[le 1030 und linksradikale Bestrebungen Spionageabwehr Mit dieser Schrift wird der Jahresbericht 1972 des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den ich schon im Juni der Öffentlichkeit vorgestellt habe, allen interessierten Bürgern auch in gedruckter Form zugänglich gemacht. Dies entspricht einer inzwischen bewährten und allseits anerkannten Übung: Die Arbeit des Verfassungsschutzes soll sich so transparent wie möglich vollziehen. Gegenstand des Berichts ist die Entwicklung des Rechtsund Linksradikalismus, der Spionagetätigkeit und der sicherheitsgefährdenden Bestrebungen von Ausländern. Im wesentlichen zeigt sich, daß sich die bereits im Verfassungsschutzbericht 1971 dargestellten Tendenzen fortgesetzt haben. Die Bedeutung des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik Deutschland ist weiter zurückgegangen. Auch den linksradikalen Gruppierungen blieben nach wie vor im allgemeinen nennenswerte Erfolge versagt, mit Ausnahme des Hochschulbereiches, wo vor allem orthodox-kommunistische Gruppierungen ihren Einfluß in studentischen Gremien verstärken konnten. Bei verschiedenen gewalttätigen Ausschreitungen nahmen dagegen immer deutlicher einige maoistische Gruppen der "Neuen Linken" eine Führungsrolle ein. Wie in früheren Jahren war auch 1972 die Bundesrepublik Deutschland bevorzugtes Ziel der Spionagetätigkeit kommunistischer Nachrichtendienste. Die Zahlen der -- bekanntgewordenen -- Anwerbungen, Anwerbungsversuche und erteilten Spionageaufträge waren jedoch 2 rückläufig, nicht zuletzt auf Grund wirkungsvoller Arbeit der Sicherheitsbehörden. Ein wichtiger Erfolg war auch die im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Zahl von Informanten, die sich den Sicherheitsbehörden freiwillig stellten. Ich appelliere noch einmal an alle, die in Verstrickungen geraten sind, sich daraus zu lösen und sich bei den Verfassungsschutzbehörden zu melden. Sie erhöhen damit die Chance, straffrei oder mit geringer Bestrafung ausgehen zu können. Die Aktivitäten der politisch-radikalen Ausländergruppen zielten unverändert darauf ab, stärkeren Rückhalt unter ihren hier lebenden Landsleuten zu gewinnen. Die weitaus überwiegende Mehrzahl der ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland ist jedoch nicht bereit, politisch-radikale Landsleute zu unterstützen. Hervorzuheben ist jedoch die gestiegene Bereitschaft bei inund ausländischen Extremisten, Gewalt anzuwenden, die bis zu Terrorakten bisher nicht gekannter Brutalität reichte. Anlaß zur Besorgnis gibt auch der Umstand, daß die Zahl der bekanntgewordenen Gewaltandrohungen mit politischem Hintergrund erheblich angestiegen ist. Zusammenfassend und mit einem Blick auf die bisherige Entwicklung im Jahre 1973 kann festgestellt werden, daß die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch politisch-radikale Bestrebungen oder durch politisch-motivierte Gewalttäter nicht ernsthaft gefährdet ist. Der entschiedenen Absage unserer Bürger an politischradikale Bestrebungen, gleich welcher Herkunft, wie sie vor allem bei den Bundestagswahlen 1972 einen deutlichen Ausdruck gefunden hat, messe ich dabei eine besondere Bedeutung zu. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den mit ihm zusammenarbeitenden Landesbehörden für Verfassungsschutz danke ich für ihre verantwortungsbewußte und erfolgreiche Arbeit, die sie zum Nutzen unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung geleistet haben. Entscheidend für die Auseinandersetzung mit den radikalen Kräften in unserem Land wird auch in Zukunft das demokratische Engagement der Bürger sein. Zu diesem Engagement gehört neben steter Reformbereitschaft in Staat und Gesellschaft die deutliche Absage an die freiheitsund demokratiefeindlichen Kräfte auf beiden Seiten, an die DKP und die NPD, und alle Organisationen, die sich in ihrem Umkreis bewegen. Hans-Dietrich Genscher Bundesminister des Innem 3 Herausgeber: Der Bundesminister des Innern, Referat Öffentlichkeitsarbeit, 53 Bonn, Rheindorfer Straße 198. September 1973 Inhalt Rechtsradikale Bestrebungen im Jahre 1972 I. Allgemeine Erfahrungen 11 II. Übersicht in Zahlen 12 1. Organisation 12 2. Publikationen 13 3. Rechtsradikale im öffentlichen Dienst 14 III. Regionale Schwerpunkte 15 1. Schwerpunkte des organisierten Rechtsradikalismus 15 2. Schwerpunkte rechtsradikaler Ausschreitungen 15 IV. Agitation gegen die Ostverträge 16 1. "Marsch auf Bonn" 16 2. NPD-Aktivitäten gegen die Ostverträge 16 3. Sonstige rechtsradikale Agitation gegen die Ostverträge -- 17 4. Publizistische Polemik gegen die Ostpolitik 17 4.1 "Deutsche Nationalzeitung" 17 4.2 NPD-Blätter 18 4.3 "Deutsche Wochenzeitung" 18 4.4 Andere rechtsradikale Blätter 18 V. Die NPD und ihre Hilfskräfte 19 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 19 1.1 Die Wahlen des Jahres 1972 19 1.1.1 Bundestagswahl 19 1.1.2 Landtagswahl in Baden-Württemberg 21 1.1.3 Kommunalwahlen 21 1.2 Mitgliederentwicklung 22 1.3 Parteiorganisation 23 1.3.1 Kreisverbände 23 1.3.2 "Junge Nationaldemokraten" 23 1.3.3 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" 23 1.3.4 Parteipublizistik 24 1.4 Parteiarbeit 24 1.5 Finanzen 24 1.6 Rechtsradikalität der NPD 25 1.6.1 Völkischer Kollektivismus 25 1.6.2 Rassismus 26 1.6.3 Antiparlamentarismus 26 1.6.4 Rechtfertigungsversuche für das nationalsozialistische System 27 2. Die Hilfskräfte der NPD , 28 2.1 "Arbeitskreis Volkstreuer Verbände" 28 2.2 "Einheitsfront der nationalen Publizistik" 28 2.3 "Intereuropäische Nationale" 29 2.4 Sonstige Hilfskräfte 29 5 VI. Die "Vereinigte Freiheitliche" 30 1. "Freiheitlicher Rat" 30 2. "Deutsche Volksunion" 31 3. Die Hilfskräfte der "Deutschen Volksunion" 31 4. Die "Deutsche Nationalzeitung" und ihre Nebenblätter 32 VII. Die "Neue Rechte" 32 1. "Aktion Neue Rechte" 33 2. "Außerparlamentarische Mitarbeit" 34 3. "Deutsch-Europäische Studiengesellschaft" 35 4. "Neue Deutsche Jugend" 36 VIII. "Nationalsozialistische Kampfgruppe Großdeutschland" 36 1. Die nationalsozialistische Zielsetzung 36 2. Der militante Charakter 37 3. Die konspirativen Kampfmethoden 37 4. Die Verbindungen 38 5. Stand der Ermittlungen 38 IX. Terror und sonstige Ausschreitungen 38 X. Maßnahmen 41 1. Verurteilungen 41 2. Verbote 41 XI. Beurteilung 41 Abbildungen Entwicklung der Organisation und der Mitgliederzahlen im organisierten Rechtsradikalismus 43 Entwicklung der rechtsradikalen Publizistik 43 Regionale Schwerpunkte rechtsradikaler Tätigkeit 44 Marsch auf Bonn 45 Rechtsradikale Agitation gegen die Ostverträge 46 NPD-Schwerpunkte bei den Bundestagswahlen 1972, 1969 und 1965 47 Entwicklung der NPD-Mitgliederstärke und der Auflage der "Deutschen Nachrichten" (DN) in den Jahren 1964-1972 48 Kampfschriften der "Neuen Rechten" 49 Waffenund Gerätefunde bei Angehörigen der NSKG/SNKD 50 Ausschreitungen deutscher Staatsbürger aus rechtsextremistischen Motiven in den Jahren 1969-1972 51 Ausschreitungen deutscher Staatsbürger aus rechtsextremistischen Motiven im Jahre 1972 51 Linksradikale Bestrebungen im Jahre 1972 I. Allgemeine Erfahrungen 52 1. "Neue Linke" 52 2. Orthodoxe Kommunisten 53 3. Anzahl der Terrorund Gewaltakte mit linksradikalem Hintergrund 54 6 II. Übersicht in Zahlen 54 1. Organisationen 54 2. Publikationen 55 3. Linksradikale im öffentlichen Dienst 55 4. Studentenparlamente und Allgemeine Studentenausschüsse . . 56 4.1 Studentenparlamente r 56 4.2 Allgemeine Studentenausschüsse 57 III. Terror und sonstige Ausschreitungen 58 1. Ideologische Motivationen 58 2. Terrorgruppen 60 2.1 Baader-Meinhof-Bande ("Rote Armee Fraktion" - RAF) 60 2.2 "Bewegung 2. Juni" 61 3. Zahlenmäßige Entwicklung der Terrorund Gewaltakte 62 IV. Regionale Schwerpunkte 62 V. Schwerpunkte der Agitation 63 1. Ostund Deutschlandpolitik 63 2. Sozialpolitik 63 3. Konjunkturund Wirtschaftspolitik 64 4. Sicherheitsund Verteidigungspolitik 64 5. Bildungspolitik 65 6. "Berufsverbote" 65 VI. Kommunistische Tätigkeit 66 1. Bündnispolitik 66 1.1 "Aktionseinheit" mit Sozialdemokraten 66 1.2 Bemühungen um "Aktionseinheit" mit Gewerkschaften 67 1.3 "Volksfronf'-Politik 68 1.4 Betriebsarbeit 69 1.5 DKP und EWG 70 2. Jugendund Studentenarbeit 70 2.1 Jugend 71 2.2 Studenten 72 3. Propaganda und Schulung 73 4. Wahlergebnisse 75 4.1 Bundestagswahl 75 4.2 Landtagswahl Baden-Württemberg 75 4.3 Kommunalwahlen 75 VII. DDR-Aktivität in der Bundesrepublik Deutschland 76 VIII. Verhältnis der Kommunisten zur "Neuen Linken" 78 IX. Die "Neue Linke" 79 1. Ideologie und organisatorische Tendenzen 79 2. Tätigkeit an Hochschulen 80 3. Tätigkeit außerhalb der Hochschulen 81 4. Aktionen 82 X. Entwicklung der bedeutenderen Organisationen und Gruppen 83 1. Kommunistische und kommunistisch beeinflußte Gruppen 83 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 83 7 1.2 "Sozialistische Einheitspartei Westberlins" (SEW) 85 1.3 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 85 1.4 "Marxistischer Studentenbund Spartakus" (MSB) 86 1.5 SHB (vormals: "Sozialdemokratischer Hochschulbund") 87 1.6 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der A n t i f a s c h i s t " (VVN) 87 1.7 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) 88 2. Organisationen der "Neuen Linken" 88 2.1 Maoistische Gruppen 88 2.1.1 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 88 2.1.2 "Kommunistische Partei Deutschlands / MarxistenLeninisten" (KPD/ML) 90 2.1.3 Kommunistische Gruppe (Neues Rotes Forum) (KG/NRF) Mannheim-Heidelberg 91 2.1.4 "Kommunistischer Bund" (KB) 91 2.1.5 "Kommunistischer Bund Bremen" (KBB) 92 2.2 Trotzkistische Gruppen 92 2.3 Sonstige Gruppen 93 XI. Beurteilung 94 XII. Schriften, die Gewaltakte rechtfertigen und dazu anleiten . . 95 Abbildungen Terroristische Schriften 98 Schlagzeilen anarchistischer Zeitungen 99 Demonstration maoistischer Gruppen während der Olympischen Spiele in München 100 Sprengstoffanschlag auf die amerikanischen Hauptquartiere in Frankfurt und Heidelberg 101 Sprengstoffanschlag auf Parkplatz des Bayerischen LKA in München 102 Sprengstoffanschlag auf Springer-Hochhaus in Hamburg 103 Sprengstoffanschlag auf PKW eines Bundesrichters in Karlsruhe 104 "Baby"-Bombe der RAF 105 Sprengkörper der RAF 106 Betriebszeitungen der DKP 107 Anteil der Zweitstimmen der KPD, DFU, ADF und DKP bei Bundestagswahlen 108 Maoistische Betriebszeitungen 109 Demonstration maoistischer Gruppen gegen das "reaktionäre Ausländergesetz" in Dortmund 110 Ortszeitungen der DKP 111 Die Spionageabwehr 1972 I. Allgemeine Erfahrungen 112 II. Übersicht über Zahlen 113 1. Umfang der erkannten Tätigkeit kommunistischer Nachrichtendienste 113 1.1 Werbungen und Werbungsversuche 113 1.2 Aufträge 114 8 III. Werbungsmethodik 114 1. Kontaktanlässe 114 2. Werbungsmittel 115 IV. Führung der Agenten 115 V. Die Ziele der Spionagetätigkeit 116 VI. Legale Residenturen in der Bundesrepublik Deutschland 116 1. Personelle Besetzung und Anteil der erkannten und vermutlichen Mitarbeiter gegnerischer Dienste 116 2. Arbeitsweise der legalen Residenturen 117 VII. Briefanbahnungen 118 1. Anbahnung von Journalisten unter der Legende "Zentralstelle für Bildund Informationsaustausch" (ZEBI) 119 2. Anbahnung unter der Legende "Internationale Werbeund Vermittlungsagentur" (INTER WEVAG) 119 3. Briefliche Anbahnungsversuche aufgrund beruflicher Veränderungswünsche in Zeitungsinseraten 120 VIII. Spionage gegen den DGB 120 IX. Werbungsversuche des MfS bei legaler Übersiedlung 121 X. Reaktivierung einer KGB-Verpflichtung während der Kriegsgefangenschaft 122 XI. Olympische Spiele 123 XII. Interesse des Rumänischen Nachrichtendienstes an Aussiedlern und Flüchtlingen 124 XIII. Verurteilungen 125 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1972 I. Allgemeine Erfahrungen 126 II. Statistische Daten zur Entwicklung der ausländischen Extremistengruppen 127 1. Organisation 127 2. Publizistik 129 III. Regionale Schwerpunkte 131 IV. Ausschreitungen 131 V. Ausländergruppen mit konspirativen Tendenzen 136 1. Palästinensische Gruppen 136 2. Antiarabischer Untergrund 138 3. Kroatische Nationalisten 139 4. Anarchisten 140 5. Sonstige Ausländergruppen 140 9 VI. Träger linksextremer Tendenzen 141 1. Ausländische kommunistische Parteien und ihre Hilfsorganisationen 141 2. Maoisten und sonstige Gruppierungen 143 3. Solidarisierungstendenzen 144 VII. Schwerpunkte der Agitation ausländischer Linksextremisten im Bundesgebiet 144 1. Revolutionäre Propaganda 144 2. Angriffe gegen die Bundesrepublik Deutschland 145 3. Klassenkampfpolemik 145 VIII. Offen arbeitende Nationalistengruppen 145 1. Radikale Gruppen innerhalb der Ostemigration 146 2. Griechische, italienische und türkische Rechtsextremisten 146 IX. Maßnahmen 147 X. Zusammenfassende Beurteilung 148 Abbildungen Der Anschlag palästinensischer Terroristen gegen die israelische Olympia-Mannschaft am 5./6. September 1972 in München 151 Ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland 152 Giftund Sprengstoffbriefe als Mittel des politisch motivierten Terrors 153 Sprengstoffbrief palästinensischer Terroristen an das jüdische Altersheim in Düsseldorf 154 Drohbriefe an palästinensische Arbeiter im Bundesgebiet 155 Glorifizierung des Mordanschlages gegen die israelische Olympiamannschaft in München durch die PLO-Zeitschrift "Palästinensische Revolution" vom 13. 9. 1972 156 Werbeplakat der Generalunion Palästinensischer Studenten im Bundesgebiet 157 Organisation der Kommunistischen Partei Italiens und ihrer Massenorganisation "FILEF" im Bundesgebiet 158 Türkische Maoisten 159 In Berlin erscheinende Zeitungen türkischer Maoisten 160 10 Rechtsradikale Bestrebungen im Jahre 1972 I. Allgemeine Erfahrungen 1. Der organisierte Rechtsradikalismus ist durch die fortschreitende Zersplitterung und einen erheblichen Rückgang der Mitgliederzahlen im Jahre 1972 weiter geschwächt worden. Davon ist insbesondere die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) betroffen, deren Mitgliederzahl 1972 von rd. 18 300 auf rd. 14 500 abgesunken ist. Die Parteiarbeit ist infolge der Wahlniederlagen und Organisationsschwächen erheblich gelähmt, die Finanzlage fast ausweglos. Dennoch ist der von den Gegnern der NPD erhoffte und von ihr selbst befürchtete Zerfall der Partei nach der Wahlniederlage nicht eingetreten. Die NPD ging mit neuen Konsolidierungsplänen in das Jahr 1973. Sie konnte mit Hilfe des "Arbeitskreises Volkstreuer Verbände" und der "Einheitsfront der Nationalen Publizistik" ihre Bundesgenossen an sich binden. 2. Für Dr. Gerhard Frey, den Herausgeber der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ), brachte das Jahr 1972 einen politischen Rückschlag. Die von ihm geführte "Deutsche Volksunion" (DVU) stagniert, der als Koordinierungsinstrument gebildete "Freiheitliche Rat" (FR) ist gescheitert, der "Marsch auf Bonn" war ein Fehlschlag. Die von ihm zum Jahresende geplante Parteigründung mußte er aus Mangel an Resonanz aufgeben. 3. Von den zahlreichen Gruppen und Zirkeln der rechtssozialistischen "Neuen Rechten" haben nur wenige das Jahr 1972 überlebt. Außer den Aktivitäten der "Aktion Neue Rechte" (ANR) und den revolutionären Schriften der "Außerparlamentarischen Mitarbeit" ist die "Neue Rechte" ohne Resonanz. Die ANR arbeitet an ihrem Programm und will ihre Organisation straffen. Sie verstärkte ihre Kontakte zum internationalen Faschismus. 4. Die Zahl der Terrorund Gewalttaten aus rechtsextremistischen Motiven ist im Vergleich zum Vorjahr von 123 Vorfällen (einschließlich Androhungen) auf 93 zurückgegangen, wobei Körperverletzungen und Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit dem Bundestagswahlkampf und Bedrohungen von Politikern, die sich zu den Ostverträgen bekannten, im Vordergrund standen. 11 5. Nach der Zerschlagung der "Europäischen Befreiungsfront" (EBF) im Jahre 1970 ist mit der "Nationalsozialistischen Kampfgruppe Großdeutschland" (NSKG) im Jahre 1972 eine weitere konspirativ arbeitende bewaffnete Gruppe aufgedeckt worden. Die bislang ermittelten 25 Aktivisten bekennen sich als fanatische Anhänger der nationalsozialistischen Idee. Sie betrachten sich als "Testamentsvollstrecker des Führers" und wollen "Deutschland auf der Grundlage des Nationalsozialismus von Adolf Hitler" retten. Zu diesem Zweck sollten "paramilitärische Einheiten" gebildet werden, für die bereits Waffenund Munitionslager angelegt worden waren. Bemerkenswert ist, daß die NSKG mit palästinensischen Terroristenkreisen in Verbindung stand. 6. Die politische Entwicklung des Rechtsradikalismiw wurde im Jahre 1972 geprägt durch die massiven Protestaktionen gegen die Ostpolitik der Bundesregierung und durch die Bundestagswahl am 19. November. Am Ende des Jahres standen drei rechtsradikale Richtungen nebeneinander, die sich zum Teil wegen programmatisch-ideologischer Meinungsverschiedenheiten, zum Teil aber auch aus organisatorischen und sogar kommerziellen Konkurrenzgründen heftig befehdeten: Die Nationaldemokratische Rechte mit der NPD Die "Vereinigte Freiheitliche" mit der DVU und der DNZ Die "Neue Rechte" mit der ANR. II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen Am 31. Dezember 1972 bestanden in der Bundesrepublik Deutschland 129 rechtsradikale Organisationen mit etwa 28 700 Mitgliedern (Mehrfachmitgliedschaften eingeschlossen). Im Vorjahr waren es 123 rechtsradikale Organisationen mit rd. 31 900 Mitgliedern. Der Rechtsradikalismus verlor damit weitere 3200 Mitglieder, während sich die Zahl der Organisationen um 6 erhöhte. Die seit 1969 erkennbare Zersplitterung des rechtsradikalen Lagers setzte sich also im Berichtsjahr 1972 fort. Einzelheiten über die Zahl der rechtsradikalen Organisationen und ihrer Mitglieder ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle. 12 Ende 1970 Ende 1971 Ende 1972 Organisationsart Org. Mitgl. Org. Mitgl. Org. Mitgl. Zahl rd. Zahl rd. Zahl rd. Parteien 7 23 200 4 18 800 3 14 700 Jugendorganisationen 9 800 9 2 200 9 1 800 Gruppen der "Neuen Rechten" .. 12 400 15 1 000 Sonstige Organisationen 50 7 500 42 10 300 49 11 000 Verlage, Buchdienste 42 200 56 200 53 200 108 31700 123 31900 129 28 700 Abzug für Mehrfachmitgliedschaften 2 000 4 000 4 000 29 700 27 900 24 700 2. Publikationen Zahl und Auflage der Zeitungen und Zeitschriften des deutschen Rechtsradikalismus sind im Jahre 1972 weiter angestiegen. Am 31. Dezember 1972 bestanden in der Bundesrepublik Deutschland 69 Publikationen dieser Art (1971 :55). Die durchschnittliche Wochenauflage dieser Blätter ist mit 207 500 Exemplaren gegenüber dem Vorjahr um 2800 gestiegen. Die Auflagenhöhe des NPD-Organs "Deutsche Nachrichten" (DN) fiel um etwa 5000 (16%) auf rund 26 000. Dagegen konnte die auflagenstärkste rechtsradikale Wochenzeitung, die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ), ihre Auflage im Berichtsjahr um 2000 auf 112 000 steigern. Die Auflage der "Deutschen Wochen-Zeitung" (DWZ), die wie die DNZ von einem freien Verlag herausgegeben wird, blieb 1972 nahezu unverändert bei etwa 20 000 Exemplaren. Die genannten 3 Blätter hatten mit zusammen etwa 158 000 Exemplaren insgesamt einen Anteil von 76% (1971 :80%) der durchschnittlichen Wochenauflage aller rechtsradikalen Publikationen. Im einzelnen sind die Veränderungen des Jahres 1972 in der nachstehenden Tabelle dargestellt: Ende 1970 Ende 1971 Ende 1972 Publikationen von Zahl Wochen-Zahl Wochen-Zahl Wochenauflage aufläge aufläge Parteien 20 54 000 14 55 800 10 56 400 Jugendorganisationen 9 70 6 100 10 500 "Neue Rechte" - -- 7 2 900 12 2 900 sonst. Vereinigungen 11 2 500 14 5 500 24 7100 freien Verlagen 14 147 900 14 140 400 13 140 600 54 204 470 55 204 700 69 207 500 13 3. Rechtsradikale im öffentlichen Dienst Am 31. Dezember 1972 gehörten nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder insgesamt 1413 öffentliche Bedienstete rechtsradikalen Organisationen an. Bei der Hälfte dieser Personen steht die Mitgliedschaft in einer rechtsradikalen Organisation mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest. Bei der anderen Hälfte hat einmal eine solche Mitgliedschaft bestanden, ohne daß über deren Beendigung etwas bekannt geworden ist. Es kann in diesen Fällen auf einen Fortbestand der Mitgliedschaft geschlossen werden. 1320 (=93,5%) der im öffentlichen Dienst beschäftigten Rechtsradikalen gehören der NPD, die übrigen 93 (=6,5%) sonstigen rechtsradikalen Organisationen an. Von diesen 1413 Angehörigen des öffentlichen Dienstes stehen 841 ( = 59,5%), davon 807 NPD, im Bundesdienst, 428 ( = 30,3%), davon 380 NPD, im Landesdienst, 144 ( = 10,2 %), davon 133 NPD, im Kommunaldienst. Die im Bundesdienst tätigen 841 Angehörigen rechtsradikaler Organisationen sind bis auf wenige Ausnahmen bei nachgeordneten Behörden tätig. Von den 428 Landesbediensteten in rechtsradikalen Organisationen sind tätig 127 im Schuldienst, 67 in der Justiz, 63 bei der Finanzverwaltung, 50 bei der Polizei und 121 in den übrigen Verwaltungszweigen. Die insgesamt 572 Rechtsradikalen im Landesund Kommunaldienst verteilen sich auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland wie folgt: LandesKommunaldienst dienst insgesamt Baden-Württemberg 50 26 76 Bayern 76 24 100 Berlin 5 2 7 Bremen 4 1 5 Hamburg 23 2 25 Hessen 32 15 47 Niedersachsen 79 11 90 14 LandesKommunaldienst dienst insgesamt Nordrhein-Westfalen 90 34 124 Rheinland-Pfalz 13 11 24 Saarland 14 4 18 Schleswig-Holstein 42 14 56. Die nachfolgende Übersicht zeigt die Zugehörigkeit der im öffentlichen Dienst stehenden 1413 Mitglieder rechtsradikaler Organisationen zu den beamtenrechtlichen Laufbahnbzw. Arbeiteroder Angestelltengruppen: höherer Dienst 108 ( 7,6%) gehobener Dienst 223 (15,8%) mittlerer Dienst 592 (41,8%) einfacher Dienst 189 (13,4%) Angestellte 220 (15,6%) Arbeiter 81 ( 5,8%) III. Regionale Schwerpunkte 1. Schwerpunkte des organisierten Rechtsradikalismus Regionale Schwerpunkte des organisierten Rechtsradikalismus waren im Jahre 1972 wiederum das norddeutsche Gebiet im Räume Kiel -- Hamburg - Bremen -- Bielefeld -- Hannover, Bereiche der Pfalz, Südhessens und des nördlichen Teiles von Baden-Württemberg, die mittelfränkische Region um Nürnberg sowie das Gebiet um München zwischen Rosenheim und Augsburg. Besonders aktive rechtsradikale Organisationen bestehen in Hamburg, Bremen, Hannover, Frankfurt, Stuttgart und München. 2. Schwerpunkte rechtsradikaler Ausschreitungen Auch die Schwerpunkte rechtsradikaler Ausschreitungen haben sich gegenüber 1971 nicht wesentlich verändert. Im Rhein-Ruhrgebiet fanden rund 29% aller Ausschreitungen aus rechtsextremistischen Motiven statt. Wiederum liegen Köln mit 18, Berlin mit 17 und Bonn mit 13 bekanntgewordenen Fällen an der Spitze. Die 15 höchste Zahl solcher Aktionen verzeichneten die Bundesländer Nordrhein-Westfalen (104), Bayern (35) und Hessen (32). SchleswigHolstein, Bremen und das Saarland waren am wenigsten betroffen. IV. Agitation gegen die Ostverträge Die Ostund Deutschlandpolitik der Bundesregierung beherrschte 1972 die Agitation des Rechtsradikalismus. 1. "Marsch auf Bonn" Bereits im Januar 1972 war auf die Initiative Dr. Gerhard FREYs, des Herausgebers der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ) und Vorsitzender der "Deutschen Volksunion" (DVU), unter Beteiligung der Vorsitzenden der "Aktion Neue Rechte" (ANR), der "Aktion Oder Neiße" (AKON), der "Aktionsgemeinschaft 17. Juni" und des "Arbeitskreises Volkstreuer Verbände" (AVV) der "Freiheitliche Rat" (FR) gegründet worden. Er sollte als Koordinierungsgremium einen "Marsch auf Bonn" und die Sammlung des "rechten Lagers" vorbereiten. Mit großem Propagandaaufwand rief Dr. FREY "das gesamte freiheitliche Deutschland" auf, "im Rahmen der größten nationalen Demonstration seit Bestehen der Bundesrepublik Zeugnis abzulegen für die Unantastbarkeit der Verfassung unseres Staates und der Grundund Menschenrechte" Als Auftakt fand am 25. März 1972 in Nürnberg eine "Europakundgebung" mit rund 1400 Teilnehmern statt. Den Höhepunkt bildete am 30. April 1972 nach einer Kundgebung in Bad Godesberg ein von der DVU organisierter und als "Marsch auf Bonn" bezeichneter Demonstrationszug zum Bonner Marktplatz. Die NPD und der "Arbeitskreis Volkstreuer Verbände" (AVV) hatten ihre Beteiligung abgesagt. 3000 Demonstranten nahmen an dem Aufzug teil, darunter auch kleinere NPD-Gruppen. Bei der Schlußkundgebung auf dem Bonner Marktplatz, bei der Dr. Frey und Dr. Siegfried PÖHLMANN (Vorsitzender der ANR) sprachen, hatten sich 5000 Zuschauer versammelt. 2. NPD-Aktivitäten gegen die Ostverträge Die Partei eröffnete ihre "Aktion des entschlossenen Kampfes gegen die Ostverträge" mit dem "Antiverzichtskongreß" am 23. Januar 16 1972 vor 600 Anhängern in Nürtingen. Der Februar 1972 war ihr "Kampfmonat gegen die Ostverträge", in dem sie große Mengen von Plakaten, Zeitungen und Flugblättern verteilte. Auf dem "Bundeskongreß" am 26. März 1972 in der Meistersingerhalle in Nürnberg wollte die NPD dokumentieren, daß die Führung dieser Partei in ihrer Gesamtheit "zu keinem Zeitpunkt aufhören wird, gegen die Verträge zu kämpfen, und entschlossen ist, ständig für ihre Revision einzutreten". Die 1300 Teilnehmer dieser Veranstaltung wurden vereidigt, immer für die Wiedervereinigung, das "Selbstbestimmungsrecht für alle Deutschen" und für die "Freiheit des ganzen deutschen Vaterlandes zu kämpfen". Die Partei erklärte den 17. Juni 1972 zum "Kampftag für Deutschlands Einheit und Freiheit" und veranstaltete an diesem Tag in München, Nürnberg, Karlsruhe, Detmold und Kiel regionale Kundgebungen. Am 13. August 1972 fand lediglich in Berlin eine schwach besuchte Saalveranstaltung der Partei statt, und in München demonstrierten etwa 30 ihrer Anhänger auf dem Marienplatz vor einer "symbolischen Mauer". 3. Sonstige rechtsradikale Agitation gegen die Ostverträge Viele andere, sich als Widerstandsorganisationen verstehende rechtsradikale Vereinigungen demonstrierten im Jahr 1972 gegen die Ostpolitik der Bundesregierung. Bei allen diesen Aufzügen wurde umfangreiches Propagandamaterial verteilt. 4. Publizistische Polemik gegen die Ostpolitik Die rechtsradikale Presse war sich im Jahre 1972 einig in der Ablehnung der Ostpolitik der Bundesregierung: 4.1 "Deutsche National-Zeitung" Bundeskanzler BRANDT beging nach Ansicht der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ) mit der Unterzeichnung der Ostverträge "Landesverrat", "Volksverrat" und "Verfassungsverrat" (16/72 5. 1/3). Die Ratifizierung der Ostverträge sei das "Verbrechen des Jahrhunderts" (7/72 S. 1) und "Deutschlands Untergang" (13/72 S. 1). Dr. FREY bezeichnet die Ostverträge als "Stalinverträge" und behauptet, die "Politgreise in Bonn verschlafen die neue Zeit" (16/72 S. 6). Die Bundesrepublik sei "auf dem Weg in den Sowjetblock". "BRANDTS Ostpolitik sei Moskaus Weltpolitik" (19/72 S. 4). 17 Die CDU/CSU-Führung habe "ihre Prinzipien und unser Land verraten" und im "vielleicht größten Wählerbetrug des Parlamentarismus . . . der sowjetischen Westpolitik den Weg geebnet". Der Oppositionsführer sei ein "nützlicher Idiot des Sowjetkommunismus' (20/72 S. 1 und 21/72 S. 1). 