ISSN 0343-690X betrifft: ZUM VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 1977 Seit 1968 legt der Bundesminister des Innern der Öffentlichkeit einen zusammenfassenden Bericht über die Ergebnisse der Arbeit des Verfassungsschutzes vor. Der Verfassungsschutz hat den gesetzlichen Auftrag, über politischen Extremismus, sicherheitsgefährende Bestrebungen und nachrichtendienstliche Tätigkeiten fremder Mächte Informationen zu sammeln und auszuwerten. Der Berichtszeitraum 1977 ist durch folgende Entwicklungen gekennzeichnet: 1. Anschläge terroristischer Gewalttäter haben 1977 allein in der Bundesrepublik Deutschland 9 Menschenleben gefordert. Der gezielte Angriff auf Repräsentanten des Staates und der Gesellschaft machte 2. Die verstärkten Anstrengungen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder zur Spionageabwehr, die schon im Jahre 1976 zu größeren Abwehrerfolgen geführt hatten, wurden auch 1977 fortgesetzt. Es wurden 31 Agenten festgenommen; 44 Personen wurden wegen Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit verurteilt. Hauptträger der Spionagetätigkeit waren mit 86 Prozent der erfaßten Aufträge -- ähnlich wie im Vorjahr-die Nachrichtendienste der DDR, deren Aktivitäten unvermindert anhalten. 3. Der organisierte Rechtsextremismus stellt wegen scharfer Ablehnung durch die ganz überwiegende Mehrheit der Bürger, des bisher niedrigsten Mitgliederstandes, der Gruppenstreitigkeiten und der Aufspaltung keine Gefahr für die Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland dar. Andererseits geben die im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelte Anzahl rechtsextremistischer Ausschreitungen und die zunehmende Bereitschaft zu bewaffneter Gewaltanwendung Anlaß zur Besorgnis. Das gilt besonders für erste Ansätze terroristischer Gewalt, die Anfang 1978 festgestellt wurden. 4. Den orthodoxen Kommunisten bleibt, trotz geringer Stimmengewinne der DKP bei Kommunalund Kreistagswahlen, sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch in ihrer wichtigsten Zielgruppe, den Arbeitnehmern, politischer Einfluß fast völlig versagt. Dagegen finden DKP-Nebenorganisationen in ihrer Jugendund Hochschulpolitik nach wie vor Resonanz; es gelang ihnen wiederum, im Hinblick auf gemeinsame Teilziele Bündnisse mit demokratischen Kräften zu schließen. Die ideologische und organisatorische Geschlossenheit dieser Gruppen und ihre vielfältigen Verbindungen zur DDR und anderen kommunistischen Staaten dürfen nicht unterschätzt werden. 5. Verschiedene Gruppen der "Neuen Linken" bedienten sich zur Durchsetzung politischerziele wiederum militanter Gewalt. In Einzelfällen (z. B. anläßlich der Demonstration gegen das Kernkraftwerk Grohnde) erreichten Gewaltaktionen eine neue Stufe planmäßigen, koordinierten paramilitärischen Vorgehens in Verbänden. 6. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es unter einer Minderheit von Ausländern zahlreiche linksextremistische, Sozialrevolutionäre und nationalistische Gruppen, die Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele propagieren. Diese Situation wird durch Auseinandersetzungen politisch rivalisierender Ausländergruppen verschärft. Iranische und Eine konkrete Gefährdung unserer demokratischen Ordnung war durch keine der linksoder rechtsextremistischen Organisationen gegeben. Der Rechtsstaat muß sich selbst treu bleiben, auch wenn er sich gegen die Feinde der Freiheit und des Rechts verteidigt. Unsere Verfassung setzt daher auch gegenüber ihren Gegnern in erster Linie auf die Überzeugungskraft politischer Auseinandersetzungen. Diese Priorität der politischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus ist Ausdruck des Selbstbewußtseins und der Stärke unserer freiheitlichen Demokratie, nicht Anzeichen für Schwäche und Unentschlossenheit. Diese Grundentscheidung unserer Verfassung erfordert es, extremistische Bestrebungen solange nicht zu verbieten, wie sie nicht die freiheitliche Ordnung selbst gefährden. Eine solche Toleranz verlangt aber, daß diese Bestrebungen beobachtet werden, um festzustellen, wann die Grenze überschritten ist, von der ab sie zu einer ernsten Gefahr werden. Bei dieser Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes im Vorfeld polizeilicher Gefahrenabwehr stehen ihm keinerlei exekutive oder polizeiliche Befugnisse zu. Der Verfassungsschutzbericht will dazu beitragen, den Blick für extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu schärfen und damit den für unseren Staat engagierten politischen und gesellschaftlichen Kräften die Abwehr solcher Bestrebungen zu erleichtern. Der Bericht bewertet ausschließlich solche Organisationen als extremistisch, deren politische Ziele gegen den Kernbestand der freiheitlich demokratischen Grundordnung gerichtet sind. Diesen Kernbestand bilden nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Der Bericht fällt kein Urteil darüber, ob ein Bewerber für den öffentlichen Dienst, der Mitglied einer in ihm erwähnten Organisation ist, Die Versuche der DKP, Einfluß auf andere Organisationen zu gewinnen, bzw. ihren Einfluß in anderen Organisationen zu erhalten, werden erstmals in einem eigenen Kapitel dargestellt und nicht mehr -- wie in den Vorberichten -- unter dem Kapitel "Orthodoxe Kommunisten" aufgeführt. Mit dieser klaren Trennung soll jeder pauschalen Zurechnung aller in diesen Organisationen tätigen Mitgliedern zum Kommunismus entgegengewirkt werden. Zugleich wird damit auch die Verantwortung demokratisch eingestellter Mitglieder verdeutlicht. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden ist unerläßliche Voraussetzung dafür, daß der Verfassungsschutz die ihm obliegende wichtige Funktion im Interesse der Sicherung unseres freiheitlichen Rechtsstaates voll wahrnehmen kann. Mißtrauen gegenüber dem Verfassungsschutz, das zum Teil in unserem Lande besteht, ist für mich Anlaß zur Sorge. Ich betrachte es als eine wichtige Aufgabe, den gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes zu verdeutlichen und ein Klima des Vertrauens in die rechtsstaatliche Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zu schaffen. öffentliche Kritik, die danach fragt, ob die Verfassungsschutzbehörden ihrem gesetzlichen Auftrag gerecht werden, muß akzeptiert werden. Pauschale Kritik, die vom grundsätzlichen Mißtrauen gegen die Integrität der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes geprägt ist, muß jedoch ebenso zurückgewiesen werden, wie Angriffe, die nichts anderes zum Ziel haben, als die Arbeit des Verfassungsschutzes zu stören und zu behindern. Zwangsläufig kann sich die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden nicht in aller Öffentlichkeit vollziehen. Um so wichtiger ist die exekutive Kontrolle durch den politisch verantwortlichen Minister. Diese muß ergänzt werden durch die parlamentarische Kontrolle, die durch das "Gesetz über die Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes" vom 11. April 1978 verstärkt sichergestellt ist. Die Stabilität unserer Demokratie und ihrer rechtsstaatlichen Verfassungsordnung haben sich auch im vergangenen Jahr erwiesen. Die Mitverantwortung, die der Bund neben den Ländern für die innere Sicherheit zu tragen hat, erfordert, daß neben dem Bundesgrenzschutz und dem Bundeskriminalamt auch das Bundesamt für Verfassungsschutz personell und materiell verstärkt wird. Die Bundesregierung Bekämpfung des Terrorismus, vor allem durch Früherkennung terroristischer und gewalttätiger Aktivitäten, noch weiter verbessert werden. Der Verfassungsschutz verdient das Vertrauen unserer Bürger. Seine Arbeit ist schwierig und verantwortungsvoll. Seinen Mitarbeitern gilt deshalb meine besondere Anerkennung und Dank. 1 K fcGerhart Rudolf Baum Bundesminister des Innern Inhalt Rechtsextremistische Bestrebungen 1977 I. Allgemeine Feststellungen 15 II. Situation des Rechtsextremismus 16 III. Übersicht in Zahlen 18 1. Organisationen, Verlage und Vertriebsdienste 18 2. Publikationen 19 3. Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen im öffentlichen Dienst 21 IV. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 25 1. Parteiorganisation 25 2. Wahlbeteiligungen der NPD 1977 27 3. Rechtsextremistische Agitation der "Nationaldemokraten" . . . . 28 V. Neonazistische Aktivitäten 30 1. Situation neonazistischer Gruppen 30 2. Einzelne Gruppen der Neonazis und deren Aktionen 32 3. Neonazistische Agitation 35 VI. "National-Freiheitliche Rechte" 37 1. Organisationen der "National-Freiheitlichen Rechten" 37 2. Publikationen 39 3. Rechtsextremistische Agitation 41 VII. "Neue Rechte" 44 VIII. Sonstige rechtsextremistische Vereinigungen 44 1. "Wehrsportgruppe Hoff mann" (WSG) 44 2. "Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG) 45 3. Rassistische Agitation in Kleinzirkeln 45 IX. Rechtsextremistische Verlagsund Vertriebsdienste 45 1. Selbständige Zeitungsund Zeitschriftenverlage 46 2. Buchverlage und Buchdienste 47 3. NS-Artikel-Vertriebsdienste 47 X. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus 48 1. "NSDAP-Auslandsorganisation" (NSDAP-AO) 48 2. "National-Socialist White People Party" (NSWPP) 50 3. "Vlaamse Militante Orde" (VMO) 50 4. "Neues Nationales Europa" (NNE) 50 5. "Germania International" (Gl) 50 XI. Ausschreitungen mit rechtsextremistischem Hintergrund 50 XII. Maßnahmen gegen rechtsextremistische Personen und Vereinigungen 54 1. Verurteilungen 54 Abbildungen NDP-Mitgliederstärke von 1964--1977 20 Auflagenentwicklung der rechtsextremistischen Wochenzeitungen von 1964--1977 20 "Nationaldemokratische" Demonstrationen 23 Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten bei rechtsextremistischen Veranstaltungen 24 Parolen der "Nationaldemokraten" 29 Neonazistische Hetzblätter 31 Agitation neonazistischer Gruppen 36 "Deutsche Volksunion" am 15. Mai 1977 in Hamburg und Zusammentreffen mit Gegendemonstranten 38 Entwicklung der rechtsextremistischen Organisationen und Publizistik von 1967--1977 40 Schlagzeilen der "Deutschen National-Zeitung" 42 "Deutsche National-Zeitung" zu Hitler 43 Hetzschriften ausländischer Neonazis * 49 Ausschreitungen deutscher Rechtsextremisten in den Jahren 1971--1977 51 Neonazistische Ausschreitungen 53 Linksextremistische Bestrebungen 1977 I. Allgemeine Erfahrungen 60 1. Orthodoxe Kommunisten 60 2. "Neue Linke" 60 II. Übersicht in Zahlen 61 1. Organisationen 61 2. öffentlicher Dienst 63 3. Studentenvertretungen 64 3.1 Studentenparlamente 64 3.2 Allgemeine Studentenausschüsse 64 3.3 Hochschulen ohne verfaßte Studentenschaft 66 III. Schwerpunkte der Agitation 66 1. Außenund Verteidigungspolitik 67 2. Innenund Sicherheitspolitik 67 3. Wirtschaftsund Sozialpolitik 67 4. Umweltschutz 68 5. Internationale Solidarität 68 IV. Orthodoxe Kommunisten 68 1. Politische und organisatorische Entwicklung 68 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 68 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort 68 1.1.2 Mitgliederstand 71 1.1.3 Finanzierung 71 1.3.1 "Marxistischer Studentenbund Spartakus" (MSB) 75 1.3.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 76 1.3.3 "Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation" 77 2. Bündnispolitik 77 2.1 Bemühungen um "Aktionseinheit" mit Sozialdemokraten . . . . 78 2.2 Bemühungen um "Aktionseinheit" mit Gewerkschaften 78 2.3 "Volksfrontpolitik" 79 3. Betriebsarbeit 80 4. Studenten-, Jugendund Kinderarbeit 81 4.1 Studenten 83 4.2 Jugend 84 4.3 Kinder 85 5. Propaganda und Schulung 85 5.1 "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) 85 5.2 Parteischulung 86 5.3 Verlage und Druckereien 86 6. Wahlergebnisse 88 6.1 Kommunalwahlen in Hessen 88 6.2 Teilkommunalwahlen in Niedersachsen 88 7. "Eurokommunistische Bestrebungen" 89 V. EinfluB der DKP auf andere Organisationen 90 1. "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) 90 2. "Deutsche Friedensunion" (DFU) 91 3. "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) . 91 4. "Vereinigung Demokratischer Juristen" (VDJ) 92 5. "Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) 92 VI. SED-Aktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland 93 1. Anleitung der DKP durch das ZK der SED 93 2. "Westarbeit" anderer DDR-Institutionen 93 3. Reisen in die DDR und Einreise von Funktionären 94 VII. "Neue Linke" 95 1. Ideologisch-politischer Standort und allgemeine Entwicklung . . 95 1.1 Allgemeiner Überblick 95 1.2 Entwicklung im maoistischen Lager 95 2. Organisationen der dogmatischen "Neuen Linken" 98 2.1 "Kommunistischer Bund Westdeutschland" (KBW) 98 2.2 "Kommunistischer Bund" (KB) 99 2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 100 2.4 "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) 100 2.5 Sonstige maoistische Organisationen 102 2.6 Trotzkistische Gruppen 103 3. Linksextremistische undogmatische Gruppen 104 4. Tätigkeit an den Hochschulen 105 5. Betriebsund Gewerkschaftsarbeit 106 6. Ausnutzung der Anti-Kernkraftkampagne 107 7. Agitation gegen die Bundeswehr 107 3. Terrorismus 112 3.1 Bekenntnisse zum "bewaffneten Kampf" und publizistische Unterstützung terroristischer Gewalttäter 112 3.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 112 3.1.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 112 3.1.3 Konzeptionelle Angleichung terroristischer Gruppen 113 3.1.4 Militante periodische Schriften 113 3.1.5 Unterstützung terroristischer Gewalttäter durch publizistische Kampagnen 115 3.1.6 Diskussion über das Konzept des "bewaffneten Kampfes" . . . 115 3.2 Terroristische Aktivitäten 117 3.2.1 Terrorakte im Inland 117 3.2.2 Internationale Verflechtung 119 3.2.3 Terrorakte im Ausland 120 3.2.4 Festnahmen im Bundesgebiet 120 3.2.5 Rechtsanwälte von Terroristen 121 3.2.6 "Umfeld" der Terrorgruppen 122 IX. Beurteilung 123 Abbildungen Linksextremisten in Studentenparlamenten (SP) und Allgemeinen Studentenausschüssen (ASten) 65 Kleinzeitungen der DKP 73 DKP-Betriebszeitungen öffentlicher Dienst 82 Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler 87 "K-Gruppen"-Demonstration in Bonn am 8. Oktober 1977 97 Schriften der KPD und ihrer Nebenorganisationen 101 Agitation gegen Kernkraftwerke 108 Ausschreitungen in Grohnde 110 Schriften aus dem terroristischen Umfeld 114 Spionageabwehr 1977 I. Allgemeine Erfahrungen 124 1. Werbungen und Werbungsversuche 124 2. Aufträge 125 3. Legale Residenturen 125 4. Verurteilte Agenten 125 II. Die Nachrichtendienste der DDR 125 3. Als Agenten tätige Personen aus der Bundesrepublik Deutschland 128 3.1 Festnahme von "Quellen im Objekt" 128 4. Briefansprachen 130 III. Die sowjetischen Nachrichtendienste 131 1. Übersicht 131 2. Aktivitäten sowjetischer Agenten 131 2.1 Fall T 131 2.2 Fall B 132 IV. Die polnischen Nachrichtendienste 133 1. Übersicht 133 2. Legale Residenturen 134 3. Fall Leopold S 134 V. Die tschechoslowakischen Nachrichtendienste 135 1. Übersicht 135 2. Legale Residenturen 135 VI. Die rumänischen Nachrichtendienste 135 1. Übersicht 135 2. Hotelüberwachung in Rumänien 136 VII. Nachrichtendienste der übrigen kommunistischen Staaten . . . . 136 VIII. Beurteilung 137 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1977 I. Allgemeine Erfahrungen 138 1. Terrorismus und Gewaltanwendung im internationalen Bereich . . 138 2. Bestrebungen und Entwicklungstendenzen bei Vereinigungen ausländischer Extremisten im Bundesgebiet 139 II. Übersicht in Zahlen 141 1. Organisationsstand 141 2. Mitgliederentwicklung 143 3. Publizistik 146 III. Ausschreitungen 147 1. Terroristische Aktivitäten 147 2. Sonstige Gewaltakte 148 3. Androhung von Terrorund Gewaltakten 148 IV. Ausländergruppen mit Tendenzen zur Gewaltanwendung 148 1. Palästinensische Gruppen 148 2. Iranische Gruppen 151 3. Kroatische Gruppen 153 4. Sonstige Gruppierungen 154 VI. Politisch tätige Vereinigungen der ausländischen "Neuen Linken" 157 1. Organisationsstand 157 2. Aktionsschwerpunkte, Solidarisierungstendenzen 159 VII. Ausländische Rechtsextremisten und Nationalisten 160 1. Ostemigration 160 2. Sonstige Rechtsextremisten und Nationalisten 161 VIII. Maßnahmen 162 IX. Beurteilung 163 Abbildungen Ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland . . . . 142 Die Mitgliederentwicklung bei den ausländischen Extremistengruppen 1971--1977 144 Organe der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) und Kampfgruppen innerhalb der Organisation 150 Spaltung der "Confederation Iranischer Studenten National Union" (CISNU) 152 Rechtsextremistische Bestrebungen 1977 I. Allgemeine Feststellungen Rechtsextremistische Bestrebungen sind im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß sie -- offen oder verdeckt -- die Grundlagen der Demokratie, insbesondere der parlamentarischen repräsentativen Demokratie ablehnen und eine totalitäre Regierungsform unter Einschluß des Führerprinzips fordern. Folgende, beispielhaft genannte Enzelaspekte sind für den Rechtsextremismus charakteristisch: Ein den Gedanken der Völkerverständigung mißachtender Nationalismus ist Ausgangspunkt einer unsachlichen Beschimpfung und Herabsetzung ausländischer Staaten und deren Staatsangehörigen und damit auch einer Mißachtung deren Menschenrechte. Die unverhohlene oder verdeckte Wiederbelebung des Antisemitismus ist mit der Würde des Menschen und anderen wesentlichen Menschenrechten, die zu achten und zu schützen Verpflichtung jeder staatlichen Gewalt ist, nicht vereinbar. Gleiches gilt für andere rassistische Thesen. Die von Rechtsextremisten geforderte pauschale Überbewertung der Interessen der "Volksgemeinschaft" und des "Volksganzen" auf Kosten der Interessen des einzelnen führt zu einer Aushöhlung der Grundrechte, die in erster Linie Individualfreiheitsrechte garantieren. Darüber hinaus diffamieren und bekämpfen Rechtsextremisten dauernd und planmäßig die bestehende Staatsform. Dieser Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ist von der Absicht getragen, deren überragenden Wert in den Augen der Bevölkerung zu erschüttern und die These zu verfestigen, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Staatsform sei unfähig, die anstehenden Probleme zu lösen. Eine solche Agitation geht zwangsläufig auf eine Beeinträchtigung und schließlich sogar auf eine Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinaus. Ein besonderes Kennzeichen rechtsextremistischer Bestrebungen liegt ferner in der Rechtfertigung des NS-Regimes, wobei unter Herausstellung angeblich positiver Merkmale des "Dritten Reiches" die Verbrechen des NSRegimes verharmlost oder sogar jegliches nationalsozialistisches Unrecht geleugnet wird. Eine solche Verharmlosung oder Verherrlichung von nationalsozialistischen Thesen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind, beweist die Gegnerschaft zur Staatsform in der Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maße. Diese beispielhaft genannten, besonders charakteristischen Merkmale des Rechtsextremismus sind nicht gleichmäßig in allen rechtsextremistischen te bestimmend. Auch die Intensität der Verfassungsfeindlichkeit rechtsextremistischer Thesen sowie deren Verbreitung in der Öffentlichkeit ist in den einzelnen Organisationen unterschiedlich. Schließlich sind auch Bestrebungen festzustellen, die rechtsextremistisch beeinflußt sind oder einen Nährboden für rechtsextremistische Thesen und deren Verbreitung darstellen. II. Situation des Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland ist weiterhin organisatorisch zersplittert und zerstritten. Der Mangel einer geschlossenen Ideologie, emotional bedingte politische und geschichtliche Vorurteile, das Fehlen von Führungspersönlichkeiten, die zu Aussagen von geistig-politischer Kraft und zur Überwindung der Gruppenstreitigkeiten fähig wären, sind die Hauptursachen. Die Zahl rechtsextremistischer Ausschreitungen, die bereits 1976 zugenommen hatte, stieg 1977 weiter an. In einigen Bereichen des Rechtsextremismus ist die Bereitschaft zur Gewaltanwendung gestiegen. Dies gilt insbesondere für Neonazis. So stellte die Polizei 1977 bei 15 Personen Waffen und Munition sowie in drei Fällen auch Sprengstoff sicher. Während ferner in den Vorjahren bei handgreiflichen Auseinandersetzungen bei Gegendemonstrationen noch regelmäßig die Initiative von Linksextremisten ausging, suchten 1977 umgekehrt rechtsextremistische Fanatiker, auch Anhänger der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" und der "Jungen Nationaldemokraten", in einer Reihe von Fällen bewußt die gewaltsame Konfrontation mit dem politischen Gegner. Der im Jahre 1977 festgestellte Anstieg neonazistischer Aktivitäten setzte sich auch Anfang 1978 fort und fand erstmals seinen Ausdruck in terroristischen Gewalthandlungen. 1. Die " N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i Deutschlands" (NDP) ist nach wie vor die größte rechtsextremistische Organisation. Ihre Mitgliederzahl sank 1977 weiter um 700 Personen auf rd. 9.000. Damit hat die NPD seit 1969, als sie noch über ca. 28.000 Mitglieder verfügte, etwa 2/3 ihres Mitgliederbestandes verloren. Die äußerst angespannte Finanzlage und der anhaltende Verfall zwangen die Partei, ihre Aktivitäten erheblich einzuschränken. Wiederholt wurden auch 1977 Kontakte von einzelnen Mitgliedern der "Jungen Nationaldemokraten" zu neonazistischen Gruppen festgestellt. 2. Die 17 n e o n a z i s t i s c h e n G r u p p e n , meist Kleingruppen, von höhen. Damit ging eine Intensivierung der Aktivitäten einher, die zum Teil auch konspirativ betrieben werden. Unverkennbar ist die gestiegene Bereitschaft zur Gewaltanwendung. Einige neonazistische Fanatiker begrüßten ausdrücklich die Mordtaten der deutschen Terroristen. Die mit aller Entschiedenheit durchgeführten Maßnahmen der Sicherheitsorgane und der Justiz, Ermittlungsverfahren, Festnahmen, Beschlagnahmen und Verurteilungen verunsicherten die Aktivisten neonazistischer Gruppen in erheblichem Maße. * 3. Die " N a t i o n a l - F r e i h e i t l i c h e R e c h t e " des Dr. Gerhard FREY machte durch vier spektakuläre Kundgebungen wieder von sich reden. Sie konnte dabei bis zu 500 Teilnehmer mobilisieren. FREY versuchte, durch HITLER-Schlagzeilen den Leserkreis seiner Zeitungen zu erweitern. 4. Der G e s a m t m i t g l i e d e r b e s t a n d in rechtsextremistischen Organisationen sank gegenüber 1976 geringfügig auf 17.800 Personen (1976: 18.300) in 83 Organisationen (1976: 85). Darüber hinaus gibt es 44 rechtsextremistische Verlage und Vertriebsdienste (1976: 57). 5. Die G e s a m t z a h l d e r o r g a n i s a t i o n s g e b u n d e n e n P u - b l i k a t i o n e n ging 1977 leicht zurück (77 statt 81 im Jahre 1976), aber ihre wöchentliche Durchschnittsauflage stieg von 45.500 (1976) auf 60.600 Exemplare. Die Zahl der Schriften der selbständigen -- von Organisationen unabhängigen -- rechtsextremistischen Verlage ging von 28 auf 22 mit einer durchschnittlichen Wochenauflage von 128.400 gegenüber 132.800 im Jahre 1976zurück. B u c h v e r l a g e , B u c h v e r t r i e b s d i e n s t e u n d V e r s a n d h a n d e l s f i r m e n erzielten mit NS-Schallplatten, -Tonbändern, -Filmen, -Emblemen, -Militaria usw. einen beachtlichen Umsatz. In diesem Bereich war eine zunehmende Nachfrage festzustellen. 6. Die Zahl der festgestellten, Rechtsextremisten zuzurechnenden A u s - s c h r e i t u n g e n (616) verdoppelte sich nahezu gegenüber dem Vorjahr (319). Die Sicherheitsbehörden haben in allen Fällen Ermittlungsverfahren eingeleitet und im Bereich des strafrechtlichen Vorfeldes die Beobachtungen intensiviert. 1977 konnten -- mehr noch als in den Vorjahren -- Strafverfahren mit Verurteilungen der Täter abgeschlossen werden. 7. Wie bereits im Vorjahr versuchten rechtsextremistische Gruppen, insbesondere Neonazis, ihre V e r b i n d u n g e n zu G e s i n n u n g s g e - n o s s e n im A u s l a n d zu intensivieren. Der ausländische Rechtsextremismus, überwiegend nationalsozialistisch ausgerichtet, unterstützte die deutschen Neonazis erheblich, zumal in den meisten westlichen Staaten neonazistische Aktivitäten keine staatlichen Sanktionen nach sich ziehen. Dies gilt insbesondere für die US-amerikanische NSDAP-Auslandsorganisation, die eine Flut von NS-Druckschriften und -Plakaten in das Bundesgebiet einschleusen konnte. III. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen, Verlage und Vertriebsdienste Ende 1977 bestanden in der Bundesrepublik Deutschland 83 rechtsextremistische Organisationen mit rund 17.800 Mitgliedern. Das ist der bisher niedrigste Mitgliederbestand organisierter Rechtsextremisten. Gegenüber dem Vorjahr verringerte sich die Zahl der Organisationen um 2 und die Mitgliederzahl um 400 (--2,2%). Ein geringfügiger Mitgliederzuwachs vor allem bei den neonazistischen und "nationalfreiheitlichen" Organisationen konnte die Mitgliederverluste besonders bei der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), die von 9.700 auf 9.000 Mitglieder weiter schrumpfte, nicht ausgleichen. Einzelheiten der Entwicklung in den letzten 3 Jahren ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle, in der -- anders als in den Verfassungsschutzberichten früherer Jahre -- Verlage und Vertriebsdienste (vgl. dazu unten IX.) nicht mehr als Mitgliederorganisationen erfaßt sind: Arten der Organisationen Ende 1975* Ende 1976* Ende 1977 (die Übernahme ihrer Anzahl der Anzahl der Anzahl der Bezeichnungen enthält Org. Mitgl. Org. Mitgl. Org. Mitgl. keine Wertung) " Nationaldemokratische" Organisationen 5 12.400 4 11.600 5 10.600 Neonazistische Gruppen 13 400 15 600 17 900 "National-freiheitliche" Organisationen 7 3.800 7 4.800 7 5.400 Gruppen der "Neuen Rechten" 12 800 13 600 9 200 Sonstige Vereinigungen 54 7.000 46 5.100 45 5.200 Summe 91 24.400 85 22.700 83 22.300 Abzug für Mehrfachmitgliedschaften 4.100 4.500 4.500 20.300 18.200 17.800 Zu den 83 rechtsextremistischen Organisationen zählen zwei Parteien (NPD und "Unabhängige Arbeiterpartei") und 13 Jugendorganisationen mit insgesamt 2.200 Mitgliedern (1976: 13 mit 2.700). * Anmerkung: In den Verfassungsschutzberichten früherer Jahre waren die Verlage und Vertriebsdienste -- vgl. dazu die übernächste Tabelle -- in dieser Übersicht der Mitgliederorganisationen Nur vier der rechtsextremistischen Organisationen haben mehr als 1.000 Mitglieder. 26 Gruppen mit jeweils weniger als 20 Mitgliedern kennzeichnen die typische Zersplitterung des Rechtsextremismus in Kleinund Kleinstorganisationen. Die nachstehende Aufstellung ergibt einen Überblick über die Größenordnungen der rechtsextremistischen Organisationen im Jahre 1977: Anzahl der Organisationen mit einem Mitgliederbestand von mindestens weniger als 3000 1000 500 250 100 50 20 20 "Nationaldemokratische" Organisationen 1 1 1 Neonazistische Gruppen 3 3 5 6 "Nationalfreiheitliche" Organisationen 1 -- 1 1 1 1 Gruppen der "Neuen Rechten" 2 2 5 Sonstige Vereinigungen -- 1 1 6 5 14 13 Gesamt 1 10 12 23 26 = 83 12 Organisationen 71 Organisationen mit mehr als mit 100 oder weniger 250 Mitgliedern Mitgliedern Im Jahr 1977 waren neben diesen Mitgliederorganisationen 44 rechtsextremistische Verlage und Vertriebsdienste tätig. Einzelheiten enthält die nachstehende Tabelle: 1975 1976 1977 Buchverlage 21 17 14 Zeitungsund Schriftenverlage 18 22 15 Vertriebsdienste 18 18 15 Zusammen 57 57 44 2. Publikationen NPD-Mitgliederstärke von 1964--1977 28 000 28000 27 000 25-21 000 I t 3U 13 700 I l 500 1UU0' i 9 700 f/f. 250 I 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 Auflagenentwicklung der rechtsextremistischen Wochenzeitungen von 1964--1977 GESAMTAUFLAGE DNZ, DWZ. DA Gegenüber der starken Zunahme der durchschnittlichen Wochenauflage organisationsgebundener Schriften von 45.500 (1976) auf 60.600 ( + 3 3 % ) Exemplare sank die Zahl der Publikationen selbständiger Verlage von 132.800 (1976) leicht auf 128.400 (--3,3%). Trotzdem stellten die selbständigen Verlage noch immer 6 8 % (im Vorjahr 74%) aller in Serie erscheinenden rechtsextremistischen Publikationen her. Maßgeblichen Anteil daran haben die beiden wöchentlich erscheinenden Blätter "Deutsche Wochenzeitung" mit einer Auflage von etwa 30.000 Exemplaren und "Deutsche National-Zeitung", deren Wochenauflage zusammen mit dem weitgehend seitengleich erscheinenden Blatt der "Deutschen Volksunion", dem "Deutschen Anzeiger", rund 100.000 beträgt. Einzelheiten ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle zu periodisch oder sonst häufiger erscheinenden Schriften. Deren Auflagen sind auf Wochenauflagen umgerechnet, auch wenn sie in anderen Abständen erscheinen: Zahl durchZahl durchZahl durchschnitt! schnitt!. schnitt!. WochenWochenWochenauflage auflage auflage 1975 1976 1977 "Nationaldemokratische" Schriften 39 78.700 32 29.100 31 39.000 Neonazistische Schriften 7 400 8 1.800 18 9.200 "National-freiheitliche" Schriften 4 8.600 5 11.100 5 10.200 Schriften der "Neuen Rechten" 15 1.800 14 1.500 5 300 Schriften sonstiger Vereinigungen 34 4.300 22 2.000 18 1.900 Publikationen der Rechtsextremistischen Organisationen insgesamt: 99 93.800 81 45.500 77 60.600 Publikationen selbständiger Verlage insgesamt: 22 134.300 28 132.800 22 128.400 Insgesamt: 121 228.100 109 178.300 99 189.000 3. Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen im öffentlichen Dienst Diese 448 Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen waren in folgenden Bereichen des öffentlichen Dienstes tätig (Vergleichszahlen 1976 in Klammern): Personen NPD sonstige rechtsinsgesamt extremistische Organisationen Bundesdienst 223 (261) 194 (248) 29 (34) Landesdienst 146 (180) 112 (135) 34 (39) Kommunaldienst 63 (78) 54 (63) 9 (10) Dienst in Körperschaften und Anstalten des öffentl. Rechts 16 (14) 13 (11) 3 (3) 448 (533) 373 (457) 75 (86) 3.2 Die im Bundesdienst beschäftigten 223 Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen sind bei nachgeordneten Behörden tätig. Unter ihnen befinden sich sechs Angehörige des Bundesgrenzschutzes sowie 88 Angehörige der Bundeswehr, und zwar 63 Zeitund Berufssoldaten und 25 Zivilbedienstete. Wehrpflichtige sind nicht erfaßt. 3.3 Von den 146 Landesbediensteten in rechtsextremistischen Organisationen (Vergleichszahlen 1976 in Klammern) sind beschäftigt: -- im Schuldienst 53 (67) -- in der Justiz 19 (27) -- in der Finanzverwaltung 14 (15) -- bei der Polizei 15 (17) -- in anderen Verwaltungsbereichen 45 (54) 146 (180) 3.4 Von den insgesamt 448 im öffentlichen Dienst stehenden Mitgliedern rechtsextremistischer Organisationen sind 303 B e a m t e oder Soldaten, 98 Angestellte, 47 Arbeiter. Die 303 Beamten und Soldaten gehören folgenden Laufbahngruppen oder vergleichbaren Dienstgraden an: höherer Dienst: 43 .Nationaldemokratische" Demonstrationen JN-Bundeskongrefl am 17/18. September in Osnabrück Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten bei rechtsextremistischen Veranstaltungen m ^ vp^; Sr/ fr 1 Hi '*" & jr * f - ~ y : '"\Y=* j%/ . 1?T^ .- .# ^ 1 * , V* n . -- _J "Deutschland-Treffen" der NPD I am 17. Juni 1977 in Frankfurt/M. um JN-Bundeskongrefi am 17/18. September in Osnabrück rE | f ? S ? E 2 ^ S REUNO I NS NEO-NAI IV. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die am 28. November 1964 in Hannover gegründete NPD hat in einem Rundschreiben ihrer "Strategie-Kommission" vom 14. Juni nunmehr selbst zugeben müssen, "kein politischer Faktor" zu sein und "keine gesellschaftliche Relevanz" zu besitzen; die Unzufriedenheit und Resignation in der Mitgliederschaft werde immer größer. Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) erklärten, die NPD stehe "in der schwersten Bewährungsprobe seit 1964" ("Hamburger Nationaldemokraten", Informationsdienst des Landesverbandes Hamburg, Januar 1977). Die Partei, die sich gern einen "deutschnationalen, konservativen" Anstrich gibt, hat erkannt, daß Parolen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, keine Resonanz finden. Sie sparte deshalb nicht an öffentlichen Bekenntnissen zum Grundgesetz und trug im Gegensatz zu früheren Jahren ihre Angriffe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mit mehr Zurückhaltung vor. Dennoch ist ihr Verlangen nach einem autoritär gelenkten nationalistischen Volksstaat unverkennbar, in dem die Individualfreiheitsrechte zugunsten des "Volksganzen" geopfert werden sollen. Bis heute hat sich die Partei auch nicht von ihren Propagandisten der Gründerjahre distanziert, die rassistische Leitforderungen und an der nationalsozialistischen Ideologie ausgerichtete Thesen aufgestellt hatten. 1. Parteiorganisation 1.1 Der M i t g l i e d e r b e s t a n d der NPD sank 1977 weiter um 700 Personen (etwa 7%). Die Partei hat jetzt nur noch rund 9.000 Mitglieder, von denen allenfalls ein Drittel aktive Parteiarbeit leistet. Stärkster Landesverband ist Bayern mit etwa 1.900, der schwächste Berlin mit nur etwa 100 Mitgliedern. Die NPD hat -- acht Jahre nach ihrem höchsten Organisationsstand mit 28.000 Mitgliedern im Jahr 1969 -- fast 6 8 % ihres damaligen Bestandes -- also insgesamt 19.000 Personen -- eingebüßt. Insgesamt haben aufgrund der hohen Fluktuationsquote, die von Anfang an die NPD kennzeichnete, über 45.000 Personen nach häufig nur kurzer Zugehörigkeit die Partei wieder verlassen. Trotz des Niedergangs der Partei lobte die "Strategie-Kommission" zwar in dem zitierten Rundschreiben vom 14. Juni die "Treue und den Idealismus der noch Verbliebenen", gestand aber gleichzeitig ein, daß sich auch das geistige Niveau verringert hätte und die Partei "intellektuell ausgedünnt" worden sei. Die "Protesf'-Mitglieder der Jahre 1966/1967, die Opportunisten, deren Hoffnungen auf eine Karriere mit Hilfe der Partei nicht erfüllt wurden, und Utopisten, die meinten, mit der NPD die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland ändern zu können, haben der Partei längst den Rücken gekehrt. Die NPD bekannte, soziologisch sei sie eine "Partei der Großväter und Enkel" geworden, weil die mittlere Generation 1.2 Der nun schon viele Jahre anhaltende Verlust an innerund außerparteilicher Attraktivität ließ auch die P a r t e i a r b e i t erlahmen. Von den rund 280 noch existierenden Kreisverbänden kann allenfalls die Hälfte als arbeitsfähig bezeichnet werden. Im Bundesvorstand kam es zu erheblichen internen Spannungen. Einen Höhepunkt des Streites in der Führungsspitze stellte das Rundschreiben des früheren stellvertretenden Parteivorsitzenden und ehemaligen Bundesvorsitzenden der JN, Günter DECKERT (37) aus Weinheim, zum Jahreswechsel 1976/1977 dar, in dem dieser im Hinblick auf den Parteitag am 26727. März in Hannover ausführt: "Die NPD . . . ist zur fast vollkommenen Bedeutungslosigkeit herabgesunken... Sie ist nicht nur wegen des schlechten Abschneidens angeschlagen . . . , sie ist auch angeschlagen, weil sie nicht geführt wird. Die Partei wird verwaltet!... Wählen wir eine neue Mannschaft!!!". Die "Strategie-Kommission" forderte eine "Umschichtung der Partei von einer Partei der Wähler, einer auf den Erlöser wartenden Partei zur Kaderpartei, einer Kampfgemeinschaft". Die NPD führte gemäß ihrem "Konzept des langen Marsches kleiner Schritte" außer einigen regionalen Veranstaltungen 1977 nur eine von etwa 4.000 Personen besuchte Großveranstaltung, das "Deutschlandtreffen" am 17. Juni in Frankfurt, durch. Dabei kam es zu -- teilweise gewalttätigen -- Auseinandersetzungen mit etwa 1.000 Gegendemonstranten. Zahlreiche Rechtsextremisten aus Österreich, Italien, Belgien und Frankreich nahmen an der Veranstaltung teil. 1.3 Die angespannte F i n a n z l a g e zwang die NPD zu äußerster Zurückhaltung bei politischen Aktivitäten. Die Partei verkündete: "Geld spielt bei uns keine Rolle, denn wir haben z. Z. keines oder nur sehr wenig" ("Nationaldemokratische Propaganda-Depesche" 1/77). Sie hat gegenüber der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Schulden: Nach den Vorschriften des Parteiengesetzes waren ihr Abschlagszahlungen auf zu erstattende Wahlkampfkosten gewährt worden. Die Abschlagszahlungen werden nach dem Ergebnis der jeweils vorangegangenen Bundestagswahl bemessen. Da die NPD in nachfolgenden Wahlen nicht das Ergebnis der Vorwahl erreichte und bei der Bundestagswahl 1976 die für die Erstattung von Wahlkampfkosten festgesetzte Grenze von 0 , 5 % der Zweitstimmen unterschritt, muß sie zuviel erhaltene Abschlagszahlungen zurückzahlen. Der Bundesrepublik Deutschland stand 1977 ein RückZahlungsanspruch von DM 918.000 gegen die NPD zu. Nach einer im Dezember 1977 mit der Verwaltung des Deutschen Bundestages getroffenen Vereinbarung hat die NPD bis 31. Januar 1978 DM 150.000 zurückzuzahlen. Der Rest wird bis nach der Bundestagswahl 1980 gestundet. Auch der bayerische Landesverband muß etwa DM 70.000, die als Abschlagszahlungen gewährt wurden, zurückzahlen. 1.4 Die P r e s s e a r b e i t der Partei konzentrierte sich auf die Herausgabe der Monatszeitung "Deutsche Stimme" mit einer Auflage von etwa 100.000 Exemplaren. Daneben gaben NPD und JN auf allen Gliederungsebenen insgesamt 30 periodische Blätter und Informationsdienste in einer monatlichen Gesamtauflage von etwa 69.000 Exemplaren heraus. hatte der Bundeskongreß am 17./18. September in Osnabrück, auf dem der Student Gösta THOMAS (28) aus Erlangen Winfried KRAUSS (31) aus Nürnberg als Bundesvorsitzenden ablöste. Auch bei diesem Kongreß kam es zu massiven Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten. Die JN, die auch 1977 enge Kontakte zu Gleichgesinnten im Ausland unterhielten, betrachten sich trotz ihrer rückläufigen Entwicklung als Motor der Partei, als "Elite unseres Volkes" und als "Speerspitze der erwachenden Nation" ("Informationen" des JN-Landesverbandes Schleswig-Holstein, Sept/Okt. 1977). Sie waren die eigentlichen Träger der wenigen unter dem Namen der NPD veranstalteten Aktionen. Die neue JN-Zeitung "Der Pfeil" schlug eine besonders harte Tonart an. Die JN halten den Kurs der NPD für zu wenig kämpferisch und das NPD-Organ "Deutsche Stimme" für zu "zahm". Teile der Jugendorganisation liebäugelten mit den Zielen und Verhaltensweisen der Neonazis. Die JN suchten in einigen Fällen bewußt die Konfrontation mit linken Gegendemonstranten. Diese Entwicklung hat sich auch 1978 zunehmend verstärkt. 1.6 Der " N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e H o c h s c h u l b u n d " (NHB) als weitere Nebenorganisation der NPD ist mit knapp 50 Mitgliedern an einigen Hochschulen vertreten. Selbst in der Hochschulpolitik ist er bedeutungslos. Neuerdings versuchten Angehörige des NHB, in einigen wenigen studentischen Vereinigungen Einfluß zu gewinnen. 2. Wahlbeteiligungen der NPD 1977 Die NPD beteiligte sich an den Kommunalwahlen in Hessen am 20. März und an den Teilkommunalwahlen in Niedersachsen am 23. Oktober in einigen, von ihr zu Schwerpunkten erklärten Gebieten. Bei den h e s s i s c h e n K o m m u n a l w a h l e n kandidierte die Partei in Kassel und Frankfurt sowie in einigen Kreisen und Gemeinden des RheinMain-Gebietes. Sie erzielte ein Stimmenergebnis zwischen 0,4 und 0,9%. In allen Wahlkreisen blieb sie erheblich unter den Ergebnissen der Kommunalwahl von 1972. An den n i e d e r s ä c h s i s c h e n T e i l k o m m u n a l w a h l e n beteiligte sich die NPD in Nordhorn und Cuxhaven sowie in 5 von 18 Landkreisen. Ihre Ergebnisse lagen zwischen 0,4 und 1,95%. In jedem dieser Wahlkreise konnte sie ihr Stimmenverhältnis gegenüber der Kommunalwahl 1976 verbessern. Sie profitierte offenbar u.a. von dem neuen Wahlmodus, der jedem Wähler gestattete, drei Stimmen entweder einem oder auch mehreren Kandidaten zu geben. Die NPD errang zwei Mandate. Mit 1,95% der Stimmen wurde ein Kandidat der NPD in den Kreistag von Soltau-Fallingbostel und mit 0 , 8 % der Stimmen ein NPD-Kandidat in den Kreistag von Rotenburg a.d. Wümme gewählt. Die NPD, die 1971 noch 426 A b g e o r d n e t e i n K o m m u n a l v e r - t r e t u n g e n stellte, hatte Ende 1977 lediglich noch 31 Vertreter in Bezirksund Kreistagen sowie in Stadtund Gemeinderäten: 15 in Bayern, 12 in 3. Rechtsextremistische Agitation der "Nationaldemokraten" Die rechtsextremistische Agitation der "Nationaldemokraten" ist im wesentlichen durch folgende Thesen geprägt: 3.1 Auch im Jahre 1977 propagierte die NPD v ö l k i s c h e n K o l l e k t i - v i s m u s , indem sie die "solidarische Volksgemeinschaft" als höchsten Wert herausstellte, hinter der die Rechte und Interessen des Individuums zurückzutreten hätten. Der Parteivorsitzende MUSSGNUG erklärte, das Volk stelle als "Großgruppe . . . die höchste Ordnungsform . . . für die Menschheit dar". In dem Parteiblatt "Deutsche Stimme" hieß es, "oberste Richtschnur ist das Wohl der Volksgemeinschaft" und nur "in der Gemeinschaft des Volkes ruhend" könne der Mensch "zu einer echten demokratischen Freiheit geführt werden". Dementsprechend forderte die Partei auch die "Verwirklichung der Einheit von Volk und Staat". Die JN verkündeten, "die völkische Basis" bilde "das Fundament der Nation". Am Ende dieses Prozesses des "ganzheitlichen Denkens" steht nach Auffassung der JN das "lebensrichtige Menschenbild". Der JN-Bundesvorstand nannte diese "nationaldemokratische" Spielart des völkischen Kollektivismus die " I e b e n s - richtige O r d n u n g s i d e e der Nationalen Solidarität". Fundstellen: "Deutsche Stimme" (DSt) 1977, 2, S. 2; 4, S. 1 ; 10, S. 5; "JN-Report" des JNBundesvorstandes 4/77, S. 1 ff; "Junge Stimme" des JN-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Mai/Juni 1977, S. 4; "JN-intern" des JN-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen 1/77 S. 7; "Widerhaken" des JN-Kreisverbandes Neuss 4/77, S. 4. Diese Thesen zielen auf eine Unterordnung des einzelnen unter die "Volksgemeinschaft" ab. Eine solche pauschale Unterordnung der Einzelinteressen unter Gemeinschaftsinteressen ist mit den im Grundgesetz garantierten Grundrechten nicht vereinbar. Die konsequente Fortführung dieser Thesen bewirkt, daß die in erster Linie als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat zu verstehenden Grundrechte leerlaufen, weil jeder Eingriff in grundrechtliche Positionen mit dem Hinweis auf Gemeinschaftsinteressen gerechtfertigt wird, ohne daß eine sorgfältige, am Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Abwägung der Güter "Individualinteressen" und "Gemeinschaftsinteressen" stattfindet. 3.2 Die NPD leugnet nicht, ihren Gedanken von der Volksgemeinschaft der nationalsozialistischen Ideologie entlehnt zu haben. Sie führt aus, die im nationalsozialistischen Staat "schon einmal verwirklichte Idee der Volksgemeinschaft" habe keinen "Raum für Klassenkampf und Profitgier" gelassen. Die G l o r i f i z i e r u n g H I T L E R s gipfelte in der Feststellung, dieser habe das "Phänomen" fertiggebracht, "ein völlig zerrissenes Volk zu einer geschichtlichen Gesamtleistung zu bewegen". Auch 1977 kämpfte die Partei gegen die "heuchlerische Moral und bösartige Propaganda... der L ü g e v o n d e r A l l e i n s c h u l d der Deutschen an zwei Weltkriegen". Sie forderte "erneut die Generalamnestie für alle im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Kriegshandlungen". Parolen der "Nationaldemokraten Das Reich wird SS Mitdenken - Nationaldemokrat Mithandeln werden Wir wissen, dafl ms doch bleiben ! 