Senator für Inneres Verfassungsschutzbericht 2017 Freie Hansestadt Bremen 2 Senator für Inneres 3 Verfassungsschutzbericht 2017 Freie Hansestadt Bremen 4 Vorwort 5 Der Schwerpunkt der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz lag 2017 wieder auf der Beobachtung der salafistischen Szene Bremens. Hier war ein Anstieg auf nunmehr rund 500 Personen zu verzeichnen. Diese Zahl umfasst sowohl den gewaltfreien politischen Salafismus, als auch gewaltunterstützende und -befürwortende bis hin zu gewalttätige Personen. Der Anstieg ist mit einer verbesserten Zugangslage in die Szene und dem hohen Hinweisaufkommen durch Dritte zu erklären. Ein Teil dieser Hinweisaufkommen betraf geflüchtete Personen, weshalb hier in Zukunft die Präventionsanstrengungen verstärkt werden. Im Jahr 2017 waren unter anderem Ausreisefälle in Richtung Syrien und Irak ein Thema, mit dem sich Bremen auseinandersetzen musste. Hierbei spielten unter anderem zuvor ausgereiste Personen eine Rolle, die mit möglichen Kampferfahrungen bzw. -ausbildungen nach Bremen zurückkehrten. Aber auch die zu erwartenden zurückkehrenden Frauen und Kinder aus den Jihad-Gebieten bilden einen Themenschwerpunkt. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat aus diesem Grunde ein Sensibilisierungsschreiben entworfen und an alle betroffenen Behörden gesteuert. Ebenfalls von erheblicher Bedeutung für die Arbeit des Verfassungsschutzes ist die Bearbeitung von Hinweisen mit einem möglichen Bezug zum Jihadismus. Diese jihadistischen Sachverhalte betreffen unter Anderem mögliche Einreisen von jihadistischen Zellen und Kämpfern nach Deutschland, so auch nach Bremen, mit dem vermuteten Ziel, Anschläge zu planen oder zu begehen. Auch erreichen das LfV Hinweise auf Terrorfinanzierungen oder logistische Unterstützungshandlungen von jihadistisch motivierten Personen oder Bestrebungen. In diesem Zusammenhang führte die Arbeit der Behörden im vergangenen Jahr in insgesamt vier Fällen zu Abschiebungen von gefährlichen Personen. Im Bereich des Ausländerextremismus sorgten die Geschehnisse in der Türkei und Syrien auch in Bremen für ein verstärktes Demonstrationsgeschehen und eine gesteigerte Emotionalisierung der Anhänger der verschiedenen Organisationen. Dies wurde z. B. bei der Abstimmung zum Referendum über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei deutlich. Unter den Anhängern der PKK und der PKK-nahen Organisationen wurde das Referendum mit großer Sorge betrachtet. Sie haben, genauso wie die türkischen Organisationen, - Busreisen von Bremen zum türkischen Konsulat in Hannover organisiert, um möglichst viele Anhänger zur "Nein bzw. Ja-Abstimmung" zu bewegen. Bisher blieb Bremen glücklicherweise - nicht zuletzt dank der Vorfeldarbeit des Verfassungsschutzes - von massiven Ausschreitungen beider Lager verschont. 6 Der Rechtsextremismus ist ein weiterer Beobachtungsschwerpunkt des Landesamtes für Verfassungsschutz. Hier ist seit einigen Jahren eine schwindende Abgrenzung zu nichtextremistischen Teilen der Gesellschaft zu beobachten. Eine große Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Gesellschaft besteht darin, dass es Rechtsextremisten - die heute vielfach im Gewand von "Patrioten" daher kommen - zunehmend gelingt, ihre fremdenfeindlichen und speziell islamoder muslimenfeindlichen Ansichten über soziale Netzwerke in weiten Teilen unserer Gesellschaft zu verbreiten. Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen und davor zu warnen. Die Bekämpfung der Verbreitung von menschenverachtenden Ansichten und Einstellungen in unserer Gesellschaft ist jedoch die Aufgabe aller Demokraten, insbesondere der politisch Verantwortlichen. Die hohe Gewaltbereitschaft von Linksextremisten zeigte sich während des G20-Gipfels im Juli 2017 in Hamburg in besonderer Deutlichkeit. Über mehrere Tage sorgten linksextremistische Autonome für heftige Ausschreitungen und bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Gewalttaten von gewaltorientierten Linksextremisten überlagerten sämtliche friedliche Protestaktionen, weshalb ihre Beobachtung auch im vergangenen Jahr wieder einen weiteren Aufgabenschwerpunkt des Landesamtes für Verfassungsschutz darstellte. Um die genannten Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen zu erkennen und entsprechend reagieren zu können, ist die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz unverzichtbar. Durch die im Vorfeld stattfindende Analysearbeit ist es möglich, extremistisch motivierte Täter zu erkennen, noch bevor es zu einer Straftat kommt. Eine ausreichende personelle Ausstattung des Landesamtes für Verfassungsschutz ist unabdingbar, um der immer größer werdenden Gefahr vor allem durch den islamistischen Terrorismus etwas entgegensetzen zu können. Schließlich ist das Landesamt für Verfassungsschutz weiterhin der erste Ansprechpartner, wenn es darum geht, über das Phänomen der extremistischen Radikalisierung und mögliche Präventionsmaßnahmen aufzuklären. In diesem Rahmen fanden im letzten Jahr Dutzende Vortragsveranstaltungen im Bereich Polizei, JVA, Schulen oder auch bei Trägern der Flüchtlingshilfe statt. Daneben ist das LfV beim Aufbau des "Kompetenzzentrums für Deradikalisierung und Extremismusprävention (KODEX)" des Senators für Inneres beratend tätig. Für den engagierten Einsatz möchte ich mich herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz bedanken. Ulrich Mäurer Senator für Inneres 7 8 Inhalt Seitenzahl 10 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen 14 1.1 Kontrolle des Verfassungsschutzes 15 1.2 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV 16 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV 20 3 Rechtsextremismus 21 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 22 3.2 Rechtsextremistische Propaganda und Agitation 24 3.3 Strukturen und Gruppierungen des Rechtsextremismus 24 3.3.1 Rechtsterrorismus des "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) 25 3.3.2 Strukturelle Entwicklungen im Rechtsextremismus 27 3.3.3 "Identitäre Bewegung" 29 3.3.4 Rechtsextremistische Mischszene Bremens 31 3.3.5 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 34 4 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 37 5 Linksextremismus 38 5.1 Linksextremistisches Weltbild und linksextremistische Strukturen 41 5.2 Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus 48 5.3 Aktivitäten gewaltorientierter Linksextremisten 48 5.3.1 Proteste gegen den G20-Gipfel 53 5.3.2 Proteste gegen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten 9 56 6 Islamismus und islamistischer Terrorismus 57 6.1 Islamismus 59 6.2 Islamistischer Terrorismus 59 6.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 60 6.2.2 "Islamischer Staat" (IS) 61 6.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen und radikalisierte Einzeltäter 65 6.2.4 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 67 6.2.5 Internet und andere Medien 68 6.3 Salafistische Bestrebungen 70 6.3.1 Salafismus im Land Bremen 74 6.3.2 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 75 6.4 "Hizb Allah" 77 7 Ausländerextremismus 79 7.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 87 7.2 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland" (ADÜTDF) 89 7.3 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 91 8 Unterstützungsaufgaben des LfV Anhang Impressum 10 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Seitenzahl 14 1.1 Kontrolle des Verfassungsschutzes 15 1.2 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV 11 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Der Verfassungsschutz gilt als "Frühwarnsystem" der Demokratie, da er verfassungsfeindliche Aktivitäten (extremistische Bestrebungen) und sicherheitsgefährdende Das Bremische VerfassungsTätigkeiten erkennen soll. Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen schutzgesetz (BremVerfSchG) Deutschlands mit dem Nationalsozialismus ist der demokratische Rechtsstaat mit regelt die Aufgaben und Befugeinem Warnund Schutzsystem ausgestattet. Das Prinzip der "wehrhaften Demonisse sowie die Rechtsstellung kratie" trägt der Entschlossenheit des Staates Rechnung, sich gegenüber den des LfV und seine ZusammenFeinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu wehren. Die freiheitliche arbeit mit den Verfassungsdemokratische Grundordnung beinhaltet die zentralen Grundprinzipien, die einen schutzbehörden der Länder demokratischen Verfassungsstaat ausmachen, dazu gehören insbesondere die und des Bundes. Würde des Menschen sowie das Demokratieund das Rechtsstaatsprinzip. Das Das Artikel 10-Gesetz Prinzip der "wehrhaften Demokratie" zeigt sich etwa am Festschreiben eines unver(G 10) regelt die Befugnisse der änderlichen Kerns einer Grundund Werteordnung, die selbst vor Verfassungsändedeutschen Nachrichtendienste rungen geschützt ist ("Ewigkeitsklausel", Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz (GG)). Neben zu Eingriffen in das durch Artikel den Staatsstrukturprinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind dadurch 10 des Grundgesetzes garanvor allem die wesentlichen Freiheitsrechte des Einzelnen abgesichert, allen voran tierte Brief-, Postund Fernmelder Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Ergänzt wird die "Wehrhaftigkeit" degeheimnis. durch die Möglichkeit des Verbots von Parteien und sonstigen Vereinigungen wegen verfassungswidriger Aktivitäten (Art. 21 Abs. 2 GG, Art. 9 Abs. 2 GG) oder durch Das Bremische Sicherheitsdie Verwirkung von Grundrechten, wenn diese im Kampf gegen die freiheitliche überprüfungsgesetz demokratische Grundordnung missbraucht werden (Art. 18 GG). (BremSÜG) regelt die Voraussetzungen und das Verfahren Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat folgende im Gesetz über den zur Sicherheitsüberprüfung von Verfassungsschutz im Lande Bremen (SS 3 BremVerfSchG) normierte Aufgaben: Personen, die mit bestimmten . Die Beobachtung von Bestrebungen, die sicherheitsempfindlichen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder Tätigkeiten betraut werden . die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, sollen (Sicherheitsüberprüfung) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen oder bereits betraut worden sind . auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden, (Aktualisierungsbzw. Wiedergegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche holungsprüfung). Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die Gesetze sind im Internet abrufbar unter: Das LfV ist auch zuständig für die Spionageabwehr im Land Bremen. Daneben www.verfassungsschutz. unterstützt es im Rahmen seiner Mitwirkungsaufgaben Sicherheitsüberprüfungen bremen.de von Personen zum Zweck des Geheimund Sabotageschutzes. Zu den Aufgaben des LfV zählen weiterhin die regelmäßige Unterrichtung von Senat und Bürgerschaft über die Sicherheitslage im Land Bremen und die Information der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Letzteres wird unter andeFreiheitliche demokratische rem durch die Veröffentlichung des jährlich erscheinenden VerfassungsschutzbeGrundordnung . Garantie der Menschenwürde richtes gewährleistet. . Demokratieprinzip . Rechtsstaatsprinzip Der Verfassungsschutzbericht beruht auf den Erkenntnissen, die das LfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gewonnen hat. Der Bericht stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Gruppierungen oder Ereignisse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen. Beobachtungsschwerpunkte Das LfV beobachtet insbesondere Bestrebungen in den Phänomenbereichen Islamismus, Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus sowie "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". Im Fokus der Beobachtung stehen die gewaltorientierten Teile der einzelnen Phänomenbereiche. Als gewaltorientiert gelten nicht nur 12 Personen und Gruppierungen, die selbst gewalttätig handeln oder gewaltbereit gegen ihre "politischen Gegner" vorgehen, sondern ebenso diejenigen, die Gewalt unterstützen oder Gewalt befürworten. Die Gewaltorientierung einer Person oder Gruppierung kann sich zum einen aus ihrer ideologischen Ausrichtung und zum anderen aus ihren konkreten Handlungen ergeben. Die Bedrohung der Inneren Sicherheit geht darüber hinaus von radikalisierten Einzeltätern und Kleingruppen aus, die nicht zwingend in extremistische Strukturen eingebunden sein müssen. Mit der Fokussierung auf Gewalt veränderte sich in den vergangenen Jahren insofern der Blickwinkel des Verfassungsschutzes, als nunmehr auch verstärkt Verbindungen zwischen Extremisten und gewaltaffinen Gruppierungen in die Beobachtung einbezogen werden. Informationsgewinnung Einen Großteil seiner Informationen gewinnt der Verfassungsschutz aus offen zugänglichen Quellen, wie z.B. Publikationen, Internetseiten und sozialen Netzwerken sowie öffentlichen Veranstaltungen. Durch die offene Informationsgewinnung entsteht allerdings selten ein vollständiges Bild extremistischer Bestrebungen. Gegenüber konspirativen Methoden versagt sie völlig. Um auch getarnte oder geheim gehaltene Aktivitäten beobachten zu können, setzt der Verfassungsschutz vor allem im Bereich gewaltorientierter Bestrebungen die verdeckte Informationsgewinnung ein, u.a. durch den Einsatz von Vertrauensleuten (V-Leuten), Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. Gesetzliche Grundlagen Gesetze VerhältnismäßigkeitsTrennungsgebot grundsatz (keine Befugnisse keine Exekutivohne gesetzliche befugnisse Regelung) (keine Geheimpolizei) BremVerfSchG, Artikel 10-Gesetz und bremisches Ausführungsgesetz, BremSÜG Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei Unter Beachtung des Trennungsgebotes stellte die Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Verfassungsschutz und Polizei einen Schwerpunkt des bisherigen Prozesses der Neuausrichtung dar. So trägt das im Jahr 2012 eingerichtete "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ), an dem sich Polizei und Verfassungsschutz gleichermaßen beteiligen, zum effizienteren Informationsaustausch 13 innerhalb der Sicherheitsbehörden bei. Dabei ging das seit 2011 bestehende "Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus" (GAR) im GETZ auf. Das GETZ ist nach dem Vorbild des im Bereich des islamistischen Terrorismus erfolgreich operierenden "Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums" (GTAZ) geschaffen worden. Die Einrichtung von Untergremien im GETZ, in Gestalt einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) sowie einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS), soll insbesondere die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden verbessern. Zu einem besseren Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei trägt auch die im Jahr 2011 eingerichtete Plattform "Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus" (KIAR) bei. Die 2012 eingeführte "Rechtsextremismusdatei" (RED) sichert einen schnellen Austausch von Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten zwischen Verfassungsschutz und Polizei. "Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) Die effektive Bekämpfung des islamistischen Terrorismus kann eine nachrichtendienstliche Behörde nicht alleine bewältigen. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2004 das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) geschaffen, ein Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Vorrangige Aufgabe des GTAZ ist es, für einen reibungslosen Austausch von Erkenntnissen zu sorgen und operative Maßnahmen abzustimmen. Bundesamt für GeneralbundesMigration und anwalt Flüchtlinge Bundesamt für BundeskriminalVerfassungsamt schutz 16 Landes16 Landesämter kriminalämter GTAZ für VerfassungsPI AS N I AS schutz BundesnachrichBundespolizei tendienst Militärischer Zollkriminalamt Abschirmdienst "Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) Das im Jahr 2012 eingerichtete "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) ist ebenfalls ein Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Das GETZ beschäftigt sich mit den Phänomenbereichen Ausländer-, Linksund Rechtsextremismus sowie der Spionageabwehr. 14 Bundesamt für BundeskriminalGeneralbundesVerfassungsamt anwalt schutz 16 Landesämter Bundespolizei für Verfassungs- N I AS schutz PI AS Bundesnachrich16 Landeskriminalämter GETZ tendienst Europol Militärischer Abschirmdienst 1.1 Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Arbeit des LfV unterliegt der parlamentarischen Kontrolle durch die Bremische Bürgerschaft (Parlamentarische Kontrollkommission und G 10-Kommission). Die Aufsicht über die Verfassungsschutzbehörde führt die Behördenleitung des Senators für Inneres. Maßnahmen des LfV sind auch gerichtlich überprüfbar. Parlamentarische Parlamentarische Parlamentarische Kontrolle Kontrolle Kontrolle Parlamentarische Parlament G 10-Kommission Kontrollkommission LfV Bremen Gerichtliche Öffentliche VerwaltungsKontrolle Kontrolle kontrolle VerwaltungsBürger Senator für Inneres gerichtlicher (Auskunftsrecht) Landesbeauftragte für Rechtsschutz Presse Datenschutz und Informationsfreiheit Bremen Landesrechnungshof Parlamentarische Kontrollkommission Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird durch den Senator für Inneres über die allgemeine Tätigkeit des LfV sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung fortlaufend und umfassend unterrichtet. Die PKK hat das Recht, Einsicht in Akten und andere Unterlagen zu nehmen, und hat Zugang zu Einrichtungen des LfV. Die PKK der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertre15 tenden Mitgliedern, die die Bürgerschaft zu Beginn jeder Wahlperiode aus ihrer Mitte wählt. Daneben können nicht in der PKK vertretene Fraktionen einen ständigen Gast in die PKK entsenden. Die Kommission tritt mindestens alle drei Monate zusammen. Ihre Beratungen unterliegen der Geheimhaltungspflicht. G 10-Kommission Die G 10-Kommission entscheidet über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem G 10-Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene. Die G 10-Kommission der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die PKK zu Beginn jeder Wahlperiode wählt. Der Vorsitzende besitzt die Befähigung zum Richteramt. 1.2 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV Zur Erfüllung seiner Aufgaben gab das LfV im Haushaltsjahr 2017 für Personal 2.520.000 Euro (2016: 2.382.874 Euro) und für Sachmittel 1.031.181 Euro (2016: 852.588 Euro) aus. Die investiven Ausgaben betrugen 172.584 Euro (2016: 227.997 Euro). Das Gesamtausgabevolumen lag 2017 bei 3.723.765 Euro (2016: 3.463.459 Euro). Das Beschäftigungsvolumen umfasste 51,3 Vollzeiteinheiten (2016: 49,0). 16 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV 17 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV Die Bekämpfung extremistischer Aktivitäten erfolgt in einer Demokratie in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext. Aus diesem Grund ist es dem LfV ein besonderes Anliegen, das Wissen des Verfassungsschutzes für die Aufklärung und Meinungsbildung, aber auch für die erfolgreiche Präventionsarbeit anderer Träger in Staat und Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Vorträge Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit bietet das LfV Vorträge über extremistische Bestrebungen an. In den Vorträgen kann es um aktuelle Entwicklungen und extremistische Erscheinungsformen im Lande Bremen gehen, jedoch können nach Bedarf auch andere Schwerpunkte gesetzt werden. Die Vorträge richten sich insbesondere an Behörden, Einrichtungen, Vereine und Schulen. Im Bereich Islamismus verfolgt das LfV vor allem das Ziel, die öffentliche Debatte über Islam und Islamismus zu versachlichen und die bremische Bevölkerung über islamistische Bestrebungen zu informieren. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Behörden und zivilgesellschaftlichen Stellen sollen unter der Überschrift "Sensibilisierung und Früherkennung" in die Lage versetzt werden, zwischen legitimer Religionsausübung und dem eventuellen Abdriften einer Person in extremistische Kreise zu unterscheiden. Zentrales Anliegen ist es, dabei zu helfen, die Radikalisierung junger Personen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, bevor Sicherheitsbehörden aktiv werden müssen. Mitarbeit in Gremien und an Präventionsveranstaltungen Salafismusprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, welche behördenübergreifend und in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erfolgen muss. Das LfV bringt seine Expertise in verschiedenen Gremien ein, die sich auf EU-, Bundesund Landesebene mit dem Thema befassen, beansprucht jedoch keine Federführung. So ist das LfV Mitglied in der ressortübergreifenden AG "religiös begründete Radikalisierung", in der die Umsetzung des Bremer Präventionskonzeptes besprochen und abgestimmt wird. Präventionsangebote in Bremen "Demokratiezentrum Land Bremen" Das "Demokratiezentrum Land Bremen" koordiniert umfassende Präventionsund Beratungsangebote für Betroffene, Ratsuchende und Interessierte in den Themenge18 bieten "Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" sowie Kontakt: "demokratiefeindlicher und gewaltorientierter Islamismus und Muslimfeindlichkeit". Senatorin für Soziales, Jugend, Es ist zuständig für die Umsetzung des Bundesprogramms "Demokratie leben! Aktiv Frauen, Integration und Sport gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit". Referat 22 - Kinderund Jugendförderung Die folgenden Präventionsangebote werden aus dem genannten Bundesprogramm Demokratiezentrum sowie von der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport geförDienstsitz: Bahnhofstraße 28 - 31 dert und befinden sich in Trägerschaft des "Vereins zur Förderung akzeptierender Postanschrift: Bahnhofsplatz 29 Jugendarbeit e.V." (VAJA). Sie sind für die Beratungsnehmer und Beratungsnehme28195 Bremen rinnen kostenlos und beruhen auf den fachlichen Grundsätzen der Freiwilligkeit und Tel.: 0421 361-996 67 der Vertraulichkeit. E-Mail: demokratiezentrum@ soziales.bremen.de Präventionsangebote Rechtsextremismus "reset" - Beratung und Begleitung bei der Loslösung vom Rechtsextremismus im Land Bremen Das Beratungsund Begleitungsangebot von "reset" richtet sich vorrangig an junge Personen, die mit der rechtsextremen Szene sympathisieren, erste Kontakte geknüpft haben oder sich bereits in der Szene verorten. "reset" unterstützt die Beratungsnehmerinnen und Beratungsnehmer dabei, sich in eine langfristige Auseinandersetzung Kontakt: mit ihren "rechten" Einstellungen und Verhaltensweisen zu begeben, um sich von www.reset-bremen.de diesen zu distanzieren. Im Beratungskontext werden geschlechtsspezifische Aspekte E-Mail: reset@vaja-bremen.de fachlich berücksichtigt. Die Beratungsstelle unterstützt darüber hinaus Personen, die Tel.: 0157 525 105 27 oder in Auseinandersetzung mit den genannten Zielgruppen stehen, wie u.a. Angehörige 0157 774 536 38 und Fachkräfte. "reset" wird von dem Angebot der "Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt" (ARuG) ergänzt, das sich speziell an Personen richtet, die weitgehender in rechtsextremistische Szenezusammenhänge eingebunden sind. Hier fungiert "reset" als Erstkontaktstelle. "pro aktiv gegen rechts" - Mobile Beratung in Bremen und Bremerhaven Die Beratungsstelle "pro aktiv gegen rechts" arbeitet zu den Themenfeldern Rechtsextremismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Ziel der Beratung ist es, Jugendliche und Erwachsene zu unterstützen und zu befähigen, eine Kontakt: demokratische Kultur zu entwickeln sowie sich "rechts" motivierten Entwicklungen www.proaktivgegenrechts.de und Geschehnissen entgegenzustellen. Hauptzielgruppe der Beratung sind JugendE-Mail: proaktiv@vaja-bremen.de liche, interessierte Einzelpersonen und Multiplikatoren sowie Vereine, Bündnisse, Tel.: 0421 960 384 93 Unternehmen und Stadtteilgremien. Präventionsangebot Islamismus und Salafismus "kitab" - Beratung für Eltern, Angehörige, Fachkräfte und Betroffene in der Auseinandersetzung mit religiös begründetem Extremismus Das Angebot von "kitab" richtet sich primär an Eltern und Angehörige von Jugend19 lichen und jungen Erwachsenen, die sich möglicherweise in Hinwendung zu religiös begründetem Extremismus befinden. Ebenso bietet "kitab" Fachberatung und fachliche Unterstützung für Fachkräfte der Kinderund Jugendhilfe, der sozialen Dienste und weiterer relevanter Berufsfelder, die hinsichtlich solcher Wahrnehmungen verunsichert sind. Darüber hinaus bietet "kitab" auch Distanzierungsbegleitung und Kontakt: Unterstützung für die betroffenen Heranwachsenden selbst. Die Beratung erfolgt www.vaja-bremen.de/teams/kitab auch in türkischer, arabischer, englischer und französischer Sprache. E-Mail: kitab@vaja-bremen.de Tel.: 0157 557 530 02 oder 0157 538 165 202 20 3 Rechtsextremismus Seitenzahl 21 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 22 3.2 Rechtsextremistische Propaganda und Agitation 24 3.3 Strukturen und Gruppierungen des Rechtsextremismus 24 3.3.1 Rechtsterrorismus des "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) 25 3.3.2 Strukturelle Entwicklungen im Rechtsextremismus 27 3.3.3 "Identitäre Bewegung" 29 3.3.4 Rechtsextremistische Mischszene Bremens 31 3.3.5 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 21 3 Rechtsextremismus Die Auflösung von Strukturen ist im Rechtsextremismus ein bundesweiter Trend, der sich seit einigen Jahren fortsetzt. In Bremen erklärten in den vergangenen Jahren mehrere rechtsextremistische Gruppierungen entweder ihre Auflösung oder ihre Angehörigen traten nicht mehr als Gruppe öffentlich in Erscheinung. Die Tatsache, dass Rechtsextremisten weniger in Gruppen oder festen Organisationsstrukturen organisiert sind als noch vor einigen Jahren, darf keinesfalls mit der Inaktivität ihrer Mitglieder oder Anhänger gleichgesetzt werden. Insbesondere in sozialen Netzwerken organisieren sich Rechtsextremisten und verbreiten dort ihre rechtsextremistische Weltanschauung. 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild Rechtsextremismus ist keine in sich geschlossene Ideologie, sondern eine Weltanschauung, die sich vor allem gegen die fundamentale Gleichheit aller Menschen richtet (Ideologie der Ungleichheit). Trotz der Erfahrungen Deutschlands während der Zeit des Nationalsozialismus ist der Rechtsextremismus durch Einstellungen geprägt, die geschichtliche Tatsachen leugnen und tendenziell zur Verharmlosung, Rechtfertigung oder gar Verherrlichung nationalsozialistischer Verbrechen einschließlich des Holocausts beitragen. Geschichtsrevisionistische Positionen sind in unterschiedlicher Ausprägung in der rechtsextremistischen Szene verbreitet, insbesondere die neonazistische Szene greift Symbolik und Tradition des Nationalsozialismus auf und nimmt Gedenktage zum Anlass für Veranstaltungen. Im Mittelpunkt der rechtsextremistischen Ideologie stehen zwei Elemente: Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Fremdenfeindlichkeit umschreibt eine ablehnende Haltung gegenüber allem, was als fremd und deshalb bedrohlich oder minderwertig empfunden wird. Abgelehnt werden vor allem Ausländer, Muslime, Obdachlose, Behinderte und Homosexuelle. Als Formen der Fremdenfeindlichkeit gelten Ausländerund Islamfeindlichkeit sowie Antisemitismus. Ausländerfeindlichkeit bezieht sich auf die Feindseligkeit gegenüber Ausländern, während Islamfeindlichkeit die Abwertung von Personen wegen ihrer religiösen Überzeugung beschreibt, die häufig jedoch auch auf ethnische Zugehörigkeit oder Nationalität abstellt. Antisemitismus meint die Feindschaft gegenüber Juden, die häufig politisch, kulturell oder rassistisch begründet und vielfach mit Verschwörungstheorien untermauert wird. Rassismus bezieht sich ausschließlich auf äußere Merkmale. Beim Rassismus wird aus genetischen Merkmalen der Menschen eine naturgegebene Rangordnung abgeleitet und zwischen "wertvollen" und "minderwertigen" Rassen unterschieden. Rassismus nimmt Einfluss auf das zweite zentrale Element rechtsextremistischer Weltanschauung, den Nationalismus. Unter Nationalismus ist ein übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung der eigenen Nation zu verstehen. Rechtsextremisten sind der Überzeugung, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation, Ethnie oder Rasse über den Wert eines Menschen entscheidet. Die eigene Nation wird dabei gegenüber anderen als höherwertig eingestuft. Sie wird als ein so wichtiges, absolu22 tes Gut angesehen, dass ihr sowohl Interessen und Werte anderer Nationalitäten als auch die (Bürgerund Menschen-)Rechte jedes Einzelnen unterzuordnen sind. Das Ziel von Rechtsextremisten besteht darin, die pluralistische Gesellschaftsordnung durch die einer "Volksgemeinschaft" zu ersetzen, in der der totalitäre Staat und das ethnisch homogene Volk miteinander verschmelzen. Der demokratisch verfasste Rechtsstaat soll einem nach dem Führerprinzip ausgerichteten totalitären Staat weichen, der von einer Einheitspartei beherrscht wird. Diese antidemokratischen Vorstellungen stehen im Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Fremdenfeindlichkeit als Grundelement rechtsextremistischen Denkens ist weder mit dem Prinzip der Menschenwürde noch mit dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen vereinbar. Das autoritäre Staatsverständnis und das antipluralistische Gesellschaftsverständnis widersprechen sowohl dem Demokratieprinzip, wie z.B. der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität oder dem Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition, als auch dem Rechtsstaatsprinzip, wie z.B. der Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt, der Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte sowie dem staatlichen Gewaltmonopol. 3.2 Rechtsextremistische Propaganda und Agitation Subtile rechtsextremistische Propaganda nahm auch im Jahr 2017 zu. Rechtsextremisten bedienen sich dazu häufig des Stilmittels des Populismus, bei dem es generell darum geht, sich volksnah zu geben, die Emotionen, Vorurteile und Ängste der Bevölkerung aufzugreifen und vermeintlich einfache und klare Lösungen für komplexe gesellschaftspolitische Probleme anzubieten. Vielfach vertreten Rechtsextremisten ihre Ansichten und Ideologie weniger offen als noch vor einigen Jahren, weil Rechtsextremismus in der Gesellschaft überwiegend negativ konnotiert ist. Mit eindeutig rassistischen oder neonazistischen Ansichten gelang es Rechtsextremisten in den vergangenen Jahren immer seltener, Zustimmung in der Gesellschaft zu gewinnen. Das zeigte zuletzt das schlechte Abschneiden der Partei "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), die ihre rechtsextremistische Ideologie offen vertritt, bei der Bundestagswahl im September 2017. Asyl und Zuwanderung als thematischer Schwerpunkt Das Thema Asyl und Zuwanderung steht seit mehreren Jahren im Fokus der rechtsextremistischen Agitation und Propaganda. Mit dem Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland nahm die Anti-Asyl-Agitation der rechtsextremistischen Szene in den Jahren 2014 und 2015 signifikant zu und ließ mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen im Jahr 2016 in ihrer Intensität nach. Gleichwohl ist das Thema Asyl weiterhin von zentraler Bedeutung in der rechtsextremistischen Propaganda. Eine Schwerpunktverschiebung lässt sich hier insofern ausmachen, als zunächst generell der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland kritisiert wurde und inzwischen Muslime und die islamische Religion verstärkt zum Angriffsziel geworden sind. Dabei ziehen Rechtsextremisten häufig diffamierende Stereotypenbilder heran: Flüchtlingen und insbesondere Muslimen werden pauschal Kriminalität, Gewalttätigkeit, Asylmissbrauch und Verbindungen zum Islamismus oder zum islamistischem Terrorismus unterstellt. Mit gezielten Tabubrüchen und dem Zeichnen von Bedrohungsszenarien, für die sie teilweise mit manipulierten oder verfälschten Informationen arbeiten, versuchen Rechtsextremisten, Aufmerksamkeit zu erregen, vorhandene Ängste zu verstärken und Hass zu schüren. Sie propagieren in diesem Zusammenhang häufig das Szenario einer drohenden "Islamisierung" Deutschlands. Regelmäßig fallen dabei beleidigende Äußerungen bis hin zu Mordund Gewaltandrohungen. 23 Rechtsextremistische Propaganda im Internet Mit ihrer Propaganda verfolgen Rechtsextremisten das Ziel der individuellen und kollektiven Radikalisierung, indem sie über die gesellschaftspolitischen Diskussionen Einfluss auf Meinungen von Einzelpersonen und somit letztlich auf Stimmungen in der Gesellschaft nehmen. Soziale Netzwerke und Messenger-Dienste wie Facebook, Twitter oder YouTube dienen der rechtsextremistischen Szene zur Kommunikation, Verbreitung von Propaganda, Mobilisierung von Personen für Aktionen und Organisation von Veranstaltungen. Über soziale Netzwerke erreichen sie vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Obwohl es sich bei sozialen Netzwerken um virtuelle Plattformen handelt, findet dort reale Kommunikation statt. Das "Interagieren" mit Beiträgen von Rechtsextremisten hat realweltliche Folgen und lässt sich mit dem Verteilen von Flyern oder dem Plakatieren von Hauswänden vergleichen. So erklärt ein Nutzer mit einer "Gefällt mir"-Markierung nicht nur, dass er dem Inhalt eines Beitrages zustimmt, sondern er wirbt darüber hinaus - unterschrieben mit seinem Profilnamen - auf dem Profil des Verfassers für den geposteten Inhalt und leitet diesen an eine unbestimmte Zahl an Nutzern weiter. Beim "Teilen" von Beiträgen entscheidet sich der "Teilende" zusätzlich dafür, den Beitrag dauerhaft auf seinem Personenprofil zu präsentieren. Zur massenhaften Verbreitung ihrer Propaganda nutzen Rechtsextremisten die Verteilungsalgorithmen sozialer Netzwerke, welche die Verbreitungswege der eingestellten Informationen bestimmen. So werden Nutzern, die auf die Propaganda von Rechtsextremisten reagieren, beispielsweise "Freunde" von "Freunden", Die "Word-Cloud" stellt die ähnliche Gruppierungen oder Inhalte vorgeschlagen, wodurch sie weitere Beiträge Schlüsselwörter auf einer von mit ähnlichen Inhalten erhalten. Dabei erreichen speziell emotional ansprechende Rechtsextremisten betriebenen oder polarisierende Beiträge einen hohen Verbreitungsgrad. Facebook-Seite dar Straftaten Eine ähnliche Entwicklung wie bei der rechtsextremistischen Propaganda, bei der sich der Schwerpunkt von allgemein fremdenfeindlichen Äußerungen zu islamund muslimenfeindlichen Äußerungen verschob, zeigte sich auch bei den Straftaten: Anfangs richteten sich die Straftaten vornehmlich gegen geplante und unbewohnte Unterkünfte, dann gegen Asylbewerber und bewohnte Unterkünfte und inzwischen weisen diverse Straftaten ein islamund muslimenfeindliches Motiv auf. So stehen muslimische Migranten vor dem Hintergrund der Zuwanderung von Personen insbesondere aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum nach Deutschland im Fokus der rechtsextremistischen Agitation. Straftaten mit islamoder muslimenfeindlichem Motiv wies die Polizei erstmals im Jahr 2017 gesondert aus. Angriffsziele sind sowohl Muslime als auch ihre Einrichtungen und Moscheen als zentrales Symbol der islamischen Religion und der muslimischen Kultur. In Bremen waren Moscheen bereits zum wiederholten Male in den vergangenen Jahren von solchen Taten betroffen. Am 24. September 2017 beschmierten Unbekannte die Fassade der Fatih-Moschee in Bremen und platzierten Feuerwerkskörper am Gebäude. Zuvor hatten Unbekannte am 17. März 2017 Schweinepfoten und Schweineohren auf das Grundstück der Fatih-Moschee in Bremerhaven geworfen. Wenngleich die Bedeutung der Asylthematik abgenommen hat, gab es 2017 bundesweit zum Teil gravierende Straftaten gegen Asylbewerber und ihre Unterkünfte. In Bremen griff beispielsweise ein Unbekannter am 8. März 2017 einen Asylbewerber in einer Straßenbahn an, indem er ihn beleidigte und ihm ins Gesicht trat. Ein Großteil der in diesem Zusammenhang festgestellten Täter weist weder verfassungsschutznoch staatsschutzrelevante Erkenntnisse auf. Gleichwohl sind fremdenfeindliche 24 Straftaten in der Vergangenheit auch von rechtsextremistischen oder rechtsextremistisch beeinflussten Gruppierungen verübt worden, wie die 2015 von den Gruppierungen im brandenburgischen Nauen und im sächsischen Freital verübten Serien an fremdenfeindlichen Straftaten zeigen. Mehrheitlich handelt es sich jedoch um Personen, die vorher nicht mit rechtsextremistischen Aktivitäten in der Öffentlichkeit aufgefallen sind. Das heißt, die Begehung von fremdenfeindlichen Straftaten setzt weder entsprechende politische Erfahrungen noch die organisatorische Anbindung an die rechtsextremistische Szene voraus. Antisemitische Straftaten Thema der öffentlichen Diskussion waren im Jahr 2017 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund. Antisemitische Straftaten gelten generell als extremistisch. Der Großteil der in den vergangenen Jahren begangenen und von der Polizei registrierten antisemitischen Strafund Gewalttaten wurde als "rechts" motiviert eingestuft. Dabei ist zu beachten, dass fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten statistisch generell im Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK)-Rechts erfasst werden, wenn der Polizei keine weiterführenden Hinweise zu Tatmotivation oder Täter vorliegen. Den Großteil der Straftaten machen Volksverhetzungsund Propagandadelikte aus. In Bremen zeigte sich im Jahr 2017 ein leichter Anstieg antisemitischer Straftaten. Es gab Schmierereien von Hakenkreuzen beispielsweise an einem Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in Bremen-Hastedt am 24. April 2017 oder an der Fassade der Synagoge in Bremerhaven am 28. November 2017. 3.3 Strukturen und Gruppierungen des Rechtsextremismus 3.3.1 Rechtsterrorismus des "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) Eine große Gefahr geht von radikalisierten Einzelpersonen und Kleinstgruppen aus, die unabhängig von bekannten rechtsextremistischen Strukturen agieren und sich bekannten Handlungsmustern der rechtsextremistischen Szene entziehen, wie die Mordserie der rechtsterroristischen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zeigt. Die Mitglieder des NSU lebten rund 13 Jahre im Untergrund und ermordeten in den Jahren 2000 bis 2007 insgesamt zehn Menschen vor allem aus fremdenfeindlichen und rassistischen Motiven. Darüber hinaus beging das Trio mindestens zwei Bombenanschläge und 15 bewaffnete Raubüberfälle. Die geplante und gezielte Mordserie der rechtsterroristischen Gruppierung NSU, die über Jahre kein öffentliches Bekenntnis in direkter oder indirekter Form ablegte, stellt eine Besonderheit in der Geschichte des deutschen Terrorismus dar. Die in den 1970erbis 2000er-Jahren in Deutschland existierenden rechtsterroristischen Gruppierungen begingen keine Serienmorde an Personen und auch keine gezielten Tötungen. Im Vergleich zu früheren Gruppierungen im Rechtsterrorismus unterscheidet sich der NSU damit insbesondere hinsichtlich seiner Gewaltintensität. Der seit 2013 vor dem Oberlandesgericht München laufende Strafprozess richtet sich nach dem Selbstmord der beiden Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppie25 rung Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahr 2011 gegen das einzige noch lebende NSU-Mitglied Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer. 3.3.2 Strukturelle Entwicklungen im Rechtsextremismus Die rechtsextremistische Szene unterliegt zurzeit vielfältigen strukturellen Entwicklungen. Zum einen hält der bereits seit einigen Jahren andauernde Trend zum Abbau von Organisationsstrukturen an: Kleine, informelle und regional verankerte (Klein-)Gruppierungen und lose Netzwerke haben inzwischen zu einem Großteil Organisa-tionen mit festeren Strukturen wie Parteien, Vereine und Kameradschaften abgelöst. Ein Grund für den Verzicht auf Organisationsstrukturen liegt darin, Vereinsverbote zu erschweren und möglichst wenig Ansatzpunkte für strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Gruppierungen zu bieten. Zum anderen zeigen auch die Gründungen der Parteien "Die Rechte" 2012 in Nordrhein-Westfalen oder "Der III. Weg" 2014 in Bayern, dass Neonazis auch bereit sind, sich unter dem Schutz einer Partei zu organisieren. Hier zeigt sich die Anpassungsfähigkeit der Szene: Politische Parteien sind in besonderer Weise vor Verboten geschützt, da sie ausschließlich vom Bundesverfassungsgericht verboten werden können. Alle anderen Personen-zusammenschlüsse wie Kameradschaften können hingegen beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vom zuständigen Innenminister oder -senator ver-boten werden. Die Auflösung von festen Organisationsstrukturen in der rechtsextremistischen Szene bedeutet nicht zwangsläufig, dass die ehemaligen Anhänger oder Mitglieder ihre politischen Aktivitäten einstellen. Insbesondere die Nutzung von sozialen Netzwerken ermöglicht es ihnen, mit gleichgesinnten Aktivisten bundesweit vernetzt zu sein. So ist es beispielsweise einem Nutzer von sozialen Netzwerken möglich, innerhalb von kürzester Zeit Tausende Personen für ein politisches Anliegen zu gewinnen, indem er zu einem "Event" einlädt oder eine "Community" gründet. Auflösung von Gruppierungen Mehrere Gruppierungen der rechtsextremistischen Szene stellten ihre Aktivitäten im Jahr 2017 weitgehend ein oder lösten sich auf. Die seit 2011 aktive Gruppierung "Europäische Aktion" (EA), deren Ziel in der europaweiten Vernetzung von rechtsextremistischen Aktivisten und Gruppierungen lag, erklärte am 10. Juni 2017 ihre Auflösung. Die 2010 in der Schweiz unter der Bezeichnung "Bund Freies Europa" gegründete EA sah sich als "Bewegung zur politisch-kulturellen Erneuerung ganz