4.2 NPD-Blätter Der Bundesregierung geht es nach Darstellung der "Deutschen Nachrichten" (DN), des Parteiorgans der NPD, "weniger um die Vertretung deutscher Interessen . . . als vielmehr um ein kniefälliges Wohlverhalten gegenüber dem Kreml". Der Bundeskanzler präsentiere "sich immer intensiver als Erfüllungsgehilfe der kommunistischen Ostblockstaaten" (8/72 S. 4). Die NPD behauptet, die "Bonner Linksregierung" habe "sich in den Zustand der unbeschränkten Erpreßbarkeit gegenüber Moskau begeben" (36/72 S. 3). "Die geheimen Notizen über die Verhandlungen in Moskau beweisen die Komplicenschaft der WEHNER-BRANDT-BAHR-SCHEEL mit den Sowjetführern" (Deutscher Kurier -- Mai 72 S. 1). 4.3 "Deutsche Wochen-Zeitung" "BRANDT, SCHEEL, WEHNER und Genossen" werden von der der NPD nahestehenden Deutschen Wochen-Zeitung (DWZ) als "Totengräber der Einheit Deutschlands" und als "beflissene Erfüllungsgehilfen der Sowjetimperialisten" bezeichnet (5/72 S. 2). Die "Schreibtischtäter BRANDT und SCHEEL" bezichtigt das Blatt des "verfassungsverräterischen Treibens" (43/72 S. 2). "Das Verhältnis der derzeitigen Regierung zu . . . dem Grundgesetz" sei "das Verhältnis eines revolutionären Verfassungsfeindes" (4/72 S.8). 4.4 Andere rechtsradikale Blätter Der "Deutsche Studentenanzeiger" behauptet, die Verträge sicherten "die bestehenden Machtverhältnisse im sowjetischen Interesse, eine Ordnung der Gewalt, des Terrors, des Raubes, der Unterdrükkung" (55/72 S. 1). "Nation Europa" führt aus: "Die Ostverträge der Bonner Linksregierung einschließlich der Vier-MächteVereinbarung über Berlin entziehen . . . der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ihre legitimatorische Basis und lassen sie damit zu einem historischpolitisch ortlosen, entwurzelten Normenhaufen werden" (3/72 S. 7). 18 "Rebell" (Kampfschrift der Berliner "Außerparlamentarischen Mitarbeit") schreibt, "in den Verträgen von Moskau und Warschau" hätten die "Bonner Sozialreaktionäre" die "elementaren Interessen der Deutschen ignoriert" (4/72 S. 1). Das "Nationaleuropäische Monatsmagazin "MUT" verkündet: "Ostpolitik ist die Sowjetpolitik im Zeichen der bolschewistischen Weltrevolution" (54/72 S. 16). Nach Ansicht von "Recht und Ordnung" (Organ der "Aktion Neue Rechte") ist "BRANDT in seiner Ostpolitik ein Verfassungsverächter und lakaienhafter Vollstrecker des Machtwillens der Sowjetunion und der Erfüllung der sowjetischen Anmaßungsforderungen von 1945" (1/2/72 S. 9). "Die moralische Verlumpung der deutschen Sozialdemokratie" ist nach der Diktion des "Deutschen Anzeigers" (Organ der DVU) perfekt. "Wer jetzt noch nicht sieht oder nicht sehen will, daß die Reise mit der SPD zur marxistisch-kommunistischen Volksfront geht, dem ist nicht mehr zu helfen" (20/72 S. 1). V. Die NPD und ihre Hilfskräfte . 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 1.1 Die Wahlen des Jahres 1972 1.1.1 Bundestagswahl Der Parteivorstand der NPD hatte auf seiner Sitzung vom 24./25. Juni 1972 in Friedberg beschlossen, sich an der Bundestagswahl zu beteiligen. Nach größeren Schwierigkeiten gelang es der Partei, die erforderlichen Unterschriften in 234 der 248 Wahlkreise zu sammeln. Die Partei verzichtete weitgehend auf Veranstaltungen und beschränkte sich auf die Schriftpropaganda. Trotz relativ bescheidener Finanzmittel stellte sie im Wahlkampf rund 800 000 Plakate, 2 Millionen Flugblätter und 6,5 Millionen Zeitungen bereit. Höhepunkt des Wahlkampfes war der als Wahlkongreß ausgestaltete Bundesparteitag am 21. Oktober 1972 in Düsseldorf, auf dem das Wahlprogramm bekanntgegeben wurde. Die NPD führte den Wahlkampf nicht nur gegen SPD und FDP, sondern auch gegen das "große Übel" CDU/CSU, die sich "mit faulen Tricks und verlogenen Argumenten in die Wählerschaft der NPD einzuschleichen und diese abzuwerben" versuche. Die Unions19 Parteien seien ein "Hort des seelenlosen Materialismus", sie seien "Wachs in den Händen der Linken" und würden "ohne eine starke Rechte . . . auch weiterhin vor den Roten im Innern wie nach außen kapitulieren". Die Partei trat mit 359 Kandidaten an. 164 von ihnen waren zugleich Direktund Listenkandidaten. Die NPD erhielt 194 389 der gültigen Erststimmen ( = 0,5%) und 207 465 der gültigen Zweitstimmen ( = 0 , 6 % ) . Es war die dritte Bundestagswahl, an der die Partei teilgenommen hat: Zweitstimmen Erststimmen 1965 664193 = 2,0% 587 216 = 1,8% 1969 1422 010 = 4,3% 1189 375 = 3,6% 1972 207 465 = 0,6% 194 389 = 0,5%. In den einzelnen Bundesländern erzielte die Partei folgende Ergebnisse: 1972 1969 Schleswig-Holstein 8 535 = 0,5% 62 912 - 4,3% Hamburg 4 633 = 0,4% 40 814 = 3,5% Niedersachsen 22 907 = 0,5% 188 256 = 4,6% Bremen 2 305 = 0,5% 19 723 = 4,4% Nordrhein-Westfalen 37 628 = 0,3% 295 988 = 3,1 % Hessen 19 767 = 0,6% 158 705 = 5,1 % Rheinland-Pfalz 18 321 = 0,8% 107 780 = 5,2% Baden-Württemberg 40 580 = 0,8% 207 900 = 4,5% Bayern 47140 - 0,7% 303 828 = 5,3% Saarland 5 649 = 0,8% 36164 = 5,7% Überdurchschnittliche Erfolge verzeichnete die NPD in RheinlandPfalz, Baden-Württemberg, Bayern und Saarland, unterdurchschnittlich fiel das Ergebnis aus in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen erreichte sie mit 0,3% den niedrigsten Stimmanteil. In fast allen Bundesländern (außer Bayern und Bremen) erhielt die NPD mehr Zweitstimmen als Erststimmen. Die höchsten Ergebnisse erreichte die Partei in einigen süddeutschen Wahlkreisen. Die niedrigsten Ergebnisse (0,2%) hatte die NPD in 11 Wahlkreisen Westfalens, des Ruhrgebietes und des Kölner Raumes. Das Durchschnittsergebnis aller großstädtischen Wahlkreise liegt mit 0,4% beträchtlich unter dem Bundesdurchschnitt. 20 1.1.2 Landtagswahl in Baden-Württemberg Die NPD begann mit dem Wahlkongreß am 23. Januar 1972 in Nürtingen einen mit großem Einsatz geführten Wahlkampf in BadenWürttemberg. Schon bald kamen in der Führungsspitze jedoch Zweifel auf, ob es aus politischen Erwägungen richtig sei, sich an dieser Landtagswahl zu beteiligen. Der Parteivorsitzende Martin MUSSGNUG erklärte deshalb bereits im März 1972, die politische "Entwicklung habe es notwendig gemacht, den Wahlkampf zu überdenken. In seiner Sitzung am 18. März 1972 in Stuttgart beschloß dann der Parteivorstand, von einer Beteiligung an der Landtagswahl abzusehen. Dieser Beschluß entfachte unter den Parteimitgliedern große Unruhe und heftigen Widerstand. Durch die Nichtbeteiligung an der Landtagswahl entstand eine staatliche Rückzahlungsforderung aus Wahlkampfkostenvorschüssen in Höhe von über 500 000,-DM gegen den Landsverband. Die Partei zahlte nach einem Vergleich etwa 400 000,-DM, die Restforderung wurde vom Landtagspräsidenten wegen offensichtlicher Nichteintreibbarkeit niedergeschlagen. Die NPD hat seit dieser Landtagswahl keine Abgeordneten mehr in Landesparlamenten. 1.1.3 Kommunalwahlen Bei den Kommunalwahlen in Bayern am 11. Juni 1972 kandidierte die NPD in 21 Landkreisen, 18 kreisfreien Städten und 17 kreisangehörigen Städten und Gemeinden, teils mit NPD-Listen, teils in Wahlbündnissen mit Wählergemeinschaften. An den Kommunalwahlen in Hessen am 22. Oktober 1972 beteiligte sich die NPD nur in 11 Landkreisen, 3 kreisfreien Städten und 6 kreisangehörigen Gemeinden. Die Partei nahm an der durch Gebietsreform bedingten Teilkommunalwahl in Rheinland-Pfalz am 23. April 1972 in einem Landkreis, 2 Städten und 3 Verbandsgemeinden teil. In Niedersachsen fanden infolge Gebietsneugliederungen am 22. Oktober 1972 ebenfalls Teilkommunalwahlen statt. Die NPD beteiligte sich in 24 Landkreisen, 9 kreisfreien Städten und 57 kreisangehörigen Gemeinden. Nach den Kommunalwahlen des Jahres 1972 hat die NPD in den Parlamenten der Kommunen (Bezirkstage, Kreistage, Stadträte und Gemeinderäte) nur noch 124 Abgeordnete. Am Jahresende 1971 waren es noch 426. Die 124 NPD-Mitglieder in Kommunalparlamenten verteilen sich auf die Länder wie folgt: 21 1972 1971 Baden-Wü rttem berg 16 18 Bayern 16 91 Hessen 1 69 Niedersachsen 17 161 Nordrhein-Westfalen 5 7 Rheinland-Pfalz 31 40 Saarland 20 22 Schleswig-Holstein 18 18 1.2 Mitgliederentwicklung Die NPD hat angesichts ihrer Erfolglosigkeit und der dadurch verursachten Resignation im Jahre 1972 einen Bestandsverlust von 3800 Mitgliedern gehabt. Damit hat sich die bereits seit 1970 anhaltende Tendenz fortgesetzt. Die Partei hat jetzt noch ungefähr 14 500 Mitglieder (1969: 28 000; 1970: 21 000; 1971: 18 300), die sich auf die einzelnen Landesverbände wie folgt verteilen: Anteil am GesamtAnteil am mitgliederGesamtMitgl.-Zahl Mitgl.-Zahl stand in % verlust in % Landesverband 1972 rd. 1971 rd. 1972 1972 Baden-Württemberg 2 000 2 400 13,8 % 10,5 % Bayern 3 400 4 950 23,5 % 40,7 % Berlin 120 200 0,8 % 2,1 % Bremen 180 350 1,2% 4,5 % Hamburg 500 650 3,5 % 4,0 % Hessen 1 500 1 800 10,3 % 7,9 % Niedersachsen 2 000 2 600 13,8 % 15,8 % Nordrhein-Westfalen 2 500 2 500 17,2% -- Rheinland-Pfalz 1 050 1 200 7,3 % 3,9 % Saarland 250 450 1,7% 5,3 % Schleswig-Holstein 1000 1200 6,9 % 5,3 % 14 500 18 300 Von den Verlusten am stärksten betroffen war der Landesverband Bayern, der rd. 1550 Mitglieder (40,7% des Gesamtverlustes der Partei) durch Austritt, Streichung und Tod verlor. Dennoch blieb die bayerische Landespartei mit 23,5% des Bestandes der Gesamtpartei der mitgliederstärkste Landesverband. Da die NPD auch Eintritte verzeichnete, sind die tatsächlichen Abgänge bedeutend höher. Bemerkenswert ist, daß sich im Landes22 verband Nordrhein-Westfalen Austritte und Eintritte die Waage hielten; dieser Landesverband erlitt als einziger keine Bestandsverluste. 1.3 Parteiorganisation 1.3.1 Kreisverbände Trotz der erheblichen Mitgliederverluste in den vergangenen Jahren ist die Parteiorganisation auf Bundesund Landesebene nach wie vor intakt. Für die Kreisverbände gilt dies nur eingeschränkt. Es gibt NPD-Kreisverbände, die nicht einmal über 20 Mitglieder verfügen, so in größeren Gebieten des westlichen Niedersachsens, in Teilen Westfalens, des nördlichen und westlichen Hessens, in den nördlichen und westlichen Gebieten von Rheinland-Pfalz und im nördlichen Saarland sowie in vielen bayerischen und badenwürttembergischen Kreisen. Relativ starke Kreisverbände hat die NPD in Schleswig-Holstein, im mittleren und östlichen Niedersachsen, im Ruhrgebiet und im nordöstlichen Westfalen, in der Pfalz, im westlichen und mittleren Baden-Württemberg sowie im nordwestlichen Bayern. 1.3.2 "Junge Nationaldemokraten" Die jetzt etwa 1000 Mitglieder umfassende Jugendorganisation der NPD war 1972 unter ihrem Vorsitzenden Alfons HUEBER auf Bundesebene sehr aktiv. Sie mußte jedoch ihre Arbeit auf Kreisebene weitgehend aufgeben. In Nordrhein-Westfalen gibt es noch 10 JNKreisgruppen, in Niedersachsen 8, in Hessen 5, in Bayern 4, in Rheinland-Pfalz 4 sowie in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg je eine JN-Kreisgruppe, die noch durch regelmäßige politische Tätigkeit hervortreten. Das Eintrittsalter wurde inzwischen von 18 auf 15 Jahre gesenkt. 1.3.3 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" Auch 1972 gelang es dem "Nationaldemokratischen Hochschulbund" (NHB) nicht, sich als "Studentenverband der NPD" (SS 1 der NHB-Satzung) an Hochschulen durchzusetzen. Um die z. Z. bestehenden 21 Hochschulgruppen mit insgesamt etwa 150 Mitgliedern zu verstärken, beschloß die Bundesversammlung am 15. Juli 1972, auch Nicht-NPD-Mitglieder aufzunehmen. 23 1.3.4 Parteipublizistik Die als Parteiorgan der NPD von dem früheren Parteivorsitzenden Adolf v. THADDEN herausgegebenen "Deutschen Nachrichten" (DN) hatten 1972 eine durchschnittliche Wochenauflage von etwa 26 000 Exemplaren. Die Auflage ist gegenüber dem Vorjahr um rd. 5000 Exemplare gesunken. Damit setzte sich die schon seit 1966 bei den DN feststellbare rückläufige Tendenz fort. Daneben erschienen der vom Bundesvorstand der Partei monatlich herausgegebene "Deutsche Kurier" und der "NPD-Pressedienst" sowie 5 von Landesverbänden aufgelegte monatliche Informationsdienste. Hinzu kommt die von der NPD gesteuerte Monatsschrift "Report" in einer Auflage von etwa 5000 Exemplaren. "Report" hat sich im Dezember 1972 mit der von William S. SCHLAMM herausgegebenen "Zeitbühne" zusammengeschlossen. 1.4 Parteiarbeit Wahlniederlagen, Mitgliederverluste und Organisationsschwächen auf der Kreisebene behinderten die Parteiarbeit erheblich. Eine Belastung für die Parteiarbeit stellte auch das Verhalten Adolf v. THADDENS dar, der nach der Ratifizierung der Ostverträge mit Billigung der NPD Kontakte zu Dr. FREY aufgenommen hatte. Schon bald befürchtete aber der Parteivorstand, v. THADDEN unterstütze die Pläne Dr. FREYs, eine neue Partei zu gründen. Auf dem Bundeskongreß am 25./26. November 1972 in Frankfurt/ Main distanzierte v. THADDEN sich jedoch eindeutig von Dr. FREY und bekannte sich zur NPD. Trotz der Niederlage bei der Bundestagswahl trat der von vielen Gegnern der Partei erhoffte und selbst von maßgebenden Funktionären der NPD befürchtete Zerfall der Organisation nicht ein. Die Partei reagierte schnell. Auf dem sofort einberufenen Bundeskongreß am 25./26. November 1972 inVrankfurt/Main machte sich eine vorübergehende "Jetzt-erst-recht-Stimmung" breit. Die Parteiführung arbeitet an Plänen für die nächsten Jahre: Sie will die Organisation straffen, Kader bilden, neue Mitglieder werben, Schulungen durchführen, die Jugendarbeit verstärken und ein neues Programm erarbeiten. 1.5 Finanzen Der Rückgang der Mitgliederzahlen, die sich verschlechternde Beitragsmoral, der Wegfall der Pflichtbeiträge der NPD-Landtagsabge24 ordneten und der ständige Spendenrückgang haben die Partei in eine fast ausweglose finanzielle Lage gebracht. Den Ausgaben und Verpflichtungen der Bundespartei von rd. 3,4 Millionen DM stehen nur Einnahmen in Höhe von etwa 2,5 Millionen DM gegenüber. Die Partei muß wegen ihres schlechten Abschneidens bei der Bundestagswahl 1 918 652 DM an Wahlkampfkostenvorschüssen zurückzahlen. Da sie für diesen Zweck nur eine Rücklage in Höhe von 1 Million DM gebildet hatte, kann diese Verpflichtung zur Zahlungsunfähigkeit führen. Mitglieder und Freunde der NPD sollen die Partei entweder mit einem einmaligen Betrag von 1000,-DM oder durch laufende monatliche Spenden unterstützen. Darüber hinaus ersuchte die Parteileitung die Kreisverbände, "zur Abdeckung der notwendigen Unkosten der zentralen Führung monatlich zusätzlich zu ihrem Beitragsanteil mindestens 10,-DM" an die Bundespartei abzuführen. 1.6 Die Rechtsradikalität der NPD Nach wie vor hat sich die NPD von den Thesen ihres stellvertretenden Vorsitzenden Professor Ernst Anrieh und den Begriffsdefinitionen des für NPD-Funktionäre herausgegebenen "Politischen Lexikons" nicht gelöst. Wie die rassistisch-kollektivistischen Forderungen von Professor Anrieh stimmt auch der Inhalt des "Politischen Lexikons" nicht mit den Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung überein. Auch die Verlautbarungen der NPD im Jahre 1972 haben ihren politisch radikalen Charakter bewiesen. 1.6.1 Völkischer Kollektivismus Folgende Äußerungen bestimmten wie in den Vorjahren auch im Jahre 1972 die "Deutschen Nachrichten". Der Parteivorsitzende MUSSGNUG erklärt, ein Volk habe keine Zukunft, wenn es nur aus Individuen bestehe (DN 14/72 S. 12). Er befürchtet die Selbstauflösung des Volkes "im volkszerstörenden Pluralismus" (DN 42/72 S. 3). Für Prof. ANRICH ist "das Volk in seiner Gesamtheit und Ganzheit... eine der Hauptgrundlagen der Lebensstruktur" (DN 7/72 S. 3). Daher fordert er anstelle der "pluralistischen Gesellschaft" die "nationale Solidarität . . . d. h. die genossenschaftliche Zusammenordnung aller deutschen Stämme und Schichten" (DN 8/72 S. 3). "Der destruktiven Anbetung der pluralistischen Gesellschaft" setzt die Partei die "Einbindung in die natürliche Gemeinschaft des Volkes entgegen" (DN 17/72 S. 8). Der stellvertretende Parteivor25 sitzende Dr. Felix BÜCK stellt fest: "Das pluralistische System ist am Ende". Die pluralistische Gesellschaft sei unfähig zur Weiterexistenz in der Zukunft wegen ihrer "systemimmanenten Ausuferung". Es müsse eine "soziale Leistungsgemeinschaft" mit dem Charakter einer "kooperativen Gesellschaft" geschaffen werden ("Report" August 1972 S. IV--VI). 1.6.2 Rassismus Die Integration von Gastarbeitern ist nach Ansicht der NPD "unter Umständen tödlich, weil Vermengung und Vermischung nur zum Rassenkampf und Volkstod führen" können (DN 43/72 S. 2). Angesichts der Gastarbeiter könne man "nur mit Grauen an eine Verwandlung der Mitte und des Westens Europas in einen sogen. .Schmelztiegel' denken". Die Vermischung von Rassen und Völkern habe in Amerika "zunehmend zu unlösbaren sozialen, kulturellen und politischen Spannungen" geführt (DN 10/72 S. 2). Es herrsche eine "dogmatische Ignoranz gegenüber allen biologisch-anthropologischen Einflüssen auf das politische Leben" (DN 31/72 S. 9). Die "verhältnismäßig niedrige Intelligenzquote der Neger" hänge "mit dem genetischen Erbe zusammen" (DN 10/72 S. 9). Auch Entwicklungshilfe lehnt die Partei ab, weil sie dazu diene, "in fremden Erdteilen fremde Rassen zu finanzieren" (DN 48/72 S. 6). 1.6.3 Antiparlamentarismus Die parlamentarische Parteiendemokratie in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt sich nach der Diktion der NPD mehr und mehr zu einer "Parteienoligarchie mit scheinkonstitutionellen Institutionen" (DN 5/72 S. 3). In der parlamentarischen Demokratie sei das Volk der "machtlose Souverän". Die Demokratie der Bundesrepublik habe diesen Souverän "in schwerere Ketten gelegt als je eine konstitutionelle Verfassung des Liberalismus einen Monarchen". Der Bundestag sei bankrott. Er repräsentiere nicht mehr das Volk. In den Schicksalsfragen des Volkes sei an diesem vorbeiregiert worden. Man habe das Volk "von den schwerwiegendsten Entscheidungen ausgesperrt und nicht angehört" (DN 40/72 S. 4). "Im System unserer repräsentativen Demokratie" sei "der Bundestag zum Souverän geworden und das Volk zum Zuschauer". Politik werde aber nicht mehr von den Abgeordneten, sondern von einigen "Führungscliquen" gemacht. Das sei die "typische Form einer Oligarchie" (DN 24/72 S. 10). "Der Parteienstaat" sei "zur Telekratie der Monopolparteien", zu einer "entarteten Demokratie" geworden 26 (DN 45/72 S. 1). Die parlamentarische Korruption ergreife den ganzen Bundestag (DN 37/72 S. 4). Dieser Staat sei geprägt worden von den "alten, schon einmal gescheiterten Parteien der Weimarer Republik", den "Nutznießern der Niederlage an der Seite der Sieger", die "sich den Besatzern weit enger verbunden fühlten als dem eigenen . . . Volk" (DN-Sonderausgabe vom 26. 10. 1972 S. 1). Die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland sei eine "von Panzern und Bajonetten . . . dem deutschen Volk aufgezwungene Herrschaftsmethode" (DN 45/72 S. 7). An dem portugiesischen Staatssystem und den politischen Zielsetzungen des "Movimento Sociale Italiano" (MSI) preist die NPD die Hinwendung zum ständestaatlichen Denken. Im Korporatismus und Syndikalismus würden die Interessen der Bevölkerung besser vertreten. In Portugal gebe es keinen Streik, weil Regierungsbeauftragte in Tarifkonflikten entscheiden würden. "Welch ein großes Beispiel in unseren Tagen!" (DN 18/72 S. 7 und 16/72 S. 12). 1.6.4 Rechtfertigungsversuche für das nationalsozialistische System Immer wieder versucht die NPD, das NS-Regime zu rechtfertigen oder zu verharmlosen. Durch die "alliierte Umerziehung" sei die Vergangenheit "oftmals . . . planmäßig verfälscht" worden (DN 29/72 S. 10), da fast nur noch "Umerziehungspropagandisten" zu Wort gekommen seien (Manifest der "Jungen Nationaldemokraten"). Vor den "einmaligen Leistungen der deutschen Führung" müsse man angesichts eines "gigantischen Verrats . . . staunend und bewundernd" stehen (DN 6/72 S. 7). Die "Generation unserer Väter" habe Deutschland "in einem säkularen historischen Akt aus den Fesseln des Versailler Diktates befreit" und zu einem "unvergleichlichen Neuaufbau" geführt. "Die einmalige Größe des Vorganges" dürfe nicht herabgemindert werden (DN 14/72 S. 12). v. THADDEN sieht die Vorteile des NS-Staates darin, daß eine "Vielfalt praktischer sozialpolitischer Fragen zur erkennbaren Zufriedenheit des Volkes" gelöst wurde und daß "eine Instanz vorhanden war, die ständig bereit und in der Lage war, sofortige Entscheidungen zu treffen" (DN 33/72 S. 12). Im Zusammenhang mit den NS-Verbrechen verweist die NPD auf "maßlose Übertreibungen und Phantastereien" in den Aussagen von "haßgeladenen Zeugen" (DN 7/72 S. 6). Die Partei behauptet, "die Legende von den sechs Millionen ermordeten Juden" stamme aus supekten Quellen (DN 6/72 S. 7). 27 2. Die Hilfskräfte der NPD Die NPD hat mit dem Beginn ihres Niederganges immer wieder versucht, über ihre Parteiorganisation hinaus verläßliche Gesinnungsfreunde aus dem außerparlamentarischen Bereich an sich zu binden. Das ist ihr im Jahre 1972 zunehmend gelungen, indem sie unter der Bezeichnung "Nationale Rechte" zusammen mit dem "Arbeitskreis Volkstreuer Verbände" (AVV) und der "Einheitsfront der nationalen Publizistik" (ENP) zum "gemeinsamen Kampf für Deutschland" aufrief. 2.1 "Arbeitskreis Voikstreuer Verbände" MANKE, der Leiter des "Arbeitskreises Volkstreuer Verbände" (AVV), hatte sich mit Dr. Gerhard FREY überworfen (vgl. DNZ 18/72 S. 4, 9-11) und der NPD nach dem Marsch auf Bonn den AVV als Hilfsinstrument zur Verfügung gestellt. Innerhalb des als Dachverband organisierten AVV stellt die von MANKE im Juli 1968 gegründete "Volkspolitische Aktion" (VOAK) den "führungsmäßigen Arbeitskern" dar. Der "Deutsche Aufklärungskreis-W" (DAK-W) soll nach MANKEs Willen als Propagandainstrument die Öffentlichkeitsarbeit des AVV betreiben und "einen breit über alle Organisationen angelegten Überzeugungskampf des Widerstandes für eine bessere Lebensordnung" führen. Das "Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG) nimmt innerhalb des AVV die Kulturaufgaben wahr. Der "Freundeskreis für Jugendarbeit" (FK) und der "Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ) betreiben aktive Jugendarbeit. In Teilbereichen arbeitet der BHJ eng mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) zusammen. Er setzte sich im Bundestagswahlkampf entschieden für die NPD ein. 2.2 "Einheitsfront der nationalen Publizistik" Den Versuchen des AVV, im organisatorischen Bereich die NPD zu unterstützen, entspricht in der Publizistik die Tätigkeit der "Einheitsfront der nationalen Publizistik" (ENP), die am 31. Juli 1972 in München gegründet wurde. An diesem Tage beschlossen Peter DEHOUST ("Nation Europa"-NE), Henning JADE ("Deutscher Studentenanzeiger"-DSA), Erich KERN ("Deutsche Wochenzeitung"DWZ), Berhard C. WINTZEK ("MUT") und MANKE für den DAK-W, "unter Wahrung der Eigenständigkeit ihrer Organe in Zukunft allen Volksfrontbestrebungen entgegenzuwirken und in ständiger Zusammenarbeit über ihren bisherigen Wirkungskreis hinaus Aufklä28 rungsarbeit zu leisten", um eine "richtungsweisende Solidarisierung der deutschen Rechten" zu erreichen. "Nation Europa" (NE) hat eine Monatsauflage von rd. 6500 und "MUT" von rd. 8000 Exemplaren. Der "Deutsche Studentenanzeiger" (DSA) erscheint vierteljährlich mit etwa 25000 Stück, die "Deutsche Wochenzeitung" (DWZ) wöchentlich mit etwa 20 000 Exemplaren. WINTZEK und MANKE kandidierten als Parteilose auf Landeslisten der NPD. WINTZEK will als Wahlempfehlung für die NPD 450 000 "MUT"-Flugblätter und 15 000 "MUT"-Hefte verteilt haben. Der Schriftleiter von NE, Peter DEHOUST, ist zugleich Kreisvorsitzender der NPD in Coburg. Die drei Herausgeber des DSA sind NPD-Funktionäre. Die DWZ wird in dem "Nationalverlag" des NPDPräsidiumsmitglieds Waldemar SCHÜTZ herausgegeben und ist mit den DN in jeweils 6 Seiten inhaltsgleich. Die DWZ agitiert regelmäßig noch schärfer als die DN. 2.3 "Intereuropäische Nationale" WINTZEK, DEHOUST und MANKE organisierten am 16./17. September 1972 in Planegg bei München den "I. Nationaleuropäischen Jugendkongreß" (NEC), mit dem sich die nationaldemokratische Rechte eine Verbindung zu Gesinnungsgenossen im Ausland schaffen wollte. An den Veranstaltungen und Arbeitskreisen nahmen insgesamt 1200 Personen aus westeuropäischen Ländern teil. Es wurde eine "Intereuropäische Nationale" (IEN) gegründet, die sich den "Widerstand gegen den sowjetischen Imperialismus" zum Ziel gesetzt hat. Ein Generalsekretariat von 11 Personen soll zwischen den Kongressen koordinieren und jeweils das nächste Treffen, das 1973 in Spanien stattfinden soll, vorbereiten. WINTZEK und DEHOUST gehören dem Generalsekretariat an. 2.4 Sonstige Hilfskräfte In einem AVV-Rundschreiben vom 18. Oktober 1972 zählt MANKE auch noch die "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP), die "Junge Akademie" (JA) und die "Gesellschaft für Erbgesundheitspflege" (mittlerweile umbenannt in "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung") sowie die Schriften "Deutsche Nation", "Politischer Zeitspiegel" und "Freies Forum" zur "positiven deutschen Rechten". 29 VI. Die "Vereinigte Freiheitliche" 1. "Freiheitlicher Rat" Dr. FREY, der bereits im Januar 1971 die "Deutsche Volksunion" (DVU) als Auffangbecken für die immer mehr abbröckelnde NPD gegründet hatte, begann im Winter 1971/72 mit dem Versuch, seinen schon lange gehegten Plan zur Gründung einer neuen Partei zu realisieren. Im Januar 1972 bildete er unter Mitwirkung von Erwin ARLT ("Aktion Oder-Neiße"), Dr. PÖHLMANN ("Aktion Neue Rechte"), Prof. Berthold RUBIN ("Aktionsgemeinschaft 17. Juni") und MANKE ("Arbeitskreis Volkstreuer Verbände") ein Koordinierungsgremium, das er "Freiheitlicher Rat" (FR) nannte. Mit diesem Instrument glaubte Dr. FREY, einen von allen "Freiheitlichen von rechts bis zur Mitte" unterstützten machtvollen "Marsch auf Bonn" organisieren und damit die Grundlage für eine erfolgversprechende Sammlung der "nationalen Rechten" schaffen zu können. Nach der Ratifizierung der Ostverträge stand Dr. FREY auch mit v. THADDEN in Verbindung, um ein Zusammengehen von NPD und DVU zu erörtern. Am 28. Juli 1972 fand ein Gespräch statt, an dem auch der NPD-Vorsitzende MUSSGNUG teilnahm. In einem "Kommunique" bekundeten Dr. FREY, ARLT, MUSSGNUG und v. THADDEN ihre Bereitschaft, "den national-freiheitlichen Einigungsprozeß mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln und Möglichkeiten weiter zu fördern". Dieses Kommunique wurde von dem NPD-Parteivorstand abgelehnt, das Vorgehen von THADDENS und MUSSGNUGs mißbilligt. Von dieser Zeit an fanden keine Kontakte mehr zwischen DVU und NPD statt. MANKE, der sich mittlerweile von Dr. FREY zurückgezogen und auf die Seite der NPD gestellt hatte, wurde aus dem "Freiheitlichen Rat" ausgeschlossen. Andererseits verließen die AKON, die "Wiking Jugend" (WJ), der "Deutsche Block" (DB) und der "Jugendbund Adler" (JBA) den AVV und schlossen sich Dr. FREY an, der in der Folgezeit seine Bundesgenossen auch als "Vereinigte Freiheitliche" bezeichnete. Kurz vor der Bundestagswahl wurde bekannt, Dr. FREY wolle nach der Wahl eine "Deutsche Nationalpartei" gründen. Auf Kundgebungen in sieben Großstädten sprach er ohne Resonanz über den "künftigen Weg der Rechten". Er mußte erkennen, daß die NPD sich nach der Wahlniederlage wider Erwarten konsolidierte und 30 sich dadurch die Chancen für die von ihm geplante Gründung verminderten. Er erklärte daher am 26. November 1972 in Stuttgart und auf der Bundesversammlung der DVU am 10. Dezember 1972 in München, er denke im Augenblick nicht daran, eine neue Partei zu gründen. Auf ihrem ersten Bundeskongreß am 6./7. Januar 1973 in München hat sich nunmehr auch die "Aktion Neue Rechte" (ANR) von Dr. FREY getrennt. 