2 t e unsere Zeit Für ein vereintes, unabhängige" und nationaldemokratisches Deutschland. Protest gegen Bonn und das kommen wird ganze Bonner Parteienkartell Michel, wath SCHLUSS MIT DEM NPD- _ VERBOTIN El BERLIN NPD: Wir arbeiten für Deutschland IgarriKeaiir f IONALISMUS *""rtarin =tt.=PSt Duaurh f f WP: b e f r e i t d i e VÖLKER! [ NATLONALDEMOKRATEN SCHÜTZEN DDEUTSCHE EU KINDER ! Die 'A^A'A'ai FÜR SICHERHEIT DURCH RECHT Se*" UNO ORDNUNG N P D fordert: rtW1 de*** .*"" Schluss mit der schulischen Zwangssexualisierung! NATIONALISMUS LASST SICH NICHT VERBIETEN zu u n s ! | NATIONALISMUS - DIE ALTtRNATIVE ZU DPSN HERRSCHENDEN SYSTEMEN FREIHEIT FÜR DIE N P D ! Lebers Verrat an der Jugend J E T Z T E R S T R E C H T Zerschlagt Rotfront und Reaktiot i&iMflfrt Bekämpft das Politgangstertum! &." d- r.... ".*.,."." Bundesanwalt BUBAK MORDOPFEf R ES UOoL l iU dTaI rOi R t äRtR EmR i tnRTionRLismus d e m kämpfenden | von Terroristen un irischen Volk ! POLITIK FÜR DEUTSCHLAND Straf recht3IEGED1 liberalisierern Unruiürts Wenn die Völker sich Schluß milder Glacehandsctiuhmethode im national-erheben - Jetzt NPD: reualutionären werden Kreml und Befreiungsüampf Wall Street beben! Unsere Antwort auf steigende JugendNeuvereinigung Vietnams kriminalität, Jugendarbeitslosigkeit, Alkoholismus und Drogenmirjbrauch I Fanal f ü r Deutschland NATIONAIDEMOKRATEN werden den DIE SCHONZEIT IST V O R B E I ! DER KAMPF BEGINN Deutschen Jugenddienst einführen 3.3 Mit einer Flut d i f f a m i e r e n d e r V e r l a u t b a r u n g e n gegen demokratische Institutionen und Repräsentanten der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland versuchte die NPD den Demokratiewert in der Bevölkerung zu untergraben. Die JN sprachen unmißverständlich die Erwartung aus, "der Massensturm der deutschen Volkserhebung" möge "dieses ganze Bonzentum hinwegfegen". Die NPD und JN seien "die einzige wirkliche Alternative zum Einheitsbrei der volksfeindlichen Bonner Altparteien". Die Terroranschläge veranlaßten die NPD zu scharfen Ausfällen gegen die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, die "an der Ausbreitung der Seuche des Terrorismus schuldig" seien, weil sie aus "anarchistischem Geist heraus" eine "falsche Humanität" zeigten und die Verbrecher "verhätschelten". Fundstellen: DSt 1977, 10, S. 1; "JN-Report" des JN-Bundesvorstandes 2/77, S. 8; "Der Pfeil" des JN-Bundesvorstandes ohne nähere Bezeichnung, S. 3; Flugblatt "Mörderparadies Westdeutschland" des NPD-Kreisverbandes Frankfurt/ Main. V. Neonazistische Aktivitäten 1977 gingen vermehrt auch spektakuläre Aktionen von Gruppen und Personen aus, die an den Nationalsozialismus anknüpfen und einen rassistischen, nach dem Führerprinzip ausgerichteten, von einer totalitären Einheitspartei beherrschten Staat im Sinne Adolf HITLERs anstreben. 1. Situation neonazistischer Gruppen Die neonazistischen Gruppen sind Aktivistenzusammenschlüsse ohne o r g a n i s a t o r i s c h e v e r e i n s m ä ß i g e S t r u k t u r . Sie stellen Initiativund Koordinierungsgremien für meist spektakuläre Aktionen dar. Ein kleiner Kreis von Funktionären, meist sogar nur der Leiter eines solchen Zirkels, gibt jeweils den Anstoß zu einer Demonstration oder Ausschreitung. Eine eindeutige mitgliedschaftliche Zuordnung des einzelnen Aktivisten zu der einen oder anderen neonazistischen Gruppe ist im Regelfall nicht möglich, weil der überwiegende Teil der Aktivisten in mehreren Gruppen mitwirkt. Die Namen einiger neonazistischer Gruppen haben mehr Aktionsals Organisationscharakter. Den von politischen Fanatikern gesteuerten 17 erkannten kleinen Gruppen waren 1977 etwa 900 A k t i v i s t e n zuzurechnen (1976: 600), während sich ihre Zahl zwischenzeitlich auf annähernd 1.000 in ca. 20 Gruppen erhöht haben dürfte. Unter diesen Aktivisten befinden sich seit etwa zwei Jahren rd. 150 bis 200 Personen, die den "harten neonazistischen Kern" bilden und sich häufig an politischen Aktionen in der Öffentlichkeit beteiligten. Dazu Neonazistische Hetzblätter Dcutfrtif Blltgtrliiltlattot t.fl. gen wurden in zahlreichen Fällen zum Teil nicht unbeträchtliche Mengen an Waffen und Munition sowie gelegentlich auch Sprengstoff sichergestellt. Die etwa um das Dreifache gestiegene Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Rechtsextremisten und die zum Teil hohen Strafen gegen neonazistische Täter haben zwar viele verunsichert, aber insgesamt in neonazistischen Kreisen nicht die Bereitschaft gedämpft, sich bewußt über Strafgesetze hinwegzusetzen. Knapp 800 Personen sind dem Umfeld dieses Aktivistenkerns zuzurechnen, darunter gelegentlich mitwirkende Demonstranten, finanzielle Unterstützer, Verteiler von Schriften sowie mehrere hundert "Mitläufer". Im Februar 1978 wurde erstmals eine neonazistische Gewalttätergruppe im norddeutschen Raum bekannt, deren politisch kriminelles Tun sich über mehrere Monate erstreckte. Mehrere inzwischen festgenommene Neonazis werden dringend verdächtigt, am 5. Februar 1978 in der Nähe von Fallingbostel ein Biwaklager der holländischen Armee überfallen, einen Soldaten verletzt und mehrere Maschinenpistolen erbeutet zu haben. Bei den Ermittlungen stellte sich bisher ein Täterkreis von 7 Personen heraus, der aufgrund von Teilgeständnissen, Identifizierungen und Belastungsmaterial auch weiterer schwerer Straftaten verdächtigt ist, so z. B. eines Bankraubes am 19. 12. 1977 in Hamburg mit einer Beute von rd. DM 60.000,--, ferner mehrerer Raubüberfälle auf Bundeswehrangehörige und auf einen Kaufmann in Köln sowie mehrerer Diebstähle von Waffen und Munition. In jedem Fall war das Ziel, Geld oder Waffen zu erbeuten. Dies ist insoweit bedeutsam, weil erstmals ein neonazistischer Täterkreis über längere Zeit Taten mit terroristischem Charakter in Verfolgung seiner politischen Ziele beging. Nach Aussage eines Beschuldigten sollten die Waffen u.a. zu Anschlägen auf Angehörige und Einrichtungen befreundeter Streitkräfte benutzt werden. Ferner war laut Aussage eines Beschuldigten geplant, das Ehrenmal im ehemaligen KZ-Lager Bergen-Belsen in die Luft zu sprengen. Der GBA hat am 25. April 1978 das Verfahren wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung übernommen. Eine zweite aus 3 Personen bestehende Gruppe konnte Ende Mai 1978 in Schleswig-Holstein kurz vor der Übernahme einer Kiste mit Handgranaten und 7 kg Sprengstoff festgenommen werden. Sie hatten u.a. einen Sprengstoffanschlag auf das KBW-Büro in Kiel durchführen wollen. Auch hier ermittelt der GBA nach SS 129a StGB. 2. Einzelne Gruppen der Neonazis und deren Aktionen Durch politisch-spektakuläre Aktionen traten folgende Gruppen besonders hervor: Die " D e u t s c h e B ü r g e r i n i t i a t i v e " (DBI) des mit einem Berufsverbot (SS 150 Bundesrechtsanwaltsordnung) belegten Rechtsanwalts Manfred ROEDER (48) entwickelte sich durch die monatlichen "Freundestreffen" auf dessen mit erheblichen Kosten ausgebauten "Reichshof" in Schwarzenborn/Knüll zu einem Zentrum für Neonazis. Hier trafen auch mm Die DBI beteiligte sich am 19. Februar mit etwas mehr als 100 Anhängern an den Kernkraftwerkdemonstrationen in Brokdorf, störte am 23. März die Aufführung eines Albert Leo SCHLAGETER persiflierenden Theaterstückes in Uelzen und hielt am 21./22. Mai den "Reichstag zu Regensburg" ab, in dessen Verlauf sich einige DBI-Anhänger nachts gewaltsam Zugang zur Befreiungshalle in Kelheim verschafften. ROEDER demonstrierte am 10. Mai mit etwa 20 Anhängern vor der Britischen Botschaft in Bonn gegen die weitere Inhaftierung von Rudolf HESS. Am Abend verbrannten seine Gesinnungsgenossen auf der Bonner Rathaustreppe eine britische Fahne. Am 16. Oktober legten ROEDER und einige Anhänger zum Gedenken an die "Opfer der Nachkriegsjustiz" vor dem Oberlandesgericht in Nürnberg, wo in den Nachkriegsjahren die Kriegsverbrecher-Prozesse stattgefunden hatten, einen Kranz nieder. Am 19. November demonstrierten sie gegen die Verwendung der Garlstedter Heide bei Bremen als Truppenübungsplatz. Hinter den sich selbst so bezeichnenden " N S D A P - G r u p p e n " steht eine von dem Frührentner Wilhelm WÜBBELS (53) aus Bocholt beeinflußte "Reichsleitung der NSDAP", die mit großer Übertreibung behauptet, über "Gaue" zu verfügen, deren Leiter angeblich u.a. in Frankfurt/Main, Mannheim, Hanau und Berlin (West) wohnen. Die "Reichsleitung" gab 1977 neun Ausgaben der "Nationalsozialistischen Reichszeitung" mit dem Titel "Wille und Weg", zuletzt in einer Auflage von ca. 1.500 Exemplaren, heraus. Maßnahmen der Sicherheitsbehörden haben das Erscheinen weiterer Ausgaben im Berichtszeitraum verhindert. Als Tarnimpressum war jeweils die Anschrift des dänischen Naziführers Paul RIJS-KNUDSEN (28) aus Aarhus angegeben. WÜBBELS ist als Leiter und "Koordinator" in den eigenen Reihen umstritten. Sein Versuch, konspirativ eine einheitliche Organisation der NSDAP zu schaffen, ist gescheitert. Zwischen den einzelnen NSDAP-Gruppen besteht nur ein loser Zusammenhang u.a. auch deswegen, weil mehrere strafrechtliche Maßnahmen die Zusammenarbeit erheblich gestört haben. WÜBBELS und seine Anhänger trafen sich am 29./30. Januar am Hermannsdenkmal bei Detmold konspirativ zum "Gedenken an den Tag der Machtübernahme". Durch niedersächsische Polizei und Bundesgrenzschutz konnten Aktionen der N S D A P - G r u p p e n WÜBBELS' am 17. Juni an der Demarkationslinie im Kreis Lüchow-Dannenberg verhindert werden. Der Journalist Thies CHRISTOPHERSEN (59) aus Mohrkirch agitierte 1977 mit seiner " B ü r g e r - u n d B a u e r n i n i t i a t i v e " (BBI), der Schrift "Die Bauernschaft" und mit den Broschüren des " K r i t i k - V e r l a g e s " , der ihm die finanziellen Mittel für seine politischen Aktivitäten verschaffte. CHRISTOPHERSEN hat gute Kontakte zu ausländischen Neonazis. Seine Anhänger trafen sich u. a. auf einer als Kreuzfahrt getarnten Reise auf der Ostsee am 28. Juni und auf einer Herbsttagung in Mals/Südtirol vom 17. bis 23. Oktober. Der von dem Journalisten Erwin SCHÖNBORN (63) aus Frankfurt/M. geleitete " K a m p f b u n d D e u t s c h e r S o l d a t e n " (KDS) will entgegen den belegten Tatsachen den Nachweis erbringen, daß es in deutschen Konzentrationslagern keine Vergasungen gegeben habe und Auschwitz kein Vernichtungslager gewesen sei. Der KDS versprach in Flugblattaktionen Nachweis von Judenvergasungen in deutschen Konzentrationslagern erbringe. SCHÖNBORN war Mitveranstalter bzw. Veranstalter der von den Städten Nürnberg und Frankfurt verbotenen "Auschwitz-Kongresse". Er ist Initiator und Vorsitzender der am 1. Oktober gegründeten " A k t i o n s g e - m e i n s c h a f t N a t i o n a l e s E u r o p a " (ANE). SCHÖNBORN war auch maßgeblich beteiligt an den Gründungen des internationalen Komitees " N e u e s N a t i o n a l e s E u r o p a " (NNE), das sich mit Unterstützung der ANE an den Europa-Wahlen beteiligen und für den Spitzenplatz seiner Kandidatenliste Rudolf HESS benennen will, und an einer "Bürger- i n i t i a t i v e für die T o d e s s t r a f e und gegen Pornographie und S i t t e n v e r f a l l " . Neben den von WÜBBELS "koordinierten NSDAP-Gruppen" machten 1977 noch kleine "NSDAP-Gruppen" auf örtlicher Ebene, die mit WÜBBELS' Gruppen konkurrieren, gelegentlich von sich reden. Zu nennen ist die " K a m p f g r u p p e G r o ß d e u t s c h l a n d " des Metallprüfers Henry BEIER (49) aus Frankfurt/M. sowie die "NSDAP Frankfurt/M.", die das NSBlatt "Das Braune Bataillon" herausgibt und ankündigte, es werde "nicht mehr lange dauern und unsere Hakenkreuzfahne wird auf dem Polizeipräsidium gehißt werden." ("Das Braune Bataillon" August 77, S. 4). Die als " F r e i z e i t v e r e i n H a n s a " und " S A - S t u r m 8. M a i " auftretende Neonazigruppe in Hamburg, zeichnete für das "SA-Kampfblatt" mit dem Titel "Der Sturm" verantwortlich. Ein Funktionär dieser Hamburger Gruppe, der nach SS 55 Abs. 5 Soldatengesetz aus der Bundeswehr entlassene Michael KUEHNEN (22) aus Hamburg, gründete mit Gleichgesinnten am 26. November die " A k t i o n s f r o n t N a t i o n a l e r Soziali- s t e n " (ANS), die sich 1978 an der Hamburger Bürgerschaftswahl beteiligen will. Mitglieder dieser H a m b u r g e r N S D A P - G r u p p e bezogen am 20. August vor dem Wohnhaus des aus einem italienischen Gefängnis geflohenen ehemaligen SS-Offiziers KAPPLER in Soltau in einheitlicher schwarzer Kleidung Posten. Andere neonazistische Zirkel konzentrierten sich fast ausschließlich auf die Verbreitung ihrer Blätter. Sie trugen damit dazu bei, daß im Berichtsjahr die Auflage der neonazistischen Schriften und Flugblätter um fast 250 % atieg. Hierzu gehört an erster Stelle die " D e u t s c h - V ö l k i s c h e G e - m e i n s c h a f t " (DVG) des Kaufmannes Werner BRAUN (26) aus Karlsruhe mit den flugblattähnlichen, in Massenauflage gedruckten Pamphleten "Der Angriff" und "Die Wahrheit für Deutschland" sowie der " F r e u n d e s - kreis ,De n k mit'!" des kaufmännischen Angestellten Klaus HUSCHER (46) aus Nürnberg, Herausgeber des Zweimonatsheftes "Denk mit!" Die Einmannorganisationen " F a s c h i s t i s c h e F r o n t " des Metallarbeiters Michael BORCHARDT (28) aus Hamburg und der " F r e u n d e s - k r e i s d e r N S D A P " des Ingenieurs Wolf Dieter ECKART (38) aus Stolberg (vormals Hamburg) brachten seit Frühjahr 1977 keine Schriften mehr heraus. von Hakenkreuzfahnen auf sich aufmerksam gemacht. In einer Reihe von Fällen konnten die Täter ermittelt und Strafverfahren eingeleitet werden. 1977 verbreiteten Neonazis 18 in Serie erscheinende Schriften mit einer wöchentlichen Durchschnittsauflage von etwa 9.200 Exemplaren (1976: 8 Blätter, Wochenauflage: 1.800). Die Verfassungsschutzbehörden legen alle neonazistischen Schriften fortlaufend den zuständigen Strafverfolgungsbehörden vor. 3. Neonazistische Agitation Die Agitation der Neonazis findet in den folgenden Thesen ihre Zusammenfassung: Am deutlichsten brachten die " N S D A P - G r u p p e n " um WÜBBELS, die " D e u t s c h - V ö l k i s c h e G e m e i n s c h a f t " (DVG), die " F a s c h i s t i s c h e F r o n t " (FF), die " B ü r g e r - u n d B a u e r n - i n i t i a t i v e " (BBI) und die " N S D A P - G r u p p e " in Hamburg durch eine f a n a t i s c h e V e r h e r r l i c h u n g d e s N a t i o n a l s o z i a - lismus und s e i n e r e h e m a l i g e n R e p r ä s e n t a n t e n zum Ausdruck, daß sie eine nationalsozialistische Diktatur in Deutschland herbeiführen möchten. In der Schrift "Wille und Weg", die in allen bislang erschienenen, auf der Titelseite jeweils mit einem Hakenkreuz versehenen neun Ausgaben ein uneingeschränktes Bekenntnis zu dem "Führer" Adolf HITLER ablegte, erklärten die anonymen Verfasser, es gebe nur eine einzige Alternative: "den Nationalsozialismus, die einzigartige Idee Adolf HITLERs zur Rettung der weißen Rasse". Die DVG bezeichnete HITLER als "einen der größten Söhne" des deutschen Volkes, dessen Ehre wiederhergestellt werden müsse. Sie forderte die "standrechtliche Erschießung aller noch lebendigen Verräter". Die FF bescheinigte "unserem HITLER... einmalige weltgeschichtliche Leistungen" und "treues Führertum", das "unserem Volk noch in tausend Jahren ein unerschöpflicher Born der Kraft" sein werde. Die BBI erblickte in HITLER einen "tief religiösen Menschen", in dem "vielleicht nach 100 Jahren Menschen einen Heiland sehen". Die "NSDAP-Gruppe" in Hamburg erklärte in ihrem Propagandablatt "Sturm": "Wir sind die Kämpfer der NSDAP . . . " Fundstellen: "Wille und Weg" 9/77, S. 3; "Wahrheit für Deutschland" 8/77, S. 4; Flugblatt "Unser Kampf"; "Angriff" 4/77, S. 2: "Aufmarsch" 4/77, S. 2; 5/77, S. 3; "Bauernschaft" 2/77, S. 43; "Sturm" 1/77, S. 1. Diese Propagandisten des Nationalsozialismus versuchten, die V e r b r e - c h e n des N S - R e g i m e s zu v e r h a r m l o s e n o d e r v ö l l i g zu l e u g n e n . Die DVG bestritt die planmäßige Vernichtung der Juden und behauptete, es habe keine Gaskammern gegeben. Der "Kampfbund Deutscher Soldaten" (KDS) steigerte sich zu der These, daß "nicht ein einziger Jude in einem deutschen KZ vergast" worden sei. Der "Freundeskreis,Denk mit!'" behauptete, die Gaskammern seien von den Alliierten nach 1945 gebaut worden, um den Deutschen "Verbrechen zuzuschieben". In seinem "Kritik-Verlag" brachte der BBI-Leiter CHRISTOPHERSEN die Broschüre "Das Institut für Zeitgeschichte -- eine Schwindel-Firma?" von Wil- Agitation neonazistischer Gruppen * e i u t e c h " I WEU Kampfbund Deutscher Soldaten ScW"*"" u*r Dim io.000." J)Af Belohnung ttCMLVSS J i r Z T ErfüHungig*hll4"n. SCHLUSS JETIT DEUTSCHE.KOMMT ZU KÄMPFT M I T I N DEN REIHEN P i R NEU Ihr Toten vom 9 . November, PAEUflMINTAIIISMUS GEGRÜNDETEN NSDAP f ÜR DAS GROSSE Ihr Toten wir tdiwören "t Euch: ZIEL: Noch leben vi"l lautend Kämpfer D-" DIVTSCHI R I I C H f i t KirhI für d a i HL, d a * Groodeuttdie Held1 Die nationalsozialistische r r . PS f ; " ' . f * " * * ;*"** * * * * ; - * - Revolution. reSaPSIS:SSSi"-''"""" ]"i" gefallenen Helden an der Front und die "ubacf ifttot-tta un< i n d i r H e i m a t zu Todegebombten Kinder VERPFLICHTEN Trauen UNS! und feit 3ubtTi finb imfer HnflluaC KÄMPFT M I T UNS FÜR EIN NEUES DEUTSCHLAND DER NATIONALEN EHRE U N D | SOZIALEN GERECHTIGKEIT JtUriiKT irni lm irfflrn uni lm flllrn. AH Bm ju (ir.lcTrinjruns iithrtr. hülTm. Unil fillilrjurtl Irinrfcfllif pffnilwr: Ju oHm KIK ifi).*osrirtilrmwat. JnJfnjr rbnd irtiibhT Jhitalfim FTIUTTrinftÜT Arnii pTIrtrtf UnJ mifti nit Nfliüriifliiijfn üntu-Mif Ut Hun.ua üo)rtril'ornrirti wrhintVn ift uniHmiittirnirrii lujiiirin fruc "ifi; Ofrti irtfraflrrt unfl in Brlfrn. ficiur. fur all" rin.mu rinlt tins trurr ainr. Fundstellen: "Angriff" 4/77, S. 2; 6/77, S. 1; 10/77, S. 2; Flugschrift "Der Prozeß gegen die Zentralstelle", S. 14; "Denk mit!" 2/77, S. 48; "Das Institut für Zeitgeschichte -- eine Schwindel-Firma?", S. 4. Die Neonazis verbreiteten in ihren Pamphleten einen p r i m i t i v e n u n d a g g r e s s i v e n A n t i s e m i t i s m u s , der dem brutalen Antisemitismus unter der NS-Gewaltherrschaft gleichkommt. Als einer der unerbittlichsten F e i n d e d e r D e m o k r a t i e i n d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d gebärdete sich die "Deutsche Bürgerinitiative", die durch die "Briefe" ROEDERs verkündete: "Wer diese Republik aufrechterhalten will, ist ein Verfassungsfeind". Die Demokratie sei eine "ständige Auslese zum Schlechteren" und müsse "in der totalen Katastrophe enden". Jedes Volk brauche zur Verwaltung und Führung aus seiner Mitte eine Elite, aber keine Parteien. Den von Terroristen ermordeten Generalbundesanwalt BUBACK bezeichnete "Wille und Weg" als "Judensöldling" und stellte ferner fest: "Kein falsches Mitleid tut uns beschleichen bei dieser und bei ferneren Leichen". Auch die "Faschistische Front" bekundete, das plötzliche Ableben BUBACKs erfülle sie nicht mit Trauer, weil dieser ein "führender Vertreter dieses ,BRD'-Regimes" gewesen sei, "das uns Faschisten und allen anständigen Deutschen zutiefst verhaßt ist". Fundstellen: "43. Brief", S. 4; "49. Brief", S. 3; "51. Brief", S. 1; "Wille und Weg" 6/7/77, S. 25; "Aufmarsch" 4/77, S. 6. VI. "National-Freiheitliche Rechte" Unter der Bezeichnung "National-Freiheitliche Rechte" und ähnlichen Namen (z. B. "Vereinigte Freiheitliche") traten die etwas mehr als 5.000 Mitglieder umfassenden Gruppierungen um den rechtsextremistischen Münchener Zeitungsverleger Dr. Gerhard FREY (44) auf. Dieser hatte sich 1971 mit der "Deutschen Volksunion" (DVU) eine organisatorische Basis für seine publizistische Tätigkeit und zugleich ein Auffangbecken für ehemalige NPDMitglieder geschaffen. Im Jahre 1972 gründete er den "Freiheitlichen Rat", um auch noch andere rechtsextremistische Vereinigungen an sich zu binden. DVU und NPD sind politische Konkurrenten, auch wenn es gelegentlich zu Annäherungen gekommen ist, so z. B. 1975, als Dr. FREY kurzfristig sogar dem Bundesvorstand der NPD angehörte. "Deutsche Volksunion" am 15. Mai 1977 in Hamburg und Zusammentreffen mit Gegendemonstranten untergeordneter Bedeutung zusammen: "Aktion Oder-Neiße", "Deutscher Block", "Jugendbund Adler", "Wiking-Jugend" und "Gemeinschaft Ostund Sudetendeutscher Grundeigentümer und Geschädigter". 1.2 Die " D e u t s c h e V o I k s u n i o n " , die sich -- vermutlich mangels Erfolgsaussicht -- nicht als Partei am Wettbewerb um politische Mandate beteiligt, veranstaltete 1977 vier spektakuläre Kundgebungen an Ersatzorten, nachdem entweder die Behörden die Versammlungen an den ursprünglichen Kundgebungsorten verboten, Gegendemonstranten die Treffen verhindert oder die Saalvermieter gekündigt hatten. Diese Veranstaltungen waren jeweils Treffpunkte von Rechtsextremisten des Inund Auslandes. Die "Wehrsportgruppe HOFFMANN" (vgl. VIII. 1.) stellte gelegentlich Ordner. Am 5. März führte die DVU in Köln-Porz eine Veranstaltung mit dem Thema "Bekenntnis zu Oberst RUDEL -- Abrechnung mit WEHNER" durch. Am 15. Mai sprachen in Hamburg außer Dr. FREY der deutsch-stämmige amerikanische Rechtsextremist Prof. Austin APP (75) und Oberst a.D. RUDEL (61). Es kam zu erheblichen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten. An den DVU-Kundgebungen am 3. September in Fürstenfeldbruck mit dem Thema "Ewig büßen für Hitler?" nahmen 500 und am 21. Oktober in Untergriesheim bei Heilbronn mit Oberst a.D. RUDEL 300 Personen teil. Polizeibeamte schlossen die Veranstaltung am 21. Oktober wegen Gefahr der Volksverhetzung. Wiederum kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen DVU-Anhängern und politischen Gegnern. 1.3 Von den Gruppen um Dr. FREY machte nur die " W i k i n g - J u g e n d " (WJ) gelegentlich von sich reden, die durch Fahrten, Lager, Heimatabende und "Wehrertüchtigungsveranstaltungen" (Geländeübungen, KleinkaliberSchießen usw.) Jugendliche erziehen will. Die WJ, die sich als eine "sich heranbildende Elite" (Rundschreiben der Bundesführung vom 11. 5. 1977) versteht, pflegt Kontakte zu gleichgesinnten Jugendverbänden in Belgien, Frankreich und Italien. Der Bundesvorsitzende Wolfgang NAHRATH (48) umschrieb die Zielwerte seiner Organisation mit den Worten: "Es lebe Nordland -- Das Land der germanischen Götter -- Das Land unserer Vorväter -- Das Blut unserer Ahnen" (Fahrtenplan der WJ für 1978, S. 3). 2. Publikationen Die " D e u t s c h e N a t i o n a l - Z e i t u n g " (DNZ) ist nach wie vor die auflagenstärkste rechtsextremistische Wochenzeitung. Zusammen mit dem " D e u t s c h e n A n z e i g e r " (DA), dem Organ der DVU, erreichte die DNZ wie im Vorjahr wöchentlich eine Auflage von annähernd 100.000 Exemplaren. Zwei Sprengstoffanschläge auf das Gebäude der DNZ benutzte Dr. FREY für eine Spendenund Werbeaktion für seine Blätter und für die DVU. Die Entwicklung der rechtsextremistischen Organisationen von 1967--1977 (ohne Verlage und Vertriebsdienste) --70 --50 o + 3 0 rf>aPSg; D e h n u n g ntiteinerverfeUtenPolHik Wl e B Millionen veraaste Juden T Bonn heimlici .. ...--j--TTT Z ~^nTerror finanziert die uoe des l a h r h u B H g ^ ^ , ^ " ^ ^ , ^ I il iniMI ill I Il li I ii um M *PS"*PS 6.0Q0.00G ermordeten Juden l^^rrAf%^imri:\llhi^U*ri Y vie üasnfo" fm j, i %y^j^^uno -^"*" - *> * - ^ f c"^TT^EB'ardCI> inWTBT-WWI "Deutsche National-Zeitung" zu Hitler Hitlers letrte Worte: Hitler - Teutel oder Messias? inn^PBKfrrSöwollte ich Deutschland rettei Neue Erkenntnisse über den "Führer" Sündenbock \M ... ihr E f wä sterbe Verrat an Hitlep Das Volk will die ganze Wahrh über Hitler erfahren Lägen I I B i w T R P l IKBIM oder UmriiHMä^^lUEn h t nrlftv I I M M A M U A O I iPSÜ' 't* n" M m ü s um Hittere M -- - * * W " f l > ^ . . * " * i h ü e i Lww buiten fur Hitler G%NMSS!!tt HiÖSTSS! I"S^^ sein I1T " < e . M SR"lto"l>n--AAri^HA^, niters Geheimbef VII. "Neue Rechte" Die noch gelegentlich aktiven neun Diskussionsgruppen der seit etwa 1970 als Reaktion auf den Niedergang der NPD aufgekommenen "Neuen Rechten" sind in völlige Bedeutungslosigkeit abgesunken. Ihre Versuche, eine Synthese von nationalistischen Komponenten mit sozialistischen Postulaten herzustellen, haben zu erheblichen ideologischen Wirrnissen in den eigenen Reihen geführt und die einzelnen Theoriezirkel noch weiter voneinander entfernt. Es gibt kaum eine Gruppe der "Neuen Rechten", die mit einer anderen in den ideologischen Vorstellungen von einem eigenständigen dritten Weg zwischen dem "kommunistischen Staatsbürokratismus" und dem "westlichen Kapitalismus" übereinstimmt. Nur noch insgesamt etwa 200 Personen gehören der "Neuen Rechten" an. Nennenswerte politische Aktivitäten in der Öffentlichkeit waren -- wie schon seit Jahren -- auch 1977 nicht mehr festzustellen. VIII. Sonstige rechtsextremistische Vereinigungen Neben den 38 Organisationen und Gruppen der "Nationaldemokraten", der Neonazis, der "National-Freiheitlichen" und der "Neuen Rechten" bestehen noch 45 rechtsextremistische Vereinigungen und Zirkel sonstiger Art. Nur wenige haben durch ihre Aktionen erreichen können, daß die Öffentlichkeit überhaupt von ihnen Notiz nahm. 1. "Wehrsportgruppe HOFFMANN" (WSG) Der Graphiker Karl-Heinz HOFFMANN (40) aus Heroldsberg hat seit Bestehen seiner "Wehrsportgruppe" etwa 200 Anhänger gewonnen, die z. T. einem von Hoffmann 1976 gegründeten "Freundeskreis zur Förderung der Wehrsportgruppe Hoffmann" angehören. Zu den Aktiven, die in Geländefahrzeugen mit Pionergerät und unbrauchbar gemachten Karabinern in gleichartigen Geländeanzügen eine sog. Wehrertüchtigung proben, zählen jedoch allenfalls 50 Personen. Sie traten auf den Saalveranstaltungen HOFFMANNS, auf denen auch die Leiter neonazistischer Gruppen, Klaus HUSCHER (Freundeskreis "Denk mit!") und Erwin SCHÖNBORN ("Kampfbund Deutscher Soldaten"), zu Wort kamen, zuweilen in Uniformen mit Totenkopfemblemen auf. Bei einigen Veranstaltungen der "Deutschen Volksunion" (DVU) übernahmen Angehörige der WSG den Ordnerdienst. Trotz einer rechtskräftigen Verurteilung zu DM 8.000,-Geldstrafe wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot übte HOFFMANN auch 1977 wiederholt uniformiert im Gelände. Dr. FREY, der Leiter der DVU, bezahlte HOFFMANN diese Geldstrafe "in einem Akt nationaler Solidarität" (DNZ 35/77, S. 10). Am 26. Februar wurden auf der Autobahn bei Nürnberg 22 WSG-Aktivisten wegen Tragens uniformähnlicher Bekleidung vorläufig festgenommen. eines Volkes zu lösen. Dagegen könne eine Diktatur "alles für ein Volk machen" ("Oggi", 9/77, S. 42). In dem bereits erwähnten Urteil des Landgerichts Nürnberg/Fürth vom 22. Februar 1976 wird ausgeführt, Angehörige der WSG seien sich mit HOFFMANN einig in der Ablehnung des Parlamentarismus und der Bejahung eines Nationalstaates, in dem das Führerprinzip herrschen solle. Die WSG solle als "Kampfgruppe... für den Krisenfall bereitstehen". 2. "Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG) Das zur Pflege nationalistischen Kulturgutes gegründete, in Pflegestätten gegliederte DKEG zeigt rechtsextremistische Tendenzen. Der Vorstand besteht aus ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, von denen zwei höhere NS-Funktionen innehatten. Bei den "Norddeutschen Kulturtagen" vom 25.--27. März in Lüneburg dominierte -- wie bei anderen Veranstaltungen des DKEG -- der dem Kulturwerk eng verbundene rechtsextremistische "Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ). Die "Tage deutscher Kultur" wurden vom 21. bis 25. Oktober in Planegg abgehalten. Das Kulturwerk, das von Jahr zu Jahr mehr an Bedeutung verliert und mittlerweile auf eine Mitgliederzahl von rund 1.000 Personen zusammengeschmolzen ist, gibt als internes Publikationsorgan den "Pflegstättenleiter" heraus. 3. Rassistische Agitation in Kleinzirkeln Gerade in rechtsextremistischen Kleinstgruppen wurde 1977 vermehrt rassistische Agitation betrieben. Der sich als Ordensgemeinschaft empfindende " B u n d d e r A u f r e c h t e n " in Heiden/Westfalen bekannte sich so z. B. zur "konsequenten Rassenpolitik". Die Rasse sei "der Schlüssel zur Weltgeschichte". Die in Essen ansässige " K a m p f g e m e i n s c h a f t d e s D e u t s c h - N a t i o n a l e n S o z i a l i s m u s " forderte, jedes öffentliche Amt dürfe nur von Personen "deutschen Blutes" besetzt werden. Die hohe Fremdarbeiterquote führe zu einer "afroasiatischen Rassenzersetzung". Der " N o r d i s c h e R i n g " in Bredstedt/Schleswig-Holstein bekannte sich zum "Vorhandensein einer Auslese von Überlegenen" und bezeichnete eine "Aktionsgemeinschaft Gleichrassiger" als den "eigentlichen Kern des nordischen Gedankens". Fundstellen: Flugblatt "Erkenntnis ist Erlösung und Befreiung"; Programm der Kampfgemeinschaft; "Nordische Zukunft", 2/3/77, S. 9 und 4/77, S. 7. IX. Rechtsextremistische Verlagsund Vertriebsdienste Die Staatsschutzbehörden erkannten 44 selbständige -- d. h. von Organisa- rückläufig war, erlebten die 14 Buchverlage und die 15 Vertriebsdienste eine gesteigerte Nachfrage nach NS-Literatur, -Tonträgern, -Filmen und sonstigen -Artikeln. Dieser Trend hat inzwischen auch nichtextremistische Verlage, Kaufhäuser, Versandhäuser und Vertriebsdienste bewogen, Gegenstände dieser Art in ihre Verkaufsprogramme aufzunehmen. 1. Selbständige Zeitungsund Zeitschriftenverlage 1.1 "Deutsche Wochenzeitung" (DWZ) Waldemar SCHÜTZ (64), der Verlagsleiter der " D e u t s c h e n V e r l a g s - g e s e l l s c h a f t m b H " in Rosenheim, zeichnete nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden eines seiner Chefredakteure, des ehemaligen NSDAP-Gauhauptamtsleiters Erich KERNMAYR (71), vorübergehend für den Inhalt der DWZ selbst verantwortlich. Danach übernahm der in Österreich geborene Helmut Luxetich von LICHTENFELD (56) die verantwortliche Redaktion. Adolf von THADDEN, der frühere NPD-Vorsitzende, schied als Chefredakteur aus. v. THADDEN (56) und KERNMAYR sind nunmehr Mitherausgeber der DWZ. v. LICHTENFELD ist als Redner auf rechtsextremistischen Veranstaltungen aufgetreten. Er nahm im Mai zusammen mit dem ehemaligen GOEBBELS-Mitarbeiter Wilfried von OVEN (65) die "Ehrengabe" der "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP) entgegen. Bis auf zwei Personen gehören alle Gesellschafter der DWZ der NPD zum Teil als führende Funktionäre an. Im Gegensatz zur "Deutschen National-Zeitung" ging die Auflage der DWZ weiter um etwa 5.000 Exemplare pro Woche zurück. Sie umfaßt jetzt nur noch ungefähr 30.000 Exemplare. Ähnlich wie die NPD hat auch die DWZ völkisch-kollektivistische Vorstellungen über die "opferbereite Einordnung ins Volksganze" und der "Haltund Waltkraft" des Volkstums für das Reich. HITLER habe nie die Weltherrschaft angestrebt. Die Alliierten hätten den Krieg nicht gegen HITLER, "sondern erklärtermaßen gegen Deutschland und das deutsche Volk als Ganzes geführt". Die Opfer der Konzentrationslager seien "in erschreckender Weise den Seuchen" erlegen. Die Unterkünfte in Bergen-Belsen seien als Luxusquartiere bekannt, die Gaskammern in Dachau eine Attrappe gewesen. Wie die NPD gibt auch die DWZ den politisch Verantwortlichen in Bonn die Schuld an den Terroranschlägen. Die Terroristen würden geradezu aufgefordert, "einen von solchen Waschlappen repräsentierten Staat immer wieder frontal anzugreifen". Das Blatt forderte ein "Ausnahmerecht" für den "Politterrorismus". Für Mord und mörderische Geiselnahme müsse die Terroristen der Strang erwarten. Fundstellen: DWZ 14/77, S. 7; 20/77, S. 10, 32/77, S. 7; 35/77, S. 4; 35/77, S. 1; 36/77, S. 4; 37/77, S. 4; 42/77, S. 1. 1.2 "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) Über die DNZ wird oben ausführlich berichtet (VI. 2 und 3). jeweils einigen tausend Exemplaren die nächstgrößeren rechtsextremistischen Blätter. "Nation Europa" wird in Coburg von dem ehemaligen NPDFunktionär Peter DEHOUST (41) und "MUT" in Asendorf von dem früheren NPD-Bundestagskandidaten Bernhard WINTZEK (34) herausgegeben. "Nation Europa" zeichnete HITLER als "gestürzten Giganten", der "später einmal als Symbolfigur des ersten gemeinsamen europäischen Aufbruchs" gelten werde. Die "reine Parteien-Demokratie mit ihrem geistlosen, rein mechanischen Mehrheitsprinzip" verhindere "den Sieg der Vernunft über die kurzsichtigen Egoismen". "MUT" forderte: "Diese Parteifürsten müssen w e g . . . wir nationalen Deutschen w o l l e n . . . die Herrschaft des Volkes!". Der "Freundeskreis" um WINTZEK führte am 25. August in Soltau eine Veranstaltung mit dem Thema "Gerechtigkeit für KAPPLER" durch. Fundstellen: "Nation Europa" 5/77, S. 11 und 13; 6/77, S. 38 f.; "MUT" 120/77, S. 2. 2. Buchverlage und Buchdienste Auf dem rechtsextremistischen Bücherund Broschürenmarkt stieg das Angebot aufgrund der zunehmenden Nachfrage sowohl bei antiquarischen Schriften als auch bei den Neuerscheinungen. Viele rechtsextremistische Zeitschriftenverlage sind zugleich auch Buchverlage, z. B. die "Deutsche Verlagsgesellschaft mbH" in Rosenheim. Die meisten rechtsextremistischen Buchverlage vertrieben ihre Produkte zusammen mit Büchern anderer Verlage in angegliederten Buchdiensten. Eine Reihe von Buchdiensten bot von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende S c h r i f t e n i n d i z i e r t e Druckwerke an. 3. NS-Artikel-Vertriebsdienste Im Vordergrund dieser Vertriebstätigkeit stand der Verkauf von meist unkommentierten S c h a l l p l a t t e n , T o n b ä n d e r n , C a s s e t t e n u n d F i l m e n mit Originalaufnahmen von Liedern und Marschmusik sowie Reden und Veranstaltungen aus der Zeit des "Dritten Reiches". Einer der maßgebenden Produzenten solcher Platten ist eine Firma in Liechtenstein, die ihre Schallplatten vorwiegend in rechtsextremistischen deutschen Zeitungen anbot (z. B. DWZ 49/77, S. 11; DNZ 49/77, S. 10; DA 19/77, S. 11). Ein Verbindungsmann zur amerikanischen "NSDAP-Auslandsorganisation" (vgl. unten X.) vertrieb unter Verwendung umfangreicher Angebotslisten (20 Schreibmaschinenseiten) Tonträger mit HITLERund GOEBBELS-Reden, über Sportpalast-, Reichsparteitagund Bürgerbräuveranstaltungen sowie mit Liedern und Märschen, dargeboten vom SS-Musikkorps, von SAund HITLER-Jugend-Chören sowie von anderen "Musikzügen" aus der NS-Zeit. Die Nachfrage nach E m b l e m e n , M i l i t a r i a u n d sonstigen N S - G e g e n s t ä n d e n hält an. Auf Flohmärkten und in Trödler-Läden werden diese Gegenstände zumeist als antiquarische Einzelstücke, teilweise jedoch in beachtlichem Umfang angeboten. Aber auch geschäftsmäßig aufgezogene Vertriebsdienste sind am Markt. So bot beispielsweise ein ehemaliger NPD-Funktionär aus dem Kreis Soltau Anstecknadeln für "fördernde in der Rechtsform einer GmbH verkaufte Kennzeichen aller NS-Gliederungen von der Fahne des "Reichsführers SS" bis zum "Napola-Führerdolch mit Kette" zu DM 1.560,-sowie HITLER-Gedenkmünzen und HITLERFiguren. Nach SS 86 Strafgesetzbuch (StGB) wird mit Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft, wer Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, verbreitet, herstellt, vorrätig hält oder in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einführt. Ebenso wird bestraft, wer Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen verwendet oder verbreitet (SS 86a StGB). Zu den Kennzeichen gehören beispielsweise auch Abzeichen, Uniformstücke und Fahnen. Auch das Kopfbild Hitlers ist ein solches Kennzeichen. Die Strafverfolgungsbehörden haben in allen diesen Fällen illegaler Verbreitung von NS-Propagandamaterial Ermittlungsverfahren eingeleitet. X. Verbindungen zum ausländischen Rechtsextremismus Die rechtsextremistischen Gruppen -- insbesondere die Neonazis -- unterhielten auch 1977 enge Verbindungen zu ausländischen Gesinnungsgenossen. Zu nennen sind insbesondere: 1. "NSDAP-Auslandsorganisation" (NSDAP-AO) Eine maßgebende Rolle spielte die NSDAP-AO des US-Amerikaners Gary Rex LAUCK aus Lincoln/Nebraska. Wegen der häufigen Strafverfahren und Hausdurchsuchungen gegen deutsche Neonazis gewannen die von der NSDAP-AO produzierten und aus den USA teils unmittelbar, teils über England, die Niederlande, Belgien und Dänemark eingeschleusten Propagandazeitungen ("NS-Kampfruf") sowie Hakenkreuz-Aufkleber und -Plakate für die neonazistische Agitation an Bedeutung. Die Verteilung erfolgte überwiegend durch einen konspirativ arbeitenden Verteilerkreis von deutschen Verbindungsleuten. Enge Verbindungen unterhielt LAUCK auch zu neonazistischen Organisationen in anderen europäischen Staaten, so z. B. zu Mike Mc LAUGHLIN (35), Bebington, dem Führer des "British Movement". LAUCK bekennt sich zum Nationalsozialismus und "zu dem Führer Adolf HITLER". Nach seiner Auffassung ist der "Zauber des Hakenkreuzes", das "den gesund empfindenden Arier unwiderstehlich anzieht", die "schärfste psychologische Waffe". LAUCK möchte "diesen Unrechtsstaat gerne gewaltsam vernichten" und will einen NS-Staat, eine "Neue Ordnung mit rassischer Grundlage in der ganzen arischen Welt". Er drohte, er werde gewalttätige Aktionen in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausschließen, wenn der "Polizeiterror" gegen die NSDAP-AO weiter anhalte. Bei Anhängern der NSDAP-AO wurden bei Hausdurchsuchungen u.a. Pistolen, Muni- IDbife(r)Pouw N Dos ncidi muss uns Porti bit Fundstellen: "NS-Kampfruf" 21/77, S. 1 ff.; 23/77, S. 1 ; "The Liberty Bell" 9/76, S. 34 ff. 2. "National Socialist White People Party" (NSWPP) Ein politisch-propagandistisches Konkurrenzunternehmen zur NSDAP-AO betreibt die US-amerikanische NSWPP, deren Leiter Mathias KOEHL (42), Arlington, auch gleichzeitig Sekretär der "World Union of National Socialists" (WUNS) ist. KOEHL versandte ebenfalls neonazistisches Propagandamaterial in die Bundesrepublik Deutschland. Im Juni 1977 reiste er in das Bundesgebiet, um seine Kontakte zu Gleichgesinnten zu verstärken. Er nahm an der "Ostseekreuzfahrt" der neonazistischen BBI (vgl. oben V. 2.) am 28. Juni teil. 3. "Vlaamse Militanten Orde" (V.M.O.) Die belgische V.M.O. mit ihrem Leiter Albert Armand ERIKSSON (46) aus Antwerpen baute ihre Beziehungen zu deutschen Rechtsextremisten aus. Am Rande der jährlich wiederkehrenden Ijzerbedevaart, einer Gedenkfeier an der nationalen flämischen Gedenkstätte in Diksmuide, veranstaltete die V.M.O. zusammen mit dem neonazistischen "Kampfbund Deutscher Soldaten" eine Totenehrung und ein "Europa-Treffen". An den Kundgebungen nahmen Gesinnungsfreunde aus Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Kanada, Österreich, Schweden, Spanien, den Niederlanden und den USA teil. Am 15. September nahm eine 40köpfige Abordnung der V.M.O. unter ERIKSSONS Leitung an dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen NPD in Erkelenz teil und war an Schlägereien mit Gegendemonstranten beteiligt. 4. "Neues Nationales Europa" (NNE) Der neonazistische "Kampfbund Deutscher Soldaten" und die von ihm gesteuerte "Aktionsgemeinschaft Nationales Europa" (ANE) waren Mitgründer des am 3. April 1977 errichteten internationalen Komitees NNE, dessen Vorsitzender Dr. Marcel IFFRIG (50), Diemeringen/Elsaß, auch zugleich als Präsident der die Autonomie für Elsaß-Lothringen anstrebenden "Elsaß-Lothringischen Bewegung" auftritt. Der neue Zusammenschluß soll die politischen Voraussetzungen für eine Teilnahme "national-europäischer" Vereinigungen an den Europawahlen schaffen. 5. "Germania International" (Gl) Die den deutschen Reichsgedanken propagierende US-amerikanische Organisation Gl des Wilfried KERNBACH (50), Jersey-City, unterhält einen Stützpunkt in Braunschweig. KERNBACH ist auch Leiter der amerikanischen Vereinigung "Friends of Germany". XI. Ausschreitungen mit rechtsextremistischem Hintergrund Ausschreitungen deutscher Rechtsextremisten in den Jahren 1971 Höhepunkt Ratifizierung Jahr ohne Allgemeine Beginnende der der Wahlen und AktionsAktivität Aktionen Ostverträge, ohne besonmüdigkeit neonazistigegen die Bundestagsderen national insbesondere scher GrupOstverträge wahl kamp f politischen der Neuen pen Zündstoff Rechten zählt worden, auch wenn sie aus mehreren Einzeltaten bestand oder durch sie gegen mehrere Straftatbestände verstoßen wurde. Gegenüber dem Vorjahr (319) bedeutet dies eine Steigerung von rd. 9 3 % . Die Zunahme der Ausschreitungen ist überwiegend auf verstärkte neonazistische Klebeaktionen und Schmierereien mit NS-Parolen, Hakenkreuzen und sonstigen NS-Emblemen zurückzuführen. Allein 410 Ausschreitungen sind Neonazis zuzurechnen (etwa 6 7 % ) . Das bedeutet gegenüber 1976 (196) eine Steigerung von rd. 109%. Bei 80 der 410 neonazistischen Vorfälle wurde Propagandamaterial der US-amerikanischen NSDAP-AO (1976: 71) verwendet. 2. Die Zahl der rechtsextremistischen G e w a l t t a t e n ist mit 40 strafrechtlich relevanten Taten gegenüber dem Vorjahr (16) ebenfalls erheblich gestiegen, wobei die Steigerungsquote vorwiegend auf gewaltsamen Sachbeschädigungen beruht. Auch diese Zunahme ist auf die vermehrte Aktivität neonazistischer Täter zurückzuführen. In 35 Fällen wurde Gewalt angedroht (1976: 19 Fälle). 3. 53 der festgestellten 616 rechtsextremistischen Ausschreitungen richteten sich g e g e n e i n z e l n e j ü d i s c h e M i t b ü r g e r u n d E i n r i c h - t u n g e n . Hinzu kommen Klebeaktionen, bei denen häufig Aufkleber mit antisemitischen Texten wie "Juda verrecke!" und "Kauft nicht bei den Juden!" benutzt wurden. Von insgesamt 37 Schändungen jüdischer Friedhöfe und Kultstätten konnten 6 zweifelsfrei Rechtsextremisten zugeschrieben werden. 4. Von den 1977 ermittelten 172 T ä t e r n (1976: 80) gehören bzw. gehörten 53 (1976: 31) neonazistischen Gruppen und 20 (1976: 29) anderen rechtsextremistischen Organisationen an. Mehr als die Hälfte der Täter (84) ist jünger als 30 Jahre; nur 16 sind älter als 50 Jahre. 