Europas" und war in ihrer Programmatik vor allem stark revisionistisch, rassistisch und antisemitisch ausgerichtet. Mit ihrer Vision eines Staatenbundes unter dem Namen "Europäische Eidgenossenschaft" zielte die EA auf die Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates. In ihre Führungsstruktur waren namhafte Rechtsextremisten mit weitreichenden Verbindungen in die verschiedenen Spektren des Rechtsextremismus eingebunden. In den letzten Jahren war die EA um die Zusammenarbeit von rechtsextremistischen Gruppen in Europa und den Aufbau von Stützpunkten in Deutschland bemüht. Wenngleich die EA offiziell ihre Auflösung erklärte, finden sich bundesweit und auch in Bremen stets Anhänger der Programmatik. In Bremen trat die rechtsextremistische Gruppierung "Bruderschaft Nordic 12", die 2014 aus der Gruppe "Brigade 8 - Bremen Crew" hervorgegangen war, im Jahr 2017 nicht mehr öffentlich in Erscheinung. Nichtsdestotrotz sind ihre Anhänger weiterhin politisch aktiv. Die sich als "patriotisch" bezeichnende Gruppierung bediente sich in Anlehnung an sogenannte "Outlaw-Motorcycle-Gangs" eines martialischen Erscheinungsbildes. In den vergangenen Jahren bemühte sich "Nordic 12" um die strategische 26 Vernetzung der rechtsextremistischen Szene Bremens im Kampf gegen das politische "System". Die 2015 gegründete Bremer Ortsgruppe des Vereins "Gemeinsam-Stark Deutschland" (GSD) trat im Jahr 2017 nicht mehr in der Öffentlichkeit auf, viele ihrer Mitglieder sind jedoch weiterhin in der rechtsextremistischen Szene aktiv. So gehörten zu ihren Führungspersonen u.a. langjährige Angehörige der rechtsextremistischen Szene Bremens. Der Verein GSD hatte sich 2015 in Abspaltung von der Initiative "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) gegründet. Ziel des Vereins ist die Bekämpfung "des radikalen Salafismus" und die Bewahrung "deutscher Werte und Freiheiten". Die Bremer Ortsgruppe war vor allem darum bemüht, für ihren "gemeinsamen Kampf" gewaltbereite Rechtsextremisten, Hooligans und Rocker zu gewinnen. Mit ihrem offenen Bekenntnis zur Anwendung von Gewalt bei der Verfolgung politischer Ziele setzte sich die Bremer Ortsgruppe über das Gewaltmonopol des Staates hinweg. Das zeigten ihre Mitglieder zuletzt im Juni 2016, als sie mit Teleskopschlagstöcken, Messern und Quarzsandhandschuhen ausgestattet im Zuge einer Auseinandersetzung mit "antifaschistischen Ultras" in Bremen auftraten. Neonazis "Neonazi" ist die Kurzform für "Neonationalsozialist". Fälschlicherweise werden die Begriffe "Neonazi" und "Rechtsextremist" häufig synonym verwendet. Neonazis bezeichnen sich selbst häufig als "Freie Kräfte" oder "Freie Nationalisten". Der Neonazismus, der als ein Teilbereich des Rechtsextremismus gilt, ist dadurch gekennzeichnet, dass er in der Tradition des Nationalsozialismus steht. Neonazis vertreten mit ihrer starken Bezugnahme auf die nationalsozialistische Ideologie revisionistische Positionen. Sie greifen zudem die typischen rechtsextremistischen Ideologieelemente wie Fremdenund Islamfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus auf. Ihr Ziel besteht darin, die staatliche Ordnung Deutschlands, die sie als "das System" bezeichnen, durch einen totalitären Führerstaat nationalsozialistischer Prägung mit einer ethnisch homogenen Bevölkerungsstruktur zu ersetzen. Ethnische Vielfalt und Meinungsvielfalt bedrohen die von Neonazis angestrebte "Volksgemeinschaft", die Personen ausländischer Herkunft kategorisch ausschließt und in der sich jedes Individuum dem vorgegebenen Gesamtwillen unterzuordnen hat. Trotz übereinstimmender Grundüberzeugungen ist die neonazistische Szene ideologisch nicht homogen, die verschiedenen Ideologieelemente sind vielmehr je nach Gruppe unterschiedlich stark ausgeprägt. 3.3.3 "Identitäre Bewegung" Die im Jahr 2012 gegründete Gruppierung "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) vernetzte erstmals bundesweit Aktivisten der rechtsextremistischen Szene über das soziale Netzwerk Facebook. Die IBD ist ein Ableger der französischen rechtsextremistischen Bewegung "Generation Identitaire", die sich 2003 formierte. Inzwischen 27 gibt es die "Identitären" in mehreren europäischen Ländern. In Deutschland existieren zahlreiche lokale und regionale Gruppierungen und seit 2014 auch ein Verein der "Identitären", die vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook aktiv sind. In Bremen gründete sich 2012 die "Identitäre Bewegung Bremen" (IBB), die anfangs öffentlichkeitswirksam in Erscheinung trat, in den folgenden Jahren jedoch keinerlei öffentliche Aktivitäten entfaltete. Im November 2016 reaktivierten Aktivisten der rechtsextremistischen Szene Bremens die Gruppierung und waren seither sehr aktiv. Unter der Überschrift "Bremen wird identitär!" hatten sie damals auf ihrer FacebookSeite angekündigt: "Wir sind unbequem und rebellieren als einzige gegen diejenigen, die mittels Islamisierung und Multikulti-Doktrin systematisch dafür sorgen, dass Deutschland langsam aber sicher abgeschafft wird. Doch Heimatliebe ist kein Verbrechen, sondern der Geist einer neuen Generation - der identitären Generation, deren Vertreter wir sind! Wir werden die politischen Verhältnisse durcheinanderwirbeln und Begriffe wie links und rechts ihre Bedeutung nehmen. (...) Wir sind gekommen um zu bleiben!" (Fehler im Original, Facebook-Seite der IBB, 08.11.2016). Ideologie des "Ethnopluralismus" Die "Identität" ist das prägende Element in der Weltanschauung der Gruppierung. Dazu greift sie auf das Konzept des Ethnopluralismus zurück, mit dem bisher insbesondere eine intellektuelle Strömung im Rechtsextremismus unter dem Namen "Neue Rechte" argumentierte. Grundlegende Annahme des Ethnopluralismus ist die Verschiedenartigkeit der Völker. Migrationsprozesse bedrohten diese Völkervielfalt, entwurzelten Menschen und vernichteten kulturelle Identitäten. Die Ethnienvielfalt könne letztlich nur durch die Trennung der Völker bewahrt werden. Ethnopluralisten betonen, dass sich Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse, sondern aufgrund kultureller, regionaler und geografischer Faktoren unterscheiden. Ihr Ziel sind ethnisch und kulturell homogene Staaten ohne "fremde" Einflüsse. Vor diesem ideologischen Hintergrund lehnen die "Identitären" die Einwanderung - insbesondere von Muslimen - nach Deutschland und Europa fundamental ab und begreifen sie als Bedrohung. Die islamische Kultur wird als unvereinbar mit den Werten der deutschen oder europäischen Kultur dargestellt. Die "Identitäre Bewegung" ist verfassungsfeindlich, weil sie das Konzept des "Ethnopluralismus" als Gegenmodell zur bestehenden Gesellschaftsordnung propagiert und damit die freiheitliche demokratische Grund-ordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehnt. Agitation Der Auftakt ihres propagandistischen Erfolges war die Veröffentlichung des Videoclips der französischen Bewegung "Generation Identitaire" mit dem Titel "Declaration de Guerre" ("Kriegserklärung") im Jahr 2012. In dem Video treten junge Personen auf, die u.a. in der "aufgezwungenen Vermischung der Rassen" oder der "Übervorteilung von Fremden" die Ursache für soziale Probleme sehen. Die ethnopluralistischen Positionen der "Identitären" sind hier deutlich rassistisch konnotiert. Die "Identitären" treten mit "Flashmobs", Plakat-Aktionen und der Verteilung von Flugblättern in der Öffentlichkeit mit dem Ziel auf, in die mediale Berichterstattung zu gelangen, um ihre fremdenund islamfeindlichen Positionen in die gesellschaftspolitischen Diskussionen zum Thema Asyl und Einwanderung einzubringen. Von ihren Aktionen erstellen sie in der Regel kurze Videoclips. In den Videos steht die Aktion im Vordergrund, wie z.B. die Aufsehen erregende "Kletteraktion" am Brandenburger Tor 28 in Berlin im August 2016. Mit ihren professionell gestalteten Videos und Internetseiten sprechen die "Identitären" insbesondere jüngere Personen an. Neben den konspirativ durchgeführten Aktionen sind die "Identitären" auch fähig, größere Demonstrationen in Deutschland zu veranstalten. Unter dem Motto "Zukunft Europa - Bewegen und verändern" demonstrierten am 17. Juni 2017 etwa 700 Anhänger der "Identitären" in Berlin. An der Demonstration beteiligten sich "Identitäre" aus verschiedenen europäischen Ländern, aus Bremen reisten ebenfalls Personen nach Berlin. Die Demonstration gilt als Fortführung der bislang in der österreichischen Hauptstadt Wien veranstalteten "Europa-Demonstrationen". Flugblatt der "Identitären" Kampagnen der "Identitären" Die Aktionen der "Identitären" sind häufig in Kampagnen eingebettet, wobei der 2015 ausgerufenen Kampagne "Großer Austausch" eine zentrale Bedeutung in den letzten Jahren zukam. Sie richtet sich gegen "die ungebremste Masseneinwanderung und die daraus resultierende Islamisierung", die mit einer politischen und ökonomischen Benachteiligung der einheimischen Bevölkerung einhergehe. Nach Auffassung der "Identitären" habe sich dazu "eine Clique aus profitgierigen Wirtschaftsgrößen, Politikern, Multikulti-Ideologen, Medien, Kirchenvertretern und Migrantenlobbys, innerhalb eines liberal-kapitalistischen Systems. Und zwar gegen die Völker Europas" (Fehler im Original, Facebook-Seite der IBD, 07.02.2017) verschworen. Insbesondere die islamische Religion und Kultur halten die "Identitären" für unvereinbar mit europäischen Werten und nehmen sie als Bedrohung wahr. Ihrer Ansicht nach zielen die politisch Verantwortlichen auf ein "multikulturalisiertes" Deutschland ohne Identität, Patriotismus und Traditionen und fördern den "Austausch" des deutschen Volkes. In Bremen bezogen sich die "Identitären" ebenso wie im Vorjahr mit mehreren Aktionen auf die Kampagne. Neben dieser Kampagne standen bundesweit zahlreiche Aktionen der "Identitären" im Zusammenhang mit 2017 ausgerufenen Kampagnen. Mit der Kampagne "Defend Europe" kritisieren die "Identitären" die Aktionen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Mittelmeer, die die Geretteten nach Europa bringen. "Um Europa zu verteidigen, wollen wir gegen die Schlepperschiffe vermeintlich 'humanitärer' NGOs an der italienischen Küste vorgehen. (...) Mit dieser Kampagne will die Identitäre Bewegung auf den kriminellen Schlepperwahnsinn im Mittelmeer hinweisen. Denn seit Monaten schleppen durch Spenden finanzierte NGOs unter dem Deckmantel humanitärer Rettungsaktionen hunderttausende illegale Migranten nach Europa und schrecken auch nicht davor zurück, dafür mit kriminellen Menschenhändlern zusammen zu arbeiten." (Fehler im Original, Internetseite der IBD, 20.02.2018). Anfang August 2017 führte eine Gruppe von "Identitären" aus verschiedenen europäischen Ländern, darunter auch aus Deutschland, eine mehrtägige "Mission" im Mittelmeer durch, die die Behinderung von Schiffen von NGOs bei der Rettung von Flüchtlingen zum Ziel hatte. Mit einem gecharterten Schiff blockierte die Gruppe z.B. am 12. Mai 2017 ein Schiff einer NGO beim Auslaufen aus dem süditalienischen Hafen Catania. In Bremen führten die "Identitären" am 11. Mai 2017 im Rahmen dieser Kampagne eine Aktion auf dem Hotelund Restaurantschiff "Alexander von Humboldt" durch. Sie hängten ein Plakat mit der Aufschrift "Festung Europa! Grenzen schützen - Leben retten. Hilfe vor Ort statt Asylwahn" auf. In einem am 22. Mai 2017 auf der FacebookSeite erschienen Bericht zu der Aktion betonte die Gruppierung: "Wir sind nicht rechtsextrem und nicht rechtsradikal - Wir sind Patrioten, die die Selbstbestimmung unseres Volkes verteidigen." (Fehler im Original, Facebook-Seite der IBB, 29 22.05.2017). Mit einer weiteren Aktion am 17. September 2017 protestierten die "Identitären" gegen die drohende Übermacht von Muslimen in Bremen und speziell gegen die Aktivitäten des Vereins "Jugend rettet" zur Rettung von Flüchtlingen nach Europa. Aktivisten der "Identitären" behängten die Skulptur der Bremer Stadtmusikanten mit Schwimmwesten, schwarzen Tüchern und Zetteln, auf denen stand: "Ihr lockt die Menschen in den Tod, mit Westen und nem Schlepperboot. Auf euer Handeln folgt das Resultat, Scharia-Recht im Bremer Staat. Dann haben sie ausgespielt, die Musikanten, denn für Musik gibt's keinen Platz, in Scharia-Landen." (Fehler im Original, Facebook-Seite der IBB, 17.09.2017). Die im Oktober 2017 gestartete Kampagne mit dem Titel "Kein Opfer ist vergessen" zielt darauf, den "Opfern von Multikulti, Masseneinwanderung und Islamisierung eine Stimme" (Facebook-Seite der IBB, 04.11.2017) zu geben. Anlass für die Kampagne war der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016, bei dem der Attentäter Anis Amri zwölf Personen getötet hatte. Im Rahmen dieser Kampagne erinnerten Anhänger der "Identitären" am 16. Dezember 2017 an den Tod eines 25-jährigen Mannes in Kirchweyhe im Jahr 2013. Den Migrationshintergrund des Haupttäters hatten Rechtsextremisten in der Vergangenheit wiederholt für ihre Propaganda instrumentalisiert. So heißt es auf der Facebook-Seite der "Identitären": "Wir vergessen nicht und jedes Opfer eurer Multikulti-Politik ist eines zu viel!" (Facebook-Seite der IBD, 16.12.2017). 3.3.4 Rechtsextremistische Mischszene Bremens In Bremen existiert seit langem eine "Mischszene" aus aktionsund gewaltorientierten Rechtsextremisten und Angehörigen anderer gewaltaffiner Szenen wie Hooligans oder Rockern. Das Bedrohungspotenzial liegt dabei weniger in der ideologischen Grundüberzeugung als vielmehr in der hohen Gewaltbereitschaft, die von Personen aus diesen Spektren ausgeht und die mittels rechtsextremistischer Einflussnahme instrumentalisiert werden können. Rechtsextremisten sind vielfach in der Lage, anlassund ereignisbezogen solche gewaltaffinen Gruppierungen zur Begehung von politisch motivierten Straftaten zu mobilisieren. Daher ist auch nicht nur die absolute Zahl der Rechtsextremisten maßgebend bei der Darstellung der rechtsextremistischen Bedrohung, sondern zugleich das sonstige gewaltbereite Rekrutierungspotenzial einzubeziehen. Bundesweit ist spätestens mit den Demonstrationen der Initiative "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) in den Jahren 2014 und 2015 ersichtlich geworden, dass sich ein breites, heterogenes und gewaltbereites Personenpotenzial zum Protest "gegen Islamismus und Salafismus" mobilisieren lässt. Rechtsextremistisch beeinflusste Hooligans Die Bremer Hooligan-Szene ist wegen der Hooligan-Gruppierungen "Standarte Bremen", "City Warriors" und "Nordsturm Brema" sowie der Fußballfan-Gruppierung "Farge Ultras" bundesweit bekannt. Auch wenn einige dieser Gruppierungen in der Vergangenheit vorgaben, sich aufgelöst zu haben, so sind ihre ehemaligen Mitglieder 30 und Anhänger stets aktiv. Die Gruppierungen gelten als "rechtsextremistisch beeinflusst", das heißt, dass es sich bei einzelnen Mitgliedern um überzeugte Rechtsextremisten handelt. In der Regel sind Hooligans unpolitisch, lediglich ein Teil davon ist rechtsextremistisch oder fremdenfeindlich motiviert. Seit den 1980er-Jahren versuchen Rechtsextremisten, sowohl Hooligans gezielt abzuwerben und sie für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren als auch die Hooligan-Szene zu unterwandern. Rechtsextremistische Musik Die Musik hält die verschiedenen Teilbereiche der rechtsextremistischen Szene zusammen. Des Weiteren erfolgt der Einstieg von Jugendlichen in die Szene oftmals über die Musik, durch die typisch rechtsextremistische Feindbilder leicht vermittelt werden können. Um eine breite Zuhörerschaft zu erreichen, verdecken rechtsextremistische Bands zum Teil auch ihren ideologischen Hintergrund und geben sich patriotisch. Konzerte haben in diesem Zusammenhang mehrere wichtige Funktionen: Sie bilden eine Gelegenheit für Szene-Treffs und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl, auch weil sie häufig konspirativ organisiert sind. Rechtsextremistische Bands Die rechtsextremistische Musik-Szene Bremens war in den vergangenen Jahren insbesondere mit ihren Bands "Hetzjagd", "Endlöser", "Endstufe" und "Strafmass" über Deutschland hinaus bekannt. Sie traten bei rechtsextremistischen Konzerten auf und gaben regelmäßig CDs heraus oder beteiligten sich an CD-Samplern. Im Jahr 2017 waren ihre Aktivitäten allerdings rückläufig. Die häufig wechselnden Besetzungen der Bands erwecken den Eindruck, als ob ein großer Personenkreis dahinterstünde, tatsächlich handelt es sich jedoch um eine geringe Personenzahl. Darüber hinaus hatte sich in den letzten Jahren der Schwerpunkt der Aktivitäten etlicher Bremer Bands in andere Bundesländer verschoben; viele Bandmitglieder leben seit Jahren nicht mehr in Bremen, weshalb auch Aufnahmen und Proben der Bands in anderen Bundesländern stattfanden. "Kategorie C" Die 1997 gegründete, bundesweit bekannte und im Jahr 2017 sehr aktive rechtsextremistische Hooligan-Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe" (KC) gilt als Bindeglied der Hooliganund der rechtsextremistischen Szene, weil sie in beiden Szenen vor allem wegen ihrer gewaltverherrlichenden Lieder beliebt ist und insbesondere auch mit ihren Konzerten zum Zusammenhalt und zur Mobilisierung beiträgt. Mit der Wiederaufnahme des rechtsextremistischen Musik-Projektes "Nahkampf" im Jahr 2014 bestätigte die Hooligan-Band ihre rechtsextremistische Ausrichtung. Ihre Aktivitäten und in diesem Rahmen getätigten Aussagen weisen offen rechtsextremistische Inhalte auf. Die Band "Nahkampf" war Ende der 1980er-Jahre ebenfalls von dem KC-Bandleader gegründet worden und bis Mitte der 2000er-Jahre aktiv. Im Jahr 2017 absolvierten die Bandmitglieder im Namen beider rechtsextremistischer Bands ihre Auftritte. "Hammerskins" Die seit Beginn der 1990er-Jahre in Deutschland existierende rechtsextremistische Skinhead-Organisation "Hammerskins" beschäftigt sich vorwiegend mit der Planung und Durchführung rechtsextremistischer Konzerte. Vor dem Hintergrund ihres rassistischen und nationalistischen Weltbildes verfolgt die Organisation das Ziel, alle "weißen nationalen" Kräfte in einer weltweiten "Hammerskin-Nation" zu vereinigen. 31 Die 1988 in den USA gegründeten "Hammerskins" verstehen sich als Elite der rechtsextremistischen Skinhead-Szene und sind straff und hierarchisch organisiert. Die "Hammerskin-Nation" ist in nationale Divisionen aufgeteilt, die wiederum in regionale "Chapter" gegliedert sind. In Deutschland gibt es derzeit etwa zehn "Chapter", wobei das "Hammerskin-Chapter Bremen" zu den ältesten gehört. Abgesehen von Konzertveranstaltungen treten die konspirativ agierenden "Hammerskins" selten öffentlich in Erscheinung. 