2. "Deutsche Volksunion" Dr. FREY wird im organisatorischen Bereich künftig mit seiner "Deutschen Volksunion" (DVU) und den wenigen noch durch den "Freiheitlichen Rat" mit ihm verbundenen anderen rechtsradikalen Vereinigungen politisch zu wirken versuchen. Dabei wird die jetzt 2 Jahre bestehende DVU mit ihren rund 4000 Mitgliedern den Ton angeben, obwohl in ihren Reihen eine gegen den Vorsitzenden Dr. Gerhard FREY gerichtete Opposition aktiv ist, die vornehmlich aus jüngeren DVU-Mitgliedern besteht. Eine "Aktionseinheit nationaler Aktivisten und DVU-Arbeitskreis-Beauftragter" fragte Dr. FREY in einem Flugblatt u. a., ob es stimme, daß-er die DVU gegründet habe, um seine Zeitungsauflage zu steigern, und ob er glaube, mit seiner kapitalistischen Grundeinstellung politisches Gewicht zu gewinnen. Die Verfasser fragten, ob die DVU "eine produktive nationale Vereinigung" oder vielmehr ein "Zeitungsverteilerclub" sei. Fast alle Werbeschriften der DVU enthalten Hinweise und Bestellscheine für die DNZ und den "Deutschen Anzeiger" (DA), das Presseorgan der DVU, das im "Freiheitlichen Zeitungsverlag" der Ehefrau Dr. FREYs herausgegeben wird. 3. Die Hilfskräfte der "Deutschen Volksunion" Die sich als Widerstandsorganisation verstehende, bereits 10 Jahre alte "Aktion Oder-Neiße" (AKON) arbeitet eng mit Dr. FREY zusammen. Sie läßt -- offenbar aus finanziellen Gründen -- ihr Verbandsblatt, den "AKON-Kurier", nach wie vor von Dr. FREY gestalten. Sie schaltet sich mit zahlreichen Veranstaltungen und Flugblattaktionen aktiv in die Ostvertragsdiskussion ein. Trotz dieser Aktivitäten konnte auch die AKON im Jahre 1972 keinen Zuwachs verzeichnen. Der "Deutsche Block" mit seiner Jugendorganisation "Jugendbund Adler" und der nationalistische Jugendbund "Wiking Jugend" stel31 len sowohl personell als auch durch ihre politische Bedeutungslosigkeit für Dr. FREY keinen Gewinn dar. Es sind Splittergruppen, die schon seit Jahren im nationalistischen, antikommunistischen und völkischen Geist arbeiten. 4. Die "Deutsche National-Zeitung" und ihre Nebenblätter Dr. FREY hat sich in den zurückliegenden 10 Jahren ein "Zeitungsimperium" aufgebaut. Neben der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ) mit ihren Nebenausgaben "Der Sudetendeutsche", "Schlesische Rundschau" und "Notweg der 131er" (alle wöchentlich) sowie der Zeitschrift "Deutscher Bauer" (monatlich) verlegte er 1972 über den "Freiheitlichen Zeitungsverlag" seiner Ehefrau für die DVU den "Deutschen Anzeiger", für die AKON den "AKON-Kurier" und für die ANR die Zeitung "Recht und Ordnung" (RuO). Die DNZ und ihre Nebenausgaben standen Ende 1972 mit einer Auflage von etwa 112 000 Exemplaren an der Spitze aller rechtsradike uen Zeiitungen. GesamtQuar tal Druckauflage Festbezieher freier Verkauf Verkauf 1971 I. 115 092 20135 65 526 85 661 II. 117314 20187 65 894 86 081 III. 106 646 20 030 61 201 81231 IV. 110 260 21 998 59 555 81 553 1972 I. 107 980 20 647 60 360 81 007 II. 124163 22 748 59 738 82 486 III. 117 039 23123 55112 78 235 IV. 112 000 geschätzt. Zu den Kennzeichen des Blattes gehört es, reißerische Schlagzeilen als "Aufmacher" zu verwenden, die von dem nachfolgenden Text nicht gedeckt werden. Wegen solcher hetzerischer Schlagzeilen schwebt seit Jahren ein Verfahren gegen Dr. FREY und seinen "Chef vom Dienst", Karl MAGES, vor dem Landgericht München I (sogen. "Überschriftenverfahren"). VII. Die "Neue Rechte" Die "Neue Rechte" oder "Junge Rechte", die schon in den Jahren 1970 und 1971 für Aktionismus und "rechten Sozialismus" eingetreten war, hat viel von ihrer ursprünglichen agitatorischen Aktivität 32 verloren. Die meisten örtlichen und regionalen Aktionszirkel sind wieder von der Bildfläche verschwunden. Selbst die "Partei der Arbeit" (PdA), die im Jahre 1971 durch einen militanten "Volkssozialismus" hervortrat, hat, vor allem wegen interner ideologischer Streitigkeiten, ihre Tätigkeit eingestellt; sie war letztmals am 28. Januar und 23. Februar 1972 in Münster und bei Krefeld auf Veranstaltungen des "Kuratoriums Unteilbares Deutschland" und der "Deutschen Friedensunion" durch Störaktionen in Erscheinung getreten. Friedhelm BUSSE, der Vorsitzende der PdA, ist mittlerweile zur ANR übergetreten. Von den Organisationen der "Neuen Rechten" sind heute nur noch die ANR, die "Außerparlamentarische Mitarbeit" (APM), die "Deutsch-Europäische Studiengesellschaft" (DESG) und die "Neue Deutsche Jugend" erwähnenswert. Das Schwergewicht ihrer Arbeit liegt in der Produktion und Verteilung von Flugblättern und Kampfschriften. 1. "Aktion Neue Rechte" Am 9. Januar 1972 trat der stellvertretende NPD-Vorsitzende Dr. Siegfried PÖHLMANN aus der NPD aus und gründete am gleichen Tag mit rund 450 Gesinnungsgenossen in München die "Aktion Neue Rechte" (ANR). Der Aufbau der Organisation, die später einmal Partei werden will, ging nach anfänglichen Erfolgen in Süddeutschland nur schleppend voran. Die Hoffnung der ANR-Funktionäre, enttäuschte NPD-Mitglieder würden in größerer Zahl zur ANR übertreten, hat sich nicht erfüllt. Die Mitgliederzahl stagniert seit Monaten bei etwa 750. Es kam zu erheblichen inneren Spannungen, als Dr. PÖHLMANN aus finanziellen Gründen das Verbandsorgan "Recht und Ordnung" (RuO) bei dem als Repräsentant der konservativen "Alten Rechten" geltenden Dr. FREY verlegen ließ und in der Folgezeit noch in dem "Freiheitlichen Rat" (FR) mitarbeitete. Am "Marsch auf Bonn" beteiligte sich der ANR mit etwa 200 Mitgliedern. Während der Olympischen Spiele veranstaltete sie in der Nähe von Dachau ein "Olympia-Zeltlager" mit etwa 150 Personen, die im Münchner Stadtgebiet kaum beachtete Flugblattaktionen durchführten. Die ANR unterhält besonders intensive Kontakte zum internationalen Faschismus. ANR-Abgesandte reisten häufig zu Faschistentreffen ins Ausland, so zu dem Kongreß des französischen "Ordre * 33 Nouveau" am 10./11. März 1972 in Nizza und am 10./11. Juni 1972 in Paris sowie zu zahlreichen Veranstaltungen österreichischer Nationalisten. Ausländische Rechtsradikale besuchten Veranstaltungen der ANR in der Bundesrepublik Deutschland oder entsandten Grußbotschaften. Die Zielsetzung der ANR beschränkt sich im wesentlichen auf die Propagierung eines "Europäischen Sozialismus" und eines "Europäischen Befreiungsnationalismus". Der "Europäische Sozialismus" ist antiimperialistisch und antimarxistisch konzipiert und hat die "Solidarität in der Gemeinschaft der Schaffenden" zum Ziel. Der "Europäische Befreiungsnationalismus" wird als Kampf aller unterdrückten Völker gegen den SowjetImperialismus, gegen alle Umerzieher, gegen alle Konzepte einer Erziehungsdiktatur, gegen die rote Vorherrschaft in Massenmedien und Gewerkschaftsbürokratie", gegen die "Nutznießer von 1945, gegen die Spalter und Bürokraten, . . . gegen den status quo, . . . gegen die Kleinstaaterei und die Zementierung irrsinniger Grenzen" verstanden. Die ANR befürwortet einen "mit den jeweils geeigneten Mitteln geführten Aufstand der Jugend", der "eine synchronisierte Revolution in allen Teilen Deutschlands sein müßte". 2. "Außerparlamentarische Mitarbeit" Eine noch engere Zusammenarbeit als seither bahnt sich zwischen der ANR und der knapp 50 Mitglieder umfassenden Berliner "Ausserparlamentarischen Mitarbeit" (APM) an, die in ihren Kampfschriften "Ideologie & Strategie" (I & S), "Rebell" und "Berliner Nachrichten-Dienst" einen scharf artikulierten antimarxistischen, nationalrevolutionären Sozialismus verkündet, mit dem sie die "kapitalistischen Monopole und kommunistischen Parteiapparatschiks" bekämpfen will. Die "Alte Rechte" muß nach Ansicht der APM "aus ihrer bundesdeutschen Staatsloyalität heraus, wenn sie . . . als Partner akzeptiert werden will". Die APM strebt einen "genossenschaftlich organisierten Sozialismus ohne marxistisches Dogma" an, "in dem Privateigentum an Produktionsmitteln überflüssig geworden ist". Dieses Ziel könne nur "durch eine systemsprengende Änderung der Gesellschaftsund Wirtschaftsform" erfolgen. "Nationalrevolutionäre Bewegungen" brauchten zur Verfolgung dieses Zieles "nicht die westeuropäische Prosperität, sondern die ökonomische Krise". "Eine Veränderung der territorialen und sozialen Zustände" müsse "zwangsläufig revolutionären Charakter haben". Nur die "Schwächung und 34 Revolutionierung beider Teilstaaten" bringe Deutschland der "Neuvereinigung" näher. Es müsse dabei eines der Ziele der "Neuen Rechten" sein, die "Altersstufenverwandtschaft" mit der "Neuen Linken", "die größere Verständigungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten bietet, . . . zum Zwecke des Aufbauens einer neuen Front . . . auszunutzen. . . . Eine total von der Alten Linken emanzipierte Bewegung, wie es die Neue Linke werden könnte, kann durchaus mit der nationalrevolutionären Neuen Rechten unter Umständen auf einem langen Wege zusammentreffen". Die Nationalrevolutionäre der APM unterhalten Kontakte zu Maoisten, mit denen sie in der Forderung übereinstimmen: "Es lebe das vereinte, unabhängige, sozialistische Deutschland". "Rebell" fordert: "Die rebellische Jugend sollte sich nicht auseinanderdividieren lassen -- weder von reaktionären Bundeskonservativen noch von ebenso reaktionären DDR-Faschisten". Die APM will "Basisgruppe" bleiben und nie Partei werden, denn "die Partei wird durch ein Verbot von ihrem Weg abgeschnitten, nationalrevolutionäre Gruppen hingegen können nach dem Verbot der einen Gruppe eine neue bilden und wenn es sein muß wieder und wieder eine und so die hysterische Bekämpfung dieser Gruppen durch die Herrschenden propagandistisch ausnutzen". 3. "Deutsch-Europäische Studiengesellschaft" Aus der "Deutsch-Europäischen Gesellschaft", die mit der früheren losen Seminararbeitsgemeinschaft "Sababurgrunde" identisch ist, wurde am 15./16. April 1972 in Würzburg die "Deutsch-Europäische Studiengesellschaft" (DESG) als Mitgliederorganisation gegründet, nachdem kurz vorher in Hamburg der Verlag "Deutsch-Europäische Studiengesellschaft m.b.H." (DESG m.b.H.) konstituiert worden war. Die Organisation umfaßt nicht mehr als 30 Aktivisten, die in 4 Arbeitskreisen tätig sind. ANR, APM und DESG sind personell eng verflochten. Über Peter DEHOUST bestehen auch Verbindungen zum "Deutschen Studentenanzeiger" und zur "Nation Europa". Innere Richtungskämpfe haben die Entwicklung der Gesellschaft behindert. Der Verlag brachte im Juni 1972 das "Junge Forum" in eigener Regie heraus. 4. "Neue Deutsche Jugend" Personell annähernd identisch mit dem früheren "Aktionskreis Widerstand Stuttgart" und dem "Stuttgarter Rechtsblock" (SRB) ist 35 der Führungskreis der am 17./18. Februar 1972 in Stuttgart gegründeten "Neuen Deutschen Jugend" (NDJ), die mit ihrem Kampfblatt "Der Angriff" ein "nationales und sozialistisches Deutsches Reich" erkämpfen will. Diese Aktionsgruppe, die etwa 40 junge Mitglieder hat, will Jugendliche mit deren Freizeitinteressen ansprechen. Mit der ANR bestehen so enge personelle Kontakte, daß die NDJ als die Jugendorganisation der ANR in Baden-Württemberg angesehen wird. VIII. "Nationalsozialistische Kampfgruppe Großdeutschland" Mit der "Nationalsozialistischen Kampfgruppe Großdeutschland" (NSKG) wurde am 11. Oktober 1972 eine Organisation zerschlagen, die aus wenigen, aber fanatischen Nationalsozialisten bestand. Ähnlich wie die im Jahre 1970 ausgehobene bewaffnete, militante rechtsradikale Geheimorganisation "Europäische Befreiungsfront" (EBF) arbeitete die am 22. April 1972 gegründete NSKG konspirativ. Bei den Mitgliedern der NSKG wurden umfangreiche Waffenlager aufgefunden. 1. Die nationalsozialistische Zielsetzung Die NSKG wollte die Jugend Europas mit der nationalsozialistischen Weltanschauung, "die durch unseren Führer Adolf HITLER geschaffen wurde", vertraut machen und durch Aufklärung der Bevölkerung in Westdeutschland "die Verbrecherclique in Bonn an ihrem wilden Treiben" hindern ("Der Nationalsozialist -- Kampfschrift zur Befreiung Deutschlands aus der Knechtschaft" - DNS-S. 1), sowie das "auf urdeutschem Boden entstandene korrupte demokratische System" beseitigen. Nur der Nationalsozialismus sei fähig, die Interessen aller zu vertreten, den sozialen Frieden zu garantieren und "eine unpopuläre Politik auf eine längere Zeitdauer" durchzusetzen. Der "Nationalsozialismus unter dem Führer Adolf HITLER" sei niemals widerlegt worden. Man habe ihn mit militärischer Gewalt zerstört. Die NSKG betrachtet sich als "Testamentsvollstrecker des Führers". Im Aufnahmeantrag mußte der NSKG-Neuling bekunden: "Satzung und Programm der NSDAP sind für uns voll gültig." 36 2. Der militante Charakter Die NSKG propagierte, das Recht müsse man sich "mit den Mitteln der Macht, d. h. mit den Mitteln der Gewalt", sichern. "Wir Nationalsozialisten . . . wissen, daß wir uns eines nicht allzu fernen Tages mit Waffengewalt auseinandersetzen müssen, um eine Chance des Überlebens zu haben". Die Organisation sah als Stützpunkte Erdbunker in Wäldern vor, bei denen sich "Feuerund Verteidigungsstellen . . . von allen Seiten überkreuzen, so daß ein alles beherrschendes Frontund Flankenfeuer erzeugt werden kann". Insgesamt wurden im Zuge der Ermittlungen bei NSKG-Mitgliedern und -Sympathisanten bislang folgende Waffen sichergestellt: 1 Maschinenkanone mit gegürteter Munition, 3 Maschinengewehre mit ungezählter Munition, 5 Maschinenpistolen, 9 Karabiner, 2 Kleinkalibergewehre, 2 Gewehre, 1 Flobertgewehr, 10 Faustfeuerwaffen, zahlreiche Handgranaten, große Mengen von Munition, Sprengstoff, Brennkapseln, Pulver, Zündschnüren usw., Zubehör zu Maschinenund Handfeuerwaffen. 3. Die konspirativen Kampfmethoden Nach dem Grundsatz: "Nicht die Methode, sondern der Erfolg ist entscheidend" stellte die NSKG die Arbeitsweise der Baader-Meinhof-Bande und den "Schlag der palästinensischen Freiheitsbewegung gegen Agenten des jüdischen Geheimdienstes während der heiteren Spiele in München" besonders heraus. Eine kleine entschlossene Gruppe müsse mit "besonderen Kampfweisen und Kampfmitteln, List und Täuschung" vorgehen. An der Baader-Meinhof-Bande kritisierte die NSKG, daß sie nicht voll in den Untergrund gegangen sei und daß sie ihre Terroraktionen vorher angekündigt habe. Die Waffen und Sprengmittel seien zwar gut gewesen; man habe sie jedoch falsch eingesetzt. 4. Die Verbindungen Die NSKG, die sich als "eine über 100 Mann starke, dezentralisierte rein politische Organisation mit Ausläufern bis nach Amerika" (DNS S. 11) bezeichnete, hatte folgende Verbindungen: 37 zur bereits seit Jahren bestehenden kleinen "Sozialrevolutionären Nationalen Kampfgemeinschaft Deutschlands" (SNKD). Beide Organisationen sind ideologisch und personell eng verflochten. Die SNKD war neben Handund Faustfeuerwaffen im Besitz von totalund teilgefälschten Ausweispapieren, von Funkgeräten, Relais, Kurzwellensendern und Metallspürgeräten; zu der ebenfalls kleinen "Nationalen Deutschen Befreiungsbewegung" (NDBB), die in Hanau und Berlin ihre Stützpunkte hat; zu palästinensischen Terroristenkreisen, wie aus aufgefundenen Briefen, Operationsplänen, Anleitungen zur Geiselnahme, Vollmachten und Telefonnummernangaben hervorgeht. In der Kampfschrift "Der Nationalsozialist" bekannte die NSKG sich selbst zu Kontakten zur "Palästinensischen Befreiungsbewegung"; zu dem US-amerikanischen "Bund Deutscher Nationalsozialisten" (BDNS), in dessen Organ "NS-Kurier" für die NSKG mit Mitgliederanträgen geworben wurde. 5. Stand der Ermittlungen Ermittlungsverfahren laufen gegen 25 Mitglieder und Randpersonen der NSKG wegen des Verdachtes der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach SS 129 StGB und wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Bei 17 dieser Beschuldigten wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt. 2 Personen sind noch in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen haben bisher keine Anhaltspunkte für etwa schon begangene Gewalthandlungen der Gruppe ergeben. IX. Terror und sonstige Ausschreitungen Im Jahre 1972 wurden insgesamt 263 Ausschreitungen aus rechtsradikalen Motiven erfaßt. In dieser Zahl sind 93 Fälle von Terrorakten, Gewalttaten und Androhungen von Gewalt enthalten. Die Gesamtzahl der Ausschreitungen verringerte sich gegenüber dem Vorjahr (428 Fälle) um 39%, die Zahl der Ausschreitungen mit Gewaltcharakter (1971:123 Fälle) um 24%. Diese Abnahme ist bedingt durch Nachlassen der Aktionen der "Neuen Rechten" und durch die erheblich zurückgegangene Konfrontation rechtsextremer Gruppen mit politischen Gegnern. Vor allem linksorientierte Gruppen haben die Auseinandersetzung mit 38 den Rechtsradikalen im Gegensatz zu den Vorjahren kaum noch gesucht. Jedoch liegt die Zahl der Ausschreitungen immer noch beträchtlich über der der Jahre 1969 und 1970. Eine Aufschlüsselung der Vorfälle mit Gewaltcharakter enthält die nachfolgende Übersicht: 1971: 1972: Terrorakte Brandstiftungen 3 Gewaltakte Körperverletzung 14 11 Sachbeschädigung 25 24 sonst. Gewaltakte 9 3 Androhung von Mord/Entführung 44 28 Sprengstoffund Brandanschlägen 24 10 sonst. Gewaltakten 4 15 Gesamtzahl: 123 93 Der Anteil der Gewalttaten an den Gesamtausschreitungen stieg gegenüber 1971 von 28,8% auf 35%. Besonderen Anlaß für rechtsradikale Ausschreitungen boten in den Monaten Februar bis einschließlich Mai 1972 die Beratung der Ostverträge im Bundestag und im Oktober/November der Bundestagswahlkampf. Hierdurch erreichte die Zahl der Ausschreitungen im Frühjahr und Herbst deutliche Höhepunkte. In der ersten Jahreshälfte richteten sich allein 92 Fälle (überwiegend Bedrohungen und Beleidigungen von Politikern) gegen die Ostverträge. Im Bundestagswahlkampf wurden 54 Ausschreitungen (vor allem Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Schmierund Störaktionen, Beleidigungen) gezählt. Jeweils nach diesen Ereignissen flauten die Aktionen merklich ab. Gegenüber dem Vorjahr ist der Anteil der Sachbeschädigungen, der Androhung von Gewalt, der Verunglimpfung politischer Gegner und der illegalen Flugblatt-, Plakatund Briefaktionen an den Ausschreitungen wesentlich gestiegen. Dagegen haben das Schmieren von Hakenkreuzen und Widerstandparolen sowie die Beleidigung jüdischer Bürger abgenommen. Folgende Einzelfälle rechtsradikaler Ausschreitungen waren im Berichtsjahr bemerkenswert: Bei einer Demonstration (Fackelzug) im Anschluß an eine Kundgebung der "Gemeinschaft Ostdeutscher Grundeigentümer" in 39 Bonn am 20. Februar 1972 wurde ein Polizist von einer Demonstrantengruppe geschlagen und verletzt. In Krefeld zerschlugen am 23. Februar 1972 Angehörige der inzwischen nicht mehr aktiven "Partei der Arbeit" die Einrichtung eines von vorwiegend linksorientierten Jugendlichen besuchten Restaurants und verletzten einige Gäste. Unbekannte Täter legten am 12. April 1972 mit einem "MolotowCoctail" einen Brand im SPD-Kreisbüro in Hamburg-Altona. Ein anonymer telefonischer Anrufer bezeichnete diese Tat als erste Warnung, weil "man sich Deutschland nicht kaputt machen lassen wolle". Auf das Büro eines Hamburger Anwaltskollektivs wurde am 19. Juni 1972 ein Brandanschlag verübt. Ein unbekannt gebliebenes "Operationszentrum des antisozialistischen Lagers" erklärte sich hierfür verantwortlich. Etwa 20 SPD-Bundestagsabgeordnete erhielten im April und Mai Drohbriefe eines "Ostdeutschen Femegerichts -- Senat für Hochund Landesverrat", in denen die Vollstreckung des über sie verhängten Todesurteils angekündigt wurde, wenn sie den Ostverträgen zustimmen würden. Mehrere Gruppen und Einzelpersonen haben im Wahlkampf zur Bundestagswahl einen Brief des früheren Kriminalobersekretärs August NAUJOCK in Hamburg an den Bundestagskanzler vervielfältigt und verbreitet. In diesem Brief wird der Bundeskanzler beschuldigt, 1933 einen Mord begangen zu haben. In einem 1964 durchgeführten Strafverfahren war NAUJOCK wegen Unzurechnungsfähigkeit in eine Heilund Pflegeanstalt eingewiesen worden. 101 Personen, die an den Ausschreitungen beteiligt waren, sind namentlich bekannt. 77 von ihnen sind Mitglieder rechtsradikaler Organisationen. Fast die Hälfte (47) der Täter war jünger als 30 Jahre; 20 von ihnen älter als 50 Jahre. Von 87 Tätern ist der Beruf bekannt. Eine Analyse ergab folgendes Bild: Schüler, Lehrlinge und Studenten 14 Personen Arbeiter 22 Personen Angestellte 24 Personen Selbständige 12 Personen Angehörige des öffentlichen Dienstes 13 Personen Rentner 2 Personen 40 X. Maßnahmen 1. Verurteilungen Im Jahre 1972 wurden elf Täter wegen rechtsradikaler Taten rechtskräftig verurteilt. Sie erhielten vorwiegend Geldstrafen (bis zu 900,DM). Einer dieser Täter wurde wegen Brandstiftung in einer Frankfurter Buchhandlung und unerlaubten Schußwaffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Gegen neun weitere Urteile, durch die vorwiegend Freiheitsstrafen (bis zu 12 Monaten) verhängt worden waren, wurde Berufung eingelegt. Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln - wie schon erwähnt -- seit dem 11. Oktober 1972 gegen Angehörige der "Nationalsozialistischen Kampfgruppe Großdeutschland" und der "Sozialrevolutionären Nationalen Kampfgemeinschaft Deutschlands" wegen Bildung von kriminellen Vereinigungen und unerlaubten Waffenbesitzes. 2. Verbote Der Landesparteitag des NPD-Landesverbandes Berlin, der für den 13./14. Mai 1972 in Berlin vorgesehen war, wurde durch Befehl der Alliierten Kommandantur in Berlin vom 11. Mai 1972 verboten. Der Landrat des Landkreises Dieburg verbot eine vom NPD-Kreisverband Dieburg geplante öffentliche Wahlversammlung am 27. Oktober 1972 in Reinheim (Odenwald), weil tätliche Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern zu erwarten waren. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten erließ am 15. November 1972 einen Beschlagnahmebeschluß für mehrere Ausführungen von Schallplattenhüllen, auf denen nationalsozialistische Symbole abgebildet waren. XI. Beurteilung Die Ereignisse des Jahres 1972, insbesondere die Bundestagswahlen, haben gezeigt, daß rechtsradikale Parteien derzeit keine Chance besitzen, nennenswerten Einfluß auf die politische Willensbildung der Bevölkerung zu nehmen. Angesichts der organisatori41 sehen Schwächung der NPD und nach dem Scheitern der Parteigründungspläne von Dr. Gerhard FREY waren am Jahresende 1972 auch keine Ansatzpunkte für bemerkenswerte Initiativen der "Alten Rechten" erkennbar. Die weiter anhaltende Zersplitterung des organisierten Rechtsradikalismus und das Aufkommen national-revolutionärer Zielvorstellungen begünstigten allerdings die Bildung kleiner Gruppen mit konspirativen und militanten Tendenzen. Jedoch stellten weder diese Gruppen noch andere rechtsradikale Bestrebungen im Jahre 1972 eine ernste Gefahr für die Innere Sicherheit und die verfassungsmäßige Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland dar. 42 Entwicklung der Organisation und der Mitgliederzahlen im organisierten Rechtsradikalismus * 130 c o *5 120 o * 100 32 400, 90 J-eo 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 UTK Sonstige I IJugendonrganisationen I W 1 Parteien IIA Organisationen ga I | Entwicklung der rechtsradikalen Publizistik 300 000-- 3 200 ? 150 1961 1962 1963 ' 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 77, 2JOrgane sonstiger Vereinigungen \ V Parteipublizistik 43 Regionale Schwerpunkte rechtsradikaler Tätigkeit Vk ^JHANNOVER BRAUNSCHWEIG(r) "_J (c) 0 ORGANISATORISCHE AKTIVITÄT O ÜBERDURCHSCHNITTLICHE ORGANISATORISCHE AKTIVITÄT ADUISBURCT JQTTROP (c)RECKLINGHAUSEN V - V - , 0DORTMUNÜ 0 REGE ORGANISATORISCHE AKTIVITÄT 2-5 AUSSCHREITUNGEN GOTT INGE / H O K S O O UdegBOCHUM f , (c)KREFEID EM ""OE" * 6-15 AUSSCHREITUNGEN \ 0 ^MON?HEN-0OSSPSL0WUPPERTAI -REMSCHEID KASSEL * * ÜBER 15 AUSSCHREITUNGEN *GUMMERSBACH *SIEGEN (c)MARBURG (c)GIESSE., KOBLENZ 0Ffi|EOBERG A , 1 .GE LN HAUSE CIFRANKFUBT WIESBADEN(c) ^^*OFFENBACH HZ 1 OOARMSTADT * ,* HEPPENHEIM i OERLANGEN u ^ u m Q 0"A"""EI" , QNÜRNBERG (c)AMBERG W E I S O lt-"B"UC"E" 0 " E U S M 1 (c) " " " , k OZWEIBBUCKEN QLUDWIGSBURG ^ h STUTTGART ,Oi" " - ^QROSENHEIM 44 inSffiERADF' Bvtt41.CI \k \^J WEE * * ^ir~JLI l i i f W X . /*"^^"^^ ^ flu * C ^ E u " 3f.-. Mr -* Bf / 1 MEBV y*^*"" " dpa """ftasffiL 45 n rote Za u halt Wahrheit "t TInRAGE VER NPD-Schwerpunkte bei den Bundestagswahlen 1972, 1969 und 1965 BUNDESTAGSWAHL 1969 BUNDESTAGSWAHL 1972 NPD-STIMMENANTEILE AB 7% NPD-STIMMENANTEILE AB 1 * DER GÜLTIGEN ZWEITSTIMMEN DER GÜLTIGEN ZWEITSTIMMEN nO1 ^3 BUNDESTAGSWAHL 1965 NPD-STIMMENANTEILE AB VI. DER GÜLTIGEN ZWEITSTIMMEN ^VVAIzey- 1 Donnersbergkre > * . _ - ^ Kaisers--jy0yyy//y6- k lautern ' * ^ V x / / V > ' Pirmasens ^ M W B M Landau-Bad Berg- J Bruchsal Crailsheim "Regensburg zabern ' Böblingen ffoffenburg 47 Entwicklund der NPD-Mitgliederstärke und der Auflage der "Deutschen Nachrichten" (DN) in den Jahren 1964-1972 50 000 * AUFLAGEN HÖHE: DN 45 000 * # (1964 REICHSRUF) "0 000 * 35 000 - 30 000 - 25 000 - / ^ ^ *-******...] NPD-MITGLIEDER 20 000 - 15 000 - / ^ ^ 10 000 - / 5 00 0 - (250) - . 1 i i 1 1 1 1 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 48 .ampfschriften der "Neuen Rechten ^KflWj Wfcn^PANZER KOMMUN! STRATEGIE 1.-DM & IDEOLOGIE^ 10 eiserne Regeln für ANR-Aklivislen OS1 Waffenund Gerätefunde bei Angehörigen der NSKG/SNKD Gründungsversammlung der NSKG Bazooka Sprechfunkgerät Sender Ausschreitungen deutscher Staatsbürger aus rechtsextremistischen Motiven in den Jahren 1969-1972 "28 Fälle / Ä = 305 = 1 263 Fälle =(7ilU=: 1 / e = 170 = P 1 162 Fälle -- (65V.) ===== I & = llllll - 116 = lllllll E(72'/.)E "6 szm. p 123 (29'/.) llllll j 93 (35V.) lllllll 1969 1970 1971 1972 Erläuterungen: Ausschreitungen ohne Gewaltaspekte Ausschreitungen mit Gewalta,pekten Ausschreitungen deutscher Staatsbürger aus rechtsextremistischen Motiven im Jahre 1972 Bundestags4uAgitation gegen die wahlkampf 3bOstverträge 32' t 28M- \ / 2016- f \ / 128- .Ml".-<,- ' Jan. Febr. März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov. Dez. *Ausschreitungen gesamt *davon Gewaltakte 51 Linksradikale Bestrebungen im Jahre 1972 I. Allgemeine Erfahrungen Die Lage des Linksradikalismus war gekennzeichnet durch Terrorakte anarchistischer Gewalttäter und Wahlniederlagen der orthodoxen Kommunisten. 1. "Neue Linke" Unter dem Begriff "Neue Linke" sind in diesem Bericht ideologische Tendenzen, organisatorische Entwicklungen und Aktivitäten derjenigen kommunistischen (maoistischen, leninistischen, trotzkistischen) sowie anderer linksradikaler Gruppen dargestellt, die nicht den -- orthodoxen -- Kommunismus sowjetischer Prägung vertreten. Die Gruppen der "Neuen Linken" haben 1972 die Bemühungen fortgesetzt, ihre ideologische und organisatorische Zersplitterung zu überwinden. Vor allem suchten sie eine gemeinsame revolutionäre Strategie zu entwickeln. Sie stimmen in dem Ziel überein, das gesellschaftliche System der Bundesrepublik Deutschland revolutionär zu beseitigen und lehnen die parlamentarische Verfassungsordnung und ihre tragenden Kräfte ab. Insbesondere die maoistischen Gruppen haben an Zahl und politischer Wirkung gewonnen. Trotz der Überzeugung der meisten Gruppen der "Neuen Linken", eine Revolution sei nur unter Führung einer im Proletariat verankerten kommunistischen Partei möglich, haben sie auch 1972 in der Arbeiterschaft keine Basis gefunden. Ihre Wirkung blieb im wesentlichen auf die Hochschulen beschränkt. Dort arbeiteten sie intensiv daran, revolutionäre Ideen zu verbreiten und politische Kader heranzubilden. Die Spannungen zwischen orthodoxen Kommunisten und Organisationen der "Neuen Linken" dauern an. Nach wie vor kritisiert die DKP den Antisowjetismus der von ihr als Spaltergruppen bezeichneten Ultralinken. Diese dagegen beschuldigen die moskautreuen Kommunisten, sie hätten die "Revolution verraten" und seien zu Handlangern der Kapitalisten geworden. Eine wachsende Zahl von Gruppen der "Neuen Linken" hat sich 1972 zur Anwendung revolutionärer Gewalt bekannt. 