5. Folgende Einzelfälle sind besonders b e m e r k e n s w e r t : Bei 15 Rechtsextremisten wurden bei Hausdurchsuchungen und sonstigen Kontrollen u. a. Waffen, Munition und in Einzelfällen Sprengmittel gefunden. In der Nacht zum 19. April wurden nahezu 200 Grabsteine sowie der Eingang und die Kapelle des jüdischen Friedhofes in Hannover mit Hakenkreuzen und NS-Parolen von einem NPD-Mitglied (42) beschmiert. i In einem von Neonazis im Frühjahr 1977 verbreiteten anonymen Flugblatt wurden die Spitzenpolitiker Frankreichs, Großbritanniens, der USA und der Sowjetunion wegen der fortdauernden Inhaftierung von Rudolf HESS als "Verbrecher" bezeichnet. Die Verfasser forderten dazu auf, sie zu ermorden. Hamburg war seit etwa Mitte Mai 1977 ein Schwerpunkt von Hakenkreuzaktionen. Für zahlreiche in Hamburg verübte Schmieraktionen erklärte sich die Hamburger NS-Gruppe "SA-Sturm-Hamburg 8. Mai" verantwortlich. Unbekannte Täter schändeten im Juni eine KZ-Gedenkstätte bei Cham in der Oberpfalz sowie zweimal die Gedächtniskirche, Gedenksteine und das Krematorium des ehemaligen Konzentrationslagers Flossenbürg. Neonazistische Ausschreitungen mi Lael f Oktober: Mainz Juni: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg 19.April: Jüdischer Friedhof Norden Am 8. August wurde der wegen Mordversuchs an einem sowjetischen Soldaten bereits vorbestrafte, derzeit in Untersuchungshaft befindliche Ekkehard WEIL (28) als Tatverdächtiger des Brandanschlags auf das Parteibüro der SEW in Berlin-Charlottenburg festgenommen. Bei dem Anschlag entstand ein Schaden von 7.000 DM. Meist unbekannt gebliebene Täter nahmen in vielen Städten besonders " N S - G e d e n k t a g e " (30. Januar, 20. April und 9. November) zum Anlaß für Hakenkreuz-, Klebeund Schmieraktionen. Als mutmaßliche Täter der in der Nacht zum 9. November verübten zahlreichen Hakenkreuzaktionen in Berlin (West) nahm die Polizei 4 Mitglieder einer Berliner NSDAP-Gruppe fest. XII. Maßnahmen gegen rechtsextremistische Personen und Vereinigungen Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder haben infolge der steigenden Zahl von Ausschreitungen alle zulässigen und notwendigen Maßnahmen gegen gesetzwidriges Verhalten von Rechtsextremisten ergriffen. Noch nie wurden so viele Ermittlungsverfahren geführt und Verurteilungen gegen Rechtsextremisten ausgesprochen wie im Jahre 1977. Gegen einige Personen wurden mehrere Verfahren eingeleitet. 1. Verurteilungen 1.1 Im Jahre 1977 wurden 46 r e c h t s k r ä f t i g e Verurteilungen (Vorjahr 33) wegen Straftaten mit rechtsextremistischer Motivation bekannt. 13 Personen erhielten Freiheitsstrafen zwischen 5 und 12 Monaten. In elf Fällen wurden Geldstrafen von 1.000 DM bis zu 8.000 DM ausgesprochen und 15 Geldstrafen unter 1.000 DM verhängt. In sieben Fällen gab es Verwarnungen nach dem Jugendgerichtsgesetz, Geldbußen sowie Schuldsprüche unter Absehen von Strafe nach SS 60 StGB u.a. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision des Leiters der neonazistischen "Deutschen Bürgerinitiative", Manfred ROEDER, gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 28. Juni 1977, durch das ROEDER wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole anläßlich des 1975 trotz Verbots durchgeführten "Reichstags zu Flensburg" zu 6 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden war. Rechtskräftig wurde auch die am 10. November 1976 durch das Landgericht Lüneburg erfolgte Verurteilung des Willi WEGNER (25) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen Volksverhetzung und Sach- m Zur Bewährung ausgesetzte -- rechtskräftige -- Frei- h e i t s s t r a f e n von sechs bis neun Monaten erhielten am 16. März durch das Jugendschöffengericht Celle drei NS-Aktivisten aus dem Raum Hamburg, die 1976 die KZ-Gedenkstätte in Bergen-Belsen geschändet hatten. Ein weiterer Mittäter wurde zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr mit Bewährung rechtskräftig verurteilt. Freiheitsstrafen von sechs Monaten mit Bewährung wurden rechtskräftig, als der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Landgerichts Koblenz vom 14. Oktober 1976 gegen einen 25jährigen Mann aus Wiesbaden und einen jugendlichen Mittäter wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen bestätigte. Zwei Anhänger des Neonazi WÜBBELS (vgl. oben V. 2. und 3.) wurden vom Landgericht Dortmund am 16. Juni wegen mehrerer Hakenkreuzaktionen zu je fünf Monaten Freiheitsentzug mit Bewährung verurteilt. Die vom Landgericht Lüneburg am 3. September 1976 gegen einen ROEDER-Anhänger (36) aus Uelzen ausgesprochene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten mit Bewährung wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen wurde durch den Bundesgerichtshof inzwischen ebenfalls bestätigt. Die höchste r e c h t s k r ä f t i g e G e l d s t r a f e erhielt der Leiter der WSG, Karl-Heinz HOFFMANN, gegen den weitere Verfahren anhängig sind. Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte das wegen verbotenen Uniformtragens getroffene Urteil des Landgerichts Nürnberg/Fürth vom 22. 7. 1976 zu 8.000 DM Geldstrafe. Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 27. April gegen ROEDER wegen Verunglimpfung Verstorbener zu einer Geldstrafe von 6.500 DM. Das Landgericht Berlin verurteilte ROEDER am 20. Mai wegen Verteilens von Flugblättern mit beleidigendem Inhalt zu einer Geldstrafe von 2.000 DM. Rechtskräftig wurde auch eine Geldstrafe des Landgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober in Höhe von 4.800 DM gegen den Herausgeber neonazistischer Hetzblätter, Werner BRAUN aus Karlsruhe (vgl. oben V. 2.), wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. Weitere rechtskräftige Geldstrafen wurden u.a. verhängt in Höhe von 1.500 DM gegen einen NPD-Anhänger (39) aus Buxtehude wegen verbotenen Waffenbesitzes und gegen den Leiter der neonazistischen "Bürgerund Bauerninitiative", Thies CHRISTOPHERSEN, wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, in Höhe von 1.2000 DM gegen einen Funktionär der "Wiking-Jugend" wegen Vergehens gegen das Versammlungsgesetz und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie in Höhe von 1.250 DM gegen einen NSDAP-AO-Aktivisten (23) aus Hannover wegen Vorrätighaltens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. Gegen das Ehepaar Curt (47) und Ursula (44) MÜLLER aus Mainz verhängte das Oberlandesgericht Koblenz als Revisionsinstanz am 10. November Geldstrafen von 1.000 DM bzw. 300 DM. 1.2 Noch n i c h t r e c h t s k r ä f t i g sind 45 weitere Verurteilungen (Vorjahr: 38): 37 erfolgten im Jahre 1977, acht stammen aus früheren Jahren. Darunter sind 12 Freiheitsstrafen von drei bis zu 15 Monaten, vier Geldstrafen zwischen 1.000 DM und 7.500 DM, 21 Geldstrafen bis zu 1.000 DM ROEDER hat gegen eine vom Amtsgericht Uelzen am 24. November verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte Berufung eingelegt. Ebenfalls noch nicht rechtskräftig ist die vom Landgericht Tübingen am 18. Oktober wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung gegen den WSG-Leiter HOFFMANN verhängte Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit Bewährung und die Geldbuße von 2.000 DM. Das gleiche gilt für die vom Landgericht Mainz gegen Curt MÜLLER verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Bewährung und 1.000 DM Geldbuße wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die höchste noch nicht rechtskräftige Freiheitsstrafe mit Bewährung erhielt ein 42jähriger, der vom Landgericht Lüneburg am 27. September zu 15 Monaten Freiheitsentzug wegen Schändung eines jüdischen Friedhofes in Hannover verurteilt wurde. Zwei Verurteilungen CHRISTOPHERSENs zu G e l d s t r a f e n in Höhe von 1.400 DM und 300 DM sind noch nicht rechtskräftig. Dasselbe gilt für Verurteilungen ROEDERs zu 1.000 DM und Curt MÜLLERs zu 250 DM und zu 7.500 DM. Von den insgesamt 91 rechtskräftigen und noch nicht rechtskräftigen Verurteilungen gegen Rechtsextremisten im Jahre 1977 erfolgten allein 56 wegen neonazistischer Straftaten. Von den 76 verurteilten Personen sind 49 als Angehörige neonazistischer Gruppen bekannt. 2. Ermittlungsverfahren und Durchsuchungen Die verstärkte Aktivität neonazistischer Gruppen und Einzeltäter führte gegenüber 1976 zu einer um das Dreifache gestiegenen Zahl strafrechtlicher Ermittlungsverfahren. Am Jahresende 1977 waren 317 Ermittlungsverfahren anhängig (1976: 80). In 60 Fällen wurden im Zuge dieser Verfahren bei Rechtsextremisten H a u s d u r c h s u c h u n g e n durchgeführt, bei denen regelmäßig NS-Propagandamaterial in meist größeren Mengen, das vor allem von der US-amerikanischen NSDAP-AO stammte, und in mehreren Fällen auch Waffen und Sprengkörper gefunden wurden. Bei Wohnungsdurchsuchungen wegen Verdachts der Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens und des Verbreitens von NS-Propagandamitteln bei einem NSDAP-AO-Aktivisten und zwei weiteren Mitbeschuldigten in Braunschweig fand die Polizei am 10. Januar zwei Sprengkörper, einen Karabiner mit Munition und erhebliche Mengen von NSDAP-AO-Propagandamitteln. Im Verlaufe einer Wohnungsdurchsuchung bei einem NS-Aktivisten (29), der bei einer neonazistischen Klebeaktion in Braunschweig am 12. Februar 1977 festgenommen worden war, wurden u. a. zwei Pistolen sowie Propagandamaterial der NSDAP-AO gefunden. Anläßlich einer Wohnungsdurchsuchung am 24. Februar 1977 bei dem stellvertretenden Leiter des "Gaues Nordmark" der "Wiking-Jugend" beschlagnahmte die Polizei eine Maschinenpistole, acht Dolche mit zum Teil natio- Am 28. März stellte die Polizei in der Wohnung eines NPD-Anhängers (50) im Kreis Tuttlingen u.a. eine Maschinenpistole mit 3.000 Schuß Munition, mehrere MPund Pistolenmagazine, 200 Karabinerladestreifen sowie große Mengen von Sprengund Zündmittel sicher. Außerdem fand sie zahlreiche militärische Ausrüstungsgegenstände (Funkgeräte, Feldtelefon etc.). Die Polizei nahm am 3. Juli in Berlin (West) drei NS-Aktivisten fest, die verdächtigt werden, mehrere öffentliche Gebäude sowie das Haus der sowjetischen Presseagentur Nowosti mit neonazistischen Parolen und Hakenkreuzen beschmiert sowie eine DDR-Flagge von einem Fahnenmast heruntergerissen zu haben. Sie fand bei ihnen umfangreiches Propagandamaterial der NSDAP-AO, mehrere NS-Uniformen, Stahlhelme und Orden aus der NS-Zeit, sowie drei Pistolen, mehrere Seitengewehre, eine Stahlrute sowie Gesichtsmasken. In der Nacht zum 1. September nahm die Polizei den Hamburger NS-Aktivisten Michael KÜHNEN und zwei weitere Mitbeschuldigte wegen Verdachts des Schmierens von NS-Parolen fest. Bei der anschließenden Durchsuchung fand die Polizei NS-Materialien, eine Hiebwaffe und Stahlhelme. Die Polizei stellte am 11. September in der Wohnung eines Studenten (21), der sich als JN-Funktionär und NS-Aktivist betätigt, in Kiel u.a. umfangreiches Propagandamaterial der NSDAP-AO, eine Hiebwaffe und 670 Gramm hochgiftiges gestohlenes Natriumcyanid sicher. Am 29. Oktober stellte die Polizei bei einer Fahrzeugkontrolle in Düsseldorf in der Aktentasche eines ehemaligen NPD-Mitglieds (37) aus Duisburg eine Rohrbombe sicher, die mit explosivem Pulver gefüllt und mit einer Zündschnur versehen war. Bei der Durchsuchung der Wohnung und des Arbeitsplatzes wurden mehrere Gewehre und Pistolen sowie Gasmasken und Stahlhelme sichergestellt. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Journalisten und NSAktivisten (48) aus der Nähe von Harburg wegen Nötigung und Bedrohung fand die Polizei am 17. November umfangreiches NS-Propagandamaterial und ein Gewehr mit rd. 200 Schuß Munition. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Leiters der neonazistischen "Kampfgruppe Großdeutschlands", Henry BEIER in Frankfurt/M., wurden am 17. November rd. 500 Hakenkreuz-Plakate und rd. 2.500 Hakenkreuzklebezettel mit NS-Parolen der NSDAP-AO sowie Redaktionsunterlagen der von der "NSDAP Frankfurt/M." herausgegebenen Schrift "Das Braune Bataillon" und außerdem je 1.000 Mitteilungsblätter der "Deutsch-Völkischen Gemeinschaft" sowie weiteres NS-Propagandamaterial beschlagnahmt. Das Bundeskriminalamt führte am 28. Oktober in der Pfalz und in Bocholt Exekutivmaßnahmen gegen den Drucker sowie den Herausgeber der seit Januar 1977 erscheinenden neonazistischen Zeitschrift "Wille und Weg -- Nationalsozialistische Reichszeitung" durch. Der Drucker gestand, die letzten tionsentwürfe für die bisherigen neun Ausgaben und für eine weitere Ausgabe des Blattes. Der Generalbundesanwalt hat gegen Manfred ROEDER wegen seiner Aufrufe zu Aktionen gegen das geplante Kernkraftwerk in Brokdorf im Frühjahr 1977 ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Nötigung von Verfassungsorganen, der Verunglimpfung des Staates und von Verfassungsorganen eingeleitet. Weitere Ermittlungsverfahren gegen ROEDER sind anhängig. 3. Veranstaltungsverbote Die Alliierte Kommandantur in Berlin erließ gegen die Tätigkeit des NPDLandesverbandes mehrere Verbote. Sie untersagte am 15. Februar 1977 alle Veranstaltungen des NPD-Landesverbandes Berlin oder einer der NPD angegliederten Organisationen bis zum 16. Mai, am 7. April alle öffentlichen Aktionen der NPD oder JN bis zum 31. März 1978, am 15. Juni alle Landesparteitage, öffentliche Kundgebungen und ähnliche Veranstaltungen der NPD bis zum 16. September 1977. Eine für den 7. Mai in Dachau geplante Demonstration der JN anläßlich ihres bayerischen Landeskongresses wurde von der Stadt Dachau nicht genehmigt und daraufhin in Fürstenfeldbruck durchgeführt. Die zuständigen Ordnungsbehörden verboten die geplanten "Großkundgebungen" der "Deutschen Volksunion", die am 3. September in München und als Ersatzveranstaltung in Starnberg, sowie am 21. Oktober in Heilbronn und als Ersatzveranstaltung in Untergriesbach bei Heilbronn durchgeführt werden sollten. Die trotzdem in Untergriesbach eröffnete Veranstaltung wurde durch die Polizei aufgelöst. Der Sofortvollzug der Verbotsverfügungen wurde durch die Verwaltungsgerichte bestätigt. Der Senat der Hansestadt Hamburg verbot eine für den 26. November vorgesehene getarnte Veranstaltung der NS-Gruppe Hamburg, die dennoch in einem Ausweichlokal durchgeführt wurde. Die von dem Leiter der neonazistischen Organisation "Kampfbund Deutscher Soldaten" und "Aktionsgemeinschaft Nationales Europa" vorbereiteten "Auschwitz-Kongresse" am 6. August in Nürnberg und am 17. Dezember in Frankfurt wurden von den Nürnberger bzw. Frankfurter Behörden verboten, dann aber unter Beachtung konspirativer Regeln in Ausweichlokalen abgehalten. 4. Sonstige Maßnahmen Ein Rechtsextremist, der als Dozent für Politik und Soziologie an der staatlichen Fachschule für Erzieher in Berlin tätig war, wurde rechtskräftig aus dem Schuldienst entlassen, weil er im Rahmen des Unterrichts die Judenverfolgung des NS-Regimes bagatellisiert und einen jüdischen Schüler beleidigt hatte. Der NS-Aktivist und ehemalige Leutnant der Bundeswehr Michael KÜHNEN XIII. Beurteilung Schärfste Ablehnung durch die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, Mitgliederschwund und Zersplitterung hindern den Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland daran, eine politische Kraft zu sein, die den Bestand unseres Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gefährden könnte. Andererseits sind Aktivitäten und Ausschreitungen fanatischer Einzelgänger und der verstärkt hervortretenden neonazistischen Gruppen trotz entsprechend intensiverer Maßnahmen von Justizund Sicherheitsbehörden auffallend angestiegen. Aus diesem Grunde sowie wegen der zunehmenden Bereitschaft zu eskalierender -- auch gewaltsamer -- Auseinandersetzung mit politischen Gegnern muß der Rechtsextremismus als Gefahrenherd für die öffentliche Sicherheit weiterhin in Rechnung gestellt und mit aller Sorgfalt durch die zuständigen Sicherheitsbehörden beobachtet werden. Linksextremistische Bestrebungen 1977 I. Allgemeine Erfahrungen Die linksextremistischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland haben sich auch im Jahre 1977 unvermindert bemüht, ihre politische Basis in der Bevölkerung zu erweitern, um damit ihrem Ziel, der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung näher zu kommen. Bei Demonstrationen wurde Gewalt in bisher unbekanntem Ausmaß angewandt. Die grenzüberschreitende internationale Zusammenarbeit der linksextremistischen Gruppen bei ihrem Kampf gegen bestehende Ordnungen, vornehmlich gegen die der Bundesrepublik Deutschland hat sich merklich verstärkt. Trotz leichter Stimmengewinne der Kommunisten bei Kommunalund Kreistagswahlen fanden sie in der Bevölkerung kaum Resonanz. 1. Orthodoxe Kommunisten Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die wie die "Sozialistische Einheitspartei Westberlins" (SEW) unverändert ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung aufrechterhält und auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus der von SED und KPdSU vorgezeichneten Linie folgt, blieb mit ihren Nebenorganisationen -- "Marxistischer Studentenbund Spartakus" (MSB), "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), "Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation" (JP) u.a. -- und mit den zahlreichen von ihr beeinflußten Organisationen die stärkste Kraft im Linksextremismus. Sie konnte ihre Mitgliederzahlen geringfügig erhöhen. Erfolg und Einfluß in der Arbeitnehmerschaft insgesamt und in den Betrieben blieben ihr wiederum fast völlig versagt. Wie im Vorjahr gelang es ihr mit ihrer Bündnispolitik auch demokratische Kräfte für gemeinsame Aktionen zu gwinnen: so bei der Kampagne gegen die Fernhaltung von Extremisten vom öffentlichen Dienst und bei der "Abrüstungskampagne". Erfolge zeigten sich auch in ihrer Jugendund Studentenpolitik. SDAJ und MSB konnten die Zahl ihrer Mitglieder steigern und wiederholt mit demokratischen Jugendund Studentenorganisationen Aktionseinheiten bilden. Obwohl der MSB bei den Studentenwahlen Mandate einbüßte, ist sein Einfluß in den Studentenschaften und im studentischen Dachverband, den "Vereinigten Deutschen Studentenschaften" (VDS), nach wie vor spürbar. Die SED setzte ihre subversive Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland fort und unterstützte massiv DKP und SEW, die ohne diese erhebliche politische und materielle Unterstützung weitgehend bedeutungslos wären. 2. "Neue Linke" zuzurechnen sind -- blieben die maoistisch-kommunistischen Gruppierungen der bedeutendste Faktor. Ihr Mitgliederbestand stagnierte weitgehend. Der "Kommunistische Bund Westdeutschland" (KBW) ist mit Abstand die stärkste Gruppe der "Neuen Linken". Seine Aktivitäten, vor allem in Betrieben und gegen die Bundeswehr, nahmen zu. Dagegen fanden der KBW und die anderen "K-Gruppen" unter den Studenten nur noch wenig Resonanz. Hier gewannen Gruppen der undogmatischen "Neuen Linken" zunehmend Einfluß. Das Spektrum der undogmatischen "Neuen Linken" umfaßt Anhänger eines revolutionären Marxismus und Sozialrevolutionäre unterschiedlichster Richtungen einschließlich kurzlebiger, spontaner Zusammenschlüsse ohne feste Mitgliedschaft und Programm, die für Autonomie, Spontaneität und Selbstorganisation der "Unterdrückten" eintreten, -- sogenannte Spontangruppen oder kurz "Spontis" und schließlich Anarchisten. Die Zahl dieser Gruppen und ihre Anhängerschaft nahmen auch außerhalb der Hochschulen zu. Die gewaltsamen Ausschreitungen bei Demonstrationen zur Verhinderung des Baues von Kernkraftwerken zeigen, daß die in weiten Bereichen der "Neuen Linken" vorhandene Bereitschaft zur Gewaltanwendung in die Tat umgesetzt wurde. Der Haß auf Staat und Gesellschaft, der in diesen Gruppen unverändert vorhanden ist, kam in zahlreichen Verunglimpfungen von Opfern des Terrorismus zum Ausdruck. II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen Im Jahre 1977 blieb das organisatorische Gefüge des Linksextremismus im wesentlichen unverändert. Die festgestellten Mitgliederzahlen linksextremistischer und linksextremistisch beeinflußter Organisationen stiegen jedoch an, wobei der Anstieg in einem allerdings nicht verifizierbaren Umfang zum Teil auf einem verbesserten Beobachtungsergebnis und nicht auf Neuzugängen beruht. Die Veränderung der Zahl der Organisationen in der nachstehenden Übersicht geht fast ausschließlich auf eine veränderte statistische Erfassung zurück. Rechtlich selbständige Vereinigungen wurden, sofern sie politisch eine Einheit bilden (z. B. einer Dachorganisation angehören), als eine Organisation gezählt. Das wirkt sich besonders im Bereich der orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen und der Organisationen der "Neuen Linken" aus (1976: 72 Organisationen, 1977: 58). Die nachstehende Übersicht vermittelt das organisatorische Gefüge des Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland nur unvollständig: Die nach Hunderten zählenden Sekundärorganisationen wie Arbeitskreise, Initiativen, Komitees, Basisund ad-hoc-Gruppen sind nicht enthalten, weil sie nicht zuverlässig erfaßbar sind und die in ihnen tätigen Personen häufig 1975 1976 Organisationen Zahl Mitglieder Zahl Mitglieder Orthodox-kommunistische -- Kernorganisationen 2 47.500 -- Nebenorganisationen* 105 119.000 10 24.100 Beeinflußte Organisationen** 72 53.900 Maoistische Organisationen -- Kernorganisationen 12 6.000 -- Nebenorganisationen 64 15.000 28 7.000 Beeinflußte Organisationen 7 3.000 Trotzkistische Organisationen 10 1.200 10 1.200 2. Öffentlicher Dienst Ende 1977 waren -- soweit bekannt -- insgesamt 2281 Linksextremisten im Bundes-, Landesund Kommunaldienst sowie bei anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Anstalten tätig. Einzelheiten ergeben sich aus der folgenden Darstellung (Zahlen für 1976 in Klammern): Personen DKPu. Nebenvon DKP "Neue SEW org. von u. SEW Linke" DKPu. beeinfl. SEW Org.*) Bundesdienst 288 (266) 193 (182) 17 (21) 10 (8) 68 (55) Landesdienst 1550 (1294) 686 (600) 98 (104) 148 (126) 618 (464) Kommunaldienst 398 (345) 252 (227) 12 (13) 12 (8) 122 (97) Dienst in anderen öffentlichen Einrichtungen 45 (39) 37 (32) -- (--) 1 (2) 7 (5) 2281 (1944) 1168 (1041) 127 (138) 171 (144) 815 (621) Bei über 4 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist der Anteil der Linksextremisten nach wie vor gering: Von den 288 linksextremistischen Bundesbediensteten sind 160 ( = 55%) bei der Bundespost und 85 ( = 29%) bei der Bundesbahn tätig, meist in untergeordneten Positionen, 9 ( = 3 % ) sind Angehörige der Streitkräfte (Zeitsoldaten) oder der Bundeswehrverwaltung (Wehrpflichtige sind in der vorstehenden Übersicht nicht erfaßt). Von den 1550 linksextremistischen Landesbediensteten sind beschäftigt: 858 (= 55%) als Lehrer, 208 (= 13%) als wissenschaftliches Personal an Hochschulen, 116 (= 7"/o) als sonstiges Personal an Schulen und Hochschulen, 303 (= 19%) in sonstigen Verwaltungszweigen, 65 (= 4%) in der Justiz. Zur Gruppe der Lehrer im Landesdienst kommen noch 52 bei den Kommunen beschäftigte Lehrer hinzu. Im Bundesgrenzschutz und in den Polizeien der Länder sind keine Linksextremisten bekanntgeworden. Von den 2281 Linksextremisten sind 1111 ( = 48,7%) Beamte, 942 ( = 41 %) Angestellte und 223 ( = 9,7%) Arbeiter sowie 5 ( = 0,2%) Soldaten auf Zeit. Die 1111 Beamten verteilen sich auf die einzelnen Laufbahngruppen: höherer Dienst 551 (=49,5%) gehobener Dienst 438 (=39,5%) mittlerer Dienst 95 ( = 8,5%) 3. Studentenvertretungen 3.1 Studentenparlamente Im Dezember 1977 waren Mitglieder linksextremistischer Gruppen in 64 (1976: 63) der 75 (1976: 74) Studentenparlamenten deutscher Hochschulen vertreten (vgl. Anmerkung). Anmerkung: Die 75 Studentenparlamente und Allgemeinen Studentenausschüsse bestehen an den Hochschulen mit verfaßter Studentenschaft, das sind im einzelnen 44 Hochschulen (Universitäten, Gesamthochschulen, Technische und Medizinische Hochschulen, Sporthochschulen) sowie 19 selbständige Pädagogische Hochschulen (PH) mit teilweise mehreren Abteilungen, die eigene studentische Vertretungen haben. Die Hochschulen Baden-Württembergs sind mit dem Stand erfaßt, den sie vor der Auflösung der verfaßten Studentenschaft hatten. In 20 (1976: 18) Studentenparlamenten stellen Vertreter linksextremistischer Gruppen mehr als 5 0 % der Mandate, obgleich ihr Anteil an den Sitzen insgesamt geringfügig abgenommen hat. Verluste erlitten der MSB Spartakus und der SHB, vor allem aber die dogmatischen Gruppen der "Neuen Linken"; sie wurden weitgehend durch Gewinne der undogmatischen "Neuen Linken" ausgeglichen. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus der folgenden Übersicht: Gruppen Zahl der Sitze Anteil Vertreten in Dezember Dezember (Zahl der Parlamente) Dezember 1976 1977 1976 1977 1976 1977 "Neue Linke" 363 385 15,4% 16,0% 47 44 MSB Spartakus/ ADS-SEW 244 228 10,4% 9,5% 53 52 SHB 256 247 10,9% 10,2% 37 40 Linksextremisten zusammen 863 860 36,7 % 35,7 % 63 64 Sonstige 1486 1552 63,3 % 64,3 % Insgesamt: 2349 2412 100,0% 100,0% 74 75 3.2 Allgemeine Studentenausschüsse Im Dezember 1977 waren in 48 (1976: 48) von 75 (1976: 73) berücksichtigten Allgemeinen Studentenausschüssen Mitglieder linksextremistischer Gruppen vertreten. 15 (1976: 15) Allgemeine Studentenausschüsse bestanden ausschließlich aus Angehörigen linksextremistischer Gruppen. In den berücksichtigten Allgemeinen Studentenausschüssen ging der linksextremistische Anteil insgesamt zurück. Der MSB Spartakus, der "Sozialistische Hochschulbund" (SHB) sowie die dogmatischen Gruppen der "Neuen Linken" verloren Sitze, während Anhänger der undogmatischen "Neuen Linken" ihren Linksextremisten in Studentenparlamenten (SP) und Allgemeinen Studentenausschüssen (ASten) 1976 1977 1976 1977 SP SP ASten ASten (36,7%) (35,7 % ) (42,1 % ) (37,4%) dogmatische "Neue Linke" undogmatische "Neue Linke" MSB Spartakus/ ADS-SEW SHB Stand: Ende 1977 dogmatische "Neue Linke" MSB Spartakus Gruppen Zahl der Sitze Anteil Vertreten in Dezember Dezember (Zahl der ASten) Dezember 1976 1977 1976 1977 1976 1977 "Neue Linke" 63 72 13,3% 14,2% 13 15 MSB Spartakus 63 54 13,3% 10,7% 28 23 SHB 73 63 15,5% 12,5% 28 28 Linksextremisten zusammen 199 189 42,1 % 37,4 % 48 48 Sonstige 274 316 57,9 % 62,6 % Insgesamt: 473 505 100,0% 100,0% 73 75 Auch 1977 gingen Präsenz und Einfluß der linksextremistischen Kräfte in den Allgemeinen Studentenausschüssen wegen des Koalitionsverhaltens bestimmter demokratischer Gruppen, die Koalitionen mit extremistischen Gruppen denen mit anderen demokratischen Gruppen vorziehen, über die Zahl ihrer Mandate in den Studentenparlamenten hinaus. 3.3 Hochschulen ohne verfaßte Studentenschaft Die Hochschulen Bayerns sowie die FU und die TU Berlin haben keine verfaßten Studentenschaften. An den neun b a y e r i s c h e n U n i v e r s i t ä - t e n u n d G e s a m t h o c h s c h u l e n waren im Dezember 1977 wie im Vorjahr in fünf Konventen Mitglieder linksextremistischer Gruppen vertreten. In diesen Fällen konnten insbesondere MSB/SHB durch gemeinsame Listen mit demokratischen Studentengruppen, Unabhängigen und auch Anhängern der "Neuen Linken" ihren Einfluß geltend machen. An fünf (1976: 4) bayerischen Hochschulen gelangten Mitglieder linksextremistischer Gruppen bzw. erfolgreiche Kandidaten linksextremistisch beeinflußter Wahlbündnisse in die "Sprecherräte". An der F U B e r l i n entfielen bei den Wahlen zu den Fachbereichsund Institutsräten 40 von 66 (1976: 41 von 69) der studentischen Sitze auf Wahlbewerber linksextremistischer Gruppen bzw. linksextremistisch beeinflußter Wahlbündnisse. An der T U B e r l i n besetzten Linksextremisten zumindest 12 von 59 (1976: 16 von 61) der studentischen Mandate. An beiden Hochschulen zusammen erzielten die SEW-beeinflußten "Aktionsgemeinschaften von Demokraten und Sozialisten" (ADS) und deren Bündnislisten21 (1976: 34) Sitze. III. Schwerpunkte der Agitation Wirklichkeit zeichnen, weil nur so die jeweiligen Forderungen überhaupt plausibel erscheinen können. 1. Außen-und Verteidigungspolitik Unter Wiederholung der Behauptungen, "Vom Osten geht keine Bedrohung aus, die sozialistischen Staaten schaffen keine Unsicherheit in E u r o p a . . . " , forderte die DKP die Bundesregierung auf, die Rüstungsausgaben zu senken und mit den ersparten Mitteln eine "soziale Aufrüstung" zu beginnen. Die DKP bezeichnete die Menschenrechtsbewegung in den osteuropäischen Staaten als "Schmutzkübel", nach dem die in die Defensive gedrängten "kapitalistischen Meinungsmacher" griffen, um die Entspannungspolitik zu sabotieren und den "kalten Krieg" wieder anzuheizen. Hingegen betrachten die meisten Gruppen der "Neuen Linken" die NATO, aber auch den Warschauer Pakt als "Instrumente zur Versklavung der Völker Europas". Diese Gruppen bekämpfen den "sowjetischen Sozialimperialismus" und versuchten zugleich das westliche Verteidigungspotential zu schwächen, mit der propagandistischen Phrase, dem "imperialistischen Krieg" sei der "Volkskrieg zur Befreiung von reaktionärer Herrschaft in Ost und West" entgegenzusetzen. 2. Innenund Sicherheitspolitik Die Maßnahmen zum Schutz der inneren Sicherheit waren bevorzugtes Ziel linksextremistischer Agitation. Die DKP behauptete vor allem, die Herrschenden wollten ein Klima der "Einschüchterung" mit dem Ziel des Abbaus demokratischer Rechte schaffen. Dazu dienten die "verfassungsfeindlichen Berufsverbote", die "arbeiterfeindliche Rechtsprechung" und der Ausbau der Sicherheitsbehörden für einen "totalen Schnüffelund Überwachungsstaat". Deshalb müßten die Bürger -- durch große "demokratische Massenbewegungen", z.B. "gegen Berufsverbote und f ü r . . . Menschenrechte in unserem Lande" -- "den Schutz der Verfassung in die eigenen Hände nehmen". Nach Auffassung der "Neuen Linken" schaffen die "Bourgeoisie", die Regierungen und die demokratischen Parteien ein "Klima der Repression". So agitierten die Gruppen der "Neuen Linken" gegen "Polizeistaatsmethoden", "Nachtund Nebelaktionen" der Geheimdienste und "Willkürakte der Justiz". Einige griffen zum Teil auch die Selbsttötung inhaftierter Terroristen auf, um gegen offene oder verdeckte "Vernichtung" und "Ermordung" "politischer Gefangener" zu agitieren. 3. Wirtschaftsund Sozialpolitik Hier nutzten die DKP und ihre Nebenorganisationen vor allem Arbeitslosigkeit für ihre Agitation. Sie sei die Folge "kapitalistischer Krisenund Profitwirtschaft" und werde wie die allgemeine "Reduzierung" der sozialen Lei- Die Gruppen der "Neuen Linken" stellten ebenfalls "Dauerarbeitslosigkeit und Ausplünderung der Massen" in den Mittelpunkt ihrer Agitation. Im Gegensatz zur DKP, die u.a. "Hebung der Kaufkraft", "Arbeitszeitverkürzung und Investitionskontrolle" verlangte, erhoben sie kaum Forderungen zur kurzfristigen Beeinflussung der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Sie wandten sich unvermindert heftig gegen den "monopolistischen Kapitalismus", der kompromißlos bekämpft und "revolutionär" abgeschafft werden müsse. 4. Umweltschutz Zunehmend agitierte die DKP gegen "Umweltzerstörung", wofür die "kapitalistische Profitmaximierung" verantwortlich sei. Im Vergleich zur "Neuen Linken" betrieb die Partei ihre Kampagne gegen die Atom Wirtschaft, deren Verstaatlichung und "demokratische Kontrolle" sie forderte, allerdings eher zurückhaltend. Unter den Gruppen der "Neuen Linken" agitierten vor allem maoistisch-kommunistische Gruppen, die sog. "K-Gruppen", gegen den Bau von Kernkraftwerken, der mit "revolutionärer Gewalt" verhindert werden müsse. Mit sorgfältig geplanten und vorbereiteten Aktionen versuchten sie, die Protestbewegung gegen Kernkraftwerke (KKW) auszunutzen und die Kampagnen und Demonstrationen in ihrem Sinne zu lenken und die Teilnehmer möglichst zur Mitwirkung bei gewaltsamen Demonstrationsexzessen zu bewegen. 5. Internationale Solidarität Die DKP bekundete weiterhin ihre antiimperialistische Solidarität mit denen, "die gegen Imperialismus, Rassismus, Faschismus und Neokolonialismus, für Freiheit und nationale Unabhängigkeit kämpfen". Gleichzeitig forderte sie die Bundesregierung auf, die "Kollaboration" mit den reaktionären Kräften und Regierungen ausländischer Staaten einzustellen. Die Gruppen der "Neuen Linken" unterstützten ebenfalls mit Kundgebungen, Spendensammlungen und Erklärungen die Politik ihr nahestehender revolutionärer Bewegungen, vor allem im Nahen Osten und Süden Afrikas. Der "Kommunistische Bund Westdeutschland" (KBW) und die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) führten erstmals gemeinsam eine Kampagne, in der auch Geld für die Ausrüstung einer lokalen afrikanischen "Befreiungsarmee" mit Waffen und Munition aufgebracht wurde. IV. Orthodoxe Kommunisten 1. Politische und organisatorische Entwicklung 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort Die DKP, die den orthodoxen, d. h. sowjetisch orientierten Kommunismus wußt in Kauf, deshalb als "dogmatische, orthodoxe Partei" bezeichnet zu werden (DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" -- UZ -- vom 6. 7. 1977). Auch im Berichtsjahr ordnete sie sich ideologisch und politisch vorbehaltlos der KPdSU und SED unter. Das bestätigte ihr im Dezember veröffentlichter Entwurf eines Parteiprogramms, das der nächste Parteitag im Oktober 1978 beschließen soll; darin heißt es: "Die DKP sieht -- getreu dem Vermächtnis Ernst Thälmanns -- die Stellung zur Sowjetunion als entscheidenden Prüfstein für jeden Kommunisten a n . . . Die Macht und die internationalistische Politik der Sowjetunion -- das ist heute mehr denn je der Hauptfaktor für . . . die Entfaltung des revolutionären Weltprozesses. Die feste Verbundenheit mit der Sowjetunion und der KPdSU liegt daher im Interesse aller fortschrittlichen Kräfte. Diese . . . Erfahrung veranlaßt die DKP, ihre brüderlichen Beziehungen zur KPdSU, der stärksten und erfahrensten Abteilung der kommunistischen Weltbewegung, immer weiterzuentwickeln". (Programm der Deutschen Kommunistischen Partei, Entwurf, hersg. vom Parteivorstand der DKP (PE) S. 60.) Die DKP betonte, sie werde als "untrennbarer Bestandteil" der kommunistischen Weltbewegung die "bewährten Grundsätze der internationalistischen Zusammenarbeit" der kommunistischen Parteien und die Prinzipien des "proletarischen Internationalismus" -- mit denen die KPdSU ihren Führungsanspruch gegenüber den anderen kommunistischen Parteien begründet -- stets beachten (a.a.O. PE -- S. 6 u. 60). Deshalb wich sie auch in ihrer Haltung zum "Eurokommunismus" nicht im geringsten von der Linie der KPdSU ab und widersetzte sich rigoros jedem Ansatz einer positiveren Bewertung "eurokommunistischer" Vorstellungen in den eigenen Reihen. Wiederholt gab die DKP vor, die "nationalen Interessen" des "Volkes der BRD" entschieden zu vertreten; gleichzeitig erklärte sie jedoch, sie gestalte ihre "nationale Politik im Einklang mit dem revolutionären Weltprozeß" und lehne alle Versuche ab, "im Klassenkampf Nationales und Internationales einander entgegenzustellen" (u.a. PE, S. 6, 9, 59). Die DKP bekräftigte auch im Berichtszeitraum unverändert ihre in ihren Grundsatzdokumenten niedergelegte verfassungsfeindliche Zielsetzung (vgl. insbesondere Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion betr. DKP; BT-Drucksache 7/4231 vom 29. 10. 1975). Sie versicherte, als "die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse", die im Marxismus-Leninismus eine Anleitung zum Handeln sehe (u.a. PE S. 1, 6; DKP-Pressedienst Nr. 3 v. 17. 1. 1977), für die Errichtung des Sozialismus auf dem Weg über die "sozialistische Revolution" und die "Diktatur des Proletariats" zu kämpfen. Dazu sagte der DKP-Vorsitzende Herbert MIES: "Aber bei aller Beachtung der nationalen Besonderheiten unseres Landes vergessen wir doch nie, daß sich die sozialistische Revolution wie auch der Aufbau des Sozialismus entsprechend den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten vollziehen wird, die von Marx, Engels und Lenin begründet worden sind und mit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution auch 47); für den Begriff "Diktatur des Proletariats" verwendete sie den identischen Begriff "politische Macht der Arbeiterklasse" (PE S. 40 und 42), weil der ideologische Begriff "Diktatur des Proletariats" von der Mehrheit der Bevölkerung aus Unkenntnis des Marxismus-Leninismus noch nicht verstanden werde (vgl. Willi GERNS, Mitglied des DKP-Präsidiums, und Robert STEIGERWALD, Mitglied des DKP-Parteivorstandes: Für eine sozialistische Bundesrepublik; 2 Aufl. Fm 1977, S. 14 f.). Zur Verschleierung dieser verfassungsfeindlichen Zielsetzung dient auch die in ihrer Agitation zunehmend feststellbare Beteuerung, auf dem "Boden des Grundgesetzes" zu wirken und sich zu seinen "demokratischen Prinzipien" zu bekennen. Die DKP interpretiert die Verfassungsnormen marxistisch-leninistisch, verkehrt sie damit in ihr Gegenteil, um sodann etwa in ihrer im Oktober 1977 herausgegebenen Schrift "Wir Kommunisten und das Grundgesetz" zu behaupten, tatsächlich seien die Kommunisten die "besten Verteidiger des Grundgesetzes", dessen "demokratische Substanz" von Parlament, Exekutive und Justiz fortlaufend ausgehöhlt worden sei. Das Bekenntnis der DKP zum Marxismus-Leninismus bedeutet die eindeutige Zielsetzung, auf dem Weg über die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Beides, Weg und Ziel, sind wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat (BVerfGE 5, 85, 155), mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar. Ideologie und Ziele des Kommunismus -- und das gilt für alle seine Spielarten --, müssen an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung -- vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über das Verbot der rechtsextremistischen Sozialistischen Reichspartei definiert als "eine Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition". -- gemessen werden. Dieser Maßstab gilt auch für die weiteren programmatischen Äußerungen der DKP im Berichtsjahr, z. B. ihre Ansicht, das "Grundmodell" des Sozialismus sei in den "sozialistischen Ländern" bereits verwirklicht, so daß sie keinen Grund sah, "einen vom realen Sozialismus qualitativ unterschiedlichen Sozialismus zu propagieren" (UZ vom 25. 2. 77); vielmehr pries sie Parallel dazu setzte die DKP in ihrer Agitation die Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland planmäßig herab. Sie behauptete, hier habe sich der "staatsmonopolistische Kapitalismus" voll etabliert. Unausweichliche Folgen seien Expansionsstreben nach außen, "Hochrüstung", Verschärfung der Wirtschaftskrise und ständiger Abbau der Demokratie. Unter diesen Bedingungen sei der Kampf um eine "antimonopolistische Demokratie" die beste Möglichkeit, den Weg zur "sozialistischen Revolution" zu öffnen (PE S. 45 ff.). Ebenso wie die "antifaschistisch-demokratische" Ordnung in der DDR (bis 1950) ist die von der DKP angestrebte "antimonopolistische Demokratie" eine Vorstufe der "Diktatur des Proletariats" (vgl. GERNS/STEIGERWALD a.a.O. u.a. S. 23 ff., 44 und 48 ff.). Im Gegensatz zu früheren Erklärungen nannte jedoch die DKP im Programmentwurf erstmals die "antimonopolistische Demokratie" nicht mehr das Hauptziel der gegenwärtigen "Kampfetappe", sondern zunächst die Herbeiführung einer "Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt", die in die "Antimonopolistische Demokratie" einmünden soll. Die Proklamierung dieser neuen Etappe des Ringens um die "Wende" zeigt, daß die DKP einerseits immer wieder mit neuen Methoden versucht, zu breiteren Schichten Zugang zu gewinnen, andererseits ihre Möglichkeiten realistischer als in früheren Jahren einschätzt. Unverändert bejahte die DKP die "revolutionäre Gewalt", auch wenn sie nach ihren Verlautbarungen danach strebt, "friedlich", d . h . ohne Bürgerkrieg, die "sozialistische Revolution" zu vollziehen. Nach wie vor will sie jedoch keine Illusionen über einen "friedlichen Spaziergang" zum Sozialismus verbreiten. Sie spricht vielmehr vom "harten Kampf", durch den die "Reaktion" überwunden werden müsse, von deren Widerstand hänge die Form der revolutionären Gewaltanwendung ab (u.a. PE S. 45). 1.1.2 Mitgliederstand Die DKP hatte Ende 1977 etwa 42.000 Mitglieder (1976: Zwischen 40.000 und 42.000 Mitgliedern). Der geringfügige Zuwachs ist auch auf die Werbekampagne während des "Parteiaufgebots 1977" zurückzuführen, das nach dem Tode Max REIMANNs, des 1. Sekretärs der verbotenen KPD und Mitglieds des DKP-Präsidiums, im Januar 1977 in "Max-Reimann-Aufgebot" umbenannt worden war. Überwiegend kommen die neuen Mitglieder aus der "Sozialistischen Arbeiterjugend" (SDAJ), die der DKP als Kaderreserve dient. Die DKP behauptete, auch ehemalige Sozialdemokraten seien ihr beigetreten, bestritt aber gleichzeitig, gezielt Mitglieder der SPD anzuwerben (vgl. Abschnitt IV. 2.1). Offensichtlich ist die Parteiführung mit den Ergebnissen des "Max-Reimann-Aufgebots" nicht zufrieden; sie klagte, der Erfolg hätte bei Einbeziehung aller Mitglieder und Grundorganisationen größer sein können (UZExtra, Eigenbeilage zu UZ vom 24. 11. 77, S. 21). Intern beschwerten sich führende DKP-Funktionäre wiederholt über mangelnden Einsatz und geringe Erfolge bei der Mitgliederwerbung. 1.1.3 Finanzierung men, davon 2,7 Millionen DM = 2 1 , 4 % durch Mitgliedsbeiträge, 6,4 Millionen DM = 5 0 , 8 % "Spenden" und 2,5 Millionen DM = 1 9 % durch Veranstaltungen, Vertrieb von Drucksachen usw. In dem Spendenbetrag sind vier größere Einzelspenden (SS 25 Parteiengesetz) von insgesamt rund 143.000,-DM enthalten. Darüber hinaus sollen die Mitglieder der Partei Sach-, Werkund Dienstleistungen (SS 27 Abs. 3 Parteiengesetz) im Werte von 3,6 Millionen DM erbracht haben. Der auf etwa 7,50 DM (1976: ca. 7,-DM) gestiegene durchschnittliche Monatsbeitrag blieb hinter den Erwartungen der Parteiführung zurück. Wiederum kritisierten Funktionäre die mangelnde "Beitragsehrlichkeit". Sie regten an, höhere Beitragssätze einzuführen, um die Beiträge den gestiegenen Einkommen anzupassen -- die "Finanzund Beitragsordnung" der DKP sieht als höchsten Monatssatz 20,-DM (bei einem Bruttoeinkommen von mehr als 1.500,-DM) vor. Tatsächlich war die DKP auch 1977 nicht annähernd in der Lage, die Ausgaben für den kostspieligen Parteiapparat, die zahlreichen Aktionen und die aufwendige schriftliche Agitation aus eigenen Mitteln zu decken. Es liegen Anhaltspunkte vor, daß die DKP im Berichtsjahr für die Finanzierung ihrer Parteiarbeit, für ihre Nebenorganisationen (MSB Spartakus, SDAJ, Junge Pioniere) und für die von ihr geförderten Verlage, Publikationen usw. Zuschüsse in Höhe von mehr als 50 Millionen DM aus der DDR erhalten hat. 1.1.4 Pressearbeit Das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) erschien auch 1977 sechsmal wöchentlich, die Freitagsausgabe mit einer "Wochenend-Beilage". Die Auflage fiel; sie betrug höchstens 30.000 Exemplare täglich (1976: bis 40.000) und 60.000 Exemplare freitags (1976: bis 70.000). Starke Abonnentenfluktuation und hohe Außenstände zeigen, daß sich die Hoffnungen der DKP-Führung in die UZ als eines der "wichtigsten Mittel" zur Verstärkung des Masseneinflusses nicht erfüllt haben. Um neue Leser zu gewinnen, erklärte der Parteivorstand 1978 zum "Jahr der UZ". Vom 1. bis 3. Juli veranstaltete die DKP in Recklinghausen unter der Bezeichnung "Fest der Arbeiterpresse -- Volksfest '77 der DKP" das dritte zentrale Pressefest der UZ, das von etwa 200.000 Personen besucht wurde, darunter Vertreter der Zentralorgane von 24 "Bruderparteien" sowie der internationalen kommunistischen Zeitschrift "Probleme des Friedens und des Sozialismus", Mitglieder der Ständigen Vertretung der DDR in der Bundesrepublik Deutschland und Diplomaten neun weiterer "sozialistischer" Länder. Am Unterhaltungsprogramm wirkten 900 Sportler, Künstler und Artisten aus der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und dem Ausland mit. Obwohl die DKP das Pressefest als Erfolg wertete, beschloß sie künftig ein zentrales UZ-Pressefest nur noch alle zwei Jahre durchzuführen. Der Parteivorstand der DKP gab auch weiterhin den "DKP-Pressedienst", die "DKP-Informationen", die "DKP-Landrevue" sowie den monatlichen "Informationsdienst für Betriebszeitungen, Wohngebietsund Hochschulzei- ROTE Barinbek-SOd p!3*ngebiet"eitung " M " Betriebszeitung 1 oifc_^gsJ^J 1 Vorlauf ^TOBESI Hammer -ta yiw*. W*Üi"w mSI,""w fft" o i. HkUü* Ena ,WIGSHAFEN IST WS? ÜKPFÜRU^ 5S*"""!