ISSN 0343-690X betrifft: Rechtsextremismus Linksextremismus Spionageabwehr Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 1978 VERFASSUNGSSCHUTZ Inhaltsverzeichnis Seite 9 Herausgeber: Der Bundesminister des Innern, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Graurheindorfer Straße 198, 5300 Bonn, September 1979 Druck: Drei Kronen Druck, Hürth/Rhld. ZUM VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 1978 I. Der liberale Rechtsstaat garantiert die Grundrechte seiner Bürger. Er ist hierzu auch gegen Angriffe auf seine innere Sicherheit gerüstet. Grundsätzlich begegnet er dabei seinen Bürgern mit offenem Visier. Dies gilt im Prinzip auch für den Verfassungsschutz, wenn auch seine Arbeit sich weitgehend nicht öffentlich vollziehen kann. Den Berichten über seine Tätigkeit kommt daher besondere Bedeutung zu. Der Verfassungsschutzbericht will durch seine Informationen dazu beitragen, den Blick für extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu schärfen, um den für unseren Staat engagierten politischen und gesellschaftlichen Kräften die Abwehr solcher Bestrebungen zu erleichtern. Die Stabilität unserer Demokratie und ihrer rechtsstaatlichen Verfassungsordnung hat sich 30 Jahre lang erwiesen. Weder rechtsnoch linksextremistische Bestrebungen konnten sie wirklich gefährden. Trotz anhaltender terroristischer Bedrohung ist die Sicherheitslage vor allem gekennzeichnet durch engagierten und erfolgreichen Einsatz der Angehörigen der Sicherheitsorgane: 1. Die Spionageabwehr erbrachte im Jahre 1978 und zu Beginn des Jahres 1979 bisher nicht erreichte Ergebnisse. Allein in den ersten 5 Monaten des Jahres 1979 wurden mehr Agenten enttarnt als im ganzen Jahr 1978. Diese Ergebnisse belegen die unvermindert anhaltende Spionageaktivität der Nachrichtendienste kommunistisch regierter Staaten, die vor allem den Bereichen der Verteidigung, der Wirtschaft sowie der Wissenschaft und Technik gelten. Hauptträger dieser Spionagetätigkeit waren wiederum die Nachrichtendienste der DDR. Knapp Dreiviertel aller Spionageaufträge werden von ihnen erteilt. 2. Herausragende terroristische Anschläge hat es im Bundesgebiet im Jahre 1978 nicht gegeben. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die terroristische Bedrohung weiter andauert. Die von Bund und Ländern unternommenen Anstrengungen haben den Fahndungsdruck verstärkt. Dies führte zum Aufspüren lange gesuchter Verdächtiger und einer Reihe von konspirativen Wohnungen. Sechsundzwanzig Personen, die im Jahr 1978 festgenommen wurden, befinden sich in Haft. 3 Zwar haben zahlenmäßig die Gewalthandlungen deutscher Terroristen 1978 im Vergleich zum Vorjahr zugenommen (52 gegen 48). Sie hatten jedoch nicht die folgenschweren Auswirkungen der Anschläge des Jahres 1977. Auch von kleinen neonazistischen Gruppen gingen terroristische Gewalthandlungen aus. Wenn diese auch nicht das Ausmaß der Aktionen der RAF und der Revolutionären Zellen erreichten, so gibt diese Entwicklung doch Anlaß zu besonderer Wachsamkeit. 3. Die rechtsextremistischen Gruppen und ihre Anhänger bildeten auch 1978 keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die rechtsextremistischen Gruppen, die insgesamt auf ihrem bisher niedrigsten Mitgliederstand angelangt sind, verfolgen keine einheitliche Strategie und sind organisatorisch zersplittert. Die NPD, die weiter die größte rechtsextremistische Organisation darstellt, erlitt bei den Wahlen 1978 erneut deutliche Niederlagen. Dies zeigt, daß der Rechtsextremismus bei der überwiegenden Mehrheit der Bürger auf scharfe Ablehnung stößt. Anlaß zu Besorgnis gibt dagegen die im Vergleich zum Vorjahr erneut erheblich gestiegene Zahl rechtsextremistischer Ausschreitungen und die zunehmende Bereitschaft zu bewaffneter Gewaltanwendung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die erstmals bei Neonazis festgestellten terroristischen Aktivitäten. 4. Ebenso wie der Rechtsextremismus konnten 1978 auch die linksextremistischen Kräfte wegen ihres vergleichsweise geringen Potentials und des unbedeutenden Einflusses in der Bevölkerung die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht ernsthaft gefährden. Die Aktivitäten der orthodoxen Kommunisten hielten unvermindert an. Sie erfahren weiterhin erhebliche politische und vor allem finanzielle Unterstützung aus der DDR. Gleichwohl stagnieren die Mitgliederzahlen, und die bislang schon schlechten Wahlergebnisse waren noch weiter rückläufig. Bei den dogmatischen, meist maoistischen Gruppen der "Neuen Linken" deuten beträchtliche Mitgliederverluste, interne Richtungskämpfe sowie Schwierigkeiten in der politischen Orientierung auf einen Abwärtstrend hin. Auch die undogmatischen Linksextremisten scheinen den Zenit ihrer Entwicklung erreicht zu haben, wenngleich sie ihre Mandatsanteile im Hochschulbereich noch geringfügig steigern konnten. 4 5. Der ganz überwiegende Teil der rund 4 Mio im Bundesgebiet lebenden Ausländer hat sich im Berichtszeitraum 1978 wie in den Vorjahren gesetzestreu verhalten. Unter der zahlenmäßig geringen Minderheit extremistischer oder sicherheitsgefährdender Ausländer haben Konfliktsituationen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland oder Maßnahmen ausländischer Regierungen ebenso wie in anderen westlichen Staaten auch im Bundesgebiet zu einem Anstieg gewalttätiger Aktionen geführt. Auf diese Weise kam es zu Gewaltaktionen von Anhängern palästinensischer Untergrundorganisationen im Zusammenhang mit den ägyptisch/israelischen Friedensverhandlungen und zu gesteigerten Aktivitäten exiljugoslawischer Extremisten anläßlich des Ersuchens der jugoslawischen Regierung, acht Exiljugoslawen auszuliefern. Die politischen Vorgänge im Iran lösten im Bundesgebiet gesteigerte Propaganda und Agitation extremistischer iranischer Gruppierungen bis hin zur Gewaltanwendung in einzelnen Fällen aus. Die zunehmende Verschärfung der innenpolitischen Situation in der Türkei führte zu anwachsenden politischen Spannungen unter den Anhängern türkischer rechtsund linksextremistischer Gruppen, die ein Umschlagen der politischen Auseinandersetzungen in gewaltsame Konfrontration befürchten lassen. II. Der Rechtsstaat muß sich selbst treu bleiben. Unsere Verfassung setzt daher auch gegenüber ihren Gegnern in erster Linie auf die Überzeugungskraft politischer Auseinandersetzung. Diese Priorität der politischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus ist Ausdruck des Selbstbewußtseins und der Stärke unserer freiheitlichen Demokratie, nicht Anzeichen für Schwäche und Unentschlossenheit. Diese Grundentscheidung unserer Verfassung erfordert es, extremistische Bestrebungen solange nicht zu verbieten, wie sie nicht die freiheitliche Ordnung selbst gefährden. Eine solche Toleranz verlangt aber, daß diese Bestrebungen beobachtet werden, um festzustellen, wann die Grenze überschritten ist, von der ab sie zu einer ernsten Gefahr werden. Bei dieser Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes im Vorfeld polizeilicher Gefahrenabwehr stehen ihm keinerlei exekutive oder polizeiliche Befugnisse zu. 5 Die Unterrichtung der Öffentlichkeit, die der Verfassungsschutzbericht zur politischen Auseinandersetzung leistet, vollzieht sich innerhalb des vom Bundesverfassungsgericht gekennzeichneten Rahmens, Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist es "von der politischen Verantwortung der Bundesregierung gefordert, daß sie ihren jährlichen Bericht über die Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte, Gruppen und Parteien dem Parlament und der Öffentlichkeit vorlegt". Dabei fordert das Bundesverfassungsgericht, daß entsprechende Werturteile vertretbar und in der Form sachlich gehalten sein müssen, also nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen. Die Bundesregierung hielte dabei eine Ausuferung des Begriffs "verfassungsfeindliche Zielsetzung" in der politischen Diskussion und Aufklärungsarbeit für bedenklich. Sie bezieht diesen Begriff ausschließlich auf Organisationen und legt Wert darauf, nur solche Zielsetzungen als "verfassungsfeindlich" zu bezeichnen, die gegen die grundlegenden Verfassungsprinzipien gerichtet sind. Diese Verfassungsprinzipien sind die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Der Verfassungsschutzbericht ist ausschließlich Informationsbeitrag zur politischen Auseinandersetzung. Rechtsfolgen dürfen mit ihm nicht verbunden werden. Er soll und kann nicht einmal eine lückenlose Darstellung extremistischer Gruppierungen liefern. Insoweit kann er auch Bewerbern für den öffentlichen Dienst oder Angehörigen des öffentlichen Dienstes nur eine Orientierungshilfe bieten. Vor allem fällt der Bericht kein Urteil darüber, ob ein Bewerber für den öffentlichen Dienst, der Mitglied einer in ihm erwähnten Organisation ist, die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für eine Einstellung erfüllt oder nicht. Er darf auch nicht so mißverstanden werden. Niemand darf der Darstellung von Gruppierungen mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung eine Bedeutung zumessen, die mit dem Prinzip der Einzelfallprüfung nicht mehr vereinbar ist. 6 Die Versuche der DKP, Einfluß auf andere Organisationen zu gewinnen bzw. ihren Einfluß in anderen Organisationen zu erhalten, werden -- wie schon im Vorbericht -- in einem eigenen Kapitel dargestellt und nicht mehr -- wie in den Berichten bis zum Jahre 1976 -- unter dem Kapitel "Orthodoxe Kommunisten" aufgeführt. Mit dieser klaren Trennung soll jeder pauschalen Zurechnung aller in diesen Organisationen tätigen Mitgliedern zum Kommunismus entgegengewirkt werden. Zugleich wird dadurch auch die Verantwortung verdeutlicht, die den demokratisch eingestellten Mitgliedern dieser Organisationen obliegt. öffentliche Kritik, die danach fragt, ob die Verfassungsschutzbehörden ihrem gesetzlichen Auftrag gerecht werden, muß akzeptiert werden. Pauschale Kritik, die vom grundsätzlichen Mißtrauen gegen die Integrität der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes geprägt ist, ist jedoch ebenso zurückzuweisen, wie Angriffe, die nichts anderes zum Ziel haben, als die Arbeit des Verfassungsschutzes zu stören und zu behindern. Der Verfassungsschutz verdient das Vertrauen unserer Bürger. Seine Arbeit ist schwierig und verantwortungsvoll. Die hervorragenden Ergebnisse des vergangenen Jahres sichern den freiheitlichen Rechtsstaat und damit die Freiheit der Bürger. Den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes gilt hierfür meine besondere Anerkennung und mein Dank. Gerhart Rudolf Baum Bundesminister des Innern 7 Inhalt Rechtsextremistische Bestrebungen 1978 I. Allgemeine Feststellungen 15 II. Situation des Rechtsextremismus 16 III. Übersicht in Zahlen 17 1. Organisationen, Verlage und Vertriebsdienste 17 2. Publikationen 19 3. Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen im öffentlichen Dienst 21 IV. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 23 1. Parteiorganisation 23 2. Wahlergebnisse der NPD 1978 25 2.1 Landtagswahlen 25 2.2 Kommunalwahlen 26 3. Der politisch-ideologische Standort der NPD 27 4. Rechtsextremistische Agitation der "Nationaldemokraten" 27 V. Neonazistische Aktivitäten 31 1. Terroristische neonazistische Täterkreise 31 2. Der "harte neonazistische Kern" 33 3. Neonazistische Gruppierungen 33 3.1 "Aktionsfront Nationaler Sozialisten" (ANS) 35 3.2 "Deutsche Bürgerinitiative" (DB) 35 3.3 "Bürger-und Bauerninitiative" (BBl) 35 3.4 "Kampfbund Deutscher Soldaten" (KDS) 36 3.5 Sog. NSDAP-Gruppen 36 3.6 "Deutsch-Völkische Gemeinschaft" (DVG) 37 3.7 "Unabhängige Freundeskreise" (UFK) 37 3.8 Sonstige NS-Gruppen 37 4. Neonazistische Agitation 38 VI. "National-Freiheitliche Rechte" 40 1. "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) 40 2. "Freiheitlicher Rat" (FR) 43 3. Rechtsextremistische Agitation der "National-Freiheitlichen" . . . . 43 VII. Sonstige rechtsextremistische Vereinigungen 44 1. "Wehrsportgruppe HOFFMANN" (WSG) 44 2. "Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG) 46 3. "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP) 46 4. "Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ) 46 5. Ideologiezirkel 47 VIII. Rechtsextremistische Verlagsund Vertriebsdienste 47 1. Zeitungsund Zeitschriftenverlage 47 1.1 "Deutsche Wochenzeitung" (DWZ) 47 1.2 "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) 48 1.3 Sonstige selbständige Schriftenverlage 48 2. Buchverlage und Buchdienste 49 3. NS-Artikel-Vertriebsdienste 49 9 IX. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus 50 1. "NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) . . . . 50 2. "Deutsche Befreiungsfront im White Power Movement" 50 3. "British Movement" und "Vlaamse Militanten Orde" 53 4. "Aktion Neue Rechte" und "amnesty national" 53 5. "Eurodestra/Eurodroite" 53 X. Gewalttaten und andere Ausschreitungen mit rechtsextremistischem Hintergrund 53 1. Gewalttaten 53 2. Sonstige Ausschreitungen 55 XI. Staatliche Maßnahmen gegen Rechtsextremisten 58 1. Verurteilungen 58 1.1 Rechtskräftige Verurteilungen 58 1.2 Noch nicht rechtskräftige Verurteilungen 59 2. Ermittlungsverfahren, Durchsuchungen und Anklagen 61 3. Veranstaltungsverbote 62 4. Sonstige Maßnahmen 63 XII. Schlußbeurteilung 64 Abbildungen Entwicklung der rechtsextremistischen Organisationen von 1969--1978 20 Entwicklung der rechtsextremistischen Publizistik von 1969--1978 . . 20 Publikationen der "National-Demokraten" 24 Demonstrationen der "National-Demokraten" 28 Parolen der "National-Demokraten" 30 Neonazistische Hetzblätter 32 Neonazis in Aktion 34 Agitation neonazistischer Gruppen 39 Schlagzeilen der "Deutschen National-Zeitung" 41 "Deutsche National-Zeitung" zu Hitler 42 Paramilitärische "Wehrsportgruppe Hoffmann" 45 Rechtsextremistische, insbesondere neonazistische Blätter im Ausland 51 Agitation ausländischer Neonazis im Bundesgebiet 52 Neonazistische Schmieraktionen 54 Ausschreitungen deutscher Rechtsextremisten in den Jahren 1974--1978 57 Ausschreitungen deutscher Rechtsextremisten im Jahre 1978 . . . . 57 Linksextremistische Bestrebungen 1978 I. Allgemeine Erfahrungen 65 1. Orthodoxe Kommunisten 65 2. "Neue Linke" 65 II. Übersicht in Zahlen 67 1. Organisationen 67 2. öffentlicher Dienst 67 3. Studentenvertretungen 68 3.1 Hochschulen mit verfaßter Studentenschaft 68 3.1.1 Studentenparlamente 68 3.1.2 Allgemeine Studentenausschüsse SS9 10 3.2 Hochschulen ohne verfaßte Studentenschaft 71 3.2.1 Hochschulen in Baden-Württemberg 71 3.2.2 Hochschulen in Bayern 71 3.2.3 Hochschulen in Berlin 71 III. Schwerpunkte der Agitation 71 1. Außenund Verteidigungspolitik 71 2. Innenund Sicherheitspolitik 72 3. Wirtschaftsund Sozialpolitik 72 4. Umweltschutz 73 5. Internationale Solidarität 73 IV. Orthodoxe Kommunisten 75 1. Politische und organisatorische Entwicklung 75 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 75 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort 75 1.1.2 Parteitag 77 1.1.3 Mitgliederstand 77 1.1.4 Finanzierung 77 1.1.5 Pressearbeit . 77 1.1.6 Internationale Beziehungen 79 1.2 "Sozialistische Einheitspartei Westberlins" (SEW) 80 1.3 Nebenorganisationen der DKP 80 1.3.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 80 1.3.2 "Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation" (JP) . . . 81 1.3.3 "Marxistischer Studentenbund Spartakus" (MSB) 82 2. Bündnispolitik 82 2.1 Bemühungen um "Aktionseinheit" mit Sozialdemokraten . . . . 82 2.2 Bemühungen um "Aktionseinheit mit Gewerkschaften" 83 2.3 Bemühungen um ein "antimonopolistisches Bündnis" 83 3. Betriebsarbeit 84 4. Jugend-, Kinderund Studentenarbeit 86 4.1 Jugend 86 4.2 Kinder 88 4.3 Studenten 88 5. Propaganda und Schulung 89 5.1 "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) 89 5.2 Parteischulung 89 5.3 Verlage und Druckereien 90 6. Wahlergebnisse 90 6.1 Landtagswahlen 90 6.2 Kommunalwahlen 92 V. Einfluß der DKP auf andere Organisationen 92 1. "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) 93 2. "Deutsche Friedens-Union" (DFU) 93 3. "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) . 94 4. "Vereinigung demokratischer Juristen" (VDJ) 94 5. "Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) 95 6. "Demokratische Fraueninitiative" (DFI) 95 11 VI. SED-Aktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland 96 1. Anleitung der DKP durch das ZK der SED 96 2. "Westarbeit" anderer DDR-Institutionen 96 3. Reisen in die DDR und Einreisen von DDR-Funktionären . . . . 97 VII. "Neue Linke" 98 1. Politischer Standort und allgemeine Entwicklung 98 1.1 Allgemeiner Überblick 98 1.2 Entwicklung im dogmatischen Lager 98 2. Organisationen der dogmatischen "Neuen Linken" 100 2.1 "Kommunistischer Bund Westdeutschland" (KBW) 100 2.2 "Kommunistischer Bund" (KB) 100 2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 102 2.4 "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) 102 2.5 Sonstige Organisationen 103 2.6 Trotzkistische Gruppen 105 3. Undogmatische "Neue Linke" 105 4. Tätigkeit an den Hochschulen 107 5. Betriebsund Gewerkschaftsarbeit 108 6. Ausnutzung der Anti-Kernkraftbewegung 109 7. Agitation gegen die Bundeswehr 109 8. Verurteilungen 109 VIII. Beurteilung 111 Abbildungen Linksextremisten in Studentenparlamenten (SP) und Allgemeinen Studentenausschüssen (ASten) 70 DKP-Stadtzeitungen 74 DKP-Kleinzeitungen 78 DKP-Streikagitation 85 SDAJ-Agitation an Schulen 87 Wahlergebnisse der DKP bei Landtagswahlen in Hamburg, Niedersachsen, Hessen und Bayern (1970--1978) . . . . 91 Militante Aktionen der "Neuen Linken" 99 KBW-Agitation 101 Trotzkistische Schriften 104 "Tunix"-Kongreß der "Alternativbewegung" 106 Militante Aktionen der "Neuen Linken" 110 Terrorismus 1978 1. Einleitung 112 2. Terroristische Gruppierungen 114 2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 114 2.2 "Bewegung 2. Juni" 116 2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 117 2.4 Sonstige Gruppierungen 119 2.5 Terroristisches Umfeld 119 3. Internationale Verflechtungen 119 3.1 "Harter Kern" des Terrorismus 119 12 3.2 Terroristisches Umfeld 120 3.3 Terrorakte im Ausland 122 4. Festnahmen 122 5. Veröffentlichungen 123 5.1 Darstellung der Ziele 123 5.2 Unterstützung terroristischer Gewalttäter durch publizistische Kampagnen 125 Abbildungen Terroranschläge 113 Schriften aus dem terroristischen Umfeld 121 Terroristische Schriften 124 Spionageabwehr 1978 I. Allgemeine Erfahrungen 127 1. Schwerpunkte und Tendenzen 127 2. Werbungen und Werbungsversuche 127 3. Aufträge 128 4. Legale Residenturen 129 5. Verurteilte Agenten 129 II. Nachrichtendienste der DDR 130 1. Übersicht 130 2. Enttarnung von Sekretärinnen 130 2.1 Fall Garbe 132 2.2 Fall Lorenzen 132 2.3 Fall Hofs 133 2.4 Fall Goliath 133 2.5 Fall Broszey 134 2.6 Fall Rödiger 134 3. "Urlaubsbekanntschaften" am Schwarzen Meer mit nachrichtendienstlichem Hintergrund 135 4. Reaktivierung von Agenten 136 5. Nachrichtendienstliche Aktivitäten von DDR-Rentnern 137 III. Legale Residenturen kommunistischer Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland 138 1. Obersicht 138 2. Neue Erfahrungen und Erkenntnisse 139 2.1 Sowjetische Militärmissionen (SMM) 139 2.2 Fall PACEPA 140 2.3 Jugoslawische Vertretungen 140 IV. Festnahmen 141 V. Verurteilungen 144 1. Kahlig-Scheffler / Eheleute Goslar 145 2. Differt 145 3. Skottke 145 4. Grunert 146 VI. Beurteilung 146 13 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 1978 I. Allgemeine Erfahrungen 147 1. Terrorismus und Gewaltanwendung im internationalen Bereich . . 147 2. Bestrebungen und Entwicklungstendenzen bei Vereinigungen ausländischer Extremisten im Bundesgebiet 148 II. Übersicht in Zahlen 149 1. Organisationsstand 149 2. Mitgliederentwicklung 151 3. Publizistik 154 III. Gewalttaten 155 1. Terroristische Aktivitäten 156 2. Sonstige Gewaltakte 157 3. Androhung von Terror und Gewalt 158 IV. Ausländergruppen mit Tendenzen zur Gewaltanwendung 158 1. Palästinensische Gruppen 158 2. Kroatische Gruppen 160 3. Türkische Gruppierungen 161 4. Iranische Gruppen 161 V. Ausländische kommunistische Parteien 162 Vi. Politisch tätige Vereinigungen der ausländischen "Neuen Linken" 163 1. Organisationsstand 163 2. Aktionsschwerpunkte, Solidarisierungstendenzen 164 VII. Ausländische Rechtsextremisten und Nationalisten 165 1. Exiljugoslawische Extremisten 165 2. Sonstige Rechtsextremisten und Nationalisten 166 2.1 Türken 166 2.2 Italiener 167 VIII. Beurteilung 168 Abbildungen Ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland . . . 150 Die Mitgliederentwicklung bei den ausländischen Extremistengruppen 1970--1978 152 Gewaltagitation palästinensischer Extremisten im Bundesgebiet . . . 159 14 Rechtsextremistische Bestrebungen 1978 I. Allgemeine Feststellungen Rechtsextremistische Bestrebungen sind im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß sie -- offen oder verdeckt -- die Grundlagen der Demokratie, insbesondere der parlamentarischen repräsentativen Demokratie ablehnen und eine totalitäre Regierungsform unter Einschluß des Führerprinzips fordern. Folgende, beispielhaft genannte Einzelaspekte sind für den Rechtsextremismus charakteristisch: Ein den Gedanken der Völkerverständigung mißachtender Nationalismus ist Ausgangspunkt einer unsachlichen Beschimpfung und Herabsetzung ausländischer Staaten und deren Staatsangehörigen und damit auch einer Mißachtung deren Menschenrechte. Die unverhohlene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus ist mit der Würde des Menschen und anderen wesentlichen Menschenrechten, die zu achten und zu schützen Verpflichtung jeder staatlichen Gewalt ist, nicht vereinbar. Gleiches gilt für andere rassistische Thesen. Die von Rechtsextremisten geforderte pauschale Überbewertung der Interessen der "Volksgemeinschaft" und des "Volksganzen" auf Kosten der Interessen des einzelnen führt zu einer Aushöhlung der Grundrechte, die in erster Linie Individualfreiheitsrechte garantieren. Darüber hinaus diffamieren und bekämpfen Rechtsextremisten dauernd und planmäßig die bestehende Staatsform. Dieser Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ist von der Absicht getragen, deren überragenden Wert in den Augen der Bevölkerung zu erschüttern und die These zu verfestigen, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Staatsform sei unfähig, die anstehenden Probleme zu lösen. Eine solche Agitation geht zwangsläufig auf eine Beeinträchtigung und schließlich sogar auf eine Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinaus. Ein besonderes Kennzeichen rechtsextremistischer Bestrebungen liegt ferner in der Rechtfertigung des NS-Regimes, wobei unter Herausstellung angeblich positiver Merkmale des "Dritten Reiches" die Verbrechen des NSRegimes verharmlost oder sogar jegliches nationalsozialistisches Unrecht geleugnet wird. Eine solche Verharmlosung oder Verherrlichung von nationalsozialistischen Thesen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind, beweist die Gegnerschaft zur Staatsform in der Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maße. Diese beispielhaft genannten, besonders charakteristischen Merkmale des Rechtsextremismus sind nicht gleichmäßig in allen rechtsextremistischen 15 Organisationen festzustellen. Bei einigen Organisationen sind nur Teilaspekte bestimmend. Auch die Intensität der gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten rechtsextremistischen Thesen sowie deren Verbreitung in der Öffentlichkeit ist in den einzelnen Organisationen unterschiedlich. Schließlich sind auch Bestrebungen festzustellen, die rechtsextremistisch beeinflußt sind oder einen Nährboden für rechtsextremistische Thesen und deren Verbreitung darstellen. II. Situation des Rechtsextremismus Ablehnung durch die Bevölkerung, staatliche Maßnahmen und eigenes Unvermögen haben den Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland auch 1978 in seiner Wirksamkeit erheblich beeinträchtigt. Der Rechtsextremismus hat nach wie vor keine geschlossene Ideologie und ist weiterhin organisatorisch zersplittert und zerstritten. Der bereits 1977 festgestellte Anstieg neonazistischer Aktivitäten setzte sich fort und fand im Berichtszeitraum erstmals seinen Ausdruck in terroristischen Gewalthandlungen. 1. Die Gesamtzahl der rechtsextremistischen Organisationen und ihrer Mitglieder ist auch 1978 wieder leicht zurückgegangen. Dies gilt jedoch nicht für die Neonazis unter den Rechtsextremisten. Sie konnten einen -- wenn auch gegenüber dem Vorjahr vergleichsweise geringen -- Zuwachs an Aktivisten und Anhängern verzeichnen. Der Anstieg der Anhängerzahl dieser neonazistischen Organisationen hat sich jedoch zu Beginn des Jahres 1979 wieder verstärkt. Der Gesamtmitgliederbestand in rechtsextremistischen Organisationen betrug 1978 17 600 Personen (1977: 17 800) in 76 Organisationen (1977: 83). Darüber hinaus gibt es 41 rechtsextremistische Verlage und Vertriebsdienste (1977: 44). 