Verfassung^ schütz Linksextremistische Bestrebungen bericht Rechtsextremistische Bestrebungen Sicherheitsgefährdende und extremistische 1992 Bestrebungen von Ausländern Spionageabwehr ISSN: 0177-0357 3 Vorwort des Bundesministers des Innern Der jährliche Verfassungsschutzbericht ist ein wichtiger Beitrag zur Information der Bürger und ein wesentlicher Bestandteil praktizierter wehrhafter Demokratie. Unser freiheitlicher Rechtsstaat verfügt über ein Instrumentarium, um die Wiederholung einer Entwicklung zu verhindern, in der Grundprinzipien der Verfassung von ihren Gegnern angegriffen und ausgehöhlt werden konnten. In dem Verfassungsauftrag, die Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen, sieht die Bundesregierung eine wichtige Aufgabe und ist bereit, die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus von links wie von rechts auch offensiv zu führen. Sie setzt dabei - in Übereinstimmung mit ihren Vorgängern und den Regierungen in den Ländern - auf die Überzeugungskraft der geistig-politischen Auseinandersetzung, der sie grundsätzlich Vorrang vor administrativen und gerichtlichen Maßnahmen gegen extremistische Gegner der freiheitlichen demokratischen Ordnung einräumt. Die Erhaltung des demokratischen Rechtsstaats kann nicht allein von staatlichen Behörden geleistet werden. Sie ist vielmehr Aufgabe aller Bürger. Deren Bereitschaft, sich mit unserer Verfassungsordnung zu identifizieren, an ihrer Bewahrung aktiv mitzuwirken und den Gegnern der freiheitlichen Demokratie entschlossen entgegenzutreten, ist der beste und wirksamste Verfassungschutz. Hierfür müssen der Öffentlichkeit die notwendigen Informationen vermittelt werden, die es jedermann ermöglichen, sich selbst ein Urteil über die Gefahren zu bilden, die unserem Rechtsstaat durch verfassungsfeindliche Kräfte drohen. Der Information bedarf es auch deshalb, weil die Gegner unserer Verfassung nicht selten ihre wahren Ziele verschleiern, Scheinbekenntnisse zum Grundgesetz ablegen oder durch Umwertung von Verfassungsnormen, politischen und juristischen Begriffen vermeintlich als Verfechter demokratischer Prinzipien auftreten. 4 Vorwort des Bundesministers des Innern Die Kriterien für die Grenzziehung zwischen Extremisten und Demokraten beschreibt SS 4 Bundesverfassungsschutzgesetz. Zu den fundamentalen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen vor allem: - Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung - die Volkssouveränität - die Gewaltenteilung - die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung - die Unabhängigkeit der Gerichte - das Mehrparteienprinzip - die Chancengleichheit für alle politischen Parteien - und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausbildung einer Opposition. Bis 1973 wurden solche Bestrebungen zuweilen als "radikal" bezeichnet. Der Begriff "extremistisch" trägt demgegenüber der Tatsache Rechnung, daß politische Aktivitäten oder Organisationen nicht schon deshalb verfassungsfeindlich sind, weil sie eine bestimmte, nach allgemeinem Sprachgebrauch "radikale" , d. h. an die Wurzel einer Fragestellung gehende Zielsetzung haben. Sie sind "extremistisch" und damit verfassungsfeindlich im Rechtssinne nur dann, wenn sie sich gegen den oben umschriebenen Grundbestand unserer freiheitlichen rechtsstaatlichen Verfassung richten. Der vorliegende Bericht faßt die Ergebnisse der Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Jahre 1992 zusammen. Er kann keinen erschöpfenden Überblick geben; er unterrichtet über die wesentlichen Erkenntnisse und analysiert und bewertet die Entwicklungen und Zusammenhänge. Er ist als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung, nicht als eine abschließende juristische Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflußten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Bericht allein läßt noch keine Rückschlüsse auf die Verfassungstreue der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu. Manfred Kanther 5 INHALTSVERZEICHNIS Überblick 13 Linksextremistische Bestrebungen 19 I. Übersicht in Zahlen 20 1. Organisationen und Mitgliederstand 20 2. Verlage und Publikationen 22 3. Gesetzesverletzungen mit linksextremistischem Hintergrund 22 II. Deutscher linksextremistischer Terrorismus 25 1. "Rote Armee Fraktion" (RAF) 25 1.1 Kommandoebene der RAF 26 1.2 Umfeld der "Roten Armee Fraktion" 27 1.3 Inhaftierte aus der RAF 29 1.4 Internationale Verflechtungen 30 2. "Revolutionäre Zellen" (RZ) 31 III. Anarchisten, Autonome und sonstige Sozialrevolutionäre 32 1. Gewaltbereite Autonome 36 1.1 Aktionsfeld "Antifaschismus/Antirassismus" 38 1.2 Aktionsfeld "Kampf gegen Umstrukturierung" 41 1.3 Aktionsfeld "Antiimperialismus/Antikolonialismus" 42 2. Anarcho-syndikalistische und anarcho-kommunistische Gruppen 44 3. Anarchistische "Gewaltfreie Aktionsgruppen" und Kollektive 44 6 Inhaltsverzeichnis IV. Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 45 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und Umfeld 46 1.1 DKP 46 1.2 Umfeld der DKP 48 2. Linksextremistische Positionen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 50 3. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 51 4. "Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 52 5. "Revolutionäre Kommunisten" (RK) 53 6. "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 53 7. "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) 54 8. Trotzkistische Gruppen 55 9. "Ökologische Linke" (ÖkoLi) 56 10. "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) 56 11. "Marxistische Gruppe" (MG) 56 V. Erläuterungen und Dokumentationen 58 VI. Übersicht über die wichtigsten linksextremistischen und linksextremistisch beeinflußten Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 60 Inhaltsverzeichnis 7 Rechtsextremistische Bestrebungen 64 I. Übersicht in Zahlen 66 1. Organisationen und sonstige Personenzusammenschlüsse, Mitgliederstand.... 66 2. Organisationsunabhängige Verlage und Vertriebsdienste 68 3. Periodische Publikationen 68 II. Terroristische und andere Gewaltakte mit rechtsextremistischem Hintergrund 68 1. Eskalation der fremdenfeindlichen Gewalt 68 2. Gewalttätige Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund ... 70 2.1 Übersicht 70 2.2 Tötungsdelikte 72 2.3 Zielrichtungen der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 77 2.3.1 Angriffsziel: Fremde, insbesondere Asylbewerber 77 2.3.2 Angriffsziel: Jüdische Einrichtungen 79 2.3.3 Angriffsziel: Politische Gegner und deren Trefforte 79 2.3.4 Angriffsziel: Polizeibeamte 80 2.3.5 Angriffsziel: "Undeutsche" Personen 81 3. Militante Rechtsextremisten 81 3.1 Übersicht 81 3.2 Analyse der mutmaßlichen Gewalttäter 81 3.3 Rechtsextremistische Skinheads 83 3.3.1 Skinhead-Songs 84 3.3.2 Skinhead-Konzerte 85 3.3.3 Skinhead-"Fanzines" 85 4. Strafverfahren 86 4.1 Urteile 86 4.2 Durchsuchungen 89 III. Sonstige Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund (außer Gewalttaten) 91 1. Überblick 91 2. Beweggründe/Zielrichtungen 93 IV. Neonazismus 95 1. Zielsetzung 95 8 Inhaltsverzeichnis 2. Staatliche Maßnahmen gegen den Neonazismus 95 2.1 Verbote neonazistischer Organisationen 95 2.1.1 "Nationalistische Front" (NF) 96 2.1.2 "Deutsche Alternative" (DA) 98 2.1.3 "Nationale Offensive" (NO) 99 2.1.4 "Deutscher Kameradschaftsbund" (DKB) 101 2.2 Maßnahmen der Bundesregierung nach Art. 18 Grundgesetz 102 3. Neonazistische Personenzusammenschlüsse 102 3.1 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 102 3.2 "Nationale Liste" (NL) 103 3.3 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 103 3.4 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 105 3.5 "Deutsch Nationale Partei" (DNP) 106 3.6 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) 107 3.7 "Deutsche Bürgerinitiative e.V." (DBI) 108 V. "National-Freiheitliche"/"Nationaldemokraten" 109 1. Ideologische Standorte 109 2. Aktivitäten 109 3. "Deutsche Volksunion" (DVU) 110 3.1 Zielsetzung 110 3.2 Teilnahme an der Wahl in Schleswig-Holstein 113 3.3 Organisation 113 3.4 Finanzen 113 3.5 Sonstige Aktivitäten 114 4. "National-freiheitliche" Verlage 114 5. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 114 5.1 Zielsetzung 114 5.2 Teilnahme an Wahlen 116 5.3 Organisation 116 5.4 Finanzen 117 6. "Junge Nationaldemokraten" (JN) 117 VI. "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) 118 1. Zielsetzung 118 2. Teilnahme an Wahlen 120 3. Organisation 121 Inhaltsverzeichnis 9 VII. Sonstige rechtsextremistische Gruppen 121 1. "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) 122 2. "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) 122 VIII. Jugendund Studentenorganisationen 123 1. Überblick 123 2. "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 123 2.1 Organisation und Zielsetzung 123 2.2 Aktivitäten 124 IX. Organisationsungebundene Verlage und Vertriebsdienste 125 1. Zeitschriftenverlage 125 1.1 "Verlag Diagnosen" 125 1.2 "Nation Europa-Verlag" 126 2. Buchverlage und Vertriebsdienste 126 2.1 "Verlagsgemeinschaft Berg" 126 2.2 "Grabert-Verlag" 126 3. Computerspiele 127 X. Verbindungen zu ausländischen Rechtsextremisten 127 1. Internationaler Revisionismus 127 2. Internationale Treffen 129 3. Beteiligung von Rechtsextremisten am Krieg in Kroatien 130 4. NS-Propagandamaterial aus dem Ausland 130 XI. Erläuterungen und Dokumentation 133 XII. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 135 10 Inhaltsverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 138 I. Übersicht in Zahlen 140 1. Organisationen und Mitgliederstand 140 2. Publizistik 143 3. Sicherheitslage, Gewaltaktionen und sonstige Gesetzesverletzungen 143 II. Aktionsschwerpunkte einzelner Ausländergruppen 146 1. Kurden 146 2. Türken (ohne Kurden) 149 2.1 Überblick 149 2.2 Linksextremisten 149 2.3 Islamische Extremisten 153 2.4 Extreme Nationalisten 154 3. Araber 154 4. Iraner 156 4.1 Überblick 156 4.2 Anhänger der iranischen Regierung 156 4.3 Gegner der iranischen Regierung 157 5. Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien 158 6. Sonstige Gruppen 159 6.1 Iren/Nordiren 159 6.2 Sikhs 160 6.3 Tamilen 161 6.4 Basken 161 III. Erläuterungen und Dokumentation 163 IV. Übersicht über erwähnenswerte extremistische Organisationen von Ausländern, deren Nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse 166 Inhaltsverzeichnis 11 Spionageabwehr 170 1. Ausgangslage 172 2. Nachrichtendienste der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 173 2.1 Strukturelle Entwicklung 173 2.2 Aktivitäten des russischen Aufklärungsdienstes SWR im wirtschaftlichen Bereich 175 2.3 Aktivitäten des russischen militärischen Aufklärungsdienstes GRU 177 2.4 Tätigkeit der russischen Nachrichtendienste aus Legalen Residenturen heraus 178 2.5 Enttarnung von Agenten des ehemaligen KGB 181 2.6 Übernahme von Agenten und Unterlagen des MfS durch das KGB und dessen Nachfolgedienste 183 3. Nachrichtendienste der ehemaligen DDR 185 3.1 Zwischenbilanz 185 3.2 Anwerbung von Agenten unter "Fremder Flagge" 188 4. Illegale - Nicht nur eine "Domäne" der HVA des MfS 191 5. Die Nachrichtendienste der ehemaligen Satellitenstaaten 194 6. Spionageaktivitäten von Nachrichtendiensten des Nahen und Mittleren Ostens 194 7. Nachrichtendienstlich gesteuerter Technologietransfer 196 8. Festnahmen und Verurteilungen 197 Anhang 199 Abkürzungsverzeichnis 200 Sach wortreg ister 203 Strukturdaten 208 Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes 209 Bundesverfassungsschutzgesetz 209 MAD-Gesetz 218 BND-Gesetz 221 Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes 224 Überblick I. Linksextremistische Bestrebungen Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch linksextremistische Terroristen bestand auch 1992 fort, wenngleich Anschläge der Terrororganisationen "Rote Armee Fraktion" (RAF) und "Revolutionäre Zellen" (RZ) ausgeblieben sind.* Dagegen hat die Anschlagsaktivität autonomer Gruppen im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Sowohl die RAF als auch die RZ versuchten offensichtlich, bisherige Konzepte den weltweiten politischen Veränderungen anzupassen. Die im Untergrund lebenden Mitglieder der sog. Kommandoebene der RAF haben 1992 in öffentlich verbreiteten Erklärungen von einer Zäsur in ihrem "revolutionären Kampf" gesprochen. Einen endgültigen Verzicht auf "bewaffnete Aktionen", also Mordanschläge, haben sie jedoch nicht angekündigt, sondern lediglich deren einstweilige Aussetzung. Anhänger und Unterstützer der RAF betrieben nach wie vor ihre Kampagne für die Freilassung der Inhaftierten aus der RAF, beteiligten sich aber zunehmend am "antifaschistischen Kampf". Hoffnungen in der Szene auf eine in ihrem Sinne günstige Entwicklung in der "Gefangenenfrage" waren zum Jahresende weitgehend geschwunden. Gewaltbereite anarchistische Autonome erhielten weiteren Auftrieb; in den neuen Bundesländern konnten sie zügig Fuß fassen. Insbesondere unter dem Vorwand des "antifaschistischen Kampfes" führten sie ihre Angriffe gegen den Staat fort. Wie seit Jahren ging auf das Konto von Autonomen - bei zunehmender Brutalität - die Mehrzahl der erneut deutlich angestiegenen Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund. Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Organisationen befanden sich nach dem Zerfall des "realen Sozialismus" - verbunden mit ideologischer Verunsicherung und organisatorischen Zusammenbrüchen - in einer Phase der Konsolidierung, allerdings auf niedrigem Niveau. Die revolutionär-marxistischen Organisationen versuchten, wirtschaftliche und soziale Probleme sowie insbesondere Aktivitäten von Rechtsextremisten - aus ihrer Sicht zwangsläufige Folge * Mit dem Sprengstoffanschlag auf den Neubau der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt am 27. März 1993 stellte die RAF ihre Handlungsfähigkeit und Gefährlichkeit unter Beweis. 14 Überblick des kapitalistischen Gesellschaftssystems - für ihren eigenen Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu nutzen. Auffällig war ihre Bündnisbereitschaft auch mit Personen und Gruppierungen der autonomen Szene und dem RAF-Umfeld. II. Rechtsextremistische Bestrebungen Die Bundesrepublik Deutschland erlebte 1992 eine Gewalteskalation bisher nicht gekannten Ausmaßes. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz wurden 2.584 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation erfaßt. Dies bedeutet gegenüber den 1.483 Gewalttaten des Vorjahres eine Steigerung um 74 %. 