üü^ "mElLUNGSBUTl DE ZEITUNG_DER LTVnffl, Obst und Gemüse a OTOBeWeÜTJ 'en d^üt*eE^ inden Wald'. DIEROTI LENSACHE [fIDEl . POVEL * RWE FOR M l " DKP-BE' Kapitalistischer *soi-.-.k-JJ.HENDRY ensuMUi Alltag MIESE METHODEN DES S/R ,rzrearbeit< ÜNSER " t ^ xe ArfO u ' e H * * *9 H 'ZÜNDER tjÄttf ix& s***. j " r Arb"i"*r una w ^ Misses " ^ p u W " " ^ ^SB"S hunderttausend Exemplaren hatte. Neben etwa 400 Betriebszeitungen (vgl. Abschnitt IV. 3.) erschienen etwa 530 weitere Kleinzeitungen, die von den DKP-Bezirks-, Kreisund Ortsorganisationen herausgegeben wurden. 1.1.5 Internationale Beziehungen Als "untrennbarer Bestandteil" der kommunistischen Weltbewegung entfaltete die DKP auch 1977 rege "internationale" Aktivitäten, bei denen sie ihre Beziehungen zu "Bruderparteien" sowie zu "revolutionär-demokratischen" Parteien und "Befreiungsbewegungen" in der Dritten Welt ausbaute. So reisten DKP-Delegationen in die Sowjetunion, nach Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Polen sowie nach Österreich, Frankreich, Italien und Somalia. Funktionäre der DKP nahmen an Parteitagen und anderen Veranstaltungen (u. a. Pressefesten) der Kommunistischen Parteien von Mozambique, des Irak, Belgiens, Frankreichs, Portugals, Italiens, Spaniens, Österreichs und Dänemarks teil. Den Parteivorstand der DKP besuchten Vertreter der KPdSU, der Kommunistischen Parteien Finnlands, Spaniens, Bulgariens, Polens, Rumäniens, der Türkei, Italiens, Portugals, Chiles, der Tschechoslowakei sowie Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Der Erste Sekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP), Janos KADAR, empfing während seines Staatsbesuches in der Bundesrepublik Deutschland am 5. Juli den Vorsitzenden der DKP, Herbert MIES, und führende Parteifunktionäre. Wiederholt hielten sich Delegationen von Gebietskomitees der KPdSU bei Bezirksorganisationen der DKP auf, zu denen eine Art "Patenschaftsverhältnis" besteht. An den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Oktoberrevolution Anfang November in Moskau nahm eine vierköpfige DKP-Delegation unter Leitung von Herbert MIES teil, der in seiner Grußansprache auf der Festsitzung und bei einer Unterredung mit dem Generalsekretär der KPdSU, Leonid BRESCHNEW, das Treuebekenntnis der DKP zur Sowjetunion wiederholte. BRESCHNEW sicherte ihm die "entschiedene Solidarität" der KPdSU mit dem Kampf der DKP zu (UZ vom 11.11. 1977). Die DKP war auch auf Konferenzen der internationalen kommunistischen Zeitschrift "Probleme des Friedens und des Sozialismus" in Prag (April und Juni) und der Parteihochschule beim Zentralkomitee der KPdSU in Moskau (November) vertreten. Sie beteiligte sich an Beratungen westeuropäischer kommunistischer Parteien in Wien (18./19. Februar -- Thema: Fragen der Sozialpartnerschaft im System des Kapitalismus), Antwerpen (11. Juni -- Thema: Die Kämpfe der Arbeiterklasse für die Verteidigung ihrer Arbeitsund Lebensbedingungen), Luxemburg (15. Juli -- Thema: Probleme der Arbeiterklasse im Zu- 1.2 "Sozialistische Einheitspartei Westberlins" (SEW) Die SEW, die unverändert der ideologischen und politischen Linie der SED und der KPdSU folgt, kämpfte auch im Berichtsjahr für den Sozialismus, der nur durch die "Errichtung der Macht des Volkes unter Führung der Arbeiterklasse, ihrer marxistisch-leninistischen Partei", d.h. die "Diktatur des Proletariats", zu erreichen sei. Um den Weg für die revolutionäre Umgestaltung zu öffnen, trat die SEW für "grundlegende demokratische Veränderungen", d. h. für eine "antimonopolistische Demokratie" ein. Dazu strebte sie nach wie vor die "Aktionseinheit" mit Sozialdemokraten und ein Bündnis mit allen "demokratischen Kräften Westberlins" (Volksfront) an. Die SEW mußte eine Einbuße in ihrem Mitgliederbestand hinnehmen: ihre Mitgliederzahl sank auf 7.000 (1976: 7.500). Die SEW konzentrierte ihre Aktivitäten wie im Vorjahr schwerpunktmäßig auf sozialpolitische, kommunalpolitische und innerstädtische Probleme; hinzu kam eine Kampagne gegen Arbeitslosigkeit. Ihre Versuche, Betriebe und Gewerkschaften zu unterwandern, blieben fast gänzlich erfolglos. Als "selbständige" kommunistische Partei beteiligte sich die SEW auch 1977 an Veranstaltungen der "Bruderparteien"; so im April und Juni an den Beratungen der internationalen kommunistischen Zeitschrift "Probleme des Friedens und des Sozialismus" in Prag, an den Feierlichkeiten anläßlich des 60. Jahrestages der Oktoberrevolution in Moskau; an den Beratungen westeuropäischer kommunistischer Parteien über "Sozialpartnerschaft im System des Kapitalismus" (Februar, Wien) und über "Kämpfe der Arbeiterklasse für die Verteidigung ihrer Arbeitsund Lebensbedingungen" (Juni, Brüssel). Ferner unterzeichnete die SEW die Erklärung von 28 kommunistischen Parteien gegen die Neutronenbombe (August). Schwerpunkt der Aktivitäten der "Freien Deutschen Jugend Westberlins" (FDJW), der Jugendorganisation der SEW (ca. 700 Mitglieder), war auch 1977 eine Kampagne gegen Jugendarbeitslosigkeit und mangelnde Berufsausbildung. 1.3 Nebenorganisationen der DKP Die DKP stützte sich auch 1977 bei ihrer politischen Arbeit in weiten Bereichen auf ihre Nebenorganisationen. Diese formell selbständigen Vereinigungen mit eigenen Statuten, Vorständen und Mitgliedschaften betonen offen ihre enge Bindung an die DKP und ordnen sich ihr politisch unter: sie bekennen sich zum Marxismus-Leninismus und zur führenden Rolle der DKP; alle ihre maßgeblichen Funktionen sind mit DKP-Mitgliedern besetzt. Die wichtigsten dieser Vereinigungen sind weiterhin der "Marxistische Studentenbund Spartakus" (MSB), die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und die "Jungen Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation" (JP) geblieben, die von den entsprechenden Nebenorganisationen anderer kommunistischer Parteien -- so von der "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) der DDR -- als "Bruderorganisation" anerkannt werden. LENIN, propagierte die "Errungenschaften der DDR" und sicherte der DKP weiter Unterstützung zu. Die neugewählte Bundesvorsitzende Beate LANDEFELD ist Mitglied des Parteivorstandes der DKP; auch ihre drei Stellvertreter gehören der DKP an. Der Verband konnte nach eigenen Aussagen die Zahl seiner Mitglieder auf 5.800 (1976: 5.300) steigern, die in 210 Gruppen organisiert sind; er blieb damit die mitgliederstärkste linksextremistische Studentenorganisation. (Der Anteil und Einfluß des MSB in den studentischen Selbstverwaltungsorganen ist im Abschnitt II. 4. dargestellt.) Die Auflage des monatlich erscheinenden MSB-Organs "rote blatter" lag am Jahresende unverändert bei 30.000 Exemplaren. Zu aktuellen Anlässen wurden "rote blätter-extra" mit Auflagen bis zu 100.000 Exemplaren kostenlos verteilt. Der MSB Spartakus setzte seine Kontakte zu kommunistischen Jugendund Studentenorganisationen der DDR und des Auslandes fort. 1.3.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die SDAJ beruft sich auf die revolutionären Ideen von MARX, ENGELS und LENIN; sie bezeichnete sich selbst als "einzige Jugendorganisation in der Bundesrepublik, die konsequent auf der Grundlage ihrer wissenschaftlichen Weltanschauung den Kampf für den Sozialismus führt", und beteuerte unablässig ihre enge Verbundenheit mit der DKP sowie ihre Treue zum "proletarischen Internationalismus". Der SDAJ-Bundesvorsitzende Wolfgang GEHRCKE ist Mitglied des DKPParteivorstandes; auch die übrigen Mitglieder des Geschäftsführenden Bundesvorstandes und des Sekretariats sind aktive Kommunisten. Die Zahl der aktiven SDAJ-Mitglieder erhöhte sich auf etwa 15.000 (1976: 13.500), die in etwa 600 Gruppen organisiert sind. Der verstärkten Mitgliederwerbung soll eine "Festival-Staffette" dienen, zu der der Bundesvorstand aufgerufen hat, um ein "Festival der Jugend" im Mai 1978 in Dortmund vorzubereiten. Das monatlich erscheinende Sprachrohr der SDAJ "elan -- Das Jugendmagazin", dessen Herausgeber und Redakteure der SDAJ-Bundesleitung angehören, konnte jeweils mit einer Auflage von etwa 30.000 Exemplaren verkauft werden. Es brachte ferner den "elan -- Artikeldienst für Betriebs-, Lehrlingsund Berufsschulzeitungen" heraus. Die Zahl dieser meist unregelmäßig in geringer Auflage erscheinenden SDAJ-Kleinzeitungen lag unverändert bei 400. Erheblich verstärkt hat die SDAJ die politische Schulung ihrer Mitglieder. Die SDAJ-Gruppen führen dazu monatlich Bildungsabende durch. Als Schulungsmaterial dienen die "Bildungshefte" und -- seit Anfang 1977 -- die zweimonatlich erscheinende "Bildungszeitung" des SDAJ-Bundesvorstandes. Seit Anfang des Berichtsjahres steht der SDAJ und den "Jungen Pionieren" eine mit "brüderlicher Hilfe" der FDJ der DDR und der DKP eingerichtete kommunistische Jugendschule, die "Jugendbildungsstätte Burg Wahrberg" in Aurach, Krs. Ansbach, zur Verfügung, deren "Kuratorium" Die SDAJ vertiefte ihre engen und "brüderlichen" Verbindungen zur FDJ der DDR und zum sowjetischen Komsomol. Sie traf erneut mit beiden Verbänden Vereinbarungen über die weitere Zusammenarbeit. Gemeinsam mit dem MSB Spartakus und den "Jungen Pionieren" führte sie anläßlich des 60. Jahrestages der Oktoberrevolution eine "Freundschaftswoche" mit der Jugend der Sowjetunion durch, bei der auf zahlreichen Veranstaltungen Funktionäre des Komsomol sprachen. Außerdem baute die SDAJ ihre Beziehungen zu anderen kommunistischen Jugendorganisationen aus. So veranstaltete sie im Mai in Hannover eine "Freundschaftswoche" mit dem "Sozialistischen Jugendverband" der CSSR; am 30./31. Juli hielt sie in Dortmund mit Vertretern von zwölf kommunistischen Jugendverbänden des "nichtsozialistischen" Europas eine Beratung über gemeinsame Aktionen gegen die Jugendarbeitslosigkeit ab, beteiligte sich an Seminaren des kommunistischen "Weltbundes der Demokratischen Jugend" (WBDJ) in Brüssel (Februar) sowie in Budapest (Oktober) und führte außerdem zahlreiche Gespräche mit Vertretern ausländischer "Bruderorganisationen". 1.3.3 "Junge Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation" (JP) Die JP bestätigten auf ihrer 2. Bundeskonferenz am 12./13. März in Hamburg erneut ihr enges und freundschaftliches Verhältnis zur DKP, zur SDAJ und zum MSB Spartakus. Ihr wiedergewählter 1, Vorsitzender Achim KROOSS, der wie die neugewählte 2. Vorsitzende Helga RIESBERG Mitglied der DKP und des SDAJ-Bundesvorstandes ist, erklärte, die JP wollten Kinder dem Einfluß der "imperialistischen" Ideologie entziehen, ihre Vorbilder seien Kommunisten ("rote blätter" 2/3/77). Nach eigenen Angaben hatten die JP im März etwa 6.000 Mitglieder in 232 Gruppen; tatsächlich dürfte die Mitgliederzahl Ende des Jahres bei etwa 2.500 gelegen haben. Der Mitgliederwerbung diente die "Pionier-Rallye 77". Ein neuer "Freundesund Fördererkreis der Jungen Pioniere" soll die Arbeit der JP unterstützen. In den meisten Bundesländern leiten Landesausschüsse, denen überwiegend DKP-Mitglieder angehören, die Pioniergruppen an; eine gewählte Landesleitung besteht seit Herbst 1977 in Niedersachsen. Um den Mangel an qualifizierten "Pionierleitern" zu beheben, wurden wiederum Funktionäre der DKP und SDAJ in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR für diese Aufgabe geschult. Die JP veröffentlichten alle zwei Monate ihre "Pionierleiterinformation" und die zentrale Kinderzeitung "Willibald". Führende Funktionäre der kommunistischen Weltkinderorganisation CIMEA, deren Mitglied die JP sind, und der Pionierorganisationen der DDR, der UdSSR, der CSSR, Polens und Ungarns waren auf der 2. Bundeskonferenz der JP als Gäste anwesend. Die JP beteiligten sich im Sommer an dem "Internationalen Kinderfestival" in Moskau und an der "Kinderrepublik" Artek auf der Krim. 2. Bündnispolitik Wegen ihrer vergleichsweise geringen Mitgliedschaft und ihres bescheide- um "Bündnisse" mit nichtkommunistischen Kräften, um so zu einer "Massenbasis" und damit zu größerem politischen Einfiuß zu gelangen, als er ihr aus eigener Kraft möglich wäre. Die DKP strebt vor allem zwei Bündnisformen an: die "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" ("Arbeitereinheitsfront") -- d. h. Zusammenarbeit der Kommunisten mit Sozialdemokraten, Gewerkschaftern und parteilosen Arbeitern -- sowie, darauf aufbauend, das "breite demokratische Bündnis aller antimonopolistischen Kräfte" ("Volksfront") -- d. h. Einbeziehung auch Intellektueller und bürgerlicher Kreise bis hin zu mittleren Unternehmern --. Dabei sehen die Kommunisten in der "Arbeitereinheitsfront" die wichtigste Bündnisform und den "Kern" der angestrebten "Volksfront". 2.1 Bemühungen um "Aktionseinheit" mit Sozialdemokraten Da die DKP in der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" die "unabdingbare Voraussetzung" für politische Veränderungen sieht, bemühte sie sich auch im Berichtsjahr um die Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten als Kern der "Aktionseinheit" (u.a. DKP-Programmentwurf a.a.O., S. 49 f.). Sie rief verstärkt Sozialdemokraten zu einem gemeinsamen Handeln auf und behauptete, sie verfolge damit keine "parteiegoistischen Ziele" und wolle in einem Bündnis niemanden bevormunden. Andererseits ließ die DKP aber wiederholt erkennen, daß die Kommunisten als Vertreter des Marxismus-Leninismus in einem Bündnis "besondere Verantwortung" trügen (GERNS/STEIGERWALD: Für eine sozialistische Bundesrepublik, Ffm., 2. Auflage, 1977, S. 70). Die Absage der SPD an alle kommunistischen Angebote versuchte die DKP wiederum mit der Taktik der "Aktionseinheit von unten" zu umgehen. Sie bemühte sich, SPD-Mitglieder gegen den Willen der Parteiführung für gemeinsame Aktionen zu gewinnen; gleichzeitig warf sie den "rechtssozialdemokratischen Führern" vor, die Interessen der Arbeiter denen des Großkapitals unterzuordnen und einen "Schlag gegen links" zu richten, um "kritische" Sozialdemokraten auf den Kurs des Parteivorstands zu zwingen. Bei den von Kommunisten initiierten oder unterstützten Kampagnen gegen "Berufsverbote", für Abrüstung und im Hochschulbereich sowie bei Aktionen zu jugendpolitischen Fragen kam es erneut zu regional und zeitlich begrenztem Zusammenwirken mit meist jüngeren Sozialdemokraten. Trotzdem schätzt die DKP die bisherigen Ergebnisse ihrer Bündnisbemühungen nicht all zu hoch ein; sie sprach von bisher nur schwach entwickelten Ansätzen und erklärte, noch müßten "viele Steine auf dem Wege zur kraftvollen Entfaltung der Aktionseinheit aus dem Wege" geräumt werden ("Marxistische Blätter", Heft 4/1977, S. 4 und Heft 2/1977, S. 17). 2.2 Bemühungen um "Aktionseinheit" mit Gewerkschaften Unverändert ist die Taktik der DKP gegenüber den Gewerkschaften: Sie tritt für starke Gewerkschaften ein, gibt vor, gewerkschaftliche Beschlüsse konsequent zu verfechten und forderte ihre Mitglieder auf, aktiv in den Gewerkschaften mitzuarbeiten. So behauptete der DKP-Parteivorstand, die Tätigkeit der DKP-Mitglieder im "Deutschen Gewerkschaftsbund" (DGB) beweise, wie "ernsthaft, aktiv und konstruktiv" Kommunisten um die Stär- Ein nennenswerter personeller Erfolg, d. h. Übernahme wichtiger Gewerkschaftsfunktionen, blieb der DKP jedoch auf den Gewerkschaftstagen versagt. Im Auftrag der DKP verstärkte die SDAJ ihre Einflußnahme auf die Gewerkschaftsjugend: auf der 10. ordentlichen Bundesjugendkonferenz des DGB (1.--3. Dezember) wurden fast wörtlich Beschlüsse der SDAJ in Beschlußvorlagen der Gewerkschaftsjugend aufgenommen, was Gegenmaßnahmen des DGB auslöste. Trotz ihrer vorgeblichen Gewerkschaftstreue beschuldigte die DKP ihr mißliebige Gewerkschaftsführer, den Begriff der Solidarität zu mißbrauchen und die Lasten der Wirtschaftskrise nicht etwa abzuwehren, sondern auf die ganze Arbeiterklasse verteilen zu wollen ("Praxis" Nr. 16/1977). Die Publikationen der "Nachrichten-Verlags-GmbH", deren Gesellschafter DKP-Funktionäre sind, unterstützten unverändert die kommunistische Gewerkschaftsarbeit; dabei spielte die Monatsschrift "Nachrichten-Informationen und Kommentare zur Wirtschaftsund Sozialpolitik" eine besondere Rolle. 2.3 "Volksfrontpolitik" Einen Schwerpunkt kommunistischer Aktivitäten bildete 1977 unverändert die "Volksfrontpolitik", denn ein breites antimonopolistisches Bündnis" -- so hebt auch der Programmentwurf der DKP (a.a.O., S. 53) hervor -- sei für den "gesellschaftlichen Fortschritt" unerläßlich. Deshalb griff die DKP wie bisher Forderungen auf, für die auch demokratische Kreise eintreten, und initiierte zu ihrer Durchsetzung Kampagnen, deren Träger vor allem kommunistisch beeinflußte Organisationen sind. Größere. Resonanz fand wiederum die K a m p a g n e gegen die sogenannten " B e r u f s v e r b o t e " , d.h. gegen die Maßnahmen zur Fernhaltung von Extremisten vom öffentlichen Dienst. Das koordinierende Organ dieser Kampagne, der kommunistisch beeinflußte zentrale Arbeitskreis der Initiative "Weg mit den Berufsverboten", stützt sich nach eigenen -- offensichtlich übertriebenen -- Angaben auf 350 regionale und örtliche Komitees, in denen ebenfalls Kommunisten mitarbeiten. Anläßlich des "5. Jahrestages des antidemokratischen Ministerpräsidentenerlasses" führte die Initiative am Jahresbeginn über 200 Aktionen und drei zentrale Demonstrationen durch (5. Februar in Düsseldorf und Frankfurt; 12. Februar in Hamburg), an denen insgesamt über 30.000 Personen teilnahmen. Die Kampagne wurde auch im Ausland, meist mit Unterstützung orthodox-kommunistischer Parteien ausgeweitet. Neben den bereits in Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Schweden bestehenden "Komitees gegen Berufsverbote in der Bundesrepublik Deutschland" wurden 1977 auch Komitees in Finnland, Norwegen und in den USA tätig. Am 778. Mai fand in Hamburg eine Tagung des zentralen Arbeitskreises mit Vertretern solcher Komitees aus sieben Staaten statt und am 12./13. November in Oldenburg eine "Internationale Konferenz gegen Berufsverbote" mit etwa 2.000 Teilnehmern. gungen, veranstaltete das kommunistisch beeinflußte "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ -- vgl. Abschnitt V. 3.) am 21. Mai Demonstrationen "Beendet das Wettrüsten" in Bremen, Essen, Frankfurt und München mit insgesamt mehr als 40.000 Teilnehmern. Diese Kampagne fand einen neuen Höhepunkt, als bekannt wurde, daß die USA Neutronenwaffen herstellen können. Das KFAZ erweiterte zum "Antikriegstag" (1. September) seinen Aufruf "Beendet das Wettrüsten" mit dem Zusatz "gegen die Neutronenbombe" und sammelte bis Anfang Dezember dafür angeblich 50.000 Unterschriften. Die orthodoxen Kommunisten intensivierten ihre " A n t i f a s c h i s m u s - K a m p a g n e " . Die kommunistisch beeinflußten Organisationen VVN-BdA (vgl. Abschnitt V. 1.) und VDJ (vgl. Abschnitt V. 4.) übergaben im Oktober der internationalen Presse eine Dokumentation über angebliche SS-Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland; in Zusammenarbeit mit ausländischen Widerstandskämpferverbänden begann die VVN-BdA für 1978 eine internationale Konferenz gegen den deutschen "Neonazismus" vorzubereiten. Unvermindert setzte die DKP die " K a m p a g n e g e g e n I m p e r i a - l i s m u s u n d N e o k o l o n i a l i s m u s " fort, die in weiten Bereichen durch das kommunistisch beeinflußte "Antiimperialistische Solidaritätskomitee für Afrika, Asien und Lateinamerika" (ASK) gesteuert wird. Ein Höhepunkt war ein "Antiimperialistisches Solidaritätskonzert" für die Völker Chiles, Vietnams, Südafrikas und Palästinas (10. September in Düsseldorf) mit mehr als 5.000 Besuchern. Zu den zahlreichen Organisationen, die mit Kommunisten zumindest bei der Verfolgung gemeinsamer Teilziele zusammenarbeiten und dabei der DKP behilflich sind, die von ihr initiierten Kampagnen zu fördern, gehörten u. a.: -- der "Demokratische Kulturbund der Bundesrepublik Deutschland" (DKBD) mit Dr. Peter SCHUTT, Mitglied des DKP-Parteivorstandes als Bundessekretär. Der DKBD will "Kulturschaffende" für den "Friedenskampf", den Kampf gegen "Abbau demokratischer Rechte und gegen Berufsverbote", gegen "Kulturabbau" und für "Internationale Solidarität" gewinnen; -- die "Demokratische Fraueninitiative" (DFI) mit 35 örtlichen Gruppen, die von der DFU angeleitet wird und die Frauen für die "fortschrittliche, demokratische Bewegung" gewinnen soll; sie veranstaltete am 16. April in Oberhausen einen Kongreß "Für die Gleichberechtigung der Frau in einer humanen Gesellschaft" mit etwa 1.000 Teilnehmern; -- der "Bund demokratischer Wissenschaftler" (BdWi), der gegen das Hochschulrahmengesetz, die "Restauration" an den Hochschulen und den "neuen Faschismus" kämpft; -- einzelne von Kommunisten beeinflußte Gesellschaften für Freundschaft zwischen den "sozialistischen" Staaten und der Bundesrepublik Deutschland, die sich für "Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" einsetzten. arbeit hin: geringe Flexibilität in den Formen und Methoden, unzureichende Anleitung der Betriebsgruppen, unregelmäßige marxistische Bildungsarbeit und unqualifizierte Öffentlichkeitsarbeit (vgl. UZ-Extra, Eigenbeilage zu UZ Nr. 52 vom 3. 3. 1977). Der DKP ist es trotz erheblicher Bemühungen auch 1977 nicht gelungen, ihre Basis in den Betrieben zu erweitern. Am Jahresende bestanden -- soweit bekannt -- unverändert rund 300 Betriebsgruppen, davon etwa die Hälfte in der Metallindustrie und etwa 30 im öffentlichen Dienst, vorwiegend in Kommunalund Landesverwaltungen. Die Zahl der Betriebszeitungen lag weiterhin bei 400; sie erschienen meist unregelmäßig und wurden in der Mehrzahl von übergeordneten Parteileitungen, nicht aber von den Betriebsgruppen selbst herausgegeben. In diesen Kleinzeitungen wurden wiederum tatsächliche oder vermeintliche Probleme in den jeweiligen Betrieben angeprangert, um das Interesse der Leser zu gewinnen und die Kommunisten als die Interessenvertreter ihrer Kollegen darzustellen. Zur Verbesserung der Arbeit der Betriebsgruppen und des Informationsund Erfahrungsaustausches veranstaltete die DKP auch 1977 überörtliche Beratungen mit Arbeitern und Funktionären einzelner Wirtschaftszweige (Chemieund Stahlindustrie, Druckereigewerbe, Gesundheitswesen) sowie Treffen der Betriebsgruppen einzelner Konzerne (u. a. VW, Daimler-Benz, Thyssen, Mannesmann, saarländische Hüttenwerke). Die Betriebsgruppen sollten die "Solidaritätsaktion: Recht auf Arbeit" propagieren, zu der die DKP die Gewerkschaften und alle "Werktätigen" im Juni aufgerufen hatte. Die DKP wies ihre Betriebsgruppen an, bei den bevorstehenden Betriebsratswahlen 1978 die Einheitslisten der Gewerkschaften des DGB zu unterstützen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß möglichst viele Kommunisten auf diesen Listen an aussichtsreicher Stelle kandidieren. Der Anteil der DKP-Anhänger in den Betriebsräten insgesamt ist niedrig -- von den rund 200.000 im Jahr 1975 gewählten Betriebsratsmitgliedern sind nur rund 800 (0,4%) DKP-Anhänger. Allerdings liegt ihr Anteil in den 1.240 Industriebetrieben mit 1.000 und mehr Beschäftigten und ihren insgesamt ca. 25.000 Betriebsratsmitgliedern, von denen etwa 500 DKP-Anhänger sind, bei rd. 2 % . In den Betriebsräten einiger Großbetriebe ist der Anteil von DKP-Anhängern noch höher. Bei 22 Großbetrieben mit insgesamt 494 Betriebsratsmitgliedern waren insgesamt 107 ( = 21,7%) und zwar jeweils mindestens 1 5 % bis -- in einem Einzelfall -- maximal 3 9 % Anhänger der DKP oder anderer linksextremistischer Organisationen im Betriebsrat vertreten. 4. Studenten-, Jugendund Kinderarbeit Die DKP will als "Partei der Arbeiterklasse zugleich Partei der Jugend" sein. Entscheidende Bedeutung bei der Studenten-, Jugendund Kinder- kN FORMATION FÜR DIE ARBEITER ID ANGESTELLTEN DER Zeitung der DKPBetriebsgruppe LW "ER SCHRITTMACHER DKP - Betriebszeitung für die Kieler Krankenhäuser Der rote Postler unterstützen und sich stets als Sachwalter der Interessen der jungen Generation auszugeben. Welche Bedeutung die DKP ihrer Jugendpolitik beimißt, verdeutlichte auch die Einrichtung einer kommunistischen Jugendschule, der Jugendbildungsstätte Burg Wahrberg (vgl. Abschnitt IV. 1.3.2). 4.1 Studenten Die kommunistische Studentenarbeit wurde auch 1977 weitgehend vom MSB Spartakus, der mitgliederstärksten linksextremistischen Studentenorganisation durchgeführt. Seine örtlichen Gruppen werden von den etwa 80 DKPHochschulgruppen (1976: 72) gesteuert und unterstützt, denen die an den Hochschulen tätigen DKP-Mitglieder (Lehrer, Studenten, Verwaltungspersonal) angehören. Das taktische Vorgehen des MSB Spartakus blieb unverändert: er strebte "breite Linksbündnisse" an und konnte mit seiner Politik der "gewerkschaftlichen Orientierung", bei der er soziale und hochschulpolitische Anliegen der Studenten aufgreift und die enge Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften fordert, teilweise auch gemäßigte Studenten für seine Aktionen mobilisieren. Der MSB Spartakus wurde dabei von seinem langjährigen Bündnispartner, dem "Sozialistischen Hochschulbund" (SHB), der sich gleichfalls zur "gewerkschaftlichen Orientierung" bekennt, unterstützt. Auch der "Sozialistische Hochschulbund" (SHB) warb unverändert, wie die orthodoxen Kommunisten für eine "antimonopolistische Demokratie" als "Öffnung des Weges zum Sozialismus". Der SHB (1.600 Mitglieder, 1976: 1.400) bezeichnete sich auf seiner 18. ordentlichen Bundesdelegiertenversammlung (22723. Oktober) erneut als ein "fester Bestandteil der fortschrittlichen Sozialdemokratie", der ein realer Gegenpol zu "rechtssozialdemokratischer Politik" sei und in der SPD für die Zusammenarbeit mit den Kommunisten kämpfe (Rechenschaftsbericht des SHB-Bundesvorstandes zur o.a. Delegiertenversammlung). Für dasselbe Ziel wurde in der zweimal monatlich erscheinenden prokommunistischen "Sozialistischen Korrespondenz" (SK) geworben. Trotz seiner Mandatsverluste bei Studentenwahlen 1977 (vgl. Abschnitt II. 4.) konnte der MSB seinen starken Einfluß in den "Vereinigten Deutschen Studentenschaften" (VDS) behaupten. Dem 5köpfigen VDS-Vorstand -- zuletzt auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 24725. September gewählt -- gehörten u. a. unverändert je ein Vertreter des MSB Spartakus, des SHB, der Juso-HSG, der LHV und der Basisgruppen, die der undogmatischen "Neuen Linken" zuzurechnen sind, an. Höhepunkt der hochschulpolitischen Aktivitäten des MSB Spartakus war der Aufruf zu einem bundesweiten Vorlesungsboykott (28. November--9. Dezember), den die VDS auf Initiative des MSB als Protest gegen die Hochschulgesetzgebung beschlossen hatte. Während dieses "Studentenstreiks", der von Ort zu Ort unterschiedlich befolgt wurde, organisierte der MSB, unterstützt von der DKP und den von ihr beeinflußten Organisationen, an schaftsjugend gegen Arbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel teilzunehmen, um so das "Bündnis mit der Arbeiterklasse" herzustellen. In Berlin (West) ging der Mitgliederbestand der Hochschulgruppen der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW) leicht auf 880 zurück (1976: 900). Die Mitgliederzahl der SEW-beeinflußten "Aktionsgemeinschaften von Demokraten und Sozialisten" an den Hochschulen sank auf 1.200 (1976: 1.400). Obwohl die dem orthodoxen Kommunismus zuzurechnenden Studentengruppen militante Aktionen gegenwärtig für unzweckmäßig halten und quasi gewerkschaftliche Kampfformen (Urabstimmungen, "Streiks") bevorzugen, wurden bei 23 Ausschreitungen Anhänger dieser Hochschulgruppen als Täter erkannt (1976: 16). 4.2 Jugend Da die Arbeiterjugend eine der wichtigsten Zielgruppen kommunistischer Politik ist, widmete die DKP auch 1977 ihre besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung der SDAJ, die für die Partei in diesem Bereich wirkt. Die SDAJ nutzte bei ihrer "Massenarbeit" Lehrstellenmangel, Jugendarbeitslosigkeit und Bildungsprobleme für ihre Kampagne "Aktion unsere Zukunft" mit zahlreichen, teilweise spektakulären Aktionen (Hungerstreiks, Verleihung des "Lehrstellenkillerkreuzes" und "Roten Kuckucks"), vor allem aber für ihre Bündnispolitik. Bei zahlreichen, meist örtlichen Aktionen gelang es ihr erneut, mit demokratischen Jugendorganisationen zusammenzuarbeiten; mitunter beteiligte sie sich auch unaufgefordert an Demonstrationen dieser Gruppen. Die SDAJ verstärkte ihre Einflußnahme auf die Gewerkschaftsjugend (vgl. Abschnitt IV. 2.2). Sie versuchte auf mehr als 200 Veranstaltungen Lehranfänger für den Eintritt in die SDAJ und in die Gewerkschaften zu gewinnen. Mit ihrer Gewerkschaftsarbeit intensivierte die SDAJ auch ihre Betriebsarbeit, die Zahl ihrer Betriebsgruppen stieg auf zehn (1976: 6). Die SDAJ arbeitet auch unter Schülern. Sie organisierte Schülergruppen und war weiterhin aktiv in Landesschülervertretungen -- in Bremen und Hamburg sogar führend -- tätig, ebenso in Gliederungen des Verbandes "Deutsche Jugendpresse e.V.". Von den "Arbeitskreisen Demokratischer Soldaten" (ADS), auf die sich die SDAJ bei ihrer Arbeit gegen die Bundeswehr stützt, sind jedoch nur 24 durch Aktionen hervorgetreten (1976: 33). Orthodox-kommunistische und von ihnen beeinflußte Gruppen gaben insgesamt 22 (1976: 33) Soldatenzeitungen heraus und führten etwa 570 Aktionen wie Flugblattverteilung, Plakataktionen und Protestdemonstrationen gegen die Bundeswehr durch. Einen Höhepunkt der SDAJ-Arbeit im "Freizeitbereich" bildeten wiederum ihre bereits traditionellen "Pfingstcamps"; an den zwölf Camps (1976: 11) Zentren (1976: 43) maßgeblich mit; das von ihr beeinflußte zentrale "Koordinationsbüro für Initiativgruppen der Jugendzentrumsbewegung" will im Berichgsjahr Kontakt zu fast 1.500 Initiativen und Zentren mit insgesamt 40.000 Jugendlichen unterhalten haben. Der SDAJ-Bundesvorstand erklärte im Juni erneut, die SDAJ arbeite nach wie vor "kameradschaftlich" mit der "Naturfreundejugend Deutschlands" (NFJD) zusammen. Die NFJD entsandte eine Gastdelegation zur 2. Bundeskonferenz der "Jungen Pioniere". Zwei Mitglieder der zehnköpfigen NFJDBundesjugendleitung gehören der DKP an. Der Aufnahmeantrag der SDAJ wurde'vom "Deutschen Bundesjugendring" (DBJR) mit 32 Nein-Stimmen gegen 17 Ja-Stimmen bei 3 Enthaltungen zum zwölftenmal abgelehnt. Die SDAJ ist aber unverändert Mitglied in den Landesjugendringen Bremen, Saarland und Hamburg sowie in etwa 60 Kreis-, Stadtund Ortsjugendringen. 4.3 Kinder Die kommunistische "Kinderarbeit" hatte gegenüber der Jugendund Studentenarbeit einen begrenzten Umfang und wurde von der Öffentlichkeit weniger beachtet; eine Ursache dafür war, daß die "Jungen Pioniere -- Sozialistische Kinderorganisation" (JP) trotz erheblicher Unterstützung durch die DKP, die SDAJ und den MSB Spartakus noch eine relativ kleine Organisation geblieben sind. Gleichwohl nahm die kommunistische Kinderarbeit stetig zu. Die JP bemühten sich auch 1977, durch zahlreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen -- für kleine Klassen, sichere Straßen, bessere Spielplätze sowie Kinderfeste, Pfingstlager und preisgünstige Ferienreisen in die DDR -- Kinder kommunistisch zu beeinflussen und als Mitglieder zu werben. An den Pfingstlagern (Ende Mai) unter dem Motto "Immer lebe die Sonne" nahmen angeblich 3.000 Kinder teil (1976: 2.500). Höhepunkt war auch dieses Jahr die im Sommer von der DKP und ihren Nebenorganisationen durchgeführte Kinderferienaktion in die DDR, an der etwa 2.500 Kinder teilnahmen (1976: 3.000). Die Teilnehmer sollten den "realen Sozialismus" kennenlernen und von dessen "Kinderfreundlichkeit" überzeugt werden. 5. Propaganda und Schulung Die orthodoxen Kommunisten betrachten den "ideologischen Kampf" als eine Form des Klassenkampfes, deren Bedeutung ständig wachse. Deshalb wollte die DKP auch im Berichtsjahr verstärkt den Marxismus-Leninismus verbreiten und die "bürgerliche Ideologie" zurückdrängen. Um die Voraussetzungen dafür zu verbessern, war die Partei -- unterstützt von SED und KPdSU -- zunehmend bemüht, die Qualität ihrer "ideologischen Arbeit", der Propaganda und Schulung zu erhöhen. Eine Ursache für die verstärkte Indoktrination der Mitglieder war auch die Furcht vor "eurokommunistischen" Einflüssen. 5.1 "Institut für Marxistische Studien und Forschungen e.V." (IMSF) DKP-Parteivorstandes) und berät die Partei in ideologischen Fragen. Dieser Aufgabe dienten seine "Informationsberichte" und die Reihe "Beiträge des IMSF", die mit einer Studie "Jugendliche im Großbetrieb" 1977 fortgesetzt wurde. Im Mai führten das IMSF und der MSB Spartakus mit Referenten aus der Sowjetunion und der DDR an neun Universitäten Veranstaltungen zur "Entwicklung der Marxschen politischen Ökonomie bis zum .Kapital'" durch, die von etwa 2.000 Personen besucht wurden. Im Oktober veranstaltete das Institut die Tagung "Kulturelle Bedürfnisse der Arbeiterklasse" (vgl. Abschnitt IV. 5.4). 5.2 Parteischulung Als "Fundament" ihrer internen Bildungsarbeit betrachtet die DKP die zweimonatlichen Bildungsabende der Parteigruppen, die Kenntnisse für den "aktuellen Klassenkampf" und marxistisches Grundwissen vermitteln sollen. Sie versuchte, diese Schulungsabende durch aktuellere Themen und den Einsatz audiovisueller Mittel attraktiver zu gestalten, war jedoch wie in den Vorjahren mit dem Ergebnis der Schulung nicht zufrieden. Wiederholt hob die DKP die besondere Bedeutung und Leistung ihrer Nebenorganisation "Marxistische Arbeiterbildung" (MAB) hervor, deren Vorsitzender das Mitglied des DKP-Parteivorstandes Robert STEIGERWALD ist. Etwa 90 örtliche Bildungsgemeinschaften der MAB vermitteln Grundkenntnisse des wissenschaftlichen Sozialismus auch an Nichtkommunisten; 31 davon führen als "Marxistische Abendschulen" regelmäßig Lehrgänge durch. An der "Karl-Liebknecht-Schule" der DKP wurden 1977 in etwa 40 achtund vierzehntägigen Grundund Speziallehrgängen rund 1.400 Parteimitglieder ausgebildet. Diese parteieigene Internatsschule wurde im Frühjahr 1977 von Essen nach Leverkusen verlegt. Dort können nach einem Umbau nunmehr künftig etwa 80 (bisher 40) Kursteilnehmer untergebracht werden. An der eigens für die DKP und ihre Nebenorganisationen eingerichteten "SED-Parteischule Franz Mehring" in Berlin (Ost) wurden etwa 240 Funktionäre der DKP und SDAJ in vierwöchigen bzw. dreiund zwölfmonatigen Lehrgängen geschult. Etwa 40 Funktionäre der DKP und der SDAJ absolvierten in Moskau am "Institut für Gesellschaftswissenschaften" (IfG) beim ZK der KPdSU und an der Hochschule des "Leninschen Kommunistischen Jugendverbandes der Sowjetunion" (Komsomol) Jahres-, Halboder Vierteljahreslehrgänge. 5.3 Verlage und Druckereien Die "Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler", auf Initiative der DKP gegründet und von ihr gesteuert (Vorsitzender: Erich MAYER, Mitglied des DKP-Parteivorstandes), besteht aus 17 Verlagen und etwa 40 "collectiv"-Buchhandlungen. Im Mai führte sie wiederum ihre bundesweite "Buchwoche" durch, um verstärkt "fortschrittliche" Literatur und die "Wahrheit" über den "realen Sozialismus" zu verbreiten. Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler P L A M B E C K & Co. Druck und Verlag GmbH m VERLAG MARXISTISCHE BLATTER i j ) BRÜCKEN-VERLAG GMBH 1 / \ J Literaturvertrieb Import Export I M Institut tiir Marxistische Studien und M O N I T O R -VERLAG S F Forschungen (IMSF) GESELLSCHAFT MBH. W. RUNGE - Verlag Damnitz Verlag ^ ASSO Verlag ROCHUS-Verlag \ f | Röderberg-Verlag GmbH VERLAG Weltkreis - ATELIER IM < $ Verlags - GmbH BAUERNHAUS STIMME-Veriag GmbH Neue - Kommentare - Verlag cdlecW | |collectiv| | |Buchhandlungen| literatur 38 Buchhandlungen in 37 Städten der Bundesrepublik Deutschland Politik ab. So verlegt die "Plambeck & Co. Druck und Verlag GmbH", die "Hausdruckerei" der DKP, das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" und druckte fast alle Publikationen der DKP, ihrer Nebenorganisationen und von ihr beeinflußter Organisationen, wie die "Deutsche Volkszeitung" -- Sprachrohr der DFU -- und "die tat" -- Sprachrohr der VVN-BdA. Der DKP-Verlag "Marxistische Blätter" Frankfurt/M. gab auch 1977 neben dem gleichnamigen, zweimonatlich erscheinenden theoretischen Organ der DKP weitere Ausgaben seiner Taschenbücher und Paperbacks (Reihe "Marxismus aktuell", "Blickpunkt Weltpolitik", "Kritik der bürgerlichen Ideologie" und "sozialistischer Klassiker") heraus. Der Arbeitsgemeinschaft angeschlossen ist auch der "PAHL-RUGENSTEIN" Verlag Köln, der wiederum Publikationen zu politischen Gegenwartsfragen herausbrachte, zu deren Autoren zahlreiche Kommunisten und Funktionäre kommunistisch beeinflußter Organisationen gehören. 6. Wahlergebnisse 6.1 Kommunalwahlen in Hessen Die DKP beteiligte sich an der Kommunalwahl in Hessen (20. März) in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, dem Umlandverband Frankfurt/ Main sowie in 50 von 416 Gemeinden mit eigenen Kandidaten. Sie konnte ihre Stimmenanteile gegenüber den letzten Kommunalwahlen (Ergebnisse jeweils in Klammern) geringfügig verbessern. So erhielt sie bei den Wahlen zu den Kreistagen 1,1 % (1972 = 0,8%), in den kreisfreien Städten 1,3% (1972 = 1,2%) und in den Gemeinden 0 , 8 % (1972 = 0,7%) der Stimmen. In Marburg, wo die DKP seit 1974 fünf Stadtverordnete stellte, gewann sie mit 1 0 , 3 % (1974: 9,1 %) der Stimmen ein Mandat hinzu. Auch in sieben anderen Gemeinden erreichte die DKP mit Stimmanteilen von mehr als 5 % bis 1 1 , 9 % Mandate. Nach dieser Kommunalwahl ist die DKP in Hessen in acht (bisher sieben) Gemeinderäten mit 24 (bisher 20) Ratsmitgliedern vertreten. 6.2 Teilkommunalwahlen in Niedersachsen Bei den Teilkommunalwahlen in Niedersachsen (23. Oktober), die wegen der Kreisreform in 18 von 37 Landkreisen durchgeführt wurden, kandidierte die DKP in zehn Landkreisen. Sie erhielt insgesamt 12.844 ( = 0,3%; Kommunalwahl 1976: 0,1 %) der Stimmen. Im Landkreis Grafschaft Bentheim erzielte die DKP mit 2 % der Stimmen ihr bestes Ergebnis und erhielt einen Sitz im neuen Kreistag. In Niedersachsen ist die DKP unverändert in drei Kommunalvertretungen und einem Kreistag mit jeweils einem Abgeordneten vertreten. Nach Ansicht der DKP hat es sich für sie insbesondere bei Kommunalwah- Bundesland 1972 1973 1974 1975 1976 1977 Schleswig-Holstein Hamburg Bremen Niedersachsen -- -- -- -- 3 4 Nord rhei n-Westf alen 4 4 4 4 8 8 Hessen 20 17 20 20 20 24 Rheinland-Pfalz 9 9 6 6 5 5 Saarland 32 32 -- -- -- -- Baden-Württemberg 9 9 9 5 5 5 Bayern 5 5 5 5 5 5 Gesamt: 79 76 44 40 46 51 7. "Eurokommunistische" Bestrebungen DKP und SEW haben die geringsten Ansätze "eurokommunistischer" Tendenzen in ihren Reihen bereits im Keim erstickt; sie konnten jedoch nicht verhindern, daß in ihrem Umfeld "eurokommunistische" Vorstellungen positiv aufgegriffen und diskutiert wurden. Diese Diskussion fand 1977 vornehmlich in kleinen Zirkeln statt. Träger waren orthodox-marxistische Intellektuelle, die meist aus den SEW-beeinflußten "Aktionsgemeinschaften von Demokraten und Sozialisten" (ADS) oder aus dem MSB Spartakus kommen. Sie übten Kritik an DKP und SEW, weil diese Parteien mit ihrer bisherigen Politik -- u. a. völlige Unterordnung unter die KPdSU, naive Verherrlichung des "realen Sozialismus" -- keine Chance hätten, ihre Isolation zu durchbrechen und "Massenparteien" zu werden. So versuchte in Berlin (West) der "Arbeitskreis Westeuropäische Arbeiterbewegung", dessen Mitarbeiter aus den ADS und dem MSB Spartakus hervorgegangen sind, die Erfahrungen der italienischen und der französischen kommunistischen Partei für den "Klassenkampf in der Bundesrepublik Deutschland" auszuwerten. Der "Verlag für das Studium der Arbeiterbewegung" (VSA), Berlin und Hamburg, verbreitete in seinen Büchern und seiner viermal erscheinenden Zeitschrift "Beiträge zum wissenschaftlichen Sozialismus" vornehmlich "eurokommunistische" Vorstellungen. Auch die Zweimonatsschrift "Das Argument", Argument-Verlag Berlin und Karlsruhe, die sich in der Vergangenheit der orthodox-kommunistischen Linie angenähert hatte, öffnete im Rahmen einer Sozialismusdiskussion auch Anhängern des "Eurokommunismus" ihre Spalten (u.a. Heft 105, September/Oktober 77). Erneut bekräftigte der Parteivorsitzende Mies, die DKP werde der Herausforderung durch den Eurokommunismus damit begegnen, daß sie jede Art von Antikommunismus, jeden Versuch der Revision der Lehre von Marx, Engels und Lenin zurückweise (UZ Nr. 47 vom 25. 2. 1977). Die Partei- V. Einfluß der DKP auf andere Organisationen Die DKP bemüht sich, auf zahlreiche Organisationen Einfluß zu gewinnen bzw. ihren Einfluß zu erhalten. Einige dieser Organisationen sind von Kommunisten auf Veranlassung ihrer Parteiführung gegründet, andere ohne kommunistischen Einfluß zustande gekommen, aber später von Kommunisten unterwandert worden. Das Spektrum kommunistisch beeinflußter Organisationen reicht von losen "Initiativen" und "Komitees" bis hin zu festgefügten Verbänden. Der Grad des kommunistischen Einflusses ist unterschiedlich: In einigen dieser Organisationen sind wesentliche Entscheidungen gegen den Willen der DKP nicht möglich, bei anderen ist trotz nicht unerheblichen DKP-Einflusses noch Raum für politisches Eigenleben und einen entsprechenden Einfluß demokratischer Mitglieder. Fast immer sind Teile der Vorstände und die Mehrheit der Mitglieder keine Kommunisten, einzelne von ihnen sind zugleich Mitglieder demokratischer Organsationen. Es gibt auch Mitglieder, die Teilziele der beeinflußten Organisationen verfolgen und dabei entweder den nicht unerheblichen kommunistischen Einfluß nicht erkennen, oder ihn zwar erkennen, aber in Kauf nehmen, oder in Einzelfällen diesen Einfluß sogar zurückdrängen wollen. Jedoch liegen in den beeinflußten Organisationen entscheidende Funktionen, vor allem im organisatorischen Bereich ("Sekretariat") zumeist in den Händen prokommunistischer und kommunistischer Funktionäre, die mitunter aus Tarnungsgründen nicht offiziell der DKP beitreten ("verdeckte Mitgliedschaft"). Diese Organisationen verfolgen weitgehend Ziele, die nicht verfassungsfeindlich sind, aber mit kommunistischen Teilzielen übereinstimmen. Bestand, Mitgliederzahl und politische Ausrichtung der DKP-beeinflußten Vereinigungen haben sich nicht merklich verändert. Zu den zahlreichen kommunistisch beeinflußten Organisationen gehören bei unterschiedlicher Intensität des Einflusses u. a.: 1. "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -- Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) In der VVN-BdA, die im März ihr 30jähriges Bestehen feierte, übt die DKP unverändert entscheidenden Einfluß aus: auch nach demBundeskongreß dieser Vereinigung (20. bis 22. Mai in Mannheim) sind mehr als die Hälfte der Mitglieder ihres Präsidiums Kommunisten (DKPoder frühere KPD-Mitglieder) darunter der langjährige DKP-Vorsitzende Kurt BACHMANN und der VVN-BdA-Geschäftsführer Hans JENNES, Altkommunist und Träger der sowjetischen LENIN-Medaille. Die VVN-BdA blieb weiter bemüht, unter Ausnutzung ihrer engen Bindungen zur "Federation Internationale des Resistants" (FIR) und zu "befreundeten" kommunistisch beeinflußten nationalen Widerstandskämpferorganisationen im Ausland, die DKP-initiierten Kampagnen gegen die angebliche "neonazistische", "entspannungsfeindliche" und "undemokratische" Ent- drücklich warnt die VVN-BdA vor einer Spaltung der "antifaschistischen Aktionseinheit" durch "maoistische und andere sektiererische Gruppierungen"; wo sich solche Kräfte in die "demokratische Bewegung" eingeschlichen hätten, müßten sie isoliert werden. 