Verfassung^ schütz Linksextremistische Bestrebungen bericht Rechtsextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische 1993 Bestrebungen von Ausländern Spionageabwehr { | 3 Vorwort des Bundesministers des Innern Der jährliche Verfassungsschutzbericht ist ein wichtiger Beitrag zur Information der Bürger und ein wesentlicher Bestandteil praktizierter wehrhafter Demokratie. Unser freiheitlicher Rechtsstaat verfügt über ein Instrumentarium, um die Wiederholung einer Entwicklung zu verhindern, in der Grundprinzipien der Verfassung von ihren Gegnern angegriffen und ausgehöhlt werden konnten. In dem Verfassungsauftrag, die Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen, sieht die Bundesregierung eine wichtige Aufgabe und ist bereit, die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus von links wie von rechts auch offensiv zu führen. Sie setzt dabei - in Übereinstimmung mit ihren Vorgängern und den Regierungen in den Ländern - auf die Überzeugungskraft der geistig-politischen Auseinandersetzung, der sie grundsätzlich Vorrang vor administrativen und gerichtlichen Maßnahmen gegen extremistische Gegner der freiheitlichen demokratischen Ordnung einräumt. Die Erhaltung des demokratischen Rechtsstaats kann nicht allein von staatlichen Behörden geleistet werden. Sie ist vielmehr Aufgabe aller Bürger. Deren Bereitschaft, sich mit unserer Verfassungsordnung zu identifizieren, an ihrer Bewahrung aktiv mitzuwirken und den Gegnern der freiheitlichen Demokratie entschlossen entgegenzutreten, ist der beste und wirksamste Verfassungsschutz. Hierfür müssen der Öffentlichkeit die notwendigen Informationen vermittelt werden, die es jedermann ermöglichen, sich selbst ein Urteil über die Gefahren zu bilden, die unserem Rechtsstaat durch verfassungsfeindliche Kräfte drohen. Der Information bedarf es auch deshalb, weil die Gegner unserer Verfassung nicht selten ihre wahren Ziele verschleiern, Scheinbekenntnisse zum Grundgesetz ablegen oder durch Umwertung von Verfassungsnormen, politischen und juristischen Begriffen vermeintlich als Verfechter demokratischer Prinzipien auftreten. 4 Vorwort des Bundesministers des Innern Die Kriterien für die Grenzziehung zwischen Extremisten und Demokraten beschreibt SS 4 Bundesverfassungsschutzgesetz. Zu den fundamentalen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen vor allem: - Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung - die Volkssouveränität - die Gewaltenteilung - die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung - die Unabhängigkeit der Gerichte - das Mehrparteienprinzip - die Chancengleichheit für alle politischen Parteien - und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausbildung einer Opposition. Bis 1973 wurden solche Bestrebungen zuweilen als "radikal" bezeichnet. Der Begriff "extremistisch" trägt demgegenüber der Tatsache Rechnung, daß politische Aktivitäten oder Organisationen nicht schon deshalb verfassungsfeindlich sind, weil sie eine bestimmte, nach allgemeinem Sprachgebrauch "radikale" , d. h. an die Wurzel einer Fragestellung gehende Zielsetzung haben. Sie sind "extremistisch" und damit verfassungsfeindlich im Rechtssinne nur dann, wenn sie sich gegen den oben umschriebenen Grundbestand unserer freiheitlichen rechtsstaatlichen Verfassung richten. Der vorliegende Bericht faßt die Ergebnisse der Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Jahre 1993 zusammen. Er kann keinen erschöpfenden Überblick geben; er unterrichtet über die wesentlichen Erkenntnisse und analysiert und bewertet die Entwicklungen und Zusammenhänge. Er ist als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung, nicht als eine abschließende juristische Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflußten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Bericht allein läßt noch keine Rückschlüsse auf die Verfassungstreue der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu. Manfred Kanther 5 INHALTSVERZEICHNIS Überblick 13 Linksextremistische Bestrebungen 18 I. Übersicht in Zahlen 20 1. Organisationen und Mitgliederstand 20 2. Verlage, Publikationen und Kommunikationsnetze 22 3. Gesetzesverletzungen mit linksextremistischem Hintergrund 23 II. Deutscher linksextremistischer Terrorismus 25 1. "Rote Armee Fraktion" (RAF) 25 1.1 Kommandoebene der RAF 26 1.2 Inhaftierte aus der RAF 28 1.3 Umfeld der RAF 29 2. "Revolutionäre Zellen" (RZ)/"Rote Zora" 32 III. Gewaltbereite autonome/anarchistische Szene 34 1. Potential, Ziele und Aktionsformen 34 2. Strukturen 37 3. Aktionsfelder 39 3.1 "Antifaschistische Selbsthilfe" 39 3.2 Kampagne gegen Asylpraxis und Änderung des Art. 16 GG 42 3.3 "Kampf gegen Umstrukturierung" , 44 3.3.1 Anschläge auf "Nobelkarossen" 44 6 Inhaltsverzeichnis 3.3.2 Militante Gruppe "Klasse gegen Klasse" 44 3.3.3 Kampagne gegen die Bewerbung der Stadt Berlin für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2000 45 IV. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 48 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld 49 1.1 DKP 49 1.2 Umfeld der DKP 52 2. Linksextremistische Positionen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 55 3. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 56 4. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 57 5. "Revolutionäre Kommunisten" (RK) 59 6. "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 59 7. "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) 60 8. Trotzkistische Gruppen 60 9. "Marxistische Gruppe" (MG) 63 V. Erläuterungen und Dokumentation 65 VI. Übersicht über die wichtigsten linksextremistischen und linksextremistisch beeinflußten Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 68 Inhaltsverzeichnis 7 Rechtsextremistische Bestrebungen 72 I. Übersicht in Zahlen 74 1. Organisationen und sonstige Personenzusammenschlüsse, Mitgliederstand.... 74 2. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste 76 3. Periodische Publikationen 76 II. Staatliche Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus 76 1. Vereinsrechtliche Verbote 76 2. Verbotsanträge gegen Parteien 77 3. Weitere Maßnahmen 77 4. Verbot des Verwendens der sogenannten Reichskriegsflagge 78 III. Gesetzesverletzungen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 79 1. Übersicht 79 1.1 Fremdenfeindlich motivierte Gesetzesverletzungen 79 1.1.1 Gewalttaten 79 1.1.2 Weitere Gesetzesverletzungen 79 1.2 Weitere rechtsextremistisch motivierte Gesetzesverletzungen 80 1.2.1 Gewalttaten 80 1.2.2 Weitere Gesetzesverletzungen 80 2. Terroristische und andere Gewaltakte mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 81 2.1 Ursachen rechtsextremistischer Gewalt 81 2.2 Entwicklung im Jahr 1993 82 2.3 Statistik der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 83 2.3.1 Übersicht 83 2.3.2 Tötungsdelikte 83 2.3.3 Zielrichtungen der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 86 2.3.3.1 Fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten 86 2.3.3.2Antisemitisch motivierte Gewalttaten 87 2.3.3.3Gewalttaten gegen politische Gegner und deren Trefforte 88 2.3.3.4Gewalttaten gegen Behinderte, Obdachlose, Prostituierte und Homosexuelle 90 2.3.4 Urteile 90 8 Inhaltsverzeichnis 2.4 Militante Rechtsextremisten 93 2.4.1 Übersicht 93 2.4.2 Analyse der mutmaßlichen Gewalttäter 94 2.4.3 Rechtsextremistische Skinheads 95 2.4.3.1 Skinhead-Bands 96 2.4.3.2Skindheadkonzerte.. 97 2.4.3.3Skinhead-Fanzines 98 3. Übersicht zu den Gesetzesverletzungen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 100 3.1 Fremdenfeindlich motivierte Gesetzesverletzungen 100 3.2 Antisemitisch motivierte Gesetzesverletzungen 103 IV. Neonazismus 103 1. Zielsetzung 103 2. Wirkungen der Verbote und Folgeaktivitäten 104 3. "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 106 4. "Nationale Liste" (NL) 108 5. "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) 109 6. "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 111 7. "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) 112 8. Neonazikreis um Thies CHRISTOPHERSEN 113 9. "Deutsche Nationalisten" (DN) 114 10. "Herausgeberkreis der 'Remer-Depesche'" 115 11. "Deutsche Bürgerinitiative e. V." (DBI) 116 12. "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 118 V. Rechtsextremistische Parteien 119 1. Ideologische Standorte 119 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) 119 2.1 Zielsetzung 119 2.2 Teilnahme an Wahlen 124 2.3 Verlust des Fraktionsstatus in Bremen und Schleswig-Holstein 124 2.4 Organisation 125 2.5 Finanzen 125 2.6 Sonstige Aktivitäten 125 2.7 "National-freiheitliche" Verlage 126 Inhaltsverzeichnis 9 3. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 126 3.1 Zielsetzung 126 3.2 Teilnahme an Wahlen 130 3.3 Organisation 130 3.4 Finanzen 130 3.5 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 130 4. "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 133 4.1 Zielsetzung 133 4.2 Teilnahme an Wahlen 136 4.3 Organisation 136 5. Bündnisüberlegungen 136 VI. Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen der Partei "Die Republikaner" (REP) 137 1. Zielsetzung 137 2. Teilnahme an Wahlen 140 3. Organisation 140 4. Gerichtsverfahren 141 VII. Sonstige rechtsextremistische Gruppen 141 1. "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) 141 2. "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) 142 VIII. Jugendund Studentenorganisationen 143 "Wiking-Jugend" (WJ) 143 1. Organisation 143 2. Zielsetzung 144 3. Aktivitäten 144 IX. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste 145 1. Zeitschriftenverlage 145 1.1 "Verlag Diagnosen" 145 1.2 "Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur" 145 1.3 "Nation Europa-Verlag" 146 1.4 Eigenverlag des Manfred ROUHS 146 2. Buchverlage und Vertriebsdienste 147 2.1 "Verlagsgesellschaft Berg GmbH" 147 2.2 "Grabert-Verlag" 147 10 Inhaltsverzeichnis X. Nutzung der Informationstechnik durch Rechtsextremisten 147 1. Mailboxen 147 2. "Nationale Info-Telefone" 148 3. "Bildschirmtext" (Btx) 149 4. Computerspiele 149 XI. Auslandsbeziehungen deutscher Rechtsextremisten 150 1. Bestrebungen, in den ehemaligen deutschen Ostgebieten Fuß zu fassen 150 2. Beteiligung am Krieg in Bosnien und Kroatien 150 3. Internationale Treffen 151 4. Internationaler Revisionismus 151 5. Sonstige rechtsextremistische Propaganda aus dem Ausland 153 6. Verurteilung des KÜHNEN-Nachfolgers KÜSSEL 154 7. Verbindungen zum "Ku Klux Klan" (KKK) 154 XII. Erläuterungen und Dokumentation 155 XIII. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 157 Inhaltsverzeichnis 11 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 160 I. Übersicht in Zahlen 162 1. Organisationen und Mitgliederstand 162 2. Publizistik 164 3. Sicherheitslage, Gewaltaktionen und sonstige Gesetzesverletzungen 165 II. Aktionsschwerpunkte einzelner Ausländergruppen 167 1. Kurden 167 2. Türken (ohne Kurden) 172 2.1 Überblick 172 2.2 Linksextremisten 172 2.3 Islamische Extremisten 176 2.4 Extreme Nationalisten 177 3. Araber 177 3.1 Palästinenser 177 3.2 Algerier 178 4. Iraner 179 4.1 Überblick 179 4.2 Anhänger der iranischen Regierung 179 4.3 Gegner der iranischen Regierung 180 5. Völker des ehemaligen Jugoslawien 181 6. Sikhs 182 7. Tamilen 183 III. Erläuterungen und Dokumentation 185 IV. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern, deren Nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 189 12 Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr 192 1. Übersicht 194 2. Nachrichtendienste der Russischen Föderation 195 2.1 Strukturelle Entwicklungen 195 2.2 Die Auslandsnachrichtendienste 196 2.3 Ziele und Methoden der russischen Auslandsaufklärung in der Bundesrepublik Deutschland 196 2.4 Legale Residenturen bei der "Westgruppe der russischen Streitkräfte" (WGT) 199 3. Osteuropäische Nachrichtendienste 199 4. Spionageaktivitäten von Nachrichtendiensten des Nahen und Mittleren Ostens 200 5. Nachrichtendienstlich gesteuerter Technologietransfer 201 6. Nachrichtendienste der ehemaligen DDR 202 6.1 Aufklärungsschwerpunkte der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) 203 6.2 Werbungsgrundlagen 205 6.3 Dauer und Ergiebigkeit der Agentenverbindungen 206 6.4 Prozeß gegen den früheren Leiter der HVA des MfS Markus WOLF 207 7. Festnahmen und Verurteilungen 208 8. Erläuterungen und Dokumentation 209 Anhang 211 Abkürzungsverzeichnis 213 Sachwortregister 217 Strukturdaten 223 Zwischenbericht (Kurzfassung) der Bundesregierung zur Offensive gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit vom 13. Januar 1994 225 Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes 231 Bundesverfassungsschutzgesetz 231 MAD-Gesetz 240 BND-Gesetz 243 Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes 246 Überblick I. Linksextremistische Bestrebungen Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch gewalttätige Linksextremisten war 1993 ernster als im Vorjahr. Die "Rote Armee Fraktion" (RAF), die bedeutendste Terrororganisation, demonstrierte ihre Gewaltbereitschaft mit dem Sprengstoffanschlag am 27. März auf den Neubau der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Weiterstadt bei Darmstadt. Die Gefährlichkeit der im Untergrund lebenden Mitglieder der RAF-Kommandoebene wurde erneut deutlich, als das RAF-Mitglied Wolfgang GRAMS bei dem Versuch seiner Festnahme am 27. Juni in Bad Kleinen einen Polizeivollzugsbeamten erschoß. In der Geschichte der RAF bisher einmalige, zudem öffentlich ausgetragene Richtungskämpfe führten schließlich zu einem Bruch im organisatorischen Gefüge der RAF: zur Spaltung zwischen der RAFKommandoebene und der Mehrzahl der Inhaftierten aus der RAF, damit auch zum Auseinanderbrechen des "Gefangenenkollektivs" und zu divergierenden Entwicklungen im RAF-Umfeld. Ansätze zu neuen terroristischen Gruppierungen wurden sichtbar. Auch Gruppen aus dem Zusammenhang der "Revolutionären Zellen" (RZ) setzten die Diskussionen über Konzeption und Voraussetzung künftiger revolutionärer Politik fort. Ein Gruppe in der Nachfolge der RZ verübte terroristische Anschläge. Das gewaltbereite linksextremistische Potential besteht ganz überwiegend aus den anarchistischen Autonomen. Der Zulauf zu deren Gruppierungen hielt an. Forderungen nach stärkerer Vernetzung und Organisierung - entgegen der bisher mehr auf Spontanität und Organisationsfeindlichkeit basierenden Praxis Autonomer - fanden verbreitet Widerhall; auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse entwickelten sich vor allem im "Antifa"-Kampf. Die Gewaltbereitschaft autonomer Gruppierungen war ungebrochen. Auf ihr Konto ging wieder die Mehrzahl der erneut angestiegenen Gesamtzahl von Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund. Wichtigstes Aktionsfeld blieb der "Antifaschismus/Antirassismus", der sich in militanten Aktionen gegen Rechtsextremisten bzw. vermeintliche Rechtsextremisten und deren Strukturen sowie gegen die Asylpraxis und Asylrechtsänderung widerspiegelte. Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Organisationen stabilisierten sich weitgehend. Vom "Antifaschismus" und vom Kampf für soziale Belange vor allem in den neuen Ländern erhofften sie sich - bislang nur mit geringem Erfolg - neue Ansatzpunkte für Mobilisierung und Zulauf von Interessenten. 14 Überblick Ihre Bereitschaft, weitgehend ohne ideologische Vorbehalte untereinander sowie mit Personen und Gruppierungen der autonomen Szene und des RAF-Umfeldes zusammenzuarbeiten, blieb bemerkenswert. Ihr Augenmerk richteten revolutionäre Marxisten auf das Wahljahr 1994 in dem Bestreben, die Wahlchancen durch Parteienverbindungen, Personenbündnisse und "offene Listen" zu verbessern. An solchen Überlegungen beteiligten sich auch Teile der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). II. Rechtsextremistische Bestrebungen Rechtsextremistische Bestrebungen sind ideologisch durch einen völkischen Nationalismus gekennzeichnet, dessen Triebfeder ein elitäres Rassedenken ist. Nicht die Gemeinsamkeit der Geschichte, der Kultur und insbesondere der Sprache bestimmt nach diesem Weltbild die Zugehörigkeit zu einem Volk und zu einer Nation, sondern allein die biologische Abstammung (Rassevolk, Rassenation). Das ideologische Feindbild wird deshalb maßgeblich durch Fremdenhaß, insbesondere gegen ethnische Minderheiten, geprägt. Die Zahl der organisierten und nichtorganisierten Rechtsextremisten hat sich in der Gesamtsumme gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Seit Ende 1992 wurden von den Innenministern des Bundes und der Länder insgesamt sieben rechtsextremistische Organisationen verboten. Gegen zwei weitere wurden wegen ihres wahrscheinlichen Parteienstatus Verbotsanträge beim Bundesverfassungsgericht gestellt. Im Februar und Juli wurden bundesweite Exekutivmaßnahmen gegen Skinhead-Bands, -Musikverlage sowie die Hersteller und Vertreiber von Skinhead-Druckschriften, sogenannten Fanzines, durchgeführt. Diese konsequenten staatlichen Reaktionen, die verstärkten Anstrengungen von Polizei und Staatsanwaltschaften bei der Aufklärung rechtsextremistisch motivierter Straftaten und der schnelle gerichtliche Abschluß von Strafverfahren mit zum Teil hohen Strafen haben die neonazistische Szene erheblich verunsichert und zu einem Rückgang der Gewalttaten beigetragen. Die Nutzung der Informationstechnik (z. B. die Übermittlung verschlüsselter Nachrichten über Mailboxen und Mobiltelefone) erlaubt auch Rechtsextremisten kurzfristige bundesweite Mobilisierungen der "Szene" und ein äußerst flexibles Reagieren im Einzelfall. Diese insbesondere von einem Hamburger Neonazi auch unter der Bezeichnung "Anti-Antifa" eingeleitete Vernetzung mit informatio- Überblick 15 nellen - nicht mit organisatorischen - Mitteln ist die derzeit maßgebliche Gefährdungskomponente im deutschen Rechtsextremismus. III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Die seit 1988 zu verzeichnende Entwicklung, daß ausländische Extremisten bei der Durchsetzung ihrer politischen Ziele vermehrt Gewalt anwenden, setzte sich auch 1993 fort. Die Anzahl der Terrorund sonstigen Gewaltakte stieg deutlich; fünf Menschen kamen dabei ums Leben. Insgesamt ist es jedoch nach wie vor nur eine kleine Minderheit der über sechs Millionen ausländischen Mitbürger, die sich extremistisch und terroristisch betätigt. Ein großer Teil der von ausländischen Extremisten verübten Gewalttaten ist kurdischen und türkischen linksextremistischen Gruppen zuzurechnen. So wurde die weitaus überwiegende Zahl der Brandanschläge und Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung von mutmaßlichen Anhängern der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) verübt. Als Reaktion auf Militäraktionen im Kurdengebiet der Türkei kam es im Juni und November in zahlreichen Orten Europas - mit Schwerpunkt in Deutschland - zu zentral gesteuerten Protestaktionen. Im Zuge der ersten gewaltsamen Protestwelle am 24. Juni besetzten Anhänger der PKK das türkische Generalkonsulat in München und nahmen 20 Menschen als Geiseln. Während der zweiten Aktionswelle am 4. November kam es zu annähernd 60 Überfällen - zumeist Brandanschlägen - auf türkische Einrichtungen in Deutschland, die erhebliche Sachschäden verursachten und in Wiesbaden ein Todesopfer forderten. Die PKK nahm offenbar bewußt in Kauf, daß auch Menschen zu Schaden kommen konnten. Das Bundesministerium des Innern hat die PKK und Nebenorganisationen am 26. November verboten. Auch Anhänger der linksextremistischen türkischen Gruppen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) und "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) waren 1993 für zahlreiche Gewalttaten bis hin zum Mord verantwortlich. Die zumeist organisationsinternen Streitigkeiten forderten zwei Todesopfer. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen Israel und der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) entwickelte sich im Bereich palästinensischer und islamistischer Extremistenorganisationen ein neuer Konfliktherd. Zwar beschränkten sich die gewaltsamen Aktionen der das Abkommen ablehnenden Organisationen bislang auf die Region; dennoch besteht in Westeuropa die Gefahr von Spontanaktionen fanatisierter Einzeltäter, vor allem aus dem islamistischen Bereich. 16 Überblick Ungeachtet der begrenzten politischen und wirtschaftlichen Öffnung zum Westen setzte der Iran die Verfolgung iranischer Oppositioneller im Ausland fort. Vor dem Berliner Kammergericht begann im Oktober der Prozeß gegen vier Libanesen und einen Iraner wegen des Verdachts der Beteiligung an dem Attentat auf vier kurdisch-iranische Oppositionelle am 17. September 1992 im Berliner Lokal "Mykonos". Die Anklage geht von der Verantwortung des iranischen Nachrichtendienstes für das Attentat aus. Anlaß zu intensiver Beobachtung geben auch weiterhin die Spannungen und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien im Bundesgebiet, die 1993 zwei Todesopfer forderten. Unter den bosnischen Muslimen ist eine Radikalisierung festzustellen. Bei einer Protestkundgebung im Juni in Bonn kam es erstmals zu gewaltsamen Zwischenfällen. IV. Spionageabwehr Die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung ist nach wie vor ein wichtiges Ausspähungsziel fremder Nachrichtendienste. Russische, aber auch andere osteuropäische Nachrichtendienste setzen ihre Aufklärungstätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland fort, vornehmlich auch aus Legalen Residenturen. Generell ist festzustellen, daß die Angehörigen dieser Nachrichtendienste in letzter Zeit vorsichtiger operieren, offenbar um außenpolitische Verwicklungen möglichst zu vermeiden und den Prozeß der gegenseitigen Annäherung nicht zu stören. Gesprächsaufklärung und Auswertung allgemein zugänglicher Quellen haben als Mittel der Informationsbeschaffung einen deutlich höheren Stellenwert als in den vergangenen Jahren. Zu diesen klassischen Bereichen der Spionageabwehr sind in letzter Zeit neue Schwerpunkte hinzugekommen. Die Aktivitäten der Nachrichtendienste aus Staaten des Nahen und Mittleren Ostens erfordern besondere Aufmerksamkeit, da sich diese Dienste in der Bundesrepublik Deutschland intensiv um die Beschaffung politischer, wirtschaftlicher und militärischer Informationen bemühen. Darüber hinaus ist die Spionageabwehr auch bei der Bekämpfung des nachrichtendienstlich gesteuerten illegalen Technologietransfers gefordert. Die Aufarbeitung der Aktivitäten der Nachrichtendienste der ehemaligen DDR dauert weiter an. Wegen der außergewöhnlich hohen Zahl von Spuren und Hinweisen auf Agenten des früheren Ministeriums für Staatssicherheit lag hierauch 1993 ein herausragender Arbeitsschwerpunkt der Spionageabwehr. Hfl BB',: * ' ^ *C " ^ l/ff/f5 aas * extremististhe m " Bestrebungen 20 Linksextremistische Bestrebungen I. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Mitgliederstand Im Bereich des organisierten Linksextremismus haben sich 1993 keine größeren Strukturveränderungen ergeben. Zum Ende des Jahres gehörten fast 29.000 Personen den vielfältigen linksextremistischen Organisationen und Gruppierungen an; nicht berücksichtigt in dieser Zahl sind die mehreren tausend Anhänger marxistisch-leninistischer Positionen in der SED-Nachfolgerin, der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Alle Linksextremisten wollen die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung beseitigen; sie folgen dabei unterschiedlichen ideologischen Richtungen und praktischen Konzeptionen. Marxistischleninistische Gruppen, trotzkistische und andere revolutionärmarxistische Zusammenschlüsse, die insgesamt fast 22.000 Mitglieder zählen, propagieren Klassenkampf und Revolution mit dem Ziel einer sozialistisch/kommunistischen Gesellschaft. Anarchistisch orientierte Gruppierungen mit mehr als 6.000 Anhängern, darunter mehr als 5.000 gewaltbereite Autonome, wollen die staatliche und gesellschaftliche Ordnung zerschlagen oder schrittweise zersetzen, um eine herrschaftsfreie Gesellschaft - die Anarchie - zu errichten. Einige Gruppen verfolgen Sozialrevolutionäre Konzepte unter Rückgriff auf marxistische wie auch anarchistische Theorien. Breit gefächert, wie die ideologischen Richtungen, sind auch die von Linksextremisten angewandten Aktionsformen: Die einen betreiben offene Agitation, konkurrieren bei Wahlen mit demokratischen Parteien und werben um Stimmenanteile, andere setzen auf Gewalt, auf offen oder verdeckt begangene Straftaten; diese reichen von Zerstörungen an Sachen über gewalttätige Zusammenrottungen, schwere Körperverletzungen bis zu Mord und anderen Terroranschlägen aus dem Untergrund. Linksextremistische Bestrebungen 21 Mitglieder linksextremistischer und linksextremistisch beeinflußter Organisationen - nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften - 60000 50000 - 40000 28800 30000 ' Mitglieder in linksextremistischen Organisationen* Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten \ 22400 20000 Kern-/NebenOrganisationen 12200 /beeinflußte Organisationen 6000 10000 'Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ^6400 Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre" 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 *) Zusätzlich mehrere tausend Personen in der "Kommunistischen Plattform" der PDS " ) Zusätzlich mehrere tausend Personen Mobilisierungspotential der "Szene" 22 Linksextremistische Bestrebungen 1991* 1992 1993 Zahl Mitglieder Zahl Mitglieder Zahl Mitglieder MarxistenLeninisten und andere revolutionäre Marxisten Kernorganisationen** 30 21.800 34 21.500 36 21.800 Nebenorganisationen 10 700 7 700 6 800 beeinflußte Organisationen*** 34 20.000 36 16.500 38 16.300 Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre""" 4.800 6.800 6.700 Summe 74 27.300 20.000 77 29.000 16.500 80 29.300 16.300 Nach Abzug von Mehrfachca. ca. ca. ca. ca. ca. mitgliedschaften 26.500 15.000 28.500 12.500 28.800 12.200 * Ohne die neuen Länder. ** Die mehrere tausend Personen zählende Anhängerschaft der "Kommunistischen Plattform" in der PDS ist in dieser Übersicht nicht berücksichtigt. *** Da den beeinflußten Organisationen auch Mitglieder angehören, die keine Kommunisten sind, wurden die Mitgliederzahlen in einer eigenen Spalte aufgeführt. **** Das Mobilisierungspotential der "Szene" umfaßt zusätzlich mehrere tausend Personen. 2. Verlage, Publikationen und Kommunikationsnetze Im Jahre 1993 verbreiteten noch mehr als 40 (1992: nahezu 50) von Linksextremisten gesteuerte Verlage und Vertriebsdienste linksextremistische Zeitungen, Zeitschriften und Bücher. Die Gesamtzahl und die Jahresauflage der von Linksextremisten und linksextremistisch beeinflußten Organisationen herausgegebenen periodischen Publikationen waren leicht rückläufig; die Gesamtjahresauflage der zusammen noch etwa 320 Publikationen betrug über 4 Millionen Exemplare. Zur Agitation, zum Informationsaustausch und zur Mobilisierung bedienen sich Linksextremisten - in den letzten Jahren verstärkt - auch moderner Kommunikationstechniken, insbesondere der sog. Mailboxen11 (vgl. auch Kap. III, Nr. 2, und Kap. IV, Nr. 9). Hervorzuheben ist der bundesweite Mailboxverbund "SpinnenNetz" (Mainz/Wiesbaden), der seit Januar 1991 vor allem von Personen des RAF-Umfeldes aufgebaut wurde. Die Betreiber - inzwischen als "Verein zur Förderung politischer Kultur durch Kommunikation e. V." organisiert - arbeiten mit Infoläden, Antifa-Gruppen, freien Radios und Zeitungsprojekten der linksextremistischen Szene zusammen, um Nachrichten z. B. zu den Aktionsfeldern "Antifaschismus/Antirassismus", "Repression/politische Gefangene", "Anti- Linksextremistische Bestrebungen 23 militarismus" und "Umstrukturierung/Häuserkampf" aktuell zu verbreiten und damit, wie sie sagen, die "Möglichkeiten überregional abgestimmter, zeitnaher und flächendeckender Reaktionen" zu schaffen. "SpinnenNetz" will auch politische Diskussionen miteinander verknüpfen und sie jeweils in den "Gesamtzusammenhang revolutionärer linker Politik" stellen. Der Mailboxverbund "SpinnenNetz" ist über ein "European Counter Network" (ECN) auch in einen internationalen Nachrichtenaustausch eingebunden. Es bestehen Dialogverbindungen zu Personen und Gruppen in mehreren europäischen Ländern und in den USA. 3. Gesetzesverietzungen mit linksextremistischem Hintergrund Erneut verübten Linksextremisten schwerste Straftaten, um ihre politischen Ziele durchzusetzen: Mord, Sprengstoffund Brandanschläge sowie Sachbeschädigungen in Millionenhöhe. Die Zahl der Gesetzesverletzungen insgesamt, bei denen Linksextremisten als Täter oder Tatbeteiligte bekanntgeworden sind oder nach den Tatumständen in Betracht kommen, ist 1993 auf 1.357 (1992: 1.216) gestiegen, darunter 1.085 Gewalttaten (1992: 980). Ein erheblicher Teil linksextremistisch motivierter Gewalttaten ist - wie in den vergangenen Jahren - dem "antifaschistischen Kampf" zuzurechnen. Im Rahmen dieser Kampagne von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten wurden 337 (1992: 390) Gewalttaten erfaßt, darunter 41 Brandanschläge (vgl. Kap III, Nr. 3.1). Bei militanten Aktionen mit linksextremistischem Hintergrund wurden etwa 250 (1992: fast 400) Polizeibeamte verletzt; ein BGS-Beamter wurde von dem RAF-Mitglied Wolfgang GRAMS am 27. Juni in Bad Kleinen erschossen (vgl. Kap. II, Nr. 1.1). Die nachfolgende Übersicht gibt das tatsächliche Ausmaß linksextremistischer Gewalt nur unvollkommen wieder; ein Vergleich mit der Übersicht im Bereich des Rechtsextremismus ist wegen der oftmals ungleichen Ausprägung der Gewalt - linksextremistische Straßenmilitanz, rechtsextremistische Angriffe vielfach auf Einzelpersonen - nur bedingt möglich. Auch existieren für den Bereich des Linksextremismus keine ebenso weitgehenden Strafvorschriften wie gegen Propagandadelikte mit rechtsextremistischem Bezug. Aus statistischen Gründen wurde jede gewaltsame Aktion nur einmal gezählt, auch wenn sie aus mehreren Einzeltaten bestand oder von mehreren Tätern gemeinsam begangen wurde. So wurden z. B. Straßenkrawalle zum "revolutionären 1. Mai" in Berlin-Kreuzberg, bei denen zahlreiche Polizeibeamte verletzt und erhebliche Sachbeschädigungen begangen wurden, nur als eine Gewalttat - ein Fall von Landfriedensbruch - gezählt. Die zahlreichen Schmieraktionen mit geringen Sachschäden sind in der Übersicht nicht enthalten, da hierüber keine verläßlichen Angaben zu erlangen sind. 24 Linksextremistische Bestrebungen 1992* 1993 Ost West Gesamt Ost West Gesamt Tötungsdelikte - 1 1 1 - 1 Schußwaffenanschläge - - - 2 1 3 Sprengstoffanschläge - 5 5 2 15 17 Brandanschläge** 12 122 134 17 120 137 Landfriedensbrüche* * * 61 100 161 40 83 123 Körperverletzungen 25 66 91 19 66 85 Widerstandshandlungen 4 29 33 5 20 25 Raubüberfälle/Diebstähle 1 8 9 2 25 27 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luftoder Straßenverkehr 1 4 5 3 24 27 Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung 33 508 541 42 598 640 Gewalttaten insgesamt 137 843 980 133 952 1.085 Gewaltandrohungen 4 49 53 13 84 97 Sonstige Gesetzesverletzunger mit linksextremistischem Hintergrund**** 49 134 183 23 152 175 Gesamt 190 1.026 1.216 169 1.188 1.357 * Die im Jahresbericht 1992 angegebenen Zahlen haben sich aufgrund von Nachmeldungen im Jahr 1993 erhöht. * * Umfaßt Brandstiftungen und alte Sachbeschädigungen unter Einsatz von Brandmitteln. * * * Darunter 83 (1992: 128) Fälle mit Körperverletzung. * * * * In der Zahl sind 103 (1992: 135) Fälle von Hausfriedensbruch und Besetzungen enthalten. Die im Jahresbericht 1992 angegebenen Zahlen haben sich aufgrund von Nachmeldungen im Jahr 1993 erhöht. Linksextremistische Bestrebungen 25 Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund - Monatsvergleich - Jan. Febr. März April Mai 11 Juni1" Juli Aug. Sept.21 Okt. Nov.31 Dez. 1) Änderung des Artikels 16 GG - Brandanschlag am 29. 5. 1993 auf ein von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Mehrfamilienhaus in Solingen. 2) Entscheidung am 23. 9. 1993 über den Austragungsort der Olympischen Spiele im Jahr 2000. 3) Brandanschlag am 23. 11. 