52 Schwere Anschläge terroristischer Gruppen haben die Sicherheit akut bedroht und den Tod von sechs Menschen sowie Sachschäden von mehreren Millionen Mark verursacht. Die Festnahme des Kerns der BAADER-MEINHOF-Bande und anderer Terroristen führte zu einem Rückgang terroristischer Anschläge. Neugebildete Gruppen und Einzeltäter begingen aber seit Herbst 1972 weitere Terrorakte. Gruppen der "Neuen Linken", die in der gegenwärtigen Phase der politischen Entwicklung solche Terroraktionen als Mittel zum Umsturz der Gesellschaftsordnung noch ablehnen, haben gleichwohl in verschiedenen Fällen durch Gewaltanwendung politische Nahziele zu erreichen versucht. Das zeigt sich besonders im Hochschulbereich. 2. Orthodoxe Kommunisten Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) hat ihren Mitgliederbestand nur geringfügig auf etwa 36 000 erhöhen können. Sie erlitt bei der Bundestagswahl eine schwere Niederlage, die sich hemmend auf die Aktivität ihrer Mitglieder auswirkte. Die Betriebsarbeit der DKP, die ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit geblieben ist, stagnierte. Das zeigten die geringe Zunahme von Betriebsgruppen und -Zeitungen und das schlechte Ergebnis bei den Betriebsrätewahlen. Die Versuche der DKP, mit außenund innenpolitischen Forderungen, die zum Teil auch von demokratischen Vereinigungen vertreten werden, die "Aktionseinheit der Arbeiterklasse" und ein breites Bündnis auch mit bürgerlichen Kreisen ("Volksfront") zu erreichen, kamen über Ansätze nicht hinaus. Zunehmend stießen die orthodoxen Kommunisten auf die Konkurrenz maoistischer Gruppen, die ihnen die Führung im linksradikalen Lager, besonders in der Vietnam-Kampagne, im "Kampf gegen das Ausländergesetz" und in den Betrieben streitig machten. Umso beachtlicher waren -- wie schon im Vorjahr --die Wahlerfolge des "Marxistischen Studentenbundes Spartakus" (MSB) an Hochschulen, der die Zahl seiner Mitglieder um ein Viertel erhöhen und seine Organisation festigen konnte. Er hat im Bündnis mit dem SHB (vormals: "Sozialdemokratischer Hochschulbund") auch seinen Einfluß im "Verband Deutscher Studentenschaften" (VDS) sowie in vielen "Allgemeinen Studentenausschüssen" ausbauen können. Die SED und ihre Hilfsorganisationen haben auch 1972 ihre Westarbeit in der Bundesrepublik Deutschland fortgesetzt. 53 3. Anzahl der Terrorund Gewaltakte mit linksradikalem Hintergrund Die Zahl der Terrorund Gewaltakte mit vermutlich linksradikalem Hintergrund ist im Jahre 1972 mit 164 gegenüber 367 im Jahre 1971 stark zurückgegangen. Die Anschläge verursachten 1972 aber weitaus größere und schwerwiegendere Schäden. Fast die Hälfte der ausgeführten Terrorund Gewaltakte richtete sich gegen Polizeiund Justizbehörden, amerikanische Einrichtungen, Versorgungsund Industriebetriebe, Universitäten, Banken und Sparkassen. Rd. 70% der Terrorund Gewaltakte wurden in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Berlin verübt. Die Zahl der bekanntgewordenen - offensichtlich allerdings nicht immer ernst gemeinten -- Gewaltdrohungen, die sich vor allem im Mai häuften, ist dagegen von 188 Fällen im Jahre 1971 auf 1596 im Jahre 1972 gestiegen. Die Drohungen richteten sich in erster Linie gegen Industrieund Versorgungsbetriebe, Schulen, Kommunalund Polizeibehörden, ordentliche Gerichte und gegen Verkehrsbetriebe vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hamburg. Die zahlenmäßige Entwicklung der Terrorund Gewaltakte sowie der Drohungen mit Gewalt zeigt die Übersicht unter Abschnitt IM, Ziffer 3. II. Übersicht in Zahlen 1. Organisationen Die Zahl der linksradikalen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich Berlin) ist 1972 auf 365 (1971: 392) zurückgegangen. Ihre Mitgliederzahl (Mehrfachmitgliedschaften eingeschlossen) ist jedoch auf 103 100 (1971: 88 550) gestiegen. Der Anteil der Mitglieder von Gruppen der "Neuen Linken" hat sich von 6,3% im Jahre 1971 auf 14% im Jahre 1972 erhöht. Viele Demonstrationen und andere Aktionen zeigten, daß auch die Zahl ihrer Anhänger gestiegen ist. 54 Eine Übersicht gibt die nachstehende Tabelle: 1970 1971 1972 Organisationen Zahl MitZahl MitZahl Mitglieder glieder glieder orthodox-kommunistische und prokommunistische 130 81000 130 83 000 115 88 500 maoistische 20 800 35 2 000 90 6 300 trotzkistische 5 400 7 700 10 1 000 anarchistische 5 80 10 250 15 300 sonstige Org. der "Neuen Linken" 90 2 000 210 2 600 135 7 000 250 84 280 392 88 550 365 103100 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 65 000 67 000 78 000 2. Publikationen Die Zahl linksradikaler periodischer Schriften ist mit 1183 im Jahre 1972 um ein Drittel, die durchschnittliche Wochenauflage um ein Sechstel gegenüber dem Vorjahr gestiegen Der Anteil der orthodox-kommunistischen und prokommunistischen Periodika ist gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen, der Anteil der periodischen Schriften der "Neuen Linken" an der durchschnittlichen Wochenauflage seit 1970 stetig gestiegen; er beträgt jetzt fast ein Drittel. Eine Übersicht gibt die nachstehende Tabelle: 1970 1971 1972 Publikationen Zahl WochenZahl WochenZahl Wochenaufläge aufläge auflage orthodox-kommunistische und prokommunistische 318 212 000 710 309 500 910 333 000 der "Neuen Linken" 103 54 000 183 101000 273 150 000 zusammen: 421 266 000 893 410 500 1183 483 000 Neben den periodischen Schriften verbreiteten orthodoxe Kommunisten und "Neue Linke" zahlreiche Flugblätter, Broschüren, "Dokumentationen" und andere Blätter in zum Teil hoher Auflage. 3. Linksradikale im öffentlichen Dienst Ende 1972 waren - soweit bekannt - insgesamt 1307 Linksradikale 55 im Bundes-, Landesund Kommunaldienst sowie in anderen öffentlichen Einrichtungen tätig. Einzelheiten zeigt die folgende Tabelle: Komm. Hilfs"Neue Personen DKP/SEW Organisationen Linke" Bundesdienst 235 159 3 65 8 Landesdienst 695 283 9 205 198 Kommunaldienst 236 158 59 19 Dienst in anderen öffentlichen Einrichtungen 141 103 9 20 9 1307 703 21 349 234 Bei insgesamt 3,2 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst (vgl. Fachserie L, Reihe 4 des Statistischen Bundesamtes, Februar 1973 nach dem Stand vom 2. 10. 1971) ist der Anteil der Linksradikalen trotz einer gewissen Dunkelziffer relativ gering: auf je 2440 Angehörige des öffentlichen Dienstes entfällt ein linksradikaler Bediensteter, auf je 4400 ein Mitglied der kommunistischen Parteien (DKP oder "Sozialistische Einheitspartei Westberlins" [SEW]). Von den 235 linksradikalen Bundesbediensteten sind 40% bei der Bundesbahn und fast 50% bei der Bundespost tätig, meist in untergeordneten Positionen. Von den 695 Landesbediensteten sind 44% als Lehrer an Schulen und 21 % als wissenschaftliches Personal an Hochschulen beschäftigt, je 6% als sonstiges Personal an Schulen und Hochschulen sowie im Justizdienst 4. Studentenparlamente und Allgemeine Studentenausschüsse 4.1 Studentenparlamente Im Dezember 1972 hatten Linksradikale an den 34 (1971: 32) Universitäten und Technischen Universitäten, an denen Studentenparlamente bestehen, mindestens 686 (1971: 745) = 52% (1971: 57,9%) der 1312 (1971: 1288) Sitze in den Studentenparlamenten inne. Einzelheiten und Veränderungen zeigt die nachstehende Tabelle: Zahl der Sitze Anteil vertreten in (Zahl der Gruppen Parlamente): 1971 1972 1971 1972 1971 1972 "Neue Linke" 425 368 33,0 % 28,1 % 29 27 MSB Spartakus 105 99 8,2% 7,5% 23 21 SHB 215 219 16,7% 16,7% 23 20 56 Der Anteil der Linksradikalen an den Sitzen der Studentenparlamente ist von 58% im Jahre 1971 auf 52% im Jahre 1972 zurückgegangen; unter ihnen hat lediglich der SHB seinen Anteil halten können. 4.2 Allgemeine Studentenausschüsse Von insgesamt 253 (1971: 222) Mitgliedern Allgemeiner Studentenausschüsse an den 36 (1971: 32) Universitäten, an denen Allgemeine Studentenausschüsse bestehen, waren im Dezember 1972 mindestens 175 (1971: 150) = 69% (1971: 67,5%) Linksradikale. Einzelheiten und Veränderungen zeigt die nachstehende Tabelle: Zahl der Vertreter Anteil Vertreter in Gruppen (Zahl d. ASTA) 1971 1972 1971 1972 1971 1972 "Neue Linke" 78 85 35,1 % 33,5 % 18 20 MSB Spartakus 28 38 12,6% 15,2% 12 16 SHB 44 52 19,8% 20,5% 13 15 Ähnlich wie bei den Studentenparlamenten ist die Zahl der Universitäten, in deren Allgemeinen Studentenausschüssen Linksradikale vertreten sind, im Jahre 1972 gestiegen. Auch der Anteil der Linksradikalen hat sich im Jahre 1972 geringfügig erhöht, wobei Gruppen der "Neuen Linken" Verluste erlitten, der MSB Spartakus und sein Bündnispartner SHB jedoch deutliche Gewinne erzielten. 4.3 Starke Positionen haben die Linksradikalen insbesondere an den Berliner Universitäten, an denen keine Studentenparlamente und "Allgemeine Studentenausschüsse" bestehenAn der Freien Universität (FU) sind mindestens 39 ( = 50,7%) von 77 Sitzen und an der Technischen Universität (TU) mindestens 17 ( = 28,8%) von 59 Sitzen der studentischen Vertreter in den Fachbereichsräten von Linksradikalen besetzt. An beiden Universitäten überwiegen bei den linksradikalen Vertretern in den Fachbereichs raten Mitglieder der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlin" (SEW) und der von ihr maßgeblich beeinflußten "Aktionsgemeinschaften von Demokraten und Sozialisten" (ADS). Der Anteil von "Neuen Linken" an den studentischen Sitzen in den Fachbereichsräten der FU beträgt ein Fünftel, an denen der TU rd. 7%. Einige Linksradikale sind Mitglieder des Akademischen Senats und des Konzils der beiden Universitäten. 57 III. Terror und sonstige Ausschreitungen 1. Ideologische Motivationen Die terroristischen Anschläge der BAADER-MEINHOF-Bande sowie der Angriff der palästinensischen Gruppe "Schwarzer September" auf die israelische Olympiamannschaft haben unter der revolutionären Linken die Diskussion über die Anwendung von Gewalt neu entfacht. 1.1 Die BAADER-MEINHOF-Bande, die sich selbst "Rote Armee Fraktion" (RAF) nennt, hatte bereits 1971 ihren Terror in mehreren Schriften theoretisch gerechtfertigtAuch 1972 erschienen Schriften, in denen die RAF ihren Guerillakampf erklärte. Auch Horst MAHLER wies während seines Prozesses in Berlin alle Zweifel am Erfolg eines bewaffneten Aufstandes zurück. Er erklärte, in der Bundesrepublik gebe es "bisher weitgehend ungenutzte Möglichkeiten zur Verankerung der Idee des bewaffneten Widerstandes". MAHLER verteidigte auch den Anschlag der Gruppe "Schwarzer September" auf die israelische Olympiamannschaft in München als Teil des weltweiten Kampfes gegen den Imperialismus. 1.2 Neben den Schriften der RAF erschienen 1972 weitere anonyme Publikationen, die Terrorismus und andere Formen der Gewalt propagierten. Im November wurde in mehreren Universitätsstädten eine Druckschrift "Den antiimperialistischen Kampf führen! Die Rote Armee aufbauen! Die Aktionen des Schwarzen September in München -- Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes" verbreitet. Ihre Aufmachung gleicht den in den Jahren 1971 und 1972 verbreiteten Schriften der RAF. Die Schrift rechtfertigt das Verbrechen palästinensischer Terroristen in München und ruft zur Solidarität mit dem "Befreiungskampf des palästinensischen Volkes", mit der "Revolution in Vietnam" sowie zur Vereinigung der Revolutionäre auf. Ebenfalls im November wurde in Berlin ein Flugblatt einer Organisation "Roter Oktober" verteilt, die zur "Rache für die ermordeten Genossen" und zur Fortsetzung des "Stadtguerillakampfes" auffordert und sich zu einem Brandanschlag auf das Kammergericht bekennt. Eine Broschüre mit dem Titel "Handbuch für den Hausbesetzer" enthält praktische Anweisungen, wie ein Haus besetzt und gegen die Polizei verteidigt werden könne. 58 Eine andere Schrift mit dem Titel "Straßenwerkertips vom Zentralrat der Steinwerfenden, Züngelnden und Plündernden (AnarchoSyndikalisten)" erteilt Anweisungen für die Ausrüstung und die Taktik bei Straßenschlachten. Auch im übrigen Bundesgebiet haben 1972 anarchistische Gruppen in ihren Blättern wieder die Anwendung von Gewalt zur revolutionären Beseitigung der bestehenden Gesellschaftsordnung propagiert. Dabei bekundeten sie offen ihre Sympathie für die Ziele und Methoden der BAADER-MEINHOF-Bande und anderer Gewalttäter. Im Buchhandel werden Schriften vertrieben, die Anleitungen für Gewaltakte enthalten oder Gewalt rechtfertigen. 1.3 Die orthodoxen Kommunisten haben ebenso wie die meisten Gruppen der "Neuen Linken" den "individuellen Terror" und die "anarchistische Gewalt" der BAADER-MEINHOF-Bande und arabischer Terroristen abgelehnt. Sie erklärten, der Terror diene den herrschenden Kreisen als Vorwand, die ganze linke Bewegung zu kriminalisieren. Trotz ihrer Ablehnung des Terrors haben aber sowohl die orthodoxen Kommunisten als auch Gruppen der "Neuen Linken" in ihren Stellungnahmen zum Anschlag arabischer Terroristen in München Sympathien für die arabische "Befreiungsbewegung" erkennen lassen. 1.4 Differenzierter äußerte sich die Fraktion "Roter Morgen" der maoistischen "Kommunistischen Partei Deutschlands / MarxistenLeninisten" (KPD/ML): In ihrem gleichnamigen Zentralorgan verurteilte sie zwar die Bombenanschläge der RAF auf das SpringerHochhaus in Hamburg und auf das Landeskriminalamt in München. Sie begrüßte aber die Anschläge auf amerikanische Einrichtungen in Frankfurt und Heidelberg, weil sie dem Haß gegen die "USAggressionstruppen" einen angemessenen Ausdruck verliehen hätten. Die Fraktion "Rote Fahne" der KPD/ML wertete - soweit bekannt -- als einzige Gruppe der "Neuen Linken" in einer Erklärung ihres Zentralbüros den "individuellen Terror" der "palästinensischen Kämpfer" in München als ein "richtiges Mittel" im Kampf um die "Befreiung Palästinas". Die maoistische KPD/ML ist bereit, wie ihre planmäßig vorbereiteten gewaltsamen Ausschreitungen während des "Roten Antikriegstages" Anfang September in München gezeigt haben, ihre Bekenntnisse zur Gewaltanwendung unter bestimmten Voraussetzungen 6chon jetzt in die Tat umzusetzen. Die KPD/ML-Fraktion "Roter 59 Morgen" erklärte, wer nach der "Schlacht am Karlstor" noch glaube, auf friedlichem Wege die Macht im Staate erringen zu können, sei blind; die KPD/ML werde der Gewalt der "Bourgeoisie" die "revolutionäre Gewalt" der Volksmassen entgegenstellen. 1.5 Trotz der von den Terrorgruppen sich unterscheidenden Grundauffassung der "Neuen Linken", individuelle Terrorund Gewaltakte seien in der gegenwärtigen Phase nicht anzuwenden, kämpften einige ihrer Gruppen, besonders an Hochschulen, mit gewaltsamen Aktionen für ihre Nahziele. 2. Terrorgruppen 2.1 BAADER-MEINHOF-Bande ("Rote Armee Fraktion" - RAF) Die BAADER-MEINHOF-Bande hat 1972 ihre Terrorakte fortgesetzt. Die öffentliche Fahndung und intensive Ermittlungen der Sicherheitsbehörden führten vom Januar bis Juli zur Festnahme von 13 Mitgliedern der Bande, darunter der mutmaßlichen Rädelsführer Andreas BAADER, Ulrike MEINHOF und Gudrun ENSSLIN. Seit Bestehen der Bande konnten über 30 zu ihrem engeren Kreis gehörende Personen verhaftet werden. Ende 1972 wurde noch nach sechs namentlich bekannten Mitgliedern der RAF gefahndet. Folgenschwere Sprengstoffanschläge richteten sich im Mai gegen das Hauptquartier des 5. amerikanischen Korps in Frankfurt und auf das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa in Heidelberg, bei denen insgesamt vier amerikanische Soldaten getötet wurden. Weitere schwere Sprengstoffanschläge wurden im Mai gegen das Landeskriminalamt in München, die Polizeidirektion Augsburg, das Springer-Hochhaus in Hamburg und gegen einen Bundesrichter in Karlsruhe verübt. Dabei wurden über 60 Personen zum Teil schwer verletzt und ein Sachschaden von über zwei Millionen DM angerichtet. Bei einigen dieser Anschläge liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß sie von Angehörigen der RAF begangen worden sind. Wiederholt kam es zu Schießereien mit Polizeibeamten, so bei der Festnahme von Andreas BAADER, Holger MEINS und Jan Carl RASPE am 1. Juni in Frankfurt/Main sowie bei der Festnahme von Manfred GRASHOF und Wolfgang GRUNDMANN am 1. März in Hamburg. Ein an der Hamburger Festnahme beteiligter Polizeibeamter erlag seinen Schußverletzungen. Die Unterstützung der Bande durch Sympathisanten und Helfer erschwerte die Fahndungsund Ermittlungstätigkeit der Sicherheitsbehörden erheblich. 60 2.2 "Bewegung 2. Juni" In Berlin hatte sich Anfang 1972 eine weitere Terrorbande aus Anhängern anarchistischer Gruppen ("Schwarze Zellen", "Schwarze Hilfe") gebildet, die sich "Bewegung 2. Juni" (Todestag von Benno OHNESORG) nannte. Ihr gehörten etwa 20 Personen an. Sie unterhielt Verbindungen zur RAF und wendete deren Methoden an. Sie verübte Sprengstoffanschläge, so das Attentat am 2. Februar auf den britischen Yachtclub in Berlin, bei dem ein deutscher Angestellter getötet wurde. Ferner beging sie Banküberfälle und Kraftfahrzeugdiebstähle, mietete konspirative Wohnungen und beschaffte sich Sprengstoff u. a. von arabischen Terroristen. Sie erwog auch, Politiker zu entführen, um die Befreiung inhaftierter "Genossen" zu erreichen. Im Mai nahm die Polizei in Bad Neuenahr vier Mitglieder dieser Gruppe fest, die einen Sprengstoffanschlag auf das Türkische Konsulat in Bonn planten. Im Sommer konnte sie weitere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe stellen. Einige von ihnen befinden sich inzwischen wieder auf freiem Fuß. 2.3 Drei bereits im Sommer 1971 festgenommene führende Mitglieder des "Sozialistischen Patientenkollektivs Heidelberg" (SPK), das bis zur Jahreswende 1972/73 tausend Personen organisatorisch für den gewaltsamen Sturz des bestehenden Gesellschaftssystems vereinigen wollte, wurden Mitte Dezember 1972 zu Freiheitsstrafen zwischen drei und viereinhalb Jahren verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß sich flüchtige Mitglieder des SPK der RAF angeschlossen hatten. 2.4 Die nach der Zerschlagung des Kerns der RAF und der Festnahme von Mitgliedern der Gruppe "Bewegung 2. Juni" verübten Terroranschläge und die weitere Verbreitung terroristischer Schriften deuten darauf hin, daß sich im Bundesgebiet neue terroristische Gruppen gebildet haben oder daß terroristische Einzeltäter am Werk sind. 2.5 Die "Rote Hilfe", die im Jahre 1970 in Berlin gegründet worden war und der es gelungen ist, u. a. in München, Hamburg und Frankfurt/Main ähnliche Gruppen zu bilden, sucht unter Anhängern der "Neuen Linken" eine stärkere Solidarität mit inhaftierten "Genossen", insbesondere den Mitgliedern der RAF, zu wecken. Besondere Aktivität entfaltet dabei die "Rote Hilfe"-Gruppe in Frankfurt. 61 2.6 Die etwa 10 aktiven (von insgesamt 15), meist kleinen anarchistischen Gruppen haben untereinander kaum feste Verbindungen und bestehen oft nur Monate. Die Anhänger der Gruppen wechseln häufig; ihre Zahl dürfte insgesamt 300 nicht übersteigen. Ausgangspunkt anarchistischer Bestrebungen ist nach wie vor Berlin, wo sich mit den "Schwarzen Zellen" auch die bedeutendsten anarchistischen Gruppen befinden. Die anarchistischen Gruppen propagieren in ihren Blättern Gewalt und streben z.T. eine Verbindung von politischer Arbeit und "persönlicher Befreiung" an. 3. Zahlenmäßige Entwicklung der Terrorund Gewaltakte I. Terrorakte 1972 1971 1970 Mordanschläge 2 10 Sprengstoffanschläge 33 29 61 Brandstiftungen 27 40 56 62 79 117 II. Gewaltakte Körperverletzung 26 53 13 Sachbeschädigung 19 76 71 Sonstige 57 159 78 102 288 162 II. Androhung von Mord und Entführungen 7 15 38 Sprengstoffund Brandanschlägen 1 555 158 206 Sonstigen Gewaltakten 34 15 40 1 596 188 284 insgesamt: 1 760 555 563 IV. Regionale Schwerpunkte Regionale Schwerpunkte des Linksradikalismus in der Bundesrepublik Deutschland waren 1972 nach der Zahl und Stärke der Gruppen sowie ihrer Aktivität die Großstädte Berlin, Hamburg, Frankfurt, München und das Rhein-Ruhr-Gebiet. Die meisten größeren Demonstrationen der radikalen Linken fanden in diesen Städten sowie in Dortmund und Düsseldorf statt. Die große Zahl von Demonstrationen in Bonn ist nicht auf eine besonders starke Reprä62 sentanz der Linksradikalen, sondern auf den Sitz von Bundesregierung und Bundestag zurückzuführen. V. Schwerpunkte der Agitation In ihrer tagespolitischen Agitation haben die orthodoxen Kommunisten und Gruppen der "Neuen Linken" häufig unterschiedliche Positionen eingenommen. Die DKP machte sich in der Regel zum Fürsprecher ihr willkommener Forderungen, die auch von demokratischer Seite vertreten werden. Ihre Hilfsorganisationen übernahmen die Argumente weitgehend. 1. Ostund Deutschlandpolitik 1.1 Die DKP hat die Ratifizierung der Ostverträge als wichtigen Schritt zur Erreichung der friedlichen Koexistenz zwischen kapitalistischen und sozialistischen Staaten in Europa begrüßt. Den Grundvertrag mit der DDR bezeichnete sie als einen Erfolg der "konsequenten Friedenspolitik der sozialistischen Staatengemeinschaft", der das Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander so regele, wie es zwischen unabhängigen souveränen Staaten üblich sei. 1.2 Gruppen der "Neuen Linken" diffamierten die Ostund Deutschlandpolitik der Bundesregierung als "imperialistisch": Die Ostverträge dienten "allein dazu, in Zusammenarbeit mit den Ausbeutern drüben . . . die Eroberung der Ostmärkte, nun auf .friedlichem Weg' zu erreichen . . . " . 2. Sozialpolitik 2.1 Die DKP sieht vor allem in der Sozialpolitik Möglichkeiten, die "antimonopolistische" Umgestaltung der Gesellschaft zu verwirklichen, die sie als Etappe auf dem Weg zur sozialistischen Revolution ansieht. Sie ist daher bemüht, sich als Interessenvertreterin der Arbeiter und Angestellten hinzustellen, während sie die sozialen Forderungen anderer Bevölkerungskreise, wie der Bauern und der kleinen und mittleren Gewerbetreibenden, als Anknüpfungspunkte ihrer Bündnispolitik zu benutzen sucht. 63 In ihren überarbeiteten "Vorschlägen für demokratische Mitbestimmung" erklärte die DKP, ein "System sozialer Sicherheit" sei in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik nicht möglich, sondern könne erst nach grundlegender Änderung der Machtverhältnisse, in einer "antimonopolistischen Demokratie", geschaffen werden. 2.2 Gruppen der "Neuen Linken" äußerten sich radikaler: Die Sozialpolitik der Bundesregierung sei ein "Volksbetrug"; durch konzertierte Aktion und "Lohndiktat" wolle sie die Streikfreiheit der Gewerkschaften einschränken. Die Politik der Klassenversöhnung und der Sozialpartnerschaft in den Gewerkschaften sei "die besondere Form der bürgerlichen Ideologie innerhalb derArbeiterklasse", die sie an "die Politik der Kapitalisten" fessele. Die rechtliche und materielle Lage der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen könne nur gesichert und verbessert werden, wenn die "reaktionären Gewerkschaftsführer an ihren Verrätereien" gehindert und die Gewerkschaften wieder zu "unseren Kampforganisationen" gemacht würden. 3. Konjunkturund Wirtschaftspolitik 3.1 Die DKP propagierte den Kampf gegen die "Macht der Monopole", setzte sich für größeren Einfluß derArbeiterklasse in Betrieb und Wirtschaft ein und forderte, die Schlüsselindustrien, Konzerne, Großbanken und Großversicherungen in "demokratisch verwaltetes öffentliches Eigentum" zu überführen. 3.2 Die maoistische KPD erklärte, mit "Steuerhöhungen, Kürzung sogenannter Reformmaßnahmen und der Politik der staatlichen Verschuldung" verfolge die "SPD-Regierung allein das Ziel, den Kapitalisten über den Staat weitere Gelder zuzuschanzen". Die Arbeiterklasse könne sich von "Ausbeutung und Unterdrükkung" nur befreien, wenn sie "den Kapitalisten die Fabriken und Werke wegnimmt, die diese sich durch die Ausbeutung derArbeiterklasse angeeignet haben". 4. Sicherheitsund Verteidigungspolitik 4.1 Die Gesetze zur inneren Sicherheit wertet die DKP als "weitere Einschränkung der im Grundgesetz verankerten demokratischen Rechte und Freiheiten des Volkes". Die terroristischen Anschläge 64 dienten als Vorwand, das Grundgesetz "weiter auszuhöhlen und die Bundesrepublik in einen zentral gesteuerten obrigkeitsstaatlichen Polizeistaat zu verwandeln". Der Ausbau des "Polizeiund Spitzelnetzes" verbessere die Sicherheit nicht, sondern gefährde sie. Die DKP agitierte ferner für eine schrittweise Senkung der Rüstungsausgaben um jährlich 15 Prozent, den Abbau der Militärblöcke, die Einstellung der Devisenausgleichszahlungen an die USA und den Abzug der amerikanischen Truppen. 4.2 Auch die "Neue Linke" agitierte gegen die Gesetze zur inneren Sicherheit, die sie als "vorbeugende Maßnahmen zum Schutz der kapitalistischen Ausbeuterherrschaft" bezeichnete; sie richteten sich gegen die "Neubildung der kommunistischen Bewegung auf westdeutschem Boden". Maoistische Gruppen verbanden ihre Forderung nach "antimilitaristischem Kampf" in der Bundeswehr mit einer heftigen Agitation gegen den "Imperialismus und Militarismus" der Bundesrepublik Deutschland und gegen die NATO. 5. Bildungspolitik 5.1 Den Kampf um die "Demokratisierung" des Bildungswesens sieht die DKP als Teil ihres Klassenkampfes. Sie forderte, die Schulbücher vom "antidemokratischen Geist" zu säubern und eine "Militarisierung" der Bildung durch Einrichtung von Bundeswehrhochschulen zu verhindern. Der Verteidigungshaushalt müsse zu Gunsten der Bildungsaufgaben drastisch gekürzt werden. "Demokratische" Lehrer müßten an Schulen und Hochschulen angestellt werden. Als Modell einer Bildungsreform propagierte die DKP das "vorbildliche Bildungswesen" der DDR. 5.2 Auch für die Gruppen der "Neuen Linken" ist der Kampf um Veränderungen in der Bildungspolitik und gegen die "Disziplinierung" an Schulen und Hochschulen Teil des Klassenkampfes. Der maoistische "Kommunistische Studentenverband" (KSV) erklärte, Aufgabe der kommunistischen Studenten sei es, die Studenten dem Einfluß der Bourgeoisie zu entreißen, sie auszubilden zu Fachleuten und Propagandisten im Dienste des V o l k e s . . . " 6. "Berufsverbote" Die "Grundsätze" des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten 65 der Länder vom 28. Januar 1972 zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst haben bei allen linksradikalen Gruppen eine Welle des Protestes und vielfältige Aktionen ausgelöst. Sie bekämpften die "Berufsverbote" auf Kundgebungen, Versammlungen, in Dokumentationen, Flugblättern und Solidaritätsaufrufen. 6.1 Die DKP und ihre Hilfsorganisationen forderten in zahlreichen Schriften die Aufhebung des "undemokratischen" Beschlusses und die Einstellung aller "verfassungswidrigen" Maßnahmen gegen Kommunisten und "andere Demokraten". 