3.3.5 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die NPD ist im rechtsextremistischen Parteienspektrum die einzige Partei von bundesweiter Bedeutung, da die neonazistisch ausgerichteten rechtsextremistischen Parteien "Die Rechte" und "Der III. Weg" nicht in allen Bundesländern vertreten sind. Die 2013 gegründete Bremer "Landesgruppe" der Partei "Die Rechte" ist bereits seit mehreren Jahren inaktiv. Seit 2017 führt die Partei die "Landesgruppe" nicht mehr als örtliche Untergliederung auf ihrer Internetseite auf. Die 1964 gegründete NPD stellt mit rund 4.500 Mitgliedern im Jahr 2017 nach wie vor die mitgliederstärkste der rechtsextremistischen Parteien in Deutschland dar, wenngleich sie seit 2008 einen kontinuierlichen Mitgliederrückgang verzeichnet. Die NPD verfügt derzeit über ein Mandat im Europäischen Parlament und ist bundesweit mit über 300 Mandaten auf kommunaler Ebene insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern vertreten. Schlechtes Abschneiden bei Bundestagswahl Die NPD fuhr bei der Bundestagswahl im Jahr 2017 eine Niederlage ein, die vor dem Hintergrund einer Serie von Wahlniederlagen in den letzten Jahren einen neuen Tiefpunkt darstellt. Bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 erreichte die Partei bundesweit ein Ergebnis von 0,4% der Stimmen, während sie vier Jahre zuvor noch auf 1,3% der Stimmen gekommen war. Die Partei, die sich lediglich das Minimalziel von 0,5% der Stimmen gesetzt hatte, um an der staatlichen Parteienfinanzierung zu partizipieren, scheiterte selbst daran. Den höchsten Wählerzuspruch bekam die NPD mit 1,2% der Stimmen in Thüringen sowie jeweils 1,1% der Stimmen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Anti-Asyl-Agitation bestimmt Wahlkampf der NPD Die vermeintliche "Überfremdung" Deutschlands sowie die scheinbar unkontrollierte Zuwanderung nach Deutschland waren die zentralen Themen im Wahlkampf. Ebenso wie in den Vorjahren instrumentalisierte die NPD die Asyldebatte für ihre politischen Ziele. Ihre fremdenfeindliche Agitation richtet sich gegen Asylbewerber und gezielt 32 gegen Muslime. Verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD Die NPD vertritt offen fremdenfeindliche, rassistische und nationalistische Positionen. Die Verfassungsfeindlichkeit der NPD bekräftigte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil zum Verbotsverfahren gegen die NPD vom 17. Januar 2017. Das von der Partei propagierte Ziel, den demokratischen Rechtsstaat durch eine ethnisch homogene "Volksgemeinschaft" zu ersetzen, missachte die Menschenwürde und sei mit dem Demokratieund Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Ihre verfassungsfeindliche Ausrichtung kommt z.B. in dem 2010 verabschiedeten Parteiprogramm "Arbeit. Familie. Vaterland." zum Ausdruck. Allen politischen, ökonomischen und sozialen Themenbereichen oder Sachfragen liegt hier das Konzept der "Volksgemeinschaft" zugrunde und damit ein antiindividualistisches Menschenbild sowie ein identitäres Politikund Staatsverständnis. Unter "Volksgemeinschaft" verstehen Rechtsextremisten ein streng hierarchisches Gemeinwesen, in dem der Staat und das ethnisch homogene Volk zu einer Einheit verschmelzen. Die "Volksgemeinschaft" als Gegenentwurf zur Demokratie gilt für die NPD als alternativloses Konzept. Die Leitidee der "Volksgemeinschaft" findet sich u.a. in einer 2012 veröffentlichten NPD-Broschüre "Wortgewandt/Argumente für Mandatsund Funktionsträger". Im Kapitel zur Ausländerpolitik wird gefordert, dass Deutschland durch eine "rechtsstaatlich abgesicherte Ausländerrückführung" "das Land der Deutschen" bleiben müsse. Deutscher sei - entsprechend dem Verständnis der NPD - nicht derjenige, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, vielmehr gelte das Abstammungsprinzip. Die NPD spricht zumindest nichteuropäischen Migranten kategorisch das Aufenthaltsrecht ab. Den Islam bewertet die Partei als "fremdkörperhafte Aggressionsreligion" in Mitteleuropa und erkennt ihm das Existenzrecht in Deutschland ab. Strategie der NPD Die Niederlage bei der Bundestagswahl offenbarte das Scheitern der bisherigen Strategie der NPD. Seit mehreren Jahren besteht das strategische Grundproblem der NPD darin, dass sie einerseits zu einer von einem größeren Teil der Gesellschaft wählbaren Partei werden will und andererseits an der Beibehaltung der völkischen Ideologie sowie an der Fixierung auf den Nationalsozialismus festhält. Diese in sich widersprüchlichen Ausrichtungen versucht der seit 2014 amtierende Bundesvorsitzende Frank Franz in einem Kurs zu vereinen. Nach dem erfolglos beendeten Verbotsverfahren gegen die NPD Anfang 2017 schlug die Partei unter Betonung ihrer völkischen Ideologie einen radikaleren Kurs als zuvor ein. Als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Verfassungsfeindlichkeit der Partei bestätigte, gleichzeitig aber ein Verbot der Partei aufgrund der mangelnden Aussicht auf Verwirklichung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele abwies, betonten mehrere NPD-Funktionäre das Festhalten an ihren ideologischen Positionen und insbesondere an ihrem Ziel einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft". Die Wahl des Neonazis Thorsten Heise, der wenige Wochen zuvor thüringischer Landesvorsitzender geworden war, zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden im März 2017 untermauerte diese radikalere Ausrichtung, da Heise den völkischen Flügel in der Partei vertritt. Als nach der Bundestagswahl erneut eine Diskussion um die strategische Ausrichtung der Partei entfachte, sprach er sich in Abgrenzung zu dem vom Parteivorsitzenden Franz vertretenen und vielfach innerparteilich als zu moderat empfundenen Kurs dafür aus, die NPD zu einer ideologisch fundierten Weltanschauungspartei zu machen, statt weiterhin eine konturund 33 erfolglose Wahlpartei zu sein. Die NPD bekämpft den demokratischen Rechtsstaat mit der nach wie vor gültigen, im Jahr 1996 formulierten "Drei-Säulen-Strategie" ("Kampf um die Parlamente", "Kampf um die Straße" und "Kampf um die Köpfe"), die 2004 um eine vierte Säule ("Kampf um den organisierten Willen") erweitert wurde. Die "Vier-Säulen-Strategie" zielt darauf, öffentliche Präsenz durch Aufmärsche, Kundgebungen und die politische Arbeit in Landesund Kommunalparlamenten zu zeigen. Die strategische Ausrichtung der Partei bestimmte maßgebend der von 1996 bis 2011 amtierende NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, der die NPD heute im Europäischen Parlament vertritt. Bundesrat beschließt Ausschluss aus der staatlichen Parteienfinanzierung Der Bundesrat beschloss am 2. Februar 2018, den Ausschluss der NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu beantragen. Dies ist aufgrund einer Grundgesetzänderung möglich geworden, die nach dem Ende des NPD-Verbotsverfahrens 2017 verabschiedet worden war. Die im Juli 2017 in Kraft getretene Gesetzesänderung in Artikel 21 GG sieht vor, dass sowohl eine steuerliche Begünstigung der Parteien selbst als auch die steuerliche Begünstigung von Spenden an die Parteien entfällt. Ein Wegfall der staatlichen Parteienfinanzierung würde die NPD, die angesichts der fortwährend schwachen Wahlergebnisse in den letzten Jahren ohnehin weniger als zuvor von der staatlichen Unterstützung profitiert, in ihrer Aktionsund Handlungsfähigkeit weiter einschränken. NPD in Bremen Der Bremer Landesverband der NPD ist in den vergangenen Jahren kaum noch öffentlich in Erscheinung getreten. Seine politische Erfolglosigkeit wurde insbesondere bei den Wahlen in den vergangenen Jahren deutlich. Bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 erzielte die NPD in Bremen lediglich 0,3% der Zweitstimmen, wobei 0,2% der Stimmen in Stadt Bremen und 0,5% der Stimmen in Stadt Bremerhaven auf die Partei entfielen. Bei der Bundestagswahl im Jahr 2013 hatte die NPD noch ein Ergebnis von 1,1% der Stimmen erreicht. Im Jahr 2015 war die NPD bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft lediglich auf 0,2% der Stimmen gekommen. Derzeit verfügt die Partei über ein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven, welches der seit 2003 amtierende NPD-Landesvorsitzende Horst Görmann wahrnimmt. Ein Grund für die Passivität des Landesverbandes ist sein Mangel an geeigneten Führungspersonen und die damit verbundene intellektuelle sowie organisatorische Schwäche. Der Bremer Landesverband kämpft seit Jahren mit einem starken Mitgliederrückgang und es gelingt ihm nicht, insbesondere junge Aktivisten an sich zu binden. So zählte die Partei im Jahr 2017 etwa 20 Mitglieder, vier Jahre zuvor war ihr Mitgliederstand noch doppelt so hoch. Angesichts seiner organisatorischen und intellektuellen Schwäche spielt der Bremer Landesverband zurzeit keine wesentliche Rolle innerhalb der rechtsextremistischen Szene Bremens. Gleichwohl handelt es sich bei den Mitgliedern des NPD-Landesverbandes um langjährige Szeneangehörige, die offen fremdenfeindliche, rassistische und nationalistische Positionen vertreten. 34 4 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 35 4 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" Die Zahl der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" stieg im Jahr 2017 und es besteht weiterhin eine zunehmende Tendenz. Bundesweit zählte der Verfassungsschutz etwa 16.500 Personen zu diesem Spektrum, 2016 waren es noch 10.000 Personen. Der Anstieg des Personenpotenzials ist unter anderem auf ein verbessertes Informationsaufkommen zurückzuführen. Die hohe Gewaltund Waffenaffinität einzelner Anhänger dieses Spektrums wird insbesondere anhand der beiden Angriffe von "Reichsbürgern" auf Polizisten im Jahr 2016 deutlich. Ideologie und Struktur Das Spektrum der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist ideologisch sowie organisatorisch heterogen. Ihm gehören zahlreiche (Kleinst-)Gruppierungen und Einzelpersonen an, die jeweils ihre eigenen Theorien und Argumentationsmuster verfolgen. Die Nicht-Anerkennung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung ist das verbindende Element der Angehörigen dieses Spektrums. Sie versuchen, insbesondere historische, völkerrechtliche und wissenschaftliche Fakten zu leugnen. "Reichsbürger" bestreiten die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und berufen sich in Abgrenzung dazu auf den Fortbestand eines "Deutschen Reiches". Die Reorganisation des "Deutschen Reiches" gehört zu den häufigsten Handlungslinien von "Reichsbürgern". Bisweilen unterbleibt aber auch eine Bezugnahme auf die "Reichsidee" und die Personen proklamieren ihre Wohnung oder ihr Grundstück als eigenes Staatsgebiet (sog. "Selbstverwalter"). Sie glauben, durch eine entsprechende Erklärung aus Deutschland "austreten" zu können. Angehörige dieses Spektrums propagieren regelmäßig Verschwörungstheorien, jedoch vertritt nur eine Minderheit explizit rechtsextremistische Positionen; zum Teil sind die Ideen auch von sozialistischen Haltungen grundiert. Manche Gruppierungen sind zudem esoterisch geprägt. Das heterogene "Reichsbürger"-Spektrum lässt sich daher ideologisch kaum einordnen. Unabhängig davon sind "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" als extremistisch zu bewerten, weil sie die völkerrechtliche Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland leugnen und sich damit gegen den Bestand des Staates sowie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden. Sie erkennen folglich weder das Grundgesetz oder Bundesund Landesgesetze noch Urteile von Gerichten oder Bescheide von Behörden an. Stattdessen geben sie sich eigene Gesetze oder berufen sich auf ein selbst definiertes Naturrecht. Den Staat bezeichnen sie unter anderem als "BRD-GmbH" oder "BRD-System" und sehen sich beispielsweise als "Angehörige Preußens" oder handeln im Namen von "(Kommissarischen) Reichsregierungen". Aktivitäten Die fundamentale Ablehnung der bestehenden Rechtsordnung zeigt sich in besonderem Maße im Verhalten von "Reichsbürgern" gegenüber Behörden und deren Mitarbeitern. Ihr Ziel besteht darin, die Funktionsfähigkeit des Staates erheblich zu beeinträchtigen, indem sie staatliche Institutionen und staatliche Maßnahmen sabotieren. 36 Zum Beispiel versenden Angehörige des Spektrums massenhaft Schreiben mit unsinnigen Forderungen an Behörden oder erklären den Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung, dass diese nur Personal der "BRD-GmbH" seien, weshalb gerichtliche oder behördliche Entscheidungen rechtswidrig seien. Sie argumentieren häufig in pseudojuristischer Weise, das heißt, dass sie in ihren Argumentationen oft wahlund zusammenhangslos Gesetze und Urteile heranziehen. Regelmäßig werden Behördenmitarbeiter von "Reichsbürgern" beleidigt und bedroht, in Einzelfällen kam es bereits zur Anwendung von Gewalt. Die Angriffe von "Reichsbürgern" auf Polizisten in Sachsen-Anhalt im August 2016 und in Bayern im Oktober 2016, bei denen mehrere Polizisten durch Schüsse verletzt und ein Polizist sogar getötet worden ist, zeigen das hohe Gewaltpotenzial, das von einzelnen Anhängern dieses Spektrums ausgeht. Das heterogene und überwiegend aus Einzelpersonen und kleineren Gruppierungen bestehende Spektrum ist insbesondere über das Internet und soziale Netzwerke miteinander verbunden. In den vergangenen Jahren ist eine Zunahme der Aktivitäten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" in sozialen Netzwerken zu verzeichnen. Dort mobilisieren Angehörige zum einen Unterstützer für ihre Aktivitäten und verbreiten zum anderen ihre abstrusen Theorien. So veröffentlichen sie beispielsweise ihre Urteilsund Gesetzesinterpretationen, liefern Vorlagen für ihre Argumentationslinien sowie Dokumente und führen vermeintliche Belege für ihre Verschwörungstheorien an. "Reichsbürger" in Bremen Das Spektrum der "Reichsbürger" in Bremen bestand im Jahr 2017 überwiegend aus Einzelpersonen sowie Kleingruppen und zählte rund 120 Personen. Bereits in den letzten Jahren war die Zahl angestiegen, so dass das LfV die Szene seit 2014 beobachtet. Die Aktivitäten von "Reichsbürgern" in Bremen haben im vergangenen Jahr weiterhin zugenommen. Dies zeigt sich vor allem anhand der vielfältigen Propaganda in sozialen Netzwerken, aber auch anhand der zahlreichen Fälle, in denen "Reichsbürger" die Auseinandersetzung mit Mitarbeitern von Behörden suchen. Zahlreiche Bremer Behörden sind mit den "Anliegen" von "Reichsbürgern" beschäftigt, insbesondere die Justiz, das Stadtamt und die Steuerverwaltung. Dabei sind einige "Reichsbürger" unter anderem mit Beleidigungsdelikten, Urkundenfälschung oder mit WiderSelbstentworfener Ausweis stand gegen Vollstreckungsbeamte in Erscheinung getreten. Angehörige des Spekeines "Reichsbürgers" trums beabsichtigen zum Beispiel, ihren Personalausweis abzugeben oder verweigern die Zahlung von Gebühren. Sehr häufig stellen sie mit Bezug auf ihre "Reichsideen" auch Anträge auf "Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit" und berufen sich bei der Ausstellung des Dokuments beispielsweise auf die Staatsangehörigkeit des "Königreichs Preußen" oder beantragen Zusätze, wie "ist Deutscher mit der Staatsangehörigkeit im Bundesstaat Preußen". 5 Linksextremismus 37 Seitenzahl 38 5.1 Linksextremistisches Weltbild und linksextremistische Strukturen 41 5.2 Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus 48 5.3 Aktivitäten gewaltorientierter Linksextremisten 48 5.3.1 Proteste gegen den G20-Gipfel 53 5.3.2 Proteste gegen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten 38 5 Linksextremismus Der G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg war von massiven gewalttätigen Ausschreitungen begleitet. Über Monate hinweg hatte sich die gewaltorientierte linksextremistische Szene auf die Proteste vorbereitet und die gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei geplant. In die Vorbereitung waren die linksextremistischen Gruppierungen "Basisgruppe Antifaschismus" und die Bremer Ortsgruppe der "Interventionistischen Linken" maßgeblich involviert. An den Protesten in Hamburg beteiligte sich ein Großteil der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens. Eine hohe Gewaltintensität zeigte sich im Jahr 2017 ebenfalls anhand der von gewaltorientierten Linksextremisten verübten Brandanschläge. In Bremen war ein Unbeteiligter bei einem Brandanschlag auf einen Lastwagen Ende Dezember 2017 nur knapp dem Tod entkommen. 5.1 Linksextremistisches Weltbild und linksextremistische Strukturen Linksextremisten eint das Ziel der Überwindung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung und der Errichtung eines herrschaftsfreien oder kommunistischen Systems. In der linksextremistischen Ideologie wird die Forderung nach sozialer Gleichheit unter Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates verabsolutiert. Das Ziel soll dabei unter Missachtung der Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erreicht werden und würde grundlegende Prinzipien der Verfassung außer Kraft setzen. Betroffen wären davon nicht nur das in der Verfassung verankerte Rechtsstaatsoder Demokratieprinzip, wie beispielsweise die Gewaltenteilung, die Volkssouveränität oder das Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition, sondern insbesondere die individuellen Freiheitsrechte. Während die Ideologie des Kommunismus auf ein Höchstmaß an sozialer Gleichheit in einer Gesellschaft setzt, streben Kommunisten, die sich am Marxismus-Leninismus - u.a. als jahrzehntelange offizielle sowjetische Staatsdoktrin - orientieren, die Überwindung des politischen Systems und die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft über eine Diktatur des Proletariats unter Führung einer "proletarischen Avantgarde" an. Kommunistische Organisationen und Parteien wie die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) oder die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) haben in Deutschland in den letzten Jahrzehnten enorm an Mitgliedern, Sympathisanten und damit auch an politischer Bedeutung verloren. Anarchisten, Antiimperialisten und Autonome stehen dagegen insbesondere wegen ihres gewalttätigen Auftretens bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele im Fokus des Verfassungsschutzes. Ihr gemeinsames Ziel ist das Abschaffen jeglicher Form von "Herrschaftsstrukturen". Anarchisten Im Gegensatz zu Kommunisten, die die individuellen Freiheitsrechte ihrem übersteigerten Anspruch an Gleichheit opfern, verabsolutieren Anarchisten die individuellen Freiheitsrechte. Mit ihrer Forderung nach einem "herrschaftsfreien Leben", der die Grundidee des "freien Willens" zugrunde liegt, zielen Anarchisten auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen. Sie fordern ein herrschafts39 freies und selbstbestimmtes Leben ohne staatliche Organisation und jedwede Art von Machtstrukturen. Vor diesem ideologischen Hintergrund agieren Anarchisten meist in losen Zusammenhängen. Sie propagieren die Überwindung des bestehenden politischen Systems u.a. durch "zivilen Ungehorsam". Antiimperialisten Antiimperialisten orientieren sich am Marxismus-Leninismus. Im Imperialismus sah Lenin das "höchste Stadium des Kapitalismus", da sich kapitalistische Staaten fortwährend und auch unter Anwendung von Gewalt neue Märkte zur Steigerung ihres Profits erschlössen, was zu Kriegen zwischen kapitalistischen Staaten führe oder im Kolonialismus münde. Der Reichtum der Industrieländer stütze sich folglich auf die ökonomische Ausbeutung von Entwicklungsländern. Antiimperialisten machen den "Kapitalismus" für alle negativen Zustände in der Welt verantwortlich. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele reklamieren sie für sich das Recht auf Widerstand und lehnen damit das Gewaltmonopol des Staates ab. Autonome Autonome erheben den Anspruch, nach eigenen Regeln leben zu können, und streben nach einem hierarchiefreien, selbstbestimmten Leben innerhalb "herrschaftsfreier" Räume. Sie beziehen sich ideologisch vor allem auf anarchistische und kommunistische Theoriefragmente, wobei ihre ideologischen Vorstellungen insgesamt diffus bleiben. Da formelle Strukturen und Hierarchien grundsätzlich abgelehnt werden, ist die autonome Szene stark fragmentiert und besteht hauptsächlich aus losen Personenzusammenschlüssen, die anlassbezogen gegründet werden und sich ebenso kurzfristig auflösen. Autonome Linksextremisten erachten ihre Eigenund Selbstständigkeit für so wichtig, dass sie sich in der Regel in keine festen politischen Strukturen integrieren. Teile der autonomen Szene sind jedoch bereit, sich an bürgerlich-demokratischen Bündnissen zu beteiligen und ihre eigenen Ziele kurzfristig in den Hintergrund zu stellen, um ihre politischen Vorstellungen in die Gesellschaft zu tragen. Mit der Taktik der Bündnispolitik gelingt es Autonomen immer wieder, insbesondere im Bereich "Antifaschismus", mit bürgerlich-demokratischen Gruppen zusammenzuarbeiten, die ihre extremistischen Ansichten im Grunde ablehnen. Seit einigen Jahren ist darüber hinaus zu beobachten, dass Teile der zunächst organisationsfeindlichen autonomen Szene die Bildung von festen Organisationsstrukturen vorantreiben. Diese Szene lässt sich inzwischen deutlich von der ursprünglichen autonomen Szene abgrenzen und kann als "postautonom" bezeichnet werden. Während sich Autonome insbesondere durch ihre Organisationsfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft und Theorieferne auszeichnen, können Postautonome lediglich noch als organisationskritisch, weniger gewaltbereit und um Theorie bemüht beschrieben werden. Ihre gesellschaftliche Isolation wollen sie vor allem dadurch durchbrechen, dass sie eine Scharnierfunktion zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und gemäßigten, bürgerlichen "Linken" einnehmen. Gewalt als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung Die Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele ist dabei einer der strittigsten Punkte innerhalb der linksextremistischen Ideologie. Während der Großteil der Linksextremisten auch aus taktischen Gründen auf die konkrete Ausübung von Gewalt verzichtet, ist die Notwendigkeit von Gewalt innerhalb der 40 gewaltorientierten linksextremistischen Szene unumstritten. Zur gewaltorientierten linksextremistischen Szene zählen nicht nur Personen und Gruppierungen, die selbst gewalttätig handeln oder gewaltbereit gegen ihre "politischen Gegner" vorgehen, sondern ebenso diejenigen, die Gewalt unterstützen oder Gewalt befürworten. Die Gewaltorientierung einer Person oder Gruppierung kann sich zum einen aus ihrer ideologischen Ausrichtung und zum anderen aus ihren konkreten Handlungen ergeben. Dazu gehören beispielsweise das Propagieren der Notwendigkeit von Gewalt im Kampf gegen das "politische System" vor einem ideologischen Hintergrund, Appelle an politische Mitstreiter zur Ausübung von Gewalt oder die billigende Inkaufnahme von Gewalttätigkeiten politischer Mitstreiter, etwa mit der Begründung, im Hinblick auf ein politisches Ziel Geschlossenheit der Szene demonstrieren zu wollen. Gewaltorientierte Linksextremisten befürworten zur Durchsetzung ihrer politischen Forderungen die Anwendung von Gewalt gegen den Staat, seine Einrichtungen und Repräsentanten sowie gegen (vermeintlich) rechtsextremistische