1992 auf ein von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Mehrfamilienhaus in Mölln. Die im Jahresbericht 1992 angegebenen Zahlen haben sich aufgrund von Nachmeldungen im Jahr 1993 erhöht. II. Deutscher linksextremistischer Terrorismus Die Bedrohung der inneren Sicherheit durch linksextremistischWeiterhin terroristische Gruppierungen besteht fort. Neben den Mitgliedern Bedrohung durch der "Roten Armee Fraktion" (RAF) im Untergrund entwickelte sich linksextremistische Terroristen aus dem Kreis der bisherigen RAF-Unterstützer ein neuer terroristischer Zusammenhang. Terroristische Anschläge verübte neben der RAF auch eine Gruppierung in der Nachfolge der "Revolutionären Zellen". Die Zahl terroristischer Gewalttaten (Brandund Sprengstoffanschläge) von autonomen/anarchistischen Gruppierungen blieb unverändert hoch. 1. "Rote Armee Fraktion" (RAF) Im Verlauf des Jahres 1993 geriet die terroristische RAF - erstmals in ihrer über 20jährigen Geschichte - in tiefgreifende, öffentlich 26 Linksextremistische Bestrebungen ausgetragene Richtungskämpfe, die schließlich zu einer Spaltung führten. Das bisherige RAF-Gefüge - bestehend aus der sog. Kommandoebene, dem "Gefangenenkollektiv" und den etwa 250 Personen des ständigen RAF-Unterstützerbereichs (RAF-Umfeld) - brach auseinander. Zwei Lager - die in der Illegalität lebenden RAF-Mitglieder mit einigen Inhaftierten aus der RAF einerseits und die Mehrzahl dieser Inhaftierten andererseits - beschimpften sich in öffentlich verbreiteten Erklärungen und warben in der linksextremistischen Szene für ihre jeweiligen Positionen. 1.1 Kommandoebene der RAF Mitglieder der Kommandoebene hatten im April 1992 das Scheitern der bisherigen "bewaffneten Politik" der RAF erklärt und zu einer politischen Neuorientierung einschließlich der Entwicklung eines Umsturzpotentials, einer "Gegenmacht von unten", aufgerufen. Mit ihrer Ankündigung, gezielt tödliche Anschläge auszusetzen, war die Hoffnung auf eine politische Lösung der "Gefangenenfrage" verknüpft - gemeint waren Verbesserungen der Haftbedingungen und die Verkürzung der Freiheitsstrafen für die Inhaftierten aus der RAF. Inhaftierte aus der RAF und Personen aus dem RAF-Umfeld kritisierten zunehmend den neuen Kurs der Illegalen. I MVAUläHHhNUUNU IN KÜRZE- * -- H Linksextremistische Bestrebungen 27 Mit dem Sprengstoffanschlag am 27. März auf den bezugsfertigen Neuer schwerer Neubau der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Weiterstadt bei DarmTerroranschlag Stadt (Sachschaden ca. 100 Millionen DM) meldete sich die RAFKommandoebene zurück. Neben Aktionsbereitschaft und Handlungsfähigkeit wollte sie offensichtlich den eigenen Anhängern und dem Staat demonstrieren, daß sie es wieder für notwendig hält, mit terroristischen Aktionen zu intervenieren. In ihrer ausführlichen Taterklärung zu dem Anschlag, datiert auf den 30. März, betonte die RAF, sie habe mit dem Anschlag den politischen Druck erhöhen wollen. Zugleich bekräftigte die RAF, daß sie an der 1992 verkündeten Zäsur festhalte und weiterhin der Entwicklung neuer Vorstellungen für "revolutionäre Politik" Priorität einräume. Gefährlichkeit und Entschlossenheit der RAF-Terroristen wurden Zwei langgesuchte erneut deutlich, als das RAF-Mitglied Wolfgang GRAMS bei dem RAF-Mitglieder Versuch der Festnahme am 27. Juni in Bad Kleinen einen BGSwurden aufgespürt Beamten tötete. Danach erschoß GRAMS sich selbst. Das RAFMitglied Birgit HOGEFELD konnte festgenommen werden. Auch nach dieser polizeilichen Maßnahme bekräftigten die übrigen RAF-Mitglieder im Untergrund in einem Schreiben vom 6. Juli, daß sie an dem Willen zur politischen Neuorientierung, wie er in den Erklärungen von 1992 zum Ausdruck komme, festhielten. Allerdings sei für sie durch den Tod ihres Genossen Wolfgang GRAMS eine neue "Ausgangsbedingung" entstanden. In ihrer Erklärung vom April 1992 hatte die RAF gedroht: "wenn sie uns (...) nicht leben lassen, dann müssen sie wissen, daß ihre Eliten auch nicht leben können". Die RAF forderte auch andere linksextremistische Gruppierungen auf, das Verhalten des Staates nicht hinzunehmen und suchte nach Zustimmung in der linksextremistischen Szene für eine Rückkehr zu bewaffneten Aktionen. Als die Mehrzahl der Inhaftierten aus der RAF im Herbst ihre Kritik an der strategischen Linie der Kommandoebene steigerte und die Illegalen - wegen ihres Einverständnisses mit angeblichen "Geheimverhandlungen" mit dem Staat - öffentlich als Verräter beschimpfte (vgl. Nr. 1.2), vollzogen die Mitglieder der Kommandoebene mit einem öffentlich verbreiteten Schreiben vom 2. November ihrerseits den Bruch mit den Kritikern unter den Inhaftierten. Sie wiesen deren Vorwürfe zurück, es habe Bemühungen um einen "deal" mit dem Staat - Freiheit für einige Inhaftierte gegen Gewaltverzicht der Guerilla - gegeben. 28 Linksextremistische Bestrebungen RAF will neue In zuvor nicht gekannter Schärfe schmähten die RAF-Mitglieder im "revolutionäre Untergrund die Inhaftierten: Sie warfen diesen miese Taktik, manPolitik" gelnde Bereitschaft zu inhaltlicher Argumentation, Unfähigkeit zur Selbstkritik und eine Art Besitzanspruch gegenüber RAF und "revolutionärer Politik" vor. Ferner verteidigten sie ihre seit 1992 verkündeten "politischen Positionen": "das hat nichts mit der aufgäbe der option auf bewaffneten Kampf zu tun. (...) wir werden solange die Verantwortung, die wir als raf haben, tragen, bis das neue herausgefunden worden ist." Neue Ausgangsbedingungen könnten nur in einem Kampfprozeß durchgesetzt werden. Das bedeute, so die Kommandoebene, gegebenenfalls auch dann "bewaffnet zu intervenieren", wenn die strategische Vorstellung noch nicht erarbeitet sei, es die Entwicklung aber verlange. 1.2 Inhaftierte aus der RAF Die Entscheidung der RAF-Kommandoebene, den bewaffneten Kampf auszusetzen, wurde zu Beginn des Jahres wohl noch von den meisten Inhaftierten aus der RAF akzeptiert. Die u. a. in Briefen und Positionspapieren ausgetragene Diskussion über eine neue Konzeption "revolutionärer Politik" ließ jedoch deutliche Brüche im "Gefangenenkollektiv" und zunehmende Kritik an der Strategie der RAF - z. B. der Verknüpfung der Themen: politische Neuorientierung und Lösung der "Gefangenenfrage" - erkennen. So signalisierte die zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte Brigitte MOHNHAUPT Anfang März in einem öffentlich verbreiteten Schreiben: Eine politische Mobilisierung für die Freiheit der Gefangenen könne nicht gelingen, wenn gleichzeitig Angriffe der Guerilla liefen. Nach dem Sprengstoffanschlag der RAF-Kommandoebene auf die JVA Weiterstadt am 27. März, der offensichtlich nicht mit den langjährigen Meinungsführern unter den Inhaftierten aus der RAF abgestimmt war, kam eine neue Freilassungskampagne für die Inhaftierten nicht in Gang. Wachsende Nach der Polizeiaktion in Bad Kleinen brachen die Gegensätze im Spannungen RAF-Gefüge offen aus. Dafür stand eine Erklärung des inhaftierten zwischen RAF-Mitgliedes Helmut POHL, veröffentlicht in der "tageszeitung" Inhaftierten aus der RAF und RAF(taz) vom 27. August. Dieser sprach ausdrücklich für einen Teil der Kommandoebene Inhaftierten, die in absehbarer Zeit nach den gesetzlichen Voraussetzungen nicht mit einer Strafaussetzung rechnen können. Er übte Kritik an den RAF-Mitgliedem im Untergrund, aber auch an denjenigen Inhaftierten, die erklärt hatten, daß für sie nach einer Freilas- Linksextremistische Bestrebungen 29 sung die Rückkehr zum bewaffneten Kampf nicht mehr in Betracht komme. Die 1992 von der RAF verkündete "Zäsur" zugunsten einer Neuorientierung revolutionärer Politik sei zu spät gekommen. Der Versuch sei überholt, die früher mit einer "Zäsur" erreichbaren Möglichkeiten seien vertan. Bewaffnete Aktionen und Militanz müßten und würden künftig in unterschiedlichen Konfrontationen und in verschiedenen Formen stattfinden, unabhängig davon, was die RAF oder die Gefangenen sagten. Das endgültige Auseinanderbrechen des "Gefangenenkollektivs" Spaltung im und auch die Spaltung zwischen RAF-Kommandoebene und der RAF-Gefüge Mehrzahl der Inhaftierten markierte eine Erklärung von Brigitte MOHNHAUPT, die am 28. Oktober in der "Frankfurter Rundschau" veröffentlicht wurde. MOHNHAUPT, die für die Mehrheit der "Gefangenen aus der RAF" sprach, warf der Guerilla und den Inhaftierten in der JVA Celle vor, diese hätten über Vermittler Gespräche mit der Bundesregierung angestrebt ("deal" mit dem Staat) und so gemeinsam die "abwicklung von raf und gefangenen" betreiben wollen. Auch andere "Hardliner" unter den Inhaftierten sagten sich in Briefen, die in Szeneschriften publiziert wurden, von den RAF-Mitgliedern im Untergrund los und entzogen diesen gewissermaßen das Mandat für weitere Aktionen zur Lösung der "Gefangenenfrage". Sie wollen offensichtlich alte RAF-Konzeptionen mit internationalistischer Orientierung fortführen und setzen dafür auf die Entwicklung neuer terroristischer Strukturen. 1.3 Umfeld der RAF Die Gruppierungen und Personen, die seit Jahren offen Agitation im Interesse der RAF betreiben, die Inhaftierten aus der RAF betreuen und z. T. mit den RAF-Mitgliedem im Untergrund Kontakte unterhalten, setzten zu Beginn des Jahres die Diskussion über Zustand und Perspektiven revolutionärer Politik fort. Wie von der RAF-Kommandoebene erwartet, suchten sie dabei auch offener als früher Verbindungen zu anderen gewaltbereiten Linksextremisten. Neben beharrlicher Zustimmung für die Positionen der RAF wurde im RAFUmfeld aber auch deutliche Kritik laut bis hin zur Forderung, die Kommandoebene müsse den Kurs der Deeskalation beenden. RAF-Unterstützer versuchten im Frühjahr ihre Kampagne "Freiheit Mobilisierung für die politischen Gefangenen" neu in Gang zu bringen, obwohl für Freilassungssich bei ihnen der Eindruck verfestigt hatte, der Staat halte gegenükampagne ber den Inhaftierten am "Ausmerzverhältnis" fest. Auf Pressekonferenzen, in Flugschriften und mit Agitationsmaterial z. B. zur UNMenschenrechtskonferenz in Wien forderten sie vor allem, die neuen Strafverfahren gegen Langzeitinhaftierte einzustellen, "Haftunfähige" zu entlassen und einzeln inhaftierte RAF-Mitglieder in be- 30 Linksextremistische Bestrebungen stehende Kleingruppen einzubeziehen. Eine breitere Mobilisierung gelang ihnen jedoch für diese Kampagne nicht. Die Reaktionen des terroristischen Umfeldes auf den Sprengstoffanschlag der RAF gegen das Gebäude der JVA Weiterstadt reichten von Überraschung bis Zustimmung. Kritiker der "neuen" RAF-"Politik" sprachen später aber - ähnlich den "Hardlinern" unter den Inhaftierten -abwertend von einer "populistischen Aktion". Verunsichert reagierte das RAF-Umfeld auf die Festnahme des RAF-Mitgliedes Birgit HOGEFELD und den Tod von Wolfgang Linksextremistische Bestrebungen 31 GRAMS am 27. Juni in Bad Kleinen. Den Aufrufen zu einer Protestund Solidaritätskundgebung am 10. Juli in Wiesbaden folgten mehr als 2.000 Teilnehmer, Personen des RAF-Umfeldes, aus der autonomen Szene und aus anderen linksextremistischen Gruppierungen. Als die Kontakte eines V-Mannes zu Mitgliedern der RAF-Kommandoebene und Informationen über nahezu "bürgerliche" Verhaltensweisen der Illegalen bekannt wurden, setzten in allen Bereichen des RAF-Umfeldes heftige, bald kontroverse und schließlich lähmende Diskussionen ein. Die zunächst unklaren Umstände der Selbsttötung des GRAMS führten schnell dazu, daß eine "Tötungslegende" Platz griff. Zu dem offen ausgetragenen Richtungsstreit zwischen der RAFRAF-Umfeld unKommandoebene und den "Hardlinern" unter den Inhaftierten verentschlossen im hielt sich das Umfeld zunächst noch unentschlossen, abwartend. Richtungsstreit Die "Spaltungserklärung" der Inhaftierten nahm die Mehrzahl der RAF-Unterstützer mit Zustimmung auf. Insbesondere der Vorwurf, die Guerilla habe einen "deal" mit dem Staat angestrebt, wurde willig aufgegriffen. Allerdings versuchte ein großer Teil des RAFUmfeldes noch, einen endgültigen Bruch zu vermeiden. Unter Rückgriff auf "klassische" Positionen der RAF entwickelten Neue terroristische sich im RAF-Umfeld auch Ansätze einer neuen terroristischen GrupGruppierung pierung. Die Täter eines Schußwaffenanschlags auf das Gebäude des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall am 17. November in Köln bezichtigten sich als "antiimperialistische Widerstandszelle nadia shehadah"21 auch weiterer militanter Aktionen (u. a. Brandanschlag auf die juristische Fakultät der Universität in Hamburg am 21. November 1992); sie seien auch die Verfasser der kritischen Stellungnahmen (April und Mai 1992) gegenüber der "neuen" politischen 32 Linksextremistische Bestrebungen Linie der RAF-Kommandoebene. Als Bezugspunkt ihrer Politik nannten die Mitglieder der "Widerstandszelle" die traditionelle RAF-Konzeption "vom 14. 5. 1970 bis zum 1. 4. 1991" (d. h. von der gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders u. a. durch Ulrike Meinhof - der "Geburtsstunde" der RAF - bis zum Mordanschlag auf den Leiter der Treuhandanstalt Dr. Carsten Rohwedder). Ziel ihrer Politik sei, eine "antiimperialistische praxis" zu entwickeln, die von "unterschiedlichsten militanten/bewaffneten zusammenhängen" getragen werde. Dazu gehöre auch der Gebrauch von Schußwaffen, ein - aus ihrer Sicht - "ausgezeichnetes mittel für gezielte aktionen, mit symbolischer bis tödlicher Wirkung". Die Gruppierung erklärte, daß sie eine Phase des Übergangs abgeschlossen habe; sie wolle in Zukunft unter einer neuen Bezeichnung militante/bewaffnete Aktionen durchführen. 2. "Revolutionäre Zellen" (RZ)/"Rote Zora" Diskussion über Gruppen aus dem Zusammenhang der RZ setzten die Diskussion revolutionäre über Voraussetzung und Konzeption künftiger revolutionärer Politik Gewalt hält an f o r t | n e i n e m Interview mit der linksextremistischen Untergrundzeitschrift "radikal" (Nr. 147 vom März 1993) sprach sich eine dieser Zellen öffentlich dafür aus; künftig "militante Politik" zu betreiben, allerdings nicht losgelöst von Gruppierungen, die "radikalen Widerstand" entwickelten. Das Konzept der RZ, möglichst viele eigenständige Zellen, die selbst die Voraussetzungen für ihren "militanten Kampf" entwickelten, sei nach wie vor richtig. Eine Perspektive für die Fortsetzung "militanter Politik" sahen die Mitglieder dieser RZ weiterhin in der Asylund Ausländerpolitik. Linksextremistische Bestrebungen 33 Die Aktionen müßten vermittelbar sein. Schon am angegriffenen Objekt solle klar werden, warum und von welcher politischen Seite der Angriff erfolge. Militante Mittel, wie z. B. Brandanschläge, würden nicht falsch, nur weil sich Faschisten ihrer bedienten; jedoch müsse das Risiko für unbeteiligte Menschen auszuschließen sein. Im Oktober wurde eine militante Gruppe aktiv, die eines der langAnschläge auf jährigen Aktionsthemen der RZ (Flüchtlingspolitik, Asyl, Migration) BGS-Einrichtungen aufgriff und alte RZ-Parolen übernahm: In der Nacht zum 3. Oktober wurden fast zeitgleich eine Stromversorgungsstation des Grenzschutzamtes Frankfurt/Oder durch einen Sprengstoffanschlag völlig zerstört und Dienstfahrzeuge des Bundesgrenzschutzes (BGS) am Flughafen Rotenburg (bei Görlitz) durch einen Brandanschlag beschädigt. Die Verfasser eines Selbstbezichtigungsschreibens ("FÜR FREIES FLUTEN - REVOLUTIONÄRE ZELLEN") rechtfertigten ihre Anschläge als Widerstand gegen die Änderung des Asylrechts und gegen Maßnahmen zur Regelung der Zuwanderung von Flüchtlingen. Die personelle Verstärkung und technologische Aufrüstung des BGS an der Grenze zu Polen und der Tschechischen Republik dienten der "Jagd" nach Flüchtlingen. Die Ende der 70er Jahre entstandene Frauengruppe in den RZ, die "Rote Zora", verbreitete im Dezember - erstmals seit 1988 wieder - Diskussionspapiere, u. a. mit der Ankündigung, sie werde militante illegale "Politik" in unversöhnlicher Gegnerinnenschaft zu dem bestehenden "patriarchalen System" fortführen; dazu gehöre, Gesetze, die das System stabilisierten, bewußt nicht zu achten, Institutionen zu zerstören, "Täter" anzugreifen. 34 Linksextremistische Bestrebungen IM. Gewaltbereite autonome/anarchistische Szene 1. Potential, Ziele und Aktionsformen Zulauf zu autoDas gewaltbereite linksextremistische Potential besteht ganz übernomen Gruppiewiegend aus den anarchistisch oder anarcho-kommunistisch orienrungen hält an tierten Autonomen. Auf ihr Konto gingen wieder über 80 Prozent der Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund. Der Zulauf zu autonomen Gruppierungen hielt an, Verluste durch "Rückzug ins Private" füllen sich seit Jahren kontinuierlich wieder auf. Zum Jahresende waren wie 1992 bundesweit mehr als 5.000 Personen den gewaltbereiten Autonomen zuzurechnen; die Schwerpunkte lagen unverändert in den Ballungszentren wie Berlin, Rhein-Main-Gebiet, Ruhrgebiet, aber auch in kleineren Universitätsstädten wie Göttingen und Freiburg i. Br.3). Einig in der Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept. Bereitschaft zur Sie folgen verschwommenen anarchistischen, bisweilen auch komGewalt munistischen Vorstellungen. Ihre Forderungen zielen zumeist nicht auf Veränderungen zum Nutzen irgendeines Kollektivs oder der Gesellschaft insgesamt, sondern auf die eigene ungehemmte Entfaltung; selbstbestimmtes Leben beschreiben Autonome u. a. als Freiheit von Lohnarbeit, von sozialen Zwängen und Rücksichtnahmen. Einig sind sie sich in ihrem Haß auf Staat und Gesellschaft und in der Bereitschaft, für politische Ziele Gewalt anzuwenden. Exemplarisch formulierte die "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen: Linksextremistische Bestrebungen 35 ".Gewaltfrei' ist ein ideologischer Begriff, der in totalem Gegensatz zu autonomer Politik steht. Niemals würde sich die Autonome Antifa (M) auf eine Politik der 'Gewaltfreiheit' einlassen, denn das käme einem politischen Selbstmord gleich." (Dokumentation "Demonstration in Adelebsen/Göttingen, 20. März 1993", S. 13) Andere Autonome forderten: "Baut anarchistisch/autonome Zusammenhänge auf! (...) Überlegt, welche Mittel Ihr zur Hand habt und mit welchen Mitteln Ihr am ehesten Eurem Ziel nahekommt! Schert Euch nicht darum, ob diese Mittel gesetzlich verboten sind (...). Unsere Gesetze können nur die sein, die wir für richtig halten." ("BARRIO", Bielefeld, Nr. 15, Herbst 1993, S. 16) Nachdem ein Handgranatenanschlag am 18. Oktober auf ein angebliches "Yuppierestaurant" in Berlin-Kreuzberg (vgl. Nr. 3.3.2) in Teilen der Szene auf Kritik gestoßen war, versuchte eine militante Frauengruppe, den Einsatz auch solcher "militärischen" Waffen zu "entmystifizieren": Im autonomen Denken seien bestimmte Mittel und Waffen untrennbar mit bestimmten Gruppen verbunden, z. B. "scharfe Knarren" mit der RAF oder den "Revolutionären Zellen" (RZ). Dies führe dazu, "daß anderen Gruppen ein verantwortungsvoller Umgang mit solchen Mitteln abgesprochen wird, und daß es zu erheblichen Protesten kommen wird, sobald 'Unbekannte' dazu greifen (denkbar in der derzeitigen politischen Situation, z. B. daß Gruppen sich gegen Faschisten stärker bewaffnen, mit Schußwaffen beispielsweise). (...) Es ist ja kein Geheimnis, daß einige Zeit nach der 'Wende' Handgranaten und andere Waffen relativ günstig und ohne großes persönliches Risiko erstanden werden konnten (...). Es bleibt zu hoffen, daß die Linken nicht wieder alles verschlafen haben. Wenn solches Material zu haben ist, fänden wir es sinnvoll, wenn gerade die Linke sich damit beschäftigt, welche Dinge sie gebrauchen könnten, sich informiert und gegebenenfalls Bestände anlegt." ("INTERIM", Nr. 262 vom 18. 11. 1993) Die frühere Abgrenzung zwischen "Gewalt gegen Sachen" und "Gewalt gegen Personen" wurde zunehmend aufgegeben, insbesondere im "Antifaschismus"-Kampf (vgl. Nr 3.1): "In unserer Militanz unterscheiden wir nicht zwischen 'Gewalt gegen Sachen' und 'Gewalt gegen Personen'. Wir unterscheiden zwischen Beteiligten und Unbeteiligten." (vgl. "RAZZ", Nr. 44 vom März 1993) 36 Linksextremistische Bestrebungen Gewalttaten von In stärkerem Maße als früher bemühten sich Autonome um eine Autonomen "Maximierung" von Sachschäden, d. h. höhere Schäden pro Einrichten hohe zeltat. So verwüsteten sie - aus Protest gegen "Bonzen" - am Sachschäden an 27. Oktober eine Golfplatzanlage in der Nähe von Hanau; es entstand Sachschaden von weit mehr als 1 Million DM. Mit Anschlägen auf Baufahrzeuge am 1. November in Berlin richteten mutmaßlich autonome Gewalttäter binnen kurzer Zeit Schäden von etwa 600.000 DM an. Eine der geschädigten Firmen war an der Räumung der "Wagenburg am Engelbecken" (7. Oktober) beteiligt gewesen. Auf Flugblättern forderten Autonome: "Eine Million Sachschaden pro Räumung (...). Dezentrale Aktionen mit möglichst hohem Sachschaden: Barrikaden, Glasbruch an teuren Geschäften, Lagerfeuer, Demos, Straßenblockaden, Buttersäure in Verwaltungsgebäuden, Schlösser verkleben, Telefonterror im Rathaus, Besuch bei den Wohnungsbaugesellschaften und Spekulanten (...). TRAGEN WIR DEN KRIEG IHRE KIEZE!" Weitgehend positiv reagierten Autonome auf den Sprengstoffanschlag der RAF auf die JVA Weiterstadt am 27. März. Sowohl das Anschlagsobjekt - "High-Tech-Knast", "Abschiebeknast" - als auch die Tatausführung fanden Zustimmung. Nach den polizeilichen Maßnahmen gegen Mitglieder der RAF am 27. Juni in Bad Kleinen traten vor allem autonome Gruppen aus der "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (vgl. Nr. 2) mit Solidaritätsbekundungen für die RAF hervor. Aus Protest gegen die Polizeiaktion gingen autonome Gruppen in Berlin mit Molotowcocktails und Steinen gegen Polizeidienststellen und Dienst-Kfz vor (5. Juli). Auch Autonome aus dem Raum Frankfurt/M. reagierten mit Gewalttätigkeiten (9./10. Juli). In einer öffentlichen Erklärung schrieben sie dazu: "den mord an wolfgang grams haben wir weder hingenommen, noch sind wir zur 'tagesordnung' übergegangen. wir sind auf die Straße gegangen und haben an der uni frankfurt barrikaden errichtet, sie mit mollis in brand gesetzt, desweiteren sind die Scheiben der uni-cafeteria des juridicum-gebäudes eingeschmissen worden, dort wo die angehenden späteren richter und Staatsanwälte fressen, sind jetzt löcher. das sollte ihnen, wie auch allen anderen späteren karrieristen und funktionsträgern mal nahe bringen, wie das wohl ist, wenn mensch durch löcher im kopfund bauchbereich hingerichtet wird." Linksextremistische Bestrebungen 37 2. Strukturen Autonome schließen sich in der Regel in lockeren Kleingruppen ohne hierarchische Strukturen zusammen. Bei Demonstrationen und Krawallen treten sie oftmals in einheitlicher Aufmachung, als "schwarzer Block"4' und mit "Haßkappen" vermummt, auf. Die "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen, Motor der "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" schrieb dazu: "Der Schwarze Block (...) dokumentiert, daß sich Autonome nicht den staatlichen Spielregeln unterwerfen. Es wird in der Form demonstriert, die dem eigenen Selbstverständnis entspricht - staatliche Gesetze werden nicht anerkannt und es wird somit am Gewaltmonopol gekratzt." (Dokumentation "Demonstration in Adelebsen/Göttingen, 20. März 1993", S. 6) In der Szene werden Sabotageanleitungen verbreitet und auch Tips, wie polizeilich verwertbare Spuren zu vermeiden sind. Um sich gegen angebliche Klassenjustiz zu wappnen, installieren Autonome eigene "Ermittlungsausschüsse". Diese beteiligen sich - oftmals unter Ausnutzung des abgehörten Polizeifunks - an der Steuerung von Demonstrationen über Funk und Mobiltelefone mit verschleiertem Sprechverkehr; sie sammeln Informationen zu gewaltsamen Protestaktionen, organisieren Rechtshilfe und mobilisieren Gesinnungsgenossen zu Solidaritätsbekundungen im Gerichtssaal. Die autonome Szene hat ihren eigenen Jargon und ihre eigenen Medien. So gibt es etwa 30 bedeutendere - z. T. konspirativ hergestellte und verbreitete - Szeneblätter. Bundesweite Ausstrahlung haben die wöchentlich in Berlin erscheinende Schrift "INTERIM", das unter wechselnden ausländischen Tarnanschriften vertriebene Untergrundblatt "radikal" und die internationale Zeitung "CLASH". Die im März erschienene Nummer 147 der "radikal" (2 Hefte, 127 Seiten) veröffentlichte u. a. ein Interview mit einer "Revolutionären Zelle" (RZ) und gab Tips für den sicheren Umgang mit Computern ("um unser subversives Tun weniger angreifbar zu machen"). Regionale Bedeutung behielten Schriften wie "RAZZ" (Hannover), "AGITARE BENE" (Köln), "Ruhrgebietsinfo", "SWING - Autonomes Rhein-Main-Info" und "wie weiter" (Nürnberg). Zur Agitation und Mobilisierung nutzt die Szene ferner nichtkomComputer-Mailboxmerzielle alternative Radioprojekte, aber auch Piratensender, ein Systeme gewinnen bundesweites Infotelefon mit Sitz in Delmenhorst, regionale Infozunehmende Bedeutung für und Notruftelefone sowie Telefonketten. Zunehmend werden Agitation Nachrichten über (paßwortgeschützte) Computer-Mailbox-Systeme und Mobilisierung übermittelt. Wichtig für die Kommunikation sind auch die sog. Infoläden; eine in der Szene verbreitete Übersicht führt mehr als 80 38 Linksextremistische Bestrebungen solcher Anlaufstellen auf. Infoläden der Szene stehen in Kontakt zu entsprechenden Einrichtungen im Ausland. Internationale Infoladentreffen fanden vom 8. bis 12. April in Kopenhagen/Dänemark und vom 14. bis 18. Oktober in Zürich/Schweiz statt. Forderungen nach Forderungen nach stärkerer Vernetzung und Organisierung - entstärkerer gegen der bisher mehr auf Spontaneität und Organisationsfeind^^"'WTH""^ lichkeit basierenden Praxis Autonomer - fanden 1993 verbreitet Widerhall; auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse entwickelten sich vor allem im "Antifa"-Kampf. Linksextremistische Bestrebungen 39 Die "Antifa-Strukturen" festigten sich. Die "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) konnte sich stabilisieren und neue Mitglieder gewinnen, u. a. die Berliner Gruppe "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.), die mit der Zeitschrift "ARRANCA!" selber am "Entstehen einer bundesweiten Struktur" arbeitet. Gegen Jahresende umfaßte die AA/BO elf Gruppen in zehn Städten. Ihr Ziel ist die kontinuierliche Arbeit in verbindlichen Zusammenhängen, mit Bundesund Regionaltreffen und Delegiertenbasis. Aus dem Kreis jener Gruppen, die die AA/BO verlassen haben (u. a. "Antifaschistisches Infoblatt", Berlin), entwickelte sich seit dem Frühjahr eine neue Initiative. Diese strebt in weniger starren Formen eine bundesweite "Organisierung" (nicht Organisation) und "Vernetzung" an. Die "Edelweißpiraten", Initiator der z.T. militant betriebenen Kampagne "Stoppt Nazi-Zeitungen", sind nach eigenen Angaben inzwischen in mehr als 80 Orten und Regionen vertreten5'; "Stämme" mit Kontaktanschriften existieren in mehr als 40 Städten. Die "Antifa-Jugendfront" - mit Gruppen in mehr als 30 Orten - unternahm weitere Schritte zur "bundesweiten Organisation". 3. Aktionsfelder Im Zentrum der Aktivitäten autonomer/anarchistischer Zusammen"Antifaschismus/ schlüsse stand das Thema "Antifaschismus/Antirassismus". MiliAntirassismus" tante Aktionen richteten sich gegen Rechtsextremisten bzw. verwichtigster Ansatzpunkt für meintliche Rechtsextremisten und deren Strukturen. Aus Protest Militanz gegen Asylpraxis und Änderungen des Asylrechts gingen Autonome zunehmend gewalttätig auch gegen von ihnen als "Schreibtischtäter" bezeichnete, u. a. in den politischen Parteien, vor. 3.1 "Antifaschistische Selbsthilfe" Wichtigster Ansatzpunkt für gezielte Anschläge und körperliche Angriffe blieb der "Antifaschismus". Damit verbanden Autonome ihren Kampf gegen den Staat: "Wir lassen uns nicht auf die Auseinandersetzung mit Nazis reduzieren. Der Widerstand hier und heute heißt auch die Konfrontation mit der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie." (Broschüre der "Autonomen Antifa G" aus Frankfurt, undatiert, etwa März 1993) Der autonome " Antifaschismus"-Kampf entwickelte sich in Wort Autonome spähen und Tat äußerst aggressiv. Autonome verbrämten ihre Angriffe daRechtsextremisten bei als "antifaschistische Selbsthilfe". Systematisch spähten sie aus und gehen gewaltsam gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten aus und veröffentlichten "Steckbriefe". So erklärte die Redaktion des auto- 40 Linksextremistische Bestrebungen nomen "Antifa-Infos" aus Frankfurt/M. in der Ausgabe Nr. 9/August 1993: Ein Ziel des Blattes sei, die Namen von Faschisten mitsamt Wohnadressen öffentlich zu machen. Die Palette möglicher Aktionsformen reiche von Sprühaktionen bis zur "Entwertung persönlicher Gebrauchsgegenstände" von Faschisten (z. B. Autos) und körperlichen Angriffen. Mit Blick auf den tödlichen Überfall auf den Funktionär der "Deutschen Liga", Gerhard KAINDL, am 4. April 1992 in Berlin hieß es: "Es darf nicht vorkommen, daß (...) sich dann auf einmal viele entsetzt abwenden, schlimmer noch, sich öffentlich distanzieren." In vielen Fällen wurden "Faschos", die durch "Steckbriefe" in Szeneblättern an den Pranger gestellt worden waren, Ziel tätlicher Angriffe. Dabei nahmen die Angreifer z. T. schwerste Verletzungen ihrer Opfer in Kauf. Ein Beitrag im autonomen Rhein-Main-Info "SWING" (Ausgabe Mai 1993) beschrieb die Brutalität "antifaschistischer" Militanz: "Der Tod eines Faschisten muß nicht gezieltes Kalkül sein, dies widerspricht unserer politischen Moral. Es gibt allerdings Mittel und Wege, die ein Todesrisiko gering halten, aber mehr verursachen als nur ein paar blaue Flecken. Die Faschisten müssen wieder Angst bekommen, ihre Gesinnung offen zu präsentieren. (...) Macht sie unschädlich und zerstört ihre Treffpunkte. Schließt Euch in Eurer Wut zusammen. 5 Menschen machen auch eine fette Glatze fertig! (...) Benutzt nur Waffen, die ihr beherrscht und die ihr auch wirklich einsetzen wollt! Tratscht nicht über Eure Aktionen, nicht an der Theke und auch nicht in der Wohnung!" Eines der zahlreichen Beispiele "antifaschistisch" motivierter Militanz war der Überfall am frühen Morgen des 14. August (Tag des "Rudolf-Heß-Gedenkmarsches") in Allendorf-Rennertehausen/Hessen auf einen 21jährigen "Fascho". Eine Gruppe Vermummter umzingelte dessen Pkw, zertrümmerte mit Knüppeln und Baseballschlägern die Scheiben des Autos und fügte dem Opfer schwere Schädelverletzungen zu. Am 6. November griffen in Bonn mehrere - z. T. vermummte - Gewalttäter mit Schlagringen und Knüppeln den Bundesvorsitzenden der FAP, Friedhelm BUSSE, und dessen Begleiter an. BUSSE und sein Begleiter wurden verletzt. Wie "Antifas" später über das Mailboxsystem "SpinnenNetz" verbreiten ließen, hatte BUSSE wenige Minuten vor dem Überfall einen Informationsstand der "Antifa Bonn/Rhein-Sieg" - diese gehört der "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (vgl. Nr. 2) an - aufgesucht; dabei sei er dank der vielen Aufklärungsarbeit erkannt worden. Linksextremistische Bestrebungen 41 Die Zahl der militanten Aktionen von Linksextremisten, insbesondere Autonomen, gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten - im Jahre 1992 gegenüber 1991 verdreifacht - blieb 1993 hoch: Zeitraum: 1992* 1993 Ost West Gesamt Ost West Gesamt Tötungsdelikte - 1 1 - - - Sprengstoffanschläge - 3 3 - 1 1 Brandanschläge** 10 39 49 5 36 41 Landfriedensbrüche 24 53 77 25 35 60 Körperverletzungen * * * 22 53 75 14 42 56 Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung 15 170 185 12 167 179 Erfaßte militante Aktionen von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten (gesamt) 71 319 390 56 281 337 * Die im Jahresbericht 1992 angegebenen Zahlen haben sich aufgrund von Nachmeldungen im Jahr 1993 erhöht. ** Umfaßt Brandstiftungen und alle Sachbeschädigungen unter Einsatz von Brandmitteln. *** Weitere 39 (1992: 68) Fälle mit Körperverletzungen sind in den Landfriedensbrüchen enthalten: neben einer Vielzahl von Rechtsextremisten wurden auch 44 (1992: 147) Polizeibeamte verletzt. Die im Jahresbericht 1992 angegebenen Zahlen haben sich aufgrund von Nachmeldungen im Jahr 1993 erhöht. 42 Linksextremistische Bestrebungen Militante Aktionen von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten 120 - | - Monatsvergleich - Jan. Febr. März April Mai 11 Juni 11 Juli Aug. Sept. Okt. Nov.21 Dez. 1) Brandanschlag am 29. 5. 1993 auf ein von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Mehrfamilienhaus in Solingen. 2) Brandanschlag am 23. 11. 1992 auf ein von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Mehrfamilienhaus in Mölln. Die im Jahresbericht 1992 angegebenen Zahlen haben sich aufgrund von Nachmeldungen im Jahr 1993 erhöht. 