2. Besonders stark betroffen vom Mitgliederrückgang war wieder die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD). Die Zahl ihrer Mitglieder sank um 500 auf rd. 8500. Die NPD bleibt zwar die stärkste rechtsextremistische Organisation, scheint aber immer mehr zu resignieren. Sie will bei Wahlen nur noch dann antreten, wenn Aussicht auf Erfolg besteht. Dementsprechend hat sie sich an der Europa-Wahl im Juni 1979 nicht beteiligt. Die Wähler erteilten der NPD erneut bei den vier Landtagswahlen im Berichtsjahr eine deutliche Absage. 3. Die 24 meist kleineren neonazistischen Gruppen (1977: 17) haben ihre Anhängerschaft auf rd. 1000 (1977: 900) Personen verstärkt. Anfang 1979 stieg die Zahl weiter auf 1300. Unter ihnen gibt es etwa 200 Aktivisten als "harten Kern", die durch besondere Militanz und Fanatismus hervortraten und sich verstärkt bemühten, konspirativ vorzugehen. Der Generalbundesanwalt ermittelt in mehreren Fällen, in denen Neonazis 1978 ihre politischen Ziele durch Gewalthandlungen zu erreichen versuchten, wegen Verdachts 16 der Bildung einer terroristischen Vereinigung nach SS 129 a StGB. Am 1. Dezember erhob der Generalbundesanwalt Anklage gegen sechs Neonazis wegen Verbrechen nach SS 129 a StGB. 4. Die "National-Freiheitliche Rechte" des Dr. Gerhard FREY, die weitgehend in Konkurrenz zur NPD steht, verlor weiter an öffentlicher Resonanz. Dies gilt insbesondere für die Kundgebungen der "Deutschen Volksunion" (DVU), an denen im Durchschnitt nur einige hundert Personen teilnahmen. Die "Deutsche National-Zeitung" des Dr. FREY ist mit einer Druckauflage von rd. 100.000 Exemplaren nach wie vor eine der auflagenstärksten Wochenzeitungen. 5. Die Gesamtzahl rechtsextremistischer Publikationen stieg 1978 leicht von 99 auf 104; die durchschnittliche Wochenauflage dieser Schriften sank dagegen um etwa 11.000 Exemplare. Von diesem Rückgang waren insbesondere die Schriften der NPD und der selbständigen rechtsextremistischen Verlage betroffen. 6. Rechtsextremistische Verlage und Buchdienste sowie NS-Artikelvertriebsdienste erzielten auch 1978 einen hohen Umsatz mit Produkten, die das Hitlerreich verherrlichen. Das gilt auch für Schallplatten, Tonbänder, Musikkassetten und Filme mit z. T. unkommentierten Originalaufnahmen von NSVeranstaltungen sowie für Erinnerungsstücke und Embleme des NS-Staates. 7. Vor allem neonazistische Gruppen strebten im Berichtsjahr eine noch engere Zusammenarbeit mit ausländischen Nationalsozialisten an. Dabei spielte insbesondere die "NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) des US-Amerikaners Gary LAUCK als Lieferant umfangreichen, u.a. antisemitischen Propagandamaterials eine maßgebliche Rolle. 8. Die Zahl der festgestellten Rechtsextremisten zuzurechnenden Ausschreitungen erhöhte sich weiter auf 992 (1977: 616). Dies ist die höchste Zahl seit 1960. In allen Fällen laufen oder liefen Ermittlungsverfahren, z.T. gegen Unbekannt. Auch die Zahl der Gewalttaten ist gestiegen und zwar von 40 (1977) auf 52. Die Strafverfolgungsbehörden konnten 365 Täter ermitteln. In 150 Fällen kam es 1978 zu Verurteilungen. Ermittlungsverfahren laufen derzeit wegen Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund gegen 398 Beschuldigte. 1978 wurden 141 Hausdurchsuchungen (1977: 60) durchgeführt. III. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen, Verlage und Vertriebsdienste Die Zahl der rechtsextremistischen Organisationen und ihrer Mitglieder hat sich 1978 weiter verringert. Ende 1978 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 76 rechtsextremistische Organisationen mit rd. 17.600 Mitgliedern; Mehrfachmitgliedschaften abgezogen. Das sind sieben Organisa17 tionen und 200 Mitglieder weniger als im Vorjahr. Demgegenüber stieg die Zahl der erkannten neonazistischen Gruppen von 17 auf 24 meist Kleingruppen, von denen keine eine Mitgliederzahl von 250 erreicht. Während sich die Mitgiederzahl der NPD von 9.000 auf 8.500 weiter verringerte, blieb die Zahl der Mitglieder ihrer Jugendorganisation, der "Jungen Nationaldemokraten" (JN), mit 1.500 konstant. Einzelheiten der Entwicklung der letzten drei Jahre zeigt die nachstehende Tabelle, in der die "Neue Rechte" wegen ihrer völligen Bedeutungslosigkeit nicht mehr gesondert ausgewiesen ist: Arten der Organisationen Ende 1976 Ende 1977 Ende 1978 (die Übernahme ihrer Anzahl der Anzahl der Anzahl der Bezeichnungen enthält Org. Mitgl. Org. Mitgl. Org. Mitgl. keine Wertung) "Nationaldemokratische" Organisationen 4 11.600 5 10.600 5 10.100 Neonazistische Gruppen 15 600 17 900 24 1.000 "National-freiheitliche" Organisationen 7 4.800 7 5.400 7 5.600 Sonstige Vereinigungen 59 5.700 54 5.400 40 5.400 Summe 85 22.700 83 22.300 76 22.100 Abzug für Mehrfachmitgliedschaften 4.500 4.500 4.500 18.200 17.800 17.600 Unter den 76 Organisationen sind zwei Parteien (NPD und "Unabhängige Arbeiter-Partei") sowie 13 Jugendorganisationen mit 2.700 Mitgliedern (1977: 2.200). Die rechtsextremistischen Jugendorganisationen konnten ihre Mitgliederzahl z. T. durch Fahrten und Zeltlager erhöhen. Festzustellen ist aber auch, daß der Anteil Jugendlicher an rechtsextremistischen Vereinigungen sichtlich mit der Intensität spektakulärer Aktivitäten wächst, die diese Gruppen entwickeln. Wie im Vorjahr haben vier rechtsextremistische Organisationen mehr als 1.000 Mitglieder. Es sind dies die NPD, ihre Nebenorganisation JN, die "Deutsche Volksunion" (DVU) und das "Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG). Die Zahl der Organisationen mit 100 und weniger Mitgliedern hat sich von 71 auf 64 verringert. Die Größenordnung rechtsextremistischer Organisationen ergibt sich aus nachstehender Tabelle: 18 Anzahl der Organisationen mit einem Mitgliederbestand von mindestens weniger als 4000 1000 500 250 100 50 20 20 "Nationaldemokratische" Organisationen 1 1 -- -- 1 1 1 Neonazistische Gruppen -- _ _ 4 2 7 11 "Nationfreiheitliche" * Organisationen 1 -- -- 2 1 1 1 1 Sonstige Vereinigungen -- 1 2 4 8 5 9 11 Gesamt 2 2 2 6 13 9 18 24=76 12 Organisationen 64 Organisationen mit mehr als mit 10 oder weniger 250 Mitgliedern Mitgliedern Neben diesen Mitgliederorganisationen bestanden 1978 noch 41 rechtsextremistische Verlage und Vertriebsdienste, deren gleichfalls rückläufige Entwicklung die nachstehende Übersicht ausweist: 1976 1977 1978 Buchverlage 17 14 12 Zeitungsund Schriftenverlage 22 15 14 Vertriebsdienste 18 15 15 Zusammen 57 44 41 2. Publikationen Die Zahl rechtsextremistischer Publikationsorgane ist im Berichtsjahr von 99 auf 104 gestiegen. Dagegen fiel die durchschnittliche Wochenauflage dieser Schriften um 10.900 auf 178.100 Exemplare und erreichte damit den niedrigsten Stand seit 1965. Ursache dafür sind vor allem verminderte Auflagen von Schriften der NPD und neonazistischer Gruppen (infolge von Exkutivmaßnahmen) sowie der Rückgang der Auflagenhöhe der "Deutschen Wochenzeitung" (DWZ) von 30.000 auf 25.000. Der Anteil der Publikationen selbständiger Verlage an allen in Serie erscheinenden rechtsextremistischen Publikationen ist mit 69,5% wieder leicht angestiegen, nachdem er 1977 von 74% auf 68% gefallen war. Die "Deutsche National-Zeitung" und das weitgehend inhaltsgleiche Organ der 19 Entwicklung der rechtsextremistischen Organisationen von 1969--1978* 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 }////|..NATIONAL0EMOKRATEN" | IsONSTlOt ORGANISATIONEN *OHNE VERLAGE UND VERTRIEBSDIENSTE Entwicklung der rechtsextremistischen Publizistik von 1969--1978 HJ o < u. < o I 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 K^X^PUBLIKATIONEN SELBSTr VTTT\-.NATIONALDEMOKRATISCHE" I 1SONSTIGE k^sXÜSTXNDIGE VERLAGE \///A PUBLIKATIONEN I IPUBLIKATION EN DVU, der "Deutsche Anzeiger", stellten jedoch mit einer unveränderten Auflage von rd. 100.000 Exemplaren 56,2%, zusammen mit der DWZ 7 0 , 2 % (1976: 75,7%; 1977: 68,8%) der durchschnittlichen Wochenauflage aller rechtsextremistischen Publikationen. Die nachstehende Übersicht zeigt die Entwicklung der rechtsextremistischen Publizistik seit 1976. Um vergleichbare Zahlen zu erhalten, sind die Auflagen der nicht wöchentlich erscheinenden Schriften auf eine durchschnittliche Wochenauflage umgerechnet worden. In der Tabelle werden die Schriften der "Neuen Rechten" wegen ihrer unbedeutenden Zahl nicht mehr gesondert ausgewiesen. Zahl durchZahl durchZahl durchschnittl. schnittl. schnittl. WochenWochenWochenauflage auflage auflage 1976 1977 1978 "Nationaldemokratische" Schriften 32 29.100 31 39.000 36 33.400 Neonazistische Schriften 8 1.800 18 9.200 20 7.700 "National-freiheitliche" Schriften 5 11.100 5 10.200 5 10.200 Schriften sonstiger Vereinigungen 36 3.500 23 2.200 24 3.000 Publikationen der Rechtsextremistischen Organisationen insgesamt: 81 45.500 77 60.600 85 54.300 Publikationen selbständiger Verlage insgesamt: 28 132.800 22 128.400 19 123.800 Insgesamt: 109 178.300 99 189.000 104 178.100 3. Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen im öffentlichen Dienst 3.1 Ende 1978 waren -- soweit bekannt -- 427 Angehörige rechtsextremistischer Organisationen im Bundes-, Landesund Kommunaldienst beschäftigt. Die Zahl hat sich gegenüber dem Vorjahr (448) weiter verringert. Diese 427 Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen waren in folgenden Bereichen des öffentlichen Dienstes tätig (Vergleichszahlen für 1977 in Klammern): 21 Personen NPD sonstige rechtsinsgesamt extremistische Organisationen Bundesdienst 218 (223) 188 (194) 30 (29) Landesdienst 133 (146) 106 (112) 27 (34) Kommunaldienst 62 (63) 52 (54) 10 (9) Dienst in Körperschaften und Anstalten des öffentl. Rechts 14 ( 16) 12 ( 13) 2 (3) 427 (448) 358 (373) 69 (75) 3.2 Die im Bundesdienst beschäftigten 218 Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen sind bei nachgeordneten Behörden tätig: Drei gehören dem Bundesgrenzschutz an, 92 der Bundeswehr, und zwar 64 als Zeitund Berufssoldaten sowie 28 als Zivilbedienstete. Wehrpflichtige sind bei diesen Angaben nicht berücksichtigt. 3.3 Von den 133 Landesbediensteten in rechtsextremistischen Organisationen (Vergleichszahlen 1977 in Klammern) sind beschäftigt: im Schuldienst 47 (53) in der Justiz 17 (19) in der Finanzverwaltung 11 (14) bei der Polizei 15 (15) in anderen Verwaltungsbereichen 43 (45) 133 (146) 3.4 Von den insgesamt 427 im öffentlichen Dienst stehenden Mitgliedern rechtsextremistischer Organisationen sind 309 Beamte oder Soldaten, 74 Angestellte, 44 Arbeiter. Die 309 Beamten und Soldaten gehören folgenden Laufbahngruppen oder vergleichbaren Dienstgraden an: höherer Dienst: 36 gehobener Dienst: 87 mittlerer Dienst: 120 einfacher Dienst: 66 22 IV. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die Aktivitäten neonazistischer Kreise haben zum weiteren Substanzverlust der NPD beigetragen, weil gerade bei jüngeren NPD-Anhängern der spektakuläre Aktionismus der Neonazis nicht ohne Anziehungskraft geblieben ist. So ist es auch zu verstehen, daß sich die Partei durch Vorstandsbeschluß vom 4./5. März von den neonazistischen Gruppen abgegrenzt und den Mitgliedern eine Mitwirkung in NS-Gruppen untersagt hat. Die Parteileitung der NPD will gegen die häufiger ausgesprochenen Veranstaltungsverbote alle Rechtsmittel in der Erwartung ausschöpfen, ein für sie günstiges höchstrichterliches Urteil zu erhalten. Sie hat daher am 27. November wegen einer Verbotsverfügung der Stadt Göttingen Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Nachteilig für die NPD wirken sich auch die ständigen, z. T. handfesten Konfrontationen mit den häufig in großer Überzahl auftretenden Gegendemonstranten aus. 1. Parteiorganisation 1.1 Von den zu Beginn des Jahres 1978 noch vorhandenen rd. 9.000 Mitgliedern haben im Berichtszeitraum weitere 500 die Partei verlassen. Mit 8.500 Parteizugehörigen hat die NPD ihren tiefsten Stand seit Beginn der 70er Jahre erreicht, ist aber trotz zunehmender Bedeutungslosigkeit größte rechtsextremistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland geblieben. 1.2 Auf dem NPD-Parteitag am 18./19. November in Arolsen/Hessen konnte sich der Parteivorsitzende, Rechtsanwalt Martin MUSSGNUG (42) aus Tuttlingen, nur mit Mühe gegen eine Oppositionsgruppe durchsetzen, die wegen der Erfolglosigkeit der Partei seinen Sturz forderte. Die Beschlüsse, an der Europa-Wahl 1979 nicht teilzunehmen und sich an anderen Wahlen nur bei Aussicht auf Erfolg zu beteiligen, zeigen die in der Partei herrschende Resignation auf. 1.3 Die Interesselosigkeit der Mitglieder an der Parteiarbeit zeigt sich auch darin, daß nach wie vor nur etwa 5 0 % der Kreisverbände funktionsfähig sind. Anweisungen der Parteiführung blieben weitgehend ohne Reaktion. Allenfalls Wahlkämpfe brachten kurzfristig etwas Mobilität in die Reihen der Mitglieder. Das mit großer Erwartung verbundene "Deutschlandtreffen" der NPD in Frankfurt am 17. Juni scheiterte an der Besetzung des Römerberges durch etwa 5.000 vorwiegend linksextremistische Demonstranten und dem u.a. durch die Straßenkrawalle bedingten Veranstaltungsverbot. 1.4 Die Pressearbeit der NDP, die sich maßgeblich auf die mit etwa 100.000 Exemplaren monatlich erscheinende "Deutsche Stimme" stützt, versuchte durch Parolen wie "Die Stunde der Nationaldemokratie ist angebrochen" ("Deutsche Stimme" -- DSt -- 10/78, S. 3) oder "Wenn eine vierte Partei kommt, kann dies nur eine Rechtspartei sein, die allen Rechten eine Heimat gibt -- mit uns Nationaldemokraten als Speerspitze" (DSt 11/78, S. 2) vom eigenen politischen Mißerfolg abzulenken. Neben dieser Parteizeitung gaben die "Nationaldemokraten" noch insgesamt 16 überörtliche periodische Blätter heraus. Die Gesamtauflage ist auch hier rückläufig. Die NPD vertreibt ferner über die parteieigene "Kontakt-Buchund SchallplattenvertriebsgeseHschaft m.b.H." u.a. nationalistische Schriften und Tonträger. 23 Publikationen der "National-Demokraten" Nationaldemokratisches r n Artikeldienst r PS\yi Informationsdienst der Jungen Manifest T I W M n und Kommen A*lkl Natlonaldemokraten UN) Hamburger SCHÜLER t H U 8 I S : K " T H I l O S - B E I I l l f 3 I " T I H : f ä O P F - B O " Z E I I ! . P * " / l S I I E N : v O M | Nationaldemokraten ^ X*i+ettkiüttf*&>KUHUKd?MasiU*! Mitteilungsblatt der Jungen Nationaldemokraten in Nordrhein-Westtaler BRIEFE FÜR [ *r"t*:55tir~'>lrHüiirtti'f T W " 1 EEIIN NE E N EUE O R D N U N G ^ ' ^ 1 1 / 7 6 NEUE 3.JAMHGANB AUFLAGE 4 5 0 0 ^ S S A , I I E _ D PS ü T S C I S O L L E S S E I ff Äuef "Kfe JUGENDZEITSCHRIFT wt"vw STIMME I l T T E I l U N G S BLATT DES NPD-LANDESVERBANDES B AV E R fi %'t"76 | | . M i l l * M u n j ^ a i unter Hitler t "****lll,,lll|!!!!F11111^^ I "Herr Wehner, wie viele uemsuncBM^. **" *""*'** ' fl ' Effl-v=' !tl 212L haben Sie ermorden (assnn?- ^ c h w ö r u n g_j"e g ^ UeW"V! ö V f - H W (tm) Br"n"'ts Sohn Kommunisten fördert M [TZ-- - . " verloren So " l o r e n wtr den I SMam3^^atWPhnRrdieDeutschei ^^^tJlüiSSJ^^ssss^S^ wahre NS - Verrfanniinhffj" EttE -^iS^^ltüschied den Kre iT üie nr ölten Verbrechen an den Deutschen^r mm m^ msmn(tm) ***** * ^ tGeneralamnestie " b e r t a j Ä ^ ^ ^ a " g n j f f l I I M M | M -- -- i ^ -- -- -- * ^ ^ * Z "öermoralischen * H H I I J "-".-^^^^^^^ttiSE!PS!!2*'*PSPS**** flAftn _% ^^^^"*>^^?* SPD sich und Deutschland verrät! fcräpfc OrucK3UlÄS^%^sSa2 na e tsah an iudS^Hii^ " ' wfrafl I ffnnni m i m M J--^, _ ejn Trugbi|d und sem PSWw g ^ r j Die ."deutsche GlftkücheTro n* "Deutsche National-Zeitung" zu Hitler Was Hiller mit wirklich v o r h a t "_jenmw nn dB Koflimunntudicn Bunds Wnidoiudibnd (KBW) - Autgibc Sud * * >""^'M^ Mit Camp David hat sich der alte Kampf um den Nahen Osten bloß erneut verschärft " * ' -- U.ÜMI I luKÜKhc Antrifft auf den Ubaoao rs.-iz* Is-sJsS Volksmiliz & -- -M*-,.!.,*. lirmMKI."tofrWF KS r IMenstau! isgleich7 D -""-ri'."bMittwoch sglr-SSS! Kommunistische Volkszeitung S3x"*S3P Gegen den BAf OG-Beschluß der Regierung: 100 DM mehr für alle BAföG-Bezieher, 1500 DM Kl lern frei betrag olksmlllz.Materialblatt SS3ES&&& Hasarvistankcmli," * * ort, MKI*. Süd nddas i. Quartal 19? kommunistische Volkszeitung Betriebssusgabp d e r Zelle Stadiverwaltung des KBW Beiirk Frankfurt/Südhessen Hrsg, : Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) Betriebszelle S u d (Verwaltung -Vtrii"--" - - 4,5% - ein vertretbarer Kompromiß? ffff V 1 üÜSlv KBW-Agitation _ entwicklung durch MAO TSETUNG. Er kritisierte wiederum alle Modelle des "realen Sozialismus" sowie alle herrschenden kommunistischen Parteien und forderte offen, der Staat müsse "zerschlagen" werden, weil noch nie "durch eine parlamentarische Mehrheit der Weg zum Sozialismus geöffnet worden wäre" ("Arbeiterkampf" vom 12. 6. 78). Der KB, der weite Bereiche seiner Organisation und die Zusammensetzung seines "leitenden Gremiums" nach wie vor geheim hält, geriet in eine Krise, die seine Aktivitäten lähmte und mit einer Austrittswelle verbunden war. Das theoretische Organ des KB "Unser Weg" erschien mit zwei Extra-Ausgaben "Wie geht's weiter im KB?", in denen offene Kritik an der bisherigen Linie und den bestehenden Organisationsprinzipien geübt wurde. Eine für das Jahr 1979 geplante erste Delegiertenkonferenz soll über den künftigen Weg des Bundes beraten. Der KB verfügt über Gruppen, Stützpunkte und Kontaktadressen in allen Bundesländern. In Hamburg, wo sein Schwerpunkt liegt, hatte er Ende 1978 etwa 750 aktive Anhänger (1977: 900). Die Auflage des KB-Zentralorgans "Arbeiterkampf", das 14täglich erscheint, sank auf 12.500 Exemplare (1977: 24.000). An den Hochschulen vertraten örtlich selbständige Studentengruppen die Politik des KB, so der "Sozialistische Studentenbund" (SSB) in Hamburg und Berlin (West) und der "Kommunistische Hochschulbund" (KHB) in Göttingen. Insgesamt haben diese Gruppen, deren gemeinsames Organ die Studentenzeitung "Solidarität" ist, nur noch etwa 150 Mitglieder. Ende September trennte sich der KB von seiner bisher stärksten Jugendgruppe, dem "Sozialistischen Schülerbund" (SSB) in Hamburg, wegen dessen "politischideologischen Zerfalls". 2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Die KPD trat unverändert für die "sozialistische Revolution" ein, bei der der "bürgerliche Staatsapparat" mit seinem "degenerierten" Parlamentarismus "gewaltsam zerschlagen" werden soll, und ordnete sich der politischen Linie des KP Chinas unter. Im Juni besuchte eine Delegation des KPD-Zentralkomitees China; sie wurde auch von dem Vorsitzenden der KP Chinas HUA KUO-FENG empfangen. Die KPD gliedert sich nach wie vor in sechs Regionalkomitees (BadenWürttemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Wasserkante und Westberlin) und die Bezirksleitung Südbaden, denen insgesamt vierzehn Ortsleitungen nachgeordnet sind (1977: 17). Die Zahl der KPD-Mitglieder sank auf 550 (1977: 700). Der Verkauf des KPD-Zentralorgans "Rote Fahne" ging nach eigenen Angaben soweit zurück, daß die Erlöse die Herstellungskosten nicht mehr decken. Auch die Mitgliederzahlen in den Nebenorganisationen waren rückläufig. 2.4 "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) Die KPD/ML trat unverändert dafür ein, die bestehende Ordnung gewaltsam zu beseitigen und die "Diktatur des Proletariats" zu errichten. Sie distanzierte sich von MAO TSETUNG, dem sie Fehler vorwarf und den Rang 102 eines "Klassikers" des Marxismus-Leninismus aberkannte; erneut kritisierte sie die Entwicklung in China als "revisionistisch" und bekannte sich zur "führenden Rolle" der "Partei der Arbeit Albaniens" (PAA). Mehrere KPD/ ML-Delegationen reisten nach Albanien, dem "Vaterland aller Werktätigen". Zum Jahresende fand konspirativ der IV. Parteitag der KPD/ML statt, der ein neues Programm und ein neues Statut verabschiedete. Darin sind keine Bezüge auf MAO TSETUNG mehr enthalten. Die KPD/ML (Zentralorgan: "Roter Morgen", Wochenauflage unverändert 10.000) gliedert sich wie bisher in drei Sektionen: "Deutsche Bundesrepublik" (umfaßt die Landesverbände Nord, Mitte, Süd mit 12 Landesbezirksverbänden), "Westberlin" und "DDR". Die Mitgliederzahl der KPD/ML fiel auf 600 (1977: 800). Lediglich zur Abschlußveranstaltung des "Rote GardeKongresses" (13. Mai in Düsseldorf) konnte die Partei etwa 2.000 Teilnehmer mobilisieren. Die KPD/ML stützte sich weiterhin auf ihre Jugendorganisationen "Rote Garde" (Gesamtmitgliederzahl: 450 -- Organ: "Roter Rebell"); die Gruppen des "Kommunistischen Studentenbundes/Marxisten-Leninisten" sind als "Rote Garde-Hochschulgruppen" direkt dem Jugendverband unterstellt worden. 2.5 Sonstige Organisationen Neben den vier bundesweit organisierten dogmatischen Gruppen sind kleinere kommunistische Gruppen tätig, die zum Teil über Nebenorganisationen verfügen. Die Mehrzahl dieser Gruppen hatte im Berichtsjahr nur regionale oder örtliche Bedeutung; lediglich zwei Kernorganisationen verfügten über einen gewissen überregionalen Einfluß. Der "Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) -- Zentralorgan "Rote Fahne" -- bekennt sich zum Marxismus-Leninismus und den MAOTSETUNG-Ideen, lehnte jedoch die neue Politik der KP Chinas als "Wind von rechts" ab. Der KABD und seine Nebenorganisationen "Revolutionärer Jugendverband Deutschlands" (RJVD) und "Kommunistische Studentengruppen" (KSG) traten hauptsächlich mit Zeitungen und Flugblättern an die Öffentlichkeit. Die Pressefeste des RJVD-Organs "Rebell" Ende November in Dortmund und Nürnberg besuchten jeweils etwa 1.200 Personen. Der "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) -- Zentralorgan "Kommunistische Arbeiterzeitung" --, der MAO TSETUNG nach wie vor für einen "Klassiker des Marxismus-Leninismus" hält, kämpfte für die "sozialistische Revolution" und die "Diktatur des Proletariats". Er war wiederum vorwiegend in Bayern tätig, hat jedoch auch in NordrheinWestfalen und Niedersachsen Stützpunkte. Seine Aktivitäten konzentrierten sich auf Betriebsund Gewerkschaftsarbeit. Mitglieder der AB-Nebenorganisation "Kommunistischer Hochschulbund" (KHB) kandidierten bei einigen Studentenwahlen. 103 tthtenbeivegung 'Umus von Eritrea und der weltweite Kampf fii J HS3/3S -#**.i Me/fcf & Summe Die Bedeutung der Veränderungen und der Säuberu, ^1 nei/e von Ministern in Rumänion ..,.(tm) " rVas /coster rife Queen? Mrbeiter AAeika<Ü presse Stimme SCHMIDT: & ARROGANTER ANGRIFF "IIP GEWERK Kommunistische s ä s s Korrespondenz REVOLUTION herausgegeben von der Trotzk irischen Liga Deutschlands Nieder mit dem imperialistischen MordarsenaH Neutronenbombenhysterie und Abrustungsillusionen 2.6 Trotzkistische Gruppen Unter Berufung auf die Lehren TROTZKIS arbeiteten im Berichtsjahr elf untereinander und meist in sich zerstrittene Gruppen (insgesamt 880 Mitglieder) für die Herbeiführung der "permanenten Revolution", um die "Diktatur des Proletariats" als "Rätesystem" errichten zu können; dabei bejahten sie die Anwendung "revolutionärer Gewalt" und forderten, auch die "bürokratisierten" Führungen in "sozialistischen Ländern" durch die Rätediktatur zu ersetzen. Die wichtigsten dieser Gruppen sind: Die "Gruppe Internationale Marxisten -- Deutsche Sektion der IV. Internationale" (GIM) mit etwa 500 Mitgliedern, die sich dem "Vereinigten Sekretariat" in Brüssel unterordnet; ihr Zentralorgan "was tun" erschien mit einer Wochenauflage von 3.500 Exemplaren (1977: 4.200). Der "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) mit seiner Jugendorganisation, dem "Sozialistischen Jugendbund" (SJB) -- insgesamt etwa 300 Mitglieder --, ist die deutsche Sektion des "Internationalen Komitees" (IK) der IV. Internationale in London, das sich vom "Vereinigten Sekretariat" abgespalten hat. BSA -- Zentralorgan: "Sozialistische Arbeiterpresse" -- und SJB -- Organ: "links voran" -- agitierten vor allem gegen die Jugendarbeitslosigkeit; so beteiligten sie sich wiederum an den "Europäischen Jugendmärschen" des IK, die von Neapel nach Brüssel führten (April--November). 3. Undogmatische "Neue Linke" Die schwer überschaubare undogmatische Bewegung besteht nach wie vor aus zahlreichen, meist kleinen Gruppen -- oft nur lockere, kurzlebige Zusammenschlüsse ohne feste Mitgliedschaft und Programm --, die die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung, z. T. in einer langfristigen Strategie der Verwirklichung von Teilzielen, revolutionär beseitigen wollen. Dabei lehnen sie den dogmatischen Marxismus-Leninismus ab, treten für Spontaneität, Autonomie und Selbstorganisation der "Unterdrückten" ein und wollen vor allem an der "Basis" (Wohngebiete, Betriebe, Hochschulen) arbeiten, um jeden Ansatz revolutionären Widerstandes zu nutzen. Neben diesen Gruppen der undogmatischen "Neuen Linken" gibt es auch Zusammenschlüsse (Initiativen, Basisgruppen, Kollektive), die häufig unter ähnlichen Bezeichnungen arbeiten, ohne eine extremistische Zielsetzung zu vertreten. Das politische Spektrum des undogmatischen Linksextremismus reicht von Anhängern eines undogmatischen "wissenschaftlichen Sozialismus" über Sozialrevolutionäre mit unterschiedlichsten Konzeptionen bis hin zu Anarchisten. Herausragendes Ereignis der "Alternativbewegung" war ein "Nationaler Widerstandskongreß: Reise nach TUNIX" vom 27.