17 Menschen, darunter 7 Ausländer, starben an den Folgen der Gewalttaten. Rund 90 % der Gewalttaten hatten eine fremdenfeindliche Zielrichtung. Der Anteil von Jugendlichen und Heranwachsenden an den namentlich bekanntgewordenen mutmaßlichen Gewalttätern beträgt wie 1991 fast 70 %. Ende 1992 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 42.700 Rechtsextremisten, darunter 6.400 militante Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads in strukturarmen Zusammenschlüssen auf regionaler und lokaler Ebene. Die beachtliche Zunahme der Zahl der Rechtsextremisten hat neben dem starken Anstieg des rechtsextremistischen Gewaltpotentials ihre Ursache vor allem darin, daß die "Deutsche Volksunion" (DVU) ihre Mitgliederzahl durch Zugewinne in den alten Bundesländern auf insgesamt etwa 26.000* steigern konnte. Diese Partei konnte ihre Wahlerfolge in Bremen (September 1991) und Schleswig-Holstein (März 1992) - jeweils rund 6 % der Stimmen - dadurch erringen, daß sie die Asylrechtproblematik gezielt in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes gestellt hatte. Rechtsextremistische Bestrebungen sind ideologisch durch einen völkischen Nationalismus gekennzeichnet, dessen Triebfelder ein elitäres Rassedenken ist. Nicht die Gemeinsamkeit der Geschichte, der Kultur und insbesondere der Sprache bestimmt nach diesem Weltbild die Zugehörigkeit zu einem Volk und zu einer Nation, sondern allein die biologische Abstammung (Rassevolk, Rassenation). Das ideologische Feindbild wird deshalb maßgeblich durch Fremden-, insbesondere Rassenhaß gegen ethnische Minderheiten geprägt. * Dr. FREY nennt höhere Zahlen Überblick 15 Die Neonazis streben einen dem Programm der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" von 1920 entsprechenden Führerstaat an. Soweit sie in Hitler ihr Leitbild sehen, entspricht das "Dritte Reich" ihrer Systemvorstellung. Die "Nationalrevolutionäre" unter den Neonazis streben hingegen ein NS-Staatsmodell mit stärkerer sozialistischer, den gewaltsamen Umsturz einschließender Ausprägung an. 1992 war zum ersten Mal erkennbar, daß sich zwischen Neonaziund Skinheadgruppen eine Art "Verflechtung" herauszubilden begann. Von Rassenhaß bestimmte Liedund Magazintexte der Skinheads verstärken die Gewaltbereitschaft nicht nur innerhalb des Rechtsextremismus. "Nationaldemokraten" kleiden ihre völkisch-kollektivistischen Systemvorstellungen in Begriffe wie "Volksgemeinschaft" und "Volksganzes" und agitieren gegen Ausländer. "National-Freiheitliche" agitieren darüber hinaus so aggressiv gegen demokratische Institutionen und demokratisch legitimierte staatliche Repräsentanten, daß sie damit zeigen, diese Einrichtungen in Wirklichkeit abschaffen und durch ein undemokratisches System ersetzen zu wollen. III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Die 39.800 Mitglieder extremistischer Ausländervereinigungen bilden nur eine sehr kleine Minderheit innerhalb der ausländischen Wohnbevölkerung in Deutschland. Die weitaus überwiegende Mehrheit der über sechs Millionen ausländischen Mitbürger akzeptiert und achtet die Rechtsordnung unseres Landes. Nachdem bereits 1991 ein deutlicher Anstieg der versuchten bzw. vollendeten Terrorund sonstigen schweren Gewaltakte ausländischer Extremisten zu verzeichnen war, hat sich 1992 die Zahl der schweren Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr annähernd verdoppelt. Ursache für den Anstieg der Gewalttaten ist nicht zuletzt die nach wie vor ungehemmte Agitation türkischer und kurdischer Linksextremisten. Die Eskalation heimischer Konflikte führt immer wieder zu aggressiv-gewalttätigen Reaktionen ausländischer Extremisten im Bundesgebiet. Der ideologisch-marxistische Ansatz spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Herausragendes terroristisches Einzelereignis war die Ermordung vier iranisch-kurdischer Politiker am 17. September in Berlin. Vieles spricht dafür, daß der Anschlag einen staatsterroristischen Hintergrund hat. Die Polizei konnte mehrere Libanesen und Iraner als mutmaßliche Tatbeteiligte festnehmen. Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist aus taktischen Motiven bemüht, sich Europa als Rekrutierungsund Finanzierungsfeld zu erhalten. Sie schreckt aber auch vor Gewaltaktionen nicht zurück, 16 Überblick wenn ihr dies opportun erscheint. Mutmaßliche Parteianhänger gingen zwischen März und Oktober in vier Phasen gewaltsam gegen türkische Einrichtungen im Bundesgebiet vor. Die Aktionen, darunter eine Vielzahl von Brandanschlägen, waren Reaktionen auf besonders schwere Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften der Türkei bzw. im Nordirak. Auch die linksextremistischen türkischen Gruppen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) und "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) haben zahlreiche Gewalttaten begangen. Ungeachtet der Freilassung der letzten deutschen Geiseln im Libanon besteht die Sicherheitsbedrohung durch libanesische schiitische Extremisten fort. Eine Gruppierung innerhalb der "Hizb Allah" (Partei Gottes) drohte mit Terrorakten, falls sich die Haftbedingungen in Deutschland einsitzender Gesinnungsgenossen nicht verbesserten. Im Herbst mehrten sich die Übergriffe türkischer Extremisten auf deutsche Staatsangehörige, insbesondere auf tatsächliche oder vermeintliche Neonazis. Erstmals seit Jahren zeigten auch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen extremistischen Gruppen innerhalb des türkischen Bevölkerungsanteils in Deutschland wieder steigende Tendenz. Besonderen Anlaß zur Sorge geben die Spannungen und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien in Deutschland, denen 1992 zwei Menschen zum Opfer fielen. Der Haß, der sich angesichts der Grausamkeit des Krieges bei einigen Volksgruppen ansammelt, birgt die Gefahr einer weiteren Radikalisierung. Nicht unterschätzt werden dürfen nach wie vor die terroristischen Bestrebungen von Sikhs, Tamilen, baskischen Separatisten und griechischen Linksextremisten gegen deutsche Sicherheitsinteressen. Dies belegen nicht zuletzt ein fehlgeschlagener Sprengstoffanschlag mutmaßlicher ETA-Aktivisten in Hamburg, Sprengstoffanschläge griechischer Linksterroristen gegen Niederlassungen deutscher Firmen in Griechenland sowie Meldungen über Attentatsplanungen im Bundesgebiet lebender Sikhs. IV. Spionageabwehr Die Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund ihrer zentralen geopolitischen Lage in Europa, ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft und ihrer wissenschaftlich-technischen Ressourcen für fremde Nach- Überblick 17 richtendienste nach wie vor von größtem Interesse. Besonders die russischen Nachrichtendienste, die zum Teil aus dem früheren KGB hervorgegangen sind, haben ihre Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland 1992 fortgesetzt. Immer deutlicher wird dabei jedoch ihr Bestreben, außenpolitische Verwicklungen möglichst zu vermeiden. Wie auch die Nachrichtendienste anderer östlicher Staaten wägen sie stärker als bisher zwischen Risiko und Nutzen nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung ab und verzichten weitgehend auf aggressive Beschaffungsmethoden. Zunehmende Aufmerksamkeit erfordern die Spionageaktivitäten von Nachrichtendiensten des Nahen und Mittleren Ostens, die sich in Deutschland intensiv um die Beschaffung politischer, wirtschaftlicher und militärischer Informationen bemühen. Die Aufarbeitung der Aktivitäten der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste dauert weiter an. Zahlreiche Agenten konnten bereits enttarnt werden. Die Gefahr ist nicht ausgeräumt, daß bislang noch nicht erkannte Agenten von fremden - insbesondere von russischen - Nachrichtendiensten reaktiviert werden. nks extremistisdie Bestrebungen 20 Linksextremistische Bestrebungen I. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen und Mitgliederstand Bewegungen Die Bewegungen und Strukturveränderungen im organisierten und StrukturLinksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, die mit dem veränderungen im Zusammenbruch des "realen Sozialismus" einsetzten, sind weitdogmatischen Linksextremismus gehend zum Stillstand gekommen. Linksextremistischen Organisastabilisieren sich; tionen und Gruppierungen gehörten Ende 1992 mehr als 28.000 gewaltbereite Personen an, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um etwa 2.000. Autonome sind unverändert Die revolutionär-marxistischen Organisationen haben wieder begonvirulent nen - allerdings auf niedrigem Niveau - Tritt zu fassen. Die Welle der Mitgliederaustritte scheint überwunden. Ausstrahlung und Aktionsbereitschaft bei linksextremistischen Kampagnen blieben jedoch weit hinter den Möglichkeiten dieser Organisationen in den 80er Jahren zurück. Kontinuierlichen Zulauf hatten die gewaltbereiten und gewalttätigen autonomen anarchistischen Zusammenschlüsse. Diesen gehörten zum Jahresende nahezu 5.000 Personen - zu einem erheblichen Teil Jugendliche und Heranwachsende - an, davon rund 1.500 in den neuen Bundesländern (Ende 1991 betrug die Anhängerschaft autonomer Gruppierungen in den alten Ländern einschließlich Berlin noch weniger als 3.000). Das Mobilisierungspotential der "Szene" umfaßt zusätzlich mehrere tausend Personen. Während anarchistische Autonome in den neuen Ländern zügig Fuß fassen konnten, Anhänger und Nachahmerfanden, blieben dort die Werbeerfolge revolutionär-marxistischer Organisationen aus dem alten Bundesgebiet gering. Anhänger marxistisch-leninistischer Überzeugungen in den neuen Ländern suchten ihre politische Basis eher in neuen linksextremistischen Parteien und Aufbauorganisationen oder in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), insbesondere in deren "Kommunistischer Plattform". Linksextremistische Bestrebungen 21 Mitglieder linksextremistischer und linksextremistisch beeinflußter Organisationen - nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften - 70000 60000 - 28500 / Mitglieder in linksextremistischen Organisationen* Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten \ 22 000 Kern-/NebenOrganisationen 12500 beeinfluSte Organisationen 7000. Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 6500 Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre" 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 *) Zusätzlich mehrere tausend Personen in der "Kommunistischen Plattform" der PDS **) Zusätzlich mehrere tausend Personen Mobilisierungspotential der "Szene" 22 Linksextremistische Bestrebungen 1990* 1991* 1990 Zahl Mitglieder Zahl Mitglieder Zahl Mitglieder MarxistenLeninisten und andere revolutionäre Marxisten Kernorganisationen 30 25.200 30 21.800**** 34 21.500**** Nebenorganisationen 14 900 10 700 7 700 beeinflußte Organisationen 35 26.500 34 20.000 36 16.500 Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre*** 4.600 4.800 6.800 Summe 79 30.700 26.500 74 27.300 20.000 77 29.000 16.500 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedca. ca. ca. ca. ca. ca. schaften 29.500 20.000 26.500 15.000 28.500 12.500 * Ohne die neuen Bundesländer ** Da den beeinflußten Organisationen auch Mitglieder angehören, die keine Kommunisten sind, wurden die Mitgliederzahlen in einer eigenen Spalte aufgeführt. *** Das Mobilisierungspotential der "Szene" umfaßt zusätzlich mehrere tausend Personen. **** Die mehrere tausend Personen zählende Anhängerschaft der "Kommunistischen Plattform" in der PDS ist in dieser Übersicht nicht berücksichtigt. 2. Verlage und Publikationen Die Zahl der von Linksextremisten gesteuerten Verlage und Vertriebsdienste, die linksextremistische Zeitungen, Zeitschriften und Bücher verbreiten, ist mit nahezu 50 im Vergleich zu 1991 im wesentlichen konstant geblieben. Auch die Gesamtzahl und die Jahresauflage der von Linksextremisten und linksextremistisch beeinflußten Organisationen herausgegebenen periodischen Publikationen scheinen sich - allerdings auf dem seit 1991 anhaltenden niedrigen Niveau - zu stabilisieren. So wurden 1992 etwa 340 Publikationen mit einer Gesamtjahresauflage von über 4,5 Mio. Exemplaren herausgegeben. 3. Gesetzesverletzungen mit linksextremistischem Hintergrund Gewalttaten und Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele verübten Linksextremisten Brutalität bei erneut schwere Straftaten. Die Zahl der erfaßten Gewalttaten, bei Angriffen gegen Personen deutlich denen Linksextremisten als Täter oder Tatbeteiligte bekanntgegestiegen worden sind oder nach den Tatumständen in Betracht kommen, ist 24 Linksextremistische Bestrebungen 1992 wiederum deutlich gestiegen. Bei Angriffen gegen Personen gingen Linksextremisten mit einer bisher - abgesehen von Terrorakten der RAF - kaum gekannten Brutalität vor. Auch die angerichteten Sachschäden erreichten wieder Millionenhöhe. Ein erheblicher Teil linksextremistisch motivierter Gewalttaten ist dem von Linksextremisten geführten "antifaschistischen Kampf" zuzuordnen, gerichtet gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten, aber auch gegen den Staat, dem eine Unterstützung "faschistischer Kräfte" unterstellt wird. Die Zahl solcher militanter Aktionen gegen "Rechte" hat sich mit nahezu 400, darunter ein Tötungsdelikt, mehr als 100 Fälle von Körperverletzung und mehr als 50 Brandund Sprengstoffanschläge, gegenüber 1991 etwa verdreifacht. Die nachfolgende Übersicht gibt das tatsächliche Ausmaß linksextremistischer Gewalt nur unvollkommen wieder; ein Vergleich mit der Übersicht im Bereich des Rechtsextremismus ist wegen der oftmals ungleichen Ausprägung der Gewalt - linksextremistische Straßenmilitanz, rechtsextremistische Angriffe überwiegend auf 1991 1992 Ost West Gesamt Ost West Gesamt Tötungsdelikte - 2 2 - 1 1 Schußwaffenanschläge - 1 1 - - - Sprengstoffanschläge - 7 7 - 5 5 BrandstiftungAanschläge 7 124 131 12 122 134 Landfriedensbrüche 33 94 127 60 100 160*) Sonstige Aktionen mit Körperverletzung 4 32 36 23 66 89 Widerstandshandlungen 1 37 38 3 29 32 Raubüberfälle/Diebstähle - 7 7 1 8 9 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luftoder Straßenverkehr 13 13 1 4 5 Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung 6 429 435 31 506 537 Gewalttaten insgesamt 51 746 797 131 841 972 Gewaltandrohungen 5 46 51 4 49 53 Sonstige Gesetzesverletzunge l mit linksextremistischem Hintergrund 38 177 215 45 133 178**1 Gesamt 94 969 1.063 180 1.023 1.203 * Darunter 127 (1991: 98) Fälle mit Körperverletzung. **) Darunter 131 (1991: 150) Fälle von Hausfriedensbruch Linksextremistische Bestrebungen 25 Einzelpersonen - nur bedingt möglich. Aus statistischen Gründen wurde jede gewaltsame Aktion nur einmal gezählt, auch wenn sie aus mehreren Einzeltaten bestand oder von mehreren Tätern gemeinsam begangen wurde. Dies bedeutet, daß z.B. die Straßenkrawalle zum "revolutionären 1. Mai" in Berlin (104 verletzte Polizisten, erhebliche Sachschäden) nur als eine Gewalttat (ein Fall von Landfriedensbruch) gezählt wurden. Bei militanten Aktionen mit linksextremistischem Hintergrund wurden etwa 400 Polizeibeamte verletzt (1991: über 450). In der Übersicht sind die zahlreichen Schmieraktionen mit geringen Sachschäden nicht enthalten, da hierüber keine verläßlichen Angaben zu erlangen sind. II. Deutscher linksextremistischer Terrorismus Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) blieb ungeachtet ihrer Erklärungen RAF überdenkt auch 1992 die gefährlichste Terrororganisation. Nachdem der Zupolitische sammenbruch des "realen Sozialismus" bereits bei vielen linksexKonzeption und Strategie tremistischen Organisationen Zweifel an den bisherigen ideologischen Wahrheiten und politischen Konzepten ausgelöst hatte, erklärte nun auch die RAF öffentlich, sie habe ihre bisherige Strategie und zurückliegende Aktionen kritisch überdacht. Eine Zäsur und Neuorientierung revolutionärer Politik sei erforderlich. Dazu kündigte sie die Aussetzung des "bewaffneten Kampfes" an.* In den Reihen der "Revolutionären Zellen" (RZ) entwickelten sich ebenfalls Diskussionen über Zweckmäßigkeit und Erfolgsaussichten revolutionärer Gewalt. Terroristische Anschläge der RAF und der RZ blieben 1992 aus. Die Zahl der Gewalttaten von Mitgliedern autonomer anarchistischer Zusammenschlüsse ist jedoch erneut angestiegen (vgl. Kap. I, Nr. 3). 1. "Rote Armee Fraktion" (RAF) Die RAF hatte seit mehr als 20 Jahren als ihr strategisches Ziel verRAF leitet kündet, sie wolle den Imperialismus zerschlagen. Dazu sei bewaffProzeß zur neter Kampf notwendig, den sie - als Teil der Kämpfe antiimperiaNeuorientierung revolutionärer listischer Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt - in der Politik ein kapitalistischen Metropole Bundesrepublik Deutschland führen * Der Anschlag auf den Neubau der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt am 27. März 1993 hat allerdings die Fortdauer der Gewaltbereitschaft der RAF gezeigt. 