3.2 Kampagne gegen Asylpraxis und Änderung des Art. 16 GG Kampf gegen Eng verbunden mit dem "Antifa"-Kampf war für Autonome das "Rassismus" VorThema "Antirassismus" und Asylpraxis. Politiker und Betreiber wand für Aktionen von Sammellagern gerieten in das Visier gewalttätiger Linksextregegen demokratische Parteien misten. Einen zeitweiligen Höhepunkt erreichte die Welle "antirassistisch" motivierter Gewalttaten im Zusammenhang mit der Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Änderung des Art. 16 GG (26. Mai) und Veröffentlichungen über das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten. In der Nacht zum 25. Mai verübten Unbekannte in Wolfsburg einen Brandanschlag auf ein von der CDU und der SPD genutztes Gebäude (Sachschaden: 100.000 DM). In einer Erklärung bezeichneten die Täter ihren Anschlag als "brennendes Fanal" gegen die Änderungen des Art. 16 GG. Zum Tag der parlamentarischen Entscheidung - die Szene sprach vom "Tag X" - mobilisierten "außerparlamentarische Aktionsgruppen und unabhängige Flüchtlingsgruppen gegen die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl" zu einer effektiven Blockade des Bundestages. Den Kern dieses Aktionsbündnisses bildeten etwa 1.500 Linksextremistische Bestrebungen 43 Personen aus dem autonomen/antiimperialistischen Spektrum; hinzu kamen deutlich mehr als 1.000 "traditionelle" Linksextremisten, aber auch Nichtextremisten. An den Blockadepunkten wurden einzelne Abgeordnete, Journalisten und Personal der Bundestagsverwaltung z. T. beleidigt, mit Farbe besudelt und tätlich angegriffen; ein Bediensteter des Bundestages erlitt schwere Kopfverletzungen. Mehrfach versuchten Gruppen von bis zu 100 Störern, polizeiliche Absperrlinien an der Bannmeile zu durchbrechen. Dabei bewarfen sie Polizeibeamte mit Molotowcocktails und Steinen und schössen mit Leuchtmunition; 14 Beamte wurden verletzt. Die große Koalition der Rassisten reicht von Bonn bis Hoyerswerda, von Schönau bis Rostock, von der Regierung bis zum Stammtisch! desKalb: "ENI "ASSISITISCIHIIEN !D>[PSNI STRASSEN HUMID" INI P E N IBEÄMNI antirassistisches antifaschistisches NOTRUF-und INFOTELEFON Keine Verschärfung des Asylrechts Schluß mit Diskriminierung und Schikane! Keine Kasernierung von Flüchtlingen! Gleiche Rechte und Bleiberecht für Alle I 44 Linksextremistische Bestrebungen Im Zusammenhang mit der Asylthematik wurden etwa 50 Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund gegen Eigentum von Politikern (insbesondere Bundestagsabgeordneten) und Büros politischer Parteien (CDU/CSU, SPD und FDP) bekannt (nicht eingerechnet Angriffe auf Politiker am "Tag X"). 3.3 "Kampf gegen Umstrukturierung" Autonome Ein Ansatzpunkt linksextremistischer Militanz blieb der Kampf gekämpfen militant gen städtebauliche "Umstrukturierung", "Yuppisierung" der Kieze, gegen "Umstruk"Vertreibung" und "Ghettoisierung", die Autonome in sozialen Städte"9" ^ Veränderungen nach Häusersanierungen und Mietpreiserhöhungen sahen. Schwerpunkt war Berlin. Dort richteten sich Anschläge u. a. gegen Planungsund Sanierungsmaßnahmen für den Ausbau zum Regierungssitz und gegen die Bewerbung der Stadt für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2000. 3.3.1 Anschläge auf "Nobelkarossen" Als Mittel gegen "Umstrukturierung" verübten Autonome wieder Anschläge auf hochwertige Kraftfahrzeuge: Mit saloppen Formulierungen stellten sie ihre Zerstörungsaktionen als "Volxsport" - e i n in der Szene gängiges Synonym für Anschläge - dar und führten unter dem Namen "Wagensportliga" eine Rangtabelle über die entstandenen Sachschäden. Mehr als 20 Anschläge mit Brandund Sprengsätzen gegen Kraftfahrzeuge sind autonomen Gruppierungen zuzurechnen. In Berlin schrieben Autonome nach einem Anschlag in einer Taterklärung: "Solange Bonzen und Yuppies der Meinung sind, sich ungehindert in unseren Kiezen bewegen zu können, müssen sie damit rechnen, die Konsequenzen für ihr dreistes Auftreten hinzunehmen." Andere "Teams" aus der "Wagensportliga" legten in ihren Taterklärungen Einzelheiten ihres "modus operandi" offen (Benzin-ÖlGemisch und Klebstoff). Auch die Szeneblätter verbreiteten solche Tatanleitungen. 3.3.2 Militante Gruppe "Klasse gegen Klasse" Eine Vielzahl von Anschlägen in Berlin mit dem Tatmotiv "Umstrukturierung" geht auf das Konto einer militanten linksextremistischen Gruppe "Klasse gegen Klasse", z. B. Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge von Kommunalpolitikern (16. Mai) und auf den Lieferwagen eines Lebensmittelladens (26. August), Handgranatenanschlag auf Linksextremistische Bestrebungen 45 ein Restaurant in Kreuzberg (18. Oktober) und Rohrbombenanschläge gegen Wohnhäuser von Personen, die mit Baumaßnahmen in Kreuzberg befaßt sind (19. November). In einer Taterklärung zu den Bombenanschlägen drohte "Klasse gegen Klasse": "JEDE/R, DIE/DER VON UMSTRUKTURIERUNGSMAßNAHMEN PROFITIERT, IST MORGEN MÖGLICHES ZIEL!" Teile der autonomen Szene kritisierten den "poststalinistischen" Ansatz von "Klasse gegen Klasse" und warfen der Gruppe vor, ungezielt Drohschreiben zu verschicken und Brandanschläge auch auf "Autobilligmarken" zu verüben; dagegen begrüßten sie "brennende Daimler" (vgl. Nr. 3.3.1.) als "zielgerichtete Aktionen"61. Besorgte Reaktionen auf ihre Drohschreiben an Geschäftsinhaber im Bezirk Kreuzberg ("DER EINZIGE PLATZ FÜR MITTELKLASSESCHMAROTZER LIEGT ZWISCHEN MÜNDUNGSFEUER UND EINSCHUSSIÜ") wertete "Klasse gegen Klasse" als Erfolg. 3.3.3 Kampagne gegen die Bewerbung der Stadt Berlin für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2000 Autonome in Berlin forcierten schon im Frühjahr ihren Kampf gegen die Bewerbung der Stadt für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2000. Für Linksextremisten in anderen Regionen blieb die "NOIympic"-Kampagne ein "Randthema"; Anschläge mit dem erklärten oder mutmaßlichen Tatmotiv "Anti-Olympia" richteten jedoch auch dort erhebliche Sachschäden an71. 46 Linksextremistische Bestrebungen Autonome nutzen Ideologischer Motor der linksextremistischen Kampagne gegen Kampagne "Olympia 2000" war das autonome "Anti-Olympia-Komitee" (AOK). gegen Olympia- | n e j n e r Broschüre "Volxsport statt Olympia" (60 Seiten) prangerte es die Olympiaplanungen als "Umstrukturierungs-Projekt im Interesse "militante Politik" der Konzerne und "Politikerärsche" an. Der Kampf gegen voranzutreiben Olympia müsse als Kampf gegen den "Regierungssitz Berlin" und die Hauptstadtpläne weitergeführt werden. Ab Februar wurde in der Szene ein "Strategiepapier" verbreitet, das unterschiedliche Protestmöglichkeiten auflistete, u. a. direkte Angriffe auf IOC-Mitglieder, Attacken gegen "Olympia-Strategen" - wie der Brandanschlag auf cad-map8) - und "propagandistische" Aktionen - etwa Angriffe auf die Olympia-Sponsoren wie HERTIE, Berliner Bank, Daimler Benz. Entsprechend diesen Vorgaben gingen Autonome gewaltsam gegen Firmen, Unternehmen und Geschäfte vor, die als Sponsoren oder Lizenznehmer der "Berlin 2000 Marketing GmbH" oder auf andere Weise - z. B. durch Aufkleber - die Bewerbung Berlins für "Olympia 2000" unterstützten9'. So verübte ein "kommando na na nawrocki"10' in der Nacht zum 14. April Brandanschläge auf zwei Kaufhäuser des HERTIE-Konzerns (Sachschaden: mehr als 1 Million DM). Linksextremistische Bestrebungen 47 In der Nacht zum 8. Juli zerstörte eine "Autonome Gruppe mit Kneifzangen gegen Olympia" eine Satellitenanlage der Firma Telekom. Mit Datum vom 29. Juli verbreitete die Gruppe ein Drohschreiben an das IOC: "Wir versichern hiermit, daß wir Olympische Spiele in Berlin massiv sabotieren werden. (...) Dies war nur eine kleine Kostprobe von dem, was Euch in Berlin im Jahr 2000 blühen wird. Ihr werdet hier keine ruhige Minute haben. WEG MIT OLYMPIA!" Um Einfluß auf die Meinungsbildung zu nehmen, verschickten militante Olympia-Gegner kurz vor der Entscheidung des IOC (23. September) eine aufwendig aufgemachte Schmähschrift "Berlin 2000 NOIympic City" (40 Seiten) in deutscher und englischer Sprache an die IOC-Mitglieder. Die Schrift listete eine Vielzahl antiolympischer Anschläge auf und zeigte Bilder von Gewaltaktionen. Im Rahmen der "NOIympic"-Kampagne wurden etwa 180 Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund erfaßt, darunter fast 30 Brandund Sprengstoffanschläge. 48 Linksextremistische Bestrebungen Die Entscheidung des IOC, die Olympischen Spiele 2000 nicht an Berlin zu vergeben, werteten Teile der Szene als grandiosen Erfolg. Die Kampagne habe gerade auch Jüngeren die Gelegenheit zur Politisierung und Radikalisierung gegeben111. Das Stärkste sei gewesen, daß sich die Kampagne zu keinem Zeitpunkt in gewaltfreie und gewaltbereite Aktivisten habe spalten lassen: "Die Legitimation von Gegengewalt von unten ist massiv propagiert (durch die Tat wie durch Vermittlung) und (...) akzeptiert worden. (...) Hierauf ließe sich aufbauen." (INTERIM", Nr. 261 vom 11. 11. 1993) IV. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten Revolutionäre Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten konnten Marxisten ihre organisatorischen Strukturen - nach jahrelangen Schwierigstabilisieren sich keiten - weitgehend stabilisieren. In ihrer Agitation versuchten sie wieder, wirtschaftliche und soziale Probleme sowie die Aktivitäten von Rechtsextremisten oder anderen aus ihrer Sicht "Rechten" als zwangsläufige Folge des kapitalistischen Gesellschaftssystems herauszustellen und für ihren Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu nutzen. Der Erfolg war gering; nennenswerter Zulauf von Interessenten und neuen Anhängern blieb aus. Die früheren - teilweise verbissen und intolerant geführten - ideologischen Abgrenzungen revolutionärer Marxisten untereinander und zu anderen Richtungen des organisierten Linksextremismus sind in den Hintergrund getreten. Revolutionäre Marxisten waren bereit, mit Autonomen in einzelnen Aktionsfeldern - vor allem beim "antifaschistischen" Kampf - zusammenzuarbeiten. Es kam aber auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und Marxisten-Leninisten der RK sowie der TKP/M-L (vgl. Nr. 5). Eine Verständigung über gemeinsame strategische Konzepte und Ziele gelang jedoch nicht. Dies zeigte sich u. a. im Juni in Hamburg bei einem Kongreß über "Bedingungen und Möglichkeiten linker Politik und Gesellschaftskritik", zu dem die linksextremistische Monatsschrift "Konkret" etwa 1.500 Personen - v o n Mitgliedern der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) bis hin zu Angehörigen des terroristischen Umfeldes - versammeln konnte. Einzelne der Teilnehmer beschimpften sich gegenseitig als Rassisten und Faschisten. Linksextremistische Bestrebungen 49 Bemühungen um den Aufbau einer einheitlichen kommunistischen Partei in Deutschland kamen auch 1993 nicht voran. Jedoch unterhielten revolutionär-marxistische Organisationen rege Kontakte untereinander bzw. zur PDS. Engere Verbindungen zeichneten sich zwischen dem "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) und der PDS, aber auch zwischen der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP), der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der PDS und der noch zu DDR-Zeiten gegründeten "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD, Sitz Berlin) ab. 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld 1.1 DKP Die DKP konnte sich nach einer mehrjährigen Phase des Zerfalls und großer Mitgliederverluste stabilisieren. Sie trennte sich von Kritikern und "Abweichlern". Nach dem 12. Parteitag (16./17. Januar in Mannheim) verließen Funktionäre und Mitglieder, die für eine noch schärfere orthodox-kommunistische Ausrichtung der DKP gestritten hatten, die Partei. Die DKP-Bezirksorganisationen Nordbayern und Berlin wurden sodann neu organisiert. Die Partei beging am 24./25. September den 25. Jahrestag ihrer "Neukonstituierung" (September 1968) mit einem - erstmals seit 1987 wieder durchgeführten - Pressefest ihres Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ). Zu der Veranstaltung kamen mehrere tausend Genossen, auch ehemalige Mitglieder. Zum Jubiläum erklärte der langjährige frühere DKP-Vorsitzende Herbert MIES: (htm Efa(i*"9 & dis WKtenofe U,$Ss$ät Mit Kind and Kegel nach Bottrop! Airt zum grollen Internal ionaten Solidartl al . . W " & , r - n & " ~ & < U ,&".", Die große Verlosung mit vielen vielen Preisen 25. und 26. September 1993 im Volkspark Batenbrock Bottrop 50 Linksextremistische Bestrebungen "Was meines Erachtens am meisten zählt und das Beachtenswerteste an der Entwicklung der DKP sein dürfte, ist die im wahrsten Sinne historische Tatsache, daß die Partei, dieser angebliche 'Vasall der KPdSU und SED', die größte Niederlage des Sozialismus, der internationalen Kommunistischen und Arbeiterbewegung überlebt hat, daß sie an einem Klassenstandpunkt und an den wesentlichen Lehren des wissenschaftlichen Sozialismus festhält, daß sie sich weder ins Fahrwasser von Rechtsoder Linksopportunismus begibt." (Herbert MIES in: Heinz STEHR/Rolf PRIEMER, Hrsg., 25 Jahre DKP: Eine Geschichte ohne Ende, Neue Impulse Verlag, Essen 1993, S. 73) Die DKP konnte sich 1993 noch auf etwa 6.000 Mitglieder stützen; mehr als die Hälfte ist inzwischen 50 Jahre und älter. Zur Finanzierung des kleinen hauptamtlichen Apparates blieb sie fast ausschließlich auf Mitgliederbeiträge und Spenden angewiesen. Der durchschnittliche Monatsbeitrag lag wie 1992 unter 20 DM. Zusatz- Linksextremistische Bestrebungen 51 liehe Einnehmen erbrachten Spendenaufrufe u. a. aus Anlaß des 25jährigen Bestehens der DKP und für das UZ-Pressefest. Im Rechenschaftsbericht gem. SS 25 Parteiengesetz wies die DKP für 1992 Einnahmen von 3,3 Millionen DM aus, darunter 1,25 Millionen DM an Spenden - eingeschlossen Großspenden und eine Erbschaft von insgesamt mehr als 350.000 DM. Die Altersstruktur der Mitglieder und die geschwundene organisatorische Kraft hinderten die DKP daran, sich wie früher zu Zeiten aufwendiger SED-Unterstützung wirksam oder gar bestimmend in linke Protestaktionen einzuschalten. Sie konzentrierte einen GroßStrategie der teil ihrer Kräfte auf die Vorbereitung des Wahljahres 1994. Anfang DKP für das WahlNovember legte sie dazu, bei einer Fortsetzung ihres 12. Parteitajahr 1994 ges, ihre Strategie fest: Sie beschloß, an den Wahlen zum Deutschen Bundestag (Oktober 1994) und zum Europäischen Parlament (Juni 1994) teilzunehmen. Beide Bewerbungen will sie zurückziehen, falls die PDS auf ihren "offenen Listen" DKP-Mitglieder "angemessen" berücksichtigt: "Wir wollen also bei den Europaund Bundestagswahlen das Angebot der PDS, daß auch DKP-Mitglieder auf ihren offenen Listen kandidieren können, aufgreifen." (DKP-Sprecher Rolf PRIEMER auf dem 3. Tag des 12. Parteitages am 13.11.1993, zit. nach UZ vom 26.11.1993) Nach öffentlichen Erklärungen der DKP gibt es zur PDS ideologische Unterschiede, aber auch viele Übereinstimmungen in politischen Sachfragen. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien habe sich 1993 ausgeweitet121. Besonders eng gestalteten sich die Beziehungen der DKP zu der überwiegend von ehemaligen SED-Mitgliedern gegründeten "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) (vgl. Nr. 3). Eine Kandidatenliste der DKP für die Wahlen zum Europäischen Parlament (38 Personen) verzeichnet mehrere KPD-Mitglieder. Zwischen DKP, KPD und der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der PDS sind Unterschiede in der ideologischen Ausrichtung kaum noch erkennbar. Vertreter dieser drei Organisationen veröffentlichten 1993 gemeinsame Erklärungen zum 175. Geburtstag von Karl Marx, zur "Kriminalisierung von DDR-Politikern", zum 75. Jahrestag der Novemberrevolution 1918 in Deutschland sowie - nur von DKP und KPF - zum "modernen Antikommunismus". Die internationalen Verbindungen der DKP blieben intensiv. Anfang Internationale September veranstaltete sie - wie 1992 - eine Konferenz gegen Verbindungen zu die europäische Integration; in der parteieigenen Karl-Liebknechtregierenden kommunistischen Schule (Leverkusen) erschienen dazu Vertreter von neun europäiParteien schen kommunistischen Parteien. 52 Linksextremistische Bestrebungen DKP-Funktionäre unternahmen Delegationsreisen zu regierenden "Bruderparteien" in Kuba, Vietnam, Nordkorea und der Volksrepublik China. Besonderen Stellenwert maß die Partei weiterhin ihrer Solidarität mit Kuba zu. Nach Abschluß ihrer Kampagne "Medikamente für Kuba" soll die materielle Unterstützung der DKP direkt der KP Kubas gelten131. Mitglieder der DKP und der von ihr gesteuerten "Freundschaftsgesellschaft BRD - Kuba e. V." beteiligten sich - gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft "Cuba Si" der PDS - maßgeblich an Bemühungen, die Unterstützung aus Deutschland für das kommunistische Kuba besser zu koordinieren: Zusammen mit verschiedenen Solidaritätsgruppen und dem "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) gründeten sie dazu im Juni ein neues "Netzwerk Kuba" mit Sitz in Bonn. 1.2 Umfeld der DKP Die noch verbliebenen Teile des vor 1989 breit entfalteten DKPBündnisapparates konnten sich organisatorisch behaupten und arbeiteten weitgehend im ideologischen Gleichklang mit der DKP. Dazu gehört die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ); sie versteht sich ungebrochen als "revolutionäre, sozialistische Arbeiterjugendorganisation auf der Basis einer einheitlichen wissenschaftlichen Weltanschauung"141, wie bisher der DKP eng verbunden. Die SDAJ konnte wieder ein "Pfingstcamp" (29. bis 31. Mai in Wolfenbüttel) mit rund 400 Teilnehmern organisieren. Arbeitsschwerpunkte setzte sie im "Antifaschismus" und in der Solidarität für "politische Gefangene"; diese schließt nach ihrer Auffassung sowohl "verfolgte" SED-Funktionäre als auch inhaftierte linksextremistische Terroristen ein. Linksextremistische Bestrebungen 53 Die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA), ehemals größte unter den DKP-gesteuerten Bündnisorganisationen, gewann angesichts fortdauernder rechtsextremistischer Gewalttaten auch bei nicht-extremistiUngebrochene schen "Antifaschisten" an Reputation. Den Leitungsgremien der Dominanz von noch etwa 8.500 Mitglieder zählenden Organisation gehören heute Extremisten in Linksextremisten unterschiedlicher Ausrichtung an. Personen mit Leitungsgremien der VVN-BdA früheren oder aktuellen Bezügen zur DKP blieben dominant. Sie setzten ihre frühere Politik fort und bekräftigten, "konsequenter Antifaschismus" müsse stets die Bekämpfung "bürgerlicher" Demokratie und kapitalistischer Marktwirtschaft einschließen, denn diese Gesellschaftsordnung stehe in einer Kontinuität zum Faschis- 1 mus;15) Die Annäherung der VVN-BdA an gleichgerichtete Verbände in den neuen Bundesländern schritt voran. Der dortige - nach der Mitgliederzahl nahezu gleich große - "Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener" (IVVdN) strebt offensichtlich einen Zusammenschluß mit der VVN-BdA an16). Im linksextremistischen "Antifaschismus"-Kampf konnte die VVNBdA keine dominierende Rolle einnehmen. In Bündnissen kam ihr allerdings wiederholt die Funktion eines Scharniers zwischen Nichtextremisten und Anhängern gewaltorientierter "antifaschistischer" Aktivitäten zu. Die VVN-BdA biete, so die Einschätzung eines führenden Funktionärs, die Basis, auf der verschieden motivierte und aktionsmäßig ausgeprägte Kräfte gemeinsam handeln könnten: "Antifaschistische Arbeit ist dringender denn je. Entscheidend ist jedoch, daß Antifaschismus heute sich als politische Handlungsorientierung versteht, die (...) offen für unterschiedliche Zugänge und Organisationsformen ist und sich inhaltlich lebendig weiterentwickelt." (Ulrich SCHNEIDER, Antifaschistische Aufgaben, in: "Marxistische Blätter" Nr. 3/93, S. 71 f.) Die VVN-BdA dehnte die Reichweite ihres "Antifaschismus" aus: Sie sieht Verfolgte des nationalsozialistischen Regimes, wegen Fortführung der (1956) verbotenen KPD inhaftierte Kommunisten, aus dem öffentlichen Dienst entlassene DKP-Mitglieder und inSolidaritätshaftierte RAF-Terroristen als prinzipiell vergleichbare Opfer "bürgerbekundungen für licher Repression" und unterstützte daher auch einzelne Aktivitäten RAF-Terroristen von Gruppierungen des terroristischen Umfeldes. So führte der langjährige DKP-Funktionär Emil CARLEBACH während einer Demonstration zum Tod des RAF-Mitgliedes Wolfgang GRAMS (vgl. Kap. II, Nr. 1.3) im Juli namens des WN-BdA-Bundesausschusses aus: 54 Linksextremistische Bestrebungen "Wir leben in einem Staat, der mit Riesenschritten auf eine neue Art des Faschismus zusteuert (...) Und wenn wir uns nicht verteidigen, dann verteidigt uns niemand. Deswegen müssen wir alle, die wir uns links und antifaschistisch fühlen, zusammenstehen und alle anderen Probleme müssen zurücktreten." (zit. nach "Antifaschistische Nachrichten" 16/93 vom 30. 7.1993) Kommunistische Kommunisten setzten auch 1993 ihre Bemühungen fort, die komBestrebungen zur munistischen Parteidiktaturen - den "realen Sozialismus" - nach Manipulation des 1945 als demokratisch und als gleichwertige Alternative zur freiGeschichtsbildes heitlichen Demokratie darzustellen und den grundsätzlichen Unrechtscharakter des SED-Regimes zu leugnen. Dazu nutzten sie "wissenschaftliche" Institutionen wie den Verein "Wissenschaft und Sozialismus" (Frankfurt/M.), den "Mannheimer Gesprächskreis Geschichte und Politik e. V." oder das - PDS-orientierte - "Institut für Marxistische Studien und Forschungen" (IMSF, Frankfurt/M.). Besonders aktiv blieb die DKP-nahe "Marx-Engels-Stiftung e.V." (MES, Wuppertal), die von über 400 Mitgliedern in einer eigenen Förderergesellschaft unterstützt wird. Sie veranstaltete, zumeist gemeinsam mit dem "Marxistischen Arbeitskreis zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der Historischen Kommission der PDS" und der Geschichtskommission der DKP, Konferenzen zur "Geschichtsaufarbeitung" im kommunistischen Sinne. Zu Themen wie "Deutsch-deutsche Beziehungen auf dem Prüfstand der Geschichte" oder "75 Jahre deutsche Novemberrevolution" konnte sie Historiker aus den Parteiapparaten von DKP und PDS, ehemalige Wissenschaftsfunktionäre der SED und Zeitzeugen versammeln. Auf einer Tagung "Um ein neues Deutschland. Arbeiterbewegung und Entstehen der beiden deutschen Staaten" engagierten sich auch DKP-Sprecher Heinz STEHR und PDS-Mitglied Hans MODROW. Solche Aktivitäten dienen der Bekräftigung kommunistischer Geschichtslegenden und -klitterung: So sei die zur Gründung der DDR vorgenommene "antifaschistisch-demokratische Neuordnung" - nach kommunistischer Auffassung ein Durchgangsstadium beim Aufbau des Sozialismus - Voraussetzung für echte Demokratisierung gewesen. Der früheren Bundesrepublik Deutschland wird die Schuld für die deutsche Teilung zugewiesen; bis heute, so behaupteten Kommunisten, habe dieser Staat eine ungebrochene Kontinuität zum Nationalsozialismus. Mitleidskampagnen Die heutigen Kommunisten sollen zu Leidtragenden "kapitalistifür scher Repression" deklariert und in eine Reihe mit den WiderAltkommunisten, standskämpfern gegen den Nationalsozialismus gestellt werden; SED-und solche Opfer seien z. B. von Maßnahmen der Justiz nach dem KPDMfS-Angehörige Verbot betroffene Kommunisten oder in den neuen Bundesländern aus dem öffentlichen Dienst entfernte SED-Funktionäre und MfSAngehörige17'. Die DKP unterhielt weiter eine "Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges", der im wesent- Linksextremistische Bestrebungen 55 liehen Altkommunisten angehören. Diese forderte, obwohl es nach Auflösung und Liquidation gar nicht möglich ist und sich die DKP selbst in der Tradition, wenn nicht gar Nachfolge sieht, die Aufhebung des KPD-Verbotes von 1956, materielle Entschädigung und ein Ende der angeblichen "Rachejustiz" gegen SED-Funktionäre181. Diesen Bemühungen trat die PDS inhaltlich bei. Sie führte ihre Kampagne gegen angebliches "Vereinigungsunrecht" fort und kritisierte Maßnahmen gegen alte Stützen des SED-Regimes als "neuaufgelegten McCarthyismus"19'. 2. Linksextremistische Positionen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Innerhalb der PDS, mit deren Kenntnis und ausdrücklicher Billigung, hat sich ein marxistisch-leninistisch ausgerichteter Zusammenschluß, die "Kommunistische Plattform" (KPF) der PDS, gefestigt, die sich offen zur "revolutionären Idee der sozialistischen Alterna"Kommunistische tive" bekennt20'. Der PDS-Sprecher Hanno HARNISCH bestätigte, Plattform" die KPF wolle nicht alle theoretischen Grundlagen des Kommunisarbeitet für ihre Ziele innerhalb mus über Bord werfen und betrachte die Geschichte des Sozialisund außerhalb der mus teilweise "verherrlichend"; er rechnete der Plattform "deutlich PDS unter 5.000" Anhänger zu21'. Ihre langfristigen politischen Erwartungen formulierten zwei der Sprecher der KPF im Februar in einem Entwurf zu "Thesen für eine politische Erklärung von Kommunistinnen und Kommunisten in der PDS": "Der Übergang zu einer neuen Zivilisationsstufe, die revolutionäre Transformation der alten, der Klassengesellschaft, in eine neue, klassenlose Gesellschaft, dieser Übergang wird ein komplizierter, langwieriger, mehrere Phasen umfassender historischer Prozeß des erbitterten Klassenkampfes sein (...) Wie sich die sozialistische Gesellschaft dialektisch entwickeln wird und wie sich ihre Transformation in eine klassenlose kommunistische Gesellschaft vollzieht, können wir heute nicht beschreiben." Eine Vertreterin der KPF wurde auf der 2. Tagung des 3. PDSParteitages (26./27. Juni in Berlin) wieder in den Bundesvorstand der PDS gewählt22'. Die KPF sieht sich selbst u. a. als Brücke zu anderen kommunistischen Gruppierungen. Enge und regelmäßige Kontakte unterhielt sie zur DKP und KPD (vgl. Nr. 1.1). Die Zusammenarbeit von Kommunisten und PDS im Wahlkampf PDS arbeitet mit wurde innerhalb der Partei breit diskutiert231. Der PDS-Vorsitzende Kommunisten im Lothar BISKY wies in einem Interview mit der DKP-Zeitung "Unsere Inund Ausland Zeit" (UZ) darauf hin, daß auf den offenen Listen der PDS für die zusammen Wahlen 1994 auch Kommunisten, DKP-Mitglieder eingeschlossen, kandidieren könnten: 56 Linksextremistische Bestrebungen "Einen Beschluß, daß Kommunisten nicht auf Listen der PDS kommen sollen, gibt es nicht. Ich würde das auch für einen Verlust halten. Ich persönlich jedenfalls." (UZ vom 29. 10. 1993) Dieses Angebot richtete die Partei aber ausschließlich - so der PDS-Wahlkampfleiter Andre BRIE - an das "demokratische kommunistische Spektrum"241; von der "stalinistischen" MLPD (vgl. Nr. 4) distanzierte sich die PDS25'. Gegenüber gewalttätigen Extremisten wie den Autonomen zeigte die PDS hingegen keine Berührungsängste. In der PDS-Mitgliederzeitschrift "Disput" hieß es beispielsweise: "Die PDS hat einen guten Stand in der wissenschaftlichen Analyse der faschistischen Entwicklungen. Sie wird aber in der Konsequenz viel stärker auf außerparlamentarische Aktionen und Selbsthilfe setzen müssen. Töricht wäre es, autonome Gruppen bei unterstützenswerten Aktivitäten allein zu lassen, z. B. wenn es um die 'konkrete Verhinderung von Nazitreffen' geht." ("Disput" Nr. 17, 1. Septemberheft 1993, S. 15) Zu kommunistischen Parteien im Ausland unterhielt die PDS vielfältige Kontakte26'. Die Fraktion Linke Liste-PDS des Sächsischen Landtags reiste vom 4. bis 9. Oktober auf Einladung der "Kommunistischen Partei Österreichs" (KPÖ) nach Wien. Vertreter beider Parteien vereinbarten dort, die Kontakte fortzusetzen und regelmäßig Materialien auszutauschen27'. 3. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Die KPD, noch im Januar 1990 in der damaligen DDR überwiegend von ehemaligen SED-Mitgliedern gegründet, sieht sich in der Tradition der "Kommunistischen und Arbeiterbewegung"281; sie will in der "Nachfolge der Thälmannschen KPD und der SED"29' am Marxismus-Leninismus festhalten. Sie bekennt sich zur DDR, die nach ihrer Einschätzung "wohl das beste war, was die deutsche Arbeiterbewegung in ihrer Geschichte hervorgebracht hat"30'. Als Zwischenschritt im Kampf für den Sozialismus will die KPD weiterhin eine "einheitliche Kommunistische Partei Deutschlands"31' schaffen. Dazu betreibt sie u. a. eine Initiative, die seit März unter der Bezeichnung "Sozialistisch-Kommunistische Aktionseinheit" auftritt. An ihr beteiligen sich auch Mitglieder der DKP, kleinerer kommunistischer Zusammenschlüsse sowie der PDS. Von den Mitarbeitern der Initiative konnten aber nur einzelne Prominente Außenwirkung erreichen, so Wolfgang HARICH als Vorsitzender der "Alternativen Enquete-Kommission Deutsche Zeitgeschichte". Linksextremistische Bestrebungen 57 Er bezeichnete die Westbindung der Bundesrepublik Deutschland als "Hochverrat" an der deutschen Einheit321, lobte die Zusammenarbeit seiner Kommission mit dem "Insider-Komitee zur Aufarbeitung der Geschichte des MfS" und pries dessen Mitglieder als Männer mit "Standhaftigkeit, Scharfblick und minutiöser Wahrheitsliebe"33'. 4. "Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die MLPD bekannte sich weiterhin zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tse-Tung; anläßlich des 100. Geburtstages Maos (26. Dezember) rühmte sie dessen Bedeutung für die Entwicklung revolutionärer Theorie und Praxis mit einer Großveranstaltung und einem "internationalen Seminar" (6./7. November in Bottrop und Gelsenkirchen). In ihrer Agitation empfahl sie "den Massen" als einzig gangbaren Weg aus der "offenen wirtschaftlichen und politischen Krise (...) den Sturz des Monopolkapitalismus und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft"341. Konkurrierenden revolutionären Marxisten warf sie weiterhin "revisionistischen Verrat" 39 vor. Der Parteivorsitzende Stefan ENGEL sah die MLPD, deren MitglieMLPD sah sich im derzahl auf etwa 2.000 Personen angewachsen ist, "reif für einen Aufschwung großen Schritt nach vorn zur Partei der Massen"361. Auch die beiden Schwerpunktaufgaben 1993 zielten auf eine Ausweitung des Mitgliederbestandes. Der Parteiaufbau in den neuen Bundesländern kam aber nur gering voran. Etwas mehr Erfolg hatte die MLPD offensichtlich bei der Verbreiterung ihres Jugendverbandes "REBELL"; dieser veranstaltete wiederum ein "Pfingstjugendtreffen" (29. bis 31. Mai in Essen). Der kommunistischen Indoktrination junger Menschen diente auch ein gemeinsames Sommerlager von "REBELL" und der Kinderorganisation "Rotfüchse" in Alt-Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern). Die Partei konnte dort für rund eine Mio. DM ein ehemaliges Ferienheim erwerben und als Filiale ihres "Arbeiterbildungszentrums Horst" (Gelsenkirchen) eröffnen. Trotz solcher Anstrengungen blieb die MLPD auch unter Linksextremisten weitgehend isoliert. Angebote an die PDS zu einer "Einheitsfront" zum Wahljahr 1994 führten zwar im April zu einem Gespräch zwischen ENGEL und dem PDS-Vorsitzenden Lothar BISKY37', blieben aber letztlich ohne Erfolg. Die MLPD meldete daher vorsorglich ihre Alleinkandidatur zu den Bundestagswahlen 1994 an38'. Intern beklagte die Partei ihre "relative Isolierung" und sprach von der Notwendigkeit, ihre Bündnispolitik weiterzuentwickeln. Dazu müsse man auch auf "krisenbedrohte kleinbürgerliche Zwischenschichten, Studenten und Rentner" zugehen39'. Bestrebungen, in "überparteilichen Massenorganisationen" wie Gewerkschaften oder Frauenorganisationen Fuß zu fassen40', dien- 58 Linksextremistische Bestrebungen ten auch von der MLPD gesteuerte Aktionen und Initiativen wie der "Frauenverband Courage" oder die Aktion "Arbeitsplätze für Millionen" . Diese veranstaltete Anfang Oktober in Duisburg eine "1. bundesweite Konferenz" mit mehreren hundert Teilnehmern411. Internationale Die MLPD bemühte sich kontinuierlich, ihre internationalen VerbinSolidaritätsarbeit düngen "auf revolutionärer Grundlage auszuweiten und zu intensivieren"421. In den Mittelpunkt ihrer Solidaritätsarbeit stellte sie 1993 eine Spendenkampagne für ihre kommunistische "Bruderpartei" auf den Philippinen, die dort auch eine "Neue Volksarmee" (NPA) als bewaffneten Arm unterhält. In ihrer Agitation gegen den Imperialismus fordert die MLPD - klassischen revolutionär-marxistischen Linksextremistische Bestrebungen 59 Vorstellungen folgend - den "Einschluß aller Kampfformen - vom gewerkschaftlichen bis zum politischen und bewaffneten Kampf"431. 5. "Revolutionäre Kommunisten" (RK) Die in Deutschland als "Revolutionäre Kommunisten" (RK) auftretenden Sympathisanten der peruanischen Terrororganisation "Sendero Luminoso" engagierten sich weiter für die Freilassung des inhaftierten "Sendero"-Führers GUZMAN. Die von "Sendero-Luminoso" gesteuerte "Revolutionäre Internationalistische Bewegung" (RIM, Sitz London) gründete auf einer Veranstaltung am 27./28. Februar in Duisburg ein weltweit tätiges "Internationales NotSolidaritätsarbeit komitee zur Verteidigung des Lebens von Abimael GUZMAN" für Führer des (I.E.C.). Dieses werde GUZMAN breite internationale Unterstützung terroristischen sichern, wie sie auch anderen inhaftierten Gegnern von Imperia"Sendero Luminoso" lismus und Reaktion gewährt werde. Ein entsprechender Aufruf wurde u. a. von Anwälten, die inhaftierte RAF-Mitglieder verteidigt haben, und einem Hochschullehrer der Universität Bremen, früher Mitglied einer K-Gruppe, unterzeichnet. Pressemeldungen im Oktober über eine angebliche Friedensbereitschaft des "Sendero"Führers dementierte das I.E.C.44': Es handele sich um eine Desinformationskampagne, um GUZMAN töten und den Mord als "Selbstmord aus Hoffnungslosigkeit" darstellen zu können. In mehreren deutschen Städten fanden Solidaritätsaktionen für GUZMAN statt. Sie wurden hauptsächlich von der türkischen Sektion der RIM, der "Türkischen Kommunistischen Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/M-L), getragen. Anhänger der RK und der TKP/ M-L waren wieder, vor allem in Berlin, in gewaltsame Auseinandersetzungen mit Autonomen verwickelt; die Tätlichkeiten bei Demonstrationen ergaben sich zumeist aus unterschiedlichen Vorstellungen über Zeitpunkt und Ziel von Militanz im "antiimperialistischen" Kampf. 