--29. Januar in Berlin, wo die etwa 6.000 Teilnehmer erörtern wollten, wie sie "das .Modell Deutschland' zerstören" und durch TUNIX ersetzen könnten. TUNIX ähnelte teil105 itarisch e n L n k e n i m S o f 'nderßRD ' "^78 Es soll ein Beben stattfinden, eine E.. plosion der Irren, Arbeiter, Dissidenten Frauen, Schwulen, Musikanten, Militant en, Stadtindianer, Lesben, Kommunisten, Sozialisten, Makrobioten, Ökologen, Be amten, Freaks, Künstler, Träumerinnen Fantasten, Fortschrittsgegner, Kiffei Kämpfer und Chaoten. Eine Explosion mitten im deutschen Sonntagsfrieden. Junix'-Kongreß der "Alternativbewegung" weise einem Happening. Parolen wie "Es wird krachen, wir werden die Stadt zur Wiese machen", "Siemens wird brennen und anderes auch" wurden verbreitet. Teilnehmer der TUNIX-Demonstration am 28. Januar griffen Polizisten an und verletzten 30 Beamte. Als größere revolutionär-marxistische Vereinigung gingen die "Marxistischen Gruppen" (MG) (Organe: "Marxistische Studentenzeitung" und "Marxistische Arbeiterzeitung") aus den "Roten Zellen" hervor. Sie waren 1978 an 39 Hochschulorteri tätig. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist die Schulung von Intellektuellen im "wissenschaftlichen Sozialismus", damit diese dem Proletariat, das für seinen revolutionären Auftrag noch nicht reif sei, die notwendige revolutionäre Theorie vermitteln könnten. Das Sozialistische Büro (SB) in Offenbach erhebt den Anspruch, ein Sammelbecken für Linkssozialisten und ein Forum der Diskussion und der Propaganda sozialrevolutionärer Theorien und Praktiken zu sein. Es ist durch eine besonders lockere Organisationsform gekennzeichnet. Daher gilt bei dieser Organisation in besonderem Maße, daß aus der Zugehörigkeit keine Rückschlüsse auf die demokratische Einstellung des einzelnen gezogen werden können. Das SB hatte am Jahresende über 1.200 Einzelmitglieder; 14 Gruppen gehören ihm korporativ an, etwa 20 Hochschulgruppen vertraten seine Auffassungen. Besondere Bedeutung für Kommunikation und Information in der "Alternativszene" haben nach wie vor "linke Buchläden" und Verlage, von denen sich mehrere bundesweit im "Verband des linken Buchhandels" und in der "Arbeitsgemeinschaft Alternativer Verlage und Autoren" zusammengeschlossen haben. Beide Zusammenschlüsse werden von undogmatischen "Neuen Linken" beeinflußt. Hinzu kommen die vielen lokalen "Alternativzeitungen", von denen etwa 50 eine linksextremistisch beeinflußte Arbeitsgemeinschaft bilden. "Linke Buchläden" vertrieben häufig Gewaltliteratur, einzelne "Alternativzeitungen" druckten auch Erklärungen terroristischer Gruppen ab. 4. Tätigkeit an den Hochschulen Die Hochschulen bildeten auch im Berichtsjahr ein wichtiges Tätigkeitsfeld der "Neuen Linken", die ihre Anhänger überwiegend unter den Studenten rekrutiert. Dabei gewannen die undogmatischen Gruppen wieder weit mehr Wähler als die kommunistischen Studentengruppen der "Neuen Linken" ("K-Gruppen")-. Während der Anteil der "K-Gruppen" an den Sitzen in den Studentenparlamenten nahezu unverändert bei 3 % (1977: 2,8%) lag, vergrößerten die undogmatischen Gruppen ihren Anteil auf 16,9% (1977: rd. 13,2%). In den Allgemeinen Studentenausschüssen erreichten die "KGruppen" 1,5% (1977: 0,6%) der Sitze. Die undogmatischen Gruppen steigerten ihren Anteil auf 15,8% (1977:13,6 % ) . Damit ist der Anteil der "Neuen Linken" insgesamt an den Sitzen der Studentenparlamente und der Allgemeinen Studentenausschüsse wiederum angestiegen. Die studentischen "K-Gruppen" waren nicht nur in den Studentenvertretungen weitgehend isoliert, sondern büßten auch Mitglieder ein und waren nur noch selten zu größeren Aktionen fähig. 107 Hochschulgruppen des KBW, die überwiegend als "Kommunistische Hochschulgruppe" (KHG) auftreten, sind zwar immer noch an 42 Hochschulen tätig, verloren aber die Hälfte ihres Mitgliederbestandes; er betrug am Jahresende etwa 800 (1977: 1.600). Die Mitgliederzahl des "Kommunistischen Studentenbundes" (KSV) der KPD ging auf 400 (1977: 700) zurück. Der KSV war nur noch an 23 Hochschulen aktiv (1977: 30). Undogmatische Gruppen der studentischen "Neuen Linken" artikulierten erfolgreich Mißstimmungen in der Studentenschaft, Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse, Unmut über bürokratische Mißstände an Hochschulen, Abneigung gegen den "bürokratisierten" und "repressiven" Sozialismus in den Ostblockstaaten und China sowie den "sterilen Dogmatismus" der kommunistischen Studentengruppen der orthodoxen und der "Neuen Linken". Die studentische "Neue Linke" kämpfte auch 1978 gegen die Hochschulgesetzgebung, gegen Regelstudienzeiten und gegen "Repression" in der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings haben Umfang und Ausmaß ihrer hochschulpolitischen Aktivitäten abgenommen, ebenso die Zahl gewalttätiger Aktionen im Hochschulbereich. Die Zahl der erkannten Gewaltaktionen nahm mit 42 stark ab (1977: 146); an sieben Aktionen waren KBWAnhänger beteiligt (1977: 50). 5. Betriebsund Gewerkschaftsarbeit Gruppen der dogmatischen "Neuen Linken" waren weiterhin -- wenn auch meist vergeblich -- bemüht, durch "systematische Arbeit" in den Betrieben Fuß zu fassen. Im Berichtsjahr wurden 100 Betriebszellen des KBW -- hinzu kommen noch KBW-"Branchenzellen" (1977: 150 -- ohne Branchenzellen), 60 Zellen der KPD/ML (1977: 49) und 30 Zellen der KPD (1977: 34) bekannt. 110 Betriebszeitungen des KBW (1977: 110), 77 der KPD/ML (1977: 93) und 35 Betriebszeitungen der KPD (1977: 46) wurden herausgegeben. Während der Arbeitskämpfe -- insbesondere beim Stahlarbeiterstreik -- verstärkten diese kommunistischen Gruppen ihre Agitation; dabei griffen sie die "Abwiegelungspolitik" der Gewerkschaften an und forderten den "Vollstreik". Die "Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition" (RGO) der KPD/ML trat nach eigenen Angaben in über 20 Mittelund Großbetrieben mit eigenen Listen an und will insgesamt mehr als 60 Betriebsratssitze errungen haben. Die KPD/ML sah in diesem Ergebnis vor allem einen Ausdruck des Protests gegen die Gewerkschaften. Deshalb erklärte sie, die "relativ hohen Stimmenanteile" der RGO-Listen könnten "sicher nicht als Stimmen für die Revolution und den Sozialismus" gewertet werden. Im November wurden die RGO-Gruppen zu einer bundesweiten "Massenorganisation" zusammengeschlossen; diese soll innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften mit "revolutionärer Taktik" gegen den "DGB-Apparat und alle anderen Verräter" vorgehen. Die RGO gab bekannt, sie verfüge über mehr als 50 örtliche Gruppen; mehr als 100 ihrer Anhänger gehörten Betriebsund Personalräten an. 108 Bei den Versuchen, die Gewerkschaften zu unterwandern, waren den Anhängern der "Neuen Linken" wiederum kaum Erfolge beschieden; die Abwehrmaßnahmen der Gewerkschaften trafen sie empfindlich. In dem "Rotbuch zu den Gewerkschaftsausschlüssen", das vom KGB dem "IM. Internationalen RUSSELL-Tribunal" zugeleitet wurde, heißt es: Mit dem "rigorosen Ausschlußterror" (Unvereinbarkeitsbeschlüsse), dem Tausende zum Opfer gefallen seien, liquidiere die Gewerkschaftsführung jegliche oppositionelle Aktivität. 6. Ausnutzung der Anti-Kernkraftbewegung Linksextremisten aller Schattierungen waren auch 1978 bemüht, die Bewegung gegen Kernkraftwerke für ihre revolutionären Ziele zu mißbrauchen. Da jedoch im Berichtsjahr im Bundesgebiet keine Großdemonstrationen gegen Anlagen der Atomwirtschaft stattfanden, fehlte ihnen die Möglichkeit für spektakuläre militante Aktionen. Die Aktivitäten militanter Kernkraftgegner richteten sich vor allem gegen Strafverfahren im Zusammenhang mit der gewalttätigen Großaktion in Grohnde (19. März 1977). Höhepunkt bildete eine Demonstration (3.000 Teilnehmer) am 25. Februar in Hannover, zu der auch Gruppen der "Neuen Linken" aufgerufen hatten. Deutsche und ausländische Linksextremisten arbeiteten zusammen. Zu einer internationalen Demonstration am 4. März gegen die Urananreicherungsanlage in Almelo/Niederlande hatten in der Bundesrepublik außer Bürgerinitiativen auch der KB, die KPD und die trotzkistische GIM aufgerufen. 7. Agitation gegen die Bundeswehr Die gegen die Bundeswehr gerichtete "Antimilitarismusarbeit" der "Neuen Linken" wird nur noch vom KBW in nennenswertem Umfang betrieben. Insgesamt wurden im Berichtsjahr 2.999 Aktionen (Flugblatt-, Plakataktionen, Demonstrationen usw.) der "Neuen Linken" bekannt (1977: 3.414); davon wurden rund 2.650 vom KBW und seinen Nebenorganisationen durchgeführt (1977: 2.819), von der KPD/ML 181 (1977: 211) und von der KPD 46 (1977: 115). Der KBW stützte sich dabei vor allem auf seine "Soldatenund Reservistenkomitees" (SRK), die in 38 Bezirken -- mit 63 örtlichen Sektionen -- zusammengefaßt sind. Etwa 600 KBW-Anhänger arbeiten darin regelmäßig mit. Die SRK-Sprecherräte gaben vierteljährlich ein zentrales Organ "Volksmiliz" heraus -- Auflage 65.000 Exemplare (Eigenangabe); daneben erschienen unregelmäßig und in geringer Auflage örtliche Ausgaben der "Volksmiliz". Die SRK hielten zum Jahresende (26. bis 31. Dezember) in Berlin, Mainz und München ihre "Musikund Kulturtage" ab. 8. Verurteilungen 1978 wurden 69 Mitglieder oder Anhänger der "Neuen Linken" wegen Straftaten im Zusammenhang mit linksextremistischen Aktivitäten rechtskräftig verurteilt. In 12 Fällen wurden Freiheitsstrafen verhängt; die höchste Frei109 i^r^" ,*. , " -t ^%* ,*M * W z&"i Militante Aktionen der "Neuen Linken" heitsstrafe mit acht Monaten erhielten der KPD-Funktionär Thomas LUCZAK u.a. wegen Verunglimpfung des Staates in mehreren Fällen, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Volksverhetzung. 57 Personen erhielten Geldstrafen von 10 bis 200 Tagessätzen; zur höchsten Geldstrafe von 200 Tagessätzen (insgesamt 7.000 DM) wurde die KBW-Funktionärin Helga ROSENBAUM wegen Beleidigung in fünf Fällen verurteilt. VIII. Beurteilung Die linksextremistischen Kräfte konnten auch 1978 wegen ihres vergleichsweise geringen Potentials und des unbedeutenden Einflusses in der Bevölkerung die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht ernsthaft gefährden. Die am sowjetischen Kommunismus orientierte DKP blieb mit unverändert ca. 42.000 Mitgliedern zwar stärkste linksextremistische Partei, ihre Beteiligung an vier Landtagswahlen zeigte jedoch erneut ihren geringen Erfolg bei dem Bemühen, breite Bevölkerungsschichten für ihre Politik zu gewinnen: Bei allen vier Wahlen verlor die DKP Stimmen im Vergleich zur vorherigen Wahl. In keinem Falle konnte sie mehr als 1 % der Stimmen erringen. Ohne die andauernde erhebliche politische und vor allem finanzielle Unterstützung durch die DDR wäre die DKP weitgehend bedeutungslos. Beträchtliche Mitgliederverluste, interne Richtungskämpfe sowie teilweise Schwierigkeiten in der politischen Orientierung minderte die politische Bedeutung der dogmatischen Gruppen der "Neuen Linken" ("K-Gruppen"). Auch an den Hochschulen blieben diese Gruppen weiterhin bedeutungslos. Die Zahl gewalttätiger Aktionen im Hochschulbereich fiel gegenüber 1977 nahezu um drei Viertel. Undogmatische Linksextremisten konnten ihre Mandatsanteile in Studentenparlamenten und Allgemeinen Studentenausschüssen noch geringfügig steigern, dennoch scheint diese Bewegung ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Darauf deuten neben zunehmenden Diskussionen über die "Perspektivlosigkeit", "alternativer Strategien" rückläufige Mitgliederzahlen hin. 111 Terrorismus 1978 1. Einleitung Herausragende terroristische Anschläge hat es im Bundesgebiet im Jahre 1978 nicht gegeben. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die terroristische Bedrohung weiter andauert. Die Gewaltanschläge deutscher Terroristen in der Bundesrepublik Deutschland haben 1978 im Vergleich zum Vorjahr zwar zahlenmäßig zugenommen; sie erreichten jedoch nicht die folgenschweren Auswirkungen wie 1977 die Attentate gegen Generalbundesanwalt Buback, den Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, den BDIund BDA-Präsidenten Dr. Hanns Martin Schleyer sowie die Entführung einer Lufthansa-Maschine nach Mogadischu. Insgesamt ist die Zahl der Terrorakte oder solcher Anschläge, bei denen nach ermittelten Ergebnissen ein terroristischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann, mit 52 gegenüber dem Vorjahr (48) angestiegen (1974:104, 1975: 46,1976: 30). Die Anschläge mit Schwerpunkten im Rhein-Main-Gebiet und in Berlin sind den "Revolutionären Zellen" zuzurechnen; ihre Aktionen haben sich von 10 im Jahre 1977 auf 28 im Jahre 1978 nahezu verdreifacht. Die "Bewegung 2. Juni" trat im Jahre 1978 mit der gewaltsamen Befreiung Till Meyers aus der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit hervor. Die größte Gefahr ging auch 1978 von der "Roten Armee Fraktion" (RAF), die für die Mordanschläge des Jahres 1977 verantwortlich ist, aus. Zahlreiche Anzeichen im Inund Ausland belegen, daß die "Rote Armee Fraktion" unvermindert die Vorbereitungen für terroristische Aktionen fortsetzt. Die Fahndungserfolge des Jahres 1978 -- die Festnahme führender Gruppenmitglieder wie Angelika Speitel und Michael Knoll und die Entdeckung von mehreren konspirativen Wohnungen -- haben zwar den Mitgliederstamm geschwächt und die Aktionsfähigkeit der Terroristen beeinträchtigt, nicht aber zerstört. Im Verlauf des Jahres 1978 hat sich erneut bestätigt, daß deutsche Terroristen über ein internationales Aktionsfeld verfügen. Insbesondere die Festnahmen deutscher Terroristen in Frankreich, Jugoslawien und Bulgarien machen die internationalen Bezüge des Terrorismus deutlich. Die internationale Solidarität mit deutschen Terroristen und ihren Unterstützern setzte sich in einer Reihe von Anschlägen auch gegen deutsche Einrichtungen und Unternehmen im Ausland fort. Die Terroristen werden durch Gruppen, wie zum Beispiel die "Antifaschistischen Gruppen" (Antifa-Gruppen), unterstützt. Aus diesen Gruppen sind einzelne Mitglieder in den terroristischen Untergrund abgetaucht und zum "Harten Kern" der Terroristen vorgestoßen. 112 Terroranschläge Fahrkartenautomaten Hamburg Ordnungsamt Frankfurt / M. Israelische Firma Stadtwerke Wiesbaden "AGREXCO." Frankfurt/M. Das im Inhalt zahlreicher Publikationen erkennbare Selbstverständnis terroristischer Kreise als "revolutionäre Avantgarde" in einem "antiimperialistischen Kampf" war die ideologische Grundlage, auf der sich terroristische Gruppen trotz fraktioneller Abgrenzungen solidarisch fühlten. Konzeptionelle Unterschiede lagen hauptsächlich in strategischen Erwägungen. 2. Terroristische Gruppierungen 2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Zahlreiche Anzeichen im Inund Ausland belegen, daß die "Rote Armee Fraktion" auch in den u.a. durch Fahndungserfolge der Sicherheitsbehörden bedingten relativen Ruhephasen die Vorbereitungen für terroristische Aktionen unvermindert fortsetzt. Die Festnahmen führender Gruppenmitglieder haben zwar den Mitgliederstand geschwächt und neue Aufgabenverteilungen erforderlich gemacht; gleichzeitig sind jedoch Helfer aus dem Rekrutierungsbereich der RAF nachgerückt und haben sich dem bewaffneten Untergrundkampf angeschlossen. Mit ihrer Hilfe setzen die Kommandos der RAF den Aufbau einer logistischen Basis für den sog. "antiimperialistischen Kampf" fort. In den Monaten Juni/Juli führten die mit Haftbefehl gesuchten Christian KLAR, Adelheid SCHULZ und Willy Peter STOLL, die der "Roten Armee Fraktion" zuzurechnen sind, mehrere Hubschrauberflüge durch. Einen Monat später führten die Ermittlungen im Anschluß an den Aufgriff Willy Peter STOLLs am 6. September 1978 in Düsseldorf ebenfalls auf die Spuren mehrerer gesuchter terroristischer Gewalttäter in der Bundesrepublik Deutschland. STOLL versuchte mit Waffengewalt, sich der Festnahme zu entziehen, und wurde dabei tödlich verletzt. STOLL war u. a. verdächtig, an der Ermordung des Bankiers Jürgen PONTO und der Entführung Dr. SCHLEYERS beteiligt gewesen zu sein. Eine Analyse der bei STOLL aufgefundenen Aufzeichnungen erbrachte vielfältige Übereinstimmungen mit den handschriftlichen Unterlagen, die bei dem im November 1976 verhafteten Siegfried HAAG sichergestellt wurden. Die verschlüsselten Eintragungen zeigten die Existenz eines umfangreichen Kontaktfeldes auf und führten zur Festnahme von Personen, die der Unterstützung der "Roten Armee Fraktion" verdächtigt werden. Am 24. September wurden die ebenfalls gesuchte mutmaßliche Terroristin Angelika SPEITEL sowie Michael KNOLL bei Schießübungen in einem Waldstück in Dortmund nach einem Schußwechsel schwerverletzt festgenommen. Eine weitere Person entkam unerkannt. Bei dem Schußwechsel wurden ein Polizeibeamter getötet und ein anderer verletzt. KNOLL, ein im Dezember 1977 in den terroristischen Untergrund übergewechseltes Mitglied der "Antifaschistischen Gruppe" Hamburg, ist später seinen Schußverletzungen erlegen. KNOLL und Angelika SPEITEL sind ebenfalls der "Roten Armee Fraktion" zuzurechnen. Am 1. November erschossen ein Mann und eine Begleiterin, die bisher noch nicht eindeutig identifiziert werden konnten, im niederländischen Grenzort Kerkrade bei dem Versuch, die Grenze zu überschreiten, einen kontrollie114 renden Zollbeamten; ein weiterer Beamter starb später an seinen schweren Verletzungen. Beide Täter konnten mit einem gewaltsam entwendeten Fahrzug auf niederländischem Gebiet entkommen. Auch hier sprechen Anhaltspunkte dafür, daß es sich um deutsche terroristische Gewalttäter aus der "Roten Armee Fraktion" gehandelt hat. Im Bundesgebiet wurden zahlreiche konspirative Wohnungen der RAF aufgefunden. Anfang 1978 wurden in Hannover zwei konspirative Wohnungen entdeckt. In einer der Wohnungen wurden Banderolen aufgefunden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem Banküberfall im September 1977 in Bremen (Beute rd. 500.000,-DM) stammen. Außerdem wurden Gegenstände sichergestellt, die vermuten lassen, daß dort die bei dem versuchten Anschlag auf das Gebäude der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe im August 1977 eingesetzte Flächenabschußvorrichtung ("Stalinorgel") hergestellt worden ist. Schriftvergleiche anhand von Bankbelegen für Mieteinzahlungen deuten auf die mit Haftbefehl gesuchten Silke MAIER-WITT, Monika HELBING und Ingrid SIEPMANN hin, ferner auf Knut FOLKERTS und Christine KUBY, die sich inzwischen in Haft befinden. Monika HELBING wurde auch als vermutliche Mieterin der unter dem Namen Annerose LOTTMANNBÜCKLERS angemieteten konspirativen Wohnung in Erftstadt-Liblar identifiziert. Diese Wohnung diente offensichtlich vorübergehend als Aufenthaltsort für den entführten und später ermordeten Dr. SCHLEYER. Nach den bisherigen Untersuchungen kommen für die bis Januar 1978 geleisteten Mietzahlungen u.a. die gesuchten Terroristen Christian KLAR und Adelheid SCHULZ als Auftraggeber in Betracht. Eine von zwei weiteren in Hattersheim/Main-Taunus-Kreis aufgefundenen Wohnungen hat vermutlich bereits im Jahre 1975 der inhaftierte Klaus Wilhelm DORFF angemietet. Für die zweite Unterkunft haben wahrscheinlich Silke MAIER-WITT und Christian KLAR die Miete bezahlt. Eine weitere konspirative Wohnung wurde in Mannheim aufgefunden. Eine besondere Bedeutung als Stützpunkt der RAF dürfte einer vermutlich von Silke MAIER-WITT im April 1978 angemieteten konspirativen Wohnung in Düsseldorf zugekommen sein. Dies zeigen die aufgefundenen Waffen, logistischen und medizinischen Hilfsmittel (u. a. Perükken, Blutplasma) sowie ein technisch hochentwickeltes Funkempfangsgerät. Waffen und gefälschte Kraftfahrzeugkennzeichen fanden sich auch in zwei Unterkünften in Hamburg und Dortmund, in denen sich Fingerabdrücken zufolge ebenfalls gesuchte Terroristen aus der RAF aufgehalten hatten. Die propagandistische Wirkung der RAF blieb -- im Vergleich mit anderen terroristischen Gruppen -- relativ gering, nachdem ihre Aktivitäten bereits 1977 in weiten Teilen der extremistischen Linken Kritik an dieser Art des "bewaffneten Kampfes" herausgefordert hatten. Der damals erhobene Vorwurf, die Aktionen der RAF seien ohne politischen Inhalt und deshalb schwer vermittelbar gewesen, bestimmte weiterhin das Verhältnis zwischen undogmatischen, zumeist spontaneistischen Kreisen der "Neuen Linken" und der Stadtguerilla. Die darüber entstandene Diskussion hatte zur Folge, daß sich militante Bereiche der undogmatischen Linken verstärkt dem "massenorientierten" Konzept der "Revolutionären Zellen" zuwendeten (vgl. unter Nr. 2.3). Kritik am aktiv operierenden Teil der RAF äußerte der wegen seiner Beteiligung am terroristischen Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm 115 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Karl-Heinz DELLWO. In einem Kassiber, der bei dem am 11. Mai in Paris festgenommenen Stefan WISNIEWSKI sichergestellt wurde, kritisierte DELLWO insbesondere die Entführung der mit Urlaubern besetzten Lufthansa-Maschine "Landshut" nach Mogadischu. Er bezeichnete diese Tat als einen taktisch unklugen Verstoß gegen den Grundsatz, daß sich Aktionen der RAF "niemals gegen das Volk richten" sollten. Daneben enthält der Kassiber Anregungen für weitere terroristische Aktivitäten. Die in den Niederlanden 1977 festgenommenen und im Oktober an die Bundesrepublik Deutschland ausgelieferten RAF-Mitglieder Knut FOLKERTS, Christoph WACKERNAGEL und Gert SCHNEIDER ließen Erklärungen verbreiten, in denen sie sich weiterhin für den "bewaffneten Kampf" einsetzten. Daneben forderten sie die Ausweitung des "internationalen antiimperialistischen Kampfes" auch auf die Niederlande. Es sei dort aber "nicht Aufgabe der RAF", sondern "holländischer Antifaschisten", "den Kampf auf allen Ebenen zu organisieren" und "illegale Widerstandsstrukturen" aufzubauen. 2.2 "Bewegung 2. Juni" Neben der "Roten Armee Fraktion" trat die terroristische "Bewegung 2. Juni", deren Mitglieder im Frühjahr 1975 den Berliner Politiker Peter LORENZ entführt hatten, mit der gewaltsamen Befreiung Till MEYERS aus der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit erneut hervor. Damit gelang wieder einem Mitglied dieser Gruppe die Flucht, nachdem bereits 1976 vier weibliche Mitglieder der "Bewegung 2. Juni" aus der Frauenhaftanstalt Berlin-Tiergarten entweichen konnten. Ein Justizwachtmeister verhinderte, daß zwei Frauen, die unter Vorlage gefälschter Rechtsanwaltsausweise in die Haftanstalt gelangt waren, außer Till MEYER auch Andreas VOGEL befreiten. MEYER wurde Ende Juni in Bulgarien zusammen mit den drei mutmaßlichen deutschen Terroristinnen Gudrun STÜRMER, Gabriele ROLLNIK und Angelika GODER wieder festgenommen und unmittelbar darauf den deutschen Behörden übergeben. Eine auch in der Bundesrepublik Deutschland verbreitete, von linksextremistischen Schweizer Zeitungsredaktionen gemeinsam herausgegebene "Dokumentation zur Situation von Gabi KRÖCHER und Christian MÖLLER im Berner Amtshaus" erläutert die Entwicklung der "Bewegung 2. Juni" und führt aus, daß die genannten Terroristen neben anderen Gruppenmitgliedern nunmehr den "antiimperialistischen Kampf" der "Roten Armee Fraktion" vertreten. U. a. im Rahmen der Ermittlungen zur Aufklärung der gewaltsamen Befreiung stieß die Polizei in Berlin (West), Göttingen und Wien auf konspirative Wohnungen, die Mitgliedern der "Bewegung 2. Juni" als Aufenthaltsort gedient hatten. Fingerabdrucke in der Wohnung in Wien bestätigten, daß Angehörige der "Bewegung 2. Juni" an der Entführung des Industriellen Walter PALMERS im November 1977 beteiligt waren; ferner fand sich dort ein Teil des hohen Lösegeldes, das die Entführer wenige Tage nach der Geiselnahme erhalten hatten. Veröffentlichungen von Mitgliedern der "Bewegung 2. Juni" ließen offenbar werden, daß Fraktionen innerhalb dieser Gruppe sich an unterschiedlichen 116 strategischen Konzepten orientieren. Ein Teil, dem die inhaftierten Fritz TEUFEL, Gerald KLÖPPER, Ralf REINDERS und Ronald FRITZSCH angehören, legte seine Vorstellungen in zwei Publikationen dar, die unter den Titeln "Brief aus Moabit" und "die unbeugsamen von der spree" ab Februar bzw. November verbreitet wurden. Die Verfasser, die sich in der ersten Schrift als "Revolutionäre Guerilla-Opposition aus der Konkursmasse der Bewegung 2. Juni" bezeichnen, propagieren -- ähnlich wie "Revolutionäre Zellen" -- den "bewaffneten Kampf" u. a. als "Sabotage gegen die Funktionen von Herrschaft" in verschiedenen Gesellschaftsbereichen. Sie räumen ein, daß terroristische Gruppen gegenwärtig noch isoliert sind. Deshalb müsse sich der Kampf "aus dem alltäglichen Widerstandsverhalten herausbilden", um so den Interessen der "Massen" zu dienen und deren Unterstützung zu finden. Ein anderer Teil der "Bewegung 2. Juni" veröffentlichte Erklärungen, die weitgehend mit dem mehr "internationalistisch" ausgerichteten Programm der RAF übereinstimmten und sich für den "bewaffneten Widerstand" als "strategische Verlängerung des Befreiungskampfes" von Völkern der Dritten Welt aussprachen. Diese Position vertraten u.a. die in der Schweiz festgenommenen und dort inhaftierten Gabriele KRÖCHER-TIEDEMANN und Christian MÖLLER sowie der im Mai aus einer Berliner Haftanstalt befreite und bald darauf in Bulgarien erneut verhaftete Till MEYER. Eine überwiegend in militanten periodischen Schriften abgedruckte Stellungnahme zu seiner Ergreifung beendet MEYER mit dem Aufruf: "es lebe die antiimperialistische guerilla! Wir Werden Siegen!" 