26 Linksextremistische Bestrebungen müsse. Diese bisherige Leitlinie hat die Kommandoebene der RAF jetzt in Frage gestellt und zu einer Neuorientierung i. S. des Aufbaus einer "gegenmacht von unten" aufgerufen. Das organisatorische Gefüge der RAF, in dem sich die Kommandoebene, die Personen im RAF-Umfeld und die Inhaftierten aus der RAF als politischer Zusammenhang sehen, blieb aber bestehen. 1.1 Kommandoebene der "Roten Armee Fraktion" Am 13. April ging dem Bonner Büro einer Nachrichtenagentur eine auf den 10. April 1992 datierte Erklärung der RAF-Kommandoebene zu. Die Verfasser behaupteten, die RAF denke bereits seit 1989 - also vor den Mordanschlägen auf Dr. Herrhausen (30. 11. 1989), Staatssekretär Neusei (27. 7. 1990) und Dr. Rohwedder (1. 4. 1991 (-darüber nach, daß eine Neubestimmung ihrer "Politik" erforderlich sei und geklärt werden müsse, "was wir falsch gemacht" hätten. Auch für den Zeitraum vor 1989 räumten sie ein, daß die RAF mit ihrer "Politik" nicht stärker, sondern schwächer geworden sei und keine Anziehungskraft entwickelt habe. Durch die Auflösung des sozialistischen Staatensystems und das Scheitern der Kämpfe der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt sei eine völlig veränderte Situation im weltweiten Kräfteverhältnis eingetreten. Die RAF sei in den zurückliegenden Jahren aber auch durch selbstverursachte Fehler, u. a. durch überzogene Avantgardehaltung, schwächer geworden. RAF spricht von Für die nächste Zeit sei es wichtig, Zusammenhänge unter verAussetzen schiedenen Gruppen und Menschen aufzubauen und die Basis bewaffneter für eine "gegenmacht von unten" zu entwickeln. Dabei könne die Aktionen und Aufbau einer Guerilla "nicht im mittelpunkt" stehen; "gezielt tödliche aktionen "gegenmacht gegen spitzen aus staat und Wirtschaft" könnten den jetzt notwenvon unten" digen Prozeß "im moment nicht voranbringen", sie hätten nur eine eskalierende Wirkung. Die angestrebte Entwicklung müsse als ganz wesentlichen Bestandteil den Kampf für die Freiheit der in den letzten Jahren inhaftierten Genossen - die RAF bezeichnet diese als "politische gefangene" - einschließen. Die Ankündigung des Bundesjustizministers Kinkel, "einige haftunfähige gefangene und einige von denen, die am längsten im knast sind", freizulassen, werfe die Frage auf, ob der Staat Raum für politische Lösungen zulasse. Sollte er weiter auf Krieg gegen unten setzen, werde die Phase des Zurücknehmens der Eskalation enden. Krieg könne nur mit Krieg beantwortet werden: Wenn sie "uns nicht leben lassen", dann "müssen sie wissen, daß ihre eliten auch nicht leben können". Linksextremistische Bestrebungen 27 In einem weiteren offenen Brief vom 29. Juni, gerichtet an die "Teilnehmer der Demonstration und des internationalen Kongresses gegen den Weltwirtschaftsgipfel in München" (vgl. Kap. Ill, Nr. 1.3), bekräftigte sie ihre Entscheidung, die "eskalation zurückzunehmen", und versuchte, ihre Vorstellungen zur Entwicklung neuer Ansätze zu verdeutlichen. Im August folgte eine weitere Erklärung, in der die Verfasser wiederholten, daß mit der Aussetzung "gezielt tödlicher aktionen" ein Schnitt in der Geschichte der RAF vollzogen worden sei. Sie betonten zugleich, daß sie die Reaktionen des Staates gegenüber der "politischen Organisierung von fundamentalopposition und basisbewegungen" beobachten würden; sie bekräftigten, wenn der Staat hier nicht zurückweiche, dann "wäre die notwendige und historisch logische antwort, daß der bewaffnete RAF hält sich kämpf zurückkommen wird", aber möglichst nicht nur als Entscheiterroristische dung der RAF, sondern als Entscheidung von vielen. Option offen Das Papier vom August zeigte unmißverständlich die Absicht der RAF-Kommandoebene, als Guerillaorganisation bestehen zu bleiben. "Bewaffnete Aktionen" sollten lediglich vorübergehend - w ä h - rend einer Phase der Neuorientierung revolutionärer Politik gemeinsam mit anderen Kräften der extremistischen Linken - unterbleiben. Der radikalen Linken diente sie sich "als waffe der sozialen bewegung" an. Ihre drohende Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft unterstrich die Kommandoebene mit der Ankündigung: "es muß der regierung, den wirtschaftseliten und den staatsschützem aller fraktionen unmißverständlich klargemacht werden, daß die konsequenzen für diesen staat, wenn er am ausmerzverhältnis festhält, bei weitem das übersteigen werden, womit er konfrontiert wäre, wenn wir am 10. 4. nicht diesen schnitt in unserer geschichte gemacht hätten". 1.2 Umfeld der "Roten Armee Fraktion" Viele der Gruppierungen und Personen (bundesweit etwa 250), die RAF-Umfeld übt seit Jahren Agitation auf der Linie der RAF sowie Propaganda und sowohl ZustimBetreuung für Inhaftierte aus der RAF betreiben, wurden offensichtmung als auch Kritik an der Erlich durch die Erklärung der Kommandoebene vom 10. April überklärung der RAF rascht. Breite Zustimmung im RAF-Umfeld fand zunächst der Versuch, die sog. Kinkel-Initiative aufzugreifen, um Verbesserungen für die Inhaftierten, möglichst sogar deren Freilassung zu erreichen. Einzelne bemängelten aber, daß die Kommandoebene die Aufforderung zur Entwicklung neuer Konzeptionen und die Suche nach Lösung der "Gefangenenfrage" miteinander verknüpft habe. Leb- 28 Linksextremistische Bestrebungen haft kritisiert wurden die nur ungenauen Ausführungen zur künftigen politischen Linie. In linksextremistischen Szeneblättern hieß es dazu u. a., die Äußerungen seien schwammig, unanalytisch, teilweise einfach falsch, mit verheerenden Fehleinschätzungen der gesellschaftlichen Lage; das strategische Kalkül könne nicht aufgehen11. Autonome reagierten ähnlich kritisch, äußerten sich skeptisch zur möglichen Reaktion des Staates, begrüßten aber, daß die RAF ihren Avantgardeanspruch zurücknehme. Am 24. April und am 29. Mai gingen mehreren Zeitungsredaktionen Erklärungen aus dem RAF-Umfeld zu. Die Verfasser bekräftigten ihre Übereinstimmung mit den früheren Grundpositionen der RAF und riefen zur Fortführung des "bewaffneten Kampfes" auf. In ihrer Kritik an der Erklärung vom 10. April sähen sie sich durch das Entsetzen ausländischer Genossen bestätigt. Der Kommandoebene fehle eine revolutionäre Strategie. Militante Aktionen blieben nicht nur moralisch notwendig, sondern auch sinnvoll. Widerstand bedeute Angriff. RAF-Umfeld Örtliche Gruppierungen aus dem RAF-Unterstützerbereich beteiligbeteiligt sich an ten sich offener und intensiver als früher an Aktionen und KampaKampagnen 9 n e n anderer Linksextremisten, insbesondere der militanten Autoanderer nomen. Mit diesen zusammen agitierten sie gegen "Faschos", Linksextremisten griffen Rechtsextremisten und vermeintliche Rechtsextremisten tätlich an und beteiligten sich an Solidaritätsaktionen für ausländische Flüchtlinge. Zusammen mit Autonomen und anderen Linksextremisten unternahmen sie Störaktionen anläßlich des Wirtschaftsgipfeltreffens Anfang Juli in München (vgl. Kap. Ill, Nr. 1.3). Personen aus dem RAF-Umfeld hatten aus diesem Anlaß auch weitgehend die Vorbereitung zu einem "Gegenkongreß" in München übernommen, zu dem als Redner und Teilnehmer auch Mitglieder zahlreicher extremistischer Organisationen aus dem Ausland angereist waren. Das RAF-Umfeld setzte eine Kampagne für die "Freilassung der politischen Gefangenen" in Gang. Dazu konnte das RAF-Umfeld für eine Demonstration am 20. Juni in Bonn fast 2.000 Teilnehmer mobilisieren. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten für die Freilassungsforderung breitete sich im Herbst zunehmende Skepsis aus. Anfang Dezember kamen Teile des RAF-Umfeldes zu der Überzeugung, es sei ein schwerer Fehler gewesen, wie auf die "Kinkel-Initiative" reagiert worden sei. Für die Freilassung einiger Gefangener sei ein immenser Preis gezahlt worden. Mit dem von der RAF ausgesandten Signal, "bewaffnete Interventionen seien im Moment nicht angesagt und antagonistische Politik langfristig nicht durchzuhalten", habe sie an Glaubwürdigkeit verloren. Diese Entwicklung müsse dringend gestoppt werden. Linksextremistische Bestrebungen 29 1.3 Inhaftierte aus der "Roten Armee Fraktion" Bereits am 15. April begrüßte Irmgard MÖLLER - stellvertretend für RAF-Inhaftierte alle "Gefangenen aus RAF und Widerstand" - die Ankündigung der beteiligen sich RAF-Kommandoebene vom 10. April, den bisherigen bewaffneten intensiv an der FreilassungsKampf auszusetzen, um eine Neuorientierung revolutionärer Politik diskussion zu versuchen. Auch sie versicherte, daß eine Zäsur im gesamten politischen Zusammenhang gewollt sei. Die globalen und innergesellschaftlichen Umbrüche seien so tiefgehend, daß eine einfache Fortsetzung der Politik und Praxis der 70er und 80er Jahre unmöglich sei. Sowohl Inhalte als auch Formen der eigenen Politik müßten jetzt neu bestimmt werden. Für die Inhaftierten wiederholte Irmgard MÖLLER die Forderung nach sofortiger Freilassung der haftunfähigen Gefangenen. Langfristig müsse es eine Perspektive der Freiheit "für alle" in einem, absehbaren nächsten Zeitraum geben. Dazu stellte sie klar, auch in der Vorstellung der Inhaftierten gehe das nicht sofort und nicht auf einmal für alle. 30 Linksextremistische Bestrebungen Der Inhalt und der zeitliche Ablauf, in dem die Erklärungen der Kommandoebene und der Inhaftierten erschienen, belegen, daß die neue politische Initiative der RAF-Kommandoebene mit den inhaftierten Genossen abgestimmt war. Verhaltene Hoffnung auf eine "politische Lösung" im Verlauf der nächsten Jahre hatten anfänglich langjährige "Hardliner" unter den Inhaftierten. Sie begannen im Sommer aber als erste mit Behauptungen, die "Kinkel-Initiative" sei nur die Fortsetzung der - angeblichen -Vernichtungsstrategie des Staates mit neuen Mitteln. In zunehmender Schärfe kritisierten sie die Erklärungen der RAFKommandoebene, rügten fehlerhafte politische Analysen, ungenügende Berücksichtigung internationalistischer Bezüge und beklagten die Verknüpfung der Themen: Neuorientierung revolutionärer Politik und Lösung der "Gefangenenfrage" als unglücklich und taktisch falsch. Skepsis hinsichtlich der Erfolgsaussichten verbreitete sich insbesondere nach der für die Szene unbefriedigenden Entscheidung im Falle des RAF-Strafgefangenen Bernd ROSSNER. Inhaftierte aus der RAF, die Verfahren gem. SS 57a StGB beantragt hatten, argwöhnten schließlich, der Staat sei nur bereit, sie auf Bewährung in Freiheit zu lassen, wenn sie zuvor als unzurechnungsfähige Kriminelle hingestellt worden seien. Eine psychiatrische Begutachtung sei nicht akzeptabel. 1.4 Internationale Verflechtungen Wie in den zurückliegenden Jahren unterhielten Personen aus dem Umfeld der RAF wieder vielfältige Kontakte zu ausländischen extremistischen Organisationen. Hervorzuheben sind Verbindungen zu der türkischen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) und zur "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), aber auch wieder zu inhaftierten Mitgliedern und Anhängern der französischen "Action Directe", der italienischen "Brigate Rosse" und den belgischen "Kämpfenden Kommunistischen Zellen" (C.C.C.) sowie zu "revolutionären Gruppierungen" in Süd-, Mittelund Nordamerika. Reaktionen euroEin Beleg für die langjährige Einbindung der RAF in das Geflecht päischer Terroranderer europäischer Terrorgruppen und den Stellenwert der RAF gruppen über dort ist das Meinungsecho auf den Kurs der "politischen Neuneuen Kurs der RAF reichen von orientierung" der RAF; dieses reichte von zögernder Akzeptanz zögernder Akzepder Leitgedanken in den RAF-Papieren durch die "Action Directe" tanz bis schroffer bis zu schroffer Ablehnung durch die C.C.C. und die spanische Ablehnung. PCE (r). Linksextremistische Bestrebungen 31 2. "Revolutionäre Zellen" (RZ) Gruppen aus dem Kernbereich der RZ haben 1992 keine terroristischen Anschläge verübt. Eine sogenannte Nachahmer-RZ versuchte am 15. Januar im Themenzusammenhang "Asyl-/Ausländerfeindlichkeit" einen Brandanschlag auf das Ausländeramt der Stadt Nürnberg. Am 29. Juni legten in München "Nachahmer-RZ" vor Gebäuden von zwei Verlagen mit rechtsextremistischem Hintergrund mehrere Rohrbomben ab, die nicht detonierten. Einige Gruppen aus dem Zusammenhang der seit 1973 aktiven terFortsetzung roristischen "Revolutionären Zellen" (RZ), die sich u. a. als antider Diskussion imperialistisch und Sozialrevolutionär bezeichnen, setzten den im über die künftige Ausrichtung Vorjahr begonnenen öffentlichen Meinungsstreit über die künftige der militanten Ausrichtung ihrer militanten revolutionären Politik fort. Dazu verRZ-Politik breiteten sie in linksextremistischen Szeneblättern mehrere Positionspapiere. Im März erschien in der Zeitschrift "Konkret" die Auflösungserklärung einer dieser Gruppen. Die Verfasser bekannten sich u. a. zu dem im Jahr 1991 verübten Sprengstoffanschlag auf die Staatskanzlei der Landesregierung Nordhrein-Westfalen in Düsseldorf. In der Erklärung zogen sie die Konsequenz aus den innerhalb der terroristischen Organisation mehrjährig kontrovers geführten Diskussionen über die praktizierte Form des "bewaffneten Kampfes" und dessen Fortführung nach dem Zusammenbruch des "realen Sozialismus", der deutschen Wiedervereinigung sowie den darauf folgenden Zersetzungsprozessen innerhalb der Linken. Als einen Grund für das "Scheitern" gaben sie ihre Unfähigkeit an, andere Gruppen aus der RZ-Struktur auf eine gemeinsame Stoßrichtung zu verpflichten. So seien ihre Bemühungen, "im Jahr 1990 alle Kräfte der RZ auf die Ingangsetzung einer breiten antirassistischen und internationalistischen Kampagne zu lenken", am Widerstand anderer Teile des eigenen Zusammenhangs gescheitert. Auch sei es nicht gelungen, mit den Frauen der "Roten Zora"21 eine gemeinsame Politik zu entwickeln, statt dessen sei es durch eigenes Verschulden zu einer Trennung gekommen. Deswegen hätten sie "die bisherige Form des militanten Widerstands ... aufgegeben". Die Entscheidung dieser RZ-Gruppe wurde im April in einem Diskussionsbeitrag einer Gruppe "Revolutionäre Zellen - Tendenz für die international soziale Revolution" im Berliner autonomen Szeneblatt "INTERIM"31 scharf kritisiert. Die Verfasser drängten massiv auf die Fortsetzung des "bewaffneten Kampfes", unter thematischer Anknüpfung an die "revolutionären Befreiungskämpfe in den drei Kontinenten". 32 Linksextremistische Bestrebungen Ende Mai erschien in "INTERIM"41 eine weitere Stellungnahme einer Gruppe aus dem RZ-Zusammenhang. Mit der Aussage "Wir müssen so radikal sein wie die Wirklichkeit" wiesen die Verfasser auf die Notwendigkeit hin, eine "Neubestimmung antiimperialistischer Solidarität" vorzunehmen und den "deutschen Imperialismus" vehement zu bekämpfen. Die Entwicklung eines antipatriarchalen Kampfansatzes wurde von dieser RZ-Gruppe als zentrales Element für die Neubestimmung militanter linksradikaler Politik angesehen. Es sei notwendig, die Strukturen aufrecht zu erhalten. Auf die Veröffentlichung von Diskussionsbeiträgen könne man sich nicht beschränken. IM. Anarchisten, Autonome und sonstige Sozialrevolutionäre Gewaltbereite Die Entwicklung anarchistisch orientierter Gruppen blieb uneinheitAutonome im lich: Traditionelle Organisationen - anarcho-syndikalistische und anAufwind archo-kommunistische Zusammenschlüsse - fanden nur geringen Zuspruch, anarchistische "Gewaltfreie Aktionsgruppen" stagnierten. Dagegen sahen sich gewaltbereite Autonome im Aufwind. Auf ihr Konto gingen wieder etwa 80 bis 90 Prozent der Körperverletzungen sowie der Brandanschläge und sonstigen Sachbeschädigungen mit linksextremistischem Hintergrund. Die Hemmschwelle bei diesen Gruppen vor selbst schwersten Gewalttaten gegen Personen sank rapide. Die anarchistische Szene hat ihren eigenen Jargon und ihre eigenen Medien. So gibt es etwa 30 bedeutendere - z.T. konspirativ verbreitete - Szeneblätter. Bundesweite Ausstrahlung haben die wöchentlich in Berlin erscheinende Schrift "INTERIM" sowie das unter wechselnden ausländischen Adressen vertriebene Untergrundblatt "radikal". Die anderen Zeitschriften sind überwiegend regional bedeutsam, z. B. "AGITARE BENE" (Köln), "UNFASSBA" (Münster), "Ruhrgebietsinfo", "SWING - Autonomes Rhein-MainInfo", "RAZZ" (Hannover), "Ausbruch" (Freiburg). Das Konzept solcher Szeneblätter wurde auch in der Nullnummer (März 1992) des neuen Hamburger Blattes "OHM - Spannung - Stärke - Widerstand" dargelegt: Die Schrift richtet sich vor allem an Menschen, die sich nicht auf die vom System gesteckten Grenzen fixierten. Wichtig sei der Austausch über militante Praxis: "Also dann: redet, schreibt, 'macht' (...) Haut den Schweinen auf die Finger!!" Linksextremistische Bestrebungen 33 Die "radikal"-Redaktion erklärte in der Ausgabe Nr. 145 vom Februar 1992, die verdeckte Herstellung und Verbreitung des Blattes ermögliche es, "offensiv zu militanten Aktionen aufzurufen und 'anschlagsrelevante Ziele' (Adressen, Namen, Firmen etc.)" zu veröffentlichen; dies sei "prinzipiell wichtig und gut", "radikal" dokumentiert regelmäßig Sabotageanleitungen, z. B. in der FebruarAusgabe einen Bauplan für eine zeitverzögerte Zündung von Brandsätzen61. 