6. "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der 1980 aus einer Spaltung des damaligen "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) hervorgegangene BWK trat kaum noch mit eigenständiger Agitation in Erscheinung. Er lehnte sich vermehrt an ideologisch verwandte Organisationen an, um politisch wirken zu können. BWK-Mitglieder traten in die PDS ein und begannen, auf Landesebene "Arbeitsgemeinschaften BWK in der PDS/LL" zu bilden. Zusätzlich nahmen BWK-Aktivisten an Sitzungen von "Roten Tischen" und "antifaschistischen" Aktionsbündnissen teil. An der Hamburger Bürgerschaftswahl beteiligte sich der BWK - erfolglos - gemeinsam mit Mitgliedern von VOLKSFRONT, 60 Linksextremistische Bestrebungen DKP, MLPD, PDS/LL und WN-BdA in der "Wählerinnenvereinigung Linke Alternative - Wehrt Euch"; ein BWK-Mitglied hatte die Kandidatenliste angeführt. Die Kräfte der BWK-Vorfeldorganisation "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT) schwanden; sie suchte zunehmend die Nähe der WN-BdA und öffnete ihr Organ "Antifaschistische Nachrichten" für einen breiteren Herausgeberkreis. Die linksextremistischen "GNN-Gesellschaften für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung mbH (GNN) mit Sitzen in mehreren Bundesländern blieben überwiegend unter der Kontrolle des BWK. Weiterhin verlegten sie "emanzipatorische, antifaschistische, antiimperialistische" Literatur für ein Spektrum, das von der PDS bis ins terroristische Umfeld reichte. So erschienen bei GNN das von Personen des RAF-Umfeldes herausgegebene "Angehörigen Info" und der "Kurdistan-Rundbrief", an dem auch Anhänger der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) mitwirkten. 7. "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Der innere Zusammenhalt und die Handlungsfähigkeit der VSP, 1986 durch Zusammenschluß der trotzkistischen "Gruppe Internationaler Marxisten" (GIM) und der damaligen stalinistisch-proalbanischen "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD) entstanden, gingen weiter zurück. Nur mit Mühe konnte sie bei einer Delegiertenkonferenz im Juni in Bochum ein neues Leitungsgremium wählen. Themen der VSP blieben der revolutionäre "Antirassismus" sowie - unter den trotzkistisch ausgerichteten Mitgliedern - die Ablehnung der Verträge von Maastricht. Vertreter der VSP nahmen an einem "Anti-EG-Treffen" in Kopenhagen am 23. April und an einer von der trotzkistischen "IV.InternationaleA/ereinigtes Sekretariat" (VS) ausgerichteten "1. Versammlung für ein anderes Europa" (12. Juni in Paris mit 1.300 Besuchern) teil. 8. Trotzkistische Gruppen Trotzkistische Trotzkistische Gruppierungen hatten auch 1993 Zulauf. Den 13 OrGruppen im ganisationen, die sich einem der konkurrierenden Dachverbände Aufwärtstrend d e s internationalen Trotzkismus zuordnen, sowie einem halben Dutzend weiterer Zirkel gehören insgesamt rund 1.500 Mitglieder an. Gemeinsam ist ihnen der Kampf für die "Weltrevolution" zur Errichtung einer "Diktatur des Proletariats", organisiert als Rätesystem. Ihren Mitgliedern empfehlen die Trotzkisten oft "entristische" politische Arbeit: die verdeckte Mitarbeit in anderen Organisationen, vor allem in den Gewerkschaften und der SPD. Linksextremistische Bestrebungen 61 Wichtigstes Agitationsfeld blieb der revolutionäre "Antifaschismus/ Antirassismus": Nur die Zerschlagung des kapitalistischen Staates durch die sozialistische Revolution könne den Nazis ein für alle Mal den Boden entziehen451. Trotzkisten gaben sich dabei auch militant; sie forderten "kollektive Aktionen und Gewalt"46' und "bewaffnete Arbeiterräte unter Führung einer kommunistischen Partei"471. Sie versuchten, soziale Probleme durch Agitation in Betrieben und Gewerkschaften für eigene Zwecke zu nutzen; außerdem agitierten sie gegen die Verträge von Maastricht. Besondere Raffinesse im "antifaschistischen" Kampf setzte die Gruppe "VORAN zur sozialistischen Demokratie e.V." (VORAN), 62 Linksextremistische Bestrebungen deutsche Sektion des "Committee for a Worker's International" (CWI, Sitz London), ein. VORAN arbeitet nach der trotzkistischen Trotzkisten Strategie des Entrismus vor allem bei den Jungsozialisten. Zusätzerfolgreich mit lich steuerte die Gruppe eine Tarnorganisation "Jugend gegen Ras"antifaschistischer" sismus in Europa" (JRE), mit der auch Nicht-Extremisten an ihre Tarnorganisation Ziele herangeführt werden sollen - offenbar mit Erfolg: Intern bekundete VORAN, ihr Sympathisantenumfeld sei derzeit größer denn je. In Flugblättern propagierte JRE auch militante Kampfformen und rief zur "antifaschistischen Selbsthilfe" auf: Faschistische Banden müßten zerschlagen, ihre Aktivitäten durch massenhafte Gegenwehr verhindert werden. Individueller Terror sei jedoch abzulehnen, Linksextremistische Bestrebungen 63 weil er die Arbeiterklasse in die Arme der Regierung treibe48'. Bei "antifaschistischen" Demonstrationen arbeitete VORAN auch mit Autonomen zusammen; besondere Anerkennung erfuhr die Gruppe häufig in PDS-nahen Publikationen. Die "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG), deutsche Sektion der "International Socialists" (IS, Sitz London) konnte sich weiter auf rund 250 Mitglieder und die Anhänger der türkischen Bruderorganisation "Sosyalist Isci" in Deutschland stützen. Wie die britische Sektion der IS, die eine "Anti-Nazi-League" unterhält, sieht die SAG ihren Schwerpunkt im "antifaschistischen" Kampf. Sie forderte ein "kämpferisches Bündnis", um den "Naziabschaum in die Schranken" verweisen zu können49'. Agitation gegen die Verträge von Maastricht als "Europa der Massenarbeitslosigkeit und industriellen Zerstörung" war das Hauptaktionsfeld der "Internationalen Sozialistischen Arbeiterorganisation" (ISA), deutsche Sektion der "IV. Internationale/Internationales Zentrum für ihren Wiederaufbau" (Sitz Paris). Sie tritt vorwiegend unter dem Namen ihrer Tarnorganisation "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik" (VAA) auf. ISAA/AA-Mitglieder nahmen im Juni an einer "offenen Weltkonferenz" ihres Dachverbandes in Paris teil. Zu einem dort beschlossenen "weltweiten Aktionstag gegen Privatisierung, Krieg und Ausbeutung" (6. November) führte die ISA in mehreren Städten Veranstaltungen durch. 9. "Marxistische Gruppe" (MG) Auch im zweiten Jahr nach ihrer vorgetäuschten Auflösung blieb die MG mit rund 10.000 fest an die Gruppe gebundenen Personen eine der größten linksextremistischen Organisationen in Deutschland. Wohngemeinschaften, Zusammenhänge am Arbeitsplatz und konspirative Treffen gewährleisteten den Zusammenhalt. Die MG baute die Instrumente zur ideologischen Anleitung der AnMG baut hänger aus: Wichtigstes Organ blieb ihre "Politische VierteljahresInstrumente zur zeitschrift GEGENSTANDPUNKT" (Auflage mehr als 6.000 Exemideologischen Anleitung aus plare, jeweils 170 bis 200 Seiten). Die Publikation enthält weiterhin keinen direkten Hinweis auf die MG; die im Impressum genannten Personen und die Gesellschafter der gleichnamigen Verlagsgesellschaft in München wurden jedoch früher als führende MG-Funktionäre bekannt. "GEGENSTANDPUNKT" mahnte seine Leser diskret zur Vorsicht vor "staatlicher Verfolgung". In einem Beitrag zu angeblichen Maßnahmen der Sicherheitsbehörden gegen Sekten schrieb "GEGENSTANDPUNKT" der "Scientology Church" Merkmale zu, die auch auf die MG zutreffen, und folgerte: * 64 Linksextremistische Bestrebungen "Kaum entscheiden sich Leute für weltanschauliche Vereine, in denen alternative Formen der Lebensbewältigung praktiziert werden, tauchen Staatsschützer mit Lizenz zu kleinem und großem Lauschangriff auf. Kaum entdecken Gemeinschaften eine Form, erfolgreich zu existieren und zu wirtschaften, indem sie eigene Moralregeln ausdenken, fragen Politiker nach dem politischen TÜV-Stempel (...) Inzwischen kommt ihm (dem Staat) die exklusive Gemeinschaft der Scientologen, die nie von ihm eine Lizenz bekommen hat, einen eigenen Verhaltenskodex für die Mitglieder aufstellt, ökonomische Erfolge und ausreichend Zulauf hat, verdächtig vor." ("GEGENSTANDPUNKT" 1-93, S. 156) Die "Gegenstandpunkt Verlagsgesellschaft mbH" gab auch eine englische Übersetzung des MG-Grundlagentextes "Der bürgerliche Staat" heraus, der 1979 im damaligen "theoretischen Organ" der MG erschienen war. Den Vertrieb übernahm eine Gesellschaft "MHB USA" mit Sitz im US-Bundesstaat New Jersey; unter ähnlichem Namen firmierte bis 1991 die "MHB-Gesellschaft für Druck und Vertrieb wissenschaftlicher Literatur mbH" der MG. Zur Verbreitung ihrer Agitation nutzte die MG weiter die Mailbox LINK-S; dort wird das "CHRONIK MG ARCHIV" mit den Texten des früheren MG-Zentralorgans "MSZ - Marxistische Streitund Zeitschrift, gegen die Kosten der Freiheit", der ehemaligen "Marxistischen Hochschulzeitung" und der "Marxistischen Arbeiter Zeitung" sowie der neuen MG-Publikation "GEGENSTANDPUNKT" angeboten. In diesem "Archiv für Marxistische Theorie" seien über "5.600 Dokumente" mit insgesamt mehr als 40.000 Seiten abrufbar. Die MG konnte ihre ideologischen Vorstellungen auch in einzelnen anderen Publikationen, wie z. B. der linksextremistischen Monatszeitschrift "Konkret" verbreiten; MG-Funktionäre traten dabei als Redakteure von "GEGENSTANDPUNKT" auf. Gleichwohl zeigte sich, daß die Vorstellungen der Organisation von anderen Linksextremisten abgelehnt werden. Der MG-Leitungsfunktionär Karl HELD konnte zwar als Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auf einem "Konkret-Kongreß" im Juni in Hamburg auftreten. Seine zynische Qualifizierung fremdenfeindlicher Gewalttaten als "Anzünderei von Ausländern" löste aber Tumulte unter den Besuchern aus und brachte ihm eine Zurechtweisung durch "Konkret"-Herausgeber Hermann L. GREMLIZA ein: "Mit dem linken Faschistengeschwätz muß mal Schluß sein". Linksextremistische Bestrebungen 65 V. Erläuterungen und Dokumentation 1) Um an einem Informationsausbei kniffligen Gelegenheiten tausch über Mailboxen teilnehdurch fast sämtliche Bullenbarmen zu können, bedarf es eines rieren durch, und dann gibt es Computers, eines Telefons, eiwelche, da halten die Bullen nes Modems (zur Umwandlung extra noch mit dem Auto an, der Computerdaten für die Teum sie zu kontrollieren - woran lefonübermittlung) und eines mag das wohl liegen???" ("INKommunikationssoftware-ProTERIM", Nr. 239 vom 6. 5. gramms. Beschreibungen, wie 1993). Mailboxen genutzt werden kön5) "Antifaschistisches Infoblatt", nen, Adressen und TelefonnumNr. 21, März/April 1993 mern von Mailboxbetreibern 6) "INTERIM", Nr. 269 vom 29. 7. werden u. a. in Szene-Publikatio1993 nen und Infoläden angeboten. 7) Anschläge gegen Firma TeleÜber sogenannte Gateways sind kom, Gesellschafter der "Berlin viele Mailbox-Nutzer untereinan2000 Marketing GmbH", am der verbunden, so daß es 25726. April, 2. Mai und 22./23. möglich ist, auch in anderen InMai im Raum Bamberg; Anformationsnetzen Nachrichten schlag gegen eine Sportwerbezu hinterlegen bzw. von dort abfirma am 25. Juni in Halle. zurufen. 8) Am 2. Oktober 1992 verübte ei2) Nadia Shehadah war ein Mitglied ne "autonome Gruppe" einen des Terrorkommandos "Martyr Brandanschlag auf die Firma HALIMEH". Sie kam bei der "Cad Map", die an der ErstelErstürmung der Lufthansa-Malung der offiziellen Olympia-Beschine "Landshut" in Mogadiwerbungsschrift beteiligt war; es shu/Somalia durch die GSG 9 entstand Sachschaden von weit am 18. Oktober 1977 ums Lemehr als 1 Million DM. ben. 9) Seine Erfahrungen in der Anti3) Der "Durchschnittsautonome" Olympia-Kampagne beschrieb gehört zur Gruppe der 18bis ein Autonomer aus dem Ostteil 28jährigen; er ist Schüler, AuszuBerlins mit den Worten: bildender, Student - oftmals in "Als die IOC-Bonzen hier waren, Ausbildung oder Studium gehing keine Fahne mit Olympia scheitert -, jobbt gelegentlich länger als 24 Stunden, Autos oder ist arbeitslos. Die "Verhaben gebrannt, im KaDeWe weildauer" in der "Szene" beund bei Hertie wurde 'ne ganze trägt für viele nur wenige Jahre. Abteilung abgefackelt. Ist doch 4) In der Absicht, Polizeikontrollen gut! Den Bonzen Feuer unterm ungehindert passieren zu könArsch machen! Wer mit dem nen, verzichten Autonome bei Olympiascheiß Geld machen einzelnen Störaktionen auf ihr will, muß wissen: Ich hab' keine gewohntes "Outfit", unverhohRuhe mehr! (. . .) Ist doch Maslen bemerkte eine Szenenpublise, wenn das Messer in den kation dazu: dicken Mercedesreifen fährt und "Könnt Ihr (. . .) nicht vielleicht es zischt: Fffffffffft! Ich hab' mir mal einen Tag im Jahr auf Eure auch gleich ein paar Becks zur schwarzen, ev. kaputten KlamotBrust genommen, als die RAF ten incl. Palli-Tuch und was sich mit dem großen Bang sonst noch so zu einem richtizurückgemeldet hat. Spitzenakgen Autonomen gehört, verzichtion, das da, einen Abschiebeten (. . .)? Es gibt einige Leute, knast in die Luft zu blasen" die kommen fast ungestört auch ("TEMPO", Nr. 6/1993). 66 Linksextremistische Bestrebungen 10) Anspielung auf den damaligen 22) PDS-Mitgliederzeitschrift "DisGeschäftsführer der Berliner put" Nr. 13/14, 1./2. Juliheft, Olympia GmbH, 1993, S. 42 (Sahra WAGEN11) "INTERIM", Nr. 262 vom 18. 11. KNECHT) 1993 23) Laut "Disput", Nr. 11, 1. Juni12) DKP-Sprecher Rolf PRIEMER auf heft 1993, S. 32, nahmen Vertredem 3. Tag des 12. Parteitages ter des Parteivorstandes Kontakt am 13. 11. 1993, zit. nach UZ auf zu folgenden "linken Parteivom 26. 11. 1993 en", die an einer Zusammen13) DKP-Informationen Nr. 7/93 vom arbeit mit der PDS im Wahl29.6. 1993 kampf interessiert seien: DKP, 14) DKP-Informationen Nr. 11/93 VSP, MLPD, BWK. vom 18. 10. 1993 24) Pressedienst der PDS Nr. 36 15) vgl. Lorenz KNORR, Deutschvom 10. 9. 1993, S. 9, vgl. auch land 60 Jahre danach - UrsaNr. 24 vom 18.6. 1993, S. 5 chen des Neofaschismus, hrsg. 25) "Disput" Nr. 19, 2. Oktoberheft v. der VVN-BdA Hessen 1993 1993, S. 7 16) "antifa-rundschau" (ar) Nr. 14, 26) Die Pressedienste der PDS September/Oktober 1993, S. 6 f. Nr. 24 und Nr. 51/52 vom 18. 6. (Interview mit dem IWdN-Vor(S. 13 f.) und 23. 12. 1993 sitzenden) (S. 30 ff.) veröffentlichten Über17) Gemäß Kapitel XIX Abschnitt III sichten über internationale Aktider Anlage I zum Einigungsvervitäten des Bundesvorstandes tragsgesetz (BGBl. II Seite 1140) für das Jahr 1993. Führende ist ein wichtiger Grund für eine PDS-Funktionäre, darunter der außerordentliche Kündigung insParteivorsitzende Lothar BISKY, besondere dann gegeben, wenn hätten über 30 Gespräche - z. T. ein Arbeitnehmer mehrfach - mit ausländischen 1. gegen die Grundsätze der kommunistischen Parteien geMenschlichkeit oder Rechtsführt. staatlichkeit verstoßen hat, 27) Pressedienst der PDS Nr. 46 insbesondere die im Internavom 19. 11. 1993, S. 9 f. tionalen Pakt über bürgerliche 28) "Trotz alledem" Nr. 10/93 und politische Rechte vom 29) "Trotz alledem" Nr. 5/93 19. Dezember 1966 gewähr30) "Trotz alledem" Nr. 3/93 leisteten Menschenrechte, 31) "Trotz alledem" Nr. 3/93 oder die in der Allgemeinen 32) Wolfgang HARICH, Keine Erklärung der MenschenrechSchwierigkeiten mit der Wahrte vom 10. Dezember 1948 heit. Zur nationalkommunistienthaltenen Grundsätze verschen Opposition 1956 in der letzt hat oder DDR, Dietz Verlag, Berlin, 1993, 2. für das frühere Ministerium S. 18 für Staatssicherheit/Amt für 33) ND vom 10.3. 1993 nationale Sicherheit tätig war 34) "Rote Fahne" (RF) Nr. 38/93 und deshalb ein Festhalten vom 25. 9. 1993, S. 15 am Arbeitsverhältnis unzu35) RF Nr. 45/93 vom 13. 11. 1993, mutbar erscheint. S.9 18) Flugblatt der "Initiativgruppe" 36) RF Nr. 14/93 vom 10. 4. 1993, vom September 1993 S. 11 19) PDS-Theoriezeitschrift "Utopie 37) RF Nr. 16/93 vom 24. 4. 1993, kreativ" Heft 29/30, März/April S. 24 1993, Editorial 38) RF Nr. 29/93 vom 24. 7. 1993, 20) "Mitteilungen" der KPF, Heft S. 14 11/1993, S. 16 39) "lernen und kämpfen" (luk) 21) "Neues Deutschland" (ND) vom 40) RF Nr. 14/93 vom 10. 4. 1993, 20. 12. 1993 S. 16 Linksextremistische Bestrebungen 67 41) RF Nr. 42/93 vom 23. 10. 1993, 46) Flugblatt des "Spartakusbund - S. 6 Revolutionäre Sozialisten", Juni 42) RF Nr. 23/93 vom 25. 9. 1993, 1993 S. 15 47) "Arbeitermacht" Nr. 34 vom 43) RF Nr. 45/93 vom 13. 11. 1993, Mai/Juni 1993 S. 13 48) "VORAN" Nr. 154 vom Septem44) "Emergency Bulletin" No. 39, ber 1993 20. Oct. 1993 49)SAG-Organ "Klassenkampf" Nr. 45) "SPARTAKIST" - Organ der 118 vom Juli/August 1993 SpAD, April 1993, S. 14 68 Linksextremistische Bestrebungen VI. Übersicht über die wichtigsten linksextremistischen und linksextremistisch beeinflußten Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz -- (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und 1993 (1992) Auflagen 1993(1992) z. T. geschätzt) 1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten Arbeiterbund für 200 (200) Kommunistische Arbeiterzeitung den Wiederaufbau - monatlich - der KPD (AB) -1.500 (1.500)- - München - Bund Westdeutscher 300 (300) Kommunisten (BWK) (7 Landesverbände) - KölnBWK-beeinflußte Organisation: Volksfront gegen Reaktion, 200 (400) Mitteilungen Faschismus und Krieg -vierteljährlich - (VOLKSFRONT) - 8 0 0 (800)- - Köln - Deutsche Kommunistische 6.000 (7.000) Unsere Zeit (UZ) Partei (DKP) -vierzehntägig - (14 Bezirksorganisationen, - 14.000 (13.000)Kreisorganisationen und Grundorganisationen) Marxistische Blätter - Essen - -zweimonatlich - -3.200 (3.000)Vorfeldorganisationen der DKP: Sozialistische Deutsche 400 (300) position-magazin der SDAJ Arbeiterjugend (SDAJ) - zweimonatlich - (Landesverbände, - 600 (600) - Kreisverbände und Gruppen) - Essen - Vereinigung der Verfolgten 8.500 (9.000) antifa-rundschau des Naziregimes - - unregelmäßig - Bund der Antifaschisten -9.500 (über 10.000)in der Bundesrepublik Deutschland (VVN-BdA) (10 Landesvereinigungen, Kreisund Ortsvereinigungen) - Frankfurt/M.- Linksextremistische Bestrebungen 69 Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und 1993 (1992) Auflagen 1993 (1992) z. T. geschätzt) Marx-Engels-Stiftung e.V. - Wuppertal - Internationale Sozialistische 250 (250) Freie Tribüne für ArbeitnehmerArbeiterorganisation (ISA) politik - Berlin - -wöchentlich - -1.000 (1.000)Sozialistische Arbeiterzeitung/ Internationale Tribüne (SAZ/IT) - monatlich - -1.000 (1.000)Kommunistische Partei Roter Morgen Deutschlands (2 Ausgaben) (Marxisten/Leninisten) (KPD) - monatlich - (3 rivalisierende Gruppen) Roter Blitz - monatlichMarxistische Gruppe (MG) 10.000 (10.000) GEGENSTANDPUNKT - München - -vierteljährlich - -6.000 (6.000)(nach eigenen Angaben im Mai 1991 aufgelöst) Marxistisch-Leninistische 2.000 (1.700) Rote Fahne Partei Deutschlands (MLPD) -wöchentlich - (10 Parteibezirke, -7.500 (7.500)über 100 Ortsgruppen und Stützpunkte) lernen und kämpfen (luk) - Essen - - monatlich - -1.500 (1.500)MLPD-Nebenorganisation: REBELL-Jugendverband der MLPD MLPD-beeinflußte Organisation: Frauenverband Courage Courage -vierteljährlich - -2.000 (2.000)Rote Hilfe e. V. (RH) 700 (700) Die Rote Hilfe - Kiel - -vierteljährlich - -2.000 (2.000)- 70 Linksextremistische Bestrebungen Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz -- (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und 1993 (1992) Auflagen 1993(1992) z. T. geschätzt) Sozialistische Arbeitergruppe 250 (250) Klassenkampf (SAG) - monatlich - - Berlin - -3.500 (3.400)Spartakist120 (150) SPARTAKIST Arbeiterpartei Deutschlands - monatlich - (SpAD) - 7 0 0 (700)- - Berlin - Vereinigte 270 (300) Sozialistische Zeitung (SoZ) Sozialistische Partei (VSP) -vierzehntägig - - Köln - -2.000 (2.500)SoZ-Magazin - 3 x jährlich - -2.000 (2.500)SoZ-Aktuell - 10 x jährlich - -12.000 (12.000)VORAN zur sozialistischen 300 (250) VORAN Demokratie - monatlich - - Köln - -1.000 (1.000)Marxistische Hefte - unregelmäßig - - 5 0 0 (500) VORAN-beeinflußte Organisation: Jugend gegen Rassismus 1.000 in Europa (JRE) - Köln - Linksextremistische Bestrebungen 71 Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz -- (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und 1993 (1992) Auflagen 1993 (1992) z. T. geschätzt) 2. Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre Autonome über 5.000 (5.000) "Szene"-Blätter INTERIM -wöchentlich - SWING - monatlich - CLASH und radikal - unregelmäßig - Föderation Gewaltfreier graswurzelrevolution - Aktionsgruppen (FöGA) FÜR EINE GEWALTFREIE, (Koordinierungsstelle der HERRSCHAFTSLOSE anarchistischen "GrasGESELLSCHAFT wurzelbewegung" mit ca. - monatlich - 80 "Gewaltfreien Aktions-4.000 (4.000)gruppen" und Kollektiven) Freie Arbeiterinnendirekte aktion und Arbeiter-Union -zweimonatlich - (FAU-IAA) -3.000 (3.000)- - Frankfurt/M.Freie Arbeiter-Union/ Fanal Anarchistische Partei -vierteljährlich * (FAU/AP) - Heidelberg - IfS * * * L * * Sit;Sit-' O nO ^ 1 *1 ÖBt?;* Ute * II 1 fl ** * *rlr^l^ ü Mi * * * r 74 Rechtsextremistische Bestrebungen I. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und sonstige Personenzusammenschlüsse, Mitgliederstand Zahl der RechtsEnde 1993 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 77 (1992: 82) extremisten in rechtsextremistische Organisationen und sonstige PersonenzusamPersonenzumenschlüsse. Ihnen gehörten nach Abzug der Mehrfachmitgliedsammenschlüssen schaften rund 41.500 (1992: 41.900) Rechtsextremisten an, darunkaum verändert ter 5.600 (1992: 6.400) militante Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads in überwiegend strukturlosen Zusammenschlüssen auf regionaler und lokaler Ebene. Rund 950 (1992: 800) Neonazis gehören keinen Zusammenschlüssen an. Insgesamt gibt es in Deutschland somit rund 42.400 (1992: 42.700) Rechtsextremisten. Organisationen 1991 1992 1993 und sonstige ZusammenGruppen MitGruppen MitGruppen Mitschlüsse glieder glieder glieder Militante Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads - 4.200 - 6.400 4 5.600 Neonazistische Personenzusammenschlüsse 30 2.100 33 1.400 27 1.500 "Nationalfreiheitliche" Organisationen 3 24.000 3 26.000 3 26.000 "Nationaldemokratische" Organisationen 5 6.700 5 5.300 5 5.200 Sonstige Zusammenschlüsse 38 3.950 41 4.000 38 4.100 Summe 76 40.950 82 43.100 77 42.400* Mitglieder nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften 39.800 41.900 41.500** Hierbei wurden die etwa 23.000 Mitglieder der Partei "Die Republikaner" (REP) nicht berücksichtigt. Es liegen zwar Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen dieser Partei vor (vgl. dazu Kap. VI), dies reicht jedoch nicht aus, um alle Mitglieder als Rechtsextremisten einzustufen. zuzüglich der 650 Neonazis, die inzwischen verbotenen Gruppierungen angehörten, sowie weiteren 300 Nichtorganisierten. Rechtsextremistische Bestrebungen 75 Entwicklung der Zahl der Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Personenzusammenschlüssen 45000 - 42400 /Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Personenzusammenschlüssen x 41500') Mitglieder (nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften) 35000 - 26000 Mitglieder in "national-freiheitlichen" 25000 - Organisationen 20000 15000* Militante 8000 / Rechtsextremisten, 7250 I 7300 insbesondere I rechtsextremistische Skinheads Mitglieder in sonstigen 3400 3 50 32 320 rechtsextremistischen 3200 ' 3100 Pdeg deg Personenzusammen4000 schlüssen I 3950 1150 TW 1500 Mitglieder neo2100 nazistischer Personenzusammenschlüsse 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 *) Hinzuzurechnen sind 950 nichtorganisierte Neonazis. 76 Rechtsextremistische Bestrebungen Der Rückgang der neonazistischen Personenzusammenschlüsse von 33 auf 27 ist auf die staatlichen Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus (vgl. Kap. II) und auf Strukturveränderungen zurückzuführen. Die Mitgliederzahl der "Deutschen Volksunion" (DVU) blieb mit 26.000 ebenso wie die der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit 5.000 unverändert. Die Zahl der Mitglieder der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) stieg von 800 auf rund 900 an. 2. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste 1993 gab es 33 (1992: 29) organisationsunabhängige rechtsextremistische Verlage und Vertriebsdienste: 8 Buchverlage (1992: 7), 18 Zeitungsund Schriftenverlage (1992: 14) und 7 Vertriebsdienste (1992:8). 3. Periodische Publikationen* Zahl und AuflagenDie Zahl der rechtsextremistischen Publikationen erhöhte sich 1993 höhe rechtsauf 86 (1992: 75). 62 (1992: 53) Schriften erschienen mindestens extremistischer viermal im Jahr. Sie hatten eine Gesamtauflage von fast 6,5 MilPublikationen steigt lionen Exemplaren (1992: über 6,1 Millionen). II. Staatliche Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus 1. Vereinsrechtliche Verbote Drei weitere Nachdem das Bundesministerium des Innern im November und Verbote von rechtsDezember 1992 drei und das niedersächsische Innenministerium extremistischen eine weitere rechtsextremistische Organisation verboten hatten, Vereinigungen verboten im Jahre 1993 die Innenminister der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen im Rahmen ihrer regionalen Zuständigkeit folgende rechtsextremistischen Vereinigungen: "Nationaler Block" (NB) am 11. Juni, "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) am 14. Juli und "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) am 2. September. Alle bekannten Objekte dieser Organisationen und Privatwohnungen einer Vielzahl von Mitgliedern wurden durchsucht, umfangreiches Schriftund Propagandamaterial sowie Vermögenswerte sichergestellt. Alle Aktivitäten, die der Aufrechterhaltung der ver- * Hierbei wurden die Publikationen der Partei "Die Republikaner" (REP) nicht berücksichtigt. Rechtsextremistische Bestrebungen 77 botenen Organisationen dienen, stehen unter Strafe und werden verfolgt. Mit Folgedurchsuchungen und Beschlagnahmen wird die Beachtung der Verbote sichergestellt. 2. Verbotsanträge gegen Parteien Die Bundesregierung und der Bundesrat beantragten im September Verbotsanträge beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der neonazistischen gegen zwei "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Einen weiteren neonazistische Parteien Verbotsantrag stellte der Hamburger Senat im Rahmen seiner regionalen Zuständigkeit am 31. August gegen die neonazistische "Nationale Liste" (NL). 3. Weitere Maßnahmen Am 3. Februar wurden im Rahmen von Exekutivmaßnahmen gegen Bundesweite zehn Skinhead-Bands und zwei Musikverlage in sieben BundesExekutivmaßländern zahlreiche Wohnungen durchsucht und umfangreiches Benahmen gegen Skinhead-Bands, weismaterial sichergestellt. Mit den Maßnahmen sollte die Ver-Musikverlage breitung von Skinheadmusik mit strafrechtlich relevanten Texten in der "Szene" unterbunden werden. In diesen Liedern kam unverhüllter neonazistischer Rassismus zum Ausdruck. Sie propagierten Antisemitismus, Ausländerhaß und Gewalt. Die Lieder und das Verhalten der Bands bei ihren Auftritten ("Sieg-Heil-Rufe", "HitlerGruß") wirkten aufputschend auf das Publikum. Gewalttätigkeiten während und nach den Konzerten waren häufig die Folge. Eine weitere Maßnahme richtete sich am 15. Juli gegen die HerHersteller und steller und Vertreiber rechtsextremistischer Fanzines. Diese DruckVerbreiter von schriften enthalten neben Informationen über szenetypische SkinheadDruckschriften Aktivitäten wie Skinhead-Konzerten und Skinhead-Treffen auch Bestellhinweise für Tonträger. Ein Teil dieser Blätter propagiert rechtsextremistisches Gedankengut. Gegen Hersteller und Vertreiber dieser Fanzines richteten sich Hausdurchsuchungen in sechs Bundesländern, bei denen umfangreiches Beweismaterial sichergestellt werden konnte. Beide Aktionen führten erwartungsgemäß zu einer erheblichen Verunsicherung der rechtsextremistischen Skinhead-Bands sowie der Herausgeber von Fanzines und ihres Umfeldes. Als Folge konnte teilweise eine "Entschärfung" der Liedtexte wie auch der Fanzines festgestellt werden. Die Staatsanwaltschaft Flensburg ordnete am 8. Dezember in PreuExekutivmaßßisch-Oldendorf (Kreis Minden) die Beschlagnahme von 3.165 Exnahmen gegen die emplaren der neonazistischen Vierteljahresschrift "Die BauernPublikation schaft" an. Es handelte sich hierbei um den überwiegenden Teil der "Die Bauernschaft" Ausgabe 4/93. Herausgeber der Publikation ist der in Dänemark 78 Rechtsextremistische Bestrebungen lebende Deutsche Thies CHRISTOPHERSEN (75). In der beschlagnahmten Ausgabe der Druckschrift werden die Massentötungen von Juden in Konzentrationslagern im Dritten Reich geleugnet und den Opfern das Verfolgungsschicksal abgesprochen. Im Rahmen von Anschlußmaßnahmen konnten am 9. Dezember in Flensburg einschlägige Bücher und Videocassetten CHRISTOPHERSENS beschlagnahmt werden. Ferner wurden am 14. Dezember die Geschäftsräume einer Firma in Preußisch-Oldendorf durchsucht und ein PC und Disketten sichergestellt, die anscheinend zur Herstellung der Publikation "Die Bauernschaft" benutzt worden waren. Indizierung rechtsDas Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) prüfte die Inhalte von extremistischer Zeitschriften, Büchern, Tonträgern und Computerspielen darauf, ob Zeitschriften und sie rechtsextremistische Ziele verfolgen und geeignet sind, Kinder Computerspiele oder Jugendliche sittlich zu gefährden, insbesondere verrohrend wirken, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhaß anreizen sowie den Krieg verherrlichen. Soweit dies der Fall war, leiteten die zuständigen Stellen Indizierungsverfahren nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften ein. Überwachung Die Aktivitäten der ehemaligen Mitglieder verbotener Vereinigungen verbotener (vgl. Kap. II, Nr. 1) wurden durch die Sicherheitsbehörden genau Ersatzaktivitäten überwacht. Soweit verbotene Ersatzaktivitäten festgestellt wurden, gingen die Strafverfolgungsbehörden gegen die Tatverdächtigen vor. 4. Verbot des Verwendens der sogenannten Reichskriegsflagge Insbesondere neonazistische Gruppen benutzen die "Reichskriegsflagge" seit vielen Jahren als Ersatz für die verbotene "Hakenkreuzfahne" zur Dokumentation ihrer nationalsozialistischen Gesinnung. Vor allem in gewaltgeneigten Neonazizirkeln war die "Reichskriegsflagge" in der letzten Zeit erheblich verbreitet. Die Flagge entwickelte sich zum typischen Ausstattungsstück für Neonaziauftritte, diente jedoch nicht als offizielles Symbol einer bestimmten rechtsextremistischen Vereinigung. Dem Beispiel des Landes Brandenburg, dessen Innenminister mit Verfügung vom 30. August die Polizei seines Landes anwies, das Zeigen oder Verwenden der "Reichskriegsflagge" in der Öffentlichkeit zu unterbinden und die Flagge sicherzustellen, folgten mehrere Länder. Rechtsextremistische Bestrebungen 79 III. Gesetzesverletzungen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation11 1. Übersicht 1993 wurden 2.232 Gewalttaten und 8.329 weitere Gesetzesverletzungen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation bekannt, wovon 1.609 Gewalttaten und 5.112 weitere Gesetzesverletzungen fremdenfeindlich motiviert waren. Sie verteilen sich auf folgende Tatarten: 1.1 Fremdenfeindlich motivierte Gesetzesverletzungen 1.1.1 Gewalttaten*' 1993*' 1992"1 Tötungsdelikte*"' 20 6 Sprengstoffanschläge 3 Brandanschläge 284 Landfriedensbrüche""' 36 Körperverletzungen 727 Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung 539 1.019 Gesamt 1.609 2.277 1.1.2 Weitere Gesetzesverletzungen 1993'1 1992"1 Bedrohungen/Nötigungen 1.414 1.191 Propagandadelikte (u. a. Schmier-, Klebe-, Plakat-, Flugblattaktionen sowie Zeigen des Hitlergrußes) 1.437 1.211 Sonstige Gesetzesverletzungen (z. B. Volksverhetzungen, Beleidigungen, Verunglimpfungen) 2.261 329 Gesamt 5.112 2.731 Insgesamt 6.721 5.008 "' Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA-Jahreslageberichts 1993. ""' Sofern die Vergleichszahlen von früheren Statistiken abweichen, beruht dies auf einem aktuelleren Erkenntnisstand. ""' 1992 wurden Tötungsversuche nicht gesondert ausgewiesen. Die Zahlen für 1992 beinhalten alle Delikte, die Todesopfer verursachten. Die Zahlen für 1993 beinhalten alle vollendeten und versuchten Tötungsdelikte (2 vollendete Tötungsdelikte mit 6 Todesopfern sowie 18 versuchte Tötungsdelikte). I """ 1992 wurde der Tatbestand Landfriedensbruch nicht gesondert ausgewiesen. 