Strukturen und Personen. Gewalt wird häufig mit der von Staat und Gesellschaft ausgehenden "strukturellen Gewalt" gerechtfertigt. Gewalt ist aber nicht nur ein Mittel zur Bekämpfung des "staatlichen Repressionsapparates", sondern zugleich auch ein identitätsstiftendes Merkmal. Viele Angehörige der gewaltorientierten linksextremistischen Szene sehen darin einen Akt der individuellen Selbstbefreiung. Unterschieden werden kann in diesem Zusammenhang die konfrontative Gewalt von den sogenannten "militanten Aktionen". Konfrontative Gewalt Im Rahmen von Demonstrationen führt die hemmungslose Gewalt von Linksextremisten regelmäßig zu massiven gewalttätigen Ausschreitungen. Gewalttätige Linksextremisten greifen Polizisten und (vermeintliche) Rechtsextremisten gezielt u.a. mit Steinen, Flaschen und pyrotechnischen Gegenständen an. In den vergangenen Jahren zeigten Angehörige der gewaltorientierten linksextremistischen Szene in Auseinandersetzungen mit Polizisten und ihren "politischen Gegnern" vielfach ein brutales Vorgehen, welches ein Absenken der Hemmschwelle verdeutlicht, auch schwerste Verletzungen zu verursachen. In diesem Zusammenhang ist häufig die Rede von einer zunehmenden szenedefinierten "Entmenschlichung des politischen Gegners". An gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligen sich neben Linksextremisten häufig auch "anpolitisierte" oder gänzlich unpolitische, erlebnisorientierte Jugendliche. Ihnen geht es weniger um konkrete politische und auf Systemüberwindung ausgerichtete Ziele als um den "Erlebnischarakter", der von solchen Ereignissen ausgeht; auch das Ausleben eines Aggressionspotenzials ist vielfach handlungsleitend. "Militante Aktionen" "Militante Aktionen" in Form von Sachbeschädigungen und Brandstiftungen werden von konspirativ agierenden Kleingruppen zumeist nachts durchgeführt. Gebäude und Fahrzeuge von Behörden, Unternehmen und auch Privatpersonen werden u.a. durch Steinwürfe und Farbe beschädigt oder in Brand gesetzt. Darüber hinaus erfolgen in diesem Rahmen auch gezielte Angriffe auf Personen. Konspirative 41 Kleingruppen greifen vor allem (vermeintliche) Rechtsextremisten vorwiegend in ihrem privaten Wohnumfeld an. Diese gezielten und geplanten Anschläge sollen eine Signalwirkung entfalten. Zum einen geht es den Tätern um mediale Resonanz und zum anderen sollen die betroffenen Behörden, Unternehmen oder Personen zu einer Verhaltensänderung genötigt werden. Im Nachhinein werden die Taten oftmals in Selbstbezichtigungsschreiben ideologisch begründet und im Internet veröffentlicht. Unterzeichnet werden die Selbstbezichtigungsschreiben häufig mit fiktiven Gruppennamen. Eine Kombination aus konfrontativer Gewalt und "militanten Aktionen" hatte den linksextremistischen Protest gegen den G20-Gipfel Anfang Juli 2017 in Hamburg bestimmt und die Stadt über mehrere Tage in einen Ausnahmezustand versetzt. Nicht nur das Ausmaß der Gewalt, auch die Gewaltintensität erreichte bei den Protesten gegen den G20-Gipfel eine neue Dimension (Verweis auf Kapitel 5.3.1). Mit ihrer Einstellung, politische Ziele gewaltsam zu verfolgen, setzen sich gewalt-orientierte Linksextremisten über das Gewaltmonopol des Staates und den Grundkonsens demokratischer Verfassungsstaaten hinweg, gesellschaftspolitische Veränderungen ausschließlich auf demokratischem Wege herbeizuführen. Daher steht der gewaltorientierte Teil der linksextremistischen Szene im Fokus der Beobachtung durch das LfV. 5.2 Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus In Bremen kann die gewaltorientierte linksextremistische Szene zu bestimmten Anlässen, beispielsweise zu Spontandemonstrationen, auch sehr kurzfristig über 200 Personen mobilisieren. Eine maßgebliche Funktion bei der Organisierung von Protesten nehmen in Bremen die beiden postautonomen Gruppierungen "Interventionistische Linke" (IL) und "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) ein, wie zuletzt beim G20-Gipfel in Hamburg deutlich wurde. "Interventionistische Linke" Die IL gehört zu den postautonomen Gruppierungen, die eine Organisierung der "linken" Szene zur Erreichung ihrer politischen Ziele für notwendig halten. Die Bremer Ortsgruppe der IL war im Jahr 2014 aus der Ortsgruppe der Gruppierung "Avanti - Projekt undogmatische Linke" ("Avanti")" hervorgegangen. Die Mehrheit der 1989 gegründeten "Avanti"-Ortsgruppen hatte 2014 ihre Auflösung als selbstständige Organisation und ihren Beitritt zu der seit 1999 bundesweit agierenden IL erklärt. Die IL entwickelte sich damit von einem Netzwerk aus linksextremistischen und auch nichtextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen zu einer Organisation mit lokalen Ortsgruppen. Ihre Zielsetzung und Strategie legte die IL 2014 in einem weiterhin gültigen "Zwischenstandspapier" dar: "Da sich auf der Basis patriarchaler und rassistischer Gesellschaftsstrukturen der real existierende Kapitalismus entfalten konnte, ist es für uns zentral, den Kampf für eine befreite Gesellschaft mit dem Kampf gegen all diese Herrschaftsformen zu verbinden. (...) Entscheidend für uns istsowohl in der theoretischen Begründung als auch in der Eröffnung praktischer Optionen-, stets auf eine 42 gesamtgesellschaftliche Veränderung abzuzielen." (Fehler im Original, IL im Aufbruch - ein Zwischenstandspapier, 11.10.2014) Die IL, die sich selbst als "undogmatische Linke" bezeichnet, bietet damit keine konkrete "Systemalternative", gleichwohl kämpft sie für einen "revolutionären Bruch mit dem nationalen und globalen Kapitalismus" sowie der "Macht des bürgerlichen Staates". Mit der Formulierung, einen Zustand erreichen zu wollen, der dem Kommunismus ähnelt, bleibt ihr Ziel vage. Die Strategie, sich nicht unnötig ideologisch festzulegen, verfolgt die Organisation, um ideologische Differenzen und daraus resultierende Konflikte innerhalb der linksextremistischen Szene zugunsten einer gemeinsamen Organisierung zu überwinden. Die IL bemüht sich seit Jahren, die Handlungsfähigkeit der "linken" Szene durch die Zusammenführung linksextremistischer und nichtextremistischer Aktivisten unterschiedlicher ideologischer Prägung in Bündnissen, Initiativen und Kampagnen zu erhöhen. Mit dieser Strategie nimmt die IL eine Scharnierfunktion zwischen linksextremistischen und nichtextremistischen Akteuren ein. Mit bewusst vage gehaltenen Formulierungen bezüglich des Ablaufs und des Ziels einer Veranstaltung gelang es der IL bei Großereignissen in den vergangenen Jahren wiederholt, eine große Zahl an Nichtextremisten in ihre Proteste zu involvieren und sie für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Die in die Proteste der IL eingebundenen Akteure unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer ideologischen Ausrichtung, sondern auch in ihrer Einstellung zu Gewalt, die von Ablehnung bis Befürwortung reicht. Das Verhältnis der Gruppierung zu Gewalt kann somit als taktisch beschrieben werden: Einerseits arbeitet sie eng mit gewalttätigen Akteuren zusammen, nimmt ihre Gewalttätigkeiten bei Protesten in Kauf und bietet ihnen sogar einen Rahmen dafür. Andererseits vermeidet sie ein offenes Bekenntnis oder Aufrufe zur Anwendung von Gewalt, weil sie damit ihre als notwendig erachtete Zusammenarbeit mit Nichtextremisten aufgeben müsste, die Gewalt ablehnen und häufig auch die Zusammenarbeit mit Strafund Gewalttätern. Vor dem Hintergrund insbesondere ihrer gewaltbefürwortenden Einstellung gilt die Gruppierung als gewaltorientiert. Die taktische Einstellung der IL zeigte sich zuletzt beim G20-Gipfel Anfang Juli 2017 in Hamburg, bei dem sie sich zu keinem Zeitpunkt von den schweren gewaltsamen Ausschreitungen distanzierte, die sich Linksextremisten über mehrere Tage mit der Polizei lieferten. Die Vertreterin der IL, Emily Laquer, erläuterte im Vorfeld des G20-Gipfels: "Ich will in einer Linken sein, die undogmatisch ist. Wir wollen immer prüfen, welches der gerade strategisch richtige Weg ist. (...) Wenn man es ernst meint mit der Vision des guten Lebens für alle, muss man auch etwas dafür riskieren. Das funktioniert nicht, wenn sich alle immer nur an die Regeln halten." ("Zeit online", Interview von Sigrid Neudecker mit Emily Laquer: G20-Gipfel. Ein abgebranntes Auto ist immer noch Sachbeschädigung, 27.04.2017). In einem in der "tageszeitung" Anfang Juli 2017 veröffentlichten Kommentar zur Gewalt beim G20-Gipfel positionierte sich Laquer wie folgt: "Wie käme ich also dazu, Menschen das Recht abzusprechen, sich zu wehren und sich aufzulehnen? Ihnen vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihrer Wut und Empörung Ausdruck verleihen dürfen? Vor wem muss ich mich rechtfertigen, wenn in Hamburg irgendwer eine Scheibe einwirft? (...) Und deshalb muss ich immer wieder auf die Gewaltfrage antworten: Nein, ich unterwerfe mich nicht. Nein, ich distanziere mich nicht. Ich weigere mich, harmlos zu sein." ("tageszeitung", Kommentar von Emily Laquer: Eine verlogene Diskussion, 05.07.2017). Plakat der IL zum G20-Gipfel "Basisgruppe Antifaschismus" Die kommunistisch ausgerichtete "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) ist seit mehreren Jahren eine der aktiven gewaltorientierten linksextremistischen Gruppierungen in Bremen. Die BA zielt auf die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung durch die revolutionäre Überwindung des demokratischen Rechtsstaates. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der Gruppierung erläutert einer ihrer führenden 43 Aktivisten unter einem Aliasnamen am 3. September 2017 in einem Interview, das die Bedeutung der linksextremistischen terroristischen Vereinigung "Rote Armee Fraktion" (RAF) für die heutige linksextremistische Szene thematisierte: "Trotzdem ist es natürlich immer noch nötig, diese Gesellschaft revolutionär zu überwinden. Diese Gesellschaft ist auf Ausbeutung angelegt. Eine Linke, die sich grundsätzlich von Gewalt distanziert, ist eine sozialdemokratische Linke. Ich bin Kommunist, ich will diese Gesellschaft überwinden. Für mich ist Gewalt keine Moralfrage, sondern eine taktische. Mich interessiert: Passt das gewählte Mittel inhaltlich zum Zweck meiner Politik?" (Internetseite der BA, Protokoll von Timon Simons aufgezeichnet von Gesa Steeger: Strategisch bescheuert, 03.09.2017). Die taktische Einstellung des BA-Aktivisten zu Gewalt und seine Betonung, sich als Kommunist von der von Gewalt distanzierenden "sozialdemokratischen Linken" abzugrenzen, zeigt, dass er nicht nur eine gewaltsame Revolution zur Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung als Fernziel für notwendig erachtet, sondern auch die Anwendung von Gewalt in den aktuellen Protesten. Angesichts ihrer zumindest Gewalt befürwortenden Einstellung zählt die Gruppierung zur gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens. Der Arbeitsschwerpunkt der Gruppierung ist seit Jahren das Themenfeld "Antifaschismus". So führte die BA ebenso wie im Vorjahr mehrere Protestaktionen gegen die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) durch (Verweis auf Kapitel 5.3.2). Die BA organisiert regelmäßig Veranstaltungen in Bremen, wie die Veranstaltungsreihe "K*Schemme", die der Diskussion, Organisierung und Vernetzung dienen soll. Das "K" im Namen steht nach eigenen Angaben für Kommunismus und das Sternchen "soll deutlich machen, dass Kommunismus für uns die Leerstelle für die eine ganz andere Gesellschaft ist (...)" (Internetseite der BA, 04.02.2016). Im Jahr 2017 war die BA als Teil des bundesweiten "...umsGanze!"-Bündnisses in die Planung und Durchführung der Proteste gegen den G20-Gipfel Anfang Juli 2017 in Hamburg eng eingebunden. Die BA ist seit 2011 in dem linksextremistischen "...umsGanze!"-Bündnis organisiert. "...umsGanze!"-Bündnis Das 2006 gegründete Bündnis bezeichnet sich im Untertitel seines Namens als ein "kommunistisches Bündnis" und verweist damit auf seinen ideologischen Hintergrund. Das Bündnis strebt die Abschaffung und Ersetzung der bestehenden Gesellschaftsordnung durch eine kommunistische Staatsund Gesellschaftsordnung an: "Wir wollen uns nicht mit realpolitischen Forderungen zufrieden geben, wir wollen nicht nach der praktischen Umsetzbarkeit irgendwelcher Reformen fragen, wir sagen klar und deutlich: Uns geht's ums Ganze! Wir wollen die Überwindung des gesellschaftlichen Verhältnisses Kapitalismus als die einzig, menschenwürdige' Lösung propagieren. Wir wollen unsere Negation dieses Verhältnisses ausdrücken." ( ...umsGanze!, smash capitalism. fight the g8 summit, Neustadt 2007, Vorwort, S. 3). Aufruf des "...umsGanze!"Bündnisses Das Bündnis stellte sich im Vorfeld des G20-Gipfels den Arbeitern des Hamburger Hafens in einem Brief vom 1. Juni 2017 vor, die sie in geplante Blockadeaktionen einzubeziehen versuchte: "Wir sind das antiautoritäre kommunistische ...umsGanze! Bündnis. Wir nennen uns antiautoritär und kommunistisch, weil wir ein Zusammenschluss von Leuten sind, die es nicht mehr aushalten wollen, wie unser aller Leben, unsere Arbeit und unsere Wohnverhältnisse, der alltägliche Rassismus und Sexismus 44 usw. unsere Leben unerträglich machen. Wir glauben, dass unsere Leben, diese ganze Welt, nicht deswegen so ist, weil sie schlecht regiert wird, sondern weil diese Gesellschaft grundsätzlich falsch eingerichtet ist. Das wollen wir ändern, und zwar so, dass wir, ihr, wir alle und unsere Leben und Bedürfnisse der Zweck der Gesellschaft sind. Damit geht es uns wortwörtlich 'ums Ganze', ums eine ganz andere, kommunistische Gesellschaft." (Internetseite des "...umsGanze!"-Bündnisses: Liebe Kolleg*innen und Genoss*innen: Ein offener Brief an alle, die im Hamburger Hafen arbeiten müssen, 06.06.2017). Das "...umsGanze!"-Bündnis zählt zur gewaltorientierten linksextremistischen Szene, weil es gewaltunterstützend agiert. So befürwortet das Bündnis im Nachgang zum G20-Gipfel am 11. Juli 2017 die gewalttätigen Proteste und betont, dass die Blockadeaktion im Hamburger Hafen erst durch die zeitgleichen dezentralen, "militanten" Aktionen im Hamburger Stadtgebiet ermöglicht wurde: "Die Vielfalt der Aktionsform hat sich dabei praktisch ergänzt, auch wenn das einige lieber nicht so laut sagen wollen. Denn ohne militante Aktionen an anderer Stelle, die viel Polizei gebunden haben, wären wohl weder der Blockadefinder noch die Hafenblockade so relativ erfolgreich gewesen." (Internetseite des "...umsGanze!"-Bündnisses: Ein Gruß aus der Zukunft, 11.07.2017). "Antifaschistische Gruppe Bremen" Die linksextremistische Gruppierung "Antifaschistische Gruppe Bremen" (AGB) ist seit Oktober 2017 ebenfalls in dem bundesweiten kommunistischen "...umsGanze!"Bündnis organisiert. Das Ziel der 2013 gegründeten kommunistisch und antinational ausgerichteten Gruppierung, welches in der Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung besteht, kommt in einem Redebeitrag zu einer Demonstration 2014 deutlich zum Ausdruck; dort heißt es im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft: "Im Konkurrenzprinzip des Kapitalismus stehen die Nationen im ständigen Wettkampf miteinander. (...) Das nationale Konkurrenzprinzip des Kapitalismus wird im Feiern des Wettstreits der nationalen Mannschaft immer tiefer in den Köpfen der Menschen verankert und somit zum scheinbar natürlichen Ist-Zustand. (...) Die deutsche Fahne zu schwenken bedeutet Ja zu sagen zu Antisemitismus, zu Rassismus, zu Ausgrenzung, Ausbeutung und Herrschaft. (...) Wir sagen: Weg mit Deutschland! Weg mit der Nation!" (Internetseite der AGB: Redebeitrag zur antinationalen Demonstration 05.07.2014, 28.02.2018). Die Gruppierung beschäftigte sich in den vergangenen Jahren schwerpunktmäßig mit den Themenfeldern "Antifaschismus" und "Antirassismus". Die AGB organisierte und beteiligte sich auch an linksextremistischen Demonstrationen gegen (vermeintliche) Rechtsextremisten. So führte sie in Kooperation mit der BA mehrere Protestaktionen gegen die AfD durch (Verweis auf Kapitel 5.3.2). Die AGB zählt zur gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens, weil sie Gewalt befürwortet und auch offen dazu aufruft. Eine Aufforderung zu Gewalt ist die "Kampfansage", die ein Aktivist der AGB in seinem Redebeitrag bei einer Demonstration 2015 in Bremen-Nord macht: "Wir werden so lange hier aufschlagen und diesem braunen Drecksloch zeigen, wo Sichel und Hammer hängen, bis sie es begriffen haben! Und wenn es sein muss legen wir hier mit jedem notwendigen antifaschistischen Widerstand den ganzen braunen Sumpf restlos trocken. An alle Faschisten und Rassist_innen in diesem Stadtteil: Dies ist eine Kampfansage! Wir geben euch Nazis und Rassist_innen die Straße zurück... Stein für Stein... Stein für Stein!" (Fehler im Original, Internetseite der AGB: Nach Brandanschlag auf Geflüchtetenlager in Bremen-Nord, 07.10.2015). Die in den vergangenen Jahren verstärkte Zusammenarbeit zwischen AGB und BA auf regionaler Ebene führte am 16. Oktober 2017 zum Beitritt der AGB zum kommunistischen "...umsGanze!-Bündnis". Die AGB ist damit die zweite Gruppierung aus Bremen, die dem Bündnis angehört; die BA trat ihm bereits 2011 bei. In der Beitrittserklärung wird die postautonome Ausrichtung der AGB deutlich, die nicht nur die Zusammenarbeit linksextremistischer Gruppierungen auf regionaler Ebene, sondern auch die bundesweite Vernetzung Gleichgesinnter für notwendig hält, um 45 ihr längerfristiges Ziel der Formierung einer Massenbewegung zur Überwindung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung zu erreichen: "Die gesellschaftlichen Zustände in Deutschland, Europa und der Welt werden nicht besser. Viel mehr stolpert der Kapitalismus von Krise zu Krise (...).Das sind keine neuen Erkenntnisse für die radikale Linke. Genauso wenig wie die Erkenntnis, dass es für uns als radikale Linke darum gehen muss diese Ideologien, dieses falsche Bewusstsein zu bekämpfen und Alternativen zu entwickeln und aufzuzeigen. Das ist schon an sich keine kleine Aufgabe, sondern erfordert gemeinsame Analysen, Diskussionen, Strategien und Aktionen auf lokaler Ebene und darüber hinaus. Darum haben wir uns als antifaschistische Gruppe Bremen dazu entschlossen uns beim kommunistischen ...ums Ganze! zu organisieren." (Internetseite des "...umsGanze!"