6.2 Die maoistische KPD sprach von "Pogromhetze" und von einer "bundesweit betriebenen Denunziation von Kommunisten und Sozialisten". Der Beschluß der Ministerpräsidenten verstärke die "umfassenden Unterdrückungsmaßnahmen", die der "kapitalistische Staat" vorbereite. VI. Kommunistische Tätigkeit 1. Bündnispolitik 1.1 "Aktionseinheit" mit Sozialdemokraten Die DKP setzte ihre Bestrebungen fort, ein "Bündnis aller antimonopolistischen Kräfte in der Bundesrepublik" zu erreichen, um ihre Basis zu erweitern. Als Kern eines solchen Bündnisses betrachtet sie weiterhin die "Aktionseinheit der Arbeiterklasse", d. h. das Bündnis von Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftern, christlichen und parteilosen Arbeitern (These 29 des Düsseldorfer Parteitages der DKP von 1971). Die Taktik der Kommunisten gegenüber der SPD wechselte jedoch wie schon im Vorjahr. Sie verfolgten zwar ständig die Linie der "Aktionseinheit von unten", indem sie versuchten, Mtglieder der SPD für gemeinsame Aktionen zu gewinnen. Sie führten örtlich wiederholt gemeinsame Aktionen für die Ratifizierung der Ostverträge, den Abschluß des Grundvertrages mit der DDR und gegen die amerikanische Kriegsführung in Indochina durch. Gelegentlich kam es auch zur Zusammenarbeit zwischen Kommunisten und meist jungen Sozialdemokraten, z. B. beim Kampf gegen die sogenannten 66 "Berufsverbote" und für sozial-, wirtschaftsund bildungspolitische Forderungen. Bis zur Wahl des VII. Deutschen Bundestages mäßigten sie ihre Angriffe gegen die Führung der SPD und unterstützten die Ostpolitik der Bundesregierung, während sie deren Innenpolitik weiter angriffen; insbesondere forderten sie eine "Offensive aller Demokraten" gegen die Bundesregierung, die Verträge mit sozialistischen Staaten abschließe und gleichzeitig im Innern die "antikommunistische Hysterie" schüre. Gleichwohl forderten Kommunisten bei der Bundestagswahl in mehreren Wahlkreisen die Wähler auf, den Kandidaten der SPD zu wählen. Als die SED nach Abschluß des Grundvertrages ihre Kampagne gegen den "Sozialdemokratismus" ebenso wie ihre Abgrenzungspolitik verstärkte, verschärfte auch die DKP ihre Angriffe gegen die "rechte SPD-Führung" und die Bundesregierung. Wesentliche Erfolge konnten die Kommunisten unter den Mitgliedern der SPD auch im Jahre 1972 nicht erzielen. 1.2 Bemühungen um "Aktionseinheit" mit Gewerkschaftern Die Versuche, in den DGB und seine Gewerkschaften einzudringen und in ihnen kommunistische Zielvorstellungen durchzusetzen, waren nach wie vor ein Schwerpunkt kommunistischer Aktivität. Die Kommunisten sehen in den Gewerkschaften ein wichtiges Instrument zur revolutionären Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wollen die Gewerkschaften in "klassenorientierte Kampfverbände" umwandeln, mit ihnen gesellschaftsverändernde Reformen vorantreiben und soziale, ökonomische und politische Konflikte in Betrieben, Staat und Gesellschaft als Hebel für die Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele benutzen. Die DKP hat aber die Zahl ihrer Mitglieder, die -- meist auf unterer und mittlerer Ebene -- gewerkschaftliche Funktionen ausüben, nicht wesentlich erhöhen können. Ihrer bisherigen Taktik entsprechend unterstützte die DKP in der Öffentlichkeit die Hauptforderungen des DGB nach Mitbestimmung, Beteiligung der Arbeiter und Angestellten am Produktivvermögen und Verbesserung der Bildungschancen der Arbeitnehmer als Durchgangsstation zum Sozialismus. In Wahrheit lehnen die Kommunisten die Mitbestimmung als Ausdruck der Klassenharmonie ebenso ab wie die vom DGB vorgesehene Beteiligung der Arbeiter und Angestellten am Produktivvermögen. 67 Auch auf dem Gebiet der gewerkschaftlichen Bildungspolitik üben die Kommunisten nur Scheinsolidarität. Die Bildungsreform, so erklären sie, dürfe sich nicht in "systemimmanenten Detailveränderungen zur Stabilisierung des Großkapitals erschöpfen, sondern" müsse eine "demokratische Alternative zur gesamten Politik der Herrschenden" entwickeln. 1.3 "Volksfronf'-Politik Die DKP setzte ihre Bestrebungen fort, ein breites "Bündnis aller demokratischen Kräfte" (Volksfront) zur Durchsetzung ihrer Ziele zustande zu bringen. Es gelang ihr wiederholt, für ihre Deutschlandund ostpolitischen Aktionen (Ratifizierung der Ostverträge, Einberufung einer Europäischen Sicherheitskonferenz, völkerrechtliche Anerkennung der DDR), für ihre Aktionen gegen den "amerikanischen" Krieg in Vietnam und für ihren Kampf gegen die "Berufsverbote" die Unterstützung nichtkommunistischer, pazifistischer, christlicher, studentischer, gewerkschaftlicher Kräfte sowie von Jugendgruppen zu erhalten. Auf kommunistische Veranlassung gegründete Bürgerinitiativen und Komitees, in denen neben Kommunisten auch Mitglieder demokratischer Organisationen mitarbeiteten, veranstalteten Demonstrationen und Kundgebungen für die Ratifizierung der Ostverträge. Andererseits beteiligten sich die Kommunisten aktiv an gleichartigen Veranstaltungen nichtkommunistischer Gruppen. Zunehmenden Anklang bei einigen nichtkommunistischen Gruppen fanden die Kommunisten in ihrer Kampagne gegen die amerikanische Kriegführung in Indochina. Das zeigten zahlreiche Demonstrationen und Protestveranstaltungen im Mai, im Juli, Ende August (während der Olympischen Spiele) und im Dezember, an denen sich auch viele nichtkommunistische Persönlichkeiten und Gruppen beteiligten. Träger dieser Aktionen war nach außen meist die DKP-orientierte "Initiative Internationale Vietnam-Solidarität" (IIVS), in der zahlreiche -- auch nichtkommunistische -- Gruppen und Personen mitarbeiten. Sie und die orthodox-kommunistischen Gruppen stießen in der Vietnam-Kampagne allerdings seit dem Sommer 1972 auf eine wachsende Konkurrenz meist maoistischer Gruppen der "Neuen Linken". Diese bildeten im Juni ein "Nationales VietnamKomitee" (NVK), organisierten viele Protestdemonstrationen und agitierten nicht nur gegen den "USA-Imperialismus", sondern auch 68 gegen den "Sozialimperialismus der Sowjetunion". Die DKP griff das NVK an, weil es die breite Solidaritätsbewegung spalte. Nach der parlamentarischen Entscheidung über die Ostverträge verlagerte sich der Schwerpunkt der kommunistischen "Volksfront"Bestrebungen auf eine Zusammenarbeit "fortschrittlicher" Kräfte für innenpolitische Ziele. Damit rückte auch die von der Sowjetunion und den kommunistischen Parteien Westeuropas seit Jahren propagierte Forderung nach Einberufung einer "Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" deutlich in den Hintergrund. Die "Deutsche Friedens-Union" (DFU), die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) und andere DKP-orientierte Gruppen, unterstützt von der "Demokratischen Aktion gegen Neonazismus und Restauration" (DA), forderten in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens mit unterschiedlichen Schwerpunkten den Abbau des "Antikommunismus" und den Kampf gegen "das Rechtskartell (NPD, CDU/CSU, Landsmannschaften)" als Konsequenzen der Ostverträge. Den Kommunisten ist es, begünstigt durch politische Ereignisse und den Friedensund Entspannungswillen breiterer Bevölkerungskreise in stärkerem Maße als bisher gelungen, Ansätze für eine Volksfront zu erzielen. Ein dauerhaftes und breites Aktionsbündnis aller demokratischen und fortschrittlichen Kräfte haben sie jedoch nicht annähernd schaffen können. 1.4 Betriebsarbeit Die Betriebe gelten der DKP als wichtigstes Betätigungsfeld. Mit ihren Betriebsgruppen und -Zeitungen sowie den Parteimitgliedern in den Betrieben greift die DKP innerbetriebliche Mißstände, Lohnfragen und sonstige Probleme auf, um die Arbeiter als Verbündete zu gewinnen, und deren "Klassenbewußtsein" zu entwickeln. Sie hat sich daher weiterhin bemüht, ihre Basis in den Betrieben durch Werbung neuer Mitglieder und Bildung von Betriebsgruppen zu erweitern. Sie hat jedoch im Jahre 1972 nicht einmal die auf ihrem 2. Parteitag (November 1971) genannte Zahl von 408 Betriebsgruppen erreicht. Fast die Hälfte aller DKP-Betriebsgruppen befindet sich weiterhin in Betrieben der Metallindustrie. Im öffentlichen Dienst hat die DKP die Zahl ihrer Betriebsgruppen auf 20 (1971: 17) erhöhen können. In diesen Gruppen sind überwiegend Landesund Kommunalbedienstete tätig. Mehrjährige Beobachtungen haben ergeben, daß nur etwa 75 DKPBetriebsgruppen eine anhaltende Aktivität entwickeln. Nur 70 69 ( = 20%) der im Jahre 1972 erschienenen 340 (1971: 320) Betriebszeitungen gaben DKP-Betriebsgruppen heraus. Alle anderen wurden von übergeordneten Gliederungen herausgegeben. Bei den Betriebsrätewahlen im Frühjahr 1972, bei denen etwa 200 000 Betriebsräte gewählt wurden, kandidierten DKP-Mitglieder auf den gewerkschaftlichen Einheitslisten. Die Gesamtzahl der gewählten DKP-Betriebsräte beträgt schätzungsweise 800 ( = 0,4%). Das entspricht dem Ergebnis der illegalen KPD bei den Betriebsratswahlen 1967/68 und etwa dem Anteil der DKP an den Erststimmen bei der Bundestagswahl. In einigen Großbetrieben hat die DKP jedoch besser abgeschnitten als seinerzeit die verbotene KPD. Die DKP versuchte auch, die Verbindungen ihrer Betriebsgruppen zu Betriebsgruppen der "Bruderparteien" in multinationalen Konzernbetrieben der EWG-Länder auszubauen. Über geringe Ansätze ist sie jedoch nicht hinausgekommen. Unverkennbar stagniert die organisierte Arbeit der DKP in den Betrieben. Das ergibt sich auch aus internen Äußerungen führender DKP-Funktionäre. 1.5 DKP und EWG Die Kommunisten haben angesichts der zunehmenden Integration der westeuropäischen Wirtschaft und der damit verbundenen multinationalen Kapitalund Konzemverflechtungen begonnen, sich mit Problemen der EWG auseinanderzusetzen. Sie bekämpften die EWG als "unternehmerischen Zweckverband", gegen den sie eine "gewerkschaftliche Gegenmacht" unter Einschluß der kommunistischen Gewerkschaften in Frankreich und Italien schaffen wollen. Die Gründung eines "Europäischen Bundes Freier Gewerkschaften" (EBFG) sei zwar ein wesentlicher Schritt auf dem Wege wirksamer internationaler Zusammenarbeit, reiche aber für einen wirksamen Kampf gegen multinationale Konzerne und Monopole nicht aus. 2. Jugendund Studentenarbeit In der kommunistischen Jugendund Studentenarbeit haben die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und der "Marxistische Studentenbund Spartakus" ihre Aktivität verstärkt. Beide Organisationen bekennen sich unverändert zu den Grundsätzen und Zielen der DKP und unterstützen sie offen. 70 2.1 Jugend Auf ihrem 3. Bundeskongreß (31. März bis 2. April in Stuttgart) verabschiedete die SDAJ die "5 Grundrechte der jungen Generation" als Richtlinie ihrer politischen Arbeit und rief die Jugend auf zum Kampf gegen den "Antikommunismus" und zur "Aktionseinheit" zwischen jungen Sozialdemokraten und Kommunisten. Der stellvertretende Vorsitzende der DKP, Herbert MIES, hob in einer Grußbotschaft an den Kongreß die enge Verbundenheit von DKP und SDAJ hervor. Im Mittelpunkt der politischen Arbeit der SDAJ stand auch im 1. Halbjahr der Kampf für die Ratifizierung und Verwirklichung der Ostverträge, für eine Europäische Sicherheitskonferenz, für Rüstungskürzung, gegen Dienstpflichten aller Art und für soziale und politische Rechte der Wehrpflichtigen. Die SDAJ bemühte sich mit besonderer Intensität um Lehrlinge und Jungarbeiter. Sie agitierte gegen die Praxis der Berufsausbildung und erklärte, die Kapitalisten verweigerten jede echte Mitbestimmung. Spektakulär wurden Vorwürfe dieser Art insbesondere auf einer Arbeiterjugendkonferenz der SDAJ-Nordrhein-Westfalen in Essen (Juli 1972) und auf den sogenannten Siemens-Tribunalen (Oktober 1972) in Nürnberg und München erhoben. In der zweiten Hälfte des Jahres konzentrierte sich die SDAJ auf die Unterstützung der DKP im Bundestagswahlkampf und auf die Vorbereitung für die "X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten" (28. Juli bis 5. August 1973 in Berlin (Ost)). Die Arbeit von DKP und SDAJ an Oberschulen ist bisher über Ansätze nicht hinausgekommen. Bei den Vorbereitungen für die kommunistischen "Weltjugendfestspiele" konnte der kommunistische "Arbeitskreis Festival", in dem die SDAJ mitarbeitet, die in der "Koordinierungsgruppe 10. Weltfestspiele" zusammengeschlossenen demokratischen Jugendverbände für eine Zusammenarbeit gewinnen. Sie bildeten den "Initiativausschuß 10. Weltfestspiele". Damit haben die Kommunisten ein Ziel erreicht, das sie seit langem anstrebten. Die Bemühungen der SDAJ, in die Jugendringe von Bund, Ländern und Gemeinden aufgenommen zu werden, hatten wie schon im Vorjahre teilweise Erfolg. So gelang es ihr, in 19 weitere Kreisund Stadtjugendringe aufgenommen zu werden. Am Jahresende war sie damit Mitglied in den Landesjugendringen Hamburg, Bremen und Saarland sowie in 32 Kreisoder Stadtjugendringen. Ihre andauernden Bemühungen, in den Deutschen Bundesjugendring aufgenommen zu werden, scheiterten aber im November zum fünften Mal. 71 2.2 Studenten Die DKP verfügt an 40 Hochschulen (1971: nach eigenen Angaben 23) über Hochschulgruppen. Der "Marxistische Studentenbund Spartakus" (MSB) war jedoch der eigentliche Träger ihrer Aktivitäten an Hochschulen. Während der MSB die Politik der DKP in der Studentenschaft zu verbreiten sucht, beschränkten sich die DKPHochschulgruppen im wesentlichen auf interne Parteiarbeit. Der MSB vertritt, obwohl er als von der DKP unabhängig auftritt, in vollem Umfang deren politische Linie. Er hat auch solche Studenten gewonnen, die die DKP-Politik bejahen, sich aber -- meist aus beruflichen Gründen -- scheuen, Mitglieder der DKP zu werden. Mit seinen über 2500 (Ende 1971: knapp 2000) Mitgliedern, die in etwa 80 Gruppen und Initiativgruppen organisiert sind, hat sich der MSB Spartakus zu einem der stärksten politischen Studentenverbände in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt. Straffe Führung sowie ideologische und organisatorische Geschlossenheit förderten seine Entwicklung. Zusätzliche politische Stärke erwuchs dem MSB aus dem Dauerbündnis mit dem SHB (vormals: "Sozialdemokratischer Hochschulbund"), der sich aufgrund einer Entscheidung des Landgerichts Bonn am 29. November nicht mehr "Sozialdemokratisch" nennen darf. Der SHB hat sich zwar gespalten, seine Mehrheit steht aber nach wie vor zu dem Bündnis mit dem MSB. Die Konsolidierung, wachsende StärKe und Anziehungskraft des MSB Spartakus haben ihm bei den Wahlen zu den Studentenparlamenten weitere Erfolge gebracht. MSB Spartakus und SHB bestimmen auch weiterhin gemeinsam die politische Linie des "Verbandes Deutscher Studentenschaften" (VDS), dessen Vorstand sich Ende 1972 aus einem Mitglied des MSB und zwei Mitgliedern des SHB zusammensetzte. Gegen den Widerstand der Hochschulgruppen der "Neuen Linken", die den VDS zu einem losen Verband mit ausschließlich koordinierender und informierender Funktion machen wollten, haben MSB und SHB das Konzept eines organisatorisch starken, gewerkschaftlich orientierten Verbandes durchgesetzt. Die außerordentliche Mitgliederversammlung des VDS im Mai 1972 verabschiedete eine von der MSB/ SHB-Koalition ausgearbeitete "Hauptresolution und Aktionsprogramm", mit Richtlinien für die künftige Verbandspolitik: Kampf den reaktionären Hochschulgesetzen -- für eine demokratische Hochschule und Studienreform Kampf den undemokratischen und verfassungswidrigen Berufs72 verboten - für freie politische und gewerkschaftliche Betätigung in Ausbildung und Beruf Kampf für die materielle und soziale Sicherstellung der Ausbildung - Kampf dem Numerus clausus Kampf dem Militarismus und Revanchismus -- für Frieden und Abrüstung Kampf gegen Imperialismus und Kolonialismus -- für die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker. Der VDS pflegte auch internationale Verbindungen zu kommunistischen Organisationen. So war er Mitveranstalter eines internationalen Studentenseminars Anfang Dezember in Straßburg, das vom kommunistischen "Internationalen Studentenbund" (ISB) unterstützt wurde, und an dem auch Vertreter aus acht kommunistischen Staaten teilnahmen. Im Juli traf der Vorstand des VDS in Berlin (Ost) mit Vertretern des Zentralrats der "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) zusammen. Sie vereinbarten, die gute Zusammenarbeit fortzusetzen. In Berlin ist es der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW) mit Hilfe ihrer Hochschulgruppen und der von ihr beeinflußten "Aktionsgemeinschaften von Demokraten und Sozialisten" (ADS) gelungen, ihren Einfluß im Hochschulbereich beträchtlich auszubauen. Nach Angaben der SEW hat ihre Hochschulgruppe an der Freien Universität (FU) über 200 und die an der Pädagogischen Hochschule (PH) 60 Mitglieder. Die SEW hat damit die Zahl ihrer Hochschulgruppenmitglieder gegenüber dem Vorjahr verdoppeln können. An der PH beherrscht die SEW über die ADS die studentischen Mitbestimmungsgremien. 3. Propaganda und Schulung 3.1 Die DKP hat den institutionellen Unterbau ihrer Propaganda verstärkt. Das "Institut für Marxistische Studien und Forschungen" (IMSF) in Frankfurt/Main (Leiter Prof. SCHLEIFSTEIN, Mitglied des DKP-Parteivorstandes), das satzungsgemäß "Studien und Forschungen des Marxismus unter besonderer Berücksichtigung materieller und geistiger Erscheinungen der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland" betreibt, hat! 1972 seine Forschungsergebnisse in vier periodischen Schriften publiziert. Wichtige Untersuchungen waren z. B.: "Arbeitskampfrecht als Instrument des außerökonomischen Zwangs gegen die Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaften" und "Über die Streiks in der chemischen Industrie im Juni/Juli 1971" sowie der I.Teil der dreiteiligen Studie "Klassenund Sozialstruktur der BRD 1950 bis 1970". Das IMSF hat ferner 73 seine Öffentlichkeitsarbeit mit einer Vortragsreihe "Neue Ergebnisse marxistischer Forschung" fortgesetzt. Der Verlag Marxistischer Blätter, der sich nach den Worten des Mitgliedes des DKP-Parteivorstandes, Robert STEIGERWALD, "in Theorie und Praxis von den Ideen MARX', ENGELS' und LENINs leiten läßt" -- hat neben seinen drei Buchreihen einen "Marxistischen Lehrbrief" herausgegeben, der Grundlage für die Schulung in den Grundeinheiten der DKP ist. Die Zweimonatsschrift "Marxistische Blätter" hat ihre Auflage von 7000 auf 8000 Exemplare erhöhen können. 3.2 Die DKP hat sich 1972 ferner bemüht, die von ihr abhängigen oder ihr nahestehenden Verlage, Druckereien und Buchläden zu einem gewinnbringenden Dienstleistungsbetrieb zusammenzufassen. Als Dachgesellschaft fungiert die "Werbeund LiteraturVertriebs-GmbH" (WLVG) in Hamburg. Die WLVG wirbt für Literatur aus Verlagen der DDR und dem sozialistischen Ausland sowie aus "sozialistischen und demokratischen Verlagen" der Bundesrepublik Deutschland und vertreibt sie. Sie ist durch ihre Ziele und durch Personalunion der Leitungen mit der "Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler" verknüpft. Der Arbeitsgemeinschaft gehören die Leiter DKP-abhängiger und -nahestehender Verlage und der etwa 35 "collectiv" Buchläden an, die auf Betreiben der DKP meist in Universitätsstädten der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet worden sind. Diese Buchläden werden von DKP-Mitgliedern geleitet und ausschließlich von der WLVG beliefert. Sie haben ihren Umsatz an kommunistischer Literatur gesteigert, weil vor allem Studenten zunehmend von dem reichhaltigen Angebot billiger DDR-Literatur angezogen werden. 3.3 An der Parteischule Karl Liebknecht in Essen veranstaltet die DKP laufend Wochenlehrgänge für Parteimitglieder vor allem aus Industriebetrieben. Dagegen wurden in den Grundeinheiten die sogenannten "Bildungsabende" häufig vernachlässigt. Die DKP und einige ihrer Hilfsorganisationen haben 1972 mehr als 150 Mitglieder, die Funktionen übernehmen sollen, zu längeren Lehrgängen nach Berlin (Ost) und Moskau geschickt. Die "Marxistische Arbeiterbildung e.V." (MAB), eine 1969 von der DKP gegründete "Vereinigung zur Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus", konnte die Arbeit in den von ihr gelenkten 80 Bildungsgemeinschaften nicht erkennbar verstärken. Die MAB erreicht auch nichtkommunistische Kreise. Ihre Haupt74 aufgäbe ist die "Popularisierung der DDR". Sie soll aber auch marxistisches Grundwissen vermitteln und den "staatsmonopolistischen Kapitalismus" der Bundesrepublik Deutschland entlarven. 4. Wahlergebnisse 4.1 Bundestagswahl Die DKP hatte für die Bundestagswahl (19. November) in allen 248 Wahlkreisen Direktkandidaten und in allen Bundesländern Landeslisten aufgestellt. Die DKP erlitt eine schwere Niederlage: sie erhielt 146 258 der abgegebenen gültigen Erststimmen (-0,4%) und 113 891 der abgegebenen gültigen Zweitstimmen ( = 0,3%). Damit schnitt sie schlechter ab als die kommunistische Wahlpartei "Aktion Demokratischer Fortschritt" (ADF) bei der Bundestagswahl 1969, die 209 180 Erststimmen ( = 0,6%) und 197 331 Zweitstimmen ( = 0,6%) erhalten hatte. Wie die ADF im Jahre 1969 hat auch die DKP mehr Erstals Zweitstimmen erhalten. Deshalb gibt das Wahlergebnis die Stärke der DKP und ihrer Anhänger nicht genau wieder. Das DKP-Präsidium erklärte zum Ausgang der Bundestagswahl ("DKP-Pressedienst" Nr. 248/72 vom 19. 11. 1972) die Niederlage der CDU/CSU als einen Erfolg; für die DKP sei das Wahlergebnis jedoch "unbefriedigend" gewesen. Intern betrachtet die DKP-Führung das schlechte Abschneiden als schweren Rückschlag. Sie befürchtet eine wachsende Resignation in der Mitgliederschaft und einen Ansehensschwund in der Öffentlichkeit. 4.2 Landtagswahl Baden-Württemberg Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg (23. April) erhielt die DKP 21 986 Stimmen ( = 0,5%). Damit erreichte sie den gleichen Stimmenanteil wie die ADF bei der Bundestagswahl 1969, blieb jedoch erheblich hinter dem Ergebnis der kommunistischen "Demokratischen Linken" (DL) bei der Landtagswahl 1968 (88181 Stimmen = 2,3 %) zurück. 4.3 Kommunalwahlen Bei den Kommunalwahlen in Bayern (11. Juni) konnte die DKP insgesamt 5 Mandate gewinnen, und zwar je 1 Mandat in den Stadt75 raten Nürnberg und Fürth sowie in den Gemeinderäten Kösching, Falls und Ergoldsbach. Bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen (22. Oktober) erhielt die DKP kein Mandat. Bei den Kommunalwahlen in Hessen (22. Oktober) gelang es der DKP, in Marburg zwei Mandate (1226 Stimmen = 5,3%) und in 7 kreisangehörigen Städten und Gemeinden insgesamt 18 Mandate (Stimmenanteile zwischen 5,5% bis 10,9%) zu gewinnen. Die DKP besitzt nunmehr insgesamt 79 Mandate in 49 Kommunalparlamenten und einem Kreisparlament (1971: 63 Mandate in 44 Kommunalparlamenten und einem Kreisparlament), wie nachstehende Übersicht zeigt. Vertretung der DKP in Kommunalund Kreisparlamenten Insgesamt o CD J , * *; c CD Kreis Paria enl CD Stadt CD CD CD * O r*"> ; / t IMPERIALISTISCHEN KAMPF M T MMFÜHREN! DIE ROTE ARMEE AUFBAUEN ! für ßgsöp? Hausbesetzer j Die Aktion des Schwarzen September in München - Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes Schlagzeilen anarchistischer Zeitungen ORST AHLER das imperialistische Monopot \kapital insgesamtistdiemonströseste iminelteftrtiniwnoeroeschicfife. PS>sf w _ enn der letzte rat Darmen hä "9t wv'rcf M e n sc hhe/j dei 9"m a cht ^ V O L O T /ON ODPSR TODi NE POLIZEI-EINE "EXTREMISTISCHE TERROR ISTENGRUPPE"?^ FÜR PiPS-M*my>. "TtUtoJNtAmt-d'"; ***'* ^^M I-r Sprengstoffanschlag auf PKW eines Füre: Bundesrichters in Karlsruhe '*W Baby " - Bombe der RAF Die halbkugelförmige Bombe kann unter dem Kleid getragen werden (Vortäuschung einer Schwangerschaft, um Kontrollen zu vermeiden). Um Enttarnung nach Ablegen der Bombe zu umgehen, kann die unter dem Sprengkörper befindliche Gummiblase durch den zum Halsausschnitt führenden Gummischlauch aufgeblasen werden. Betriebszeitungen der DKP atr Millionen Ihren ule 'i o^_ ein ei _ , . _ Skandal, rofdemiiir. C_I.I ^^r ^^k. Waffengeschafic-n ii "amen Menschen eitere Einzelheiten. deich herange/ahren. Nr. S/72 4m Information's ^-**# HAPPEf" _ J* orderuna^*""ROTEvonHENKEI rietall undOpti^ Unger BaWebeafceHw I) iwahlen 72* Qflifon Anteil der Zweitstimmen der KPD, DFU, ADF und DKP bei Bundestagswahlen 1949 1953 1961 1965 1969 1972 108 Maoistische Betriebszeitungen KCD7F :ÜND ^ ^ KPD/ML RIEBSZEITUNG ; ROTEN OPEL RIEBSGRUPPE RUSSELS C HEIM DAS BOLLWERK f Kommunistische Betriebszeitung: für die Arbeiter u 5) DER KPD/ML jyüt-i -- ..Jkafe"fcg SPD > " * < * " * * m*. : * '*Tu' * *' ele Kollegen beim lmi mialdemokraten bz' * "t haben i n d Zeitung der Henschel-BetriebsgruppeaXimt,DTe^ leieren mit der 3 n Kollegen hört m. dem Gespräch, bei hnkampf lm Herbet .rfen nicht BÖ vie . ^ . ^ J d e r Kommunistischen Partei .+-" j"*"^ ,r müssen zurückst .ernen enger ziehen Deutschlands/Marxisten Leninisten K P D / M L -"Zuver^ izlaldemokraten lh: ihrmachen können, för Rhei"'** Ä K , - r "" i ~ *' * - " * r f t j ^ T ^ ! ^ ! ? 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Die hohe Dunkelziffer erschwert eine zuverlässige Beurteilung der Gründe für den Rückgang. # Überwiegend dürfte er jedoch darauf zurückzuführen sein, daß die gegnerischen Dienste auf gewisse, offenbar wirkungsund erfolglose Anbahnungsund Werbungsmethoden verzichtet haben. So wurden z. B. keine weiteren Massen-Briefaktionen festgestellt. Auch auf die nachrichtendienstliche Ansprache von Besuchern aus der Bundesrepublik bei Begrüßungsoder Informationsveranstaltungen des "Rates des Kreises" oder der "Nationalen Front" in der DDR wurde weitgehend verzichtet. # Die verstärkten Fahndungsaktionen und Kontrollen von Fluggästen im Zusammenhang mit den Terroranschlägen und Gewaltdelikten in der Bundesrepublik (z. B. Baader-Meinhof-Bande) dürften die gegnerischen Dienste zu größerer Vorsicht bei der Aufrechterhaltung von Verbindungswegen gezwungen haben; sie befürchteten wohl, auch ihre Agenten könnten von diesem Fahndungsnetz erfaßt werden. # Ferner sind gewisse Anhaltspunkte vorhanden, daß die besonderen politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1972 vereinzelt zu einer Zurückhaltung insbesondere der DDR-Nachrichtendienste geführt haben. Die Bundesrepublik Deutschland war dennoch weiterhin ein bevorzugtes Tätigkeitsfeld der Nachrichtendienste des kommunistischen Machtbereichs. Die Schwerpunkte der Ausspähung lagen auf den Gebieten der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Spionage. Nach wie vor ging die Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland überwiegend von den Nachrichtendiensten der DDR aus. Durch die enge Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden mit dem militärischen Abschirmbereich konnten auch im Jahre 1972 die gegnerischen Aktivitäten nachhaltig gestört und viele Aktionen aufgeklärt werden. 112 In einen für die Öffentlichkeit bestimmten Bericht über die Ergebnisse der Spionageabwehr können naturgemäß nicht alle gewonnenen Erkenntnisse aufgenommen werden. II. Übersicht in Zahlen 1. Umfang der erkannten Tätigkeit kommunistischer Nachrichtendienste 1.1 Werbungen und Werbungsversuche Im Jahre 1972 wurde den Spionageabwehrbehörden im Verhältnis zum Vorjahr rund 30 % weniger Personen bekannt, die von kommunistischen Nachrichtendiensten zur Spionagetätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert worden waren. Der Anteil der DDR-Nachrichtendienste an den Werbungen lag wie in den Jahren zuvor bei rund 80 %. Die übrigen Werbungen gingen von den anderen kommunistischen Nachrichtendiensten aus, wobei die polnischen Dienste noch vor denen Rumäniens, der CSSR und der UdSSR in Erscheinung getreten sind. Der weitaus überwiegende Teil der erkannten Werbungen richtete sich an Personen, die zur Zeit der Werbung in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) wohnten. Bei den Personen mit Wohnsitz im kommunistischen Machtbereich, die Objekt erkannter Werbungen waren, war der Anteil der tatsächlich tätig gewordenen Agenten naturgemäß besonders hoch. Insgesamt sind aber nur 22 % der Personen, die nach den vorhandenen Erkenntnissen angesprochen worden sind, für die kommunistischen Nachrichtendienste als Agenten tätig geworden, während etwa 25 % sich zwar zu einer Mitarbeit bereit erklärten, aber nicht tätig wurden. Die meisten (53%) lehnten eine Spionagetätigkeit ab. Im Jahre 1972 haben über 50% aller Personen, die erkanntermaßen von kommunistischen Spionagediensten zur Mitarbeit angeworben werden sollten oder auch für sie gearbeitet haben, sich sofort oder später den Sicherheitsbehörden freiwillig offenbart. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Jahre 1971 um 10%. Dieses erfreuliche Ergebnis ist nicht zuletzt auf die vorbeugende Aufklärungstätigkeit staatlicher und anderer Stellen zurückzuführen. Von diesen sogenannten "Selbstgestellern" hatten 8 3 % eine Mitarbeit von vornherein abgelehnt oder waren trotz einer entspre113 chenden Verpflichtung nicht tätig geworden; die restlichen Personen hatten vor ihrer freiwilligen Offenbarung Aufträge ausgeführt. Etwa 30 % der erkannten Werbungen oder Werbungsversuche erfolgten im Jahre 1972, weitere 30% im Jahre 1971. In den übrigen Fällen lag die Werbung vor dieser Zeit. In 5 % der Fälle sind seit der Werbung acht und mehr Jahre Agententätigkeit vergangen. Das zeigt erneut die teilweise langdauemde nachrichtendienstliche Verstrickung der Betroffenen. 1.2 Aufträge Ähnlich wie bei den Werbungen ist auch die Zahl der 1972 erkannten Spionageaufträge um etwa 20 % zurückgegangen. Etwa 80 % dieser Spionageaufträge gingen von den Nachrichtendiensten der DDR aus. Rund 50 % der Aufträge wurden von den Agenten nicht ausgeführt. Der Anteil der nicht ausgeführten Aufträge ist bei den einzelnen Nachrichtendiensten sehr unterschiedlich. Besonders hoch ist er beim rumänischen und polnischen Dienst. Die Bemühungen dieser Nachrichtendienste, überwiegend Aussiedler und Reisende in die Bundesrepublik Deutschland als Agenten zu gewinnen, sind aus verständlichen Gründen nur zum Teil erfolgreich. III. Werbungsmethodik 1. Kontaktanlässe Rund 67 % der Personen aus der Bundesrepublik, die Gegenstand erkannter Werbungen waren, wurden im kommunistischen Machtbereich nachrichtendienstlich angesprochen. Überwiegend waren Reisen in oder durch die DDR sowie in andere kommunistische Länder der äußere Anlaß der Werbung. Angehörige des öffentlichen Dienstes waren derartigen Annäherungen besonders ausgesetzt. Bei den außerhalb des kommunistischen Machtbereichs angesprochenen Personen erfolgte die Anbahnung meist individuell, z. B. auf brieflichem Wege und über bereits tätige Agenten. In mehreren Fällen führten Stellengesuche in einer Zeitung zu dem nachrichtendienstlichen Kontakt. 114 Bei den Personen aus der DDR und dem übrigen kommunistischen Machtbereich waren zumeist Anträge auf Aussiedlung, Westkontakte und Westreisen Anlaß der nachrichtendienstlichen Ansprache. 2. Werbungsmittel Die Werbungsmethodik der kommunistischen Nachrichtendienste ist in den letzten Jahren unverändert geblieben. Versprechen und Zusicherungen aller Art, Ausnutzung ideologischer Gründe, menschlicher Beziehungen und charakterlicher Schwächen, nicht selten auch Drohungen und Nötigungen in offener und versteckter Form gehören zu den Mitteln, die diese Spionageorganisationen bei ihren Werbungen anwenden. IV. Führung der Agenten Die kommunistischen Nachrichtendienste bevorzugten wegen der geringen Risiken auch weiterhin den eigenen Machtbereich für persönliche Treffen mit den in der Bundesrepublik tätigen Agenten. Die Dienste der DDR und der UdSSR wählten sehr häufig Berlin (Ost) als Treffort. Die Funkzentralen der gegnerischen Nachrichtendienste strahlten in unverminderter Stärke ihre verschlüsselten Anweisungen für Agenten aus. Um auffallend häufige Reisen der im Bundesgebiet tätigen Agenten in den kommunistischen Machtbereich zu vermeiden, wurden aber auch - wie schon in den Vorjahren -- zur Versorgung dieser Mitarbeiter mit Geld, nachrichtendienstlichen Hilfsmitteln und Anweisungen und zum Transport von Spionagematerial Agenten aus dem kommunistischen Machtbereich (sog. Instrukteure und Kuriere) in die Bundesrepublik entsandt. Nach intensiven Kontrollund Fahndungsmaßnahmen der Bayerischen Grenzpolizei konnten allein in der Zeit vom 15. Juni bis 27. Juli 1972 sieben Kuriere am Grenzübergang Ludwigstadt festgenommen werden. In allen Fällen handelte es sich um Deutsche aus der DDR, die versucht hatten, mit gefälschten Personaldokumenten in die Bundesrepublik einzureisen. 115 V. Die Ziele der Spionagetätigkeit Die Spionageaufträge verteilten sich in unterschiedlichem Umfang auf das Gebiet der einzelnen Bundesländer, ihre Zahl hängt im wesentlichen ab von der Struktur der Bundesländer, insbesondere von der geographischen Lage politischer, militärischer und wirtschaftlicher Zentren. Einer der Schwerpunkte in der Bundesrepublik ist das Land Nordrhein-Westfalen, das als industrielles Ballungsgebiet und durch die Bundeshauptstadt Bonn als politisches Zentrum bevorzugtes Ausspähungsziel gegnerischer Nachrichtendienste ist. Das Schwergewicht der gegnerischen Aufträge lag wieder im politischen Bereich sowie bei der Militärund Wirtschaftsspionage. Ein besonderes Interesse der gegnerischen Nachrichtendienste an der Bundestagswahl im November 1972 war nicht zu erkennen. Gegnerische Führungsoffiziere stellten lediglich die allgemein üblichen Fragen zur politischen Meinung innerhalb der Bevölkerung, insbesondere zum Wahlausgang. Bei der Wirtschaftsspionage war ein Ausspähungsschwerpunkt die Elektronik und hier die Elektronische Datenverarbeitung. Insbesondere bemühten sich die gegnerischen Nachrichtendienste hier um Informationen über den Stand der Entwicklung, der industriellen Fertigung und über Anwendungstechniken. Das läßt auf einen Nachholbedarf der kommunistischen Staaten und auf ein starkes Bedürfnis schließen, die eigene Volkswirtschaft auf diesem technischen Gebiet zu fördern. Zum Teil setzten die Nachrichtendienste erhebliche Geldmittel ein, um in den Besitz der gewünschten Unterlagen zu kommen. So hatte ein DDR-Nachrichtendienst einem Programmierer den Betrag von mindestens 10 000,-DM für die Lieferung eines fertigen Steuerungsprogramms seiner Beschäftigungsfirma zugesagt. VI. Legale Residenturen in der Bundesrepublik Deutschland 1. Personelle Besetzung und Anteil der erkannten und vermutlichen Mitarbeiter gegnerischer Dienste Die Benutzung amtlicher und halbamtlicher Vertretungen im Ausland als nachrichtendienstliche Stützpunkte -- sogenannte "legale 116 Residenturen" -- gehort auch weiterhin zu den klassischen Methoden der östlichen Geheimdienste. In der Bundesrepublik Deutschland sind bei den diplomatischen und konsularischen Vertretungen, Handelsvertretungen, Unternehmen der Seeund Binnenschiffahrt, den staatlichen Fluggesellschaften, Touristikunternehmen, Reisebüros und Presseagenturen der Staaten des kommunistischen Machtbereiches -- ohne Jugoslawien -- zur Zeit insgesamt 533 Personen aus den Entsendestaaten beschäftigt (1971:456). Die Sowjetunion ist dabei mit 209 (197t: 177) Mitarbeitern am stärksten vertreten. 76 (1971: 37) polnische, 70 (1971: 74) tschechoslowakische, 68 (1971: 66) rumänische, 63 (1971: 56) ungarische und 47 (1971: 46) bulgarische Staatsangehörige arbeiten bei den Botschaften, Handelsund anderen Vertretungen dieser Länder. Was Jugoslawien angeht, so sind in dieser Botschaft und zahlreichen konsularischen Vertretungen 168 (1971: 121) jugoslawische Staatsangehörige tätig. Der Anteil der erkannten und vermutlichen Angehörigen gegnerischer Dienste unter den Mitarbeitern dieser Vertretungen ist bei den einzelnen Ländern und Einrichtungen weiterhin sehr unterschiedlich. Insgesamt gesehen ist er jedoch im wesentlichen gleich geblieben. Er bewegt sich zwischen 6 % und 4 0 % (1971: zwischen 11 % und 30%). Infolge der starken Veränderungen und der auf diesem Gebiet hohen Dunkelziffer ist eine generelle Schätzung der Zahl nachrichtendienstlich tätiger Mitarbeiter nicht möglich. Der Anteil der erkannten oder verdächtigen Angehörigen gegnerischer Dienste ist -- von einigen Ausnahmen abgesehen -- bei den Botschaften und Handelsvertretungen besonders hoch. Betrachtet man nur die mit diplomatischem Status ausgestatteten Mitarbeiter der Botschaften, so steigt der Anteil in einem Fall auf 65 %, wobei aber nur ein Teil dieser Mitarbeiter verdächtig ist, Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland zu betreiben. 2. Arbeitsweise der legalen Residenturen In der Arbeitsweise der legalen Residenturen, insbesondere derjenigen der UdSSR, hat sich 1972 der Trend, auf die Einhaltung konspirativer Regeln zu verzichten, fortgesetzt und sogar verstärkt. Den Angehörigen der legalen Residenturen fällt es heute leichter, Zugang zu allen Bevölkerungskreisen zu gewinnen. Die veränderte Einstellung der Bevölkerung zur Sowjetunion, begleitet von einer größeren Bereitschaft zu offenen Gesprächen, hat auch Umfang und Methodik der Nachrichtenbeschaffung beeinflußt. Die legalen Residenturen in der Bundesrepublik haben den Schwer117 punkt ihrer Tätigkeit noch mehr darauf verlegt, alle sich bietenden Kontaktmöglichkeiten zu nutzen, um das verwertbare Wissen ihrer Gesprächspartner zu erschließen ("abzuschöpfen"), ohne daß diesen der nachrichtendienstliche Hintergrund des Interesses erkennbarwird. Die sowjetischen Nachrichtendienste zeigen ein starkes Interesse an den neuesten Errungenschaften der Technologie und Produktion der deutschen Industrie. Kennzeichnend für die Arbeitsweise der legalen Residenturen sind immer wieder zu beobachtende Versuche.kleine Händler oder Angestellte größerer Firmen dazu zu bewegen, elektronisches Gerät oder andere, den Embargobestimmungen unterliegende Produkte auf eigene Rechnung zu kaufen und sie den Sowjets auszuhändigen. Bei diesem Vorgehen werden auch nachrichtendienstliche Methoden angewandt. VII. Briefanbahnungen Die Nachrichtendienste der DDR haben die Methode der brieflichen Anbahnung von Agenten 1972 seltener benutzt als früher. 1972 sind keine der in den Vorjahren üblichen Massen-Briefaktionen beobachtet worden. 1971 war es den Abwehrbehörden gelungen, eine solche, als breit gestreute Darlehnsofferte einer angeblichen "Kredit-Finanzen GmbH" getarnte Anbahnungsaktion bereits in den Anfängen zu erkennen und frühzeitig zu vereiteln. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über den nachrichtendienstlichen Charakter derartiger Aktionen hat die Nachrichtendienste der DDR offenbar von neuen Aktionen abgehalten, ihre Arbeit erschwert und sie zu gezielten Einzelanbahnungen veranlaßt. Die im Jahre 1972 bekanntgewordenen Einzel-Briefansprachen waren besser auf die persönlichen Verhältnisse der Empfänger abgestimmt; sie bezogen sich überwiegend auf Personen, die auf Grund ihres Berufs oder ihres Arbeitsplatzes Zugang zu wertvollen Informationen hatten oder haben konnten. Während die Briefansprachen früherer Jahre meist schablonenhaft abgefaßt und oft wegen angewandter illegaler Mittel (z. B. Angebot steuerfreien Nebenverdienstes) leicht durchschaubar waren, wurde jetzt das Bemühen deutlich, nachrichtendienstlich interessant erscheinende Personen erst nach einer gewissen Vorbereitung anzusprechen. Kontaktierungsversuche waren besser auf die persön118 liehen Verhältnisse, insbesondere die berufliche Tätigkeit der Zielpersonen abgestimmt. So konnte z. B. festgestellt werden, daß in mehreren Fällen derselbe Briefanbahner sich durch Vortäuschung unterschiedlicher Auftraggeber an die beruflichen Möglichkeiten der jeweiligen Zielperson anpaßte, indem er sich als "Wissenschaftler in einer Forschungsgruppe für Städtebau und Architektur", als "Mitglied eines Arbeitskreises für Fragen des Internationalen Warenverkehrs", als "Leiter einer Forschungsgruppe im Planungsbereich für Wirtschaftsorganisation" oder als "Wissenschaftlicher Mitarbeiter, der sich z. Z. mit der Untersuchung studentischer Probleme befaßt" ausgab. Außer einer glaubwürdigen Legende wiesen die Brieftexte einen verbesserten Stil auf. Auch eine gründlichere Vorbereitung der direkten Ansprache ("nicht mit der Tür ins Haus fallen") durch eine längere Korrespondenz vor der ersten Einladung zu einer -- meist "kostenlosen" -- Besuchsreise nach Ost-Berlin war zu beobachten. 1. Anbahnung von Journalisten unter der Legende "Zentralstelle für Bildund Informationsaustausch (ZEBI)" Aus der Sicht der Nachrichtendienste sind Journalisten, die von Berufs wegen in der Regel über gute Verbindungen und Zugangsmöglichkeiten verfügen, besonders geeignete Kandidaten für die nachrichtendienstliche Arbeit. Im Falle eines Agenteneinsatzes ist der nachrichtendienstliche Charakter ihrer beruflichen Tätigkeit nur schwer zu erkennen. Bereits Ende 1971 und wiederholt danach wandte sich ein angeblicher "Sachbearbeiter der Zentralstelle für Bildund Informationsaustausch -- ZEBI --" in Potsdam-Babelsberg an Journalisten aus westlichen Nachbarländern und bot ihnen "Zusammenarbeit auf kulturellem Gebiet" an. Die Ermittlungen haben ergeben, daß die "Zentralstelle" vom Militärischen Nachrichtendienst der DDR gesteuert wird. 2. Anbahnungen unter der Legende "Internationale Werbeund Vermittlungsagentur" (INTER WEVAG) Mehrere Bewohner des Bundesgebietes erhielten Briefe der "Internationalen Werbeund Vermittlungsagentur (INTER WEVAG) mit dem Absender 119 Herbert WUSTRAU 1035 B e r l i n Neue Bahnhofstraße 1, in denen lohnender Nebenverdienst bei leichter Tätigkeit angeboten wird. Auch in diesem Fall handelt es sich wie bei der ZEBI um eine Tarnfirma eines DDR-Nachrichtendienstes. 3. Briefliche Anbahnungsversuche aufgrund beruflicher Veränderungswünsche in Zeitungsinserafen In mehreren Fällen erhielten Bewohner des Bundesgebietes auf entsprechende Zeitungsinserate auch Zuschriften von DDR-Nachrichtendiensten. Diese Briefe wurden zum Teil in Berlin (West) aufgegeben. Durch unkorrekte Absenderangabe, z. B. 1 B e r l i n 1058 statt 1058 B e r l i n sollte bei den Empfängern, die mit den Verhältnissen in Berlin nicht vertraut waren, der Eindruck erweckt werden, der Absender wohne in Berlin (West). Beantworteten die Empfänger die Briefe, so wurden sie meist zu einer Besprechung in ein Hotel nach Ost-Berlin eingeladen. Einige dieser Briefschreiber sind seit Jahren aus zahlreichen nachrichtendienstlichen Fällen bekannt. So erhielt z. B. ein Fotograf, der eine neue Stellung suchte, ein Schreiben des Horst BERNHARD, Fotografik - Reportage - Dokumentation Leipzig Virchow-Straße 22. BERNHARD suchte angeblich für eine "Repräsentative Publikationsreihe, Kultur und Zivilisation der 70er Jahre" fotografische Aufnahmen aus den Bereichen Reportage, Industrie, Wehrwesen und Architektur. Er stellte einen lukrativen Nebenverdienst in Aussicht. VIII. Spionage gegen den DGB Auch die Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland sind Objekt geheimdienstlicher Ausspähung der DDR-Nachrichtendienste. Innerhalb der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des "Mi120 nisteriums für Staatssicherheit" (MfS), dem Zivilen Geheimdienst der DDR, ist diese Aufgabe einem besonderen Referat übertragen. Nach langen Ermittlungen der Verfassungsschutzbehörden konnten am 22. September 1972 ein von diesem Referat geführter Agent und ein Instrukteur aus Ost-Berlin unter dem Verdacht der geheimdienstlichen Tätigkeit festgenommen werden. Bei der Festnahme wurde umfangreiches belastendes Material sichergestellt, u. a. Minoxfilme mit Besprechungsnotizen und ein Arbeitspapier für das Spitzengespräch des DGB mit dem FDGB im Oktober 1972 in Ost-Berlin. Der aus der DDR stammende Agent hatte im Juli 1948 eine hauptamtliche Stelle bei der Gewerkschaft angetreten. Seit Herbst 1958 war er beim Bundesvorstand des DGB in Düsseldorf tätig, zuletzt in der "Hauptabteilung Vorsitzender". Er hatte Zugang zur Führungsspitze des DGB und zu wichtigen Unterlagen der Gewerkschaft. Seine Ehefrau, die seit Ende September 1972 unbekannten Aufenthalts ist, war zuletzt Sekretärin des DGB-Landesbezirksvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen. IX. Werbungsversuche des MfS bei legaler Übersiedlung 1. Ein junger Mann, der mit seinen Eltern legal aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt war, reiste jährlich etwa einmal zu Verwandtenbesuchen in die DDR. Er verlobte sich auch dort. Als seine Verlobte einen Antrag auf Übersiedlung gestellt hatte, suchte ein angeblicher "Angehöriger des Rates des Bezirks" sie auf. Er gab vor, mit der Überprüfung des Übersiedlungsantrages betraut zu sein. Sein Interesse galt insbesondere der Person des Verlobten. Beim nächsten Besuch wurde der Verlobte selbst befragt. Ein Angehöriger eines DDR-Nachrichtendienstes, der ebenfalls behauptete, vom "Rat des Bezirks" zu kommen, besprach mit ihm die Probleme der Übersiedlung. Bei einem späteren Besuch gab er sich als MfS-Angehöriger zu erkennen. Er forderte den Verlobten auf, als Gegenleistung für die Aussiedlung der Braut Informationen über die in der Bundesrepublik stationierten alliierten Streitkräfte zu liefern. Um dem Drängen des MfS-Angehörigen zu entgehen, sagte der Verlobte zum Schein seine Mitarbeit zu. Seine Braut durfte schließlich ausreisen. 2. Das MfS erfuhr von der Absicht einer Frau aus der DDR, zu 121 ihrem Verlobten in die Bundesrepublik überzusiedeln. Ein Mitarbeiter des MfS erklärte dem Verlobten, die Übersiedlung werde gestattet werden, wenn er im Bundesgebiet nachrichtendienstliche Aufträge erledige. Ferner müsse sich auch seine Verlobte verpflichten, nach ihrer Ausreise Informationen zu beschaffen. Nachdem er zu einem vereinbarten Treffen in Ost-Berlin nicht erschienen war, versuchte der MfS-Angehörige die Frau zu überreden, ihre Umsiedlungsabsicht aufzugeben. Er kündigte an, ihren Verlobten "hochgehen" zu lassen. Sie ließ sich von diesen Drohungen nicht beeindrucken. Auch als ihre Ausreise bereits genehmigt war, setzte der MfS seine Bemühungen fort, indem er betonte, daß letztlich das MfS den willkürlich verschiebbaren Zeitpunkt der Übersiedlung bestimme. 1972 konnte sie schließlich die DDR verlassen. X. Reaktivierung einer KGB-Verpflichtung während der Kriegsgefangenschaft Zahlreiche Angehörige der früheren deutschen Wehrmacht sind in sowjetischer Kriegsgefangenschaft vom KGB, dem zivilen Nachrichtendienst der UdSSR, mit dem Versprechen vorzeitiger Entlassung zu einer nachrichtendienstlichen Mitarbeit verpflichtet worden. In den vergangenen Jahren sind mehrere Fälle bekanntgeworden, in denen die sowjetischen Nachrichtendienste versucht hatten, ehemalige Kriegsgefangene auf Grund derartiger Verpflichtungen für eine Agententätigkeit zu gewinnen. Die Gefahr einer erneuten Kontaktierung ist besonders groß bei Reisen des Betroffenen in den kommunistischen Machtbereich. Es sind jedoch auch Fälle bekanntgeworden, in denen ehemalige Kriegsgefangene in der Bundesrepublik auf ihre frühere Verpflichtung angesprochen wurden. Während der Posener Messe im Juni 1972 erinnerten zwei Angehörige des sowjetischen Nachrichtendienstes KGB den ExportSachbearbeiter einer deutschen Firma an seine damalige Mitarbeitsverpflichtung und forderten ihn zur Agententätigkeit auf. Der Angestellte war als Berufsoffizier 1943 in russische Kriegsgefangenschaft geraten, wo er dem "Bund Deutscher Offiziere" und dem "Nationalkomitee Freies Deutschland" beigetreten war. 1945 besuchte er eine politische Akademie zum Studium des MarxismusLeninismus und wurde anschließend politischer Schulungsleiter in 122 verschiedenen Kriegsgefangenenlagern. Trotz dieser Aktivität verurteilte ihn ein Militärgericht 1949 wegen Spionage zu 10 Jahren Zwangsarbeit. Im Jahre 1953 verpflichtete ihn ein KGB-Angehöriger mit dem Versprechen einer früheren Entlassung zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit. Einige Wochen nach seiner Entlassung in die Bundesrepublik teilte er weisungsgemäß seine Heimkehr an eine Deckadresse in Berlin-Pankow mit und erhielt daraufhin eine Aufforderung zu einem Treffen in Ost-Berlin. Dieser Aufforderung kam er jedoch nicht nach. In den folgenden Jahren behelligte ihn der sowjetische Nachrichtendienst nicht. Seit 1959 vertritt er seine Firma alljährlich bei der Posener Messe. In den letzten Jahren hatte er ohne Schwierigkeiten auch Messen in anderen Ländern des kommunistischen Machtbereichs besucht. Im Juni 1972 sprach ihn ein unbekannter Mann am Firmenstand in Posen mit seinem Namen an und bat um eine Unterredung. Der Unbekannte brachte ihn mit einem Pkw in eine Wohnung, wo sie bereits von einem zweiten Mann erwartet wurden. Beide stellten sich als Angehörige des KGB vor. Sie waren über seinen beruflichen Werdegang nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft und seine Reisen in Länder des kommunistischen Machtbereichs genau im Bilde. Im Verlauf der zweistündigen Unterhaltung wurde er massiv eingeschüchtert und unter Drohungen, wie Entzug der Rückfahrerlaubnis und Festnahme, an die im Jahre 1953 eingegangene Verpflichtung erinnert; man habe "ihn nun lange genug in Ruhe gelassen". Er erhielt Aufträge gegen die alliierten Streitkräfte in der Bundesrepublik und gegen seine Beschäftigungsfirma. Über das Ergebnis seiner Ermittlungen sollte er bei der nächsten Messse in Bukarest berichten. Falls etwas dazwischen komme, gelte als festvereinbarter Trefftermin die Posener Messe im Juni 1973. XI. Olympische Spiele Die Olympischen Spiele waren für die gegnerischen Nachrichtendienste in erster Linie ein Abwehrproblem. Die Entsendung relativ großer Teilnehmerund Besucherkontingente war für die kommunistischen Staaten mit Sicherheitsproblemen und -risiken verbunden. Die wesentliche Aufgabe des als Funktionäre und Betreuer getarnten ND-Personals bestand darin, die Teilnehmer und Besu123 eher ihrer Länder zu überwachen, verdächtige Kontakte zu erkennen, die Teilnehmer gegen "westliche Einflüsse" abzuschirmen und Versuche zu verhindern, sich in den Westen abzusetzen. XII. Interesse des Rumänischen Nachrichtendienstes an Aussiedlern und Flüchtlingen Angehörige von Nachrichtendiensten versuchten bei verschiedenen Gelegenheiten, Verbindung mit Flüchtlingen oder deutschstämmigen Aussiedlern aufzunehmen (z. B. aus Rumänien). Ein Anknüpfpunkt sind die Bemühungen dieser Personen, aus ihrer Staatsangehörigkeit entlassen zu werden. Um Doppelstaatsangehörigkeiten zu vermeiden, verlangen die deutschen Behörden von Einbürgerungsbewerbern den Verzicht auf die frühere Staatsangehörigkeit. Nach rumänischen Bestimmungen bedarf z. B. der Verzicht der Genehmigung des Staatsrats. Entsprechende Anträge sind an die Rumänische Botschaft in der Bundesrepublik zu richten. Der Antragsteller erhält von dort ein Standardschreiben, das ihn über das weitere Verfahren unterrichten soll. So muß er nach Vorlage der Verzichtserklärung und verschiedener Urkunden einen Betrag von DM 600,-zahlen; in jedem Fall wird das persönliche Erscheinen bei der Botschaft verlangt. Ein Flüchtling, der sich an die Botschaft gewandt hatte, um die Aussiedlung seiner Familie und die Entlassung aus dem Staatsverband zu erreichen, wurde als Gegenleistung für die Familienzusammenführung zu nachrichtendienstlicher Mitarbeit aufgefordert. XIII. Verurteilungen 1972 wurden in der Bundesrepublik 48 Personen wegen Landesverrats, geheimdienstlicher Tätigkeit oder sicherheitsgefährdenden Nachrichtendienstes verurteilt. (1971 waren es 47,1970 39 Personen) Verurteilt wurden 13 Personen durch das Bayerische Oberste Landesgericht 11 Personen durch das Oberlandesgericht Celle 5 Personen durch das Oberlandesgericht Frankfurt/Main 124 5 Personen durch das Oberlandesgericht Düsseldorf 5 Personen durch das Oberlandesgericht Stuttgart 3 Personen durch das Kammergericht Berlin 2 Personen durch das Oberlandesgericht Schleswig 2 Personen durch das Oberlandesgericht Koblenz 1 Person durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg 1 Person durch das Landesgericht Flensburg Von den Verurteilten hatten 42 Personen Beziehungen zu einem DDR-Nachrichtendienst, 3 zu einem tschechoslowakischen und 3 zu einem sowjetischen Nachrichtendienst. 125 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 1972 I. Allgemeine Erfahrungen Im Jahre 1972 erreichte die Zahl der im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) gemeldeten ausländischen Arbeitskräfte mit 2,35 Millionen ihren bisher höchsten Stand. Die ausländischen Extremistengruppen haben ihre Bemühungen fortgesetzt, unter den ausländischen Arbeitnehmern in der Bundesrepublik Deutschland eine Massenbasis für politisch radikale Aktivitäten im Inund Ausland zu bilden. Dabei stützen sie ihre Agitation auf Unzufriedenheit mit den hiesigen Arbeitsund Lebensbedingungen und nicht erfüllte gesellschaftspolitische Forderungen der "Gastarbeiter" aus Drittländern der EWG. Zunehmend machen sie sich auch die Notlage der sogenannten "Illegalen" zunutze, die sich im Bundesgebiet ohne Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis aufhalten. Von den Sozialrevolutionären Ausländergruppen aus Staaten, in denen starke politische und soziale Spannungen herrschen, haben maoistische Vereinigungen einen besonders militanten Agitationsstil entwickelt, der über Gewalt-, Terrorund Bürgerkriegsparolen hinaus bis zur Gewaltanwendung führt. Bisher sind die Erfolge dieser vorwiegend publizistisch geführten Beeinflussungsversuche hinter den Erwartungen der Agitatoren und ihrer Hintermänner zurückgeblieben. Nach wie vor enthalten sich die meisten ausländischen Arbeitnehmer politisch radikaler Aktivitäten, i Eine besondere Zielgruppe bildeten die an deutschen Hochschulen und Universitäten studierenden etwa 30 000 Ausländer. Sie neigen in stärkerem Maße als ihre Landsleute unter den Gastarbeitern zum Anschluß an linksextreme Gruppierungen. An den Hochschulen wurden außerdem Anzeichen einer zunehmenden Solidarisierung ideologisch verwandter inund ausländischer Gruppen erkennbar. Gegen Ende des Jahres 1972 ließ die Bereitschaft der Mitglieder und Funktionäre mehrerer Ausländergruppen spürbar nach, sich für die Ziele ihrer Vereinigungen in der Öffentlichkeit aktiv einzusetzen. Seither gibt es im Bereich der ausländischen "Neuen Linken" auch verstärkte Hinweise auf organisationsinterne Richtungskämpfe und zunehmende Interesselosigkeit der Anhängerschaft. 