2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Die eigenständig operierenden "Revolutionären Zellen" (RZ) haben 1978 den "Bewaffneten Kampf" fortgesetzt und mit ihrer publizistischen Agitation neue gesellschaftspolitische Themen aufgegriffen. Mit ihren Einzelaktionen (Gesamtzahl 1978: 28; 1977: 10) erreichten sie zwar nicht die schwerwiegenden Auswirkungen der letzten RAF-Attentate des Jahres 1977; ihre auf Breitenwirkung in bestimmten Bevölkerungsschichten angelegte Strategie bedeutet jedoch langfristig eine ebenso große Gefahr. Anfang des Jahres verübten die "Revolutionären Zellen" in Anlehnung an frühere Aktionen mehrere Anschläge gegen Einrichtungen und Bedienstete regionaler Verkehrsbetriebe. In einem Bekennerschreiben (Anschlag auf die Stadtwerke Wiesbaden) begründeten sie das Vorgehen mit "ihrer Wut" über die Erhöhung der Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel sowie der Kosten für Gas und Strom. Zahlreiche weitere Anschläge mit Schwerpunkten im Rhein-Main-Gebiet (Frankfurt, Wiesbaden, Mainz) und Berlin (West) zeigten in der Auswahl der Opfer und der Zielobjekte, entsprechend dem in der Zeitung "Revolutionärer Zorn", und in Bekennerbriefen wiederholt dargelegtem Konzept eine Orientierung an vermeintlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. So begründeten die "Revolutionären Zellen" ihre Gewaltakte u.a. mit "Diskriminierung von Ausländern" (Sprengstoffanschlag auf die Ausländerabteilung der Frankfurter Polizeiund Ordnungsbehörde am 6. April), mit "Gleichschaltung der Presseorgane" (Brandanschlag auf Kraftfahrzeuge des Springer117 Verlages in Berlin am 1. Mai), mit "Atomfaschismus und Atomwahn" (z.B. Anschläge auf ein Gebäude des in kerntechnischen Einrichtungen als Werkschutz eingesetzten "Wachkommandos Niedersachsen GmbH" in Stade am 8. Mai) und mit angeblich verfehlten Stadtsanierungsplänen (Sprengstoffanschlag auf das Haus des Sozialdezernenten in Mainz am 13. Juni und versuchter Brandanschlag im Schloß Heidelberg am 18. Mai). Ein Schußwaffenattentat und einen Sprengstoffanschlag in Berlin am 31. Mai versuchten sie mit der Behauptung zu rechtfertigen, der Staat "kriminalisiere den bewaffneten Sozialrevolutionären Kampf". Ein Sprengstoffanschlag auf das Gebäude der israelischen Firma Agrexco in Frankfurt (20. Juli) sollte die "Solidarität mit dem palästinensischen Volk" unterstreichen, ein Anschlag auf das "American Arms Hotel" in Wiesbaden (31. Mai) die "neue Offensive des amerikanischen Imperialismus" brandmarken. Im Verlauf des Jahres gelang es den Sicherheitsbehörden, Erkenntnisse über die bis dahin kaum bekannte organisatorische Struktur der "Revolutionären Zellen" zu gewinnen; gegen mehrere Mitglieder dieser terroristischen Gruppen erging Mitte September Haftbefehl. Ein im gleichen Monat nach einem Hinweis aus der Bevölkerung in einer Wiesbadener Wohnung entdecktes umfangreiches Waffenlager ist den "Revolutionären Zellen" zuzuordnen und belegt deren hohen technischen Ausrüstungsstand. Die "Revolutionären Zellen" verstärkten ihre propagandistische Betätigung, insbesondere in der ersten Jahreshälfte erschienen zu den zahlreicher gewordenen terroristischen Aktionen Erklärungen, in denen sich "Revolutionäre Zellen" zu den Taten bekannten und diese als Teil eines politischen Konzeptes rechtfertigten. Dabei versuchten sie erneut, auch publizistisch an vermeintliche "Massenbedürfnisse" anzuknüpfen und so den Anstoß für eine breite "revolutionäre" Bewegung zu geben. Abweichend von ihrer bisherigen Praxis veröffentlichten "Revolutionäre Zellen" in kurzem Abstand gleich zwei Folgen ihrer Zeitung "Revolutionärer Zorn". Während die im Januar erschienene vierte Ausgabe der Schrift ein umfangreiches ideologisches Konzept des "bewaffneten Kampfes" zu vermitteln suchte, enthält die als "Sondernummer" ab April verbreitete fünfte Ausgabe überwiegend praktische Anleitungen zum militanten Widerstand. Ein breites Spektrum zukünftiger Betätigungsfelder sehen die Verfasser z. B. "in der Anti-AKW-Front, der Frauenbewegung, in Bürgerinitiativen und Betriebsgruppen". Überall dort gehe es darum, "die Militanten in ihren Bereichen zu unterstützen und zusammen wie die Hefe im Teig zu wirken". Die verstärkte Agitation "Revolutionärer Zellen" zielte hauptsächlich darauf, einem vermeintlich zu terroristischen Aktivitäten neigenden Protestpotential in der Bevölkerung ideologische Orientierungshilfe zu geben und so der durch die Terrorakte der RAF hervorgerufenen Kritik am "bewaffneten Kampf" entgegenzuwirken. Dabei betonten "Revolutionäre Zellen" ihr langjähriges strategisches Konzept, sich im Gegensatz zu ausschließlich im illegalen Untergrund operierenden RAF auf einer getarnten "legalen" Ebene zu organisieren und auf diese Weise die Verbindung mit einer "Massenbasis" anzustreben. Deshalb forderte die Zeitung "Revolutionärer Zorn" z. B. dazu auf, "Aktionen primär unter dem Gesichtspunkt der Vermassung durchzuführen". 118 Der Inhalt von Veröffentlichungen wie "Das Tapfere Schneiderlein -- Organ der Unverbesserlichen" oder "rz-roter zwerg im lenz 78" ließ erkennen, daß die unbekannten Herausgeber die Anleitungen "Revolutionärer Zellen" zum Teil übernommen hatten. So enthielten diese Schriften Anleitungen zu einfachen militanten Aktionen ebenso wie zur Ausübung schwerster terroristischer Gewalt. 2.4 Sonstige Gruppierungen Terroristische Anschläge weiterer Gruppierungen richteten sich u. a. gegen Kernkrafteinrichtungen und eine Justizvollzugsanstalt. Hervorzuheben sind mehrere Anschläge, die eine unbekannte Gruppe unter dem Motto "Viele tanzen aus der Reihe" im norddeutschen Raum auf Hochspannungsmasten und kerntechnische Einrichtungen verübte. In einem Bekennerschreiben erklärte diese Gruppe, die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken könne "nur noch durch ständige Sabotage" verhindert werden. 2.5 Terroristisches Umfeld Für die illegalen Kommandos der "Roten Armee Fraktion" spielen "Antifaschistische Gruppen" (Antifa-Gruppen) in mehreren Städten der Bundesrepublik einschließlich Berlin (West) eine besondere Rolle. Sie setzen den "bewaffneten Kampf" der RAF auf der "legalen Ebene" fort, indem sie deren politische Vorstellungen in propagandistischen Kampagnen und Aktionen verbreiten. Aus diesen Gruppen sind, wie die Beispiele Susanne ALBRECHT, Silke MAIER-WITT, Sigrid STERNEBECK, Michael KNOLL -- Antifa Hamburg, Christine KUBY, Gert SCHNEIDER -- Antifa Kaiserslautern, beweisen, Mitglieder untergetaucht und zum harten terroristischen Kern vorgestoßen. Maskierte und mit Schlagwerkzeugen bewaffnete Personen besetzten am Abend des 6. November gewaltsam die Räume der Frankfurter dpa-Redaktion, um über die Fernschreibleitung eine vorbereitete Erklärung eines "Kommando Michael KNOLL -- Kommando Willy Peter STOLL" über die Haftbedingungen inhaftierter Terroristen zu verbreiten. Kurz nach dem Eindringen der Täter nahm die durch Notruf verständigte Polizei elf Personen fest, die aus RAF-Unterstützergruppen in Hamburg, Berlin, Salzgitter und Frankfurt stammen. Mit ihrer Aktion wollten sie die Öffentlichkeit auf die angeblich "lebensbedrohenden" Haftbedingungen der Terroristen KarlHeinz DELLWO und Werner HOPPE hinweisen. In ihrer Erklärung versicherten sie, "die Angriffe der Guerilla auf allen Ebenen mit allen denkbaren Formen des offensiven Widerstandes" aufgreifen und weiterentwickeln zu wollen. Mit Beginn der Untersuchungshaft traten sie vorübergehend geschlossen in den Hungerstreik. 3. Internationale Verflechtungen 3.1 "Harter Kern" des Terrorismus Insbesondere die Festnahmen deutscher Terroristen in Frankreich, Jugoslawien und Bulgarien offenbarten zum Teil personelle Verbindungen zu ausländischen Gesinnungsgenossen und erbrachten neue Anhaltspunkte für 119 die internationalen Zusammenhänge terroristischer Gruppen. So ist der am 11. Mai in Paris verhaftete Stephan WISNIEWSKI u.a. verdächtig, Kontakte zu arabischen Terroristen aufrechterhalten zu haben. Stephan WISNIEWSKI und die in Zagreb festgenommenen -- später aber wieder freigelassenen -- Brigitte MOHNHAUPT, Sieglinde HOFMANN, Peter BOOCK und Rolf Clemens WAGNER stehen in dem dringenden Verdacht, als Mitglieder der "Roten Armee Fraktion" an der Erschießung des Bankiers Jürgen PONTO sowie der Entführung und Ermordnung Dr. SCHLEYERS beteiligt gewesen zu sein. Die am 25. Mai auf dem Pariser Flughafen Orly verhaftete, aus Beirut (Libanon) eingereiste Marion FOLKERTS ist verdächtig, die RAF durch Kurierdienste unterstützt zu haben. Alle Festgenommenen hatten verfälschte inund ausländische Personalpapiere bei sich. Grenzübergangsvermerke in den sichergestellten Ausweisdokumenten weisen darauf hin, daß Staaten Westund Osteuropas, aber auch des Nahen Ostens als Rückzugsgebiete, Kontaktanlaufstellen oder logistische Ausgangsbasen dienten. Die zwischen den terroristischen Gruppierungen in der Bundesrepublik stehenden ideologischen Gegensätze werden von diesen im Ausland zugunsten einer verstärkten logistischen Zusammenarbeit auf internationaler Ebene zurückgestellt. Schriften der "Roten Brigaden" in deutscher Sprache, die im Bundesgebiet verbreitet wurden, enthalten Hinweise auf strategisch-taktische Gemeinsamkeiten zwischen italienischen und deutschen Terroristen. In diesen Schriften werden z.B. die Entführungsopfer Dr. Hanns-Martin SCHLEYER und Aldo MORO nebeneinander als Gefangene der RAF bzw. der "Roten Brigaden" abgebildet. Die "Roten Brigaden" beziehen darin die RAF als "politisch-militärische Avantgarde des europäischen Metropolenproletariats" in die "revolutionäre Initiative auf dem ganzen Kontinent" ein. Das "doppelte Massaker von Stammheim und Mogadischu" sei ein "starker Anstoß", "den revolutionären Klassenkrieg auf kontinentalem Niveau zu intensieren und zu vereinigen". Zahlreiche in Europa verübte Anschläge seien Beweis für die "breiteste und einheitlichste Antwort der revolutionären Bewegung der letzten Jahre". Erkenntnisse über eine gemeinsame Durchführung von Aktionen durch deutsche und italienische Terroristen liegen jedoch nicht vor. 3.2 Terroristisches Umfeld Im Umfeld des Terrorismus dokumentierten Aktionen und Kampagnen die fortgesetzte internationale Solidarität. Eine Besetzung der Niederländischen Botschaft im März in Brüssel durch Mitglieder des belgischen "Komitees zur Unterstützung der RAF" kennzeichnet eine auch im Inland zu beobachtende Hinwendung eines Teils des terroristischen Umfelds zu verstärkter Militanz (vgl. Nr. 2.5; Besetzung des dpa-Büros in Frankfurt). Mit dieser Aktion wollten die Teilnehmer einen Hungerstreik der seinerzeit in den Niederlanden einsitzenden Knut FOLKERTS, Christoph WACKERNAGEL und Gert SCHNEIDER unterstützen. Das ebenfalls in Belgien bestehende "Komitee zur Verteidigung politischer Gefangener in der Bundesrepublik Deutschland" will vor allem "Gefangene aus der RAF" betreuen. Ähnliche Ziele vertritt der "Arbeitskreis politischer Gefangener" in Wien, der Kontakte zu inhaftierten deutschen Terroristen unterhält. 120 Schriften aus dem terroristischen Umfeld I "IUP* ^ *JÜblMFO """SS DÜi Anfang des Jahres vertrieb die "Rote Hilfe Zürich" eine umfangreiche "Dokumentation zur Situation in der Bundesrepublik Deutschland und zum Verhältnis Bundesrepublik Deutschland/Schweiz", die zahlreiche Beiträge zum "bewaffneten Kampf" in der Bundesrepublik Deutschland enthielt. Das in Zürich erscheinende ,,s' fräche Blatt" brachte u.a. mehrere Diskussionsbeiträge zum gegenwärtigen Guerillakonzept der "Roten Armee Fraktion". Ein "Solidaritätskomitee für politische Gefangene in der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Aarhus", das den "antiimperialistischen Guerillakampf" der "Roten Armee Fraktion" gegen den neuen "faschistischen Unterdrückungsapparat" in der Bundesrepublik Deutschland zu rechtfertigen versuchte, wandte sich in einem Appell gegen die Auslieferung der seinerzeit in Jugoslawien festgehaltenen terroristischen Gewalttäter. Mehrere Gerichtsverfahren gegen deutsche terroristische Gewalttäter in den Niederlanden und der Schweiz gaben sympathisierenden Gruppen und Einzelpersonen Gelegenheit, die "unmenschliche" Behandlung deutscher Terroristen anzuprangern und ihre Zielvorstellungen international zu verbreiten. 3.3 Terrorakte im Ausland Die internationale Solidarität mit deutschen Terroristen und ihren Unterstützern setzte sich in zahlreichen Anschlägen auch gegen deutsche Einrichtungen und Unternehmen im Ausland fort. Hervorzuheben sind zwei schwere Sprengstoffanschläge auf Gerichtsgebäude in Bern, mit denen ein "Kommando Benno Ohnesorg" die "Isolationsfolter" von Gabriele KRÖCHERTIEDEMANN und Christian MÖLLER anzuprangern suchte (13. Januar) sowie ein "Kommando 20. Dezember" gegen deren Verurteilung zu hohen Freiheitsstrafen protestieren wollte (14. Juli). In einem Bekennerschreiben zu Sprengstoffanschlägen auf eine jugoslawische und auf eine bulgarische Firmenniederlassung in Paris (25. Juni) verurteilte eine "Solidarite Revolutionäre Internationale" die Abschiebung der in Bulgarien festgenommenen Deutschen Gabriele ROLLNIK, Gudrun STÜRMER, Angelika GODER und Till MEYER. Eine Gruppe gleichen Namens hatte in der Vergangenheit bereits wiederholt Solidaritätsaktionen durchgeführt, u.a. nach dem Tode von Ulrike MEINHOF im Mai 1976. Weitere Anschläge betrafen vor allem deutsche Firmen in Italien. Eine Gruppe "Ulrike Meinhof-Brigaden" begründete einen Brandanschlag in Gardolo/Trient als "Racheakt" für die "Ermordung" STOLLs. Ein Sprengstoffanschlag in Parma, zu dem sich "Bewaffnete Proletarische Zellen" bekannten, galt dem "Jahrestag der Ermordnung der Genossen der Roten Armee Fraktion" (18. Oktober 1977). Ein "Kommando Willy STOLL" verübte einen schweren Brandanschlag auf eine niederländische Firmenniederlassung in Basel aus Protest gegen die "bereitwillige" Auslieferung von drei Terroristen durch die niederländischen Behörden an die Bundesrepublik Deutschland. 4. Festnahmen Ermittlungen der Sicherheitsbehörden und Hinweise aus der Bevölkerung führten 1978 wieder zur Festnahme von Personen, die dringend verdächtig sind, an terroristischen Gewaltakten beteiligt gewesen zu sein oder sie unterstützt zu haben. Im Januar nahm die Polizei in Hamburg nach einem 122 Schußwechsel Christine KUBY fest, die seit Ende Juli 1977 unbekannten Aufenthaltes war und verdächtig ist, mit den Entführern Dr. SCHLEYERS in Verbindung gestanden zu haben. Sie gehörte ebenso wie der im November 1977 in den Niederlanden festgenommene Gert SCHNEIDER der Gruppe "Antifaschistischer Kampf" in Kaiserslautern an, die enge Verbindungen u.a. zum Stuttgarter Büro des inhaftierten Rechtsanwaltes Dr. Klaus CROISSANT unterhielt. Die Ermittlungen im Anschluß an die Festnahme und den Tod des mutmaßlichen Terroristen Willy Peter STOLL am 6. September (vgl. Nr. 2.1) führten kurz darauf zur Festnahme von mutmaßlichen Kontaktpersonen, die seit langem als Angehörige bestimmter Unterstützergruppen der RAF bekannt waren. Den Zulauf potentieller Terroristen aus diesen Kreisen bestätigte die Festnahme der beiden mutmaßlichen terroristischen Gewalttäter Angelika SPEITEL und Michael KNOLL am 24. September nach einem Schußwechsel in Dortmund. KNOLL, der später seinen Schußverletzungen erlag, war erst im Dezember 1977 in den Untergrund gegangen und hatte bis dahin der "Antifaschistischen Gruppe" Hamburg angehört (vgl. Nr. 2.1). Ein weiterer Erfolg gegen das Unterstützerfeld der "Roten Armee Fraktion" gelang den Sicherheitsbehörden, als in Stuttgart (18. Mai) nach Wohnungsdurchsuchungen mehrere Personen, die enge Verbindungen zu Mitgliedern "Antifaschistischer Gruppen" unterhalten, festgenommen wurden. Sichergestellte terroristische Schriften, insbesondere aber ein versteckter und konspirativ abgefaßter Brief an eine Kontaktperson in Paris erhärteten den Verdacht der Kuriertätigkeit im terroristischen Bereich. Bei den Ermittlungen nach den Entführern Till MEYERs wurde im Juni in Berlin (West) das mutmaßliche Mitglied der terroristischen "Bewegung 2. Juni" Klaus VIEHMANN festgenommen, als er in einen unter falschem Namen gekauften Personenwagen einsteigen wollte. Unter demselben Falschnamen war auch die konspirative Wohnung angemietet worden, von der aus offenbar die Befreiung Till MEYERs vorbereitet worden war. VIEHMANN trug einen geladenen Revolver, einen falschen Paß und eine 500,-DM-Banknote bei sich, die aus dem mit der Entführung des Wiener Industriellen PALMERS (November 1977) erpreßten Lösegeld stammte. Mehrere Festnahmen erbrachten erste Einblicke in die bis dahin unbekannte Organisation und Struktur der "Revolutionären Zellen"; sie zeigen, daß es sich hier um überwiegend aus der Legalität heraus operierende autonome Einzelgruppen handelt, die im Unterschied zur "Roten Armee Fraktion" den verstärkt massenorientierten "bewaffneten Kampf" führen. Gegen einige Mitglieder der RZ, die sich inzwischen offenbar in den terroristischen Untergrund begeben haben, erging Haftbefehl. 5. Veröffentlichungen 5.1 Darstellung der Ziele Terroristische Gewalttäter und ihre Anhänger nutzten die Möglichkeit, durch Veröffentlichungen in periodischen Schriften für gewaltideologische Konzepte zu werben. 123 Terroristische Schriften Revolutionärer T'PftJa Denn wir gehen nicht unter in Niederlagen, aber in Kämpfen, die wir nicht kämpfen! Ä ^ ^ ^ ^ ^ - ^ -- "Jacken *irS a n . S^^f^ffl^ miHOTfutdieit bat Urteil istsckon GEFANGENEN M& [.vorbereitet DE* W M p f e i M ÖTfl Als "Infos Undogmatischer Gruppen" erschienen Zeitungen u.a. in Berlin und Bremen. Diese Schriften gaben ihrem redaktionellen Konzept entsprechend terroristischen Gruppen wiederholt Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Eine Diskussion über die inhaltliche Gestaltung führte beim "Info Berliner Undogmatischer Gruppen" (BUG-Info) zu einer redaktionellen Spaltung. Infolgedessen erschien ab Juni neben der ursprünglichen Schrift ein weiteres Blatt, das unter der Bezeichnung "Info-Blues" ohne Impressum weitgehend konspirativ hergestellt wurde und auch Beiträge terroristischer Gewalttäter enthielt. Im "Info Bremer Undogmatischer Gruppen" Nr. 21 vom Juni äußerte ein Leser, dies sei "die einzige Zeitung, aus der noch unzensiert alle möglichen Erklärungen zu entnehmen sind". Die inhaltliche Militanz der Schrift spiegelte sich im Abdruck zahlreicher Äußerungen insbesondere "Revolutionärer Zellen" und anderer Beiträge, die zu bewaffnetem Widerstand aufforderten. Die "Provinz, Zeitung für Wiesbaden und Mainz" ließ eine verstärkte Hinwendung zur propagandistischen Unterstützung terroristischer Kreise erkennen. In zahlreichen Ausgaben der Schrift fanden sich Beiträge mit gewaltideologischen Inhalten. Die Redaktion rechtfertigte ihr Konzept in der AprilAusgabe u.a. damit, sie wolle sich nicht in die "Medieneinheitsfront der psychologischen Kriegsführung gegen die Guerilla" einordnen lassen. Weitere Schriften, die in Berlin und Aachen herausgegeben wurden, berichteten als "Knast"-Zeitungen insbesondere über Prozesse gegen mutmaßliche terroristische Gewalttäter und deren Haftbedingungen. Wie es in einem dieser Blätter heißt, soll "das ganze Spektrum der Knastund Justizverhältnisse und der Widerstand dagegen" dargestellt werden. Ein Blatt, das unter der Bezeichnung "Sumpfblüte" in Bochum erschien, veröffentlichte wiederholt. Erklärungen terroristischer Gruppen und Einzelpersonen. Darin wurde u.a. zur "Organisierung des totalen Widerstands" der Stadtguerilla aufgerufen. 5.2 Unterstützung terroristischer Gewalttäter durch publizistische Kampagnen Mit Hungerstreiks und dazu abgegebenen Erklärungen wollten inhaftierte terroristische Gewalttäter erneut auf ihre Haftbedingungen und die damit angeblich beabsichtigte "Vernichtung politischer Gefangener" hinweisen. So erschienen zahlreiche Publikationen, die an eine seit langem mit Hilfe von Gruppen aus dem terroristischen "Umfeld" betriebene Kampagne gegen "Isolationsfolter" anknüpften. Diese Schriften fanden durch Abdruck in periodischen Zeitungen der undogmatischen "Neuen Linken" sowie durch Veröffentlichung in Flugblättern und Broschüren teilweise eine weite Verbreitung. Im Verlauf eines Hungerstreiks, an dem sich im März und April in verschiedenen Haftanstalten inhaftierte Terroristen beteiligten, wurden unterschiedliche Forderungen propagiert. Während Mitglieder der RAF in ihren Erklärungen einen "Kriegsgefangenenstatus" für sich in Anspruch nahmen und für eine Zusammenlegung zu "interaktionsfähigen Gruppen" eintraten, lehnten Mitglieder der "Bewegung 2. Juni" eine Sonderbehandlung ab und forderten ihre Eingliederung in den Normalvollzug. Allerdings klagte der inhaftierte Ralf REINDERS in einem Beitrag ("Blatt" Nr. 121 vom Mai), der Hungerstreik verlaufe "ohne Interesse" und "ohne Unterstützung von draußen". 125 In verschiedenen Städten bildeten sich "Russell-Initiativen zur Situation der politischen Gefangenen in der Bundesrepublik Deutschland", die versuchten, das im März/April in Frankfurt tagende "Russell-Tribunal" im Sinne der propagandistischen Zielsetzungen inhaftierter Terroristen thematisch zu beeinflussen. In dazu verbreiteten Schriften forderten sie das deutsche Sekretariat des "Tribunals" auf, der internationalen "Jury" die Behandlung von angeblich an "politischen Gefangenen verübten Menschenrechtsverletzungen" vorzuschlagen. Ein Höhepunkt der Kampagne zeichnete sich ab, als im November mehrere Personen aus dem terroristischen Umfeld in das Frankfurter Büro der dpa eindrangen und dies in einer Erklärung als Aktion gegen "psychische und physische Folter" an Karl-Heinz DELLWO und Werner HOPPE rechtfertigten (vgl. Nr. 2.5). 126 Spionageabwehr 1978 I. Allgemeine Erfahrungen 1. Schwerpunkte und Tendenzen Die durch den Übertritt des ehemaligen Mitarbeiters des Ostberliner Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Werner STILLER, zu Beginn des Jahres 1979 ausgelösten Festnahmen von spionageverdächtigen Personen haben einer breiten Öffentlichkeit erneut gezeigt, in welchem Ausmaß die kommunistischen Nachrichtendienste -- insbesondere der DDR -- ihre Spionagetätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland betreiben. Werner STILLER arbeitete bis Januar 1979 als operativer Führungsoffizier in der Abteilung XUl der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des MfS, dem Auslandsnachrichtendienst der DDR. Die Angaben STlLLERs führten nicht nur zur Enttarnung von 30 mutmaßlichen Agenten, vorwiegend eingesetzt auf den Gebieten Wirtschaft, Wissenschaft und Technik; seine mitgebrachten Unterlagen und Dokumente liefern darüber hinaus wertvolle Hinweise auf Struktur, Aufbau, Arbeitsmethoden und -ziele des MfS. Allein vier der 15 Abteilungen der HVA, befassen sich mit der Aufklärung von Wissenschaft und Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß die politische Spionage, die Ausforschung der politischen Entscheidungszentren in der Bundesrepublik Deutschland, nach wie vor erstes Aufklärungsziel der gegnerischen Spionage ist. Die Festnahme der Sekretärin HOFS beim Bundesvorstand der CDU und die dadurch ausgelöste Flucht der Sekretärinnen GOLIATH (MdB MARX), BROSZEY (MdB BIEDENKOPF) und RÖDIGER (Staatssekretär LAHNSTEIN) geben Hinweise darauf, in welcher Breite die DDR Informationen aus der Politik zu beschaffen sucht. Ein weiterer Schwerpunkt gegnerischer Spionage liegt in der Beschaffung militärischer Informationen. Das besondere Interesse des nachrichtendienstlichen Gegners an militärischen Informationen wurde wieder deutlich durch die Enttarnung der NATO-Sekretärinnen GARBE und LORENZEN als mutmaßliche Agenten des DDR-Nachrichtendienstes. 