-Bündnisses: Der nächste Schritt: Die Antifaschistische Gruppe Bremen goes ...umsGanze!, 10.10.2017). "Revolutionärer Aufbau BRD" Die seit 2012 zunächst unter der Bezeichnung "Kommunistische Jugendgruppe Bremen" aktive Gruppierung nannte sich im Jahr 2015 in "Revolutionärer Aufbau Bremen" (RAB) um. Anfang 2017 erfolgte der Zusammenschluss mit der Hamburger Schwestergruppierung "Revolutionärer Aufbau Waterkant" unter dem Namen "Revolutionärer Aufbau BRD" (RA BRD). Die Gruppierung ist dem antiimperialistischen Spektrum zuzurechnen, das ideologisch auf Fragmente der kommunistischen Ideologie zurückgreift, speziell auf den Marxismus-Leninismus nach stalinistischer und maoistischer Ausprägung. Sowohl der Stalinismus als auch der Maoismus stehen für totalitäre Herrschaftssysteme in der Sowjetunion bzw. China, in denen eine kommunistische Partei weite Bevölkerungsteile tyrannisierte und zahlreiche "politische Gegner" ermordete. Die von der RA BRD propagierte revolutionäre Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung hin zum Kommunismus wird in der Nachbetrachtung der "Liebknecht-Luxemburg"-Demonstration in Berlin vom Januar 2017 deutlich, an der Angehörige des RAB teilnahmen: "'Nur der Griff der Massen zum Gewehr - schafft den Sozialismus her! (...) Ausbeutung abwählen, das klappt nie - Boykott der Wahl der Bourgeoisie' drückten wir aus, dass nur die bewaffnete Machtergreifung durch die Massen (die Revolution) der Klasse die Macht geben wird und es keine Alternative zur Revolutionären Gewalt - wie bspw. Das Parlament gibt." (Fehler im Original, Facebook-Seite des RAB, 17.01.2017). Organisatorisch verfolgt die Gruppierung das auf Karl Liebknecht zurückgehende Prinzip "Klarheit vor Einheit": "Wir haben keinen Bock auf irgendein diffuses "dagegen"-sein, auf Meinungspluralismus in der Gruppe und die Zusammenarbeit mit Leuten, die eine ganz andere Politik vertreten, sondern wollen uns als Lohnabhängige organisieren, die sich dies Gesellschaft wirklich erklären, die eine entsprechend radikale Kritik vertreten und sich in allen wesentlichen Fragen eine gemeinsame Kritik erarbeiten, welche die Grundlage unserer Politik ist." (Fehler im Original, Internetseite der RA BRD, 17.02.2016). Die Gruppierung gehört zur gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens und ruft zu Gewalt auf. In einem Mobilisierungsvideo zu den linksextremistischen Protesten zum 1. Mai 2016 treten vermummte Personen in martialischer Form auf und zünden u.a. Pyrotechnik. Eine Aktivistin zielt mit einer täuschend echt aussehenden Waffe in die Kamera. Die Gruppierung nimmt mit ihrer engen ideologischen Ausrichtung am MarxismusLeninismus sowie ihren autonomen Aktionsund Organisationsformen eine Bindegliedfunktion zwischen dem orthodox-kommunistischen Parteienspektrum und dem klassischen autonomen Spektrum ein und spricht damit insbesondere junge gewaltorientierte Aktivisten an. 46 "Rote Hilfe" Der 1975 gegründete Verein "Rote Hilfe e.V." (RH) unterhält bundesweit etwa 50 Ortsgruppen, auch in Bremen besteht eine Ortsgruppe. Der Verein, der sich als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation" beschreibt, ist ausschließlich im Bereich der "Antirepressionsarbeit" tätig. Er unterstützt "linke" Strafund Gewalttäter sowohl in politischer als auch in finanzieller Hinsicht, z.B. gewährt er Rechtshilfe, vermittelt Anwälte oder übernimmt in Teilen Anwalts-, Prozesskosten und Geldstrafen bei entsprechenden Straftaten. Darüber hinaus betreut der Verein rechtskräftig verurteilte Straftäter während ihrer Haft mit dem Ziel ihrer dauerhaften Bindung an die linksextremistische Szene. Die dabei entstehenden Kosten werden aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Auch das Oberverwaltungsgericht Bremen kommt in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2018 zu dem Schluss, dass es sich bei der RH nicht um "eine Art 'linke Rechtsschutzversicherung' [handelt]. Ein solches Verständnis (...) widerspräche auch dem eigenen Selbstverständnis" (Beschluss des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen, 23.01.2018). Die Strafverfolgung von Linksextremisten sieht der Verein als "politische Verfolgung" an und unterstellt der Justiz und dem Staat die willkürliche Unterdrückung von Kritikern und Oppositionellen. Angesichts der Verurteilung von drei Mitgliedern der linksextremistischen Gruppierung "militante gruppe" (mg) zu mehrjährigen Haftstrafen wegen der Verübung mehrerer Brandanschläge auf Behörden 2009 nahm die RH wie folgt Stellung: "Die RH erklärt sich solidarisch mit den Verurteilten und fordert '(...) die sofortige Einstellung aller Verfahren (...) Weg mit dem Gummiparagrafen 129, 129a und 129b! Freiheit für alle politischen Gefangenen!'" (Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 2009, S. 191, zitiert von Internetseite "scharf-unten", 03.12.2009). Wenngleich die RH selbst nicht gewalttätig agiert, gehört sie aufgrund ihrer gewaltunterstützenden und gewaltbefürwortenden Einstellung zur gewaltorientierten linksextremistischen Szene. Ihre Einstellung zu Gewalt wird deutlich in der Solidarisierung mit der linksextremistischen terroristischen Vereinigung "Rote Armee Fraktion" (RAF). Unter der Überschrift "danach war alles anders ..." heißt es in einem 2013 in der "Rote Hilfe Zeitung" erschienenen Artikel: "die rote armee fraktion war ein wichtiges und notwendiges projekt auf dem weg zur befreiung, ein projekt, in dem unschätzbare erfahrungen über den kampf in der illegalität gesammelt wurden: die raf hat bewiesen, dass der bewaffnete kampf hier möglich ist. dieses projekt, das konzept stadtguerilla ist gescheitert, raf und widerstand sind hier nicht durchgekommen. die gründe dafür sind bekannt und müssen für zukünftige bewaffnete projekte berücksichtigt und einbezogen werden. und ein projekt wird folgen ... muss folgen - in welcher form auch immer. nicht als kopie oder reproduktion der raf, das wäre fatal, politisch wie historisch falsch. aber als integraler bestandteil einer neu zu schaffenden sozialrevolutiönären, emazipatorischen organisation oder partei, denn 'die waffe der kritik kann allerdings die kritik der waffen nicht ersetzen. die materielle gewalt muß gestürzt werden durch materielle gewalt'" (Fehler im Original, "Rote Hilfe Zeitung" 2/2013, S. 35-40). Ihre das staatliche Gewaltmonopol ablehnende Haltung kam zuletzt im Rahmen der Proteste gegen den G20-Gipfel Anfang Juli 2017 in Hamburg deutlich zum Ausdruck. In einem auf einer Internetseite der RH veröffentlichten Artikel unter der Überschrift "G20 - Event, Herausforderung, politische Arena" bewertet der Verfasser die heftigen gewalttätigen Ausschreitungen insgesamt positiv, die sich Linksextremisten über mehrere Tage mit der Polizei lieferten und kritisiert zugleich diejenigen, die sich davon distanzierten: "Zu den Auseinandersetzungen nur soviel: Einige demolierte Straßen47 züge sind ein umgefallener Sack Reis im Vergleich zur unerträglichen täglichen Gewalt der G20-Staaten. Es ist sicher nicht unsere Aufgabe, uns empört in Distanzierungen zu verstricken, wo es doch eigentlich darum gehen muss, nach den Ursachen der Gewalt zu fragen und die Organisierung des Widerstands voranzubringen. Ja, es war richtig, dass die Bullen am Eindringen in das Stadtviertel gehindert werden konnten." (Internetseite "indymedia.org": G20 - Event, Herausforderung, politische Arena, 07.08.2017). Bereits vor dem G20-Gipfel hatte die RH am 9. Mai 2017 die Spendenkampagne Aufruf der RH zu einer "United We Stand!" ausgerufen, um die von "staatlicher Repression" Betroffenen Kampagne unterstützen zu können: "Schon jetzt ist deutlich, dass der bevorstehende G20-Gipfel auch ein Gipfel der Repression sein wird. (...) Die Rote Hilfe e.V. sowie der Ermittlungsausschuss G20 bereiten sich auf eine massive Repressionswelle vor, die sich gegen all jene richten wird, die diesen Gipfel in Hamburg nicht unwidersprochen lassen werden." (Internetseite der RH: Widerstand braucht Solidarität - Rote Hilfe e.V. startet Spendenkampagne zum G20-Gipfel in Hamburg, 19.05.2017). Mit seiner gewaltbefürwortenden Einstellung hat der Verein eine stabilisierende Funktion für die gewaltorientierte linksextremistische Szene, wenn er potenziellen linksextremistischen Gewaltund Straftätern vor Begehung von Taten politische und finanzielle Unterstützung verspricht. Dabei unterstützt er nur solche Taten, die er als "politisch" bewertet. Entschuldigungen oder Distanzierungen der Täter von linksextremistischen Gewaltdelikten im Verfahren führen regelmäßig zu einem Entzug ihrer Unterstützung, hier zwei Beispiele: "Abgelehnt haben wir einen Unterstützungsantrag in einem Verfahren wegen Brandstiftung an Autos. Der Antragsteller hat die Vorwürfe eingeräumt, die Sache bereut und einen politischen Zusammenhang abgestritten. Das unterstützen wir nicht." ("Rote Hilfe Zeitung" 3/2011, S. 7). "Während der Proteste gegen die EZB-Eröffnung in Frankfurt am Main (Hessen) äußerte ein Genosse seine Kritik am kapitalistischen System angeblich, indem er eine bereits lädierte Scheibe eintrat und mit Steinen warf. Es folgte eine Strafanzeige und Gerichtsverhandlung wegen Sachbeschädigung und versuchter schwerer Körperverletzung. Dabei gab er an, dass er bereits im Polizeigewahrsam zu der Erkenntnis gekommen sei, die falsche Protestform gewählt zu haben. Wir werten diese Einlassung als Distanzierung und übernehmen keine Kosten." ("Rote Hilfe Zeitung" 1/2017, S. 6). "Antirepression" "Antirepression" stellt seit jeher einen Aktionsschwerpunkt der gewaltbereiten linksextremistischen Szene in Bremen dar. Gewaltorientierte Linksextremisten sehen ihre individuelle, soziale oder politische Entfaltung durch den Staat und seine "Machtstrukturen" unterbunden, konkret etwa durch Sicherheitsgesetze oder polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund sehen sich gewaltorientierte Linksextremisten im Kampf gegen die "staatliche Repression". Die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols ist das verbindende Element verschiedener linksextremistischer Gruppierungen. 5.3 Aktivitäten gewaltorientierter Linksextremisten Der G20-Gipfel war das bestimmende Thema im Jahr 2017 für die linksextremistische Szene in Deutschland und darüber hinaus. Mit der Organisierung und Planung der Proteste hatte die linksextremistische Szene bundesweit bereits im Jahr 2016 begon48 nen. In Bremen zeigte sich die Konzentration der Szene auf die Vorbereitung der Proteste gegen den G20-Gipfel vor allem darin, dass es im Jahr 2017 wenige Protestaktionen in anderen Themenfeldern wie "Antifaschismus" oder "Anitrassismus" gab, die im Jahr 2016 noch den Schwerpunkt gebildet hatten. Die unterschiedliche Schwerpunktsetzung macht den fortwährenden Anspruch der linksextremistischen Szene deutlich, ihre linksextremistische Weltanschauung zu aktuellen politischen Themen zu propagieren. "Antirassismus" Das Themenfeld "Antirassismus" rückte infolge des starken Zuzugs von Flüchtlingen nach Deutschland 2015 in den Mittelpunkt der politischen Arbeit der linksextremistischen Szene Bremens. Zentral ist hier die Forderung nach besseren Aufnahmeund Lebensbedingungen von Flüchtlingen und Migranten und einer "liberaleren" Abschiebepolitik. Im Gegensatz zu nichtextremistischen Aktivisten werfen Linksextremisten dem Staat und seinen Behörden einen "systemimmanenten" Rassismus und damit eine rechtsextremistische Einstellung vor. 5.3.1 Proteste gegen den G20-Gipfel Das Gipfeltreffen der zwanzig wichtigsten Industrieund Schwellenländer (G20) am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg wurde von heftigen gewalttätigen Ausschreitungen zwischen linksextremistischen Gipfelgegnern und der Polizei begleitet, die die friedlichen Proteste von nichtextremistischen Gipfelgegnern überschatteten. Das jährliche Treffen der Staatsund Regierungschefs der G20-Länder, die zusammen drei Viertel des Welthandels bestreiten, gilt als informelles Forum zur Abstimmung über die internationale und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die linksextremistischen Gipfelgegner betrachten die Gipfel vielmehr als Zusammenkunft von Vertretern "kapitalistischer und imperialistischer Interessen", die es zu bekämpfen gelte. Etwa 8.000 gewaltorientierte Linksextremisten aus Deutschland und dem Ausland demonstrierten gegen den Gipfel. "Antikapitalismus" "Antikapitalismus" ist die Basis der linksextremistischen Ideologie. Strukturen und Eigentumsverhältnisse des "Kapitalismus" sind nicht nur Grundlagen für Armut, Hunger und soziale Ungerechtigkeit, sondern darüber hinaus für "Faschismus", "Repression", Migrationsströme, ökologische Katastrophen, "Imperialismus" und Krieg. Vorbereitung der Proteste Die gewaltorientierte linksextremistische Szene hatte die Proteste gegen den G20-Gipfel von langer Hand geplant und mobilisierte in Deutschland und im europäischen Ausland zur Teilnahme an den Protesten. Zur Organisierung der verschiedenen linksextremistischen Spektren formierten sich mehrere Protestbündnisse. Eine führende Rolle nahm dabei das "NoG20"-Bündnis ein, dem neben nichtextremis49 tischen Gruppierungen die linksextremistischen Gruppierungen "Interventionistische Linke" (IL) und "...umsGanze!"-Bündnis angehörten. Das "NoG20"-Bündnis verständigte sich auf einen Aktionskonsens, wonach keine Eskalation von ihm ausgehen solle. Dieser Aktionskonsens kann jedoch nicht mit dem Verzicht auf Gewalt gleichgesetzt werden. Das Bündnis veranstaltete zwei Aktionskonferenzen und weitere Veranstaltungen zur Vorbereitung auf den G20-Gipfel. Bei den Aktionskonferenzen ging es um logistische und organisatorische Vorbereitungen der Proteste. Während der zweiten Aktionskonferenz am 8./9. April 2017 in Hamburg informierte ein führender Aktivist der BA die Öffentlichkeit über die für den 7. Juli 2017 geplante Blockade des Hamburger Hafens. In einem Interview erläuterte er die Zielsetzung der linksextremistischen Protestform des "massenhaften Ungehorsams": "Sabotagen sind strafbare Handlungen. Ich werde nicht zu solchen Handlungen aufrufen. Uns geht es um einen Akt des massenhaften zivilen Ungehorsams. Wir wollen uns zu Tausenden, mit unseren Körpern in den Weg stellen. (...) Ich glaube nicht, dass wir den Wirtschaftsstandort Deutschland damit nachhaltig schaden werden können. Das ist auch nicht unser erstes Anliegen. Wir wollen einfach zeigen, dass in dieser Gesellschaft es schon grundsätzlich nicht richtig läuft. (...) Wir finden es fast schon langweilig, an den Zäunen dieser Mächtigen zu rütteln und uns zu beschweren, dass sie uns besser regieren sollen. (...) Dementsprechend habe ich keine Alternative zu ihnen, als sie abzuschaffen." (Internetseite "shutdown-hamburg.org", Interview der "Hamburger Morgenpost" mit Timon Simons: Darum blockieren wir den Hafen, 02.07.2017). Zu Protesten rief darüber hinaus ein vom "NoG20"-Bündnis unabhängig agierendes Hamburger Bündnis "G20 entern - Kapitalismus versenken!" auf, das sich aus antiimperialistisch ausgerichteten linksextremistischen Gruppierungen wie z.B. dem "Roten Aufbau Hamburg" zusammensetzte. Aktivisten und Strukturen des autonomen Spektrums, wie das Hamburger Autonome Zentrum "Rote Flora", riefen ebenfalls zu Protesten auf. Mobilisierung in Bremen In Bremen begannen Ende November 2016 sämtliche Gruppierungen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene mit konkreten Aktionsplanungen. Während die IL und die BA als Mitglieder des "...umsGanze!"-Bündnisses im "NoG20"-Bündnis organisiert waren, arbeitete die Bremer Ortsgruppe des RA BRD eng mit der Hamburger Ortsgruppe bei der Planung der Proteste zusammen. Die IL und die BA hielten jeweils mehrere Vorbereitungstreffen und Mobilisierungsveranstaltungen in Bremen ab. So lud die IL beispielsweise regelmäßig zu einem "Offenen Anti-G20-Treffen" an der Bremer Hochschule für Künste ein. Eine "Tanzdemonstration" unter dem Motto "G20: Abtanzen. Grenzenlose Solidarität gegen Krieg, Rassismus, Klimawandel, Kapitalismus" durch die Bremer Innenstadt mit über 250 Teilnehmern verlief am 10. Juni 2017 friedlich. Die Demonstration endete mit einer Veranstaltung am "Alten Sportamt", einem Veranstaltungsort der "linken" Szene in Bremen, der von Nichtextremisten als auch von gewaltorientierten Linksextremisten genutzt wird und von April 2015 bis September 2017 als besetzt galt. Diesen Zustand beendete ein zwischen den Nutzern des Gebäudes und der Senatorin für Finanzen geschlossener Vertrag am 25. September 2017. Zu der Demonstration hatte das "Bremer Bündnis gegen G20" aufgerufen, dem nichtextremistische als auch linksextremistische Gruppierungen angehörten. Die BA, die zur Teilnahme an der Demonstration aufrief, mobilisierte gleichzeitig unter der Überschrift "Shut down the logistics of 'capital' - auch in Bremen!" zu der von ihr maßgeblich vorbereiteten Blockade des Hamburger Hafens: "Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind in den letzten Jahren kein Stückchen besser geworden - im Gegen50 teil. Der Neoliberalismus hat sich selbst überlebt und wütet doch unvermindert fort. Währenddessen übernimmt der globale Rechtsruck Straßen und Parlamente (...) Wir wollen angesichts der schlechten Alternative neoliberaler Kapitalismus versus nationaler Schließung klarmachen - wir wollen weder einen neoliberalen noch einen national noch einen sozialdemokratisch verwalteten Kapitalismus - sondern gar keinen! (...) Es geht dabei darum, einen Ausweg zu finden, dem Kapitalismus Leben Aufruf des "...umsGanze!"abzutrotzen und sich dem Drift in die völkische wie religiöse Barbarei zu verweigern. Bündnisses zur Blockade Das geht aber nur ohne Staat, Nation, Kapital und Patriachat." (Internetseite der BA: im Hamburger Hafen 10. Juni, Am Brill, Hinein in den antikapitalistischen Block! 29.05.2017). Proteste gegen den Gipfel Die vom autonomen Spektrum angemeldete Demonstration "Welcome to Hell" am 6. Juli 2017 in Hamburg mit etwa 12.000 Demonstranten war der Beginn der massiven gewaltsamen Auseinandersetzungen, die sich Linksextremisten bis zum 8. Juli 2017 mit der Polizei lieferten. Bereits kurz nach der Auftaktkundgebung eskalierte die Situation, als sich etwa 1.000 Demonstranten vermummten und an der Spitze des Demonstrationszuges einen "Schwarzen Block" bildeten. Die Versuche der Polizei, den "Schwarzen Block" vom Demonstrationszug zu trennen, führten zu schweren gewaltsamen Ausschreitungen, bei denen Polizisten u.a. mit Steinen, Holzlatten, Eisenstangen und Flaschen attackiert wurden. Nachdem der Veranstalter die Demonstration für beendet erklärt hatte, zogen in Kleinstgruppen organisierte, gewalttätige Linksextremisten durch die Hamburger Stadtteile St. Pauli und Altona, wo sie zum Teil brennende Barrikaden errichteten, Autos in Brand steckten und Aufruf aus dem Geschäfte zerstörten. autonomen Spektrum Für den "Tag des Ungehorsams" am 7. Juli 2017 hatte das "NoG20"-Bündnis zu Aktionen und Blockaden aufgerufen. Demonstranten sammelten sich in Aktionsgruppen, sogenannten Fingern, und errichteten Blockaden rund um den Veranstaltungsort und auf den Protokollwegen der Gipfelteilnehmer. An diesen Blockaden, die die IL maßgeblich mitorganisiert hatte, beteiligten sich IL-Aktivisten aus Bremen. Etwa 600 Personen waren dem Aufruf des "...umsGanze!"-Bündnisses gefolgt und blockierten Straßen und Brücken im Hamburger Hafen; letztlich kam es zu leichten logistischen Verzögerungen. An dieser Blockadeaktion nahmen etliche Angehörige der BA teil. Die "Hafen-Blockade" erlangte kaum mediale Beachtung aufgrund der zeitgleichen massiven Gewalttätigkeiten in der Hamburger Innenstadt. Vielerorts wurden Polizisten angegriffen, Autos in Brand gesteckt und Sachbeschädigungen an Gebäuden begangen. Mehrere Tausend Demonstranten versuchten am Nachmittag, die ZufahrtsAufruf der IL zu wege zur Elbphilharmonie, in der ein Konzert für die Staatsgäste stattfand, zu blockie"Massenblockaden" ren. Gewalttätige Linksextremisten suchten gezielt die Auseinandersetzung mit der Polizei; bis spät in die Nacht gab es schwerste gewalttätige Ausschreitungen vor allem im Hamburger Schanzenviertel. So wurden Barrikaden errichtet und teilweise in Brand gesetzt sowie Banken und Geschäfte beschädigt und mehrere Geschäfte geplündert. Polizisten wurden teilweise von Dächern aus mit Molotowcocktails, Metallkugeln, Eisenstangen und Gehwegplatten attackiert. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Räumfahrzeuge und Spezialeinheiten gegen die Gewalttäter ein. Am 8. Juli 2017 beteiligten sich etwa 50.000 Personen an einer vom "NoG20"-Bündnis organisierten Großdemonstration unter dem Motto "G20 - not welcome". Im Rahmen der Demonstration kam es aus dem Block des "Antiimperialistischen Bündnisses", an dem sich die Bremer Ortsgruppe des RA BRD beteiligte, zu Angriffen auf Polizisten u.a. mit Fahnenstangen und Flaschen. Die Polizei identifizierte einen Bremer Aktivisten als "Logistiker" der Aktion, der zuvor die Schlagwaffen zusammen mit weiteren Personen beschafft hatte. Gewalt 51 Das Ausmaß der Gewalt und die Gewaltintensität erreichte bei den Protesten gegen den G20-Gipfel eine neue Dimension. Insbesondere das brutale Vorgehen von gewalttätigen Linksextremisten am Abend des 7. Juli 2017 im Hamburger Schanzenviertel macht deutlich, dass sie nicht nur schwere Verletzungen von Polizisten, sondern auch deren Tod zumindest billigend in Kauf genommen hatten. Für die schweren Gewalttaten waren maßgeblich die in Kleinstgruppen agierenden Autonomen verantwortlich, die sich bereits vor dem Gipfel in kein Bündnis einordnen und sich keinem Aktionskonsens unterordnen ließen. Die Autonomen gingen bei der Verübung ihrer Gewalttaten koordiniert und organisiert vor, was in diversen Auseinandersetzungen mit der Polizei zum Ausdruck kam, wie z.B. während der "Welcome to Hell"-Demonstration oder einen Tag später im Schanzenviertel. Dass es während des G20-Gipfels zu schweren Gewalttaten kommen würde, hatten gewaltorientierte Linksextremisten im Vorfeld mit einer "militanten Begleitkampagne" angekündigt. "Militante Begleitkampagne" Im Rahmen einer im Mai 2016 gestarteten "militanten Begleitkampagne" wurden bundesweit zahlreiche Straftaten mit Bezug auf das Gipfeltreffen begangen. In Bremen gab es neun Mobilisierungsstraftaten, bei denen teilweise ein erheblicher Schaden durch Brandstiftung und Sachbeschädigung entstand. Angriffsziele waren u.a. eine Bank, Fahrzeuge der Polizei und der Bundeswehr sowie das Jobcenter. So steckten Unbekannte am 12. Juni 2017 zwei zivile Fahrzeuge der Polizei in Bremen-Woltmershausen in Brand. In dem dazu veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben kommt nicht nur die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols, die Missachtung gegenüber Polizisten als Repräsentanten und "Handlanger" des Staates zum Ausdruck, vielmehr wird offen zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen. Unter der Überschrift "Bremen: Enttarnt! G20-Wagensport gegen Zivilfahrzeuge der Bullen geht weiter!" heißt es: "Niemand muss Bulle sein. Die prügelnden Burschen und Frauen werden gut bezahlt, um sich für den Staat gerade zu machen. Dessen Interesse ist die Aufrechterhaltung von Armut, Konkurrenz und Ausbeutung. Unser Interesse ist die Aufhebung dieser beschissenen Zustände. Wenn die Bullen im Weg stehen, stehen sie dort in voller Selbstverantwortung. Kein neuer Gesetzesparagraph kann sie im Ernstfall schützen. Die tausenden Bullen, die im Juli Hamburg in den Ausnahmezustand versetzen, verteidigen eine Welt der Zwangsräumungen und Abschiebungen, eine Welt der