126 Dies dürfte nicht zuletzt auf die verschärfte Anwendung der ausländerund sicherheitsrechtlichen Bestimmungen gegenüber solchen Ausländern zurückzuführen sein, die das ihnen in der Bundesrepublik Deutschland gewährte Gastrecht zu terroristischer, antidemokratischer oder sicherheitsgefährdender Aktivität mißbrauchen. Ein Schwerpunkt politisch radikaler Aktivität der ausländischen Extremisten liegt im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität, die auch im internationalen Vergleich zugenommen hat. Als Opfer politisch motivierter Gewalt von Ausländern fanden bei uns 22 Menschen den Tod, darunter elf israelische Staatsbürger und ein deutscher Polizeibeamter, die während der Olympischen Spiele in München von palästinensischen Attentätern getötet wurden. Sprengstoffanschläge, Flugzeugentführungen und ähnliche schwere Gewalttaten mit politischem Hintergrund haben im gleichen Zeitraum zahlreiche weitere Personen in Lebensgefahr gebracht. Die meisten dieser Verbrechen wurden von Untergrundgruppen mit Sitz im Ausland organisiert. Insgesamt sind 257 (1971: 168) politisch motivierte Gewalttaten begangen oder angedroht worden. II. S t a t i s t i s c h e D a t e n zur Entwicklung der a u s l ä n d i s c h e n Extremistengruppen 1. Organisation Von den 219 zu Beginn des Jahres 1972 erkannten ausländischen Extremistengruppen sind inzwischen 47 erloschen oder nicht mehr radikal tätig. Dennoch stieg die Zahl der Ausländervereinigungen, die nach ihren Zielen oder auf Grund des Verhaltens ihrer Anhänger als sicherheitsgefährdend beurteilt werden, im Jahre 1972 durch Entstehung neuer und Radikalisierung bereits bestehender Vereinigungen auf 233 an. Die Zahl der Ausländergruppen mit erkennbaren konspirativen Tendenzen ging im Jahre 1972 von 47 auf 42 zurück. Mehreren dieser Gruppen sind terroristische Aktivitäten zuzuschreiben. Die restlichen 191 Gruppen setzen sich zusammen aus 33 Studentenund Jugendorganisationen, 79 politisch radikalen Vereinigungen zur "Betreuung" ausländischer Arbeiter und 79 Widerstandsund Oppositionsgruppen mit sehr unterschiedlichen Zielen. Näheres ergibt die nachfolgende Übersicht: 127 Statistik des Organisationsstandes ausländischer Extremistengruppen im Bundesgebiet Mitglieder u. aktive Nationalität Zahl der Regionale Anhänger Organisationen Zweiggruppen Ende 1970 1971 1972 1970 1971 1972 1972 etwa Ostemigration und Jugoslawien 22 29 30 162 165 92 5 000 Spanien, Portugal 18 45 78 81 127 194 8 500 Italien 10 21 22 20 119 204 12000 Griechenland 23 43 38 115 318 319 31 500 Türkei 5 15 17 25 50 95 3 800 Iran 5 8 8 27 24 34 800 Palästinenser 8 10 9 134 142 55 2 200 Sonst. Staaten 10 46 29 60 73 67 1200 International - 2 2 - 3 5 - Insgesamt: 101 219 233 624 1021 1 065 65 000 Die Gesamtstärke der politisch radikalen Ausländergruppen auf deutschem Boden wird auf rd. 65 000 Mitglieder geschätzt. Verglichen mit dem Vorjahre ist sie konstant geblieben. Die Anhänger linksextremer und Sozialrevolutionär-nationalistischer Vereinigungen überwiegen. Auf sie entfallen allein 188 Organisationen mit rd. 46 000 Mitgliedern. Unter den 45 Gruppen, die als rechtsextremistisch zu bezeichnen sind, konnten die griechischen viele neue Mitglieder gewinnen, während die Mitgliederzahlen innerhalb der Ostemigration zurückgegangen sind. Die meisten rechtsund linksradikalen Gruppen der Italiener, Griechen, Türken und Spanier hatten sich für 1972 das Ziel gesetzt, in möglichst vielen Gemeinden und Städten mit überdurchschnittlich hohem Gastarbeiteranteil organisatorisch Fuß zu fassen und die Arbeit in den Betrieben zu verstärken. Der Organisationsstand der genannten Vereinigungen hat sich aber im Vergleich zu 1971 kaum verändert. 128 Statistik der ausländischen Extremistengruppen nach ihrem politisch-ideologischen Standort - Stand: 31.12.1972 - Sonstige Orthodoxrevolutionäre kommunistiGruppierunsche Parteien gen mit u. VereiniLinkstenRechtsextreNationalität gungen denzen ** misten Ostemigration u. Jugoslawien 6 -- 24 Spanien, Portugal 64 14 -- Italien 9 7 6 Griechenland 12 19 7 Türkei 4 8 5 Iran 6 1 Palästinenser 9 Sonstige Staaten 26 2 International * 1 Insgesamt: 98 90 45 (mit etwa (mit etwa (mit etwa 36 000 Mit10 000 Mit19 000 Mitgliedern) gliedern) gliedern) *) Die Mitglieder der internationalen Zusammenschlüsse sind bereits bei den jeweils betreffenden Nationalitäten miterfaßt. **) In dieser Gruppe sind u. a. die maoistischen, trotzkistischen, anarchistischen und auch die Sozialrevolutionär-nationalistischen Organisationen zusammengefaßt. 2. Publizistik Zur Zeit werden unter den im Bundesgebiet lebenden Ausländern mindestens 165 Presseorgane verbreitet, die antidemokratische oder sicherheitsgefährdende Parolen enthalten. Zu'Beginn des Jahres 1972 waren es 158. Statistik der Presseorgane ausländischer Extremistengruppen 1970 1971 1972 davon davon davon Zahl der in der Zahl der in der Zahl der in der PerioBRD gePerioBRD gePerioBRD geNationalität dika druckt dika druckt dika druckt Ostemigration u. Jugoslawien 22 10 24 12 28 12 Spanien, Portugal 16 4 20 5 22 4 Italien 10 1 16 4 20 3 Griechenland 17 5 22 9 23 9 Türkei 9 6 24 20 26 21 Iran 10 4 11 5 12 7 Palästinenser 16 5 15 4 13 -- Sonst. Staaten 20 9 26 10 21 5 Insgesamt: 120 44 158 69 165 61 129 Die in der Bundesrepublik Deutschland herausgegebenen 61 Zeitungen ausländischer Extremisten sind zum überwiegenden Teil Monatsblätter mit Auflagen zwischen 1000 und 5000 Exemplaren. Nur einige wenige haben eine höhhere Auflage, darunter die türkischen Zeitschriften "Safak" (Morgenröte) und "Yön" (Die Richtung), die zur Zeit in 10 000 bzw. 17 000 Exemplaren je Ausgabe erscheinen. Die monatliche Auflage der hier erwähnten Presseerzeugnisse wird insgesamt auf etwa 200 000 Exemplare geschätzt. Sie hat sich damit im Vergleich zu 1971 nicht verändert. Wie in den Vorjahren sind Frankfurt/M. und München die weitaus häufigsten Erscheinungsorte. Dort werden allein je 16 Blätter politisch radikaler Ausländergruppen gedruckt. Die meisten Schriften türkischer Maoisten erscheinen in West-Berlin. Im einzelnen gliedert sich die im Bundesgebiet verbreitete extreme ausländische Presse wie folgt auf: Statistik der Zeitungen ausländischer Extremistengruppen nach ihrem politisch-ideologischen Standort Stand:31.12.1972 Blätter sonstiger revolutionärer Gruppen mit Linkstendenzen Maoisten, Trotzkisten, Orthosozialdoxrevolukommutionäre Rechtsnistische AnarNationa-zusamradikale ins Nationalität Blätter chisten listen men Blätter gesarr Ostemigration u. Jugoslawien 2 -- -- 2 26 28 Spanien, Portugal 13 1 8 22 - 22 Italien 6 2 7 15 5 20 Griechenland 15 1 6 22 1 23 Türkei 7 -- 15 22 4 26 Iran 2 -- 9 11 1 12 Palästinenser -- -- 13 13 -- 13 Sonst. Staaten - 6 14 20 1 21 Insgesamt: 45 10 72 127 38 165 130 Neben den Periodika haben Flugblätter und sonstige auf aktuelle Themen bezogene Druckschriften als Agitationsmittel der politisch radikalen Ausländergruppen zunehmend an Bedeutung gewonnen. III. Regionale Schwerpunkte Das Schwergewicht der Aktivität politisch extremer Ausländer liegt nach wie vor in den deutschen Großstädten, wo die Voraussetzungen für eine organisatorische Entwicklung ausländischer Extremistengruppen am günstigsten sind. Von den dort bestehenden Zusammenschlüssen gehen die wesentlichen Impulse für die politische Arbeit der einzelnen Organisationen aus. Zur Zeit hat jede dritte der im Bundesgebiet insgesamt ermittelten 1065 Zweiggruppen der politisch radikalen Ausländerorganisationen ihren Sitz in München, Frankfurt/M., Stuttgart, Berlin oder im Räume Bonn-Köln. Schwerpunkte der Aktivität in den Betrieben sind einige Großunternehmen der Autound Elektroindustrie, in denen bereits Anfang 1972 Gruppierungen linksextremer Italiener, Türken und Spanier bestanden haben. IV. Ausschreitungen Politisch motivierte Gewaltkriminalität Um Grundlagen zur Beurteilung des Umfangs und der Erscheinungsformen gewaltsamer politischer Ausschreitungen von Ausländern zu gewinnen, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die 1969 begonnenen Untersuchungen auch 1972 fortgesetzt. Im Rahmen dieser Analyse werden nur Fälle berücksichtigt, in denen sich Gruppen ausländischer Terroristen offen zu ihren Taten bekannten, Täter ermittelt wurden oder sich aus den Tatumständen sichere Schlüsse auf ihre Nationalität ziehen ließen. Wie die nachstehende Übersicht zeigt, hat die Ausländerkriminalität mit politischem Hintergrund erheblich zugenommen. Mit insgesamt 257 Fällen erreichte sie im Jahre 1972 ihren bisherigen Höhepunkt. 131 Statistik der politisch motivierten Ausländerkriminalität 1.1.1969 bis 31.12.1972 Ausschreitungsart: 1969 1970 1971 1972 Terrorakte Mordanschläge 7 3 3 29 Sprengstoffanschläge 8 5 11 Brandstiftungen 4 12 5 5 Flugzeugentführungen 2 2 Insgesamt: 19 22 8 47 Gewaltakte Körperverletzungen 17 24 31 25 Gewalt geg. Sachen 12 35 13 14 Sonstige 3 20 14 9 Insgesamt: 32 79 58 48 Androhung von Mord u. Entführungen 3 19 37 43 Sprengstoff und Brandanschlägen 8 54 47 65 Sonst. Gewaltakten 3 8 18 54 Insgesamt: 14 81 102 162 65 182 168 257 Von den Ausschreitungen wurden alle Bundesländer mit Ausnahme Schleswig-Holsteins und des Saarlandes betroffen. Die häufigsten Tatorte waren München, Frankfurt/M. und Bonn. Bei den meisten erkannten oder vermuteten Tätern handelt es sich um arabische Extremisten palästinensischer Herkunft. Ihnen werden allein 109 Ausschreitungen, darunter 30 Terrorakte mit zum Teil schwerwiegenden Folgen zugerechnet. In 44 Fällen deuten die Ermittlungen auf jugoslawische Täter, in weiteren 24 Fällen auf Griechen und in jeweils 10 bis 15 Vorfällen auf die Täterschaft von Italienern, Spaniern oder Türken hin. Der Vergleich mit den statistischen Werten für 1971 führt zu den folgenden Ergebnissen: 1. Die Zahl der schwerwiegenden politischen Terrorakte ist stark angewachsen. Die Statistik dieses Jahres enthält 47 Vorkommnisse gegenüber 8 im Jahre davor. Sie brachten 22 Menschen den Tod. Besonders die Kommandounternehmen palästinensischer Terroristen haben eine Geisteshaltung der Täter und ihrer Hintermänner enthüllt, die durch blinde Gewaltanwendung gekennzeichnet ist. Eine zu Beginn des Jahres 1972 nach Hamburg gereiste und von 132 ortsansässigen Helfershelfern unterstützte Terroristengruppe ist für den Sprengstoffanschlag auf eine Montagehalle der Firma Strüver KG verantwortlich, die Geschäftsverbindungen zu Israel unterhält. Dieser Terrorakt verursachte einen Sachschaden von etwa 1,2 Millionen Mark. Angehörige der gleichen Gruppe erschossen am 6. Februar in Brühl fünf jordanische Arbeiter in ihrer gemeinsamen Unterkunft. Beim Anschlag arabischer Terroristen auf Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft am 5./6. September in München fanden elf israelische Sportler und ein deutscher Polizist den Tod. Durch zwei Flugzeugentführungen gerieten fast 200 Flugpassagiere in Lebensgefahr. Am 22. Februar zwangen arabische Freischärler eine Lufthansamaschine zum Kurswechsel nach Aden und gaben sie erst nach Zahlung eines hohen Lösegeldes frei. Mit einer weiteren Flugzeugentführung dieser Gesellschaft am 29. Oktober nach Beirut erreichten Angehörige der Organisation "Schwarzer September" die Freilassung der drei inhaftierten Attentäter von München. Seit Herbst 1972 verschickt der "Palästinensische Widerstand" Sprengstoffund Giftbriefe an jüdische Bürger verschiedener Staaten. Briefe dieser Art gingen im Bundesgebiet der israelischen Botschaft in Bonn, dem jüdischen Altersheim in Düsseldorf, der zionistischen Jugend in Frankfurt und dem "Freundeskreis Roter Davidstern" in Herborn zu. Zwei Briefpäckchen mit 160 bis 200 g Sprengstoff an israelische Adressaten in Frankfurt und München wurden Anfang Dezember in Singapur entdeckt. Schäden konnten dank des internationalen Informationsaustausches und infolge frühzeitiger Warnungen an die Bevölkerung sowie der Wachsamkeit der Adressaten verhindert werden. Zwei Sprenstoffanschlage auf den israelischen Ausstellungsstand anläßlich einer internationalen Luftfahrtschau im Frühjahr 1972 in Hannover konnten von der Polizei verhindert werden. Etwa ein Viertel der Terrorakte geht auf politische Auseinandersetzungen zwischen Jugoslawen zurück. Am 9. März 1972 wurde der Funktionär der "Kroatischen Revolutionären Bruderschaft" (HRB), Josip SENIC, in Wiesloch erschossen. Er hatte sich illegal im Bundesgebiet aufgehalten, um die verbotene HRB zu aktivieren. Ein weiterer HRB-Funktionär, der in Stuttgart wohnende Kroate Stipe SEVO, wurde am 24. August 1972 bei Venedig zusammen mit seiner Frau und der neunjährigen Tochter ermordet. In beiden Fällen sind die Täter in Kreisen politischer Gegner der HRB zu suchen. Am 1. August 1972 drangen in Ravensburg drei Kroaten in das Dienstzimmer des Landgerichtsdirektors S. ein und bedrohten ihn 133 mit Schußwaffen. Unter seinem Vorsitz hatte das Schwurgericht Ravensburg am 21. April 1970 fünf Kroaten wegen terroristischer Tätigkeit zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Ein Mordkomplott von HRB-Aktivisten gegen einen jugoslawischen Konsul in Stuttgart Anfang 1972 konnte rechtzeitig aufgedeckt werden. Bei weiteren Ausschreitungen haben die aus Jugoslawien stammenden Täter Sprengund Brandsätze verwendet. So warfen Gegner des Tito-Regimes zu Beginn des Jahres einen Brandsatz in das Büro der jugoslawischen Luftverkehrsgesellschaft JAT in Frankfurt/ Main und brachten am 15. Juni im Vorgarten des jugoslawischen Generalkonsulats in München einen Sprengkörper zur Explosion. Bei drei Anschlägen gegen Gaststätten, in denen regierungsfeindliche Kroaten verkehrten, wurden vierzehn Personen verletzt. Es entstand erheblicher Sachschaden. Auch zahlreiche Gruppierungen anderer Nationalität betrachten die Gewalt als geeignetes Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Pläne. Dies gilt insbesondere auch für spanische Oppositionelle. 2. Der bereits im Vorjahre beobachtete Rückgang der "Demonstrationsfolgedelikte" hat sich auch 1972 fortgesetzt. Bekannt wurden 48 Ausschreitungen dieser Art gegenüber 58 im Vorjahre. Es handelt sich im wesentlichen um kriminelle Ausschreitungen im Anschluß an Demonstrationen oder im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen politisch rivalisierender Ausländergruppen im Bundesgebiet, die sich im wesentlichen aus Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Fällen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt zusammensetzen. Diese Straftaten wurden zumeist durch aktuelle politische Ereignisse in den jeweiligen Heimatstaaten der Täter ausgelöst. Oppositionelle Iraner beschädigten im Februar 1972 auf der internationalen Ausstellung "Motor, Sport, Freizeit" in Stuttgart den Informationsstand ihres Landes erheblich und zerstörten ein Bild des Schahs. Mit dieser Aktion demonstrierten die Täter gegen die Verurteilung von fünf iranischen "Freiheitskämpfern" durch ein Gericht in Teheran. Aus Protest gegen die Vollstreckung mehrerer Todesurteile mit politischem Hintergrund in Ankara zertrümmerten linksextreme Türken in der Nacht zum 7. Mai 1972 die Fensterscheiben des türkischen Generalkonsulats in München, des türkischen Reisebüros in Frankfurt/M. und der dortigen Niederlassung ihrer nationalen Fluggesellschaft. Nur in wenigen Fällen bildeten die sozialen und ausländerrechtli134 chen Probleme der "Gastarbeiter" den Hintergrund für Exzesse. Im Frühjahr 1972 sprengten italienische Linksextremisten in München eine Versammlung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, störten in ihrem Betrieb den Arbeitsablauf an den Fließbändern und schlugen die Fensterscheiben der Privatwohnung des Betriebsratsvorsitzenden ein. Insgesamt wurden im abgelaufenen Jahre 25 Ausländer bei tätlichen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern -- zum Teil schwer - verletzt. 3. Stark angestiegen sind die Fälle anonymer Androhung von Gewaltverbrechen. 162 Fälle dieser Art (gegenüber 102 im Vorjahr) lassen nach den Tatumständen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf ausländische Täter und politische Motive schließen. Etwa 80 der mit Erpressungen verbundenen Drohungen stammten aus Kreisen arabischer Extremisten. In den auf die Olympiade folgenden Wochen wurden Entführungsund Morddrohungen gegen viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik sowie gegen deutsche Diplomaten im Ausland ausgesprochen. Einige Drohbriefe gingen auch arabischen Staatsangehörigen zu, die beschuldigt wurden, die Sache Palästinas verraten zu haben. Sabotageakte wurden gegen Einrichtungen der zivilen Luftfahrt, vor allem der Deutschen Lufthansa und der israelischen Luftverkehrsgesellschaft EL-AL, Anlagen der Erdölindustrie im Bundesgebiet und deutsche Vertretungen im Ausland sowie Firmen mit Geschäftsverbindungen nach Israel angekündigt. Im Oktober tauchten Drohbriefe eines "Weltverbandes für das Wohlergehen und die Sicherheit des Individuums" auf, die u. a. Angehörigen arabischer Missionen, leitenden Angestellten arabischer Fluggesellschaften in der Bundesrepublik und deutschen Staatsangehörigen Mordund Sprengstoffanschläge sowie andere Repressalien androhten, sofern sie ihre angeblich israel-feindliche Tätigkeit nicht sofort einstellten. Anonyme Schreiben ähnlichen Inhalts trugen auch Absenderangaben wie "Zionistische Union" und "Internationale Antiterrororganisation". Auch Aktivisten in jugoslawischen Gruppen betrachten die Gewalt als geeignetes Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Pläne. Kroatische Nationalisten drohten mit Sprengstoffanschlägen gegen das jugoslawische Generalkonsulat in Stuttgart. Entsprechende Drohungen richteten sich gegen einige Gastwirtschaften in Düsseldorf, Frankfurt, München, Siegen, Stuttgart und Vaihingen, in denen 135 vorwiegend jugoslawische Extremisten verkehrten. Jugoslawische Emigranten und Gastarbeiter, die sich den Werbungen politischer Extremisten widersetzt hatten, erhielten Morddrohungen. V. Ausländergruppen mit konspirativen Tendenzen Trotz intensiver Bemühungen um den Ausbau ihrer hiesigen Stützpunkte haben die Gruppen mit konspirativen Tendenzen unter den politisch radikalen Ausländern ihren 1971 im Bundesgebiet erreichten Organisationsstand nicht halten können. Ihre Zahl ging im Laufe des vergangenen Jahres von 47 auf 42 zurück. Nur 16 dürften in unserem Land zur Zeit organisatorisch fester verankert sein als durch vereinzelte Aktivisten und Kontaktpersonen. 1. Palästinensische Gruppen Fast alle Gruppierungen des palästinensischen "Widerstandes" befürworten heute Attentate gegen israelische Ziele außerhalb des nahöstlichen Krisengebietes sowie gegen Persönlichkeiten und Einrichtungen von Staaten, die nach ihrer Auffassung den "Zionismus und Imperialismus" unterstützen. Ein Teil der Widerstandsgruppen übernimmt gegenüber der Weltöffentlichkeit offen die Verantwortung für solche Terrorakte. Andere unterstützen sie insgeheim oder befürworten diese Art des Kampfes in ihren internen Verlautbarungen. Insbesondere die "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO), in der fast alle Verbände der Fedayin zusammengeschlossen sind, propagiert die Anwendung terroristischer Mittel außerhalb des Krisengebietes im Nahen Osten. In ihrem Verbandsorgan "Palästinensische Revolution" hat sie die Bluttat der Gruppe "Schwarzer September" bei den Olympischen Spielen in München begrüßt und die Täter als "Helden" gefeiert. Ihre Mitgliederorganisationen arbeiten je nach ihrer Aufgabe mehr oder minder konspirativ. Mehrere dieser Untergruppen haben ihre hiesigen Zellen und Hilfsvereinigungen ausgebaut und sich dadurch ein Netz von Anlaufstellen für die auf internationaler Ebene operierenden Einsatztrupps geschaffen. Folgende, in der PLO zusammengeschlossenen palästinensischen Gruppen unterhalten konspirative Zellen im Bundesgebiet: die Sozialrevolutionär-nationalistische Kampforganisation "Al Fatah" mit ihrem Nachrichtendienst "Djihaz Al Rasd"; 136 die maoistische "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP), die sich offen zum individuellen Terror in aller Welt bekennt; die maoistische "Demokratische Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PDFLP), die bisher durch Terrorakte in Europa nicht in Erscheinung getreten ist. a) Al Fatah Nach Feststellungen der Behörden für Verfassungsschutz und polizeilich sichergestellten Dokumenten übertrifft die organisatorische und propagandistische Tätigkeit der Fatah auf deutschem Boden diejenige der PFLP und PDFLP bei weitem. Zellen der Fatah bestanden zur Zeit des Verbots von GUPS und GUPA in 15 deutschen Städten, in weiteren acht wurden sie vermutet. Sie stellte mit dem am 28. September 1972 ausgewiesenen Abdallah AL FRANGI auch den Repräsentanten der PLO für die Bundesrepublik Deutschland. Die Fatha wirbt mit ihren Propagandaschriften bei nichtorganisierten Arabern palästinensischer Herkunft, um sie als Mitkämpfer für die "Palästinensische Revolulion" zu gewinnen. Schulungsbriefe und Rundschreiben heben das Prinzip des unbedingten Gehorsams und der Geheimhaltung hervor. Die Angehörigen der Bewegung erhielten durch das "Büro der Mobilmachung und Organisation der Fatha" in Damaskus folgende Anweisungen: die Befehle ihrer Führer auch dann auszuführen, wenn sie der eigenen Auffassung zuwiderliefen; die Mitgliedschaft im Interesse ihrer persönlichen Einsatzfähigkeit geheimzuhalten. Decknamen zu benutzen und über alle Zusammenkünfte mit Fatah-Angehörigen Stillschweigen zu wahren; an militärischen Ausbildungslehrgängen der Fatah im Nahen Osten während ihres jährlichen Urlaubs teilzunehmen; über Freunde und Gegner der Bewegung in ihren Gastländern sowie über alle dortigen Aktivitäten gegen die Fatah ausführlich zu berichten. Die Fatah setzt ihren Nachrichtendienst "Djihaz Al Rasd" zur Auskundschaftung möglicher Sabotageobjekte im Bundesgebiet ein. Die Operationsgruppe "Schwarzer September" steht unter maßgeblichem Einfluß von Funktionären der Fatah. Die Fatah selbst hat jedoch bisher nicht die Verantwortung für Attentate außerhalb des Territoriums "Palästina" übernommen. b) GUPS und GUPA Mit Verfügungen vom 3. Oktober 1972 hat der Bundesminister des Innern die im Bundesgebiet bestehenden Organisationen der 137 "Generalunion Palästinensischer Studenten" (GUPS) und der "Generalunion Palästinensischer Arbeiter" (GUPA) wegen Gefährdung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung verboten und aufgelöst (SSSS 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 des Vereinsgesetzes). Beide Vereinigungen sind der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) angegliedert. Bis zu ihrer Auflösung verfügten sie im Bundesgebiet über zentrale Leitungsgremien und insgesamt 44 regionale Zweiggruppen. Sie dienten der Fatah als Rekrutierungsbasis, Propagandainstrument und finanzielle Hilfsquelle. Leitende Funktionäre beider Organisationen waren zugleich aktive FatahMitglieder. Die GUPA erhob von ihren Mitgliedern Pflichtbeiträge zugunsten der Fatah. Ihre Anhänger waren verpflichtet, die Existenz ihrer Organisation im Bundesgebiet gegenüber der deutschen Polizei zu leugnen (Rundschreiben des Organisationssekretariats der GUPA vom 17. März 1970). Angehörige beider Gruppierungen beteiligten sich im Bundesgebiet an politisch motivierten Straftaten, darunter an der Besetzung der Jordanischen Botschaft in Bad Godesberg im Juni und einem entsprechenden Versuch im September 1970. In ihren Schriften haben sich die beiden Vereinigungen immer wieder zur Gewalt als Mittel der von ihnen verfolgten Politik und zu den Terrorakten des palästinensischen Untergrunds bekannt. So wurden die Mörder des jordanischen Ministerpräsidenten Wasfi Tal als "Helden" gefeiert. Das im Auftrag der PFLP am 30. Mai 1972 auf dem Flughafen in Lod verübte Massaker wurde als "selbstloser Angriff" zur "Verteidigung des arabischen Palästinas" hingestellt. Der Mord an fünf Jordaniern in Brühl bot Anlaß zu der Warnung, die Hand der Revolutionäre werde auch künftig "alle Verräter und Agenten erreichen". GUPS und GUPA hatten im Zeitpunkt ihres Verbots insgesamt etwa 1500 Mitglieder. Amtliche Unterlagen über die Zahl der im Bundesgebiet insgesamt lebenden Palästinenser fehlen. Die Schätzungen der Ausländerund Sicherheitsbehörden schwanken zwischen 5000 und 8000 Personen. 2. Antiarabischer Untergrund Der Anschlag des "Schwarzen September" auf die israelische Olympiamannschaft führte zu antiarabischen Terrorakten. Gegen den Widerstand offizieller israelischer Stellen waren Aktionen dieser Art von Sprechern der militanten "Jewish Defence League" bereits unmittelbar nach München gefordert worden. 138 In der Nacht zum 4. Oktober 1972 brannte die "Palästina-Buchhandlung" in Paris nach der Zündung eines Sprengsatzes aus. Die Verantwortung für diesen Anschlag übernahm eine "Aktionsund Verteidigungsbewegung Massada", die zugleich öffentlich erklärte, dem antisemitischen Terror werde nunmehr der jüdische folgen. Kurz darauf trafen bei zahlreichen Arabern im Inund Ausland Briefe ein, die den Empfängern Repressalien wegen ihrer angeblich antiisraelischen Aktivität androhten. Gegen den gleichen Personenkreis richtete sich dann eine Serie von Mordanschlägen. Hierher gehört auch das Bombenattentat auf einen arabischen Medizinstudenten am 29. November in Erlangen. Bei der zum Teil komplizierten Technik und auch bei der Auswahl der arabischen Zielpersonen waren gewisse Übereinstimmungen festzustellen. Die Tatzeiten waren offensichtlich aufeinander abgestimmt. 3. Kroatische Nationalisten Der Untergrundkampf zwischen den militanten kroatischen Nationalistengruppen und ihren politischen Gegnern wurde im Jahre 1972 fortgesetzt. Kroaten aus dem Bundesgebiet, insbesondere Anhänger der verbotenen "Kroatischen Revolutionären Bruderschaft" (HRB), waren wieder in mehreren Fällen an Terrorakten beteiligt oder wurden das Opfer der Vergeltung ihrer Gegner. Unter dem Eindruck politischer und sozialer Instabilität im Heimatland propagierten kroatische Extremisten verstärkt den bewaffneten Aufstand in Jugoslawien. In einem auch im Bundesgebiet verbreiteten Aufruf wurden die kroatischen Arbeiter aufgefordert, Spitzhacke und Schaufel wegzuwerfen und zu Karabiner und Maschinenpistole zu greifen. In Flugschriften und Zeitungen erschienen unter Überschriften wie "Anleitung für den kroatischen Kämpfer für die Befreiung der Heimat" genaue Anweisungen für den Guerillakrieg sowie Anleitungen für die Herstellung und den Gebrauch von Kriegsgerät. Eine 19-köpfige Insurgentengruppe, die im Juni 1972 von Österreich aus nach Westbosnien vordrang, wurde nach amtlichen jugoslawischen Berichten getötet. Drei Angehörige des Kommandos hatten ihren Wohnsitz zuletzt im Bundesgebiet gehabt. Das niedrige Durchschnittsalter der Freischärler (unter 30) ist kennzeichnend für die seit einiger Zeit zu beobachtende soziologische Umschichtung der Gruppierungen militanter Kroaten. An die Stelle der Altemigranten, die der rechtsextremen "Ustascha"-ldeologie nahestanden, treten zunehmend junge kroatische Nationalisten, die als Arbeitnehmer in den Westen kommen und sich zum Teil an anderen Leitbildern orientieren. 139 4. Anarchisten Auch militante Anarchisten sehen Gewalt als geeignetes Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele an. Während jedoch in den Jahren 1970/71 noch 14 Terroranschläge ausländischer Anarchisten im Bundesgebiet festgestellt worden waren, haben sie im Jahre 1972 nur einen Gewaltakt ausgeübt. Angehörige des "Iberischen Befreiungsrates" (CIL), der von dem Berufsrevolutionär mexikanischer Herkunft Alberola SURINACH geführt wird, zündeten in der Nacht zum 12. Juni 1972 einen Sprengsatz vor dem spanischen Generalkonsulat in München. Die CIL unterhält Kontakte zu Gesinnungsfreunden in Frankreich, Großbritannien, Belgien, Italien und der Bundesrepublik, wo Mitglieder spanischer anarchistischer Vereinigungen in Frankfurt und Umgebung vermutet werden. Einige ihrer Aktivisten gehören zugleich der anarchistischen spanischen Gewerkschaft "Confederacion National de Trabajo" (CNT) an. Der Rückgang der Gewaltkriminalität ausländischer Anarchisten auf deutschem Boden rechtfertigt nicht den Schluß auf eine geringere Gefahr durch diese Gruppen. Die Verhaftung führender Anarchisten in einigen westlichen Ländern sowie der Tod Gian Giacomo FELTRINELLIs, eines ihrer aktivsten Förderer, am 14. März 1972 in Segrati bei Mailand scheinen zwar die Aktivität der militanten Zweige des internationalen Anarchismus gelähmt zu haben. Jedoch ist der Wille dieser Gruppen zur Anwendung von Terror und Gewalt nicht gebrochen. Als Initiatoren möglicher Anschläge auf deutschem Boden kommen außer dem "Iberischen Befreiungsrat" (CIL) und der Gruppe "Primero de Mayo" auch Vereinigungen italienischer und französischer Anarchisten in Betracht. 