34 Linksextremistische Bestrebungen Zur Agitation und Mobilisierung nutzt die Szene auch nichtkommerzielle alternative Radioprojekte, Piratensender6', ein bundesweites Infotelefon mit Sitz in Delmenhorst und "Telefonketten". Viele Nachrichten werden über Mailboxsysteme übermittelt (z.B. "European Counter Network" und "Spinnennetz")7'. Wichtig sind auch die sog. Infoläden. Eine in der Szene verbreitete Übersicht führt inzwischen mehr als 80 Adressen auf, darunter auch eine große Zahl in den neuen Ländern. "Infoläden" der Szene stehen in Kontakt zu entsprechenden Einrichtungen im europäischen Ausland. Durch internationale Treffen (14. bis 21. April in Oslo, 20. bis 25. November in Berlin) und grenzüberschreitende "Vernetzung" erlangen auch die ausländischen "Infoläden" für die deutsche Szene zunehmende Bedeutung. Linksextremistische Bestrebungen 35 FÜR FREIE POLITISCHE KOMMUNIKATION UND ISKUSSION ! B tiMotäden sind U.Ü t Rechtsextremistische Bestrebungen 99 bus ein Zentrum entstand. Die von Frank HÜBNER (26) geführte Organisation zählte zum Zeitpunkt des Verbots rund 350 Mitglieder und unterhielt Landesverbände in Bremen, Brandenburg, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Berlin. Kennzeichnend für die aggressive Zielsetzung der DA war ihre rasAgitation gegen sistisch unterlegte Agitation gegen eine Überfremdung durch AusAusländer länder bzw. Asylbewerber: "Schluß mit der Überfremdung - Asylanten raus", "Multikultur" - Nein Danke!", "Rassenmischung ist Völkermord" (DA-Aufkleber) Bei den anläßlich des Verbots durchgeführten Durchsuchungen konnte die Polizei umfangreiche Propagandamaterialien, Organisationsunterlagen und EDV-Geräte sicherstellen. Versuche von DAAktivisten im Raum Brandenburg, trotz des Verbots Zusammenkünfte abzuhalten, wurden durch die Polizei unterbunden. 2.1.3 "Nationale Offensive" (NO) Die am 22. Dezember verbotene "Nationale Offensive" (NO) war Verbot der NO am 3. Juli 1990 auf maßgebliche Initiative von Michael SWIERCZEK (31), einem ehemaligen FAP-Funktionär, gegründet worden. Während sich anfangs vor allem enttäuschte FAP-Mitglieder in dieser neuen Gruppierung sammelten, erhielt die NO später mit ihrem Anspruch, "all jenen Kameraden eine politische Plattform (zu) bieten, die ... an der Wiederauferstehung unseres Volkes mitarbeiten wollen" (NO-Broschüre "Wer wir sind und was wir wollen", S. 5) auch aus anderen Kreisen Zulauf. Insbesondere in den neuen Bundesländern, vor allem in Sachsen, konnten Anhänger gewonnen werden, so daß die Mitgliederzahl zuletzt auf rund 140 gestiegen war (1991: rund 100). Über ihre Aktivitäten in den neuen Ländern hinaus hatte die NO versucht, Kontakte zur deutschstämmigen Bevölkerung in Schlesien (Polen) zu knüpfen und dort einen Landesverband aufzubauen. Die NO vertrat rassistisch unterlegte fremdenfeindliche Positionen: "Derweil Rassenkrawalle alle europäischen Hauptstädte erschütNO agitiert gegen tern, setzt unsere Regierung unverdrossen auf die 'Integration' Ausländer fremder Menschen in unserer Heimat. Wir sind dagegen!" (NO-Broschüre "Wer wir sind und was wir wollen", S. 7) 100 Rechtsextremistische Bestrebungen Ikogenoealer ins prbeitslager! nationale nationale Offenpue (TIO) OffenftüE (TIO) In einem neugefaßten Programm verkündete sie: "Die Nationale Offensive steht für eine neue Qualität im Bereich der Ausländerpolitik. Gemeinsam mit der überwiegenden Mehrheit unseres Volkes fordern wir die Rückführung der Ausländer in ihre Heimat, eine erhebliche Verschärfung des Asylrechts und der Bestimmungen zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft, sowie ein klares Veto gegen ein Wahlrecht für Ausländer." Rechtsextremistische Bestrebungen 101 Die NO führte 1992 mehrere Veranstaltungen durch, bei denen der rechtsextremistische britische Revisionist David IRVING (54) als Redner auftrat, und bekundete ihre Solidarität mit einem ehemaligen SS-Angehörigen, der wegen NS-Verbrechen in Stuttgart vor Gericht stand. Am 5. April nahm die NO an den Landtagswahlen in Baden-Württemberg teil, erzielte aber mit 183 Stimmen ein unbedeutendes Ergebnis. Sie war ausschließlich in den Wahlkreisen Konstanz und Singen angetreten. Im Zuge der Maßnahmen zur Vollziehung des Verbots wurden am 22. Dezember in sieben Ländern die Wohnungen von rund 30 Anhängern durchsucht. Dabei wurden zahlreiches Schriftund Propagandamaterial, Organisationsunterlagen sowie Computerdisketten sichergestellt. 2.1.4 "Deutscher Kameradschaftsbund" (DKB) Der niedersächsische Innenminister hat am 21. Dezember den nur Verbot des DKB im Land Niedersachsen tätigen "Deutschen Kameradschaftsbund" (DKB) verboten. Bereits am 9. Dezember war bei Durchsuchungen der Wohnungen mutmaßlicher Mitglieder umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden. Der von Thorsten de VRIES (31) geführte DKB war am 8. November 1991 in Wilhelmshaven gegründet worden. Die rund 30 Anhänger zählende Vereinigung verstand sich als Sammelbecken junger unzufriedener Rechtsextremisten, besonders aus dem neonazistischen Spektrum. In Flugblättern, EinAusländerladungsschreiben zu Veranstaltungen und bei anderen Aktivitäten feindliche und offenbarte sich eine extrem ausländerfeindliche und nationalistische nationalistische Einstellung. Positionen. 102 Rechtsextremistische Bestrebungen 2.2 Maßnahmen der Bundesregierung nach Art. 18 Grundgesetz Anträge der Die Bundesregierung beantragte am 9. Dezember beim BundesBundesregierung verfassungsgericht, die Verwirkung der Grundrechte auf freie Meiauf Verwirkung nungsäußerung, der Pressefreiheit sowie der Versammlungsund von Grundrechten Vereinigungsfreiheit gegenüber den Neonazis Thomas DIENEL (31) und Heinz REISZ (54) auszusprechen. In der Antragsbegründung wurde ausgeführt, daß die Betroffenen diese Grundrechte fortwährend zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbrauchen. DIENEL, früher Mitglied der SED und Funktionär der SED-Jugendorganisation FDJ, betätigte sich in den Jahren 1990/91 in der rechtsextremistischen "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD). Seit April 1992 engagierte er sich als Gründer, Vorsitzender und Propagandist der neonazistischen "Deutsch Nationalen Partei" (DNP). Er vertrat öffentlich aggressiven Rassismus und Antisemitismus. Das Kreisgericht Rudolstadt verurteilte ihn wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sowie zu einer Geldstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. REISZ war in mehreren neonazistischen Organisationen aktiv. Im Zuge der hessischen Kommunalwahl im März 1989 trat er in seinem Wohnort Langen als Spitzenkandidat der neonazistischen "Nationalen Sammlung" (NS) auf. Die NS wurde aber am 27. Januar 1989 durch den Bundesminister des Innern verboten und aufgelöst. Danach betätigte er sich als Funktionär in der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und wurde später Vorsitzender der neonazistischen Landesorganisation "Deutsches Hessen" (DH). Bei seinen Auftritten gab er sich aggressiv-antisemitisch und forderte wiederholt die Abschaffung des "Bonner Systems" sowie die Gründung eines "Vierten Reiches". Flugblätter, für die er verantwortlich war, enthielten eine ausländerfeindliche Agitation. 3. Neonazistische Personenzusammenschlüsse 3.1 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Zu Lebzeiten des Neonazi-Führers KÜHNEN bildete die GdNF einen Personenzusammenschluß von NS-Aktivisten ohne erkennbare Konturen und Strukturen, der die politischen Ziele KÜHNENS verwirklichen sollte. Sie strebten die Neugründung der NSDAP und die Errichtung eines "Vierten Reiches" an. Seit KÜHNENS Tod am 25. April 1991 schwand das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit Rechtsextremistische Bestrebungen 103 mehr und mehr. Seit Mitte 1991 wurden Landesorganisationen gegründet mit dem Ziel, staatliche Verbote zu erschweren. Diese neuen Strukturen machten die GdNF überflüssig. Zudem war der ursprünglich als Nachfolger KÜHNENS designierte Österreicher Gottfried KÜSSEL (34) aufgrund seiner Inhaftierung am 7. Januar in Wien nicht in der Lage, den Zusammenhalt der GdNF zu gewährleisten. An dessen Stelle trat der Hamburger Funktionär der "Nationalen Liste" (NL), Christian WORCH (36), der sich jedoch nicht als Aktivist der GdNF sieht. Die GdNF besteht heute nur noch als Redaktionskollektiv für die GdNF nur noch Publikation "Die Neue Front", die anonym über eine KontaktanRedaktionsschrift in den Niederlanden herausgegeben wird. kollektiv für die Publikation "Die Neue Front" In dem gegen Aktivisten der GdNF vor dem Landgericht Frankfurt/M. anhängigen Strafverfahren nach SS 85 StGB wegen des Verdachts, die 1983 verbotene "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten" (ANS/NA) fortgeführt zu haben, wurde am 8. April der ehemalige KÜHNEN-Vertraute und ANS/NA-Funktionär Freiheitsstrafe für Thomas BREHL (35) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verNeonazi BREHL urteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. 3.2 "Nationale Liste" (NL) Eine der herausragenden Tätigkeiten des NL-Aktivisten Christian "Anti-Antifa"WORCH war die Einleitung einer "Anti-Antifa"-Kampagne. Deren Kampagne des Ziel ist zum einen die langfristig logistisch vorbereitete Bekämpfung Neonazis WORCH politischer Gegner, andererseits die Mobilisierung von Anhängern unterschiedlicher neonazistischer und sonstiger rechtsextremistischer Gruppen zu einer organisationsübergreifenden Aktionsgemeinschaft. Im Rahmen dieser Kampagne wird gegenüber linksextremistischen Autonomen und Antifa-Anhängern eine harte Gangart angekündigt. Trefforte und Lokale von Linksextremisten wurden bereits ausgekundschaftet und veröffentlicht101. Eine organisationsübergreifende Veranstaltung war auch die von Großkundgebung WORCH maßgeblich mitorganisierte Großkundgebung zum 5. Tozum 5. Todestag destag von Rudolf Hess am 15. August in Rudolstadt (Thüringen), von Rudolf Hess an der über 2.000 Personen aus dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum teilnahmen. 3.3 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die 1979 gegründete und seit 1984 von ehemaligen Anhängern der Neue Mitglieder 1983 verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Akvor allem in tivisten" (ANS/NA) unterwanderte FAP konnte 1992 ihren jahrelanBrandenburg und Sachsen gen Niedergang stoppen. In den neuen Ländern, vor allem in Brandenburg und Sachsen konnte die Vereinigung neue Mitglieder 104 Rechtsextremistische Bestrebungen werben und regionale Strukturen aufbauen. Nicht zuletzt dadurch stieg die Mitgliederzahl auf rund 220 (1991: 150). Den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten verlagerte die FAP nach Berlin und in das angrenzende Umland. Rassistisch Die von Friedhelm BUSSE (63) geführte FAP versteht sich als natiogeprägte fremdennalsozialistische Partei. Sie vertritt rassistisch geprägte fremdenfeindliche Ziele feindliche Ziele: "Viele Ausländer gefährden die öffentliche Sicherheit! ... Steigende Ausländerzahlen bedrohen die Existenz der Deutschen!" "Konsequente Abschiebung aller Scheinasylanten! Ausweisung krimineller oder dauerarbeitsloser Ausländer! Sofortiger Aufnahmestop für Ausländer! Kein Ausländerwahlrecht, keine 'Multikulturelle Gesellschaft'!" ("Neue Nation" 2/92, S. 7) Die FAP ist - nach ihrem Selbstverständnis - "als eine deutsche Volkspartei ... gewillt, mit allen anderen wahrhaftig nationalen Gruppierungen zusammenzuarbeiten, um die Ausbeuter und Unterdrücker unseres geliebten deutschen Vaterlandes das Fürchten zu lehren. Auch die NPD sollte um Deutschland willen noch einmal ihren Abgrenzungsbeschluß gegen die FAP gründlich überdenken. Die gut geschulten Kameraden beider Parteien könnten gemeinsam mehr erreichen, als es der NPD bisher vergönnt war." ("Neue Nation" 2/92, S. 4) Rechtsextremistische Bestrebungen 105 Ihre Aktivitäten beschränkten sich neben der sporadischen Herausgabe ihrer Publikation "Neue Nation" auf die Durchführung vereinzelter Kundgebungen, interner Treffen und die Teilnahme an FAP bei Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Organisationen. Wahlen weiterhin Lediglich die Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Berlin führchancenlos ten regelmäßige Zusammenkünfte durch. Mitglieder des Landesverbandes Berlin kandidierten bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung am 24. Mai im Bezirk Prenzlauer Berg für die "Wählergemeinschaft Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei", die lediglich 228 Stimmen (= 0,37%) erzielte. Am 22. Januar wurde der ehemalige Vorsitzende des FAP-LandesAbschiebung verbandes Niedersachsen, der Österreicher Karl POLACEK (58), aufdes Neonazis grund einer Ausweisungsverfügung der Kreisverwaltung Göttingen POLACEK nach Österreich abgeschoben. Die Behörde hatte POLACEK wegen seiner gewaltsamen neonazistischen Aktivitäten als ein Risiko für die öffentliche Sicherheit und Ordnung angesehen, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im einstweiligen Rechtsschutzverfahren letztinstanzlich die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung bestätigt. 3.4 "Hilfsorganisationen für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Mit rund 200 Mitgliedern zählt die HNG nach wie vor zu den mitHNG untergliederstärksten neonazistischen Organisationen. Die von Ursula stützt inhaftierte MÜLLER (59) geleitete Vereinigung unterstützt inhaftierte NeoNeonazis nazis materiell und ideell. Sie bemüht sich, die aus der Haft entlassenen Gesinnungsgenossen wieder in die rechtsextremistische Szene einzugliedern: "Die HNG ist eine Solidargemeinschaft, in der hauptsächlich ihre Mitglieder in Form von Beiträgen oder Spenden etwas einzahlen, damit wir den Gefangenen ihren Haftaufenthalt etwas angenehmer gestalten können." ("Nachrichten der HNG", 141/92, S. 10) "Die HNG steht den Gefangenen sowohl bei der Beschreitung des Rechtsweges als auch im Falle anderer Maßnahmen bei." ("Nachrichten der HNG", 143/92, S. 16) Die HNG will: "dem System außerhalb der Gefängnismauern den 'Krieg' erklären. ... Aus dem Knast heraus ist noch keine Schlacht gewonnen worden! Das mußte kürzlich auch die RAF erkennen." ("Nachrichten der HNG", 143/92, S. 16) 106 Rechtsextremistische Bestrebungen Die "Nachrichten der HNG" veröffentlichten regelmäßig eine "Gefangenenliste", die der Kontaktvermittlung zu den Inhaftierten dient und auch die Billigung von Anschlägen erkennen läßt: "In der 'Gefangenenliste' führen wir nur die waschechten 'Polit-Kriminellen'. ... Darunter fallen auch Kameraden, die Brandanschläge auf Asylantenunterkünfte, Körperverletzungen und andere Straftaten aus ihrer politischen Überzeugung heraus begangen haben. Politische Gefangene sind natürlich auch diejenigen, die gegen das 'VERBOTSGESETZ' bzw. gegen die Gesinnungsparagraphen des brd-Strafgesetzbuches verstoßen haben." ("Nachrichten der HNG", 143/92, S. 9) Die HNG bemühte sich zwar, ihre Aktivitäten auch auf die neuen Länder auszudehnen, konnte dort jedoch nur vereinzelt Mitglieder gewinnen. 