80 Rechtsextremistische Bestrebungen 1.2 Weitere rechtsextremistisch motivierte Gesetzesverletzungen 1.2.1 Gewalttaten 1993"1 1992"1 Tötungsdelikte""* 1 3 10 Sprengstoffanschläge - 3 Brandanschläge 27 43 Landfriedensbrüche""1 57 i _ Körperverletzungen 172 173 Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung 364 133 Gesamt 623 362 1.2.2 Weitere Gesetzesverletzungen 1993*' 1992"1 Bedrohungen/ 285 163 Nötigungen Propagandadelikte (u. a. Schmier-, Klebe-, Plakat-, Flugblattaktionen sowie Zeigen des Hitlergrußes) 2.437 1.914 Sonstige Gesetzesverletzungen (z. B. Volksverhetzungen, Beleidigungen, Verunglimpfungen) 495 237 Gesamt 3.217 2.314 Insgesamt 3.840 2.676 "' Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA-Jahreslageberichts 1993. " ' Sofern die Vergleichszahlen von früheren Statistiken abweichen, beruht dies auf einem aktuelleren Erkenntnisstand. ' " ' 1992 wurden Tötungsversuche nicht gesondert ausgewiesen. Die Zahlen für 1992 beinhalten alle Delikte, die Todesopfer verursachten. Die Zahlen für 1993 beinhalten alle vollendeten und versuchten Tötungsdelikte (2 vollendete Tötungsdelikte mit 6 Todesopfern sowie 18 versuchte Tötungsdelikte). """"I 1992 wurde der Tatbestand Landfriedensbruch nicht gesondert ausgewiesen. " " ' Ein vollendetes Tötungsdelikt (politischer Gegner) sowie zwei versuchte Tötungsdelikte. Rechtsextremistische Bestrebungen 81 Bei den Gewalttaten ist ein Rückgang von rund 15 % zu verzeichRückgang der nen. Die Gesamtzahl der erwiesenen oder zu vermutenden rechtsGewalttaten, extremistisch motivierten Gesetzesverletzungen stieg jedoch geaber Anstieg der sonstigen genüber dem Vorjahr um rund 37 %. Ursächlich für den Rückgang Gesetzesder Gewalttaten dürften die konsequenten staatlichen Maßnahmen verletzungen gegen rechtsextremistische Gewalttäter sein. Der Anstieg um rund 37 % bei den übrigen Gesetzesverletzungen dürfte im wesentlichen auf der Aufhellung des Dunkelfeldes durch polizeiliche Maßnahmen und einer erhöhten Anzeigenbereitschaft der Bevölkerung, z. B. bei Hakenkreuzschmierereien, beruhen. 2. Terroristische21 und andere Gewaltakte mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 2.1 Ursachen rechtsextremistischer Gewalt Mit den Ursachen von Gewalt und insbesondere von fremdenfeindlicher/rechtsextremistischer Gewalt befaßten sich 1993 zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Forschungsprojekte, Sachverständige und Gremien. Deren Feststellungen sollen durch die folgenden Darlegungen weder zusammengefaßt noch relativiert werden; vielmehr sollen Ergebnisse und Eindrücke aus der Beobachtungstätigkeit der Verfassungsschutzbehörden wiedergegeben werden. Festgestellt wurden besonders häufig: Gewalt liegt Ursachenbündel Verlust sozialer Bindungen und Wertvorstellungen, Orientierungszugrunde und Perspektivlosigkeit, Intoleranz und überzogenes Anspruchsdenken. Gerade davon betroffenen jungen Menschen vermittelt die Gruppe Anerkennung, Sicherheit und Selbstbewußtsein ("WirGefühl"). Das gilt besonders für martialisch auftretende Banden und Neonazioder Skinheadgruppen. Hinzu tritt eine herabgesetzte Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden. Dem liegt auch ein durch unkritische Gewaltdarstellungen in den Medien bedingter Abstumpfungsprozeß zugrunde. Für Kinder und Jugendliche entsteht häufig der Eindruck, daß der Einsatz von Gewalt eine normale Handlungsform sei und dauerhaften Erfolg verspricht - ein Eindruck, der durch eigene Erfahrungen der Jugendlichen gestärkt werden kann. Die Hemmschwelle wird im Vorfeld rechtsextremistischer Gewalttaten durch Alkoholkonsum, gewaltverherrlichende stimulierende Musik, Texte und Hefte mit rechtsextremistischen Inhalten sowie gruppeninterne Eskalationsprozesse weiter gesenkt. Aus Treffen an bevorzugten Plätzen wie in Parkanlagen, Gaststätten, Diskotheken oder privaten Wohnungen entwickeln sich als Ergebnis kollektiver Stimulierung und Enthemmung - situationsund 82 Rechtsextremistische Bestrebungen anlaßabhängig - rechtsextremistische, meist fremdenfeindliche, gewalttätige Aktionen. Es besteht Einigkeit darüber, daß der Gewaltbereitschaft Jugendlicher, also auch der rechtsextremistischen Gewalt, ein Ursachenbündel zugrunde liegt. Das rechtsextremistischen Ideologien immanente Hochstilisieren eigener und Abqualifizieren "fremder" Gruppen sowie die Benennung von Sündenböcken und Prügelknaben kanalisieren Frustrationen und Sozialängste leicht in bestimmte Richtungen. Persönliche Enttäuschungen wirken zusammen mit tatsächlichen oder vermeintlichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Mißständen. Existentielle Ängste wie z. B. vor Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot waren seit eh und je Auslöser militanter rechtsextremistischer Geisteshaltungen. 2.2 Entwicklung im Jahr 1993 Rückgang der Das Ausmaß erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistiGewalttaten in der scher, insbesondere fremdenfeindlicher Gewalttaten war auch 1993 zweiten bedrohlich groß. Der Aufwärtstrend setzte sich jedoch nicht mehr Jahreshälfte fort. Zu Anfang des Jahres war bereits ein Rückgang im Vergleich zum Herbst 1992 festzustellen. Allerdings lag die Zahl der Gewalttaten bis einschließlich Juli noch über der Vorjahreszahl. Ausgelöst durch den Brandanschlag in Solingen am 29. Mai, stieg sie sogar kurzfristig erheblich an. Der Anschlag, der das Leben von fünf türkischen Frauen und Kindern forderte, entfaltete aber keinen den Ereignissen von Hoyerswerda (1991) oder Rostock (1992) vergleichbaren längerfristigen Nachahmungsschub. Auch das befürchtete Aufschaukeln von Gewalt zwischen Rechtsextremisten und türkischen Mitbürgern blieb weitgehend aus. Nach dem Abklingen der Nachahmungstaten (nach Solingen) lag die Zahl der Gewalttaten ab September erstmals unter den Vergleichszahlen der beiden Vorjahre. Staatliche Die entschiedenen Gegenmaßnahmen - angefangen von den VerMaßnahmen einsverboten und ihrer konsequenten Durchsetzung bis hin zur strikverunsichern die ten Anwendung der Strafnormen und dem zügigen Abschluß von "Szene", beseitigen aber Gerichtsverfahren mit zum Teil hohen Strafen - haben Wirkung nicht die Ursachen gezeigt (vgl. Kap. II). Die "Szene" ist verunsichert. Dies trug erhebder Gewalt lich dazu bei, daß Nachahmungseffekte in dem Ausmaß der Jahre 1991 und 1992 vermieden werden konnten. Auch die Beendigung der sehr kontrovers ausgetragenen Asyldebatte trug zum Abflauen der Gewaltwelle bei. Dies konnte jedoch ebensowenig wie die repressiven Maßnahmen die Ursachen der Gewalt beseitigen. Rechtsextremistische Bestrebungen 83 2.3 Statistik der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 2.3.1 Übersicht Im Jahre 1993 wurden beim Bundesamt für Verfassungsschutz 2.232 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation erfaßt. Sie schlüsseln sich wie folgt auf: Schwerwiegende Taten wurden seltener als im Vorjahr verübt. Die Rückgang Zahl der Todesopfer ging von achtzehn auf sieben zurück. Die Zahl insbesondere bei der Sprengstoffanschläge verringerte sich von vierzehn auf drei. InsBrandund Sprengstoffanschlägen besondere die Zahl der Brandanschläge reduzierte sich erheblich von 699 auf 311. Insgesamt weisen die Gewalttaten allerdings den zweithöchsten Stand seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland auf. In den letzten zehn Jahren zeigte sich eine Steigerung um das 24fache. 2.3.2 Tötungsdelikte Drei rechtsextremistische Gewaltaktionen führten 1993 zum Tod Gewalttaten von sieben Menschen"1. Opfer waren sechs Ausländer und eine Perfordern sieben son, die von den Tätern als "Linker" angesehen wurde. Menschenlebei "' Außerdem wurden 20 versuchte Tötungsdelikte bekannt. 84 Rechtsextremistische Bestrebungen Entwicklung der Gewalttaten 2639 m 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 In allen Fällen konnten die Tatverdächtigen (insgesamt 13 Personen im Alter von 16 bis 24 Jahren) ermittelt werden. In einem Fall wurden die Täter bereits verurteilt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Zumindest einer der Täter bzw. Tatverdächtigen war als ehemaliges Mitglied der "Deutschen Volksunion" (DVU) bekanntgeworden. Drei weitere hatten bereits Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund begangen. Die Fälle im einzelnen: - Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen der rechtsextremistischen und der "linken" Szene am 20. Februar in Hoyerswerda wurde der Fahrer einer Heavy-Metal-Band von Rechtsextremisten so schwer verletzt, daß er am 26. Februar starb. Die Täter, von denen zumindest einige der Skinheadszene angehörten, hatten den Kleintransporter der Band umgestürzt, wobei der mit Tritten und Schlägen traktierte Fahrer unter das Fahrzeug geriet. Gegen sieben Tatverdächtige ergingen Haftbefehle. Drei von ihnen waren bereits durch Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund hervorgetreten. Einer der Tatverdächtigen beging in der Arrestzelle Selbstmord. Die angespannte Atmosphäre zwischen Rechtsund Linksextremisten in Hoyerswerda wurde durch diese Tat weiter aufgeheizt. - In Mülheim an der Ruhr starb am 9. März ein 56jähriger Türke unmittelbar nach einer Auseinandersetzung mit zwei Deutschen, vermutlich an einem Herzinfarkt. Die Täter hatten ihn als "Asylant" und "Scheiß-Türke" beschimpft, zu Boden gestoßen, mit einer geladenen Gaspistole auf ihn gezielt und dreimal den Abzug Rechtsextremistische Bestrebungen 85 betätigt. Die Waffe hatte jedoch versagt. Bei den Tätern handelte es sich um den Auszubildenden Andre E. (21) und den Arbeitslosen Mario W. (21), die beide den REP angehörten und bereits wiederholt strafrechtlich hervorgetreten waren. Das Landgericht Duisburg verurteilte die Täter am 17. September wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu jeweils vier Jahren Freiheitsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. - Bei einem Brandanschlag auf ein von türkischen Mitbürgern bewohntes Mehrfamilienhaus am 29. Mai in Solingen fanden zwei Frauen und drei Kinder den Tod. Sieben weitere Personen erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Der Brandanschlag löste bei rechtsextremistischen Tätern einen bedrohlichen Nachahmungseffekt aus. Nach der Tat kam es in mehreren deutschen Großstädten zu Ausschreitungen türkischer Staatsangehöriger. In einigen Fällen deutete sich der Beginn eines Aufschaukelungsprozesses an. Vier Tatverdächtige aus Solingen befinden sich in Untersuchungshaft. Als Hauptverdächtiger gilt ein 16jähriger Hauptschüler. Er hatte vor der Tat gegenüber Mitschülern angekündigt, daß er das "Türkenhaus" demnächst zusammen mit Skinheads abbrennen werde. Den Ermittlungen zufolge traf er vor der Tat zufällig mit den drei übrigen Beschuldigten, einem 16jährigen Schüler, einem 20jährigen Wehrpflichtigen und einem 23jährigen Arbeitslosen zusammen. Als diese dann von einer Auseinandersetzung mit Ausländern berichteten, soll er die Tat vorgeschlagen haben. Den dafür verwendeten Kraftstoff sollen die Täter an einer Tankstelle besorgt haben. 86 Rechtsextremistische Bestrebungen 2.3.3 Zielrichtungen der Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 2.3.3.1 Fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten Die weitaus meisten Gewalttaten (1.609, 1992: 2.277) richteten sich erneut gegen Fremde*'. Der Anteil dieser Gewalttaten ging auf rund 75 % zurück (1992: rund 86 %). Gewalttaten gegen Türken waren als größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Türken Deutschland schon in den achtziger Jahren Hauptfeindbild militanter Rechtsextremisten. Nicht offene Ausschreitungen gegen Asylbewerberheime, sondern heimliche Anschläge auf Ausländerunterkünfte waren 1993 neben spontanen Angriffen auf Einzelpersonen charakteristisch für die fremdenfeindlichen Gewalttaten. In den neuen Ländern wurden auch Angehörige und Einrichtungen der GUS-Streitkräfte angegriffen. Beispiele für fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten: - In Lüneburg (Niedersachsen) schoß in der Nacht zum 24. Oktober ein 45jähriger Deutscher nach einer Auseinandersetzung mehrmals in eine Gruppe von Ausländern. Dabei verletzte er einen Libanesen durch einen Schuß in den Rücken lebensgefährlich. Der Tatverdächtige wurde in Untersuchungshaft genommen. - In Oberhof (Thüringen) wurden am 29. Oktober vor einer Diskothek zwei dunkelhäutige Mitglieder der US-amerikanischen RennAuf die Tötungsdelikte unter Nr. 2.3.2 wird hingewiesen. Rechtsextremistische Bestrebungen 87 rodelmannschaft belästigt. Im Zuge der Auseinandersetzung wurde ein dritter Amerikaner körperlich mißhandelt. Bei der Festnahme der Tatverdächtigen rief einer von ihnen "Sieg Heil"'1. In Küssaberg-Rheinheim (Baden-Württemberg) warf ein 23jähriger Deutscher am 7. November einen Brandsatz in einen von Kurden bewohnten Wohncontainer. Der Container brannte aus. Es entstand Sachschaden von rund 200.000 DM. Die Bewohner konnten rechtzeitig ins Freie flüchten. 2.3.3.2 Antisemitisch motivierte Gewalttaten In 72 (1992: 65) Fällen hatten Gewalttaten mit erwiesener oder zu Geringer Anstieg vermutender rechtsextremistischer Motivation eine antisemitische antisemitisch Zielrichtung. motivierter Gewalttaten In zehn Fällen richtete sich die Tat gegen Personen, wobei die Täter oft Passanten oder andere offenbar zufällig ausgewählte Opfer mit antisemitischen Parolen angriffen. Beispiele: - In Freiburg (Baden-Württemberg) griffen am 28. Mai sieben jugendliche Rechtsextremisten einen Radfahrer an und versetzten ihm Fußtritte und Faustschläge. Dabei beschimpften sie das Opfer mehrmals als "Judenschwein", riefen "Heil Hitler" und zeigten den Hitlergruß. ' Zwei an der Tat Beteiligte wurden am 17. Januar 1994 vom Amtsgericht Suhl wegen Körperverletzung zu Jugendstrafen von zwei Jahren und acht Monaten (wobei eine frühere Verurteilung einbezogen wurde) bzw. einem Jahr verurteilt. 88 Rechtsextremistische Bestrebungen - In Marl (Nordrhein-Westfalen) trat am 6. Juli ein 18jähriger Schüler unter Alkoholeinfluß auf einen schlafenden Obdachlosen ein. Nach Aussage einer Zeugin bezeichnete er ihn als "Judensau" und sagte: "Für das alte Schwein bezahle ich Geld". In den übrigen Fällen wurden überwiegend jüdische Grabstätten geschändet. So wurde allein der älteste jüdische Friedhof in Worms (Rheinland-Pfalz) zweimal in diesem Jahr verwüstet. 2.3.3.3 Gewalttaten gegen politische Gegner und deren Treff orte Kampf gegen den Der Kampf gegen den politischen Gegner gewinnt im rechtsextrepolitischen mistischen Lager immer größere Bedeutung. Unter dem SchlagGegner verschärft wort "Anti-Antifa" begann eine informationelle Vernetzung von Neonazis, die zu einer neuen Qualität rechtsextremistischer Anschlagsplanungen führen könnte. Ende 1993 erschien eine Schrift mit dem Titel "DER EINBLICK - Die nationalistische Widerstandszeitschrift gegen zunehmenden Rotfrontu. Anarchoterror". Sie enthält eine ausführliche und nach Regionalbereichen gegliederte Sammlung von Namen, Adressen und Anlaufstellen von politischen Gegnern, so u. a. von Angehörigen der "Antifa"-Szene, der Gewerkschaften, der Partei "Die Grünen" und der SPD. Hierzu schreiben die Verfasser u. a.: Rechtsextremistische Bestrebungen 89 "(. . .) Es nützt uns nichts, wenn wir uns an den vielen Adressen erfreuen, die wir hier veröffentlichen. Diese Veröffentlichungen müssen entsprechende Konsequenzen für unsere Gegner haben. (. . .) Wir dürfen nie vergessen, daß wir ALLE vereint bedroht, angegriffen, verletzt und ermordet werden. Laßt uns deshalb auch ALLE gemeinsam - jeder nach seiner eigenen persönlichen Kraft - die kriminellen Gegner entlarven und sie mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln bestrafen." Ungewöhnlich sind vor allem der Umfang der Datensammlung sowie die Tatsache, daß die Schrift der Presse zugespielt wurde und damit große Publizität erlangte. Die Urheberschaft des über eine Postfachadresse in Dänemark verbreiteten Blattes ist noch nicht endgültig geklärt31. Das Erstellen von Listen über politische Gegner durch Rechtsextremisten ist nichts Neues. Regelmäßig wurden solche Datensammlungen in der Öffentlichkeit als "Todeslisten" hochstilisiert. Im Ermittlungsverfahren gegen die rechtsterroristischen "Deutschen Aktionsgruppen" des ehemaligen Rechtsanwalts Manfred ROEDER (64) wurden beispielsweise 1980 Unterlagen über Namen von Personen des öffentlichen Lebens sichergestellt. 1982 erregte die Versendung einer solchen Liste mit Namen jüdischer Bürger und Organisationen in Deutschland und Österreich durch neonazistische Kreise großes Aufsehen (vgl. auch Kap. III, Nr. 2.4.3.3 und Kap. IV, Nr. 4 und 6). 157 (1992:106) Gewalttaten richteten sich gegen politische Gegner, davon 120 gegen "Linke" und 37 gegen zumindest vermeintlich Andersdenkende"'. Beispiele: - Am 8. Mai formierten sich vor dem als Treffpunkt der "Antifa" bekannten Jugendzentrum in Aurich (Niedersachsen) etwa 100 Neonazis und riefen: "Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Tod der Antifa". Die Neonazis kamen von einer Veranstaltung in Oldenburg (Niedersachsen) und waren mit Totschlägern, Gasrevolvern und Signalmunition ausgerüstet. Neonazis und "Antifa"-Anhänger bewarfen sich mit Steinen und beschossen sich mit Signalmunition. - In Groitzsch (Sachsen) überfielen am 22. Mai rund 20 Angehörige der rechtsextremistischen Szene etwa 15 Autonome. Sie schlugen mit Eisenstangen und Baseballschlägern auf diese ein und beschossen sie mit Luftdruckund Signalwaffen. Einer der Autonomen wurde schwer verletzt. "' Auf das Tötungsdelikt unter Nr. 2.3.2, erster Anstrich, wird hingewiesen 90 Rechtsextremistische Bestrebungen - In Borkheide (Brandenburg) griffen am 3. Juli Skinheads in der Absicht, "Linke aufzuklatschen", einen 17jährigen Mopedfahrer und dessen 15jährige Beifahrerin an und rissen sie von ihrem Fahrzeug. Der Fahrer wurde durch Messerstiche, Elektroschocks und Fußtritte verletzt. Bei einem der Haupttäter wurde Material der verbotenen rechtsextremistischen "Nationalistischen Front" sichergestellt41. - In Ilsenburg (Sachsen-Anhalt) griffen am 9. Juli 30 bis 40 Personen der rechtsextremistischen Szene zwei Jugendliche an, bewarfen sie mit Steinen, schlugen und traten auf sie ein. Eines der Opfer erlitt eine lebensgefährliche Schädelfraktur mit halbseitiger Lähmung. Gegen mehrere Tatverdächtige erging Haftbefehl. Die Beschuldigten waren mit der Absicht nach Hamburg gefahren, "Linke aufzuklatschen".51 2.3.3.4 Gewalttaten gegen Behinderte, Obdachlose, Prostituierte und Homosexuelle Weitere Angriffsziele waren wie in den Vorjahren Behinderte, Obdachlose, Prostituierte und Homosexuelle. Beispiele: - In einem Intercity zwischen Ingolstadt und München griffen am 16. Mai sechs Rechtsextremisten einen behinderten Fahrgast an. Drei von ihnen schlugen auf das Opfer ein und riefen dabei mehrmals "Sieg Heil". Die Täter führten einen Cassettenrecorder bei sich, auf dem sie Skinheadmusik abspielten. Schon vor der Tat hatten sie wiederholt "Wir sind rechtsradikal" und "Sieg Heil" gerufen und den Hitler-Gruß skandiert. - In Mering (Bayern) wurde Ende Juni/Anfang Juli eine Vorstandsangehörige eines Fördervereins für mehrfach behinderte Erwachsene wegen ihres Engagements für Behinderte wiederholt telefonisch bedroht. "Diese Kreaturen" hätten keine Lebensberechtigung und nur Adolf Hitler hätte gewußt, was man "mit ihnen anfangen müßte". Am 1. Juli wurde die Frau von einem unbekannten Jugendlichen geschlagen. Vier Tage später wurde in ihrem Garten ein Hakenkreuz geschmiert. 2.3.4 Urteile Die Gerichte sprachen 1993 hohe Freiheitsstrafen gegen rechtsextremistische Gewalttäter aus: - Das Oberlandesgericht Schleswig verurteilte am 8. Dezember die beiden Rechtsextremisten Michael P. und Lars C. wegen dreifachen Mordes, mehrfachen Mordversuches und besonders Rechtsextremistische Bestrebungen 91 schwerer Brandstiftung zu lebenslanger Haft bzw. zehn Jahren Jugendstrafe. Die beiden Täter hatten in der Nacht zum 23. November 1992 in Mölln (Schleswig-Holstein) Brandanschläge auf zwei von Türken bewohnte Häuser verübt. In einem der Häuser waren drei türkische Staatsangehörige - zwei 10 und 14 Jahre alte Mädchen und eine 51jährige Frau - ums Leben gekommen. Mehrere Personen hatten z. T. schwere Verletzungen erlitten. Lars C, der noch in der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann stand, schloß sich 1988 einer rechtsextremistischen Skinheadgruppe an. - Das Landgericht Stuttgart verurteilte am 13. Mai zwei 25 und 21 Jahre alte Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord zu lebenslanger Haft bzw. neun Jahren Gefängnis. Gegen zwei weitere Angeklagte wurden wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Freiheitsstrafen von jeweils sieben Jahren verhängt. Die Urteile sind rechtskräftig. Die Verurteilten waren am 8. Juli 1992 nach Abhören von Hitlerreden und Skinmusik stark alkoholisiert in ein Arbeiterwohnheim in Ostfildern-Kemnat (Baden-Württemberg) eingedrungen, um "Polacken zu klatschen". Sie erschlugen einen 55jährigen Kosovo-Albaner mit einem Baseballschläger und verletzten seinen Zimmergenossen lebensgefährlich. - Das Bezirksgericht Potsdam verurteilte am 8. Juli zwei Skinheads wegen Mordes zu Jugendstrafen von neun bzw. sieben Jahren. In einem abgetrennten Verfahren wurde ein weiterer Angeklagter, der ebenfalls der Skinheadszene angehört, am 16. September zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Täter hatten am 7. November 1992 in Lehnin (Brandenburg) einen 51jährigen Arbeitslosen schwer mißhandelt, mit Benzin übergössen, angezündet und in einen See geworfen. - Das Landgericht Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) verurteilte am 29. Juni sechs Jugendliche wegen gemeinschaftlich begangenen Mordversuchs, schwerer Körperverletzung, besonders schwerer Brandstiftung und versuchter schwerer Brandstiftung zu Freiheitsstrafen zwischen vier und siebeneinhalb Jahren. Sie hatten am 6. September 1992 zwei Brandanschläge auf Wohnungen von Vietnamesen in Halle verübt. Dabei waren mehrere Personen, darunter fünf Kinder und eine schwangere Vietnamesin, verletzt worden. Es war Sachschaden von rund 100.000 DM entstanden. - Das Landgericht Dresden verurteilte am 19. Februar die beiden Täter des Brandanschlages auf eine südamerikanische Gesangsund Folkloregruppe am 1. August 1992 in Pirna-Copitz (Sachsen) zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren. Bei dem Anschlag hatten die damals 17 und 18 Jahre alten Täter Brandsätze in einen Holzbungalow geworfen. Eines der schlafenden Opfer hatte schwere Brandverletzungen erlitten. 92 Rechtsextremistische Bestrebungen - Das Bezirksgericht Frankfurt/Oder verurteilte am 26. Juli einen 20jährigen Rechtsextremisten wegen versuchten Mordes zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren Jugendhaft. Das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt. Der Verurteilte hatte am 23. Oktober 1992 in Frankfurt/Oder mit einer Stichwaffe einen nigerianischen Asylbewerber schwer verletzt. Er war bereits wiederholt einschlägig hervorgetreten. So war er am 11. Juni 1991 an einem Überfall auf polnische Staatsangehörige in Frankfurt/Oder beteiligt, bei dem diese schwer mißhandelt worden waren. - Das Landgericht Berlin verurteilte am 22. Februar einen 22jährigen Skinhead wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer sechsjährigen Haftstrafe. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Verurteilte hatte am 29. August 1992 zwei Stadtstreicher mit einem Baseballschläger so schwer verletzt, daß eines der Opfer am 5. September 1992 seinen Verletzungen erlegen war. - Das Landgericht Münster verurteilte am 18. September zwei 27 und 22 Jahre alte Täter wegen gemeinschaftlich versuchten Mordes und versuchter Brandstiftung zu jeweils sechs Jahren Haft. Die Verurteilten hatten am 12. April versucht, mit acht Molotowcocktails das Asylbewerberheim in Lotte (NordrheinWestfalen) in Brand zu setzen. Kurz vor Entzünden der Lunte waren sie von Bewohnern entdeckt worden. - Das Landgericht Berlin verurteilte am 17. März einen 35jährigen Täter wegen Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen, Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Herstellung von Schußwaffen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten. Ein 29jähriger Mittäter erhielt wegen Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Die Urteile sind rechtskräftig. Die beiden Verurteilten hatten am Abend des 30. August 1992 einen Sprengsatz am jüdischen Mahnmal an der Putlitzbrücke in Berlin-Tiergarten gezündet, wodurch das Mahnmal erheblich beschädigt worden war. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Haupttäters waren zahlreiche Handund Faustwaffen, Munition verschiedenen Kalibers, Handgranaten, umfangreiche Komponenten zur Herstellung von Sprengsätzen, Chemikalien sowie militärische Sprengstoffe gefunden worden. - Das Bezirksgericht Frankfurt/Oder verurteilte am 12. Mai einen 22jährigen Skinhead wegen Landfriedensbruchs in besonders schwerem Fall und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Vorstrafen zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Täter hatte zusammen mit rund 60 Skinheads in Eberswalde (Brandenburg) in der Nacht zum 25. November 1990 mit Zaunlatten und Rechtsextremistische Bestrebungen 93 Baseballschlägern auf einen Angolaner und zwei Mosambikaner eingeschlagen. Der Angolaner starb am 6. Dezember 1990 an den Folgen. Eine Beteiligung an der Tötung des Angolaners konnte dem Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. - Das Landgericht Dresden verurteilte am 29. Oktober einen 19jährigen Rechtsextremisten wegen fahrlässiger Tötung und schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Der Verurteilte hatte am 31. März 1991 zusammen mit anderen rechtsextremistischen Jugendlichen einen Mosambikaner angegriffen. Dabei war dieser aus der fahrenden Straßenbahn gestürzt und hatte schwere Kopfverletzungen davongetragen, an denen er später verstarb. 2.4 Militante Rechtsextremisten 2.4.1 Übersicht Die Zahl der militanten Rechtsextremisten wurde Ende 1993 auf rund 5.600 Personen (neue Bundesländer: 2.600, alte Bundesländer: 3.000) geschätzt. Charakteristisch für die militante rechtsextremistische Szene waren wie in den Vorjahren strukturlose bzw. -arme Zusammenschlüsse von Jugendlichen, darunter vorwiegend Skinheads. Größere Tätergruppen waren bei weitem seltener als in den Vorjahren. In insgesamt 29 (1992: 208) Fällen waren jeweils mehr als 20 Personen an einzelnen Gewalttaten beteiligt. Die Mehrzahl dieser Taten (22) ereignete sich wie bereits 1992 (159) in den neuen Ländern. In einigen Fällen konnten Anhaltspunkte für eine stärkere OrganisieÜberwiegend kein rung der militanten Szene festgestellt werden. So wurde auch 1993 organisatorischer Zusammenhalt gegen einige kleinere Gruppierungen von Rechtsextremisten wegen des Verdachts der Bildung von terroristischen oder kriminellen Vereinigungen ermittelt. In einem Fall wurde Anklage erhoben. Angehörige der verbotenen "Nationalen Offensive" (NO) im Raum Witten werden beschuldigt, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben. Zweck der Vereinigung sei die Durchführung von zahlreichen fremdenfeindlichen Schmieraktionen gewesen. Einige der Beschuldigten sind auch verdächtig, weitere Straftaten, wie z. B. einen Angriff auf ein Asylbewerberheim, verübt zu haben. Künftig könnte der Aktionismus des "Anti-Antifa-Kampfes" die militante Neonaziszene in stärkerem Maße als bisher strukturell festigen (vgl. Kap. IV, Nr. 4). 94 Rechtsextremistische Bestrebungen 2.4.2 Analyse der mutmaßlichen Gewalttäter 1993 wurden dem Bundesamt für Verfassungsschutz 763 mutmaßliche Tatbeteiligte an Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation bekannt. Ihre Altersstruktur ergibt folgendes Bild: 1993 1992' 1991' unter 18 Jahren: 16,8% 23,9 % 21,2 % 1 8 - 2 0 Jahre: 39,1 % 43,3 % 47,8 % 21 - 3 0 Jahre: 36,5 % 29,9 % 28,3 % 31 - 4 0 Jahre: 4,9 % 2,5 % 2,2 % 41 Jahre u. älter: 2,7 % 0,4 % 0,5 % Den Prozentzahlen liegen für 1991 Angaben zu 1.088, für 1992 Angaben zu 1.397 mutmaßlichen Tatbeteiligten zugrunde. Anteil der Der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden ging um fast Jugendlichen und 10 % zurück und betrug 1993 rund 56 %. Dagegen stieg der AnHeranwachsenden t e i | d e r 21 bis 30jährigen um etwa 6,5 % auf rund 36,5 %. Über 30 Jahre alt waren rund 7,5 % (1992: 2,9 %). Ursächlich für den Rückgang bei Jugendlichen und Heranwachsenden könnte sein, daß 1993 keine größeren Ausschreitungen des Ausmaßes von Hoyerswerda (1991) und Rostock (1992) Jugendliche zum Mitmachen oder Nachahmen animierten. Der Anteil der Frauen unter den mutmaßlichen Gewalttätern ging um rund 1 % zurück. 1993 1992'1 1991"' männlich: 96,4 % 95,3 % 97% weiblich: 3,6 % 4,7 % 3% ' Den Prozentzahlen liegen für 1991 Angaben zu 1.088, für 1992 Angaben zu 1.397 mutmaßlichen Tatbeteiligten zugrunde. Die Berufsstruktur gliedert sich wie folgt: 1991 -1993' 1 Schüler, Studenten, Auszubildende 33,6 % Facharbeiter, Handwerker 28,7 % ungelernte Arbeiter 11,3 % Angestellte 5,6 % Soldaten einschl. Wehrpflichtige 7,9 % Arbeitslose 11,3 % Sonstige Berufe 1,6 % ' Den Prozentzahlen liegen Angaben zu 494 Personen zugrunde. Rechtsextremistische Bestrebungen 95 Die weitaus größte Zahl der Tatverdächtigen befand sich noch in der Ausbildung. Bei den Erwerbstätigen machen Facharbeiter und ungelernte Arbeiter den größten Anteil der Gewalttäter aus. Zu 153 (rund 23 %) der namentlich bekannten Tatbeteiligten lagen Rechtsextremistibereits verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse vor: scher Vorlauf der Tatbeteiligten - 107 Personen - davon zumindest 46 Skinheads - waren zuvor mindestens einmal an einer rechtsextremistisch motivierten Gewalttat beteiligt; - 28 Personen - davon zumindest 11 Skinheads - hatten bereits rechtsextremistisch motivierte Straftaten ohne Gewaltanwendung (z. B. Propagandadelikte) verübt; - 34 Personen - davon zumindest 19 Skinheads - waren wegen Mitgliedschaften oder sonstigen Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen bekanntgeworden, so z. B. zur "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) sowie zu den Ende 1992 verbotenen Organisationen "Deutsche Alternative" (DA) und "Nationalistische Front" (NF). 2.4.3 Rechtsextremistische Skinheads Die uneinheitliche Skinheadszene war auch 1993 im wesentlichen rechtsextremistisch geprägt. In kaum wahrzunehmender Minderheit blieben dagegen (nichtextremistische) "Oi-Skins", (antirassistische) "SHARP-Skins" und ("linke") "Red-Skins". Die rechtsextremistische Skinheadszene befindet sich aufgrund der Outfit der nachdrücklichen und umfangreichen Exekutivmaßnahmen (vgl. Skinheads ändert Kap. II, Nr. 3) in einer Phase der Neuorientierung. Extremer Kurzsich, nicht aber deren Einstellung haarschnitt, Tätowierungen, Jeans, Hosenträger, Doc-MartensStiefel, Bomberjacke und T-Shirt sind nicht mehr zwingendes "Outfit" der Skinheads. Aus taktischen Gründen passen sich viele Skinheads zunehmend dem äußeren Erscheinungsbild von Normalbürgern an. Dieses optische Abtauchen schützt vor Angriffen durch "Linke" oder Ausländergruppen und vermeidet Probleme mit Arbeitgebern und Vermietern. Außerdem hoffen die Skinheads, sich auf diese Weise den Ermittlungen der Polizei entziehen zu können. Ein Teil der "Szene" entwickelte sich auf diese Weise zu "Feierabendskins", gekennzeichnet durch ein bürgerliches Habit im Beruf und eine situationsabhängige Aufmachung in der Freizeit. An der Einstellung der Skinheads veränderte sich dadurch nichts. Auch für die inzwischen gemäßigtere Propaganda rechtsextremistischer Skinheads scheinen taktische Gründe maßgeblich zu sein. Das zu Lasten anderer ausgelebte Gemeinschaftsgefühl, stimulierende Stakkato-Musik mit aggressiven rechtsextremistischen Texten und exzessiver Alkoholkonsum münden bei Skins auch weiterhin regelmäßig in Gewalt gegen Fremde und Andersdenkende. 96 Rechtsextremistische Bestrebungen Gegen die Mitglieder von sieben Skinhead-Bands, drei Herausgeber von Fanzines und einen Tonträger-Versandhändler ergingen 1993 Strafurteile wegen Aufstachelung zum Rassenhaß, Volksverhetzung und Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen61. Erstmals wurden bei derartigen Verurteilungen auch Freiheitsstrafen verhängt, so gegen den Herausgeber des Fanzines "Der Aktivist" und gegen Musiker der Bands "Kraftschlag", "Störkraft", "Tonstörung" und "Kroizfoier". Auch die Indizierungen gewaltverherrlichender oder zum Rassenhaß aufstachelnder Musik und Schriften (vgl. Kap. II, Nr. 3) beeinflußten die Neuerscheinungen. Über 100 Skinheadtonträger und -Schriften wurden seit den 80er Jahren indiziert, davon allein fast 90 im Jahre 1993. 