2. "Deutsche Friedens-Union" (DFU) Die DFU, die 1960 auf kommunistisches Betreiben als "Volksfrontpartei" gegründet worden ist, spielte auch 1977 eine tragende Rolle in der kommunistischen "Bündnispolitik". Sie befaßte sich vor allem mit der Bildungsund Mittelstandspolitik sowie mit Fragen zur Situation der Frauen. Ihre Hauptaufgabe sah sie darin, die "demokratische Bewegung" durch Aktionen und Initiativen voranzutreiben; insbesondere setzte sie sich für die Ausweitung der Kampagnen für Abrüstung, gegen "Antikommunismus und Antisowjetismus" sowie gegen "Berufsverbote" ein. Der DKP-Vorsitzende Herbert MIES würdigte auf der 6. Tagung des DKP-Parteivorstandes am 18./19. Juni das Wirken der DFU, das "ein nicht zu übersehender Faktor im Ringen um das Bündnis aller demokratischen Kräfte" sei. 3. "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) Die DKP sah auch im Berichtsjahr in dem unter maßgeblicher Beteiligung kommunistischer und kommunistisch beeinflußter Organisationen 1974 gegründeten KFAZ ein wichtiges Organ zur Förderung und Koordinierung ihrer Abrüstungskampagne. Aus der Sicht der DKP sollen hier die Werte des Friedens und der Abrüstung benutzt werden, um durch gemeinsame politische Aktionen von Kommunisten und Nichtkommunisten die Vorstellung des orthodoxen Kommunismus zur Friedensund Abrüstungspolitik zu verbreiten und durchzusetzen. Das Komitee hat weder eine rechtlich verbindliche noch tatsächlich feste Organisation, was eine demokratische Kontrolle seiner Funktionäre faktisch ausschließt. Die meisten Mitglieder sind Nichtkommunisten, von denen einzelne in scheinbaren Führungsfunktionen die Organisation nach außen repräsentieren. Die eigentliche Arbeit, insbesondere die organisatorische Vorbereitung der Aktivitäten des Komitees, z. B. der einer größeren Öffentlichkeit bisher nur bekanntgewordenen "Abrüstungsdemonstrationen" und Aufrufe, besorgt jedoch das "Büro des KFAZ". Es ist das Leitungsgremium des KFAZ und besteht aus Mitgliedern, die nicht gewählt, sondern durch "Konsens" eingesetzt werden. Von den neun Personen (Büro und Geschäftsführung) sind die meisten auch in anderen kommunistisch beeinflußten Vereinigungen führend tätig; sechs gehören persönlich und zwei über ihre Organisation (DFU, VVN-BdA) zum sowjetisch gelenkten "Weltfriedensrat" (WFR). Dessen Präsident behauptete in "neue Perspektiven -- Journal des Weltfriedensrates" (Nr. 5/77, S. 3), die Kräfte der weltweiten Friedensbewegung hielten das Banner der "Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" hoch; er schrieb in der internationalen kommunistischen Zeitschrift "Probleme des Friedens und Eine solche Organisation ist das KFAZ (zur Tätigkeit des KFAZ vgl. Abschnitt IV. 2.3). 4. "Vereinigung Demokratischer Juristen" (VDJ) In der auf Initiative der DKP gegründeten VDJ sind neben Angehörigen demokratischer Parteien und sonst nichtorganisierter Mitglieder Kommunisten maßgeblich tätig. Während der kommunistische Einfluß in einigen Formulierungen der Satzung in der Fassung vom 14. Dezember 1974 noch zum Ausdruck kam, wurde diese Satzung insoweit durch Beschluß der Delegiertenkonferenz vom 10. Oktober 1976 geändert. Nach wie vor gehören jedoch mindestens 7 Angehörige des jetzt 31 Personen umfassenden VDJVorstandes der DKP oder dem MSB Spartakus an. Der 1. Vorsitzender der VDJ, Professor STUBY, bezeichnet die Vereinigung als Teil der "demokratischen Bewegung", deren "konsequenteste Kraft" die DKP sei. Er forderte erneut nachdrücklich die enge Zusammenarbeit mit der DKP, weil es sonst keinen Fortschritt gebe (STUBY: Ohne Aktionseinheit kein Fortschritt; in "Das Argument" Nr. 105, Sept./Okt. 1977, S. 628 bis 644). 5. "Deutsche Friedensgesellschaft -- Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFGVK) Die DFG-VK, die im November 1974 mit Unterstützung der DKP als Zusammenschluß der Organisationen der Kriegsdienstgegner gegründet wurde, ist nach wie vor die mitgliederstärkste (Eigenangabe: etwa 19.500 Mitglieder) unter den kommunistisch beeinflußten Organisationen. Sie ist aber gleichzeitig die Organisation, in der Nichtkommunisten in der Mitgliedschaft die weitaus größere Mehrheit haben. Unverändert wurden wichtige Aufgaben im Bundesvorstand von Kommunisten wahrgenommen: Das Referat "Organisation" wird von Bernd KEHRER, Vorstandsmitglied der SDAJ, und das Referat "Abrüstung" von Rolf BREUCH, Mitglied der DKP, geleitet. Einer der beiden Bundesvorsitzenden, Klaus MANNHARDT, gehört der internationalen prokommunistischen Vereinigung "Weltfriedensrat" an. Auf der Grundlage ihres Programms vertrat die DFG-VK auch 1977 unter anderem auch solche Forderungen, die denjenigen kommunistischer Organisationen entsprechen. Sie vertrat die Auffassung, daß die Bundeswehr gegen die sozialistischen Staaten gerichtet sei und die "Herrschaftsverhältnisse" im Innern stabilisieren solle. Nach Ansicht des Bundesvorstands verletzt die Diskussion über die Menschenrechte in kommunistischen Staaten den "Grundsatz der Nichteinmischung" und steigert den "Kalten Krieg". Der Bundesvorstand der DFG-VK kritisierte auch 1977 -- ähnlich der DKP -- in massiver Form die Verteidigungspolitik der westlichen Demokratien; dagegen sind kritische Äußerungen über die Rüstungsanstrengungen der Staaten des Warschauer Pakts nicht bekannt geworden. Der Einfluß kommunistischer Gruppen in der Mitgliedschaft und in den Untergliederungen der DFG-VK ist regional unterschiedlich. Beispielsweise hat der Landesverband Baden-Württemberg sich für einen inhaftierten Kriegsdienstverweigerer in der DDR eingesetzt und -- im Gegensatz zum Bundesvorstand und zur DKP -- das im wesentlichen von Gruppen der VI. SED-Aktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland Die SED setzte auch im Berichtsjahr ihre Bemühungen fort, die politische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland kommunistisch zu beeinflussen. Da die SED "besondere" Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten abstreitet und als Einmischung in die inneren Angelegenheiten verurteilt, führte sie ihre "Westarbeit" entweder verdeckt durch oder bemühte sich, sie als "internationale" Beziehungen im Rahmen der "friedlichen Koexistenz" darzustellen. Als "führende Kraft" der DDR setzte die SED bei dieser "Westarbeit" auch staatliche und gesellschaftliche Institutionen der DDR ein. Führendes und koordinierendes Organ dabei blieb die "Westabteilung" (Abteilung 70) des Zentralkomitees der SED, deren Leiter Herbert HÄBER ist. Ihr unterstehen die "Westsektoren" bei den Bezirksleitungen der SED, denen im Bundesgebiet sog. Patenbezirke zugewiesen sind, ebenso wie alle anderen "Westarbeit" leistenden Stellen in der DDR. 1. Anleitung der DKP durch das ZK der SED Unverändert bestehen die engen "besonderen" Beziehungen zwischen der SED und ihrer "Bruderpartei" DKP, die von der "Westabteilung" des ZK der SED angeleitet und massiv unterstützt wird, während die ZK-Abteilung "Internationale Verbindungen" die Beziehungen zu den ausländischen "Bruderparteien" wahrnimmt. Anleitung und materielle Unterstützung der DKP werden streng geheim gehalten. Die Grundlinien regelte auch 1977 der zwischen den beiden Parteiführungen abgeschlossene Rahmenplan, der durch die üblichen schriftlichen Vereinbarungen zwischen den Leitungsgremien der Bezirksorganisationen der SED und der DKP ebenso wie durch zahlreiche mündliche Absprachen ausgefüllt wurde. Häufige Besprechungen zwischen Funktionären beider Parteien in der DDR und im Bundesgebiet sowie die Berichterstattung der DKP dienten der SED zur Anleitung und Kontrolle der DKP. 2. "Westarbeit" anderer DDR-Institutionen Koordiniert von der SED -- von dieser weitgehend mit der DKP abgestimmt -- führten "Massenorganisationen" wie "Freie Deutsche Jugend" (FDJ) und "Freier Deutscher Gewerkschaftsbund" (FDGB) sowie sonstige Einrichtungen in der DDR ihre "Westarbeit" fort. Exemplarisch dafür sind die "Westarbeit" der FDJ, die kulturelle, die gewerkschaftliche und die wissenschaftliche "Westarbeit". Die FDJ hat die "strategische" Aufgabe, mit ihrer "Westarbeit" den "revolutionären Kampf" der "Bruderorganisationen" "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), "Marxistischer Studentenbund Spartakus" (MSB) und "Freie Deutsche Jugend -- Westberlin" zu fördern und zur "Verbreiterung des antiimperialistischen Potentials" in der Bundesrepublik Deutschland beizutragen. Träger der FDJ-"Westarbeit" sind die "Zentrale Arbeitsgruppe" (ZAG) beim FDJ-Zentralrat, die "Instrukteure für Westarbeit" bei den FDJ-Bezirkslei- Wie zwischen SED und DKP wurden zwischen FDJ und den "Bruderorganisationen" "Freundschaftsverträge" abgeschlossen. Im Rahmen der massiven Unterstützung der "Bruderorganisationen", die u. a. die Versorgung mit Agitationsmaterial umfaßte (Dia-Tonserien, Broschüren, Plakate), erhielt die SDAJ 1977 auch die Ausstattung für ihre Jugendbildungsstätte Burg Wahrberg in Aurach, u.a. das Mobiliar, eine etwa 6.000 Bände umfassende Bibliothek, moderne elektronische Unterrichtsmittel und Büroeinrichtungen (vgl. Abschnitt IV. 1.3.1). Den beiden strategischen Zielen der FDJ-"Westarbeit" dienten auch die zahlreichen "Studiendelegationen", die von der SDAJ und dem MSB Spartakus zusammengestellt wurden. Ein besonders enges Verhältnis unterhielt die FDJ wiederum zum "Sozialistischen Hochschulbund" (SHB); beide Verbände unterzeichneten im Oktober in Berlin (Ost) erneut eine Vereinbarung über ihre künftige Zusammenarbeit. Die FDJ-Gruppen, die mit politischen Aufträgen in die Bundesrepublik Deutschland oder in das westliche Ausland reisen und die FDJ-Betreuer von Delegationen aus der Bundesrepublik Deutschland mußten wie in früheren Jahren über ihre Gesprächspartner und die bei den Kontakten gewonnenen Informationen detaillierte Berichte anfertigen, die auch an die SED und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) weitergeleitet wurden. Mit ihrer kulturellen "Westarbeit" unterstützte die SED vor allem die DKP, ihre Nebenorganisationen und kommunistisch beeinflußte Vereinigungen. So traten bei deren Veranstaltungen zum "Internationalen Frauentag" (8. März), zum 1. Mai und zum "Internationalen Kindertag" (1. Juni) zahlreiche Künstlergruppen aus der DDR auf; DDR-Künstlerensembles wirkten an dem DKPPressefest (1.--3. Juli) mit. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (Ost) spielte während seiner Gastspielreise im Bundesgebiet (27. November bis 7. Dezember) auch auf vier DKP-Parteiveranstaltungen ("Konzerte für Arbeiter") in Düsseldorf, Duisburg, Koblenz und Frankfurt/Neu-Isenburg. Weiter zugenommen haben die Aktivitäten des "INTERNATIONAL-Bildungsund Informationszentrum e.V.", das vor allem bei Arbeitern und Gewerkschaftern aus der Bundesrepublik Deutschland die "sozialistischen Errungenschaften" der DDR propagieren will. Es veranstaltete wiederum zahlreiche Studienreisen in die DDR und betreute DDR-Besucher aus dem Bundesgebiet. Das IPW, dessen "BRD-Forschung" noch stärker mit der "Arbeit der Partei sowie der Friedenspolitik unseres Staates verzahnt" werden soll (IPW-Leiter Prof. Max SCHMIDT in Neues Deutschland v. 1./2. 1. 1977), sandte wiederum seine "Reisekader" in das Bundesgebiet. Sie unterhielten Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen und einzelnen Wissenschaftlern, um Informationen zu sammeln und für die DDR und die Politik der SED zu werben. Die SED-Führung nutzt Berichte und Kontakte des IPW als Grundlage politischer Entscheidungen. Das IPW unterhielt unverändert enge Beziehungen zum MfS, das Informationen und Kontakte des IPW für seine Zwecke nutzt. 3. Reisen in die DDR und Einreisen von Funktionären desgebiet in die DDR. Umgekehrt hielten sich zahlreiche "Reisekader" der DDR-Institutionen, an ihrer Spitze Herbert HÄBER, der Leiter der "Westabteilung" des ZK der SED, im Bundesgebiet auf, u.a. um "Bruderorganisationen" anzuleiten und zu unterstützen. VII. "Neue Linke" 1. Ideologisch-politischer Standort und allgemeine Entwicklung 1.1 Allgemeiner Überblick Im Berichtsjahr nahmen Anhängerschaft und Aktivitäten der "Neuen Linken" zu; sie besteht weiterhin aus zahlreichen unterschiedlichen, sich ideologisch befehdenden Gruppierungen, die den orthodoxen Kommunismus ablehnen. Innerhalb der "Neuen Linken" blieben die maoistischen Parteien und Bünde die stärkste Kraft. Die Gesamtzahl ihrer Mitglieder stieg an. Dabei kam der Mitgliederzuwachs -- bei durchweg stagnierendem Mitgliederbestand der übrigen Gruppierungen -- fast ausschließlich dem "Kommunistischen Bund Westdeutschland" (KBW) und seinen Nebenorganisationen zugute. Seine Betriebsarbeit und seine Aktivitäten gegen die Bundeswehr nahmen zu, dagegen sank sein Einfluß an den Hochschulen ebenso wie der anderer maoistischer Gruppen. Der organisierte Trotzkismus schwächte sich durch Spaltungen und entfaltete fast nur publizistische Aktivitäten. Die vielfältigen Gruppierungen der undogmatischen "Neuen Linken" -- von revolutionär-marxistischen bis hin zu anarchistischen Vereinigungen -- konnten sich auf anhaltendes Interesse und weiteren Zulauf meist aus Kreisen jüngerer Menschen stützen. Obwohl sie grundsätzlich festere Organisationsformen als suspekt ablehnen, zeigten sich verstärkt Ansätze für eine organisierte überregionale Zusammenarbeit. Viele Gruppen der "Neuen Linken" forderten unverholen, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung unter Anwendung bewaffneter Gewalt zu zerschlagen und machten keinen Hehl aus ihrer bis zum Haß gesteigerten Ablehnung gegen deren Repräsentanten, wie beispielsweise die Verunglimpfung der Opfer von Terroranschlägen zeigte. Einige Gruppen führten ihrer Ideologie entsprechend gewalttätige Aktionen durch. Gleichzeitig nutzten sie bei ihrem "Kampf" aber auch legale Möglichkeiten wie z. B. die Teilnahme an Wahlen zur Selbstdarstellung und beriefen sich dabei auf die Rechte, die die von ihnen bekämpfte "bürgerliche Verfassung" gewährt. 1.2 Entwicklung im maoistischen Lager Innerhalb des maoistisch-kommunistischen Flügels der "Neuen Linken" fügen, konnte -- trotz einer merklichen Mitgliederfluktuation -- nur beim "Kommunistischen Bund Westdeutschland" (KBW) eine nicht unbeträchtliche Ausweitung der organisierten Anhängerschaft festgestellt werden. Der KBW konnte damit seinen Vorsprung als mitgliederstärkste, finanzkräftigste und aktivste maoistische Kernorganisation ausbauen. Der "Kommunistische Bund" (KB) erzielte einen geringen Mitgliederzuwachs, während die "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) keine neuen Mitglieder gewinnen konnte und die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) leichte Einbußen erlitt. Die maoistischen Parteien und Bünde verurteilen alle nach wie vor die "Supermacht" Sowjetunion mit ihren deutschen "Agenturen" SED, DKP und SEW als "sozial-imperialistisch" und beriefen sich bei ihrer Politik auf die Lehren MAO TSE-TUNGs. Gleichwohl haben sich die ideologischen Unterschiede zwischen den verschiedenen maoistischen Gruppierungen weiter vertieft. Ursachen dafür sind die politischen Veränderungen in China nach dem Tode MAO TSE-TUNGs sowie der Streit zwischen den chinesischen und albanischen Kommunisten über die chinesische "Theorie der drei Welten". Während die KPD und der KBW sich völlig nach Peking orientierten und ihre Kontakte zur KP Chinas vertieften, folgte die KPD/ML unverändert der politischen Linie der "Partei der Arbeit Albaniens" (PAA), ihrer "Bruderpartei". Wie die PAA kritisierte die KPD/ML die Politik der KP Chinas als "rechtsopportunistisch" und "unmarxistisch", weil sie ihren Hauptstoß nur gegen die "Supermacht" Sowjetunion und nicht auch gegen die "Supermacht" USA richte. Der KB, der kein "sozialistisches Vaterland" mehr sieht, nach dem er sich richten könne, verurteilte erneut die "Rechtsentwicklung" der chinesischen Innenund Außenpolitik. Die heftigen ideologischen Streitereien zeigten, wie sich die vier größeren "K-Gruppen" untereinander einordnen: dem KB hielten KBW, KPD und KPD/ML vor, sich der DKP, der "Agentur des sowjetischen Sozialimperialismus", anzunähern; den KBW beschuldigten KPD und KPD/ML, "politisch rechts" zu stehen; die KPD warf der KPD/ML "links-opportunistisches" Verhalten vor. Trotz dieser Auseinandersetzungen kam es zu gemeinsamen Aktionen. Nachdem der Bundesvorstand der CDU Ende September das Verbot von KBW, KPD und KPD/ML gefordert hatte, führten diese drei Gruppen am 8. Oktober in Bonn eine gemeinsame Demonstration durch, für die sie etwa 12.000 Teilnehmer mobilisieren konnten. Verhandlungen, solche gemeinsamen Aktionen fortzusetzen und ein umfassendes Bündnis aller maoistischen Gruppen gegen "Reaktion" und Verbotsdrohungen zu bilden, scheiterten jedoch an den politischen Gegensätzen. Lediglich KBW und KPD, die beide die führende Rolle der KP Chinas anerkennen, arbeiteten im letzten Vierteljahr 1977 mehrfach regional und örtlich zusammen; sie hielten gemeinsame Veranstaltungen ab und leisteten sich gegenseitig organisatorische Hilfe. KBW, KPD und KPD/ML, die wie andere maoistische Organisationen seit jeher große Teile ihres Verbandslebens vor der Öffentlichkeit abschirmen, D^ m *^*^". ü e:* :"SMI*I*1 l v <>vV * oen R '* r " Maoistische "Avantgardeorganisationen" (Parteien und Bünde) verlangten zum Teil auch unter Anwendung zumindest psychischen Zwanges unverändert von ihren Mitgliedern eiserne Disziplin und große persönliche und finanzielle Opfer, so daß den Betroffenen kaum mehr Raum für private Lebensgestaltung blieb. Nur so ist zu erklären, daß diese Gruppen, die nicht wie die DKP von einer "Bruderpartei" ausgehalten werden, auch 1977 größere Aktivitäten entfalten konnten. Nach wie vor rekrutieren diese "K-Gruppen" ihre Anhänger vorwiegend unter der "jungen Intelligenz", vor allem unter Schülern und Studenten, nur zu einem ganz geringen Teil aus der "Arbeiterklasse". 2. Organisationen der dogmatischen "Neuen Linken" 2.1 "Kommunistischer Bund Westdeutschland" (KBW) Der KBW, der sich zur maoistischen Variante des Marxismus-Leninismus bekennt, wiederholte seine Aussage, er wolle den "bewaffneten Aufstand durchführen, den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen und den Sozialismus aufbauen" (u. a. KBW-Flugblatt vom 14. 10. 1977). Seine prochinesische Einstellung bekräftigte er in einer Grußadresse an den Vorsitzenden der KP Chinas HUA KUO-FENG, mit der er den XI. Parteitag der KP Chinas "als Sieg des Marxismus-Leninismus und der Linie MAO TSE-TUNGs" pries ("Kommunistische Volkszeitung" -- KVZ -- vom 29. 8. 1977). Im Juni besuchte erstmals eine KBW-Delegation unter Leitung des Sekretärs des Zentralen Komitees, "Joscha" SCHMIERER, die VR China; sie wurde von GENG GIAO, Leiter der Abteilung für internationale Beziehungen und Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der KP Chinas, empfangen. Nach seiner Organisationsreform im Jahre 1976 ist der KBW in 41 Bezirksverbände gegliedert, die zu drei Regionalverbänden (Nord, Mitte und Süd) zusammengeschlossen sind. Im April bezog er seine neue Parteizentrale in dem sechsstöckigen Haus, das für 2,7 Millionen DM aus Spenden seiner Mitglieder und Sympathisanten erworben wurde. Die Zentrale ist mit den Regionalleitungen und etwa der Hälfte der Bezirksleitungen durch das neue Kommunikationssystem "Redaktron" (Textund Bildübertragung über das Telefonnetz) verbunden; die Kosten dafür, mehrere hunderttausend DM, wurden ebenfalls aus Spenden gedeckt. Die Zahl der Mitglieder des KBW liegt nach wie vor bei etwa 2.500. Außerdem verfügte er Ende 1977 über etwa 1.000 (1976: ca. 400) mit ihm in festerer Form verbundene Sympathisanten; bei Demonstrationen konnte er bis zu 8.000 Personen mobilisieren. Die Auflage des wöchentlich in drei Regionalausgaben erscheinenden KBWZentralorgans "Kommunistische Volkszeitung" (KVZ) lag unverändert bei 32.000 Exemplaren, die seines monatlich erscheinenden theoretischen Organs "Kommunismus und Klassenkampf" bei 10.000 Exemplaren. Die Nebenorganisationen des KBW ("Kommunistische Jugendbünde" -- SRK -- vgl. Abschnitt VI. 7.), die 1977 einen geringfügigen Mitgliederzuwachs verzeichnen konnten, wurden organisatorisch den KBW-Bezirksverbänden zugeordnet, aber nach wie vor nicht zu Bundesverbänden zusammengeschlossen. Der KBW setzte auch 1977 seine Arbeit in den etwa 100 "Komitees und Initiativen gegen den SS 218" (1976: 150), koordiniert von einem zentralen Ausschuß, fort, fand jedoch bei der Bevölkerung damit keinen nennenswerten Anklang. Weitere Komiteearbeit -- ebenfalls mit geringem Erfolg -- leistete der KBW auf örtlicher Ebene bei seinem "Kampf" gegen Fahrpreiserhöhungen. Mit geringer Resonanz bemühten sich die Ortsgruppen der KJB um die Jugendarbeit. Ihre Lagerfreizeiten standen unter dem Motto "Gewehre für die Jugend in Zimbabwe -- proletarische Revolution und bewaffneter Aufstand in Deutschland." Der KBW beteiligte sich erfolglos an den hessischen Kommunalwahlen (20. März) mit insgesamt 89 Kandidaten in sieben Landkreisen, sechs kreisfreien Städten und neun Gemeinden; seinen höchsten Stimmenanteil erreichte er in der Gemeinde Griesheim mit 1,1 %. 2.2 "Kommunistischer Bund" (KB) Der KB, der sich bisher kein schriftliches Programm gegeben hat, beruft sich in seinem Statut auf den Marxismus-Leninismus und seine Weiterentwicklung durch MAO TSE-TUNG, kritisierte aber die VR China und die anderen "sozialistischen Staaten". Er behauptete erneut, in der Bundesrepublik Deutschland wachse die Tendenz zur "Faschisierung" zusehends. Der Gewaltanwendung steht der KB nicht "prinzipiell ablehnend" gegenüber, sondern betrachtet sie lediglich unter dem Gesichtspunkt der "taktischen Erfordernisse" ("Arbeiterkampf" vom 4. 4.1977). Der KB hielt auch im Berichtsjahr seine Organisation weitgehend geheim. Das "Leitende Gremium", dessen Mitglieder nicht gewählt, sondern kooptiert werden, gab seine Zusammensetzung auch nicht gegenüber den eigenen Anhängern preis. Der Schwerpunkt des KB lag unverändert in Hamburg, wo er etwa 900 aktive Anhänger hat -- Gesamtzahl: ca. 1.700 (1976: ca. 1.500). Mit Ausnahme des Saarlandes bestehen in allen Bundesländern Gruppen, Stützpunkte oder Kontaktadressen. Das Organ des KB, der "Arbeiterkampf", erschien auch 1977 vierzehntäglich in einer Auflage von 24.000 Exemplaren. Vor allem in Hamburg leistete der Bund wiederum intensive Betriebsarbeit, jedoch brachte er weniger Ausgaben seiner Betriebszeitungen heraus. Der KB versuchte die Bewegung gegen Kernkraftwerke in seinem Sinne zu nutzen. Er beeinflußte die Großdemonstrationen in Brokdorf und Grohnde wesentlich (vgl. Abschnitt VI. 7.). Der KB konnte bei zwei Großveranstaltungen zur Unterstützung des "III. Russell-Tribunal" am 7. Mai und 10. November in Hamburg je 3.000--4.000 Teilnehmer mobilisieren. An den Hochschulen vertraten örtlich selbständige Studentengruppen die Politik des KB; so der "Sozialistische Studentenbund" (SSB) in Hamburg 2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Die KPD will unverändert auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus und der MAO TSE-TUNG-Ideen für den bewaffneten Sturz der "Bourgeoisie" und die "Diktatur des Proletariats" in "ganz Deutschland" kämpfen. Sie verhöhnte offen das Grundgesetz: die "Demokratie", die die KPD wolle, "beginnt jenseits dieses Grundgesetzes und jenseits dieser Spottgeburt von freiheitlich-demokratischer Grundordnung!" (Rede des Parteivorsitzenden Christian SEMLER am 8. 10. 1977 -- "Rote Fahne" vom 12. 10. 1977). Die KPD verstärkte ihre Verbindungen zur KP Chinas: im August/September besuchten eine gemeinsame Delegation des "Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland" (KJVD) und des "Kommunistischen Studentenverbandes" (KSV) der KPD und im September/Oktober eine Parteidelegation die VR China. Werner HEULER, Mitglied des Politbüros der KPD und Leiter der Parteidelegation, wurde am 1. Oktober in Peking bei den Feierlichkeiten zum 28. Jahrestag der Gründung der VR China von HUA KUO-FENG persönlich begrüßt. Der unter strengster Geheimhaltung im Juli durchgeführte II. KPD-Parteitag beschloß u.a. eine eigene "Militärorganisation" zu schaffen und eine Parteigliederung in der DDR aufzubauen. Die KPD konnte ihren Mitgliederstand (700) knapp behaupten; ihr Zentralorgan "Rote Fahne" hat unverändert eine Wochenauflage von 14.500 Exemplaren. Die KPD verfügt unverändert über sechs Regionalkomitees (Baden-Würrtemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Wasserkante) mit 17 Ortsleitungen (1976: 18), denen etwa 57 Zellen (1976: 60) nachgeordnet sind. Die Zahl der Anhänger, die die KPD bei besonderen Anlässen mobilisieren konnte, ging auch im Jahre 1977 zurück und lag bei maximal etwa 2.000 (1976: 2.500). Rückläufig waren die Mitgliederzahlen bei den KPD-Nebenorganisationen; die wichtigsten sind: der "Kommunistische Jugendverband Deutschlands" (KJVD -- Organ: "Kämpfende Jugend") mit ca. 400 Mitgliedern in 26 Ortsgruppen, die ein Sportfest sowie Geländespiele und Schießübungen mit Luftgewehren durchführten; der "Kommunistische Studentenverband" (KSV) -- Organ: "Dem Volke dienen" --; die "Liga gegen den Imperialismus" -- Organ: "Internationale Solidarität" --; die "Rote Hilfe" -- Organ: "Rote Hilfe" --; die "Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender" -- Organ: "Kämpfende Kunst" -- und die Initiative für den "Bund sozialistischer Lehrer und Erzieher" (BsLE) -- Organ: "Neue Erziehung" --. 2.4 "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) Die KPD/ML ließ sich auch 1977 von den Lehren von MARX, ENGELS, LENIN, STALIN, MAO TSE-TUNG und Enver HOXHA leiten. Sie kämpfte für die "gewaltsame proletarische Revolution" und für ein "Sozialistisches ROTEHllfE februar 1977 urteil muss fallen , Erziehung i I9.2 : BOTE Hilft * M M amis , MM(tm), um ! f ^Sowjetunion: SJSSSSBB isk 1 **Mo,kau *ugtijev M os k ^ u "1* Ä " N Proletarier aller Under, unterdrückte Völker und Nationen, vereinigt EUCH! 0 f M i f 8 PS N o C E H C E I ; T <*V R O T E F A H N E up%i Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands IKPD1 W ^ (Jg."," 17... 1." 0.BDW G2010CX II. Parteitag der ? ***{ &*sM*%Ms&e* dfcVfc ' t ' t- - tfs S " T S E arSif maßt "il* E RADIO 33/34 PEKING i . 77 'WIM KömPfTCEKlL Die Theorie des Vorsitzenden Mao fassungswidrigkeit angeht, habe ich dazu bereits gesagt, was zu sagen ist. Die Mühe, sie festzustellen, können Sie sich sparen. Das geben wir ihnen schriftlich" ("Roter Morgen" vom 24. 6. 1977). Die Partei baute ihre engen Verbindungen zu ihrer "Bruderpartei", der "Partei der Arbeit Albaniens" (PAA) weiter aus, deren Strategie und Taktik eine "hervorragende Waffe zum revolutionären Verständnis des internationalen Klassenkampfes" und von "großer Bedeutung" für die kommunistische Weltbewegung sei. Wie in den Vorjahren besuchten KPD/ML-Delegationen Albanien. Die Kontakte zu Peking brachen ab, nachdem die KPD/ML im Sommer das Zentralkomitee der KP Chinas in einem Schreiben scharf kritisiert sowie der Spaltertätigkeit bezichtigt hatte und diese Kritik gemeinsam mit anderen ausländischen PAA-treuen Parteien öffentlich wiederholte. Der III. Parteitag der KPD/ML, der streng konspirativ Ende 1976 durchgeführt worden war, hatte ein neues Parteiprogramm verabschiedet, in dem die revolutionären Ziele der Partei wiederholt und die Schaffung "roter Kampfabteilungen" gefordert werden; deren Aufbau kam jedoch nicht voran. Die KPD/ML (Organ: "Roter Morgen", Wochenauflage unverändert 10.000) gliedert sich unverändert in drei Sektionen: "Deutsche Bundesrepublik" (DBR) mit sechs Landesverbänden und etwa 80 Zellen, "Westberlin" und "DDR"; ihr gehören unverändert etwa 800 Mitglieder und Kandidaten an. Nur in Einzelfällen gelang es der KPD/ML, bis zu 1.000 Anhänger (1976: 2.000) zu mobilisieren; lediglich zu der Abschlußveranstaltung des III. Parteitages (5. Februar) kamen 3.000 Besucher. Auch die Nebenorganisationen der KPD/ML, die "Rote Garde" (RG Organ "Die Rote Garde") mit ca. 300 Mitgliedern in rd. 60 "Stützpunkten" und der Sektion "Kommunistischer Studentenbund/Marxisten-Leninisten" (KSB/ML) sowie die "Rote Hilfe Deutschlands" (RHD) mit ihrem Organ "Rote Hilfe", traten weitgehend auf der Stelle. 2.5 Sonstige maoistische Organisationen Neben den vier bundesweit organisierten maoistischen Gruppen sind kleinere maoistische Gruppen tätig, die mitunter über Nebenorganisationen verfügen. Die Mehrzahl dieser Gruppen hatte im Berichtsjahr nur regionale oder örtliche Bedeutung; lediglich zwei Kernorganisationen verfügten über einen gewissen überregionalen Einfluß. Der " K o m m u n i s t i s c h e Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) will eine "revolutionäre Partei" aufbauen. Er bekennt sich zum Marxismus-Leninismus und den MAO TSE-TUNG-Ideen, warf jedoch der KP Chinas vor, "im Wind von rechts" zu segeln. Der Bund trat nur selten mit Veranstaltungen an die Öffentlichkeit, angeblich um seine Anhänger vor Verfolgung zu schützen. An den Pressefesten seines Zentralorgans "Rote Fahne" im November/Dezember nahmen jeweils etwa 2.000 Personen teil. Der " A r b e i t e r b u n d f ü r d e n W i e d e r a u f b a u d e r K P D " (AB), der sich in seinem Programm auf die MAO TSE-TUNG-Ideen beruft, befürwortete auch "Aktionseinheiten" mit der DKP. Der AB (Zentralorgan: "Kommunistische Arbeiterzeitung") ist vorwiegend in Bayern tätig. Ende 1977 hatte er unverändert etwa 170 Mitglieder und etwa 200 Sympathisanten. Der AB widmete sich vor allem der Betriebsund Gewerkschaftsarbeit und unterhielt Verbindungen zu "Gewerkschaftsoppositionellen Gruppen" im Ruhrgebiet und zur "Gruppe Arbeiterpolitik" in Bremen. Die "Rote Schülerfront" und der "Kommunistische Hochschulbund" des AB konnten an den Bayerischen Schulen und Hochschulen ihre Positionen behaupten. 2.6 Trotzkistische Gruppen Die konkurrierenden trotzkistischen Gruppen mit insgesamt rund 900 Mitgliedern (1976: 1.200) wollen durch die "permanente Revolution" weltweit den Kommunismus errichten; dazu soll der "bürgerliche Staat" in der "sozialistischen Revolution" zerschlagen und durch die "Diktatur des Proletariats" in Form des Rätesystems abgelöst werden. Auch in den bestehenden "sozialistischen Staaten" sollen die bürokratisierten Führungen gestürzt und durch die Rätediktatur ersetzt werden. Das Bekenntnis zum Trotzkismus schließt die Bejahung der Gewalt ein. Anders als die orthodox-kommunistischen und maoistischen Parteien gestatten die Trotzkisten, innerhalb ihrer Organisationen "Fraktionen" zu bilden. Auf der Nationalkonferenz der " G r u p p e I n t e r n a t i o n a l e M a r - x i s t e n -- D e u t s c h e S e k t i o n d e r IV. I n t e r n a t i o n a l e " (GIM) im Juni standen sich fünf "Tendenzen" gegenüber; eine gemeinsame politische Plattform konnte deshalb nicht erarbeitet werden. Die Mitgliederzahl der GIM sank von 600 auf 500 und die Auflage des wöchentlich erscheinenden Zentralorgans "was tun" von 5.000 auf 4.200. Die geringen Aktivitäten der GIM, die sich dem "Vereinigten Sekretariat" in Brüssel unterordnet, galten vor allem dem "Kampf gegen Repression." Der " S p a r t a c u s b u n d " spaltete sich im Sommer in vier faktisch selbständige Gruppen (vor der Spaltung 200 Mitglieder). Neu bildeten sich die Gruppe "Commune" mit der gleichnamigen Zeitschrift, die "Revolutionäre-Marxistische Fraktion (RMF) -- deutsche Sektion für die IV. Internationale", die sich mit Gruppen der terroristischen Randszene solidarisierte, und die "Internationalistische Gruppe -- IG --", die aber im "Spartacusbund" als "Tendenz" mitarbeiten will. Der " B u n d S o z i a l i s t i s c h e r A r b e i t e r " (BSA) mit seinem "Sozialistischen Jugendbund" (SJB) -- insgesamt 300 Mitglieder in 20 Stützpunkten -- ist die deutsche Sektion des "Internationalen Komitees" (IK) der IV. Internationale (Vorsitzender: Thomas G. HEALY), das sich vom 3. Linksextremistische undogmatische Gruppen Die schwer überschaubare undogmatische linksextremistische Bewegung ist gewachsen. Ihre Buntscheckigkeit illustrierte der Aufruf einer linksextremistischen "Alternativzeitung"; er wandte sich u.a. an die "Militanten, Stadtindianer, Lesben", die "Sozialisten, Makrobioten, Ökologen", die "Fantasten, Fortschrittsgegner, Kiffer, Kämpfer und Chaoten" ("Pflasterstrand" Nr. 20/77). Ihre zahlreichen Gruppen -- meist kleine lockere und kurzlebige Zusammenschlüsse ohne feste Mitgliedschaft und Programm -- haben mindestens zweierlei gemeinsam: die oft bis zum Ekel und Haß gesteigerte Ablehnung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung, die sie zerstören wollen, und die Ablehnung des "dogmatischen, bürokratischen" MarxismusLeninismus. Sie verneinen die Reformierbarkeit der demokratischen Ordnung, wollen sie deshalb zersetzen und zerstören; sie nennen als Endziel meist nur eine vage rätesozialistische Perspektive. Ihre häufig zynische Verachtung der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Formen und Werte schlug sich erneut in zahlreichen Publikationen wie z. B. dem unter dem Pseudonym "Mescalero" veröffentlichten "Buback-Nachruf" nieder. Zu den undogmatischen Linksextremisten gehören Anhänger eines nichtdogmatischen "wissenschaftlichen Sozialismus", Sozialrevolutionäre verschiedenster Schattierungen bis hin zu Anarchisten. Neben solchen undogmatischen Linksextremisten bestehen Gruppen, die in denselben Bereichen -- häufig mit ähnlichen Namen (z. B. Initiativen, Basisgruppen) und ähnlichen Organisationsund Aktionsformen -- wirken, ohne verfassungsfeindliche Ziele zu vertreten. Die Mehrzahl der linksextremistischen undogmatischen Gruppen befürwortete im Berichtsjahr eine "fröhliche Revolte" und eine "fröhliche Militanz" und lehnte deshalb Terroranschläge der "Stadtguerilla" ab; gleichwohl haben die Publikationen der "fröhlichen" Gruppen häufig durch primitive Politpornographie, infamen "Politulk" und grobschlächtigen Stil wesentlich dazu beigetragen, bei ihren Anhängern die Hemmungen gegenüber Gewaltanwendung abzubauen. (Zu den linksextremistischen undogmatischen Gruppen der terroristischen Randszene vgl. Abschnitt VII. 3.1.6 und 3.2.6.) Die Vielfalt der Organisationsformen der undogmatischen "Neuen Linken" beschrieb der "Pflasterstrand": "Es gibt Wohngemeinschaften, Kneipen, Landkommunen, Kollektive von Anwälten, Sozialarbeitern, Lehrern, Kindergärtnern. Es gibt alternative Werkstätten und hundert Alternativzeitungen, Männerund Frauengruppen, Versuche, eine andere Medizin, Ernährung und Ökologie zu entwickeln, es gibt Buchläden und Z e n t r e n . . . " (a.a.O.). Eine besondere Bedeutung für die Kommunikation der undogmatischen Gruppen hatten "linke Buchläden", deren Zahl -- mehrere hundert -- im Berichtsjahr anstieg; sie vertrieben häufig Gewaltliteratur und bemühten sich, "Informationsmedien für die linke Szene" sowie Kontaktzentren für örtliche Gruppen zu sein. Von den rund 100 örtlichen " A l t e r n a t i v z e i t u n g e n " -- von denen die überwiegende Zahl linksextremistisch ist und Erklärungen anderer linksextremistischer Gruppen, darunter teilweise solche terroristischer Gruppen abdruckte -- haben etwa 50 eine Arbeitsgemeinschaft gebildet. Das " S o z i a l i s t i s c h e B ü r o " (SB), Offenbach, das sich als Forum der Diskussion und Propaganda sozialrevolutionärer Theorien und Praktiken versteht und sich vorwiegend auf Personen und Gruppen aus dem Bereich der undogmatischen "Neuen Linken" stützt, will ein Sammelbecken für Linkssozialisten sein. Es kämpft für die "revolutionäre Umwälzung" und erklärte zugleich, dies sei auf parlamentarischem Wege mit dem "bürgerlichen" Staatsapparat und ohne "revolutionäre Gewalt" nicht möglich: "Die Gewalt wird jeder sozialistischen Politik durch den Zwang der Verhältnisse aufgezwungen" (Thesen des SB). Das SB hat etwa 1.000 Einzelmitglieder; korporativ gehören ihm 25 Gruppen sowie etwa 20 Studentengruppen an. Das SB unterstützte maßgeblich die Vorbereitungen des " III. I n t e r n a t i o - n a l e n R u s s e l l T r i b u n a l gegen die Repression in der Bundesrepublik Deutschland". 4. Tätigkeit an den Hochschulen 1977 waren die Hochschulen wiederum ein wichtiges Tätigkeitsfeld der "Neuen Linken", deren Anhängerschaft noch immer überwiegend aus Studenten besteht. Die im Vorjahr deutlich werdende Kräfteverschiebung hielt an: die kommunistischen Studentenverbände der "Neuen Linken" ("KGruppen") haben in der Studentenschaft wiederum erheblich an Boden verloren, während die linksextremistischen undogmatischen Gruppen zunehmend Resonanz finden. So erreichte der Anteil der "K-Gruppen" an den Sitzen der Studentenparlamente mit 2 , 8 % (1976: über 7%) einen Tiefstand; dagegen steigerten die undogmatischen Gruppen ihren Anteil auf 13,2% (1976: 7,8%). Gruppen der dogmatischen "Neuen Linken" stellten nur noch 0 , 6 % (1976: etwa 2 % ) aller Mitglieder Allgemeiner Studentenausschüsse, die undogmatischen "Neuen Linken" jedoch 13,6% (1976: etwa 10%). Damit ist der Anteil der "Neuen Linken" an den Studentenparlamenten und den Allgemeinen Studentenausschüssen insgesamt leicht angestiegen. Die H o c h s c h u l g r u p p e n d e s K B W . d i e sich überwiegend "Kommunistische Hochschulgruppe" (KGH) nennen und unverändert etwa 1.600 Mitglieder an 42 Hochschulen haben und der "Kommunistische S t u d e n t e n v e r b a n d " ( K S V ) d e r K P D mit ca. 700 Mitgliedern an 30 Hochschulen blieben innerhalb der studentischen "Neuen Linken" jedoch weiterhin die handlungsfähigsten Gruppen. Bei größeren Aktionen waren sie wiederum durch ihre Disziplin und straffe zentrale Führung häufig den nur örtlich tätigen linksextremistischen undogmatischen Gruppen überlegen. Linksextremistische Undogmatische Studentengrup- p e n , die nicht nur an Einfluß sondern auch an Zahl zunahmen, griffen Zivilisationsängste, Staatsund Gesellschaftsverdrossenheit sowie den Un- schaft gegen den "bürokratisierten" und "repressiven" Sozialismus in den Ostblockstaaten und China sowie gegen die kommunistischen Studentengruppen der orthodoxen und der "Neuen Linken" mit ihrem sterilen Dogmatismus und ihrer oft rigorosen Disziplin. Die gemeinsame Protesthaltung gegen "das System" ermöglichte auch Zusammenschlüsse und Wahlbündnisse zu Studentenparlamenten, wie die "Liste Aktiver Unorganisierter Studenten (LAUS)" an der Pädagogischen Hochschule Berlin, die "Liste von Unorganisierten in den Institutsgruppen" (LUI), Universität Heidelberg, die Bündnisliste "Was lange gärt, wird endlich Wut", Universität Bremen, die "Gruppe Unabhängiger Individual-Chaoten" (GUIC) in Freiburg sowie die Liste "Spontifex Maximus" in Marburg. Die studentische "Neue Linke" unterstützte die Vorlesungsboykotts ("Streiks") und wollte ihnen eine "militante Dynamik" verleihen. Undogmatische Linksextremisten sahen in den "Streiks" einen Teil des "Aufbruchs", der sich an den Universitäten entwickelte, und sprachen sich deshalb gegen die zeitliche Begrenzung des "Streiks" im Wintersemester 1977/ 78 aus. Anhänger der "Neuen Linken", wendeten zunehmend Gewalt an, um ihre Ziele zu erreichen: sie griffen ihre Gegner tätlich an, beschädigten Sachen und störten den Hochschulbetrieb. Die Zahl der registrierten Ausschreitungen stieg an den Hochschulen auf 146 (1976: 99); die tatsächliche Zahl der Ausschreitungen dürfte erheblich größer gewesen sein. Am militantesten gebärdeten sich KBW-Anhänger, sie waren mindestens an 50 (1976: 46) gewalttätigen Aktionen beteiligt. 5. Betriebsund Gewerkschaftsarbeit Vor allem Gruppen der dogmatischen "Neuen Linken" waren 1977 zunehmend bemüht, in den Betrieben, der "vordersten Front" des Klassenkampfes, Fuß zu fassen. Die Ergebnisse waren unterschiedlich. KBW und KPD/ML konnten ihre Basis ein wenig verbessern, während die KPD, die ihre Betriebsarbeit radikal reorganisieren wollte, Rückschläge erlitt. Im Berichtsjahr wurden 150 (1976: 124) Betriebsgruppen des KBW, 49 (1976: 40) der KPD/ ML und 34 (1976: 47) der KPD bekannt; es erschienen 110 (1976: 100) Betriebszeitungen des KBW, 93 (1976: 70) der KPD/ML und 46 (1976: 47) der KPD. Die Betriebsarbeit beschränkte sich wiederum weitgehend darauf, Flugblätter und Betriebszeitungen zu verteilen, mit denen die "K-Gruppen" vortäuschen wollten, fest in den Betrieben verankert zu sein; sie mußten aber eingestehen, wegen "Verständigungsschwierigkeiten" nur schwachen Anklang bei den Arbeitern gefunden zu haben. Auch bei der Gewerkschaftsarbeit waren der dogmatischen "Neuen Linken" kaum Erfolge beschieden. Sie agitierte unverändert gegen die Gewerkschaftsführung, um die "vollständige Isolierung des arbeitsfeindlichen Apparates und den endgültigen Bruch mit diesen Arbeiterverrätern" zu erreichen. Während KBW und seit ihrem II. Parteitag auch verstärkt die KPD die Ge- gegen Anhänger der "Neuen Linken" beeinträchtigten deren Gewerkschaftsarbeit erheblich. Eine Ursache für die schwachen Positionen der "Neuen Linken" in Gewerkschaften und Betrieben war nach Ansicht der KPD eine gemeinsame "Wühlarbeit" von revisionistischer DKP und Gewerkschaftsfunktionären gegen "Kommunisten". 6. Ausnutzung der Anti-Kernkraftkampagne Linksextremisten aller Schattierungen waren auch 1977 bestrebt, die Bewegung gegen Kernkraftwerke für ihre revolutionären Ziele zu mißbrauchen. Sie bemühten sich verstärkt mit unterschiedlichem -- meist geringem -- Erfolg um die Unterwanderung von Bürgerinitiativen gegen KKW und nutzten deren Demonstrationen für "Kampfaktionen". Dabei waren Gruppen der "Neuen Linken" erfolgreicher als die DKP, die wegen der Existenz von Kernkraftwerken in "sozialistischen Ländern" solche Werke in der Bundesrepublik Deutschland nicht prinzipiell ablehnen kann und militante Demonstrationen nicht befürwortet, weil sie ihr "Ansehen" nicht gefährden will. Linksextremisten waren an den Großdemonstrationen gegen KKW-Bauplätze in Brokdorf (19. Februar), Grohnde (19. März) und Kaikar (24. September) personell stark beteiligt -- vgl. Abschnitt VII. 2. --. Deutsche Linksextremisten arbeiteten mit ausländischen Linksextremisten zusammen. So riefen Gruppen der undogmatischen "Neuen Linken", die trotzkistische "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) und der KB zur Teilnahme an der Demonstration gegen das Kernkraftwerk "Super Phenix" bei Malville/Frankreich (31. Juli) auf: dort gingen etwa 1.000 Demonstranten, darunter deutsche Linksextremisten, gewalttätig gegen die Polizei vor. Umgekehrt reisten zahlreiche ausländische Linksextremisten an, um am 24. September an der Demonstration in Kaikar teilzunehmen. 