3.5 "Deutsch Nationale Partei" (DNP) DNP vertritt Die im April 1992 in Wechselburg (Sachsen) gegründete DNP sieht nationalistische. sich als eine "Partei der radikalen Rechten, die ihr Ziel darin sehen, die Mitteldeutsche Revolution von 1989 im nationalen Sinne fortzusetzen." (DNP-Programm, Vorwort) Vorsitzender ist der Neonazi Thomas DIENEL aus Weimar (vgl. Nr. 2.2). revisionistische Die Gruppe tritt für eine revisionistische Darstellung der deutschen und Geschichte ein und leugnet Verbrechen des Dritten Reiches mit der These: "Durch die Siegermächte des 2. Weltkrieges und des Zionismus wurden Greuelmärchen erfunden, die keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten." rassistisch Mit ihren Forderungen nach "Brechung der Zinsknechtschaft" und motivierte der Einbeziehung des einzelnen in die Deutsche Volksgemeinschaft fremdenfeindliche durch Arbeit111 übernimmt die DNP Kernpunkte des NSDAP-ProZiele gramms von 1920. Rassistisch motivierte Fremdenfeindlichkeit zeigt sich in folgenden Aussagen: "Kampf der Überfremdung unseres Volkes." (DNP-Programm, Nr. 2) Rechtsextremistische Bestrebungen 107 "Ein deutscher Arbeitnehmer muß in jedem Fall einem ausländischen Arbeitnehmer vorgezogen werden. Solange es in Deutschland Arbeitslosigkeit gibt, darf kein ausländischer Arbeitnehmer eingestellt werden. Sie sind in Arbeitslagern zu sammeln und zum Wohle der Volksgemeinschaft zu beschäftigen." (DNP-Programm, Nr. 1.3) 3.6 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Die NSDAP-AO verfügt im Bundesgebiet über zahlreiche, meist nur "Stützpunkte" aus Einzelpersonen bestehende "Stützpunkte", die auch 1992 von der NSDAP-AO ihrer "Auslandszentrale" in Lincoln/Nebraska (USA) umfangreiches verbreiten NS-Propagandaneonazistisches Propagandamaterial bezogen. Diese in den USA material aus den straffrei hergestellten Schriften, Aufkleber und Handzettel werden USA von den deutschen Gesinnungsgenossen bei ihren zahlreichen KAUFT NICHT BEI JUDEN! NSDAP-AO NS-VERBOT AUFHEBEN! NSDAP-AO WIR SIND WIEDER DA! NSDAP-AO 108 Rechtsextremistische Bestrebungen Schmier-, Klebeund Verteilaktionen verwendet. Der US-Bürger Gary Rex LAUCK (39), der seit Jahren als "Propagandaleiter" der NSDAP-AO auftritt, gibt auch das alle zwei Monate erscheinende NSDAP-AO-Organ "NS Kampfruf" heraus. Das Blatt dient deutschen Neonazis als wichtiges Propagandamittel und veröffentlicht u.a. antisemitische und ausländerfeindliche Artikel. So heißt es in der Mai/Juni-Ausgabe: "Nationalsozialisten! Jetzt ist die Zeit für jeden rassebewußten Mann, Frau und Kind den weissen Widerstand nach Kräften zu fördern. Es gibt nur ein Heilmittel gegen den jüdischen Liberalismus. Es heißt Nationalsozialismus!" 3.7 "Deutsche Bürgerinitiative e.V." (DBI) "FreundschaftsDie 1971 gegründete DBI wird nach wie vor von ihrem Gründer, treffen" mit indem ehemaligen Rechtsanwalt und Neonazi Manfred ROEDER und ausländischen (63), geleitet. ROEDER, der 1982 wegen Rädelsführerschaft in einer Rechtsextremisten terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt wurde, hielt auf seinem Anwesen in Schwarzenborn Rassistisch unter(Hessen) wieder "Freundschaftstreffen" mit inund ausländischen legte fremdenRechtsextremisten ab. In seinen Publikationen "Deutscher Jahrfeindliche Parolen weiser" und "Deutsche Bürgerinitiative e.V. - weltweit" polemisierte er mit rassistisch unterlegten fremdenfeindlichen Parolen: "... Unser deutsches Haus brennt lichterloh an allen Ecken ... Es ist die letzte große Schlacht, die um Deutschland geschlagen wird. Wenn wir verlieren, wenn die Millionen Fremden nicht nur hierbleiben, sondern weiter hereinströmen, von uns gefüttert werden und sich ungehemmt vermehren, dann gehen wir denselben Weg wie Amerika und die anderen westlichen Schmelztiegel: in den Abgrund kulturloser Barbarei, aus der es keinen neuen Aufstieg mehr gibt. Das wäre das Ende Deutschlands als Kulturvolk ..." ("Deutsche Bürgerinitiative e.V. -weltweit", 3/92, S. 2) "Im Grunde gehörten alle, die von Ausländerfeindlichkeit faseln, wegen Mordhetze vor Gericht, denn sie ermuntern die ausländischen Banden zu ihren Mordtaten ..." ("Deutsche Bürgerinitiative e.V. -weltweit", 3/92, S. 1) "Inzwischen liegen genügend Beweise und Äußerungen von Regierungsseite vor, daß das erklärte Ziel der Bundesregierung die völlige Vermischung des deutschen Volkes mit fremden Rassen ist. ... Sofortige Abschiebung aller abgelehnten Asylbewerber! Streichung aller Sozialleistungen für Asylbewerber!" (Rundschreiben "Die vierfache Asyllüge", März 1992) Rechtsextremistische Bestrebungen 109 V. "National-Freiheitliche"/ "Nationaldemokraten" 1. Ideologische Standorte Die ideologisch-politische Ausrichtung der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und der "nationalfreiheitlichen" Organisationen des Dr. Gerhard FREY (59), allen voran der "Deutschen Volksunion" (DVU), läuft nicht - wie bei den Neonazis - auf einen elitären Führerstaat nationalsozialistischer Prägung hinaus. Dennoch stellen diese Parteien - trotz ihrer öffentlichen Lippenbekenntnisse zum Grundgesetz - die freiheitliche demokratische Grundordnung in Frage. "Nationaldemokraten" streben einen Volksstaat mit einer von völNPD und DVU kisch-kollektivistischen Vorstellungen bestimmten "Volksgemeinverfolgen verfassungsschaft" an, in dem die Interessen des Volksganzen und des Volksfeindliche Ziele wohles Vorrang vor den Freiheitsrechten des einzelnen haben. Auch 1992 waren bei der NPD wiederum zahlreiche Anhaltspunkte für deren verfassungsfeindliche Zielsetzung feststellbar12'. Dr. FREY hat bislang systematisierte weltanschauliche und ideologische Konzepte nicht erkennen lassen. Seine Publikationen greifen jeweils Tagesthemen auf und ordnen diese den von ihnen langjährig entwickelten rechtsextremistischen Feindbildern zu. Im Mittelpunkt der Agitation von NPD und DVU stand auch 1992 eine rassistisch gefärbte Fremdenfeindlichkeit, die sich insbesondere gegen Asylbewerber richtete. 2. Aktivitäten Das 1987 zwischen NPD und DVU geschlossene, vor der BundesWahlbündnis tagswahl 1990 merklich abgekühlte und erst 1991 anläßlich der zwischen NPD Wahl zur Bremer Bürgerschaft wiederbelebte Wahlbündnis der und DVU ist beendet beiden Parteien muß nach dem erneuten Wahlerfolg der DVU bei der Landtagswahl am 5. April in Schleswig-Holstein und der - ohne vorherige Absprache mit der NPD - von Dr. FREY öffentlich verkündeten Teilnahme der DVU an allen Wahlen des Jahres 1994 als beendet angesehen werden. Am 7. April hatte Dr. FREY in München bekanntgegeben, die DVU werde 1994 bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag und zu den Landtagen sowie bei der Europawahl antreten und "auf breiter Front durchbrechen". Einer Allianz mit der Partei "Die Republikaner" (REP) erteilte er eine strikte Absage. Die DVU wolle mit niemandem zusammenarbeiten, hierzu gebe es keine Veranlassung. 110 Rechtsextremistische Bestrebungen OrganisationsTrotz verstärkter Aktivitäten von NPD und DVU in den neuen Länund Mitgliederdern ist dort der Organisationsstand beider Parteien nach wie vor stand von NPD völlig unzulänglich; bemerkenswerte Mitgliedergewinne konnten und DVU in Ostdeutschland dort nicht erzielt werden. Die Ursachen hierfür sind fehlende geeigweiterhin nete Führungspersönlichkeiten, unzureichende finanzielle Mittel sounzulänglich wie Vorbehalte gegenüber westdeutschen Funktionären und Zurückhaltung in der Bevölkerung. Während sich die DVU nach dem aufsehenerregenden Wahlerfolg in Schleswig-Holstein weiter im Aufwind befindet, steckt die NPD angesichts der für sie enttäuschenden Wahlergebnisse, rückläufiger Mitgliederzahlen sowie einer schwerwiegenden Finanzund Führungskrise in einem deutlichen Tief. 3. "Deutsche Volksunion" (DVU) 3.1 Zielsetzung Agitation gegen Die als Sprachrohre der DVU dienenden Wochenzeitungen Dr. Ausländer, FREYs, die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und die "Deutsche insbesondere Wochen-Zeitung/Deutscher Anzeiger" (DWZ/DA), gaben ihrer rasgegen Asylbewerber, sistisch gefärbten Agitation gegen Ausländer, insbesondere gegen sowie Sinti und Asylbewerber, erneut breiten Raum. Die systematische aggressive Roma Agitation dieser Blätter gegen ethnische Minderheiten erweckt den Eindruck, die fremdländischen Zuwanderer seien vornehmlich Asylbetrüger, Kriminelle und Schmarotzer. Im Mittelpunkt dieser kontinuierlichen Kampagne stehen Sinti und Roma: "Die übergroße Mehrheit dieser zuströmenden Zigeuner kommt, um die Identität zu verbergen, nach Vernichtung von Paß und Personalunterlagen und traktiert durch ein unerträgliches Übermaß dreister Straftaten, weithin mit Hilfe nicht strafmündiger Kinder, die deutsche Bevölkerung bis aufs Blut." (DNZ 39/92, S. 1) "Unter den ausländischen Kriminellen sind besonders Zigeuner anzutreffen, die in einer wahren Völkerwanderung ... nach Deutschland auf allen erdenklichen Wegen strömen. ... nachdem es sich unter dem fahrenden Volk herumgesprochen hat, daß man in der Bundesrepublik von Sozialhilfe immer noch besser lebt als in der Heimat durch geregelte Arbeit." (DWZ/DA 23/92, S. 1) DNZ und DWZ/DA DNZ und DWZ/DA relativieren die NS-Verbrechen, indem sie dem relativieren nationalsozialistischen Holocaust permanent Verbrechen anderer NS-Verbrechen, Völker gegenüberstellen. Aus Anlaß der Wiederkehr des Jahrestages der "Wannsee-Konferenz" wurde die Echtheit des hierüber erstellten sog. Wannsee-Protokolls in Zweifel gezogen. Rechtsextremistische Bestrebungen 111 f l iSpä^Nändanke! Das Signal von D ä n e m a r k " " Kaxc HationafcZeitt"1" HM'e. die zigeunertommert BneMMUonwrnelnmar^Weren NSÄT B-SS SiiiSSSt ISASIIES *"*äSS?'*(tm)fc"*B/i EPSPS?j-PS~PS2r]PS H E S ~ ^ Ä ~ " " ^ ^ ^ i i t r " . ' ! "Den 50. Jahrestag zum Anlaß zu nehmen, auf das prinzipielle Unrecht der verabscheuungswürdigen NS-Judenverfolgung hinzuweisen, geht in Ordnung. Bösartig und moralisch verwerflich aber ist es, den Jahrestag zu nutzen, eine ganze Nation anzuklagen, wie dies von Weizsäcker schon 1982 anläßlich des Wannsee-Jahrestages tat: 'Wir alle haften'. Bösartig und geschichtsfälschend auch die Darstellung, nur Deutschland habe sich unvergleichliche KZ-Schuld aufgeladen." (DNZ 5/92, S. 1) 112 Rechtsextremistische Bestrebungen In der als "Greuelmuseum" bezeichneten Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem wimmele es von Bildfälschungen. Dort herrsche eine ausgeklügelte, mit allen technischen und psychologischen Raffinessen gestaltete Atmosphäre. Wer um alle Deutschen weinen wolle, die den Verbrechen gegen das deutsche Volk zum Opfer gefallen seien, habe bei weitem nicht genug Tränen und ganz sicher nicht mehr die Kraft, auch noch in Israel stundenlang zu weinen131. fordern die Die Zeitungen hielten an ihrer Forderung nach Verwirklichung eines Rückgabe "Großdeutschlands" fest. Agitationsschwerpunkt war die FordeNordostpreußens rung nach Rückgabe des früheren Nordostpreußen an die Bundesan die republik Deutschland. So begrüßten die Blätter die Aussage des Bundesrepublik Deutschland, Vorsitzenden der "Liberaldemokratischen Partei Rußlands", Wladimir Schirinowski], auf einer DVU-Veranstaltung am 16. August in Mühlhausen (Thüringen), seine Partei werde ihren Einfluß geltend machen, um die ostpreußische Frage im Sinne Deutschlands zu klären14". polemisieren DNZ und DWZ/DA polemisierten auch gegen die Unterzeichnung gegen die des Nachbarschaftsvertrages mit der CSFR, der für Deutschland deutschkeinerlei Vorteile, jedoch eine Reihe von Verzichten bringe, insbetschechische sondere was die Eigentumsansprüche der Sudetendeutschen anAussöhnung und gehe. Auch eine Rückkehrmöglichkeit der Vertriebenen sei nicht vorgesehen.15' agitieren Sie agitierten gegen die EG, insbesondere gegen den Vertrag von gegen die EG Maastricht. Die Ablehnung der politischen Union Europas durch eine Mehrheit des dänischen Volkes sei ein Signal gegen die Schaffung eines multikulturellen Vielvölkerstaates. In Deutschland habe eine Umfrage ergeben, daß sogar 81 % die politische Union ablehnten. Alle im Bundestag vertretenen Parteien seien sich einig im Ziel der Abschaffung der Deutschen Mark, der Aufgabe der deutschen Hoheit in der Außenund Verteidigungspolitik und der Einführung des EG-Ausländerwahlrechts. Die Quittung für die Bonner Parteien werde bei den künftigen Wahlen unvorstellbar fürchterlich, das heißt für Deutschland segensreich, aussehen16'. "Mit der beabsichtigten Machtergreifung der Brüsseler Bürokratie und dem Verzicht auf unsere nationale Identität wäre die deutsche Geschichte an ihr Ende gelangt. Damit hätte eine Clique eingeschworener Gegner dieses Landes endlich ihr Ziel erreicht. ... Jeder vom nationalen Selbsthaß infizierte Mandatsträger, ... handelt strikt gegen den Geist des Grundgesetzes, wenn er sein Mandat zur Abschaffung des Volkes mißbraucht." (DNZ 11/92, S. 4) Rechtsextremistische Bestrebungen 113 3.2 Teilnahme an der Wahl in Schleswig-Holstein Bei der Wahl zum Kieler Landtag am 5. April erzielte die DVU mit DVU erreicht insgesamt 93.295 Stimmen (= 6,3%) - nach der Wahl zur Bremer Fraktionsstärke Bürgerschaft im September 1991 - erneut ein aufsehenerregendes im Kieler Landtag Ergebnis. Mit sechs Mandaten erreichte sie Fraktionsstärke. Die DVU, die in allen 45 Wahlkreisen angetreten war, führte einen Wahlkampf aus dem Hintergrund. Ihre Repräsentanten traten auf keiner einzigen Wahlveranstaltung öffentlich auf. Die DVU setzte in erster Linie auf mehrere Postwurfsendungen an alle Haushalte und ließ als einzige Partei - nach gerichtlichen Auseinandersetzungen - Wahlkampfspots über den Norddeutschen Rundfunk ausstrahlen. Zentrale Wahlkampfaussagen waren u.a.: Asylproblematik Anatolien den Türken! und europäische Schleswig-Holstein den Deutschen! Währungsunion als WahlkampfUnser Land soll deutsch bleiben! themen Die D-Mark darf nicht geopfert werden, Schluß mit dem EG-Fimmel auf deutsche Kosten! 3.3 Organisation Mit dem im August gegründeten Landesverband Mecklenburg-VorDVU baut pommern verfügt die DVU über 15 Landesverbände. Die Mitglieder Organisation in in Berlin und Brandenburg sind im Landesverband Berlin-Brandenden neuen Ländern weiter burg zusammengeschlossen. Der im Vergleich zur NPD relativ geaus ringe Organisationsgrad der DVU ist in den neuen Ländern besonders schwach entwickelt. Durch den erneuten Aufwärtstrend nach der Wahl in SchleswigMitgliederzahl in Holstein konnte die DVU ihre Mitgliederzahl auf knapp 26.000 den alten Ländern (1991: rund 24.000) erhöhen. Die Mitgliederzugewinne entfielen nimmt zu auf die alten Länder; in Ostdeutschland stagnierte die Mitgliederentwicklung. 3.4 Finanzen Die Hinweise mehren sich, daß Dr. FREY - im Hinblick auf das WahlVerstärkte jahr 1994 - nicht mehr bereit ist, für den wachsenden Finanzbedarf Spendenaufrufe der DVU wie bisher weitgehend allein aufzukommen. So veröffentfür die lichten die "national-freiheitlichen" Wochenzeitungen mehr noch kommenden Wahlkämpfe als in den vergangenen Jahren Spendenaufrufe, in denen um eine "höchstmögliche" Spende gebeten wurde. Dr. FREY teilte dazu mit, es stehe demnächst ein schwerer Wahlkampf bevor, der von entscheidender Bedeutung für Deutschland und die DVU sei. Er selbst müsse die DVU gegenwärtig mit 13 Millionen DM finanzieren und könne die Last der Aufwendungen bei Wahlschlachten nicht allein tragen171. 