2.4.3.1 Skinhead-Bands Verfolgungsdruck Die genannten Polizeimaßnahmen und Gerichtsurteile sind vor zeigt Wirkung bei allem bei den Skinbands nicht ohne Wirkung geblieben. Mehrere Skinhead-Bands rechtsextremistische Bands haben sich aufgelöst, ihre Aktivitäten eingestellt oder von rechtsextremistischen Liedtexten Abstand genommen. Die Skinbands "Radikahl", "Stuka", "Störkraft" und "Tonstörung" distanzierten sich - vermutlich aus taktischen Erwägungen - im Verlauf von Strafprozessen von früheren Songs. Ferner gab es Anzeichen für eine "freiwillige Selbstkontrolle". Einige Bands sind dazu übergegangen, sich vor der Veröffentlichung neuer Titel juristisch beraten zu lassen. Dennoch erschienen 1993 Songs mit eindeutig rechtsextremistischen Inhalten. So ruft die Band "Brutale Haie" aus Erfurt in ihrem "Doitschlandlied" zum Kampf gegen Ausländer auf: "Deutschland, dir gilt mein Herz, ich bin stolz, hier zu leben, den Kampf für die Gerechtigkeit werden wir nie aufgeben, Ausländer haben sich eingeschlichen, wir sind außer Rand und Band. Ihr braucht doch nicht hier zu leben, zieht doch in Euer Kanakenland. Refr.: Wir wollen Deutschland sauber und rein, wir wollen Deutschland nur für uns allein, wir wollen Deutschland sauber und rein, wir wollen Deutschland, nur so muß es sein." (CD "Doitschtum", 1993, indiziert, BAnz. Nr. 224 vom 30. November 1993) Ähnlich gewaltorientiert und ausländerfeindlich ist ein Titel der Skinhead-Musikgruppe "Legion Condor" aus Radevormwald (Nordrhein-Westfalen). Rechtsextremistische Bestrebungen 97 "aber schließlich steht Deutschlands Zukunft auf dem Spiel, also laßt uns endlich was dagegen tun, unsere Waffen dürfen nicht mehr länger ruhn. Durch die Kanaker ist Deutschland in großer Not, aber sie kriegen uns niemals tot, denn wir nehmen die Waffen in unsere Hand und kämpfen für unser Vaterland." (MC "Stolzdoitsch Demo", 1993, ein Indizierungsantrag ist gestellt) Nationalsozialistisches und rassistisches Vokabular findet sich im Repertoire der Skinband "Landser" aus Berlin: "Oft hole ich die alten Fotos vor, vom Fackelzug durchs Brandenburger Tor, braune Kolonnen, lodernder Schein, genauso wirds bald wieder sein, wenn all die Not ein Ende hat für Großdeutschlands Reichshauptstadt." "Aber nicht mehr lange, dann seid ihr dran (?), dann gibts auch hier den Ku-Klux-Klan, wenn in der Nacht die Kreuze brennen, dann könnt ihr stinkenden Kaffer um euer Leben rennen." (Auszüge aus "Berlin bleibt deutsch" und "Nigger"; MC "Das Reich kommt wieder", 1993, indiziert, BAnz. Nr. 224 vom 30. November 1993) Den alten Denkmustern verhaftet blieb von der Namensgebung bzw. ihren Musiktiteln her u. a. auch die Band "Oithanasie", die 1993 mit der LP "Volkstreu" "alle (. . .) inhaftierten Kameraden" grüßte. 2.4.3.2 Skinheadkonzerte Konspiration bei Die Mehrzahl der 1993 angekündigten Konzerte kam aufgrund von der Planung von staatlichen Zugriffen über das Planungsstadium nicht hinaus, wurde Konzerten 98 Rechtsextremistische Bestrebungen abgesagt oder verboten. Die Organisatoren reagierten mit konspirativen Verhaltensweisen. So gingen die Veranstalter immer häufiger dazu über, die jeweiligen Konzerte bei den zuständigen Behörden nicht mehr anzumelden oder sie beispielsweise als Verlobungsund Geburtstagsfeier oder musikalisches Grillfest zu tarnen. Die Veranstaltungstermine wurden kurzfristig und nur "Insidern" per Telefon oder Mundpropaganda bekanntgegeben. Orte der Veranstaltung waren bevorzugt private Grundstücke und Räumlichkeiten. Ausweichörtlichkeiten wurden eingeplant. Die anreisenden Teilnehmer wurden vorab lediglich über die Treffpunkte (Autobahnrastplätze, Bahnhöfe) informiert und von dort zum eigentlichen Veranstaltungsort weitergelotst. Diese Maßnahmen erschwerten allerdings den Fans die Teilnahme an den Konzerten. Die Besucherzahlen gingen zurück. Das für die "Szene" mit Abstand bedeutendste Konzert fand am 19. Juni in Prieros bei Königs Wusterhausen (Brandenburg) mit etwa 700 bis 900 Teilnehmern statt. Dort traten die deutschen Gruppen "Frontal", "Brutale Haie" und "Eibsturm" sowie die britische Band "Close Shave" auf. Öffentliche Beachtung fand ein für den 21. August in Pritzerbe bei Brandenburg geplantes Skinkonzert mit Bands aus dem Inund Ausland. Es wurde verboten. Ein starkes Polizeiaufgebot verhinderte die kurzfristige Verlegung der Veranstaltung in die Nähe von Staßfurt (Sachsen-Anhalt). Insgesamt wurden rund 170 Skinheads vorläufig in Gewahrsam genommen, darunter die vier Mitglieder einer englischen Band. Die Polizei beschlagnahmte Messer, Baseballschläger und Schreckschußwaffen. 2.4.3.3 Skinhead-Fanzines Auswirkungen Bei den Herausgebern und Vertreibem der Fanzines (Fan-Magazine) repressiver reichten die Reaktionen auf das staatliche Vorgehen von einer (vorMaßnahmen läufigen) Einstellung einschlägiger Aktivitäten über ein vorsichtiges Taktieren bis hin zu markigen Durchhalteparolen. So teilte die Herausgeberin des Fanzines "Schlachtruf" nach einer am 21. September erfolgten polizeilichen Durchsuchung in einem Flugblatt mit, daß sie die Herausgabe ihres Fanzines einstellen werde. Das System habe es erneut geschafft, durch steten Terror und Pressehetze eine Zine verschwinden zu lassen. Sie erwarte enorme Anwaltskosten, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und eine nicht geringe Haftstrafe. Sollte allerdings noch einmal alles relativ glimpflich abgehen, werde sie im nächsten Jahr eventuell ein neues Zine herausgeben. Rechtsextremistische Bestrebungen 99 Andere Herausgeber und Vertreiber von Fanzines signalisierten Kampfbereitschaft: "Zusammenhalt, Treue, Vernunft führen zum Sieg. Kein Durcheinander, sondern nur ein Miteinander. Es lebe die nationale Solidarität". (ESV-Katalog, Juni 1993) "Diverse Probleme mit Beamten machten uns das leben für 'ne kurze Zeit schwer (. . .) Einige haben uns schon totgeschrieben ;nneDen gehabt; aber daran ist nichts wahr - wir geben niemals auf! <* ("Skull Records" - Gesamtkatalog Nr. 1/93) "Wir müssen jetzt eine Front bilden (. . .) Wir müssen diesem korrupten und dekadenten System zeigen, daß wir uns niemals beugen werden!" (Rundbrief des Herausgebers des Fanzines " Der Aktivist") "(. . .) trotz Verfolgungen, Indizierungen, Verboten jetzt erst recht (. . .)." ("United Skins" Nr. 6, Titelblatt) Abgesehen hiervon war jedoch festzustellen, daß die Textund Bildgestaltung der rechtsextremistischen Fanzines und Versandkataloge gegenüber früher wesentlich zurückhaltender war. Eine Ausnahme machte das Mitte 1993 erstmals erschienene Fanzine "Brauner Besen". Mit seinen Texten und Zeichnungen ist es ein Musterbeispiel für rassistische, antisemitische und nationalsozialistische Agitation. Beispiele: "Der Braune Besen ist allen politisch Aktiven gewidmet, die von diesem Scheiß Judenstaat unterdrückt und verfolgt werden!" "Dieser Staat denkt doch wirklich, er kann uns unseren Glauben an das Reich nehmen, aber wir wissen es besser!" ("Brauner Besen" Nr. 1, S. 2) Das Fanzine "Der Bunker" (Nr. 3/93) enthält eine Spielart der "AntiAntifa "-Kampagne (vgl. Kap. IV, Nr. 4) im Skinheadbereich. Unter dem Motto "Stoppt ANTIFAtzke" werden Adressen politischer Gegner veröffentlicht und zu Telefonterror ("Er ist sehr erfreut über Eure Anrufe") und Sabotage ("Bestellt Euch doch einmal Ihren Katalog (. . .) so haben diese Leute 'ne Menge Unkosten.") aufgerufen. 100 Rechtsextremistische Bestrebungen 3. Übersicht zu den Gesetzesverletzungen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation Im Jahre 1993 wurden insgesamt 10.561 Gesetzesverletzungen" (1992: 7.684) mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation bekannt. Sie schlüsseln sich nach Deliktarten wie folgt auf: I 2756 1992 1993 *) Die Zahl für 1993 enthält vollendete und versuchte Tötungsdelikte. (3 vollendete, 20 versuchte Tötungsdelikte) **) 1992 wurde der Tatbestand Landfriedensbruch nicht gesondert erfaßt. 3.1 Fremdenfeindlich motivierte Gesetzesverletzungen Von den 10.561 (1992: 7.684) Gesetzesverletzungen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation hatten 6.721 (rund 64%) fremdenfeindliche Bezüge (1992: 5.008/rund 65%). Das folgende Schaubild vermittelt einen Überblick über die 1993 bekanntgewordenen fremdenfeindlichen Gesetzesverletzungen, verteilt nach Deliktarten: In dieser Zahl sind alle Verstöße gegen Gesetze enthalten, auch die 2.232 Gewaltakte, vgl. dazu Kap. III, Nr. 1. Rechtsextremistische Bestrebungen 101 *} Die Zahl für 1993 enthält vollendete und versuchte Tötungsdelikte. (2 vollendete, 18 versuchte Tötungsdelikte) 1992 wurden versuchte Tötungsdelikte nicht gesondert erfaßt. **) 1992 wurde der Tatbestand Landfriedensbruch nicht gesondert erfaßt. Das folgende Schaubild vermittelt einen Überblick über die fremdenfeindlichen Gesetzesverletzungen in den Ländern: 2500-, 2348 Verteilung der fremdenfeindlich motivierten Gesetzesverletzungen auf die Länder 20001500 - 1000791 644 j 577 --a 523 500- 1 367 35 0 243 235 HfiÜ 210 B f i j ^ (tm) " U3 dei Li bluten die UdSSR rar g&r '* NPD 128 Rechtsextremistische Bestrebungen Die INDIANER | Einwanderung nicht. | H e u t e leben sie in RESERVATEN! NPD Natlonaldcmokratlsche Panel Deutschlands Unter der Überschrift "Aufstachelung zum Rassenhaß - gegen Deutsche!" agitierte der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Thomas SALOMON (41) gegen Asylbewerber: "Offensichtlich muß Deutschland für die Umwandlung zu einem Völkerschmelztiegel psychologisch so massiert werden, daß sich keine Widerstände mehr regen. Da die über Jahrzehnte kriminalisierte böse deutsche Vergangenheit als Rohrstock zur Charakterwäsche nicht mehr langt, sind die Ausländer, insbesondere die Asylbetrüger, zur neuen Hätschelmasse der Medien aufgestiegen." ("Zündstoff" 1/93, S. 9) Noch nie war Urlaub so preiswert wie heute! Rechtsextremistische Bestrebungen 129 Ihre antisemitische Agitation verbindet die NPD mit der Relativerbindet ihre vierung der NS-Verbrechen. Unter der Überschrift "Auschwitz abantisemitische reißen" polemisiert sie gegen die Absicht der Bundesregierung, Polemik mit der Relativierung der das verfallende Konzentrationslager Auschwitz mit deutscher FiNS-Verbrechen, nanzhilfe zu erhalten: "Wir nordrhein-westfälischen Nationaldemokraten würden Verständnis haben, wenn mit deutschen Steuermitteln ein Abbruchunternehmen mit großer Abrißbirne finanziert würde, damit der Ort, der die Quelle von Erniedrigungen und Erpressungen von Juden und Deutschen ist, beseitigt wird, so daß nicht weiterhin die Herzen nachwachsender Generationen von Juden und Deutschen durch eine Holocaustlegende vergiftet werden könnten." ("Deutsche Zukunft" 4-5/93, S. 15) Einen weiteren Schwerpunkt der verfassungsfeindlichen Hetze polemisiert gegen bildet die angeblich deutschfeindliche Politik der Siegermächte des die angeblich deutschfeindliche Zweiten Weltkrieges: Politik der Siegermächte "Das Faß der deutschfeindlichen siegermachtsdemokratischen des Zweiten Politik ist übergelaufen. Durch infame Verleumdung, nach Muster Weltkrieges sowie der 'Reeducation' (Umerziehung) der 45er Siegermächte, ist die Denkweise im Volk nicht mehr zu ändern. Die Volkswut bleibt, das beweist die Fortsetzung der Brandanschläge. Krampfhaft versucht die Propaganda der Siegermachtsdemokraten von den Problemen, die sie selbst verursacht haben, abzulenken. Das Volk hat die Ursachen erkannt und zeigt Wirkung." ("Deutsche Zukunft" 6-7/93, S. 19) EG und NATO werden als "Instrumente der internationalen Diszigegen die EG und plinierung und Fremdbestimmung der Deutschen" abgelehnt371. die NATO "Wir fordern (. . .) die Kündigung der EGund Montan-Knebelungsverträge, die Deutschland fremden Wirtschaftsinteressen ausliefern (. . .)" (DSt 3/93, S. B) 130 Rechtsextremistische Bestrebungen 3.2 Teilnahme an Wahlen Schwere NiederDie NPD beteiligte sich nur an den Kommunalwahlen in Hessen lage der NPD in am 7. März. Das Wahlergebnis in Frankfurt/M. bedeutete für die Frankfurt/M. bei Partei eine schwere Niederlage. Angesichts der Konkurrenz von den hessischen Kommunalwahlen REP und DVU erhielt sie nur 0,9 % der Stimmen und verlor alle Sitze im "Römer" (1989 hatte sie mit 6,6 % noch 7 Sitze im Stadtparlament erreicht). Punktuelle Erfolge erzielte sie bei den Gemeindewahlen. Landesweit konnte sie die Zahl ihrer Mandate - vor allem wohl aufgrund der nicht überall kandidierenden REP - von 29 auf 43 erhöhen. Ihr bestes Ergebnis erzielte die NPD mit 20,9 % in Wölfersheim (Wetteraukreis), wo ein im Gemeindeund Vereinsleben engagierter Aktivist für die Partei angetreten war. 3.3 Organisation Geringer OrganiDie NPD verfügt bundesweit über 15 Landesverbände, Berlin und sationsgrad der Brandenburg bilden einen gemeinsamen Landesverband. Der OrgaNPD in den neuen nisationsgrad in den neuen Ländern ist schwach. Die Partei verfügt Bundesländern dort über eine Reihe von Kreisverbänden, schwerpunktmäßig in Sachsen. Mitgliederzahl Die Mitgliederzahl der Partei blieb mit rund 5.000 im Vergleich zu unverändert 1992 konstant. Günter DECKERT (53) wurde auf dem Bundesparteitag am 18. September in Coppenbrugge/Niedersachsen wieder zum Parteivorsitzenden gewählt, weil es der NPD unverändert an personellen Alternativen fehlt. Sein Aktionismus und seine Sympathien für revisionistisches Gedankengut haben immer wieder zu herber innerparteilicher Kritik geführt. 3.4 Finanzen Angespannte Die Finanzlage der NPD ist angesichts der RückzahlungsfordeFinanzlage rungen des Bundes in Höhe von rund 760.000 DM und des Landes Baden-Württemberg in Höhe von rund 438.000 DM äußerst angespannt. Die Partei muß wesentliche Teile der ihr nach dem Parteiengesetz geleisteten Wahlkampfkostenvorauszahlungen aufgrund der schlechten Wahlergebnisse bei der Bundestagswahl 1990 und der Landtagswahl 1992 in Baden-Württemberg zurückzahlen. Zur Konsolidierung der Finanzen beschloß der Bundesparteitag in Coppenbrügge eine Beitragserhöhung. 3.5 "Junge Nationaldemokraten" (JN) JN versuchen, weiDie JN, die Jugendorganisation der NPD, konnten mit rund 190 terem Substanzver(1992: rund 200) Mitgliedern ihren Mitgliederbestand knapp halten. lust durch medienFür diese - aus Sicht der JN - weiterhin unbefriedigende Situation wirksame Auftritte waren - wie in den Vorjahren - die desolaten organisatorischen Vervorzubeugen hältnisse sowie die Querelen mit der Mutterpartei verantwortlich. Rechtsextremistische Bestrebungen 131 Das System hat keine Fehler! Anarchos verjagen autonome Banden Das System ist zerschlagen der Fehler) NittonMcMtntei/NPD BRD heifit das System, acht den morgen wird es untergehn! r n Junge r M Nationaldemokraten Nationaldemokraten Durch medienwirksame Auftritte, wie eine Protestund Flugblattaktion auf dem Schlesiertreffen am 11. Juli in Nürnberg und Eierwürfe gegen den bayerischen Ministerpräsidenten anläßlich der Eröffnung der Bayreuther Festspiele am 25. Juli, versuchten die JN, ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Die JN sehen sich - zusammen mit der NPD - als nationalistische Gesinnungsund Kampfgemeinschaft, die nicht Bestandteil des Systems sein will, sondern gegen dieses System kämpft. Keine der Zukunftsfragen unseres Volkes, Europas, ja der ganzen Welt könne durch dieses System gelöst werden381. Der neugewählte JN-Bundesvorsitzende Andreas STORR (25) erklärte auf dem JN-Bundeskongreß am 27. Februar in Langendiebach-Erlensee (Hessen) in seinem Grundsatzreferat zur Zielrichtung der Organisation: "Wir kämpfen also nicht gegen das bestehende System, das keine Überlebenschance hat, sondern für ein neues soziales und politisches System, für die Errichtung eines nationalistischen Volksstaates, der die Existenz und die Würde des deutschen 132 Rechtsextremistische Bestrebungen NATIONALISMUS Nichts auf der Welt ist mächtiger, als eine Idee, Üren Zeit gekommen ist! Junge NafiouMenolratH/ NPD Volkes dadurch sichert, daß er nationale Solidarität und Gerechtigkeit mit dem Gedanken einer einigen Nation nach innen stiftet und nach außen die Identität und die Stärke der Nation verteidigt und stärkt. (. . .) Wir jungen Nationalisten, insbesondere wir Nationalisten in den Reihen der NPD, sind die Vorhut des anderen Deutschland, des neuen Reiches." (DSt 6/93, S. 7) Kontakte der JN Die JN unterhielten Kontakte zu Neonazis und durchbrachen damit zu Neonazis die offiziellen Abgrenzungsbeschlüsse der NPD. So beteiligten sich JN-Angehörige am "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" am 14. August in Rechtsextremistische Bestrebungen 133 Fulda, wo der stellvertretende JN-Bundesvorsitzende Holger APFEL (23) als Redner auftrat. Für die "Heldengedenkfeier" am 14. November (Volkstrauertag) in Halbe (Brandenburg) mobilisierten die JN gemeinsam mit der FAP, der NL und der "Wiking-Jugend" (WJ). Die Veranstaltung - mit großem Propagandaaufwand als "zweites Fulda" angekündigt - war verboten und durch ein starkes Polizeiaufgebot verhindert worden. 4. "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 4.1 Zielsetzung Die DLVH sieht sich als eine der vereinzelten Speerspitzen, die aus DLVH bleibt im den noch ungeordneten Heerscharen des betrogenen Volkes herrechtsextrem ist i- ausragten391. schen Parteienlager isoliert RECHTE VEREINIGT EUCH ! Aus LIEBE ZUR HEIMAT DEUTSCHE LIGA Ihrem Selbstverständnis als "Sammlungsbewegung" entsprechend bemüht sie sich - bislang ohne größeren Erfolg - um die Einheit des "rechten Lagers". Jürgen SCHÜTZINGER (40), einer der Vorstandssprecher der DLVH, erklärte: "Wieso eigentlich, reichen sich Dr. Gerhard FREY und Franz SCHÖNHUBER nicht endliche die Hände? Und warum rufen sie nicht alle Patriotinnen und Patrioten zusammen, um mit einer vereinten Rechtspartei in das Marathonwahljahr 1994 gehen zu können?" ("BLITZ-SCHLAG" 3/93, S. 1) 134 Rechtsextremistische Bestrebungen Die DLVH hat es sich "(. . .) zu ihrer Aufgabe gemacht, alle aufrechten Deutschen ungeachtet ihrer gegenwärtigen Parteizugehörigkeit zu einer Bewegung zusammenzuschließen, welche die derzeitigen Machthaber von ihren Sesseln fegt und endlich wieder deutsche Politik macht". ("Die Nordlichter" 8/93, S. 2) DLVH agitiert Sie agitiert in ihren Propagandaschriften, zu denen maßgeblich das gegen Ausländer, Sprachrohr der Partei, die Monatszeitung "Deutsche Rundschau" vor allem gegen (DR), zählt, gegen Ausländer, vor allem gegen Asylbewerber. Asylbewerber, BETRIFFT: INLANDER' FEINDLICHKEIT Fortwährend beschimpfen Politiker und Medien die Deutschen als Ausländerfeinde, als ein Volk von Rassisten und Schlagetots. Dies ist unwahr und infam. Richtig ist vielmehr: Wer nichts dagegen unternimmt, daß 240000 Asylbewerber innerhalb eines einzigen Jahres nach Deutschland kommen, macht sich mitschuldig an sozialer Unruhe, an Krawallen und Überfremdung. Mit pauschalen Schuldzuweisungen an die einheimische Bevölkerung ist niemandem gedient. Werden sie aktiv! Bleiben Sie nicht ruhig, wenn Sie Zeuge inländerfeindlicher Aktionen werden! DEUTSCHE LIGA FÜR VOLK UND HEIMAT Rechtsextremistische Bestrebungen 135 "Jedes Volk hat (. . .) seine eigene ökologische Nische auf seinem angestammten Siedlungsraum bezogen, aus dem es ohne Schaden nicht entweichen und in welchen ohne Schaden für die eigene Substanz Fremde nicht eindringen dürfen (. . .) Gegenwärtig erfährt die Überflutung Deutschlands durch Raumund Volksfremde ihre absurde Steigerung ins Unkontrollierbare durch sogenannte 'Asylanten'". (DR 5/93, S. 7) Angesichts dieser von auswärts geschürten, geradezu satanischen Kampagne gegen die biologische Substanz der Deutschen gehe es jetzt ums nackte Überleben, um die Existenz der eigenen Kultur, der Sprache, der Familie, um unsere Zukunft401. Die ausländerfeindliche Agitation ist eng verknüpft mit den Themen gegen die angeb"Umerziehung" und "Maastricht". Wenn nun ausgerechnet die liche Umerziehung Deutschen, gezeichnet durch zwei verlorene Weltkriege, seelisch der Deutschen, gegen die EG und verkrüppelt durch vier Jahrzehnte Umerziehung, zuguterletzt doch noch rebellierten, dann sei Feuer auf dem Dach. Der lawinenartige Zustrom von Ausländern nach Deutschland, der geplante, partiell auch bereits verwirklichte Völkermord an den Deutschen sei nur der letzte Akt der angestrebten Ausschaltung der einzigen potentiellen Ordnungsmacht, die Europa stabilisieren könne411. "In wenigen Jahren wird dieses Land von der Völkerwanderung überspült sein. Die Plünderung der Staatskasse läuft auf Hochtouren. 'Maastricht' ist das Losungswort für den Totalverlust nationaler Souveränität. Bald werden die Deutschen über kein eigenes Geld mehr verfügen. In unsere Wohnungen ziehen Scheinasylanten und illegale Einwanderer. Die Kriminalität explodiert. Auf den Straßen herrscht Bürgerkrieg. Kurzum: 'Weimar' war dagegen ein Klacks und die deutsche Rechte leistet sich den Luxus der Zersplitterung und Spaltung!" ("Bayern-Info" 4/93, S. 1 f.) Das Bundesvorstandsmitglied der DLVH, Karl RICHTER (31), relarelativiert tivierte die NS-Verbrechen, indem er ihnen Verbrechen anderer NS-Verbrechen Völker gegenüberstellte: "Sechs Millionen Tote, so sagt man, seien das 'singulare', zu deutsch: einzigartige Verbrechen der Deutschen, begangen an Juden während des Dritten Reiches. Dabei stimmt schon die Zahl nicht (. . .) Sechs Millionen? Drei Millionen - oder noch weniger? Wo bleibt denn da die 'Singularität'? Wie man weiß, fielen den türkischen Pogromen an Armeniern (. . .) rund 1,5 Millionen Menschen zum Opfer. Nicht zu reden von den Opfern der Briten im Burenkrieg, von denen der Weißen bei der Besiedlung Amerikas, von denen des kommunistischen Pol-Pot-Regimes in Kambodscha." (DR 8-9/93, S. 9) 136 Rechtsextremistische Bestrebungen 4.2 Teilnahme an Wahlen Unbedeutendes Die DLVH beteiligte sich 1993 nur an den Kommunalwahlen am Ergebnis bei den 5. Dezember in Brandenburg. Sie kandidierte lediglich in Cottbus Kommunalwahlen (0,5 % der Stimmen) und Peitz (3,8 % der Stimmen, 1 Mandat). Der in Brandenburg ehemalige DA-Bundesvorsitzende Frank HÜBNER, der auf einer DLVH-Liste bei der Oberbürgermeisterwahl in Cottbus antrat, erzielte 1 356 Stimmen (2,51 %). Fraktionsstärke im Die DLVH verfügt durch Übertritte von ehemaligen DVU-AbgeordKieler Landtag neten über eine eigene Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein. durch Übertritt von Der Ende Oktober übergetretene ehemalige DVU-Abgeordnete ehemaligen DVUAbgeordneten Benno FRIESE (65) hat sich mit den drei anderen bereits im Mai zur DLVH übergewechselten ehemaligen DVU-Abgeordneten (vgl. Nr. 2.3) zu einer Fraktion zusammengeschlossen. Durch Mitnahme ihrer NPDbzw. REP-Mandate haben Funktionäre der DLVH ihrer Partei zu Sitzen in den Kommunalparlamenten von Villingen-Schwenningen, Tuttlingen, Pforzheim und Köln verholten. 4.3 Organisation Schwerpunkte Der Parteiaufbau der DLVH verläuft nach wie vor schleppend. in Baden-WürttemSchwerpunkte sind weiterhin Baden-Württemberg, Nordrheinberg, NordrheinWestfalen und Bayern. Die Partei meldete zwar die Gründung von Westfalen und Bayern Landesverbänden in Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz, der von ihr erhoffte Durchbruch im "rechten Lager" ist damit jedoch noch immer nicht erreicht. Dies belegt auch eine Äußerung des Bundesschatzmeisters Kurt NIEWIEM (68), der gute Mitgliederzuwächse in Norddeutschland als Erfolg wertete, jedoch einschränkte, daß es aber eben nicht zu dem bei Gründung der Partei am 3. Oktober 1991 von allen erhofften Übertritt möglichst vieler Mitglieder aus den anderen Gruppierungen und Parteien gekommen sei42'. Mitgliederzahl Die Mitgliederzahl stieg an auf rund 900 (1992: rund 800). nahm leicht zu Neben der Partei besteht weiterhin der "Förderverein Vereinigte Rechte". 5. Bündnisübertegungen Geringe AusWahlbündnisse zwischen DVU, NPD und DLVH gibt es gegenwärtig sichten für Wahlnicht. Im Vorfeld des Wahljahres 1994 verstärken sich jedoch die bündnisse rechtsSammlungsforderungen. So machte Dr. FREY den REP ein Angebot extremistischer zur Zusammenarbeit. Der NPD-Parteivorsitzende DECKERT unterParteien im Wahljahr 1994 breitete DVU und REP einen Vorschlag für ein Wahlbündnis. Die DLVH setzt sich ihrem Selbstverständnis als "Sammlungsbewegung" zufolge ohnehin permanent für die Einheit des "rechten Lagers" ein. Rechtsextremistische Bestrebungen 137 Ein Erfolg dieser - bereits in der Vergangenheit immer wieder - angestellten Überlegungen, die Zersplitterung des "rechten Lagers" durch Vereinigung der "nationalen" Kräfte zu überwinden, erscheint sehr fraglich. VI. Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen der Partei "Die Republikaner" (REP) Äußerungen maßgeblicher Vertreter der REP und programmatische Stellungnahmen der Partei wiesen Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung auf. Dies konnte auch durch die von der Parteiführung angeordnete deutlich erkennbare Zurückhaltung nicht verhindert werden. Grund für die Vorsicht dürften die zur Zeit anhängigen Gerichtsverfahren, die die Beobachtung der REP durch den Verfassungsschutz zum Gegenstand haben, sein. So hatte die Parteiführung bereits im Dezember 1992 alle Funktionsträger in einem Rundschreiben angewiesen, offizielle Erklärungen seien "Chefsache mit der Dringlichkeitsstufe I". Im Vokabular, dessen sich die REP bedienten, finden sich Begriffe, die für rechtsextremistische Agitation typisch sind: "Planmäßige Überfremdung" im Zusammenhang mit der Behandlung ausländerpolitischer Fragen oder "dauerhafte Bußfertigkeit" und "Umerziehung" in Verbindung mit der Bewältigung nationalsozialistischer Vergangenheit knüpfen an bekannte Formen rechtsextremistischer Propaganda an. 1. Zielsetzung Die REP agitierten in ihren Propagandaschriften, zu denen maßAgitation gegen geblich das Parteiorgan "DER REPUBLIKANER" zählt, gegen AusAusländer, länder und Asylbewerber. Der Parteivorsitzende Franz SCHÖNvor allem Asylbewerber HUBER (70) beschwor einen "drohenden Verlust der nationalen Identität durch ungebremste Überfremdungsversuche (. . ,)"431. Ein Flugblatt des REP-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen führt aus: "Die Altparteien haben Deutschland mittlerweile zu einem Einwanderungsland gemacht. Diesen Zustand wollen wir beenden. Wir Republikaner lieben die Vielfalt, insbesondere die der Völker. Diese Vielfalt kann nur gewahrt werden, wenn jedes Volk an seinem angestammten Platz bleibt. Der multikulturelle Wahn ist der Tod der Völker und Kulturen." 138 Rechtsextremistische Bestrebungen S 0S Deutech/and.^ j ^ . - " " ! " droht ^ l f s8nkn ms Aui (Tnrs"PS (tm) " Kfui.n. -!^7: ' * ' ""nde v _ in dies" n:j^. . . s s ^ ******* 2ZL. ^ÜH *"iS "2"""""* *". "....* chu/d Mrtsc. *""""".SS;""""" "",-".---" s "* !"0C,U2[ Jer"mote *'***PS# OB-VVahlen in Freilassing: W REP-Kandidat Hans Kurz (42) erreicht 20,56% REPUBLIKANER Die "gekaufte Republik" - Korruption und Mißwirtschaft Rechtsextremistische Bestrebungen 139 Ihre Agitation beschwört die Gefahr des Untergangs des deutschen Volkes. Undifferenziert werden Ausländer, vor allem Asylbewerber, für Mißstände verantwortlich gemacht. In einem Flugblatt des REP-Landesverbandes Bayern heißt es: "Das Kindergeld wurde als staatlicher Beitrag zur Erhaltung der deutschen Familien und des deutschen Volkes eingeführt. Es kann daher nicht Finanzierungsinstrument zur planmäßigen Überfremdung unseres Volkes sein." Der REP-Landesverband Hamburg behauptete in einem Flugblatt: "Das Horrorbild einer multikulturellen Gesellschaft, in der nur die Skrupellosesten und Brutalsten das Sagen haben, wird jetzt zur Realität. Immer mehr Ausländer betätigen sich bevorzugt als Rauschgifthändler und in Mafia-Banden." Im "REP-INFO": "Hoyerswerda-Rostock-KÖNIGSBRUNN? NEIN!" heißt es: "Wir Republikaner sagen: (...) Nein: Zu voraussehbaren Belästigungen von Frauen, Kindern und alten Leuten durch herumlungernde Containerbewohner." Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Uwe GOLLER (31) Betonung völkischer betonte in einem Rundschreiben "Gedankenflug ins Jahr 1993" die Elemente Priorität der "Volksgemeinschaft": "Wir wollen die Volksgemeinschaft, in der Solidarität nicht ein verschwommenes sozialistisches Gebilde ist, sondern tagtägliche Wirklichkeit. (S. 3) Wir schaffen die Volksgemeinschaft, die von den Etablierten geleugnet und zerstört wird." (S. 5) Udo BOSCH (51), Bundesorganisationsleiter der REP, agitierte geAgitation gegen gen die angeblich erfolgreiche "Umerziehung" der Deutschen: die angeblich erfolgreiche "Nun hatten wir Deutschen doch Jahrzehnte geglaubt, durch stän"Umerziehung" digen nationalen Kriechgang, dauerhafte Bußfertigkeit, gewaltige der Deutschen finanzielle Wiedergutmachung, größte Nettoeinzahlung in die EGund Kasse und einer Vorreiterrolle bei der Einigung Europas einen wesentlichen Beitrag zur Völkerverständigung und Versöhnung zu leisten. Unsere Regierung ist sogar bereit, - sozusagen als letzten Beweis der erfolgreichen Umerziehung - Hoheitsrechte sowie die Deutsche Mark zu opfern (Vertrag von M33stricht) . . ." ("DER REPUBLIKANER" 2/93, S. 9) 140 Rechtsextremistische Bestrebungen gegen die EG Im Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht spricht SCHÖNHUBER vom "Versailles ohne Krieg".44' Die REP sehen sich als "Gesinnungsgemeinschaft", deren "historische Mission" in der "Rettung des deutschen Vaterlandes" besteht. Den demokratischen Parteien werfen sie vor, ihnen fehle die "nationale Perspektive, der Glaube an die Kraft der deutschen Schicksalsgemeinschaft."451 Verunglimpfung Auf dem Bundesparteitag im Juni griff SCHÖNHUBER den Bundesdes Bundespräsidenten wie folgt an: präsidenten "Das deutsche Volk kann doch nichts dafür, daß Sie einen in Nürnberg verurteilten Vater gehabt haben. Hören Sie endlich auf, Ihren Vater zu Lasten Ihres Vaterlandes zu bewältigen. Wir, Herr von Weizsäcker, schämen uns nicht, Deutsche zu sein, wir schämen uns aber, von Ihnen vertreten zu werden." (Broschüre: "Rede des Bundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER zum Bundesparteitag in Augsburg vom 26./27. Juni 1993", S. 9) 2. Teilnahme an Wahlen Die REP beteiligten sich 1993 an den Kommunalwahlen am 7. März in Hessen, an der Bürgerschaftswahl am 19. September in Hamburg sowie an den Kommunalwahlen am 5. Dezember in Brandenburg. REP bei Wahlen In Hamburg erzielte die Partei 4,8 % der Stimmen und verpaßte erfolgreicher als nur knapp den Einzug in die Bürgerschaft; ihr fehlten lediglich DVU und NPD 1.430 Stimmen. In zwei Hamburger Bezirksvertretungen konnte sie insgesamt 7 Sitze erringen. Obwohl die REP ihr Wahlziel nicht erreicht hatten, bewerteten sie das Ergebnis insgesamt als "großartigen Wahlerfolg". Zufrieden zeigte man sich auch, daß man "die DVU trotz deren massiver Wahlwerbung als politische Sekte entlarven" konnte461. Bei den hessischen Kommunalwahlen erzielten die REP landesweit bei den Stadtverordnetenwahlen sowie in den kreisfreien Städten und bei den Kreiswahlen 8,3 % der Stimmen. SCHÖNHUBER erklärte, nun sei den REP "(. . .) auch jenseits der Mainlinie der Durchbruch gelungen"471. Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg kandidierten die REP nur in Eisenhüttenstadt (1,78 % der Stimmen, 1 Mandat) und in Templin (1,69 % der Stimmen). 3. Organisation Die REP verfügen bundesweit über 16 Landesverbände, in denen nach Angaben SCHÖNHUBERS 23.000 Mitglieder, davon 4.500 in "Mitteldeutschland" organisiert sind481. Rechtsextremistische Bestrebungen 141 Die Schwerpunkte liegen in Süddeutschland und in NordrheinNach eigenen Westfalen. In den neuen Ländern kommt der Aufbau nur schlepAngaben 23.000 Mitglieder mit pend voran. Schwerpunkten in Auf dem Bundesparteitag ("Programmparteitag") am 26727. Juni Süddeutschland in Augsburg verabschiedeten die Delegierten ein nur geringfügig und in NordrheinWestfalen verändertes neues Parteiprogramm, das das Bemühen der REP widerspiegelt, möglichst keine Angriffsflächen zu bieten. 4. Gerichtsverfahren Im Zusammenhang mit der bundesweiten Beobachtung durch den Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln haben die REP bislang acht gerichtliche Verfahren (eine Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht sowie sieben verwaltungsgerichtliche Verfahren) angestrengt. Fünf Verwaltungsgerichte (Düsseldorf, Stuttgart, Mainz, Bayerischer VGH und VG des Saarlandes) haben die Anträge der REP auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Das VG Hannover hat dagegen (im Hauptsacheverfahren) der Klage der REP stattgegeben. Die Entscheidungen sind überwiegend noch nicht rechtskräftig. Die Organklage sowie den Antrag auf einstweilige Anordnung gegen das Land Berlin (wegen Wegfalls der Beschwerde) haben die REP inzwischen zurückgenommen. VII. Sonstige rechtsextremistische Gruppen Bei den 38 sonstigen rechtsextremistischen Gruppierungen handelt es sich ganz überwiegend um kleine Zusammenschlüsse von geringer Bedeutung. Erwähnenswert sind allenfalls die "Gesellschaft für Freie Publizistik", die unter Berufung auf ein deutschtümelndes Kulturerbe Rechtsextremismus mit intellektuellem Ambiente zu verbreiten versucht, und der "Freundeskreis Freiheit für Deutschland", der wegen seiner seit Jahren betriebenen Flugblattkampagnen mit strafbaren Inhalten 1993 verboten wurde. 