive Maßnahmen gegen aktive Antifaschisten zu rechtfertigen (vgl. auch Kap. IV, Nr. 2.4).193 Zugleich befürwortete die PDS - ähnlich wie die auch mit der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) verbundenen Verbände des traditionellen Antifaschismus (vgl. Kap. IV, Nr. 1.2 und 6.1) - die Einbindung der autonomen Antifabewegung und bekräftigte, diese politisch und materiell solidarisch zu unterstützen. Unmissverständlich formulierte die "Autonome Antifa (M)", Mitgliedsgruppe der "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) - im Rahmen einer erneut einsetzenden Diskussion über Zustand und Perspektiven autonomer Antifapolitik - in einer Flugschrift von August/September 2000: "Ein bürgerlicher Staat kann weder Rassismus noch 'Rechtsextremismus' wirkungsvoll bekämpfen, sondern bringt beide selbst mit hervor. Sich gegen die Nazis als Erscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft zu richten, ist nur als Widerstand gegen den Staat möglich. Nur der Kampf gegen die Wurzeln, aus denen nicht nur die braune Brut erwächst, bietet eine tatsächliche Perspektive auf Befreiung - nicht nur von den Nazis." Bericht 2000 164 Linksextremistische Bestrebungen Auf der Abschlusskundgebung einer "antifaschistischen Bündnisdemonstration" am 29. Januar in Göttingen forderte eine - vermummte - Aktivistin der "Autonomen Antifa (M)" unter Beifall: "Faschisten müssen bekämpft werden - mit allen Mitteln. Aber ebenso bekämpfenswert ist ein Staat, der seine weltpolitischen Interessen mittlerweile wieder durch aktive Kriegsführung durchsetzt; ein Staat, der Folter, Hunger und Tod weltweit mitverantwortet ... ein Staat, der durch zunehmenden Sozialabbau immer mehr Menschen verarmen lässt und gleichzeitig seinen autoritären Polizeiapparat immer weiter ausbaut. ... Organisiert Euch in revolutionären Antifagruppen. Leistet Widerstand. Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem kapitalistischen System!" Rechtsextremismus Teile der autonomen Antifaszene sehen in der aktuellen gesamtals Chance für eigene gesellschaftlichen Debatte über Rechtsextremismus eine Chance für politische Arbeit die eigene politische Arbeit. So heißt es in einem Beitrag des Szeneblatts "INTERIM"194, die gegenwärtige Entwicklung sei für die radikale Linke eigentlich das Beste, was passieren könne; ohne die Debatte eingeleitet zu haben, könne sie davon profitieren und versuchen, Einfluss zu gewinnen. Dennoch wird den Politikern der demokratischen Parteien Scheinheiligkeit und Medieninszenierung vorgeworfen; es gehe ihnen ausschließlich um das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Außerdem sei Naziterror ein willkommener Vorwand für den weiteren Ausbau des starken Staates. Linksextremistische Bestrebungen 165 In der Praxis blieb die direkte Bekämpfung rechtsextremistischer Parteien und sonstiger Gruppierungen im Vordergrund "revolutionärer Antifapolitik"; dazu erklärten "Revolutionäre AntifaschistInnen" aus Duisburg im Internet195: "Das heißt, dass wir den Nazis offensiv entgegentreten und ihre Strukturen angreifen und zerschlagen! Widerstand heißt für uns konkret, mit allen Mitteln und auf allen Ebenen gegen sie zu kämpfen. Das beinhaltet sowohl militante Auseinandersetzungen wo sie nötig sind, als auch aufzuzeigen, dass ihre menschenverachtende Ideologie nicht befreiend ist, sondern auf Unterdrückung und Ausbeutung basiert." Bevorzugte Angriffsziele waren Fahrzeuge und Versammlungsstätten von Rechtsextremisten sowie "Faschokneipen" und "Nazi-Läden". Die Bandbreite der Aktionen reichte von Farbschmierereien über Sachbeschädigungen bis zu schweren Brandanschlägen. Militante Angriffe richteten sich auch gegen Transportund Reiseunternehmen, die Rechtsextremisten zu Veranstaltungen fahren. So wurden am 24. April in Mühlheim (Nordrhein-Westfalen) die Frontscheiben mehrerer Reisebusse zerstört (Sachschaden über 60.000 DM). Die unbekannten Täter bezeichneten das geschädigte Busunternehmen als ein "entscheidendes Rad im rassistischen Getriebe" und drohten, nicht locker zu lassen, bis kein Unternehmen mehr Nazis transportiere. Am gleichen Tag wurde in Alfdorf-Kapf (Baden-Württemberg) ein Reisebus in Brand gesetzt (Sachschaden rund 165.000 DM). In einer Selbstbezichtigung warfen "autonome antifas" dem Busunternehmen vor, dem Ausbreiten des Rechtsextremismus Vorschub zu leisten. Das Schreiben endet mit den Parolen: "Kampf den faschisten und ihren unterstützern. ... weg mit dem scheiss system." ("INTERIM" Nr. 501 vom 4. Mai 2000) Militante Antifas schrecken auch vor körperlichen Angriffen auf vermeintliche Rechtsextremisten nicht zurück. Dabei gehen sie Bericht 2000 166 Linksextremistische Bestrebungen teilweise mit Schlagwerkzeugen bewaffnet und großer Brutalität vor und nehmen schwere, bleibende Schäden ihrer Opfer in Kauf. Angriffe auf So attackierte am 12. März in Berlin eine Gruppe Vermummter drei Rechtsextremisten mutmaßliche Rechtsextremisten, die an einer Kundgebung der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) teilnehmen wollten. Sie besprühten ihre Opfer mit Reizgas und schlugen mit Totschlägern auf sie ein. Eine Person wurde am Kopf schwer verletzt. Am 29. Juli griffen unbekannte Täter zwei der rechtsextremistischen Szene zuzuordnende Personen mit Schlagstöcken an. Sie schlugen gezielt auf die Köpfe ihrer Opfer ein und attackierten die am Boden Liegenden mit Fußtritten. Am 12. August überfiel eine Gruppe vermummter Autonomer zwei mutmaßliche Angehörige der rechtsextremistischen Szene. Die Angreifer beschimpften ihre Opfer als "Nazis" und attackierten sie mit Baseballschlägern und anderen Schlagwerkzeugen. Eines der Opfer erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Zynisch und unverhohlen Gewalt gegen Personen bis hin zum Mord rechtfertigend schrieb die Berliner Gruppe "AUTONOME MILIZ", die sich in der Vergangenheit mehrfach zu militanten Aktionen bekannt hat, "für uns ist ganz klar, dieser staat ist faschistisch. deshalb auch unsere meinung, in bestimmten fällen körperverletzung oder das töten von einem faschistischen funktionsträger des staates als legitim anzusehen. und was ist mit den nazis. ... diese faschistischen schweine ermorden menschen. sollten sie darum nicht auch als personen angegriffen werden, verletzt werden und vielleicht noch mehr???! ist das nicht auch legitim? für uns bedeutet das selbstschutz, selbstverteidigung." ("INTERIM" Nr. 501 vom 4. Mai 2000) Bei Demonstrationen und Großveranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen suchen militante Linksextremisten häufig die direkte Konfrontation mit den "Stiefelfaschisten" auf der Straße. Dabei gehen sie oftmals in militanten Kleingruppen vor, um unberechenbar und flexibel zu sein. Autonome Antifas aus Berlin erklärten, sie fänden ein Konzept unerlässlich, "was es uns ermöglicht, direkt an die Nazis heranzukommen. Unsere Stärke ist unsere Unberechenbarkeit. ... Alles ist möglich, vorausgesetzt, es sind organisierte und entschlossene Kleingruppen unterwegs." ("INTERIM" Nr. 499 vom 6. April 2000) Linksextremistische Bestrebungen 167 Die Aufrufe zur direkten Konfrontation mit Rechtsextremisten wurden auch in die Praxis umgesetzt. So protestierten militante Linksextremisten am 12. März in Berlin zum Teil gewaltsam gegen einen von der NPD durchgeführten Aufmarsch. Sie bewarfen Teilnehmer und Polizeibeamte mit Steinen, errichteten Barrikaden und versuchten die polizeilichen Absperrungen zu durchbrechen. In einer im Szeneblatt "INTERIM" veröffentlichten Stellungnahme hieß es, die Proteste hätten aber noch effektiver ausfallen können: "Außerdem sollte jeder Aufmarsch nicht nur für die Nazis, sondern auch für die Stadt so unattraktiv und teuer wie möglich sein. So gab es immer wieder die Chance bei geeigneten Objekten (Banken, Nobelläden, Filialgeschäfte, ...) die Scheiben zu smashen, ohne das dies ausreichend genutzt wurde. Und auch von Anschlägen auf Nazis war diesmal (noch?) nichts zu hören." ("INTERIM" Nr. 497 vom 23. März 2000) In einem breiten Bündnis aus dem gesamten Bereich des Linksextremismus unterstützten zahlreiche autonome Gruppierungen und revolutionär-marxistische Organisationen sowie Vertreter und Gremien der PDS - neben nichtextremistischen Organisationen - eine Demonstration "GEMEINSAM GEGEN RECHTS - Weg mit der NPDZentrale - Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!" am 7. Oktober im Berliner Bezirk Köpenick (etwa 4.000 Teilnehmer). Während einer Zwischenkundgebung am "Abschiebeknast" in Grünau versuchte eine Gruppe von Demonstranten, gewaltANTIFA...mehr als nur gegen NAZIS! sam auf das Gelände vorzudringen. Polizeibeamte wurden von etwa 70 weiteren Demonstranten mit Steinen, Flaschen und Holzlatten attackiert. Vor der Abschlusskundgebung in der Nähe der NPD-Zentrale wurden die Einsatzkräfte erneut mit Steinen beworfen. 21 Beamte wurden verletzt. In einer im Internet196 verbreiteten Erklärung zog die militante "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB), Hauptinitiator der Demonstration, eine positive Bilanz: "Daß so viele TeilnehmerInnen mit dieser Demonstration auf den Zusammenhang zwischen neofaschistischem Terror und staatlicher rassistischer Politik hinwiesen, ist ein Erfolg der Mobilisierung des Bündnisses ... ." Bericht 2000 168 Linksextremistische Bestrebungen Antirassismus Aktivitäten unter dem Aspekt des "Antirassismus" richteten sich nicht nur gegen den Staat und seine Repräsentanten (vgl. Kap. III, Nr. 1.4), sondern insbesondere gegen die Lufthansa und deren Funktion bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. So waren Gruppen und Einzelpersonen der autonomen Szene an der Kampagne "Deportation class - gegen das Geschäft mit Abschiebungen" beteiligt, die von dem bundesweiten Netzwerk "kein Mensch ist illegal" - überwiegend von demokratischen Gruppen und Organisationen getragen - initiiert wurde. In einer im Internet verbreiteten Pressemitteilung wurde ein Abschiebestopp mit Maschinen der Lufthansa gefordert und der Fluggesellschaft vorgeworfen, sie mache sich "zum willfährigen Handlanger der brutalen staatlichen Abschiebepraxis". Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Arbeitserlaubnis für ausländische Computerexperten in Deutschland unterstellten Linksextremisten Politikern und Behörden, die Genehmigung des Zuzugs von Ausländern künftig von deren Verwertbarkeit für die deutsche Wirtschaft abhängig zu machen. In einem Aufruf autonomer Gruppen zu einer antirassistischen Demonstration in Augsburg am 4. November hieß es dazu: "Die rassistischen Nazi-Schläger teilen die Menschen in deutsch und undeutsch, in wertes und unwertes Leben ein. Die Rassisten in der Regierung sind sich im Ansatz, dem Ausschluss von nicht verwertbaren Nicht-Deutschen aus der Gesellschaft, einig." Linksextremistische Bestrebungen 169 2. Proteste gegen "Globalisierung" und "Neoliberalismus" Gemeinsames Aktionsfeld von Linksextremisten waren Proteste gegen die Globalisierung der Weltwirtschaft und die sich daraus ergebenden sozialen Folgen. Als Sinnbild des weltweiten Kapitalismus gelten internationale Einrichtungen wie die Weltbank und der "Internationale Währungsfonds" (IWF), aber auch Gipfeltreffen von supranationalen Zusammenschlüssen wie der "Europäischen Union" (EU). So waren die 55. Tagung des IWF (18. bis 30. September), die Tagung IWF Gipfel in Prag der Weltbank sowie die Jahrestagung der IWF-Gouverneursräte (25. bis 28. September) in Prag Ziel auch gewalttätiger Proteste. Nach dem Vorbild der Aktionen gegen die Tagung der Ministerkonferenz der "World Trade Organisation" (WTO) in Seattle (USA) im November 1999 hatten Globalisierungsgegner weltweit dazu mobilisiert. An den Aktionen in Prag beteiligten sich aus Deutschland vor allem Personen aus der autonomen Szene, der anarchistischen "Graswurzelbewegung" und Trotzkisten des "Linksruck"-Netzwerks (deutsche Sektion des trotzkistischen Dachverbands "International Socialists" mit Sitz in London), von PDS und DKP neben entwicklungspolitischen Aktionsgruppen, Erwerbsloseninitiativen und Studentenzusammenschlüssen. In einem im Internet197 verbreiteten Aufruf der "Roten Antifaschistischen Aktion Leipzig" (RAAL) hieß es u. a.: "Der Kapitalismus ist global gesehen erstarkt wie nie zuvor in seiner Geschichte. Inhumane Entwicklungen sind die logische Folge dessen. Doch gilt es gerade jetzt, ... die Mechanismen aufzuzeigen und anzugreifen. ... Gemeinsam können wir dafür sorgen, daß ein 'zweites Seattle' im Herzen von Europa neue Akzente setzt. Der Widerstand muß unter allen Umständen auf die Straße getragen werden. In diesem Sinne: HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT! KAPITALISMUS ABSCHAFFEN!" Nach Presseberichten nahmen am 26. September - weltweit als "global action day" "global action day" "S26" propagiert - zeitweilig bis zu 7.000 Personen - darunter auch mehrere Hundert Linksextremisten aus Deutschland - an einem Demonstrationszug in Prag teil. Autonome, Anarchisten und Trotzkisten versuchten gewaltsam zum Tagungsort vorzudringen; es gelang ihnen, die Konferenzteilnehmer für einige Stunden am Verlassen des Gebäudes zu hindern. Über die Auseinandersetzungen mit der Polizei berichtete Bericht 2000 170 Linksextremistische Bestrebungen ein Beteiligter (offensichtlich unter Pseudonym) in der "jungen Welt" vom 6. Oktober: Die tschechischen Sondereinheiten seien einem Hagel aus Holzlatten und eilig ausgegrabenen Steinen ausgesetzt gewesen. Vereinzelt seien Molotowcocktails geflogen. Trotz Wasserwerfereinsatz und Gasgranatenbeschuss sei die Stimmung ungetrübt und der sportliche Ehrgeiz ungebrochen gewesen. Die Auseinandersetzungen setzten sich bis in die Abendstunden in der Prager Innenstadt fort, wo es zu Sachbeschädigungen erheblichen Ausmaßes kam. Obwohl die von den Organisatoren erwartete Zahl von Demonstranten bei weitem nicht erreicht wurde und auch die erwünschte Breitenwirkung im linksextremistischen Spektrum ausblieb, wurden die Aktionen in Prag von Teilnehmern als Erfolg gefeiert. Unter dem Pseudonym "Nepomuk" hieß in der "GrossRaumzeitung": "Prag war anders. Und für den revolutionären Gedanken wichtig ist die Erfahrung, Dinge anders, aber ebenso effektiv wie das jetzige System organisieren zu können. Aber Probleme gab es auch: Der Zusammenbruch des kompletten Kommunikationssystems (MassenSMS, CB-Funk, Piraten-Radio usw.) am Nachmittag des global action day. Daran zerbrach gezieltes Handeln. Leute zogen nur noch Steine und Mollies werfend durch die Innenstadt. ... Letztendlich war der Tag dennoch erfolgreich! Trotzdem sollten wir über Ziele und Vernetzungsstrukturen nachdenken, vorhandene verbessern. Dafür sind wir eine Bewegung von unten, kritikund lernfähig. Das haben wir dem herrschenden System voraus." ("GrossRaumzeitung" Nr. 1 vom 16. Oktober 2000) 3. Kampagne von Linksextremisten gegen Kernenergie und die Nutzung der Gentechnologie Der Widerstand gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie blieb ein relevantes Aktionsfeld von Linksextremisten. Daran hat auch die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni, der sog. Atomkonsens, nichts geändert. Im Gegenteil, weite Teile der linksextremistischen AntiAKW-Szene lehnen diese Vereinbarung ab; von Etikettenschwindel und einem völligen Kotau der Grünen vor der Atomlobby wurde gesprochen und eine neue Phase des außerparlamentarischen Widerstands angekündigt.198 Linksextremistische Bestrebungen 171 Das linksextremistische "Anti-Atom-Plenum" (AAP) Berlin forderte in einem mehrseitigen Flugblatt die Anti-Atom-Bewegung auf, den Widerstand gegen den "Atomstaat" fortzusetzen: "Genug der Worte - Bewegung kommt von Bewegung, und jeder Tag bietet neue, unverhoffte Möglichkeiten, dem Atomstaat eins auszuwischen. ... Keine Castoren - kein Widerstand - diese Überlegung wurde ohne den Widerstand an den Standorten gemacht. Und ohne zu bedenken, dass auch standorteigene Zwischenlager irgendwann einmal neue Behälter brauchen, eben Leerbehälter. Und die kann mensch genauso gut blockieren wie die vollen Teile. Also: besorgt euch Karten von Biblis, Philippsburg und Neckarwestheim, tragt euch in Alarmlisten ein und bildet Banden. Den Rest wie immer im Baumarkt." In den linksextremistisch ausgerichteten Strukturen der Anti-AKWBewegung war allerdings bis September eine nicht unerhebliche Organisationsund Mobilisierungsschwäche festzustellen. Denn über zwei Jahre (seit März 1998) hat es keine CASTOR-Transporte mehr gegeben, die von den Linksextremisten als Kristallisationsund Anknüpfungspunkte für die Mobilisierung des Widerstands genutzt werden konnten. Versuche, durch Thematisierung anderer Aspekte im Rahmen der friedlichen Nutzung der Atomenergie eine größere Mobilisierung zu erreichen, schlugen fehl. Die von verschiedenen Anti-Atom-Initiativen angekündigten Blockaden gegen Transporte von Uranhexafluorid (UF6) u. a. zur Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau (NordrheinWestfalen) mit dem Ziel, die Versorgung von Kernkraftwerken mit dem benötigten Kernbrennstoff zumindest zu stören, kamen entweder nicht zustande oder blieben wegen geringer Teilnehmerzahl wirkungslos. Dennoch blieben Fähigkeit und Bereitschaft militanter AKWAnschläge militanter Gegner zur Durchführung ggf. auch konspirativ vorbereiteter AKW-Gegener Anschläge bestehen. So entfernten unbekannte Täter in der Nacht zum 17. Februar auf dem Zufahrtgleis zum Atomkraftwerk Biblis (Hessen) auf einer Länge von ca. 50 Metern die Befestigungsschrauben und hoben ein Gleis etwa 90 cm an. In einer mit "Sofortige Stillegung der Atomanlagen - Kapitalismus zerlegen" überschriebenen Selbstbezichtigung kündigten die Täter an, mittels "Verstopfungsstrategie" - d. h. einem Entsorgungsnotstand - den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie erzwingen zu wollen: Bericht 2000 172 Linksextremistische Bestrebungen "Über das Anschlussgleis soll im Sommer einer der ersten von Rot-Grün genehmigten CASTOR-Transporte ins BrennelementeZwischenlager Ahaus rollen. . . Im Gegensatz zu Rot-Grün betrachten wir eine Verstopfungsstrategie, ob legal oder illegal, als Möglichkeit, den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie zu erzwingen. Der nächste CASTOR wird sein Ziel nicht erreichen! ... Die Zerstörung des CASTOR-Gleises unterstreicht unsere Entschlossenheit, dem Weiterbetrieb von Atomanlagen über 30 und mehr Jahre nicht tatenlos zuzusehen." Eine verstärkte Mobilisierung war zu verzeichnen, nachdem konkrete Planungen für eine Wiederaufnahme der Atommülltransporte von den AKW Philippsburg (Baden-Württemberg), Biblis (Hessen) und Stade (Niedersachsen) in die Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague (Frankreich) bekannt wurden. bundesweiter Nach Ausrufung des bundesweiten "CASTOR"CASTOR-ALARM" ALARMs" Anfang September durch verschiedene Anti-Atom-Initiativen demonstrierten im Raum Philippsburg am 15. Oktober rund 1.000 und am 18. Oktober etwa 500 Atomkraftgegner - darunter gewaltbereite Autonome. Der Versuch von 30 bis 50 Demonstranten, das Gleis zum AKW zu unterhöhlen, konnte durch die Polizei verhindert werden. Deutliche Parallelen zum linksextremistisch motivierten Kampf gegen die Kernenergie wies das - im Vergleich zu den Vorjahren abnehmende - Engagement von Linksextremisten innerhalb der im wesentlichen von nichtextremistischen Initiativen getragenen Bewegung gegen die Biound Gentechnologie auf. Auch auf diesem Aktionsfeld versuchen Linksextremisten, eine in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Thematik agitatorisch und aktionistisch aufzugreifen und so für ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu instrumentalisieren. Ihr Widerstand gegen die Gentechnologie ist - ähnlich wie ihr Widerstand gegen die Nutzung der Kernenergie - erklärtermaßen nur ein Mittel, um das politische System in Deutschland abzuschaffen. Dabei genießen innerhalb des linksextremistischen Protestspektrums gerade auch Formen des militanten Widerstands gegen die Gentechnologie ein hohes Maß an Akzeptanz. Vorrangiges Angriffsziel militanter Gegner der Gentechnologie blieben - wenn auch mit abnehmender Tendenz - die schwer zu sichernden Frei- Linksextremistische Bestrebungen 173 landversuchsanlagen, wo durch Zerstörungen transgenen Pflanzgutes Sachund wirtschaftliche Folgeschäden von im Einzelfall bis zu mehreren Hunderttausend DM verursacht wurden. Hoher Sachschaden (etwa 1,5 Mio. DM) entstand auch bei einem Brandanschlag, der in der Nacht zum 4. Mai in Gießen auf ein mobiles Forschungslabor verübt wurde. 4. "Kampf gegen die EXPO 2000" Der "Kampf gegen die EXPO 2000" (1. Juni bis 31. Oktober) in Hannover blieb im Blickfeld von Linksextremisten, erlangte jedoch nicht die von ihnen erhoffte Resonanz und Mobilisierungsbreite. In internen Manöverkritiken mussten sie einräumen, dass es ihnen nicht gelungen sei, die Weltausstellung - wie etwa CASTOR-Transporte und "Fascho-Aufmärsche" - als klar konturiertes Feindbild ins Bewusstsein zu rücken. Von Januar bis November wurden in Niedersachsen insgesamt 325 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit der Weltausstellung verübt; außerhalb Niedersachsens waren im gleichen Zeitraum weitere 44 Straftaten zu verzeichnen. Am 27. Februar setzte die Gruppe "AUTONOME MILIZ" (vgl. Nr. 1) das Privat-Kfz (Daimler Benz) des EXPO-Beauftragten des Landes Berlin in Berlin-Tempelhof in Brand. In einer Selbstbezichtigung agitierten die Täter: Die EXPO 2000 verstecke hinter der Maske von Fortschritt und Entwicklung die absolute Ausbeutung von Mensch und Natur. Sie solle nach dem Willen ihrer Initiatoren die Akzeptanz für Rassismus, Selektion von Menschen, Umweltzerstörung und Krieg erhöhen. Diese widerliche Inszenierung werde durch den EXPOLandesbeauftragten forciert. Um den Eröffnungstag herum kam es zu einer Häufung von Störund Sabotageaktionen: In der Nacht zum 24. Mai gingen unbekannte Täter gegen ein Versuchsfeld mit gentechnisch verändertem Raps in Neustadt (Niedersachsen) vor. Mit abgeschnittenen Pflanzen legten sie großflächig den Schriftzug "EXPO NO"; es entstand Sachschaden in Millionenhöhe. In einer Selbstbezichtigung schrieben die Täter: Bericht 2000 174 Linksextremistische Bestrebungen "Wir wenden uns mit der Rasur dieses Versuchsfeldes gegen die Zukunftsentwürfe, die ab nächster Woche unter dem Motto Mensch - Natur - Technik auf der EXPO 2000 präsentiert werden sollen. ... Zur Ermutigung der TeilnehmerInnen der Anti-EXPO-Demonstration am 27. 5. und der AktivistInnen des Aktionstages 'EXPO lahmlegen' am 1.6.!" Am 27. Mai beteiligten sich etwa 1.000 Personen, fast ausschließlich aus dem linksextremistischen Spektrum, an einer Demonstration unter dem Motto "Die Beherrschung verlieren - EXPO NO!" in Hannover. Auf Transparenten und mit skandierten Parolen wie "EXPO sabotieren" und "Gentechnologen - EXPO-Strategen, wir werden Euch das Handwerk legen!" brachten sie ihren Protest zum Ausdruck. Die Demonstration verlief - abgesehen von verbalen Ausfällen - friedlich. Am frühen Morgen des 1. Juni blockierten unbekannte Personen die Bahnstrecken HamburgHannover und Göttingen-Hannover mit brennenden Pkw-Reifen. Im Tragseil einer Oberleitung einer Stadtbahnlinie in Hannover wurde eine Hakenkralle festgestellt. Während eines Zughaltes in Wedemark (Landkreis Hannover) blockierten Unbekannte einen Stromabnehmer mit Stacheldraht; es entstand ein Kurzschluss (Sachschaden: etwa 200.000 DM). Im Verlauf des Tages kam es wiederholt zu Blockadeversuchen und Demonstrationen. Neben Bombendrohungen waren im Stadtgebiet von Hannover auch kleinere Sabotageaktionen zu verzeichnen (u. a. Unbrauchbarmachen von Fahrscheinautomaten mit Sekundenkleber; Verkleben von Lichtschranken in Stadtbahnwagen; Ziehen von Notbremsen in Zügen). Etwa 30 Müllcontainer wurden in Brand gesetzt. In der Nacht zum 5. Juni verübten Unbekannte in der Nähe von Celle (Niedersachsen) einen Hakenkrallenanschlag auf die Bahnlinie Hamburg-Hannover und Gegenrichtung; es kam zu erheblichen Verspätungen. In derselben Nacht wurde ein Hakenkrallenanschlag auf die Bahnstrecke Hannover-Bielefeld verübt; die Strecke wurde für zweieinhalb Stunden gesperrt. Linksextremistische Bestrebungen 175 U. a. auf diese beiden Taten bezieht sich offenbar ein Selbstbezichtigungsschreiben autonomer Gruppen, das am 6. Juni bei dpa in Hannover einging. Darin heißt es: "Wir verstehen unsere Aktion ausdrücklich als Beitrag zu den Verhinderungsaktionen gegen die Eröffnung der EXPO ... . Wir wollen hiermit außerdem der Bahn ein Warnsignal vermitteln: der nächste Castor kommt bestimmt!" Nach der Eröffnungsphase der EXPO 2000 ging die Zahl gewaltsamer Aktionen rasch zurück. Im Szeneblatt "INTERIM" vom 5. Oktober bezichtigte sich eine "antiimperialistische aktion (aia)", in der Nacht zum 30. August einen zündzeitverzögerten Brandsatz an der Stromversorgung des Ausbildungszentrums der DAIMLER CHRYSLER AG in LudwigsfeldeGenshagen (Brandenburg) deponiert zu haben. Die unbekannten Autoren agitierten: Die von dem "Kriegskonzern" DAIMLER CHRYLSER AG unterstützte EXPO 2000 sei der ideologische und symbolische Kristallisationspunkt der Formen einer human verpackten Herrschaftssicherung. Projekte wie die EXPO fungierten als breitenwirksame Akzeptanzbeschafferin für die imperialistische Politik von IWF/Weltbank, Welthandelsorganisation (WTO) oder EU-Gipfeln: "Diese Funktion ist es, die die Expo zu einer wahrhaft 'erfolgreichen Unternehmung' und im Umkehrschluß zum zentralen Angriffspunkt eines linksradikalen antiimperialistischen Widerstands macht." Die Bemühungen linksextremistischer Anti-EXPO-Aktivisten, die während der Kampagne geschaffenen Zusammenhänge über die Zeit der Weltausstellung hinaus für den Austausch über "emanzipatorische Politik" bereitzuhalten, sind als weitgehend gescheitert anzusehen. VI. Agitationsund Kommunikationsmedien 1. Verlage, Vertriebe und periodische Publikationen 2000 verbreiteten nahezu 40 Verlage und Vertriebsdienste im Bereich des Linksextremismus Zeitungen, Zeitschriften und Bücher. Bericht 2000 176 Linksextremistische Bestrebungen Die Gesamtzahl der von ihnen herausgegebenen periodischen Publikationen ist mit rund 230 gegenüber dem Vorjahr ebenso konstant geblieben wie die Gesamtauflage mit rund 8 Millionen. 2. Neue Kommunikationsmedien Auch Linksextremisten bedienen sich der elektronischen Kommunikationsmedien Internet und Mailboxen, um ihre politischen Konzepte einem möglichst großen Adressatenkreis darzustellen, die Kommunikation innerhalb der linksextremistischen Szene zu verbessern und den Organisierungsprozess voranzubringen. Neben dem Bereich des "World Wide Web" (WWW) nutzen Linksextremisten auch weitere Dienste wie E-Mail sowie Mailinglists und Diskussionsforen. Für die interne Kommunikation wird weiterhin auf Mailboxsysteme zurückgegriffen. 2.1 Internet Fast das gesamte linksextremistische Spektrum ist im Internet vertreten. Neben größeren linksextremistischen Organisationen wie der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP), der "Assoziation Marxistischer StudentInnen" (AMS) oder dem trotzkistischen "Linksruck-Netzwerk" nutzen auch autonome Gruppen wie die "Antifaschistische Aktion Berlin", die "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen oder das "Bündnis gegen Rechts Leipzig" die Möglichkeiten dieses Mediums. Die jeweiligen Homepages präsentieren ihre Inhalte relativ nüchtern, jedoch äußerst professionell. Linksextremisten legen bei der Gestaltung ihrer Internetseiten den Schwerpunkt weniger auf "Showeffekte" als vielmehr auf die schnelle Vermittlung von Informationen und die einfache Nutzbarkeit des Angebots. Während die Internetseiten größerer linksextremistischer Organisationen - insbesondere Parteien - meist umfangreiche Informationen über die Organisation, ihre Programmatik etc. anbieten, beinhalten die Seiten autonomer Gruppen in der Regel Demonstrationsaufrufe sowie sonstige Terminankündigungen, Informationen zu Linksextremistische Bestrebungen 177 (vermeintlich) rechtsextremistischen Organisationen/Einzelpersonen sowie zahlreiche Links zu Internetseiten mit überwiegend linksextremistischen Inhalten. Die Internetprojekte "nadir", "Partisan.net". und "DIE LINKE SEITE" haben sich zu sog. Informationsportalen entwickelt. Dort werden Informationen zu Aktivitäten und Perspektiven von Linksextremisten - z. T. nach Themen und Schwerpunkten sortiert - zentral gesammelt und zum Abruf bereitgestellt. Weitere Portalseiten, wie z. B. "P.u.K." (Politik und Kultur) aus Göttingen befinden sich im Aufbau. Über das Internet wurden insbesondere Berichte und Demonstrationsaufrufe zu den Themen "Antifaschismus", "Antirassismus", "Anti-Expo" und "Anti-Globalisierung" verbreitet. Auch die Situation der inhaftierten politischen Gefangenen, der "kurdische Befreiungskampf" sowie "Störaktionen" gegen öffentliche Rekrutengelöbnisse wurden im Internet thematisiert. 2.2 Mailboxen Eine große Zahl linksextremistischer Gruppen nutzt nach wie vor - neben dem Internet - kommerziell betriebene Mailboxsysteme. Diese sind - insbesondere als geschlossene Netzwerke - weiterhin für den internen Informationsaustausch politisch Gleichgesinnter von Bedeutung. Bericht 2000 178 Linksextremistische Bestrebungen Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2000 180 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern I. Überblick Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern bedrohten auch im Jahr 2000 die innere Sicherheit Deutschlands - wenn auch auf einem niedrigeren Niveau als im Vorjahr. Wiederum wurden die Aktivitäten extremistischer Ausländergruppierungen in erster Linie von den politischen Entwicklungen und aktuellen Ereignissen in den Herkunftsländern bestimmt, aber auch innenpolitische Themen in Deutschland, wie beispielsweise der Rechtsextremismus, wurden vereinzelt zur Agitation genutzt. Islamistische Unter den extremistischen Ausländerorganisationen sind die islaPositionen mistischen Gruppierungen bereits wegen ihrer großen Anhängerschaft seit Jahren von besonderer Bedeutung. Die Mehrzahl dieser Organisationen verfolgt das Ziel, die Regierungssysteme in ihren Heimatländern durch eine auf der Scharia (islamisches Rechtssystem) basierende islamistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen. Hierbei sehen insbesondere islamistische Gruppierungen aus dem arabischen und vorderbzw. zentralasiatischen Raum auch den Einsatz von Gewalt legitimiert. Sie beziehen sich dazu auf den im Koran angeführten Begriff des "Jihad" (wörtlich: [innerer] Kampf, Anstrengung oder heiliger Krieg), der nach Ansicht islamistischer Ideologen alle zum Sieg der islamischen Ordnung verhelfenden Mittel einschließt. Eine andere Strategie verfolgt die türkische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG); sie setzt (bislang ausschließlich) auf politische Aktivitäten und Unterstützung der islamistischen "Fazilet Partisi" - FP - (Tugendpartei) in der Türkei. Islamisten gehen davon aus, dass mit den in der Scharia, d. h. im Koran, in der Sunna (Praxis der muslimischen Urgemeinde) und den Hadithen (Taten und Aussprüche des Propheten Mohammed) enthaltenen Bestimmungen eine alle Lebensbereiche regelnde göttliche Ordnung vorgegeben sei, die es überall zu verwirklichen gelte. Daher bemühen sich islamistische Organisationen zunehmend, ihren Anhängern auch in Deutschland Räume für ein Leben nach der Scharia zu schaffen. Nach Ansicht islamistischer Ideologen sind weder der gescheiterte Kommunismus noch der angeblich von Dekadenz und Unmoral gekennzeichnete Kapitalismus geeignet, das Wohlergehen der Menschen zu gewährleisten. Nur die "islamische Ordnung" 1) entspreche aufgrund ihres göttlichen Ursprungs vollständig der "menschlichen 1) Die "islamische Ordnung" bzw. das "islamische System" (an-nizam al-islami bei Sayyed Qutb, bei den türkischen Islamisten "adil düzen" - "Gerechte Ordnung") zielt auf eine Gesellschaftsordnung nach den Grundsätzen der Scharia ab. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 181 Natur" und werde daher den im Zerfall befindlichen Kapitalismus als Gesellschaftssystem notwendigerweise ablösen. Staatliche Herrschaft komme allein Allah zu und dürfe nicht der Willkür von Menschen überlassen werden. Eine islamistische Gesellschaftsordnung mit solcher Grundannahme steht in unauflösbarem Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie dem Gleichheitsgrundsatz, dem Prinzip der Volkssouveränität, dem Mehrheitsprinzip oder dem Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Linksextremistische Ausländergruppierungen verfolgen das Ziel, Linksextremistische die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren jeweiligen Positionen Heimatländern durch ein sozialistisches bzw. kommunistisches System abzulösen. Trotz bestehender Unterschiede in der konkreten ideologischen Orientierung - einige der Organisationen halten an klassischen marxistisch-leninistischen Konzepten fest, andere haben maoistische Positionen adaptiert - befürworten alle nach wie vor "revolutionäre Gewalt". Allen gemein ist auch eine ausgeprägte "antiimperialistische" Agitation, die sich vornehmlich gegen die USA richtet. Bei einigen - insbesondere kurdischen und tamilischen - Ausländergruppierungen ist die ursprünglich dezidiert sozialistische/kommunistische Ausrichtung zwischenzeitlich zugunsten ethnisch motivierter Autonomieforderungen in den Hintergrund getreten. Kennzeichen extrem-nationalistischer Ausländergruppierungen Extremist ein übersteigertes Nationalbewusstsein, das die eigene Nation in nationalistische ihrer politisch-territorialen und ethnisch-kulturellen Ausprägung Positionen zum höchsten Gut gesellschaftlichen und politischen Handelns erklärt und die Rechte und Interessen anderer Völker negiert. Insbesondere wird der Wert des Menschen allein von der Zugehörigkeit zur eigenen Nation/Rasse abhängig gemacht. Diese ideologische Orientierung steht im krassen Widerspruch zu fundamentalen Menschenrechten (wie Menschenwürde und Gleichheit vor dem Gesetz) und zum Gedanken der Völkerverständigung. Der seit über einem Jahrzehnt anhaltende Zulauf zu extremistiZulauf zu schen Ausländerorganisationen setzte sich nicht fort. Die Zahl ihrer extremistischen Mitglieder und Anhänger sank leicht auf 58.800 (1999: 59.700). Ausländerorganisationen Ursächlich dafür war die nachlassende Attraktivität vor allem türkisetzt sich nicht fort scher linksextremistischer Organisationen. Nach dem sprunghaften Anstieg der Gewalttaten im Jahr 1999 (391) - weitgehend zurückzuführen auf die Reaktionen der Anhänger der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) nach der Festnahme ihres Vorsitzenden Abdullah ÖCALAN am 15. Februar und nach der VerBericht 2000 182 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern kündung des Todesurteils gegen ihn am 29. Juni 1999 - ist für das Jahr 2000 ein Rückgang der Gewalttaten um 70 % auf (116) zu verzeichnen. Dieser Rückgang hat seine Ursache in erster Linie in dem Kurswechsel der PKK, die seit Mitte 1999 einen auf Gewaltfreiheit und Anerkennung als politische Kraft angelegten Kurs verfolgt. Im Januar verabschiedete die PKK ein neues Programm und eine neue Satzung. Sie kündigte damit an, ihre Ziele im Wege der politischen Auseinandersetzung verwirklichen zu wollen. Die neue Strategie zeigte sich auch am Aktionsverhalten der PKK in Deutschland: Demonstrationen und Veranstaltungen verliefen friedlich. Der nach wie vor hohe Mobilisierungsgrad der PKK unter den hier lebenden Kurden zeigt, dass der auf Verständigung mit der Türkei gerichtete Kurs trotz parteiinterner Kritik wenn auch zögernd auf Akzeptanz stößt. Ob sich der neue Kurs verfestigt, wird vor allem davon abhängen, ob es in der Kurdenfrage - aus Sicht der PKK - zu Fortschritten kommt. Noch jedenfalls hält sich die Organisation mit den verbliebenen, in kurdische "Verteidigungskräfte" umbenannten Kampfeinheiten im türkisch-irakischen Grenzgebiet die Option offen, auch militärisch zu operieren. Die größte islamistische Organisation im Bundesgebiet, die türkische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG), versucht weiterhin, ihren Anhängern ein Scharia-konformes gesellschaftliches Leben zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, ist die Organisation mit ihren etwa 27.000 Mitgliedern auch darum bemüht, landesbzw. bundesweite Föderationen und Dachverbände von Muslimen, die zunehmend als Ansprechpartner staatlicher und kirchlicher Stellen an Bedeutung gewinnen, zu dominieren und so ihren gesellschaftlichen Einfluss zu vergrößern (vgl. III 2.3.2). Dabei richtet die IGMG ihr besonderes Augenmerk auf die zum Teil mit Integrationsproblemen belasteten Jugendlichen. Durch ein breites Angebot an Betreuungs-, Schulungsund Freizeitaktivitäten im religiösen und sozialen Bereich versucht die IGMG, diese Jugendlichen an ihre Organisation zu binden und unter dem Vorwand, ihre islamische Identität zu wahren, zu indoktrinieren. In der Türkei unterstützt die IGMG die islamistische "Fazilet Partisi" - FP - (Tugendpartei) darin, die dortige laizistische Staatsordnung durch ein islamistisches Staatsgefüge zu ersetzen. Der Führer der türkischen islamistischen Organisation "Der Kalifatsstaat", Metin KAPLAN, wurde am 15. November vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Nach zum Teil gewalttätigen Reaktionen seiner Anhänger auf die Festnahme und den Prozessbeginn scheint das Interesse an KAPLANs Schicksal inzwischen nachzulassen. "Der Kalifatsstaat" setzte seine antidemokratische und antisemitische Agitation fort. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 183 Der im Herbst wieder aufgeflammte israelisch-palästinensische Konflikt führte zeitweilig auch zu Reaktionen in Deutschland. Nach den Unruhen am Jerusalemer Tempelberg Anfang Oktober und nachfolgend in den palästinensischen Autonomiegebieten kam es bundesweit zu zahlreichen überwiegend friedlich verlaufenen Demonstrationen von Anhängern palästinensischer und anderer arabischer Gruppen unter Beteiligung erklärter Gegner des nahöstlichen Friedensprozesses, wie der libanesischen "Hizb Allah" (Partei Gottes) und der palästinensischen "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS). Die Demonstrationsteilnehmer forderten einen unabhängigen Staat Palästina mit Jerusalem als Hauptstadt. In Essen wichen die Teilnehmer einer Demonstration von dem angegebenen Zugweg ab und bewarfen das Gebäude der ehemaligen Synagoge mit Steinen. In Berlin verbrannten Demonstrationsteilnehmer israelische Fahnen und bewarfen ein Polizeifahrzeug mit Steinen. Auf die Synagoge in Düsseldorf wurde ebenfalls im Oktober ein Brandanschlag verübt. Als Täter konnte ein deutscher Staatsangehöriger marokkanischer Abstammung und ein staatenloser Palästinenser ermittelt werden. In extremistischen Ausländerorganisationen waren beide nicht bekannt. Bereits im Juni hatten Anhänger der "Hizb Allah" den Rückzug der israelischen Armee aus der Sicherheitszone in Südlibanon als Sieg über Israel gefeiert. Zu einer nachhaltigen Bedrohung haben sich die Aktivitäten der "Arabischen Mujahedin" entwickelt, die sich in einem losen Netzwerk am internationalen "Jihad" beteiligen. Ihre antiwestliche Zielrichtung, ihre Gewaltbereitschaft und ihr transnationales Zusammenwirken machen ihre Gefährlichkeit aus. Wegen ihrer Leitfunktion kommt der Organisation "Al Qaida" (Die Basis) des saudischen Millionärs Usama BIN LADEN in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Das von den türkischen linksextremistischen Organisationen "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C), "MarxistischLeninistische Kommunistische Partei" (MLKP) und "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) gegründete "Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen" (DETUDAK) sowie das von der DHKP-C gebildete "Komitee gegen Isolationshaft" (IKM) agitierten ab April mit zunehmender Intensität auch in Deutschland gegen die Errichtung angeblicher "Isolationszellen" für "politische Gefangene" in türkischen Haftanstalten. Im Herbst griffen türkische Linksextremisten, u. a. die DHKP-C, das Thema Rechtsextremismus auf und machten die deutsche Regierung für Übergriffe auf Ausländer mitverantwortlich. Bericht 2000 184 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Personenpotenzial 199 In Deutschland lebten Ende 1999 rund 7,3 Millionen Ausländer. Die meisten von ihnen achten unsere Rechtsordnung und leisten ihren Beitrag zur Integration. Lediglich eine Minderheit (weniger als 1 %) hat sich extremistischen Ausländerorganisationen angeschlossen. Der seit einem Jahrzehnt anhaltende Zulauf zu extremistischen Ausländerorganisationen setzte sich im Jahr 2000 nicht fort. Das Mitgliederpotenzial aller 66 (1999: 67) im Bundesgebiet vertretenen extremistischen Ausländerorganisationen - darunter drei, die einem Betätigungsverbot unterliegen - blieb mit 58.800 Personen in etwa auf dem Niveau von 1999 (59.700). Islamistische Organisationen stellen mit 31.450 Personen (1999: 31.350) auch weiterhin das größte extremistische Potenzial. Stärkste Gruppe blieb mit unverändert 27.000 Personen die türkische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG). Der in der muslimischen Gemeinde weitgehend isolierte türkische "Kalifatsstaat" stabilisierte sein Mitgliederpotenzial bei etwa 1.100 (1999: 1.100). Das Mitgliederund Anhängerpotenzial islamistischer Gruppen aus dem arabischen Raum blieb mit 3.100 (1999: 2.950) ebenfalls weitgehend unverändert; von diesen Gruppen verfügt die islamistische "Hizb Allah" (Partei Gottes) über die meisten Mitglieder, nämlich rund 800 (1999: 800). Unter den linksextremistischen Gruppierungen haben die türkischen kommunistischen Parteien und Kadergruppen weiter an Attraktivität verloren. Fast alle Gruppen verzeichneten einen Mitgliederrückgang. Lediglich die größte Gruppierung, die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" - "Partizan" - (TKP/ML), konnte ihr Mitgliederpotenzial von 1.100 (1999: 1.100) halten. Der neue Kurs der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) stößt bei den Mitgliedern und Sympathisanten nur zögernd auf Akzeptanz. Die Zahl der Mitglieder veränderte sich im Vergleich zu 1999 (12.000) nicht. Das extrem-nationalistische Spektrum blieb mit etwa 8.750 Personen (1999: 8.800) nahezu konstant. Die meisten extremistischen Organisationen können über ihr Mitgliederpotenzial hinaus eine Vielzahl von Sympathisanten und Unterstützern anlassbezogen mobilisieren. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 185 Mitgliederpotenzial extremistischer Ausländerorganisationen 1) Staatsangehörigekit Linksextremisten Extreme Islamisten Gesamt bzw. Nationalisten Volkszugehörigkeit Gruppen Personen Gruppen Personen Gruppen Personen Gruppen Personen Kurden2) 2000 22 12.400 22 12.400 1999 23 12.400 23 12.400 1998 23 11.900 23 11.900 Türken 2) 2000 12 4.250 1 7.800 6 28.150 19 40.200 1999 12 4.850 1 7.800 5 28.150 18 40.800 1998 12 5.110 1 7.500 5 28.400 18 41.010 Araber 2000 4 150 12 3.100 16 3.250 1999 4 150 11 2.950 15 3.100 1998 4 200 11 2.740 15 2.940 Iraner 2000 1 900 1 100 2 1.000 1999 1 900 1 150 2 1.050 1998 1 900 1 150 2 1.050 Sonstige 2000 2 900 4 950 1 100 7 1.950 1999 4 1.250 4 1.000 1 100 9 2.350 1998 4 1.250 3 950 7 2.200 Summe 2000 41 18.600 5 8.750 20 31.450 66 58.800 1999 44 19.550 5 8.800 18 31.350 67 59.700 1998 44 19.360 4 8.450 17 31.290 65 59.100 1) Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2) Seit 1997 werden hier auch mit Verbot belegte Gruppen gezählt. 