114 Rechtsextremistische Bestrebungen 3.5 Sonstige Aktivitäten An der Großkundgebung der DVU in der Passauer Nibelungenhalle am 14. März beteiligten sich rund 4.000 - nach Angaben des Veranstalters über 7.000 - Personen aus Deutschland, Österreich, dem polnischen Oberschlesien und Südtirol. Neben Dr. FREY trat auch der rechtsextremistische britische Revisionist David IRVING (54) auf. Der von Dr. FREY gestiftete, mit 20.000 DM dotierte "AndreasHofer-Preis" wurde zu gleichen Teilen an Vertreter angeblicher "Deutscher Freundeskreise" im polnischen Oberschlesien sowie an die angebliche Vorsitzende eines "Verbandes der Deutschen in Kroatien" und Abgeordnete im kroatischen Parlament, Vesna Pichler, verliehen. Auf dem Europaplatz in Passau demonstrierten rund 1.000 politische Gegner Dr. FREYs. In seinen Wochenzeitungen wurden sie als Schwerverbrecher bezeichnet. 4. "National-freiheitliche" Verlage Veröffentlichungen Die "Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" (DSZ-Verlag) und von "Enthüllungsdie "Freiheitliche Buchund Zeitschriftenverlag GmbH" (FZ-Verlag) büchern" boten weiterhin sog. Enthüllungsbücher an. Als Neuerscheinung wurde das Buch "DEUTSCHLANDS AUSPLÜNDERUNG - vom Versailler Diktat bis zum Maastricht-Betrug - Das deutsche Volk als Melkkuh der Welt" vorgestellt. Zum Verlagsprogramm gehören unverändert Medaillen, Landkarten, Fahnen, Schallplatten und Videos mit überzogener Betonung des Deutschtums. Einige der Videos wiederholen kritiklos national-sozialistische Propaganda. 5. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 5.1 Zielsetzung NPD agitiert Auch die NPD agitierte in ihren Propagandaschriften, zu denen maßgegen Ausländer, geblich die Parteizeitung "Deutsche Stimme" (DSt) zählt, gegen Ausländer, insbesondere Asylbewerber. So lauteten ihre Forderungen "Nein zum Exoten-Land!" und "Stoppt die Ausländer-Republik!"181. Sie wendet sich gegen eine multikulturelle Gesellschaft und setzt diese mit einer multikriminellen gleich: "So lange Frankfurt eine multikulturelle Stadt bleibt, bleibt sie auch immer eine multikriminelle Stadt." (DSt 2 und 3/92, S. 9) preist den Die verfassungsfeindliche Gesinnung in der NPD wird überdeutlich völkischen in einem vom geschäftsführenden Landesvorstand Nordrhein-WestKollektivismus, falen am 26. April in Essen verteilten Flugblatt, in dem der völkische Rechtsextremistische Bestrebungen 115 Nein zu Maastricht! "Deutschland wird zahlen", sagte man In den 20er Jahren. DEUTSCHE Es zahlt heute: Maastricht, das Ist der Versailler Vertrag ohne 1 STIMME Nationaldemokratische Zeitung Krieg. September Deutschland wird Alarm: ausgeplündert! KHV Während im Bund und m den L i n d e n die Politiker wem? Mit den N A T I O - Informationen: Schreiben NALDEMOKRATEN, Sie an den NPD-ParteivorKhwktzen und schwätzen und alle Losungs möglichkeilen stand mit d e r NPD! ' Postfach 10 35 28, blockieren, steigen von Tag zu Tag die Zahlen ausländi7000 Stuttgart 10 scher Zuwanderet-. Allein im Juli k a m " pro Tag (!) t i n - Explosive tausendtui) (hundert neue Asylbewerber, insgesamt waren ea Lage In diesen) Monat 46300! Dazu erwarten die Behörden in diesem Jahr nicht weniger Die untätigen Politiker brauRostock und die NPD als 150.000 illegale Einwanderer, vor allem aus Rumänien, chen sich über die explosiv Bulgarien, Jugoslawien, ein Grofiteil davon Zigeuner. weidende Lage nicht zu wunDer Parteivorstand d e r N P D befaßte sich auf Die Illegalen werden von internationalen Schlepperbandea Min"* Sitzung a m 30. August 1992 auch mit den eingeschleust, hier (selten) illegal arbeiten und (vorwiegend) Sie sollten einmal hinhören, Vorkom ranisseo in Rostock. Dazu laute d e r P a r - von Straftaten leben. was normalerweise friedliche teivorstand folgende Entschließung: und tolerante Bürger von sich rlolTOrDa IM etwa 5 % der Asylbegeben: Es keimt verständli- 7 tilont werber politisch Verfolgte im cher Haß auf. Die NPD lehnt Gewalt z u r Durchsetzung p o l i t i - f.ailien. sinne des Grundgesetzes sind. Die Bürger fühlen sich von scher Ziele a b . Das ändert sich auch nicht nach Vom Januar bis Juli 1992 *">" * * jeder selbst auseiner Politik der totalen Unden Ausschreitungen In Rostock, wo (zumindest umen 234.000 Asylbewerber: rechnen, wie Deutschland mit vernunft überrollt - wissen a m Anfang) aufgebrachte j u n g e Deutsche tinter Oie Bevölkerungszahl von Duldung deutscher Politik" die Politiker eigentlich, was fast 2 1/2 neuen Großstädten! "geltecht ausgeplündert wird. d e m Beifall d e r Bevölkerung gegen Asylbewerda unter der Decke schwelt? Seit Kanzler Kohl regiert Welche Arbeitsleistung müsEs ist fünf Minuten vor ber - in Wirklichkeit sind es in ubergro&er kamen ca. eineinhalb Millio5", fjjr 100 Steucrmil Harden zwölf! Mehrheit Asylbetrüger, die unser Land a u s p l ü n - die rund 100 Milliarden erbracht werden! Nur eine totale u n d r a d i - dern - gewaltsam vorgingen. Mark Steuergelder kosteten - Und: In 350.000 Kriminalikale politische K u r s ä n d e - astronomische Summe! tatsfällen (in vier Jahren) r u n g k a n n helfen: M i t Die Verantwortung fur diese Übergriffe tragen Kollektivismus gepriesen wird und eine rassistisch motivierte Fremdenfeindlichkeit zum Ausdruck kommt: "Uns Nationaldemokraten wird 'völkischer Kollektivismus' als etwas besonders radikales vorgeworfen! Wir sollten dazu stehen, denn völkischer Kollektivismus ist die Alternative zu der multikulturellen und multinationalen Gesellschaft, die von der Mehrheit der etablierten Politiker von schwarz über grün und gelb bis rot, angestrebt wird. ... Denn das 'Blut der Deutschen' ist ein 'besonderer Saft' und unterscheidet sich gründlich von 'übelriechendem Schleim'." Die NPD agitierte gegen den Vertrag von Maastricht, der nach ihrer ist gegen Aufgabe Ansicht für Deutschland den "Untergang der Eigenstaatlichkeit" beder nationalen Souveränität im deute. Sie setzte sich für die Durchführung einer Volksabstimmung Rahmen der EG, ein. "Denn die Verträge von Maastricht sind das Ergebnis von Politikerbeschlüssen hinter dem Rücken der Öffentlichkeit. Diese Verträge dürfen nicht ratifiziert werden, politischer Widerstand ist das Gebot der Stunde." (DSt 7 und 8/92, S. 1) 116 Rechtsextremistische Bestrebungen tritt für eine Sie kritisierte die Ostpolitik der Bundesregierung: großdeutsche Wiedervereinigung "Wir sagen: Die Wiedervereinigung ist dann beendet, wenn die ein und deutsche Ostgrenze wieder an der Memel verläuft!" (DSt6/92, S. 16) polemisiert und polemisierte - wie schon in den Jahren zuvor - gegen die gegen die deutschdeutsch-polnische Aussöhnung. So schrieb der Parteivorsitzende polnische Günter DECKERT in der Parteizeitung: Aussöhnung "Schweigen sollen wir zur Tatsache, daß die 'Bonner Demokraten' durch ihre jüngste außenpolitische Großtat, sprich Verzicht auf die von Polen besetzten deutschen Ostprovinzen ... zu Nationalverrätern geworden sind, ..." (DSt 1/92, S. 2) 5.2 Teilnahme an Wahlen Schlechte WahlNur 44.416 Stimmen (= 0,9%) bei der Landtagswahl am 5. April in ergebnisse der Baden-Württemberg waren für die NPD ein enttäuschendes WahlNPD bei der ergebnis. Die Partei, die in 63 von 70 Wahlkreisen angetreten war Landtagswahl in Badenund die bei der letzten Landtagswahl 1988 noch 101.899 Stimmen W ü r t t e m b e r g und (= 2,1%) erzielen konnte, war nur mit geringen Erwartungen in diese Wahl gegangen. Nach den Worten ihres Parteivorsitzenden ist sie von den "Republikanern" überrascht worden. Man habe zwar eine Schlacht verloren, doch der politische Kampf werde weitergehen19). bei den Berliner Die NPD beteiligte sich im Rahmen der "Freien WählergemeinBezirksschaft 'Die Nationalen'" an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenverordnetenversammlungen am 24. Mai. Mit 2.477 Stimmen versammlungen (= 0,2%) erzielte die Wählergemeinschaft ein für sie enttäuschendes Ergebnis.:*) 5.3 Organisation Führungskrise bei Die mit der Wahl des neuen Parteivorsitzenden Günter DECKERT der NPD im Juni 1991 erhoffte personelle Konsolidierung blieb aus. DECKERTs für viele Mitglieder unverständlicher Aktionismus sowie seine Sympathien für revisionistisches Gedankengut führten zu scharfer Kritik an seiner Amtsführung und stürzten die NPD - nach dem Rücktritt des langjährigen Parteivorsitzenden Martin MUSSGNUG (56) Ende 1990 - erneut in eine Führungskrise. Der- ) Nach dem schlechten Abschneiden bei den letzten Wahlen sah die NPD, ebenso wie die DVU, in den Kommunalwahlen am 7. März 1993 in Hessen, bei denen sie 1989 mit 29 Mandaten, davon allein sieben in Frankfurt/M., beachtliche Erfolge erzielen konnte, eine Art "Schicksalswahl". In Frankfurt/M. erhielt sie 0,9% der Stimmen, landesweit 0,7%. Rechtsextremistische Bestrebungen 117 zeit mangelt es der Partei an einer personellen Alternative. Der Tod ihres Hoffnungsträgers Karl-Heinz VORSATZ im September stellt für die NPD einen weiteren Rückschlag beim Bemühen um eine Erneuerung der Partei dar. Bedingt durch die schlechten Ergebnisse bei der Bundestagswahl Mitgliederzahl 1990 (= 0,3%) und der Landtagswahl am 5. April 1992 in Badenweiter rückläufig Württemberg (= 0,9%), die Wahlerfolge der DVU und "Republikaner" sowie die gegenwärtige Führungsund Finanzkrise ist die Mitgliederzahl der NPD weiter zurückgegangen. Sie hat bundesweit nur noch rund 5.000 Mitglieder (1991: rund 6.100). Mitgliederverluste mußte sie in erster Linie in den alten Ländern hinnehmen; in den neuen Ländern war eine leichte, unbedeutende Aufwärtsentwicklung festzustellen. Die NPD verfügt bundesweit über 15 Landesverbände; in Berlin und Brandenburg existiert ein gemeinsamer Landesverband. In den neuen Ländern ist der Organisationsgrad nach wie vor unbefriedigend. Es gibt dort - vor allem in Sachsen - eine Reihe von Kreisverbänden. Zum "Deutschlandtreffen" der Partei am 3. Oktober in Arnstadt (Thüringen) konnten rund 1.000 Anhänger mobilisiert werden. 5.4 Finanzen Die Finanzlage der NPD ist angesichts der RückzahlungsforderunAngespannte gen des Bundes in Höhe von rund 760.000 DM und des Landes Finanzlage Baden-Württemberg in Höhe von rund 438.000 DM äußerst angespannt. Aufgrund der schlechten Wahlergebnisse bei der Bundestagswahl 1990 und der Landtagswahl 1992 in Baden-Württemberg muß sie die Wahlkampfkostenvorauszahlungen zurückerstatten. 6. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die JN, die Jugendorganisation der NPD, verloren weiter stark an JN verlieren Boden und verfügen nur noch über rund 200 Mitglieder (1991: rund weiter an Boden 550). Ursächlich dafür waren die weiterhin desolaten innerorganisatorischen Verhältnisse. Daneben haben die Querelen mit der Mutterpartei die Entwicklung negativ beeinflußt. Die JN, die sich als "die nationalistische Jugendorganisation Deutschlands"20' bezeichnen und von der "abgrundtiefen Verkommenheit des politischen Systems in der bestehenden Groß-BRD"211 sprechen, fordern von der NPD radikale Reformen. Stark enttäuscht zeigten sie sich von dem NPD-Vorsitzenden DECKERT, von dem sie ein "Ende der politischen Orientierungslosigkeit der NPD"221 erhofft hatten. Höhepunkt der Auseinandersetzungen mit der NPD war im Juli der Rücktritt des erst 1991 gewählten JN-Bundesvorsitzenden Erhard 118 Rechtsextremistische Bestrebungen HÜBSCHEN (25). Kommissarischer Bundesvorsitzender ist seitdem dessen bisheriger Stellvertreter Andreas STORR'24'. In den neuen Ländern konnten die JN trotz vollmundiger Ankündigungen kaum Fuß fassen. 1992 sollte als "Mitteldeutschem Kampfjahr" besondere Bedeutung zukommen23'. VI. "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) 1. Zielsetzung "Deutsche Liga" Auch ein Jahr nach der Parteigründung (Oktober 1991) ist der bleibt im rechts"Deutschen Liga" der angestrebte Durchbruch nicht gelungen; die extremistischen Partei blieb isoliert. Zu den von ihr erwarteten massenhaften ÜberParteienlager isoliert tritten vor allem aus dem Lager der NPD und der REP ist es nicht gekommen. Ihrem Selbstverständnis als "Sammlungspartei" entsprechend versucht die "Deutsche Liga" die "Zersplitterung der rechten Kräfte" zu überwinden und strebt unverändert eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien des "rechten Lagers" an; bislang jedoch ohne erkennbaren Erfolg. Ihre Aufgabe in den kommenden Jahren sieht die Partei darin, "zwischen den verschiedenen Parteien und Gruppierungen eine Art Scharnier zu bilden, einen Gegenpol zur totalen Konfrontation, die sich nun für 1994 tragischerweise abzeichnet." ("Deutsche Rundschau" (DR) 5/92, S. 2) Vorbilder der "Deutschen Liga" sind nach Aussage ihres Generalsekretärs Franz GLASAUER (45) erfolgreiche Sammlungsparteien wie der "Front National" in Frankreich, der "Vlaams Blok" in Belgien, aber auch die "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ)241. Sprachliche und Das auch als "Gründungsmanifest" bezeichnete neue Parteiproideologische gramm der "Deutschen Liga" enthält sprachliche und ideologische Anlehnungen an Anlehnungen an das Programm der NPD. Formulierungen wie das Programm "Schäden am Gemeinschaftsbewußtsein" und "Gruppenegoismen der NPD der Parteien und Verbände" überlagerten vielfach die Verantwortung für das Ganze, deuten die kollektivistische Ausrichtung der "Deutsche Liga" Partei an. agitiert gegen Ausländer, relativiert Die "Deutsche Liga" lehnt eine "multikulturelle Gesellschaft" ab NS-Verbrechen und erhebt Anspruch und fordert eine "Ausländerpolitik, die den berechtigten Schutzinauf ehemalige deutteressen des deutschen Volkes entspricht". Sie offenbart deutliche sche Ostgebiete Tendenzen zur Relativierung der NS-Verbrechen, indem sie eine Ge- Rechtsextremistische Bestrebungen 119 Schichtsschreibung fordert, "die der Wahrheit entspricht und sich nicht für Kollektivschuldthesen und andere politische Manipulationen mißbrauchen läßt". Deutschland habe Anspruch auf Wiederherstellung seiner völkerrechtlichen Grenzen. Der Zusammenschluß von Mittelund Westdeutschland ermächtige keine Regierung zu Gebietsabtretungen und Beitrittsverweigerungen, die einen gesamtdeutschen Souverän binden könnten. DEUTSCHE f f/** FÜR VOLK EmE w / 1 UND HEIMAT Asylbetrüger raus! Eine neue Zeit! Ein gutes Programm! Eine junge Partei! In der Asylproblematik sowie in der Ablehnung der EG und des Vertrages von Maastricht agitiert die "Deutsche Liga" in ähnlicher Weise wie DVU und NPD: 120 Rechtsextremistische Bestrebungen "Es geht an die Substanz, an das Privateigentum, an die Grundrechte der einheimischen Wohnbevölkerung, die zugunsten schmarotzender Scheinund Betrugsasylanten über Bord geworfen werden sollen, weil die Bonner Riege nicht in der Lage ist, der längst unerträglich gewordenen Menschenflut Einhalt zu gebieten. ... Wacht der deutsche Michel erst auf, wenn sich Asiaten und Afrikaner nicht nur in seiner Sauna wärmen und seine Zweitwohnung versauen - oder müssen erst gar die eigenen Landsleute in Container und Zeltstädte zwangsverfrachtet werden, damit Ausländer deutsche Gastlichkeit im eigenen Heim genießen können?" (DR 4/92, S. 3) "Für die europäischen Völker werden die kommenden Jahre eine Periode der Entscheidung sein. Werden die Propagandisten der 'One World' das letzte Wort behalten und das Abendland in den anvisierten Völkersumpf umvolken?" (DR 2/92, S. 2) "Die Völker Europas, die im Osten zuvörderst, haben die Nase von Bundeszentralen und übernationalen Staatsgebilden gestrichen voll. Vom Schicksal der untergegangenen UdSSR ... könnte der Westen eigentlich nur lernen nach dem Motto: Wer Maastricht sät, wird Sarajevo ernten." (DR 10/92, S. 2) "Nationales Blut ist eben doch dicker als europäisches Wasser." (DR 4/92, S. 7) Aufruf zur Angesichts der zunehmenden Kriminalität warf die "Deutsche Liga" Gründung einer den verantwortlichen Politikern vor, feige wegzusehen und die "Bürgerwehr" längst überforderte Polizei im Regen stehen zu lassen. Im August warb Jürgen SCHUTZINGER (39), einer der drei Vorstandssprecher der Partei, in einem Aufruf für die Gründung einer "Bürgerwehr zum Schutz und zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung". Voraussetzungen für eine Aufnahme seien: "16 Jahre (Mindestalter), deutsche Staatsangehörigkeit, ..., gesund und sportlich"251. 