1. "Gesellschaft für Freie Publizistik e. V." (GFP) Die GFP bleibt mit über 400 Mitgliedern die größte rechtsextremiGrößte rechtsstische Kulturvereinigung. Die von dem früheren Chefideologen der extremistische NPD, Dr. Rolf KOSIEK (59), geleitete Organisation setzt sich aus Kulturvereinigung Verlegern, Redakteuren, Schriftstellern, Buchhändlern und - so die GFP - sonstigen Freunden einer freien Publizistik zusammen, die in einer Zeit der Intoleranz die Tabuzonen des Staates durchbrechen und sich für die Freiheit und Wahrheit des Wortes einsetzen 142 Rechtsextremistische Bestrebungen wollten491. Die Gesellschaft habe sich insbesondere die Aufklärung über Geschichtsentstellungen, insbesondere die Frage der Kriegsschuld und die Richtigstellung einseitiger Verzerrungen in der Zeitgeschichte zum Ziel gesetzt501. Die GFP-Arbeitskreise führten Vortragsveranstaltungen durch, auf denen "Probleme der Gegenwartspublizistik" erörtert wurden. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stand der jährliche "Gesamtdeutsche Kongreß", der unter dem Motto "Volk und Rechtsstaat in Gefahr! Grundrechte und Verfassungswirklichkeit" vom 7. bis 9. Mai in Thüringen durchgeführt wurde. Dort wurde u. a. gegen die deutsche Ausländerpolitik polemisiert: "Die folgenschwerer Versäumnisse überführten Politiker und Massenmedien haben es verstanden, von ihrer Schuld und den eigentlichen Umständen durch eine maßlose Verwirrung des Volkes abzulenken und die Warner, die Weitsichtigen, die Konservativen, die Rechten als die Bösen, die 'Ausländerfeinde', die Friedensstörer hinzustellen. Vergleichbar zur Auschwitz-Keule ist mit 'Ausländerfeind' ein neues Totschlagwort erfunden und so verbreitet worden, daß nun die Dinge auf den Kopf gestellt sind: Die Volkszerstörer umgeben sich mit dem Mantel der Scheinhumanität und errichten die Herrschaft der Lüge (. . .). Die geistige Umerziehung wird hier auf eine neue Ebene gehoben: Die Deutschen sollen für ihren freiwilligen Selbstmord eingestimmt werden, sie sollen jetzt ihre 'dritte' Schuld auf sich nehmen." ("GFP-Kongreß-Protokoll 1993", S. 8) Als Redner traten u. a. zwei Mitglieder des Bundesvorstandes der DLVH sowie ein österreichischer Rechtsextremist auf. Über KOSIEK bestehen Kontakte zu Jürgen RIEGER (47), dem Vorsitzenden der rechtsextremistischen "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V." (GfbAEV). 2. "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) Der Redaktionszirkel FFD in Bochum verbreitete auch 1993 in großer Anzahl seine aggressiven Flugblätter. Im Mittelpunkt der Agitation stand erneut eine militante, rassistisch unterlegte Ausländerfeindlichkeit: "Juden, bleibt Juden - ( . . . ) Deutsche, bleibt Deutsche! Keine multikulturelle Gesellschaft!" "Nur ein gleichmäßiger Rassen-Menschenbrei ist leicht beherrschbar. (. . .) Wehrt euch gegen die Unterjochung durch Fremde! Laßt euch nicht zu einer rechtlosen Minderheit im eigenen Land machen." (FFD-Flugblätter Nr. 82 und 84). Rechtsextremistische Bestrebungen 143 Das nordrhein-westfälische Ministerium des Innern verbot am Verbot des FFD 2. September den FFD. Gleichzeitig wurden in fünf Städten des Landes Wohnungen von Angehörigen des FFD durchsucht. Dabei konnten u. a. Hakenkreuz-Embleme beschlagnahmt werden. Das Verbot erfolgte, weil sich die Tätigkeit des FFD gegen Strafgesetze und gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtete. Während die Hauptthemen der regen rechtsextremistischen Flugblattaktionen in den Vorjahren die Leugnung des Holocaust und der deutschen Kriegsschuld waren, standen zuletzt eine militante rassistische, mit aggressiver Judenfeindlichkeit gepaarte Agitation gegen die Asylbewerber im Vordergrund der Aktivitäten des FFD. Die politischen Einzelforderungen des FFD waren im Zusammenhang mit seiner aus einer rassistischen und menschenverachtenden Grundeinstellung herrührenden Entschlossenheit zur Bekämpfung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu werten. Die Äußerungen des FFD zeugten von einem fortlaufenden Bemühen, diese Ordnung zu untergraben. VIII. Jugendund Studentenorganisationen Den sechs rechtsextremistischen Jugendund StudentenorganisaMitgliederzahl tionen gehörten wie 1992 rund 700 Mitglieder an. Die in der Regel unverändert erwachsenen Führer der Jugendgruppen sind überzeugte demagogische Rechtsextremisten. Dies gilt jedoch - von den JN als Parteijugend abgesehen - nicht für alle Mitglieder. Halbwüchsige dürften sich regelmäßig weniger von der rechtsextremistischen Ideologie und Propaganda dieser Gruppen als vielmehr von der praktizierten Kameradschaft, den jugendgemäßen Sportund Freizeitgestaltungen wie Zeltund Lagerfeuerangeboten angezogen fühlen. Die Führer setzen diese Mittel bewußt ein, um junge Menschen als Mitglieder zu gewinnen und politisch zu indoktrinieren. Neben den JN (vgl. Kap. V, Nr. 3.5) entfaltete die "Wiking-Jugend" (WJ) erwähnenswerte Aktivitäten. "Wiking-Jugend" (WJ) 1. Organisation Die WJ ist eine nach dem autoritär-elitären Führerprinzip ausgerichAufbauarbeit in tete, in "Gaue" und "Horste" gegliederte Organisation mit rund 400 den neuen Mitgliedern. In den neuen Ländern gelang es der WJ mit ihrem BunBundesländern macht weiter desfüh rer Wolfram NAHRATH (30), die Organisationsstrukturen Fortschritte weiter auszubauen. Neben den bereits bestehenden Gauen Preußen, Sachsen und Thüringen konnte die WJ nach eigenen Angaben in Sachsen-Anhalt einen weiteren Gau gründen. 144 Rechtsextremistische Bestrebungen 2. Zielsetzung WJ lehnt jegliche Die einer rassistisch geprägten "Nordland-Ideologie" huldigende Rassenmischung WJ hat die "Erziehung zur gemeinschaftsgebundenen Persönlichab keit" zum "wichtigsten Ziel" erklärt und propagiert: Die höchste Gemeinschaft ist das Volk511. Die WJ kämpft für den Erhalt unseres Volkes und unserer Art521 und will diese vor den Mächten, die Europa in zwei Weltkriege trieben und an der Vernichtung der Völker, besonders aber des deutschen, arbeiten531, verteidigen. Sie besteht auf einer Völkergemeinschaft unter Wahrung aller Grenzen und Eigenarten541. Scharfe Vorwürfe richtet die WJ gegen "unfähige und auch willkürliche Machthaber aus Deutschland (. . .), Fanatiker der selbstzerstörerischen Wahnidee einer völkervernichtenden Bastardo-Multi-kultur. (. . .) (Z)ur eigenen Machtentfaltung läßt die Siegermachtsdemokratie ihre dürftige Maske fallen und zeigt das häßliche Gesicht der Diktatur der Parteien (. . .)". ("Fahrtenplan 1993", S. 2) 3. Aktivitäten Die WJ stellte das Fahrtenjahr 1993 unter das Leitwort "Wir ziehn nach Nordlands Winden". Ihren Mitgliedern und Freunden bot sie Heimabende, Wochenendfahrten, Ferienlager, körperliche Ertüchtigung sowie Geländespiele an. Sie wolle damit in einer Zeit des steigenden Verbrechertums und der Zerstörung aller sittlichen Werte den Wehrwillen wecken551. Im Mittelpunkt der Aktivitäten standen die "39. Tage volkstreuer Jugend" vom 28. Mai bis 1. Juni in Hetendorf (Kreis Celle). Darüber hinaus beteiligte sich die WJ an der Organisation der "Heldengedenkfeier" am 14. November (Volkstrauertag) in Halbe (Brandenburg). Sie stilisierte Halbe als Symbol des verzweifelten deutsch-europäischen Abwehrkampfes gegen die bolschewistische Soldateska561 und hatte - wie auch andere rechtsextremistische, insbesondere neonazistische Organisationen - ihre Mitglieder zur Beteiligung in Halbe aufgerufen. WJ unterhält Mit der Teilnahme an der von Neonazis organisierten Kundgebung Kontakte zu anläßlich des 6. Todestages von Rudolf Heß am 14. August in Fulda Neonazis und zur dokumentierte die WJ ihre schon seit Jahren währende VerwobenNPD heit mit der neonazistischen Szene. Die seit einigen Jahren zu beobachtende Annäherung zwischen der WJ und der NPD wurde durch die Wahl des "Altwikingers" und langjährigen WJ-Bundesführers Wolfgang NAHRATH (64) in den Vorstand des NPD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen bekräftigt. Rechtsextremistische Bestrebungen 145 IX. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste 1. Zeitschriftenverlage Die Zahl der organisationsunabhängigen Zeitschriftenverlage stieg von 14 auf 18. Nennenswert sind der "Verlag Diagnosen", der "Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur", der "Nation EuropaVerlag" sowie der Eigenverlag des Manfred ROUHS. 1.1 "Verlag Diagnosen" Der von Ekkehard FRANKE-GRICKSCH (60) geleitete Verlag gibt Ausländerfeinddas Monatsmagazin "Code" in einer Auflage von mehreren tausend liche Agitation Exemplaren heraus. Die Schrift vermischt politische mit anderen des Monatsmagazins "Code" Themen und versucht, durch das Schüren von Angstgefühlen gezielt ein ausländerfeindliches Klima zu erzeugen: "Und so baut der eine Terror - wenn man die insgesamt wenigen Anschläge gegen türkische Häuser oder Personen fälschlicherweise einmal so nennt, denn türkische Drogenbanden haben etwa in Deutschland in einem Jahr mehr Menschen auf dem Gewissen als alle rechten 'Verbrechen' seit Kriegsende zusammen - den anderen auf." ("Code" 8/93, S. 19) 1.2 "Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur" Der von Roland BOHLINGER (56) betriebene Verlag gibt u. a. revisionistische Schriften und Archiv-Editionen von Büchern, die im Dritten Reich erschienen sind, heraus, wie z. B. die von Othmar Krainz verfaßte Schrift "Das Judentum entdeckt Amerika". Die Schrift ist inzwischen Gegenstand eines Beschlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts Husum. In dem Verlag erscheint auch das Magazin "Nation - Das politische "Nation" Magazin für Deutsche" in mehreren tausend Exemplaren. Darin veröffentlicht werden antijüdische und ausländerfeindliche Artikel veröffentlicht. antijüdische und ausländerfeindGelegentlich wird sogar Verständnis für ausländerfeindliche Straftaliche Artikel ten signalisiert: "Nur wenn Rechte aus subjektiv verständlichen, örtlich unhaltbaren Zuständen ausrasten und gerade in den neuen Bundesländern in nationalen Notwehrsituationen handeln, dann wird nicht lange nach den Motiven, nach sozio-kulturellen Hintergründen oder objektiven Mißständen geforscht." ("Nation" 3/93, S. 21) 146 Rechtsextremistische Bestrebungen 1.3 "Nation Europa-Verlag" Nationalistische Die von Peter DEHOUST (57), Mitglied im Bundesvorstand der Agitation gegen "Deutschen Liga für Volk und Heimat", im "Nation Europa-Verlag" die EG und monatlich in einer Auflage von mehreren tausend Exemplaren herausgegebene Zeitschrift "Nation und Europa - Deutsche Monatshefte zur Europäischen Neuordnung" propagiert neben dem Zusammenschluß der "rechten Parteien" zunehmend das "Europa der Nationalstaaten". Das Blatt agitiert gegen den Maastrichter Vertrag mit einer Überbetonung eines starken Nationalstaats Deutschland. Es sieht ein wiedererstandenes Deutschland als führende Kraft Europas, aber nicht als demokratischen "Parteienstaat". "Dem 7. Oktober 1989 folgte der 9. November 1989 - eine friedliche Revolution, die der sozialistischen Unfreiheit und Heuchelei ein abruptes Ende setzte. Das verfaulende, feudalistisch entartete Modell des liberal-kapitalistischen Parteienstaates wird früher oder später die gleiche Erfahrung machen". ("Nation und Europa" 3/93, S. 31) gegen Ausländer Auch 1993 offenbarten sich deutliche ausländerfeindliche Tendenzen u. a. in den Rubriken "Nachrichten von der Überfremdungsfront" und "Gewalt gegen Deutsche". 1.4 Eigenverlag des Manfred ROUHS Fremdenfeindliche l n dem von Manfred ROUHS (28), ehemaliger Vorsitzender des Agitation Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der "Jungen Nationaldemokraten", geleiteten Verlag erscheinen die Publikationen "EUROPA VORN aktuell" (Utägig) und "EUROPA VORN spezial" (vierteljährlich). In beiden Schriften wird regelmäßig Fremdenfeindlichkeit geschürt. Die Morde von Solingen werden als die zu erwartende Folge des Versuchs gewertet, den Deutschen eine "multikulturelle" Gesellschaft aufzuzwingen. Gegen Staat und Gesellschaft ("Die BRD war nie mehr als der Torso eines Rechtsstaates") wird unaufhörlich agitiert: "Während man durch eine gigantische Propagandawelle aller Massenmedien das Volk verdummt und von den tatsächlichen Gefahren für seine nationale Existenz abzulenken versucht (. . .), werden in Bonn weiterhin die Vorbereitungen für die endgültige Versklavung des Deutschen Volkes in einer europäischen 'multikulturellen Gesellschaft' vorangetrieben". ("EUROPA VORN aktuell" 43/93, S. 2) In den Ausgaben von "EUROPA VORN aktuell" werden jeweils auf mehreren Seiten Produkte von gewaltorientierten Skinbands angeboten. Rechtsextremistische Bestrebungen 147 2. Buchverlage und Vertriebsdienste Von den 15 organisationsunabhängigen Buchverlagen und Vertriebsdiensten sind zwei nennenswert: 2.1 "Verlagsgesellschaft Berg GmbH" Das Angebot der von Dr. Gert SUDHOLT (50) geleiteten "VerlagsBücher mit rechtsgesellschaft Berg"57' umfaßt Bücher mit rechtsextremistischen Inextremistischen Inhalten halten wie z. B. das von Max Klüver verfaßte Buch "Vom Klassenkampf zur Volksgemeinschaft".68' 2.2 "Grabert-Verlag" Das Vertriebsprogramm des von Wigbert GRABERT (52) geführten Verlages umfaßt Bücher mit rechtsextremistischen Inhalten wie "Reizwort Rasse" von Johannes P. NEY und Werke bekannter Rechtsextremisten wie David L. HOGGAN und David IRVING. Daneben vertritt GRABERT in dem vierteljährlich erscheinenden "Grabert-Verlag" "Europa-Kurier - aktuelle Buchund Verlagsnachrichten" zunehagitiert gegen mend ausländerfeindlicher Thesen, verbunden mit Behauptungen, Ausländer die den Rechtsstaat in Frage stellen.601 X. Nutzung der Informationstechnik durch Rechtsextremisten Mit der Perfektionierung der Informationstechnik entstanden für Informationstechdie rechtsextremistische Szene neue Möglichkeiten der Struktunik bietet auch rierung und informationellen Vernetzung, die auch als SteuerungsRechtsextremisten neue Mögmittel wirksam nutzbar sind. Diese besonders für einen überregiolichkeiten nalen Informationsaustausch einsetzbaren Kommunikationswege haben die Rechtsextremisten inzwischen voll in ihr logistisches Repertoire aufgenommen. Das steigert die Gefährlichkeit dieses Personenkreises, der dadurch die "Szene" kurzfristig mobilisieren, größere Aktionen steuern und auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden flexibel reagieren kann. 1. Mailboxen601 Im Herbst 1992 wurden erstmals zwei dem "rechten Spektrum" zu"THULE-Network" zurechnende Mailboxen aus dem Raum Nürnberg bekannt. Durch als Verbund von die Aktivitäten einer dritten Mailbox "WIDERSTAND.BBS" in Erlanmindestens zehn Mailboxen gen wurde dann 1993 eine erste Vernetzung nach dem Vorbild "linker" Mailboxnetze erreicht. Diesem zunächst als "Deutsches Nationales Netz" (DNN), später als "THULE-Network" bezeichneten Verbund traten mindestens noch neun weitere Mailboxen bei. 148 Rechtsextremistische Bestrebungen In den zu diesem Verbund gehörenden Mailboxen können Texte und Informationen zu rechtsextremistischen Organisationen wie z. B. der DVU, der FAP, der NPD, aber auch zu rechtsextremistischen Propaganda-Schwerpunkten, wie z. B. der "Anti-Antifa", eingestellt und abgerufen werden. Mit Hilfe dieser Mailboxen kann ein kurzzeitiger Informationsund Meinungsaustausch durchgeführt werden. Aktualisierung von Texten und Versendung nehmen nur noch wenig Zeit in Anspruch. Die Zugänge zu diesen Bereichen sind teilweise - nach unterschiedlichen Zugriffsbereichen aufgeteilt - nur den von den Mailboxbetreibern mit einer entsprechenden Zugriffsberechtigung versehenen Nutzern möglich. Neue Nutzer werden - angeblich - auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft. Ziele dieses Netzes sind so die im Verbund führende Mailbox "WIDERSTAND.BBS": - die Herstellung und Verfestigung der Kontakte zwischen nationalen Gruppen, - die Entwicklung einer Datenbank mit Informationen für nationale Aktivisten und - die Bereitstellung eines nicht oder nur mit erheblichem technischen Aufwand auszuspähenden Kommunikationssystems, um so den "Verfolgungsdruck durch das System" zu mindern611. "GERMANIADie zum "THULE-Network" gehörenden Mailboxen sind organisaMailbox" der tionsübergreifend, d. h. sie können in der Regel nicht einer rechtsneonazistischen IG extremistischen Organisation zugeordnet werden. Eine Ausnahme bildet die - eigenen Angaben zufolge - seit dem 1. Juli von der neonazistischen "Initiative Gesamtdeutschland" (IG) betriebene "GERMANIA-Mailbox", die sich als "erste nationale Mailbox im Raum Bonn" versteht. Die IG tritt bisher nur in Nordrhein-Westfalen auf, strebt in ihren Flugblättern vorrangig die Förderung einer Wiedervereinigung Österreichs mit Deutschland an und erhebt unterschwellig die Forderung nach Wiederherstellung des Deutschen Reiches in den Grenzen vor 1918. 2. "Nationale Info-Telefon" "Nationale InfoDie Einrichtung von "Nationalen Info-Telefonen" dient im neoTelefone" zur nazistischen Bereich der Bündelung und Koordinierung von meist Bündelung und logistischen Informationen. Über einen Anrufbeantworter werden Koordinierung von allen Interessenten kurzfristig Meldungen zugänglich gemacht. Insmeist logistischen Informationen besondere werden Veranstaltungshinweise aus dem "Nationalen Lager", Informationen über Exekutivverfahren und Hinweise auf mögliche Aktionen politischer Gegner verbreitet. Weiterhin wird Gelegenheit geboten, Informationen auf Band zu sprechen. Neonazis betrieben mehrere Info-Telefone, die ihre Aktivitäten jedoch Rechtsextremistische Bestrebungen 149 teilweise wieder eingestellt haben bzw. aufgrund polizeilicher Maßnahmen stillgelegt wurden. Bislang wurden Info-Telefone in Wiesbaden, Hallenberg/Sauerland, Mainz, Hamburg und Ludwigshafen bekannt. Die Info-Telefone in Wiesbaden und Hallenberg sind stillgelegt. 3. "Bildschirmtext" (Btx) Die NPD beschloß bereits auf ihrem Bundesparteitag im Juni 1991 NPD verbreitet die Gründung eines Arbeitskreises "Neue Medien und Techniken" Informationen beim Parteivorstand. Zuständig für diesen Arbeitskreis ist Herbert über Btx G. WELSCH (57), der über die "ARV Elektronik GmbH Veranstaltungsdienst" Texte der NPD in das Btx-System der Deutschen Bundespost einstellt. 4. Computerspiele Die Verbreitung von rechtsextremistischen Computerdisketten hielt Verbreitung auch 1993 an. Die Programme verherrlichen Krieg und Nationalrechtsextremistisozialismus, verbreiten Rassismus und benutzen nationalsozialistischer Computerspiele hält an sche Symbole. Die Zahl der dem Bundesamt für Verfassungsschutz bekanntgewordenen Computerprogramme hat sich auf 50 erhöht, mindestens 10 davon sind in wesentlichen Teilen inhaltsgleich. Bei einigen Spielen sind bzw. waren Ermittlungsverfahren eingeleitet, von denen die meisten wieder eingestellt werden mußten, weil Hersteller und Vertreiber nicht zu ermitteln waren. Die Hersteller solcher Software verbergen sich oft unter Phantasiebezeichnungen, wie z. B. "Verein deutscher Anti-Neger" oder "Adolf Hitler Software Ltd". Die Verbreitung erfolgt in erster Linie durch jugendliche Computerfans, die Programme und Spiele als Raubkopien auf Heimcomputern vervielfältigen und dann auf Schulhöfen tauschen oder auch gegen geringes Entgelt verkaufen. Programme werden aber auch über Postlagerkarten oder Mailboxen verbreitet. 1993 wurde erstmals der Direktvertrieb eines solchen Spiels durch eine Handelsfirma bekannt. Dieses Unternehmen verkaufte Computer-Compact-Discs, auf denen ein Computerspiel gespeichert war, das dem inkriminierten und indizierten Programm "Castle Wolfenstein" ähnelte. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal leitete ein Ermittlungsverfahren nach SS 86 StGB ein. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen werden erfaßte "Spiele" dieser Art eingezogen bzw. indiziert. 150 Rechtsextremistische Bestrebungen XI. Auslandsbeziehungen deutscher Rechtsextremisten 1. Bestrebungen, in den ehemaligen deutschen Ostgebieten Fuß zu fassen Deutsche RechtsDeutsche Rechtsextremisten fordern kompromißlos die Rückgabe extremisten zum der ehemals deutschen Ostgebiete. Als eine Etappe zur Erreichung nördlichen Ostdieses Ziels unterstützen sie die Ansiedlung Rußlanddeutscher im preußen nördlichen Ostpreußen, dem heutigen russischen Verwaltungsbezirk Kaliningrad. Sie ist für sie der Beginn der deutschen Wiederbesiedlung und aus ihrer Sicht anzustrebenden Rückgewinnung dieses Gebietes. Aus diesem Grunde pflegt der Bundesvorsitzende der DVU, Dr. FREY, seine Verbindung zu Wladimir SCHIRINOWSKIJ, dem Vorsitzenden der "Liberaldemokratischen Partei Rußlands"; Dr. FREY sprach im April in Moskau auf dem Parteitag der Liberaldemokraten, SCHIRINOWSKIJ am 2. Oktober in Passau auf der Kundgebung der DVU. Dabei bekräftigte SCHIRINOWSKIJ seine früheren Äußerungen, er werde über eine Rückgabe Königsbergs an Deutschland mit sich reden lassen (vgl. Kap. V, Nr. 2.6). Deutsche Rechtsextremisten fördern die Ansiedlung Rußlanddeutscher im nördlichen Ostpreußen deshalb mit Rat und Tat, mit Geldund Sachspenden. Dabei tun sich besonders hervor: - der Kieler Buchhändler Dietmar MUNIER (39) mit seiner "Aktion Deutsches Königsberg", - der Rechtsaktivist Siegfried GODENAU (66) aus Gilserberg in Hessen mit seiner "Aktion Ostpreußenhilfe" und - der ehemalige Rechtsterrorist Manfred ROEDER mit seinem "Deutsch-Russischen Gemeinschaftswerk - Förderverein NordOstpreußen", kurz "Preußenwerk" genannt. 2. Beteiligung am Krieg in Bosnien und Kroatien Deutsche RechtsNach wie vor kämpfen einige deutsche Rechtsextremisten, fast extremisten als ausschließlich Neonazis, in historischer Ustascha-Tradition, in KroaKriegsfreiwillige in tien und Bosnien als Kriegsfreiwillige gegen die Serben. Geschah Kroatien und Bosnien gegen die dies zunächst ausschließlich auf kroatischer Seite, so wurden 1993 Serben auch Aktivitäten deutscher Rechtsextremisten in bosnischen Einheiten bekannt. Die Zahl der Deutschen, die nach eigenen Erklärungen oder Angaben anderer seit 1991 im ehemaligen Jugoslawien gekämpft oder wenigstens mit der Waffe in der Hand militärische Objekte bewacht haben, beläuft sich inzwischen auf 25. Rechtsextremistische Bestrebungen 151 3. Internationale Treffen Deutsche Rechtsextremisten trafen sich mit ausländischen GesinRechtsextremistennungsgenossen unter anderem an folgenden Orten: treffen - Am 19. und 20. Juni in Vellexon in der Franche-Comte zu einer in der Franchegemeinsamen Sommersonnwendfeier französischer und deutComte, scher Neonazis. - Am 14. August zu dem Gedenkmarsch für Rudolf Heß durch in Fulda, Fulda, an dem vor allem Belgier, Briten und Franzosen teilnahmen. Auf der Kundgebung vor dem Dom sprachen u. a. der britische Nationalist John PEACOCK (51) und der französische Neonazi Claude CORNILLEAU (57). - Vom 27. bis 29. August in Diksmuide in Westflandern anläßlich in Westflandern, der westeuropäischen Rechtsextremistentreffen am Rande der "Yser-Wallfahrt" der Flamen. - Vom 26. bis 30. September in Naumburg (Sachsen-Anhalt) auf in Naumburg, der "Gästewoche" der österreichischen "Deutschen Kulturgemeinschaft" (DKG). Die Vortragsveranstaltung, die bis zum 2. Oktober dauern sollte, endete vorzeitig, weil der Wirt den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung gekündigt hatte. Die DKG hatte das Lokal als "Förderverein der Vereinigung der Opfer des Stalinismus" gemietet. - Am 2. Oktober in Passau auf der Kundgebung der DVU, an der in Passau und Anhänger des DVU-Vorsitzenden Dr. FREY aus Österreich und Südtirol sowie aus Oberschlesien und aus Rußland (SCHIRI- N O W S K I teilnahmen (vgl. Kap. V, Nr. 2.6). - Um den 20. November in Madrid anläßlich der Feiern zum Todesin Madrid tag des spanischen Diktators Francisco Franco Bahamonde. 4. Internationaler Revisionismus Die aus dem Ausland betriebene revisionistische Agitation in Deutschland wurde 1993 durch Gerichtsentscheidungen und behördliche Maßnahmen erheblich eingeschränkt. - Gegen den führenden Anti-Holocaust-Redner auf deutschem IRVING Boden, den Briten David IRVING (55), setzte das Landgericht München I am 13. Januar die Geldstrafe, die das Amtsgericht München 1992 verhängt hatte, von 10.000 auf 30.000 DM hinauf. IRVING erhielt wiederholt die Auflage, bei seinen Vorträgen nicht über den Holocaust zu reden, so am 14. Januar in München und am 3. Juli in Mainburg (Kreis Kelheim). Das Oberverwaltungsgericht Schleswig entschied am 5. Oktober, der Kreis Sege- 152 Rechtsextremistische Bestrebungen berg habe ihm vor seiner Rede vom 8. November 1991 in Lentföhrden zu Recht auferlegt, nicht über den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg zu referieren. Am 5. Juli wurden IRVING und seine Zuhörer schon vor dem Vortrag vom Wirt aus seiner Münchener Gaststätte gewiesen. IRVING konnte seine revisionistischen Thesen nur zweimal in Deutschland vortragen: am 26. Juni in Gülden (Kreis LüchowDannenberg) und am 27. Juni in Hamburg. Kurz vor Antritt einer neuen Vortragsserie, die am 9. November, dem Jahrestag der "Reichskristallnacht", beginnen sollte, wurde er von der Stadtverwaltung München als unerwünschter Ausländer aus Deutschland ausgewiesen. OCHSENBERGER - Der Österreicher Walter OCHSENBERGER (52), der nach seiner durch den Obersten Gerichtshof in Wien erfolgten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung nach Spanien geflohen war, wurde am 19. Februar in Kiel festgenommen und am 3. Mai an Österreich ausgeliefert. Seine Monatsschrift "Sieg" erscheint seitdem nicht mehr. CHRISTOPHERSEN - Der in Dänemark lebende Deutsche Thies CHRISTOPHERSEN (75), der die Vierteljahresschrift "Die Bauernschaft" (vgl. Kap. IV, Nr. 8) herausgibt, wollte das alljährliche Treffen seiner Anhänger vom 17. bis 22. Mai in Dänemark unter der Bezeichnung "Nordische Dichtertage" durchführen. Die Veranstaltung wurde angesichts der Androhung gewaltsamer Demonstrationen durch antifaschistische Gruppen abgesagt. HONSIK - Der Österreicher Gerd HONSIK (52), der nach seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von rund anderthalb Jahren ohne Bewährung nach Spanien geflohen war und seine Monatsschrift "Halt" seitdem in unregelmäßigen Abständen von dort verbreitet, muß mit der Unterbindung dieser Aktivitäten rechnen. Der spanische Innenminister erklärte am 29. September im Parlament, er werde ein Gesetz vorschlagen, das es ermögliche, den Druck deutscher Neonaziblätter in Spanien zu verbieten. LEUCHTER - Der Amerikaner Fred A. LEUCHTER (50), Verfasser des "Leuchter Reports", der am 10. November 1991 in einem Vortrag in Weinheim an der Bergstraße den Holocaust als wissenschaftlich widerlegt bezeichnet hatte, wurde am 28. Oktober 1993 kurz vor seinem geplanten Auftritt in einer Fernsehsendung in Köln festgenommen. Am 30. November wurde er allerdings gegen eine Kaution von 20.000 DM aus der Untersuchungshaft entlassen. Er reiste sofort aus Deutschland aus. WAHL - Die von dem Schweizer Dr. Max WAHL (70) herausgegebene Monatsschrift "Eidgenoss" erscheint nur noch alle zwei bis drei Monate. Rechtsextremistische Bestrebungen 153 - Die Berufung des in Kanada lebenden Deutschen Ernst ZÜNDEL ZÜNDEL (54) gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 16. Dezember 1991 wurde am 23. November vom Landgericht München I abgewiesen. Es bleibt daher bei der Geldstrafe in Höhe von 12.600 DM. ZÜNDEL ließ in der Zeit vom April bis September eine wöchentliche halbstündige Propagandasendung in deutscher Sprache mit dem Titel "Die Stimme der Freiheit" über wechselnde private Kurzwellensender in den Vereinigten Staaten von Amerika ausstrahlen. In seinem Rundbrief vom 27. August beklagte er sich, die Sender hätten "auf Druck des Gegners" die Verträge mit ihm auslaufen lassen. 5. Sonstige rechtsextremistische Propaganda aus dem Ausland Hauptproduzent des NS-Propagandamaterials, das aus dem Ausland NS-Propagandanach Deutschland geschleust wird, ist nach wie vor der Amerikaner material aus den Gary R. LAUCK (40), der unter der Bezeichnung "NationalsozialiUSA stische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) firmiert und als Adresse ein Postfach in Lincoln in Nebraska angibt. Er enthebt seine deutschen Gesinnungsgenossen des Risikos mehrjähriger Strafen, die ihnen drohen würden, wenn sie diese Materialien in Deutschland selbst herstellen würden. Mehrere deutsche Herausgeber rechtsextremistischer Schriften haZunehmende ben aus Kostengründen und um behördlichen Verboten und Strafen Verlagerung des in Deutschland zu entgehen, den Druck ihrer Zeitungen, Flugblätter Druckes rechtsextremistischer und Bücher ins Ausland verlegt. So wurden z. B. die Monatsschrift Schriften ins Ausland NSDAP/AO 154 Rechtsextremistische Bestrebungen TROTZ VERBOT-; NICHT/ AUSLÄNDER TOT! RAUS! NSDAP-AO NSDAP-AO "Nation" (vgl. Kap. IX, Nr. 1.2), die "Deutsche Stimme" (Organ der NPD) und die "Deutsche Rundschau" (Sprachrohr der DLVH) monatelang in Litauen gedruckt, die beiden letzteren zeitweise auch in Weißrußland. 6. Verurteilung des KUHNEN-Nachfolgers KUSSEL Neonazi KUSSEL Der österreichische Neonaziführer Gottfried KUSSEL (35), der zeitzu hoher Freiheitsweise als Nachfolger des verstorbenen deutschen Neonaziführers strafe verurteilt Michael KÜHNEN galt, wurde am 29. September vom Landesgericht Wien wegen "Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne" zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren ohne Bewährung verurteilt. KUSSEL befindet sich seit dem 7. Januar 1992 in Haft. 7. Verbindungen zum "Ku Klux Klan" (KKK) Briefkontakte zu Einige deutsche Rechtsextremisten standen 1993 in brieflichem amerikanischen Kontakt mit amerikanischen KKK-Gruppierungen. Der rassistische KKK-Gruppierungen K K K s t e || t j n d e n vereinigten Staaten keine einheitliche Organisation dar. Es gibt etwa 20 voneinander unabhängige Gruppen, die sich so nennen. Nachahmung von Die geheimnisumwitterten Rituale des KKK stoßen insbesondere KKK-Ritualen in der neonazistischen Skinheadszene auf Sympathien. Skinheads ahmen diese Rituale gelegentlich nach, was in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, der KKK habe in Deutschland organisatorische Strukturen geschaffen. Hinweise auf angebliche KKK-Gruppen in Deutschland haben sich auch 1993 nicht bestätigt. Rechtsextremistische Bestrebungen 155 XII. Erläuterungen und Dokumentation 1) Gesetzesverletzungen in dem bereitung solcher Straftaten diehier verstandenen Sinne sind nen. Straftaten, z. B. Terrorakte, Be3) Der Generalbundesanwalt hat am drohungen, der unberechtigte 1. Dezember ein ErmittlungsverBesitz von Waffen, Munition und fahren gem. SS 129 StGB eingeleiSprengstoff, das Verbreiten von tet, gegen einen Tatverdächtigen Propagandamitteln und das Vererging im Februar 1994 Haftbewenden von Kennzeichen natiofehl. nalsozialistischer Organisationen 4) Das Jugendschöffengericht Bersowie Beleidigungen und Verunlin-Moabit verurteilte am 1. Deglimpfungen des Andenkens Verzember einen 19jährigen Tatbestorbener im Zusammenhang mit teiligten zu einer Jugendstrafe der Verfolgung durch Nationalsovon drei Jahren. Ein 20jähriger zialisten gem. SSSS 86 Abs. 1 Nr. 4, Tatbeteiligter erhielt eine Jugend86a, 185 ff. i.V. m. 194 Abs. 1 strafe von sechs Monaten, die und 2, Aktionen mit volksverhetzur Bewährung ausgesetzt wurzendem Charakter und Aufstade. Das Verfahren gegen weitere chelung zum Rassenhaß gem. SSSS Tatbeteiligte wurde abgetrennt. 130 ff. Strafgesetzbuch. Dabei wurde - wie in den Vorjahren - 5) Es wird wegen eines versuchjede Gesetzesverletzung nur einten Tötungsdeliktes ermittelt. mal mit der schwerwiegendsten 6) Die Strafurteile sind noch nicht Deliktart gezählt, auch wenn sie in allen Fällen rechtskräftig. aus mehreren Einzeltaten be7) Die Brüder Strasser repräsenstand, mehrere Straftatbestände tierten in der Frühphase des Naerfüllte, mehrere Handlungen tionalsozialismus den linken Flüumfaßte oder von mehreren Tägel der NSDAP. Niekisch war tern gemeinschaftlich begangen Vertreter des sog. Nationalbolwurde. Ein Vergleich der Geschewismus. Gregor Strasser samtzahl mit der Zahl der Gesetund Röhm wurden 1934 auf Bezesverletzungen mit linksextrefehl Hitlers im Zusammenhang mistischem Bezug ist nur teilweimit der Niederschlagung des se möglich, weil den Strafvor"Röhm-Putsches" ermordet. schriften, die sich gegen die Dr. Otto Strasser setzte sich nationalsozialistische Propagan1933 nach Kanada ab. Er verda wenden, keine vergleichbaren starb 1974 in Deutschland. Strafvorschriften im Bereich des Niekisch wurde 1937 als GegLinksextremismus entsprechen. ner des Nationalsozialismus verhaftet und 1939 zu lebenslanger 2) Terrorismus ist der nachhaltig geZuchthausstrafe verurteilt. 