7. Agitation gegen die Bundeswehr Die Bemühungen der "Neuen Linken", die Bundeswehr als "Herrschaftsinstrument" des Kapitals zu zersetzen, nahmen erheblich zu. Diese Bestrebungen gingen weitgehend vom KBW aus. Er stützte sich dabei auf die "Soldatenund Reservistenkomitees" (SRK), deren Tätigkeit sich nicht nur gegen die Bundeswehr, sondern auch gegen Bundesgrenzschutz und andere Polizeien richtet. Die SRK begannen nach ihrem Bundeskongreß (2./3. April) mit einer paramilitärischen Ausbildung ihrer Mitglieder: Geländeübungen (Einlagen: Flußund Minenfeldüberquerungen) und Luftgewehrschießen gehörten dazu. Dem gleichen Ziel dienten wehrsportliche Wettbewerbe auf den "Soldatenund Reservistentagen" der SRK am 28. Mai in Hannover (ca. 1.800 Teilnehmer), Köln (ca. 1.700 Teilnehmer) und München (ca. 1.200 Teilnehmer). Dazu schrieb der KBW in einem Aufruf: "Die Kölner Aktion soll die Genossen befähigen, sich in Gruppen zu be- TTP3 unsere zeit DKP F (^Wochen 8316 A jen Trotz Behinderung durch Riesen-Notstandsaufgebot der Polizei: ^^e"^%!? J2ÜÜ Akttal j rii Y= fltymfllMfcripr Ro rdeg | verhinderte Zwlschenfäl Für e i n e nationale Energiepolitik 'oustopi bei demokratischer in Kontrolle Gefahr ""I fir Ikommen Fortsch, IN BROKDORF UND AUCH NICHT A N D E R S W O , DEMONSTRATION AM 19.2.1977 IN BROKDORF i - " " - Sdeg(tm)"(tm)TSPMIS 2 ."" M ^fiik Die "Militärarbeit" der KPD ließ dagegen weiter stark nach. Die Partei rückte zwar im Sommer von ihrer Linie der kompromißlosen "Vaterlandsverteidigung" ab und forderte die "Zersetzung" der Bundeswehr; zugleich wiederholte sie jedoch, sie werde alle Maßnahmen unterstützen, die der Abwehr eines sowjetischen Angriffs dienten. Durch Flugblätter und andere Publikationen wurden im Berichtsjahr 83 Soldatengruppen und -Komitees (1976: 55) der "Neuen Linken" bekannt. Sie gaben 84 Soldatenzeitungen (1976: 51) heraus und führten 3.414 Aktionen (1976: 1.480) gegen die Bundeswehr durch. An der Spitze stand wiederum der KBW mit 75 SRK (1976: 40), 69 Zeitungen (1976: 39) und 2.819 Aktionen (1976: 960); die KPD hatte drei Soldatengruppen (1976: 9) sowie sieben Zeitungen (1976: 6) und führte 115 Aktionen (1976: 203) durch. Der "Neuen Linken" gelang es dennoch nicht, in der Bundeswehr selbst Fuß zu fassen. VIII. Gewalt und Terror 1. Bekenntnisse zur "revolutionären Gewalt" Die vielfältigen Richtungen innerhalb der undogmatischen "Neuen Linken" bejahen die "revolutionäre", die "befreiende Gewalt" und machen ihre Anwendungsform letztlich von der reinen Zweckmäßigkeit abhängig, wobei viele in anarchistisch, spontaneistischer Weise ihr "revolutionäres" Ziel nicht nur in der Befreiung der "Klasse" oder der "Unterdrückten" allgemein, sondern auch in der Selbstverwirklichung des entfremdeten, von den Verhältnissen "deformierten" individuellen Täters sehen. "K-Gruppen" und Trotzkisten bezeichneten in zahlreichen Äußerungen auch die stärkste Form der Gewaltanwendung, den "bewaffneten Kampf", als unvermeidbar. Linksextremisten, die den "bewaffneten Kampf" hier und heute nicht nur für möglich, sondern sogar für notwendig halten und deshalb diejenigen linksextremistischen Gruppierungen rügen, die das Konzept der "Stadtguerilla" und des "bewaffneten antiimperialistischen Kampfes" im "Hinterland" ablehnen, gehen -- wenn überhaupt -- von unterschiedlichen ideologischen Positionen aus. Andere Gruppierungen des Linksextremismus hingegen mißbilligten die Terrorakte wegen ihrer politischen Sinnlosigkeit, die zu einer Verschlechterung der "Kampfpositionen" der Linken führe (so "Zeitung für eine Neue Linke -- Der lange Marsch geht weiter", Okt. 1977), und weil sie dem Staat den Vorwand bieten, seinen "Sicherheitsapparat" auszubauen. 2. Gewaltsame Aktionen Gruppen der "Neuen Linken" wendeten wiederum Gewalt unterhalb der Schwelle des "bewaffneten Kampfes" an, um politische Ziele zu erreichen. Dabei zeigte sich im Vergleich zum Vorjahr ein unterschiedliches Bild. Die militante Großaktion erreichte mit den Ausschreitungen in Grohnde (19. März) eine neue Stufe planmäßigen, koordinierten und exzessiven gewalttätigen Vorgehens in Verbänden. Die Zahl der kleineren militanten Aktionen war rückläufig, die der strafrechtlich relevanten Schmieraktionen hingegen wiederum sehr groß und konnte deshalb statistisch nicht erfaßt werden. Die "K-Gruppen", die Gewalt nicht "spontan", sondern meist sorgfältig überlegt anwenden, haben sich mit gewalttätigen Kleinaktionen in den Städten erheblich zurückgehalten. Im Berichtsjahr wurden 391 (1976/452) Aktionen bekannt, bei denen Linksextremisten Gewalt anwandten. Anhänger des KBW waren an rund 4 2 % (1976: 60%), der KPD/ML an rund 8 % (1976: 9%) und der KPD an rund 5 % (1976:11 %) der Fälle beteiligt. Verschiedene Gruppen der "Neuen Linken", vor allem "K-Gruppen" und einige "Spontis", wollten 1977 die "Reserven der Militanz" in der Bewegung gegen Kernkraftwerke wecken und die "breite Mobilisierung der Werktätigen und ihre Vereinigung zu geschlossenen Kampfaktionen" fördern (KPD/ ML-Broschüre "Wir kommen wieder"). Sie bereiteten sich intensiv und koordiniert auf gemeinsame Gewaltakte bei Demonstrationen gegen Kernkraftwerke vor und entschieden dann jeweils vor Ort entsprechend der taktischen Situation über die Gewaltanwendung. Am 19. Februar zogen trotz Demonstrationsverbots in Brokdorf etwa 10.000 Demonstranten, darunter etwa 6.000 Anhänger der "Neuen Linken" aus mehreren Bundesländern, in Richtung KKW-Baustelle; etwa 2.000 von ihnen waren mit Helmen, waffenähnlichem Gerät und Werkzeugen zum Sturm der Baustelle ausgerüstet. Angesichts der Polizeisperren ließ die Mehrzahl von ihnen von dem weiteren Vorhaben ab und kehrte um. Am 19. März versuchten etwa 7.500 Demonstranten, darunter etwa 1.000 Anhänger von "KGruppen" und der undogmatischen "Neuen Linken" nach gründlicher Planung das Baugeländes des KKW Grohnde zu stürmen. Sie marschierten nach Anleitung über Lautsprecher und Funksprechgeräte in festgefügten einheitlich gekennzeichneten Gruppen und führten als Ausrüstungsgegenstände Molotow-Cocktails, Schlagstöcke, Wurfanker, Drahtzange, Beile, Nagellatten, Feuerwerkskörper, Schutzhelme und Schilde mit. Während des etwa dreistündigen Ansturms wurden 240 Polizeibeamte verletzt und großer Sachschaden angerichtet. Die Zahl der verletzten Demonstranten blieb unbekannt. Auch zur internationalen Demonstration gegen den Bau des KKW Kaikar (24. September) hatten sich Gruppen der "Neuen Linken" auf gewaltsame Aktionen planmäßig vorbereitet. Durch umfangreiche polizeiliche Sicherheitsvorkehrungen konnte Gewaltanwendung verhindert werden. Die Polizei stellte etwa 5.000 waffenähnliche Gegenstände sicher (z. B. Schlagstöcke, Äxte, Helme, Totschläger, Schwarzpulver, Material zur Herstellung von 3. Terrorismus 3.1 Bekenntnisse zum "bewaffneten Kampf" und publizistische Unterstützung terroristischer Gewalttäter 3.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terroristische Anschläge richten sich nach wie vor gegen Repräsentanten des Staates und der Wirtschaft. Dies ergibt sich aus den Anschlägen gegen Jürgen PONTO, Siegfried BUBACK und Hanns-Martin SCHLEYER sowie ihre Begleiter, Wolfgang GÖBEL, Georg WURSTER, Heinz MARCISZ, Helmut ULMER, Reinhold BRÄNDLE und Roland PIELER. Der im Dezember in den Niederlanden wegen Mordes an einem Polizeibeamten zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilte Angehörige der RAF, Knut FOLKERTS, erläuterte während seines Prozesses in einer Erklärung den ideologischen Hintergrund der terroristischen Aktionen. Er kritisierte u.a. den Einfluß beider Opfer als Symbolfiguren des Wirtschaftssystems und erklärte, daß die Bundesrepublik "für solche Typen kein sicheres Hinterland mehr" sei. Die Erklärungen zu den terroristischen Aktionen gegen das Gebäude der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe im August und das Oberlandesgericht in Zweibrücken im Oktober lassen ebenfalls eine Orientierung an der Ideologie inhaftierter RAF-Mitglieder erkennen. In beiden Fällen verstanden die Täter ihren Bekenntnissen zufolge die Anschläge u.a. als Reaktion auf die Haftbedingungen für inhaftierte Terroristen, im zweiten Fall verbunden mit dem Vorwurf, "die gefangenen Revolutionäre Gudrun ENSSLIN, Andreas BAADER und Jan-Carl RASPE" seien in der Haft ermordet worden. Diese Erklärung schließt mit der schon in frühen Schriften der RAF enthaltenen Aufforderung: "Den Widerstand bewaffnen, die Illegalität organisieren, den antiimperialistischen Kampf offensiv führen, der Kampf geht weiter." Die Bedeutung konzeptioneller Äußerungen von Kernmitgliedern der RAF für terroristische Kommandos und ihre Unterstützer läßt sich insbesondere an der Herausgabe einer Schriftensammlung "texte: RAF" ermessen. Diese in ihrer Vollständigkeit neuartige Zusammenfassung älterer Texte über den "bewaffneten Kampf", die programmatische Aussage sowie die Haftund Prozeßstrategie der RAF wurde auf Betreiben des an der Öffentlichkeitsarbeit terroristischer Kreise maßgeblich beteiligten "Internationalen Komitees zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa" (IVK) in Schweden neu gedruckt und von dort aus seit Dezember vertrieben. 3.1.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Die nach terroristischen Aktionen "Revolutionärer Zellen" verbreiteten schriftlichen Erklärungen zeigten erneut, daß diese Gruppen mit ihren Anschlägen bevorzugt an aktuelle politische Diskussionen anknüpfen, um dadurch eine möglichst breite Zustimmung zu der jeweiligen Form der Gewaltanwendung zu erreichen. Einzelne Äußerungen zum ideologischen Kon- sonders darauf, einer Kritik am "bewaffneten Kampf", insbesondere innerhalb der undogmatischen "Neuen Linken" entgegenzuwirken und Personen aus dem terroristischen Umfeld anzusprechen, um letztlich die Bildung neuer "revolutionärer Zellen" zu bewirken. Damit verfolgen die Verfasser konsequent ein schon in der ersten Ausgabe dieser Zeitung vom Mai 1975 entwickeltes Konzept, "daß die Stadtguerilla eine Massenperspektive wird und nicht eine Sache von ein paar Leuten". 3.1.3 Konzeptionelle Angleichung terroristischer Gruppen Trotz der Existenz verschiedener aktiver terroristischer Gruppen und Fraktionen zeigten deren schriftliche Erklärungen nur geringe ideologische Unterschiede. Mehrere Äußerungen deuten darauf hin, daß gruppenspezifische konzeptionelle Abgrenzungen zugunsten einer allgemeinen terroristischen Solidarität in den Hintergrund treten. Bezeichnend für diese Tendenz ist eine im "Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten" (,ID'; Nr. 184 vom 2. Juli 1977, S. 16) abgedruckte Verlautbarung der terroristischen "Bewegung 2. Juni": der wille zur revolution eines jeden genossen, der in der guerilla kämpft, die notwendigkeit, unzerschlagbar zu werden, wird die Widersprüche unter den gruppen auflösen und den kämpf vereinheitlichen, so und nicht anders ist die logik der guerilla". 3.1.4 Militante periodische Schriften Mehrere periodische Schriften druckten neben terroristischen Erklärungen auch Beiträge zur ideologischen Unterstützung terroristischer Gewalttäter ab. Eine führende Rolle kam dabei dem "INFO Berliner Undogmatischer Gruppen" (INFO BUG) zu, das einen starken redaktionellen Einfluß militanter Kräfte erkennen ließ und deshalb häufig Anlaß zur richterlichen Beschlagnahme gab. Eine ähnliche inhaltliche Konzeption vertraten andere, in Hamburg, Bremen und Bielefeld erscheinende Schriften. Die in Salzgitter herausgegebene Schrift "Wildes Huhn" will "Nachrichten von und für Unzufriedene" verbreiten. Diese Zeitung veröffentlichte auch Beiträge, die Gewalt als ein Mittel politischer Auseinandersetzung propagieren. Weitere neue Schriften konzentrierten ihre Berichterstattung überwiegend auf Themen aus dem Bereich des Strafvollzugs sowie der Prozesse und Haftbedingungen terroristischer Gewalttäter und ihrer Unterstützer. Sie schlossen sich dabei den Kampagnen gegen "Isolationsfolter" an. Daneben wurden z. B. in einem neuen "Knast-Info" Hinweise zum Verhalten bei Hausdurchsuchungen und Festnahmen gegeben. Die unregelmäßig erscheinende Zeitung "Schwarzer Alltag" berichtete u. a. mit dem Ziel, "an der Unterdrückung im Knast die Unterdrückung in der Gesellschaft" darzustellen. Dazu veröffentlichte sie Erklärungen inhaftierter terroristischer Gewalttäter (z. B. zu Hungerund Durststreiks) und deren Aufforderung, den "bewaffneten antiimperialistischen Kampf offensiv" zu führen. Im August erschien mit "MOB-Frankfurter Zeitung 1" eine Publikation, deren Mordanklage Schmidt Filbinger *Ti*U e rd schi /"TV*" I -- * H \ Schafft viele Revolutionäre Zellen * 3.1.5 Unterstützung terroristischer Gewalttäter durch publizistische Kampagnen Mit Beiträgen, in denen u.a. Ingrid SCHUBERT, Helmut POHL, Gudrun ENSSLIN und Jan-Carl RASPE aus der Justizvollzugsanstalt StuttgartStammheim über Ereignisse berichteten, die dort am 8. August angeblich den Hungerstreik ausgelöst haben sollen, haben sich inhaftierte Terroristen unmittelbar an der einschlägigen Agitation ihrer Anhänger beteiligt. Diese Stellungnahmen schildern den angeblichen Verlauf der handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Strafvollzugsbeamten und den Inhaftierten, in deren Folge die Justizbehörden die Erfüllung der Forderung nach Zusammenlegung der inhaftierten Terroristen zu "interaktionsfähigen Gruppen" in Stuttgart-Stammheim verweigerten. Die Berichte wurden sofort nach den Vorfällen vom Büro Croissant veröffentlicht und bald darauf in einer Schrift mit dem Titel "Protokolle der Gefangenen aus der RAF zum Überfall in Stammheim am 8. August 1977" sowie in mehreren "Alternativzeitungen" verbreitet. Um einen größeren agitatorischen Erfolg zu bewirken, faßten einzelne Gruppen aus dem Unterstützungsbereich terroristischer Gewalttäter die vielfältigen Erklärungen zu den Zielen und Begleitumständen des Hungerstreiks in "Dokumentationen" zusammen. Damit wollte z. B. eine "Gruppe Sumpf" aus Mannheim "belegen, daß programmierte Vernichtung real ist". Das schon seit langem verfolgte Konzept, die Haftbedingungen von Terroristen als "Isolationsfolter" darzustellen, bestimmte auch diesen Hungerstreik. Stärker noch als früher versuchten die Träger der Kampagne den Eindruck zu vermitteln, die Maßnahmen der Strafvollzugsbehörden zielten auf die "Vernichtung politischer Gefangener". So bildeten sich "Initiativen gegen die Vernichtung politischer Gefangener" und erschienen Flugschriften mit den Titeln "Endlösung -- geplanter Mord in Stammheim" oder "Morde an politischen Gefangenen geplant". Die agitatorische Zielrichtung des Hungerstreiks und der ihn begleitenden publizistischen Aktivitäten wurde konsequent auch in dem Versuch der Terroristen BAADER, ENSSLIN und RASPE deutlich, ihre Selbsttötung den äußeren Umständen nach als Mord erscheinen zu lassen. Dies gab einem breiten extremistischen Umfeld Anlaß, in Fortsetzung der Hungerstreikkampagne die von daher vorbereitete Mordthese in vielfältigen Publikationen zu verbreiten und zu bekräftigen. So erschien z. B. das "INFO Hamburger Undogmatischer Gruppen" (Nr. 18 für Oktober/November/Dezember) mit der Überschrift "revolutionäre können sie töten . . . die revolution nicht". Der Inhalt der Schrift stimmt weitgehend mit der von inhaftierten Mitgliedern der RAF und ihren Unterstützern seit längerem vertretenen Haftstrategie überein, aus der u.a. "die forderung nach anwendung der genfer konvention auf politische gefangene" resultiert. Zur Begründung heißt es dazu, "in der ermordung der gefangenen" habe sich "die letzte klarheit über den militärischen Charakter dieser auseinandersetzung, staat--guerilla", gezeigt. 3.1.6 Diskussion über das Konzept des "bewaffneten Kampfes" Die schon seit längerem andauernde, durch mehrere "Alternativzeitungen" auf die OPEC-Zentrale in Wien (Dezember 1975) beteiligt gewesenen Terroristen Hans Joachim KLEIN der Öffentlichkeit erklärte Abkehr vom Terrorismus traf nach der Ermordung des Generalbundesanwalts BUBACK und seiner Begleiter auf eine in der undogmatischen "Neuen Linken" bereits vorhandene Bereitschaft, die "Politik der Stadtguerilla" infrage zu stellen. Darauf reagierten z. B. "Revolutionäre Zellen" in einer vom "InformationsDienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten" (ID Nr. 179 vom 28. Mai) abgedruckten Erklärung mit dem Vorwurf, bei dem Brief KLEINs und den ihn unterstützenden Stellungnahmen handele es sich um den Versuch "die dünne Basis von Stadtguerilla zu zerstören". Die kontroverse Diskussion verschärfte sich nach der Ermordung Jürgen PONTOs, als Verfechter terroristischer Ideologien die ihnen widerfahrene Kritik durch verstärkte publizistische Aktivitäten zu neutralisieren versuchten. Das zeigte sich insbesondere in der Reaktion auf eine im "INFOBerliner Undogmatischer Gruppen" (INFO BUG Nr. 168 vom 8. August 1977) abgedruckte Äußerung, derzufolge die "Herkunft der Mörder aus dem linken Lager" die "Linke" dazu zwinge, Stellung zu beziehen; wer dabei hoffe, "mit den bewaffneten Kämpfern eine solidarische Diskussion führen zu können", um sie von ihrem "Todestrip" abzubringen, sei ein Traumtänzer. Darauf erschienen in der Folgenummer des Infos gleich drei Stellungnahmen, die diesen Beitrag kritisierten und zum Teil die Ermordung des Bankiers aus seiner Funktion als Repräsentant eines "Systems" rechtfertigten, das täglich "foltere und morde". Nach der Entführung Dr. SCHLEYERS ließ die Entwicklung des Meinungsbildes der undogmatische Linken zunächst eine Abwendung von terroristischen Aktionen dieser Art deutlich erkennen. Der Vorwurf z. B., die "Genossen" seien zu "Killern" geworden ("Pflasterstrand" Nr. 16 vom 25. Oktober) und die Unterscheidung von "Marxismus und Mord, von kritischer Theorie und schießwütig verzweifelter Praxis" (die "andere zeitung -- az" Nr. 21 vom November) kennzeichnen das Ausmaß der Distanzierung. Die "Rote Hilfe Westberlin" stellte in einem Beitrag des INFO BUG (Nr. 176 vom 10. Oktober) schließlich fest: " . . . es ist ja wohl kaum noch eine politische Gruppierung zu nennen, die sich nicht bereits ungefragt in der einen oder anderen Weise distanziert hat". Vollends widersprach die Entführung der Lufthansamaschine nach Mogadischu/Somalia den ideologischen Vorstellungen selbst der Gruppen, die bis dahin noch ihre grundsätzliche Solidarität mit der "Stadtguerilla" bekundet hatten. Die "Rote Hilfe Westberlin" erklärte im INFO BUG (Nr. 177 vom 17. Oktober): "Wir halten diese und ähnliche Aktionen prinzipiell für falsch, weil sie gegen zufällig betroffene Menschen gerichtet sind". Mit terroristischen Bestrebungen sympathisierende Randgruppen vertraten die Auffassung, der "bewaffnete Kampf" müsse nach wie vor einen politischen Anspruch haben und dürfe sich nicht auf reine Terroraktionen beschränken. Außerdem wurden Forderungen laut, die Zukunftsperspektive der "Guerilla" in der Bundesrepublik Deutschland prinzipiell und nicht nur taktisch neu zu überdenken. und die Rückbesinnung auf das allen Gruppen gemeinsame Ziel wider, vielfältige Formen des Widerstandes gegen den Staat und seine Organe zu entwickeln. 3.2 Terroristische Aktivitäten 3.2.1 Terrorakte im Inland Die Anschläge linksextremistischer deutscher Terroristen in der Bundesrepublik Deutschland haben 1977 im Vergleich zum Vorjahr nach Zahl und Schwere ihrer Folgen erheblich zugenommen. Neun Personen fanden allein bei drei Terrorakten im Bundesgebiet den Tod. Noch zu Beginn des Jahres verübten vor allem "Revolutionäre Zellen" zahlreiche Brandund Sprengstoffanschläge. Insbesondere die Attentate der "Roten Armee Fraktion" (RAF) gegen Generalbundesanwalt BUBACK, den Vorstandssprecher der Deutschen Bank Jürgen PONTO, den BDIund BDA-Präsidenten Dr. HannsMartin SCHLEYER sowie die Entführung einer Lufthansa-Maschine während des Fluges von Mallorca nach Frankfurt/Main nach Somalia durch palästinensische Terroristen zeigten das Ausmaß der Entwicklung des Terrorismus. Insgesamt hat die Zahl der Terrorakte, die von mutmaßlichen Terroristen begangen wurden oder bei denen gemäß den polizeilichen Ermittlungsergebnissen ein terroristischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann, mit 48 gegenüber dem Vorjahr (30) erheblich zugenommen und den nunmehr höchsten Stand seit 1974 (104; 1975: 46) erreicht. Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) propagiert seit Jahren in ihren auf Carlos Marighellas "Minihandbuch der Stadtguerilla" fußenden Schriften den "Guerillakampf" gegen den Staat und seine führenden Vertreter. Seit der Verhaftung ihrer führenden Personen 1972 und 1974 war eine neue Gruppe der RAF erstmals nach der Verhaftung des ehemaligen Rechtsanwalts Siegfried HAAG am 30. November 1976 erkennbar geworden. Ihre rücksichtslosen Gewaltakte im Jahr 1977 deuten in den Tatabläufen auf sorgfältige Planung und umfangreiche logistische Vorbereitungen hin. Sie zeigten zum anderen neue Varianten terroristischen Vorgehens: außer Sprengstoff werden als weitere Kampfmittel geplanter Mord und gezielter Angriff auf Repräsentanten des Staates und der Gesellschaft eingesetzt, um das demokratische System in seinen Funktionsträgern zu treffen und das terroristische Potential durch Freipressung inhaftierter Genossen zu verstärken. Terroristen übten Gewaltanschläge von bis dahin in der Bundesrepublik Deutschland nicht bekannter Brutalität aus: -- Am 7. April ermordeten mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitglieder der von HAAG vor seiner Verhaftung aufgebauten RAF-Nachfolgegruppe Generalbundesanwalt Siegfried BUBACK und seine beiden Begleiter in Karlsruhe auf offener Straße. Ein "Kommando Ulrike Meinhof -- Rote Armee Fraktion" übernahm die Verantwortung. Es rechtfertigte die als "Hinrichtung" bezeichnete Tat damit, BUBACK sei "direkt verantwortlich für die Ermordung von Holger MEINS, Siegfried HAUSNER und Ulrike MEINHOF" gewesen. -- Am 25. August schlug infolge technischen Versagens ein Anschlag mit als "Warnung" aus Anlaß des damaligen Hungerstreiks "politischer Gefangener" in der Bundesrepublik. -- Am 5. September entführten fünf bewaffnete Terroristen in Köln-Braunsfeld den Präsidenten der Arbeitgeberverbände und des Verbandes der Deutschen Industrie, Dr. Hanns-Martin SCHLEYER; nachdem sie zuvor kaltblütig dessen vier Begleiter erschossen hatten. Zu der Entführung bekannte sich ein "Kommando Siegfried Hausner -- Rote Armee Fraktion". Es forderte im Austausch die Freilassung von elf inhaftierten Terroristen in ein Land ihrer Wahl. Am 13. Oktober entführte ein palästinensisches "Kommando Martyr Halimeh" eine Lufthansa-Maschine von Mallorca nach Somalia. Nach der Befreiung der Geiseln durch die Grenzschutzgruppe 9 und der Selbsttötung der Mitglieder des "harten Kerns" der "Roten Armee Fraktion", Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Jan Carl RASPE am 18. Oktober wurde Dr. SCHLEYER am 19. Oktober in Mülhauen (Frankreich) ermordet aufgefunden. Ferner haben mit hochexplosivem Sprengstoff und Schußwaffen ausgerüstete terroristische Gruppen mit einer Serie von Anschlägen die Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland erheblich beeinträchtigt. Allein zehn Sprengstoffund Brandanschläge mit beträchtlichen Sachschäden sind "Revolutionären Zellen" zuzurechnen. Ihre Angriffe richteten sich vor allem gegen Einrichtungen, die sie als die Verkörperung des "Internatinalen Imperialismus" betrachten und gegen Strafverfolgungsorgane. Daneben nahmen sie politische und gesellschaftliche Probleme zum Anlaß, mit Mitteln terroristischer Gewalt auf eine Beseitigung der bestehenden Gesellschaftsordnung hinzuwirken. -- Im Januar protestierten "Revolutionäre Zellen-Kämpfer für ein freies Palästina" gegen den Film "Unternehmen Entebbe", indem sie Brandsätze in einigen Lichtspieltheatern legten. -- Mit Brandanschlägen gegen Kraftfahrzeuge eines Rechtsanwaltes am 16. Februar in Düsseldorf, eines Richters und eines Staatsanwalts im Mai in Berlin sowie einem Sprengstoffanschlag gegen die Wohnung eines Frankfurter Rechtsanwalts Ende März versuchten "Revolutionäre Zellen", Organe der Rechtspflege einzuschüchtern. -- Nach einem Sprengstoffanschlag auf ein Tanklager der US-Streitkräfte bei Lahn/Hessen am 4. Januar bezeichneten "Revolutionäre Zellen" in Bekennerbriefen die Störung der reibungslosen Versorgung der USStreitkräfte als ein Mittel, "den imperialistischen Feind zu treffen". -- Mit einem Brandanschlag auf das Verwaltungsgebäude der Verkehrsbetriebe in Berlin Ende Juni wollten "Revolutionäre Zellen" die "Schwarzfahrer-Kartei" vernichten. In einem Bekennerschreiben beriefen sie sich auf frühere Angriffe gegen Einrichtungen von Verkehrsbetrieben, zu denen "Revolutionäre Zellen" schon wiederholt aufgerufen hatten. 1977 wurden ferner u.a. wieder Fahrkartenautomaten in Berlin und Frankfurt/M. zerstört. Von weiteren Anschlägen waren in erster Linie Einrichtungen der Polizei und Justiz betroffen. Die'Zahl der den Umständen nach Terroristen zuzurechnenden Banküber- 3.2.2 Internationale Verflechtung Im Verlauf des Jahres verstärkten sich die internationalen Kontakte deutscher Terroristen weiter. Dies zeigte sich vor allem in -- der Beteiligung Deutscher an international organisierten Terrorunternehmen, -- Solidaritätsaktionen in Nachbarländern zugunsten deutscher Terroristen bis hin zu Gewaltanschlägen auf deutsche Einrichtungen. In diesem Zusammenhang ist beispielhaft auf folgende Ereignisse hinzuweisen : -- Anfang April wurden in der Nähe von Stockholm Mitglieder einer Gruppe festgenommen, zu der neben Schweden und Südamerikanern auch die beiden Deutschen Norbert KRÖCHER und Manfred ADOME1T gehörten. Die Gruppe hatte vor, durch Entführung der früheren schwedischen Ministerin für Einwanderungsfragen die Bundesrepublik Deutschland zur Freilassung inhaftierter Terroristen zu zwingen und zusätzlich von der schwedischen Regierung ein hohes Lösegeld zu erpressen. Den hohen Logistik-, Informationsund Ausbildungsstand der terroristischen Gruppe belegte insbesondere eine detaillierte bei KRÖCHER gefundene Ausarbeitung über die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Anschläge. -- Die im Zusammenhang mit der Geiselnahme Dr. SCHLEYERS durchgeführte Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" von Mallorca nach Somalia diente in ihrer Zielsetzung überwiegend deutschen Terroristen. Erstmals unterstützte ein rein palästinensisches Kommando durch eine solche Aktion deutsche Terroristen, nachdem Deutsche in der Vergangenheit wiederholt Terrorunternehmen palästinensischer Gruppen personell und materiell unterstützt hatten. Das offensichtlich koordinierte Vorgehen bei dieser Entführung bildet den vorläufigen Höhepunkt in der Zusammenarbeit deutscher und palästinensischer Terrororganisationen. -- Bestimmenden Einfluß hatten deutsche Terroristen auch auf die Entführung des Wiener Industriellen Walter PALMERS Anfang November, den die Geiselnehmer nach wenigen Tagen gegen ein hohes Lösegeld wieder freiließen. Nach den Feststellungen der österreichischen Ermittlungsbehörden waren die mit Haftbefehl gesuchten deutschen Terroristinnen Inge VIETT, Gabriele ROLLNIK und Susanne PLAMBECK mit hoher Wahrscheinlichkeit an Vorbereitung und Tatausführung beteiligt. Die Tat diente der Finanzierung des terroristischen Untergrundkampfes. Einen Teil des erpreßten Lösegeldes trugen die am 20. Dezember in der Nähe der schweizerisch-französischen Grenze nach einem Schußwechsel festgenommenen deutschen Staatsangehörigen Gabriele KRÖCHERTIEDEMANN und Christian MÖLLER bei sich. Festnahmen in den Niederlanden und in der Schweiz zeigen, daß deutsche Terroristen in Nachbarländer ausweichen, um dem Fahndungsdruck im Inland zu entgehen und möglicherweise neue Operationen vorzubereiten. -- Am 22. September nahm die Polizei in Utrecht den im Zusammenhang mit den Terrorakten der RAF-Nachfolgegruppe mit Haftbefehl gesuchten Knut FOLKERTS fest. FOLKERTS und seine ebenfalls bewaffnete Begleiterin, die entkommen konnte, töteten in einem vorausgegangenen Feuergefecht einen Polizeibeamten und verletzten einen weiteren schwer. einem Schußwechsel den gesuchten Christoph WACKERNAGEL sowie Gert SCHNEIDER, ein Mitglied der Gruppe "Antifaschistischer Kampf" in Kaiserslautern, fest. In der bereits Ende 1976 angemieteten Wohnung hatten bis zur Festnahme von Knut FOLKERTS zwei weitere mutmaßliche Mitglieder dieser Gruppe gewohnt. -- Festnahme Kröcher-Tiedemann und Möller am 20. 12. 1977 an der schweizerisch-französischen Grenze. Bei der politisch-propagandistischen Unterstützung von Terroristen hat sich die internationale Zusammenarbeit fortgesetzt. -- Das "Internationale Komitee zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa" (IVK) hat mit Solidaritätskampagnen und Pressekonferenzen seine Agitation gegen die angebliche "Isolationshaft" der "politischen Gefangenen" fortgeführt und deren Forderung nach Zuerkennung des "Kriegsgefangenenstatus" unterstützt. -- Die Ende 1976 gebildete "Internationale Untersuchungskommission zur Klärung der Todesumstände von Ulrike MEINHOF" (IUK) versuchte, in einem "Gutachten" nachzuweisen, daß medizinisch und technisch festgestellte Einzelumstände nach dem Tod Ulrike MEINHOFs gegen die "Selbstmordversion" sprechen. -- Agitatorische Unterstützung erhielten deutsche Terroristen auch von einigen ausländischen Gruppen wie dem Ende 1976 gegründeten belgischen "Komitee zur Unterstützung der Gefangenen der RAF" und der ebenfalls 1976 in Großbritannien ins Leben gerufenen "Kampagne gegen Unterdrückung in Westdeutschland". 3.2.3 Terrorakte im Ausland Das Ausmaß der internationalen Solidarität von Terroristen und ihren Unterstützern erwies sich auch in zahlreichen Anschlägen auf deutsche Einrichtungen und Unternehmen im Ausland. Allein nach den Selbsttötungen in Stuttgart-Stammheim und München ereigneten sich Ende Oktober/Anfang November, ähnlich wie nach der Selbsttötung von Ulrike MEINHOF im Mai 1976, über 35 Bombenund Brandanschläge mit erheblichem Sachschaden vor allem in Italien und Frankreich. Dabei bezeichneten ausländische Organisationen ihre Anschläge u.a. als "Vergeltung für die Morde in Stammheim" und "Rache für die in deutschen Gefängnissen gefallenen Genossen". Eine "Bewegung 18. Oktober" versuchte beispielsweise einen Brandanschlag auf die Lagerhallen des deutsch-schweizerischen Unternehmens OPTILON in Winschooten (Provinz Groningen) als Protest gegen die "Ermordung von Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Jan-Carl RASPE durch die faschistische deutsche Regierung" zu rechtfertigen. 3.2.4 Festnahmen im Bundesgebiet Ermittlungen der Sicherheitsbehörden und Hinweise aus der Bevölkerung führten auch 1977 zur Festnahme von Personen, die dringend verdächtig sind, an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen zu sein oder sie unterstützt zu haben. Im Jahre 1977 erfolgten 55 Festnahmen von Personen, bei denen nach den Erkenntnissen der Polizei der Verdacht bestand, daß sie terroristischen Vereinigungen angehören; von den Festgenommenen befinden sich noch 26 in Haft (Stand 28. Juni 1978). einem Aachener Lichtspieltheater aus Protest gegen den Film "Unternehmen Entebbe" gelegt zu haben. Zu mehreren gleichgelagerten Anschlägen hatten sich "Revolutionäre Zellen-Kämpfer für ein freies Palästina" bekannt. Im Besitz der Festgenommenen fand die Polizei eine Waffe, Munition, verfälschte Ausweispapiere sowie Unterlagen, die auf die Vorbereitung eines Banküberfalls und eine geplante Entführung schließen ließen. Anfang Mai konnte die Polizei bei Singen Verena BECKER und Günter SONNENBERG nach einem Schußwechsel festnehmen, bei dem sie beide sowie zwei Polizeibeamte zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Sie stehen im Verdacht, an der Ermordung des Generalbundesanwaltes BUBACK und seiner beiden Begleiter in Karlsruhe beteiligt gewesen zu sein. SONNENBERG befand sich bei seiner Festnahme im Besitz der Tatwaffe. Verena BECKER gehörte zu den Terroristen, deren Freilassung die "Bewegung 2. Juni" im März 1975 mit der Entführung von Peter LORENZ erzwungen hatte. Sie wurde inzwischen u.a. wegen mehrfachen Mordversuchs anläßlich ihrer Festnahme in erster Instanz zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Das Verfahren gegen Günter Sonnenberg ist noch nicht abgeschlossen. In Berlin (West) nahm die Polizei im Mai Heinz HERLITZ, aktives Mitglied des ehemaligen Berliner "Häftlingskollektivs", und Harry STÜRMER fest, als sie ein Depot kontrollierten; in einer Erdgrube im Tegeler Forst waren Schußwaffen, Munition, Handgranaten und eine Polizeiausrüstung verborgen, die dort bereits im April entdeckt worden waren. Die Waffen stammten teilweise aus einem 1974 von Mitgliedern der "Bewegung 2. Juni " begangenen Überfall auf ein Waffengeschäft in Berlin-Spandau. Mehrere Mitarbeiter des Anwaltsbüros CROISSANT in Stuttgart wurden wegen des Verdachts der Unterstützung einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung festgenommen, so außer den Rechtsanwälten Armin NEWERLA und Arndt MÜLLER (vgl. Abschnitt VII. 3.2.5) der Kanzleimitarbeiter HansJoachim DELLWO, Bruder des Stockholm-Attentäters Karl-Heinz DELLWO, Volker SPEITEL und Rosemarie PRIESS, Mitglied des Hamburger "Solidaritätskomitees zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa". 3.2.5 Rechtsanwälte von Terroristen Gegen mehrere Rechtsanwälte wurden Verfahren u.a. wegen des Verdachts der Unterstützung krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen eingeleitet. Die Ermittlungen deuteten vor allem auf das Büro des Stuttgarter Rechtsanwaltes Dr. Klaus CROISSANT als die zentrale Verbindungsstelle zwischen den inhaftierten und den im Untergrund lebenden Terroristen hin. Im Verlauf mehrerer Verfahren sprachen die Gerichte teilweise Beschränkungen in der Berufsausübung aus. CROISSANT selbst behauptete nach seiner illegalen Ausreise nach Frankreich auf einer Pressekonferenz Ende August in Paris, die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik werde darauf vorbereitet, den Tod de* im Hungerstreik befindlichen RAF-Angehörigen zu akzeptieren. Am 16. November bejahte der Apellationsgerichtshof in Paris die Zulässigkeit seiner Aus- CROISSANT im Verdacht steht, inhaftierte Terroristen durch den Aufbau eines Informationssystems unterstützt zu haben. Im Zuge der Ermittlungen gegen die Anwälte Armin NEWERLA und Arndt MÜLLER aus dem Rechtsanwaltsbüro CROISSANT wurde das Ausmaß ihrer Identifizierung mit ihren Mandanten offenkundig. NEWERLA trug bei seiner Festnahme mehrere Exemplare der den "bewaffneten Kampf" unterstützenden Zeitung "MOB-Frankfurter Zeitung 1 " bei sich. Rechtsanwalt MÜLLER hatte noch kurz vor seiner Verhaftung auf einem "Kongreß gegen die Repression" in Bologna (Italien) die "Stadtguerilla" als einzig wirksame Konsequenz auf die "staatliche Repression" in der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet. 3.2.6 "Umfeld" der Terrorgruppen Die Zahl der Gruppen, die im Jahre 1977 Terroristen unterstützt haben ("Antifaschistische Gruppen", "Rote Hilfen", "Schwarze Hilfe", "Knastgruppen"), hat mit rund 30 gegenüber dem Vorjahr (etwa 20) zugenommen. Das Abgleiten mehrerer Mitglieder dieser "Gruppen" in den terroristischen Untergrund hat deren Bedeutung als Rekrutierungsfeld terroristischer Organisationen eneut deutlich gemacht. Zum Teil waren Personen aus diesem Bereich bereits kurz nach ihrem "Untertauchen" an bewaffneten Aktionen beteiligt. Die ehemaligen "Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD" setzten ihre Tätigkeit aus taktischen Erwägungen in Gruppierungen mit unterschiedlichen Bezeichnungen, aber weitgehend übereinstimmender Zielsetzung fort. Sie sahen ihre Funktion in erster Linie im "offenen politischen Kampf" für die Ziele der RAF, so z. B. in der publizistischen Unterstützung der Hungerund Durststreiks der "Gefangenen aus der RAF". Hier sind vor allem die sogenannten "Antifa"-Gruppen in Berlin, Kaiserslautern und Stuttgart zu nennen, ferner das Hamburger "Solidaritätskomitee zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa", das sich nicht auf eine Agitation im nationalen Bereich beschränkte, sondern über weitverzweigte Verbindungen insbesondere im westeuropäischen Ausland verfügt. Nach dem "Untertauchen" mehrerer Mitglieder solcher Gruppen muß vom Zulauf von Personen aus diesen Bereichen zu im Untergrund operierenden Kommandos für die Ausführung der schweren Terrorakte des Jahres 1977 ausgegangen werden. "Rote Hilfe"-Gruppen und "Schwarze Hilfe" waren im Vergleich zu früheren Jahren nur noch vereinzelt tätig. Sie sind in ihrer ideologischen Zielsetzung und politischen Praxis unterschiedlich orientiert. Neben der Betreuung inhaftierter Terroristen unterstützen sie terroristische Bestrebungen vorwiegend propagandistisch. Rege Aktivitäten entwickelte vor allem die "Rote Hilfe Westberlin", die in erster Linie die Interessen der inhaftierten Mitglieder der "Bewegung 2. Juni" wahrnahm und im Gegensatz zu anderen Gruppen dieser Art wiederholt mit Kundgebungen und Erklärungen öffentlich in Erscheinung trat. Mit inhaftierten Terroristen befassen sich zunehmend auch sogenannte fertigt halten. Sie haben auf mehreren "Knastgruppentreffen" diese militanten Vorstellungen sowie Möglichkeiten einer stärkeren Zusammenarbeit erörtert. Neben den Gefangenenhilfegruppen haben sich spontane "Solidaritätskomitees" gebildet, die bestimmte Gefangene unterstützen wollen und durch Flugblattund Unterschriftenaktionen sowie Spendenaufrufe eine breite Öffentlichkeit zu gewinnen suchen. In Berlin (West) richteten extremistische Randgruppen ein "Prozeßbüro" ein, um die Öffentlichkeit aus ihrer Sicht über die Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der terroristischen "Bewegung 2. Juni" zu unterrichten. IX. Beurteilung Eine akute, ernsthafte Gefahr für den Bestand unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht auch gegenwärtig vom Linksextremismus nicht aus. Im Jahr 1977, ohne Bundestagsund Landtagswahl, blieb es der DKP und den am Wettbewerb um politische Mandate teilnehmenden Organisationen der "Neuen Linken" erspart, ihre in ganz geringen Stimmanteilen zum Ausdruck kommende politische Isolierung wie in den Vorjahren erneut zur Kenntnis nehmen zu müssen. Vor allem gelang es den Linksextremisten nicht, bei den Arbeitnehmern -- die wichtigste Zielgruppe ihrer Aktivitäten -- Anklang zu finden, obwohl sie sich ständig berühmen, in besonderem Maße Arbeitnehmerinteressen wahrzunehmen. Besonders die DKP verfolgte trotz ihrer bisherigen Mißerfolge ihre verfassungsfeindlichen Ziele unbeirrt weiter. Sie setzt dabei auf die disziplinierte Geschlossenheit des orthodoxen Kommunismus und kann als Teil der kommunistischen Weltbewegung mit Unterstützung durch andere kommunistische Staaten rechnen. Es gelang den orthodoxen Kommunisten wiederum, zur Verfolgung gemeinsamer Teilziele Bündnisse mit demokratischen Kräften einzugehen. Gestiegen sind Bereitschaft und Fähigkeit von Gruppen der "Neuen Linken", gewalttätige Aktionen im größeren Maßstab durchzuführen. Da sich trotz der beachtlichen Fahndungserfolge der letzten Wochen und Monate immer noch einige mit Haftbefehl gesuchte terroristische Gewalttäter auf freiem Fuß befinden, bestehen insoweit die aus dem Terrorismus resultierenden Sicherheitsrisiken fort. Spionageabwehr 1977 I. Allgemeine Erfahrungen 1. Werbungen und Werbungsversuche Die Zahl der im Jahre 1977 von den Abwehrbehörden festgestellten Personen, die von Nachrichtendiensten kommunistischer Staaten zu einer Spionagetätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert worden waren, hat den außergewöhnlich hohen Stand des Vorjahres nicht erreicht; die Zahl der registrierten Fälle lag jedoch auch 1977 über dem Durchschnitt der früheren Jahre. Die stärksten Aktivitäten in der Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gingen, gemessen an den Werbungen und Werbungsversuchen, mit 71 % der Fälle von den Geheimdiensten der DDR aus. Es folgten die Aktionen der polnischen Nachrichtendiente. Mehr als zwei Drittel der erkannten Werbungen und Werbungsversuche richteten sich gegen Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) oder im westlichen Ausland lebten. Sie wurden überwiegend bei Reisen in den kommunistischen Machtbereich nachrichtendienstlich angesprochen. Wurde der Kontakt in der Bundesrepublik aufgenommen, geschah dies in 75% der Fälle durch Briofe, meist als Scheinangebote auf Stellengesuche in Zeitungen und Fachzeitschriften. Diese Methode wenden fast ausschließlich die DDR-Nachrichtendienste an. Die Personen, die im Zeitpunkt ihrer Ansprache im kommunistischen Machtbereich lebten, wurden vor allem aufgrund besonderer Eignung für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit ausgewählt oder bei ihren Bemühungen, in die Bundesrepublik Deutschland auszusiedeln, nachrichtendienstlich angesprochen. Der bereits im Vorjahr festgestellte Anstieg der Ansprachen von Aussiedlern und Westreisenden aus Polen hat sich fortgesetzt. Die Werbungsmethoden der Nachrichtendienste kommunistischer Staaten sind im wesentlichen unverändert: Vorteile jeder Art werden in Aussicht gestellt (finanzielle Zuwendungen, Einreisebewilligungen, Aufenthaltsgenehmigungen, Straferlaß) und auch gewährt, menschliche Bindungen und charakterliche Schwächen ausgenutzt, Drohung und Nötigung angewandt. Die Briefansprachen von Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland erfolgten meist unter einer "Legende", mit der das scheinbare Arbeitsangebot Drei Viertel der angesprochenen Bewohner der Bundesrepublik Deutschland und des westlichen Auslands offenbarten die Anwerbungen bzw. Werbungsversuche freiwillig den Sicherheitsbehörden. Erfahrungsgemäß lag der Anteil der Selbstgesteller bei den Bewohnern der DDR und anderer kommunistischer Staaten demgegenüber erheblich niedriger. 2. Aufträge Die Zahl der im Berichtsjahr erfaßten Spionageaufträge hat sich gegenüber dem Vorjahr erhöht. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß in einigen schwerwiegenden Spionagefällen, die im Jahr 1976 aufgedeckt wurden, die Ermittlungen erst im Berichtsjahr abgeschlossen und der Verratsumfang festgestellt werden konnte. Die politische Spionage war im Berichtsjahr noch deutlicher als bisher Schwerpunkt der gegnerischen Ausforschungsbemühungen. Fast die Hälfte aller erkannten Aufträge richtete sich vor allem gegen Regierungsund Verwaltungsstellen des Bundes und der Länder sowie gegen die politischen Parteien. Die militärische Spionage hatte vorrangig die Ausspähung der Bundeswehr sowie der in der Bundesrepublik stationierten US-Streitkräfte zum Ziel. Bei der Wirtschaftsspionage standen wie im Vorjahr die Elektronik und die elektronische Datenverarbeitung (Produktion und Anwendung) im Vordergrund des "gegnerischen Interesses. 