2. Teilnahme an Wahlen Schlechtes WahlDie "Deutsche Liga" erzielte bei der Landtagswahl am 5. April in ergebnis bei der Baden-Württemberg mit nur 23.255 Stimmen (= 0,5%) ein für sie Landtagswahl in enttäuschendes Wahlergebnis, zumal sie den Südwesten als ihr Baden-WürttemStammland bezeichnet hatte. Die Anstrengungen der Partei erlitten berg dadurch einen herben Rückschlag. Der Bundesvorstand stellte jedoch klar: "Die 'Deutsche Liga' besteht als Partei weiter"261. Rechtsextremistische Bestrebungen 121 Durch Mitnahme ihrer NPDbzw. REP-Mandate verhalfen Funktionäre der "Deutschen Liga" ihrer Partei zu Sitzen in den Kommunalparlamenten von Villingen-Schwenningen, Tuttlingen und Köln. Der Übertritt des Bremer DVU-Bürgerschaftsabgeordneten und jetzigen Bundesvorstandsmitglieds der "Deutschen Liga", Hans ALTERMANN (66), bedeutet für die "Deutsche Liga" die Chance, ihre Politik öffentlichkeitswirksam auch in einem Landesparlament darzustellen. Mit Harald NEUBAUER (42), einem weiteren Vorstandssprecher, ist die "Deutsche Liga" im Europaparlament vertreten. 3. Organisation Der Parteiaufbau der "Deutschen Liga" verläuft nach wie vor Schwerpunkte schleppend. Schwerpunkte sind weiterhin Baden-Württemberg, der "Deutschen Nordrhein-Westfalen und Bayern. Liga" in BadenWürttemberg, Bayern und NordSie berichtete über die Gründung von drei weiteren Landesverbänrhein-Westfalen den in Berlin/Brandenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. In den neuen Ländern ist sie bislang über erste organisatorische Ansätze (Stützpunkte) nicht hinausgekommen. Die Mitgliederentwicklung stagniert bei rund 800 Mitgliedern. Neben der Partei besteht nach wie vor der "Förderverein Vereinigte Rechte". Er sieht seine Aufgabe in der "Wahrung, Pflege und Förderung deutscher Interessen, insbesondere dadurch, daß der Zusammenschluß nationaler Parteien und Verbände zu einer gemeinsamen Wahlpartei gefördert wird, ohne die Identität und Struktur bewährter Organisationen in Frage zu stellen." (Flugblatt des "Fördervereins Vereinigte Rechte") Der Verein engagierte sich in der Hilfe für Rußlanddeutsche, die sich in Nordostpreußen ansiedeln wollen. Damit solle dieses Gebiet langfristig für Deutschland gesichert werden271. Die Politik der Partei und des Vereins wird durch das Sprachrohr der "Deutschen Liga", die Monatszeitung "Deutsche Rundschau" artikuliert. VII. Sonstige rechtsextremistische Gruppen Bei den 41 sonstigen rechtsextremistischen Gruppierungen handelt es sich überwiegend um kleine Zusammenschlüsse von geringer Bedeutung. 122 Rechtsextremistische Bestrebungen 1. "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) Größte rechtsDie GFP ist mit über 400 Mitgliedern weiterhin die größte rechtsextremistische extremistische Kulturvereinigung. Sie arbeitet "für die SelbstbeKulturvereinigung Stimmung der Deutschen und die Wiederherstellung Deutschlands in seinen natürlichen und historischen Grenzen"281 und forderte eine "grundlegende geistige Wende im gesamten Deutschland, ... u.a. Schutz vor Überfremdung, Beendigung der Umerziehungspolitik, der einseitigen Vergangenheitsbewältigung und der deutschen Schuldbesessenheit zugunsten eines wahren Geschichtsbildes" und die "Durchsetzung unserer rechtmäßigen Ansprüche auf deutschen Besitz und deutsches Land gegen friedensgefährdende Verzichtspolitik" ("GFP-Kongreß-Protokoll 1992", S. 127/128) In ihrem Bestreben, die "Freiheit des Wortes und der Schrift ... gegen die Macht des Staates und den Einfluß der modernen Massenmedien"291 zu verteidigen, protestiert die GFP "gegen die zunehmende Praxis deutscher Gerichte, ... vor allem die (Freiheit) der freien Meinungsäußerung durch Androhung und Verhängung von Haftund Geldstrafen gegen Verleger und Autoren einzuschränken"30'. Sie wirft der "CDU um Geißler und Blüm" vor, "mit allen Mitteln auf die multikulturelle Gesellschaft zuzusteuern und verfassungswidrig zur Zerstörung des deutschen Volkes beizutragen"31'. Auf dem "3. Gesamtdeutschen Kongreß" unter dem Motto "Für ein Europa freier Völker" vom 8. bis 10. Mai in Rothenburg o. d. Tauber wurde der bisherige GFP-Vorsitzende und frühere "Chefideologe" der NPD, Dr. Rolf KOSIEK (59), wiedergewählt. Neben mehreren ausländischen Rechtsextremisten trat auch der frühere NPD-Vorsitzende Adolf von THADDEN (71) wieder als Redner auf. Über den GFP-Arbeitskreis Hamburg bestehen Kontakte zu Jürgen RIEGER (46), dem Vorsitzenden der rechtsextremistischen "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V." (GfbAEV). 2. "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) Rassistisch unterDer Redaktionszirkel FFD in Bochum verbreitete auch 1992 in grolegte Ausländer- ß er Anzahl seine aggressiven Flugblätter. feindlichkeit und 1T'uUo,er Im Mittelpunkt der Agitation stand eine militante, rassistisch unterJudennaß r.. , , . , , , _ legte Ausländerfeindlichkeit gepaart mit unverhulltem Judenhaß: Rechtsextremistische Bestrebungen 123 "Das Volk verlangt den AUSLÄNDERSTOPP! Die Juden Gerhard Baum und Burkhard Hirsch (FDP) sind besorgt ... Juda kocht! Schließlich ist die Ausländerunterwanderung einer der wichtigsten Eckpfeiler der auf Beseitigung arischer Existenz gerichteten Auserwählten-Strategie." (Flugblatt Nr. 56) Zwei Bundestagsabgeordnete der FDP, die u.a. als "Krummnasenbohrer"32' beschimpft worden waren, stellten am 8. April bei der Staatsanwaltschaft Bochum Strafantrag wegen Volksverhetzung. VIII. Jugendund Studentenorganisationen 1. Überblick Den sechs (1991: 5) rechtsextremistischen Jugendund StudentenMitgliederzahl gruppen gehörten rund 700 (1991: 1.000) Mitglieder an. Neben nimmt weiter ab den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) (vgl. Kap. V, Nr. 6) entfaltete nur noch die "Wiking-Jugend" (WJ) erwähnenswerte Aktivitäten. Die Führer der Jugendgruppen sind überzeugte Rechtsextremisten. Dies gilt jedoch - von den JN abgesehen - nicht für alle Mitglieder. Halbwüchsige dürften sich regelmäßig weniger von der rechtsextremistischen Ideologie und Propaganda dieser Gruppen als vielmehr von der praktizierten Kameradschaft, den Sportund Freizeitangeboten sowie der Zeltund Lagerfeuerromantik angezogen fühlen. Die Führer setzen diese Mittel bewußt ein, um junge Menschen als Mitglieder zu gewinnen, die sie dann politisch indoktrinieren können. Militante Rechtsextremisten laufen dem konventionellen Bild einer häufig an bündischen Vorstellungen orientierten, naturbezogenen und wehrsportbetonten rechtsextremistischen Jugendgruppenarbeit zuwider. Diese Rechtsextremisten, überwiegend rechtsextremistische Skinheads, werden in Kap. Il, Nr. 3, behandelt. 2. "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 2.1 Organisation und Zielsetzung Die WJ ist eine nach dem elitären Führerprinzip geleitete, von einer Aufbauarbeit "Nordland-Ideologie" geprägte Organisation mit rund 400 Mitder WJ in Sachsen gliedern, davon knapp 100 in den neuen Ländern. Die Aufbauarbeit macht weiter in Ostdeutschland, insbesondere in Sachsen, machte weiter Fortschritte. 124 Rechtsextremistische Bestrebungen Ihr Leitsatz lautete: "Deutschland - unsere Verpflichtung, Nordland - unsere Aufgabe".331. WJ lehnt jegliche Die WJ will das "Bekenntnis zu Volk und Art, zu den NaturgesetzRassenmischung, lichkeiten, als Weltanschauung weitertragen"341 und sich "für die die Anerkennung Wiedergewinnung der staatlichen Einheit als Deutsches Reich über der polnischen Westgrenze und Oder und Neiße hinaus einsetzen"35'. Dem "sogenannten etablierten System der Siegermachtsdemokraten" wird Versagen in allen wichtigen Bereichen der Politik vorgeworfen. Die "tödliche Absicht dahinter" sei "die Auflösung und Zersetzung volkheitlicher Gefüge auf der ganzen Welt zugunsten einer leicht beherrschbaren, verrassten Mischbevölkerung in einer 'One World'"361. die parlamentariDie WJ ist ein entschiedener Gegner der parlamentarischen Desche Demokratie mokratie, die sie als eine "Verfallserscheinung sterbender Völker" ab bezeichnet. Die parlamentarische Demokratie sei "die zum Staatsprinzip erhobene Verantwortungslosigkeit" und führe "zur Beseitigung jeder Autorität, damit schließlich zum völligen Niedergang der Völker". Dem parlamentarisch-demokratischen Gedanken der Masse setzen die "Volkstreuen den Gedanken der Persönlichkeit gegenüber. Ein Volk kann nur dann einen Aufstieg erleben, wenn es von fähigen Persönlichkeiten geführt wird. ... Führertum ist höchster Dienst am Ganzen, ... auch in der WIKING-JUGEND. ... Führer sein, heißt Vorbild sein!" ("Wikinger" 1/92, S. 14/15) 2.2 Aktivitäten Unter dem Leitsatz "Wir gehen als Pflüger durch die Zeit" bot die WJ für das Fahrtenjahr 1992 knapp 30 Veranstaltungen an. Schwerpunkte waren die im Juni in Hetendorf (Niedersachsen) durchgeführten "38. Tage volkstreuer Jugend" mit über 200 Teilnehmern und die Festveranstaltung "40 Jahre WIKING-JUGEND" im Dezember in Klein-Machnow bei Berlin. Annäherung Die 1991 begonnene Annäherung zwischen der WJ und der NPD zwischen WJ und bzw. NPD-nahen Organisationen setzte sich fort. In einem Inserat NPD setzt sich forderte die NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme" die Mitglieder fort der Partei auf: "Nationaldemokrat: Deine Kinder gehören in die Wiking-Jugend. Damit sie nicht morgen mit der ANTIFA gegen Dich demonstrieren!" (DSt9/92, S. 13) Rechtsextremistische Bestrebungen 125 Daneben bestehen auch weiterhin Kontakte zu Neonazis. Am WJ arbeitet 5. Juni nahmen Vertreter der WJ an einer Veranstaltung der Ende weiterhin mit 1992 verbotenen "Nationalistischen Front" (vgl. Kap. IV, Nr. 3.1.1) Neonazis zusammen in Bonn teil. Eine WJ-Abordnung beteiligte sich an der Gedenkkundgebung anläßlich des 5. Todestages von Rudolf Hess, die am 15. August unter Leitung der Neonazis Christian WORCH in Rudolstadt (Thüringen) stattfand (vgl. Kap. IV, Nr. 4.2). Wie in den Jahren 1990 und 1991 war die WJ mit der Gestaltung der für den 15. November (Volkstrauertrag) auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Brandenburg) geplanten "Heldengedenkfeier", an der auch neonazistische Gruppierungen teilnehmen wollten, beauftragt. Trotz eines gerichtlich bestätigten Verbots der Veranstaltung versuchten Rechtsextremisten, den Soldatenfriedhof zu erreichen. Dies konnte durch ein massives Polizeiaufgebot verhindert werden. IX. Organisationsungebundene Verlage und Vertriebsdienste 1. Zeitschriftenverlage Die Zahl der organisationsunabhängigen Zeitschriftenverlage nahm von 13 auf 14 zu. Nennenswert sind nur der "Verlag Diagnosen" und der "Nation Europa-Verlag". 1.1 "Verlag Diagnosen" Der von Ekkehard FRANKE-GRICKSCH (59) geleitete Verlag gibt das "CODE" leugnet Monatsmagazin "CODE" in einer Auflage von mehreren tausend deutsche Exemplaren heraus. Die Schrift vermischt politische und andere Kriegsschuld und Themen und veröffentlicht schwerpunktmäßig revisionistische, die Kriegsschuld und NS-Verbrechen leugnende Beiträge: "Was ist denn schlimmer, wenn ein Staat wie die damalige DDR seinerzeit den Aufstand des eigenen Volkes mit Brachialgewaltniederschlägt ... oder wenn ein Staat wie 1939 Deutschland auf der Einhaltung des Völkerrechts besteht (Korridor nach Danzig), schließlich von Polen und seinen Verbündeten (Frankreich, England) in einen Krieg gezwungen wird, den es eigentlich gar nicht wollte." (CODE 2/92, S. 15) Daneben erschienen auch Artikel mit ausländerfeindlichen Inhalten, rechtfertigt gewaltin denen sogar gewalttätige Übergriffe gegen Ausländer gerechttätige Übergriffe fertigt wurden: gegen Ausländer 126 Rechtsextremistische Bestrebungen "Darf man sich da wundern, daß manchen Leuten 'der Kragen platzt'? Man darf es nicht und es ist zu hoffen, daß sich dies auch in den Herkunftsländern der 'Asylanten' herumspricht." (CODE 1/92, S. 11) 1.2 "Nation Europa-Verlag" Agitation Die von Peter DEHOUST (56) im "Nation Europa-Verlag" monatlich gegen Ausländer in einer Auflage von mehreren tausend Exemplaren herausgegebene Zeitschrift "Nation und Europa - Deutsche Monatshefte zur Europäischen Neuordnung" propagiert weiterhin den Zusammenschluß "rechter" Parteien, um die Erfolgsaussichten bei Wahlen zu erhöhen. 1992 war eine Steigerung der ausländerfeindlichen Tendenzen festzustellen. So wurde in allen Ausgaben unter den Überschriften "Nachrichten von der Überfremdungsfront" und "Gewalt gegen Deutsche" eine Zusammenstellung der von Ausländern begangenen Straftaten veröffentlicht. 2. Buchverlage und Vertriebsdienste Die Zahl der organisationsunabhängigen Buchverlage und Vertriebsdienste ging von 17 auf 15 zurück. 2.1 "Verlagsgemeinschaft Berg"37' Bücher mit rechtsZum Angebot der von Dr. Gert SUDHOLT (49) geleiteten Verlagsgeextremistischen meinschaft gehören Bücher mit rechtsextremistischen Inhalten. Inhalten Das von Max Klüver verfaßte Buch "Vom Klassenkampf zur Volksgemeinschaft" wird beispielsweise wie folgt angepriesen: "In 15 Kapiteln stellt Max Klüver die revolutionierenden Maßnahmen zwischen 1933 und 1945 dar und unterstreicht die gewaltigen sozialen Errungenschaften jener Jahre. So entsteht ein neues Bild jener Epoche." (Katalog "Geschichte - Kultur - Politik - Wehrkunde - Zeitgeschehen" Herbst 1991) 2.2 "Grabert-Verlag" "Grabert-Verlag" Der von Wigbert GRABERT (51) geführte Verlag gibt u.a. die Viertelschürt Zweifel am jahresschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" (DGG) in Holocaust einer Auflage von einigen tausend Exemplaren heraus. Diese enthält regelmäßig Artikel, die Zweifel am Holocaust schüren. Rechtsextremistische Bestrebungen 127 "Zusätzlich ist zu fordern, daß die bisher amtlich nie naturwissenschaftlich oder kriminaltechnisch untersuchten Örtlichkeiten, vor allem die Tatwaffe 'Gaskammer', überprüft werden, um den naturwissenschaftlichen Nachweis zu erbringen, ob mit dem angeblichen Zyklon B Menschen vergast worden sind oder ob dieses Entwesungsmittel nur zur Desinfektion von verseuchten Räumen oder Sachen nach Auftreten von Seuchen eingesetzt worden ist, wie es zwei unabhängig voneinander durchgeführte wissenschaftliche Untersuchungen in den USA (Leuchter Report) und Polen (Gutachten des Institut Ekspertyz Sadowych, Prof. Dr. Jana Sehna) ergaben." (DGG3/92, S. 13). Daneben gehören zum Verlagsprogramm Werke des Revisionisten David L. Hoggan, dessen Buch "Frankreichs Widerstand gegen den 2. Weltkrieg" u.a. wie folgt angepriesen wird: "Dieses klassische Werk bestätigt, daß nicht Hitler, sondern Chamberlain und Hallifax den Krieg wollten." (Grabert Verlagsprospekt aus 1992) 3. Computerspiele Die Verbreitung von Computerspielen mit häufig primitiv-rassistiVerbreitung schen, fremdenfeindlichen und dem Führerkult huldigenden Spielen rechtsextremistischer Computerhielt auch 1992 an. Die Mehrzahl der wegen dieser Machwerke spiele hält an eingeleiteten Ermittlungsverfahren mußte eingestellt werden, weil Hersteller und Vertreiber unbekannt blieben. Raubkopien der Spiele werden vorwiegend unter Jugendlichen verbreitet. Bisher gibt es keine gesicherten Erkenntnisse darüber, daß in Deutschland verbreitete Spiele im Ausland hergestellt werden. X. Verbindungen zu ausländischen Rechtsextremisten 1. Internationaler Revisionismus Gegen führende Vertreter der nun schon mehrere Jahre andauernStrafurteile und den internationalen Revisionismuskampagne wurden 1992 mehrere behördliche Strafurteile erwirkt und behördliche Maßnahmen angeordnet, um Maßnahmen gegen führende der Agitation zu begegnen. Revisionisten Der britische Schriftsteller und Anti-Holocaust-Redner, David IRVING (54), wurde am 5. Mai vom Amtsgericht München zu einer Geldstrafe von 10.000 DM verurteilt381. 