2. V/erbungen und Werbungsversuche Die Zahl der 1978 erkannten, durch die Nachrichtendienste kommunistischer Staaten zur Spionagetätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland aufgeforderten Personen stieg gegenüber dem Vorjahr um 16%. Zum überwiegenden Teil geht dieses Ergebnis auf die Aktivitäten der Geheimdienste der DDR zurück, von denen nach wie vor die stärkste Spionagetätigkeit ge127 gen die Bundesrepublik Deutschland ausgeht: mehr als 7 0 % aller Spionageaufträge werden vom zivilen und militärischen Nachrichtendienst der DDR erteilt. Danach folgen wie in den Vorjahren die Aktionen der polnischen Nachrichtendienste. Bemerkenswert waren auch die verstärkten Werbungsbemühungen der tschechoslowakischen Geheimdienste. Über 70 % der erkannten Werbungen und Werbungsversuche richteten sich gegen Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) lebten. Mehr als die Hälfte der angesprochenen Bundesbürger wurden bei Reisen in den kommunistischen Machtbereich nachrichtendienstlich angesprochen. Die Zahl derartiger Kontaktaufnahmen ist gegenüber 1977 erheblich gestiegen. Die Werbung von Personen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr dagegen leicht zurückgegangen. Dies ist vor allem Folge der Tatsache, daß sich die Zahl der Briefansprachen im Anschluß an Stellengesuche in der Presse nach einer steigenden Tendenz in den letzten 3 Jahren erstmals merklich vermindert hat. Hier macht sich deutlich die Aufklärung der Öffentlichkeit über Methoden gegnerischer Nachrichtendienste bemerkbar. Bei den nachrichtendienstlich angesprochenen Personen mit Wohnsitz im kommunistischen Machtbereich waren häufigste Kontaktanlässe Bemühungen um Aussiedlung oder Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland oder besondere Eignung und Zugangsmöglichkeiten. Die Werbungsmethoden der Nachrichtendienste kommunistischer Staaten sind im wesentlichen unverändert: Versprechen und Gewährung von Vorteilen jeder Art (finanzielle Zuwendungen, Aufenthaltsgenehmigungen, Einreisebewilligungen, Straffreiheit oder Straferlaß etc.), Drohung und Nötigung in offener oder versteckter Form sowie Ausnutzung persönlicher Bindungen und charakterlicher Schwächen. Bei den Bundesbürgern erfolgte die Kontaktaufnahme -- insbesondere bei den Briefansprachen -- vorwiegend unter einer "Legende", um den Angesprochenen über den wahren Auftraggeber und dessen tatsächliche Absichten zu täuschen. Mehr als zwei Drittel der den Sicherheitsbehörden bekannten angesprochenen Bundesbürger offenbarten ihren nachrichtendienstlichen Kontakt freiwillig, während der Anteil der Selbstgesteller bei Bewohnern der DDR und des übrigen kommunistischen Machtbereichs erfahrungsgemäß erheblich niedriger liegt, ein Zeichen dafür, daß der Kandidat dort sorgfältig ausgewählt und gründlich geschult wird. 3. Aufträge Im Berichtsjahr stieg die Zahl der erkannten Aufträge im Vergleich zum Vorjahr weiter an. Nach wie vor steht die politische Spionage an der Spitze des gegnerischen Interesses. Sie richtet sich gegen Regierungsund Verwaltungsstellen des Bundes und der Länder sowie gegen Universitäten, I28 m Hochschulen und Studentenorganisationen. Deutlich erhöht hat sich die Zahl der Klärungsaufträge gegen Fluchthelfer und Fluchthelferorganisationen. Merklich gestiegen ist auch der Anteil der gegen Kommunalbehörden (Paßund Meldewesen) gerichteten Aufträge. Die Ausforschungsbemühungen gegen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sowie gegen das Funkund Fernmeldewesen der Bundespost wurden unvermindert fortgesetzt. Schwerpunkte der Militärspionage waren neben dem Bundesverteidigungsministerium (Fall LUTZE/WIEGEL) die Bundeswehr, die USund NATOStreitkräfte sowie strategische Objekte wie Straßen und Brücken in der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Wirtschaftsspionage liegen die Schwerpunkte, wie in den Vorjahren, im Bereich der Elektronik und der elektronischen Datenverarbeitung, der Nuklearphysik, der Rüstungsindustrie sowie der chemischen Industrie und des Luftfahrzeugbaus. Ein von STILLER enttarnter Dipl.-Ing. übermittelte von 1960 bis 1973 dem MfS alle Unterlagen, die ihm aufgrund einer leitenden Position bei IBM zugänglich waren. Diese Informationen verwandte die DDR dazu, die Datenverarbeitung der Nationalen Volksarmee zu modernisieren und westlichem Standard anzupassen. Dies ist kein Ausnahmefall, sondern Ergebnis der vom MfS vorgegebenen Ziele. Die auf dem geheimen Meldeweg beschafften Informationen kommen auch der DDR-Industrie zugute. Diese fordert ihrerseits beim MfS gezielt bestimmte Informationen an. Auf diese Weise gelingt es der DDR, Forschungsund Entwicklungskosten gerade in den Bereichen zu sparen, bei denen diese Kosten einen hohen Anteil an dem Endpreis des Fertigproduktes ausmachen. Eine abschließende Bewertung der Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage anhand der von STILLER gemachten Angaben ist den Sicherheitsbehörden derzeit allerdings noch nicht möglich. 4. Legale Residenturen Ein wesentlicher Teil der Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland ging auch im Berichtsjahr von den offiziellen Vertretungen der kommunistischen Staaten im Bundesgebiet aus, in denen die gegnerischen Nachrichtendienste "Legale Residenturen" unterhalten. Der Anteil der erkannten oder verdächtigen ND-Angehörigen unter den dort Beschäftigten beträgt in einigen Vertretungen bis zu 50%>. 5. Verurteilte Agenten Gerichte der Bundesrepublik Deutschland verurteilten 1978 insgesamt 30 Personen gem. SSSS 93 ff StGB wegen Landesverrats und Gefährdung der äußeren Sicherheit. In allen Fällen waren Auftraggeber die Nachrichtendienste der DDR. 129 II. Die Nachrichtendienste der DDR 1. Übersicht Die Nachrichtendienste der DDR waren auch 1978 mit einem Anteil von 7 4 % der erkannten Werbungen und Werbungsversuche und 8 4 % der erfaßten Aufträge Hauptträger der Spionagetätigkeit kommunistischer Staaten gegen die Bundesrepublik Deutschland. 1978 wurden 20 % mehr Werbungen und Werbungsversuche der DDR-Nachrichtendienste erkannt. Von den angesprochenen Personen sind 80 deg/o Bundesbürger und 20 % Bewohner der DDR. Der Anteil der Bundesbürger hat sich damit gegenüber dem Vorjahr erhöht. Weit über die Hälfte von ihnen wurde während eines Aufenthalts in der DDR angesprochen. Auffallend ist auch der gegenüber den Vorjahren erhebliche Anstieg der nachrichtendienstlichen Ansprachen von Bundesbürgern während einer Inhaftierung in der DDR. Diese Personen saßen überwiegend wegen Fluchthilfe ein. Nach vorzeitiger Haftentlassung und Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland sollten sie Fluchthelfer und Fluchthilfeorganisationen -- teilweise auch durch erneute eigene Mitwirkung -- auskundschaften. Bei den in der Bundesrepublik Deutschland angesprochenen Personen war die briefliche Anbahnung trotz eines Rückgangs gegenüber den Vorjahren eindeutiger Schwerpunkt. Schwerpunkte der nachrichtendienstlichen Kontaktaufnahmen mit DDRBewohnern waren Haftstrafen und Bemühungen um eine legale Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland. Bei der Ansprache von Bundesbürgern mußten die DDR-Nachrichtendienste, wie in den Vorjahren, hohe Ablehnungsquoten in Kauf nehmen: Die weitaus meisten der angesprochenen Bundesbürger lehnten eine Mitarbeit von vornherein ab. Andere machten insbesondere bei Ansprachen in der DDR aufgrund einer tatsächlichen oder vermeintlichen Zwangslage Zusagen, wurden jedoch nach Rückkehr in die Bundesrepublik nachrichtendienstlich nicht tätig. 2. Enttarnung von Sekretärinnen Seit Jahren enttarnt die Spionageabwehr Sekretärinnen als Agentinnen kommunistischer Nachrichtendienste. An einige der bekanntesten Fälle sei erinnert: im Jahre 1967 wurde die Sekretärin im Auswärtigen Amt Leonore SÜTTERLIN wegen Spionageverdachts festgenommen. Es folgten 1970 Irene SCHULTZ, Vorzimmerkraft von Bundeswissenschaftsminister LEUSSINK, 1973 Gerda SCHRÖTER, Fremdsprachensekretärin bei der Deutschen Botschaft in Warschau, 1976 Helge BERGER, Chefsekretärin in der Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes, 1977 Dagmar KAHLIG-SCHEFFLER, Sekretärin im Bundeskanzleramt. Durch die aus diesen Fällen gewonnenen Erkenntnisse konnten Anfang 1979 zwei Sekretärinnen unter Spionageverdacht festgenommen werden 130 (Ingrid GARBE und Ursula HOFS). Vier Sekretärinnen kamen der Festnahme durch Flucht in die DDR zuvor. Alle Fälle gleichen sich in wesentlichen Punkten. Sie zeigen, mit welcher Skrupellosigkeit das MfS menschliche Beziehungen mißbraucht. Das MfS nutzt das Kontaktbedürfnis alleinstehender Frauen für die eigenen Zwecke aus. Alle diese Spionageoperationen laufen bis auf wenige Ausnahmen nach einem bewährten, den Sicherheitsbehörden bekannten Muster ab. Das MfS schleust Geheime Mitarbeiter unter falscher Identität in die Bundesrepublik Deutschland und das westliche Ausland ein. Sie haben den Auftrag, alleinstehende Frauen, insbesondere Sekretärinnen, nachrichtendienstlich zu verstricken. Der Ablauf der nachrichtendienstlichen Anwerbung wird jeweils auf die persönlichen Verhältnisse zugeschnitten. Die ersten Kontakte werden in unverfänglicher Weise aufgenommen, sei es, daß man sich "zufällig" in einem Cafe kennenlernt, als Wohnungsnachbar bei einer kleinen Autoreparatur behilflich ist, oder sich als Arbeitskollegen näherkommt. Wieweit das Spiel mit den Gefühlen des Opfers getrieben wird, hängt vom Einzelfall ab. Es kann sich auf eine Freundschaft beschränken, aber auch zur Verlobung oder Eheschließung im Auftrag des MfS führen, ja sogar zu einer "inszenierten Eheschließung" in der DDR wie im Fall KAHLIGSCHEFFLER. Auf jeden Fall wird eine Abhängigkeit als Basis für die weitere Spionagetätigkeit geschaffen. Wenn das Opfer noch nicht als Sekretärin in einer nachrichtendienstlich interessanten Stellung ist, veranlaßt der "Freund" oder "Ehemann" sie nunmehr dazu, Sekretärinnenoder Sprachkurse zu besuchen, um so die Voraussetzungen zur Anstellung als Sekretärin zu schaffen. Um der Informationslieferung den Anschein des Verrats zu nehmen, geben sich die Geheimen Mitarbeiter des MfS häufig als Angehörige westlicher "befreundeter" Nachrichtendienste aus. Läßt sich diese Legende nicht mehr aufrecht erhalten, wird der Abbruch der Beziehungen angedroht. Da dem Bundesamt für Verfassungsschutz dieser typische Ablauf der Spionageoperationen bekannt ist, führten seine Vorermittlungen im Jahre 1978 dazu, daß am 2. Februar 1979 die Sekretärin an der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO Ingrid GARBE festgenommen werden konnte. Sie war die Freundin eines eingeschleusten Geheimen Mitarbeiters eines DDR-ND. Offensichtlich als Reaktion auf diese Festnahme setzte sich am 5./6. März 1979 die Mitarbeiterin im NATO-Generalsekretariat in Brüssel, Ursel LORENZEN, in die DDR ab. Am 6. März konnte die Sekretärin des Hauptabteilungsleiters Organisation der CDU-Bundesgeschäftsstelle, Ursula HOFS mit ihrem Ehemann, der als eingeschleuster Geheimer Mitarbeiter eines DDR-ND erkannt worden war, verhaftet werden. In den folgenden Tagen bis zum 19. März 1979 setzten sich zwei weitere Sekretärinnen prominenter CDU-Politiker sowie die Sekretärin des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium ab. In allen drei Fällen waren die "Freunde" der Sekretärinnen ebenfalls eingeschleuste Geheime Mitarbeiter des MfS. 131 2.1 Fall GARBE Am 2. Februar wurde in Brüssel die Sekretärin bei der Politischen Abteilung der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO, Ingrid Rosa Frieda GARBE, unter dem Verdacht geheimdienstlicher Agententätigkeit für die DDR festgenommen und anschließend den deutschen Behörden übergeben. Am 4. Februar erging Haftbefehl. Die Ermittlungen hatten ergeben, daß sie die Freundin eines eingeschleusten Geheimen Mitarbeiters eines DDR-Nachrichtendienstes war, der bis August 1978 unter den Personalien eines in Kanada lebenden Christian WILLER in Brüssel gewohnt hatte, dann aber spurlos verschwunden war. Nach anfänglichem Leugnen hat GARBE zugegeben, "WILLER" Unterlagen über NATO-Sitzungen übergeben zu haben, die allerdings nur den VS-Grad "NATO-SECRET" besessen hätten. Wie Garbe angibt, habe sie von 1967 bis 1974 während ihrer Tätigkeit im Auswärtigen Amt ein Verhältnis zu einem angeblichen "HEISINGER" unterhalten, der allerdings seiL1972 unter dem Namen "SCHELLER" aufgetreten sei. "HEISINGER" alias "SCHELLER" konnte ebenfalls als eingeschleuster Agent des MfS identifiziert werden. Im Frühjahr 1974 habe sie einen "FREI" kennengelernt, der sich als Freund ihres langjährigen Bekannten "HEISINGER" alias "SCHELLER" ausgegeben habe. Über diesen habe sie im Juni 1975 die Bekanntschaft "WILLERs" gemacht, der ihr gegenüber im Frühjahr 1976 offenbart habe, Angehöriger des MfS zu sein. Bei einem gemeinsamen Aufenthalt in Berlin (Ost) im Oktober 1976 -- sie benutzte auf der Reise einen Falschausweis -- habe ein MfSAngehöriger "MARTIN" sie zur Mitarbeit verpflichten wollen. Sie habe sich jedoch Bedenkzeit erbeten. Im Sommer 1977 habe "WILLER" ihr erklärt, daß man ihn aus Brüssel abziehen wolle, wenn sie nicht zur Mitarbeit für das MfS bereit sei. Daraufhin habe sie erstmalig Informationen aus ihrem Arbeitsbereich an "WILLER" geliefert. Bei der gemeinsamen Urlaubsreise nach Griechenland im September 1978 sei "FREI" am Urlaubsort erschienen und habe erklärt, sie könnten nicht nach Brüssel zurückkehren, da man ihre Festnahme befürchte. Dies habe sie für ihre Person abgelehnt, während "WILLER" nach Berlin (Ost) gereist sei. 2.2 Fall LORENZEN Genau vier Wochen nach der Festnahme der GARBE, am 5./6. März, setzte sich die Mitarbeiterin im NATO-Generalsekretariat in Brüssel, Ursel LORENZEN, in die DDR ab. Sie war Chefsekretärin des Direktors für Ratsangelegenheiten und Übungen im Internationalen Stab der NATO. Frau LORENZEN, die seit 1967 bei der NATO tätig war, war seit langem mit dem Hotelkaufmann Dieter WILL eng befreundet. WILL, als Manager in einem Brüsseler Hotel beschäftigt, ist spurlos verschwunden. Bei Frau LORENZEN muß davon ausgegangen werden, daß sie nachrichtendienstlich für die DDR gearbeitet hat. Gerade aus dem Umstand, daß nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen keine Original-Unterlagen aus 132 ihrem Arbeitsbereich fehlen, kann der Schluß gezogen werden, daß sie bereits zuvor geheimdienstlich tätig war und es daher nicht nötig hatte, ihre Person durch die Mitnahme von Dokumenten in die DDR aufzuwerten. 2.3 Fall HOFS Nach Vorermittlungen der Verfassungsschutzbehörde Niedersachsens und des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde am 6. März in Bonn die Sekretärin beim Hauptabteilungsleiter Organisation in der CDU-Bundesgeschäftsstelle in Bonn, Ursula Elisabeth HOFS geb. SCHELL, unter dem Verdacht geheimdienstlicher Agententätigkeit festgenommen. Der Verdacht war entstanden, nachdem ihr gleichfalls festgenommener Ehemann, der angebliche J ü r g e n Erwin Willi HOFS als eingeschleuster Geheimer Mitarbeiter eines gegnerischen Nachrichtendienstes erkannt werden konnte. Er benutzte die biografischen Daten einer anderen, in der DDR lebenden Person. Angeblich aus Colmar/Frankreich kommend, lebte er seit 1965 in der Bundesrepublik. * Bei seiner polizeilichen Vernehmung nannte er als seine richtige Personalien Siegfried GÄBLER und gab sich als DDR-Bürger zu erkennen. Weitere Aussagen lehnte er bisher ab. Frau HOFS weist den Vorwurf geheimdienstlicher Tätigkeit zurück. Sie gibt an, 1970/1971 während ihrer Tätigkeit bei der Firma WOLFF KG den gleichfalls dort beschäftigten "HOFS" kennengelernt zu haben. Nach Absolvierung eines einjährigen Sekretärinnenkurses habe sie sich 1972 bei der CDU-Bundesgeschäftsstelle beworben und sei am 1. 10. 1972 dort eingestellt worden. In ihrer Wohnung konnte ein internes CDU-Papier zur Vorbereitung des Bundesparteitages in Kiel sichergestellt werden. Gegen die Eheleute "HOFS" erging Haftbefehl. 2.4 Fall GOLIATH Seit dem 9. März ist die Sekretärin des außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Werner MARX, Inge GOLIATH geb. HANKE, verschwunden. Nach Meldung der DDR-Nachrichtenagentur ADN hat sie sich zusammen mit ihrem Ehemann, dem selbständigen Büromöbelkaufmann Wolfgang GOLIATH in die DDR abgesetzt. Frau GOLIATH war von 1966 bis 1968 als Sekretärin in der CDU-Bundesgeschäftsstelle tätig und seitdem persönliche Sekretärin von Dr. Marx. Wolfgang GOLIATH ist eingeschleuster Geheimer Mitarbeiter des MfS. Er war 1961, angeblich aus Perth/Schottland kommend, nach Dortmund zugezogen und 1963 nach Bonn übergesiedelt. Seit dem 27. 10. 1967 war er mit Inge HANKE verheiratet. Bei der Durchsuchung der gemeinsamen Wohnung wurde ein Fotokopiergerät sowie ein "Super-8-Film" sichergestellt. Eine Untersuchung ergab, daß es sich dabei um einen für nachrichtendienstliche Zwecke präparierten Dokumentenfilm handelt. 133 2.5 Fall BROSZEY Die seit dem 12. März verschwundene persönliche Sekretärin des stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Kurt BIEDENKOPF, Christel BROSZEY, hat sich in die DDR abgesetzt. Sie war seit 1973 Sekretärin von BIEDENKOPF, nachdem dieser CDU-Generalsekretär geworden war. Zuvor war sie bereits seit dem 1. 2. 1971 unter dessen Amtsvorgängern Dr. Bruno HECK und Dr. Konrad KRASKE tätig gewesen. Nach den bisherigen Ermittlungen war sie mit dem angeblichen Agraringenieur Konrad KIPPING befreundet, der gleichfalls verschwunden ist. "KIPPING" konnte als eingeschleuster Geheimer Mitarbeiter des MfS enttarnt werden. Er wohnte seit 1973 in Kaarst, wo er als Verkäufer und Berater im Außendienst bei der Firma KELLER-Büromatik-Kopiertechnik in Ratingen beschäftigt war. Im Zuge der weiteren Ermittlungen konnte inzwischen festgestellt werden, daß "KIPPING" bereits seit 1968 mit der BROSZEY befreundet war. Damals lebte er unter dem Namen" Heinrich HOFFMANN im Raum Hamm/Westfalen, wo er Ende 1968, angeblich aus Vancouver/Kanada kommend, zugezogen war. Nach den Aussagen der Eltern BROSZEY hat ihre Tochter Ende 1970 ihre Freundschaft zu "HOFFMANN" für aufgelöst erklärt und dabei angedeutet, in Zukunft Männerbekanntschaften grundsätzlich abzulehnen. Tatsächlich hätten sie, die Eltern, ihre Tochter seit dieser Zeit nie mehr mit einem Mann zusammen gesehen. HOFFMANN hatte sich auf dem Papier 1972 nach Amsterdam "abgemeldet". Aufgrund dieses Ermittlungsergebnisses kann geschlossen werden, daß BROSZEY von dem eingeschleusten "HOFFMANN" in den Jahren 1968--1970 nachrichtendienstlich angeworben und verpflichtet wurde. Sie absolvierte Ende 1969 die Sekretärinnenprüfung und 1970 in London einen Sprachkursus und schuf dadurch die Voraussetzungen zur Anstellung als Sekretärin in einem Ministerium bzw. bei einer Partei. Aufgrund einer Annoncenbewerbung wurde sie dann auch bei der CDU in Bonn eingestellt. In KIPPINGs Wohnung wurden ein Fotokopiergerät, eine Polaroid-Kamera, zwei Stative und Filmmaterial sichergestellt. Am 15. März erhielt BIEDENKOPF ein Schreiben der Frau BROSZEY, in dem sie ohne Begründung ihre Kündigung zum 12. März aussprach. Auch ein Brief an ihre Eltern enthielt weder nähere Angaben zu ihrem derzeitigen Aufenthaltsort noch zu den Gründen ihres Verschwindens. 2.6 Fall RÖDIGER Seit dem 19. März ist die Sekretärin des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Manfred LAHNSTEIN, Helga RÖDIGER, verschwunden. Frau RÖDIGER war von 1971 bis 1974 in der Wirtschaftsabteilung des Bundeskanzleramtes tätig, bevor sie im Mai 1974 in das Bundesfinanzministerium wechselte. Sie soll seit zwei bis drei Jahren mit dem Chemiefacharbeiter Robert KRESSE befreundet gewesen sein, der sich am 16. März bei seiner Arbeitsstelle krank gemeldet hatte und seitdem gleichfalls verschwunden ist. Am 21. März teilte RÖDIGER ihrer Mutter telefonisch mit, sie befinde sich zusammen mit KRESSE in Berlin (Ost). 134 Die bisherigen Ermittlungen ergaben, daß "KRESSE" am 15. 10. 1973, angeblich aus Birmingham kommend, nach Castrop-Rauxel zuzog. Dort war er zuletzt bei der Firma "Gewerkschaft Victor", einer Zweigstelle der BASF, tätig, die mit der Herstellung von Düngemitteln beschäftigt ist. 3. "Urlaubsbekanntschaften" am Schwarzen Meer mit nachrichtendienstlichem Hintergrund In den letzten Jahren haben DDR-Nachrichtendienste an der Schwarzmeerküste Urlauber aus der Bundesrepublik Deutschland systematisch auf ihre Eignung als Agenten überprüft. Geheime Mitarbeiter des MfS geben sich als "Urlauber" aus der DDR aus, wobei sie als Einzelreisende, aber auch als Ehepaare -- teilweise mit Kindern -- auftreten. In erster Linie wird zu Studenten und alleinstehenden Frauen Verbindung gesucht, aber auch Ehepaare sind betroffen. Die Kontaktaufnahme, meist am Strand oder in von Bundesbürgern bevorzugten Restaurants, erscheint zunächst unauffällig. Sehr oft kommt es schon während des Urlaubs zu freundschaftlichen Beziehungen, ein Adressenaustausch und eine Einladung in die DDR sind die Folge. Die Geheimen Mitarbeiter berichten nach Rückkehr in die DDR ihrer Führungsstelle über die geschlossenen "Freundschaften" und das über die Partner gewonnene Hintergrundwissen. Unter Steuerung des DDR-ND entwickelt sich ein Briefwechsel, dem nach einer gewissen Zeit stets eine Einladung zu einem Besuch in der DDR oder zu einem Wiedersehen in Berlin (Ost) folgen. Bei diesen Zusammenkünften tritt dann der eigentliche Werber des Nachrichtendienstes, zunächst noch getarnt als Schulfreund oder Arbeitskollege der Urlaubsbekanntschaft, in Erscheinung. Durch anfangs banale und unwichtig erscheinende Beschaffungswünsche nach Büchern oder Zeitschriften wird der Kontaktierte allmählich in eine nachrichtendienstliche Mitarbeit verstrickt. Die Werbung kann aber auch in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen. Beispielhaft dafür ist der Fall eines Studenten, der 1972 zusammen mit seiner Freundin einen Urlaub an der Schwarzmeerküste verbrachte. Dort lernte er ein Ehepaar aus der DDR kennen. Es kam zu einem regelmäßigen Briefwechsel, den der Student 1973 beendete. Drei Jahre später -- 1976 -- erschien in der Wohnung des Studenten ein Besucher aus der DDR, der "Grüße" von der "Urlaubsbekanntschaft" bestellte und ein damals gemachtes Foto -- gleichsam als Legitimation -- übergab. Der Grußbesteller übernahm die Rolle des Werbers. Er reiste stets mit einem DDR-Paß -- unter seinem richtigen Namen -- zu "wissenschaftlichen Studien" in die Bundesrepublik ein. Ein Urlaub am Schwarzmeerstrand wurde auch der zu vier Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilten ehemaligen Sekretärin im Bundeskanzleramt, Dagmar KAHLIG-SCHEFFLER, zum Verhängnis. Auch sie geriet durch die dort gemachte Bekanntschaft mit einem DDR-Bürger -- der später als langjähriger Geheimer Mitarbeiter des MfS identifiziert werden konnte -- in die Hände des DDR-ND. Der Werber hatte es verstanden, über die kleine Tochter von KAHLIG-SCHEFFLER die Bekanntschaft anzuknüpfen. 135 Mehrere der in der Vergangenheit an der Schwarzmeerküste als Urlauber aufgetretenen "Tipper" waren den Verfassungsschutzbehörden schon als langjährige Geheime Mitarbeiter eines DDR-ND bekannt, da sie auch in der DDR schon nachrichtendienstlich tätig waren. 4. Reaktivierung von Agenten Bundesbürger, die schon einmal nachrichtendienstlich für die DDR tätig gewesen sind, müssen damit rechnen, daß der gegnerische Nachrichtendienst auch nach Jahren der Untätigkeit auf sie zurückgreift. Der berufliche Werdegang und evtl. neue Zugangsmöglichkeiten des Agenten zu interessanten Objekten bleiben unter Beobachtung der Führungsstelle. Den Behörden für Verfassungsschutz liegen Erkenntnisse darüber vor, daß Agenten bei der erneuten Kontaktaufnahme sogar an 20 Jahre zurückliegende Verpflichtungserklärungen erinnert werden. Die erneute Kontaktaufnahme geschieht gezielt durch Brief, Telefonat, Besuch eines Kuriers oder bei einer privaten Besuchsreise des ehemaligen Agenten in der DDR. Der gegnerische Nachrichtendienst setzt im Einzelfall auch massive Druckmittel gegen diejenigen ein, die sich der nachrichtendienstlichen Verstrickung zu entziehen versuchen. Folgender Fall ist beispielhaft für das Vorgehen der gegnerischen Dienste: Ein Bundesbürger hatte einige Jahre für einen Nachrichtendienst der DDR gearbeitet, durch eigenen Entschluß jedoch seine Agententätigkeit eingestellt. Nachdem seine Führungsstelle in der DDR den Abbruch der Verbindung über Jahre scheinbar unbeachtet gelassen hatte, wurde der Agent eines Tages von einem älteren Mann aufgesucht, der ihm mit den Grüßen des ehemaligen Führungsoffiziers ein Paket überreichte und dann verschwand. Das Paket enthielt Duplikate von Beweisstücken (u.a. Quittungen über den Erhalt von Verratsgeld und nachrichtendienstliches Gerät, eine Bestätigung über die Schulung des Agenten sowie eine Tonbandaufzeichnung eines Gesprächs zwischen Agent und Führungsoffizier). Damit war zur Genüge angedeutet, daß man den Agenten noch immer "in der Hand habe". In einem beigefügten Brief lud ihn der Führungsoffizier nach Berlin (Ost) ein und gab zu verstehen, daß ein Ausweichen für den Agenten "nicht sinnvoll" sei. In nachfolgenden Anrufen von "Beauftragten" des Führungsoffiziers wurde der verunsicherte Agent dazu gedrängt, einen Trefftermin zu nennen. Nachdem er zum vereinbarten Treff nicht erschienen war, erhielt er einen zweiten Brief des Führungsoffiziers, der als "letztes Angebot" bezeichnet war. Dieser Brief war derart drohend, daß der Empfänger damit rechnen mußte, der Führungsoffizier werde den hiesigen Behörden Beweise über die frühere nachrichtendienstliche Tätigkeit zuspielen. Der Bundesbürger lehnte standhaft jede neue Tätigkeit ab und offenbarte sich den Sicherheitsbehörden. 