3. Legale Residenturen Ein wesentlicher Teil der Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland ging von den offiziellen Vertretungen der kommunistischen Staaten im Bundesgebiet aus, in denen die gegnerischen Nachrichtendienste "Legale Residenturen" unterhalten. Der Anteil erkannter oder verdächtiger ND-Angehöriger unter den Mitarbeitern offizieller Vertretungen hat in einigen Fällen einen beträchtlichen Prozentsatz erreicht. Die Flucht zweier Mitarbeiter kommunistischer Nachrichtendienste war erkennbar Anlaß zu einem Personalaustausch bei den betroffenen Vertretungen. 4. Verurteilte Agenten Gerichte der Bundesrepublik Deutschland verurteilten 1977 insgesamt 44 Personen wegen Landesverrats und Gefährdung der äußeren Sicherheit gemäß SSSS 93 ff. StGB. II. Die Nachrichtendienste der DDR 1. Übersicht Die Nachrichtendienste der DDR waren auch 1977 -- mit einem Anteil von 71 % der erkannten Werbungen und Werbungsversuche und 86 % der er- Mehr als drei Viertel der nachrichtendienstlich angesprochenen Personen waren Bewohner der Bundesrepublik Deutschland. Über die Hälfte von ihnen wurde während eines Aufenthaltes in der DDR (z. B. anläßlich eines Verwandtenbesuchs) angesprochen. Die in der Bundesrepublik Deutschland angesprochenen Personen waren wie in den Vorjahren zumeist brieflich kontaktiert worden. Bei den nachrichtendienstlich angesprochenen Personen mit Wohnsitz in der DDR standen Eignung und Linientreue an erster Stelle der Kontaktanlässe. Daneben wurden verwandtschaftliche Beziehungen in den Westen, Westreisen sowie Haftstrafen und Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland für die nachrichtendienstliche Ansprache genutzt. Den Reisenden aus dem Westen wurden neben finanziellen Angeboten vor allem Reiseerleichterungen und Straffreiheit nach angeblichen Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen versprochen. Bei Personen aus der Bundesrepublik Deutschland mußten die DDR-Nachrichtendienste wie im Vorjahr hohe Ablehnungsquoten in Kauf nehmen. Die meisten der nachrichtendienstlich Angesprochenen lehnten eine Mitarbeit von vornherein ab. Andere erklärten sich nur unter dem insgeheimen Vorbehalt, nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland die Verbindung abzubrechen, zu einer Mitarbeit bereit. Die Hauptziele der DDR-Nachrichtendienste lagen wiederum im Bereich der politischen Spionage. Ihre Ausspähungsbemühungen richteten sich in erster Linie gegen Regierungsstellen und gegen die demokratischen Parteien. Wie in den Jahren zuvor bemühten sich um die Ausforschung der Sicherheitsbehörden (Bundesgrenzschutz, Zoll und Polizei) fast ausschließlich die Nachrichtendienste der DDR. Die Militärspionage hatte vorwiegend die Aufklärung von Truppenstärke, Ausrüstung und Bewaffnung der Bundeswehr sowie der Manöver zum Ziel. In der Wirtschaftsspionage standen wie in den Vorjahren die Elektroindustrie und die elektronische Datenverarbeitung im Vordergrund. Dabei richtete sich das gegnerische Interesse insbesondere auf elektronisches Gerät der Nachrichtenübermittlungstechnik. Weitere Ausspähungsschwerpunkte waren Rüstungsbetriebe, die chemische Industrie und der Luftfahrzeugbau. 2. Eingeschleuste Geheime Mitarbeiter 2.1 Festnahmen Im Berichtsjahr konnten weitere Geheime Mitarbeiter erkannt werden, die mit nachrichtendienstlichem Auftrag unter fremder Identität in die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust worden waren. Allerdings hatten die meisten von ihnen zum Zeitpunkt der Enttarnung ihr Einsatzgebiet bereits verlassen. Im Gegensatz zu der "Fluchtwelle" des Jahres 1976 hatten sie jedoch offenbar Zeit zum "geordneten Rückzug" gefunden. Ihr Wohnortwechsel war gegenüber Nachbarn und Arbeitgebern angekündigt und glaubhaft begründet. Sie hatten sich sogar noch ordnungsgemäß abgemeldet -- 2.2 Offenbarung eines Geheimen Mitarbeiters der "Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) im "Ministerium für Staatssicherheit" (MfS) Ein durch das Bundesamt für Verfassungsschutz enttarnter Geheimer Mitarbeiter des MfS der DDR war als "Offizier im besonderen Einsatz" unter fremder Identität in die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust worden. Er hat sich umfassend offenbart und ist nach Abschluß des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens nicht in die DDR zurückgekehrt. Er hat über interne Schwierigkeiten mit der Führungsstelle und über die psychischen Belastungen berichtet, denen er sich im nachrichtendienstlichen Einsatz ausgesetzt fühlte. Der Agent berichtete, es sei für ihn ein Schock gewesen, als ihm bei Erarbeitung seiner Einschleusungslegende klar gworden sei, daß er im "Westen" als "kleiner Schlucker" würde "sein Dasein fristen müssen", obwohl ursprünglich ihm immer wieder Hoffnungen auf Weiterbildungsmöglichkeiten im eigenen Beruf gemacht worden seien. "Absoluter Tiefpunkt" seines "Daseins im Westen" sei die Zeit gewesen, als er als kleiner Angestellter gearbeitet habe. Er habe unter Depressionen gelitten, sich völig verunsichert und zu nichts fähig gefühlt. Nach einem ersten persönlichen Erfolg seiner bescheidenen Karriere im "Westen", der Bewerbung bei einer großen Firma, habe die Führungsstelle mit einem Parteiverfahren gedroht, und er sei in die Rolle eines Verräters gedrängt worden, falls er durch seine eigenmächtige Initiative "hochginge". Plötzlich habe er sich nicht mehr als Geheimer Mitarbeiter des MfS, sondern nur noch als Werkzeug seiner Vorgesetzten für deren eigene Karriere gesehen. Den Hinweis auf seine mit der neuen Stellung gelungene Integration im "Westen" habe sein Führungsoffizier nicht akzeptiert. Die Abdeckung durch eine angemessene Arbeitsstelle sei plötzlich zweitrangig geworden. Selbst auf die Gefahr hin, seine jetzt solide Existenz zu verlieren und arbeitslos zu werden, habe man einen Ortswechsel angestrebt mit dem Ziel, ihn dort auf weibliche Zielpersonen anzusetzen. Dabei sei er in absoluter Fehlbeurteilung seiner Person in entwürdigender Weise unter Erfolgszwang gesetzt worden. Sein Unterabteilungsleiter habe geäußert: "Jetzt gehen wir ran. Und wenn du hochgehst, spielt das auch keine Rolle. Die paar Jahre sitzt du doch auf einer Backe ab. Andere müssen viel länger im Knast bleiben." Es sei nicht mehr die Rede davon gewesen, daß die Partei hinter ihm stehe, "egal was passiere". Seitdem habe er ungeachtet einer feierlichen Ordensverleihung insgeheim mit der Zentrale gebrochen. Die bürokratische Behandlung finanzieller Fragen durch die Führungsstelle charakterisierte er so: "Das kann man wirklich nur mit Fanatikern machen, was sich das MfS da mit den eigenen Leuten erlaubt." Von seinem während des Westeinsatzes weitergezahlten "Ost-Gehalt" habe man den üblichen Parteibeitrag eingehalten, den er ebenso für die ihm zustehende Operativzulage habe entrichten müssen. Schließlich hätte er auch noch von seinem Arbeitseinkommen im Westen zusätzlich zu der "freiwil- Westen (obwohl er aus Gründen der Tarnung nicht annähernd das habe verdienen dürfen, was er in seinem erlernten Beruf hätte verdienen können). Mit dem Operativzuschuß seien grundsätzlich sämtliche außergewöhnlichen Kosten im Einsatz abgegolten gewesen. Ein Zuschuß zu der aufwendigeren Wohnungseinrichtung, die er sich auf Befehl der Zentrale habe zulegen müssen, um bei einer weiblichen Zielperson "anzukommen", habe man ihm verweigert. Schließlich genieße er die Annehmlichkeit, darin zu wohnen. In der Schilderung seiner psychischen Situation spricht der ehemalige "Offizier im besonderen Einsatz" von der "Einsamkeit des Agenten im Westeinsatz". Mit niemandem könne er sich über seine Konflikte aussprechen. Echte persönliche Bindungen einzugehen bedeute "Dekonspiration". Jede Begegnung sei ausschließlich unter dem Aspekt zu beurteilen, ob und wie sie nachrichtendienstlich nutzbar gemacht werden könnte. Viele seiner Reaktionen seien Kollegen oder Bekannten unverständlich geblieben; er habe es in Kauf nehmen müssen, gelegentlich als Eigenbrödler oder "Depp" zu gelten, nicht nur im Beruf, sondern auch im privaten Bereich. Die Trennung der Privatsphäre vom Agentenauftrag sei nicht möglich. 3. Als Agenten tätige Personen aus der Bundesrepublik Deutschland Personen aus der Bundesrepublik Deutschland sind nur in Ausnahmefällen aus ideologischer Überzeugung zur Zusammenarbeit mit gegnerischen Nachrichtendiensten bereit. Einmal angeworben, halten sie in aller Regel nur unter Druck oder in Erwartung finanzieller Vorteile die nachrichtendienstliche Verbindung aufrecht. Gerade für die als Perspektivkandidaten bevorzugte Zielgruppe der Studenten dürfte der finanzielle Aspekt ein wesentlicher Grund zur Mitarbeit sein. Zu den Voraussetzungen für eine langfristig erfolgreiche nachrichtendienstliche Zusammenarbeit gehören gute menschliche Beziehungen zwischen Führungsoffizier und Agent. Die DDR-Nachrichtendienste bemühen sich deshalb ganz gezielt darum, Kontakte zu weiblichen Zielpersonen herzustellen, um daraus scheinbar ernstgemeinte persönliche Bindungen zu entwickeln. Als Einzelagenten in die Bundesrepublik eingeschleuste Geheime Mitarbeiter hatten den Auftrag, alleinstehende Frauen zu ermitteln. Oft wurden sie auch gezielt auf Sekretärinnen in Bundesministerien angesetzt, die das MfS bereits hatte abklären lassen und von denen -- möglicherweise durch Hinweise anderer nachrichtendienstlich verpflichteter Personen -- bekannt war, daß sie unverheiratet oder geschieden und einer seriösen Bekanntschaft nicht abgeneigt waren. Bei diesem Vorgehen kommt der jeweiligen Anbahnungslegende eine besondere Bedeutung zu. Sie wird nach dem Ergebnis einer Hintergrundklärung individuell auf die persönlichen Verhältnisse der Zielperson zugeschnitten. Um der Informationstätigkeit, die bald erwartet wird, den Anschein des Verrats zu nehmen, arbeiten die Geheimen Mitarbeiter häufig unter "falscher Flagge". 3.1 Festnahme von "Quellen im Objekt" Im März 1977 wurde eine Sekretärin in einem sicherheitsempfindlichen Be- 1968 hatte sie als Mittvierzigerin und in ihrer Umgebung bekannt als "sehr spätes Mädchen, das mit allen Mitteln noch den Mann fürs Leben suchte", "R" kennengelernt, der als eingeschleuster Geheimer Mitarbeiter ganz in ihrer Nähe wohnte. Wenig später erschien er mit einem Blumenstrauß an ihrer Wohnungstür und erbot sich, ihr einen Schaden am Pkw auszubessern. Er erzählte die Lebensgeschichte des wirklichen R. Angeblich seit 1961 im Bundesgebiet und nicht zufrieden mit der unqualifizierten und untergeordneten Tätigkeit eines Arbeiters, bemühe er sich um Fortbildung. Bei einer Flasche Wein bedurfte es keiner besonderen Überredungskunst, bis die Sekretärin zustimmte, einen gemeinsamen Pfingsturlaub im Schwarzwald zu verbringen. Zu Weihnachten 1968 verlobten sie sich. Kurz vor der Hochzeit im Sommer 19G9 traf "R", der sich auf Kosten seiner Verlobten als Gasthörer für Volkswirtschaft an der Universität eingeschrieben hatte und an der BERLITZ-SCHOOL Englisch lernte, bei einem gemeinsamen Bummel in Köln, in einem Restaurant wie zufällig seinen "Freund aus der Schweiz" mit besten Kontakten zu "internationalen Wirtschaftsbossen". Der gratulierte im voraus, spendierte großzügig einen ansehnlichen Betrag für die Hochzeit und lud beide zu einem Wochenende nach Karlsruhe ein. Dort "entführte" er die Verlobte zu einem Gespräch unter vier Augen. Er kam auf die lange Zusammenarbeit der Sekretärin mit ihrem Chef zu sprechen und ließ durchblicken, er habe seinen Freunden in der Schweiz von ihr erzählt. Diese beabsichtigten, mit ihrem Chef Kontakt aufzunehmen. Zur Vorbereitung, und um die eigenen Termine abstimmen zu können, wäre es sehr hilfreich, den Terminplan ihres Chefs zu kennen. Nach der Hochzeit verabredete sich "R" mit seinem Freund noch gelegentlich in Genf oder London und brachte meist ein Geschenk des Freundes für die Ehefrau mit: eine Handtasche, eine Perlenkette oder einen Geldbetrag. 1973 fand "R" eine Anstellung als Auslandskorrespondent. Wegen Eheschwierigkeiten ließ er sich 1976 von seiner Firma ins Ausland versetzen, wo er überraschend das Arbeitsverhältnis kündigte. Erst durch den Abschiedsbrief, den er seiner Frau schrieb, will diese an die Möglichkeit gedacht haben, ihr Ehemann könne etwas mit Spionage zu tun haben. Andere weibliche Zielpersonen werden nachrichtendienstlich verpflichtet und erst danach als Quelle in ein Objekt eingeschleust. Um das Verhältnis zum Führungsoffizier zu festigen, scheut das MfS auch nicht davor zurück, eine Eheschließung mit der Agentin zu inszenieren. Im August 1973 lernte eine damals noch verheiratete, aber getrennt lebende Sekretärin ihren späteren Führungsoffizier "Herbert" am Sonnenstrand in Bulgarien kennen. Wenige Tage nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub besuchte sie ihren neuen Freund in Berlin (Ost). 200,-DM Reisespesen hatte ihr "Herbert" schon in Bulgarien gegeben. Er erzählte ihr, er sei selbst auch verheiratet, wolle sich aber ebenfalls scheiden lassen. Bereits beim nächsten Wiedersehen in Berlin (Ost) im Oktober wußte "Herbert", daß die Sekretärin sich für ihn entscheiden würde, als er sie vor die Wahl stellte, gemeinsam für das MfS zu arbeiten oder sich von ihm zu trennen. die Ausbildung in Stenografie und Französisch konzentrieren können, um sich später bei einer Dienststelle der Bundesregierung in Bonn zu bewerben. Die Kosten übernahm zum Teil das MfS. Im Eignungstest des Auswärtigen Amtes ein Jahr später fiel sie jedoch durch. Dennoch zog sie weisungsgemäß nach Bonn und wurde Schreibkraft. Da sie wußte, daß das MfS nach dem Scheitern ihrer Bewerbung beim Auswärtigen Amt auch eine andere Bundesbehörde akzeptieren würde, bewarb sie sich ein weiteres Jahr später aus eigener Initiative auf die Stellenanzeige einer Bundesdienststelle. Darüber konnte sie "Herbert" indes nur per Brief berichten. Während sie im ersten Jahr ihrer Verbindung etwa 15mal zu ihm nach Berlin (Ost) gereist war, hatte er danach nur noch selten Zeit für sie. Nach ihrer Bewerbung beim Auswärtigen Amt hatte sie aus Sicherheitsgründen ganz darauf verzichten müssen, ihn zu sehen. So auch jetzt, als er zurückschrieb und ihr Treffs mit einem "Ersatzmann" im Bundesgebiet ankündigte. Bei aller Anerkennung der aussichtsreichen Perspektive erteilte er ihr gleichzeitig wegen ihres eigenmächtigen Vorgehens ohne Absprache mit ihm eine Rüge. Die Sekretärin wurde zum 1. Dezember 1975 in den Bundesdienst eingestellt. In den Bewerbungsunterlagen hatte sie alles verschwiegen, was auf ihre Verbindung zu ihrem Führungsoffizier hätte hindeuten können. Als Quelle im Objekt war die Agentin zu sehr gefährdet, um künftig noch Reisen nach Berlin (Ost) durchführen zu können. Eine Fahrt dorthin setzte sie jedoch noch durch. Um das Heiratsversprechen von "Herbert" einzulösen, machte sie mit gefälschtem Personalausweis einen Umweg über Wien, wo "Herberts" Chef auf sie wartete, um mit ihr nach Berlin-Schönefeld (Ost) zu fliegen. Die Hochzeit fand im Mai 1976 statt. Dieser Fall zeigt deutlich, mit welcher Skrupellosigkeit das MfS menschliche Beziehungen mißbraucht. "Herbert" hatte bereits früher einmal eine in der Bundesrepublik tätige Agentin geheiratet. Schon bald nach ihrem Kennenlernen stellte "Herbert" als Geheimer Mitarbeiter des MfS die Agentin vor die Wahl, mit ihm nachrichtendienstlich zusammenzuarbeiten oder die Verbindung zu lösen. Sie hatte weder die Einsicht noch die Kraft, die so rasch vertiefte Urlaubsbekanntschaft aufzugeben, zumal "Herbert" versprochen hatte, sie zu heiraten, sobald sie ihre Scheidung betrieben habe und auch er selbst wieder frei sei. Sie konnte sich auch dann nicht mehr von "Herbert" lösen, als feststand, daß sie auf Dauer von ihrem neuen Ehemann werde getrennt leben müssen, um ihre besondere Aufgabe als Quelle des MfS in einem geschützten Objekt zu erfüllen. 4. Briefansprachen In den vergangenen Jahren -- insbesondere 1976 -- war eine Zunahme der Fälle zu verzeichnen, in denen die DDR-Nachrichtendienste schriftlich oder telefonisch Bundesbürgern, die sich in Zeitungsinseraten um neue Arbeitsplätze bemühten, Scheinangebote machten. 1977 hat auch die Zahl der allgemeinen Briefansprachen denen kein Stelleninserat zugrunde lag, zugenommen. Angeschrieben wurden vor allem Journalisten sowie Studenten und kauf- oder allgemein eine freie Mitarbeit angeboten. Studenten erhielten die Aufforderung zu fachbezogenem Informationsaustausch oder zur Diskussion grundsätzlicher studentischer Probleme. Ein Teil der so Angesprochenen erklärte das Interesse der DDR-Nachrichtendienste an ihrer Person damit, daß sie bei Reisen in die DDR bekannt geworden seien. Bei vielen anderen, die niemals in die DDR oder ein anderes Ostblockland gereist sind und auch keine sonstigen Beziehungen dorthin unterhalten, ist jedoch nicht zu erkennen, wodurch der gegnerische Dienst von der Existenz und den Lebensumständen der Zielpersonen Kenntnis bekommen hat. Bei vielen ist auch auszuschließen, daß sie durch Presseberichterstattungen oder durch Fachveröffentlichungen bekannt geworden sind. Es ist demnach davon auszugehen, daß sie von Informanten aus ihrem Bekanntenkreis "getippt" worden sind. III. Die sowjetischen Nachrichtendienste 1. Übersicht Die sowjetischen Nachrichtendienste setzten ihre Aktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland fort. Obwohl die Zahl der im Berichtszeitraum erkannten Werbungen und Werbungsversuche sowie der erteilten Aufträge zurückging, ist der Anteil der sowjetischen Nachrichtendienste im Verhältnis zu den Aktivitäten anderer kommunistischer Nachrichtendienste in etwa gleich geblieben. Zwei Drittel der nachrichtendienstlich angesprochenen Personen waren Bewohner der Bundesrepublik Deutschland. Sie wurden überwiegend anläßlich privater oder beruflicher Ostreisen kontaktiert. Schwerpunkt der Ausforschungsbemühungen sowjetischer Nachrichtendienste war neben der politischen Spionage die Wirtschaftsspionage, wobei das besondere Interesse der Ausspähung von Rüstungsbetrieben galt. 2. Aktivitäten sowjetischer Agenten 2.1 FallT. Am 20. 12. 1976 wurde nach Vorermittlungen des Verfassungsschutzes der aufsichtsführende Kapitän eines sowjetischen Handelsschiffes T. in Bremen wegen des Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit festgenommen. Er stand mit einem Beamten im Bundesdienst in nachrichtendienstlicher Verbindung, der im Januar 1943 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten und vom sowjetischen Nachrichtendienst verpflichtet worden war. Die Verpflichtung sah einen Einsatz in den seinerzeit von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten vor, sollte aber auch für die Zeit nach dem Kriege gelten. pflichtung offenbart hatte, hatte während seiner Tätigkeit in einem norddeutschen Hafen wiederholt Kontakt zu Besatzungsmitgliedern sowjetischer Schiffe aufgenommen, um seine russischen Sprachkenntnisse aufzufrischen. Auf diese Weise lernte er 1974 einen sowjetischen Kapitän kennen, zu dem sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte. Es kam zu gegenseitigen Besuchen in der Wohnung des Beamten und an Bord des Schiffes, wo er im April 1976 T. kennenlernte, der auf dem Schiff als aufsichtsführender Kapitän fuhr. T. erinnerte den Beamten an die in der Kriegsgefangenschaft eingegangene Verpflichtung und legte ihm eine Kopie der damaligen Verpflichtungserklärung vor. Gleichzeitig fordert er ihn ultimativ auf, Informationen über das Löschund Ladegut amerikanischer Schiffe in deutschen Häfen sowie über Raketenbasen und Waffensysteme der Bundesmarine zu sammeln. Auf den Einwand des Beamten, daß die Verpflichtung in einer Zwangslage zustande gekommen und deshalb unwirksam sei, entgegnete T.: "Sie sind Angehöriger der Roten Armee und haben für uns zu arbeiten." T. bot ihm dabei an, sich auf einem sowjetischen Schiff während einer elftägigen Seereise von Finnland nach Großbritannien nachrichtendienstlich ausbilden zu lassen. Bei weiteren Treffs an Bord sowjetischer Frachter erneuerte T. die Verpflichtung aus dem Jahre 1943 und unterwies ihn für seine Mitteilungen an den sowjetischen Nachrichtendienst in der Benutzung von Kontaktpapier und für den Empfang der Anweisungen dieses Dienstes im Mikropunktverfahren. Die Anweisungen sollten ihm auf Postkarten aus Norwegen, Schweden und Finnland zugehen, die Mikropunkte dabei unter bestimmten Textbuchstaben verborgen sein. Der Beamte wurde außerdem angewiesen, geheime Ablagestellen für nachrichtendienstliches Material auszuwählen und für den nächsten Treff alle Verschlußund insbesondere Geheimsachen seiner Dienststelle zu fotografieren und mitzubringen. Zum Erwerb einer für Dokumentenfotografie geeigneten Kameraausrüstung erhielt er 1.000,-DM. Weitere Treffs sollten in Berlin (Ost) stattfinden. 2.2 Fall B. Am 25. 11. 1976 wurde in Köln der Mitarbeiter der Sowjetischen Handelsvertretung B. nach umfangreichen Vorermittlungen des Verfassungsschutzes wegen geheimdienstlicher Tätigkeit bei einem Treff festgenommen. B.s Treffpartner, ein Student, hatte 1972 den damaligen Mitarbeiter der Sowjetischen Handelsvertretung S. kennengelernt. S., der sich als Elektroingenieur ausgab und zunächst nur privates Interesse an der Verbindung bekundete, verlangte nach einem halben Jahr von dem Studenten Gefälligkeiten wie die Beschaffung von allgemein zugänglichen Informationen auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet, später Informationen über Neuentwicklungen im Bereich der chemischen Industrie und Forschungsprojekte sowie Angaben über die damit befaßten Personen. Er forderte den Studenten auf, die ihm aufgrund seines Studiums offenstehenden Zugangsmöglichkeiten zu nutzen. Nach dem Studium sollte er sich in der biochemischen Abteilung eines großen Industriewerkes bewerben. Unter diesem Gesichts- ten und ihn an konspirative Treffmodalitäten zu gewöhnen. Während er die Aktivitäten des Studenten zunächst mit Beträgen zwischen 150,-DM und 400,-DM sowie mit kleinen Geschenken honorierte, zahlte er ab 1975 ein monatliches Fixum von 300,-DM und zusätzliche Leistungsprämien. Er verpflichtete den Studenten durch einen "Arbeitsvertrag", der im wesentlichen die Bereitschaft zur Lieferung von Informationen gegen einen monatlichen Festbetrag sowie eine zusätzliche finanzielle Absicherung für unvorhergesehene Fälle festlegte. Nach S.s Rückkehr in die Sowjetunion im Frühjahr 1976 übernahm B. die nachrichtendienstliche Führung. Der Student hatte mit S. und B. insgesamt 61 Treffs; für seine nachrichtendienstliche Tätigkeit erhielt er insgesamt rund 15.000-DM. Bei der Festnahme B.s wurde eine Lageskizze gefunden. Mit ihrer Hilfe konnte noch in der Nacht der Festnahme ein sog. Toter Briefkasten entdeckt werden: er enthielt einen belichteten Film, dessen Inhalt auf einen weiteren Agenten hindeutete. IV. Die polnischen Nachrichtendienste 1. Übersicht Die polnischen Nachrichtendienste setzten im Berichtszeitraum ihre gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Tätigkeit in verstärktem Umfang fort. Insbesondere versuchten sie Deutsche, die sich aus geschäftlichen oder dienstlichen Gründen in Polen aufhielten, nachrichtendienstlich anzubahnen. Vermehrt wurden auch Versuche bekannt, besonders geeignet erscheinende polnische Staatsbürger für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit im westlichen Ausland anzuwerben. Eine besondere Rolle spielen dabei staatliche polnische Institutionen, denen u.a. die Betreuung wichtiger Besucher aus dem westlichen Ausland mit politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen, kulturellen und journalistischen Tätigkeitsbereichen obliegt. Die den westlichen Besuchern zugeteilten Betreuer, die sich meist als Studierende ausgeben, sind zum großen Teil hauptamtliche oder kooptierte Mitarbeiter der polnischen Nachrichtendienste. Das wurde zuletzt durch einen Überläufer bestätigt, der nach seiner nachrichtendienstlichen Ausbildung als Assistent bei einer offiziellen polnischen Institution tätig war. Sein Gehalt wurde vom polnischen Nachrichtendienst bezahlt. Die nachrichtendienstlichen Funktionen der amtlichen Betreuer umfassen die Überwachung der Besucher und das Sammeln von Erkenntnissen für Zwecke der nachrichtendienstlichen Werbung. Durch den Überläufer und aus Angaben von Selbstgestellern wurde bekannt, daß Mitarbeiter der staatlichen Institute neuerdings auf Weisung des polnischen Nachrichtendienstes versuchen, von westlichen Besuchern Einladungen in deren Heimatland zu erhalten. In vielen Fällen soll die Einladung vorgeblich die Aufnahme eines begrenzten Studiums im westlichen Ausland ermöglichen, das durch ein Stipendium finanziert werden soll. In Wirklichkeit sollen sich diese vom polnischen Nachrichtendienst entsandten Mitarbeiter im Gastland eingewöhnen und dort für ihn tätig werden. Schwerpunkte der Ausspähungsbemühungen polnischer Dienste waren neben der Innenund Außenpolitik der Wirtschaftsund wissenschaftlichtechnische Bereich einschließlich des militärischen Sektors. 2. Legale Residenturen Aufgrund der Aussagen eines Überläufers konnten unter dem Personal der Polnischen Botschaft in Köln mehrere Mitarbeiter der polnischen Nachrichtendienste identifiziert werden. Sie sind inzwischen nach Polen zurückgekehrt. Einer der erkannten ND-Offiziere hatte, bevor er 1974 als Leiter der Legalen Residentur des zivilen polnischen Nachrichtendienstes an die Botschaft in Köln versetzt wurde, zumindest seit 1972 dem Lehrkörper des Ausbildungszentrums für Nachrichtenkader des PND in Stare Kiejkuti angehört. Im Range eines Obersten war er dort Gruppenleiter der Lehrgangsgruppe 1 und auch Lehrer des Überläufers. Nach dessen Übertritt versuchte der Botschaftsangehörige persönlich, die Spur des Überläufers in der Bundesrepublik zu verfolgen. Er stellte Ermittlungen nach dem Bekanntenkreis des Überläufers an und befragte diese Personen, allerdings vergeblich, nach dem Verbleib des ehemaligen Mitarbeiters. Durch dieses Vorgehen zusätzlich enttarnt, verließ er im Januar 1977 übereilt die Bundesrepublik. 3. Fall Leopold S. Aufgrund eines Hinweises des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde am 3. Mai 1977 in Kaiserslautern der Staatenlose Leopold S. wegen des Verdachts geheimdienstlicher Tätigkeit für einen polnischen Nachrichtendient festgenommen. Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz verurteilte ihn am 16. Dezember 1977 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist rechtskräftig. S., der 1948 aus Polen geflüchtet war und die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt hat, war seit 1950 als Wachmann bei einer Arbeitseinheit (LSC) der US-Streitkräfte beschäftigt. Nach seinen Aussagen wurde er 1974 anläßlich eines Verwandtenbesuches in Polen von zwei Angehörigen eines polnischen Geheimdienstes zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit verpflichtet. Vorangegangen sei ein Gespräch mit einem Angehörigen der Polnischen Botschaft in Köln, mit dem er bei einer Veranstaltung in Kontakt gekommen sei. Dieser habe sich an S.s bevorstehender Reise nach Polen interessiert gezeigt und sich die Reisedaten notiert. S. hat nach eigenen Aussagen alle ihm zugänglichen Informationen aus seinem Arbeitsbereich an seine Auftraggeber weitergegeben. So habe er genaue Beschreibungen und Lageskizzen von allen Armeedepots gefertigt, die er im Laufe seiner Tätigkeit bei den US-Streitkräften kennengelernt habe. Material habe er zunächst in einem Toten Briefkasten deponiert, später anläßlich der Visumbeantragung für Reisen nach Polen zur Polnischen Botschaft mitgenommen, wo seine Tasche unter konspirativen Umständen geleert worden sei. Schließlich habe ihn ein Unbekannter auf seine Lieferung angesprochen und Ergänzungsaufträge erteilt. Von dem Unbekannten habe er dann auch die Weisung erhalten, das Material künftig nicht mehr in die Botschaft mitzubringen, sondern nur noch unmittelbar seinem Führungsoffizier bei Treffs in Polen zu übergeben. Der Unbekannte wurde identifiziert. Er war wie S.s erster Gesprächspartner Botschaftsangehöriger. V. Die tschechoslowakischen Nachrichtendienste 1. Übersicht 1977 ist im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der erkannten Werbungen und Werbungsversuche der tschechoslowakischen Nachrichtendienste geringfügig angestiegen. Bei den Angesprochenen mit Wohnsitz im Westen waren Reisen in die CSSR häufigster Kontaktanlaß, während bei den übrigen Personen hauptsächlich Anträge auf Aussiedlung oder Reisen in den Westen zu den nachrichtendienstlichen Kontakten führten. Schwerpunkt der Ausspähungstätigkeit war die politische Spionage. Das besondere Interesse galt dabei der Emigration. 2. Legale Residenturen Im Februar 1977 beantragte der Leiter des Bonner Büros der tschechoslowakischen Nachrichtenagentur CETEKA mit seiner Familie politisches Asyl in Großbritannien. Er offenbarte, seit Dienstantritt in der Bundesrepublik Deutschland im November 1971 für den Militärischen Dienst des Generalstabs der csl. Streitkräfte -- ZS -- tätig gewesen zu sein. Aufklärungsschwerpunkte waren nach seinen Angaben: das Sammeln militärischer Informationen und politischer Nachrichten, die im weitesten Sinne die Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland und der NATO betreffen. VI. Die rumänischen Nachrichtendienste 1. Übersicht MM mm Häufigste Kontaktanlässe waren Anträge auf Aussiedlung und Reisen nach Rumänien. Schwerpunkt der Ausspähungstätigkeit war die politische Spionage mit über 50 % aller erteilten Aufträge. Dabei stand die Sammlung von Informationen über Aussiedler aus Rumänien im Vordergrund. 2. Hotelüberwachung in Rumänien Eine Übersiedlerin aus Rumänien, die in einem für den internationalen Tourismus, bestimmten Hotel am Schwarzen Meer in der Rezeption tätig war, machte folgende Angaben über die Praktiken der SECURITATE: Das Interesse der SECURITATE richte sich vor allem auf Einzelreisende aus dem westlichen Ausland. Die Ankunft solcher Gäste müsse von der Hotelleitung umgehend an die SECURITATE gemeldet werden. In anderen Fällen bestehe eine Meldefrist von 12 Stunden. Daneben würden Gästebuch und Belegungsplan des Hotels von ND-Angehörigen laufend kontrolliert. Die Beobachtung der interessierenden Personen erfolge durch als Hotelgäste auftretende SECURITATE-Angehörige, die alle die deutsche Sprache beherrschten und versuchten, auch außerhalb des Hotels die Gespräche der Zielpersonen mitzuhören, ohne jedoch persönlichen Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Die Zimmermädchen und die Liftboys seien oft nachrichtendienstlich verpflichtet. Sie durchsuchten das Gepäck der Gäste bzw. beobachteten die Kontakte der Hotelgäste untereinander. Die nachrichtendienstliche Kontaktaufnahme zu einer Zielperson werde entweder durch den Hoteldirektor eingeleitet, oder weibliche Rezeptionsbedienstete animierten zu einem gemeinsamen Drink, zu dem dann wie zufällig ein SECURITATE-Angehöriger hinzukomme. In Einzelfällen hätten auch Zimmermädchen im Auftrag der SECURITATE den nachrichtendienstlichen Kontakt hergestellt, indem sie in Ausnutzung ihrer Zugangsmöglichkeit zu den Gästezimmern intime Beziehungen zur Zielperson aufnahmen. In einigen Zimmern, die ausschließlich an westliche Einzelreisende vergeben würden, seien in Steckdosen der Nachttischlampen Mikrofone installiert. VII. Nachrichtendienste der übrigen kommunistischen Staaten Aktivitäten der Nachrichtendienste der übrigen kommunistischen Staaten richteten sich vor allem gegen Emigrantengruppen in der Bundesrepublik Deutschland, die den Verhältnissen in ihren Heimatstaaten ablehnend ge- VIII. Beurteilung Die im Jahre 1977 bekanntgewordenen Spionagefälle haben erneut einer breiten Öffentlichkeit die Gefahren der Spionage für die äußere Sicherheit des Staates bewußt werden lassen. Im Verständnis einer kommunistischen Parteiund Staatsführung ist Spionage nicht nur Mittel zur Informationsgewinnung, sondern zugleich ein Teil des Kampfes gegen die freiheitliche Demokratie. Die Losung des Ministers für Staatssicherheit der DDR, Generaloberst Erich MIELKE, "Den Imperialismus unter Nutzung unserer spezifischen Mittel und Möglichkeiten bekämpfen" betont deshalb den offensiven Auftrag der Hauptverwaltung Aufklärung gegenüber der Sicherheitsfunktion des Ministeriums für Staatssicherheit im eigenen Machtbereich. Entsprechend lobt das Zentralkomitee der SED im Glückwunsch zu MIELKEs 70. Geburtstag dessen Verdienst, sein Ministerium zu einer "scharfen Waffe des sozialistischen Staates" entwickelt zu haben. Die Abwehrerfolge des Jahres 1977, die zur Festnahme von insgesamt 31 Agenten gegnerischer Nachrichtendienste führten, sind Ergebnis der guten Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei in Bund und Ländern auf der Grundlage verbesserter Analysen gegnerischer Ziele und Methoden. Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1977 I. Allgemeine Erfahrungen 1. Terrorismus und Gewaltanwendung im internationalen Bereich Wie in den Vorjahren verübten Ausländer einzeln oder in Gruppen, in denen vielfach Täter unterschiedlicher Staatsangehörigkeit mitwirkten, politisch motivierte Gewaltund Terrorakte. Mit der Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" im Oktober von Palma/Mallorca nach Mogadischu durch ein Terrorkommando einer Splittergruppe der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) unter Dr. Wadia HADDAD gingen maoistische Palästinenser zu einer neuen Methode ihres "antiimperialistischen Kampfes" über: einer flankierenden Operation zur Unterstützung deutscher Terroristen bei einer Gefangenenbefreiungsaktion. Im Bereich der jugoslawischen Emigration kam es 1977 nur außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu schweren Gewaltakten. Mitte Juni -- am Vorabend der KSZE-Folgekonferenz -- verübten kroatische Extremisten einen Überfall auf die "Jugoslawische Mission bei der UNO" in New York, um ihren Forderungen zur Gründung eines unabhängigen Staates Kroatien Nachdruck zu verleihen. Dabei schössen sie einen Angehörigen der Mission nieder. Einer der Attentäter ist Mitglied der nationalistischen "Kroatischen Republikanischen Partei" (HRS), die auch Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland hat. Im gleichen Monat wurde ein Redakteur einer Zeitschrift einer nationalistischen serbischen Widerstandsorganisation in Chikago/ USA ermordet. In Toronto/Kanada kamen Ende April bei einer Bombenexplosion drei serbische Nationalisten ums Leben, die nach den Tatumständen einen Anschlag auf diplomatische Vertretungen Jugoslawiens vorbereiteten. Im Dezember wurde bei Johannesburg/Südafrika der Funktionär der im Bundesgebiet seit 1968 verbotenen "Kroatischen Revolutionären Bruderschaft" (HRB), Jozo OREC, ermordet. OREC war im Jahre 1973 in Heidelberg wegen eines geplanten Mordanschlages auf den jugoslawischen Konsul in Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Die mutmaßlichen Täter flohen von Johannesburg über Frankfurt/M. nach Zagreb. 2. Bestrebungen und Entwicklungstendenzen bei Vereinigungen ausländischer Extremisten im Bundesgebiet Auch 1977 achtete der überwiegende Teil der fast vier Millionen Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland Recht und Gesetz des Gastlandes. Die Zahl der von Ausländern im Bundesgebiet verübten politisch motivierten schweren Gewaltakte (Mord-, Sprengstoffund Brandanschläge) sank im Vergleich zu den Vorjahren stark und erreichte den niedrigsten Stand seit dem Jahre 1970. Ausländische Extremisten versuchten die durch die Arbeitsmarktlage bedingten beruflichen Sorgen ihrer Landsleute für ihre politischen Ziele zu nutzen. Ihre Erwartungen wurden jedoch nicht erfüllt. Der Anteil der Mitglieder ausländischer Extremistengruppen an der Gesamtzahl der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland hat sich 1977 kaum verändert und blieb weiterhin ganz gering. Die politischen Aktivitäten extremistischer Ausländergruppen richteten sich überwiegend gegen die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in ihren Heimatländern. Sie agitierten aber auch gegen die Bundesrepublik Deutschland: Kreise des palästinensischen Widerstandes warfen der Bundesrepublik u.a. die Unterstützung der "zionistischen Aggressoren und des Terrorregimes Israel" vor. Iranische Linksextremisten waren an zahlreichen Protestaktionen beteiligt. Nationalistische Kroaten polemisierten gegen die angebliche Zusammenarbeit deutscher und jugoslawischer Behörden bei der "Verfolgung" von Kroaten. Ausländische orthodoxe Kommunisten wandten sich beschwerdeführend an die KSZE-Folgekonferenz in Belgrad, forderten die Anwendung der Vereinbarungen von Helsinki auf die Lebensund Arbeitsbedingungen der ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland und warfen der Bundesrepublik Deutschland Verstöße gegen die Menschenrechte vor. Sicherheitsgefährdende Bestrebungen gingen nach wie vor überwiegend von maoistisch und Sozialrevolutionär orientierten Ausländern aus. Ihre mit Gewaltparolen durchsetzte Agitation stellte die Bundesrepublik Deutschland und ihre staatlichen Organe als "Handlanger des Weltimperialismus" in einer Weise dar, die geeignet erscheint, gerade unter Ausländern Emotionen gegen das Gastland und seine Einrichtungen zu wecken. Die Solidarität ausländischer Maoisten mit gleichgesinnten deutschen Kräften (K-Gruppen) führte zu gegenseitigen propagandistischen Unterstützungsaktionen "im Kampf gegen den gemeinsamen Feind, den Imperialismus". Das Potential ausländischer orthodoxer und nationaler Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland ist vor allem in den beiden "Kommunistischen Parteien Griechenlands" (KKE-Ausland und KKE-Inland), der "Kommunistischen Partei Spaniens" (PCE), der "Kommunistischen Partei Italiens" (PCI) und der "Türkischen Kommunistischen Partei" (TKP) sowie in deren Nebenorganisationen und den von diesen Parteien beeinflußten Vereinigungen (meist "Betreuungsorganisationen" für ausländische Arbeitnehmer im Bun- Dabei ist zu berücksichtigen, daß Ausländer, die sich unter kommunistischem Einfluß stehenden "Betreuungsorganisationen" anschließen, nur zum Teil von der kommunistischen Ideologie überzeugt sind. Viele wollen nur die vermeintlichen Vorteile der Zugehörigkeit zu solchen Vereinigungen in Anspruch nehmen, ohne sich für die politischen Ziele der Kommunisten aktiv einzusetzen. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß über solche "Betreuungsorganisationen" und über kommunistisch orientierte Schriften ein spürbarer politischer Einfluß auf ausländische Arbeitnehmer ausgeübt wird, zumal wegen mangelhafter deutscher Sprachkenntnisse vieler Ausländer Informationen deutscher Massenmedien, die zum korrigierenden Ausgleich dieser Einflüsse geeignet wären, weitgehend wirkungslos bleiben. Die Aktivitäten ausländischer orthodoxund nationalkommunistischer Parteien und von ihnen beeinflußter Vereinigungen konzentrierten sich darauf, die durch die angespannte Beschäftigungslage und Integrationsmängel bedingten Schwierigkeiten unter ihren Landsleuten im Bundesgebiet auszunutzen. Sie forderten ihre Mitglieder und Anhänger fortgesetzt auf, sich in deutschen Gewerkschaften zu organisieren und sich in Betriebsvertretungen der Arbeitnehmer sowie in Ausländerbeiräten und -ausschüssen auf kommunaler Ebene zu betätigen, um den Forderungen ausländischer Arbeitnehmer Geltung zu verschaffen. Die genannten Organisationen bezeichneten sich als "untrennbarer Bestandteil der hiesigen Arbeiterschaft". Dabei betonten die orthodoxen Kommunisten, daß die Lösung ihrer Probleme auch unmittelbar mit der Lösung der gesellschaftlichen Probleme -- im kommunistischen Sinne -- in der Bundesrepublik Deutschland verbunden sei. Das Verhältnis der ausländischen kommunistischen Parteien zur "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) ist nicht einheitlich. Während die TKP und die KKE-Ausland eng mit der DKP zusammenarbeiten und deren organisatorische und materielle Unterstützung in Anspruch nehmen, haben vor allem die PCI und die PCE ein distanziertes Verhältnis zur DKP. II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationsstand Der ausländische Extremismus im Bundesgebiet ist weiterhin ständigen Veränderungen unterworfen. Bestehende Vereinigungen entwuchsen dem Einfluß extremistischer Organisationen, neue Zusammenschlüsse entstanden, einige erwiesen sich als kurzlebig, andere konnten ihre Organisationen ausbauen. Ende des Jahres 1977 bestanden im Bundesgebiet 187 Organisationen mit 1196 örtlichen Zweiggruppen. Die spanischen Kulturklubs (1976: 100) sind in der Statistik nicht mehr enthalten, weil nennenswerte Erkenntnisse über extremistische Bestrebungen dieser Vereinigungen im Jahre 1977 nicht mehr gewonnen worden sind. Näheres zeigt folgende Übersicht: Statistik des Organisationsstandes ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen im Bundesgebiet Nationalität Organisationen: Aktive Zweiggruppen: 1975 1976 1977 1975 1976 1977 Ostemigration 13 11 12 -- 6 6 Jugoslawien 16 17 19 58 73 85 Spanien 106 113 12 99 127 112 Portugal 8 4 3 9 10 16 Italien 19 21 12 189 184 183 Griechenland 23 21 20 205 239 230 Türkei 30 33 34 159 197 297 Iran 7 8 15 36 41 86 Arabische Staaten 21 25 21 83 95 70 Sonstige Staaten 27 40 37 95 145 95 Multinationale 3 4 2 12 13 16 Insgesamt: 273 297 187 945 1130 1196 Von den 187 extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländervereinigungen sind 53 orthodoxbzw. national-kommunistisch orientiert, 99 sind der ausländischen "Neuen Linken" bzw. nationalen Befreiungsbewe- Ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland II973I 11969] 19661 o o o o o |l. 501.400 11. 949.000 |2.241.000 o o o 1 <=> VD o ao If) o o degdeg 1 11 deg iri ao CD lo CO CD co ^ 11 1 degdeg CM 1 m 1 CD o m 111CDdeg TÜRKEN 51 5 000 JUGOSLAWEN 376 000 ITALIENER 266 000 GRIECHEN 169 000 SPANIER 104 000 PORTUGIESEN 61 000 AFRIKA 33 000 AMERIKA 29 000 ASIEN 46 000 SONSTIGE 208 000 Statistik der ausländischen Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen nach ihrem politisch-ideologischen Standort Nationalität OrthodoxGruppen der Rechtsu. national"Neuen Linken" u. extremistische kommunistische sozialrevolutionäru. nationalistische Gruppen nationalistische Gruppen Organisationen 1976 1977 1976 1977 1976 1977 Ostemigration 4 5 -- -- 7 7 Jugoslawien -- 1 2 2 15 16 Spanien 104 4 9 8 -- -- Portugal 2 1 2 2 -- -- Italien 11 4 7 5 3 3 Griechenland 10 9 9 9 2 2 Türkei 9 11 18 17 6 6 Iran 2 2 6 13 -- -- Arabische Staaten -- 1 25 20 -- -- Sonstige Staaten 14 15 25 21 1 1 Multinationale -- -- 4 2 -- -- Insgesamt: 156 53 107 99 34 35 2. Mitgliederentwicklung Die gegenwärtige Gesamtstärke der ausländischen Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen im Bundesgebiet wird auf 57.800 Mitglieder geschätzt. Dabei war die Zahl der Mehrfachmitgliedschaften nicht zuverlässig zu ermitteln. Statistik der Stärke ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen in den Jahren 1975 bis 1977 Nationalität Mitglieder 1975 1976 1977 Ostemigration 1.000 1.100 1.050 Jugoslawien 1.300 1.350 1.700 Spanien 7.500 7.900 2.650 Portugal 150 200 200 Italien 16.300 16.400 14.900 Griechenland 13.000 18.500 17.000 Türkei 8.600 11.700 15.100 Iran 1.200 1.350 1.500 Arabische Staaten 3.200 3.300 2.350 Die Mitgliederentwicklung bei den ausländischen Extremistengruppen 1971--1977 SO 0 0 0 - 1 70 00 0 65 000 63700 58 000 MITGLIEDER INSGESAMT 34400 33 200 MITGLIEDER T I 000 ORTHODOX^j 28800 KOMMUNIST. 