128 Rechtsextremistische Bestrebungen Den österreichischen Neonazi Gerd HONSIK (51), Herausgeber der Monatsschrift "Halt", verurteilte das Landesgericht Wien am 5. Mai zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, sechs Monaten und zehn Tagen ohne Bewährung. Der österreichische Neonazi Walter OCHENSBERGER (51), Herausgeber der Monatsschrift "Sieg", wurde am 17. Juli vom Obersten Gerichtshof in Wien rechtskräftig zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Den Schweizer Neonazi Dr. Max WAHL (69), Herausgeber der Monatsschrift "Eidgenoss", verurteilte das Landgericht München I am 21. Juli in zweiter Instanz zu Geldstrafen in Höhe von insgesamt 25.200 DM. Verboten wurden zwei Veranstaltungen, auf denen IRVING als Redner auftreten wollte. Die Verbote richteten sich gegen eine Veranstaltung am 9. Mai in Berlin-Karlshorst und eine weitere am 16. Mai in Sindelfingen bzw. dem Ausweichort Herrenberg (Kreis Böblingen). Wegen seiner revisionistischen Aktivitäten wurde IRVING am 13. Juni aus Italien und am 13. November aus Kanada ausgewiesen. Der in Kanada lebende deutsche Neonazi Ernst ZÜNDEL (53), Herausgeber der "Germania"-Rundbriefe, konnte am 27. August vordem Obersten Gerichtshof Kanadas einen Freispruch erreichen. Der Gerichtshof befand, daß der Artikel des kanadischen Strafgesetzbuches, aufgrund dessen ZÜNDEL in den Vorinstanzen zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, nicht mit dem in der Verfassung verankerten Recht auf freie Meinungsäußerung vereinbar sei. Der in Dänemark lebende deutsche Neonazi Thies CHRISTOPHERSEN (74), Verleger der Vierteljahresschrift "Die Bauernschaft", führte am 12. und 13. September in Antwerpen eine Vortragsveranstaltung durch. Als Redner traten dort ZÜNDEL, IRVING und der spanische Neonaziführer Pedro VARELA GEISS (35) auf. Die Revisionisten führten 1992 in Deutschland keine größeren Vortragsveranstaltungen mit mehreren Referenten durch, sondern beschränkten sich auf Auftritte einzelner Redner. Nur zwei von diesen führten Vortragstourneen durch: IRVING sprach im März in fünf und der Amerikaner Kirk LYONS im Juli in neun Städten. Rechtsextremistische Bestrebungen 129 2. Internationale Treffen Deutsche Rechtsextremisten trafen sich mit Gesinnungsgenossen Rechtsextremistenaus dem Ausland treffen - am 14. März in Passau auf der Großkundgebung der DVU, an in Niederbayern, der Anhänger des DVU-Vorsitzenden Dr. FREY aus Österreich, Südtirol und dem polnischen Oberschlesien teilnahmen (vgl. Kap. V, Nr. 3.5), - am 15. August zu dem Gedenkmarsch für den Hitler-StelIvertrein Thüringen, ter Rudolf Hess durch Rudolstadt (Thüringen), an dem Belgier, Briten, Dänen, Franzosen, Niederländer, Österreicher, Schweden, Schweizer und Spanier teilnahmen (vgl. Kap. IV, Nr. 4.2). Auf der Abschlußkundgebung sprachen die französischen Neonazis Claude CORNILLEAU (56) und Michel FACI alias LELOUP (36), - am 29. und 30. August in Diksmuide in Westflandern auf dem in Westflandern, Rechtsextremistentreffen am Rande der "Yser-Wallfahrt" der Flamen, - vom 20. bis 22. November in Madrid bei den Feiern zum Todesin Madrid tag des spanischen Diktators Franco. Vom 12. bis 19. September sollte in Sulden/Südtirol die "Gästewoche" der österreichischen "Deutschen Kulturgemeinschaft" (DKG) stattfinden, zu der mehr als 200 deutsche und österreichische Rechtsextremisten erwartet wurden. Sie wurde jedoch von den italienischen Behörden verboten. Vom 23. bis 27. September fanden in Mallnitz die "Kulturtage in Kärnten" statt. Veranstalter dieser deutsch-österreichischen rechtsextremistischen Vortragsveranstaltung war das "Kulturwerk Österreich, Landesgruppe Kärnten", eine Abspaltung der DKG. Dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER (46) und zwei weiteren deutschen Rechtsextremisten, die dort als Redner auftreten sollten, wurde die Einreise nach Österreich untersagt. RIEGER, der sich unter falschem Namen in Mallnitz aufhielt, wurde dort am 25. September von der Polizei erkannt und aus Österreich ausgewiesen. Auch zwei Anhängerinnen des deutschen Neonaziführers Manfred ROEDER (63), seine Ehefrau Gertraud (53) und Magdalene SCHRADER (58), wurden ausgewiesen. Der spanische Neonaziführer Pedro VARELA GEISS (35) wurde in Untersuchungshaft genommen, weil gegen ihn wegen früherer neonazistischer Aktivitäten in Österreich ein Haftbefehl vorlag. Das spektakulärste Treffen deutscher und ausländischer Rechtsextremisten im Jahre 1992 war das Dr. FREYs und des Vorsitzenden 130 Rechtsextremistische Bestrebungen der "Liberaldemokratischen Partei Rußlands", Wladimir Schirinowski^ eines Nationalisten, der Rußland in den Grenzen des Zarenreiches wiederherstellen will (vgl. Kap. V, Nr. 3.1). 3. Beteiligung von Rechtsextremisten am Krieg in Kroatien Deutsche Rechtsextremisten, insbesondere Neonazis, hatten seit dem Beginn des serbischen Überfalls auf Kroatien - eingedenk der deutsch-kroatischen Beziehungen im Zweiten Weltkrieg - ihre Sympathien für Kroatien bekundet. Der österreichische Neonaziführer Gottfried KÜSSEL hatte deutsche und österreichische Gesinnungsgenossen zur Bildung eines "Technischen Sanitätskorps" (TSK) aufgerufen, das im Januar nach Kroatien aufbrechen sollte. Das Vorhaben scheiterte, weil KÜSSEL aus einem anderen Grund am 7. Januar in Wien verhaftet worden war. Deutsche NeoEtwa ein Dutzend deutscher Neonazis hat bekundet, in Kroatien nazis nach eigenen zeitweise mitgekämpft oder wenigstens mit der Waffe in der Hand Angaben in militärische Objekte bewacht zu haben. Kroatien aktiv 4. NS-Propagandamaterial aus dem Ausland NS-PropagandaHauptproduzent des NS-Propagandamaterials, das aus dem Ausmaterial aus den land nach Deutschland eingeschmuggelt wird, ist nach wie vor USA der Amerikaner Gary Rex LAUCK (39), der sich als Propagandaleiter einer "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO, s. auch Kap. IV, Nr. 3.6) bezeichnet und als Adresse ein Postfach in Lincoln im Staate Nebraska angibt. Er stellt sein Material nicht nur für Deutschland her. Neben dem deutschsprachigen "NS Kampfruf", der alle zwei Monate erscheint, läßt er drei ähnliche Blätter drucken: "The New Order" in englischer, "Sveriges Nationella Förbund" in schwedischer und "UjRend" in ungarischer Sprache. Außerdem produziert er NS-Propagandamaterialien in sieben weiteren Sprachen: Finnisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Norwegisch, Portugiesisch und Spanisch. Spanische NeoIn Europa hat sich die spanische Neonazigruppe "Circulo Espanazigruppe unternol de Amigos de Europa" ("Spanischer Kreis von Freunden stützt deutsche Europas", abgekürzt: CEDADE) unter Pedro VARELA GEISS und österreichische zur Hauptunterstützerin der deutschsprachigen Neonazis entNeonazis wickelt. Rechtsextremistische Bestrebungen 131 KAMPF DEN KPD SPD CDU CSD FDP NSDAP-AO Die österreichischen Neonazis Gerd HONSIK und Walter OCHENSBERGER, die in Österreich zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden (vgl. Nr. 1), flohen vor der Strafverbüßung nach Spanien. Ihre Monatsschriften "Halt" und "Sieg" werden seitdem in der Druckerei des CEDADE in Barcelona hergestellt. 132 Rechtsextremistische Bestrebungen Dollar 35.- Rechtsextremistische Bestrebungen XI. Erläuterungen und Dokumentation 1) Terrorismus ist der nachhaltig geNr. 4, 86a, 185 ff, i.V.m. 194 führte Kampf für politische Ziele, Abs. 1 und 2, Aktionen mit volksdie mit Hilfe von Anschlägen auf verhetzendem Charakter und Leib, Leben und Eigentum andeAufstachelung zum Rassenhaß rer Menschen durchgesetzt wergem. SSSS 130 ff. Strafgesetzbuch. den sollen, insbesondere durch Dabei wurde - wie in den Vorschwere Straftaten, wie sie in jahren - jede Gesetzesverletzung SS 129a Abs. 1 des Strafgesetznur einmal mit der schwerwiebuches genannt sind (vor allem: gendsten Deliktart gezählt, auch Mord, Totschlag, erpresserischer wenn sie aus mehreren EinzelMenschenraub, Brandstiftung, taten bestand, mehrere StrafHerbeiführung einer Explosion tatbestände erfüllte, mehrere durch Sprengstoff) oder durch Handlungen umfaßte oder von andere Gewalttaten, die der mehreren Tätern gemeinschaftVorbereitung solcher Straftaten lich begangen wurde. Ein Verdienen. gleich der Gesamtzahl mit der 2) Nahezu 400 Gewalttaten mutZahl der Gesetzesverletzungen maßlicher Linksextremisten richmit linksextremistischem Bezug teten sich gegen tatsächliche ist nur teilweise möglich, weil oder vermeintliche Rechtsextreden vorgenannten Strafvorschrifmisten. ten, die sich gegen die national3) Rechtsextremistische Skinheadsozialistische Propaganda wenBands und deren Verleger waren den, keine vergleichbaren StrafZiel bundesweit abgestimmter vorschriften im Bereich des Exekutivmaßnahmen, die am früLinksextremismus entsprechen. hen Morgen des 3. Februar 1993 Anders als bei der "Polizeilichen in sieben Bundesländern durchKriminalstatistik - Staatsschutzgeführt wurden. Die Aktion "Nodelikte" (PKS-S) beziehen sich tenschlüssel" war von der IGR die Zahlenangaben - ungeachtet initiiert und abgestimmt wordes Standes der Ermittlungsden. Bei den Maßnahmen wurde verfahren - auf den Tatzeitpunkt umfangreiches Beweismaterial, im Kalenderjahr. darunter als Zufallsfunde auch 6) Die Brüder Strasser repräsentierWaffen und Munition sichergeten in der Frühphase des Natiostellt. nalsozialismus den linken Flügel 4) Hierbei handelt es sich um keine der NSDAP. Niekisch war Verabschließende Auflistung. treter des sog. Nationalbolsche5) Gesetzesverletzungen in dem wismus. Gregor Strasser und hier verstandenen Sinne sind Röhm wurden 1934 auf Befehl Straftaten und OrdnungswidrigHitlers im Zusammenhang mit keiten, z. B. Terrorakte, Gewaltder Niederschlagung des "Röhmandrohungen, der unberechtigte Putsches" ermordet. Dr. Otto Besitz von Waffen, Munition und Strasser setzte sich 1933 nach Sprengstoff, das Verbreiten von Kanada ab und verstarb 1974. Propagandamitteln und das VerNiekisch wurde 1937 als Gegner wenden von Kennzeichen natiodes Nationalsozialismus verhafnalsozialistischer Organisationen tet und 1939 zu lebenslanger sowie Beleidigungen und VerunZuchthausstrafe verurteilt. 1945 glimpfungen des Andenkens Vertrat er in die KPD und 1946 in storbener im Zusammenhang mit die SED ein, aus der er 1954 wieder Verfolgung durch Nationalder austrat. Er verstarb im Jahre sozialisten gem. SSSS 86 Abs. 1 1967 in Berlin. 134 Rechtsextremistische Bestrebungen 7) NF-Aktionsprogramm, Nr. 1 und 37) Ende 1990 erfolgte ein Zusam2; NF-Grundsatzprogramm, Nr. 7 menschluß von "Druffel-Ver8) NF-Grundsatzprogramm, Nr. 5, lag", "Türmer-Verlag" und "Vo6,7 winkel-Verlag" zur "Verlagsge9) DA-Satzung, SS 2 und Zusatz vor meinschaft Berg" SS 1 38) Im Berufungsverfahren wurde 10) "INDEX", 29/1992, S. 2 ff. diese Geldstrafe am 13. 1. 1993 11) DNP-Programm, Nr. 1.2 und 1.3 vom Landgericht München I auf 12) vgl. BVerwG, NJW 1991, 1390 30.000 DM erhöht. ff,; BVerwG, NJW 1991, 1392 f.; BVerwG, NJW 194, 813 ff.; BVerwG. NJW 1984, 3096 ff; BVerwG, NJW 1988, 2907 ff. 13) DNZ 4/92, S. 6 14) DNZ und DWZ/DA 35/92, S. 13 15) DNZ und DWZ/DA 8/92, S. 7 16) DNZ 25/92, S 3 17) u.a. DNZ und DWZ/DA 31/92, S. 1 18) "Deutsche Stimme" (DSt) 2 und 3/92, S. 4; "Deutsche Zukunft" - Landesspiegel NRW, Nr. 6/92, S. 1 19) DSt 4 und 5/92, S. 3 20) Flugblatt der JN "Wir sind das neue DEUTSCHLAND, die andere REPUBLIK" 21) FRONTAL - Nationaldemokratische Jugendzeitung für Franken 2/92, S. 2 22) "Einheit und Kampf" 12/91, S. 6 23) Presseerklärung des JN-Bundesvorstandes vom 28. Februar 1992 24) "Deutsche Rundschau" (DR) 1/92, S. 5 25) "Liga"-Publikation "BLITZSCHLAG", 0-Nummer, August 1992 26) DR 6/92, S. 6 27) DR 8/92, S. 3 28) "GFP-Kongreß-Protokoll 1992", Anhang 29) "GFP-Kongreß-Protokoll 1992", S. 126 30) "Das Freie Forum" (DFF) 2/92, S. 5 31) DFF 1/92, S. 9 32) Flugblatt Nr. 56 33) Rundschreiben vom 15. Oktober 1991 34) "WJ-Fahrtenplan 1992", S. 14 35) "WJ-Fahrtenplan 1992", S. 2 36) Einladung zu: "38. Tage volkstreuer Jugend" in Hetendorf vom 5. 6. bis 9. 6. 1992 Rechtsextremistische Bestrebungen 135 XII. Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz -- (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und Auflagen 1992 (1991) - z. T. geschätzt) 1. Neonazistische Gruppen Deutsche Alternative (DA) 350 (300) Brandenburger Beobachter - Cottbus - - unregelmäßig - (verboten am 10. Dez. 1992) -500Deutsche Bürgerinitiative Deutsche Bürgerinitiative e.V. e.V. (DBI) weltweit - Schwarzenborn - - zweimonatlich - - mehrere Tausend - Deutscher Jahrweiser -vierteljährlich - - 1.000 - Deutsch Nationale Partei (DNP) 50 - Weimar - Freiheitliche Deutsche 220 (150) Neue Nation Arbeiterpartei (FAP) - monatlich - - Stuttgart - -500Hilfsorganisation für 200 (200) Nachrichten der HNG nationale politische - monatlich - Gefangene und deren -300Angehörige e.V. (HNO - Frankfurt/M. - Nationale Offensive 140 100) Deutscher Beobachter -Augsburg - - unregelmäßig - (verboten am 22. Dez. 1992) -500Nationalistische Front (NF) I50 (130) Aufbruch - Detmold - - unregelmäßig - (verboten am 27. Nov. 1992) - über 1 0 0 - NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation NS Kampfruf (NSDAP-AO) - unregelmäßig - (Stützpunkte in der Bundes- - mehrere Tausend - republik Deutschland) 136 Rechtsextremistische Bestrebungen Organisation Mitglieder Publikationen -einschl. Sitz - (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und Auflagen 1992 (1991) - z. T. geschätzt) 2. "National-Freiheitliche" Organisationen Deutsche Volksunion (DVU) rund* (rund* - München - 26.000 24.000) (einschließlich der Mitglieder der DVU e.V.) Deutsche Volksunion e.V. rund* (rund* (DVU e.V.) 11.500 11.500) - München - (in der Mitgliederzahl einschließlich: der DVU enthalten) - Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF) - Aktion Oder-Neiße (AKON) - Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur - Ehrenbund Rudel - Initiative für Ausländerbegrenzung (l.f.A.) - Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) Druckschriftenund Deutsche National-Zeitung Zeitungsverlag GmbH (DNZ) (DSZ-Verlag) -wöchentlich - - München - Deutsche Wochen-Zeitung/ Deutscher Anzeiger (DWZ/DA) -wöchentlich - - DNZ und DWZ/DA zusammen rund 85.000* - 3. "Nationaldemokratische" Organisationen Nationaldemokratische Partei 5.000 (6.100) Deutsche Stimme Deutschlands (NPD) - monatlich - - Stuttgart - - 50.000 - Junge Nationaldemokraten 200 (550) Einheit und Kampf (JN) -vierteljährlich - - Stade - -2.000*) Dr. Frey gibt höhere Zahlen an. Rechtsextremistische Bestrebungen 137 Organisation Mitglieder Publikationen - einschl. Sitz -- (z. T. geschätzt) (einschl. Erscheinungsweise und Auflagen 1992 (1991) - z. T. geschätzt) 4. Sonstige Organisationen Deutsche Liga für Volk 800 (800) Deutsche Rundschau und Heimat (Deutsche Liga) - monatlich - - Landshut-8.000Gesellschaft für freie mehrere (mehrere Das freie Forum Publizistik (GFP) Hundert Hundert) -vierteljährlich - - München - -700Wiking Jugend e.V. (WJ) 400 (400) Wikinger - Stolberg - -vierteljährlich - -500- $i