5. Sonstige Ausländergruppen Der militante griechische Widerstand hat durch Exekutivmaßnahmen im Bundesgebiet und in anderen westeuropäischen Ländern Rückschläge erlitten. Seine Gruppierungen setzten jedoch alles daran, ihren Zusammenhalt zu wahren und sich auf eine künftige Widerstandstätigkeit unter erschwerten Bedingungen einzustellen. So hat die "Panhellenische Befreiungsbewegung" (PAK) ihre Funktionäre im Ausland Anfang 1972 in einem vertraulichen Rundschreiben angewiesen, bis zum Jahresende eine Untergrundorganisation aus konspirativen Zellen aufzubauen. Einem anderen PAK-Dokument zufolge soll dieses Netz durch Kriminelle mit technischen Spezialkenntnissen verstärkt werden. Außerdem beabsichtigt die Organisation, bei ihrer Untergrundarbeit zunehmend Nichtgriechen einzu140 setzen, wie dies bereits bei der griechischen Terrorgruppe "Bewegung 20. Oktober" geschieht. Neben diesen Geheimbünden mit terroristischen Tendenzen sind konspirative Zellen der linksextremen italienischen Vereinigung "Lotta Continua" und zweier türkischer Maoistengruppen, die sich "Volksbefreiungsarmee der Türkei" (THKO) und "Revolutionäres Kampfkomitee Europa" (ADMK) nennen, in München und anderen deutschen Städten erkannt worden. Die Aktivität farbiger Extremisten auf deutschem Boden ging zurück. Im April 1972 stellt die in Frankfurt/M. gedruckte Monatsschrift "Voice of the Lumpen" ihr Erscheinen ein. Sie hatte farbige USSoldaten bis zuletzt zur Fahnenflucht und Gehorsamsverweigerung sowie zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen US-Einrichtungen aufgerufen. Einige örtliche Repräsentanten der "Black-Power"Gruppierungen kehrten in die USA zurück oder verloren durch Standortwechsel innerhalb des Bundesgebietes ihre bisherigen politischen Kontakte. Richtungskämpfe, persönliche Rivalitäten und die schwindende Aktionsbereitschaft der Mitglieder haben den Zusammenhalt mehrerer dieser Vereinigungen zunehmend zersetzt. Von den 17 zu Jahresbeginn erkannten Gruppierungen sind inzwischen 12 erloschen. Kontaktpersonen oder Zellen vertreten noch folgende Gruppen: die Black Disciples Party" (BDP), die Untergrundorganisation "Resistance inside the Army" (RITA), die seit 1971 gespaltene "Black Panther Party" (BPP), die "Black Student Union" und die maoistische "Progressive Labor Party" (PLP). Sie werden von deutschen Sympathisanten, darunter dem "BP-Solidaritätskomitee" (BPSC) unterstützt. Lose Kontakte deutscher Linksextremisten bestehen auch zu Anhängern der im Bundesgebiet neu aufgetretenen "Black Liberation Army" (BLA), die für den gewaltsamen Umsturz in den USA und die Befreiung der dortigen "schwarzen Kolonie vom weißen Mutterland" eintritt. VI. Träger linksextremer Tendenzen 1. Ausländische kommunistische Parteien und ihre Hilfsorganisationen Von den in der Bundesrepublik Deutschland tätigen orthodoxkommunistischen Parteien Italiens, Spaniens, Griechenlands, Portugals, des Iran und der Türkei unterhalten nach wie vor nur die "Partito Comunista Italiano" (PCI) und die "Partido comunista de Espana" 141 (PCE) ausgebaute Parteiorganisationen. Die PCE bildete im Herbst 1972 ein für das Bundesgebiet zuständiges Leitungsgremium, das "Comite Federal" in Frankfurt/M. Die PCI konnte ihren Mitgliederstand in der Bundesrepublik um etwa 20% auf fast 3000 erhöhen. Die Zahl der PCE-Mitglieder -- 1200 -- blieb gegenüber dem Vorjahre unverändert. Angeregt durch die öffentlichen Aktivitäten der PCI im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zu den Wahlen zur Römischen Kammer am 7./8. Mai haben sich auch Aktivisten der PCE häufiger als früher der Öffentlichkeit gestellt. Diese Partei bedient sich jedoch wegen ihres Verbots in Spanien und Frankreich bei ihrer Arbeit im wesentlichen konspirativer Praktiken. Bisher hat sie sich aus ihrer Isolierung gegenüber der spanischen Arbeiterschaft im Bundesgebiet nicht befreien können. Sie weicht daher auf die "Massenarbeit" in Tarnorganisationen aus. Die von der PCE abgespaltene moskautreue "Lister-Gruppe", die im Bundesgebiet weniger als 100 aktive Anhänger hat, blieb ohne politische Bedeutung. Die prosowjetische "Kommunistische Partei Griechenlands" (KKE) mit Sitz in Bukarest wirkt über mehrere im Bundesgebiet existierende Tarnorganisationen auf die griechische Arbeiterschaft ein. Sie verfügt über Stützpunkte in verschiedenen deutschen Städten mit etwa 1000 Anhängern. Der Versuch, die Parteiorganisation im Bundesgebiet zu straffen, führte zu keinem greifbaren Ergebnis. Mit der prosowjetischen KKE konkurriert die von der Partei abgespaltene Fraktion des sogenannten KKE-Inlandflügels, die im Bundesgebiet etwa 2000 Mitglieder und aktive Anhänger hat. Für die kommunistischen Parteien Portugals und des Iran arbeiten in der Bundesrepublik nur einzelne Funktionäre. Die in ihrer Heimat verbotene "Türkische Kommunistische Partei" (TKP) mit Exilsitz in Ost-Berlin unterhält in der Bundesrepublik Kontakte zur Führung der prosowjetischen "Europäischen Föderation Türkischer Sozialisten" (ATTF), die auch die Organe der TKP verbreitet. Eine Radiostation in der DDR strahlt ein Programm "Stimme der TKP" in türkischer Sprache aus, das für Türken in der Bundesrepublik bestimmt ist. Neben diesen orthodox-kommunistischen Parteien wurden im Bundesgebiet einzelne Zweiggruppen der maoistischen PCI-ML und PCE-ML festgestellt. Die Gesamtzahl ihrer Mitglieder dürfte 300 kaum übersteigen. In Anbetracht der begrenzten Fortschritte der ausländischen kommunistischen Parteien bei der Mitgliederwerbung vollzieht sich die kommunistische "Massenarbeit" in Tarnorganisationen. Zahlreiche 142 spanische Kulturklubs (CCE) und "Kommissionen zur Unterstützung der Arbeiterkommissionen in Spanien" (CC.OO) sowie der "Italienische Verband der emigrierten Arbeiter und ihrer Familien" (FILEF) mit seinen nachgeordneten oder integrierten Betreuungsbüros sind kommunistisch gesteuert. Auch Organisationen wie die "Griechischen Antidiktatorischen Komitees" (EAE) und die "Griechischen Gemeinden" (OEK) werden dazu benutzt, kommunistisches Gedankengut zu verbreiten. Sichtbare Erfolge dieser Initiativen zeichneten sich bisher indes nicht ab. Die Bereitschaft der 2,35 Millionen Gastarbeiter, sich während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet kommunistisch gesteuerten "Betreuungsorganisationen" anzuschließen, ist weiterhin äußerst gering. Nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden hatten die hiesigen Hilfsorganisationen der orthodoxen Kommunisten aus Griechenland, Italien und Spanien um die Jahreswende 1972/73 insgesamt etwa 28 000 Mitglieder, gegenüber rund 30 000 zu Jahresbeginn. 2. Maoisten und sonstige Gruppierungen Linksextremistische Vereinigungen, die sich vom Kommunismus sowjetischer Prägung distanzieren, neigen mit ihrer hemmungslosen Gewaltund Klassenkampfpropaganda zu sicherheitsgefährdenden Aktivitäten. Ihr Mitgliederstand ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Ihre gegenwärtige Stärke wird auf fast 10000 Personen geschätzt (Ende 1970: 4000; Ende 1971: etwa 8000). Initiatoren und Träger dieser Zusammenschlüsse sind zumeist Studenten. Den relativ stärksten Zulauf hatten die Maoisten. Unter den Linksextremisten gleicher Nationalität gibt es heute auf deutschem Boden jeweils mindestens eine Gruppe, die mit dem chinesischen Revolutionsmodell sympathisiert. Besonders zahlreich sind die maoistischen Vereinigungen der Türkei. Sie arbeiten teils offen, teils im Untergrund. Rechtfertigung und Verherrlichung von Gewalt nehmen in den Publikationen der "Patriotischen Einheitsfront für eine demokratische Türkei in Europa" (PEF) einen breiten Raum ein. Das gleiche gilt für die "Türkische Studenten-Föderation in Deutschland e.V." (ATÖF), die neuerdings außer Studenten auch berufstätige Landsleute aufnehmen will. Im November 1972 gründete die italienische PCI/ML in Hagen ihre erste hiesige "Massenorganisation", die "Federazione Italia Lavoratori Emigrati" (FILE). Zu den bedeutendsten Hilfsorganisationen der spanischen maoistischen PCE/ML gehört die "Frente Revolucionario Antifascista y 143 Patriota" (FRAP). Sie hat im Bundesgebiet mehrere örtliche Stützpunkte. Weitere Träger maoistischer Tendenzen oder einer dieser Ideologie verwandten Gewaltagitation sind die griechischen Vereinigungen "Revolutionäre Kommunistische Bewegung Griechenlands" (EKKE), "Arbeiter-Klassensolidarität" (ETA) und "Kampffront der Auslandsgriechen" (AMEE) sowie die "Conföderation Iranischer Studenten - National-Union" (CISNU) einschließlich ihrer Mitgliederorganisation "Föderation Iranischer Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin" (FIS). 3. Solidarisierungstendenzen Linksextreme Gruppen bemühen sich immer stärker um die Unterstützung ideologisch verwandter inund ausländischer Gruppierungen. Nach wie vor sehen die meisten prosowjetischen Ausländervereine ihren natürlichen Verbündeten in der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP). In Köln, Düsseldorf, Krefeld und Stuttgart arbeiten mehrere von ihnen in "Internationalen Arbeiterkomitees" mit deutschen Kommunisten zusammen. Druckereien der DKP stellen Flugschriften kommunistischer Ausländergruppen her. Ein wesentlicher Ausbau dieser Zusammenarbeit scheiterte bisher sowohl an ideologischen Differenzen als auch an der Furcht vor Nachteilen bei zu enger Zusammenarbeit mit der DKP. Stärker waren die Solidarisierungstendenzen im Bereich der sonstigen linksextremistischen Vereinigungen. Hier gewinnen Aktionsgemeinschaften ausländischer und deutscher Organisationen zunehmend an Gewicht. Anlaß zu gemeinsamen Protestaktionen vorwiegend maoistischer Kreise boten vor allem die ausländerrechtlichen Maßnahmen gegen sicherheitsgefährdende Palästinenser nach dem Anschlag gegen die israelische Olympiamanschaft in München. Offensichtlich befürchten diese Gruppen, daß sie in ihrer Handlungsfreiheit auf deutschem Boden künftig beeinträchtigt oder beschränkt werden könnten. VII. Schwerpunkte der Agitation ausländischer Linksextremisten im Bundesgebiet 1. Revolutionäre Propaganda Mit Ausnahme der orthodox-kommunistischen Ausländergruppen treten die sonstigen linksradikalen Gruppierungen zum großen Teil für den "Volksbefreiungskampf" sowie für politischen Terror ein. Parolen dieser Art sind häufig in den Druckschriften und Presseorganen türkischer Maoisten enthalten. 144 2. Angriffe gegen die Bundesrepublik Deutschland In der Agitation ausländischer Linksextremisten werden der Bundesrepublik Deutschland immer wieder imperialistische Ziele unterstellt. In einem im Juni 1972 verbreiteten Flugblatt der "Revolutionären Kommunistischen Bewegung Griechenlands" (EKKE) wird z. B. behauptet, das Ausländergesetz enthüllt das "reaktionäre Gesicht des westdeutschen Imperialismus und seines besten Dieners, der deutschen Sozialdemokratie". Die "Türkische Studentenföderation in Deutschland e.V." (ATÖF) verstieg sich in einer anläßlich der Olympischen Spiele verbreiteten Flugschrift sogar zu der Behauptung, "der westdeutsche Imperialismus" brauche "die Bundeswehr, um im imperialistischen Lager neue Machtbereiche zu erobern". Ziel der Westdeutschen sei daher, "ein Großdeutschland auf dem Territorium der DDR und Polens zu gründen". Die Deutschen zögerten nicht, "die Völker in Europa aufeinander zu hetzen". Deshalb sei unter der Regierung des Nobelpreisträgers Brandt "die Rüstungsrate der Bundeswehr am höchsten in ihrer Geschichte". 3. Klassenkampfpolemik Die Klassenkampfpolemik wird vorwiegend von türkischen, italienischen, spanischen und griechischen Vereinigungen getragen. Sie knüpft an Mißstände in der Unterbringung, Betreuung und sozialen Eingliederung der ausländischen Arbeiter an, verunglimpft die Arbeitgeber u. a. als "Ausbeuter" und "Imperialisten" und wirft den Gewerkschaften vor, "käuflich" zu sein und "im Dienst der Patrone" zu stehen (Flugblatt der ATÖF vom Oktober 1972, "Devrimci Motor"). Im August empfahl die maoistische Zeitung "Halkim Sesi" (Stimme des Volkes) den illegal im Bundesgebiet arbeitenden Türken, an ihren Wohnorten revolutionäre Kampfkomitees zu bilden und mit deren Hilfe "die Denunzianten und niederträchtigen Wohnungsmakler in Angst zu versetzen". VIII. Offen arbeitende Nationalistengruppen Mit insgesamt 19 000 Mitgliedern und aktiven Anhängern bilden die offen arbeitenden Vereinigungen ausländischer Nationalisten und Rechtsextremisten im Bundesgebiet eine starke politische Gruppie145 rung. Rund 9000 Griechen gehören nationalistischen Organisationen an. Je etwa 4000 sind italienische Rechtsextremisten oder Angehörige der Ostemigranten. Dazu kommen annähernd 1600 rechtsradikale Türken. Noch vor wenigen Jahren hatten die politisch aktiven Gruppen der Ostemigration zusammen 10 000 Anhänger. Der seither in diesem Bereich eingetretene Substanzverlust beruht im wesentlichen auf der fortschreitenden Resignation der seit fast einem MenscrtenaJtefpolitisch erfolglosen Emigranten "us den kommunistisch beherrschten Teilen Europas. Demgegenüber hat die Anhängerschaft der griechischen, italienischen und türkischen Nationalistengruppen in den letzten Jahren ständig zugenommen. 1. Radikale Gruppen innerhalb der Ostemigration Für die militanten Nationalisten unter den Ostemigranten waren die Ratifizierung der Ostverträge, die Verhandlungen über den Grundvertrag und die Vorbereitungen für die Europäische Sicherheitskonferenz Anlaß zu teilweise polemischer Kritik an der Außenund Deutschlandpolitik der Bundesregierung. In einer Stellungnahme des "übernationalen" "Antibolschewistischen Blocks der Nation", die im April 1972 allen Bundestagsabgeordneten zugeleitet wurde, heißt es, die Verständigung der Bundesrepublik Deutschland mit den kommunistisch beherrschten Staaten könnte sich nach deren "Befreiung" nachteilig auf ihr künftiges Verhältnis zum deutschen Volk auswirken. Die Tätigkeit der kroatischen Nationalistengruppen, die für eine politische Lösung der kroatischen Frage eintreten, hat durch den Tod des Präsidenten des "Kroatischen Nationalkomitees", Dr. Branimir JELIC, am 30. Mai 1972 einen Rückscklag erlitten. Seine Anhänger befürchten, daß es unter den politischen Führern der Kroaten im Bundesgebiet keine Persönlichkeit gibt, der es wie JELIC gelingen könnte, das kroatische Problem der Öffentlichkeit immer wieder vor Augen zu führen. 2. Griechische, italienische und türkische Rechtsextremisten Regierungsfreundliche griechische Vereinigungen gewannen im Bundesgebiet zunehmend an Einfluß. Der nationalistische "Verband der Griechen in Deutschland e. V." warb zahlreiche neue Anhänger. Mit etwa 8000 Mitgliedern war er bereits zu Beginn des Jahres die stärkste derartige Gruppierung. Da auch die griechische Opposition auf deutschem Boden durch mehrere aktionsbereite 146 Organisationen vertreten ist, besteht die Gefahr erneuter Zusammenstöße von Extremisten aus beiden Lagern. Die Partei der italienischen Rechtsextremisten "Movimento Sociale Italiano" (MSI) ist bisher wenig erfolgreich gewesen. Verantwortlich für die hiesige MSI-Tätigkeit ist ein vom Parteivorstand eingesetzter "Delegierter" mit Sitz in Stuttgart. Ihm nachgeordnet sind "Regionalkader" in Berlin, Frankfurt, Köln, Ludwigshafen, München, Nürnberg, Saarbrücken und Stuttgart. Unter den fünf rechtsradikalen italienischen Betreuungsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland sind die "Ente Nationale di Assistenza Sociale" (ENAS) und der "Comitato Tricolore per gli Italiani nel Mondo" (CTIM) wegen ihrer Aktivität hervorzuheben. Die ENAS unterhält Betreuungsbüros in sechs deutschen Städten mit hohem Anteil an italienischen Arbeitskräften. Das Tricolore-Komitee mit seiner Zentraldirektion in Stuttgart hat auf deutschem Boden annähernd 40 Sektionen. Ihnen gehören insgesamt mehr als 4000 italienische Arbeiter als Mitglieder an. Die Zahl der rechtsextremen türkischen Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland hat sich durch die Gründung der "Türkischen Gemeinschaft e. V." auf fünf erhöht. Keine dieser Gruppierungen hat zur Zeit mehr als 300-400 Anhänger. Durch besondere Aktivität trat im Jahre 1972 die "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) hervor. Sie nutzte den Besuch ihres ersten Vorsitzenden, des Abgeordneten der türkischen Nationalversammlung TÜRKES, um neue Mitglieder zu werben. Während sich die rechtsextremen Italiener und Griechen in ihren Publikationen weitgehend auf übersteigerte nationalistische Parolen beschränkten, ist die Agitation der türkischen Nationalisten durch religiösen Fanatismus und antisemitische Tendenzen bestimmt. IX. Maßnahmen Am 3. Oktober 1972 hat der Bundesminister des Innern die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Organisationen der "Generalunion Palästinensischer Studenten" (GUPS) und der "Generalunion Palästinensischer Arbeiter" (GUPA) gemäß SS 14 Abs. 1, SS 15 Abs. 1 des Vereinsgesetzes verboten. Die genannten Vereinigungen haben gegen diese Verbotsverfügungen Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Verfahren sind noch nicht 147 abgeschlossen. In den Wohnungen mehrerer GUPSund GUPAFunktionäre hat die Polizei bei Durchsuchungen umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Eine Reihe von führenden Mitgliedern und Aktivisten dieser Organisationen wurden durch die zuständige Landesbehörde aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Den Unterzeichnern des Gründungsaufrufes des "Nationalsozialistischen Türkischen ArbeLterbundes" wurde gemäß SS 6-Abs. 2 des Ausländergesetzes jede politische Betätigung untersagt, die darauf abzielt oder zur Folge haben kann, das friedliche Zusammenleben der Völker, Rassen und Religionen zu beeinträchtigen. Ein entsprechendes Betätigungsverbot erging gegen den Leiter des rechtsradikalen italienischen CTIM-Büros in Frankfurt/M. Diese ausländerrechtlichen Maßnahmen wurden durch wirksame Grenzkontrollen ergänzt. Von den im Jahre 1972 eingeleiteten Strafverfahren gegen Ausländer wegen des Verdachts von Straftaten mit politischem Hintergrund ist bisher kein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen. Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Köln hat am 26. Mai 1972 zwei Funktionäre der militanten griechischen Widerstandsorganisation "Demokratische Verteidigung" (DA) wegen Vergehens gegen das Kriegswaffen-Kontrollgesetz sowie das Sprengstoffund Waffengesetz zu Freiheitsstrafen von je einem Jahr verurteilt. Die Täter hatten im Herbst 1971 versucht, Waffen und Sprengmittel für Sabotagezwecke von Schweden über die Bundesrepublik Deutschland nach Griechenland zu schaffen. Das Landgericht Karlsruhe hat zwei Angehörige kroatischer Extremistengruppen zu je 15 Monaten Freiheitsentzug wegen Vergehens gegen das Bundeswaffengesetz verurteilt. Sie hatten unerlaubt etwa 1000 Pistolen erworben, um sie an Exilkroaten weiterzuverkaufen. Das Amtsgericht Stuttgart beschlagnahmte am 24. Oktober 1972 eineAusgabe der kroatischen Emigrantenzeitung "Hrvatska Fronta", in der zur Vorbereitung des Kampfes gegen Jugoslawien und zur Beschaffung von Feuerwaffen aufgerufen wurde. X. Zusammenfassende Beurteilung Ausschreitungen ausländischer Untergrundgruppen beeinträchtigten die innere Sicherheit und wichtige auswärtige Belange der 148 Bundesrepublik Deutschland. Ein bisher nicht gekanntes Ausmaß haben im Jahre 1972 die politisch motivierten Gewaltverbrechen palästinensischer Terroristen erreicht. Die mit der Abwehr dieses Terrors befaßten inund ausländischen Sicherheitsdienste rechnen mit dem Fortbestehen dieser Gefahrenlage und weiteren Terroranschlägen auch anderer z. B. kroatischer Extremisten, solange die im Ausland befindlichen Führungszentren des internationalen Terrors nicht ausgeschaltet sind. Wichtigste Aufgabe des Verfassungsschutzes wird es sein, die im Inland befindlichen Zellen und Sympathisanten ausländischer Untergrundgruppen zu ermitteln und Erkenntnisse über Pläne und Arbeitsmethoden dieser Gruppe zu gewinnen. -- Während die Anhängerschaft der politisch radikalen Ausländerorganisationen in den Vorjahren ständig gestiegen war, stagniert nunmehr erstmalig die Mitgliederentwicklung. Dazu dürfte das entschlossene Vorgehen der Behörden gegen ausländische Träger sicherheitsgefährdender Tendenzen wesentlich beigetragen haben. Mitgliedergewinne der orthodox-kommunistischen Parteien wurden durch entsprechende Einbußen bei ihren Hilfsorganisationen aufgewogen. Unter den sonstigen linksextremen Gruppierungen haben vorwiegend die farbigen Extremisten Boden verloren, die meisten maoistischen Vereinigungen jedoch ihre Stärke leicht erhöht. Rechtsextreme Vereinigungen sind erstarkt, die Gruppen der Ostemigration dagegen auf wenige 1000 Anhänger zusammengeschmolzen. - Nach wie vor zielt die Aktivität der im Bundesgebiet operierenden Extremistengruppen darauf ab, stärkeren Rückhalt unter den ausländischen "Gastarbeitern" und Studenten zu finden, um auf diesem Wege eine Massenbasis für politisch radikale Aktivitäten inund außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu schaffen. Eine Sicherheitsbedrohung stellen dabei diejenigen offen arbeitenden linksextremen Vereinigungen dar, die sich vom Kommunismus sowjetischer Prägung distanzieren. Sie treiben unverhüllt antidemokratische Propaganda, verherrlichen die Gewalt und verbreiten Volksund Bürgerkriegsparolen. Dies gilt besonders für die türkischen Maoisten. Trotz eines zum Teil erheblichen Aufwandes propagandistischer Mittel und vielfältiger sonstiger Infiltrationsversuche konnten diese Gruppierungen ihre politische Isolierung bisher nicht durchbrechen. Erfolglos blieben insbesondere auch die Bemühungen einzelner Aktivisten um Schlüsselpositionen in den Betrieben. Die weitaus überwiegende Mehrzahl der 2,35 Millionen "Gastarbeiter" ist nicht bereit, politisch radikale Landsleute zu unterstützen. 149 Eine gewisse Anfälligkeit für radikale Parolen wurde lediglich bei "illegalen" ausländischen Arbeitnehmern sowie bei solchen Ausländern festgestellt, die nach langjährigem ununterbrochenem Aufenthalt mit ihren Familien auf deutschem Boden keine Verbesserungen ihres gesellschaftspolitischen Status erreichen konnten und deshalb zum Teil verbittert sind. 150 Der Anschlag palästinensischer Terroristen gegen die israelische Olympia-Mannschaft am 5./6. September 1972 in München 1 p " "Pf*^^ i l M N| *Mt: 13w -j WE - : ^3| 1 L stel",'' PS + ~ '*. % ALS STROMQUELLE ZUR ZÜNDUNG DES SPRENGSATZES DIENTEN 12 ZU EINEM BAND ZUSAMMENGESCHWEISSTE "KNOPFBATTERIEN" VOM TYP 312, WIE SIE BEI HÖRGERÄTEN VERWENDET WERDEN. Sprengstoffbrief palästinensischer Terroristen an das jüdische Altersheim in Düsseldorf Lichtbilder aus dem kriminaltechnischen Gutachten des Bundeskriminalamtes Wiesbaden M MEL UDARA p"R AVION k VORDERANSICHT RÜCKANSICHT SPRENGSTOFFPLATZ FÜR DIE SPRENGSCHLAGZUNDZUNDGEFEDER STREIFEN ZÜNDEINRICHTUNG KAPSEL BOLZEN HÜTCHEN HAUSE Drohbriefe an palästinensische Arbeiter im Bundesgebiet AUSZUGSWEISE ÜBERSETZUNG trfv/'*'-'PALÄSTINENSISCHE BEFREIUNGSBEWEGUNG 2.3.1972 xxi " T / 1 fc^-.j / " - " i m n n !&& "Herrn ISMAIL -J" .... Die Kammer hat Sie in Abwesenheit zum Tode durch Erschießen verurteilt. Sofern Sie sich nicht freiwillig stellen, unternimmt die Justiz die erforderlichen Schritte. Unsere Freiheitskämpfer werden die gegen Sie verhängte Strafe dann alsbald vollstrecken, wo immer Sie sich auch befinden .... " (Unterschrift) P, "VERRATER! DER TOD ERWARTET EUCH ! Euer Kühlschrank hat uns dazu iY-^f ^ i ^ J i i^,2jx ^^r gedient, die notwendigen Informationen über Euch zu erhalten. Der dort eingebaute Sender wurde inzwischen entfernt Der Tod erwartet Euch! Der Schwarze September hat Euch zum Tode verurteilt! ..." (Unterschrift) as 4 7 TIper ETSEE pr Je ger Eee K ÜBERSETZUNG "AUF DER OLYMPIADE VERTRAT "DER SCHWARZE SEPTEMBER" DIE PALÄSTINENSER AUF SEINE ART UND WEISE Werbeplakat der Generalunion Palästinensischer Studenten im Bundesgebiet PHLESTINE G U P S "Wherever Death May Surprise Us, It WillBe Welcome, Provided That This, Our Battle Cry, Reach Some Receptive Ear, That Another Hand Stretch Out To Take Up Our Weapons And That Ot her Men Come Forward Tolntone Our Funeral Dirge With The Staccato Of Machine Guns And New Cries Of Battle And Victory." "W-*" CHE Organisation der Kommunistischen Partei Italiens und ihrer Massenorganisation "FILEF" im Bundesgebiet -- Stand: 3 1 . 12. 1972 - vereinfachte Darstellung -- PARTITO COMUNISTA ITALIANO FEDERAZIONE ITALIANA LAVORATORI (PCI) EMIGRATI E FAMIGLIE (FILEF) ZK IN ROM GENERALSEKRETARIAT IN ROM EMIGRATIONSBURO AUSLANDSBURO PCI-GLIEDEPCI-GLIEDEFILEF-GLIEDEFl LEF-ORGANIRUNGEN IN RUNGEN IN RUNGEN IN SATIONEN ÜBERSEE ANDEREN ÜBERSEE IN WESTEUROPA LÄNDERN PCI-LEITUNGSGREMIUM FÜR FILEF-LEITUNG FÜR DAS BUNDAS BUNDESGEBIET DESGEBIET COMITATO DI'XOORDINAMENTO' "COMITATO DI COORDINAMENTO IN STUTTGART IN STUTTGART GEBIETSKOMITEE GEBIETSKOMITEE FILEF-GEBIETSORGANISATIONEN, SÜD NORD KOMITEES VEREINE UND "COMITATO "COMITATO "COMITATI REGIVERBÄNDE ALS FEDERALE" FEDERALE" ONALI" MITGLIEDER DER IN STUTTGART IN KÖLN HANNOVER, BERLIN FILEF: KÖLN, STUTTGART ARCA BEZIRKSKOMITEES "COMITATI ZONALI" ARCES IN ULM, STUTTGART, MÜNCHEN, NÜRNBERG, ALEF LÖRRACH, HEIDELBERG ARCIM 17 KREISORGANISATIONEN 29 KREISORGAZWEIGGRUPPEN CIRCULO DI VITTORIO "SEZIONI" NISATIONEN "SEZIONI" LEGA SARDA BETRIEBSGRUPPEN BETRIEBSGRUPPEN UND ZELLEN UND ZELLEN 158 Türkische Maoisten Stand: 3 1 . 12. 1972 - vereinfachte Darstellung REVOLUTIONÄRE JUGEND DEV GENC SRUPPE GRUPPE REV. KAMPFKOM. TURK.VOLKSBEFR EUROPA ARMEE MiHRi BELLi MAHiR CAYAN DOGU PERINCEK ADMK THKO MIT (TERRORISTISCH [TERRORISTISCH) THKP U.THKC MIT MIT (TERRORISTISCH) ZELLEN ZELLEN IM BUNDESGEB IM BUNDESGEB. IM BUNDESIM BUNDESBISHER NICHT BISHER NICHT GEBIET GEBIET REVOLUTIONÄRE ARBEITERPARTEI AKTIV AKTIV PATRIOTISCHE EINHEITSFRONT FÜR EINE DEMOKRATISCHE TÜRKEI IN EUROPA PEF SITZ: BERLIN, ZWEIGORGAKISATIONEN IN BELGIEN. DÄNEMARK, FRANKREICH, GROSSBRITANNIEN, ÖSTERREICH, DEN NIEDERLANDEN, SCHWEDEN UND DER SCHWEIZ TÜRK. S T U D E N T E N - FÖDERATION PROLETARISCHE REVOLUTIONÄRE 4 SPLITTERGRUPPEN: IN DEUTSCHLAND E.V. DER TÜRKEI TÜRK. JUGEND-KULTURCLUB ATOF TPD TGKK KÖLN SITZ: STUTTGART SITZ: NÜRNBERG TÜRK. KULTURBUND BRAUNSCHW. MIT ZWEIGORG. IN FRANKMIT ZWEIGORG. IN BELGIEN. BETKO REICH, GR. BRITANNIEN. ITALIEN, FRANKREICH, ÖSTERREICH, DEN SOZIALIST. TÜRK. VEREINIGUNG 'ÖSTERREICH, DEN NIEDERLANDEN UND DER SCHWEIZ NIEDERLANDEN. SCHWEDEN UND DER SCHWEIZ FSTB UND UND ZWEIGGRUPPEN AN 19 ZWEIGGRUPPEN IN 12 FRANKFURT DEUTSCHEN UNIVERSITÄTEN STÄDTEN IM BUNDESGEBIET UND TECHN. HOCHSCHULEN TÜRK. SOZIALISTENGEMEINSCHAFT NTTO NÜRNBERG PATRIOTISCHE VOLKSFRONT MÜNCHEN YHCM 159 In Berlin erscheinende Zeitungen türkischer Maoisten proletarisch revolutionäres 'PROLETARISCH REVOLUTIONÄRES LICHT" AYPIIMLIK Zentralorgan der Manustan-Leninisten der Tiirkai H ALKIN SESI Yill . Sayi 6 TARiHi YARATAN BiRICiK GUQ HALKTIR "STIMME DES " VOLKES" BELQiKA MADENLERiNDE BiRTÜRK i " i S i ÖLDÜRÜLDÜ, MÜNiH'TE SIEMENS'TEN TÜRKLER,BMW'DEN iTALYAN l$<;lLER i$TEN qiKARILDI FRANSA'DA FASLI iKi SINIF KARDESIMiZ ÖLDÜRÜLDÜ, ALMANYA'DA.iSViCRE'DE POUSLER TURiST i$<;i AVINA QIKTI . . . I5CILERJURIST ISCILER.EMEKCI ve OGRENCI GENFER, PATR0NIAR1N SÖMÜRÜSÜNE ve SALDIRISINA KARSI, KJS l'5Ci SiMSARLARINA,PATRON U5AGI TERCÜMANLARA.VURGUNCU EKSPORTLARA^ proleter devrimci ^vildiz SAYt "PROLETARISCH 13 REVOLUTIONÄRER c STERN" 1972 100 Kuruj 160