Knäste und Grenzen. (...) Für mehr Bullenschubsen (...)" (Fehler im Original, Internetseite "end of road", 12.06.2017). Einen weiteren Brandanschlag verübten Unbekannte auf das Jobcenter in der Bremer Neustadt am 18. April 2017. In dem dazu veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben heißt es "Das Jobcenter ist ein Ort der Erniedrigung, der Vereinzelung, der Scham. Hier werden Armut und Elend dieser Gesellschaft verwaltet. Es versteht sich von selbst, dass hier jede und jeder für die eigene Misere selbst verantwortlich gemacht wird. (...) Gegen die Verwaltung von Armut und Ausgrenzung! Für ein Leben in Würde und Selbstbestimmung! G20 dies das!" (Internetseite "end of road": Jobcenter in Bremen-Neustadt angezündet. Kleingartenverein Kurze Lunte e.V., 18.04.2017). Zustimmung bekamen die Täter von der BA, die ihre Freude über den Anschlag in einem Beitrag auf ihrer Facebook-Seite betont: "Die Stärke des Anschlags auf das Jobcenter in der Bremer Neustadt liegt aber darin, diese Verbindung ziehen zu können, vom konkreten Jobcenteralltag über die G20 zum gesellschaftlichen Ganzen. (Facebook-Seite der BA, 19.04.2017). Ein weiterer Brandanschlag in Bremen erfolgte im Rahmen einer bundesweit koordinierten Aktion von gewaltorientierten Linksextremisten auf Bahnstrecken. In mehreren Bundesländern, darunter in Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bremen, beschädigten gewaltorientierte Linksextremisten am 19. Juni 2017 Kabelschächte an Bahnanlagen und verursachten dadurch einen hohen Sachschaden und erhebliche Beeinträchtigungen im Bahnverkehr. Diese konzertierte 52 "militante Aktion" zeigt die Schlagkräftigkeit und den hohen Grad der Organisierung der gewaltorientierten linksextremistischen Szene in Deutschland als auch die Einbindung von Bremer Aktivisten in die Szene. In Bremen-Woltmershausen wurde ein Signalkabelschacht in Brand gesetzt, die Bahnstrecke war über mehrere Stunden für den Güterverkehr nicht passierbar. In einem am selben Tag veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben erläutern die unbekannten Verfasser den Hintergrund und die Zielsetzung der Aktion: "Wir unterbrechen die alles umfassende wirtschaftliche Verwertung. Und damit die so stark verinnerlichte Entwertung von Leben. Wir greifen ein in eines der zentralen Nervensysteme des Kapitalismus: mehrere Zehntausend Kilometer Bahnstrecke. Hier fließen Waren, Arbeitskräfte, insbesondere Daten. (...) Die G20 Treffen sich im Juli, damit die Maschine möglichst rund läuft. Es geht um die Stabilität der Weltwirtschaft. Wie immer. Und es geht um Afrika, als neokoloniale Erweiterung der Maschine. (...) Das einzige Maß für die Krise des Kapitalismus ist der Grad der Organisierung der Kräfte, die ihn zerstören wollen. Shutdown G20 - Hamburg vom Netz nehmen!" (Internetseite "linksunten.indymedia", 19.06.2017). ... nach dem Gipfel Die schweren gewalttätigen Proteste während des G20-Gipfels waren in den Wochen danach Thema in der öffentlichen Diskussion. Die gewaltorientierte linksextremistische Szene versuchte, diese Diskussion unter Betonung und Herausstellung der "Polizeigewalt" in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die IL und das "...umsGanze!"-Bündnis distanzierten sich in ihren Stellungnahmen zum G20-Gipfel nicht von den schweren Gewalttaten. Die IL bewertete die Proteste als Erfolg und betont: "Ja, zu den Bildern des Widerstandes gehören auch jene, bei denen Menschen der Kragen geplatzt ist (...) Es waren nicht unsere Aktionen. Die IL stand und steht für den Alternativgipfel, für Block G20 und für die Großdemonstration. (...) Aber wir können und wollen die Feuer der Freitagnacht nicht aus dem Ausnahmezustand lösen, in dem sie stattfanden. Wenn die Polizei über Tage hinweg Menschen drangsaliert, schlägt und verletzt und sich wie eine Besatzungsarmee aufführt, die von Deeskalation noch nie etwas gehört zu haben scheint, bleibt irgendwann die spontane Antwort nicht aus. Wir haben schon vorher gesagt, dass wir uns nicht distanzieren werden und dass wir nicht vergessen werden, auf welcher Seite wir stehen." (Internetseite der IL: Die rebellische Hoffnung von Hamburg, 12.07.2017). Das "...umsGanze!"-Bündnis kritisiert in seiner Stellungnahme unter der Überschrift "Ein Gruß aus der Zukunft" vom 11. Juli 2017 zwar die Gefährdung Unbeteiligter und die Brandstiftungen an Kleinwagen, kommt jedoch zum Schluss, dass die "militanten Aktionen" im Stadtgebiet die Umsetzung von Blockaden erst ermöglicht hätten: "Die Vielfalt der Aktionsform hat sich dabei praktisch ergänzt, auch wenn das einige lieber nicht so laut sagen wollen. Denn ohne militante Aktionen an anderer Stelle, die viel Polizei gebunden haben, wären wohl weder die Blockadefinger noch die Hafenblockade so relativ erfolgreich gewesen." (Internetseite des "...umsGanze!"-Bündnisses: Ein Gruß aus der Zukunft, 11.07.2017). In Bremen demonstrierten etwa 50 Angehörige der gewaltorientierten linksextremistischen Szene am 15. Juli 2017 gegen eine Veranstaltung der Partei "Freie Demokratische Partei" (FDP), mit der sie sich bei der Polizei für ihren Einsatz in Hamburg bedankte. Die Demonstranten wollten auf vermeintliche Bürgerund Menschenrechtsverletzungen durch den "staatlichen Repressionsapparat" während des G20-Gipfels aufmerksam machen. Aufgerufen zu der Demonstration hatten die IL und die BA. Kommunikation Das Internet ist das wichtigste Kommunikationsmittel der linksextremistischen Szene. Es dient ihr sowohl als Kommunikationsplattform als auch als Medium zur Verbreitung von Propaganda. Die am 25. August 2017 vom Bundesinnenministerium verbotene Internetplattform 53 "linksunten.indymedia" nahm eine zentrale Bedeutung für das gesamte "linke" Spektrum ein. Sie betrieb einen "offenen Journalismus", d.h., jeder Internetnutzer konnte dort ohne redaktionelle Vorgaben und unter Nutzung eines Pseudonyms Beiträge veröffentlichen, die andere Internetnutzer wiederum anonym kommentieren und ergänzen konnten. Die Beiträge reichten von Berichten zum Verlauf von Kundgebungen über Analysen zu tagespolitischen Entwicklungen bis hin zu Taterklärungen und Selbstbezichtigungsschreiben sowie Informationsoder Diffamierungskampagnen gegen politische Gegner. Die Internetseite "de.indymedia.org" könnte das verbotene Internetportal in Zukunft ersetzen. In Bremen gibt es seit 2009 die Internetplattform "end of road". Die Betreiber erklärten, dass es sich um ein "antikapitalistisches Projekt" handele und sie "nur Dinge veröffentlichen, die dem Sinne des Projektes entsprechen und eine antifaschistische, autonome und antinationale Grundhaltung haben" (Internetseite "end of road", 06.09.2009). Die veröffentlichten Artikel, Aktionsberichte, Demonstrationsaufrufe und Terminankündigungen spiegeln ein breites Themenspektrum wieder. Die Nutzer können die eingestellten Artikel kommentieren und sind darüber hinaus zum Einsenden von Berichten und Terminankündigungen aufgefordert. Die veröffentlichten Beiträge stammen jedoch auch aus anderen Medien. Ein zentrales Publikationsorgan ist die in Berlin herausgegebene Szene-Zeitschrift "Interim", die als eine von wenigen autonomen Schriften bundesweite Bedeutung genießt. Die Szene-Zeitschrift dient vor allem dem gewaltbereiten autonomen Spektrum zur Information und Diskussion. In der "Interim" finden sich Beiträge zu aktuellen Themen, aber auch Rechtfertigungen zur Gewaltanwendung sowie Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten. Um Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren, gibt es keine feste Redaktion, auch wird kein Impressum abgedruckt. Titelbild der "Interim" 2017 5.3.2 Proteste gegen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten Im Mittelpunkt der "Antifaschismusarbeit" stehen Proteste gegen Strukturen und Veranstaltungen von (vermeintlichen) Rechtsextremisten. Im Rahmen von Demonstrationen und Veranstaltungen kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen gewaltorientierten Linksextremisten und gewaltorientierten Rechtsextremisten. In Bremen kam es in den vergangenen Jahren insbesondere im Zuge von Fußballspielen zu zahlreichen gewalttätigen Konflikten zwischen rechtsextremistisch beeinflussten Hooligans und "linken" Fußballfans der Ultra-Szene sowie gewaltorientierten Linksextremisten. Eine solche gewalttätige Auseinandersetzung mit mehreren Verletzten hatte es zuletzt am 16. Dezember 2017 nach einem Fußballspiel zwischen den Fußballvereinen "Werder Bremen" und "Mainz 05" gegeben. Etwa 80 zum Teil vermummte "linke" Ultras griffen "rechte" Hooligans mit Flaschen, Steinen und Stühlen in einer Kneipe im Bremer Steintorviertel an, die anschließende, auf der Straße fortgeführte "Massenschlägerei" wurde von der Polizei gestoppt. "Antifaschismus" Im Bereich der "Antifaschismusarbeit" ist neben linksextremistischen Organisationen und Gruppen auch eine Vielzahl unterschiedlicher demokratischer Akteure tätig. Mit dem Ziel der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht das Antifaschismusverständnis von Linksextremisten jedoch weit über das von Demo54 kraten hinaus. Für Linksextremisten stellt die Bekämpfung von rechtsextremistischen Strukturen und Personen nur ein vordergründiges Ziel dar, ihre tatsächliche Stoßrichtung ist das "bürgerliche und kapitalistische System" und die angeblich ihm zugrunde liegenden faschistischen Wurzeln. Zur Vergrößerung ihres politischen Einflusses und zur Gewinnung neuer Anhänger ist das Bemühen um Bündnisse mit nichtextremistischen Gruppen ein entscheidendes Instrument autonomer "Antifaschismusarbeit". Gewaltorientierte Linksextremisten verübten mehrere "militante Aktionen" auf (vermeintliche) Rechtsextremisten in Bremen. So wurden beispielsweise Anfang Januar 2018 zwei Fahrzeuge von Rechtsextremisten durch Brandstiftung beschädigt. Bereits im Jahr 2016 hatten Angehörige der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens mehrere direkte Angriffe auf Rechtsextremisten begangen. Linksextremistische "Recherchearbeit" Die "Aufklärungsoder Recherchearbeit" gehört zu den zentralen Aktivitäten der autonomen Szene in Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Szene. In diesem Zusammenhang werden Beobachtungen und Informationen über Einzelpersonen, Gruppierungen und Strukturen der "rechten" Szene wie etwa Szeneläden gesammelt. Die Informationen zu Einzelpersonen werden meist in Steckbriefen Flyer der "Antifa" zusammengefasst und im Rahmen sogenannter "Outing-Aktionen" in der Nachbarschaft der Betroffenen und im Internet veröffentlicht. In den Steckbriefen werden neben persönlichen Daten, wie z.B. Anschrift, Geburtsdatum oder Beruf, auch weitere Einzelheiten aus dem Privatleben der Betroffenen bekanntgemacht. Ziel dieser Aktionen ist es, vermeintliche Rechtsextremisten aus der Anonymität zu holen und ihre politischen Aktivitäten öffentlich zu machen, wobei dies eine Gefahr für die Betroffenen darstellt und insbesondere ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Eine solche "Outing-Aktion" galt zuletzt vermeintlichen Aktivisten der "Identitären Bewegung Bremen". Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" Die im Januar 2016 ausgerufene Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA) richtet sich vornehmlich gegen die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD). Viele Linksextremisten halten die Partei für einen Wegbereiter in einen neuen Faschismus, weshalb sie die AfD bekämpfen. Das über die Bekämpfung der AfD hinausgehende Ziel der beteiligten Gruppierungen, allen voran des kommunistischen "...umsGanze!"-Bündnisses, liegt in der Diskreditierung und der revolutionären Überwindung des demokratischen Rechtsstaates. Die NIKA-Kampagne ist eine sogenannte "Mitmachkampagne", die den ideologischen Hintergrund, das "Corporate Flyer zur Kampagne Design" oder das "Label" vorgibt und auf die bundesweite Beteiligung von Gruppierungen mit eigenen Aktionen setzt. In Bremen wird die Kampagne maßgeblich von den beiden im "...umsGanze!"-Bündnis organisierten linksextremistischen Gruppierungen BA und AGB getragen. Bereits im Jahr 2016 war es bundesweit zu einer Vielzahl an Sachbeschädigungen an Einrichtungen der Partei und zu gezielten Angriffen auf AfD-Mitglieder gekommen. Vor dem Hintergrund der Bundestagswahl im September 2017, bei der die AfD mit 12,6% der Stimmen in den Bundestag eingezogen war, und zweier Bundesparteitage gab es bundesweit zahlreiche Demonstrationen und Protestaktionen im Zuge der Kampagne. So protestierten etwa 10.000 Personen, darunter etwa 1.000 gewaltorientierte Linksextremisten, gegen den Bundesparteitag der AfD am 22. April 2017 in Köln. Das Ziel der NIKA-Kampagne, den Parteitag zu verhindern oder zumindest zu stören, schlug fehl. Die Proteste, an denen sich auch Bremer Linksextremisten beteiligten, verliefen friedlich. Auch die Proteste gegen den Bundesparteitag der AfD am 2. Dezember 2017 in Hannover verliefen überwiegend friedlich, vereinzelt kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen gewaltorientierten Linksextremisten und der Polizei. An den verschiedenen Protestaktionen nahmen insgesamt etwa 6.500 Personen teil, darunter 600 gewaltorientierte Linksextremisten. Bundes55 weit waren die Proteste gegen den AfD-Parteitag stark beworben worden, auch in Bremen hatten AGB und IL mit mehreren Informationsveranstaltungen zur Teilnahme mobilisiert. Im Hinblick auf die Bundestagswahl erschien im August 2017 ein Aufruf, der den "europaweiten Rechtsruck" und das "Erstarken des Polizeistaates" thematisiert. Um diesem entgegenzuwirken, fordern die Verfasser dazu auf, die AfD in ihrem WahlAufruf zur Demonstration kampf zu stören: "Der Wahlkampf bietet nun zahlreiche Gelegenheiten, gegen die gegen Bundesparteitag Akteure der Abschottung und die Fans der autoritären Formierung bei ihren Veranstalder AfD 2017 in Köln tungen und Ständen aktiv zu werden, ihre Plakate zu bearbeiten, sie in ihren Parteizentralen zu besuchen und sie bei ihren Kampagnen zu konfrontieren. Nötig ist das: der europaweite Rechtsruck wird nicht an der Wahlurne gestoppt werden." (Internetseite der NIKA-Kampagne: Unsere Wahl: Die autoritäre Formierung durchbrechen! - Gegen die Festung und ihre Fans. 24.08.2017). Vor diesem Hintergrund organisierte das NIKA-Bündnis am 16. August 2017 in Bremen unter dem Titel "Die AfD und die Soziale Frage" eine Informationsveranstaltung. Im Zuge der Veranstaltung wurde zur Teilnahme an den Protesten gegen den Wahlkampfauftritt des Parteiund Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland in Stuhr-Brinkum aufgerufen, dem etliche Angehörige der linksextremistischen Szene Bremens am 24. August 2017 folgten. Am 23. September 2017 störten 30 dunkel gekleidete, vermummte Personen eine weitere Wahlkampfveranstaltung der AfD in der Bremer Innenstadt, indem sie sich um einen Informationsstand der Partei sammelten und Parolen skandierten. "Militante Aktionen" im Rahmen der NIKA-Kampagne Im Jahr 2017 verübten gewaltorientierte Linksextremisten in Bremen mehrere "militante Aktionen" im Rahmen der NIKA-Kampagne. Beispielsweise wurde in der Nacht zum 25. September 2017 in der Bremer Neustadt das Fahrzeug eines AfD-Mitgliedes von Unbekannten mit Farbe besprüht und die Reifen zerstochen. In derselben Nacht wurden Steine in das Fenster der Wohnung einer AfD-Funktionärin geworfen. Bei einem weiteren Brandanschlag am 27. Dezember 2017 im Zusammenhang mit der NIKA-Kampagne kam ein Unbeteiligter nur knapp mit seinem Leben davon. Unbekannte hatten einen Lastwagen angezündet, der auf einem Firmengelände in Bremen-Industriehäfen parkte. Im Führerhaus des daneben parkenden Lastwagens schlief währenddessen der Fahrer, was durch die zugezogenen Vorhänge der Fahrerkabine und die laufende Standheizung auch erkennbar war. Er wachte nur durch Zufall auf und konnte den Lastwagen gerade noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone fahren, bevor das Feuer auf seinen Lastwagen übergriff. In dem zu der Tat veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben unter dem Titel "AfD und NPD Hand in Hand" wird die Zielauswahl damit begründet, dass ein Wahlkampffahrzeug der AfD während des Bundestagswahlkampfes auf dem Firmengelände abgestellt war: "Das Betonwerk (...) ist eine Firma aus NPD Mitgliedern. Das ist auch einer der Gründen warum sie der Bremer AfD für den Bundestagswahlkampf ihre Logistik (Wahlkampftruck) zu Verfügung stellte. Dieser Grund bewegte uns (...) einige Lkws der Firma in Brand zu setzen. (...) Nieder mit Deutschland! Für etwas besseres als die Nation!" (Fehler im Original, Internetseite "de.indymedia.org": AfD und NPD Hand in Hand, 28.12.2017). 56 6 Islamismus und islamistischer Terrorismus Seitenzahl 57 6.1 Islamismus 59 6.2 Islamistischer Terrorismus 59 6.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 60 6.2.2 "Islamischer Staat" (IS) 61 6.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen und radikalisierte Einzeltäter 65 6.2.4 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 67 6.2.5 Internet und andere Medien 68 6.3 Salafistische Bestrebungen 70 6.3.1 Salafismus im Land Bremen 74 6.3.2 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 75 6.4 "Hizb Allah" 57 6.1 Islamismus Islamismus bezeichnet eine politische Ideologie, die anstelle des demokratischen Rechtsstaates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Gesellschaftsund Rechtsordnung vorsieht, welche auf einer islamistischen Interpretation der "Scharia" beruht. Das hier im Mittelpunkt stehende "Prinzip der Gottessouveränität" widerspricht dem "Prinzip der Volkssouveränität". Muslime In der Öffentlichkeit werden die Begriffe Islamismus und Islam häufig fälschlicherweise gleichbedeutend verwendet oder verwechselt. Die politische Ideologie des Islamismus ist jedoch deutlich von der Religion des Islam zu trennen. Während der Islam die Religion bezeichnet, bedient sich der Islamismus als extremistische Islamisten Ideologie an Symbolen und Begriffen aus dem Islam, um seine extremistischen politischen Ziele religiös zu legitimieren und durchzusetzen. Salafisten Jihadisten Kennzeichen islamistischer Bestrebungen . Islamisten folgen nicht nur ihrer religiös fundamentalistischen Überzeugung, Radikale Ansichten . sondern sind darüber hinaus politisch motiviert. werden von einem Bruchteil Das Ziel ist, unter Berufung auf die "Scharia" eine vom Islam vorgegebene der Muslime vertreten Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, die für alle Bürger unabhängig von ihrer Religion gilt und die die Regeln und Gesetze eines demokratischen Rechtsstaates . ersetzen soll. Islamisten fordern ein "islamisches" Staatswesen und lehnen die westliche Zivilisation, ihre Werte und ihr Demokratieverständnis ab. "Scharia" "Scharia" bedeutet wörtlich übersetzt "Weg zur Quelle" und bezeichnet die Gesamtheit aller islamischen Regeln und Riten, die im Koran und den gesammelten Prophetentraditionen (Sunna) festgeschrieben sind. Diese Texte zu interpretieren und daraus konkrete Handlungsempfehlungen und Gesetze abzuleiten, ist die Aufgabe der islamischen Rechtsgelehrten. Diese Wissenschaft wird mit dem Begriff "Fiqh" beschrieben. Zur Rechtsfindung werden vier Quellen bzw. Methodiken zu Rate gezogen: der Koran, die Sunna, der Konsens der Gelehrten ("Ijma`") und der Vergleich von früher zu heute ("Qiyas"). Die "Scharia" ist nirgends abschließend festgeschrieben, sondern unterliegt einer steten Auslegung. Die "Scharia" besteht im Wesentlichen aus zwei Bereichen, den "'Ibadat" (rituelle Pflichten) und den "Mu'amalat" (gemeinschaftliche Regeln). Die "'Ibadat" umfassen Vorschriften zum rituellen Leben und Pflichten gegenüber Gott. Dort sind u.a. neben den fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, fünfmaliges tägliches Gebet, Almosenspende, Fasten im Monat Ramadan, Pilgerfahrt nach Mekka) die rituelle Reinheit, z.B. Waschungen vor dem Gebet, und das Verbot bestimmter Speisen, z.B. Schweinefleisch, geregelt. Die "Mu'amalat" befassen sich mit den Regeln des menschlichen Zusammenlebens. Dort finden sich Bestimmungen zum Ehe-, Familien-, Personenstands-, Vermögens-, Verkehrsund Wirtschaftsrecht sowie aus dem Strafrecht wieder. Islamisten fordern die unmittelbare und vollkommene Umsetzung ihrer Interpretation der "Scharia", während sich heute die Mehrheit der Muslime lediglich an die in der "Scharia" im Bereich der "'Ibadat" festgelegten Vorschriften zum rituellen Leben und an die Pflichten gegenüber Gott hält. Einige Vorschriften in der "Scharia" aus dem Bereich der "Mu'amalat", die das menschliche Zusammenleben regeln, widersprechen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der in Deutschland 58 geltenden Rechtsordnung. Die grundrechtlich garantierte körperliche Unversehrtheit wird beispielsweise durch Vergeltungsstrafen verletzt, dazu gehören u.a. das Abhacken der Hand oder die Steinigung. Die im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten bestehende Ungleichbehandlung der Geschlechter zeigt sich insbesondere in den Rechtsgebieten des Erbund Familienrechts, z.B. ist die Zeugenaussage eines Mannes in manchen Bereichen so viel wert wie die zweier Frauen. Der Islamismus ist eine sehr heterogene Bewegung und hat im Laufe seiner Geschichte verschiedene Ausprägungsformen entwickelt, die sich methodisch und ideologisch teilweise stark voneinander unterscheiden. Ausgehend von der Einstellung zur Gewalt können im Islamismus zwei Hauptströmungen unterschieden werden: islamistischer Extremismus und islamistischer Terrorismus. Die Grenze zwischen beiden Strömungen ist teilweise fließend, weil zum einen die ideologische Ausrichtung und die damit begründete Gewaltaffinität der Anhänger nicht immer eindeutig definiert werden kann, zum anderen weil terroristische Gruppen ihre Anhänger häufig aus islamistisch-extremistischen Organisationen rekrutieren. Islamistischer Extremismus und islamistischer Terrorismus differenzieren sich hauptsächlich durch die Wahl ihrer Mittel: . Islamistisch-extremistische Organisationen streben in ihren Heimatländern die Veränderung der Staatsund Gesellschaftsordnung zugunsten eines islamischen Staatswesens über die politische Einflussnahme an. Durch politische und gesellschaftliche Veränderungen sollen rechtliche Freiräume für ein "schariakonformes" Leben geschaffen werden. So zielt auch die politische Strategie der in Deutschland lebenden islamistischen Extremisten darauf, hier entsprechend ihrer Ideologie leben zu können. . Islamistische Terrororganisationen verfolgen ihre Ziele demgegenüber mit Gewalt, unter anderem in Form von terroristischen Anschlägen. Unterschieden werden kann hier zwischen islamistisch-terroristischen Organisationen, die ausschließlich in ihren Heimatländern einen bewaffneten Kampf führen, z.B. die libanesische Organisation "Hizb Allah", und Jihadisten, die weltweit einen bewaffneten Kampf führen, z.B. das Terrornetzwerk "al-Qaida" und der "Islamische Staat". Insgesamt sind in Deutschland ca. 24.000 Personen der islamistischen Szene zugehörig. In Bremen sind im Jahr 2017 etwa 550 Personen islamistischen Gruppen zuzurechnen. 