28100 GRUPPEN, 26 900 GRUPPEN UND VON IHNEN BEEINFL. VEREINIG. 16400 900 MITGLIEDER 15000 ,12 600 14 5 0 0 ^ . 12900' *** "NEUE LINKE" 900 MITGLIEDER 11000.. 1''OQ**nii?nn 11200 RECHTSEX7400 TREMER BZW. NATIONALIST. A 000 GRUPPEN 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 Ende 1977 entfielen auf orthodoxbzw. national-kommunistische Ausländergruppen und die von ihnen beeinflußten Vereinigungen etwa 33.200 (1976: ca. 34.400), auf Organisationen der "Neuen Linken" und nationale Befreiungsbewegungen mit sozialrevolutionärer Ausrichtung ca. 13.000 (1976: 16.400) sowie auf die Vereinigungen ausländischer Rechtsextremisten bzw. Nationalisten ca. 11.700 (1976:13.000). Die Mitgliederentwicklung der Parteien, Nebenund anderen Organisationen ohne Parteicharakter sowie der extremistisch beeinflußten Vereinigungen nach ihrem politisch ideologischen Standort ergibt sich aus folgender Statistik Orthodox"Neue RechtsInsu. nationalLinke" u. extremigesamt kommunist. Sozialrestisch u. volutionäre nationalistisch 1975 Parteien 7.700 3.300 3.600 14.600 Nebenorganisationen u. a. Organisationen ohne Parteicharakter 2.600 10.900 3.400 16.900 extremistisch beeinfl. Organisationen 17.800 300 4.200 22.300 Insgesamt: 28.100 14.500 11.200 53.800 1976 Parteien 8.100 4.200 5.100 17.400 Nebenorganisationen u. a. Organisationen ohne Parteicharakter 2.500 11.600 3.600 17.700 extremistisch beeinfl. Organisationen 23.800 600 4.200 28.600 Insgesamt: 34.400 16.400 12.900 63.700 1977 Parteien 7.800 3.500 4.300 15.800 Nebenorganisationen u. a. Organisationen ohne Parteicharakter 2.000 9.150 3.200 14.350 extremistisch beeinfl. 3. Publizistik Die Zahl der periodischen Publikationen ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen im Bundesgebiet ist gegenüber den Vorjahren etwa gleich geblieben: Ende 1977 wurden mindestens 181 periodische Schriften mit einer monatlichen Gesamtauflage von rund 190.000 Exemplaren verbreitet. 1976 waren es 183, im Jahre davor 177, jeweils mit einer monatlichen Gesamtauflage von rund 200.000 Exemplaren. Statistik der periodischen Publikationen ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen Nationalität Gesamtzahl der davon im Bundesgebiet Periodika gedruckt 1975 1976 1977 1975 1976 1977 Ostemigration 7 7 7 6 6 6 Jugoslawien 29 31 28 10 10 14 Spanien 14 14 7 3 2 -- Portugal 17 10 7 2 1 1 Italien 24 20 13 10 12 5 Griechenland 17 18 19 3 3 3 Türkei 25 34 44 19 22 29 Iran 20 20 31 10 11 8 Arabische Staaten 10 13 8 3 3 -- Sonstige Staaten 12 14 16 9 10 9 Multinationale 2 2 1 2 2 1 Insgesamt: 177 183 181 77 82 76 76 dieser periodischen Publikationen wurden in der Bundesrepublik Deutschland gedruckt. Etwa Dreiviertel dieser Schriften hatten linksextremistische Tendenzen. Nach wie vor waren die Organe der kommunistischen Parteien Italiens, Spaniens, Griechenlands und der Türkei weit verbreitet. Daneben versuchten ausländische Extremisten, mit einer Vielzahl von Flug- Statistik der periodischen Publikationen ausländischer Extremistengruppen und der von ihnen beeinflußten Vereinigungen nach ihrem politisch-ideologischen Standort Nationalität Orthodox"Neue RechtsInsbzw. Linke" u. extremistisch gesamt nationalsozialrevou. nationakommulutionärlistisch nistisch nationalistisch Ostemigration 2 -- 5 7 Jugoslawien -- 5 23 28 Spanien 2 5 -- 7 Portugal 3 4 -- 7 Italien 5 5 3 13 Griechenland 12 5 2 19 Türkei 24 16 4 44 Iran 4 27 -- 31 Arabische Staaten -- 8 -- 8 Sonstige Staaten 5 11 -- 16 Multinationale -- 1 -- 1 Insgesamt: 57 87 37 181 I. Ausschreitungen Die politisch motivierten schweren Gewaltakte von ausländischen Extremisten gingen zwar im Vergleich zu 1976 von 21 auf sieben zurück, umfassen jedoch u.a. eine Flugzeugentführung und einen Mord. Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß Sozialrevolutionäre Palästinenser, maoistisch orientierte Türken oder kroatische Nationalisten die Anwendung von Terror und anderer Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung aufgegeben hätten. Aus der mit Gewaltparolen durchsetzten Agitation solcher Gruppen ergibt sich vielmehr, daß sie die "revolutionäre Gewalt" unverändert verherrlichen. Die Fortsetzung gewalttätiger Aktivitäten hängt für viele dieser Gruppen lediglich von den politischen Entwicklungen in ihren Heimatländern und von opportunistischen Überlegungen ab. 1. Terroristische Aktivitäten Den brutalsten Terrorakt ausländischer Extremisten verübte ein palästinensisches Kommando am 13. Oktober im Zusammenhang mit der Entführung von Hanns-Martin SCHLEYER durch Angehörige der deutschen "Rote Armee Fraktion" (RAF). 91 Männer, Frauen und Kinder gerieten durch die Entführung der Boeing 737 "Landshut" der Deutschen Lufthansa von Palma de Mallorca nach Mogadischu durch das palästinensische Terrorkomman- in Aden von dem Anführer des PFLP-Kommandos, Zuhair Youssef AKACHE, erschossen. Während in den vergangenen Jahren die Mehrzahl der von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland verübten Terrorund Gewaltakte von kroatischen Nationalisten begangen wurde, ist 1977 nur eine Tat diesem Täterkreis zuzurechnen, nämlich ein Brandanschlag auf einen jugoslawischen Club in Trossingen. Die Bereitschaft einzelner fanatischer Nationalisten in der jugoslawischen Emigration, den politischen Kampf um ein selbständiges, freies Kroatien mit Mitteln der Gewalt fortzusetzen, dauerte jedoch an. Anfang des Jahres entschärften Sprengstoffsachverständige der Polizei nach einer anonymen telefonischen Warnung im Wiesbadener Hauptbahnhof einen in einem Schließfach gelagerten Sprengsatz, dessen Beschriftung auf einen extremistischen kroatischen Hintergrund schließen ließ. Im Frühjahr stellte die Polizei in der Wohnung eines kroatischen Extremisten in München mehrere Gegenstände zur Herstellung von Zeitbomben und anderen Sprengvorrichtungen sicher. Im übrigen wurden ein versuchter Brandanschlag gegen ein Verkaufsbüro der South African Airways in München am 30. März und ein vollendeter Brandanschlag gegen Geschäftsräume des nationalistischen "Türkischen Kulturvereins" in Frankfurt/M. am 18. Mai verübt. 2. Sonstige Gewaltakte Wie in den vergangenen Jahren waren an Ausschreitungen mit tätlichen Auseinandersetzungen vorwiegend linksextremistische und nationalistische Türken beteiligt. Bei zehn von zwölf bekanntgewordenen derartigen Ausschreitungen in Köln, Berlin, Hamburg, Stuttgart, Nürnberg, Solingen, Dinslaken und München wandten in der Regel maoistische Türken Gewalt an. Ein Anhänger der nationalistischen orthodox-islamischen "Nationalen Heilspartei" (MSP) erlag nach einer tätlichen Auseinandersetzung auf einer Veranstaltung in Köln seinen Verletzungen. An den übrigen zwei Auseinandersetzungen waren politisch rivalisierende Äthiopier bzw. Iraner in Köln und Berlin beteiligt. 3. Androhung von Terrorund Gewaltakten Auch im Jahre 1977 bedrohten anonyme Täter aus politischen Motiven deutsche Behörden, ausländische Staatsoberhäupter, ausländische diplomatische Vertretungen, Büros und Verkehrsmaschinen der Fluggesellschaften, Firmen und Verlage mit Gewalt und Terror. Soweit erkennbar, gingen die Drohungen in erster Linie von extremistischen Türken, Ostemigranten, Arabern und Exiljugoslawen aus. IV. Ausländergruppen mit Tendenzen zur Gewaltanwendung 1. Palästinensische Gruppen Wie die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" im Oktober 1977 tel des politischen Kampfes auch außerhalb des Nahen Ostens anzuwenden, am stärksten bei der Splittergruppe der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" unter Dr. Wadia HADDAD (PFLP-HADDAD-Gruppe) ausgeprägt. Palästinensergruppen erhielten auch 1977 Geld, Waffen und logistische Unterstützungen aus Libyen, dem Irak, Algerien und dem Südjemen. Die Anhängerschaft der palästinensischen "Ablehnungsfront", d. h. jener Palästinensergruppen innerhalb der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO), die den "bewaffneten Kampf" gegen Israel und die in der Palästinafrage verhandlungsbereiten arabischen Staaten fordern, nahm im Berichtsjahr in der Bundesrepublik Deutschland zu. Auch die "Generalunion Arabischer Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V." (GUAS), griff in ihren Verlautbarungen immer stärker die in der Auseinandersetzung mit Israel gemäßigten zu einer Verhandlungslösung neigenden arabischen Staaten und Vereinigungen an. Der SADAT-Besuch in Israel im November 1977 bewirkte auch unter den Palästinensergruppen im Bundesgebiet eine Annäherung zwischen Anhängern der PLO und den Kräften der "Ablehnungsfront", die den "arabischen Reaktionären" vorwerfen, den "Weg der Kapitulation" zu beschreiten. In der Bundesrepublik Deutschland war die PFLP 1977 bemüht, ihre Zellen weiter auszubauen. PFLP-Mitglieder konnten auch in Sektionen der GUAS Einfluß gewinnen. Die 1977 verbreiteten Flugschriften des palästinensischen Widerstandes, die zum Teil in deutscher Sprache erschienen, riefen zum Kampf gegen den Zionismus, zur "Steigerung des bewaffneten Kampfes" und zur "Rückgewinnung des nationalen Bodens" auf. In anderen Publikationen wurde vor der "rassistischen" und "zionistischen Gefahr" gewarnt, die sich mit dem Amtsantritt Menachem BEGINs erhöht habe. Unter Palästinensern in Norddeutschland verteilte Nachrufe auf gefallene Kämpfer der PLF des ABU AL ABBAS, die sich Anfang des Jahres von der terroristischen "Volksfront für die Befreiung Palästinas -- Generalkommando" (PFLP-GC) abgespalten hatte und einen besonders militanten Kurs verfolgt, enthielten Forderungen nach "Fortsetzung des Kampfes zur Befreiung der palästinensischen Erde". In der Erklärung "an alle Revolutionäre der Welt" und "alle palästinensischen Massen" des palästinensischen Terrorkommandos, das die Lufthansamaschine "Landshut" nach Mogadischu entführte, wurde der "expansionistische und rassistische Charakter der Zionisten mit Menachem BEGIN" als ein "Produkt imperialistischer Interessen" im Kampf der USA gegen "das Volk in der Welt" gewertet. In diesem "Krieg" hätten "imperialistische Unterzentren wie die zionistische Gemeinschaft in Westdeutschland die Aufgabe des Vollzugs der Unterdrückung und Liquidierung jeder revolutionären Bewegung in einem spezifischen Gebiet". Das "zionistische Regime" sei die "echteste und praktischste Fortsetzung des Nazismus", die Regierung in Bonn und die Parteien des Bundestages, unterstützt von wirtschaftlichen Kreisen, täten "ihr Möglichstes, um den expansionistischen Rassismus in Westdeutschland zu erneuern". Organe der ..Palästinensischen B e f r e i u n g s o r g a n i s a i i o n " ( und Kampfgruppen innerhalb der Organisation Exekutivkomitee "Vors.:Yassir ARAFAT(15 Mitglieder! Zentralrat Vors.: AL FAHOUM (55 Mitglieder! Nationalrat (289 Mitglieder) davon 95 aus unten aufgeführten Organisa 51 aus Stondesorganisationen, 1/.3 Unabhängige * Verhandlungsbereite 2. Iranische Gruppen Im Jahre 1977 waren in der Bundesrepublik Deutschland 15 iranische extremistische Vereinigungen mit etwa 86 Zweiggruppen und schätzungsweise insgesamt 1.500 Mitgliedern bekannt. Der Dachverband der extremistischen vorwiegend studentischen Gruppen ist die "Conföderation Iranischer Studenten National-Union" (CISNU) mit Sitz in Frankfurt/Main. Die CISNU sieht es als ihre Hauptaufgabe an, sich "in den Dienst der Kämpfe des iranischen Volkes zu stellen". Dazu gehört im Ausland die "Durchführung von Aktionen zur Unterstützung der Kämpfer des Volkes wie Demonstrationen, Hungerstreiks und Besetzungen der Botschaften des Schah". 1977 wurde die Lage der CISNU äußerst kritisch. Die seit Ende 1975 beobachteten ideologischen Richtungskämpfe führten zur Bildung von bislang vier rivalisierenden Gruppen: der Sozialrevolutionären Frankfurter Gruppe "CISNU", der maoistischen Aachener Gruppe "CISNU für den Wiederaufbau", der maostischen Mainzer Gruppe "CISNU" und der maoistischen Hamburger Gruppe "Conföderation Iranischer Studenten" (CIS). Die bedeutendste Gruppierung blieb auch 1977 die Frankfurter CISNU; in ihr haben sich die Sozialrevolutionären und militanten Mitglieder des alten Dachverbandes zusammengeschlossen. Aber auch ihr Vorstand ist in sich zerstritten. Anhängern der Sozialrevolutionären iranischen Organisation "19. Bahman" *, die in der CISNU erheblich an Einfluß gewonnen hat, wurde von anderen Vorstandsmitgliedern vorgeworfen, sie wollten der CISNU die "Ideologie der Guerilla-Organisation" aufzwingen. Mitte September setzte sich in Frankfurt/Main ein neuer CISNU-Vorstand der Frankfurter Gruppe interimistisch ein, um die Auflösung der Organisation zu verhindern. Als neue, von der Organisation "19. Bahman" gesteuerte Vereinigung trat seit Ende Juni 1977 im Bundesgebiet ein "Unterstützungskomitee für die neue revolutionäre Bewegung des Iranischen Volkes in der BRD" (URBIV) mit Flugblattaktionen hervor, in denen u. a. zum "bewaffneten Kampf, dem einzigen Weg zur Befreiung" aufgerufen wurde. Neben der Verbreitung von Propagandamaterial versuchten iranische extremistische Gruppen im Bundesgebiet durch Protestdemonstrationen, Kundgebungen und Versammlungen die Öffentlichkeit auf revolutionäre Bestrebungen im Iran aufmerksam zu machen, um politische und materielle Unterstützung zu erhalten. Der Bundesrepublik Deutschland warfen sie "staatlich gelenkten Haß" und "Hysterie" gegen Sympathisanten des deutschen Terrorismus vor. Ende März drangen mitWurfund Schlaggegenstände ausgerüstete iranische und deutsche Demonstranten unter Führung eines iranischen Extremisten in ein Gebäude in Berlin ein, um dort eine Feier des iranischen Generalkonsulats anläßlich des iranischen Neujahrsfestes zu stören. Sie beschädigten einen Teil der Einrichtung und griffen die Polizei tätlich an. Im Dezember besetzten iranische Extremisten die Botschaften ihres Landes in Rom und Kopenhagen als Reaktion auf Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Studenten, die in Teheran gegen den Besuch des Schah in Spaltung der "Confederation Iranischer Studenten National Union" (CISNU) STAND: Januar 1! s C~. CISNU CISNU CISNU CIS Frankfurter "für den WiederMainzer Gruppierg.| "Confederation Gruppierung aufbau" (ranischer Studenten" |Aachener Gruppierg.| Maoistisch Hamburger Gruppierg. Sozialrevolutionär Maoistisch Maoistisch Zweiggruppen Zweiggruppen Zweiggruppen Zweiggruppen Aachen Aachen Berlin Berlin Berlin Karlsruhe Frankfurt/Main Bochum Bochum Saarbrücken Mainz Bremen Darmstadt München Clausthal-Zellerfeld Frankfurt/Main Darmstadt Freiburg Frankfurt/Main Gießen Göttingen Hamburg Hamburg Karlsruhe Hannover Kiel Kaiserslautern Krefeld Kiel Köln Köln Konstanz Mainz Mainz Münster München Saarbrücken Saarbrücken Tübingen-ReutUnger den USA protestiert hatten; es entstand teilweise erheblicher Sachschaden. An den Aktionen waren auch Angehörige iranischer extremistischer Gruppen aus der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Im Berichtsjahr wurden verstärkt Solidarisierungen iranischer Widerstandsgruppen mit deutschen "K-Gruppen" festgestellt. Die Frankfurter CISNU verurteilte u.a. in Flugblättern "schärfstens den Verbotsantrag der CDU gegen KPD/ML, KBW und KPD". 3. Kroatische Gruppen Die erkennbaren Aktivitäten der Gruppen kroatischer nationalistischer Extremisten in der Bundesrepublik Deutschland waren 1977 geringer als in den Vorjahren. Nach den Verboten der die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Vereinigungen "Kroatischer Nationaler Widerstand" (HNOtpor) und "Kroatischer Verein Drina e.V." -- Teilorganisation des "Kroatischen Nationalen Widerstandes" (HNOdpor) -- durch den Bundesminister des Innern im Jahre 1976 -- die Verbote wurden anfangs 1978 durch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt und damit rechtskräftig -- verlegten Anhänger dieser Vereinigungen den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten in das Ausland. Eine Neuauflage der Zeitschrift "Otpor-Organ des kroatischen Nationalen Widerstandes" wird nunmehr im Ausland gedruckt und an ehemalige Mitglieder im Bundesgebiet übersandt. Die Zeitschrift enthält nach wie vor Gewaltparolen. Der regelmäßige Abdruck des dem ehemaligen Ustascha-General LUBURIC alias DRINJANIN zugeschriebenen Ausspruchs, "Jugoslawien mit allen Mitteln -- notfalls mit Dynamit" zu zerstören, ist ein Beispiel unter vielen. Im Juni 1977 wurde in Nr. 7 der "Otpor" dazu aufgerufen: "Stärken wir bereits bestehende Organisationen, schaffen wir revolutionäre Vereinigungen und Gruppen, in denen man sich systematisch zum Sturm auf die groß-serbische Hegemonie und zur endgültigen Abrechnung vorbereiten wird". Auch die international tätige "Kroatische Republikanische Partei" (HRS), Sitz Argentinien, tritt für einen militärisch-revolutionären Kurs zur "Befreiung" Kroatiens ein. In der Führung der HRS konnten 1977 die Befürworter einer radikaleren Haltung an Einfluß gewinnen. Vier ihrer leitenden Funktionäre aus Argentinien und den USA -- darunter ein Exponent des radikalen Flügels -- wurden im Juni 1977 in den zweiten "Sabor", das sogenannte Parlament des "Kroatischen Nationalrats" (HNV) -- Dachorganisation der kroatischen Widerstandsbewegungen auf internationaler Ebene -- gewählt. Die HRS konnte damit die Zahl ihrer Sitze gegenüber dem ersten "Sabor" verdoppeln. Den politischen Kurs der HRS zeigt ein Rundschreiben, das die Organisation im Mai 1977 allen Vorständen und Mitgliedern der HNV-Ortsausschüsse im Bundesgebiet übersandte. Darin wurde die Wahl des Führers des im Bundesgebiet verbotenen HNOtpor, Stjepan BILANDZIC (Köln), und Tomislav REBRINAs empfohlen. BILANDZIC wurde wegen Beteiligung an dem Anschlag gegen die jugoslawische Interessenvertretung in Mehlem am 29. November 1962 zu drei Jahre Zuchthaus verurteilt. Die zuständige Behörde hat gegen ihn bereits am 23. November 1965 ein Verbot der poli- tischen Mörder des jugoslawischen Botschafters in Schweden, Rolovic, freigepreßt. Nach den Wahlen der Organe des HNV Anfang Oktober in Brüssel verlagerten sich die Aktivitäten des HNV teilweise von den USA nach Europa. In den neugewählten Organen des HNV stehen Vertreter einer gemäßigten bzw. konservativen nationalen Richtung linksgerichteten Kräften gegenüber, die einen kroatischen Nationalstaat auch mit Unterstützung der Sowjetunion verwirklichen wollen. Erste Aktivitäten des neuformierten HNV unter den jugoslawischen Arbeitnehmern und Emigranten in der Bundesrepublik Deutschland zeigten sich Ende des Jahres. Ortsausschüsse des HNV veranstalteten in München anläßlich der KSZE-Nachfolgekonferenz in Belgrad Protestdemonstrationen und Hungerstreiks gegen die Maßnahmen der Regierung in Jugoslawien und die Zusammenarbeit deutscher und jugoslawischer Sicherheitsbehörden. Ende November veranstaltete der HNV in Frankfurt/M. eine Demonstration aus Anlaß der Proklamation der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (29. 11. 1945) mit Angriffen auf den jugoslawischen Staatspräsidenten und die angebliche Zusammenarbeit der Bonner Regierung mit "Mordkommandos" des Belgrader Innenministeriums im Bundesgebiet. 4. Sonstige Gruppierungen Bei den politischen Auseinandersetzungen zwischen linksextremistischen und nationalistischen Türken im Bundesgebiet waren mehrfach Mitglieder der maoistischen "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Lenisten" (TKP/ML) beteiligt. In deutschsprachigen Schriften forderte die TKP/ML und ihre "bewaffnete Frontorganisation", die "Türkische Arbeiterund Bauern-Befreiungsarmee" (TIKKO), die "Zerschlagung des türkischen Staates" und "den Weg des Volkskrieges" im "Kampf gegen den Imperialismus". Der starke Einfluß der TKP/ML auf die maoistische "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e.V." (ATÖF) blieb auch auf dem Jahreskongreß der ATÖF im Juli 1977 in Frankfurt/Main erhalten. Daneben konnte die TKP/ML im Vorstand der "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) auf dem Jahreskongreß der ATIF Ende Oktober in Frankfurt/M. maßgeblichen Einfluß gewinnen. Sicherheitsrisiken ergeben sich ferner aus den auf deutschem Boden bestehenden, meist konspirativ arbeitenden Zellen und Kleingruppen maoistischer türkischer Organisationen, die den bewaffneten Kampf in der Türkei propagandistisch und materiell zu unterstützen suchen. Aktionsgruppen der "Volksbefreiungsarmee der Türkei" (THKO) im Bundesgebiet bekannten sich in Propagandaschriften zur "gewaltsamen Revolution", zur "Zerstörung des bestehenden Staatsapparates in der Türkei" und zur "Bewaffnung des Volkes". Auch türkische Maoisten solidarisierten sich im Berichtsjahr mit deutschen "K-Gruppen" im "Kampf gegen den gemeinsamen Feind, den Imperialismus". Sie agitierten insbesondere gegen einen "Verbotsantrag gegen KBW, V. Ausländische orthodoxe und nationale Kommunisten 1. Erkenntnisse zur Organisation In der Bundesrepublik Deutschland waren vor allem Organisationen der kommunistischen Parteien Griechenlands, Italiens, Spaniens und der Türkei politisch tätig. Sie haben zusammen schätzungsweise 7.400 Mitglieder. Die Stärke der Nebenorganisationen und anderer Vereinigungen ausländischer Kommunisten beträgt ca. 2.000 Mitglieder. Wie im Vorjahr bildete die Anhängerschaft der unter kommunistischem Einfluß tätigen Vereinigungen, in der Mehrzahl ausländische Betreuungsorganisationen für Gastarbeiter, mit ca. 23.400 die zahlenmäßig stärkste Gruppierung. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß viele Mitglieder, die im fremden Land in solchen Vereinigungen lediglich Rückhalt suchen, keine Kommunisten sind. Übersicht über die Mitgliederzahlen der ausländischen orthodoxund nationalkommunistischen Parteien, Nebenund sonstigen Organisationen ohne Parteicharakter sowie kommunistisch beeinflußten Ausländergruppen im Bundesgebiet Nationalität Parteien Nebenkommün. insvergl. organisabeeingesamt tionen u. flußte 1977 1976 andere OrGruppen ganisationen ohne Parteicharakter Griechenland 2.500 600 10.700 13.800 14.100 Italien 3.800 -- 5.500 9.300 10.500 Spanien 850 200 -- 1.050 6.250 Türkei 300 400 7.200 7.900 2.650 Sonstige 350 800 -- 1.150 900 Insgesamt: 7.800 2.000 23.400 33.200 34.400 Die "Kommunistische Partei Italiens" (PCI) konnte trotz organisatorischer Anstrengungen die Zahl ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland nicht vergrößern. Ein Teil der Mitglieder und Funktionäre der PCI kehrte wegen der angespannten Arbeitsmarktlage nach Italien zurück. Andere in Italien eingeschriebenen PCI-Mitglieder blieben während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet politisch inaktiv. Am 27. März bildete die PCI im Bundesgebiet als neue organisatorische Einheit neben den Gebietskomitees Nord und Süd das Gebietskomitee Mitte mit Sitz in Frankfurt/Main. Dem neuen Gebietskomitee unterstehen insgesamt 12 Kreisorganisationen in den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und im nördlichen Teil Bayerns. vember, seine Organisationsstruktur der PCI anzupassen und Gebietskomitees Nord, Mitte und Süd zu bilden. Aber auch die Zahl der Mitglieder der FILEF stagniert, obwohl sie die bedeutendste Betreuungsorganisation der italienischen Arbeiter im Bundesgebiet ist. In den Publikationen für italienische Arbeiter im Bundesgebiet nehmen die Information über innenpolitische Vorgänge in Italien und deren Interpretation breiten Raum ein. Diese Tatsache und andere Anhaltspunkte lassen erkennen, daß die PCI unter den hier tätigen Italienern vor allem Unterstützung für die Erringung politischer Macht in Italien sucht. Daneben kommt es ihr erkennbar darauf an, in der Bundesrepublik Deutschland ihre Präsenz zu demonstrieren und die Zusammenarbeit mit deutschen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen und Gruppen zu suchen. Trotz Legalisierung der "Spanischen Kommunistischen Partei" (PCE) in Spanien und ihrer Zulassung zu den Parlamentswahlen haben sich seit ihrem letzten Parteitag im Juni 1976 auf Bundesebene keine strukturellen und personellen Veränderungen ergeben. Die Zahl der Mitglieder stagniert, obgleich die Partei im Bundesgebiet zunehmend offen auftrat und im Rahmen der Vorbereitungen des "Demokratischen Kongresses der spanischen Emigration in Europa" ein breites Spektrum spanischer Organisationen zu erreichen suchte. Am 7. Mai löste sich die 1974 gegründete und von der PCE beeinflußte "Vereinigung der Spanier in der Bundesrepublik Deutschland" (AERFA) auf. Ihr hatten zuletzt 14 örtliche Gruppierungen angehört. Ursachen dieser Entwicklung waren der Mangel an Führungsfunktionären und finanzielle Schwierigkeiten der Vereinigung. Mit dem im Herbst 1977 im Bundesgebiet gegründeten "Gewerkschaftsverband der Arbeiterkommissionen" (OS. de CC.OO.) hofft die PCE, breiteren Einfluß auf spanische Arbeiter gewinnen zu können. Bestrebungen der in der Türkei verbotenen orthodox-kommunistischen "Türkischen Kommunistischen Partei" (TKP) -- Exilsitz in Berlin (Ost) --, die Aufsplitterung der türkischen politischen Vereinigungen im Bundesgebiet zu überwinden und dabei ihren Einfluß zu stärken, führten Ende Februar zur Gründung der "Föderation der türkischen Arbeitervereine in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FIDEF) in Düsseldorf. In der FIDEF haben sich bisher annähernd 70 Arbeitervereinigungen sowie Mitgliedsverbände der überwiegend von der TKP beeinflußten "Föderation Türkischer Sozialisten in Europa" (ATTF) und der national-kommunistisch beeinflußten, im Frühjahr 1977 aufgelösten "Föderation Demokratischer Arbeitervereine in der Türkei in Europa e.V." (TDF) mit ca. 5.400 Mitgliedern zusammengeschlossen. Die FIDEF steht maßgeblich unter dem Einfluß kommunistischer Funktionäre. Der Versuch der FIDEF, ihren kommunistischen Hintergrund zu verschleiern, hat bei der Mehrzahl der türkischen Arbeitnehmer keinen Erfolg gehabt. Ein Teil der ursprünglichen FIDEF-Anhänger wandte sich der von der türkischen sozialdemokratisch orientierten "Republikanischen Volkspartei" (CHP) im Oktober in Berlin als Gegengewicht zur FIDEF gegründeten "Föderation der revolutionären Volksvereinigung in der Türkei" (THDF) zu. 2.000 bzw. 500 Mitgliedern sowie der von der KKE-Ausland beeinflußte "Bund Griechischer Gemeinden" (OEK) mit ca. 9.000 Anhängern die mitgliedstärksten Gruppierungen. Nach ihrem Erfolg bei den Parlamentswahlen in Griechenland im November 1977 konnte die KKE-Ausland ihre Mitgliederzahlen im Bundesgebiet weiter steigern. 2. Aktionsschwerpunkte Ansatzpunkte für die politische Agitation der orthodoxund national-kommunistischen Ausländergruppen waren besonders die Probleme der Ausländergesetzgebung, Schulund Berufsausbildung, Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit. Dabei griffen sie zunehmend die Bundesund Länderregierungen und deren ausländer-, wirtschaftsund schulpolitische Maßnahmen an. Sie kritisierten auch den angeblich mangelhaften Einsatz der deutschen Gewerkschaften für die Belange ausländischer Arbeitnehmer. Unter Berufung auf die Ergebnisse der Konferenz von Helsinki und im Hinblick auf die KSZE-Nachfolgekonferenz in Belgrad agitierten griechische, italienische, spanische und türkische kommunistische Organisationen seit dem Sommer verstärkt gegen "Verletzung der Menschenrechte" der ausländischen Arbeiter in der Bundesrepublik Deutschland. Einige von ihnen sandten Eingaben an die Vorbereitungskonferenz für die KSZE-Nachfolgekonferenz in Belgrad. Die von der PCE beeinflußte "Erste Bundeskonferenz spanischer Organisationen in der Bundesrepubik Deutschland" vom 5. bis 6. November in Kassel wandte sich in einer an den Vorsitzenden der KSZE-Nachfolgekonferenz gerichteten Resolution gegen die "Diskriminierung" der spanischen Emigranten durch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere im Arbeitsleben, durch die Ausiändergesetzgebung und die Verweigerung des Kommunalwahirechts für Ausländer. Die kommunistisch beeinflußte türkische FIDEF konkretisierte noch auf ihrer Gründungsversammlung Ende Februar in Düsseldorf ihre Forderungen: Recht auf Aufenthalt und soziale Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland auch in Krisenzeiten, Recht, die Dauer der Tätigkeit und des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland selbst zu bestimmen, Recht auf ungehinderte politische und gewerkschaftliche Betätigung. VI. Politisch tätige Vereinigungen der ausländischen "Neuen Linken" zichtbare Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Einzelne Mitglieder solcher Organisationen beteiligten sich auch 1977 mehrfach an Ausschreitungen. Alle diese Gruppen lehnen den Kommunismus sowjetischer Prägung scharf ab; sie warfen den orthodoxen Kommunisten vor, die Revolution verraten zu haben, und forderten fast ausnahmslos, die Verfassungsund Gesellschaftssysteme in ihren Heimatländern durch bewaffneten Kampf zu zerschlagen. Sie kämpften dabei gegen den "Imperialismus in Ost und West" und sind erklärte Feinde einer demokratischen Grundordnung. Auf deutschem Boden neigen sie zu aggressivem Aktionismus. Ideologisch sind sie überwiegend Maoisten, vertreten aber hinsichtlich revolutionärer Taktik und Strategie teilweise abweichende Meinungen. Andere Vereinigungen vertreten Sozialrevolutionäre Auffassungen oder gehören Widerstandsbewegungen aus Staaten der Dritten Welt an. Daneben bestehen "undogmatische" und anarchistische Zusammenschlüsse. Organisatorisch boten diese Gruppierungen ein ständig wechselndes Bild: Im Bundesgebiet bestanden Ende des Jahres 99 Vereinigungen äthiopischer, afghanischer, arabischer, griechischer, irakischer, iranischer, italienischer, japanischer, jugoslawischer, kurdischer, libyscher, marokkanischer, portugiesischer, spanischer, syrischer, türkischer, ostasiatischer, latein-, nord-, südamerikanischer sowie schwarzafrikanischer Studenten und Arbeiter. Da die Vereinigungen vielfach ihre Stärke geheimzuhalten suchten oder bewußt überhöhte Mitgliederzahlen nannten, sind Schätzungen im Einzelfall schwierig. Wie die folgenden Annäherungswerte erkennen lassen, deutet sich insbesondere im Bereich der arabischen und türkischen Vereinigungen eine rückläufige Entwicklung an, während die iranischen Widerstandsgruppen ihre Mitgliederzahl etwas steigern konnten. Aufgliederung der Anhänger der ausländischen "Neuen Linken" bzw. nationalen Befreiungsbewegungen mit sozialrevolutionärer Ausrichtung Stand: 31. 12. 1977 Nationalität Parteien NebenextremiinsVerorganisastisch gesamt gleichstionen u. beeinfl. werte andere OrOrgani1977 1976 ganisatiosationen ten ohne Parteicharakter Araber 100 2.250 -- 2.350 3.250 Türken 150 2.000 -- 2.150 3.600 Griechen 2.700 200 250 3.150 3.650 Spanier 200 1.350 -- 1.550 1.600 Italiener 150 1.150 -- 1.300 1.400 Iraner -- 1.450 -- 1.450 1.300 Im Gegensatz zu den orthodoxen Kommunisten haben die Funktionäre und Aktivisten der ausländischen "Neuen Linken" wegen ihrer Neigung zum Aktionismus und zur Gewaltanwendung auch 1977 auf die "Betreuungsorganisation" für Gastarbeiter keinen nennenswerten Einfluß gewinnen können. 2. Aktionsschwerpunkte, Solidarisierungstendenzen Auch 1977 sahen Gruppen der ausländischen "Neuen Linken" und sozialrevolutionäre Vereinigungen ihre wesentlichste Aufgabe darin, den Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnungen in ihrem jeweiligen Heimatland durch revolutionäre Agitation, Gewaltparolen und politischen Einfluß auf die im Bundesgebiet lebenden Landsleute vorzubereiten bzw. -- soweit es sich um Palästinenser handelt -- um die Rückgewinnung des Heimatlandes zu kämpfen. Offene Aufrufe zum "Volkskrieg", "bewaffneten Kampf" und zur "Volksbewaffnung" veröffentlichten insbesondere arabische, iranische und türkische Vereinigungen. Militante Maoistengruppen sahen in dem "vereinten Kampf aller Klassen und Schichten des Volkes" den einzigen Weg zur Befreiung vom "Joch des Imperialismus, der reaktionären herrschenden Klassen und der nationalen Unterdrückung" mit dem Ziel der "Errichtung der demokratischen Herrschaft des Volkes". Dabei verurteilten sie den "US-Imperialismus" und den "Imperialismus der sowjetischen Supermacht" gleichermaßen. Auch der Bundesregierung wurden imperialistische Ziele unterstellt. Die "Confederation Iranischer Studenten" (CIS) wandte sich in einem Flugblatt zum "2. Juni -- Tag der Solidarität zwischen dem iranischen Volk und dem deutschen Volk" anläßlich der "Ermordung Benno OHNESORGs" gegen die "reaktionäre Kumpanei zwischen dem BRD-Imperialismus und dem SchahRegime". Dabei behauptete sie, "die BRD-Imperialisten" drängten "zu immer mehr Anteil an der Ausplünderung der Werktätigen und zur Plünderung der Naturschätze im Iran". Die beiden türkischen maoistischen Dachverbände "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e.V." (ATÖF) und "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) bezichtigten zur Jahreswende in Flugblättern u.a. den "westdeutschen Imperialismus, an der Ausplünderung der Bodenund Naturschätze und der Ausbeutung des Volkes der Türkei" beteiligt zu sein. Die Sozialrevolutionäre Frankfurter Gruppe der CISNU verleumdete die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit der Geiselbefreiung von Mogadischu als "parvenühafte spätimperialistische Macht". Bezüglich der Verhältnisse im Iran führte diese Gruppe aus, daß nur der Kampf des iranischen Volkes und seiner revolutionären Organisationen den Sturz des faschistischen Schah-Regimes herbeiführen und den Iran davor bewahren könne, zur "Müllhalde für den atomaren Abfall der imperialistischen Staaten zu werden". Die CISNU appellierte auch an die "demokratische Öffentlichkeit der BRD", mit allen Mitteln gegen dieses Vorhaben zu pro- Die Tendenzen zur Solidarisierung und Zusammenarbeit zwischen militanten ausländischen und deutschen Gruppen setzten sich 1977 verstärkt fort. Die CISNU verurteilte ebenso wie türkische Maoisten in Flugblättern "schärfstens den Verbotsantrag der CDU gegen die KPD/ML, den KBW und die KPD". Dabei griff sie die "reaktionäre Ausländergesetzgebung" an, die der "politischen Unterdrückung fortschrittlicher ausländischer Organisationen" wie der "Generalunion Palästinensischer Studenten" (GUPS) und der "Generalunion Palästinensischer Arbeiter" (GUPA) gelte. Immer heftiger polemisierten ausländische Extremisten gegen angebliche politische Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland. So rückte z. B. die CISNU in Flugblättern die Bundesrepublik Deutschland in die Nähe eines faschistischen Staates: "Gegenwärtig erleben wir in der Bundesrepublik das immer offener werdende provokatorische Auftreten der Neofaschisten". Die "wilde Hetzkampagne gegen die .Terroristen'" diene der "Durchsetzung der sogenannten ,Anti-Terrorismus-Gesetze'", die in Wirklichkeit ein "Angriff auf alle Bürger" seien. Schritt für Schritt schränke die Bundesregierung die in der Verfassung verankerten demokratischen Grundrechte der Bürger ein und ebne damit "den Weg für eine zunehmende Faschisierung". Auf der gleichen Linie bewegt sich die Erklärung des palästinensischen Kommandos, das die Lufthansamaschine "Landshut" nach Mogadischu entführt hatte: "Tatsächlich wird der ähnliche Charakter des Neonazismus in Westdeutschland und des Zionismus in Israel immer deutlicher. In beiden Ländern ist die reaktionäre Ideologie vorherrschend. Die faschistischen, diskriminierenden und rassistischen Arbeitsgesetze werden verstärkt. Die schlimmsten Methoden seelischer und körperlicher Folterung und Morde werden angwendet gegen die Kämpfer für Fortschritt und nationale Befreiung". Die "Organisation Kampf dem Weltimperialismus" propagierte abschließend den "Sieg der Einheit der revolutionären Kräfte in der Welt". (Dokumentation der Bundesregierung zu den Ereignissen und Entscheidungen im Zusammenhang mit der Entführung von Hanns-Martin SCHLEYER und der Lufthansa-Maschine "Landshut", S. 91 ff.) VII. Ausländische Rechtsextremisten und Nationalisten 1. Ostemigration Die politischen Vereinigungen der Ostemigration beschränkten 1977 ihre Arbeit im Bundesgebiet im wesentlichen auf propagandistische Aktivitäten. Sie warfen den osteuropäischen kommunistischen Staaten, insbesondere gefordert, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um der "fortwährenden Unterdrückung von Menschen und Nationen Einhalt zu gebieten". Nach den Wahlen zum 2. "Sabor", dem sogenannten Parlament des "Kroatischen Nationalrates" (HNV) im Juni 1977 und den Wahlen der Organe des HNV Anfang Oktober in Brüssel, haben sich Aktivitäten des HNV teilweise von den USA nach Europa verlagert. Im übrigen haben die kroatischen Emigrantenorganisationen ihren Mitgliederbestand gegenüber dem Vorjahr um rund 2 2 % steigern können, während die Zahl der Mitglieder nationalistischer Vereinigungen aus der Sowjetunion um 11 % abnahm. Aufgliederung der Mitglieder rechtsextremistischer und nationalistischer Vereinigungen der Ostemigration Herkunftsland Mitglieder 1977 Vergleichswerte 1976 Jugoslawien 1.550 1.270 Sowjetunion 650 730 Bulgarien 100 100 Insgesamt: 2.300 2.100 2. Sonstige Rechtsextremisten und Nationalisten Die organisatorische und politische Tätigkeit der griechischen extremen Rechten, die durch Zweiggruppen des "Weltverbandes Griechischer Nationalisten" (PSEE), Sitz Astoria/USA, und der "Fortschrittlichen Union der Griechen in Deutschland e.V." (PEEG) im Bundesgebiet vertreten ist, stagniert. Die von der rechtsextremistischen "Sozialen Italienischen Bewegung -- Nationale Rechte" (MSI-DN) beeinflußten "Trikolorekomitees der Italiener in der Welt" (CTIM) konzentrierten ihre Agitation gegen Aktivitäten der PCI und deren Unterwanderungsbestrebungen in italienischen Vereinigungen und für "Gastarbeiterfragen" zuständigen Redaktionen deutscher Rundfunkanstalten. Mitglieder und Anhänger der türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) in der Bundesrepublik Deutschland sind -- nach Auflösung der Zweigorganisationen der MHP im Bundesgebiet aufgrund eines Beschlusses des türkischen Verfassungsgerichts von Mitte 1976 -- seit dem Sommer 1977 in türkischen "Idealistenvereinigungen" und "Islamischen Kulturzentren" politisch tätig. Wegen ihrer nationalistischen Agitation kam es 1977 zu heftigen Auseinandersetzungen mit Linksextremisten, die teilweise zu tätlichen Ausschreitungen führten. Behauptungen linksextremistischer Türken, Mitglieder der MHP-Jugendorganisation "ÜLKÜ OCAGI" (Symbol: der "Graue Wolf") terrorisierten ihre politischen Gegner im Bundesgebiet, konnten nicht nachgewiesen werden. Die Mitgliederzahl griechischer, italienischer und türkischer Nationalistengruppen nahm ab. Ende des Jahres 1977 waren im Bundesgebiet elf Orga- Aufgliederung der Mitglieder griechischer, italienischer und türkischer Nationalistengruppen Nationalität Parteien NebennationainsVerorganilistisch gesamt gleichssationen beeinflußte wert u. a. Organi1976 sationen Griechen 100 100 800 Italiener -- 4.200 4.200 4.500 Türken 800 4.300 5.100 5.500 Insgesamt: -- 900 8.500 9.400 10.800 VIII. Maßnahmen Am 9. November verurteilte das Landgericht Düsseldorf die Exilkroaten Marko KRPAN und Pavle PEROVIC wegen versuchten gemeinschaftlichen Mordes an dem jugoslawischen Vizekonsul TOPIC in Düsseldorf zu Freiheitsstrafen von zehn Jahren drei Monaten bzw. neun Jahren. KRPAN hatte am 26. Juni 1976 mehrere Pistolenschüsse auf TOPIC abgegeben, ohne ihn jedoch zu treffen. Er war Mitglied des im Bundesgebiet verbotenen "Kroatischen Nationalen Widerstandes" (HNOtpor). Am 15. Dezember wurde der jugoslawische Staatsangehörige Scepo BUCONJIC vom Landgericht München wegen versuchten Mordes in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. BUCONJIC hatte am 4. September und 17. Oktober 1975 "Buchbomben" an das Jugoslawische Generalkonsulat in München gesandt. In seiner Wohnung waren u.a. 1.500 Schuß Munition und mehrere Zünder für Sprengsätze sichergestellt worden. Gerichtliche Entscheidungen gegen iranische Extremisten ergingen überwiegend aufgrund von "Demonstrationsfolgedelikten" wie Hausfriedensbruch, Körperverletzungen und Widerstand gegen die Staatsgewalt -- insbesondere im Zusammenhang mit der Besetzung der Iranischen Botschaft in Bonn-Bad Godesberg am 28. Januar 1976 durch Angehörige der "Confederation Iranischer Studenten -- National-Union" (CISNU). Aus Gründen der inneren Sicherheit wurde Anfang des Jahres eine Demonstration der CISNU in Frankfurt/M. verboten. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts über die mit dem Ziel der Aufhebung der Verbotsverfügungen des Bundesministers des Innern vom 9. Juli 1976 erhobenen Klagen des "Kroatischen Nationalen Widerstandes" (HNOtpor) und des "Kroatischen Vereins Drina e.V." -- Teil- ten" (GUPS) und der "Generalunion Palästinensischer Arbeiter" (GUPA) gegen die vom Bundesminister des Innern am 3. Oktober 1972 erlassenen Verbotsverfügungen sind im Januar bzw. Februar 1978 ergangen. In allen Fällen wurden die Verbotsverfügungen durch Abweisung der Anfechtungsklagen bestätigt. IX. Beurteilung Die Gefahren, die von Gewaltverbrechen ausländischer Extremisten ausgehen, sind durch die Entführung der Lufthansamaschine nach Mogadischu durch palästinensische Terroristen deutlich geworden. Die Befreiung der deutschen Geiseln hat insbesondere in arabischen terroristischen Kreisen den Ruf nach Vergeltung laut werden lassen. Militante Extremisten anderer Nationalität brachten unverhohlen ihre Sympathie mit den Entführern und Geiselnehmern zum Ausdruck. Weitere Terroraktionen grenzüberschreitender Kommandounternehmen gegen Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder Ziele im Bundesgebiet sind deshalb nicht auszuschließen und als Risikofaktor für die innere Sicherheit in Rechnung zu stellen. Sorgfältig zu beobachten sind weiterhin diejenigen linksextremistischen, sozalrevolutionären und nationalistischen ausländischen Gruppen, die Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele propagieren. Das gilt vor allem für iranische, türkische und jugoslawische Vereinigungen. Mit Ausnahme der jugoslawischen Extremisten solidarisieren sie sich zunehmend mit gleichgesinnten deutschen Extremisten und unterstützen sich gegenseitig bei ihren Aktionen. Besonders die Angriffe maoistischer und sozialrevolutionärer Ausländergruppen gegen die Regierungen ihrer Heimatländer sowie ihre Agitation gegen politisch Andersdenkende und die Diffamierung ihres Gastlandes werden anhalten und weiterhin auch Grundlage zu erwartender Tätlichkeiten unter politisch rivalisierenden Ausländergruppen sein. Im Vergleich hierzu sind orthodoxund national-kommunistische sowie nationalistische ausländische Vereinigungen nach wie vor für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ein relativ geringes Risiko.