2. Straftaten/Gewalttaten Die Gewaltbereitschaft einzelner extremistischer Organisationen Rückgang der Zahl von Ausländern bedrohte auch im Jahr 2000 die innere Sicherheit der Gewalttaten der Bundesrepublik Deutschland, selbst wenn sich die Zahl der von ausländischen Extremisten verübten Gewalttaten gegenüber 1999 deutlich verringerte. Es wurden 116 Gewalttaten erfasst (1999: 391); dies entspricht einem Rückgang von 70 %. Es waren aber wieder zahlreiche schwere Körperverletzungen und ein Tötungsdelikt zu verzeichnen. Die Gesamtzahl der Straftaten ist mit 791 (1999: 2.536) um 69 % zurückgegangen. Die hohe Anzahl von Straftaten im Vorjahreszeitraum ist im Wesentlichen auf die damaligen Aktionen der Anhänger der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) nach der Festnahme Abdullah ÖCALANs zurückzuführen (15. Februar 1999). Zu Gewalttaten kam es auch wieder bei den Spendenkampagnen Gewalttätigkeiten bei türkischer extremistischer Organisationen sowie bei Streitigkeiten der Spendentürkischer Organisationen untereinander. eintreibung Bericht 2000 186 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Übersicht über Gewalttaten und sonstige Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem ausländerextremistischem Hintergrund*) 1999 2000 Gewalttaten: Tötungsdelikte 1 1 Versuchte Tötungsdelikte 7 0 Körperverletzungen 83 40 Brandstiftungen 101 8 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 3 0 Landfriedensbruch 103 28 Freiheitsberaubung 20 4 Raub/Erpressungen 73 35 gesamt 391 116 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 317 89 Nötigung/Bedrohung 303 61 Andere Straftaten2) 1.525 525 gesamt 2.145 675 Straftaten insgesamt 2.536 791 1) Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) (Stand: 1. 2. 2001). Die Übersicht enthält ausgeführte und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind zum Beispiel während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur der Landfriedensbruch als eine Straftat in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 2) Überwiegend Verstöße gegen Verbote nach dem Vereinsgesetz, zum größten Teil begangen von Anhängern linksextremistischer kurdischer und türkischer Gruppierungen. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 187 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem ausländerextremistischem Hintergrund [IN DEN LÄNDERN] Nordrhein33 Westfalen 98 28 Berlin 50 Baden22 Württemberg 68 12 Niedersachsen 49 7 Hamburg 40 5 Bremen 15 3 Bayern 20 2 Hessen 28 Schleswig- 2 Holstein 7 Sachsen- 1 Anhalt 1 1 Thüringen 0 0 Saarland 7 0 Sachsen 3 0 Brandenburg 2 Rheinland- 0 Pfalz 2 Mecklenburg- 0 Vorpommern 1 0 20 40 60 80 100 120 01.01. - 31.12.2000 01.01. - 31.12.1999 Bericht 2000 188 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern III. Aktionsschwerpunkte einzelner Ausländergruppen 1. Kurden 1.1 Überblick Unter den etwa 500.000 Kurden in Deutschland ist nur eine Minderheit extremistischen Gruppierungen zuzurechnen. Der größte Teil der kurdischen Gemeinschaft achtet unsere Rechtsordnung und lehnt gewaltsame Aktivitäten und Gesetzesverstöße zur Durchsetzung politischer Ziele ab. Etwa 12.400 Personen gehören jedoch Organisationen an, die ihren Ursprung in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei und dem Irak haben und für den dort zum Teil mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikt einen Rückhalt auch in Deutschland suchen. Von diesen ist die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) der bedeutendste und aktivste Verband. 1.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1978 (in der Türkei) Leitung: Führungsfunktionäre der "Kurdischen demokratischen Volksunion" (in Abhängigkeit vom Vorsitzenden der PKK, Abdullah ÖCALAN, und dem Präsidialrat) Mitglieder: ca. 12.000 (1999: ca. 12.000) Publikationen: u. a. "Serxwebun" (Unabhängigkeit), monatlich Betätigungsverbot: seit 26. November 1993 1.2.1 Allgemeine Lage Die PKK unterliegt mit einigen ihrer Teilund Nebenorganisationen in Deutschland seit dem Jahr 1993 einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot. Ursächlich für das Verbot waren Anschlagsserien und gewaltsame Demonstrationen, mit denen Anhänger der PKK immer wieder ihre Militanz in Deutschland zum Ausdruck brachten. Von besonderer Bedeutung war in diesem Zusammenhang der Überfall Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 189 auf das türkische Generalkonsulat in München am 24. Juni 1993, bei dem 20 Menschen als Geiseln genommen wurden. Bewaffnete Kräfte der PKK hatten, vornehmlich im Südosten der Türkei, seit 1984 einen Guerillakrieg gegen das türkische Militär geführt, ursprünglich mit dem Ziel, einen unabhängigen Kurdenstaat zu errichten. Nach eigenem Bekunden befindet sich die PKK jetzt jedoch in einem Wandlungsprozess, der zu grundlegenden konzeptionellen Änderungen führen soll. Eine besondere Rolle spielt dabei Abdullah ÖCALAN. Der Vorsitzende der PKK war im Februar 1999 in Nairobi (Kenia) festgenommen, gewaltsam in die Türkei verbracht und dort im Juni 1999 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden. Eine endgültige Entscheidung über die Vollstreckung der Todesstrafe ist in der Türkei bislang nicht getroffen worden. Einer Verlautbarung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg vom 15. Dezember zufolge hat das Gericht eine Klage ÖCALANs angenommen, in der er u. a. geltend macht, seine Verbringung aus Nairobi, das Gerichtsverfahren in der Türkei und das gegen ihn verhängte Todesurteil verstießen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Aus der Haft heraus hat ÖCALAN für die PKK neue Ziele bestimmt. Nachdem er im August 1999 erklärt hatte, der bewaffnete Kampf der PKK sei beendet, zog sich der überwiegende Teil der Guerillaeinheiten unter Mitnahme der Waffen aus der Türkei zurück; diese Truppen halten sich seitdem vor allem im Nordirak auf. Zugleich rief ÖCALAN die PKK dazu auf, sich nunmehr als legale politische Kraft zu organisieren und sich - nur noch - für eine kulturelle Autonomie der Kurden im Einvernehmen mit der Türkei einzusetzen. Ein Parteikongress der PKK wählte ÖCALAN im Januar demonstraParteikongress tiv erneut zum Vorsitzenden und bestätigte den von ihm vorgegebeder PKK bestätigt nen neuen Kurs. Die Organisation will ihre Interessen jetzt auf friedneuen Kurs lichem Wege und mit legalen Mitteln verfolgen und strebt politische Anerkennung in der Türkei, aber auch in den europäischen Staaten an. Damit verfolgt die PKK vordringlich zwei Ziele: politisches Gewicht bei der Lösung des Kurdenproblems zu gewinnen und eine Hinrichtung ÖCALANs zu verhindern. Durch Umbenennung ihres bisherigen politischen Arms, der in Deutschland ebenfalls einem Betätigungsverbot unterliegenden "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), in "Kurdische Demokratische Volksunion" (YDK) versucht die PKK, ihren Willen zur Wandlung auch nach außen hin zu dokumentieren. Der bewaffnete Arm der PKK, die "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), heißt jetzt "Volksverteidigungsarmee" (HPG). Sie soll ihre Waffen nur noch zu Verteidigungszwecken, etwa Bericht 2000 190 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern im Falle eines Angriffs durch türkisches Militär, einsetzen. Damit behält die PKK vorerst ihre Fähigkeit, im Krisengebiet auch militärisch zu operieren. Die Organisation hat in Deutschland in der Vergangenheit durch intensive Propagandatätigkeit, aber häufig auch durch militante Aktionen öffentlichkeitswirksam auf sich aufmerksam gemacht. Seit den Ausschreitungen nach der Ergreifung und Verurteilung ÖCALANs im Jahre 1999 haben die Anhänger der PKK hier jedoch in ihrem öffentlichen Auftreten auf gewaltsame Aktivitäten verzichtet. Der Kurswechsel der PKK wird von der Mehrheit ihrer Anhänger in der Bundesrepublik gebilligt. Kritik an ÖCALAN aus den eigenen Reihen hat den Zusammenhalt der Organisation bisher nicht gefährdet. Ein Kreis ehemaliger Anhänger der PKK außerhalb der Organisation, der den neuen Kurs ablehnt, blieb ohne Einfluss. Ob sich die neue Linie in den Strukturen ausdrücken wird, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Ein erstes Anzeichen könnte die Bildung sog. Volksräte in den regionalen Gliederungen der PKK sein. Alle wesentlichen Entscheidungen blieben jedoch bisher in der Hand langjährig gedienter Funktionäre, die sich konspirativ verhalten und nach dem hergebrachten Rotationsprinzip häufig ihre Funktion wechseln. 1.2.2 Organisatorische Situation Unter den europäischen Staaten ist Deutschland für die PKK von besonderer Bedeutung, da sie hier auf die mit Abstand größte und aktivste Anhängerschaft zurückgreifen kann. Während andere europäische Staaten im Gliederungsschema der PKK jeweils nur eine Region bilden oder mehrere Staaten zu einer Region zusammengefasst sind, umfassen die illegalen, unter Verstoß gegen das Betätigungsverbot im Untergrund betriebenen Strukturen der PKK im Bundesgebiet sieben Regionen und unterhalb dieser Ebene 32 Gebiete. Die Gebiete bestehen zumeist aus mehreren Teilgebieten. Für die Leitung der Regionen sind Funktionäre verantwortlich, die - etwa durch die Verwendung von Tarnnamen - nach wie vor konspirativen Handlungsmustern folgen. Ihre Aufgabe ist es, Anweisungen und Planungen des Präsidialrats, eines neunköpfigen Leitungsgremiums der PKK, an die Basis weiterzugeben und dort durchzusetzen. Daneben stützt sich die Basisarbeit der PKK in Deutschland auf ihre zahlreichen Massenorganisationen 200 sowie auf die örtlichen PKKVereine. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 191 1.2.3 Propaganda der PKK Die PKK nutzt ihren hohen Organisationsgrad und ihre Mobilisierungsfähigkeit besonders zur Durchsetzung ihrer propagandistischen Ziele. Sie stützt sich dabei in starkem Maße auf ihre große Anhängerschaft in Deutschland, von der sie Solidarität und hohe Einsatzbereitschaft erwartet. Durch eine Vielzahl von öffentlichen Verlautbarungen haben die Anhänger der PKK die Anliegen der Organisation unterstützt. Sie konzentrierten sich dabei vor allem auf ÖCALAN. Durch ihre Aktivitäten machten sie deutlich, dass sie diesen auch nach seiner Inhaftierung weiterhin als Führer der PKK ansehen und sein Schicksal im Auge behalten. Verschiedene Propagandaaktionen standen im Zusammenhang Europaweite mit der gewaltsamen Verbringung ÖCALANs in die Türkei (15. FePropagandabruar 1999). Die größten Veranstaltungen, zu denen die PKK diesbeveranstaltungen züglich europaweit mobilisiert hatte, fanden am 12. Februar und 21. November 2000 in Straßburg statt, wo sich jeweils ca. 15.000 Personen zu einem Schweigemarsch mit anschließender Kundgebung versammelten. Am 15. Februar, der zum "Tag der nationalen Führung" erklärt wurde, und am Folgetag organisierten Anhänger der PKK auch in Deutschland zahlreiche kleinere Demonstrationen, Mahnwachen und Informationsstände. Aus Anlass des kurdischen Neujahrsfestes Newroz (21. März) veranstalteten Kurden in Deutschland, unter maßgeblicher Regie der PKK, bundesweit Kundgebungen und Demonstrationen - vielfach in Form von traditionellen Fackelzügen. Die größte Versammlung mit ca. 15.000 Teilnehmern fand am 19. März in der Dortmunder Westfalenhalle statt. Ende Mai stand der Gesundheitszustand ÖCALANs im Zentrum des Interesses der PKK und ihrer Anhänger. Der PKK-nahe Fernsehsender "MEDYA-TV", dessen Sendeanlagen außerhalb der Bundesrepublik betrieben werden, berichtete - unter geschickter Ausnutzung von Sorgen und Ängsten der Mitglieder - am 21. Mai, ÖCALAN leide aufgrund unzureichender Haftbedingungen unter lebensbedrohenden Atembeschwerden. Anhänger ÖCALANs reagierten auf diese Meldungen mit Besorgnis und führten in Deutschland und im benachbarten Ausland zahlreiche Hungerstreikaktionen durch. Als ÖCALAN jedoch über die PKK-nahe Tageszeitung "Özgür Politika" (Freie Politik) erklärte, dass sein Leben nicht gefährdet sei, verlor die Kampagne an Bedeutung. Anlässlich des 1. Jahrestags der Verkündung des Todesurteils gegen ÖCALAN (29. Juni) demonstrierten etwa 25.000 Kurden aus dem gesamBericht 2000 192 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ten Bundesgebiet und den europäischen Nachbarländern am 24. Juni in Düsseldorf unter dem Motto "Weg mit der Todesstrafe - Frieden jetzt - Freiheit für Abdullah Öcalan". Auf der Kundgebung forderten Redner, u. a. des von der PKK dominierten "Kurdischen Nationalkongresses" (KNK), die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei, bessere Haftbedingungen für ÖCALAN sowie eine dauerhafte Lösung des Kurdenproblems. In einer eingespielten Tonaufnahme von ÖCALAN forderte dieser, auch weiterhin den Kurs der PKK zu unterstützen. Ungeachtet der Einstellung ihres Guerillakriegs beging die PKK wieder den Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfs (15. August 1984). Aus diesem Anlass fanden zahlreiche bundesund europaweite Veranstaltungen statt, die von den örtlichen Vereinen der PKK organisiert wurden. In einer von "Özgür Politika" am 14. August veröffentlichten Grußbotschaft gedachte ÖCALAN der im Kampf gefallenen "Märtyrer" der PKK und erklärte, die derzeitige Phase eines "Demokratischen Angriffs" der PKK komme einem "zweiten 15. August" gleich. Vom 18. bis 21. August fand in Hengelo (Niederlande) das 4. "Mazlum Dogan 201 Jugend-, Kulturund Sportfestival" der PKK-Frontorganisation "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) statt. Zu der Veranstaltung waren zahlreiche kurdische Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet und weiteren europäischen Staaten angereist. Am 2. September nahmen mehr als 50.000 Personen am "Internationalen Festival für Frieden, Demokratie und Freiheit" in Köln teil. Die Veranstaltung setzte die Tradition der jährlich stattfindenden "Internationalen Kurdistan-Festivals" fort, die seit 1993 unter maßgeblichem Einfluss der PKK stattfinden und ihr als Plattform zur Selbstdarstellung dienen. Die in der Mehrzahl kurdischen Teilnehmer kamen aus Deutschland und dem benachbarten Ausland. Das Programm bestand aus kulturellen Darbietungen und politischen Redebeiträgen. Unter anderem wurde ein Grußwort ÖCALANs verlesen. Zahlreiche Teilnehmer brachten ihre Sympathien für die PKK offen zum Ausdruck. Sie zeigten Fahnen der PKK sowie Portraits ÖCALANs. Dessen namentliche Erwähnung in Redebeiträgen führte jedes Mal zu demonstrativer Begeisterung der Besucher. Im Umfeld des Veranstaltungsorts waren mehrere Teilorganisationen der PKK mit Informationsständen vertreten. Im Rückblick auf die durch politischen Druck der Türkei im Herbst 1998 veranlasste Abreise ÖCALANs aus seinem syrischen Exil in Damaskus und in Erinnerung an seine spätere Ergreifung führte die PKK vom 7. bis 9. Oktober in Deutschland und in anderen west- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 193 europäischen Staaten zahlreiche Protestaktionen durch. Anhänger der Organisation legten in Berlin, Hannover und Hamburg vor den diplomatischen Vertretungen der USA, Großbritanniens, Israels, der Türkei und Griechenlands schwarze Kränze nieder. Die PKK wirft diesen Staaten vor, bei der Ergreifung und Verbringung ÖCALANs in die Türkei zusammengewirkt zu haben. Die PKK nutzt für ihre propagandistischen Aktivitäten weiterhin TV-Aktivitäten Fernsehsender, die über Satellit auch in Deutschland zu empfangen der PKK sind. Nachdem die britische Aufsichtsbehörde dem Sender "MEDTV" im März 1999 wegen seiner PKK-nahen Berichterstattung die Sendelizenz entzogen hatte, wurde mit einer französischen Lizenz im Juli 1999 "MEDYA-TV" installiert. Auch dieser Sender wird von Führungsfunktionären der PKK genutzt, um die Politik der Organisation zu erläutern. Neben "MEDYA-TV" wird seit dem 19. Juni mit einer dänischen Lizenz der neue Sender "Mezopotamia Broadcast A/S" (me tv) betrieben, der überwiegend Bildungsprogramme, z. B. kurdischen Sprachunterricht für Kinder, ausstrahlt. "me tv" versteht sich als "kulturelle Ergänzung" zu dem in weiten Teilen politisch ausgerichteten Programm von "MEDYA-TV". In der türkischsprachigen Tageszeitung "Özgür Politika", einem weiteren Propagandainstrument der PKK, kommen regelmäßig Funktionäre der Organisation zu Wort. Die Zeitung berichtet ferner über Ereignisse in den kurdischen Siedlungsgebieten aus Sicht der PKK und weist auf PKK-Veranstaltungen hin. Zu Aktivitäten der PKK wurden ferner über die Internetseiten kurdischer Informationszentren wie z. B. das "Kurdistan Informatie Centrum" (KIC) in Amsterdam oder das "Kurdistan InformationsZentrum" (KIZ) in Berlin Informationen angeboten. 1.2.4 Finanzierung Die PKK hat einen hohen Geldbedarf zur Finanzierung ihrer Aktivitäten und Einrichtungen. Die benötigten Mittel werden zum Teil über monatliche Beiträge ihrer Anhänger, durch Einnahmen aus dem Vertrieb von Publikationen sowie Erlöse bei Großveranstaltungen, etwa aus dem Verkauf von Eintrittskarten, gedeckt. Den größten Teil ihrer Einnahmen gewinnt die PKK jedoch aus ihren jährlichen Spendenkampagnen. Bei den regelmäßig im Spätsommer beginnenBericht 2000 194 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern den Spendenaktionen werden die Anhänger aufgefordert, die Organisation durch "freiwillige" Beiträge zu unterstützen. Häufig wird die erwartete Summe zuvor von den Funktionären entsprechend der angenommenen - und meist überbewerteten - Leistungsfähigkeit der Spender festgelegt. Der Erlös der Spendenkampagne 1999/2000 betrug weniger als 20 Millionen DM und fiel damit hinter das Ergebnis des Vorjahres (mindestens 20 Millionen DM) zurück. 1.2.5 Strafverfahren gegen führende Funktionäre der PKK Am 18. Mai verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zwei ehemalige Leiter des von der PKK unterhaltenen "ÜLKE-Büros" (vgl. Nr. 7) unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu Freiheitsstrafen von jeweils zweieinhalb Jahren. Auch das Kammergericht Berlin verhängte am 1. August gegen einen leitenden Funktionär des "ÜLKE-Büros" wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Am selben Tag verurteilte das Gericht auch die ehemalige Regionsleiterin Westfalen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten. Vom Landgericht (LG) Dresden wurde am 24. Oktober der ehemalige Gebietsleiter Leipzig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dieser war für die Besetzungsaktion unter anderem des griechischen Generalkonsulats in Leipzig nach der Ergreifung ÖCALANs am 16. und 17. Februar 1999 verantwortlich. Das OLG Koblenz verhängte am 9. November gegen den ehemaligen PKK-Gebietsleiter Mainz wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Am 5. Dezember verurteilte das Bayerische Oberste Landesgericht in München eine ehemalige Regionsleiterin Bayerns zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Außerdem verurteilte es einen weiteren Leiter der PKK-Region Bayern und später Österreich wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1.000 DM. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 195 2. Türken (ohne Kurden) 2.1 Überblick Die Agitationsthemen linksextremistischer türkischer Organisationen in Deutschland waren auch im Jahr 2000 wieder weitgehend von politischen Vorgängen in der Türkei bestimmt. Dabei bildete die Agitation gegen die geplante Einführung neuer Gefängnisse mit Einzelzellen oder Räumen für maximal sechs Personen den Schwerpunkt. Daneben wurden innerdeutsche Themen und weltpolitische Ereignisse aufgegriffen und propagandistisch genutzt. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den beiden aus der "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervorgegangenen und miteinander rivalisierenden Organisationen "Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront" (DHKP-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP-C - Devrimci Sol) haben sich nicht fortgesetzt. Die beiden Flügel der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) waren überwiegend propagandistisch aktiv; sie protestierten insbesondere gegen die Situation politischer Gefangener in der Türkei. Auch die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) thematisierte die Einführung von Einzelzellen in türkischen Haftanstalten. Die mit Abstand größte türkische Extremistenorganisation, die islamistische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG), versuchte weiterhin, Jugendliche in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Agitation des islamistischen "Kalifatsstaates" befasste sich schwerpunktmäßig mit dem Strafprozess gegen ihren Leiter Metin KAPLAN, der sich vom 8. Februar bis 15. November vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten verantworten musste (vgl. I). Eine Serie bundesweiter Musikund Kulturveranstaltungen der extrem-nationalistischen "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V." (ADÜTDF) im Februar/März fand mit bis zu 3.500 Besuchern regen Zulauf. Die ADÜTDF fungiert als Sammelbecken der türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP). Bericht 2000 196 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 2.2 Linksextremisten 2.2.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten, 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Leitung: Dursun KARATAS Mitglieder: ca. 900 (1999: ca. 1.000) Publikationen: "Vatan" (Heimat), wöchentlich; "Kurtulus" (Befreiung), unregelmäßig; "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke), dreimonatlich Organisationsverbot: seit 13. August 1998 Die in Deutschland verbotene DHKP-C zielt auf die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer "klassenlosen" Gesellschaft auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus. In ihrem Parteiorgan "Devrimci Sol" bekräftigte die Organisation im Juli ihren unveränderten Standpunkt: "Wir haben den Sozialismus weiterhin verteidigt, wir haben die Revolution verteidigt ... innerhalb der Linken haben wir nicht vom bewaffneten Kampf, von der Illegalität, von dem Verständnis einer revolutionären Organisation Abstand genommen!" ("Devrimci Sol" Nr. 15 vom Juli 2000) Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele verübt die Gruppe nach wie vor Terroranschläge in der Türkei. Die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC), der bewaffnete Arm der DHKP-C, erklärte sich in einer im Internet verbreiteten Erklärung für acht im Frühjahr in der Türkei verübte Sprengstoffanschläge verantwortlich. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 197 In Deutschland konzentrierten Aktionssich die öffentlichen Aktivitäten schwerpunkte: der DHKP-C Anfang des Jahres auf Unterstützungsaktionen (z. B. KundGefangenenbetreuung und gebungen, Besetzungen, HungerProteste gegen streiks) für den in Hamburg einneue türkische sitzenden und zu einer lebenslanHaftanstalten gen Freiheitsstrafe wegen Mordes verurteilten DHKP-C-Aktivisten Ilhan YELKUVAN, der wegen seiner Haftbedingungen in einen Hungerstreik getreten war. Solidaritätsbekundungen galten auch der DHKP-C-Aktivistin Fehriye ERDAL, die am 26. September 1999 in Knokke (Belgien) festgenommen worden war und der die Auslieferung an die Türkei drohte. Die Türkin, die ebenfalls in einen Hungerstreik getreten war, wird im Heimatland wegen dreifachen Mordes gesucht. Heftige Proteste der DHKP-C löste die geplante Einführung von Einzelzellen in türkischen Haftanstalten aus. Zur Durchführung der Protestaktionen (Versammlungen, Informationsstände, Sternmärsche etc.) bildete die DHKP-C eigens ein "Komitee gegen Isolationshaft" (IKM). In Flugschriften des IKM heißt es u. a.: "Wir rufen alle Völker der Welt auf, den Widerstand gegen Folter, Massaker und die Isolationszellen zu unterstützen. Isolation ist Folter und Mord. Wehren wir uns dagegen." Die früher häufig auch in Deutschland ausgetragenen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Anhängern der rivalisierenden "Türkischen Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) haben sich nicht fortgesetzt. Ursächlich für diese Entwicklung dürften auch Maßnahmen der deutschen und ausländischen Strafverfolgungsbehörden sein. So verurteilte das Oberlandesgericht Celle am 11. April zwei Aktivistinnen der DHKP-C wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einem Jahr bzw. 15 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der frühere Gebietsleiter für Stuttgart wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg wegen Verabredung zum Totschlag zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt, ein weiterer Funktionär der Organisation erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Den ehemaligen Europaverantwortlichen der DHKP-C, Bericht 2000 198 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Nuri ERYÜKSEL, verurteilte das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg am 5. Januar 2001 wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren. Der Funktionär war am 15. Oktober 1999 in Chur (Schweiz) aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof festgenommen und am 17. März 2000 an Deutschland ausgeliefert worden. Weitere führende Mitglieder der DHKP-C wurden von deutschen Gerichten zu teilweise mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Auch im europäischen Ausland waren Anhänger der Organisation dem Druck der Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt. So verkündete ein Strafgericht in Paris am 26. April Urteile gegen 24 Mitglieder der DHKP-C wegen Bandenbildung zur Ausübung terroristischer Aktionen. Zwanzig Personen erhielten Freiheitsstrafen von 18 Monaten bis zu acht Jahren. Infolge erheblicher finanzieller Probleme musste die DHKP-C einige Stützpunkte aufgeben und vorübergehend den Druck ihrer Zeitschriften einstellen. Wie bereits in den Vorjahren führte die Organisation anlässlich des 6. Jahrestags ihrer Gründung und zum Gedenken an die "Gefallenen der Revolution" am 22. April in Hasselt (Belgien) eine Saalveranstaltung durch, zu der noch etwa 4.000 Besucher (1999: 5.000 Besucher) aus Deutschland und dem benachbarten Ausland anreisten. 2.2.2 "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) Basisdaten für Deutschland gegründet: Mitte der 90er Jahre als Abspaltung aus der 1978 in der Türkei gegründeten, 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder: ca. 100 (1999: ca. 100) Publikationen: "Devrimci Cözüm" (Revolutionäre Lösung), monatlich Betätigungsverbot: seit 13. August 1998 Der seit Jahren anhaltende Mitgliederschwund und Verlust organisatorischer Strukturen hat zu nachhaltiger Verunsicherung der verbliebenen Mitglieder und Sympathisanten der THKP/-C - Devrimci Sol geführt. In Deutschland entwickelte die Organisation kaum noch öffentliche Aktivitäten. Reststrukturen bestehen in Köln, Frankfurt/Main und Berlin. Ihr politisches Ziel, den gewaltsamen Umsturz Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 199 in der Türkei, propagiert die THKP/-C - Devrimci Sol vorwiegend in ihren Publikationen: "Der (türkische) Staat missachtet seine eigenen Rechtsnormen und hat sich in einen Bandenstaat verwandelt. ... Der einzig mögliche Weg gegen die Barbarei ... und für die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker ist, so wie bisher, der Gewalt mit Gewalt zu begegnen, d. h. auf die Gewalt des Faschismus mit revolutionärer Gewalt zu reagieren." ("Devrimci Cözüm" Nr. 4 vom April 2000) Wie nahezu alle anderen linksextremistischen türkischen Organisationen thematisierte auch die THKP/-C - Devrimci Sol die Situation der politischen Gefangenen im Heimatland und agitierte vehement gegen die Einführung von Einzelzellen in türkischen Haftanstalten. Am 16. April führte die Gruppe in Liestal (Schweiz) eine politisch geprägte und von Folkloreund Musikbeiträgen umrahmte Saalveranstaltung mit mehr als 1.000 Besuchern aus Deutschland und dem benachbarten Ausland durch. Eine weitere Veranstaltung mit etwa 500 Besuchern - auch aus Deutschland - organisierte die THKP/C - Devrimci Sol am 29. Oktober in Basel (Schweiz), in deren Verlauf insbesondere die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen thematisiert wurden. Bericht 2000 200 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 2.2.3 "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1972 (in der Türkei) Mitglieder: ca. 1.800 (1999: ca. 1.900) Die Organisation ist gespalten in: "Partizan"-Flügel Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder: ca. 1.100 (1999: ca. 1.100) Publikationen: u. a. "Özgür Gelecek" (Freie Zukunft), vierzehntäglich; "Isci Köylü Kurtulusu" (Arbeiterund Bauernbefreiung), zweimonatlich und "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder: ca. 700 (1999: ca. 800) Publikationen: "Devrimci Demokrasi" (Revolutionäre Demokratie), vierzehntäglich; "Isci Köylü Kurtulusu" (Arbeiterund Bauernbefreiung)*, zweimonatlich * nicht identisch mit der gleichnamigen Publikation des "Partizan"-Flügels Die TKP/ML ist seit 1994 in die Flügel "Partizan" und "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) gespalten. Ideologisch dem Marxismus-Leninismus verbunden, zielen beide Flügel auf die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staates und die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. Hierzu bedienen sie sich ihres militärischen Arms, der in der Türkei terroristisch operierenden "Türkischen Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO). In einer Publikation des DABK wird die Gewaltbereitschaft der Organisation deutlich: " ... keine Kraft wird unseren starken Volkskampf behindern können. Unter Führung unserer Partei TKP (ML) wird unser Kampf solange mit Nachdruck weitergeführt werden, bis die demokratische Volksrevolution Wirklichkeit wird." ("Isci Köylü Kurtulusu" Nr. 107 vom Februar 2000) Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 201 Beide Flügel der TKP/ML unterhalten in Deutschland und anderen Basisorganisationen europäischen Ländern Basisorganisationen, die ihre Zugehörigkeit verschleiern und Verbundenheit mit der Partei verschleiern. Mit der "Föderation Zugehörigkeit der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V." (ATIF) und der "Konzur Partei föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) verfügt der dominierende "Partizan"-Flügel über zwei Basisorganisationen, die politische Ziele der TKP/ML auf deutscher bzw. europäischer Ebene propagieren. So verurteilte z. B. die ATIK in ihren Schriften u. a. die Friedensinitiative der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und machte Front gegen den Rechtsextremismus in Deutschland. Entsprechende Aufgaben haben auch die beiden DABK-Basisorganisationen "Föderation für demokratische Rechte in Deutschland" (ADHF) und "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK), die u. a. in einem gemeinsamen Flugblatt gegen die Einführung von Einzelzellen in türkischen Haftanstalten agitierten: "Seit mehreren Jahren versucht der türkische Staat die Isolationshaft für die politischen Gefangenen in der Türkei und TürkeiKurdistan einzuführen. Diesbezüglich werden seit einigen Jahren so genannte Spezialgefängnisse Typ F gebaut, die nichts anderes als die Isolierung politischer Gefangener und somit ihre Vernichtung beabsichtigen. ... Kurzum: Der türkische Staat beabsichtigt mit seiner Politik die Ermordung hunderter politischer Gefangener, um somit den Kampf für Demokratie und Gerechtigkeit zu vernichten." Zum Gedenken an den Gründer der TKP/ML, Ibrahim KAYPAKKAYA, führen beide Flügel alljährlich Versammlungen ihrer Anhänger durch. Die diesjährige Veranstaltung des "Partizan"-Flügels am 20. Mai in Ludwigshafen wurde von etwa 2.000 Personen besucht. Das DABK konnte zu seiner Veranstaltung am 3. Juni in Essen etwa 5.000 Anhänger mobilisieren. Bericht 2000 202 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 2.2.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1994 (in der Türkei) Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder: ca. 600 (1999: ca. 700) Publikationen: "Yasamda Atilim" (Der Vorstoß im Leben), wöchentlich; "Partinin Sesi" (Stimme der Partei), zweimonatlich Die ebenfalls auf einen revolutionären Umsturz in der Türkei zielende MLKP fordert - ausgehend von den Grundsätzen des Marxismus/Leninismus - eine gesellschaftliche Umwälzung mit dem Ziel, die herrschenden Strukturen in der Türkei zugunsten einer Herrschaft der Arbeiterklasse abzulösen. Im Parteiorgan "Partinin Sesi" heißt es zur Strategie und Zielsetzung u. a.: "Das Ziel der MLKP ist die Verwirklichung des kommunistischen und kollektivistischen Lebens. Sie ist bestrebt, die Ideologie der Arbeiterklasse an die Macht zu bringen. ... Die Herstellung der militärischen und politischen Überlegenheit stellt die unabdingbare Voraussetzung der Machtergreifung dar." ("Partinin Sesi" vom April/Mai 2000) Protest gegen Aus Protest gegen die Situation politischer Gefangener in der Türneue türkische kei verübte die MLKP dort Anschläge mit Molotowcocktails, verhielt Haftanstalten sich in Deutschland aber gewaltfrei. Hier gründete die MLKP mit anderen linksextremistischen türkischen Gruppierungen das "Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen in der Türkei" (DETUDAK), um mit Informationsveranstaltungen und öffentlichen Protestaktionen gegen die Einführung von Einzelzellen in türkischen Haftanstalten zu agitieren. Als Kontaktadresse von DETUDAK fungierte der Sitz der MLKP-Basisorganisation "Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e. V." (AGIF) in Köln. Am 24./25. Juni veranstaltete die AGIF in Dortmund ihren Jahreskongress mit 60 Delegierten. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand dabei die desolate Mitgliedersituation des Verbandes. Mit verstärkten Werbemaßnahmen, insbesondere unter jugendlichen Türken, soll versucht werden, die Basis zu erweitern. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 203 Im Zusammenhang mit dem Gipfeltreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank Ende September in Prag verbreitete die AGIF Flugblätter, in denen sie zum gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse gegen den "Imperialismus und dessen Herrschaftsinstrumente, wie IWF, WTO 202, Weltbank, NATO und UN" aufrief. Am 28. Oktober feierte die MLKP in Wuppertal den sechsten Jahrestag ihrer Gründung. An der von Musikund Folkloredarbietungen umrahmten Veranstaltung nahmen etwa 2.500 Personen teil. 2.3 Türkische Islamisten 2.3.1 "Der Kalifatsstaat", auch "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln" (ICCB) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1984 in Köln Sitz: Köln Leitung: Metin KAPLAN Mitglieder: ca. 1.100 (1999: ca. 1.100) Publikation: "Ümmet-i Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds), wöchentlich Der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti) unter der Führung seines selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime" 203, Metin KAPLAN, strebt die Beseitigung des laizistischen türkischen Staatsgefüges sowie die Einführung einer islamischen Ordnung auf der Grundlage der Scharia an. Endziel ist die Weltherrschaft des Islam unter der Führung eines einzigen Kalifen. Der Verband lehnt Demokratie und Parteienpluralismus als unvereinbar mit islamischen Glaubensgrundsätzen ab. So behauptet KAPLAN: Bericht 2000 204 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern "Der Islam ist sowohl eine Religion als auch ein Staat, sowohl Gottesverehrung als auch Politik! Der Islam erkennt das laizistische Regime nicht an! ... Der Islam ist niemals mit der Demokratie vereinbar! Kurzum läuft das demokratische Regime im Kern, im Grunde und Endergebnis dem Islam zuwider." ("Ümmet-i Muhammed" Nr. 314 vom 17. Februar 2000, S. 10) Im Verbandsorgan "Ümmet-i Muhammed" heißt es: "Die Menschheit hat noch nie so eine dunkle Phase wie unter der Demokratie erlebt. ... Damit der Mensch sich von der Demokratie befreien kann, muss er zuerst begreifen, dass die Demokratie dem Menschen nichts Gutes geben kann. ... Es lebe die Hölle für die Ungläubigen! Und nieder mit allen Demokratien und allen Demokraten!" ("Ümmet-i Muhammed" Nr. 315 vom 24. Februar 2000, S. 6) "Kalifatsstaat" Mit antizionistischen und antisemitischen Äußerungen agitiert agitiert gegen Juden die Organisation gegen Juden und den Staat Israel: und den Staat Israel "Wenn es einen islamischen Staat gegeben hätte, dann wäre noch nicht einmal so etwas wie der Name Israel übriggeblieben ... ." ("Ümmet-i Muhammed" Nr. 332 vom 22. Juni 2000, S. 12) Entsprechende Parolen enthält auch die Homepage des "Kalifatsstaates" im Internet. Hierin heißt es am 13. Oktober 2000: "Die Muslime können es sich auf keinen Fall gefallen lassen, sich von den Ungläubigen falsche Grenzen setzen zu lassen, die die Freiheit, die Unabhängigkeit und die gemeinsamen Interessen [der Muslime] einschränken. Dieser Zustand kann von denjenigen, die an den Islam glauben, nicht hingenommen werden. ... Oh Ihr Muslime! Haltet diese Entwicklung auf! ... bereitet der Herrschaft einer Handvoll stinkender und ängstlicher Juden ein Ende." Ihre islamistischen Positionen verbreitet die Organisation auch in ihrem TV-Programm "HAKK-TV" (sinngemäß: Wahres islamisches Fernsehen), das außerhalb Deutschlands via Satellit bis in die Türkei Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 205 ausgestrahlt wird. So hieß es in einer Sendung am 30. April u. a., wie schon der verstorbene Kalif gesagt habe, müssten die islamischen Stätten Damaskus, Istanbul und Jerusalem erobert werden. Deshalb benötige man auch, wie damals, eine Eroberungsarmee. Jeder Muslim müsse dieser Armee angehören. KAPLAN wurde am 15. November vom Oberlandesgericht DüsselFührer des dorf wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Frei"Kalifatsstaates" heitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen zu mehrjähriger Freiheitsstrafe an, dass KAPLAN zum Mord an seinem Widersacher, dem "Gegenverurteilt kalifen" Halil Ibrahim SOFU, aufgerufen hatte, der am 8. Mai 1997 von Unbekannten in Berlin erschossen worden war. Bereits beim Prozessauftakt am 8. Februar kam es zu tumultartigen Szenen im Gerichtssaal, in deren Verlauf das Gericht gegen zwei Besucher und die beiden Mitangeklagten KAPLANs Ordnungshaft verhängte. Auch der weitere Verlauf des Verfahrens wurde wiederholt aus dem Zuschauerraum heraus gestört. Einige als Zeugen geladene Anhänger des "Kalifatsstaats" gaben zu verstehen, dass die deutschen Gesetze für sie keine Relevanz besäßen. Mögliche Belastungszeugen waren nach Auffassung des Gerichts aus Angst um Leib und Leben nur eingeschränkt oder gar nicht bereit, auszusagen. Vor dem Gerichtsgebäude führten Anhänger KAPLANs Mahnwachen durch. An einer Demonstration am 4. November in Düsseldorf nahmen etwa 3.500 Personen teil. Anhänger und Funktionäre des Kalifatsstaates halten sich seit der Urteilsverkündung mit öffentlichen Äußerungen zurück. Gleichwohl zeigen Verlautbarungen auf internen Veranstaltungen, dass die Kalifatsidee weiterhin wirksam ist. Verbandsfunktionäre versuchen, KAPLAN als Märtyrer darzustellen und auf diese Weise den Zusammenhalt innerhalb der Organisation zu fördern. 2.3.2 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1985 in Köln (als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V."-AMGT) Leitung: Dr. Yusuf ISIK, kommissarischer Vorsitzender Mitglieder: ca. 27.000 (1999: ca. 27.000) Publikationen: u. a. "Milli Görüs & Perspektive", unregelmäßig Bericht 2000 206 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Die IGMG verfügt unter den islamistischen Organisationen in Deutschland neben ihren Mitgliedern über eine um vieles größere Anhängerschaft. Sie unterhält Zweigstellen in mehreren europäischen Ländern sowie in den USA und Australien und betreibt nach neusten Angaben europaweit über 500 Moscheevereine. Die Organisation verfügt über erhebliche finanzielle Mittel. Äußerungen ihres Generalsekretärs Mehmet Sabri ERBAKAN zufolge beträgt ihr Jahresumsatz 400 bis 450 Millionen DM. Für die Verwaltung des umfangreichen Immobilienbesitzes ist seit 1995 die "Europäische Moscheebau und Unterstützungsgemeinschaft e. V." (EMUG) zuständig. Die IGMG äußert sich in letzter Zeit in ihren offiziellen Verlautbarungen zwar positiv zu den Grundprinzipien der westlichen Demokratien, gleichwohl ist sie eng mit der türkischen "Fazilet Partisi" (- FP -, Tugendpartei), der direkten Nachfolgerin der 1998 verbotenen islamistischen "Refah Partisi" (- RP -, Wohlfahrtspartei), des Prof. Necmettin ERBAKAN, verbunden. Zahlreiche Abgeordnete der FP besuchten auch im Jahr 2000 Veranstaltungen der IGMG und traten dort als Redner auf. An der Generalversammlung der IGMG am 6. Juni in Köln (s. u.) nahm Prof. ERBAKAN als Ehrengast teil. Die FP, gegen die am 12. Dezember ein Verbotsverfahren vor dem türkischen Verfassungsgericht eröffnet wurde, hat sich bislang von ihrer ideologischen Tradition nicht distanziert. Sie bezieht sich weiterhin auf die "Milli Görüs"-Ideologie der RP, die durch Ablehnung des Wertekanons und des Demokratieverständnisses der westlichen Zivilisation, einen religiös begründeten türkischen Nationalismus sowie durch Antizionismus und Judenfeindlichkeit geprägt ist. Das von der RP offen, von der FP indirekt vertretene Gesellschaftskonzept einer "Adil Düzen" (Gerechten Ordnung) zielt auf ein religiös begründetes umfassendes politisches, wirtschaftliches und soziales Regelungssystem, das mit dem Demokratieund Freiheitsverständnis des Grundgesetzes unvereinbar ist. Derzeitige Flügelkämpfe in der FP zwischen "Traditionalisten" und "Erneuerern" spiegeln sich nicht in ideologischen Debatten wider; deutlich werden vielmehr rivalisierende Machtinteressen innerhalb der Partei und unterschiedlich Auffassungen über die geeigneten Strategien zur Erreichung der Parteiziele. Funktionäre und Mitglieder der IGMG beobachten die Vorgänge in der FP aufmerksam, ohne eindeutig Partei zu ergreifen. Die Führung der IGMG unterstützt die Linie der mit ERBAKAN verbundenen "Traditionalisten". Unter den jüngeren, in Deutschland aufgewachsenen Mitgliedern der IGMG hoffen einige, die IGMG könne sich längerfristig aus der Orientierung auf die ERBAKAN-Ideologie lösen und sich auf die Interessen der im Ausland lebenden türkischen Muslime konzentrieren. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 207 Zu den politischen Zielen der IGMG erklärte ein Funktionär in der von der Organisation als Sprachrohr genutzten türkischen Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung): "Uns reicht nicht nur unsere eigene Befreiung. Wir setzen uns für die Befreiung der ganzen Menschheit ein und sind die Vertreter einer Gesellschaft, die sich vor keiner Selbstlosigkeit scheut. ... Die Befreiung der Menschheit, ihr Wohl und Glück sind über den Koran möglich." ("Milli Gazete" vom 20. März 2000) Zwar betont die IGMG in letzter Zeit zunehmend die Bereitschaft ihrer Mitglieder zur Integration in die deutsche Gesellschaft und versichert, das Grundgesetz zu achten. Solche Äußerungen entspringen jedoch weniger einem inneren Wandel der Organisation als vielmehr taktischem Kalkül. So sahen sich führende Funktionäre der IGMG in der Vergangenheit nach öffentlicher Kritik an antisemitischen Äußerungen dazu veranlasst, sich für einen jüdisch-islamischen Dialog auszusprechen und von diesen Äußerungen zu distanzieren. Auch der ehemalige IGMG-Funktionär und gegenwärtige Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland e.V., Hasan ÖZDOGAN, hat solche Äußerungen als Kinderkrankheiten bezeichnet und eingeräumt, die IGMG habe in der Vergangenheit Fehler gemacht. Heute würde man auf derartige Aussagen verzichten. ÖZDOGAN wörtlich: "Wir haben gemerkt, dass antisemitische Äußerungen, die in der Türkei üblich sind, in Deutschland verboten sind." ("die tageszeitung" vom 9. Dezember 2000) In der Deutschlandausgabe der "Milli Gazete" wird aber noch eine öffentliche Diskussion um die Rolle der Sabbatäer 204 in der Türkei geführt, bei der antijüdische Tendenzen deutlich werden. So wurden in einem Beitrag vom 16. Dezember u. a. eine angeblich in der Türkei festzustellende Religionsfeindschaft gegenüber den Muslimen sowie besondere Privilegien u. a. der Sabbatäer beklagt. Im Zusammenhang mit dem Kopftuch, das - so der Verfasser - von Sabbatäern als Symbol des Islams bekämpft werde, heißt es dann wörtlich: "Ich sage nicht, dass alle, die dem Islam und dem muslimischen Volk feindlich gesinnt sind, Sabbatäer sind, aber unter ihnen gibt es sehr militante und sehr gewalttätige jüdische Orden, die zu weit gehen." ("Milli Gazete" vom 16. Dezember 2000) Bericht 2000 208 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern IGMG versucht, auf Nach wie vor bildet die islamische Erziehungsund Bildungsarbeit die Ausgestaltung einen Schwerpunkt der Aktivitäten der Organisation. Besonderes islamischen Anliegen der IGMG ist die Teilhabe an der Gestaltung des islamiReligionsunterrichts schen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Als der "Islamian staatlichen schen Föderation Berlin e. V." (IFB) durch das OberverwaltungsgeSchulen Einfluss zu gewinnen richt Berlin als erster islamischer Organisation das Recht zuerkannt wurde, in Berlin islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zu erteilen, nahm die IGMG dies positiv auf. Die IGMG geht offenbar davon aus, zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls einen solchen Unterricht erteilen zu dürfen. Sie ist nach eigenen Angaben in verschiedenen regionalen Kommissionen tätig, in denen der islamische Religionsunterricht auch in anderen Bundesländern diskutiert bzw. vorbereitet wird. Die Organisation ist darum bemüht, in Föderationen und Dachverbänden von Muslimen, die zunehmend als Ansprechpartner staatlicher und kirchlicher Stellen an Bedeutung gewinnen, einflussreiche Positionen zu besetzen. So ist die IGMG Mitglied im "Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland" und auch in islamischen Föderationen auf Landesebene vertreten. IGMG thematisiert Im Jahr 2000 war die IGMG u. a. bestrebt, sich als Verteidigerin Menschenrechte der Menschenrechte darzustellen. Bereits im August 1999 hatte sie eine "Abteilung für Menschenrechtsfragen" eingerichtet. Diese befasste sich u. a. mit den Maßnahmen staatlicher türkischer Stellen gegen Kopftuch tragende Studentinnen, Schülerinnen und Frauen in öffentlichen Ämtern, dem Krieg in Tschetschenien sowie mit der Verurteilung des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten und langjährigen Vorsitzenden der "Wohlfahrtspartei" (RP), Prof. Necmettin ERBAKAN. Dieser ist am 10. März vom Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir (Türkei) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und 26 Tagen verurteilt worden. Nach Überzeugung dieses Gerichts hatte er sich in einer Wahlkampfrede des Jahres 1994 der Volksverhetzung schuldig gemacht. Unter einen Aufruf gegen dieses Verfahren sammelte die IGMG nach eigenen Angaben 100.000 Unterschriften. Ob sich solches Engagement für Menschenrechte auch in der Praxis der IGMG auswirken wird, bleibt abzuwarten. Der Generalsekretär der IGMG erklärte relativierend in einem Zeitungsinterview auf den Vorhalt, "Milli Görüs" gehe lediglich von der Gleichwertigkeit nicht der Gleichberechtigung von Mann und Frau aus: "Die Rechte der beiden Geschlechter sollten auf ihre jeweiligen Lebenssituationen zugeschnitten sein und die ist bei einer allein stehenden Frau oder einer Mutter anders als bei einem Mann. Was den ganzen Regelungsbereich im Gesetzbuch betrifft, würde ich auch Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 209 für die Gleichberechtigung plädieren. Dennoch sollten wir die Gleichwertigkeit nicht nur an Rechten festmachen." ("die tageszeitung" vom 3. August 2000) Der "IGMG-Menschenrechtsbeauftragte" griff in einer Broschüre über seine Aktivitäten in den Jahren 1999 und 2000 pauschal den Westen an, der für Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und anderswo indirekt mitverantwortlich sei: "Denjenigen, die kulturelle Assimilation unter dem Decknamen Integration betreiben und einen Kampf der Zivilisationen herbeireden, muss auf der Grundlage der Menschenrechte entgegengetreten werden. Wer zur ethnischen Diskriminierung und zum Rassismus aufstachelt und die unzähligen Opfer in Bosnien und Ruanda verantworten muss und dem Völkermord in Tschetschenien zuschaut, wird mit dem nachhallenden Widerstand der Menschenrechtler rechnen." Im Zusammenhang mit dem Konflikt in Tschetschenien führte die IGMG neben umfangreichen Spendensammlungen in einigen deutschen Städten (u. a. in Berlin und Stuttgart) auch Demonstrationen durch. Am 3. Juni fand in Köln die 6. Generalversammlung der IGMG mit nurmehr 30.000 Teilnehmern (1999 etwa 40.000) statt. Wie in den vergangenen Jahren waren hierzu zahlreiche Wissenschaftler und politische Persönlichkeiten aus verschiedenen islamischen Ländern angereist. Auch der alljährliche Jugendkongress der IGMG am 14. Oktober in Essen fand mit etwa 5.000 Teilnehmern (1999 etwa 6.000) weniger Resonanz. Bericht 2000 210 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 3. Araber 3.1 Algerische islamistische Gruppen "Islamische Heilsfront" (FIS) "Front Islamique du Salut" Basisdaten für Deutschland gegründet: März 1989 in Algerien, seit 1992 dort verboten Leitung: Vorsitzender der "Exekutivinstanz der FIS im Ausland", Rabah KEBIR Mitglieder/Anhänger: ca. 400 (1999: ca. 350) Publikationen: "Al-Ribat" (Das Band/Die Verbindung), unregelmäßig "Bewaffnete Islamische Gruppe" "Groupe Islamique Arme" (GIA) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1992 (in Algerien) Leitung: Antar ZOUABRI Mitglieder/Anhänger: In den Zahlen der FIS enthalten "Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf" "Groupe salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC) Basisdaten für Deutschland gegründet: Ende 1997 in Algerien als Abspaltung von der GIA, seit Anfang 1999 unter dem Namen GSPC Leitung: Hassan HATTAB alias Abou HAMZA Mitglieder/Anhänger: In den Zahlen der FIS enthalten Eineinhalb Jahre nach der Wahl Abdelaziz Bouteflikas zum neuen Staatspräsidenten Algeriens hat sich das Land zunehmend nach außen geöffnet. Die innenpolitische Lage hat sich jedoch entgegen den Erwartungen, die an das von Bouteflika initiierte "Gesetz zur zivilen Eintracht" und des damit verbundenen Amnestiedekrets geknüpft waren, nicht grundlegend verbessert. Im Zuge einer nur schleppend vorankommenden Demokratisierung wurden zwar einzelne Oppositionsparteien wieder zugelassen; anderen wie der "Bewegung der Treue und Gerechtigkeit" (WAFA) blieb die Zulassung jedoch mit dem Argument verwehrt, sie sei Sammelbecken von Anhängern der FIS. In einem Interview mit einer algerischen Tageszeitung vom 8. September bestätigte Rabah KEBIR, Leiter der "Exekutivinstanz", dass es innerhalb der FIS Gespräche über eine Neugründung der Par- Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 211 tei in Algerien gibt. Ferner erneuerte er die Forderung nach Freilassung der beiden FIS-Führer MADANI und BELHADJ sowie der restlichen politischen Gefangenen in Algerien. Angeblich haben sich ehemalige Kämpfer der "Islamischen Heilsarmee" - AIS - (im Januar "selbstaufgelöster" militärischer Arm der FIS) aus Enttäuschung über die in ihren Augen fehlgeschlagene Politik der nationalen Aussöhnung in die Berge zurückgezogen und bereiten dort die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfs vor. GIA und GSPC setzten auch im Jahr 2000 ihre Bemühungen fort, GIA und GSPC die algerische Regierung mit terroristischen Mitteln zu stürzen, um setzen weiter auf einen islamistischen Staat zu errichten. Dabei lehnen beide OrganiTerror sationen im Gegensatz zur FIS weiterhin jeglichen Kompromiss mit der Regierung ab. Die GSPC löste die GIA als größte und aktivste islamistische Gruppe in Algerien ab. Die GIA in Algerien besteht offenbar nur noch aus versprengten Kleingruppen. Hinweise auf einen von der GSPC geplanten Anschlag auf die Rallye Dakar-Kairo führten Anfang des Jahres zu einer Unterbrechung des Rennens. Als Reaktion auf europaweite exekutive Maßnahmen gegen mutmaßliche Angehörige der GSPC im Vorfeld der FußballEuropameisterschaft war eine Drohung der Organisation zu sehen, die im Juli gegen die "gottlosen" Staaten ausgesprochen wurde. In einem von Hassan HATTAB, dem Emir der GSPC, unterschriebenen und mit dem Siegel der Gruppe versehenem Kommunique wurde insbesondere Frankreich aufgefordert, alle Mittel einzusetzen, um den inhaftierten "Brüdern" zu helfen. In Deutschland hielten sich GIA und GSPC mit terroristischen Aktionen bislang zurück. Angehörige beider Gruppen nutzen ihren Aufenthalt hier vielmehr zur logistischen und informellen Unterstützung ihrer in der Heimat gewalttätig operierenden Glaubensbrüder. Das Landgericht Frankfurt/M. verurteilte im Juni einen mutmaßlichen Anhänger der GIA zu 14 Jahren Freiheitsstrafe. Dieser hatte Ende Juni 1999 in Frankfurt/M. anlässlich einer Fahrzeugkontrolle das Feuer auf Polizeibeamte eröffnet und dabei vier Beamte verletzt. Im Jahr 2000 verstärkte sich die Tendenz, dass sich organisatorische Grenzen innerhalb der algerischen Islamisten in Europa zugunsten multinationaler Netzwerke auflösen, in denen "Arabische Mujahedin" (Kämpfer für die Sache Allahs; vgl. Nr. 3.2) eine zentrale Rolle spielen. Bericht 2000 212 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 3.2 Arabische Mujahedin (Kämpfer für die Sache Allahs) In Deutschland existieren mehrere Netzwerke "Arabischer Mujahedin", die sich bis ins europäische bzw. außereuropäische Ausland erstrecken. Diese Netzwerke werden größtenteils von Islamisten arabischer Herkunft gebildet, die als Anhänger des internationalen "Jihads" an Kampfeinsätzen in Afghanistan, Bosnien, Kaschmir oder Tschetschenien teilgenommen oder eine militärische bzw. terroristische Ausbildung in Afghanistan erhalten haben. Kennzeichnend für die ideologische Ausrichtung "Arabischer Mujahedin" ist ein pan-islamischer 205 Ansatz, der die Verteidigung der muslimischen Welt gegen "Ungläubige" propagiert, verbunden mit einer militanten Ablehnung der westlichen Gesellschaft und ihrer Werte. "Mujahedin"-Netzwerke werben junge Muslime für Ausbildungslehrgänge in Afghanistan an und unterhalten eine ausgedehnte Infrastruktur, u. a. zur Versorgung mit gefälschten Personaldokumenten. In diese Infrastruktur sind z. T. auch karitativ tätige islamische "Nichtregierungsorganisationen" eingebunden. Innerhalb des "Mujahedin"-Milieus wird der "Jihad" gegen den Westen besonders aggressiv von Anhängern der islamistischen Strömung "Takfir wa'l - Hijra" propagiert. Vor allem "Mujahedin", die dieser Strömung angehören, stehen in Verbindung mit der Organisation "Al-Qaida" (Die Basis) des saudiarabischen Staatsangehörigen Usama BIN LADEN, der im Verdacht steht, für Bombenanschläge auf US-amerikanische Einrichtungen in Riad/Saudi Arabien (13. November 1995), Dhahran/Saudi Arabien (26. Juni 1996) sowie die US-amerikanischen Botschaften in Nairobi/Kenia und Daressalam/Tansania (7. August 1998) verantwortlich zu sein. Erste Hinweise deuten auch auf eine Verwicklung "Arabischer Mujahedin" in die Anschläge auf den US-Zerstörer "Cole" im Hafen von Aden/Jemen und die dortige britische Botschaft am12. und 13. Oktober hin. Am 25./26. Dezember wurden in Frankfurt/M. vier mutmaßliche Angehörige einer MujahedinGruppierung verhaftet. In ihrem Besitz befanden sich Waffen, Sprengstoffgrundmaterialien, Zünder und Anleitungen zur Herstellung von Sprengsätzen. Verschiedene Indizien deuten darauf hin, dass die Gruppe Vorbereitungen für einen Anschlag in Westeuropa traf. 3.3 Ägyptische Islamisten "Al-Gama'a al-Islamiyya" (GI) (Islamische Gemeinschaft) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1971 (in Ägypten) Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger: nur Einzelne Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 213 Im Jahr 2000 verübte die "Al-Gama'a al-Islamiyya" (GI) keine Anschläge in Ägypten. Allerdings wurden Erklärungen eines nicht mehr zum Führungsgremium (Schura) gehörenden Mitglieds der GI veröffentlicht, in denen dieser im Namen der Organisation Anschläge auf israelische und US-amerikanische Ziele androhte. Innerhalb der Schura wurde daraufhin darüber diskutiert, ob die Anfang 1999 beschlossene Strategie der Gewaltfreiheit fortgesetzt werden soll. Im September bestätigte der Vorsitzende der Schura, Scheich Mustafa Hamza, die GI wolle sich an den seinerzeitigen Beschluss zur vollständigen Einstellung der militärischen Operationen innerund außerhalb Ägyptens halten. Gleiches gilt für die in Deutschland lebenden Anhänger einer weiteren islamistischen Organisation aus Ägypten, des "Jihad Islami" (JI). Ein hier lebender namhafter Angehöriger dieser Gruppe tritt, ebenso wie die Führung der GI, für einen Gewaltverzicht ein. Beide Organisationen halten an ihrem Ziel fest, die ägyptische Regierung zu beseitigen und einen islamistischen Staat zu errichten. Von der grundsätzlichen Bereitschaft, situationsbedingt in der Region auch Gewalt einzusetzen, ist allerdings weiterhin auszugehen. Mitglieder und Funktionäre beider Organisationen nutzen die Bundesrepublik im Wesentlichen als Ruheund Rückzugsraum. 3.4 Sonstige extremistische und terroristische Gruppen aus dem Nahen Osten 3.4.1 "Islamischer Bund Palästina" (IBP) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1981 (in München) Zentrale Begegnungsstätte: Islamisches Kulturund Erziehungszentrum Berlin e. V. Leitung: Führungsfunktionär Mitglieder: ca. 250 (1999: ca. 250) Der palästinensische Zweig der "Muslimbruderschaft" (MB) 206, die "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS), ist in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten weiterhin terroristisch aktiv. Nach (zeitweiliger) Unterbrechung der Friedensgespräche zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde Ende September rief die HAMAS anlässlich der neuerlichen Intifada zur "Einheit Bericht 2000 214 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern des palästinensischen Volkes in seinem Kampf gegen den zionistischen Feind" auf und betonte, sie kämpfe gemeinsam mit allen Palästinensern für die Befreiung des Landes, Jerusalems und der "Al Aqsa-Moschee". Sie rief die arabische und islamische Bevölkerung auf, die Intifada durch Spenden an wohltätige Institutionen zu unterstützen. Die in Deutschland lebenden, dem "Islamischen Bund Palästina" (IBP) angehörenden HAMAS-Anhänger standen dem israelisch-palästinensischen Friedensprozess von Anfang an ablehnend gegenüber. Redner auf der 19. Jahreskonferenz des IBP Anfang Juni in Berlin bezeichneten den Rückzug der israelischen Truppen im Südlibanon als Sieg der "Hizb Allah" (Partei Gottes; vgl. Nr. 3.4.2), der zeige, dass Israel nur unter Druck bereit sei nachzugeben. Anhänger der Die Anhänger der HAMAS beteiligten sich an zahlreichen bunHAMAS in desweit durchgeführten Kundgebungen und Demonstrationen Deutschland gegen das israelische Vorgehen in den palästinensischen Gebieten. unterstützen die Der in Aachen ansässige Spendenverein der HAMAS, "Al-Aqsa e. V.", neue "Intifada" durch rief wiederholt zu Spenden für die Opfer der "wieder in allen paläProtestaktionen stinensischen Gebieten ausgebrochenen Intifada" auf. 3.4.2 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1982 (im Libanon) Zentrale Begegnungsstätte: Islamisches Zentrum Münster Leitung: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger: ca. 800 (1999: 800) Publikationen: u. a. "Al Ahd" (Die Verpflichtung), wöchentlich Die "Hizb Allah" agiert im Libanon als politische Interessenvertretung der eines Teils schiitischen Bevölkerungsgruppe und mit ihrem militärischen Arm "Al Moqawama Al Islamiya" ("Islamischer Widerstand") als bewaffnete Organisation. Aufgrund ihres militärischen Kampfes und ihres breit gefächerten sozialen Engagements verfügt sie vor allem in den ärmeren schiitischen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 215 Siedlungsgebieten über eine starke Anhängerschaft. Die Organisation versucht seit einigen Jahren, ihre islamistischen Ziele nicht nur durch bewaffnete Aktionen, sondern zunehmend auch durch politisches Engagement im Libanon zu erreichen. Die Umwandlung des Libanon in einen islamistischen Staat nach Vorbild des Iran wird nicht mehr als zentrales Ziel propagiert, wiewohl die engen Verbindungen der "Hizb Allah" zum Iran fortbestehen. Die "Hizb Allah" ging aus den erstmals seit 22 Jahren auch im Südlibanon abgehaltenen Parlamentswahlen als Siegerin hervor. Insbesondere der Rückzug der israelischen Truppen aus der seit Sommer 1985 bestehenden Sicherheitszone dürfte zu diesem Erfolg beigetragen haben. Die etwa 15 Kilometer tiefe Sicherheitszone diente als Puffer, um den Norden Israels vor Angriffen der "Hizb Allah" bzw. ihrer Guerilla zu schützen. Der Rückzug Israels aus der Sicherheitszone wurde von den "Hizb Allah"-Anhängern auch in Deutschland als Sieg über Israel gefeiert. Der Generalsekretär der "Hizb Allah", Hassan NASRALLAH, rief am 28. Oktober die Palästinenser in der Region dazu auf, "die wahre Waffe" in der Konfrontation mit Israel zu ergreifen, wobei er betonte, dass die wichtigste Form von Widerstand gegen den Zionismus die Selbstmordoperation sei. Die Aktivitäten der unter iranischem Einfluss stehenden libanesischen "Hizb Allah"-Anhänger in Deutschland konzentrierten sich auf Versammlungen in Moscheen und die Teilnahme an Demonstrationen, z. B. am 2. Januar anlässlich des "Qhods"-Tages ("Jerusalem"-Tag) 207 in Berlin. Hieran nahmen etwa 1.600 Muslime verschiedener Nationalität teil, darunter u. a. Iraner, Türken, Libanesen, Iraker und Afghanen. Die Teilnehmer skandierten Parolen wie "Zionisten sind Faschisten", "Kindermörder Israel" und "USA und Israel raus aus Palästina - schnell". Seit Anfang Oktober kam es bundesweit zu Demonstrationen, die sich gegen das Vorgehen israelischer Sicherheitskräfte in der Heimatregion richteten. Diese wurden von Angehörigen verschiedener palästinensischer Gruppierungen organisiert, unter den Teilnehmern befanden sich auch "Hizb Allah"Anhänger. Bei den Demonstrationen wurden Forderungen nach einem unabhängigen Staat Palästina mit Jerusalem als Hauptstadt und die Rückkehr der Palästinenser in ihre Heimat thematisiert. Die Teilnehmer wandten sich "gegen die israelische Aggressionspolitik" und verbrannten israelische Fahnen. Weiterhin konzentrierten sich die Aktivitäten der "Hizb Allah"-Anhängerschaft in Deutschland auf die Vorbereitung von und Beteiligung an religiösen Festen und auf Spendensammlungen, deren Erlöse zum Teil in den Libanon fließen und dort vermutlich auch an Angehörige von umgekommenen Kämpfern weitergegeben werden. Bericht 2000 216 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 4. Iraner Die anhaltenden innenpolitischen Spannungen zwischen dem Lager der Reformer und den um ihren Machterhalt bemühten konservativen Kräften im Iran haben auch im Jahr 2000 die Aktivitäten der iranischen Opposition in Deutschland beeinflusst. Neben der Verletzung von Menschenrechten im Iran und der Abschiebepraxis westlicher Staaten gegenüber iranischen Asylbewerbern bestimmte insbesondere die Solidarität mit den Opfern der Studentenproteste vom Sommer 1999 Demonstrationen und Verlautbarungen iranischer Oppositioneller. Einen weiteren Schwerpunkt bildete für einen Großteil der in Deutschland ansässigen Exilopposition die Agitation gegen den Besuch des iranischen Staatspräsidenten Khatami im Juli in Berlin und Weimar. "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) gegründet: 1965 (im Iran) Sitz: Bagdad Leitung: Massoud RADJAVI Publikation: u. a. "Modjahed" (Glaubenskämpfer), wöchentlich "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1981 (in Paris), in Deutschland vertreten seit 1994 Sitz: Köln Leitung: Deutschlandsprecherin Dr. Masoumeh BOLOURCHI Mitglieder: ca. 900 (1999: 900) Die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) 208 - in Deutschland durch ihren weltweit agierenden politischen Arm "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) vertreten - konzentrierte ihre Aktivitäten im Wesentlichen darauf, den politisch-kulturellen Dialog zwischen Deutschland und dem Iran zu stören. Zudem war sie - wie in den vergangenen Jahren - bemüht, die iranische Führung im westlichen Ausland zu diskreditieren. Nach dem Misserfolg ihrer AktioAnhänger der nen während der Aufenthalte des iranischen Staatspräsidenten Volksmodjahedin Khatami im März 1999 in Italien und im Oktober 1999 in Frankreich protestieren gegen bildete die Propaganda gegen den Deutschlandbesuch Khatamis den Besuch vom 10. bis 12. Juli erwartungsgemäß den Schwerpunkt ihrer des iranischen Staatspräsidenten Aktivitäten. Mit zahlreichen Informationsständen in mehreren Städten, einer groß angelegten Unterschriftenkampagne sowie durch Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 217 Einflussnameversuche auf Personen des öffentlichen Lebens versuchte der NWRI bereits im Vorfeld, den Staatsbesuch zu verhindern. Den Höhepunkt dieser Protestkampagne bildete eine Demonstration mit ca. 7.000 Teilnehmern am 10. Juli in Berlin, die von einer Tarnorganisation des NWRI angemeldet worden war. Die Kundgebungsteilnehmer skandierten Parolen wie "Khatami ist ein Mörder" und "Khatami no - Radjavi yes". Aus dem MEK-Hauptquartier im Irak wurde eine Ansprache der im Jahre 1993 vom NWRI zur sog. "künftigen Präsidentin des Iran" gewählten Maryam RADJAVI auf Großleinwände am Brandenburger Tor übertragen. An der Kundgebung eines weiteren NWRI-Tarnvereins am 12. Juli 2000 in Weimar nahmen lediglich 300 Personen teil. Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen und das konsequente Vorgehen aller Sicherheitsbehörden konnten sowohl in Berlin als auch in Weimar verhindern, dass der Besuchsablauf durch militante Aktionen der Volksmodjahedin gestört wurde. Die Organisation sieht in militanten Störaktionen legitime Protestmittel. In der MEK-Publikation MODJAHED Nr. 442 vom 1. Juni 1999 heißt es hierzu: "Kundgebung, Protestmarsch, Tragen der Plakate und das Bewerfen mit Eiern und Tomaten sind traditionelle Protestmethoden. Diese Methoden benutzen auch die Anhänger des Widerstands." Dementsprechend bewarfen Anhänger der MEK anlässlich der Eröffnung einer iranischen Kunstausstellung am 26. September 2000 im Völkerkundemuseum Leipzig die Fahrzeugkolonne des iranischen Botschafters mit Farbeiern. Während der Eröffnungszeremonie beim "Nationentag Iran" auf der Weltausstellung EXPO 2000 kam es am 27. Oktober 2000 erneut zu Farbeierattacken gegen den iranischen Botschafter sowie die EXPO-Generalsekretärin. Zur Finanzierung seiner Aktivitäten setzte der NWRI seine systeIllegale matischen und zumeist illegalen Geldbeschaffungsmaßnahmen fort. Geldbeschaffung Dabei tritt die Organisation unter dem Namen verschiedener Tarndes NWRI vereine auf und setzt zuvor in Asylbewerberunterkünften rekrutierte Iraner unter der Anleitung erfahrener Aktivisten der Organisation in Bericht 2000 218 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern kleineren Gruppen von vier bis sechs Personen ein. Die Sammler geben vor, dass das Geld für humanitäre Zwecke wie Medikamente, Nahrungsmittel, Zelte und sonstige Hilfsmittel Verwendung findet. Es liegen überdies Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Organisation durch die Erschleichung von Sozialleistungen einen weiteren kontinuierlichen Geldzufluss sichert. Wegen des Verdachts der illegalen Spendenpraxis, der nahezu ausschließlichen Zweckentfremdung von Spendengeldern sowie der betrügerischen Praxis bei der Vermittlung von Kinderpatenschaften ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen die Vorstandsmitglieder der mit dem NWRI in Verbindung gebrachten "Flüchtlingshilfe Iran e. V." (FHI). In diesem Zusammenhang wurden im März 2000 die Vereinsräume der FHI sowie Privatwohnungen von Vorstandsmitgliedern in Hamburg und Bergisch Gladbach durchsucht. Vereine für Zur Durchführung seiner propagandistischen und finanziellen verschiedenste Aktivitäten bedient sich der NWRI u. a. folgender Vereine, die seiZielgruppen nem Einflussbereich zugerechnet werden können: "Iranische moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V." (IMSV), Köln "Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e. V." (VIDA), Bremen "Iranische Flüchtlingskinderhilfe e. V." (IFKH), Köln "Frauen für Demokratie im Iran e. V.", Köln, Heidelberg "Verein der Künstler und Schriftsteller des iranischen Widerstandes e. V." (VKSIW), Köln "Gesellschaft iranischer Flüchtlinge e. V." (GIV), Köln "Verein zur Eingliederung iranischer Flüchtlinge e. V." (VEIF), Darmstadt "Verein zur Förderung der Musik Irans e. V.", Frankfurt/M. "Iran Solidaritätsverein Göttingen e. V.", Göttingen "Iran Solidaritätsverein Hannover e. V.", Hannover "Solidaritätszentrum der Iraner/innen e. V.", Kassel "Hilfswerk für Kinder e. V.", Düsseldorf In ihrem Kampf gegen die iranische Führung verfolgt die MEK eine Doppelstrategie. Neben der politischen Agitation und den Geldbeschaffungsmaßnahmen des NWRI führen bewaffnete Kräfte der Organisation auf iranischem Boden einen Guerillakampf. Zu diesem Zweck unterhält die MEK im irakisch-iranischen Grenzgebiet die "Nationale Befreiungsarmee" (NLA), eine von Frauen dominierte Rebellenarmee mit derzeit etwa 5.000 Kämpfern, die vom Irak militärisch ausgebildet und bewaffnet wurden. Auch im Jahr 2000 war die Organisation bestrebt, Anhänger in Deutschland sowie in anderen westlichen Gastländern für einen Einsatz in der NLA zu rekrutieren. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 219 In Deutschland eingesetzte NWRI-Verantwortliche waren zuvor mit Führungsaufgaben in der NLA betraut und kehrten nach Erfüllung ihrer meist zeitlich begrenzten Aufträge in die Lager der Rebellenarmee zurück. 5. Tamilen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Basisdaten für Deutschland gegründet: 1972 (in Sri Lanka) Sitz: Oberhausen Leitung: Führungskader der deutschen Sektion Mitglieder/Anhänger: ca. 750 (1999: ca. 750) Publikationen: u. a. "Kalathil" (Auf dem Schlachtfeld), vierzehntäglich Trotz Friedensbemühungen unter internationaler Vermittlung erreichten die Kämpfe zwischen den tamilischen Separatisten der LTTE und den singhalesischen Regierungstruppen in Sri Lanka im Jahr 2000 einen neuen Höhepunkt. In einer groß angelegten Offensive versuchten die LTTE, die mehrheitlich von Tamilen bewohnte, im Norden Sri Lankas gelegene Halbinsel Jaffna vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen und mit gezielten Terrorakten vor allem die Situation vor den Parlamentswahlen (10. Oktober) zu beeinflussen. Erneut waren insbesondere Politiker und Sicherheitskräfte Ziele von Selbstmordattentätern. Deutschland dient den LTTE in erster Linie als Basis zur Finanzierung ihres politischen und militärischen Kampfs in Sri Lanka. Um die hierzu erforderlichen Geldmittel aufzubringen, richten ihre Hilfsund Tarnorganisationen zahlreiche "Heldengedenktage" und Kulturveranstaltungen mit zum Teil mehreren tausend Teilnehmern aus. Im Verlauf solcher Veranstaltungen werden regelmäßig Spendengelder gesammelt und Propagandamaterial verkauft. Daneben finden Haussammlungen statt. Hierbei wurde auch versucht, hohe Spendensummen unter Hinweis auf den Opfermut der in der Heimat Kämpfenden zu erzielen. Es gibt Anhaltspunkte, dass sich die Organisation auch wirtschaftlich betätigen will. Die Gesamtsumme der Einnahmen beläuft sich auf mehrere Millionen Mark jährlich. Die Propaganda der LTTE bzw. ihres Umfelds hat - trotz behaupteter Friedensbereitschaft - an Schärfe zugenommen. Unter dem Bericht 2000 220 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Titel "We are Tamil Tigers" beschreiben unbekannte Verfasser einer im Internet veröffentlichten Erklärung - von den LTTE unwidersprochen - die territoriale Ausdehnung des von ihnen angestrebten Staates "Tamil Eelam", der letztendlich ganz Sri Lanka und den südindischen Bundesstaat Tamil Nadu umfassen solle. In diesem Zusammenhang drohen die Autoren, jeden zu töten, der sich ihnen auf dem Weg dahin entgegenstelle. Derartige öffentliche Drohungen waren bisher nicht bekannt und verleihen der Agitation eine neue Qualität. Mit Informationsständen und Demonstrationen versuchen die LTTE, die deutsche Öffentlichkeit für ihre Sache zu interessieren. So demonstrierten am 5. Juni etwa 800 Tamilen in Düsseldorf. Sie führten LTTE-Fahnen und Transparente mit, auf denen u. a. eine internationale Intervention in Sri Lanka, ein Abschiebestopp für asylsuchende Tamilen und die Einstellung der Entwicklungshilfe an Sri Lanka gefordert wurde. An einer Veranstaltung zum "Heldengedenktag" am 25. November in Dortmund nahmen mehrere tausend Personen teil. 6. Kosovo-Albaner "Volksbewegung von Kosovo" (LPK) gegründet: 1982 (im Kosovo) Leitung: Kosovo/Schweiz, in Deutschland nur partielle Strukturen Mitglieder: ca. 150 (1990: 500) Publikationen: "Zeri i Kosoves" (Die Stimme Kosovos), erscheint nicht mehr im Bundesgebiet Die LPK verfolgt nach wie vor das Ziel eines "Großalbaniens", das Albanien, Kosovo sowie von Albanern bewohnte Teile Südserbiens, Mazedoniens, Montenegros und Griechenlands umfassen soll. Die Zahl der Mitglieder und Anhänger der Organisation in Deutschland ist nach dem Ende des Krieges in Serbien und dessen Provinz Kosovo (24. März bis 10. Juni 1999) deutlich zurückgegangen; die Möglichkeit, an der politischen Entwicklung im Kosovo mitzuwirken, hat Funktionäre und viele Anhänger der LPK in Deutschland zur Rückkehr veranlasst. Die wenigen noch bestehenden Verbände in Süddeutschland zeigten kaum noch Aktivitäten; die Spendenbereitschaft für die Organisation im Kosovo erlahmte. Der Kampf der "Befreiungsarmee von Presevo, Medvedja und Bujanovac" (UCPMB) 209 wird aber weiterhin begrüßt. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 221 7. Annex: Schleusungsaktivitäten Deutschland stellt für illegale Migranten nach wie vor ein bevorzugtes Zielland dar. Dementsprechend umfangreich sind auch die Aktivitäten krimineller Schleuserorganisationen. Es gibt bisher keine Belege dafür, dass auch extremistische Ausländerorganisationen allein aus Gewinnstreben oder zur Finanzierung ihrer Aktivitäten illegal Migranten in die Bundesrepublik schleusen. Allerdings liegen Hinweise vor, dass einige dieser Organisationen versuchen, von kriminellen Schleuserorganisationen Spendengelder einzufordern. Darüber hinaus gibt es Hinweise aus dem Bereich militanter Tamilenund Sikhorganisationen, z. B. den "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE; vgl. Nr. 5), wonach diese Landsleute nach Deutschland schleusen, um von ihnen hier Spenden einfordern zu können. Extremistische Ausländerorganisationen schleusen jedoch ihre Schleusungen eigenen Funktionäre und Mitglieder. Um ihre Aktivitäten zu versichern die Aktionsschleiern, bedienen sie sich hierbei nur in Einzelfällen der Mithilfe und Funktionsfähigkeit "professioneller Schleuser". Im Wege der Einschleusung werden extremistischer Funktionäre ausgetauscht und Organisationsangehörige in verAusländermeintlich sichere Rückzugsräume verbracht. Durch Ausschleusunorganisationen gen werden in Deutschland rekrutierte Aktivisten in die jeweiligen Heimatländer bzw. Kampfgebiete entsandt, um dort den bewaffneten Kampf zu unterstützen. Illegal reisende Kuriere tragen durch den Transport von Pässen, Geldern und vor allem militärischen Materials erheblich zur Aufrechterhaltung der Aktionsfähigkeit der Organisationen bei. Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK; vgl. Nr. 1.2) ist im Bereich Schleusungen besonders aktiv. Sie verfügt für diesen Zweck über eine eigene, konspirativ arbeitende Organisationseinheit, das "ÜLKEBüro" ("Heimatbüro"). Die hier tätigen Funktionäre bzw. Mitglieder sind in erster Linie für die Beschaffung und Verfälschung der für die Reisen von Funktionären und Kurieren erforderlichen Ausweisdokumente sowie die Organisation der Reisen zuständig. Sie haben keinen festen Stützpunkt, sondern reisen in Ausübung ihres Auftrags für die Organisation in ganz Deutschland und im Ausland umher. Im Jahr 2000 ergingen mehrere strafgerichtliche Urteile gegen Funktionäre der PKK, in denen diesen u. a. eine Betätigung bzw. Verantwortung für das "ÜLKE-Büro" nachgewiesen wurde (vgl. Nr. 1.2.5). Im Bereich türkischer linksextremistischer Organisationen wurden bei der "Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C; vgl. Nr. 2.2.1) und der "Türkischen Kommunistischen Partei/MarxisBericht 2000 222 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ten-Leninisten" (TKP/ML; vgl. Nr. 2.2.3) Schleusungsaktivitäten festgestellt. Ebenso wie die PKK nutzen auch diese Organisationen für Einschleusungen nach Deutschland überwiegend den Landweg. Die Schleusungsrouten werden jeweils in Abhängigkeit vom Zielland ausgewählt. Für Schleusungszwecke werden vorzugsweise verfälschte türkische Ausweisdokumente benutzt, die mit langfristig gültigen deutschen Aufenthaltsgenehmigungen versehen sind. Es fallen auch immer wieder Hinweise an, dass den Organisationen Ausweisdokumente in Deutschland als asylberechtigt anerkannter Personen zur Verfügung gestellt werden. Auch von algerischen islamistischen Gruppen (vgl. Nr. 3.1) wie der "Islamischen Heilsfront" (FIS), der "Bewaffneten Islamischen Gruppe" (GIA) und der aus der GIA hervorgegangenen "Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf" (GSPC) sowie von der libanesischen extremistisch-schiitischen "Hizb Allah" (Partei Gottes; vgl. Nr. 3.4.2) gehen Schleusungsaktivitäten aus. Einige dieser Organisationen haben für ihre Schleusungen logistische Stützpunkte in verschiedenen Ländern, u. a. auch in Deutschland, aufgebaut. In jüngster Zeit mehren sich zudem Hinweise auf Schleusungen im Bereich "Arabischer Mujahedin" (vgl. Nr. 3.2). Dabei ist das Bundesgebiet häufig nicht Zielland der Schleusungen, sondern Zwischenetappe für die Weiterschleusung in andere, vor allem westeuropäische Länder, aber auch in die USA und nach Kanada. IV. Agitationsund Kommunikationsmedien 1. Periodische Publikationen Im Jahr 2000 wurden von extremistischen Ausländergruppierungen 73 (1999: 76) regelmäßig erscheinende Schriften herausgegeben. Von diesen propagierten 47 linksextremistische (1999: 50), 22 islamistische (1999: 21) und 4 extrem-nationalistische (1999: 5) Positionen. Wie in den Vorjahren wurden die meisten Schriften, nämlich 24, von linksextremistischen türkischen Gruppierungen (1999: 26) herausgegeben. Die Zahl der Schriften arabischer Islamisten und kurdischer Extremisten blieb mit 14 bzw. 13 gegenüber dem Vorjahr unverändert. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 223 2. Neue Kommunikationsmedien/Internet Ausländische extremistische Organisationen nutzen das Internet mit stark zunehmender Tendenz zur Selbstdarstellung und zu Propagandazwecken. Auch die Zahl der Diskussionsforen, die in allen Bereichen des Ausländerextremismus der Kommunikation unter den Anhängern dienen, nahm zu. Selbst kleinere Organisationen bedienen sich inzwischen dieses Mediums. Fast jede in Deutschland aktive ausländische extremistische Organisation hat zwischenzeitlich ihre eigene Homepage. Zumindest einzelne Gruppierungen setzen das Internet auch zur weltweiten und unbeobachteten Kommunikation innerhalb ihrer Organisation ein. Zu den Aktivitäten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK; vgl. Kap. III, Nr. 1.2) wurde eine Vielzahl von Informationen über die Internetseiten kurdischer Informationszentren wie z. B. das "Kurdistan Informatie Centrum" (KIC) in Amsterdam oder das "Kurdistan Informations-Zentrum" (KIZ) in Berlin verbreitet. Erklärungen und Berichte der PKK wurden zeitnah eingestellt. Ein Schwerpunktthema war die Situation Abdullah ÖCALANs. Die Internetaktivitäten der "Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C; vgl. Kap. III, Nr. 2.2.1) waren neben allgemeiner Propaganda vom Hungerstreik ihrer Aktivistin Fehriye ERDAL und den Aktionen der Organisation zur Verhinderung der drohenden Auslieferung an die Türkei bestimmt. Auch islamistische Organisationen nutzten verstärkt das Internet als Kommunikationsund Propagandamittel. Insbesondere die Zahl der arabischsprachigen Homepages ist gestiegen. Von der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG; vgl. Kap. III, Nr. 2.3.2), die Ende 1999 damit begonnen hatte, ihr Internetangebot neu zu strukturieren, stand lediglich die türkischsprachige Seite zur Verfügung. Bericht 2000 224 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Auf der Internetseite des "Kalifatsstaates" (vgl. Kap. III, Nr. 2.3.1) wurde ausführlich über den Prozess gegen den Leiter der Organisation Metin KAPLAN berichtet. Neben Kommentaren zu jedem einzelnen Verhandlungstag enthielt die Seite auch persönliche Stellungnahmen KAPLANs zu dem Prozess und zu seiner Situation in der Untersuchungshaft. Die libanesische "Hizb Allah" (Partei Gottes; vgl. Kap. III, Nr. 3.4.2) bot seit Anfang des Jahres auf ihrer Homepage aktuelle Berichte und Erklärungen lediglich in arabischer Sprache an. Schwerpunktthema war der Rückzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon. Die palästinensische "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS; vgl. Kap. III, Nr. 3.4) verstärkte massiv ihr Angebot an aktuellen Berichten und Presseerklärungen im Internet. Fast tagesaktuell erschienen auf der Homepage Kommentare oder Berichte. Hauptthema waren die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern und die Ende September wieder aufgeflammten gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die wichtigsten Berichte waren in der Regel in arabischer Sprache abgefasst. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 225 V. Übersicht über weitere erwähnenswerte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder/Anhänger Publikationen - einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise) 2000 (1999) Türken (ohne Kurden) "Föderation der türkisch-democa. 7.800 (ca. 7.800) "Türk Federasyon Bülteni" kratischen Idealistenvereine (Bulletin der Türk-Föderation) in Europa e. V." (ADÜTDF) - monatlich - "Föderation der demokratischen ca. 700 (ca. 800) "Tatsachen" Arbeitervereine e. V." (DIDF) - zweimonatlich - "Front der islamischen Kämpfer Einzelmitglieder u. a. "Furkan" des Großen Ostens" (IBDA-C) (Die Rettung), "Akademya" (Die Akademie), "Haberci" (Der Bote) - alle unregelmäßig - Kurden Irakische Organisationen - "Demokratische Partei ca. 400 (ca. 400) Kurdistans/Irak" (DPK-I) - "Patriotische Union Kurdistans" (PUK) Araber "Hizb Al Da'Wa Al Islamiya" ca. 150 (ca. 150) "Al Jihad" (DA'WA) (Heiliger Krieg) (Partei des islamischen Rufs/der - wöchentlich - islamischen Mission) "Gruppen des libanesischen ca. 200 (ca. 200) "Amal" (Hoffnung) Widerstandes" (AMAL) - wöchentlich - Iraner "Union islamischer ca. 100 (ca. 150) u. a. "Qods" Studentenvereine" (U.I.S.A.) (Jerusalem) - unregelmäßig - Sikhs "International Sikh Youth ca. 600 (ca. 600) Federation" (ISYF) "Babbar Khalsa ca. 200 (ca. 200) International" (BK) "Kamagata Maru Dal ca. 50 (ca. 50) International" (KMDI) Bericht 2000 226 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2000 228 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick Deutschland bleibt Ungeachtet der weltpolitischen Veränderungen der letzten Jahre Aufklärungsziel und der partiellen Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten ehemaliger Ostblockstaaten ist Deutschland auch weiterhin ein bevorzugtes Aufklärungsziel fremder Nachrichtendienste geblieben. Die gegen deutsche Interessen gerichteten nachrichtendienstlichen Aktivitäten stellen sich jedoch heute vielfältiger und damit unübersichtlicher dar als zu Zeiten der "Ost-West-Konfrontation", als es vornehmlich die Dienste der DDR und der Sowjetunion waren, die die Aufmerksamkeit der Spionageabwehr erforderten. NachrichtenHeute sind es neben den Nachrichtendiensten der Russischen dienstliche Gegner Föderation und einiger anderer Republiken der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)210 in verstärktem Maße auch die Dienste aus Staaten des Nahen-, Mittlerenund Fernen Ostens, die nachrichtendienstliche Aktivitäten in Deutschland entfalten. Ausspähungsbereiche Während die Dienste aus Republiken der GUS insbesondere an Informationen aus den "klassischen" Bereichen Politik, Wirtschaft, Militär, Wissenschaft und Forschung interessiert sind, richtet sich das Aufklärungsinteresse der nah-, mittelund fernöstlichen Staaten daneben vorwiegend auf die Ausforschung und Unterwanderung in Deutschland ansässiger Organisationen und Personen, die in Opposition zum Regime des eigenen Staates stehen. Um ihre Ziele zu erreichen, sind sie auch bereit, Gewalt anzudrohen und anzuwenden. Schließlich bemühen sich einige Länder unverändert darum, in den Besitz atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen sowie der dazu erforderlichen Trägersysteme zu gelangen bzw. das zu deren Herstellung notwendige Know-how zu erwerben (Proliferation). II. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation 1. Aktuelle Situation und Aufgaben der Dienste, personelle und strukturelle Veränderungen Veränderungen Die Wahl Wladimir Putins211 zum neuen Präsidenten der Russischen nach der Wahl Föderation am 26. März bewirkte Veränderungen im gesamten Putins Staatsapparat des Landes wie auch bei den Nachrichtendiensten. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 229 Sein Regierungsprogramm ist auf internationaler Ebene darauf ausgerichtet, der russischen Wirtschaft auf dem Weltmarkt Geltung zu verschaffen und den Status Russlands als Großmacht wieder zu stärken. Im nationalen Bereich propagiert Putin einen starken Staat, dem er mit einer "Diktatur der Gesetze" Geltung verschaffen will. Dadurch sollen nach seinen Vorstellungen eine Stabilisierung des Staatswesens, die Lösung der Finanzprobleme, die beschleunigte Entwicklung zur Marktwirtschaft und eine Befriedung der Kaukasusregion erreicht sowie die territoriale Einheit Russlands erhalten werden. Zur Durchsetzung seiner politischen Vorgaben ist Putin auf die Unterstützung durch die russischen Staatsorgane, vor allem aber auch auf die Loyalität und die Leistungsfähigkeit der Nachrichtenund Sicherheitsdienste angewiesen. Auf Grund seiner langjährigen Zugehörigkeit zum sowjetischen Ehemalige KGB und seiner früheren Funktion als Direktor des russischen NachrichtendienstInlandsgeheimdienstes betrachtet Putin die Nachrichtenund Sichermitarbeiter übernehmen heitsdienste als Organisationen, deren Leitungspersonal er für Führungspositionen befähigt hält, auch politische Ämter und staatliche Führungspositionen zu übernehmen. Deshalb besetzt er verstärkt wichtige Positionen im Regierungsapparat und in der obersten Staatsverwaltung sowie bei den Geheimdiensten selbst mit ehemaligen Weggefährten aus seiner Heimatstadt St. Petersburg und langjährigen Vertrauten aus Geheimdienstkreisen. Putin sagte im März gegenüber dem US-Fernsehsender ABC, "ich Putins Kreis habe Menschen aus kompetenten Organisationen, die unbefleckt sind und keine Verbindung zur Korruption haben, in meinen innersten Kreis gebracht." Dies sei auch die Antwort auf die Frage, warum er sich mit Exgeheimdienstlern umgebe. Beispielsweise hat Putin bereits Ende 1999, in seiner damaligen IWANOW Funktion als Premierminister, vorgeschlagen, den stellvertretenden Leiter des Inlandsnachrichtendienstes, Sergej IWANOW, zum Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates zu ernennen. Er brachte IWANOW damit an die Spitze einer Institution, die über große Einflussmöglichkeiten auf die Struktur und die Tätigkeit der russischen Geheimdienste verfügt. Putin und IWANOW stammen beide aus St. Petersburg, sind Altersgenossen und kennen sich seit ihrer gemeinsamen Ausbildung beim KGB in den 70er Jahren. Während des Wahlkampfs um das Amt des Präsidenten der TSCHERKESOW Russischen Föderation war der ebenfalls aus St. Petersburg stammende Erste Stellvertretende Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes, Wiktor TSCHERKESOW, in das "Strategische Wahlzentrum" abgeordnet worden und bereitete dort Putins Wahlkampf Bericht 2000 230 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten vor. Seit Mai ist TSCHERKESOW persönlicher Sonderbevollmächtigter Putins für die Kontrolle der Gebietsregion im Nordwesten Russlands, einschließlich St. Petersburg. POLTAWTSCHENKO Unter den übrigen Bevollmächtigten in den neu deklarierten sieben Großbezirken Russlands befindet sich noch ein weiterer General des ehemaligen KGB aus St. Petersburg: Georgij POLTAWTSCHENKO, zuständig für die Kontrolle der Region Moskau und Umgebung. TRUBNIKOW Im Mai hat Putin den Leiter des zivilen Auslandsaufklärungsdienstes, Wjatscheslaw TRUBNIKOW, aus dem Nachrichtendienst herausgelöst und ihm politische Aufgaben übertragen. TRUBNIKOW wurde zum stellvertretenden russischen Außenminister und Sondergesandten Putins für die Beziehungspflege mit den Staaten der GUS ernannt. IWANOW Auch der stellvertretende Leiter der Staatskanzlei des russischen Präsidenten, General Viktor IWANOW, kommt aus St. Petersburg. Er wechselte Anfang 2000 aus seiner Position als stellvertretender Direktor des Inlandsnachrichtendienstes in die Präsidialadministration. Damit deutet alles darauf hin, dass der Stellenwert der russischen Geheimdienste durch den Präsidentenwechsel eine Stärkung erfahren hat. Die Russische Föderation verfügt über folgende Nachrichtenund Sicherheitsdienste, deren Aufgabenzuweisungen in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben sind: SWR - Der zivile russische Auslandsaufklärungsdienst SWR bemüht sich vorwiegend um die Beschaffung von Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Darüber hinaus versucht er, westliche Nachrichtenund Sicherheitsdienste durch Gegenspionage zu unterwandern und auszuforschen. LEBEDEW Der SWR verfügt über ca. 15.000 Mitarbeiter und wird seit dem neuer Leiter 20. Mai 2000 von General Sergej LEBEDEW geleitet, der als Deutschlandexperte gilt. Zwischen 1979 und 1995 war er über 13 Jahre als operativ tätiger Geheimdienstoffizier der sowjetischen, später russischen Auslandsaufklärung auf diplomatischen Tarndienstposten bei russischen Auslandsvertretungen in Deutschland eingesetzt. Darunter befanden sich die Sowjetische bzw. ab 1992 die Russische Botschaft in Bonn, die damalige Sowjetische Botschaft in Ostberlin sowie das damalige Sowjetische Generalkonsulat im Westen der Stadt. Zuletzt bekleidete er die Position des Residenten, der als ranghöchster Operativoffizier seines Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 231 Dienstes auf deutschem Boden für alle nachrichtendienstlichen Aktivitäten des SWR in Deutschland verantwortlich war. Etwa Mitte 1995 übernahm LEBEDEW in der SWR-Zentrale in Moskau die Leitung des Regionaldepartements für politische Aufklärung in Mittelund Osteuropa. Von 1998 bis Mai 2000 war er als offiziell deklarierter Resident des SWR an der Russischen Botschaft in Washington eingesetzt. - Der dem russischen Verteidigungsministerium unterstellte GRU militärische Auslandsaufklärungsdienst GRU zählt etwa 12.000 Mitarbeiter und wird von Generaloberst Walentin KORABELNIKOW geführt. Der Zuständigkeitsbereich des Dienstes umfasst die Aufklärung des gesamten militärischen Komplexes. Er betreibt vor allem militärpolitische, strategische, taktische und geografische Informationsbeschaffung. Zusätzlich versucht er, an militärisch nutzbare wissenschaftliche Forschungsergebnisse, an technologische Produkte und an Informationen aus der Rüstungstechnik zu gelangen. Dabei gilt das Interesse auch zivilen Produkten mit militärischen Anwendungsmöglichkeiten. - Der FSB ist ein Inlandsnachrichtendienst, dem unter der Leitung FSB von Generalleutnant Nikolaj PATRUSCHEW etwa 100.000 Mitarbeiter angehören dürften. Seine Hauptaufgaben liegen in der zivilen und militärischen Spionageabwehr sowie in der Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität. Insbesondere wegen seiner Zuständigkeit bei der Verbrechensbekämpfung ist der FSB auch Strafverfolgungsbehörde und zu diesem Zweck mit umfangreichen Exekutivbefugnissen ausgestattet. Weitere Aufgaben des Dienstes sind die Beobachtung des politischen Extremismus sowie die Förderung der marktwirtschaftlichen Entwicklung in Russland durch "Schutzmaßnahmen" in der eigenen Industrie und bei ausländischen Investoren. Unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. bei der Bekämpfung von Wirtschaftsspionage oder der grenzüberschreitenden Organisierten Kriminalität, ist der Dienst gesetzlich befugt, unter Abwehrgesichtspunkten auch in gewissem Umfang Auslandsaufklärung zu betreiben. Seit März berichtete die internationale Presse übereinstimmend, Überwachung der FSB betreibe in Russland eine umfangreiche Internet-Überdes Internet wachung. Alle russischen Anbieter von Internet-Zugängen seien durch eine ministerielle Anordnung mit Gesetzescharakter verpflichtet worden, vom FSB Abhörtechnik zu erwerben und zu installieren, um dem Dienst einen ständigen Zugriff auf den Datenverkehr zu ermöglichen. So sei der FSB in der Lage, die Internet-Kommunikation von Privatpersonen und Unternehmen Bericht 2000 232 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten in Russland zu überwachen. Das bedeutet, dass auch ausländische Staatsangehörige und Firmenniederlassungen, die sich in Russland des Internet bedienen, mit einer Überwachung durch den FSB rechnen müssen. FAPSI - Die Agentur für Regierungsfernmeldewesen und Information ist ein Fernmeldespezialdienst, der sowohl Aufklärungsals auch Abwehraufgaben wahrnimmt. Der Dienst wird von Generalleutnant Wladimir MATJUCHIN geleitet und verfügt - unter Einbeziehung der russischen Fernmeldetruppen, die dem Dienst ebenfalls unterstehen - über etwa 120.000 Mitarbeiter. Zu den Aufgaben der FAPSI gehört die Fernmeldeund elektronische Aufklärung und damit die planmäßige Überwachung, Aufzeichnung und Entschlüsselung des internationalen Funkverkehrs sowie der drahtlosen Telekommunikation mit Hilfe moderner Nachrichtentechnik. Im Abwehrbereich ist der Dienst für den Betrieb wichtiger staatlicher Nachrichtenverbindungen, z. B. der Regierung und der Armee, sowie für Schutzmaßnahmen gegen Abhörversuche verantwortlich. Auch in die kommerzielle Nutzung von Nachrichtentechnik ist die FAPSI einbezogen. Sie erteilt Betreiberlizenzen für Kommunikationstechnik, ist für die Vergabe der Funkkanäle und Frequenzen, z. B. bei Banken und Industrieunternehmen, zuständig und genehmigt den Einsatz von Verschlüsselungsverfahren. FSO - Der Schutzdienst FSO hat die Aufgabe, die Sicherheit und die Unversehrtheit des russischen Präsidenten und der Regierungsmitglieder zu gewährleisten. Das umfasst alle Sicherheitsangelegenheiten im Zusammenhang mit der russischen Staatsführung, z. B. den Personenschutz, den Objektschutz an Regierungsgebäuden und den Privatwohnungen des Präsidenten und der Kabinettsangehörigen, die Spionageabwehr innerhalb der Präsidialverwaltung sowie die Sicherheitsüberprüfung der dort beschäftigten Mitarbeiter. Der Dienst verfügt über eine Spezialeinheit und Sondermilizen für "besondere Aufgaben". Auf Weisung des russischen Präsidenten kann er spezielle Abwehr-, Überwachungsoder Aufklärungsaufträge ausführen. Dem FSO, der zumindest bis Mai 2000 von Generalleutnant Jurij KRAPIWIN geleitet wurde, dürften zwischen 30.000 und 35.000 Mitarbeiter angehören. Berichte über Berichte russischer Medien deuten darauf hin, dass es ab Mai personelle und auf der Leitungsebene des FSO zu personellen Veränderungen strukturelle sowie zu Korrekturen in der Organisationsstruktur und AufVeränderungen gabenverteilung gekommen ist. Danach sei Jewgenij MUROW neuer Leiter des FSO, und die Diensteinheit, die für die Sicherheit Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 233 des Präsidenten und dessen Personal verantwortlich ist, werde nun von Wiktor SOLOTOW geleitet. - Der Grenzschutzdienst ist für den Schutz und die Bewachung der FPS Außengrenzen des russischen Staatsgebietes verantwortlich. Er verfügt über mehr als 200.000 Mitarbeiter und steht unter dem Oberkommando von Generaloberst Konstantin TOTZKIJ. Zur Erfüllung seiner Aufgaben ist der FPS auch befugt, mit einem nachrichtendienstlich tätigen Truppenteil, der "Verwaltung Aufklärung", auf fremdem Territorium - vornehmlich in grenznahen Regionen der russischen Nachbarstaaten - Auslandsaufklärung zu betreiben. Die Mitarbeiter des FPS werden auch als Grenzkontrollpersonal eingesetzt. Von diesen Aktivitäten können die verschiedenen russischen Geheimdienste profitieren. 2. Aufklärungsziele und Methoden der russischen Nachrichtendienste Die klassischen Zielbereiche Politik, Wirtschaft, Aufklärungsziele Wissenschaft und Technologie, der militärische Komplex sowie die westlichen Nachrichtenund Sicherheitsdienste bilden weiterhin den Schwerpunkt der russischen Auslandsaufklärung. Ihre Gewichtung richtet sich nach den Vorgaben der russischen Staatsführung oder wird von aktuellen Ereignissen sowie Entwicklungstendenzen bestimmt. Ein Aufklärungsziel, dem die russischen Dienste - insbesondere NATO die GRU - seit Jahren besondere Bedeutung beimessen, ist die NATO. Es wird versucht, sowohl Informationen über die NATO-Politik als auch über die militärischen Mittel und Möglichkeiten des Bündnisses zu erlangen. Auch die Europäische Union (EU) steht im Blickfeld der russischen EU Dienste und ist insbesondere Zielobjekt der politischen Informationsbeschaffung des SWR. Von Interesse sind Informationen über die Entwicklung der EU, über die potenziellen Beitrittskandidaten sowie über die Haltung der EU zu den Konflikten auf dem Balkan und im Kaukasus. Die Grundvorgaben zur Ausforschung der Zielländer werden von Steuerung aus den den Zentralen der Dienste in Moskau festgelegt. Zum Teil gehen die Zentralen Bericht 2000 234 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten sich daran anknüpfenden nachrichtendienstlichen Aktivitäten von den Zentralen selbst aus. So gibt es z. B. für eine geheimdienstliche Agententätigkeit geworbene Personen, die ausschließlich vom Zentralapparat des SWR oder der GRU angeleitet und geführt werden. NachrichtenDie Zentralen der russischen Dienste nutzen außerdem die Mögdienstliche Arbeit in lichkeit, hauptamtliche Mitarbeiter, getarnt als Privatoder GeDeutschland schäftsreisende, mit nachrichtendienstlichen Aufträgen in die Zielländer zu entsenden. Zumindest ein Teil der Visaanträge, die in großer Anzahl von bereits enttarnten Nachrichtendienstoffizieren für eine Einreise nach Deutschland gestellt wurden, stand im Zusammenhang mit Geheimdienstaktivitäten. Darüber hinaus können die russischen Aufklärungsdienste auf hauptamtliche Mitarbeiter zurückgreifen, die an Legalresidenturen (vgl. Nr. 4) eingesetzt werden. Zusätzlich erfolgt die verdeckte Unterbringung von Nachrichtendienstoffizieren in der Privatwirtschaft, z. B. in Handelsunternehmen mit russischer Kapitalbeteiligung oder -mehrheit in Deutschland. Aufklärung in Neben diesen Aktivitäten auf deutschem Territorium wird auch Russland das eigene Hoheitsgebiet in die nachrichtendienstliche Strategie einbezogen. Im Blickfeld des Inlandsdienstes FSB stehen deutsche Staatsangehörige - z. B. das Personal an den deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen, Geschäftsleute und Firmenvertreter -, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit oder ihres persönlichen Umfeldes in der Lage sind, interessante Informationen oder Produkte zu beschaffen. Offene InformationsZu den Arbeitsmethoden der russischen Aufklärungsdienste gewinnung gehören sowohl die offene Informationssammlung als auch die konspirative, verdeckte Nachrichtenbeschaffung. So nutzen die Dienste Informationsquellen, die der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, wie Fachinformationszentren, Bibliotheken, Datenbanken, Industriemessen oder das Internet. Konspirative Bei ihren konspirativen Beschaffungsaktivitäten, zu denen auch Nachrichtendie Gesprächsabschöpfung gehört, verschleiern die Geheimdienstanbeschaffung gehörigen ihre wahren Absichten und versuchen "unter falscher Flagge" - z. B. unter der Tarnung als Diplomat oder Journalist - an nachrichtendienstlich interessante Informationen zu gelangen. Zusätzlich erfolgt die verdeckte Informationsbeschaffung in den Zielländern durch geheime Mitarbeiter, die als Agenten für eine Verratsoder Aufklärungstätigkeit angeworben wurden, oder es werden Nachrichtendienstmitarbeiter eingesetzt, die unter einer falschen Identität als sogenannte "Illegale" in das Zielland eingeschleust wurden. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 235 Die Informationsbeschaffung mit menschlichen Quellen wird Einsatz ergänzt durch moderne Nachrichtentechnik, die bei der Fernmeldetechnischer Mittel und elektronischen Aufklärung sowie als Kommunikationsinstrument bei der Agentenführung eingesetzt wird. Die GRU tritt bei Aufklärungsaktivitäten mit Hilfe konspirativer GRU aggressiver als Arbeitsmethoden direkter und aggressiver auf als der SWR, der sich SWR eher zurückhaltend und besonders vorsichtig verhält. 3. Die direkte Steuerung der nachrichtendienstlichen Arbeit aus Moskau Ein Teil der Geheimdienstaktivitäten auf fremdem Territorium wird direkt aus den Zentralen der russischen Nachrichtendienste in Moskau gesteuert. Dabei handelt es sich z. B. um Agentenverbindungen, in denen inoffizielle Mitarbeiter ohne unmittelbaren Kontakt zu den Legalresidenturen geführt werden. Die Legalresidenturen werden in diesen Fällen allenfalls zu Unterstützungsaufgaben herangezogen, z. B. zur Beschickung und Leerung sogenannter Toter Briefkästen (TBK).212 Beleg für eine direkt aus Moskau geführte Operation ist ein Ende Aus Moskau Juli 1999 aufgedeckter und im Mai 2000 abgeschlossener Spionagegesteuerte Operation fall: Die nachrichtendienstliche Verbindung begann sich zu entwickeln, als der deutsche Kaufmann Michael K. 1994 versuchte, in Russland geschäftlich Fuß zu fassen. Bei einem seiner "Geschäftspartner", der auch als Dolmetscher fungierte, handelte es sich um einen Offizier des früheren KGB, der noch 1987 der 4. Regionalabteilung der Auslandsaufklärung des Dienstes angehörte, die für die Aufklärung deutschsprachiger Staaten zuständig war. Dieses Aufgabengebiet wurde nach der Auflösung des KGB vom zivilen russischen Aufklärungsdienst SWR übernommen. 1996 lernte K. den in der deutschen Flugzeugindustrie beschäftigten Ingenieur Peter S. kennen, mit dem er 1997 vereinbarte, ihm Unterlagen aus seinem Beschäftigungsbereich zu überlassen, die er - Bericht 2000 236 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten K. - gewinnbringend verkaufen wollte. Der russische "Geschäftspartner" und Dolmetscher gab K. zu verstehen, dass der russische Geheimdienst Interesse an diesen Unterlagen habe. In der Folge übergab K. anlässlich zahlreicher Reisen nach Moskau gegen Bezahlung umfangreiches Material. Bei der telefonischen Kontaktaufnahme zu seinem "Geschäftspartner" in Moskau wie auch zu dem Ingenieur S. verhielt sich K. konspirativ und verwendete Tarnbegriffe. Festnahmen K. wurde am 28. Juli 1999 auf dem Flugplatz in Hannover-Langenhagen kurz vor seinem Abflug nach Moskau festgenommen. Er führte in seinem Aktenkoffer zahlreiche Unterlagen aus der deutschen Rüstungsindustrie mit sich. Auf dem Weg zur Vorführung beim Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe unternahm er einen Fluchtversuch. S. wurde am gleichen Tag an seinem Arbeitsplatz in der Nähe von München festgenommen. Bei den anschließenden Durchsuchungen konnte festgestellt werden, dass er zahlreiche, zum Teil als Verschlusssachen eingestufte Unterlagen aus seinem Arbeitsbereich - u. a. in Erdverstecken auf einem Bauernhof - deponiert hatte. Verurteilungen Am 29. Mai 2000 verurteilte das Oberlandesgericht Celle die beiden Angeklagten nach SS 99 Abs. 1 StGB wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zugunsten eines russischen Nachrichtendienstes. K. erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten; darüber hinaus wurde der Einzug eines Geldbetrages in Höhe von 160.000 DM angeordnet. S. wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, der Einzug eines Geldbetrages in Höhe von 120.000 DM wurde angeordnet. K. blieb in Haft, der Vollzug des Haftbefehls gegen S. blieb gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 250.000 DM ausgesetzt. Beiden Verurteilten wurden für die Dauer von drei Jahren die Bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Die Urteile sind rechtskräftig. 4. Die Legalresidenturen der russischen Nachrichtendienste Stellenwert und Unvermindert nutzen die russischen Auslandsnachrichtendienste Möglichkeiten der die diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Landes Residenturarbeit sowie Presseagenturen russischer Medien in Deutschland als Stützpunkte für den getarnten Einsatz von Geheimdienstoffizieren. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 237 Diese Legalresidenturen bieten den Nachrichtendienstmitarbeitern günstige Rahmenbedingungen, die ihnen ihre Aufklärungsaktivitäten wesentlich erleichtern. So können die Residenturangehörigen gegenüber Außenstehenden ihr Interesse an bestimmten Informationen mit ihrer angeblichen Funktion - z. B. als Diplomat oder als Auslandskorrespondent einer russischen Nachrichtenagentur - begründen. Außerdem bieten Status und Tarnposition vielfältige Möglichkeiten, mit interessanten Zielpersonen in Kontakt zu treten. Diese Verbindungen können unverfänglich für die offene Gesprächsaufklärung oder in Einzelfällen auch zur Kultivierung und Anwerbung von Kontaktpersonen für eine verdeckte Geheimdiensttätigkeit als Agent genutzt werden. Die Residenturoffiziere verfügen damit über hervorragende Möglichkeiten, aktuelle Informationen über die verschiedenen Aufklärungsbereiche zu beschaffen. Neben ihren vielfältigen Aktivitäten bei der offenen und geheiUnterstützungsmen Informationsbeschaffung fungieren die Residenturangehörigen funktionen in den Zielländern, z. B. bei Agentenverbindungen, die unmittelbar aus Moskau geführt werden, als verlängerter Arm ihrer Zentrale. Beispielhaft hierfür ist die Rolle der Residenturangehörigen bei der Beschickung und Leerung von "Toten Briefkästen", aber auch die Einbindung in die Aufklärung des deutschen Meldewesens (z. B. zwecks Einschleusung unter Falschidentitäten), das für die russischen Dienste von großem Interesse ist. An den russischen Auslandsvertretungen in Deutschland stehen Hohe Zahl von den Nachrichtendienstoffizieren von SWR und GRU TarndienstTarndienstposten posten in außergewöhnlich großer Anzahl zur Verfügung. Eine Reduzierung des nachrichtendienstlichen Personals, z. B. im Zusammenhang mit der Verlagerung großer Teile der Russischen Botschaft von Bonn nach Berlin und der dabei erfolgten Zusammenlegung mit der ehemaligen Außenstelle der Botschaft in Berlin, hat auch im Jahr 2000 nicht stattgefunden. Vielmehr war im Rahmen der personellen Aufstockung der Botschaft sogar ein Zuwachs des nachrichtendienstlichen Personals zu verzeichnen. Die hohe Präsenz der Residenturangehörigen von SWR und GRU unterstreicht den Stellenwert, der Deutschland als Aufklärungsziel von den russischen Geheimdiensten beigemessen wird. Die Bundesrepublik Deutschland hatte das Abkommen mit der Auflösung der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über allgeRussischen meine Fragen des Handels und der Seeschifffahrt von 1958 zum Handelsvertretung 20. Dezember 2000 gekündigt. Dieses bildete für Russland die Rechtsgrundlage, um in Deutschland eine Handelsvertretung mit Liegenschaften in Köln und Berlin zu unterhalten. Mit der Umstellung der russischen Wirtschaft vom Staatshandel auf privatwirtBericht 2000 238 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten schaftliche Verhältnisse war die Ausgangsbasis für die Beibehaltung von staatlichen Handelsvertretungen entfallen. Die Liegenschaften der Handelsvertretung in Köln und Berlin bleiben in russischem Besitz und können einer anderen Verwendung zugeführt werden. Der diplomatische Status für die Immobilien in Köln soll jedoch entfallen. Die Objekte der Handelsvertretung wurden von den Nachrichtendiensten SWR und GRU als Bestandteile ihrer Legalresidenturen angesehen und für die verdeckte Unterbringung von Geheimdienstangehörigen genutzt. Künftige Die künftige Personalentwicklung im Residenturbereich wird von Personalentwicklung der Spionageabwehr aufmerksam beobachtet. Denkbar ist, dass die im Residenturbereich Dienste ihre Personalquote in den übrigen russischen Vertretungen in Deutschland erhöhen, um den Verlust der Tarndienstposten im Bereich der Handelsvertretung zu kompensieren. III. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der übrigen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Feste Verankerung Wie in der Russischen Föderation sind inzwischen auch in den übrider Dienste im gen Republiken der GUS die Nachrichtenund Sicherheitsdienste staatlichen fester Bestandteil des politischen Systems geworden und spielen eine Machtgefüge maßgebliche Rolle im jeweiligen Staatssicherheitsapparat. Hervorgegangen sind diese - heute eigenständigen - Dienste im Wesentlichen aus den regionalen Strukturen der ehemaligen sowjetischen Nachrichtendienste KGB und GRU. Enge Kooperation Die meisten dieser Dienste unterhalten gegenseitige Kontakte, angestrebt tauschen untereinander Informationen aus und streben eine Zusammenarbeit auf möglichst breiter Ebene an. Das gilt insbesondere im Hinblick auf eine Kooperation mit den Nachrichtenund Sicherheitsdiensten der Russischen Föderation, die in einzelnen Bereichen bereits existiert, zum Teil auf gegenseitigen Abkommen oder gemeinsamen Beschlüssen beruht und sich sowohl auf Fragen der Abwehr wie der Aufklärung erstreckt. So haben z. B. die Leiter des russischen FSB und der Sicherheitsdienste der meisten übrigen Republiken der GUS vor einigen Jahren ein Zusammenarbeitsgremium eingerichtet und den Aufbau eines gemeinsamen Datenbanksystems beschlossen. Der Datenaustausch erstreckt sich unter anderem auch Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 239 auf Informationen über die Einund Ausreisen von Personen, die für die Geheimdienste von besonderem Interesse sind. Dazu gehören mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Daten westlicher Geschäftsleute und Firmenvertreter, die im Ostgeschäft tätig sind. Die russische Seite leistet darüber hinaus in vielfältiger Weise Unterstützung durch Unterstützung, z. B. bei der technischen Ausrüstung und der Ausrussische Dienste bildung des Geheimdienstpersonals. Bereits 1998 berichtete eine russische Militärzeitung, dass "Spezialisten" der kasachischen Auslandsaufklärung in Russland ausgebildet werden. Eine besonders enge Kooperation findet zwischen Russland und Weißrussland statt. Der Leiter des russischen Aufklärungsdienstes SWR, General LEBEDEW, und der Leiter des weißrussischen Nachrichtendienstes, Generalmajor MATSKIEVITSCH, vereinbarten im November, die Zusammenarbeit künftig noch effektiver zu gestalten. Obwohl MATSKIEVITSCH am 27. November aus gesundheitlichen Gründen vom weißrussischen Präsidenten abgelöst und durch General Leonid JERIN ersetzt wurde, ist davon auszugehen, dass die Dienste beider Staaten auch weiterhin eng zusammenarbeiten. Die Zuständigkeiten der Dienste in den nichtrussischen Unterschiedliche Republiken der GUS ergeben sich aus den jeweiligen gesetzlichen AufgabenRegelungen, die durchaus unterschiedliche Aufgabenzuweisungen zuweisungen vorsehen. Die meisten dieser Republiken unterhalten lediglich einen Aktivitäten im Inlandsnachrichtendienst mit Abwehraufgaben. AufklärungstätigInland keiten nehmen diese Dienste in der Regel nur insofern wahr, als sie diplomatische oder konsularische Vertretungen ausländischer Staaten in ihrem Land überwachen und versuchen, dort tätiges Personal nachrichtendienstlich abzuschöpfen oder anzuwerben. Darüber hinaus werden die in der GUS verbliebenen Deutschstämmigen, deren zum Besuch einreisende Verwandte sowie Aussiedler nachrichtendienstlich bearbeitet. Letztere gelangen bereits bei der Bearbeitung ihrer Ausreiseanträge in das Blickfeld der Dienste. Bei Personen, die zu Verwandtenbesuchen wieder in ihre frühere Heimat einreisen, wird versucht, sie zur Informationsgewinnung abzuschöpfen bzw. sie für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit zu gewinnen. Die Dienste einzelner nichtrussischer Republiken beziehen aber Stationierung von auch die diplomatischen bzw. konsularischen Vertretungen ihres ND-Personal im Landes im Ausland in ihre Aktivitäten mit ein und stationieren dort Ausland - offen oder abgetarnt - eigene Mitarbeiter in Legalresidenturen, die ihnen als nachrichtendienstliche Stützpunkte dienen. Bericht 2000 240 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Befugnis zur Einzelne nichtrussische Republiken der GUS haben ihren Diensten Auslandsaufklärung neben Abwehraufgaben im Inland ausdrücklich Zuständigkeiten bei der Auslandsaufklärung zugewiesen. Beispiele hierfür sind das ukrainische Gesetz über den Sicherheitsdienst sowie das weißrussische Gesetz über die Tätigkeit der Staatssicherheitsorgane. In beiden Republiken existiert zusätzlich ein eigenständiger militärischer Auslandsnachrichtendienst, der dem jeweiligen Verteidigungsministerium unterstellt ist. IV. Aktivitäten von Nachrichtendiensten aus Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas Ausspähungsbereiche Auch die Dienste einiger nahund mittelöstlicher sowie nordafrikanischer Staaten entwickeln weiterhin nachrichtendienstliche Aktivitäten in und gegen Deutschland. Als Aufklärungsziele stehen neben der Spionage in den klassischen Bereichen Politik, Wirtschaft, Militär, Wissenschaft und Forschung vor allem auch die Ausforschung und Unterwanderung von in Deutschland ansässigen Organisationen und Personen im Vordergrund, die in Opposition zum Regime im Heimatland stehen. Bei ihren Ausspähungsbemühungen sind die Nachrichtendienste auch darauf eingestellt, Gewalt anzuwenden. Darüber hinaus interessieren sie sich insbesondere für den Bereich der Proliferation (vgl. Kap. VI). 1. Iranische Nachrichtendienste AufklärungsAufklärungsschwerpunkt des iranischen Nachrichtendienstes VEVAK schwerpunkte - Ministerium für Nachrichtenwesen und Sicherheit - war auch im Jahr 2000 die iranische Exilopposition in Deutschland. Das Interesse galt vor allem den Aktivitäten der im Iran mit terroristischen Mitteln agierenden "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK)213 sowie ihres weltweit agierenden politischen Arms "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI). Aber auch monarchistische und kommunistische Gruppierungen standen im Blickfeld des VEVAK. Motive und Der iranische Nachrichtendienst will möglichst frühzeitig über Vorgehensweisen Aktivitäten regimefeindlicher Organisationen in Deutschland unterrichtet sein. Grund hierfür ist die Befürchtung, dass das Ansehen des Iran im Ausland durch regimefeindliche Propaganda der Opposition, die der iranischen Führung permanente massive Menschenrechtsverletzungen vorwirft, geschädigt wird und dass die Exilopposition auf die innenpolitischen Verhältnisse im Iran Einfluss nimmt. Bei sei- Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 241 nen Aktivitäten konzentriert sich der Nachrichtendienst vor allem auf die Ausforschung und Unterwanderung oppositioneller Gruppierungen sowie auf Versuche einer informatorischen "Neutralisierung" ihrer Aktivitäten, u. a. durch von ihm gesteuerte und finanzierte Gegenpropaganda. Zur Informationsgewinnung wirbt der iranische Nachrichtendienst verstärkt aktive oder ehemalige Mitglieder dieser regimefeindlichen Organisationen an. Die Ansprachen erfolgen zumeist bei Reisen in die Heimat, wobei die Umstände, unter denen die Befragungen stattfinden, und die aus den Befragungen resultierenden Konsequenzen für die Betroffenen sehr unterschiedlich sein können. Der Maßnahmenkatalog reicht von routinemäßigen Befragungen ohne nachteilige Konsequenzen bis hin zu intensiven Verhören mit Inhaftierung oder wochenlanger Hinderung an der Ausreise. Die Androhung von Repressalien gegen die Betroffenen oder ihre im Iran lebenden Familienangehörigen ist dabei gängige Praxis, um die gewünschten Informationen zu erhalten bzw. die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst zu erzwingen. In Einzelfällen werden auch Personen allein aufgrund ihres verwandtschaftlichen Verhältnisses zu Zielpersonen des Nachrichtendienstes Opfer solcher Maßnahmen. Im Vorfeld und während des Besuchs des iranischen StaatspräsiKhatami-Besuch denten Khatami im Juli in Deutschland waren verstärkte Aktivitäten des VEVAK festzustellen. Diese waren insbesondere darauf gerichtet, Informationen über militante Demonstrationen und gezielte Störaktionen der iranischen Opposition in Deutschland zu beschaffen. 2. Syrische Nachrichtendienste Die syrischen Auslandsnachrichtendienste unterhalten nach wie Legalresidenturen vor stark besetzte Legalresidenturen an den offiziellen und halboffiziellen Vertretungen ihres Landes in Deutschland. Die unter diplomatischer Abdeckung tätigen Nachrichtendienstoffiziere setzten ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten unvermindert fort. Neben der "klassischen Spionage", d. h. der konspirativen BeschafOppositionelle fung politischer, wirtschaftlicher oder militärischer Informationen, Gruppierungen besteht ihre Hauptaufgabe im Wesentlichen in der Aufklärung, Ausbevorzugtes Ausspähungsziel forschung und Überwachung von in Deutschland lebenden syrischen Oppositionellen sowie der Aufklärung und Infiltration der im Bundesgebiet organisierten syrischen, türkischen und irakischen Kurden. In diesem Zusammenhang zählen die Islamischen Zentren Bericht 2000 242 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten im Bundesgebiet, insbesondere in Aachen und München, zu den primären Zielobjekten dieser Dienste. Mit dem Ziel, ihre politischen Gegner, zu denen auch Besucher dieser Einrichtungen gezählt werden, zu neutralisieren, versuchen die syrischen Geheimdienste durch Quellen und Informanten die Lebensumstände, die Kontaktpersonen sowie die politischen Ziele dieser Personen auszuspähen. Die so gewonnenen Informationen bilden im Heimatland häufig die Grundlage für die Aufnahme in so genannte Schwarze Listen, über die eine lückenlose Überwachung dieser Personen bei der Einreise sichergestellt wird. 3. Irakische Nachrichtendienste Ziele und Methoden Primäres Aufklärungsziel der Nachrichtendienste des Irak ist nach wie vor die irakische Auslandsopposition. Der irakische Dienst "Directorate of General Intelligence" (DGI) versucht, über die in der irakischen Botschaft in Bonn eingerichtete nachrichtendienstliche Residentur sowie durch den Einsatz von Informanten u. a. geflüchtete Geheimnisträger aus der irakischen Administration zu lokalisieren, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen und sie zur Rückkehr zu bewegen. Dabei werden im Irak lebende Familienangehörige häufig als Druckmittel eingesetzt. "Hitteams" Es gibt Hinweise darauf, dass die irakischen Nachrichtendienste nach einer Phase relativer Ruhe dazu übergehen, ihre Aktivitäten gegen im Ausland lebende Regimegegner zu intensivieren. Mit sogenannten "Hitteams" soll mittelfristig auch außerhalb der NahostRegion gegen missliebige Oppositionelle vorgegangen werden, wobei irakische Stellen als Auftraggeber unerkannt bleiben sollen. Die Teams könnten logistische Unterstützung - wie in der Vergangenheit - von Residenturangehörigen erhalten oder sich auf Einzelpersonen stützen, die von der Zentrale mit der Wahrnehmung einer "Betreuungsfunktion" beauftragt wurden. Als Grundlage solcher Aktionen dienen die durch den Einsatz von Informanten gegen irakische Oppositionelle gewonnenen Erkenntnisse. Zu den weiteren Arbeitsschwerpunkten der Dienste gehören die Penetrierung der irakischen Auslandsopposition und die Führung von Einflussagenten, die weisungsgemäß propagandistisch im Sinne des Irak wirken. Wesentliche Ziele sind dabei, die Uneinigkeit zwischen den verschiedenen oppositionellen Gruppierungen zu schüren und konkrete Informationen über deren aktuelle Absichten zu gewinnen. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 243 4. Libysche Nachrichtendienste Der libysche Auslandsnachrichtendienst "External Security OrgaLVB als Steuerungsnization" (ESO; arabisch: Hayat Amn Al-Jahmahiriya) steuert seine zentrale libyscher Aktivitäten in der Bundesrepublik ausschließlich über die Libysche Aktivitäten Botschaft in Bonn, das "Libysche Volksbüro" (LVB). Die Ausspähungsaktivitäten gegen Dissidenten werden unvermindert fortgesetzt. Trotz gegenteiliger Behauptungen scheint der libysche Präsident Gaddafi nach wie vor die Bedrohung seines Machtapparates durch die libysche Opposition sehr hoch einzuschätzen. Um das durch seine gemäßigte Haltung in letzter Zeit erworbene politische Prestige und die beginnende Normalisierung der Beziehungen Libyens zum Westen nicht zu gefährden, scheint er sich jedoch auf Überwachungsmaßnahmen zu beschränken. Einen wichtigen Schritt, um sich von seiner und der Isolierung Lockerbie-Prozess seines Landes zu befreien, unternahm Präsident Gaddafi 1998, als er nach jahrelanger Weigerung der Auslieferung von zwei Angehörigen des libyschen Nachrichtendienstes zustimmte, die für den Absturz der PAN-AM-Maschine am 21. Dezember 1988 über dem schottischen Ort Lockerbie verantwortlich gemacht werden. Nachdem die Verdächtigen im April 1999 in die Niederlande verbracht worden waren, wo gegen sie am 3. Mai 2000 im Camp Zeist bei Utrecht der Prozess vor drei schottischen Berufsrichtern eröffnet worden ist, setzte der UN-Sicherheitsrat die 1992 gegen Libyen verhängten Sanktionen aus. Nach der libyschen Unterstützung bei der Freilassung einiger "La-Belle"-Prozess - durch "Rebellen" auf der philippinischen Insel Jolo festgehaltenen - europäischen und südafrikanischen Geiseln setzte Libyen auch bei der Aufklärung des Terroranschlags auf die Diskothek "La Belle" aus dem Jahre 1986 in Berlin ein Zeichen der Kooperation. Nach jahrelangen Bemühungen der deutschen Justiz stimmte Libyen einem deutschen Rechtshilfeersuchen zu. Im Oktober haben zwei deutsche Justizangehörige in Tripolis Zeugenvernehmungen durchgeführt. In dem seit fast drei Jahren vor dem Berliner Landgericht laufenden Prozess müssen sich ein Libyer, zwei deutsche Frauen und zwei weitere Deutsche palästinensischer Abstammung verantworten, den Anschlag vom 5. April 1986 geplant und ausgeführt zu haben. Die Anklagevertretung hält den libyschen Geheimdienst für den Anschlag verantwortlich, bei dem drei Personen getötet und zweihundert zum Teil schwer verletzt worden waren. Bericht 2000 244 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten V. Aktivitäten fernöstlicher Nachrichtendienste Auch für einzelne Staaten des Fernen Ostens ist Deutschland ein Aufklärungsziel; dies gilt insbesondere für die Volksrepubliken China und Nordkorea. 1. Chinesische Nachrichtendienste Aufklärung in den Der zivile chinesische Nachrichtendienst (MSS) wie auch der "klassischen" militärische Dienst (MID) betreiben Informationsbeschaffung auf Bereichen allen "klassischen" Spionagefeldern, d. h. sowohl im Bereich der Außenund Sicherheitspolitik als auch auf den Sektoren der Wirtschaft und Wissenschaft sowie der technologischen Entwicklung. AufklärungsZum Aufund Ausbau ihrer operativen Möglichkeiten haben die stützpunkt chinesischen Nachrichtendienste auch in Deutschland in den amtLegalresidentur lichen und halbamtlichen Vertretungen ihres Landes (Botschaft, Konsulate, staatliche Organisationen mit Auslandskontakten) getarnte Stützpunkte (Legalresidenturen) aufgebaut. Dort sind die Nachrichtendienstoffiziere auf verschiedenen Tarnpositionen als Diplomaten oder sonstige offizielle Vertreter Chinas tätig. Ihr diplomatischer Status schützt sie nicht nur vor möglichen Strafverfolgungsmaßnahmen, sondern erleichtert ihnen auch das Knüpfen von Verbindungen. Methoden der Die Angehörigen der Legalresidenturen nutzen alle Methoden Informationsder offenen und verdeckten Informationsbeschaffung. Bei Besuchen gewinnung von Veranstaltungen und Seminaren politischer Vereinigungen, von Stiftungen der Parteien und der Wirtschaft sammeln sie Informationen zu bestimmten Sachkomplexen. Eine besondere Aufgabe der Mitarbeiter der Legalresidenturen ist es dabei, interessante und für sie wichtige Kontaktbzw. Zielpersonen kennen zu lernen und diese durch den Aufbau einer engen und freundschaftlichen Beziehung zu kultivieren, um auch vertrauliche Informationen zu erlangen oder langfristig Werbungsmaßnahmen vorzubereiten. Solche Beziehungen werden über Jahre hinweg gepflegt. Die Nachrichtendienstoffiziere lassen ihre Kontaktpartner über ihre tatsächlichen Absichten im Unklaren. Anknüpfungspunkte für die Aufnahme engerer Kontakte ergeben sich oftmals aus dem Interesse der Zielpersonen an China und der chinesischen Kultur. Es folgen in der Regel Einladungen nach China, wo es dann zu einem Anwerbungsversuch durch einen Nachrichtendienst kommen kann. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 245 Zu den Aufgaben der Legalresidenturen gehört darüber hinaus Überwachung die Überwachung der Exilchinesen und dabei insbesondere solcher von Chinesen Vereinigungen, die in Opposition zu der Regierung in Peking stehen. im Ausland Aber auch die Chinesen, die sich in offiziellem Auftrag oder mit Genehmigung chinesischer Stellen in Deutschland aufhalten (z. B. Studenten oder Gastwissenschaftler), werden vom Residenturpersonal überwacht. Schließlich nutzen die Dienste auch die Niederlassungen chinesischer Firmen in Deutschland, um dort Nachrichtendienstmitarbeiter abgetarnt unterzubringen, oder sie setzen Nachrichtendienstoffiziere als "Journalisten" ein. 2. Nordkoreanische Nachrichtendienste Nordkorea unterhält zahlreiche Nachrichtendienste, die der kommuPräsenz der nistischen Partei, den Volksstreitkräften oder dem "Geliebten Genenordkoreanischen ral" KIM Jong Il direkt unterstellt sind. An der Interessenvertretung Nachrichtendienste und deren in Berlin - der personell am stärksten besetzten Vertretung NordAktivitäten koreas in Europa - werden auch Legalresidenturen unterhalten. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich vorwiegend auf den personellen und materiellen Schutz der Interessenvertretung und der Niederlassungen nordkoreanischer Organisationen in Deutschland, auf die Überwachung und Unterwanderung von nordkoreanischen Dissidentenorganisationen in der Bundesrepublik, auf die Gewinnung von Agenten zum Einsatz in Südkorea sowie auf die Beschaffung von sensitiven bzw. proliferationsrelevanten Gütern. Akkreditierte nordkoreanische Diplomaten vertreten auch weiterBeschaffungshin zugleich Beschaffungsorganisationen ihres Landes, u. a. die der bemühungen Volksstreitkräfte und des 2. Wirtschaftskomitees. So wurden - zumeist von kleineren Firmen und in geringen Mengen - elektronische Bauteile bezogen, die Ausfuhrbeschränkungen unterliegen. Ferner gab es erneut Versuche, durch manipulierte Endverbrauchererklärungen ausfuhrgenehmigungspflichtige Güter nach Nordkorea zu verbringen. VI. Proliferation Ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend beobachten die VerProliferationsfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die von Nachrelevante Staaten richtendiensten gesteuerte oder auf nachrichtendienstliche Weise durchgeführte Beschaffung von Gütern und Kenntnissen (Know-how), Bericht 2000 246 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten die bei der Herstellung und Entwicklung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen sowie der zu deren Transport erforderlichen Raketentechnologie zum Einsatz kommen. Entsprechende Aktivitäten entwickeln seit Jahren einige Staaten des Nahen und Mittleren Ostens - Irak, Iran, Libyen und Syrien - sowie die Volksrepublik China, Indien und Pakistan. Zum Kreis dieser Staaten gehört auch Nordkorea, das eine Weiterverbreitung (Proliferation) dieser nicht konventionellen Rüstung z. B. durch den Verkauf von Raketen fördert. Auf dem afrikanischen Kontinent kann die Rolle des Sudan derzeit nicht abschließend bewertet werden. Das beunruhigende Thema Proliferation rückte in der zweiten Hälfte des Jahres erneut in das Blickfeld der Öffentlichkeit, nachdem der Iran eine Mittelstreckenrakete "SHAHAB-3" - nach einem erfolgreichen Testschuss im Jahre 1998 - erneut über eine längere Distanz getestet hat und im Irak eine den Inspektionsteams der Vereinten Nationen jahrelang verborgen gebliebene Raketenfabrik lokalisiert werden konnte. BeschaffungsGüter und Know-how für die Entwicklungsprogramme solcher methoden nicht konventionellen Waffensysteme werden nach wie vor in Mitteleuropa, auch in Deutschland, beschafft. Das geschieht jedoch auf verdeckte Weise, da die strenge Gesetzgebung und die wirksamen Exportkontrollen in Deutschland eine hohe Hürde darstellen. Um diese zu umgehen, treten zuweilen Mitarbeiter von Geheimdiensten dieser Länder selber als Käufer auf, werden konspirativ arbeitende Beschaffungsnetze eingebunden, harmlos klingende und undurchsichtige Projektbezeichnungen gewählt oder falsche Endnutzer benannt. Exportunerfahrenen Lieferanten wird vorgespiegelt, bei den Abnehmern handele es sich um Adressaten in Drittländern. Durch Umweglieferungen wird das eigentliche Bestimmungsland verschleiert. Die um Proliferation bemühten Staaten nutzen aber auch zusammenarbeitswillige Firmen in den Lieferländern, die solche illegalen Beschaffungen unter einer Vielzahl von legalen Geschäften verbergen. Alle diese Methoden dienen dazu, es den überwachenden Behörden und auch dem seriösen Lieferanten zu erschweren, die wahre Nutzung der Güter zu erkennen. Aufgaben und Zu den Aufgaben der Spionageabwehr im Rahmen der ProliferationsMöglichkeiten der verhinderung gehört es, solche Beschaffungsmethoden, KommuniVerfassungsschutzkationsstränge, Verbringungswege und Finanzierungsmodalitäten behörden bei kritisch erscheinenden Geschäften auf konspirative Elemente hin zu untersuchen. Wird dabei festgestellt, dass zum Beispiel ein kritischer Endnutzer angegeben ist, der tatsächliche Endverbleib unklar bleibt, nicht erklärt werden kann, wofür das Produkt benötigt wird, eine außergewöhnliche Kennzeichnung der Ware gewünscht Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 247 wird oder besonders günstige Zahlungsbedingungen und hohe Provisionen angeboten werden, liegt ein ernst zu nehmender Anhaltspunkt für ein Proliferationsgeschäft vor. Im Fall erkannter illegaler Beschaffungen werden die Strafverfolgungsbehörden unterrichtet. Zur Vermeidung außenpolitischen Schadens wird auch die Bundesregierung informiert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat auch im Jahr 2000 Zusammenarbeit der zahlreiche Hinweise, die auf Proliferationstätigkeiten hindeuteten, Sicherheitsbehörden erhalten, ausgewertet und in mehreren Fällen an andere zuständige Stellen weitergegeben. So konnten z. B. in einem Fall Hinweise auf proliferationsverdächtige Aktivitäten einer deutschen Firma zugunsten des Iran gemeinsam mit dem zuständigen Landesamt für Verfassungsschutz erhärtet und der Fall an die Bundesanwaltschaft abgegeben werden. Unterrichtende und sensibilisierende Gespräche des BfV mit VerMaßnahmen zur tretern der Wirtschaft und des Bildungsund Forschungsbereichs Sensibilisierung dienen der Vorbeugung und dem Schutz, z. B. vor einem Reputationsverlust oder vor wirtschaftlichen Einbußen. Sie stärken das gegenseitige Vertrauen und können zu einer für beide Seiten nützlichen Zusammenarbeit führen. VII. Festnahmen und Verurteilungen Im Jahr 2000 wurden durch den Generalbundesanwalt 45 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit eingeleitet. Im gleichen Zeitraum verurteilten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland vier Angeklagte wegen Straftaten im Bereich "Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit" (SSSS 93 - 101a StGB). VIII. Personeller Geheimschutz Der Geheimschutz ist ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls und Aufgaben des für den demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar. Er hat dafür Geheimschutzes Sorge zu tragen, dass Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand oder lebenswichtige Interessen, die Sicherheit oder die Interessen des Bundes oder eines seiner Länder gefährden könnten, geheim gehalten und vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Bericht 2000 248 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Verschlusssache Unabhängig von ihrer Darstellungsform sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die geheim zu halten sind, Verschlusssachen (VS) und mit einem Geheimhaltungsgrade STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH oder VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH zu kennzeichnen. Materieller Der materielle Geheimschutz schafft die organisatorischen und Geheimschutz technischen Vorkehrungen zum Schutz von VS. Diese Aufgabe obliegt in erster Linie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die Mitwirkung des BfV auf diesem Gebiet folgt aus SS 3 Abs. 2 Nr. 3 BVerfSchG und bezieht sich auf die Mitteilung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, die für den materiellen Schutz von VS von Bedeutung sein können. Personeller Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Geheimschutz Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Das Sicherheitsüberprüfungsverfahren ist im Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) des Bundes vom 20. April 1994 geregelt. Die Mitwirkung des BfV hieran beruht auf SS 3 Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG in Verbindung mit SS 3 Abs. 2 SÜG. Zuständigkeit Die Zuweisung des personellen Geheimschutzes als "Mitwirkungsaufgabe" bedeutet, dass das BfV keine originäre Zuständigkeit besitzt. Die Verantwortung für die Sicherheitsmaßnahmen liegt bei den zuständigen Stellen. Im öffentlichen Bereich des Bundes ist die zuständige Stelle i.d.R. die Beschäftigungsbehörde. Auch im nicht-öffentlichen Bereich, z. B. in Wirtschaftsunternehmen, wird mit staatlichen VS umgegangen, deren Schutz gewährleistet werden muss. Hier nimmt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Aufgaben der zuständigen Stelle war. Überprüfungsarten Die im SÜG enthaltenen Bestimmungen sehen drei Überprüfungsarten vor. Es handelt sich im eine einfache Sicherheitsüberprüfung (SS 8 SÜG), die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (SS 9 SÜG) sowie die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (SS 10 SÜG). Die Überprüfungsart richtet sich nach der Höhe des Verschlusssachengrades, zu dem der Betroffene Zugang erhalten soll. Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 249 Von den im Jahre 2000 durchgeführten Sicherheitsüberprüfungen entfielen ca. 35 % auf die einfache Sicherheitsüberprüfung, ca. 60 % auf die erweiterte Sicherheitsüberprüfung und ca. 5 % auf die Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen. Zu betonen ist, dass niemand, ausgenommen Wehrpflichtige, Zustimmung ohne seine ausdrückliche Zustimmung einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden darf. Der Umfang der Maßnahmen des BfV im Rahmen seiner MitwirÜberprüfungskung richtet sich nach der jeweils durch die zuständige Stelle vorgemaßnahmen gebenen Überprüfungsart. Grundvoraussetzung für alle weiteren Maßnahmen ist die Bewertung aller Angaben in der Sicherheitserklärung, die von dem Betroffenen auszufüllen ist und die auch Angaben zum Ehegatten oder Lebenspartner enthält. Die Bewertung erfolgt zum Betroffenen und zu seinem Ehegatten oder Lebenspartner, im Bedarfsfall auch zu den übrigen in der Sicherheitserklärung angegebenen Personen, Adressen und Objekten, unter Berücksichtigung eventuell vorliegender Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden. Zudem wird unabhängig von der Überprüfungsart immer eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister eingeholt und eine Anfrage an das Bundeskriminalamt, die Grenzschutzdirektion Koblenz sowie die anderen Nachrichtendienste des Bundes vorgenommen. Diese Sicherheitsbehörden sind wichtige Zentralstellen, die über sicherheitserhebliche Erkenntnisse verfügen können. Bei den erweiterten Sicherheitsüberprüfungen nach SSSS 9 und 10 SÜG wird als weitere Maßnahme eine Anfrage zum Betroffenen an die örtlichen Polizeistellen der Wohnsitze (in der Regel der letzten fünf Jahre) gerichtet, um von dort möglicherweise vorliegende sicherheitserhebliche Erkenntnisse, wie z. B. noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren, berücksichtigen zu können. Bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen werden zusätzlich vom Betroffenen benannte Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen befragt. Wiederholungsüberprüfungen, die wie eine Erstüberprüfung durchgeführt werden, finden regelmäßig im Abstand von zehn Jahren bei Personen statt, die Zugang zur höchsten Geheimhaltungsstufe STRENG GEHEIM haben bzw. eine Vielzahl von GEHEIM-Vorgängen bearbeiten müssen oder bei den Nachrichtendiensten des Bundes tätig sind. Im Übrigen werden die Sicherheitsüberprüfungen in der Regel alle fünf Jahre aktualisiert. Bericht 2000 250 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Ergebnisse Die Sicherheitsüberprüfung wird mit dem Ziel durchgeführt, möglicherweise sicherheitserhebliche Erkenntnisse bei dem Betroffenen festzustellen, aus denen sich Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben. Die Sicherheitsrisiken werden auf drei Bereiche beschränkt: Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen oder an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder Erpressbarkeit bzw. Anfälligkeit für Anbahnungsund Werbungsversuche durch fremde Nachrichtendienste für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland. Votum Das BfV gibt gegenüber den für die Sicherheitsüberprüfung zuständigen Stellen ein so genanntes Sicherheitsvotum ab. Das Votum ist eine Entscheidungshilfe, auf deren Grundlage die Beschäftigungsbehörde bzw. andere zuständige Stelle über die Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entscheiden. Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2000 252 Scientology-Organisation "Scientology-Organisation" (SO) gegründet: 1954 in den USA, erste Niederlassung in Deutschland 1970 Sitz: Los Angeles ("Church of Scientology International", CSI) Mitglieder: in Deutschland (geschätzt): 5.000 bis 6.000 (1999: 5.000 bis 6.000) *) Publikationen: u. a. "FREIHEIT", "IMPACT", "SOURCE", "INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS"214 Teilorganisationen: in Deutschland zehn "Kirchen" (Auswahl) und elf "Missionen"215 *) Die SO behauptet höhere Zahlen (30.000). 1. Vorbemerkung Die Feststellung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) vom 5./6. Juni 1997, dass hinsichtlich der SO tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen und dementsprechend die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden gegeben sind, hat nach wie vor Gültigkeit. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom Bundesverwaltungsamt herausgegebene Broschüre "Die Scientology-Organisation - Gefahren, Ziele und Praktiken" (Stand: November 1998) legt die Einschätzung der SO durch die Bundesregierung in Bezug auf die Gefährdung für den Einzelnen ausführlich dar. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort vom 8. November 2000 (BT-Drs. 14/4541) auf eine Kleine Anfrage zum Thema "Psychogruppen mit hohem Gefährdungspotenzial - Tätigkeiten, Auswirkungen, Gegenmaßnahmen" (BT-Drs. 14/4358) auf diese Broschüre nochmals ausdrücklich hingewiesen. 2. Grundlagen Die SO sieht sich als eine "Erlösungsreligion"216 in der Tradition ostasiatischer Religionen, insbesondere des Buddhismus, die angeblich dem Menschen den Zustand vollständiger geistiger Freiheit von dem endlosen Kreislauf von Geburt und Tod vermitteln und ihn von seinen Banden im physischen Universum befreien will.217 Scientology-Organisation 253 Die "Person" bzw. die "Identität" des Menschen ist nach Vorstellung der SO zum Beispiel nicht sein Körper oder Name, sondern der "Thetan"; er habe keine Masse, keine Wellenlänge also nichts Gegenständliches.218 Er sei im Idealzustand als "Operierender Thetan" völlig Ursache über Materie, Energie, Raum, Zeit und Denken und nicht in einem Körper.219 Um diesen Zustand zu erreichen, ist Ziel der Scientology zunächst der "Clear", d. h. der Mensch, der als Ergebnis der dianetischen Therapie weder akut noch potenziell vorhandene psychosomatische Krankheiten oder Aberrationen hat.220 Letzteres bedeutet für Scientologen eine Abweichung vom rationalen Denken oder Verhalten.221 Abweichungen von der Rationalität können auf so genannte Engramme zurückgehen. Unter einem "Engramm" verstehen Scientologen ein geistiges Vorstellungsbild, welches eine Aufzeichnung einer Zeit von physischem Schmerz und Bewusstlosigkeit ist.222 Mit Hilfe des "Auditing" könnten diese "Engramme" entdeckt und ihre Auswirkungen eliminiert werden.223 Bei diesem Verfahren soll der "Auditor" (jemand der zuhört; ein so bezeichneter Geistlicher der SO oder jemand, der dazu ausgebildet wird)224 dem so genannten Preclear (jemand, der noch nicht "Clear" ist)225 durch eine festgelegte Abfolge von Fragen oder Anweisungen helfen, Bereiche von Kummer oder Schmerz aufzuspüren.226 Als Hilfsmittel steht dabei dem "Auditor" das so genannte E-Meter zur Verfügung. Dieses Gerät soll "den Körperwiderstand und dessen Schwankungen aufgrund seelischer Interaktion" gegen einen elektrischen Strom messen, wenn der Teilnehmer am "Auditing" die beiden Elektroden des Geräts in der Hand hält und vom sog. Auditor befragt wird.227 Die durch den Stromfluss verursachten Ausschläge der Nadel des "E-Meter" zeigen dem "Auditor" angeblich an, ob der richtige Bereich von Kummer und Schmerz von ihm angesprochen wurde.228 "Auditing"-Kurse und entsprechendes Schulungsmaterial werden von der SO nach Art eines Unternehmens gegen hohes Entgelt angeboten, um Gewinne zu erzielen oder zu steigern. 3. Zielsetzung Die laufenden Publikationen der SO befassen sich überwiegend mit organisatorischen Angelegenheiten, Fragen des sogenannten Bericht 2000 254 Scientology-Organisation Auditing oder Verhaltensregeln für Scientologen. In den Schriften des 1986 verstorbenen Organisationsgründers L. Ron Hubbard gibt es aber in zahlreichen Aussagen tatsächliche Anhaltspunkte für politische Ziele und Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Diese Schriften sind für die SO und den einzelnen Scientologen verbindlich und unabänderlich.229 So heißt es in einer erst kürzlich neu aufgelegten Schrift: "Sie (gemeint sind die SO-Mitglieder, d. Red.) wissen, dass sie ... die spirituellen Erlösungsstufen, die sie in Scientology anstreben, mit hundertprozentiger Sicherheit erreichen werden, wenn sie die Lehre exakt gemäß den Schriften L. Ron Hubbards ausüben. ... Um genau das sicherzustellen, existiert das Religious Technology Center. ... in exakter Übereinstimmung mit den Original-Schriften des Gründers." ("Was ist Scientology?", Kopenhagen 1998, S. 405 ff.) Die Organisation verkaufte auch im Berichtszeitraum neuere230 Ausgaben dieser Schriften mit Aussagen zu ihren politischen Zielen und zitierte deren politischen Inhalt231 in ihren aktuell erscheinenden Zeitschriften und Interneteinstellungen. Tatsächliche Wichtigstes Ziel ist die Errichtung einer "besseren ZiviliAnhaltspunkte für sation"232, in der die Grundrechte nicht mehr allen Einwohnern verfassungszustehen, sondern nur noch für die "Nichtaberrierten" im Sinne feindliche der Organisation gelten dürfen.233 Das sind solche Personen, die Bestrebungen nach der Auslese im "Auditing"-Verfahren234 als "ehrlich" betrachtet werden: Eingeschränkte "Jemandes Recht auf Überleben ist direkt mit seiner Ehrlichkeit Geltung der verknüpft. ... Freiheit ist für ehrliche Menschen da. Persönliche FreiGrundrechte heit existiert für diejenigen, die die Fähigkeit besitzen, frei zu sein." (Hubbard, "Einführung in die Ethik der Scientology", Kopenhagen 1998, S. 46) Um dieses Ziel zu erreichen, ist es für die SO nach eigenem Bekunden notwendig, eine "sichere Umgebung" zu schaffen, "in der Scientology expandieren kann".235 Die Art und Weise, in der diese Umgebung geschaffen und erhalten werden soll, deutet ebenfalls darauf hin, dass in der "besseren Zivilisation" kein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit besteht. Scientology-Organisation 255 Die Mitglieder der Organisation werden in Veröffentlichungen der SO aufgefordert, in Form von "Wissensberichten", deren Einrichtung auf eine Weisung Hubbards zurückgeht,236 jedes von den organisationseigenen Vorgaben abweichende Verhalten den zuständigen Stellen zu melden, "um versteckte Unterdrückung, Infiltration, Subversion oder Korruption innerhalb und außerhalb zu lokalisieren", um "diese Aktivitäten" zu beseitigen.237 Die SO hat Sachverhalte, die einen "Wissensbericht" erforderlich machen, in detaillierter Form veröffentlicht; danach sind Scientologen beispielsweise verpflichtet, einen Bericht zu erstellen, wenn ihnen "eine Person, die bezüglich Scientology oder der Kirche außerordentlich kritisch ist", bekannt wird. Zusätzlich enthalten die Veröffentlichungen Aufforderungen, Berichte zu fertigen über "öffentliche Äußerungen gegen Scientology" bzw. den Umstand, "öffentlich von Scientology wegzugehen" oder Bemühungen, "einen Zivilprozess gegen ... irgendeinen Scientologen einzuleiten, wenn man nicht zuerst den International Justice Chief auf die Angelegenheit aufmerksam gemacht und eine Antwort erhalten hat".238 Auch ein von Hubbard verfasster sogenannter Führungsbrief, der für Mitglieder der SO ebenfalls verbindlich ist, besagt, dass die SO ein Rechtssystem anstrebt, das die im Grundgesetz konkretisierten Grundrechte missachtet: "Wenn in unseren Gruppen besseres Recht ist ... und wenn ein hoher Sinn für Befehle da ist, werden sich die Leute unter uns bewegen und eine größere Sicherheit und Gewißheit in uns finden. ... Alles, was wir tun müssen ... ist ... Expansion erreichen und ... die Obergewalt in der Gesellschaft ... ." ("HCO-Führungsbrief" vom 18. März 1965) Aus dem gleichfalls nach wie vor verbindlichen "Handbuch des Rechts" von Hubbard ergibt sich, dass es im scientologischen Gesellschaftssystem keine Menschenoder Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber dem Staat und keine unabhängigen Gerichte geben soll. Zudem solle ein nicht an Recht und Gesetz gebundener Nachrichtendienst Sachverhalte erforschen sowie präventive und repressive Maßnahmen ergreifen. Wohin das führen soll, belegen die folgenden Ausführungen: "Wir kennen unsere Feinde, ehe sie zuschlagen. Wir halten sie von wichtigen Positionen fern. Wenn wir einen zufälligerweise in eine Schlüsselposition bringen und er anfängt, Fehler zu machen, dann schießen wir schnell und sprechen später Recht. Und wir zählen dann zusammen, wer seine Freunde und Genossen waren ... ." (Hubbard, "Handbuch des Rechts", Kopenhagen 1979, S. 2 f.) Bericht 2000 256 Scientology-Organisation 4. Auftreten in der Öffentlichkeit Broschüren und Die SO warb auch in diesem Berichtszeitraum wieder in FußgängerInternet-Angebote zonen deutscher Großstädte mit Broschüren, Flugblättern und anderen Publikationen für ihre "Dianetik"-Kurse. Zudem veranstaltete sie Wanderausstellungen unter der Bezeichnung "Was ist Scientology?" und "Das Leben und Werk des L. Ron Hubbard". Darüber hinaus bietet die Organisation umfangreiche mehrsprachige Seiten im Internet239 an, die Angaben über ihre Teilorganisationen und aktuelle Publikationen enthalten. Daneben werben einzelne deutsche Scientologen wie in den vergangenen Jahren für die Organisation mit eigenen Internetseiten, auf denen sie sich zur SO bekennen. Unter der Bezeichnung "New Era Radio" ist seit Juli 2000 der organisationseigene englischsprachige Radiosender im Internet zu hören. Neben Werbeeinblendungen wird ein Angebotsmix aus Musikbeiträgen scientologisch orientierter Künstler (hauptsächlich Popmusik) oder Wortbeiträgen mit - bereits aus Publikationen bekanntem - scientologischem Gedankengut geboten, der mit den Schlagworten "music for a new civilization", "music with a message" oder "building a better world" angepriesen wird. Geringe Resonanz in Die Werbeaktionen der SO waren im Berichtszeitraum wenig der Öffentlichkeit erfolgreich. Der Organisation gelang es nur in sehr geringem Umfang, neue Mitglieder zu gewinnen und sie für eine längere Zeitdauer an sich zu binden. Der größte Teil der neu gewonnenen Mitglieder trat schon nach kurzer Zeit wieder aus der SO aus. Die beiden von der SO organisierten Wanderausstellungen hatten kaum Besucher. Wegen der Zielsetzung der SO ist es trotzdem notwendig, ihre Aktivitäten und deren Resonanz in der Öffentlichkeit weiterhin im Blick zu behalten. Verfassungs schutz Verfassungsschutz und Demokratie Rechtsextremistische Bestrebungen Linksextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten Scientology-Organisation (SO) Erläuterungen und Dokumentation Gesetzestexte Bericht 2000 258 Erläuterungen und Dokumentation Erläuterungen und Dokumentation * JESSE, Eckhard: Der Verfassungsschutzauftrag der abwehrbereiten Demokratie: Theorie und Praxis, und LANGE, Hand-Gert: Verfassungsschutz in der Demokratie - ein Instrument zur Sicherung des inneren Friendens, beide in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie und Rechtsextremismus (Reihe: Texte zur Inneren Sicherheit), Bonn 1992, S. 7ff und S. 19ff. 1 http://www.bmi.bund.de 2 Unter Gruppen werden nur diejenigen Zusammenhänge erfasst, die über ein Mindestmaß an Struktur und Kontinuität verfügen. 3 Nationalsozialistischer Kämpfer und Sturmführer der Sturmabteilung (SA) in den 20er Jahren, bei Straßenkämpfen 1930 in Berlin erschossen. 4 Dr. Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland 5 Nach der Definition der Verfassungsschutzbehörden ist Terrorismus der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Absatz 1 des Strafgesetzbuches genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. 6 Mit den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 7 Das Verbot ist noch nicht rechtskräftig. Beide Organisationen haben Rechtsmittel eingelegt. 8 "Wehrt Euch" Nr. 10 (1999), S. 20 ff. 9 WAW dürfte für "Weißer Arischer Widerstand" stehen. 10 Der Berliner Neonazi Kay DIESNER ermordete Anfang 1997 einen Polizisten und verletzte einen Berliner Buchhändler sowie einen weiteren Polizeibeamten schwer. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. 11 "Der Gegenangriff" Nr. 20, S. 1 Erläuterungen und Dokumentation 259 12 Das Bundesverfassungsgericht hatte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung unter Auflagen, wie z. B. dem Verbot jeglichen Bezugs zu Rudolf Heß (13. Todestag am 17. August), wieder hergestellt. 13 Die Zahl 18 verwenden Neonazis als Synonym für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets, A H = Adolf Hitler. 14 "Nachrichten der HNG", August 2000, S. 7 15 Seite 3 der jeweiligen Ausgabe 16 Daneben erschien von Januar bis Oktober 2000 ein kostenloses Werbeblatt "NN aktuell Nationale Nachrichten" in fünf Bundesausgaben mit einer jeweiligen Auflage von 100.000 sowie einer Hamburger Ausgabe. 17 Rede des NPD-Bundesvorsitzenden Udo VOIGT auf dem von der Partei veranstalteten "2. Tag des nationalen Widerstandes" am 27. Mai in Passau; zitiert nach den im Internet eingestellten "NPD-Infoseiten", S. 4 18 Vgl. VOIGT am 27. Mai in Passau, a.a.O., S. 4, 2 19 Vgl. VOIGT, a.a.O., S. 3 20 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 7/2000, S. 2 21 Zitiert nach dem NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" Nr. 4/2000, S. 18 22 Vgl. "Weg und Ziel - Nationalistisches Schulungsheft" Nr. 1/April - Juni 2000, 2. Auflage, S. 12 23 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 8/2000, S. 2 24 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 3/2000, S. 10 25 Vgl. Horst MAHLER/Franz SCHÖNHUBER: "Schluß mit deutschem Selbsthaß. Plädoyers für ein anderes Deutschland", Verlagsgesellschaft Berg mbH, Berg am Starnberger See, 1. Auflage 2000, a.a.O. 26 Vgl. VOIGT am 27. Mai in Passau, a.a.O., S. 6 27 Zitiert nach "Sächsische Zeitung" vom 8. August 2000 Bericht 2000 260 Erläuterungen und Dokumentation 28 Das bereits 1997 von der Parteiführung in einem Grundsatzpapier als Anleitung zum Handeln propagierte Drei-Säulen-Konzept beinhaltet als strategische Elemente den "Kampf um die Straße" (Demonstrationen und öffentliche Veranstaltungen), den "Kampf um die Köpfe" (argumentative Überzeugung Außenstehender und Schulung von Anhängern) und den "Kampf um die Parlamente" (Teilnahme an Wahlen). 29 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 4/2000, S. 2 30 Vgl. "Weg und Ziel", a.a.O., S. 7 31 Vgl. "Sachsen Stimme" Januar-April 2000, S. 5 f. 32 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 2/2000, S. 18 33 Der rechtsextremistische Publizist und damalige Angehörige der Redaktion des NPD-Parteiorgans "Deutsche Stimme" (DS) Christian ROGLER rief im Oktober 1999 dazu auf, durch eine couragierte Gegenmacht "befreite Zonen" zu schaffen. Die Eroberung kultureller Freiräume sei Aufgabe und Ziel nationalistischer Politik. (Vgl. DS Nr. 10/99, S. 17) 34 So der damals dem NPD-Bundesvorstand angehörende Neonazi Steffen HUPKA in "Deutsche Stimme" Nr. 11/99, S. 18. 35 Vgl. Schreiben des Bundesvorsitzenden der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) Sascha ROßMÜLLER vom 30.08.2000 an alle Mitglieder und Mitgliedsanwärter der JN. 36 In den "Grundgedanken" ihres Parteiprogramms von 1996 erklärt die NPD, sie stände mit einem "lebensrichtigen Menschenbild gegen Fremdherrschaft und Fremdbestimmung, gegen Überfremdung, Ausbeutung und Unterdrückung, für deutsche Freiheit, für Freiheit der Völker, für eine soziale Neuordnung in Deutschland, die unserem Menschenbild entspricht". Diese Aussage wiederholte der Bundesvorsitzende VOIGT in seiner Rede auf dem von der Partei veranstalteten "2. Tag des nationalen Widerstandes" am 27. Mai in Passau (vgl. Erläuterung Nr. 2). 37 Vgl. "Wir in NRW" (WIN), Beilage des NPD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen zum Parteiorgan "Deutsche Stimme", Nr. 10/03-2000, S. 1, Unterstreichung im Original 38 Vgl. "Sachsen Stimme" Ausgabe Januar-April 2000, S. 9 Erläuterungen und Dokumentation 261 39 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 4/2000, S. 1 40 Internet-Erklärung MAHLERs: "Was sind die Tatsachen? Wie ist die Lage? Was ist zu tun?", Berlin/Karlsruhe, 12. August 2000, S. 4 f. 41 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 1/2000, S. 8 42 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 4/2000, S. 19 43 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 7/2000, S. 5 44 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 4/2000, S. 3 45 Vgl. "Wir in NRW", a.a.O., S. 1 46 Vgl. VOIGT am 27. Mai in Passau, a.a.O., S. 4 47 Vgl. "Zündstoff" Nr. 1/2000, S. 6 48 Die NPD selbst gibt höhere Zahlen an: 7.000 laut Meldung auf der NPD-Homepage vom 12. August 2000 49 Darüber hinaus zeichnete WENDT für die Ausgaben September, Oktober und Dezember 2000/Januar 2001 der "Deutschen Stimme" presserechtlich verantwortlich. 50 Meldung auf der NPD-Homepage vom 5. August 2000 51 Sonderrundschreiben "Jetzt erst recht!" vom 15. August 2000 52 Das NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" berichtet in seiner Ausgabe von Oktober 2000, Seite 5, der Initiative MAHLERs hätten sich bislang rd. 8.000 Unterzeichner angeschlossen. 53 Meldung auf der NPD-Homepage vom 6. September 2000 54 Schreiben des stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Holger APFEL an alle Verbände von NPD und JN (ohne Datum) 55 "Offener Brief" der RPF an Udo VOIGT und alle Landes-, Bezirksund Kreisverbände der NPD vom 24. September 2000 56 Flugblatt zur "Großdemonstration des Nationalen Widerstandes" am 4. November 2000 in Berlin; V.i.S.d.P.: Steffen HUPKA Bericht 2000 262 Erläuterungen und Dokumentation 57 "Offener Brief" der RPF an Udo VOIGT und alle Landes-, Bezirksund Kreisverbände der NPD vom 24. September 2000 58 Flugblatt zur "Großdemonstration des Nationalen Widerstandes am 4. November 2000 in Berlin; V.i.S.d.P.: Steffen HUPKA 59 RPF-Rundbrief 2/00, S. 6 60 RPF-Rundbrief 3/00, S. 1 61 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 2/2001, S. 7 62 Aufruf "15. April 2000 - Demonstration des Nationalen Widerstands" (mit Angabe Spendenkonto NPD Göttingen) Aufruf "29. Januar 2000 - Demonstration des Nationalen Widerstands" (mit Angabe Spendenkonto NPD Göttingen) Homepage des NPDLandesverbands Niedersachsen "Neuestes von der Expo: Nationalistische Offensive in Hannover", Ausdruck vom 2. August 2000, Seite 3 63 Vgl. "Sachsen Stimme" Januar-April 2000, S. 5 64 Flugblatt "Vorsicht! Bundes-NPD verheizt in Hamburg Aktivisten!" des "Aktionsbüros Norddeutschlands" 65 Meldung auf der NPD-Homepage vom 12. August 2000 66 Meldung auf der NPD-Homepage vom 6. September 2000 67 Öffentliche Erklärung des Christian WORCH vom 9. August 2000 zu dem Artikel "Schadenfreude und Kraftmeierei" in der NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme" vom August 2000. 68 Internetausdruck der NPD-Homepage vom 14. August 2000. Dass VOIGT Gewalt lediglich aus taktischen Gründen ablehnt, zeigt das folgende Beispiel: VOIGT äußerte sich in einer vom ZDF in der Sendung "Kennzeichen D" am 2. September 1998 gezeigten Wahlkampfrede vor zumeist jugendlichen Skinheads wie folgt: "Kameradinnen und Kameraden, wenn damals Deutschland in Gefahr gewesen wäre, hätte ich auch als Vierzehnjähriger, wenn es hätte sein müssen, die Waffe in die Hand genommen, um mein Vaterland zu verteidigen. Und das erwarten wir von Euch auch. Deutschland ist in Gefahr! Deutschland wird von allen Seiten heute angegriffen." Erläuterungen und Dokumentation 263 69 Presseerklärung der "Blood & Honour"-Sektion Weser-Ems vom 23. Juli 2000 mit der Faxkennung "NPD-Bremen/Wrieden" 70 Artikel "NPD hilft Rechtsextremisten", in: taz Bremen, 25. Juli 2000, S. 21 71 Regelung nach dem Parteiengesetz, in der Vergangenheit als Wahlkampfkostenerstattung bekannt. 72 Rundschreiben vom 18. Januar 2000 des Landesvorsitzenden in Bayern Frederick SEIFERT an alle Mitglieder und Anwärter der JN 73 Einladung des JN-Landesverbandes "Nordmark" zu einer Saalveranstaltung am 23. Juni 2000 74 Einladung zum JN-Kongress am 28. Oktober 2000 in Dreisen (Rheinland-Pfalz). 75 Vgl. Rundbrief ROßMÜLLERs vom 30. August 2000 an alle Mitglieder und Mitgliedsanwärter der JN 76 FREY ist Inhaber der "DSZ - Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" (DSZ-Verlag), seine Ehefrau leitet die "FZ - Freiheitliche Buchund Zeitschriftenverlag GmbH" (FZ-Verlag). 77 Nach Angaben FREYs wird die NZ seit geraumer Zeit jährlich mit durchschnittlich 500.000 DM aus seinem Privatvermögen bezuschusst (NZ Nr. 1-2/2000, S. 3). 78 Vgl. NZ Nr. 11/2000, S. 3 79 Vgl. NZ Nr. 22/2000, S. 1 f. 80 Vgl. NZ Nr. 15/2000, S. 3 81 Vgl. NZ Nr. 13/2000, S. 1 f. 82 Vgl. NZ Nr. 41/2000, S. 1 f. 83 Vgl. NZ Nr. 5/2000, S. 10 84 Vgl. NZ Nr. 23/2000, S. 4 85 Vgl. NZ Nr. 29/2000, S. 6 Bericht 2000 264 Erläuterungen und Dokumentation 86 Vgl. NZ Nr. 38/2000, S. 10 87 Vgl. NZ Nr. 20/2000, S. 5 88 Vgl. NZ Nr. 29/2000, S. 18; NZ Nr. 30/2000, S. 16 89 So beispielsweise in der NZ Nr. 52/2000, S. 12 90 Vgl. NZ Nr. 31/2000, S. 10 91 Vgl. NZ Nr. 3/2000, S. 1 92 Vgl. NZ Nr. 14/2000, S. 1 und S. 5 93 Vgl. NZ Nr. 36/2000, S. 1 f. 94 Vgl. NZ Nr. 38/2000, S. 1 und S. 4 f. 95 Die DVU ist mit ca. 10 Millionen DM bei ihrem Bundesvorsitzenden FREY verschuldet. Dieser unterstützte auch mehrfach die Partei, so z. B. erneut zum Abschluss des Jahres 1999 mit einer Spende von über einer Million DM. FREY erklärte dazu: "Die DVU ist zwingend auf die Hilfe der Patrioten angewiesen. Gegen uns steht eine ungeheure Übermacht. Daher ist jede Mark Spende für die DVU von großer Bedeutung." (NZ Nr. 1-2/2000, S. 2 f.) 96 Das Verfahren war bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen. 97 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 5/2000, S. 7 98 Vgl. Pressemitteilung des REP-Bundesverbands Nr. 35/2000 vom 8.3.2000 99 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 5/2000, S. 7 100 Beitrag vom 12. März 2000 im Forum der Homepage der REP Sachsen 101 Vgl. "Amper Rechts" Nr. 3/00, S. 1 102 Vgl. Pressemitteilung des REP-Bundesverbands Nr. 65/2000 vom 6.7.2000 103 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 4/2000, S. 1 Erläuterungen und Dokumentation 265 104 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 5/2000, S. 5 105 Vgl. Pressemitteilung des REP-Bundesverbands Nr. 35/2000 vom 8.3.2000 106 Vgl. Pressemitteilung des REP-Bundesverbands Nr. 66/2000 vom 6.7.2000 107 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 1-2/2000, S. 1 108 "Zurück in die Offensive", Analyse des stellvertretenden hessischen REP-Landesvorsitzenden Gerald WISSLER von Anfang 2000 109 Die Ansätze für ein mögliches Zusammengehen von REP und BFB scheiterten. Der BFB löste sich nach eigenen Angaben zum Ende des Jahres 2000 auf. 110 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 3/2000, Sonderseite REP-Intern I 111 Vgl. Pressemitteilung der REP-Fraktion im Landtag von BadenWürttemberg Nr. 118 vom 11. August 2000 112 Vgl. Rundschreiben an alle Mitglieder des REP-Landespräsidiums Schleswig-Holstein vom 14. Januar 2000 113 Vgl. Pressemitteilung des NPD-Landesverbands SchleswigHolstein vom 23. Januar 2000 114 Vgl. "Der Republikaner" Nr. 1-2/2000, Sonderseite REP-Intern II 115 Vgl. "Sachsen Stimme" Nr. 5/6 (Mai/Juni) 2000, S. 6 116 Vgl. Publikation des REP-Kreisverbands Mettmann "Der REPräsentant" Nr. 9/2000, S. 4 117 Vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 6/2000, S. 4 Die "Deutsche Stimme" veröffentlicht in der Ausgabe Nr. 10/2000 eine Gegendarstellung von Andreas LEHMANN, in der er darauf hinweist, dass er auf der besagten Veranstaltung nicht von der Wehrmachtsausstellung gesprochen habe und auch eine Kooperation der REP-Jugend mit den JN ablehne. Die Redaktion der "Deutschen Stimme" bleibt jedoch bei ihrer Darstellung, dass sich LEHMANN für eine Kooperation der REP-Jugend mit den JN ausgesprochen habe und interpretiert LEHMANNs Gegendarstellung vielmehr als eine Reaktion auf ein vom REP-Bundesvorstand angedrohtes Parteiausschlussverfahren (vgl. "Deutsche Stimme" Nr. 10/2000, S. 5). Bericht 2000 266 Erläuterungen und Dokumentation 118 Vgl. "Nation & Europa" Nr. 6/2000, S. 62 119 Vgl. Impressum "Nation & Europa" Nr. 7/8-2000 120 Vgl. Pressemitteilung der REP-Stadtratsfraktion Mainz vom 25. September 2000 121 Vgl. "Nation & Europa" Nr. 1/2000, S. 55 122 Der Parteienstatus solcher Gruppierungen ist im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) vom 17. November 1994 zweifelhaft. 123 Flugblatt der Partei vom 31. August 2000. 124 Ein Mitglied der DVU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt schloss sich im Frühjahr 1999 der VR an. 125 "Vereinigte Rechte", Parteiprogramm, ohne Datum 126 Vgl. "Metapo" Nr. 1/2000, S. 3 127 Vgl. "Metapo" Nr. 2/2000, S. 3 128 Vgl. "Staatsbriefe" Nr. 12/1999, S. 41 129 Vgl. "Junge Freiheit" Nr. 31-32/2000, S. 6 130 Vgl. "Junge Freiheit" Nr. 24/2000, S. 16 131 Vgl. Norman Finkelstein, The Holocaust Industry. Reflections on the Exploitation of Jewish Suffering, London/New York 2000, Deutsch: Die Holocaust-Industrie, München 2001 132 NZ Nr. 31 vom 28. Juli 2000 133 Vgl. Eva Menasse, Der Holocaust vor Gericht. Der Prozess um David Irving, Berlin 2000 134 Ein Zusammengehen deutscher Rechtsextremisten und Islamisten bzw. islamischen Staaten, wie gelegentlich in den Medien gemutmaßt wird, ist nur vereinzelt festzustellen. Beiden gemeinsam ist die Ablehnung einer demokratischen Gesellschaftsordnung und eine antisemitische Grundhaltung. Wesentlich stärker sind jedoch trennende Elemente wie einander widersprechende Absolutheitsansprüche und Fremdenfeindlichkeit. Erläuterungen und Dokumentation 267 135 Dietmar MUNIER, Verehrte Leser ..., in: "Arndt-Verlag" (Hrsg.), Lesen & Schenken, 33. Folge/2000, S. 2 136 Bei "Dark Wave" handelt es sich um eine Jugendund Musikkultur, die sich insbesondere an Düsterem und Okkultem orientiert und überwiegend unpolitisch ist. Deren heidnisch ausgerichteter Teil weist formale Gemeinsamkeiten mit rechtsextremistischen Ideologiebestandteilen auf, was Rechtsextremisten motiviert, mit einschlägigen Angeboten in diese Szene politisierend hineinzuwirken. Darüber hinaus entwickelten sich aus dieser Subkultur auch eigenständige rechtsextremistische Tendenzen. (Vgl. ausführlicher Verfassungsschutzbericht 1999, S. 84 ff.) 137 Bislang nicht aufgeklärter Sprengstoffanschlag vom 27. Juni 2000 auf eine Gruppe jüdischer Kontingentflüchtlinge in einer S-BahnStation in Düsseldorf, bei dem mehrere Personen zum Teil schwer verletzt wurden. 138 "DISPUT" Nr. 10 vom Oktober 2000, S. 19 f. 139 Nach der Definition der Verfassungsschutzbehörden ist Terrorismus der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Absatz 1 des Strafgesetzbuches genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. 140 Schultze, Thomas/Gross, Almut: Die Autonomen. Ursprünge, Entwicklung und Profil der autonomen Bewegung, Hamburg 1997, S. 55 141 Über 50 - z. T. konspirativ hergestellte und verbreitete - Szenepublikationen veröffentlichen regelmäßig Taterklärungen, Positionspapiere, Aufrufe zu Demonstrationen, "Bastelanleitungen" (Anleitungen zur Herstellung u. a. von Brandund Sprengsätzen) und andere für die linksextremistische Diskussion und Praxis relevante Beiträge. Die meisten dieser Publikationen - z. B. "RAZZ" (Hannover) oder "EinSatz" (Göttingen) - haben vorrangig regionale Bedeutung. Von bundesweiter Relevanz sind die regelmäßig in Berlin erscheinende Schrift "INTERIM" sowie das Untergrundblatt "radikal". 142 So sind Homepages aus dem linksextremistischen Bereich über das Internet abrufbar, die - aus Gründen der Strafverfolgung - gezielt über im Ausland angesiedelte Provider angeboten werden. Die Untergrundzeitschrift "radikal" beispielsweise stellt ihre Bericht 2000 268 Erläuterungen und Dokumentation Texte und Informationen über Provider in den Niederlanden und den USA in das Internet ein. 143 Der Hausbesetzer Silvio Meier war bei einem von ihm angezettelten Streit mit Rechten am 21. November 1992 auf dem U-Bahnhof Samariterstraße (Friedrichshain) erstochen worden. Aus Anlass seines Todestags finden seitdem jährlich eine Mahnwache und eine Demonstration statt. 144 Der GBA hat in diesem Fall ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts einer Straftat nach SS 129a StGB eingeleitet. 145 Die Ende der Siebziger Jahre entstandenen "Revolutionären Zellen" (RZ) gehörten - wie die später aus ihnen hervorgegangene autonome Frauengruppe "Rote Zora" - neben der "Roten Armee Fraktion" (RAF) und der "Bewegung 2. Juni" über zwei Jahrzehnte zu den wichtigsten Akteuren des deutschen Linksterrorismus. Im Gegensatz zu diesen verübten Angehörige von RZ und "Roter Zora" ihre - meist gegen Sachen gerichteten - Anschläge jedoch aus der "Legalität" heraus - ein Konzept, das auch heute noch "Gebrauchswert" vor allem für Gruppen aus dem militanten autonomen Bereich hat (sog. Feierabendterrorismus). Anschläge von RZ/"Rote Zora" standen aus Gründen der Vermittelbarkeit meist im Zusammenhang mit öffentlich diskutierten Konfliktthemen (z. B. Stadtsanierung, Ausländer-/Asylproblematik, Biound Gentechnologie). Anschlagstätigkeiten dieser Struktur waren zuletzt im Sommer 1995 zu verzeichnen. Damals verübte die "Rote Zora" einen Sprengstoffanschlag gegen ein Gebäude einer Werft in Lemwerder bei Bremen, die u. a. Aufträge für die türkische Marine durchführte. 146 Homepage der "Graswurzelrevolution" 147 "DKP-Informationen" Nr. 3/00 - Juni 2000 148 "DKP-Informationen" Nr. 4/00 - Juli 2000 149 Nach Angaben der DKP ist fast die Hälfte der Parteimitglieder 60 Jahre und älter, nur knapp ein Prozent ist jünger als 20 Jahre und knapp 10 Prozent sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Der Frauenanteil ist von fast 43 % auf etwa 39 % gesunken. Eine vom 15. Parteitag beschlossene Kampagne zur "Stärkung der DKP" vom September 2000 bis Juni 2001 soll den realen Mitgliederstand um drei Prozent steigern. (u. a. "DKP-Informationen" Nr. 6/00 - Oktober 2000) Erläuterungen und Dokumentation 269 150 Noch acht Prozent der DKP-Mitglieder zahlen den Mindestbeitrag von 2 DM monatlich, der durchschnittliche Monatsbeitrag liegt bei etwa 19 DM. Der 15. Parteitag hat eine neue Finanzordnung beschlossen, die zur Erhöhung der Beitragseinnahmen führen soll. ("DKP-Informationen" Nr. 6/00 - Oktober 2000) 151 "DKP-Informationen" Nr. 1/00 - Februar 2000, "DKP-Informationen" Nr. 6/00 - Oktober 2000, DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) vom 12. und 19. Mai und vom 1. Dezember 2000 152 UZ vom 26. Juni 2000 153 UZ vom 7. Juli 2000 154 "DKP-Informationen" Nr. 6/00 - Oktober 2000; UZ vom 17. März, 1., 8. und 22. Dezember 2000. 