136 5. Nachrichtendienstliche Aktivitäten von DDR-Rentnern Das MfS nutzt jede sich bietende Gelegenheit, um die Ausspähungstätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland zu intensivieren. Eine bedeutende Rolle spielt dabei der Reiseverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Da im Unterschied zu der übrigen DDR-Bevölkerung DDR-Rentnern private Besuchsreisen in den Westen generell möglich sind, werden sie beauftragt, Kurierdienste zu erledigen, als Anbahner Bundesbürger für eine nachrichtendienstliche Mitarbeit zu gewinnen, Personenabklärungen durchzuführen, aber auch selbst Ausspähungen vorzunehmen. Ausgangspunkt sind in vielen Fällen vorherige Spitzeldienste für das MfS. So offenbarte eine 62jährige Rentnerin den Sicherheitsbehörden ihre langjährige Mitarbeit beim MfS: Wegen einer früheren Flucht und späteren Rückkehr in die DDR habe sie das MfS bereits von 1965 bis 1971 zur Zusammenarbeit genötigt, da sie gegenüber der DDR "noch etwas gut zu machen" habe. Wegen ihrer beruflichen Zugangsmöglichkeiten zu alliierten Stellen in Berlin (Ost) habe sie über dort tätige Personen berichten müssen. Nach Erreichen des Rentenalters habe sie im Rahmen von "Besuchsreisen" nach Berlin (West) die Kennzeichen deutscher und amerikanischer Pkw vor amerikanischen Einrichtungen notieren und Briefe zur Post geben müssen. Ihr letzter Auftrag habe darin bestanden, sich mit amerikanischen Privathaushalten in Berlin (West) in Verbindung zu setzen, deren Telefonnummern ihr vom MfS genannt worden seien. Unter der Legende, sie sei Mitarbeiterin eines Personalbüros, habe sie die Namen und Daten des dort beschäftigten deutschen Hauspersonals erfragt und an ihren Führungsoffizier weitergeleitet. Zum Transport ihrer Notizen sei ihr eine mit Geheimfach versehene Tasche ausgehändigt worden. Wegen der mit der Spionagetätigkeit verbundenen seelischen Belastung kehrte die Rentnerin von einer Besuchsreise nach Berlin (West) nicht in die DDR zurück und stellte sich den hiesigen Sicherheitsbehörden. Eine 72jährige Rentnerin berichtete von dem Versuch des MfS, sie als Anbahnerin zu gewinnen. Man habe ihr den Auftrag erteilt, bei einem Besuch in Berlin (West) eine dort lebende langjährige Bekannte zur Mitarbeit für das MfS zu werben. Diese Dame könne Einzelheiten über Fluchtmodalitäten ihr bekannter Personen in Erfahrung bringen. Nach den Aussagen einer anderen Mitarbeiterin des MfS diente eine DDRRentnerin als Kurier für die Übermittlung von Nachrichten an die Führungsstelle in Berlin (Ost). Die Mitarbeiterin war mit Wissen des MfS von einer Fluchthilfeorganisation aus der DDR geschleust worden. Anschließend sei sie von der Rentnerin im Bundesgebiet aufgesucht und nach Einzelheiten über die Fluchthilfe, insbesondere die beteiligten Personen und Fahrzeuge, befragt worden. Neben Altersrentnern spannt das MfS aber auch jüngere Menschen für seine Zwecke ein, die aus gesundheitlichen Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. So nutzte ein 29jähriger Frührentner aus der DDR eine im Auftrag des MfS durchgeführte Reise in die Bundesrepublik, um sich den Sicherheitsbehörden zu offenbaren. 137 Zur Aufbesserung seiner geringen Invalidenrente habe er seit 1976 Spitzeldienste für das MfS geleistet. Bei einer privaten Besuchsreise in die Bundesrepublik habe er auftragsgemäß die Kontrollmaßnahmen des Bundesgrenzschutzes bei der Einund Ausreise ausgekundschaftet sowie an seinem Reiseziel militärische Objekte ausgespäht. Nach seiner Rückkehr habe er einen ausführlichen Bericht anfertigen müssen. Seine letzte Besuchsreise in die Bundesrepublik habe er mit dem Auftrag antreten müssen, einen Bundesbürger abzuklären, der private Kontakte in die DDR unterhalte. In Einzelfällen statten die gegnerischen Nachrichtendienste noch berufstätige Personen mit gefälschten "Invalidenausweisen" aus und schicken sie zur Erledigung nachrichtendienstlicher Aufträge ins Bundesgebiet. Ein 58jähriger Bauingenieur aus Berlin (Ost) wurde am 10. April in Flensburg festgenommen, nachdem er versucht hatte, einen Offizier der Bundesmarine für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit anzuwerben: Er gab an, 1955 als NVA-Offizier vom MfS als Informant angeworben worden zu sein und seit ca. 1965 mit dem Sowjetischen Nachrichtendienst (SND) zusammenzuarbeiten. Man habe ihm die Möglichkeit eines Besuches seiner in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Schwester in Aussicht gestellt, wenn er sich zur Ausführung eines Auftrages im Bundesgebiet bereit erkläre. Obwohl er noch berufstätig sei, habe er vom SND einen Schwerbeschädigtenausweis erhalten, der ihn als Invalidenrentner auswies. Bei einem Kurzbesuch in Berlin (West) habe er sich auftragsgemäß mit den dortigen Verhältnissen vertraut gemacht und Reiseutensilien gekauft. Nach dem Besuch seiner Schwester habe er den Marineoffizier in Flensburg aufgesucht, um diesen für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit anzusprechen. Es kann sicher davon ausgegangen werden, daß auch das MfS sich dieser Methode bedient. III. Legale Residenturen kommunistischer Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland 1. Übersicht In der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) unterhalten gegenwärtig elf kommunistisch regierte Staaten in 19 verschiedenen Orten über 100 amtliche Einrichtungen mit fast 1.500 Mitarbeitern. Hierzu zählen diplomatische-, konsularischeund Handelsvertretungen, Militärmissionen, Büros von Reiseunternehmen und Luftverkehrsgesellschaften, Agenturen staatlicher Wirtschaftsorganisationen sowie Vertretungen von Presse, Rundfunk und Fernsehen. In diesen Einrichtungen gibt es seit ihrem Bestehen Stützpunkte der Nachrichtendienste der Entsendestaaten, sogenannte Legale Residenturen. Diesen Legalen Residenturen sind zwischen 8 % und über 50 % der Mitarbeiter der jeweiligen amtlichen Einrichtungen eines Staates zuzuordnen. Der An138 teil der Nachrichtenoffiziere ist unter den Diplomaten besonders hoch, weil die Vorrechte und Befreiungen, die diese Personengruppe genießt, die Spionagetätigkeit erleichtert und sie vor Strafverfolgung schützt. Im Berichtsjahr haben Mitarbeiter kommunistischer Nachrichtendienste, die in den Westen übergetreten sind, wichtige Angaben über Struktur, Personal und Arbeitsweise ihrer Dienste im westlichen Ausland gemacht. Die Informationen bestätigen und ergänzen die seit Jahren vorliegenden Erkenntnisse, wonach den Legalen Residenturen der kommunistischen Nachrichtendienste neben der offenen Ausspähung des Gastlandes die Hauptlast der Anbahnung, Werbung und Führung von Agenten im Gastland sowie die Erledigung nachrichtendienstlicher Unterstützungsaufgaben zufallen. Die vielfältigen Kontaktmöglichkeiten zwischen legal getarnten Nachrichtenoffizieren kommunistischer Staaten und Deutschen in allen Bereichen bieten gute Voraussetzungen sowohl für die offene Gesprächserkundung als auch für die Agentenwerbung. Auch Mitarbeiter der Vertretungen, die dem Nachrichtendienst ihres Staates nicht angehören, können zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit verpflichtet werden, wenn sie im Rahmen ihrer offiziellen Tätigkeit Kontakte zu nachrichtendienstlich interessierenden Personen erhalten. Damit haben die kommunistischen Nachrichtendienste die Möglichkeit, alle Angehörigen der Vertretungen ihres Staates für ihre Zwecke zu verwenden. 2. Neue Erfahrungen und Erkenntnisse 2.1 Sowjetische Militärmissionen (SMM) Die bei den Oberbefehlshabern der Stationierungsstreitkräfte der Drei Mächte akkreditierten Sowjetischen Militärmissionen in der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Bünde, Frankfurt/Main und Baden-Baden haben einen Personalstand von insgesamt 30 Offizieren und 21 Hilfskräften. Einen bedeutenden Teil ihrer Aktivitäten widmen sie der offenen Ausspähung von militärischen Anlagen sowie Manövern in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch von Objekten des Bundesgrenzschutzes und zivilen Einrichtungen. Angehörige der SMM erfüllen zumindest nachrichtendienstliche Unterstützungsaufgaben. Einen Beleg hierfür bieten die Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren gegen Horst M.: Am 7. Mai 1978 wurden der technische Angestellte Horst M. und die Angestellte Marita St. wegen Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit festgenommen. M. ist geständig, seit 1969 für den sowjetischen militärischen Nachrichtendienst (GRU) tätig gewesen zu sein. Marita St. gab zu, von Anfang 1976 bis April 1978 bewußt -- teilweise aus eigener Initiative -- ihrem Bekannten Horst M. Unterlagen aus ihrem Arbeitsbereich bei einer Stadtverwaltung übergeben zu haben. Gegen beide Beschuldigten erging Haftbefehl. Bei Horst M. wurden u.a. Funkpläne, Chiffrierunterlagen, Kontaktpapier und Material zur Sichtbarmachung und zum Lesen von Kleinstfotos (Mikraten) 139 sichergestellt. Außerdem war er im Besitz eines Funk-Schnell-Sendegeräts, das er vergraben hatte. In einem "Toten Briefkasten" hatte er Verratsmaterial zur Übermittlung an seine Führungsstelle abgelegt. Ausbildung und Ausrüstung deuten darauf hin, daß M. als Funker für den Spannungsfall vorgesehen war. M. hatte den Generalauftrag, Erkenntnisse über die Bundeswehr zu sammeln, Sprengschächte an Brücken zu erkunden, Zeitungen auf militärische Informationen auszuwerten, militärische Anlagen auszuspähen, NATO-Manöver zu beobachten und EDV-Unterlagen aus dem Arbeitsbereich der Marita St. zu beschaffen. Diese Aufträge wurden M. bei Treffs in der DDR, ab Ende 1973 auch durch Funk, erteilt. Die Verbindung zwischen M. und seinen Auftragsgebern und der Austausch von Material erfolgte -- soweit nicht Treffs in Berlin (Ost) und in der DDR wahrgenommen wurden -- über Funk, Mikropunkt, unverfängliche Kartengrüße, Berichte in Geheimschrift an Deckadressen in der DDR, über Magdeburger Fernsprechanschlüsse und über "Tote Briefkästen". Angehörige der Sowjetischen Militärmission waren an dieser nachrichtendienstlichen Operation beteiligt. So gab M. an, bei einem Treff mit seinem Führungsoffizier in der DDR gefragt worden zu sein, warum er einen bestimmten "Toten Briefkasten" nochmals beschickt habe, obwohl im gesagt worden sei, dieser liege im Sperrgebiet. Der Führungsoffizier erklärte ausdrücklich, daß es sich bei Sperrgebieten um Zonen handele, in denen sich Angehörige der SMM nicht aufhalten dürften. M. wurde angewiesen, das Material künftig an einem Ort außerhalb des Sperrgebietes zu vergraben. 2.2 Fall PACEPA Im Juli 1978 kehrte der stellvertretende Leiter des Rumänischen Auslandsnachrichtendienstes (DIE), Generalleutnant Ion PACEPA, von einer Auslandsreise nicht nach Rumänien zurück. Danach wurden mehrere in der Bundesrepublik Deutschland tätige DIE-Agenten gewarnt und zur Rückkehr nach Rumänien aufgefordert. Sie verließen, teilweise unter Zurücklassen ihrer persönlichen Habe, überstürzt das Bundesgebiet. Unter den zurückberufenen Agenten sind Techniker, die offensichtlich den Auftrag hatten, über Entwicklungen im wissenschaftlich-technologischen Bereich zu berichten. 2.3 Jugoslawische Vertretungen In der Jugoslawischen Botschaft, in elf konsularischen Vertretungen sowie in der Jugoslawischen Militärmission in Berlin (West) mit insgesamt 250 Mitarbeitern unterhalten die jugoslawischen Nachrichtendienste Legale Residenturen. Diese Residenturen beobachten nicht nur Einzelpersonen und Gruppierungen der "regimefeindlichen" Emigration, sondern auch im Bundesgebiet tätige jugoslawische Arbeitnehmer. Sie bedienen sich hierbei eigener Landsleute ebenso wie deutscher Auskunftspersonen. Bei jugoslawischen Arbeitnehmern ergibt sich die Möglichkeit der nachrichtendienstlichen Nutzung besonders dann, wenn die Betroffenen die Dienste ihrer Vertretungen in Anspruch nehmen müssen, so bei Paßverlängerungen. Bei diesen Gelegenheiten werden sie häufig Ausforschungsgesprächen unterzogen. 140 IV. Festnahmen Im Jahre 1978 kam es im Bundesgebiet und Berlin (West) zur Festnahme von insgesamt 17 Personen wegen des Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit für einen gegnerischen Nachrichtendienst. Nachfolgend sollen einige Fälle beispielhaft geschildert werden: 1. Am 1. März wurde in München eine 1976 aus der DDR geflüchtete DiplomPhilologin und Dolmetscherin wegen Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit festgenommen. Sie war 1976 mit Unterstützung eines Fluchthelferunternehmens in die Bundesrepublik gekommen. Sie offenbarte einen langjährigen nachrichtendienstlichen Kontakt als MfS-Informantin: Im Jahre 1971 sei sie bei dem Versuch, über Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland zu flüchten, festgenommen und an die DDR ausgeliefert worden. Sogleich habe das MfS versucht, sie für eine Mitarbeit anzuwerben. Dies habe sie jedoch abgelehnt. Nachdem sie Ende 1972 aufgrund einer Amnestie vorzeitig aus der Haft entlassen worden sei, habe sie das MfS erneut zu einer Zusammenarbeit aufgefordert. Da sie befürchtet habe, bei einer Weigerung ihren Arbeitsplatz zu verlieren, habe sie eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Sie habe den Auftrag erhalten, im Rahmen ihrer Tätigkeit als Fremdenführerin über westliche Touristen zu berichten. Später habe sie auftragsgemäß Verbindung zu Fluchthelfern aufgenommen und sei schließlich -- mit Wissen des MfS -- aus der DDR "ausgeschleust" worden, um über Organisation, Methoden und Fluchtwege zu berichten. Nach etwa einem halben Jahr habe sie wieder in die DDR zurückkehren sollen. Bei der damaligen Befragung verheimlichte sie, daß sie wenige Tage nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik -- entsprechend der mit ihrem Führungsoffizier getroffenen Absprache -- mit einem Kurier zusammengetroffen war. Die weiteren Ermittlungen ergaben, daß sie den Auftrag hatte, in der Bundesrepublik Deutschland Bekanntschaften zu Personen des öffentlichen Lebens zu suchen. Bei ihr wurde umfangreiches Anschriftenmaterial sichergestellt, darunter eine Telefonnummer, durch die ihre Verbindung zum MfS untermauert werden konnte. Sie wurde am 18. August vom 3. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. 2. Bei Ermittlungen wegen illegalen Waffenhandels wurden am 3. April die beiden Immobilienmakler Melita R. und Friedhelm P. wegen Verdachts der geheimdienstlichen Tätigkeit für den sowjetischen Nachrichtendienst KGB festgenommen. Es erging gegen beide Haftbefehl. P. hatte der R. eine Dokumentation über ein Feuerleitsystem für den Kampfpanzer "LEOPARD" übergeben. Die Dokumentation, die bei der Festnahme sichergestellt werden konnte, ist das Ergebnis der Zusammenarbeit führender deutscher Firmen zur Entwicklung eines eigenen Systems. 141 R. ist geständig, seit 1974 nachrichtendienstlich verpflichtet zu sein. Sie will bei Führungstreffs mit ihren Auftraggebern in Moskau, Riga, Frankfurt/M. und zuletzt Ende März in Wien in erster Linie über US-Soldaten und eine Organisation von Exilrussen in der Bundesrepublik Deutschland berichtet haben. Zur Verbindungsaufnahme mit ihrer Führungsstelle habe sie eine Moskauer Telefonnummer erhalten. Dorthin habe sie auch den Erhalt der o.g. Dokumentation melden wollen. P. hat nach seinen Angaben die Dokumentation von zwei Mittelspersonen erhalten. R. habe ihm dafür 50.000,-DM geboten. Aufgrund des sichergestellten Beweismaterials steht fest, daß R. nicht erst seit 1974, sondern bereits seit 1969 Kontakt zum KGB hatte und sie bereits damals eine umfassende nachrichtendienstliche Schulung, so in der Anfertigung von Dokumentenaufnahmen, erhalten hat. Auch ihre Aktivitäten als "Tipperin" amerikanischer Soldaten gehe auf jene Zeit zurück. Im übrigen galt ihr Interesse nicht nur den deutschen Kampfpanzern "LEOPARD" 1 und 2, sondern auch dem amerikanischen Panzer "XM1". Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. 3. Nach Vorermittlungen eines Landesamtes für Verfassungsschutz wurde am 3. März ein 36jähriger Maschinist wegen Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit festgenommen. Er hat zugegeben, im Januar 1975 Kontakt zum MfS erhalten zu haben, nachdem er bei einem Besuch in Berlin (Ost) wegen eines Devisenvergehens aufgefallen sei. Unter Zwang habe er sich schriftlich zur Mitarbeit verpflichtet. In der Folgezeit habe er auftragsgemäß Personen und Wohnhäuser in Berlin (West) und im Bundesgebiet abgeklärt und Fotos hergestellt. Des weiteren sei er einmal nach Zürich gefahren, um dort mit einem Taxifahrer Kontakt aufzunehmen. Ziel der Aufträge sei es gewesen, Einzelheiten über Fluchthilfeorganisationen in Erfahrung zu bringen. Bei monatlichen Treffs in der Wohnung seiner Tante in Berlin (Ost) habe er die Ergebnisse seiner Aufklärungstätigkeit seinem Führungsoffizier abgeliefert. Außer einer großzügigen Spesenerstattung habe er für die Erledigung der einzelnen Aufträge bis zu 300,-DM, insgesamt ca. 3.500,-DM Verratsgeld erhalten. Auf Weisung der Führungsstelle sei der Kontakt im Jahre 1977 eingestellt worden, um ihn zu gegebener Zeit wieder zu erneuern. Das Gericht verurteilte ihn am 14. September zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. 4. Am 8. Mai wurde die Inhaberin eines "Massagesalons" wegen Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit für den sowjetischen Nachrichtendienst vorläufig festgenommen. Nach ihren bisherigen Aussagen hat sie im Jahre 1969 anläßlich einer Urlaubsreise in die UdSSR bei einem Zwischenaufenthalt in Berlin (Ost) das sowjetische Konsulat aufgesucht und dort die Erlaubnis erlangt, über die gebuchte Gruppenreise hinaus acht Tage allein in der Sowjetunion bleiben zu dürfen. In Moskau habe sie über das "INTOURIST"-Büro Kontakt zu einem russischen Staatsangehörigen erhalten, der sich mit dem Namen 142 "Allan DAVID" vorgestellt habe. Durch "DAVID", der Kenntnis von ihrem bordellähnlichen Betrieb gehabt habe, sei sie zur Mitarbeit für das KGB angeworben worden. "DAVID", der in der Folgezeit ihr Führungsoffizier gewesen sei, habe sie beauftragt, in Bonn einen weiteren Bordell-Betrieb einzurichten und über interessante Kunden zu berichten und Kompromate zu beschaffen. Sie habe daraufhin einen entsprechenden Betrieb in Bonn eröffnet und auftragsgemäß dem KGB über ihren Kundenkreis berichtet. Bis 1972 habe sie mehrmals Treffs in der Sowjetunion und in Berlin (West), die als Urlaubsreisen getarnt gewesen seien, wahrgenommen. Ende 1972 habe sie ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit beendet. Bei den Hausdurchsuchungen wurde umfangreiches ND-Material sichergestellt. In ihrem ersten "Massagesalon" bestanden neben Abhöranlagen die Voraussetzungen für Filmaufnahmen. 5. Nach umfangreichen Vorermittlungen des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg wurde am 26. August ein Ehepaar aus dem Raum Stuttgart wegen Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit von Beamten des Landeskriminalamtes festgenommen. Gegen beide erging Haftbefehl. Bei den Beschuldigten, die sich auf der Reise nach Berlin -- vermutlich zu einem nachrichtendienstlichen Treff in Berlin (Ost) -- befanden, wurden Verratsmaterial und eine Deckadresse in der DDR sichergestellt. Der Ehemann machte vor der Polizei folgende Angaben: Er sei 1975 bei einem Besuch seines Vaters in der DDR von Mitarbeitern des MfS nachrichtendienstlich angesprochen und verpflichtet worden. Auftragsgemäß habe er auch seine damalige Freundin und jetzige Ehefrau dem MfS zugeführt. Er selbst habe Adressenmaterial zur Verfügung gestellt, das ihm aus seiner damaligen Beschäftigung als Anzeigenvertreter eines Verlags zugänglich gewesen sei, während seine Ehefrau Informationen aus ihrem Arbeitsbereich bei einer Firma für Meßund Regeltechnik -- von dort stammt auch das sichergestellte Verratsmaterial -- geliefert habe. Darüber hinaus hätten sie persönliche Daten aus dem Bekanntenund Kollegenkreis weitergeleitet. Ziel der Führungsstelle sei es gewesen, die Ehefrau als Sekretärin in den öffentlichen Dienst oder Betrieb der chemischen Industrie einzuschleusen. Zur Vorbereitung habe sie auf Kosten des MfS verschiedene Ausbildungskurse für Fremdsprachensekretärinnen absolviert. Die Haftbefehle gegen die Beschuldigten wurden zwischenzeitlich außer Vollzug gesetzt. 6. Am 12. Oktober wurde in Hamburg ein angeblicher Mitarbeiter des DDRTransport-Unternehmens VEB DEUTRANS, Rostock, wegen Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit festgenommen. Es erging Haftbefehl. Der Beschuldigte war zunächst Kindern aufgefallen, als er über mehrere Tage aus einem Pkw heraus in einem Hamburger Wohnviertel Beobachtungen durchführte und mit einem Teleobjektiv fotografierte. Als er sich dabei beobachtet fühlte, verbarg er sein Gesicht hinter einer bereitgehaltenen Zeitung. 143 Bei der Festnahme wies er sich mit einem DDR-Reisepaß aus, der ein Visum zur mehrmaligen Ausreise aus der DDR enthält. Er verweigert bisher die Aussage zur Sache und gab lediglich an, im Auftrag der DEUTRANS mit verschiedenen Hamburger Unternehmen Kontaktgespräche geführt zu haben. Auf Anweisung seiner Firma sei er jedoch nicht berechtigt, darüber nähere Angaben zu machen. Außerdem habe er sich mit einer ihm bekannten verheirateten Frau treffen wollen. Mit Rücksicht auf deren Ehe sei er nicht bereit, ihre Identität preiszugeben. Diesen persönlichen Kontakt habe er gegenüber seiner Firma verschwiegen, um als neues Mitglied des Reisekaders die Genehmigung zur Reise nicht in Frage zu stellen. Bei dem Beschuldigten wurden eine als Container präparierte Spraydose sichergestellt, die einen Kleinbildfilm enthielt. Die Auswertung des Filmes ergab, daß der Beschuldigte Personenabklärungen vorgenommen hat. 7. Nach Vorermittlungen der Niedersächsischen Landesbehörde für Verfassungsschutz wurde am 26. November in Köln ein aus der DDR eingereister angeblicher Lehrer wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit für einen DDR-Nachrichtendienst festgenommen. Es erging Haftbefehl. Der Beschuldigte wies sich mit einem gefälschten behelfsmäßigen (Westberliner) Personalausweis aus, der auf die Daten einer in Berlin (West) lebenden Person ausgestellt war. Er führte außer einem Geldbetrag von 610,-DM einen separat davon aufbewahrten Betrag in Höhe von 2400,-DM (100--DM-Scheine) bei sich. Zunächst hat der Beschuldigte sich dahin eingelassen, er halte sich zu Bildungszwecken im Bundesgebiet auf, um sich auf einen möglichen wissenschaftlichen Auslandseinsatz für das "Institut für Internationale Beziehungen", Potsdam, vorzubereiten. Inzwischen hat er eingeräumt, seit etwa zwei Jahren für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR tätig und in der Vergangenheit bereits mehrfach mit gefälschten Papieren mit nachrichtendienstlichen Aufträgen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Nach Rückkehr habe er detaillierte Berichte über seine Wahrnehmungen im Zusammenhang mit den Grenzkontrollen während der Bahnreisen bzw. auf den Flughäfen an seinen Führungsoffizier abliefern müssen. Zu weiteren Angaben ist er nicht bereit; angeblich war der separate Geldbetrag lediglich für die Ausstattung mit westlicher Kleidung bestimmt. V. Verurteilungen Im Berichtsjahr wurden insgesamt 30 Personen wegen Landesverrats und Gefährdung der äußeren Sicherheit gem. SSSS 93 ff StGB verurteilt. Nachfolgend sollen einige der bedeutendsten Fälle geschildert werden: 144 1. KAHÜG-SCHEFFLER / Eheleute GOSLAR Am 5. Oktober verurteilte der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf die ehemalige Sekretärin im Bundeskanzleramt Dagmar KAHLIGSCHEFFLER wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Die zu ihrer nachrichtendienstlichen Führung aus der DDR eingeschleusten Eheleute Peter und Gudrun GOSLAR alias ROGE erhielten drei Jahre bzw. ein Jahr und 10 Monate Freiheitsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß KAHLIGSCHEFFLER von 1976 bis zu ihrer Verhaftung im Mai 1977 Auszüge aus zahlreichen Verschlußvorgängen bis zur Stufe "Geheim" an das Ostberliner MfS verraten hat (vgl. dazu "Erkenntnisse aus der Spionagebekämpfung 1977", S. 24 ff). Durch rechtskräftiges Urteil vom 4. Mai 1979 sind KAHLIG-SCHEFFLER zu 4 Jahren und 5 Monaten und die Eheleute GOSLAR zu 4 Jahren bzw. 2 Jahren und 3 Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden. 2. DIFFERT Am 18. April wurde der Diplom-Ingenieur Rodrik DIFFERT vom 3. Strafsenat des OLG Celle wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil wurde rechtskräftig. DIFFERT war zuletzt bis zu seiner Verhaftung am 23. Mai 1977 als Unterabteilungsleiter in der Firma ERNO-Raumfahrttechnik GmbH Bremen beschäftigt. Nach den Feststellungen des Gerichts war DIFFERT bereits im Jahre 1959 während seines Studiums als sog. Perspektivagent nachrichtendienstlich verpflichtet worden. Ab 1968 kam es dann zu konkreten nachrichtendienstlichen Aufträgen, nachdem DIFFERT eine Arbeitsstelle bei der Firma VFW FOKKER in Bremen gefunden hatte. Bei regelmäßigen Treffs in Berlin (Ost), später über "Tote Briefkästen", übermittelte der Angeklagte seiner Führungsstelle Informationen aus seinem Arbeitsbereich, den Flugzeug-, Raketenund Satellitenbau, u.a. über die Trägerrakete EUROPA 1, AIRBUS, TRANSALL, VFW 614, das Mehrzweckkampfflugzeug MRCA, den OTS-Satellit und SPACELAB. Bei der Straffestsetzung wurde vom Gericht strafmildernd das weitgehende Geständnis des Angeklagten berücksichtigt sowie die Tatsache, daß die weitergegebenen technischen Unterlagen nicht als Verschlußsache gekennzeichnet waren. 