1945 führte Kampf für politische Ziele, trat er in die KPD und 1946 in die mit Hilfe von Anschlägen auf die SED ein, aus der er 1954 Leib, Leben und Eigentum andewieder austrat. Er verstarb im rer Menschen durchgesetzt werJahre 1967 in Berlin. den sollen, insbesondere durch 8) "Standarte" 7/93, S. 10 ff. schwere Straftaten, wie sie in 9) "Standarte" 7/93, S. 21 f. SS 129a Abs. 1 des Strafgesetzbu10) NL-Programm, "Grundsatz" ches genannt sind (vor allem: 11) "Nachrichten der HNG" 152/93, Mord, Totschlag, erpresserischer S. 18 Menschenraub, Brandstiftung, 12) Satzung der DN, S. 1 Herbeiführung einer Explosion 13) Die neonazistischen Parteien durch Sprengstoff) oder durch FAP und NL sind unter Kap. IV, andere Gewalttaten, die der VorNr. 3 und 4 dargestellt. 156 Rechtsextremistische Bestrebungen 14) vgl. BVerwG.NJW 1981,1390 ff; 26. November 1993, verbreitet BVerwG, NJW 1981, 1392 f.; über das Btx-System BVerwG, NJW 1984, 813 ff.; 49) "GFP-Kongreß-Protokoll 1993", BVerwG, NJW 1984, 3096 ff.; S. 142 BVerwG, NJW 1988, 2907 ff. 50) "GFP-Kongreß-Protokoll 1993", 15) vgl. dazu BVerfGE 2, 5, 67 zur S. 142 Feststellung der Verfassungs51) "Wikinger" 4/92, S. 4 (kam erst widrigkeit der Sozialistischen 1993 zur Verteilung) Reichspartei 52) "Einladung zu 39. Tage volks16) DWZ/DA 21/93, S. 1 treuer Jugend" vom 28. Mai bis 17) DNZ 23/93, S. 3 1. Juni 1993 in Hetendorf 18) DWZ/DA 9/93, S. 1 53) "Odalkalender 1993", Rücksei19) DNZ 5/93, S. 8 te des Titelblattes 20) DNZ 16/93, S. 1 54) "Fahrtenplan 1993", S. 2 21) DWZ/DA 29/93, S. 6 55) "Odalkalender 1993", Rücksei22) DNZ 16/93, S. 10 te des Titelblattes 23) DWZ/DA 12/93, S. 2 56) Flugblatt, unterzeichnet von 24) Parteiprogramm der DVU, Nr. 3 Wolfram NAHRATH zur Teilnah25) DNZ 36/93, S. 1 me am "Heldengedenken" 1993 26) Beilage zur DWZ/DA 13/93, S. 3 57) Ende 1990 erfolgte ein Zusam27) DNZ 36/93, S. 4 menschluß von mehreren rechts28) DNZ 11/93, S. 5 extremistischen Verlagen zur 29) Beilage zur DWZ/DA 10/93, S. 1 "Verlagsgemeinschaft Berg"; 30) DNZ 23/93, S. 5 1993 neubenannt in "Verlags31) DNZ 14/93, S. 4 gesellschaft Berg". 32) DNZ 12/93, S. 1 58) "Geschichte - Kultur - Politik - 33) DNZ und DWZ/DA 41/93, S. 3 Wehrkunde - Zeitgeschehen"/ 34) aus: "NPD - Unser Wollen!", Gesamtverzeichnis 1993 Flugblatt des NPD-Landesver59) "Euro-Kurier" 4/92, S. 2 bandes Bayern von Mitte 1993 60) Eine Mailbox ist eine Art elek35) Nationaldemokratische Fordetronischer Nachrichtenverteiler, rungen und Thesen zur Asyldurch den den Benutzern und Ausländerpolitik, Nr. 3 und ("User") je nach Art und Um10 fang ihrer Zugangsberechtigung 36) "Deutsche Zukunft" 8/93, S. 28 bestimmte Informationen zu37) "Deutsche Zukunft" 8/93, S. 3 gänglich sind. In dem dazu erfor38) DSt 6/93, S. 7 derlichen Personalcomputer 39) "Die Nordlichter" 1/93, S. 2 (PC) existiert neben einem für 40) DR 5/93, S. 7 alle Teilnehmer ("User") offe41) DR 5/93, S. 7 nen Bereich für jeden einzelnen 42) Flugblatt der DLVH mit Auszug ein eigenes "Postfach", in dem einer Rede NIEWIEMs anläßlich nur für ihn bestimmte Nachrichder Jahreshauptversammlung ten enthalten sind. Umgekehrt des KV Stuttgart am 17. Juni können die "User" auch eigene 1993 Informationen in die Mailbox 43) "DER REPUBLIKANER" 5/93, einstellen bzw. an bestimmte S. 4 andere Benutzer richten. Auf diese Weise ist auch eine abge44) "DER REPUBLIKANER" 7/93, schottete direkte KommunikaS. 4 tion zwischen einzelnen Benut45) "NRW REP-ORT" 9/93, S. 1, 5 zern möglich. 46) "DER REPUBLIKANER" 10/93, S. 4 61) Selbstdarstellung aus der Mail47) Presseerklärung der REP vom box "WIDERSTAND.BBS" 8. März 1993 48) Erklärung SCHÖNHUBERS zum 10. Gründungstag der REP am Rechtsextremistische Bestrebungen 157 XIII. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und Auflage 1993 (1992) - z. T. geschätzt) 1. Neonazistische Gruppen Deutsche Bürgerinitiative Deutsche Bürgerinitiative e. V. (DBI) e. V. - weltweit - Schwarzenborn - - monatlich - - mehrere Tausend - Deutscher Jahrweiser -vierteljährlich - - 1.000 - Deutsche Nationalisten (DN) 50 - Mainz - Direkte Aktion/ 130 Angriff Mitteldeutschland (JF) -vierteljährlich * - Berlin - - 1.500 - Freiheitliche Deutsche 430 (220) Standarte Arbeiterpartei (FAP) - zweimonatlich * - Halstenbek (Holstein) - -700Hilfsorganisation für 220 (220) Nachrichten der HNG nationale politische - monatlich - Gefangene und deren -300Angehörige e. V. (HNG) -Frankfurt/M. - Nationale Liste (ND 30 (30) INDEX - Hamburg - -achtmal pro Jahr * -950NSDAP-Auslandsund NS Kampfruf Aufbauorganisation - zweimonatlich - (NSDAP-AO) - mehrere Tausend - (Stützpunkte in der Bundesrepublik Deutschland) 158 Rechtsextremistische Bestrebungen Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz -- (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und Auflage 1993 (1992) - z. T. geschätzt) 2. Rechtsextremistische Parteien* Deutsche Liga für 900 (800) Deutsche Rundschau Volk und Heimat ("Sprachrohr" der DLVH) (DLVH) - monatlich - - Berlin - -10.000BLITZ-SCHLAG - unregelmäßig - -10.000DIE NORDLICHTERNORDDEUTSCHE RUNDSCHAU - monatlich - -500Bayern-Info - zweimonatlich - - 1.000 - Deutsche Volksunion 26.000 (26.000) "Sprachrohre" der DVU: (DVU) - München - Deutsche NationalZeitung (DNZ) -wöchentlich - -50.000Deutsche WochenZeitung/Deutscher Anzeiger (DWZ/DA) -wöchentlich - -30.000Nationaldemokratische 5.000 (5.000) Deutsche Stimme (DSt) Partei Deutschlands - monatlich - (NPD) -48.000- - Stuttgart - mit Jugendorganisation Junge Nationaldemo190 (200) Einheit und Kampf kraten (JN) - unregelmäßig - - Stade - -1.500*) Die neonazistischen Parteien FAP und NL sind in der Übersicht unter Nr. 1 aufgeführt. Rechtsextremistische Bestrebungen 159 Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und Auflage 1993 (1992) - z. T. geschätzt) 3. Sonstige rechtsextremistische Gruppen Gesellschaft für mehrere (mehrere Das freie Forum Freie Publizistik Hundert Hundert) -vierteljährlich - e. V. (GFP) -700- - München - 4. Jugendund Studentenorganisationen* Wiking-Jugend (WJ) 400 (400) Wikinger - Stolberg - -viermal pro Jahr-500*) Die JN sind in der Übersicht unter Nr. 2 aufgeführt. m 1 * (tm)", "^ * ^. *i; j^pi' SSklh(r)lflh(r)ü^(r)Mlhö'dl(r)mS( i "**** (tm) 1 I M Ö7ZSQ? (c)xümmMmlh(r) von Ausländer 162 Sicherheitsgefährdende und extremistische I. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Mitgliederstand11 Leichter Die Zahl der Organisationen ausländischer Extremisten und der von Mitgliederrückgang ihnen erheblich beeinflußten Vereinigungen konzentrierte sich 1993 im Bereich des weiter auf 59. AuslanderextremisEnde des Jahres waren in Deutschland nach Schätzungen der mus Verfassungsschutzbehörden insgesamt 38.950 (1992: 39.800) über 16 Jahre alte ausländische Extremisten zu verzeichnen. 32.150 Personen gehörten extremistischen oder erheblich extremistisch beeinflußten Vereinigungen21 an; 6.800 Personen waren Anhänger von in Deutschland verbotenen Organisationen aus dem kurdischen und türkischen Beobachtungsfeld. Der seit 1986 festzustellende kontinuierliche Rückgang der Anhängerbzw. Mitgliederzahlen im Bereich des Ausländerextremismus zeigt, daß die große Mehrheit der über sechs Millionen ausländischen Mitbürger extremistische Verhaltensweisen ablehnt und sich nicht auf Dauer in politisch-extremistische Gruppen einbinden lassen will. Allerdings belegt die deutlich steigende Zahl der Gewalttaten, daß diese Tendenz nicht zugleich zu einem Rückgang der sicherheitsgefährdenden Bestrebungen führt. Anzahl und Mitglieder/Anhänger der im Bundesgebiet aktiven extremistischen und erheblich extremistisch beeinflußten Ausländervereinigungen - einschließlich verbotener Organisationen - nach ihrem politisch-ideologischen Standort (Vergleichszahlen 1992 in Klammern): StaatsLinksextreExtremIslamischInsgesamt angehörigmistische nationaextremistische keit bzw. Gruppen listische 31 Gruppen41 VolkszuGruppen gehörigkeit Kurden"1 10/800 10/800 (15/4.850) (-) (-) (15/4.850) Türken"1 10/3.350 1/3.500 5/18.950 16/25.800 (12/4.200) (2/7.300) (5/17.800) (19/29.300) Araber 9/1.050 3/700 12/1.750 (9/950) (-) (3/700) (12/1.650) Iraner 2/950 1/350 3/1.300 (2/950) (-) (1/350) (3/1.300) Sonstige51 7/600 6/700 5/1.200 16/2.500 (7/500) (6/1.150) (5/1.050) (18/2.700) Zwischen38/6.750 7/4.200 14/21.200 59/32.150 summe (45/11.450) (8/8.450) (14/19.900) (67/39.800) "' Anhänger 6.800 6.800 verbotener Organisationer Summe 13.550 4.200 21.200 38.950 (11.450) (8.450) (19.900) (39.800) Bestrebungen von Ausländern 163 Mitgliederentwicklung extremistischer und entsprechend beeinflußter Ausländervereinigungen B Extrem-nationalistisch B Islamisch-extremistisch B Linksextremistisch * Gesamt 50000 38950. 30000 1991 1993 Die islamisch-extremistischen Organisationen verfügen nach wie vor über das mit Abstand größte Mitgliederbzw. Anhängerpotential unter den extremistischen und erheblich extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen. Sie konnten erneut einen bedeutenden Mitgliederzuwachs verzeichnen. Waren 1992 noch 19.900 Personen in islamistischen Gruppen organisiert, so verfügten diese Organisationen 1993 bereits über 21.200 Anhänger bzw. Mitglieder. Auch die linksextremistischen Gruppierungen - einschließlich der in Deutschland verbotenen Organisationen aus dem kurdischen und Erhebliche türkischen Beobachtungsfeld - konnten die Zahl ihrer Anhänger von Mitgliederverluste bei den extrem11.450 auf 13.550 erhöhen. Die extrem-nationalistischen Gruppienationalistischen rungen mußten erhebliche Verluste hinnehmen; die Zahl ihrer AnGruppierungen hänger reduzierte sich um mehr als die Hälfte von 8.450 auf 4.200. 164 Sicherheitsgefährdende und extremistische Mitglieder der im Bundesgebiet aktiven extremistischen und extremistisch beeinflußten Ausländervereinigungen nach ihrem politisch-ideologischen Standort zum 31.12.1993 2. Publizistik Mehr als zwei Die Zahl der im Bundesgebiet verbreiteten periodischen Schriften Drittel der perioextremistischer Ausländervereinigungen ging von 96 auf 68 zudischen Schriften rück. 54 (1992: 70) dieser Publikationen wurden von linksextremivon linksextremistischen stischen Organisationen herausgegeben, 11 Publikationen (1992: Organisationen 14) stammen von islamisch-extremistischen Organisationen und drei Schriften (1992: 12) aus dem extrem-nationalistischen Bereich. Bestrebungen von Ausländern 165 3. Sicherheitslage, Gewaltaktionen und sonstige Gesetzesverletzungen Die Gewaltaktivitäten extremistischer Ausländer und AusländerKeine Entschärfung vereinigungen bedrohen nach wie vor die innere Sicherheit der der Sicherheitslage Bundesrepublik Deutschland erheblich. Die im Gesamtbild rückläutrotz rückläufiger Mitgliederentwickfige Zahl der Mitglieder bzw. Anhänger extremistischer Ausländerlung vereinigungen - einschließlich der in Deutschland verbotenen Organisationen - hat die Sicherheitslage nicht entschärft. Der erneute Anstieg der Gewalttaten belegt vielmehr die wachsende Gewaltbereitschaft im Bereich des Ausländerextremismus. Die Zahl der Vier Todesopfer von ausländischen Extremisten verübten schweren Gewalttaten durch Gewalttaten stieg im Vergleich zum Vorjahr von 53 auf 66. Dabei starben insausländischer Extremisten gesamt fünf Menschen: Bei einer Auseinandersetzung zwischen Kroaten und Serben am 20. März in Kehl (Ortenaukreis) wurde ein Kroate durch mehrere Messerstiche getötet. Am 1. Mai forderten interne Auseinandersetzungen der türkischen links-extremistischen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) in Berlin ein Todesopfer. Im Zuge der gewaltsamen Protestwelle mutmaßlicher Anhänger der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) starb am 4. November in Wiesbaden ein türkischer Mitbürger an den Folgen eines Brandanschlages. Inder Nacht zum 14. Dezember wurde in Merfeld (Kreis Coesfeld) ein 34jähriger Türke durch mehrere Kopfschüsse getötet. Der Tat bezichtigte sich die "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L). Am 26. Dezember starb in Berlin ein Kroate durch einen Messerstich. Der mutmaßliche Täter, ein bosnischer Muslim, wurde gefaßt. Die 56 Brandanschläge wurden nahezu ausschließlich von Anhängern der PKK verübt. Anschlagsziele waren türkische Einrichtungen im Bundesgebiet, darunter diplomatische Vertretungen, Banken, Reisebüros sowie von Türken betriebene Gaststätten und Vereinslokale. Auch die hohe Zahl der Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung ist vornehmlich auf die gewalttätigen Aktionen kurdischer Extremisten am 24. Juni und 4. November zurückzuführen. Sie gehören mit zu den maßgeblichen Gründen für das Verbot der PKK und ihrer Teilund Nebenorganisationen in Deutschland. Während die Zahl der Gewaltandrohungen etwa so hoch wie im Erheblicher Vorjahr blieb, verdoppelten sich die sonstigen weniger schwer Anstieg politisch wiegenden Gesetzesverletzungen. Der Verbotsverfügung im Nomotivierter vember 1993 folgten zahlreiche unfriedliche Protestaktionen mit Gewalttaten Gesetzesverstößen von PKK-Anhängern. Insgesamt stieg die Zahl der politisch-motivierten Gewalttaten von 213 im Jahr 1992 auf 316. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild61. 166 Sicherheitsgefährdende und extremistische Politisch motivierte Gewalttaten von ausländischen Extremisten * Terrorakte und andere 200 schwere Gewalttaten D Sonstige Gewalttaten 8 Gewalttaten insgesamt 1991 1992 1993 Terrorakte7' und andere schwere 1992 1993 Gewalttaten Tötungsdelikte 4 9") Sprengstoffanschläge 2 1 Brandanschläge 47 56 Summe der schweren Gewaltakte 53 66 Sonstige Gewaltakte Freiheitsberaubungen 1 2 Raub/Erpressung**) 11 31 Körperverletzungen 15 36 Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung 60 60 Nötigung u. ä. 1 Summe der sonstigen Gewaltakte 88 129 Gewalttaten insgesamt 141 195 Gewaltandrohungen 21 23 Sonstige Gesetzesverletzungen81 51 98 Insgesamt 213 316 '' 5 Todesopfer "' Im Bereich der Spendengelderpressungen muß von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Bestrebungen von Ausländern 167 II. Aktionsschwerpunkte einzelner Ausländergruppen 1. Kurden Die schätzungsweise 20 bis 25 Millionen Kurden leben nicht in einem eigenen Staat, sondern besiedeln Gebiete in der Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien. Zahlreiche kurdische Organisationen streben daher - teilweise mit propagandistischen, aber auch mit aggressiven, gewaltsamen bis hin zu terroristischen und militärischen Mitteln - einen Autonomiestatus in ihrem jeweiligen Siedlungsgebiet oder sogar die Gründung eines eigenen Kurdenstaates an. Die mit Abstand militanteste Organisation - auch in Deutschland - ist die 1978 von Abdullah ÖCALAN gegründete türkische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die einen unabhängigen kurdischen Staat anstrebt. Als straff organisierte linksextremistische Kaderpartei operierte die PKK zunächst nur in der Türkei offen terroristisch. Ihre Guerillaorganisation, die "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), überfiel auch 1993 abgelegene Dörfer im Südosten der Türkei und tötete Personen, die sie für Repräsentanten des türkischen Staates hielt oder denen sie lediglich protürkisches Verhalten vorwarf. Unbekannte Täter verübten im Sommer mehrere SprengPKK dehnt stoffanschläge auf Touristikzentren in der Türkei. Die türkischen Terrorismus auf Sicherheitsbehörden rechneten diese Terrorakte ebenfalls der PKK türkische zu. Auch die Operationen des türkischen Militärs gegen die PKK Touristikzentren aus forderten zahlreiche Todesopfer. Mehrere hundert Dörfer im Südosten der Türkei wurden von Regierungstruppen geräumt, um der PKK "die Unterstützung zu entziehen". URLAUB IN DER TÜRKEI? B I L A N Z DER | f 1 9 9 2 IN K U R D I S T A N : C 20.000 Menschen festgenommen * t 680 Zivilpersonen auf offener Straße erschossen & 320 Dörfer zerstört und entvölkert i 14 JouiraBsten durch Todesschwadronen ermordet PS 5 Stufte tagelang bombardiert Mit jeder MBIK finanzieren Sie den Tod eines Menschen in Kurdistan 168 Sicherheitsgefährdende und extremistische Einhergehend mit der Lage im Heimatland Türkei zeigte die PKK auch in Deutschland eine im Vergleich zu früheren Jahren deutlich erhöhte Gewaltbereitschaft. Ihre Gewaltaktivitäten nahmen zunehmend schärfere Formen an und führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung deutscher Sicherheitsinteressen. Verbot der PKK Am 26. November hat der Bundesminister des Innern deshalb die und einiger PKK und deren Teilbzw. Nebenorganisationen "Nationale BefreiTeilbzw. Nebenungsfront Kurdistans" (ERNK), "Föderation der patriotischen Arbeiorganisationen terund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (FEYKA-Kurdistan) mit den ihr angeschlossenen örtlichen Mitgliedsvereinen, "Kurdistan-Komitee e. V." sowie die in Düsseldorf ansässige Berxwedan Verlags GmbH mit der Nachrichtenagentur "Kurdistan-Haber Ajansi/News Agency" (KURD-HA) verboten. Gründe für diese Verbotsmaßnahme waren vor allem zwei gewaltsame Aktionswellen der PKK am 24. Juni und 4. November in Deutschland, bei denen zahlreiche Straftaten begangen wurden und die PKK zeigte, daß sie mit ihrer Tätigkeit im Bundesgebiet lebende Türken vehement bedroht. Nicht zuletzt diese gewalttätigen Aktionen der PKK gefährdeten die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und richteten sich zudem gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Im Zuge der ersten gewaltsamen Aktionswelle am 24. Juni überfielen Anhänger der PKK das türkische Generalkonsulat in München. Sie nahmen 20 Menschen als Geiseln und forderten eine öffentliche Erklärung des Bundeskanzlers zugunsten der "kurdischen Sache". Dabei drohten die Geiselnehmer mit der Sprengung des Gebäudes. Erst nach Gesprächen mit einem Vertreter der Bundesregierung gaben sie auf. Gegen zwölf der dreizehn überwiegend jugendlichen Täter erging Haftbefehl. An diesem Tag kam es darüber hinaus in zahlreichen deutschen Städten zu annähernd 50 Überfällen auf türkische Einrichtungen, darunter diplomatische Vertretungen, Reisebüros und Banken. Die Inneneinrichtungen wurden zumeist völlig demoliert; die Sachschäden beliefen sich auf mehrere hunderttausend DM. Anhänger und Sympathisanten der PKK verübten am 4. November bundesweit nahezu zeitgleich Anschläge auf türkische Einrichtungen. In zahlreichen Städten der alten Bundesländer kam es zu annähernd 60 versuchten bzw. vollendeten Überfällen, insbesondere Brandanschlägen auf türkische diplomatische Vertretungen, Banken, Reisebüros sowie von Türken betriebene Gaststätten und Vereinslokale. Es entstanden wiederum Sachschäden in Höhe von mehreren hunderttausend DM. Der folgenschwerste Anschlag ereignete sich in Wiesbaden. Bei einem Brandanschlag auf eine Gaststätte erlitt eine Person tödliche Verletzungen, eine Person wurde schwer und sieben weitere leicht verletzt. Bestrebungen von Ausländern 169 Aufgrund der Tatumstände kann davon ausgegangen werden, daß die Täter - im Gegensatz zu einer verharmlosenden Presseerklärung des "Kurdistan-Komitees e. V." zu den Ereignissen vom 24. Juni - 9) bewußt die Verletzung bzw. den Tod von Menschen in Kauf nahmen. Vertreter der PKK kündigten Vergeltungsaktionen im ZusammenPKK kündigt hang mit dem Verbot der Organisation an, deren Ziel deutsche VergeltungsEinrichtungen in der Türkei oder im Bundesgebiet selbst sein könnaktionen im Zusammenhang ten. Auch mit Aktionen gegen Touristikzentren in der Türkei muß mit dem Verbot - einem Sprecher der ERNK zufolge - 1994 vermehrt gerechnet der Organisation werden, da die türkische Regierung mit den Einnahmen aus diean und sem Wirtschaftszweig den Krieg gegen die Kurden finanziert. Neben verbalen Drohungen kam es zu Protestaktionen in zahlreichen deutschen Städten, unter anderem in Berlin, Hamburg, Bremen, Kassel, Köln, Frankfurt/M., Mannheim, Stuttgart und Nürnberg. Auf den überwiegend friedlich verlaufenen Kundgebungen forderten PKK-Anhänger und Sympathisanten die Aufhebung des Verbots und Zugang zu ihren Vereinsräumen. In einigen deutschen Städten drangen Anhänger der Organisation in die versiegelten Vereinsräume ein und drohten für den Fall der Räumung mit ihrer Selbstverbrennung. Die PKK führte auch 1993 eine Reihe von öffentlichkeitswirksamen wirbt für den Großveranstaltungen durch, bei denen sie für den kurdischen "Bekurdischen freiungskampf" warb. Anläßlich des kurdischen Neujahr-Festes "Befreiungskampf" NEWROZ (21. März) organisierte sie am 28. März eine Veranstaltung in der Kölner Sporthalle, an der etwa 10.000 Personen teilnahmen. Zu einer Großdemonstration am 29. Mai in Bonn konnte die PKK gemeinsam mit anderen türkisch-kurdischen Organisationen über 40.000 Anhänger mobilisieren, die aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland angereist waren. Auf Transparenten prangerten die Kundgebungsteilnehmer die türkische Regierung mit Parolen wie "Das kurdische Volk will Frieden, der türkische Staat will Krieg" an. Eine weitere Großveranstaltung fand am 27. Juni in Göppingen unter Beteiligung von etwa 4.000 Besuchern statt. Am 4. September veranstaltete die PKK im Frankfurter Waldstadion das "2. Internationale Kurdistan-Festival". An dieser Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Aufnahme des "bewaffneten Kampfes" in der Türkei (15. August) beteiligten sich annähernd 45.000 Personen. Die Fähigkeit, Massen zu mobilisieren, wurde im Herbst 1993 erneut deutlich. An einer Protestkundgebung der Organisation am 30. Oktober in Köln nahmen etwa 20.000 Personen teil. Anläßlich des PKK-Gründungstages (27. November) wurden Veranstaltungen in Köln, Mannheim und Kassel durchgeführt. In Köln und Mannheim nahmen jeweils mehrere tausend Kurden teil. Aus Protest gegen das Verbot der Veranstaltung in Kassel blockierten Kurden dort für mehrere Stunden eine Bundesautobahn. 170 Sicherheitsgefährdende und extremistische Guerillaorganisation Im Sommer entführten PKK-Kader mehrere Touristen in der Ostder PKK entführt türkei, darunter auch zwei Deutsche. Die Guerillaorganisation deutsche Touristen "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) erklärte, die Touristen in der Osttürkei seien ohne ihre Erlaubnis in das "Kriegsgebiet" gereist und hätten damit "Vorschriften der ARGK" verletzt. Nach einigen Wochen kamen alle Urlauber unversehrt frei. Seit Mitte 1993 bedrohte die PKK wiederholt türkische und ausländische Journalisten. Über ihre Nachrichtenagentur KURD-HA forderte sie alle Journalisten auf, ihre Berichterstattung aus den Kurdengebieten zu beenden und die Region bis zum 18. Oktober zu verlassen. Die Gründe hierfür lägen in der einseitigen BerichterAii die Deutsche Öffentlichkeit... Die BRD ist mitverantwortlich des türkischen Staates in Kurdistan! LANGE NOCH? Schweigen heißt zustimmen! Bestrebungen von Ausländern 171 stattung über die Lage in diesen Gebieten. Die Zeitschrift "Kurdistan-Report" veröffentlichte im September eine Erklärung des PKK-Führers ÖCALAN, in der dieser Journalisten und Kolumnisten mit den Worten drohte: "Wenn Sie uns weiterhin so skrupellos angreifen, werden wir uns zu wehren wissen. Die Verantwortung liegt nicht bei uns"101. Die PKK setzte auch 1993 ihre vom Bundesgebiet aus betriebene Agitation gegen die türkische Regierung fort. Anläßlich der Ermordung von Abgeordneten der prokurdischen "Demokratie-Partei" (DEP) am 4. September in Batman/Türkei veröffentlichte die der PKK nahestehende türkische Tageszeitung "Özgür Gündem" (Freie Tageszeitung) eine Erklärung der ERNK, in der der türkische Staatspräsident und die türkische Ministerpräsidentin für den Anschlag verantwortlich gemacht werden. Wörtlich hieß es: "Als Mörder geben wir Demirel und Ciller bekannt. Das kurdische Volk wird Rechenschaft für seine Abgeordneten fordern. Der türkische Staat wird dafür die Antwort erhalten"111. Anhänger der PKK sammeln - teilweise mit erpresserischen Mitteln - in Deutschland Geld für den Kampf im Heimatland. Das Amtsgericht Esslingen verurteilte im Frühjahr einen Angehörigen der PKK wegen versuchter gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. In diesem Bereich muß von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Viele Opfer verzichten - offenbar aus Angst vor Repressionen durch kurdische Extremisten - auf Strafanzeigen. Gegen Jahresende, insbesondere nach dem Verbot, mehrten sich die Hinweise und Anzeigen über PKK-Spendengelderpressungen. Von PKK-Anhängern in den Jahren 1984 bis 1987 in Deutschland verübte schwere Straftaten (u. a. Entführung bzw. Freiheitsberaubung von Parteiabweichlern oder Kritikern, ggf. sogar deren Ermordung) führten zu mehreren Strafverfahren. Nachdem bis Ende 1992 insgesamt fünf Personen zu Freiheitsstrafen verurteilt worden waren, ergingen 1993 zwei weitere Urteile. Am 29. April verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf einen PKK-Angehörigen wegen Freiheitsberaubung in einem schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Das Gericht hielt ihn für schuldig, im Jahre 1987 mehrere bei der PKK in Ungnade gefallene Parteifunktionäre gegen ihren Willen für mehrere Wochen unter strengster Aufsicht gehalten zu haben. Das OLG Celle verurteilte am 1. November einen PKK-Angehörigen wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren. Er wurde für schuldig befunden, einen PKK-Dissidenten getötet zu haben. Weitere Gerichtsverfahren gegen mutmaßliche Parteiaktivisten - unter anderem wegen Mordes-sind anhängig121. 172 Sicherheitsgefährdende und extremistische 2. Türken (ohne Kurden) 2.1 Überblick In den letzten Jahren waren die Agitationsund Aktionsschwerpunkte extremistischer türkischer Gruppen in Deutschland wesentlich geprägt von der politischen Situation im Heimatland. 1993 verstärkte sich die bereits im Vorjahr erkennbare Tendenz, Themen der deutschen Innenpolitik aufzugreifen oder sogar zum Anlaß gewalttätiger Aktionen zu nehmen. Herausragendes Thema waren dabei fremdenfeindliche Gewalttaten. Insbesondere der Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus am 29. Mai in Solingen, bei dem fünf Menschen starben, führte zu einer Vielzahl auch extremistischer Reaktionen. Türkische Auf einer zentralen Kundgebung am 5. Juni in Solingen trafen AnExtremisten hänger sowohl linksextremistischer als auch extrem-nationalistiagitieren gegen den s c n e r türkischer Gruppen aufeinander und lieferten sich zum Teil heftige Schlägereien. An den Auseinandersetzungen waren auch deutsche Linksextremisten beteiligt. Die revolutionär-marxistischen türkischen Gruppen konzentrierten ihre Reaktion auf eine heftige Agitation gegen den deutschen Staat. Im Vordergrund stand die Forderung, verstärkten Widerstand gegen den Faschismus zu leisten. Die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) rief dazu auf, "das blutrünstige Deutschland zu stoppen und gegen das System loszugehen und zu kämpfen"13'. Am Rande der offiziellen Trauerfeier für die Toten des Solinger Anschlages am 3. Juni in Köln kam es zu schweren Ausschreitungen, Sachbeschädigungen und Plünderungen. Auch danach griffen türkische Mitbürger vermeintliche oder tatsächliche deutsche Rechtsextremisten an. So drangen am 19. Juni etwa 30 türkische Jugendliche in ein Lokal der rechtsextremistischen Szene in Stuttgart ein, schlugen dort anwesende Skinheads nieder und demolierten die Einrichtung. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei diesen oder ähnlichen Übergriffen auf Deutsche um zentral von türkischen Extremistengruppen gesteuerte Straftaten handelte. 2.2 Linksextremisten Die in Deutschland seit 1983 verbotene linksextremistische türkische Organisation "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) agierte in der Türkei nahezu unverändert militant. In Deutschland griffen Anhänger der "Devrimci Sol" am 7. März - vermutlich aus Protest gegen die Erstürmung einer konspirativen Wohnung in Istanbul durch türkische Sicherheitskräfte - das türkische Generalkonsulat in Hamburg an. Sie warfen Eier, Farbbeutel und Molotowcocktails gegen das Gebäude. Bestrebungen von Ausländern 173 Ansonsten waren die Aktivitäten der im Untergrund agierenden "Dev Sol" in der Bundesrepublik Deutschland von internen Kämpfen geprägt, die sich am Anführer Dursun KARATAS entzündet hatten. Anhänger der zwei Gruppen in der "Devrimci Sol" sind dabei seit Anfang März dazu übergegangen, die jeweilige Gegenseite durch Einschüchterungen und Gewaltaktionen zum Einlenken zu bewegen. In einer Sonderausgabe ihres Zentralorgans vom März warnte die zu KARATAS stehende Fraktion die als "Putschisten" bezeichnete interne Oppositionsgruppe und forderte sie auf, in die Organisation zurückzukehren. Ansonsten müßten notwendige Sanktionen ergriffen werden141. Die internen Auseinandersetzungen forderten in Deutschland ein Kämpfe innerhalb Todesopfer. Am 1. Mai kam es in Berlin zu einem Streit zwider "Devrimci Sol" fordern ein Todesschen mehreren Anhängern beider Fraktionen, in dessen Verlauf opfer Schüsse fielen. Ein Anhänger der Oppositionsgruppe wurde tödlich getroffen. Am 15. Juli erklärte die "Devrimci Sol" dazu: "Die putschistische Verräterbande kann fliehen, wohin sie will. Wir werden sie aus diesen Löchern herausholen und weiterhin der Alptraum der Oligarchie sein. Der Beschluß aller Kader der Organisation bezüglich dieser Verräterbande ist klar. Sie werden bestraft werden"151. Ein Ende der Auseinandersetzungen ist nicht absehbar. Am 14. Dezember wurden in Berlin vier türkische Staatsangehörige beim Plakatieren für die "Devrimci Sol" angetroffen. Bei der Durchsuchung ihres Pkw fanden Polizeibeamte vier geladene Faustfeuerwaffen. Einige Beschuldigte gaben bei ihren Vernehmungen zu, dem Oppositionsflügel der "Devrimci Sol" anzugehören. 174 Sicherheitsgefährdende und extremistische FUiyjNSERE ZUKUNFT UND UNSERE BEFREIUNG! Anhänger der TKP/ Auch Anhänger der linksextremistischen, in der Türkei ebenfalls M-L führen gewaltterroristisch operierenden, TKP/M-L führten gewaltsame Aktionen same Aktionen in in Deutschland durch. Anläßlich der Festnahme mehrerer FunkDeutschland durch tionäre der Gruppe in der Türkei griffen Anhänger der TKP/M-L am 28. April in mehreren deutschen Städten türkische Einrichtungen an. So warfen Unbekannte eine Handgranate auf den Hof des türkischen Generalkonsulats in Essen, verursachten hierdurch jedoch nur geringen Sachschaden. In Hamburg besetzten etwa 20 Personen eine türkische Bank, hielten Ansprachen und verteilten themenbezogene Flugschriften. TKP/M-L bekennt Die TKP/M-L richtete ihre Aktivitäten nicht nur auf türkische Einrichsich zur Tötung tungen. Erstmals kam es auch in Deutschland zur Tötung eines Diseines Dissidenten sidenten. In der Nacht zum 14. Dezember wurde in Merfeld (Kreis im Bundesgebiet Coesfeld) ein 34jähriger Türke durch mehrere Kopfschüsse getötet. Zu der Tat bekannte sich die TKP/M-L. In einem Schreiben an die türkische Tageszeitung "Hurriyet" (Freiheit) hieß es, der Ermordete sei bereits vor geraumer Zeit in der Türkei von der Organisation "zum Tode verurteilt" worden. Er sei für die Festnahme mehrerer Parteigenossen verantwortlich gewesen, habe sich Parteivermögen angeeignet und sich innerhalb der Bewegung destabilisierend verhalten. Wie bereits im Vorjahr setzte die TKP/M-L ihre Solidaritätsaktionen für den inhaftierten Führer der peruanischen Terrororganisation "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad), Abimael GUZMAN, fort. Am 29. Januar versammelten sich 22 Personen vor der peruanischen Botschaft in Bonn. Am 8. Mai fand eine Veranstaltung der TKP/M-L in der Kölner Sporthalle statt, an der etwa 7.500 Menschen teilnahmen. Gastredner war der Schwiegervater von GUZMAN. Hintergrund der fortdauernden Solidaritätsbekundungen dürfte die Mitgliedschaft beider Organisationen im militant-maoisti- Bestrebungen von Ausländern 175 sehen Dachverband "Revolutionäre Internationalistische Bewegung" (RIM) sein. Zu den Basisorganisationen der TKP/M-L in Deutschland müssen ATIK polemisiert auch weiterhin die "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in gegen den Europa" (ATIK) und die "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in deutschen Staat Deutschland e. V." (ATIF) gerechnet werden. Die ATIK polemisierte in Zusammenhang mit dem Brandanschlag in Solingen gegen Deutschland. In einem von ihr herausgegebenen Flugblatt hieß es, der faschistische Ring müsse durchbrochen werden. Man könne vom deutschen Staat nicht erwarten, daß er dem Morden ein Ende setze, da er hinter diesen Anschlägen stehe161. Nein zu den rassistisch-faschistischen Anariffen! Es lebe die Geschwisteriichkeit der Völker! Übersetzung: Zeile 1: Nein zu den rassistisch-faschistischen irkci-fasist saldinlara hayir! Angriffen! yasasin halklarm kardesligi! Zeile 2: Es lebe die halklarm anti-fasist mücadelesini yükseltelim! Geschwisterlichkeit der Völker! ATIK (Avrupa Türkiyeli tSS