155 "DKP-Informationen" Nr. 6/00 - Oktober 2000 156 Referat des Bundesvorstands an den 15. Bundeskongress der SDAJ, S. 4 - aus: Materialien des Bundeskongresses 157 UZ vom 16. Juni 2000 158 "Neues Deutschland" vom 22. August 2000 159 Definition "Friedenskampf" (Kleines Politisches Wörterbuch, Aufl. 1989, S. 285 ff.): "Der Kampf um die Sicherung des Friedens richtet sich vor allem gegen die aggressivsten und militaristischsten Kräfte des Imperialismus. ... Der MarxismusLeninismus begründet, daß die Frage von Krieg und Frieden vom Klassenkampf abgeleitet wird und Kriege letztlich ihre Wurzeln im Privateigentum an Produktionsmitteln, im Klassenantagonismus der Ausbeutergesellschaft, im aggressiven Wesen des Imperialismus haben. Unter den heutigen Bedingungen muss die Sicherung des Friedens vor allem im harten Kampf gegen die aggressivsten militaristischen Kräfte des Imperialismus durchgesetzt werden." Nach diesen Vorstellungen erschöpft sich "Friedenskampf" nicht in pazifistischen Bemühungen, sondern muss den angeblich gesetzmäßig aggressiven Imperialismus (Pseudonym für westliche Verfassungsstaaten mit marktwirtschaftlichen Ordnungssystemen) "zum Frieden zwingen". Dies kann durch politische oder auch unmittelbar militärische Maßnahmen unter Anwendung eines Bericht 2000 270 Erläuterungen und Dokumentation "gerechten" Krieges geschehen: Nach marxistisch-leninistischer Auffassung war der Frieden um so sicherer, je stärker der Sozialismus bewaffnet war. 160 Veröffentlicht in dem Sammelband: Wolfgang Richter/Elmar Schmähling/Eckart Spoo (Hrsg), Die Wahrheit über den NATOKrieg gegen Jugoslawien, Schkeuditz 2000 161 Im geltenden Parteiprogramm heißt es (Abschnitt 3 "Sozialistische Erneuerung"): "Der Sozialismus ist für uns ein notwendiges Ziel - eine Gesellschaft, in der die freie Entwicklung der einzelnen zur Bedingung der freien Entwicklung aller geworden ist." Diese Aussage lehnt sich ersichtlich an das "Manifest der Kommunistischen Partei" an, das insoweit folgenden Wortlaut hat: "Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, der Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist." (Marx-EngelsWerke, Dietz Verlag Berlin, 1959, Band 4, Seite 482) 162 So heißt es im Beschluss "Die programmatische Debatte in der PDS zielorientiert weiterführen" des Parteitags in Münster: "Wir suchen nach zukunftsfähigen Politikformen, die Chancen für die Überwindung des Kapitalismus eröffnen." ("DISPUT" Nr. 4 vom April 2000) 163 Vgl. "PDS-Pressedienst" Nr. 51/52 vom 23. Dezember 1999. BRIE nimmt ausdrücklich Bezug auf Lenin: "Lenin sprach selbst in revolutionären Zeiten davon, dass sie [die Politik] nur zwei Schritte vorwärts machen könne, indem sie einen zurück mache. Und es gibt eine Stelle bei ihm, wo er sogar meint, man müsse zwei zurück gehen, um einen voran tun zu können." Auch der damalige Vorsitzende der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag, Gregor GYSI, wird im "Neuen Deutschland" vom 2. Mai 2000 wiedergegeben: Die Partei fordere soziale und wirtschaftliche Veränderungen, die revolutionär genannt werden könnten, wenn sie umgesetzt würden. Revolutionär sei die PDS allerdings nicht, wenn damit das Stürmen von Häusern gemeint sei. Erläuterungen und Dokumentation 271 164 Für Mecklenburg-Vorpommern heißt es im Bericht einer "AG Bilanz" - eingesetzt vom Landesvorstand - zur bisherigen Regierungsbeteiligung der PDS u. a., als sozialistische Partei unter kapitalistischen, bürgerlich-demokratischen Verhältnissen Regierungsverantwortung übernommen zu haben, daraus erwachse die Problematik, Alternativpolitik in diesen Grenzen zu realisieren, aber darüber hinaus sozialistische Zielstellungen nicht aufzugeben. ("Offenes Blatt" Nr. 7 vom November 2000) 165 Programm der PDS, Abschnitt 5 "Veränderungen mit der PDS - Selbstveränderung der PDS" (Hrsg.: Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der PDS, 1997) 166 Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der PDS-Bundestagsfraktion Wolfgang GEHRCKE erklärte im gleichen Heft u. a.: "Sind nicht die tatsächlichen Chancen einer sozialistischen Partei heute dadurch gegeben, dass sie als Widerstandskraft und Reibefläche in der Gesellschaft eine so starke Gegenmacht entwickelt, dass sich andere gesellschaftliche Konzeptionen an ihr brechen und nicht mehr auf ihrer originären Grundlage wirksam werden können. ... Dies wird von Parteien und über Parlamente allein kaum denkbar sein, wenn nicht zugleich gesellschaftliche Bewegungen wieder entstehen und neue Demokratieformen durchgesetzt werden." ("Marxistisches Forum" Nr. 32/33 vom September 2000) 167 "Jungle World" Nr. 6 vom 2. Februar 2000 168 Programm der PDS, Abschnitt 5 "Veränderungen mit der PDS - Selbstveränderung der PDS", (Hrsg.: Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der PDS, 1997) Statut der PDS, Abschnitt 3 "Rechte und Pflichten der Mitglieder" 169 So die "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF), das "Marxistische Forum der PDS", (in einigen Ländern) die "Arbeitsgemeinschaft Junger GenossInnen in und bei der PDS" sowie die Organisationen des "Forums Kommunistischer Arbeitsgemeinschaften" (ehemals "Bund Westdeutscher Kommunisten" - BWK -) in westlichen Landesverbänden der PDS. 170 Das Strategiepapier wird unter dem Namen von Prof. Michael BRIE, Mitglied der Grundsatzkommission der PDS, verbreitet. 171 So auch die stellvertretende Parteivorsitzende Petra PAU: "Ich will die Plattform oder andere Gruppierungen nicht ausschließen; sie gehören in die PDS, wie alle, die sich zu den konstituierenden Bericht 2000 272 Erläuterungen und Dokumentation Grundsätzen der PDS bekennen" ("Neues Deutschland" vom 19. Mai 2000). Der Landesvorsitzende von Thüringen Dieter HAUSOLD lehnte gegenüber der Nachrichtenagentur ddp am 5. Oktober eine Trennung von der KPF ab: In Thüringen seien die Kommunisten in die politische Arbeit des Landesverbandes integriert und würden auch das Grundgesetz akzeptieren. Die PDS sei so demokratisch, dass Meinungsverschiedenheiten nicht zum Ausschluss führten. 172 "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS" Nr. 6 vom Juni 2000; s. auch Aufruf "Gegen einen Richtungswechsel - für eine starke PDS" ("Neues Deutschland" vom 31. März 2000) 173 "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS" Nr. 6 vom Juni 2000, s. auch Aufruf "Gegen Richtungswechsel - für eine starke PDS" ("Neues Deutschland vom 31. März 2000) 174 Selbst die freiheitliche demokratische Grundordnung - mit ihrer antitotalitären Ausrichtung - wird vom "Marxistischen Forum" als "grundgesetzwidrig" diffamiert: "Es geht dabei [bei der freiheitlichen demokratischen Grundordnung] um ein politischideologisches Freund-Feindbild-Konstrukt der Herrschaftsausübung, das die Funktion hat, eine grundgesetzwidrige Einengung demokratischer Grundrechte zu legitimieren." ("Marxistisches Forum" Nr. 32/33 von September 2000) 175 Die Finanzierung des Verbandes erfolgt zu einem sehr großen Teil über die PDS und die Parteistiftung "Rosa-Luxemburg". So sind im Finanzplan 2000 der PDS erhebliche finanzielle Mittel zur Unterstützung des Jugendverbandes eingeplant: Laut Tätigkeitsbericht des Parteivorstands zum Parteitag Mitte Oktober in Cottbus wurden 150.000 DM vorgesehen. 176 So erklärte der Ehrenvorsitzende der PDS Hans MODROW in seiner Rede auf dem Parteitag in Cottbus: "Der Jugendverband ['solid] hat inzwischen ein aktives politisches Leben unter den Jugendlichen begonnen, er findet und bestimmt seinen Platz unter den anderen Jugendbewegungen. Wir haben auf diesem Parteitag die Chance, dem Jugendverband unsere Sympathie und unseren Zuspruch zu erweisen" ("DISPUT" Nr. 10 vom Oktober 2000). Gast auf der ersten "['solid]" Bundeskonferenz vom 24. bis 26. März 2000 in Magdeburg war das damalige Mitglied des Bundeskoordinierungsrates der KPF Michael BENJAMIN. 177 DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) vom 26. Mai 2000 Erläuterungen und Dokumentation 273 178 Auf der 15. Bezirksdelegiertenkonferenz der DKP RheinlandWestfalen am 1./2. April 2000 in Düsseldorf verwies der DKPBezirksvorsitzende in seinem Referat auf die Vereinbarung regelmäßiger Gespräche mit dem PDS-Landesverband NordrheinWestfalen. 179 Vgl. "Unsere Zeit" (UZ) vom 3. März 2000 180 Insbesondere auf kommunaler Ebene wird der wohl in erster Linie gegen die DKP gerichtete Beschluss des Schweriner Parteitags (Januar 1997) - Ausschluss von Kandidaten anderer Parteien auf offenen Listen der PDS - nicht eingehalten. So führt die DKP von den 49 kommunalen Mandaten, die sie zzt. in 28 Orten ausübt, ein Viertel auf Kandidaturen von DKP-Mitgliedern auf PDSListen zurück (UZ vom 14. Januar 2000). 181 Laut "Neues Deutschland" vom 16. Oktober 2000 war die Resolution von 20 Mitgliedern und Sympathisanten der PDS, die im "Verband der ehemaligen Teilnehmer des antifaschistischen Widerstandskampfes, der Verfolgten des Naziregimes und Hinterbliebener/Bund der Antifaschisten" (VVdN/BdA) aktiv sind, vorgelegt worden. 182 Auch der damalige PDS-Vorsitzende Lothar BISKY sprach sich in einem Interview in der PDS-Mitgliederzeitschrift "DISPUT" für eine Zusammenarbeit u. a. mit der autonomen Antifa aus: "Wir haben eine junge Generation, die einen anderen Antifaschismus lebt. Mir war es immer ein Graus festzustellen, dass der alte und der neue Antifaschismus nicht zusammen gingen. Hier brauchen wir als PDS Ideen, wie diese mutigen jungen Leute, die auf der Straße gegen die Nazis angehen, zusammenkommen können mit den Älteren. Ich hoffe, es wird eines Tages möglich sein, dass die Alten und die Jungen sagen: Nun legen wir unsere Einseitigkeiten beiseite und sagen, wir machen zusammen etwas gegen Nazis. Billiger ist es nicht zu haben." ("DISPUT" Nr. 9 vom September 2000). Auch bei Gesprächen mit Mitgliedern von "Bündnissen gegen Rechts" aus Leipzig und Delitzsch am 25. August 2000 betonte BISKY den Wunsch nach einer Intensivierung der Zusammenarbeit der PDS mit verschiedenen Antifa-Gruppen. ("DISPUT" Nr. 9 vom September 2000) 183 So der stellvertretende Landesvorsitzende der PDS Sachsen in einem Interview der Tageszeitung "junge Welt" vom 2. Juni 2000. Im Rahmen der PDS-Diskussion äußerte ein Vertreter einer Hochschulgruppe in Leipzig in "Neues Deutschland" vom 20. Juli Bericht 2000 274 Erläuterungen und Dokumentation 2000, Steine werfen sei eine Form militanter Auseinandersetzung, egal wie dies zu bewerten sei. 184 Vgl. "Thesen zur programmatischen Debatte" der Programmkommission der PDS vom November 1999, veröffentlicht im "PDSPressedienst" Nr. 47 vom 26. November 1999. 185 Im "PDS-Pressedienst" waren u. a. kommunistische Parteien aus Tschechien, Südafrika, Indien, Vietnam, China, Portugal, Frankreich, Kuba, Bolivien, Chile, Griechenland, Japan, Spanien, Venezuela, Österreich und Russland aufgeführt. 186 Einen Schwerpunkt bildet das Europaparlament, in dem die PDS mit sechs von 42 Abgeordneten in der "Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordisch Grüne Linke" (KVEL/NGL) vertreten ist, der u. a. auch Abgeordnete der kommunistischen Parteien aus Frankreich, Griechenland, Italien und Portugal angehören. Darüber hinaus gehört die PDS als einzige deutsche Organisation dem "Forum der Neuen Europäischen Linken" (NELF) an, einem Zusammenschluss von 17 europäischen kommunistischen, linkssozialistischen und grün-linken Parteien und Organisationen aus 14 Ländern, darunter die Kommunistischen Parteien Frankreichs und Italiens. 187 DEHM findet lobende Worte für das kommunistische Kuba und den Diktator Fidel Castro: Es gebe eine stark anwachsende Sympathie in der bundesdeutschen Bevölkerung - so DEHM - für das sozialistische Kuba. Als Gerüchte aufgekommen seien, Castro wolle die EXPO in Hannover besuchen, seien weite Teile der Politik geradezu elektrisiert gewesen. Castro gehöre zu den weitsichtigsten Politikern und bedeutendsten Denkern der Mitmenschlichkeit, die in den letzten Hundert Jahren gelebt hätten ("PDS-Pressedienst" Nr. 46 vom 17. November 2000). Die dritte Tagung des 6. Parteitags der PDS in Münster hatte auf Initiative von "Cuba Si" eine Grußbotschaft an Fidel Castro verabschiedet ("DISPUT" Nr. 4 vom April 2000). 188 Vgl. "PDS-Pressedienst" Nr. 46 vom 17. November 189 Vgl. Tätigkeitsbericht des Parteivorstands auf dem 7. PDS-Parteitag am 14./15. Oktober, veröffentlicht in "DISPUT" Nr. 10 vom Oktober 2000. 190 "DISPUT" Nr. 4 vom April 2000 191 Resolution des VI. Parteitags, MLPD-Zentralorgan "Rote Fahne" vom 17. Dezember 1999 Erläuterungen und Dokumentation 275 192 Die Bezeichnung ist eine Abkürzung für "Association pour la taxation des transactions financieres pour l'aide des citoyens" (Vereinigung für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zugunsten der Bürger). 193 "Die PDS und der Antifaschismus", Resolution der 1. Tagung des 7. Parteitags des PDS, "DISPUT" Nr. 10 vom Oktober 2000/"PDSPressedienst" Nr. 42/43 194 "INTERIM" Nr. 509 vom 7. September 2000 195 Homepage des Szeneobjekts "Drucklufthaus" 196 Linksextremistisches Informationsportal "nadir" 197 Linksextremistisches Informationsportal "nadir" 198 "INTERIM" Nr. 505 vom 29. Juni 2000, S. 8 ff. 199 Die Zahlenangaben beruhen auf Schätzungen. Veränderungen der Mitglieder-/Anhängerzahlen gegenüber dem Vorjahr können auch auf neuere Erkenntnisse zurückzuführen sein, bedeuten daher nicht immer einen tatsächlichen Zuwachs bzw. Verlust. 200 Es handelt sich dabei um folgende Organisationen: "Union der patriotischen Arbeiter aus Kurdistan" (YKWK) "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) "Partei der freien Frauen" (PJA) "Islamische Bewegung Kurdistans" (KIH) "Union der StudentInnen aus Kurdistan" (YXK) "Union der Yeziden aus Kurdistan" (YEK) "Union der kurdischen Lehrer" (YMK) "Union der Aleviten aus Kurdistan" (KAB) "Union kurdischer Geschäftsleute und Unternehmer in Deutschland" (A.K.I.B.) "Union der Journalisten Kurdistans" (YRK) "Union der Juristen Kurdistans" (YHK) "Union der Schriftsteller Kurdistans" (YNK) 201 Der Name "Mazlum Dogan"-Festival soll die Erinnerung an einen PKK-Funktionär bewahren, der 1982 bei einem Hungerstreik in türkischer Haft starb. 202 WTO = World-Trade Organization Bericht 2000 276 Erläuterungen und Dokumentation 203 Amir: "Befehlshaber". Kalif: Bezeichnung für den Nachfolger des Propheten Mohammed als Oberhaupt der muslimischen Gemeinde. Der Kalif trägt seit 634 n. Chr. zusätzlich den Titel "amir al-mu minin" (Befehlshaber der Gläubigen). Das Amt des Kalifen vereinigt in sich weltliche und geistliche Macht. 204 Anhänger des jüdischen Messias Sabbatai Sevi, der im 17. Jahrhundert im osmanischen Reich unter Druck des Sultans zum Islam konvertierte. Die Sabbatäer haben trotz ihres muslimischen Glaubens ihre jüdische kulturelle Identität beibehalten und werden deswegen bis heute von einigen Muslimen nicht als Teil der Umma (islamische Gemeinschaft) anerkannt. 205 Panislamismus: Aus der islamischen Reformbewegung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hervorgegangene ideologische Strömung, die die politische und religiöse Einheit der Muslime über nationale Grenzen hinweg propagiert. 206 Die MB wurde 1928 in Ägypten von Hassan al-BANNA gegründet und verbreitete sich von dort in nahezu alle arabischen Staaten sowie in Länder, in denen arabische Muslime leben. Die MB wurde zur ideologischen Mutterorganisation für zahlreiche sunnitische islamistische Gruppierungen, so z. B. die algerische "Islamische Heilsfront" (FIS), die tunesische "En Nahda" (Bewegung der Erneuerung in Tunesien), die ägyptischen Organisationen "Al-Gama'a al-Islamiyya" (Islamische Gemeinschaft) und "Jihad Islami" sowie die in den palästinensischen Autonomiegebieten aktive "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS). Die größte mit der MB verbundene Gruppierung in Deutschland, die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V." (IGD), steht unter dem bestimmenden Einfluss des ägyptischen Zweiges der MB. Außerdem wird der syrische Zweig der MB durch die so genannten "Islamischen Avantgarden" repräsentiert. 207 Der 1979 von dem iranischen Revolutionsführer Khomeini ins Leben gerufene "Qhods"-Tag wird jeweils am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan begangen und soll an die "fortdauernde Besetzung des Landes Palästina und der Heiligen Al Aksa-Moschee in Jerusalem" erinnern. In Berlin werden seit 1996 regelmäßig Kundgebungen zum "Qhods"-Tag veranstaltet. Das iranische Regime gehört zu den schärfsten Kritikern Israels, lehnt jegliche Verhandlungen ab und ruft zur Zerstörung des jüdischen Staates auf. Vor dem Hintergrund der Aufnahme von Friedensgesprächen zwischen Israel und Syrien hatte der Religionsführer des Iran, Ayatollah KHAMENEI, alle Muslime aufgefordert, anlässlich des Erläuterungen und Dokumentation 277 "Qhods"-Tages ihren Hass und ihre Bereitschaft zum Kampf gegen Israel in der ganzen Welt zum Ausdruck zu bringen und sich den bevorstehenden Demonstrationen anzuschließen. 208 In Farsi: "Modjahedin-E Khalq" 209 Die UCPMB wurde im Frühjahr 2000 in den von Albanern besiedelten Gebieten Südserbiens als regionale Nachfolgeorganisation der "Befreiungsarmee Kosovos" (UCK) gegründet und nach den drei wichtigsten Städten dieser Region benannt. 210 Zur GUS gehören: Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, Russische Föderation, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan, Weißrussland. 211 Putin war von Mitte der 70er bis Anfang der 90er Jahre beim damaligen sowjetischen Staatssicherheitsdienst KGB im Bereich der Auslandsaufklärung tätig und in dieser Verwendung auch mehrere Jahre in der ehemaligen DDR eingesetzt. Am 25. Juli 1998 wurde er vom damaligen Präsidenten Jelzin zum Leiter des zivilen russischen Inlandsnachrichtendienstes FSB ernannt. Am 9. August 1999 löste er Sergej Stepaschin im Amt des russischen Ministerpräsidenten ab. 212 "Tote Briefkästen" sind Ablagestellen - z. B. in Maueröffnungen, Erdverstecken etc. -, die zum Materialaustausch bzw. zur Geldübergabe an Agenten eingerichtet worden sind. 213 Siehe auch Berichtsteil "Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern", Kap. III, Nr. 4. 214 Die Organisation gibt eine Vielzahl von Publikationen heraus. Die vier genannten erscheinen bedeutend für den deutschsprachigen Raum. Angaben zur Auflagenhöhe veröffentlicht die SO nur vereinzelt. 215 Nach ihren eigenen Angaben im Internet besitzt sie in Deutschland acht "Kirchen", ein "Celebrity Centre" und neun "Missionen" (http://www.scientology.org sowie www.smi.org; 16. 10. 2000). Die SO publiziert im übrigen unterschiedliche Zahlen für ihre "Kirchen" und "Missionen" in Deutschland. In einer Ausgabe der "FREIHEIT" mit dem Titel "BECKSTEIN IN DER SACKGASSE" (Mai 2000) gibt sie die Anschriften von sieben "Kirchen", zwei "Celebrity Centres" und zehn "Missionen", darunter auch Salzburg, an. Bericht 2000 278 Erläuterungen und Dokumentation 216 Nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 1995 (Neue Juristische Wochenschrift 1996, S. 143 ff.) handelt es sich bei der SO in Deutschland nicht um eine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes. Ihre religiösen oder weltanschaulichen Lehren dienten vielmehr nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele. 217 Vgl. SS 3 der Mustersatzung einer SO-Mission 218 Vgl. zum Begriff "Thetan": Hubbard, Fachwortsammlung für Dianetics und Scientology, 4. Auflage, Kopenhagen 1985 (zitiert: Hubbard, Fachwortsammlung) S. 98; Hubbard, Scientology - Die Grundlagen des Denkens, 2. Auflage, Kopenhagen 1973, S. 37 219 Vgl. zum Begriff "Operierender Thetan": Hubbard, Fachwortsammlung, S. 67 220 Vgl. zum Begriff "Clear": Hubbard, Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit, 8. Auflage, Kopenhagen 1984 (zitiert: Hubbard, Dianetik), S. 215 221 Vgl. zum Begriff "Aberration": Hubbard, Fachwortsammlung, S. 1 222 Vgl. zum Begriff "Engramm": Hubbard, Fachwortsammlung, S. 27 223 Vgl. zum Begriff "Auditing": Hubbard, Das Scientology-Handbuch, Kopenhagen 1994, S. XX 224 Vgl. zum Begriff "Auditor": Was ist Scientology?, Kopenhagen 1998, S. 164 ff. 225 Vgl. zum Begriff "Preclear": Was ist Scientology?, a.a.O., S. 164 226 Vgl. zum Ablauf des "Auditing": Was ist Scientology?, a.a.O., S. 164 ff. 227 Vgl. zum Begriff "E-Meter": Was ist Scientology?, a.a.O., S. 165 ff. 228 Vgl. Was ist Scientology?, Kopenhagen 1998, S. 164 ff. 229 Vgl. SSSS 5 Nr. 3 und 8 Nr. 1 Buchst. a der Mustersatzung der SO für Kirchen und Missionen in Deutschland, die 1992 von ihr der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) übersandt wurde: "... Verbreitung von einschlägigen Schriften über die ScientologyReligion. Unter Schriften sind die schriftlichen, auf Tonband oder Erläuterungen und Dokumentation 279 anderen Kommunikationsträgern aufgezeichneten Werke des Religionsgründers L. Ron Hubbard in Bezug auf die ScientologyLehre und Scientology-Kirchen gemeint." (SS 5 Nr. 3); "Die Ziele, Glaubensinhalte, Doktrinen, Kodizes, das Glaubensbekenntnis, die Richtlinien und religiösen Betätigungen, wie sie vom Begründer der Scientology Religion L. Ron Hubbard in seinen Schriften und Werken niedergelegt und in den Artikeln 2-5 dieser Satzung kurz zusammengefaßt wurden, zu beachten" (SS 8 Nr. 1, Buchst. a). Vgl. "IMPACT", Ausgabe 87, 2000, S. 1; "Informationsbeilage für die Mitgliedschaft" in der "International Association of Scientologists" (IAS) aus "IMPACT", a.a.O.; in beiden Veröffentlichungen bezeichnet die IAS es als ihren Organisationszweck, "die Scientology-Religion und Scientologen in allen Teilen der Welt zu vereinigen, zu unterstützen und zu schützen, damit die Ziele der Scientology, wie L. Ron Hubbard sie aufgestellt hat, erreicht werden". 230 Vgl. "INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS", Ausgabe 13, 2000, Werbebeilage. 231 Dass die SO die Schriften Hubbards auch als politischen Auftrag versteht, deutet David Miscavige, als "Vorstandsvorsitzender" des "Religious Technology Center" einer der führenden Funktionäre der SO, in seiner Rede zum 15. Jahrestag der "International Association of Scientologists" mit folgenden Worten an: "... Im Verlauf des Abends werden Sie noch sehr viel mehr darüber hören, wie wir unsere Ziele erreichen und nicht nur einen Kontinent, sondern eine gesamte Zivilisation verändern. Keine andere Gruppe hat unsere Tech, unsere Entschlossenheit und unser Konfrontiervermögen ..." (zitiert aus "IMPACT", Ausgabe 87, 2000, S. 15). 232 Vgl. "IMPACT", Ausgabe 87, 2000, S. 63 233 Hubbard, Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit, Kopenhagen 1995, S. 487 zur eingeschränkten Verleihung von Bürgerrechten ausschließlich an "Nichtaberrierte" und S. 378 zum eingeschränkten Recht auf Eheschließung und Fortpflanzung. Vgl. auch "IMPACT", Ausgabe 87, 2000, S. 20, 35, 63 sowie die SO-eigene Internetseite http://wasist.scientology.de/ html/part12/Chp37/pg0684.html (16.10.2000), wonach nur "... ehrliche Wesen Rechte haben können ...". 234 Vgl. Hubbard, Einführung in die Ethik der Scientology, Kopenhagen 1998, S. 38 f. im Kapitel "Ehrlichkeit und Fallgewinn" zu Antworten des Befragten im "Auditing": Bericht 2000 280 Erläuterungen und Dokumentation "um als ein Preclear ... Hilfe zu erhalten, muss man seinem Auditor gegenüber ehrlich sein. ... Dies ist der Weg zur geistigen Gesundheit ... und wirklicher Freiheit ...". 235 Vgl. "IMPACT", Ausgabe 87, 2000, S. 21 236 Vgl. HCO (Hubbard Communications Office) - Policybrief vom 22. Juli 1982; wieder herausgegeben am 4. Oktober 1985 237 Vgl. "SOURCE", Ausgabe 128, 2000, S. 24; Ausgabe 129, 2000, S. 26; "INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS", Ausgabe 12, 2000, S. 38 sowie Ausgabe 13, 2000, S. 36 f. 238 Vgl. "INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS", Ausgabe 12, 2000, S. 38; Ausgabe 13, 2000, S. 36 f.; "SOURCE", Ausgabe 129, 2000, S. 26 239 Nach eigener Verkündung "... eine der größten Internet-Sites, die es im World Wide Web gibt. Auf mittlerweile über 40.000 Seiten kann sich jeder ... über jeden Aspekt der Scientology-Religion informieren."; vgl. Sonderausgabe der "FREIHEIT" mit der Schlagzeile "3000 Kilometer für Religionsfreiheit", 1998, S. 4 Gesetzestexte 281 Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes Vom 20. Dezember 1990 Artikel 2 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) Erster Abschnitt Zusammenarbeit, Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden SS1 Zusammenarbeitspflicht (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Der Bund und die Länder sind verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. (3) Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. SS2 Verfassungsschutzbehörden (1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern unterhält der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde. Es untersteht dem Bundesminister des Innern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (2) Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund und der Länder untereinander unterhält jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Bericht 2000 282 Gesetzestexte SS3 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden (1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder wirken mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. Die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBI. I S. 867) geregelt. (3) Die Verfassungsschutzbehörden sind an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). Gesetzestexte 283 SS4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; b) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des SS 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, Bericht 2000 284 Gesetzestexte c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, e) die Unabhängigkeit der Gerichte, f) der Ausschluß jeder Gewalt und Willkürherrschaft und g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS5 Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verfassungsschutzbehörden (1) Die Landesbehörden für Verfassungsschutz sammeln Informationen, Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen zur Erfüllung ihrer Aufgaben, werten sie aus und übermitteln sie dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesbehörden für Verfassungsschutz, soweit es für deren Aufgabenerfüllung erforderlich ist. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf in einem Lande im Benehmen mit der Landesbehörde für Verfassungsschutz Informationen, Auskünfte und Unterlagen im Sinne des SS 3 sammeln. Bei Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des SS 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ist Voraussetzung, daß 1. sie sich ganz oder teilweise gegen den Bund richten, 2. sie sich über den Bereich eines Landes hinaus erstrecken, 3. sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland berühren oder 4. eine Landesbehörde für Verfassungsschutz das Bundesamt für Verfassungsschutz um ein Tätigwerden ersucht. Das Benehmen kann für eine Reihe gleichgelagerter Fälle hergestellt werden. (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die Landesbehörden für Verfassungsschutz über alle Unterlagen, deren Kenntnis für das Land zum Zwecke des Verfassungsschutzes erforderlich ist. Gesetzestexte 285 SS6 Gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden Die Verfassungsschutzbehörden sind verpflichtet, beim Bundesamt für Verfassungsschutz zur Erfüllung der Unterrichtungspflichten nach SS 5 gemeinsame Dateien zu führen, die sie im automatisierten Verfahren nutzen. Diese Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und der dazu notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. Die Speicherung personenbezogener Daten ist nur unter den Voraussetzungen der SSSS 10 und 11 zulässig. Der Abruf im automatisierten Verfahren durch andere Stellen ist nicht zulässig. Die Verantwortung einer speichernden Stelle im Sinne der allgemeinen Vorschriften des Datenschutzrechts trägt jede Verfassungsschutzbehörde nur für die von ihr eingegebenen Daten; nur sie darf diese Daten verändern, sperren oder löschen. Die eingebende Stelle muß feststellbar sein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz trifft für die gemeinsamen Dateien die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach SS 9 des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Führung von Textdateien oder Dateien, die weitere als die in Satz 2 genannten Daten enthalten, ist unter den Voraussetzungen dieses Paragraphen nur zulässig für eng umgrenzte Anwendungsgebiete zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten. Die Zugriffsberechtigung ist auf Personen zu beschränken, die unmittelbar mit Arbeiten in diesem Anwendungsgebiet betraut sind; in der Dateienordnung (SS 14) ist die Erforderlichkeit der Aufnahme von Textzusätzen in der Datei zu begründen. SS7 Weisungsrechte des Bundes Die Bundesregierung kann, wenn ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes erfolgt, den obersten Landesbehörden die für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes erforderlichen Weisungen erteilen. Zweiter Abschnitt Bundesamt für Verfassungsschutz SS8 Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich perBericht 2000 286 Gesetzestexte sonenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. Diese sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Bundesministers des Innern, der die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichtet. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (4) Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen. (5) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS9 Besondere Formen für Datenerhebung (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, mit den Mitteln gemäß SS 8 Abs. 2 erheben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder 2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Gesetzestexte 287 Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine Auskunft nach SS 18 Abs. 3 gewonnen werden kann. Die Anwendung eines Mittels gemäß SS 8 Abs. 2 darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. (3) Bei Erhebung nach Absatz 2 und solchen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insbesondere das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit dem verdeckten Einsatz technischer Mittel gehören, ist 1. der Eingriff nach seiner Beendigung dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann, 2. die Parlamentarische Kontrollkommission zu unterrichten. Die durch solche Maßnahmen erhobenen Informationen dürfen nur nach Maßgabe des SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz verwendet werden. SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 vorliegen, Bericht 2000 288 Gesetzestexte 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 erforderlich ist oder 3. das Bundesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 2 tätig wird. (2) (aufgehoben) (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. SS 11 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 10 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres in zu ihrer Person geführten Akten nur speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Minderjährige eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In Dateien ist eine Speicherung von Daten oder über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. (2) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten über Minderjährige sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 3 Abs. 1 angefallen sind. SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten in Dateien (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden. Gesetzestexte 289 (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 sind spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter oder sein Vertreter trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verwendet werden. SS 13 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten (1) Stellt das Bundesamt für Verfassungsschutz fest, daß in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind oder wird ihre Richtigkeit von dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat personenbezogene Daten zu sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, daß ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt wurden und die Dateien für seine künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen. SS 14 Dateianordnungen (1) Für jede automatische Datei beim Bundesamt für Verfassungsschutz nach SS 6 oder SS 10 sind in einer Dateianordnung, die der Zustimmung des Bundesministers des Innern bedarf, festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. Voraussetzungen der Speicherung, Übermittlung und Nutzung (betroffener Personenkreis, Arten der Daten), Bericht 2000 290 Gesetzestexte 4. Anlieferung oder Eingabe, 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, 7. Protokollierung. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist vor Erlaß einer Dateianordnung anzuhören. (2) Die Speicherung personenbezogener Daten ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. In angemessenen Abständen ist die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung der Dateien zu überprüfen. (3) In der Dateianordnung über automatisierte personenbezogene Textdateien ist die Zugriffsberechtigung auf Personen zu beschränken, die unmittelbar mit Arbeiten in dem Gebiet betraut sind, dem die Textdateien zugeordnet sind; Auszüge aus Textdateien dürfen nicht ohne die dazugehörenden erläuternden Unterlagen übermittelt werden. SS 15 Auskunft an den Betroffenen (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen. Gesetzestexte 291 Die Entscheidung trifft der Behördenleiter oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet wurde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht der Bundesminister des Innern im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet wurde. Mitteilungen des Bundesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des Bundesamtes für Verfassungsschutz zulassen, sofern es nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. SS 16 Berichtspflicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet den Bundesminister des Innern über seine Tätigkeit. (2) Die Unterrichtung nach Absatz 1 dient auch der Aufklärung der Öffentlichkeit durch den Bundesminister des Innern über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1, die mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassenden Bericht erfolgt. Dabei dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse der Betroffenen überwiegen. In dem Bericht sind die Zuschüsse des Bundeshaushaltes an das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst sowie die jeweilige Gesamtzahl ihrer Bediensteten anzugeben. Dritter Abschnitt Übermittlungsvorschriften SS 17 Zulässigkeit von Ersuchen (1) Wird nach den Bestimmungen dieses Abschnittes um Übermittlung von personenbezogenen Daten ersucht, dürfen nur die Bericht 2000 292 Gesetzestexte Daten übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. (2) Absatz 1 gilt nicht für besondere Ersuchen der Verfassungsschutzbehörden, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes um solche Daten, die bei der Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben bekannt werden. Die Zulässigkeit dieser besonderen Ersuchen und ihre Erledigung regelt der Bundesminister des Innern in einer Dienstanweisung. Er unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission über ihren Erlaß und erforderliche Änderungen. Satz 2 und 3 gilt nicht für die besonderen Ersuchen zwischen Behörden desselben Bundeslandes. SS 18 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörden (1) Die Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie der Zoll, soweit er Aufgaben nach dem Bundesgrenzschutzgesetz wahrnimmt, unterrichten von sich aus das Bundesamt für Verfassungsschutz oder die Verfassungsschutzbehörde des Landes über die ihnen bekanntgewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind. Über Satz 1 hinausgehende Unterrichtungspflichten nach dem Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst oder dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst bleiben unberührt. Auf die Übermittlung von Informationen zwischen Behörden desselben Bundeslandes findet Satz 1 keine Anwendung. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie der Zoll, soweit er Aufgaben nach dem Bundesgrenzschutzgesetz wahrnimmt, und der Bundesnachrichtendienst dürfen darüber hinaus von sich aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz oder der Verfassungsschutzbehörde des Landes auch alle anderen ihnen bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. Absatz 1 Satz 3 findet Anwendung. Gesetzestexte 293 (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie andere Behörden um Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen, wenn sie nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Unter den gleichen Voraussetzungen dürfen Verfassungsschutzbehörden der Länder 1. Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2. Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, Polizeien des Bundes und anderer Länder um die Übermittlung solcher Informationen ersuchen. (4) Würde durch die Übermittlung nach Absatz 3 Satz 1 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder der Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf das Bundesamt für Verfassungsschutz bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie bei der Beobachtung terroristischer Bestrebungen amtliche Register einsehen. (5) Die Ersuchen nach Absatz 3 sind aktenkundig zu machen. Über die Einsichtnahme nach Absatz 4 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1, 2 und 3 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die einer Verfassungsschutzbehörde nach Satz 1 übermittelten Kenntnisse und Unterlagen findet SS 7 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an inländische Behörden übermitteln, wenn dies zur ErfülBericht 2000 294 Gesetzestexte lung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte übermitteln, soweit die Bundesrepublik Deutschland dazu im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBI. 1961 II S. 1183, 1218) verpflichtet ist. (3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden, und das Bundesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. (4) Personenbezogene Daten dürfen an andere Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und der Bundesminister des Innern seine Zustimmung erteilt hat. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt über die Auskunft nach Satz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck der Übermittlung, ihre Veranlassung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. Gesetzestexte 295 SS 20 Übermittlung von Informationen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeien von sich aus die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung das Motiv des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. Das Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelt dem Bundesnachrichtendienst von sich aus die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. (2) Die Polizeien dürfen zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten nach Absatz 1 Satz 2 das Bundesamt für Verfassungsschutz um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. Der Bundesnachrichtendienst darf zur Erfüllung seiner Aufgaben das Bundesamt für Verfassungsschutz um die Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. SS 21 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörden der Länder an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörden der Länder übermitteln den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeien Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1. Auf die Übermittlung von Informationen zwischen Behörden desselben Bundeslandes findet Satz 1 keine Anwendung. (2) Die Verfassungsschutzbehörden der Länder übermitteln dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Bericht 2000 296 Gesetzestexte Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 3 sowie Abs. 2 Satz 2. SS 22 Übermittlung von Informationen durch die Staatsanwaltschaften und Polizeien an den Militärischen Abschirmdienst Für die Übermittlung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten durch die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie den Zoll, soweit er Aufgaben nach dem Bundesgrenzschutzgesetz wahrnimmt, an den Militärischen Abschirmdienst findet SS 18 entsprechende Anwendung. SS 23 Übermittlungsverbote Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 24 Minderjährigenschutz (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor, bleibt eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an Gesetzestexte 297 ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 25 Pflichten des Empfängers Der Empfänger prüft, ob die nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. SS 26 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, es sei denn, daß dies für die Beurteilung eines Sachverhalts ohne Bedeutung ist. Vierter Abschnitt Schlußvorschriften SS 27 Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz finden die SSSS 10 und 13 bis 20 des Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes keine Anwendung. Artikel 3 Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst (MAD-Gesetz - MADG) geändert durch SS 4 des Gesetzes zur Änderung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften : Lebenspartnerschaften vom 22. Februar 2001 (BGBl. I S. 265) SS1 Aufgaben (1) Aufgabe des Militärischen Abschirmdienstes des Bundesministers der Verteidigung ist die Sammlung und Auswertung von Bericht 2000 298 Gesetzestexte Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, wenn sich diese Bestrebungen oder Tätigkeiten gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung richten und von Personen ausgehen oder ausgehen sollen, die diesem Geschäftsbereich angehören oder in ihm tätig sind. SS 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet Anwendung. (2) Darüber hinaus obliegt dem Militärischen Abschirmdienst zur Beurteilung der Sicherheitslage 1. von Dienststellen und Einrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung und 2. von Dienststellen und Einrichtungen der verbündeten Streitkräfte und der internationalen militärischen Hauptquartiere, wenn die Bundesrepublik Deutschland in internationalen Vereinbarungen Verpflichtungen zur Sicherheit dieser Dienststellen und Einrichtungen übernommen hat und die Beurteilung der Sicherheitslage im Einvernehmen zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und den zuständigen obersten Landesbehörden dem Militärischen Abschirmdienst übertragen worden ist, die Auswertung von Informationen über die in Absatz 1 genannten Bestrebungen und Tätigkeiten gegen diese Dienststellen und Einrichtungen, auch soweit sie von Personen ausgehen oder ausgehen sollen, die nicht dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angehören oder in ihm tätig sind. (3) Der Militärische Abschirmdienst wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angehören, in ihm tätig sind oder werden sollen und a) denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, oder Gesetzestexte 299 b) die an sicherheitsempfindlichen Stellen des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung eingesetzt sind oder werden sollen, 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. Die Befugnisse des Militärischen Abschirmdienstes bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBI. I S. 867) geregelt. (4) Der Militärische Abschirmdienst darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (5) Der Militärische Abschirmdienst ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). SS2 Zuständigkeit in besonderen Fällen (1) Zur Fortführung von Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 kann der Militärische Abschirmdienst, soweit es im Einzelfall zwingend erforderlich ist, seine Befugnisse gegenüber Personen ausüben, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung nicht angehören oder nicht in ihm tätig sind. Dies ist nur zulässig 1. gegenüber dem Ehegatten, dem Lebenspartner oder Verlobten einer in SS 1 Abs. 1 genannten Person oder dem mit ihr in eheähnlicher Gemeinschaft Lebenden, wenn angenommen werden muß, daß Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 auch von ihm ausgehen, 2. im Benehmen mit der zuständigen Verfassungsschutzbehörde gegenüber Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie mit einer in SS 1 Abs. 1 genannten Person bei Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 zusammenarbeiten, und wenn anderenfalls die weitere Erforschung des Sachverhalts gefährdet oder nur mit übermäßigem Aufwand möglich wäre. (2) Zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten kann der Militärische Abschirmdienst in Wahrnehmung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1, soweit es im Einzelfall zwingend Bericht 2000 300 Gesetzestexte erforderlich ist, im Benehmen mit der zuständigen Verfassungsschutzbehörde seine Befugnisse gegenüber Personen ausüben, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung nicht angehören oder nicht in ihm tätig sind. SS3 Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden (1) Der Militärische Abschirmdienst und die Verfassungsschutzbehörden arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zusammen. Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. (2) Zur Fortführung von Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes kann eine Verfassungsschutzbehörde, soweit es im Einzelfall zwingend erforderlich ist, im Benehmen mit dem Militärischen Abschirmdienst Maßnahmen auf Personen erstrecken, die dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angehören oder in ihm tätig sind und der Zuständigkeit des Militärischen Abschirmdienstes unterliegen. Dies ist nur zulässig gegenüber Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie mit einer Person aus dem Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörde bei Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zusammenarbeiten, und wenn anderenfalls die weitere Erforschung des Sachverhalts gefährdet oder nur mit übermäßigem Aufwand möglich wäre. (3) Der Militärische Abschirmdienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichten einander über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. SS4 Befugnisse des Militärischen Abschirmdienstes (1) Der Militärische Abschirmdienst darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen nach SS 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. Er ist nicht befugt, personenbezogene Daten zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 zu erheben. SS 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet Anwendung; die Zustimmung zur Dienstanweisung erteilt der Bundesminister der Verteidigung. Gesetzestexte 301 (2) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Militärischen Abschirmdienst nicht zu; er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. SS5 Besondere Formen der Datenerhebung Der Militärische Abschirmdienst darf Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, nach SS 9 des Bundesverfassungsschutzgesetzes erheben, soweit es 1. zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und SS 2 Abs. 1 sowie zur Erforschung der dazu erforderlichen Quellen oder 2. zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Militärischen Abschirmdienstes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten, auch nach SS 2 Abs. 2, erforderlich ist; SS 9 Abs. 2 und 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet Anwendung. SS6 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Der Militärische Abschirmdienst darf personenbezogene Daten nach SS 10 des Bundesverfassungsschutzgesetzes speichern, verändern und nutzen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 gespeicherte Daten über Personen, die nicht dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angehören oder in ihm tätig sind, dürfen für andere Zwecke nicht verwendet werden, es sei denn, die Verwendung wäre auch für die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 zulässig. (2) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten über Minderjährige sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 1 Abs. 1 oder SS 2 angefallen sind. Dies gilt nicht, wenn der Betroffene nach SS 1 Abs. 3 überprüft wird. Die Speicherung personenbezogener Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres in zu ihrer Person geführten Akten und Dateien ist unzulässig. Bericht 2000 302 Gesetzestexte SS7 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Der Militärische Abschirmdienst hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, zu löschen und zu sperren nach SS 12 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (2) Der Militärische Abschirmdienst hat personenbezogene Daten in Akten zu berichtigen und zu sperren nach SS 13 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS8 Dateianordnungen Der Militärische Abschirmdienst hat für jede automatisierte Datei mit personenbezogenen Daten eine Dateianordnung nach SS 14 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zu treffen, die der Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung bedarf. SS 14 Abs. 2 und 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet Anwendung. SS9 Auskunft an den Betroffenen Der Militärische Abschirmdienst erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten Auskunft entsprechend SS 15 des Bundesverfassungsschutzgesetzes; an die Stelle des dort genannten Bundesministers des Innern tritt der Bundesminister der Verteidigung. SS 10 Übermittlung von Informationen an den Militärischen Abschirmdienst (1) Die Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts unterrichten von sich aus den Militärischen Abschirmdienst über die ihnen bekanntgewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 1 Abs. 1 Nr. 1 genannten Schutzgüter gerichtet sind, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Unterrichtung zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 erforderlich ist. Gesetzestexte 303 (2) Der Militärische Abschirmdienst darf nach SS 18 Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes jede Behörde um die Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. (3) Würde durch die Übermittlung nach Absatz 2 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder der Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf der Militärische Abschirmdienst bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 Nr. 2 amtliche Register einsehen. Diese Einsichtnahme bedarf der Zustimmung des Amtschefs des Amtes für den Militärischen Abschirmdienst oder seines Vertreters. (4) SS 17 Abs. 1 sowie SS 18 Abs. 5 des Bundesverfassungsschutzgesetzes sind entsprechend anzuwenden. SS 11 Übermittlung personenbezogener Daten durch den Militärischen Abschirmdienst (1) Der Militärische Abschirmdienst darf personenbezogene Daten nach SS 19 Abs. 1 bis 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes übermitteln. Die Übermittlung an andere Stellen ist unzulässig. (2) Der Militärische Abschirmdienst übermittelt Informationen einschließlich personenbezogener Daten an Staatsanwaltschaften, Polizeien und den Bundesnachrichtendienst nach SS 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS 12 Verfahrensregeln für die Übermittlung von Informationen Für die Übermittlung von Informationen nach diesem Gesetz finden die SSSS 23 bis 26 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechende Anwendung. SS 13 Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 bis 3 und SS 2 finden die SSSS 10 und 13 bis 20 des Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes keine Anwendung. Bericht 2000 304 Gesetzestexte Artikel 4 Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz - BNDG) SS1 Organisation und Aufgaben (1) Der Bundesnachrichtendienst ist eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Chefs des Bundeskanzleramtes. Einer polizeilichen Dienststelle darf er nicht angegliedert werden. (2) Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außenund sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus. Werden dafür im Geltungsbereich dieses Gesetzes Informationen einschließlich personenbezogener Daten erhoben, so richtet sich ihre Erhebung, Verarbeitung und Nutzung nach den SSSS 2 bis 6 und 8 bis 11. SS2 Befugnisse (1) Der Bundesnachrichtendienst darf die erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen, 1. zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten, 2. für die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die für ihn tätig sind oder tätig werden sollen, 3. für die Überführung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Nachrichtenzugänge und 4. über Vorgänge im Ausland, die von außenund sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, wenn sie nur auf diese Weise zu erlangen sind und für ihre Erhebung keine andere Behörde zuständig ist. (2) Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Gesetzestexte 305 Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach Absatz 1 Nr. 2 auf eine dienstund arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. Bei Sicherheitsüberprüfungen ist das Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBI. I S. 867) anzuwenden. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Bundesnachrichtendienst nicht zu. Er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. (4) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat der Bundesnachrichtendienst diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS3 Besondere Formen der Datenerhebung Der Bundesnachrichtendienst darf zur heimlichen Beschaffung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten die Mittel gemäß SS 8 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes anwenden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. SS 9 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist entsprechend anzuwenden. SS4 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Der Bundesnachrichtendienst darf personenbezogene Daten nach SS 10 des Bundesverfassungsschutzgesetzes speichern, verändern und nutzen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. (2) Die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten über Minderjährige ist nur unter den Voraussetzungen des SS 11 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässig. SS5 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Der Bundesnachrichtendienst hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, zu löschen und zu sperren nach SS 12 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Bericht 2000 306 Gesetzestexte (2) Der Bundesnachrichtendienst hat personenbezogene Daten in Akten zu berichtigen und zu sperren nach SS 13 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS6 Dateianordnungen Der Bundesnachrichtendienst hat für jede automatisierte Datei mit personenbezogenen Daten eine Dateianordnung nach SS14 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zu treffen, die der Zustimmung des Chefs des Bundeskanzleramtes bedarf. SS 14 Abs. 2 und 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist anzuwenden. SS7 Auskunft an den Betroffenen Der Bundesnachrichtendienst erteilt dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über zu seiner Person nach SS 4 gespeicherte Daten entsprechend SS 15 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. An die Stelle des dort genannten Bundesministers des Innern tritt der Chef des Bundeskanzleramtes. SS8 Übermittlung von Informationen an den Bundesnachrichtendienst (1) Die Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts dürfen von sich aus dem Bundesnachrichtendienst die ihnen bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für seine Eigensicherung nach SS 2 Abs. 1 Nr. 1 erforderlich ist. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeien sowie der Zoll, soweit er Aufgaben nach dem Bundesgrenzschutzgesetz wahrnimmt, übermitteln dem Bundesnachrichtendienst von sich aus die ihnen bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für seine Eigensicherung nach SS 2 Abs. 1 Nr. 1 erforderlich ist. (3) Der Bundesnachrichtendienst darf nach SS 18 Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes jede Behörde um die Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen und Gesetzestexte 307 nach SS 18 Abs. 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes amtlich geführte Register einsehen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. SS 17 Abs. 1 und SS 18 Abs. 5 des Bundesverfassungsschutzgesetzes sind anzuwenden. (4) Für die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist SS 18 Abs. 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechend anzuwenden. SS9 Übermittlung von Informationen durch den Bundesnachrichtendienst (1) Der Bundesnachrichtendienst darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische Behörden übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder wenn der Empfänger die Daten für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden. (2) Für die Übermittlung von Informationen einschließlich personenbezogener Daten an andere Stellen ist SS 19 Abs. 2 bis 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechend anzuwenden; dabei ist die Übermittlung nach Absatz 4 dieser Vorschrift nur zulässig, wenn sie zur Wahrung außenund sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist und der Chef des Bundeskanzleramtes seine Zustimmung erteilt hat. (3) Der Bundesnachrichtendienst übermittelt Informationen einschließlich personenbezogener Daten an die Staatsanwaltschaften, die Polizeien und den Militärischen Abschirmdienst entsprechend SS 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS 10 Verfahrensregeln für die Übermittlung von Informationen Für die Übermittlung von Informationen nach SSSS 8 und 9 sind die SSSS 23 bis 26 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechend anzuwenden. SS 11 Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes sind die SSSS 10 und 13 bis 20 des Bundesdatenschutzgesetzes in der Bericht 2000 308 Gesetzestexte Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes nicht anzuwenden. SS 12 Berichtspflicht Der Bundesnachrichtendienst unterrichtet den Chef des Bundeskanzleramtes über seine Tätigkeit. Über die Erkenntnisse aus seiner Tätigkeit unterrichtet er darüber hinaus auch unmittelbar die Bundesminister im Rahmen ihrer Zuständigkeiten; hierbei ist auch die Übermittlung personenbezogener Daten zulässig. Artikel 6 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme des Artikels 1 am Tage nach der Verkündung *) in Kraft; gleichzeitig tritt das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 (BGBI. I S. 682), geändert durch das Gesetz vom 7. August 1972 (BGBI. I S. 1382), außer Kraft. (2) Artikel 1 SS 10 Abs. 4 Satz 3 und 4 tritt am ersten Tage des vierundzwanzigsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Im übrigen tritt Artikel 1 am ersten Tage des sechsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft; gleichzeitig treten das Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung vom 27. Januar 1977 (BGBI. I S. 201), die Datenschutzveröffentlichungsordnung vom 3. August 1977 (BGBI. I S. 1477), die Datenschutzgebührenordnung vom 22. Dezember 1977 (BGBI. I S. 3153) und die Datenschutzregisterordnung vom 9. Februar 1978 (BGBI. I S. 250) außer Kraft. *) Das Gesetz wurde am 29. 12. 1990 verkündet. Gesetzestexte 309 Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG) vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453) geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes und zur Änderung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 27. Mai 1992 (BGBl. I S. 997) geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 17. Juni 1999 (BGBl. I S. 1334) SS1 (1) Die Bundesregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium. (2) Die Rechte des Deutschen Bundestages, seiner Ausschüsse und der Kommission nach dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz bleiben unberührt. SS2 (1) Die Bundesregierung unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit der in SS 1 Abs. 1 genannten Behörden und über die Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Parlamentarischen Kontrollgremiums hat die Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge zu berichten. SS2a Die Bundesregierung hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium im Rahmen der Unterrichtung nach SS 2 auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien der Dienste zu geben, die Anhörung von Mitarbeitern der Dienste zu gestatten und Besuche bei den Diensten zu ermöglichen. Bericht 2000 310 Gesetzestexte SS2b (1) Die Verpflichtung der Bundesregierung nach den SSSS 2 und 2a erstreckt sich nur auf Informationen und Gegenstände, die der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste des Bundes unterliegen. (2) Die Bundesregierung kann die Unterrichtung nach den SSSS 2 und 2a nur verweigern, wenn dies aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzuganges oder aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Dritter notwendig ist oder wenn der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung betroffen ist. Lehnt die Bundesregierung eine Unterrichtung ab, so hat der für den betroffenen Nachrichtendienst zuständige Bundesminister (SS 2 Abs. 1 Satz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, SS 1 Abs. 1 Satz 1 des MAD-Gesetzes) und, soweit der Bundesnachrichtendienst betroffen ist, der Chef des Bundeskanzleramtes (SS 1 Abs. 1 Satz 1 des BND-Gesetzes) dies dem Parlamentarischen Kontrollgremium auf dessen Wunsch zu begründen. SS2c Das Parlamentarische Kontrollgremium kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder nach Anhörung der Bundesregierung im Einzelfall einen Sachverständigen beauftragen, zur Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben Untersuchungen durchzuführen. Der Sachverständige hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium über das Ergebnis seiner Untersuchungen zu berichten; SS 5 Abs. 1 gilt entsprechend. SS2d Angehörigen der Nachrichtendienste ist es gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten, jedoch nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, mit Eingaben an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden, soweit die Leitung der Dienste entsprechenden Eingaben nicht gefolgt ist. An den Deutschen Bundestag gerichtete Eingaben von Bürgern über ein sie betreffendes Verhalten der in SS 1 Abs. 1 genannten Behörden können dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kenntnis gegeben werden. SS2e (1) Der Vorsitzende, sein Stellvertreter und ein beauftragtes Mitglied können an den Sitzungen des Vertrauensgremiums nach SS 10a der Bundeshaushaltsordnung mitberatend teilnehmen. In gleicher Weise haben der Vorsitzende des Vertrauensgremiums nach Gesetzestexte 311 SS 10a der Bundeshaushaltsordnung, sein Stellvertreter und ein beauftragtes Mitglied die Möglichkeit, mitberatend an den Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums teilzunehmen. (2) Die Entwürfe der jährlichen Wirtschaftspläne der Dienste werden dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Mitberatung überwiesen. Die Bundesregierung unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium über den Vollzug der Wirtschaftspläne im Haushaltsjahr. Bei den Beratungen der Wirtschaftspläne der Dienste und deren Vollzug können die Mitglieder wechselseitig mitberatend an den Sitzungen beider Gremien teilnehmen. SS3 Die politische Verantwortung der Bundesregierung für die in SS 1 genannten Behörden bleibt unberührt. SS4 (1) Der Deutsche Bundestag wählt zu Beginn jeder Wahlperiode die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums aus seiner Mitte. (2) Er bestimmt die Zahl der Mitglieder, die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Parlamentarischen Kontrollgremiums. (3) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf sich vereint. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Deutschen Bundestag oder seiner Fraktion aus oder wird ein Mitglied zum Bundesminister oder Parlamentarischen Staatssekretär ernannt, so verliert es seine Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium; SS 5 Abs. 4 bleibt unberührt. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium ausscheidet. SS5 (1) Die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind geheim. Die Mitglieder des Gremiums und die an den Sitzungen teilnehmenden Mitglieder des Vertrauensgremiums nach SS 10a der Bundeshaushaltsordnung sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus beiden Gremien. Bericht 2000 312 Gesetzestexte Das gleiche gilt für Angelegenheiten, die den Mitgliedern des Gremiums anläßlich der Teilnahme an Sitzungen des Vertrauensgremiums nach SS 10a der Bundeshaushaltsordnung bekannt geworden sind. Satz 1 gilt nicht für die Bewertung aktueller Vorgänge, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ihre vorherige Zustimmung erteilt. (2) Das Parlamentarische Kontrollgremium tritt mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. Es gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Jedes Mitglied kann die Einberufung und die Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums verlangen. (4) Das Parlamentarische Kontrollgremium übt seine Tätigkeit auch über das Ende einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages so lange aus, bis der nachfolgende Deutsche Bundestag gemäß SS 4 entschieden hat. SS6 Das Parlamentarische Kontrollgremium erstattet dem Deutschen Bundestag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode einen Bericht über seine bisherige Kontrolltätigkeit. Dabei sind die Grundsätze des SS 5 Abs. 1 zu beachten. Artikel 1 SS 3 Abs. 10 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz bleibt unberührt. Gesetzestexte 313 Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) Vom 20. April 1994 geändert durch SS 4 des Gesetzes zur Änderung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften : Lebenspartnerschaften vom 22. Februar 2001 (BGBl. I S. 265) Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften SS1 Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes (1) Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Überprüfung einer Person, die von der zuständigen Stelle mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (Sicherheitsüberprüfung) oder bereits betraut worden ist (Wiederholungsüberprüfung). (2) Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt aus, wer 1. Zugang zu Verschlußsachen hat oder ihn sich verschaffen kann, die STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VS-VERTRAULICH eingestuft sind, 2. Zugang zu Verschlußsachen überstaatlicher Einrichtungen und Stellen hat oder ihn sich verschaffen kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, nur sicherheitsüberprüfte Personen hierzu zuzulassen, 3. in einer Behörde oder einer sonstigen öffentlichen Stelle des Bundes oder in einem Teil von ihr tätig ist, die auf Grund des Umfanges und der Bedeutung dort anfallender Verschlußsachen von der jeweils zuständigen obersten Bundesbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde zum Sicherheitsbereich erklärt worden ist. (3) Verpflichten sich Stellen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Stellen anderer Staaten durch Übereinkünfte, bei Personen, Bericht 2000 314 Gesetzestexte die Zugang zu Verschlußsachen ausländischer Staaten haben oder sich verschaffen können, zuvor Sicherheitsüberprüfungen nach deutschem Recht durchzuführen, ist in diesen Übereinkünften festzulegen, welche Verschlußsachengrade des Vertragspartners Verschlußsachengraden nach diesem Gesetz vergleichbar sind. Derartige Festlegungen müssen sich im Rahmen der Bewertungen dieses Gesetzes halten und insbesondere den Maßstäben des SS 4 entsprechen. SS2 Betroffener Personenkreis (1) Eine Person, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (Betroffener), ist vorher einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Die Sicherheitsüberprüfung bedarf der Zustimmung des Betroffenen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit darf erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres übertragen werden. Auf eine Sicherheitsüberprüfung nach diesem Gesetz kann verzichtet werden, wenn für den Betroffenen bereits eine gleichoder höherwertige Sicherheitsüberprüfung durchgeführt worden ist. (2) Der volljährige Ehegatte, der Lebenspartner oder der volljährige Partner, mit dem der Betroffene in einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft lebt (Lebensgefährte), soll in die Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9 und 10 einbezogen werden. Über Ausnahmen entscheidet die zuständige Stelle. Im Falle der Einbeziehung ist die Zustimmung des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten erforderlich. Geht der Betroffene die Ehe oder die eheähnliche Gemeinschaft während oder erst nach erfolgter Sicherheitsüberprüfung ein oder begründet er die Lebenspartnerschaft oder die auf Dauer angelegte Gemeinschaft in dem entsprechenden Zeitraum, so ist die zuständige Stelle zu unterrichten, um sie in die Lage zu versetzen, die Einbeziehung des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten in die Sicherheitsüberprüfung nachzuholen. Das gleiche gilt bei später eintretender Volljährigkeit des Ehegatten oder Lebensgefährten. (3) Dieses Gesetz gilt nicht für 1. die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes, 2. Richter, soweit sie Aufgaben der Rechtsprechung wahrnehmen, 3. ausländische Staatsangehörige, die in der Bundesrepublik Deutschland im Interesse zwischenstaatlicher Einrichtungen und Stellen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach SS 1 Abs. 2 Nr. 2 ausüben sollen. Gesetzestexte 315 SS3 Zuständigkeit (1) Zuständig für die Sicherheitsüberprüfung ist 1. die Behörde oder sonstige öffentliche Stelle des Bundes, die einer Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zuweisen, übertragen oder sie dazu ermächtigen will, 2. bei deutschen Staatsangehörigen aus Anlaß ihrer Tätigkeit im sicherheitsempfindlichen Bereich bei der NATO oder anderen zwischenstaatlichen Einrichtungen und Stellen das Bundesministerium des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde, soweit nichts anderes bestimmt ist, 3. bei politischen Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes sowie deren Stiftungen die Parteien selbst, 4. im übrigen die Behörde oder sonstige öffentliche Stelle des Bundes, die eine Verschlußsache an eine nicht-öffentliche Stelle weitergeben will. In den Fällen der Nummern 1 und 4 kann bei nachgeordneten Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes deren oberste Bundesbehörde Aufgaben der zuständigen Stelle übernehmen. Die Aufgaben der zuständigen Stelle nach diesem Gesetz sind von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit wahrzunehmen. (2) Mitwirkende Behörde bei der Sicherheitsüberprüfung ist das Bundesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes und im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung der Militärische Abschirmdienst nach SS 1 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a des MAD-Gesetzes, soweit nicht in Rechtsvorschriften zwischenstaatlicher Einrichtungen oder in völkerrechtlichen Verträgen, denen die gesetzgebenden Körperschaften gemäß Artikel 59 Abs. 2 des Grundgesetzes zugestimmt haben, etwas anderes bestimmt ist. (3) Der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst führen Sicherheitsüberprüfungen bei Bewerbern und Mitarbeitern des eigenen Dienstes allein durch. Sie wenden hierbei die Vorschriften dieses Gesetzes an. Gleiches gilt, wenn der Bundesnachrichtendienst oder der Militärische Abschirmdienst eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach Absatz 1 Nr. 1 und 4 zuweisen, übertragen oder dazu ermächtigen will. Bericht 2000 316 Gesetzestexte SS4 Verschlußsachen (1) Verschlußsachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. Sie werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung eingestuft. (2) Eine Verschlußsache ist 1. STRENG GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann, 2. GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann, 3. VS-VERTRAULICH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann, 4. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. SS5 Sicherheitsrisiken, sicherheitserhebliche Erkenntnisse (1) Im Sinne dieses Gesetzes liegt ein Sicherheitsrisiko vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen oder 2. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsund Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpreßbarkeit, begründen oder 3. Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Gesetzestexte 317 Ein Sicherheitsrisiko kann auch auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Person des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten vorliegen. (2) Eine Erkenntnis ist sicherheitserheblich, wenn sich aus ihr ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt. SS6 Rechte des Betroffenen (1) Vor Ablehnung der Zulassung zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Der Betroffene kann zur Anhörung mit einem Rechtsanwalt erscheinen. Die Anhörung erfolgt in einer Weise, die den Quellenschutz gewährleistet und den schutzwürdigen Interessen von Personen, die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung befragt wurden, Rechnung trägt. Sie unterbleibt, wenn sie einen erheblichen Nachteil für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zur Folge hätte, insbesondere bei Sicherheitsüberprüfungen der Bewerber bei den Nachrichtendiensten des Bundes. (2) Liegen in der Person des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten Anhaltspunkte vor, die ein Sicherheitsrisiko begründen, ist ihm Gelegenheit zu geben, sich vor der Ablehnung der Zulassung des Betroffenen zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. (3) Die Absätze 1 und 2 sind auch im Falle der Ablehnung einer Weiterbeschäftigung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit anzuwenden. Zweiter Abschnitt Überprüfungsarten und Durchführungsmaßnahmen SS7 Arten der Sicherheitsüberprüfung (1) Entsprechend der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit wird entweder eine 1. einfache Sicherheitsüberprüfung oder 2. erweiterte Sicherheitsüberprüfung oder Bericht 2000 318 Gesetzestexte 3. erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen durchgeführt. (2) Ergeben sich bei der Sicherheitsüberprüfung sicherheitserhebliche Erkenntnisse, die nur durch Maßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung geklärt werden können, kann die zuständige Stelle mit Zustimmung des Betroffenen und der einbezogenen Person die nächsthöhere Art der Sicherheitsüberprüfung anordnen. SS 12 Abs. 5 bleibt unberührt. SS8 Einfache Sicherheitsüberprüfung (1) Die einfache Sicherheitsüberprüfung ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Tätigkeiten in Bereichen nach SS 1 Abs. 2 Nr. 3 wahrnehmen sollen. (2) In den Fällen von Absatz 1 Nr. 2 kann die zuständige Stelle von der Sicherheitsüberprüfung absehen, wenn Art oder Dauer der Tätigkeit dies zulassen. SS9 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Zugang zu einer hohen Anzahl VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 8 für ausreichend hält. SS 10 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen ist für Personen durchzuführen, Gesetzestexte 319 1. die Zugang zu STRENG GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. die Zugang zu einer hohen Anzahl GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 3. die bei einem Nachrichtendienst des Bundes oder einer Behörde oder sonstigen öffentlichen Stelle des Bundes tätig werden sollen, die nach Feststellung der Bundesregierung gemäß SS 34 Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wahrnimmt, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 8 oder SS 9 für ausreichend hält. SS 11 Datenerhebung (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde dürfen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlichen Daten erheben. Der Betroffene sowie die sonstigen zu befragenden Personen und nicht-öffentlichen Stellen sind auf den Zweck der Erhebung, die Auskunftspflichten nach diesem Gesetz und auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht, ansonsten auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 3 Abs. 3 Satz 1 genannten Personen kann die Angabe der erhebenden Stelle gegenüber den sonstigen zu befragenden Personen oder nicht-öffentlichen Stellen unterbleiben, wenn dies zum Schutz des Betroffenen oder des Nachrichtendienstes erforderlich ist. (2) Die zuständige Stelle erhebt die personenbezogenen Daten beim Betroffenen oder bei dem in die Sicherheitsüberprüfung einbezogenen Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten. Reicht diese Erhebung nicht aus oder stehen ihr schutzwürdige Interessen des Betroffenen oder seines Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten entgegen, können andere geeignete Personen oder Stellen befragt werden. SS 12 Maßnahmen bei den einzelnen Überprüfungsarten (1) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 8 trifft die mitwirkende Behörde folgende Maßnahmen: 1. sicherheitsmäßige Bewertung der Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, Bericht 2000 320 Gesetzestexte 2. Einholung einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister, 3. Anfragen an das Bundeskriminalamt, die Grenzschutzdirektion und die Nachrichtendienste des Bundes. (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 9 trifft die mitwirkende Behörde zusätzlich zu Absatz 1 folgende Maßnahmen: 1. Anfragen an die Polizeidienststellen der innegehabten Wohnsitze des Betroffenen, in der Regel beschränkt auf die letzten fünf Jahre, 2. Prüfung der Identität des Betroffenen. Wird der Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte des Betroffenen in die Sicherheitsüberprüfung gemäß SS 2 Abs. 2 einbezogen, trifft die mitwirkende Behörde bezüglich der einzubeziehenden Person die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen. (3) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 befragt die mitwirkende Behörde zusätzlich von dem Betroffenen in seiner Sicherheitserklärung angegebene Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen, um zu prüfen, ob die Angaben des Betroffenen zutreffen und ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein Sicherheitsrisiko schließen lassen. (4) Die zuständige Stelle fragt zur Feststellung einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit des Betroffenen oder der einbezogenen Person für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik an, wenn der Betroffene oder die einbezogene Person vor dem 1. Januar 1970 geboren wurde und in dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wohnhaft war oder Anhaltspunkte für eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorliegen. Ergibt die Anfrage sicherheitserhebliche Erkenntnisse, übermittelt sie die zuständige Stelle zur Bewertung an die mitwirkende Behörde. (5) Soweit es eine sicherheitserhebliche Erkenntnis erfordert und die Befragung des Betroffenen oder seines Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten nicht ausreicht oder ihr schutzwürdige Interessen entgegenstehen, kann die mitwirkende Behörde neben den Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 weitere geeignete Aus- Gesetzestexte 321 kunftspersonen oder andere geeignete Stellen, insbesondere Staatsanwaltschaften oder Gerichte, befragen oder Einzelmaßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung durchführen. Dritter Abschnitt Verfahren SS 13 Sicherheitserklärung (1) In der Sicherheitserklärung sind vom Betroffenen anzugeben: 1. Namen, auch frühere, Vornamen, 2. Geburtsdatum, -ort, 3. Staatsangehörigkeit, auch frühere und doppelte Staatsangehörigkeiten, 4. Familienstand, 5. Wohnsitze und Aufenthalte von längerer Dauer als zwei Monate, und zwar im Inland in den vergangenen fünf Jahren, im Ausland ab dem 18. Lebensjahr, 6. ausgeübter Beruf, 7. Arbeitgeber und dessen Anschrift, 8. Anzahl der Kinder, 9. im Haushalt lebende Personen über 18 Jahre (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort und Verhältnis zu dieser Person), 10. Eltern, Stiefoder Pflegeeltern (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz), 11. Ausbildungsund Beschäftigungszeiten, Wehroder Zivildienstzeiten mit Angabe der Ausbildungsstätten, Beschäftigungsstellen sowie deren Anschriften, 12. Nummer des Personalausweises oder Reisepasses, Bericht 2000 322 Gesetzestexte 13. Angaben über in den vergangenen fünf Jahren durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, und ob zur Zeit die finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden können, 14. Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die auf einen Anbahnungsund Werbungsversuch hindeuten können, 15. Beziehungen zu verfassungsfeindlichen Organisationen, 16. anhängige Strafund Disziplinarverfahren, 17. Angaben zu Wohnsitzen, Aufenthalten, Reisen, nahen Angehörigen und sonstigen Beziehungen in und zu Staaten, in denen nach Feststellung des Bundesministeriums des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befaßten Personen zu besorgen sind, 18. zwei Auskunftspersonen zur Identitätsprüfung des Betroffenen nur bei der Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9 und 10 (Namen, Vornamen, Anschrift und Verhältnis zur Person), 19. drei Referenzpersonen (Namen, Vornamen, Beruf, berufliche und private Anschrift und Rufnummern sowie zeitlicher Beginn der Bekanntschaft) nur bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 10, 20. Angaben zu früheren Sicherheitsüberprüfungen. Der Erklärung sind zwei aktuelle Lichtbilder mit der Angabe des Jahres der Aufnahme beizufügen. (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 8 entfallen die Angaben zu Absatz 1 Nr. 8, 11 und 12 und die Pflicht, Lichtbilder beizubringen; Absatz 1 Nr. 10 entfällt, soweit die dort genannten Personen nicht in einem Haushalt mit dem Betroffenen leben. Zur Person des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten sind mit deren Einverständnis die in Absatz 1 Nr. 1 bis 4, 14 und 15 genannten Daten anzugeben. Ergeben sich aus der Sicherheitserklärung oder auf Grund der Abfrage aus einer der in SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes genannten Verbunddateien sicherheitserhebliche Erkenntnisse über den Ehegatten oder Lebenspartner des Betroffenen, sind weitere Überprüfungsmaßnahmen nur zulässig, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner mit seiner Zustimmung in die erweiterte Sicherheitsüberprüfung einbezogen wird. Gesetzestexte 323 (3) Wird der Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, so sind zusätzlich die in Absatz 1 Nr. 5 bis 7, 12, 13, 16, 17 und 18 genannten Daten anzugeben. (4) Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 3 Abs. 3 genannten Personen sind zusätzlich die Wohnsitze seit der Geburt, die Geschwister und abgeschlossene Strafund Disziplinarverfahren sowie alle Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik anzugeben. (5) Der Betroffene kann Angaben verweigern, die für ihn, einen nahen Angehörigen im Sinne des SS 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung oder den Lebenspartner die Gefahr strafrechtlicher oder disziplinarischer Verfolgung, der Entlassung oder Kündigung begründen könnten. Über das Verweigerungsrecht ist der Betroffene zu belehren. (6) Die Sicherheitserklärung ist vom Betroffenen der zuständigen Stelle zuzuleiten. Sie prüft die Angaben des Betroffenen auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit. Zu diesem Zweck können die Personalakten eingesehen werden. Die zuständige Stelle leitet die Sicherheitserklärung an die mitwirkende Behörde weiter und beauftragt diese, eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen, es sei denn, die zuständige Stelle hat bereits bei der Prüfung der Sicherheitserklärung festgestellt, daß ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Die mitwirkende Behörde kann mit Zustimmung der zuständigen Stelle und des Betroffenen in die Personalakte Einsicht nehmen, wenn dies zur Klärung oder Beurteilung sicherheitserheblicher Erkenntnisse unerläßlich ist. SS 14 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung (1) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, daß kein Sicherheitsrisiko nach SS 5 Abs. 1 vorliegt, so teilt sie dies der zuständigen Stelle mit. Fallen Erkenntnisse an, die kein Sicherheitsrisiko begründen, aber weiterhin sicherheitserheblich sind, so werden diese mitgeteilt. (2) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, daß ein Sicherheitsrisiko vorliegt, unterrichtet sie schriftlich unter Darlegung der Gründe und ihrer Bewertung die zuständige Stelle. Bei nachgeordneten Stellen erfolgt die Unterrichtung über deren oberste Bundesbehörde. Bericht 2000 324 Gesetzestexte (3) Die zuständige Stelle entscheidet, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit des Betroffenen entgegensteht. Im Zweifel hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen. SS 6 Abs. 1 und 2 ist zu beachten. (4) Lehnt die zuständige Stelle die Betrauung mit der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ab, teilt sie dies dem Betroffenen mit. SS 15 Vorläufige Zuweisung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit Die zuständige Stelle kann in Ausnahmefällen abweichend von SS 2 Abs. 1 die sicherheitsempfindliche Tätigkeit des Betroffenen vor Abschluß der Sicherheitsüberprüfung erlauben, wenn die mitwirkende Behörde 1. bei der einfachen Sicherheitsüberprüfung die Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der eigenen Erkenntnisse bewertet hat oder 2. bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung und bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen die Maßnahmen der nächstniederen Art der Sicherheitsüberprüfung abgeschlossen hat und sich daraus keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben haben. SS 16 Sicherheitserhebliche Erkenntnisse nach Abschluß der Sicherheitsüberprüfung (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben sich unverzüglich gegenseitig zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über den Betroffenen oder den in die Sicherheitsüberprüfung einbezogenen Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten bekanntwerden oder sich mitgeteilte Erkenntnisse als unrichtig erweisen. (2) Die mitwirkende Behörde prüft die sicherheitserheblichen Erkenntnisse und stellt fest, ob ein Sicherheitsrisiko nach SS 5 Abs. 1 vorliegt und unterrichtet die zuständige Stelle über das Ergebnis der Prüfung. Im übrigen ist SS 14 Abs. 3 und 4 entsprechend anzuwenden. Gesetzestexte 325 SS 17 Ergänzung der Sicherheitserklärung und Wiederholungsüberprüfung (1) Die Sicherheitserklärung ist dem Betroffenen, der eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, in der Regel alle fünf Jahre erneut zuzuleiten und im Falle eingetretener Veränderungen vom Betroffenen zu ergänzen. (2) Bei sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten nach SS 10 ist in der Regel im Abstand von zehn Jahren eine Wiederholungsüberprüfung einzuleiten. Im übrigen kann die zuständige Stelle eine Wiederholungsüberprüfung einleiten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse dies nahelegen. Das Verfahren bei der Wiederholungsüberprüfung entspricht dem der Erstüberprüfung; die mitwirkende Behörde kann von einer erneuten Identitätsprüfung absehen. Die Wiederholungsüberprüfung erfolgt nur mit Zustimmung des Betroffenen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, und mit der Zustimmung seines Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten, falls er einbezogen wird. Vierter Abschnitt Akten über die Sicherheitsüberprüfung; Datenverarbeitung SS 18 Sicherheitsakte und Sicherheitsüberprüfungsakte (1) Die zuständige Stelle führt über den Betroffenen eine Sicherheitsakte, in die alle die Sicherheitsüberprüfung betreffenden Informationen aufzunehmen sind. (2) Informationen über die persönlichen, dienstlichen und arbeitsrechtlichen Verhältnisse der Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit befaßt sind, sind zur Sicherheitsakte zu nehmen, soweit sie für die sicherheitsmäßige Beurteilung erheblich sind. Dazu zählen insbesondere: 1. Zuweisung, Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, die dazu erteilte Ermächtigung sowie deren Änderungen und Beendigung, 2. Umsetzung, Abordnung, Versetzung und Ausscheiden, 3. Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit, Bericht 2000 326 Gesetzestexte 4. Anhaltspunkte für Überschuldung, insbesondere Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse, 5. Strafund Disziplinarsachen sowie dienstund arbeitsrechtliche Maßnahmen. (3) Die Sicherheitsakte ist keine Personalakte. Sie ist gesondert zu führen und darf weder der personalverwaltenden Stelle noch dem Betroffenen zugänglich gemacht werden; SS 23 Abs. 6 bleibt unberührt. Im Falle des Wechsels der Dienststelle oder des Dienstherrn ist die Sicherheitsakte nach dorthin abzugeben, wenn auch dort eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt werden soll. (4) Die mitwirkende Behörde führt über den Betroffenen eine Sicherheitsüberprüfungsakte, in die aufzunehmen sind: 1. Informationen, die die Sicherheitsüberprüfung, die durchgeführten Maßnahmen und das Ergebnis betreffen, 2. das Ausscheiden aus oder die Nichtaufnahme der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, 3. Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit. Die in Absatz 2 Nr. 4 und 5 genannten Daten sind zur Sicherheitsüberprüfungsakte zu nehmen, wenn sie sicherheitserheblich sind. (5) Die zuständige Stelle ist verpflichtet, die in Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 genannten Daten unverzüglich der mitwirkenden Behörde zu übermitteln. Die Übermittlung der in Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 genannten Daten erfolgt nach den in SS 22 Abs. 2 Nr. 1 festgelegten Fristen. SS 19 Aufbewahrung und Vernichtung der Unterlagen (1) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung sind gesondert aufzubewahren und gegen unbefugten Zugriff zu schützen. (2) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung sind bei der zuständigen Stelle innerhalb eines Jahres zu vernichten, wenn der Betroffene keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt, es sei denn, der Betroffene willigt in die weitere Aufbewahrung ein. Im übrigen sind die Unterlagen über die Sicherheitsüber- Gesetzestexte 327 prüfung bei der zuständigen Stelle fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu vernichten, es sei denn, der Betroffene willigt in die weitere Aufbewahrung ein oder es ist beabsichtigt, dem Betroffenen in absehbarer Zeit erneut eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zuzuweisen, zu übertragen oder ihn dazu zu ermächtigen. (3) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung bei der mitwirkenden Behörde sind nach den in SS 22 Abs. 2 Nr. 2 genannten Fristen zu vernichten. Gleiches gilt bezüglich der Unterlagen zu den in SS 3 Abs. 3 genannten Personen. SS 20 Speichern, Verändern und Nutzen personenbezogener Daten in Dateien (1) Die zuständige Stelle darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz die in SS 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 genannten personenbezogenen Daten, ihre Aktenfundstelle und die der mitwirkenden Behörde sowie die Beschäftigungsstelle, Verfügungen zur Bearbeitung des Vorganges und beteiligte Behörden in Dateien speichern, verändern und nutzen. (2) Die mitwirkende Behörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben 1. die in SS 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 genannten personenbezogenen Daten des Betroffenen und des in die Sicherheitsüberprüfung einbezogenen Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten und die Aktenfundstelle, 2. Verfügungen zur Bearbeitung des Vorgangs sowie 3. sicherheitserhebliche Erkenntnisse und Erkenntnisse, die ein Sicherheitsrisiko begründen, in Dateien speichern, verändern und nutzen. Die Daten nach Nummer 1 dürfen auch in die nach SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässigen Verbunddateien gespeichert werden. SS 21 Übermittlung und Zweckbindung (1) Die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen von der zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde nur für 1. die mit der Sicherheitsüberprüfung verfolgten Zwecke, Bericht 2000 328 Gesetzestexte 2. Zwecke der Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, 3. Zwecke parlamentarischer Untersuchungsausschüsse genutzt und übermittelt werden. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen die ihnen nach Satz 1 Nr. 2 übermittelten Daten für Zwecke eines Strafverfahrens nur verwenden, wenn die Strafverfolgung auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Die zuständige Stelle darf die gespeicherten personenbezogenen Daten darüber hinaus für Zwecke der disziplinarrechtlichen Verfolgung sowie dienstoder arbeitsrechtlicher Maßnahmen nutzen und übermitteln, wenn dies zur Gewährleistung des Verschlußsachenschutzes erforderlich ist. Die mitwirkende Behörde darf die gespeicherten personenbezogenen Daten darüber hinaus im Rahmen des erforderlichen Umfangs nutzen und übermitteln zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten oder zur Aufklärung sonstiger Bestrebungen von erheblicher Bedeutung. (2) Die Übermittlung der nach SS 20 in Dateien gespeicherten Daten ist nur zulässig, soweit sie für die Erfüllung der in Absatz 1 genannten Zwecke erforderlich ist. Die nach SS 20 Abs. 2 Nr. 1 gespeicherten Daten dürfen zur Erfüllung aller Zwecke des Verfassungsschutzes genutzt und übermittelt werden. (3) Die mitwirkende Behörde darf personenbezogene Daten nach den Absätzen 1 und 2 nur an öffentliche Stellen übermitteln. (4) Die Nutzung oder Übermittlung unterbleibt, soweit gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. (5) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verarbeiten und nutzen, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden, und zum Zweck der Strafverfolgung gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 2. Eine nicht-öffentliche Stelle ist darauf hinzuweisen. SS 22 Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Wird festgestellt, daß personenbezogene Daten unrichtig sind oder wird ihre Richtigkeit vom Betroffenen bestritten, so ist dies, soweit Gesetzestexte 329 sich die personenbezogenen Daten in Akten befinden, dort zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) In Dateien gespeicherte personenbezogene Daten sind zu löschen 1. von der zuständigen Stelle a) innerhalb eines Jahres, wenn der Betroffene keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt, es sei denn, der Betroffene willigt in die weitere Speicherung ein, b) nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Betroffenen aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, es sei denn, der Betroffene willigt in die weitere Speicherung ein oder es ist beabsichtigt, dem Betroffenen in absehbarer Zeit eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zuzuweisen, zu übertragen oder ihn dazu zu ermächtigen, 2. von der mitwirkenden Behörde a) bei einfachen Sicherheitsüberprüfungen nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Betroffenen aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, b) bei den übrigen Überprüfungsarten nach Ablauf von zehn Jahren, beim Bundesnachrichtendienst nach Ablauf von 25 Jahren, nach den in Nummer 1 genannten Fristen, c) die nach SS 20 Abs. 2 Nr. 3 gespeicherten Daten, wenn feststeht, daß der Betroffene keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt oder aus ihr ausgeschieden ist. Im übrigen sind in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. (3) Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen verarbeitet und genutzt werden. SS 23 Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten (1) Auf Antrag ist von der zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde unentgeltlich Auskunft zu erteilen, welche Daten über die Bericht 2000 330 Gesetzestexte anfragende Person im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeichert wurden. (2) Bezieht sich die Auskunftserteilung auf die Übermittlung personenbezogener Daten an die mitwirkenden Behörden, ist sie nur mit deren Zustimmung zulässig. (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde, 2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 3. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Anfragenden an der Auskunftserteilung zurücktreten muß. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf einer Begründung nicht, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall sind die Gründe der Auskunftsverweigerung aktenkundig zu machen. Die anfragende Person ist auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß sie sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. (5) Wird dem Anfragenden keine Auskunft erteilt, so ist sie auf sein Verlangen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu erteilen, soweit nicht die jeweils zuständige oberste Bundesbehörde im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Die Mitteilung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der speichernden Stelle zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. (6) Die zuständige Stelle gewährt der anfragenden Person Einsicht in die Sicherheitsakte, soweit eine Auskunft für die Gesetzestexte 331 Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen nicht ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist. Die Regelungen der Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend. (7) Die Auskunft ist unentgeltlich. Fünfter Abschnitt Sonderregelungen bei Sicherheitsüberprüfungen für nicht-öffentliche Stellen SS 24 Anwendungsbereich Bei Sicherheitsüberprüfungen von Betroffenen, die von der zuständigen Stelle zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bei einer nicht-öffentlichen Stelle ermächtigt werden sollen, gelten folgende Sonderregelungen. SS 25 Zuständigkeit (1) Zuständige Stelle ist das Bundesministerium für Wirtschaft, soweit nicht im Einvernehmen mit ihm eine andere oberste Bundesbehörde die Aufgabe als zuständige Stelle wahrnimmt. (2) Die Aufgaben der nicht-öffentlichen Stelle nach diesem Gesetz sind grundsätzlich von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit wahrzunehmen. Die zuständige Stelle kann Ausnahmen zulassen, wenn die nicht-öffentliche Stelle sich verpflichtet, Informationen, die ihr im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung bekanntwerden, nur für solche Zwecke zu gebrauchen, die mit der Sicherheitsüberprüfung verfolgt werden. SS 26 Sicherheitserklärung Abweichend von SS 13 Abs. 6 leitet der Betroffene seine Sicherheitserklärung der nicht-öffentlichen Stelle zu, in der er beschäftigt ist. Im Falle der Einbeziehung des Ehegatten, Lebenspartners oder Lebensgefährten nach SS 2 Abs. 2 fügt er dessen Zustimmung bei. Die nicht-öffentliche Stelle prüft die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben und darf, soweit dies erforderlich ist, die Personalunterlagen beiziehen. Sie gibt die Sicherheitserklärung an die zuständige Stelle weiter und teilt dieser vorhandene sicherheitserhebliche Erkenntnisse mit. Bericht 2000 332 Gesetzestexte SS 27 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung, Weitergabe sicherheitserheblicher Erkenntnisse Die zuständige Stelle unterrichtet die nicht-öffentliche Stelle nur darüber, daß der Betroffene zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ermächtigt oder nicht ermächtigt wird. Erkenntnisse, die die Ablehnung der Ermächtigung zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betreffen, dürfen nicht mitgeteilt werden. Zur Gewährleistung des Verschlußsachenschutzes können sicherheitserhebliche Erkenntnisse an die nicht-öffentliche Stelle übermittelt werden und dürfen von ihr ausschließlich zu diesem Zweck genutzt werden. Die nicht-öffentliche Stelle hat die zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über den Betroffenen oder den in die Sicherheitsüberprüfung einbezogenen Ehegatten oder Lebenspartner bekanntwerden. SS 28 Aktualisierung der Sicherheitserklärung (1) Die nicht-öffentliche Stelle leitet dem Betroffenen, der eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, auf Anforderung der zuständigen Stelle die Sicherheitserklärung in der Regel alle fünf Jahre erneut zu. (2) Der Betroffene hat die in der Sicherheitserklärung angegebenen Daten im Falle eingetretener Veränderungen zu ergänzen. Die zuständige Stelle beauftragt die mitwirkende Behörde, die Maßnahmen nach SS 12 Abs. 1 Nr. 2 und 3 erneut durchzuführen und zu bewerten. SS 29 Übermittlung von Informationen über persönliche und arbeitsrechtliche Verhältnisse Die nicht-öffentliche Stelle hat der zuständigen Stelle das Ausscheiden aus sicherheitsempfindlicher Tätigkeit, Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit unverzüglich mitzuteilen. SS 30 Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle Für die Sicherheitsakte in der nicht-öffentlichen Stelle gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über die Sicherheitsakte entsprechend mit der Maßgabe, daß die Sicherheitsakte der nichtöffentlichen Stelle bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht abgegeben wird. Gesetzestexte 333 SS 31 Datenverarbeitung, -nutzung und -berichtigung in automatisierten Dateien Die nicht-öffentliche Stelle darf die nach diesem Gesetz zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten des Betroffenen in automatisierten Dateien speichern, verändern und nutzen. Die für die zuständige Stelle geltenden Vorschriften zur Berichtigung, Löschung und Sperrung finden Anwendung. Sechster Abschnitt Reisebeschränkungen, Sicherheitsüberprüfungen auf Antrag ausländischer Dienststellen und Schlußvorschriften SS 32 Reisebeschränkungen (1) Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben, die eine Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9 und 10 erfordert, können verpflichtet werden, Dienstund Privatreisen in und durch Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten, der zuständigen Stelle oder der nicht-öffentlichen Stelle rechtzeitig vorher anzuzeigen. Die Verpflichtung kann auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit angeordnet werden. (2) Die Reise kann von der zuständigen Stelle untersagt werden, wenn Anhaltspunkte zur Person oder eine besonders sicherheitsempfindliche Tätigkeit vorliegen, die eine erhebliche Gefährdung durch fremde Nachrichtendienste erwarten lassen. (3) Ergeben sich bei einer Reise in und durch Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten, Anhaltspunkte, die auf einen Anbahnungsund Werbungsversuch fremder Nachrichtendienste hindeuten können, so ist die zuständige Stelle nach Abschluß der Reise unverzüglich zu unterrichten. SS 33 Sicherheitsüberprüfung auf Antrag ausländischer Dienststellen (1) Ersucht eine ausländische Dienststelle die mitwirkenden Behörden um die Mitwirkung bei einer Sicherheitsüberprüfung, so Bericht 2000 334 Gesetzestexte richtet sie sich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit nicht in Rechtsvorschriften zwischenstaatlicher Einrichtungen oder völkerrechtlichen Verträgen, denen die gesetzgebenden Körperschaften gemäß Artikel 59 Abs. 2 des Grundgesetzes zugestimmt haben, etwas anderes bestimmt ist. (2) Die Mitwirkung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Dies gilt auch bei der Übermittlung personenbezogener Daten an die ausländische Dienststelle. (3) Die ausländische Dienststelle ist darauf hinzuweisen, daß die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung übermittelten personenbezogenen Daten nur für Zwecke der Sicherheitsüberprüfung verwendet werden dürfen und die mitwirkende Behörde sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. SS 34 Ermächtigung zur Rechtsverordnung Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzustellen, welche Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes Aufgaben im Sinne des SS 10 Satz 1 Nr. 3 wahrnehmen. SS 35 Allgemeine Verwaltungsvorschriften (1) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes erläßt das Bundesministerium des Innern, soweit in den Absätzen 2 bis 4 nichts anderes bestimmt ist. (2) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes im Bereich der Sicherheitsüberprüfung in der Wirtschaft erläßt das Bundesministerium für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. (3) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung erläßt das Bundesministerium der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. (4) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes bei den Nachrichtendiensten des Bundes erläßt die jeweils zuständige oberste Bundesbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. Gesetzestexte 335 SS 36 Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes, Bundesverfassungsschutzgesetzes, MAD-Gesetzes und BND-Gesetzes (1) Die Vorschriften des Ersten Abschnitts und des Fünften Abschnitts sowie die SSSS 18 und 39 des Bundesdatenschutzgesetzes, des Ersten Abschnitts und die SSSS 14 und 23 Nr. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes auch in Verbindung mit SS 12 des MAD-Gesetzes und SS 10 des BND-Gesetzes sowie die SSSS 1 und 8 des MAD-Gesetzes und SS 6 des BND-Gesetzes finden Anwendung. (2) Für die Datenschutzkontrolle der von öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen nach diesem Gesetz gespeicherten personenbezogenen Daten gelten die SSSS 21 und 24 bis 26 des Bundesdatenschutzgesetzes. SS 37 Strafvorschriften (1) Wer unbefugt von diesem Gesetz geschützte personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, 1. speichert, verändert oder übermittelt, 2. zum Abruf mittels automatisierten Verfahrens bereithält oder 3. abruft oder sich oder einem anderen aus Dateien verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer 1. die Übermittlung von durch dieses Gesetz geschützten personenbezogenen Daten, die nicht offenkundig sind, durch unrichtige Angaben erschleicht oder 2. entgegen SS 21 Abs. 1 oder SS 27 Satz 3 Daten für andere Zwecke nutzt, indem er sie innerhalb der Stelle an einen anderen weitergibt. (3) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. (4) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Bericht 2000 336 Gesetzestexte SS 38 Änderung von Gesetzen (1) Artikel 1 SS 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 27. Mai 1992 (BGBl. I S. 997) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: Satz 3 wird wie folgt gefaßt: "Sie haben für die Durchführung der vorstehend genannten Anordnungen das erforderliche Personal bereitzuhalten, das gemäß dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) überprüft und zum Zugang zu Verschlußsachen des jeweiligen Geheimhaltungsgrades ermächtigt ist." (2) Das Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970) wird wie folgt geändert: 1. SS 3 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) Satz 2 wird wie folgt gefaßt: "Die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) geregelt." b) Die Sätze 3 und 4 werden aufgehoben. 2. SS 8 Abs. 4 Satz 2 wird wie folgt gefaßt: "Der Betroffene ist auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen." 3. SS 10 Abs. 2 wird aufgehoben. (3) Das MAD-Gesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2977) wird wie folgt geändert: SS 1 Abs. 3 wird wie folgt geändert: 1. Satz 2 wird wie folgt gefaßt: "Die Befugnisse des Militärischen Abschirmdienstes bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) geregelt." 2. Die Sätze 3 und 4 werden aufgehoben. (4) SS 24 Abs. 6 Satz 1 Nr. 7 des Wehrpflichtgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juni 1986 (BGBl. I S. 879), das zuletzt Gesetzestexte 337 durch Artikel 6 Abs. 45 des Gesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) geändert worden ist, wird wie folgt gefaßt: "7. auf Verlangen der zuständigen Wehrersatzbehörde sich im Hinblick auf eine für sie vorgesehene sicherheitsempfindliche Tätigkeit in der Bundeswehr einer erstmaligen Sicherheitsüberprüfung und weiteren Sicherheitsüberprüfungen zu unterziehen. Die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung bestimmt sich nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867). Einer Zustimmung des Wehrpflichtigen bedarf es nicht." (5) SS 2 Abs. 2 Satz 3 des BND-Gesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979) wird wie folgt gefaßt: "Bei Sicherheitsüberprüfungen ist das Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867) anzuwenden." SS 39 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Bericht 2000 338 Abkürzungsverzeichnis 339 Abkürzungsverzeichnis AAB Antifaschistische Aktion Berlin AA/BO Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation AAP Anti-Atom-Plenum ADHF Föderation für demokratische Rechte in Deutschland ADHK Konföderation für demokratische Rechte in Europa ADÜTDF Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V. AGIF Föderation der Arbeitsimmigranten aus der Türkei in Deutschland e. V. aia antiimperialistische aktion AIS Islamische Heilsarmee AMAL Gruppen des libanesischen Widerstandes AMS Assoziation Marxistischer StudentInnen ARGK Volksbefreiungsarmee Kurdistans ATIF Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. ATIK Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa B.A.T. Bundesweite Antifa-Treffen BdA Bund der Antifaschisten (Dachverband ) e. V. BDVG Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft BGD Bund für Gesamtdeutschland BK Babbar Khalsa International CWI Committee for a Workers International DABK Ostanatolisches Gebietskomitee DA'WA Hizb Al Da'Wa Al Islamiya (Partei des islamischen Rufs/der islamischen Mission) DESG Deutsch-Europäische Studien-Gesellschaft DETUDAK Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen in der Türkei DHKC Revolutionäre Volksbefreiungsfront DHKP-C Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front DIDF Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V. DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DPK-I Demokratische Partei Kurdistans/Irak DVU Deutsche Volksunion EMUG Europäische Moscheebau und Unterstützungsgemeinschaft e. V. ERNK Nationale Befreiungsfront Kurdistans Bericht 2000 340 Abkürzungsverzeichnis FAU-IAA Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Arbeiter Assoziation FDVP Freiheitliche Deutsche Volkspartei FHI Flüchtlingshilfe Iran e. V. FIS Front Islamique du Salut (Islamische Heilsfront) FP Fazilet Partisi (Tugendpartei) FRIKORR Friedenspolitische Korrespondenz FZ-Verlag FZ - Freiheitliche Buchund Zeitschriftenverlag GmbH GFP Gesellschaft für Freie Publizistik GI Al-Gama'a al-Islamiyya (Islamische Gemeinschaft) GIA Groupe Islamique Arme (Bewaffnete Islamische Gruppe) GIV Gesellschaft iranischer Flüchtlinge e. V. GSPC Groupe salafiste pour la Predication et le Combat (Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf) HAMAS Islamische Widerstandsbewegung HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. HPG Volksverteidigungsarmee IBDA-C Front der islamischen Kämpfer des Großen Ostens IBP Islamischer Bund Palästina ICCB Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln IFKH Iranische Flüchtlingskinderhilfe e. V. IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. IHR Institute for Historical Review IKM Komitee gegen Isolationshaft IMSV Iranische moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. IS International Socialists ISKU Informationsstelle Kurdistan ISYF International Sikh Youth Federation IVVdN Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Nazi-Regimes und Hinterbliebener e. V. JN Junge Nationaldemokraten JRE Jugend gegen Rassismus in Europa KDS Kampfbund Deutscher Sozialisten KIC Kurdistan Informatie Centrum KIZ Kurdistan Informations-Zentrum KMDI Kamagata Maru Dal International KNK Kurdischer Nationalkongress Abkürzungsverzeichnis 341 KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPF Kommunistische Plattform der PDS LPK Volksbewegung von Kosovo LR Linksruck-Netzwerk LTTE Liberation Tigers of Tamil Eelam MB Muslimbruderschaft MEK Volksmodjahedin Iran-Organisation MES Marx-Engels-Stiftung e. V. MHP Partei der Nationalistischen Bewegung MLKP Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands MNA Ungarische Nationale Front NAPO Nationale Außerparlamentarische Opposition NHB Nationaldemokratischer Hochschulbund NIT Nachrichten-Informationen-Theorie NIT Nationale Info-Telefone NLA Nationale Befreiungsarmee NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSDAP/AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran NZ National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PKK Arbeiterpartei Kurdistans PUK Patriotische Union Kurdistans RAAL Rote Antifaschistische Aktion Leipzig RBF Republikanischer Bund der Frauen REP Die Republikaner RepBB Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten RH Rote Hilfe e. V. RHV Republikanischer Hochschulverband RJ Republikanische Jugend RP Refah Partisi (Wohlfahrtspartei) RPF Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000 RSB Revolutionär-Sozialistischer Bund RZ Revolutionäre Zellen SAG Sozialistische Arbeitergruppe SAV Sozialistische Alternative Voran SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SFD Skingirl-Freundeskreis Deutschland Bericht 2000 342 Abkürzungsverzeichnis SO Scientology-Organisation SoZ Sozialistische Zeitung THKP/-C - Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Devrimci Sol Linke TIKKO Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten U.I.S.A. Union islamischer Studentenvereine UZ Unsere Zeit VAWS Verlag und Agentur Werner Symanek VEIF Verein zur Eingliederung iranischer Flüchtlinge e. V. VffG Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung VGB Verlagsgesellschaft Berg V.H.O. Vrij Historisch Onderzoek VIDA Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e. V. VKSIW Verein der Künstler und Schriftsteller des iranischen Widerstandes e. V. VSP Vereinigung für Sozialistische Politik VVdN-BdA Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener - Bund der Antifaschisten VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten YCK Union der Jugendlichen aus Kurdistan YDK Kurdische Demokratische Volksunion Sachwortregister 343 Sachwortregister Assoziation Marxistischer 142, 176 StudentInnen (AMS) A Autonome 128, 129, 130, 131, 132, 169 AAE Per Lennart 67 Autonome Antifa (M) 133, 163, 164, 176 Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland 96 AUTONOME MILIZ 166, 173 AGIF 202 Akademya (Die Akademie) 225 Aktionsbüro Norddeutschland 73 B Al Ahd (Die Verpflichtung) 214 Babbar Khalsa International (BK) 225 Al Jihad (Heiliger Krieg) 225 BANNA Hassan al276 Al Moqawama Al Islamiya 214 BARTSCH Dietmar 148, 150 (Islamischer Widerstand) BEIER Klaus 73 Al Qaida (Die Basis) 183, 212 BENJAMIN Michael 272 Al-Aqsa e. V. 214 BENOIST Alain de 99 Al-Gama'a al-Islamiyya (GI) (Islamische Gemeinschaft) 212 Bewaffnete Islamische Gruppe 210 (Groupe Islamique Arme GIA) 222 Al-Ribat (Das Band/Die Verbindung) 210 Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft (BDVG) 77 Amal (Hoffnung) 225 Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft 77 Anarchisten 138, 169 BIN LADEN Usama 183, 212 Antar ZOUABRI 210 BISKY Lothar 152, 156, 273 Anti-Antifa 26, 49, 113 Blood & Honour - Anti-Antifa Saarpfalz 49 Division Deutschland 41 Anti-Atom-Plenum (AAP) 171 Blood & Honour 40, 41, 42, 44, 46, 74, 105 Antifa Bonn/Rhein-Sieg 133 BOLOURCHI Dr. Masoumeh 216 antifa-rundschau 143 BRÄUNINGER Werner 99 Antifaschismus 163 BREHL Thomas 48 Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) 133, 134, 145 154, 167, 176 BRIE Andre 148, 271 Antifaschistische Aktion/Bundesweite 133, 134 BRIE Michael 271 Organisation (AA/BO) 135, 163 Bund der Antifaschisten antiimperialistische aktion (aia) 175 (Dachverband) e.V. (BdA) 161 APFEL Holger 261 Bund Freier Bürger (BFB) 92 Arabische Mujahedin 183, 211 Bund für Gesamtdeutschland (BGD) 97 (Kämpfer für die Sache Allahs) 222 Bundesausschuss Friedensratschlag 146 Arbeiterpartei 137, 181, 184, 185, 188, 189 Bundesweites Antifa-Treffen (B.A.T.) 134 Kurdistans 190, 191, 192, 193, 194, 201 (PKK) 221, 223 Bündnis gegen Rechts Leipzig 176 Arischen Bruderschaft 2000 39 Bündnisses gegen Rechts 132 Arischer Kämpferbund 38 BURISCHEK Gottfried 92, 93, 94 Arndt-Verlag 109, 117 BUSSE Friedhelm 47 Bericht 2000 344 Sachwortregister C Die Rote Hilfe 160 Castel del Monte-Verlag 117 DIESNER Kay 258 Castle Hill Publishers 103 DISPUT 147 Committee for a Workers' International (CWI) 159 DISTLER Jürgen 62 CRÄMER Thorsten 75 DVU-Freiheitliche Liste 86 D E DABK 200 EIGENFELD Ulrich 72 DEHM Diether 149, 156, 274 EISENECKER Dr. Hans Günter 55 DEHOUST Peter 97, 111 Elemente 99 DELLHEIM Judith 149 Engel Stefan 157 Demokratische Partei Kurdistans/Irak (DPK-I) 225 ENGELHARD Dietmar 98 Der Aktivist 76 ERBAKAN Mehmet Sabri 206 Der Kalifatsstaat (Hilafet Devleti) 182, 203 ERBAKAN Prof. Necmettin 206, 208 Der Republikaner 86, 88, 93, 115 ERDAL Fehriye 197, 223 Der Weg Vorwärts 41 ERYÜKSEL Nuri 198 DESG-inform 100 Euro-Kurier 109 Deutsch-Europäische Studien-Gesellschaft 99 Europa vorn Verlag 117 (DESG) Europäische Moscheebau und Deutsche Akademie 99 Unterstützungsgemeinschaft e. V. (EMUG) 206 Deutsche Geschichte 110, 117 Europäischen Synergien 99 Deutsche Kommunistische 120, 139, 140, 141, 143 EXPO 2000 173, 174, 175, 217 Partei (DKP) 143, 145, 146, 153, 162 169, 176 Deutsche Kulturgemeinschaft Österreich 105 F Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 97 Fazilet Partisi - FP - (Tugendpartei) 180, 182, 206 Deutsche Stimme 54, 55, 56, 58, 61 FINK Heinrich 161 62, 65, 67, 69, 98 FIS 210 Deutsche Stimme-Verlag 65, 98 FLECK Dr. Helmut 96 Deutsche Volksunion 26, 28, 55, 77, 78, 79, 81, 83 Flüchtlingshilfe Iran e. V. (FHI) 218 (DVU) 84, 85, 86, 93, 94, 96, 98, 116 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland in Geschichte und Gegenwart 109, 117 Deutschland e. V. (ATIF) 201 Devrimci Cözüm (Revolutionäre Lösung) 198 Föderation der Arbeiterimmigranten aus Devrimci Demokrasi (Revolutionäre 200 der Türkei in Deutschland e. V. (AGIF) 202 Demokratie) 200 Föderation der demokratischen Devrimci Sol 195, 196, 198 Arbeitervereine e. V. (DIDF) 225 (Revolutionäre Linke) Föderation der türkisch-demokratischen 195 DHKP-C 196, 198 Idealistenvereine in Europa e. V. (ADÜTDF) 225 Die Republikaner (REP) 26, 27, 28, 55, 86, 87, 88 Föderation für demokratische Rechte in 89, 90, 91, 92, 94, 96, 98 Deutschland (ADHF) 201 Sachwortregister 345 Frauen für Demokratie im HAMAS 183, 213, 214, 224 Iran e. V., Köln, Heidelberg 218 Hamburger Sturm 18, 50 Freien Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Arbeiter Assoziation (FAU-IAA) 138 Hammerskins 40, 42 Freien Nationalisten 51, 70, 73, 74, 94 HARDER Ulrich 74 FREIHEIT 252 HATTAB Hassan alias Abou HAMZA 210, 211 Freiheitliche Deutsche Volkspartei (FDVP) 86, 96 HAUG Frigga 271 Freundeskreis Ulrich von Hutten e. V. 105 HAUG Wolfgang-Fritz 271 FREY Dr. Gerhard 26, 77, 78, 79, 82, 85, 273 HEUER Uwe-Jens 271 Friedenspolitische Korrespondenz (FRIKORR) 146 Hilfsorganisation für nationale politische 52 Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG) 115 Front der islamischen Kämpfer des Großen Ostens (IBDA-C) 225 Hilfswerk für Kinder e. V., Düsseldorf 218 Furkan (Die Rettung) 225 Hizb Al Da'Wa Al Islamiya (DA'WA) (Partei des islamischen Rufs/der islamischen Mission) 225 FZ - Freiheitlicher Buchund 79 Zeitschriftenverlag GmbH (FZ-Verlag) 82 Hizb Allah (Partei Gottes) 183, 184, 214 215, 222, 224 Hohenrain-Verlag 109 G HUPKA Steffen 69, 70, 260, 261 Geheimschutz 247, 248 GEHRCKE Wolfgang 271 I GERG Jürgen 71 IMPACT 252 Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) 111 Informationsstelle Kurdistan (ISKU) 137 Gesellschaft iranischer Flüchtlinge e. V. (GIV), Initiative für Versammlungsfreiheit 70 Köln 218 Initiative gegen Drogenfreigabe 51 Gewalttaten 29, 30, 32, 33, 34, 35, 36, 122, 123 124, 125, 126, 127, 128, 185, 186, 187 Initiative Volksaufklärung 51 GIA 211 Institute for Historical Review (IHR) 104 Grabert-Verlag 109, 112, 117 INTERIM 127, 132, 164, 167 GRAF Jürgen 103, 104 INTERNATIONAL SCIENTOLOGY NEWS 252 Graswurzelbewegung 138, 139, 169 International Sikh Youth Federation (ISYF) 225 Gruppen des libanesischen Widerstandes (AMAL) 225 International Socialists (IS) 158, 169 GSPC 211 Internet 26, 43, 104, 112, 113, 114, 131 169, 176, 177, 196, 204, 223, 256 GYSI Gregor 270 Iran Solidaritätsverein Göttingen e.V., Göttingen 218 Iran Solidaritätsverein Hannover e.V., Hannover 218 H Iranische Flüchtlingskinderhilfe e.V. (IFKH), Köln 218 Haberci (Der Bote) 225 Iranische moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (IMSV), Köln 218 Hagal - Die Allumfassende 100 IRVING David 103, 104, 109 HAGER Nina 140 Isci Köylü Kurtulusu HAKK-TV 204 (Arbeiterund Bauernbefreiung) 200 Bericht 2000 346 Sachwortregister ISIK Dr. Yusuf 205 Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 176 Islamische Gemeinschaft 180, 182, 184, 195, 205 Konföderation der Arbeiter aus der Milli Görüs e. V. (IGMG) 206, 207, 208, 209, 223 Türkei in Europa (ATIK) 201 Islamische Heilsfront 210 Konföderation für demokratische (FIS Front Islamique du Salut) 222 Rechte in Europa (ADHK) 201 Islamische Widerstandsbewegung 183, 213 KORABELNIKOW Walentin 231 (HAMAS) 214, 224 KOSIEK Dr. Rolf 112 Islamischen Heilsarmee (AIS) 211 KOTH Michael 48 Islamischer Bund Palästina (IBP) 213 KRAPIWIN Jurij 232 IWANOW Sergej 229 KREBS Pierre 98 IWANOW Viktor 230 Kurdische Demokratische Volksunion (YDK) 189 Kurdischen Nationalkongresses (KNK) 192 J Kurdistan Informatie Centrum (KIC) 193, 223 JERIN Leonid 239 Kurdistan Informations-Zentrum (KIZ) 193, 223 JOSEPH Detlef 151 Kurdistansolidaritätsgruppen 137 Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) 159 Kurtulus (Befreiung) 196 Junge Freiheit 101 Junge Nationaldemokraten (JN)40, 46, 50, 51, 54, 70 75, 76, 94, 102, 106, 115 L Landser 44 Junges Forum 100 Landtagswahlen 75, 86, 94, 153 LAUER Peter 91 K LEBEDEW Sergej 230, 239 Kalathil (Auf dem Schlachtfeld) 219 LEHMANN Andreas 94, 265 Kalifatsstaat 184, 195, 204, 205, 224 Lernen und Kämpfen 157 Kamagata Maru Dal International (KMDI) 225 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 219, 221 Kameradschaft Gera 115 Libertad 137 Kameradschaften 47, 50, 51, 72 Linksruck-Netzwerk (LR) 158, 159, 169, 176 Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) 48 LORENZ Kerstin 87 KAPLAN Metin 182, 195, 203, 205, 224 KÄS Christian 93 M KEBIR Rabah 210 MAHLER Horst 57, 63, 68, 70, 71, 98, Kein Friede 137 101, 109, 114, 259, 260 KHAMENEI Ayatollah 276 Mailboxen 176, 177 KLEIN Dieter 271 MARQUARDT Angela 154 KLUMB Josef M. 102, 111 Marx-Engels-Stiftung e. V. (MES) 145 KLUMP Andrea 138 Marxistisch-Leninistische 183, 195 Kommunistische Partei (MLKP) 202, 203 Komitee gegen Isolationshaft (IKM) 183, 197 Marxistisch-Leninistische Partei 120 Kommunistische Plattform der PDS (KPF) 121, 150 Deutschlands (MLPD) 157, 158 Sachwortregister 347 Marxistische Forum der PDS 147, 150, 151, 152 Nationaldemokratischen Hochschulbund e.V. 54, 60 MATJUCHIN Wladimir 232 Nationale Befreiungsarmee (NLA) 218 MATSKIEVITSCH 239 Nationale Info-Telefon (NIT) Hamburg 116 MECHTERSHEIMER Dr. Alfred 112 Nationale und Soziale 25 Aktionsbündnis Norddeutschland 47, 50 MED-TV 193 Nationalen Außerparlamentarischen MEDYA-TV 191, 193 Opposition (NAPO) 60 MEENEN Uwe 99 Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 189 MEK 217, 218 Nationaler Widerstand 47, 51 Metapo - Metapolitik im Angriff Nationaler Widerstandsrat 216, 217 zur Neugeburt Europas 99 Iran (NWRI) 218, 240 Michael CHRAPA 271 Nationalrevolutionären 100 Milli Gazete (Nationale Zeitung) 207 Nationalsozialistische Deutsche 37 Milli Görüs & Perspektive 205 Arbeiterpartei/Auslandsund 107 Aufbauorganisation (NSDAP/AO) Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS 147 Neonazis 25, 27, 28, 47, 48, 50, 51, 69, 71 Modjahed (Glaubenskämpfer) 216, 217 NEUBAUER Harald 93, 94, 97, 112 MODROW Hans 156, 272 Neue Rechte 100 MÜLLER Ursula 52, 54 NEUGEBAUER Gero 271 MUNIER Dietmar 109, 266 New Era Radio 256 MUROW Jewgenij 232 NIER Prof. Dr. Michael 70, 99 Muslimbruderschaft (MB) 213 No pasaran 159 Nordrhein-Westfalen 75, 86, 94, 153 N NS-Kampfruf 107 Nachrichten der HNG 52, 53, 69 Nachrichten Informationen Meinungen (NIM) 47 O Nachrichten-Informationen-Theorie (NIT) 115 OBERLERCHER Dr. Reinhold 70, 98, 101 NACHTIGAL Carola 68 ÖCALAN Abdullah 137, 181, 188, 189, 191, 192 NASRALLAH Hassan 215 Opposition Magazin für Deutschland 110, 117 Nation & Europa - 92, 94, 97, 98 Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) 200 Deutsche Monatshefte 100, 110, 117 ÖZDOGAN Hasan 207 Nation Europa Verlag GmbH 110, 117 Özgür Gelecek (Freie Zukunft) 200 National-Zeitung/ 77, 78, 81, 83 Deutsche WochenZeitung (NZ) 84, 96, 103 Özgür Politika (Freie Politik) 191, 193 Nationaldemokratische 25, 26, 28, 40, 46, 50, 51 Partei Deutschlands (NPD) 54, 55, 56, 57, 58, 60, 61 62, 63, 65, 66, 67, 69, 70 74, 76, 77, 93, 94, 97, 98 P 99,106, 114, 115 Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) 195 Nationaldemokratische Partei 40, 46, 49, 50, 51 Partei des Demokratischen 121, 122, 145, 147, 148 Deutschlands/Junge National54, 70, 75, 76, 94 Sozialismus (PDS) 150, 152, 153, 154, 155 demokraten (NPD/JN) 102, 106, 115 163, 167, 169, 156, 162 Bericht 2000 348 Sachwortregister Partinin Sesi (Stimme der Partei) 202 Republikanischer Hochschulverband (RHV) 86 Partizan 200, 201 Revisionismus 102, 103 Patriotische Union Kurdistans (PUK) 225 Revisionisten 103 PATRUSCHEW Nikolaj 231 Revolutionär-Sozialistische Bund (RSB) 160 PDS International 147 Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000 (RPF) 70 PDS-Pressedienst 147 Revolutionäre Volksbefreiungs183, 195 partei-Front (DHKP-C) 196, 221, 222 Personeller Geheimschutz 247 Revolutionären Zellen (RZ) 138 Personenpotenzial 27, 121, 184, Revolutionärer Weg 157 PETZOLD Winfried 58, 59, 61, 72 RICHTER Karl 110, 112 PIERCE Dr. William 106 ROGLER Christian 260 PKK 137, 181, 184, 185, 188, 189, 190 191, 192, 193, 194, 201, 221, 223 Roland Faksimile - Roland Versand KG 111 POLTAWTSCHENKO Georgij 230 ROßMÜLLER Sascha 69, 76, 77, 260, 273 Pour le Merite-Verlag 109 Rote Fahne 157 PRAXENTHALER Michael 64 Rote Hilfe e.V. (RH) 160, 162 Proliferation 240, 245 Roten Antifaschistischen Aktion Leipzig (RAAL) 169 Publikationen 108, 175, 222 ROUHS Manfred 101 PÜHSE Jens 69 RPF 70, 71 O S Sachsen Stimme 58, 59, 61, 62, 68, 93 Qhods (Jerusalem) 215, 225, 276 Salafiyya-Gruppe für die Mission 210 und den Kampf (Groupe salafiste 222 pour la Predication et le Combat GSPC) R SANDER Dr. Hans-Dietrich 101 R.O.T.K.Ä.P.C.H.E.N. 162 SCHEERER Germar 103 ,104 RABE Friedrich 151 Schleswig-Holstein 75, 86, 94, 153 RADJAVI Maryam 217 SCHLIERER Dr. Rolf 26, 86, 90, 91, 92, 115 RADJAVI Massoud 216 SCHÖNHUBER Franz 57, 68, 70, 94, 109, 259 RAZZ 127 SCHUMANN Michael 271 REBELL 157 SCHWAB Jürgen 65, 98, 112 Refah Partisi (- RP -, Wohlfahrtspartei) 206 SCHWERDT Frank 69 RENNICKE Frank 46, 93 Scientology-Organisation (SO) 252 REP 26, 27, 28, 55, 86, 87, 88 SDAJ 142, 162 89, 90, 91, 92, 94, 96, 98 SEIFERT Frederick 263 Republikanische Jugend (RJ) 86, 93 Serxwebun (Unabhängigkeit) 188 Republikanischer Bund der Frauen (RBF) 86 Signal Das europäische Magazin 101, 117 Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten (RepBB) 86 Skingirl-Freundeskreis Deutschland (SFD) 40, 43 Sachwortregister 349 Skinhead-Musik 43 Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten - Partizan - (TKP/ML) 184 Skinheads 37, 39, 40, 42, 44, 46, 50, 51, 71, 73 Türkische Volksbefreiungspartei/ 195 Sleipnir 98, 101 -Front - Revolutionäre Linke 197 (THKP-C - Devrimci Sol) 198 SO 252, 253, 254, 256 Türkischen Arbeiterund BauernSo oder So 137 befreiungsarmee (TIKKO) 200 SOJKA Klaus 85, 95 Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen in der Türkei (DETUDAK) 183 202 U Solidaritätszentrum der Iraner/innen e.V., Kassel 218 ÜLKE-Büro (Heimatbüro) 194, 221 SOLOTOW Wiktor 233 Ümmet-i Muhammed 204 SOURCE 252 Ungarische Nationale Front 105 Sozialistische Alternative Voran (SAV) 159 Union der Jugendlichen aus Kurdistan (YCK) 192 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 158 Union islamischer Studentenvereine (U.I.S.A.) 225 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ)142, 162 Unsere Zeit 139 Uwe Berg Verlag 111 Sozialistische Zeitung (SoZ) 159 Staatsbriefe 98, 101, 117 STAWITZ Ingo 93, 95, 97 V STEHR Heinz 139, 154 Vatan (Heimat) 196 STEIGERWALD Robert 145 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln (ICCB) 203 STORR Andreas 51 Verband ehemaliger Teilnehmer am Straftaten 29, 30, 122, 123, 185, 186 antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und HinterStrukturdaten 11 bliebener Bund der Antifaschisten (VVdN) 144 SUDHOLT Dr. Gert 112 Verein der Künstler und Schriftsteller des iranischen Widerstandes e. V. (VKSIW), Köln 218 ['solid] 152 Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e. V. (VIDA), Bremen 218 T Verein zur Eingliederung iranischer Flüchtlinge e. V. (VEIF), Darmstadt 218 Tatsachen 225 Verein zur Förderung der Musik TEMPEL Gerhard 95 Irans e. V., Frankfurt/M. 218 THKP/-C - Devrimci Sol 198, 199 Vereinigte Rechte (VR) 96 Thule-Seminar 99 Vereinigung der Verfolgten des Nazi143, 144 regimes - Bund der Antifaschistinnen 145, 162 TOTZKIJ Konstantin 233 und Antifaschisten (VVN - BdA) Trotzkisten 169 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 159 Trotzkistische Gruppen 158 Verfassungsschutz durch Aufklärung 18 TRUBNIKOW Wjatscheslaw 230 Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur (Viöl) 111 TSCHERKESOW Wiktor 229 Verlag Manfred Rouhs 117 Türkische Kommunistische Partei/ 183, 195 Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 200, 201, 221 Verlag und Agentur Werner Symanek (VAWS) 111 Bericht 2000 350 Sachwortregister Weg und Ziel 56, 60, 62 Verlag Zeitenwende 100 Wehrt Euch 42 Verlage 108, 117, 175 Weißer Arischer Widerstand 258 VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH 109, 110 117 WENDT Hans-Christian 69, 261 Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung (VffG) 103 White Youth 40, 41 Vlaams Blok (VB) 93, 94 WIECHMANN Claudia 86, 96 Vlaams Blok Jongeren (VBJ) 93 WISSLER Gerald 92, 265 VOIGT Udo 26, 54, 55, 56, 57, 58, 60, 66, 68 WITTICH Dietmar 271 69, 72, 73, 74, 115, 259, 261, 262 WITTICH Evelin 271 Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) 189 Wohlfahrtspartei (RP) 208 Volksbewegung von Kosovo (LPK) 220 WOLF Winfried 149 Volksmodjahedin Iran-Organisation (MEK) 216, 240 WORCH Christian 49, 51, 71, 73, 74, 262 Volksverteidigungsarmee (HPG) 189 WRIEDEN Jörg 74 Von Thronstahl 111 WULFF Thomas 52, 70 Vrij Historisch Onderzoek (V.H.O.) 103, 104 VVN-BdA 143, 144, 145, 162 Y Yasamda Atilim (Der Vorstoß im Leben) 202 W YELKUVAN Ilhan 197 WAGENKNECHT Sahra 150 WAGNER Sascha 102 Z WALDSTEIN Thor von 99 ZABOROWSKI Horst 97 WALENDY Udo 65 Zeri i Kosoves (Die Stimme Kosovos) 220 WANGLER Jürgen 142 ZIMMER Gabriele 147, 150, 154 WAW-Kampfkapelle 43 ZÜNDEL Ernst 104 Herausgeber: Bundesministerium des Innern ISSN 0177-0357