3. SKOTTKE Am 4. Dezember wurde der Elektroniktechniker Robert SKOTTKE vom 3. Strafsenat des OLG Celle wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Diebstahls von Elektronikerzeugnissen zum Nachteil seiner Beschäftigungsfirma zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Das Urteil wurde rechtskräftig. SKOTTKE war bis zu seiner Festnahme am 23. Mai 1977 Leiter des Fertigungslabors bei der Firma SENNHEISER-Elektronik, einem Betrieb, der 145 u.a. Aufträge für die Bundeswehr ausführt. Nach den Feststellungen des Gerichts war er seit 1963 Agent des Militärischen Nachrichtendienstes der DDR und wurde von diesem umfassend nachrichtendienstlich geschult. Nach seinen eigenen Angaben hat er für seine nachrichtendienstliche Tätigkeit insgesamt 75.000,-DM Agentengelder erhalten. 4. GRUNERT Am 21. Dezember wurde der frühere Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) vom 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß sich GRUNERT zwischen 1971 und 1977 mindestens dreißigmal zu "konspirativen Treffs" in Ostberlin mit Mitarbeitern der Hauptabteilung II des MfS getroffen habe. GRUNERT hatte sich eingelassen, er habe sich zu Privatgesprächen mit seiner in der DDR lebenden Schwester in Berlin (Ost) getroffen und mit dem Mitarbeiter des FDGB, Heinz TEICHMANN, Gespräche geführt, um eine Einladung des BDK durch den FDGB zu erreichen. Insbesondere die Tatsache, daß bereits bekannte Telefonnummern des MfS in GRUNERTS Notizbuch verzeichnet waren, führte zu seiner Verurteilung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. VI. Beurteilung Das Gesamtergebnis der Abwehrarbeit von Bund und Ländern im Jahre 1978, das sich nicht nur auf die einer breiten Öffentlichkeit bekanntgewordenen herausragenden Fälle beschränkt, belegt die anhaltende Spionagetätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland durch kommunistische Nachrichtendienste. Bei der Aufklärung gegen die Bundesrepublik Deutschland steht die DDR weiter an erster Stelle. Knapp Dreiviertel aller Spionageaufträge werden von ihr erteilt, in allen im Jahre 1978 von den Gerichten abgeurteilten Fällen wurden als Auftraggeber die Nachrichtendienste der DDR festgestellt. Nach dem Übertritt des MfS-Offiziers STILLER steht fest, daß die Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage innerhalb der nachrichtendienstlichen Tätigkeit der DDR einen besonderen Rang einnimmt und in großem Umfang der DDR-Wirtschaft zugute kommt. Die Abwehrerfolge des Jahres 1978 beruhen auf der guten Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, die sich auf verbesserte Analysen gegnerischer Ziele und Methoden sowie auf die gemeinsame Durchführung operativer Aufgaben stützt. 146 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 1978 I. Allgemeine Erfahrungen 1. Terrorismus und Gewaltanwendung im internationalen Bereich Im Vergleich zum Vorjahr nahm 1978 die Anzahl der von Ausländern außerhalb ihres Heimatstaates aus politischen Motiven verübten Gewaltund Terrorakten zu. Der gegen Israel gerichtete Untergrundkampf palästinensischer Organisationen ging auch außerhalb des nahöstlichen Bereichs weiter und führte am 20. 8. 1978 in London zu einer blutigen Gewalttat. Vor einem Hotel griffen zwei Terroristen der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) die Besatzung eines Luftfahrzeugs der israelischen Fluggesellschaft EL-AL mit Maschinenpistolen und Handgranaten an. Dabei fanden eine Stewardess und ein Angreifer den Tod. Innerhalb des palästinensischen Lagers kam es zu schweren gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der palästinensischen Widerstandsorganisation AL FATAH und einer von ABU NIDHAL geleiteten, auch unter dem Namen "Schwarzer Juni" bekanntgewordenen pro-irakischen FATAH-Dissidentengruppe. In London wurde der dortige, als gemäßigt geltende Repräsentant der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO), Said HAMMAMI, von einem Palästinenser erschossen. Es folgten Vergeltungsanschläge gegen irakische Diplomaten in Westeuropa. Am 28. Juli war der irakische Botschafter in London Ziel eines fehlgeschlagenen Handgranatenanschlags. Kurz danach überfiel ein Palästinenser die Irakische Botschaft in Paris. Im Verlauf der Gewalttat wurden durch Schüsse irakischer Sicherheitsbeamter ein französischer Polizist getötet und der Palästinenser schwer verletzt. Am 3. August 1978 drangen zwei Palästinenser in das Gebäude der "Liga der Arabischen Staaten" in Paris ein und ermordeten den PLO-Repräsentanten sowie seinen Stellvertreter. Vermutlich Angehörige der FATAH versandten schließlich Anfang September Sprengstoffbriefe an die Irakischen Botschaften in Bonn und London. Wiederum verübten Jugoslawen in anderen Staaten politisch motivierte Gewaltund Terrorakte. Am 16. Januar 1978 wurde in Chikago ein Redakteur des Organs des "Serbischen Nationalbundes" (SNO) ermordet aufgefunden. Die heftigen Reaktionen der kroatischen Emigration auf das jugoslawische Ersuchen, Exilkroaten aus der Bundesrepublik Deutschland an Jugoslawien auszuliefern, fanden am 17./18. August 1978 mit der Besetzung des Deutschen Generalkonsulats in Chikago und der Geiselnahme von acht Konsulatsangehörigen ihren Höhepunkt. 147 Am 17. Oktober 1978 wurde der Funktionär des "Kroatischen Nationalrates" (HNV), Bruno BUSIC, in Paris ermordet. 2. Bestrebungen und Entwicklungstendenzen bei Vereinigungen ausländischer Extremisten im Bundesgebiet. Der ganz überwiegende Teil der rd. 4 Mio im Bundesgebiet lebenden Ausländer verhält sich im Gastland gesetzestreu. Nur ein zahlenmäßig geringer Anteil von extremistischen oder zumindest in extremistischen Vereinigungen organisierten Ausländern beteiligt sich an sicherheitsgefährdenden Bestrebungen oder an Aktivitäten, die außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen. Die Mitgliederzahl ausländischer extremistischer Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland nahm 1978 zu. Italienische, griechische, spanische und türkische Vereinigungen im Bereich des orthodoxen Kommunismus sowie die vom türkischen nationalistischen Extremismus beeinflußten Vereinigungen wiesen einen stärkeren Mitgliederzuwachs auf. Zum mitgliederstärksten ausländischen Dachverband mit europäischem Aktionsrahmen entwickelte sich die von der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) beeinflußte "Föderation Demokratischer Türkischer Idealistenvereinigungen in Europa" (ADÜTDF). Unter den hier lebenden türkischen Linksund Rechtsextremisten nahm parallel zu den schweren Konflikten zwischen rivalisierenden politischen Kräften in der Türkei die polemisch geführte Agitation an Heftigkeit zu. Es bestehen Anzeichen dafür, daß diese Polarisierung vermehrt zu Gewaltanwendung führt. Exiljugoslawische Extremisten verstärkten ihre Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere versuchten sie nach dem Ersuchen Jugoslawiens, 8 Exiljugoslawen auszuliefern, u.a. durch Drohung mit schweren Gewalttaten, die Entscheidung der Gerichte und der Bundesregierung zu beeinflussen. Das Deutsche Generalkonsulat in Chicago wurde am 17./18. 8. 1978 durch in den USA lebende Exilkroaten besetzt, 8 Konsulatsangehörige wurden als Geiseln genommen. Nach der endgültigen Entscheidung über das Auslieferungsersuchen Jugoslawiens gingen die Aktivitäten zwar zurück, die gegen den jugoslawischen Staat gerichtete Gewaltpropaganda hält jedoch an. Die politischen Aktivitäten extremistischer Ausländergruppen richten sich vorwiegend gegen die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in ihren Heimatstaaten. Sie agitieren mitunter aber auch gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die schärfsten Angriffe gegen die Bundesrepublik Deutschland gingen von maoistischen und Sozialrevolutionären Gruppierungen aus. Ihr "antiimperialistischer Kampf" bildet die Grundlage für die sich weiter festigende Solidarität mit deutschen militanten Extremisten. Diese Solidarität kam 1978 verstärkt in gemeinsamen Demonstrationen zum Ausdruck, bei denen es auch zu Gewaltanwendung kam. Die Zahl der von Ausländern im Bundesgebiet verübten schweren Gewaltakte (Sprengstoffund Brandanschläge) sowie Körperverletzungen nahmen zu. An den Gewalttaten, unterhalb der Schwelle von Terrorakten, insbeson148 dere Körperverletzungen waren vorwiegend iranische Extremisten beteiligt. Daneben waren kroatische, irische, arabische und afrikanische Extremisten für Gewaltakte verantwortlich. II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationsstand Bei der Bewertung der nachfolgend wiedergegebenen Mitgliederzahlen ist zu berücksichtigen, daß sich die Ausländer den genannten Organisationen aus den verschiedensten Beweggründen anschließen, ohne immer von der Ideologie und den Zielen der jeweiligen Organisation überzeugt zu sein. Sie suchen vielfach nur den geselligen Anschluß und die Betreuung durch die Organisation, sind damit aber extremistischer Beeinflussung ausgesetzt. Die Entwicklung des ausländischen Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland führte zu einigen neuen Zusammenschlüssen, in bestehenden Vereinigungen zur Änderung der Intensität des extremistischen Einflusses oder in Einzelfällen sogar zur Auflösung von Vereinigungen. Ende des Jahres 1978 bestanden im Bundesgebiet insgesamt 146 extremistische Ausländervereinigungen mit 1.218 örtlichen Zweiggruppen. Näheres zeigt nachfolgende Übersicht: Statistik des Organisationsstandes ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen im Bundesgebiet Nationalität Organisationen Aktive Zweiggruppen 1976 1977 1978 1976 1977 1978 Ostemigration 11 12 1 6 6 -- Jugoslawien 17 19 15 73 85 100 Spanien 113 12 12 127 112 111 Portugal 4 3 3 10 16 15 Italien 21 12 9 184 183 181 Griechenland 21 20 17 239 230 182 Türkei 33 34 24 197 297 331 Iran 8 15 16 41 86 79 Arabische Staaten 25 21 21 95 70 76 Sonstige Staaten 40 37 26 145 95 127 Multinationale 4 2 2 13 16 16 Insgesamt: 297 187 146 1130 1196 1218 149 Ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland 1973 1971 1969 19661 1965 n968 1967 o o o o o o o 991 300 089 000 o o o o o o o O O o o o 00 o o ÜBRIGE STAATEN 354000 ^ Von den 146 extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländervereinigungen sind 31 orthodoxbzw. nationalkommunistisch orientiert, 95 sind der ausländischen "Neuen Linken" bzw. nationalen Befreiungsbewegungen mit sozialrevolutionärer Ausrichtung zuzurechnen und 20 Vereinigungen sind rechtsextremistisch oder nationalistisch. 15 (Vorjahr: 24) der erfaßten 146 Organisationen halten ihre Aktivitäten weitgehend verdeckt und bedienen sich konspirativer Methoden. Statistik der ausländischen Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen nach ihrem politisch-ideologischen Standort Nationalität OrthodoxGruppen der Rechtsu. national"Neuen Linken" u. extremistische kommunistische sozialrevolutionäru. nationalistische Gruppen nationalistische Gruppen Organisationen 1977 1978 1977 1978 1977 1978 Ostemigration 5 -- -- 7 1 Jugoslawien 1 -- 2 2 16 13 Spanien 4 3 8 9 -- -- Portugal 1 1 2 2 -- -- Italien 4 3 5 5 3 1 Griechenland 9 10 9 5 2 2 Türkei 11 4 17 17 6 3 Iran 2 2 13 14 -- -- Arabische Staaten 1 1 20 20 -- -- Sonstige Staaten 15 7 21 19 1 -- Multinationale -- -- 2 2 -- -- insgesamt: 53 31 99 95 35 20 2. Mitgliederentwicklung Die gegenwärtige Gesamtstärke der ausländischen Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen im Bundesgebiet wird auf 81.500 (1977: 57.800) geschätzt. Die Zahl der Mehrfachmitgliedschaften konnte dabei nicht zuverlässig ermittelt und daher nicht berücksichtigt werden. Zu beachten ist, daß es sich nicht stets um förmlich begründete Mitgliedschaften handelt. Auch kann, insbesondere bei den extremistisch beeinflußten Organisationen, nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden, daß alle 151 Die Mitgliederentwicklung bei den ausländischen Extremistengruppen 1970--1978 90.000 81 500 MITGLIEDER 80. 0 00INSGESAMT 70. 00060 00050 00 MITGLIEDER ORTHODOX41000 KOMMUNIST. 10 000 GRUPPEN UND VON IHNEN BEEINFLUSSTE 30 000VEREINIGUNGEN 27 900 MITGLIEDER RECHTSEXTREMER BZW. NATIONALIST. 20 000 GRUPPEN U.VON IHNEN BEEINFLUSSTE VEREINIG. 12 600 MITGLIEDER 10 0 00"NEUEN LINKEN" UND VON IHR BEEINFLUSSTE GRUPPEN 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 152 Mitglieder bzw. Anhänger selbst Extremisten sind und sich voll mit Zielsetzung und Ideologie der Vereinigung identifizieren. Statistik der Stärke ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen in den Jahren 1977 und 1978 Nationalität Mitglieder 1976 1977 1978 Ostemigranten 1.100 1.050 150 Jugoslawien 1.350 1.700 1.700 Spanien 7.900 2.650 5.800 Portugal 200 200 250 Italien 16.400 14.900 15.850 Griechenland 18.500 17.000 15.300 Türkei 11.700 15.100 36.800 Iran 1.350 1.500 1.650 Arabische Staaten 3.300 2.350 2.350 Sonstige Staaten 1.800 1.250 1.500 Multinationale 100 100 150 Insgesamt: 63.700 57.800 81.500 Etwa 27.900 Mitglieder sind rechtsextremistischen bzw. nationalistischen Organisationen zuzurechnen. Die auffällige Veränderung bei den türkischen Extremistengruppen beruht darauf, daß die etwa 100 im Bundesgebiet bestehenden türkischen "Idealisten-Vereinigungen" entweder von der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) gegründet oder derart unter ihren Einfluß geraten sind, daß deshalb diese Vereinigungen nunmehr selbst bei der Darstellung des extremistischen ausländischen Kräftepotentials in der Bundesrepublik Deutschland erfaßt werden müssen. Bei den spanischen Extremisten wirkte sich die Wiederzulassung der "Kommunistischen Partei Spaniens" (PCE) in Spanien aus. Im übrigen entfielen auf orthodoxbzw. nationalkommunistische Ausländerorganisationen und die von ihnen beeinflußten Vereinigungen etwa 41.000 Mitglieder (1977: ca. 33.200) und auf Organisationen der "Neuen Linken" und nationale Befreiungsbewegungen mit sozialrevolutionärer Ausrichtung ca. 12.600(1977:12.900). Die Mitgliederentwicklung der extremistischen Kernund Nebenorganisationen sowie der von ihnen beeinflußten Vereinigungen nach ihrem politisch-ideologischen Standort ergibt sich aus folgender Statistik 153 Orthodox"Neue RechtsInsu. nationalLinke" u. extremigesamt kommuSozialstisch u. nistisch revolunationationäre listisch 1977 Kernorganisationen 9.200 4.550 4.300 18.050 Nebenorganisationen 600 8.100 3.200 11.900 extremistisch beeinflußte Organisationen 23.400 250 4.200 27.850 Insgesamt: 33.200 12.900 11.700 57.800 1978 Kernorganisationen 9.700 8.500 4.400 22.700 Nebenorganisationen 2.600 2.150 3.500 8.250 extremistisch beeinflußte Organisationen 28.700 1.850 20.000 50.550 Insgesamt: 41.000 12.600 27.900 81.500 3. Publizistik Die Zahl der im Bundesgebiet verbreiteten periodischen Schriften ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen ist gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen: Ende 1978 wurden 149 (1977: 181) periodische Publikationen mit einer monatlichen Gesamtauflage von schätzungsweise mindestens 160.000 (1977: rd. 190.000) Exemplaren festgestellt. Statistik der periodischen Publikationen ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen Nationalität Gesamtzahl der davon im Bundesgebiet Periodika gedruckt 1976 1977 1978 1976 1977 1978 Ostemigration 7 7 1 6 6 1 Jugoslawien 31 28 24 10 14 11 Spanien 14 7 7 2 -- -- Portugal 10 7 5 1 1 -- Italien 20 13 12 12 5 3 Griechenland 18 19 14 3 3 1 Türkei 34 44 31 22 29 20 Iran 20 31 31 11 8 7 Arabische Staaten 13 8 11 3 -- 2 Sonstige Staaten 14 16 12 10 9 4 Multinationale 2 1 1 2 1 1 Insgesamt: 183 181 149 82 76 50 154 50 dieser periodischen Schriften wurden in der Bundesrepublik Deutschland gedruckt. Ober zwei Drittel dieser Publikationen hatten linksextremistische Tendenzen. Die restlichen vertraten nationalistische bzw. rechtsextremistische Ziele. Daneben verbreiteten -- wie bisher -- ausländische Extremisten zahlreiche Flugschriften, Broschüren und sonstiges, aus aktuellem Anlaß herausgegebenes Agitationsmaterial, um auf ihre im Bundesgebiet lebenden Landsleute mitunter auch auf die deutsche Bevölkerung politisch einzuwirken. Größten Anteil an diesen Aktivitäten hatten Gruppierungen der ausländischen "Neuen Linken" und Sozialrevolutionäre Vereinigungen. Statistik der periodischen Publikationen ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen nach ihrem politisch-ideologischen Standort Nationalität Orthodox"Neue RechtsInsbzw. Linke" u. extremigesamt nationalsozial revostisch u. kommulutionärnationanistisch nationalistisch listisch Ostemigration -- -- 1 1 Jugoslawien -- 2 22 24 Spanien 2 5 -- 7 Portugal 2 3 -- 5 Italien 4 5 3 12 Griechenland 9 5 -- 14 Türkei 17 8 6 31 Iran 5 26 -- 31 Arabische Staaten -- 11 -- 11 Sonstige Staaten 4 8 -- 12 Multinationale -- 1 -- 1 Insgesamt: 43 74 32 149 Gewalttaten Während die politisch motivierten schweren Gewaltakte ausländischer Extremisten in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1977 auf 7 (1976: 21) zurückgegangen waren, stiegen sie im Jahre 1978 auf 27 an. Bei den Taten handelt es sich ausschließlich um versuchte oder vollendete Sprengstoffund Brandanschläge. Die hohe Zahl der Sprengstoffanschläge (18) verdient besondere Beachtung. 155 1. Terroristische Aktivitäten Anhängern arabischer Untergrundgruppen sind 6 Sprengstoffanschläge zuzurechnen. 3 Anschläge auf ägyptische und israelische Einrichtungen wurden vermutlich aus Protest gegen die Friedensverhandlungen zwischen Ägypten und Israel verübt: Am 2. Januar 1978 versuchten Unbekannte einen Sprengstoffanschlag auf die Ägyptische Botschaft in Bonn-Bad Godesberg. Für den Sprengstoffanschlag auf das Reisebüro "Egypt Air" (Sachschaden ca. DM 30.000,--) am 19. Januar 1978 und einen versuchten Bombenanschlag auf das Büro der israelischen Fluggesellschaft "EL-AL" in Berlin (West) am 30. März 1978 übernahm eine nicht näher bekannte Gruppe "Antiimperialistische Kämpfer für ein freies Palästina" die Verantwortung, die sich auch zu einem weiteren versuchten Sprengstoffanschlag auf das iranische Generalkonsulat in Berlin (West) am 26. April 1978 bekannte. Zwei mißlungene Bombenattentate richteten sich gegen jüdische Einrichtungen in Berlin (West) am 15. Oktober 1978. Die Irakische Botschaft in Bonn erhielt am 8. September 1978 einen Sprengstoffbrief. Exiljugoslawische Extremisten, überwiegend Kroaten, führten ihre propagandistischen und zum Teil auch gewaltsamen Aktivitäten außerhalb ihres Heimatlandes 1978 unvermindert fort. 4 Anschläge auf jugoslawische Einrichtungen, an denen Sachschaden entstand (27. März: Jugoslawisches Konsulat in Hannover; 10. April: Klubraum eines jugoslawischen Vereins in Villingen-Schwenningen; 25. Mai: jugoslawischer Klub in GaggenauOttenau; 16. Dezember: Jugoslawisches Konsulat in Freiburg) konnten noch nicht aufgeklärt werden. Die Bereitschaft einzelner fanatischer Kroaten, den politischen Kampf für die Unabhängigkeit Kroatiens mit Gewalt fortzusetzen, ergibt sich auch aus einem Sprengstoff und am 28. April in Karlsruhe, wo die Polizei bei der Durchsuchung der Wohnung eines kroatischen Extremisten u.a. 800 g Sprengstoff, 155 Sprengkapseln und 10 Exemplare eines Handbuchs für den Guerillakampf sicherstellte. Das Guerillahandbuch, das als Erscheinungsort und -jähr "Zagreb 1977" ausweist, ist "den für den Staat Kroatien gefallenen Kämpfern" gewidmet. Es enthält Anweisungen für den Guerillakampf, die Beschaffung von Waffen sowie die Herstellung von Sprengund Brandsätzen. Anzeichen zunehmender Bereitschaft zur Gewaltanwendung gibt es im Bereich türkischer Extremisten. Während einer Folklore-Veranstaltung des von der türkischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) beeinflußten "Türkischen Kulturvereins in Frankfurt und Umgebung" am 1. November 1978 in Frankfurt/M. wurde nach telefonischer Warnung ein selbstgebastelter Sprengkörper mit einer 500 g schweren explosiven Mischung gefunden, deren Zündeinrichtung versagt hatte. Die Täter konnten noch nicht ermittelt werden. An der gewalttätig verlaufenen Demonstration am 25. November 1978 in Frankfurt/M. waren türkische maoistische Gruppen beteiligt. Erstmals seit 1972 fanden wieder Anschläge irischer Terroristen in der Bundesrepublik Deutschland statt: In der Nacht vom 18. zum 19. August 1978 wurden in sieben Städten Nordrhein-Westfalens Sprengstoffanschläge gegen Einrichtungen der britischen Rheinarmee verübt. Fünf Explosionen ereigneten sich nahezu gleichzeitig. Zwei Sprengladungen detonierten nicht. Ein 156 weiterer Sprengsatz in einem Kraftfahrzeug vor einem Einkaufszentrum im "Britischen Hauptquartier" wurde erst am 25. August entdeckt. Hier hatte ebenfalls der Zündmechanismus versagt. Zu den Anschlägen bekannte sich die "Provisorische Irische Republikanische Armee" (PIRA). Für zum Teil vollendete Brandanschläge auf die Botschaft von Zaire in Bonn (26. März und 12. Juni 1978), auf das Marokkanische Generalkonsulat in Düsseldorf (13. Juni 1978), sowie auf die Gebäude der "Elsässischen Bankgesellschaft" und der "Belgischen Bank" in Köln (27728. Juni 1978) übernahm die "Armee populaire des opprimes au Zaire (APOZA) -- Brigade de L'exterieur" die Verantwortung. Sie begründete die Taten als Beitrag "zur Befreiung des zairischen Volkes vom Imperialismus". Der APOZA ist ferner der Sprengstoffanschlag auf den Zug Warschau-Paris im Hauptbahnhof Köln am 23. August 1978 zuzurechnen, bei dem Sachschaden entstand. 2. Sonstige Gewaltakte Die Ausländern zuzuschreibenden sonstigen politisch motivierten Gewaltakte haben gegenüber den Vorjahren 1978 ebenfalls zugenommen. Insbesondere stieg die Zahl der bei Aktionen extremistischer Gruppen begangenen Körperverletzungen, an denen Ausländer beteiligt waren, erheblich an. Die Masse der Gewaltakte wurde bei unfriedlichen Demonstrationen gegen einschreitende Polizeibeamte verübt. Ein großer Teil der Gewalttaten ist iranischen Sozialrevolutionären und Maoisten zuzurechnen, die Gruppierungen der "Conföderation Iranischer Studenten-National Union" (CISNU) angehören. Am 16. September schlugen bei einer Demonstration in Frankfurt/M. Anhänger der CISNU mit Gläsern, Aschenbechern und Stühlen aus Straßencafes auf Polizeibeamte ein, bewarfen sie mit Steinen und Flaschen und beschossen sie mit Stahlkugeln. 5 Polizeibeamte wurden schwer, 10 weitere leicht verletzt. Bei einer weiteren "Anti-Schah-Demonstration" iranischer Extremisten in Aachen am 17. November 1978 erlitten mehrere Polizeibeamte ebenfalls Verletzungen. Die Gewaltakte gegen die Polizei fanden ihren Höhepunkt bei einer Demonstration von Gruppierungen der CISNU in Frankfurt/M. am 25. November 1978, die von der maoistischen "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e.V." (ATÖF) sowie Gruppen der extremistischen deutschen "Neuen Linken" unterstützt wurden. 182 Polizeibeamte wurden teilweise schwer verletzt, die Zahl der verletzten Demonstranten ist nicht bekannt. Bei tätlichen Auseinandersetzungen in Rüsselsheim, Köln, Berlin, Aachen, Konstanz, Castrop-Rauxel und Stuttgart, an denen extremistische Türken, Griechen und Kurden beteiligt waren, kamen weitere Personen zu Schaden. Zu der Gruppe der Straftaten, die darauf gerichtet waren, politisch-propagandistische Wirkungen zu erzielen, gehören auch die Besetzungen der Iranischen Botschaften in Brüssel (17. August), Wassenaar/Den Haag (23. August) und Berlin (Ost) (27. Februar) sowie des Iranischen Generalkonsulats in München (6. November) durch meist in der Bundesrepublik Deutschland bzw. Berlin (West) lebende Sozialrevolutionäre oder maoistische Iraner. 157 3. Androhung von Terror und Gewalt Auch im Jahre 1978 wurde den Sicherheitsbehörden eine Vielzahl von Fällen bekannt, in denen anonyme Täter aus politischen Motiven mit Terrorund Gewaltakten gegen Politiker, Firmen sowie inund ausländische Einrichtungen drohten. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Drohungen, die häufig mit erpresserischen Forderungen verbunden waren, ging von Ausländern aus. Insbesondere nach dem jugoslawischen Ersuchen, Exilkroaten aus dem Bundesgebiet an Jugoslawien auszuliefern, kam es zu zahlreichen Gewaltandrohungen gegen Justiz, Polizei und diplomatische Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel, die Auslieferung zu verhindern. IV. Ausländergruppen mit Tendenzen zur Gewaltanwendung 1. Palästinensiche Gruppen Die Aktivitäten palästinensicher Gruppen waren auch in der Bundesrepublik Deutschland von den ägyptisch-israelischen Friedensverhandlungen bestimmt. Diese Verhandlungen stießen auf einhellige Ablehnung aller palästinensischer "Widerstandsorganisationen" und ihrer Anhänger in der Bundesrepublik Deutschland. Die insoweit übereinstimmende Haltung führte zu einer Annäherung zwischen den zuvor im wesentlichen in das Lager der bedingt kompromißbereiten Kräfte unter Führung der AL FATAH und die sog. "Ablehnungsfront" gespaltenen palästinensischen Organisationen. Bei Veranstaltungen und in Flugschriften haben die "Palästinensische Befreiungsorganisation" (PLO) und ihre Mitgliedsorganisationen, unterstützt vom "Palästinensischen Studentenverein in der BRD und Westberlin" (PSV) und der "Generalunion Arabischer Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin" (GUAS), immer wieder propagiert, eine Durchsetzung der Rechte der Palästinenser sei nur durch den bewaffneten Kampf zu erreichen. In einem unter Palästinensern verbreiteten Flugblatt des "Exekutivkomitees der PLO und der Führer der palästinensischen Widerstandsgruppen" erklärt die PLO ihre "totale Ablehnung" der Vereinbarungen von Camp David, rief "die palästinensischen Volksmassen" auf, "ihren Zorn und ihren Widerstand gegen die Verschwörung zum Ausdruck zu bringen" und drohte den Befürwortern der Friedensverhandlungen "die Strafe des Volkes" an. Im Berichtsjahr gab es Anzeichen für verstärkte Bemühungen der AL FATAH zum Aufbau von Stützpunkten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch die PFLP verfügt nach wie vor über kleinere Gruppen und einzelne aktive Anhänger im Bundesgebiet, die versuchen, ihre Tätigkeit vor deutschen Behörden zu verbergen. Die Palästinensischen Gruppen setzten auch 1978 ihre Agitation gegen die Politik der Bundesregierung fort. Anlaß dazu bot vor allem die Bestätigung der Verbotsverfügungen des Bundesministers des Innern vom 3. Oktober 158 Gewaltagitation palästinensischer Extremisten im Bundesgebiet DAS GEWEHR ^ SICHERT DIE ZUKUNFT! TOP DEM WJ*UMNON 1972 gegen die "Generalunion Palästinensischer Studenten" (GUPS) und die "Generalunion Palästinensischer Arbeiter" (GUPA) durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 1978. In deutschsprachigen Flugblättern warf der "Palästinensische Studentenverein in der BRD und Westberlin" (PSV) Regierung und Gericht "Ignorierung des Menschenrechts auf freie Entfaltung und Unterstützung des zionistischen rassistischen Gebildes durch wirtschaftliche und militärische Hilfe sowie durch das Verbot palästinensischer Massenorganisationen" vor. 2. Kroatische Gruppen Der Schwerpunkt der Aktivitäten der im Bundesgebiet verbotenen kroatischen Organisationen "Kroatischer Nationaler Widerstand" (HNOtpor) und "Kroatischer Verein Drina e.V." -- Teilorganisation des "Kroatischen Widerstandes" (HNOdpor) -- lag auch 1978 im Ausland. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht durch Urteile vom 25. Januar 1978 die Klagen beider Vereinigungen gegen die Verbotsverfügungen des Bundesministers des Innern vom 1. Juni 1976 rechtskräftig abgewiesen hatte, blieben besondere Aktivitäten dieser Vereinigungen im Bundesgebiet aus. Die Zeitschrift "Otpor", Verbandsorgan des HNOtpor, die nunmehr im Ausland gedruckt, allerdings nach wie vor im Bundesgebiet verbreitet wird, bezeichnete die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts als "Tragikomödie der westdeutschen Rechtsprechung" und beklagte sich über "neonazistische Methoden bei der Behandlung von Ausländern". Nach wie vor finden sich in dieser Zeitschrift Gewaltparolen und Anleitungen zum konspirativen "Kampf für die Unabhängigkeit Kroatiens". "Wir Kroaten" -- so heißt es -- "werden jedes Jugoslawien vernichten" ("Otpor" Nr. 8--9, 1978, Seite 8). Die Aktivitäten kroatischer nationalistischer Extremisten im Zusammenhang mit der von Jugoslawien im Mai geforderten Auslieferung von 8 Exiljugoslawen bestätigten die sicherheitsgefährdende Bedeutung dieser Ausländergruppe in der Bundesrepublik Deutschland. Nach Demonstrationen im Inund Ausland setzte sich in Kreisen jüngerer kroatischer Emigranten immer mehr die Meinung durch, Demonstrationen seien nur wenig erfolgreich, man müsse deshalb zu "Aktionen" übergehen. Hierbei trat besonders ein Mitglied der "Kroatischen Republikanischen Partei" (HRS) durch ein bei einer Demonstration mitgeführtes Transparent mit der Aufschrift "Ein Kroate -- zwei deutsche Polizisten" hervor. Auf den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 11. August, mit dem eine Auslieferung des ehemaligen Führers des im Bundesgebiet verbotenen HNOtpor, Stjepan BILANDZIC (Köln), für zulässig erklärt wurde, reagierten in den USA wohnhafte Exilkroaten mit der Besetzung des Deutschen Generalkonsulats in Chikago/ USA und der Geiselnahme von 8 Konsulatsangehörigen, um die Freilassung BILANDZIC aus zeitweiliger Auslieferungshaft zu erzwingen. Nach längeren Verhandlungen ließen die Geiselnehmer von ihrem Vorhaben ab und stellten sich der Polizei. Nach der Ermordnung des Vorsitzenden des Ausschusses für Presse und Propaganda des "Kroatischen Nationalrates" (HNV), Bruno BUSIC, am 17. Oktober in Paris wurde in einem in Frankfurt/M. verteilten Flugblatt ein 160 eigener "Abwehrdienst" innerhalb der kroatischen Emigration gefordert, um die "Verräter an der kroatischen Sache" zu ermitteln und zu vernichten. Den "Mördern und Verrätern der Kroaten" wurde der "Tod" angedroht. Demonstration und Kundgebung des HNV am 25. November in Frankfurt/M. aus Anlaß des jugoslawischen Nationalfeiertages (Gründung der Sozialistischen Föderation der Republik Jugoslawien am 29. 11. 1945) belegten ebenfalls die Unruhe, die innerhalb der kroatischen Emigration nach der Ermordung Bruno BUSIC entstanden war. 3. Türkische Gruppierungen Die große Mehrheit der rd. 1,1 Mio. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Türken beteiligt sich nicht an extremistischen politischen Aktivitäten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bei einer zahlenmäßig kleinen Minderheit der hier lebenden, politisch aktiven Türken machen sich jedoch zunehmend als Folge der gewalttätigen, viele Todesopfer fordernden Auseinandersetzungen in der Türkei zwischen den Anhängern der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) und linksextremistischen Gruppen politische Spannungen bemerkbar. Politisch motivierte Gewaltanwendung türkischer Gruppierungen hielt sich im Bundesgebiet 1978 noch in Grenzen. Anhänger der von der maoistischen "Türkischen Kommunistischen Partei -- Marxisten--Lenisten" (TKP-ML) beeinflußten Organisationen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) und "Studentenföderation der Türkei in Deutschland" (ATÖF) beteiligten sich an gewalttätig verlaufenen Demonstrationen, z. B. am 25. November 1978 in Frankfurt/M. Sowohl die linksextremistischen Gruppen als auch die in den türkischen Idealistenvereinigungen im Bundesgebiet organisierter Anhänger der MHP verschärften ihre Agitation und Gewaltpropaganda. Die rechtsund die linksextremistischen türkischen Organinsationen konnten ihre Anhängerzahl im Jahre 1978 erheblich erhöhen. 4. Iranische Gruppen Die politisch-ideologische Zerstrittenheit und organisatorische Zersplitterung der 1961 mit Sitz in Frankfurt/M. gegründeten "Conföderation Iranischer Studenten-National Union" (CISNU) setzte sich 1978 fort, ohne daß es zu einer förmlichen Auflösung des Dachverbandes gekommen wäre. 1978 bestanden 7 erkannte iranische Gruppierungen im Bundesgebiet mit sozialrevolutionären oder maoistischen, teils prochinesischen, teils proalbanischen Zielsetzungen. Sie führten alle die Bezeichnung "CISNU". Aufschlußreich war die Erklärung einer dieser Gruppen: "Tatsächlich kann man nach der Spaltung der CISNU in verschiedenen politischen Richtungen entsprechende Bestandteile nicht mehr von der CISNU als einer einheitlichen Dachorganisation der iranischen Linken sprechen, vielmehr ist jetzt eine .Bewegung' der demokratischen antiimperialistischen iranischen Studenten im Ausland darunter zu verstehen". Die Gemeinsamkeit bestand für alle unter dem Namen "CISNU" auftretenden Gruppierungen in der Forderung nach dem "Sturz des Schah-Regimes". 161 Nach den Umwälzungen im Iran sind zahlreiche Mitglieder bzw. Anhänger iranischer Gruppen in ihre Heimat zurückgereist. Wegen des sich dort vollziehenden grundlegenden politischen Wandels ist es noch nicht absehbar, wie sich die CISNU entwickeln und ob sie überhaupt noch Aktivitäten im Bundesgebiet entfalten wird. V. Ausländische kommunistische Parteien In der Bundesrepublik Deutschland waren wie in den Vorjahren nicht zur "Neuen Linken" gehörden kommunistische Parteien unterschiedlicher ideologischer Orientierung tätig. Zu ihnen gehörten die "Kommunistische Partei Griechenlands" (KKE-Ausland), die "Türkische kommunistische Partei" (TKP), die "Kommunistische Partei Italiens" (PCI) sowie die "Kommunistische Partei Spaniens" (PCE). Diese Parteien haben im Bundesgebiet insgesamt ca. 9.700 Mitglieder, ihre Nebenorganisationen etwa 2.600. Bei ihrer politischen Arbeit stützen sie sich nach wie vor besonders stark auf die von ihnen beeinflußten jeweiligen ausländischen Betreuungsorganisationen, deren Mitgliederzahl gegenüber dem Vorjahr (23.400) auf ca. 28.700 angewachsen ist. Einen nennenswerten Mitgliederzuwachs haben die orthodox-kommunistisch beeinflußte "Föderation der Türkischen Arbeitervereine in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FIDEF) sowie der von der orthodoxen "Kommunistischen Partei Griechenlands" (KKE-Ausland) beeinflußte "Bund Griechischer Gemeinden" zu verzeichnen. So konnte die FIDEF die Zahl ihrer Mitgliedsverbände von 70 auf 80 erhöhen. Derzeit gehören ihr schätzungsweise 9.000 Türken an (Ende 1977: 7.500). Bei diesen Zahlen ist allerdings zu berücksichtigen, daß viele Mitglieder der Betreuungsorganisationen keine extremistischen Ziele verfolgen, sondern auf diese Weise lediglich einen Rückhalt im fremden Land suchen. Mit Themen und Forderungen wie -- Verbesserung der Schulund Ausbildungssituation für Kinder ausländischer Arbeitnehmer, -- ausreichende Berücksichtigung der Belange ausländischer Arbeitnehmer insbesondere bei angespannter Beschäftigungslage und -- Integration hier längerfristig wohnender ausländischer Arbeitnehmer suchen sie besondere Probleme ausländischer Arbeitnehmer für ihre Arbeit zu nutzen. 162 VI. Politisch tätige Vereinigungen der ausländischen "Neuen Linken" 1. Organisationsstand Die Gruppen der ausländischen "Neuen Linken" und nationalen Sozialrevolutionären Vereinigungen setzten 1978 ihre Gewaltpropaganda fort. Ausschreitungen ihrer Anhänger übertrafen an Umfang und Schwere alle vergleichbaren Aktivitäten seit Ende der 60er Jahre (s. oben Abschnitt III). Zielsetzung und ideologische Basis dieser Gruppen sind vielfältig und zumeist nicht eindeutig definiert. Überwiegend orientieren sie sich bei unterschiedlicher und den eigenen Zwecken angepaßter Interpretation an den Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Trotzki und Mao Tse-Tung. Daneben bestehen "undogmatische" Zusammenschlüsse sozialrevolutionärer Ausländer und Zellen linksextremer Befreiungsbewegungen der Dritten Welt, von denen sich einige in Fragen der politischen Taktik am Maoismus orientieren. Ungeachtet dieser ideologischen Differenzen und der teilweise feststellbaren Abneigung gegenüber festgefügten organisatorischen Strukturen, zeigten die Vereinigungen in ihren Zielen und Arbeitsmethoden einige Übereinstimmungen. Allen gemeinsam ist neben der Abkehr vom moskauorientierten Kommunismus die Ablehnung der demokratischen Verfassungsordnung und der Wille zum Umsturz der bestehenden Herrschaftssysteme in ihren Heimatstaaten mittels "revolutionärer Gewalt". Sie fühlen sich durch eine militant "antiimperialistische, antifaschistische und antikapitalistische" Grundhaltung verbunden, die ihre Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe und zur Aktionseinheit im Sinne des "proletarischen Internationalismus" verstärkt. Ihr aggressiver Aktionismus in der Bundesrepublik Deutschland zeigte sich insbesondere bei Ausschreitungen iranischer und türkischer Extremisten. Ende 1978 bestanden im Bundesgebiet 95 Vereinigungen dieser Art, überwiegend arabischer, türkischer, griechischer, spanischer, italienischer und iranischer Studenten und Arbeiter. Zu den aktivsten Vereinigungen ausländischer Maoisten bzw. Sozialrevolutionäre gehörten Gruppierungen der "Conföderation Iranischer Studenten-National Union" (CISNU), der "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e.V." (ATÖF), und der "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF). Nur geringe Aktivitäten entwickelten dagen die "Revolutionäre Kommunistische Bewegung Griechenlands" (EKKE) und andere Vereinigungen italienischer, portugiesischer, spanischer und türkischer Maoisten (PCI-ML, PCP-ML, PCEML, TKP-ML). Am 25726. Februar 1978 wurde in Brüssel und Frankfurt/M. die "Föderation Türkischer Volksvereinigungen in Europa" (HBF) gegründet. Ihr politischer Standort wird weitgehend von der "Arbeiterund Bauern-Partei der Türkei" (TIKP) bestimmt, die Anfang 1978 die Nachfolge der in der Türkei verbotenen maoistischen "Revolutionären Arbeiterund Bauern-Partei der Türkei" (TIKP) angetreten hat. 163 Aufgliederungen der Anhänger der ausländischen "Neuen Linken" bzw. nationaler Befreiungsbewegungen mit sozialrevolutionärer Ausrichtung Natonalität KernNebenbeeinflußte InsVergleich Org. Org. Org. gesamt 1977 Araber 1.300 1.000 -- 2.300 2.350 Türken 1.400 700 1.600 3.700 2.150 Griechen 250 50 250 550 3.150 Spanier 1.400 300 -- 1.700 1.550 Italiener 1.450 -- -- 1.450 1.300 Iraner 1.500 -- -- 1.500 1.450 Sonstige 1.300 100 -- 1.400 950 Insgesamt: 8.600 2.150 1.850 12.600 12.900 2. Aktionsschwerpunkte, Solidarisierungstendenzen Gruppen der ausländischen "Neuen Linken" und Sozialrevolutionäre Vereinigungen griffen stärker als in den Vorjahren in ihrer politischen Agitation auch die Bundesrepublik Deutschland an. Die Kampfparolen lauteten z. B.: "Nieder mit dem westdeutschen Imperialismus" oder "Weg mit dem Ausländergesetz". Es wurde behauptet, "Millionen Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland" würden durch die Ausländergesetze "aller Rechte beraubt"; "die heutigen bürgerlichen Parteien -- treue Diener des Finanzkapitals --" verschärften die Ausländergesetze und verfolgten "unsere fortschrittlichen Kollegen", während die "Einschüchterungsversuche der westdeutschen Polizei gegenüber den demokratischen Kräften, insbesondere den Ausländern, zunehmen". Die "Revolutionäre Kommunistische Bewegung Griechenlands" (EKKE) behauptete in einem Flugblatt zum "Tag der Arbeit", die Ausländergesetze der Bundesrepublik Deutschland "stammten aus den Schränken der Nazi-Epoche". In einem Flugblatt der "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e.V." (ATÖF) wurde der "westdeutschen Monopolbourgeoisie" im Zusammenhang mit dem Hochschulrahmengesetz unterstellt, sie wolle mit der Verabschiedung und Anwendung von "faschistischen Gesetzen die Revolutionäre und ihre Organisationen vernichten". Die Solidarisierung und Zusammenarbeit zwischen militanten extremistischen ausländischen und deutschen Gruppen setzten sich auch 1978 fort. In einer "Gemeinsamen Erklärung" der "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML), der "Kommunistischen Partei Griechenlands/Marxisten-Leninisten" (KKE/ML), der "Kommunistischen Partei Italiens/Marxisten-Leninsten" (PCI/ML), der "Kommunistischen Partei Portugals/Marxisten-Leninisten" (PCP/ML) und der "Kommunistischen Partei Spaniens/Marxisten-Leninisten" (PCE/ML), die auf dem I. Kongreß der "Roten Garde" (Jugendorganisation der KPD/ML) am 13. Mai 1978 in Düsseldorf verbreitet wurde, hieß es u.a., die "Monopolbourgeoisie" treibe die "Faschisierung" des Staatsapparates in allen Bereichen voran, während sie gleichzeitig die Entwicklung faschistischer Organisationen und ihre "para164 militärischen Terrorbanden" fördere. "Die Verwirklichung des proletarischen Internationalismus" erfordere es, daß "die Einheit und Zusammenarbeit zwischen den marxistisch-leninistischen Parteien verstärkt und vertieft" werde. "Das feste Kampfbündnis des Weltproletariats, der sozialitischen Länder und der unterdrückten Völker wird zweifellos dem Imperialismus mit den beiden Supermächten an der Spitze, dem Kapitalismus, der Reaktion und dem Revisionismus täglich härtere Schläge versetzen. Auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus und des proletarischen Internationalismus werden der Imperialismus und die kapitalistische Gesellschaft der Ausbeutung und der Unterdrückung überall niedergeschlagen werden. Die sozialistische Revolution wird weltweit siegen". VII. Ausländische Rechtsextremisten und Nationalisten 1. Exil jugoslawische Extremisten Die Aktivitäten exiljugoslawischer Extremisten haben 1978 in besonderem Maße zu einer Belastung der Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Beziehungen zur Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien geführt. Der exiljugoslawische Extremismus ist u.a. gekennzeichnet durch -- erheblichen Fanatismus der in unterschiedlicher Intensität auf nationalistischen, antikommunistischen sowie z. T. auf religiösen Elementen beruht, -- die Bereitschaft zur Gewaltanwendung, -- die Anwendung konspirativer Methoden, -- weitreichende Verbindungen über die Grenzen hinweg. Träger der extremistischen antijugoslawischen Bestrebungen sind fanatische Einzelpersonen und Gruppierungen mit mehr oder weniger gefestigtem Organisationsgrad. Die Gruppenbildung dient dazu, den extremistischen Bestrebungen eine breitere Basis und damit mehr Durchsetzungskraft zu verschaffen. Andererseits ist es nicht zur Bildung großer mitgliederstarker Organisationen in diesem Bereich gekommen. Die wenigsten Gruppen dieser Art verfügen über mehr als 100 Mitglieder oder Anhänger ohne förmlichen Mitgliedsstatus. Dies sind Auswirkungen einer deutlich feststellbaren Zersplitterung sowie z. T. auch Rivalität und Mißtrauen unter den exiljugoslawischen Extremisten. Aber auch das konspirative Verhalten als Folge des Bemühens, sich einer Kontrolle durch die hiesigen Sicherheitsbehörden zu entziehen, hat große mitgliederstarke Zusammenschlüsse verhindert. Einige Gruppen unterhalten im Bundesgebiet nur Teilorganisationen. Sie haben ihre Zentralen im Ausland und werden von dort geführt und unterstützt. 165 In der Bundesrepublik Deutschland sind z. Z. die nachfolgend aufgezählten zehn kroatischen Emigrantenorganisationen mit insgesamt etwa 1.100 Mitgliedern erkannt, in denen extremistische Bestrebungen von unterschiedlicher Intensität feststellbar sind: Bund der Vereinigten Kroaten in Deutschland (UNHj), Kroatische Republikanische Partei (HRS), Kroatisches Nationalkomitee (HNO), Vereinigte Kroaten Europas (UHE), Kroatische Christlich-Demokratische Bewegung (HKDP), Die Kroatische Heimwehr, Kroatischer Nationalrat (HNV), Kroatischer Verein "Banja Luka", Kroatischer Arbeiterverband, Freie Kroatische Linke (SHL). Diese Vereinigungen verfolgen das Ziel, die gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Jugoslawien zu ändern und die Bildung eines selbständigen kroatischen Staates zu erreichen. Sie befürworten z. T. auch Gewaltanwendung zur Durchsetzung dieses Ziels. Der "Kroatische Nationalrat" (HNV) war im Berichtszeitraum die einflußreichste und mitgliederstärkste Organisation im Bereich des exiljugoslawischen Extremismus. Der HNV ist ein Dachverband mit internationalem Aktionsrahmen. Er konnte sich 1978 im Bundesgebiet auf etwa 40 Ortsausschüsse mit insgesamt ca. 900 Mitgliedern stützen, die z. T. gleichzeitig der "Kroatischen Republikanischen Partei" (HRS), dem "Kroatischen Nationalkomitee" (HNO), den "Vereinigten Kroaten Europas" (UHE) und den "Vereinigten Kroaten in Deutschland" (UHNj) -- Mitgliedsorganisationen des HNV -- angehören. Verschiedene politische Ansichten führten zu Spannungen zwischen HNVFunktionären. Antikommunistische "Altemigranten" stehen Anhängern des "Kroatischen Frühlings" -- einer oppositionellen kommunistischen Bewegung in Jugoslawien aus den Jahren 1970/1971 -- gegenüber. Während die "Altemigranten" den "unabhängigen Staat Kroatien" ohne den Kommunismus wieder herstellen wollen, kämpfen die Anhänger des "Kroatischen Frühlings" für einen selbständigen Staat Kroatien sozialistischer Prägung. Sie wollen den Kampf gegen den jugoslawischen Staat auch außerhalb Jugoslawiens mit Gewalt führen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl der Mitglieder exiljugoslawischer rechtsextremistischer Organisationen auf rd. 1.650 (1977:1.550). 2. Sonstige Rechtsextremisten und Nationalisten 2.1 Türken Seit dem Regierungswechsel in der Türkei (Januar 1978) steigerte die türkische "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) ihre Anstrengungen, Mitglieder und Anhänger in den von ihr beeinflußten Vereinigungen auf die Parteilinie einzuschwören. Sie förderte dieses Bestreben durch das demonstrative Auftreten ihres Vorsitzenden Alparslan TÜRKES und anderer führender Parteifunktionäre auf internen und öffentlichen Veranstaltungen in der Zeit vom 27. April bis 4. Mai und am 28./29. Oktober 1978 im Bundesgebiet. Dem gleichen Zweck diente die Gründung eines Dachverbandes für 166 ihr nahestehende Vereinigungen. Der am 18. Juni 1978 in Frankfurt/M. gegründeten "Föderation Demokratischer Türkischer Idealistenvereinigungen in Europa" (ADÜTDF) gehörten im Bundesgebiet am Jahresende fast 100 MHP-nahestehende Vereinigungen mit annähernd 20.000 Mitgliedern an. Mit der Gründung der ADÜTDF verstärkten die Anhänger der MHP ihre politische Agitation, die vornehmlich von einem militanten Antikommunismus und religiösem Erneuerungsbewußtsein im Zeichen des Islam getragen wird und sich gegen die türkische Regierung sowie die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse in der Türkei richtet. So ist beispielsweise bei der Veranstaltung türkischer Kulturvereine in Dortmund am 29. 10. 1978 von türkischen Rednern folgendes geäußert worden: "Ecevit ist der niedrigste und gemeinste Mörder"... "Wir werden alle Türken niedriger Abstammung ausschalten" Wir werden ganz bestimmt Blut vergießen"... "Wer kein Mohammedaner ist, wird erstochen!" Die ADÜTDF wirkte zwar auf ihre Mitglieder ein, Verbindungen zur MHP nicht provokatorisch zu verkünden und keine Auseinandersetzungen mit linksgerichteten türkischen Kräften zu suchen. Gleichwohl hat die Polizei bei Durchsuchungen von Unterkünften nationalistischer Türken Schlagund Stichwaffen gefunden. Sowohl bei türkischen Linksextremisten wie in nationalistischen türkischen Kreisen ist die Bereitschaft gewachsen, bei der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner auch im Bundesgebiet Gewalt anzuwenden. 2.2 Italiener Die meisten der von der rechtsextremistischen "Sozialen Italienischen Bewegung -- Nationale Rechte" (MSI-DN) beeinflußten Zweigstellen des "Tricolore Comitees der Italiener in der Welt" (CTIM) im Bundesgebiet, die italienische Arbeitnehmer im Sinne der MSI-DN beeinflussen sollen, hielten ihre Aktivitäten aufrecht, sind aber z. Z. ohne größeres politisches Gewicht. Aufgliederung der Mitglieder griechischer, italienischer und türkischer Nationalistengruppen Nationalität KernNebennationaInsVergleich Org. Org. listisch begesamt 1977 einflußte Org. Griechen 100 100 100 Italiener 3.500 3.500 4.200 Türken 2.500 20.000 22.500 5.100 Insgesamt: 2.600 3.500 20.000 26.100 9.400 167 VIII. Beurteilung Der ganz überwiegende Teil der rd. 4 Mio. im Bundesgebiet lebenden Ausländer hat sich im Berichtszeitraum 1978 wie in den Vorjahren gesetzestreu verhalten. Unter der zahlenmäßig geringen Minderheit extremistischer oder sicherheitsgefährdender Ausländer haben Konfliktsituationen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland oder Maßnahmen ausländischer Regierungen 1978 auch im Bundesgebiet zu einem Anstieg gewalttätiger Aktionen geführt. Auf diese Weise kam es zu Gewaltaktionen von Anhängern palästinensischer Untergrundorganisationen im Zusammenhang mit den ägypitsch/israelischen Friedensverhandlungen und zu gesteigerten Aktivitäten exiljugoslawischer Extremisten anläßlich des Ersuchens der jugoslawischen Regierung, acht Exiljugoslawen auszuliefern. Die politischen Vorgänge im Iran lösten im Bundesgebiet gesteigerte Propaganda und Agitation extremistischer iranischer Gruppierungen bis hin zur Gewaltanwendung in einzelnen Fällen aus. Die zunehmende Verschärfung der innenpolitischen Situation in der Türkei führte zu anwachsenden politischen Spannungen unter den Anhängern türkischer rechtsund linksextremistischer Gruppen, die ein Umschlagen der politischen Auseinandersetzungen in gewaltsame Konfrontation befürchten lassen. Die Gruppierungen der ausländischen "Neuen Linken" im Bundesgebiet haben sich nicht konsolidieren können. Sie bieten weiterhin ein Bild organisatorischer und ideologischer Zersplitterung, wenngleich sich einige von ihnen vereinzelt zu gemeinsamen Aktionen zusammengefunden haben. Trotz unterschiedlich ausgeprägter euro-kommunistischer Tendenzen besteht unter den im Bundesgebiet lebenden Anhängern der kommunistischen Parteien Spaniens, Italiens, Griechenlands und der Türkei sowie der von ihnen beeinflußten Organisationen ein größeres Maß an Geschlossenheit. Sie finden wegen ihrer in mancher Weise begründeten Forderungen auch Anklang bei den ausländischen Arbeitnehmern, wie der Mitgliederzuwachs zeigt. 168