6.2 Islamistischer Terrorismus Der überwiegende Teil der islamistisch-terroristischen Bewegung ist jihadistisch geprägt. Die Anhänger dieser Ideologie legitimieren die von ihnen verübten Terroranschläge religiös. "Jihad" bedeutet wörtlich übersetzt "Anstrengung" oder "Bemühung" und meint die geistlich-spirituellen Bemühungen der Gläubigen um das richtige 59 Verhalten gegenüber Gott. Islamische Gelehrte unterscheiden hierbei zwischen dem "Großen Jihad" und dem "Kleinen Jihad". Mit dem "Großen Jihad" sind alle "inneren Bemühungen" eines Muslims gemeint, die moralischen Maßstäbe des Islam so gut wie möglich zu befolgen. Der "Kleine Jihad" dagegen meint den Kampfeinsatz zur Verteidigung sowie zur Ausbreitung des islamischen Herrschaftsbereichs. Die Jihadisten beziehen sich demzufolge auf den "Kleinen Jihad". Sie führen unter dem Leitprinzip des "Jihad" einen bewaffneten Kampf gegen die angeblichen Feinde des Islam. Dieser religiösen Legitimation bedienen sich nicht nur die Terrornetzwerke "Islamischer Staat" (IS), "al-Qaida" und ihre Ablegerorganisationen, sondern auch organisatorisch unabhängig agierende jihadistische Einzelgruppierungen und Einzeltäter. 6.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" "Al-Qaida" vollzog innerhalb der letzten 15 Jahre einen fundamentalen Wandel von einer Organisation mit festen Strukturen zu einem globalen losen Terrornetzwerk. Das Terrornetzwerk "al-Qaida" umfasst eine Vielzahl von islamistisch-terroristischen Organisationen, einzelne Terrorzellen aus dem Nahen Osten, Afrika und Europa sowie zahlreiche regional und überregional agierende Ablegerorganisationen. Zu den von der Kernorganisation "al-Qaida" logistisch und finanziell relativ unabhängig agierenden regionalen Gruppen gehören unter anderem "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH) im Jemen, "al-Shabab" ("die jungen Menschen") in Somalia, "Jabhat Fath ash-Sham" (JFS, "Eroberungsfront Syriens") in Syrien, "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) in den Maghrebstaaten und "al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS). Die aus "al-Qaida im Irak" hervorgegangene Terrororganisation "IS" agiert mittlerweile unabhängig bzw. sogar in bewaffneter Abgrenzung zu "al-Qaida". Viele dieser Organisationen und Terrorzellen stehen nicht in unmittelbarem Kontakt zur Kernorganisation "al-Qaida". Weltweit werden inzwischen Terroranschläge von Personen oder Organisationen verübt, die sich lediglich der Ideologie "al-Qaidas" verschrieben haben. Die von "al-Qaida" entwickelte "Dachideologie" des globalen "Jihad" existiert damit organisationsunabhängig und ist auch durch den Wegfall einzelner Personen nicht zu beseitigen. Entstehung und Ideologie des Terrornetzwerkes "al-Qaida" Die Entstehung von "al-Qaida" ("die Basis") ist eng mit der sowjetischen Besetzung Afghanistans in den Jahren von 1979 bis 1989 verknüpft. Neben den afghanischen "Mujahideen" ("die, die den "Jihad" betreiben") gab es eine Gruppe unter der Führung des Palästinensers Abdallah Azzam, die weltweit Muslime zur Verteidigung Afghanistans als muslimisches Land aufrief und den "Jihad" somit internationalisierte. Azzam betrieb zusammen mit dem Saudi-Araber Usama bin Laden und dem Ägypter Ayman az-Zawahiri das sogenannte "Dienstleistungsbüro" (maktab al-khidamat), das die Finanzierung und Koordinierung der arabischen "Mujahideen" übernahm. Aus diesem "Dienstleistungsbüro" entstand die Organisation "al-Qaida". Entscheidend für die Entwicklung der Ideologie "al-Qaidas" waren der Zweite Golfkrieg 1990-1991 und die Tatsache, dass die Islamisten Anfang der 1990er-Jahre in keinem arabischen Staat die Herrschaft erringen konnten. Während bin Laden die Stationierung von US-amerikanischen Truppen in Saudi-Arabien im Zuge des Golfkrieges als nicht hinnehmbare Demütigung der islamischen Welt empfand, betrachtete Zawahiri die Machtübernahme von islamistischen Bewegungen in arabischen Staaten als aussichtslos, solange diese durch den Westen und insbesondere die USA unterstützt würden. Diese Unterstützung könne ausschließlich durch Angriffe auf den Westen beendet werden. 60 Die Hinwendung von der Bekämpfung des "nahen Feindes" (die arabischen Regime) zur Bekämpfung des "fernen Feindes" (der Westen) ist ein Schlüsselkonzept der Ideologie "al-Qaidas". Dieses Konzept manifestierte sich in den Anschlägen auf das "World Trade Center" in den USA 1993, die US-amerikanischen Botschaften in Daressalam/Tansania und Nairobi/Kenia 1998, das US-Kriegsschiff "USS Cole" 2000 und auf das "World Trade Center" 2001 in den USA. Mittlerweile hat sich dieses ideologische Konzept verselbstständigt und bildet die Motivation für zahlreiche Anschläge, die nicht direkt von der Kernorganisation "al-Qaida" koordiniert werden, wie die Terroranschläge am 11. März 2004 in Madrid oder am 7. Juli 2005 in London. Seitdem wird "al-Qaida" nicht mehr als Organisation, sondern als ein Netzwerk von gleichgesinnten Jihadisten definiert. Usama bin Laden und Ayman az-Zawahiri 6.2.2 "Islamischer Staat" (IS) Spätestens seit dem Bruch mit seiner Mutterorganisation ist der sogenannte "IS" als eigenständige Terrororganisation wahrzunehmen, die in einem Konkurrenzverhältnis zu "al-Qaida" steht. Die Ideologie beider Gruppen ist sich sehr ähnlich, die Unterschiede sind eher struktureller Natur. Im Gegensatz zur eher dezentral und versteckt agierenden "al-Qaida" verfügt der "IS" über einen Herrschaftsbereich in größeren Teilen Syriens und des Iraks. In verschiedenen Ländern (Libyen, Ägypten, Algerien, Nigeria, Jemen) haben terroristische Gruppen bereits ihre Loyalität zu dem "IS" bekundet. Der "IS" ist gegenwärtig die stärkste jihadistische Terrororganisation, hat "al-Qaida" in dieser Hinsicht den Rang abgelaufen und kontrollierte zeitweise in Syrien und im Irak ein Territorium von der Größe Großbritanniens. Der Versuch, in diesen Gebieten staatsähnliche Strukturen aufzubauen, gelang dem "IS" durch umfangreiche finanzielle Mittel, die vor allem aus Beutezügen, Schutzgelderpressung und dem Verkauf von Rohöl erlangt wurden. Hinzu kam der Besitz von modernem Kriegsgerät, wodurch der "IS" mehr als eine Miliz denn als einfache, im reinen Untergrund agierende Terrororganisation verstanden werden muss. Aus dieser augenblicklichen "Position der Stärke" erwächst die Attraktivität und Anziehungskraft auf viele radikalisierte Jugendliche und junge Erwachsene. So kommt es, dass sich dem "IS" aus fast der gesamten Welt sogenannte "Foreign Fighters" angeschlossen haben. Alleine aus Europa sind ca. 5.000 Personen ausgereist, davon rund 1.000 aus Deutschland. Mittlerweile sind die meisten Gebiete des "IS" zurückerobert worden, doch die Organisation bleibt im Untergrund und vor allem virtuell weiterhin aktiv. Genese des "Islamischen Staates" Die Ursprünge des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) liegen im 2003 begonnenen Irakkrieg. Die unter der Führung des Jordaniers Abu Musab al-Zarqawi stehende Terrorgruppe "al-Tawhid wa-l-Jihad" benannte sich 2004 in "al-Qaida im Zweistromland" um und agierte fortan als regionaler Ableger von "Kern-al-Qaida" im Irak. Schon zu dieser Zeit fiel die Gruppe durch ihre enorme Brutalität auf. Durch möglichst Aufsehen erregende und opferreiche Anschläge auf schiitische Heiligtümer und Bürger wollte ihr Anführer al-Zarqawi Gegenschläge gegen die sunnitische Bevölkerung provozieren und sich in dem antizipierten Bürgerkrieg zum wichtigsten Verteidiger der Sunniten aufschwingen. 2005 rief die damalige Nr. 2 von "al-Qaida" Ayman az-Zawahiri Zarqawi zur Mäßigung auf, da er einen Imageverlust von "al-Qaida" aufgrund der Gräueltaten von Zarqawis Gruppe vermutete. Nach dem Tod al-Zarqawis 2006 benannte sich die Gruppe in den "Islamischen Staat im Irak" um, blieb jedoch weiterhin Teil von "al-Qaida". In den folgenden Jahren konnte die Organisation weitestgehend zurückgedrängt werden. Erst mit dem Abzug der Amerikaner aus dem Irak, der konfessionell spaltenden Politik des ehemaligen schiitischen irakischen Premiers 61 In Deutschland al-Maliki und dem durch den Bürgerkrieg bedingten Machtvakuum im Nachbarland verbotene Flagge Syrien konnte sich der "Islamische Staat im Irak" wieder etablieren. des "IS" Anfang 2012 entsandte der jetzige Anführer des "IS" Abu Bakr al-Baghdadi eine unter der Führung von Abu Muhammad al-Jaulani stehende Delegation von Kämpfern nach Syrien, die den Namen "Jabhat al-Nusra" ("JaN") trug. Al-Jaulani agierte jedoch zunehmend unabhängiger von al-Baghdadi. Dieser erklärte in einer Veröffentlichung im April 2013, dass die JaN Teil seiner Organisation sei, die er in den "Islamischen Staat im Irak und Sham" (ISIS) umbenannte. Al-Jaulani pochte weiterhin auf seine Unabhängigkeit und schwor die Treue an den Führer von "Kern-al-Qaida" Ayman az-Zawahiri. In der Folge kam es zu einem Zerwürfnis und az-Zawahiri schloss "ISIS" schließlich im April 2014 aus dem "al-Qaida"-Netzwerk aus. Kurz darauf benannte sich "ISIS" in den "Islamischen Staat" (IS) um und erklärte seinen Anführer Abu Bakr al-Baghdadi zum Kalifen und somit zum Herrscher über alle Muslime. Am 12. September 2015 wurde gegen die Organisation "Islamischer Staat" in Deutschland durch das Bundesinnenministerium ein Betätigungsverbot erlassen. Die Tätigkeiten der Vereinigung laufen Strafgesetzen zuwider und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung, heißt es in der Verbotsverfügung. Es ist ferner verboten, Kennzeichen des "IS" öffentlich, in einer Versammlung oder in Schriften, Tonoder Bildträgern, Abbildungen oder Darstellungen, die verbreitet werden können oder zur Verbreitung bestimmt sind, zu verwenden. 6.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen und radikalisierte Einzeltäter Der islamistische Terrorismus ist ein globales Phänomen. Von den Anschlägen islamistischer Terrororganisationen sind daher sowohl die islamische Welt wie aber auch die nichtislamische Welt betroffen. Beide sehen sich einer asymmetrischen Bedrohungslage ausgesetzt. Dies gilt zum einen für den Tätertypus. So kann es sich bei den Tätern um langjährige Operateure, neu ausgebildete Rekruten und Rückkehrer, "Home-Grown"-Aktivisten, Lone-Wolf-Akteure oder als Flüchtlinge getarnte Terroristen handeln. Ebenso ist an jedem Ort zu jeder Zeit mit Anschlägen zu rechnen. Die Ziele des islamistischen Terrorismus umfassen nicht nur kritische Infrastruktur, wie Bahnhöfe oder Flughäfen, sondern auch sogenannte "soft targets" wie z.B. Einkaufszentren oder Cafes. Schließlich gilt die Asymmetrie auch für die Tatausführung, den sogenannten Modus Operandi. Jegliche Arten von Waffen können hierbei zum Einsatz kommen. So werden Sprengsätze sowohl per Fernzünder als auch mittels Selbstmordattentäter ebenso benutzt wie Schusswaffen oder Kraftfahrzeuge. Letztlich ist auch der Gebrauch eines einfachen Küchenmessers zur Tatbegehung ausreichend. Islamische Welt In Syrien hat sich der 2011 zunächst friedlich begonnene Protest gegen das Regime des Präsidenten Assad zu einem landesweiten Bürgerkrieg entwickelt. Gegen die syrischen Regierungstruppen kämpfen neben säkularen nichtsalafistischen Oppositionsgruppen auch jihadistische Gruppen. Innerhalb dieser 62 jihadistischen Opposition gibt es ein Zerwürfnis zwischen der "al-Qaida"-nahen "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) und dem "IS", wobei Letzterer auch Teile des Iraks unter seine Kontrolle gebracht hatte. In den von ihm kontrollierten Gebieten ging der "IS" äußerst brutal vor. Vor allem Schiiten, Jesiden und andere nichtsunnitische Minderheiten standen im besonderen Fokus der Terrorgruppe. Aber auch sunnitische Muslime, die sich nicht dem extremistischen Islamverständnis des "IS" unterwerfen wollten, wurden bekämpft und gezielt getötet. Besonderes Aufsehen erregten in den westlichen Medien die von der Propagandaabteilung des "IS" verbreiteten Enthauptungsvideos u.a. amerikanischer und britischer Staatsbürger. Zusammen mit einem drohenden Genozid an kurdischen Jesiden in Sinjar und Kobane waren diese Taten ausschlaggebend für die durch die USA angeführte militärische Allianz gegen den "IS". Dem "IS" haben sich tausende von ausländischen Kämpfern, allen voran aus der arabischen Welt, angeschlossen. Aber auch zahlreiche Europäer, darunter Deutsche, kämpfen an der Seite des "IS", beteiligen sich an Gräueltaten und treten in an Deutschland gerichteten Propagandavideos auf. Darüber hinaus reisten auch viele junge Menschen aus, um das selbsternannte Kalifat jenseits von Kampfhandlungen zu unterstützen. Darunter fallen auch viele junge Frauen, die ihre Heimat verlassen, um vor Ort einen Kämpfer zu heiraten und diesen im Haushalt, aber durchaus auch logistisch zu unterstützen. Auch in anderen Staaten der islamischen Welt sind jihadistische Milizen aktiv. So kam es in Ägypten am 24. November 2017 zum folgenschwersten islamistischen Anschlag in der neueren Geschichte des Landes, als der lokale Ableger des "IS" auf dem Sinai eine Moschee angriff und 305 Menschen ums Leben kamen. Im Jemen sowie in Libyen toben nach wie vor verheerende Bürgerkriege, bei denen große Teile der Länder nicht mehr staatlicher Kontrolle unterliegen, sondern durch jihadistische Milizen beherrscht sind. USA und Europa Am 22. März 2017 ereignete sich auf der Westminster-Brücke und auf dem Gelände des Westminsterpalastes im Londoner Regierungsviertel ein Terroranschlag. Der Täter fuhr zunächst mit einem gemieteten Auto in eine Menschenmenge auf der Westminster-Brücke, stieg dann aus und tötete auf dem Parlamentsgelände mit einem Messer einen unbewaffneten Polizisten, bevor er selbst erschossen wurde. Insgesamt kamen bei dem Anschlag sechs Menschen ums Leben. Der "IS" übernahm im Nachhinein die Verantwortung für die Tat. Bei dem Anschlag in Stockholm am 7. April 2017 fuhr ein Attentäter mit einem gestohlenen Lastkraftwagen in der Stockholmer Innenstadt gezielt in eine Fußgängerzone. Dabei wurden fünf Menschen getötet sowie 14 weitere zum Teil schwer verletzt. Der Tatverdächtige konnte noch am selben Tag festgenommen werden. Er hatte 2016 versucht nach Syrien auszureisen, konnte jedoch an der Ausreise gehindert werden. In Manchester kam es zwei Monate später, am 22. Mai 2017, zu einem Selbstmordattentat in der Manchester Arena nach einem Konzert der Sängerin Ariana Grande. Dabei kamen 23 Personen ums Leben, über 500 wurden verletzt. Der in England geborene Attentäter war zuvor mehrfach in Libyen aufhältig. Es gilt als wahrscheinlich, dass er dort von einer "IS"-nahen Miliz im Umgang mit Sprengstoff ausgebildet wurde. Auch für diese Tat übernahm der "IS" die Verantwortung. Keine zwei Wochen später ereignete sich ein weiterer Anschlag in London. In diesem Fall töteten drei islamistische Terroristen mit einem Lieferwagen drei Fußgänger auf der London Bridge. Anschließend erstachen sie auf dem nahegelegenen Borough Market mit Messern bewaffnet fünf Menschen und verletzten insgesamt 48. Die mit Attrappen von Sprengstoffwesten ausgestatteten Täter wurden von der Polizei erschossen. Zwei der Attentäter waren den Sicherheitsbehörden zuvor bekannt, jedoch gab es keine Hinweise auf das unmittelbare Bevorstehen eines Anschlags. 63 Auch hier bekannte sich der "IS" zu der Tat. Bei einem Terroranschlag in Barcelona am 17. August 2017 fuhr ein Attentäter mit einem Lieferwagen durch eine Menschenmenge auf dem Boulevard La Rambla im Zentrum von Barcelona. Dabei wurden 14 Menschen getötet und mindestens 118 Menschen verletzt. Auf der Flucht erstach der Attentäter eine weitere Person. In der darauffolgenden Nacht wurden in Cambrils fünf Männer, die in einem Pkw fuhren und mutmaßlich eine Messerattacke planten, von der Polizei gestellt. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd, bei der sie eine Frau töteten und sieben Menschen verletzten, wurden sie von den Polizisten erschossen. Nach Ermittlungsangaben sollen beide Anschläge von derselben islamistischen Terrorzelle ausgeführt worden sein. Die Zelle soll eigentlich Bombenanschläge in Barcelona geplant haben. Das Sprengstoffmaterial detonierte jedoch versehentlich am Vortag der Anschläge in der Bombenwerkstatt der Terrorzelle in Alcanar, wobei der mutmaßliche Kopf der Zelle und ein weiteres Terrormitglied getötet wurden. Auch in diesem Fall reklamierte der "IS" den Anschlag für sich. Nur einen Tag später kam es am 18. August 2017 zum ersten islamistisch motivierten Anschlag in Finnland. Der 18-jährige marrokanisch-stämmige Attentäter erstach in der Stadt Turku zwei Personen und verletzte weitere acht. Er wurde von der Polizei ins Bein geschossen und kam vor seiner Haft zunächst ins Krankenhaus. Er war 2015 nach Deutschland eingereist und hielt sich bis Anfang 2016 in der Bundesrepublik auf. Kurz vor dem Attentat war sein Asylantrag in Finnland abgelehnt worden. In diesem Fall kam es zu keiner Bekennung durch den "IS". Bei den Feierlichkeiten zu Halloween fuhr in New York ein Mann einen Kleinlaster 20 Straßenblocks auf einem Fußgängerund Fahrradweg und tötete hierbei acht Personen; elf weitere wurden verletzt. Der Täter stammte aus Usbekistan und war erst 2010 in die USA eingereist. Bisherigen Ermittlungen zufolge habe er sich erst während seines Aufenthaltes in den USA radikalisiert. Bei der Vernehmung gab er an, die Tat im Namen des "IS" ausgeführt zu haben. Auch wenn sich die Attentäter zum "IS" bekennen und dieser im Nachhinein die Anschläge für sich reklamiert, bleibt häufig unklar, ob die Terrororganisation im Vorfeld davon wusste oder die Täter autonom agierten. Ebenso wird deutlich, dass Personen nicht mehr ausreisen, sondern versuchen in ihren Heimatländern, z.T. sogar an ihren Wohnorten, Anschläge zu begehen. Die Tatsache, dass viele Personen den Sicherheitsbehörden bekannt waren, zeigt zudem, dass sie tendenziell die richtige Zielgruppe im Blick haben. Seit jedoch Anschläge mit einfachsten Mitteln ausgeführt und äußerst spontan geplant werden, wird es immer schwieriger, diese im Vorfeld zu verhindern. "Home-Grown-Terrorismus" Die Profile islamistischer Terroristen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Längst stellen nicht mehr nur aus dem Ausland eingereiste Attentäter eine Bedrohung für die Innere Sicherheit dar. Eine hohe Gefährdung geht von sogenannten "Home-Grown"-Terroristen aus, die in westlichen Staatsund Gesell64 schaftsformen aufgewachsen und sozialisiert worden sind. Wenngleich "HomeGrown"-Terroristen äußerlich meist gut in die Gesellschaft integriert scheinen, wenden sie sich radikal islamistischem Gedankengut zu und fühlen sich zur Verübung von Anschlägen berufen. Durch ihre Sozialisation bewegen sich "Home-Grown"Terroristen bei der Planung und Durchführung von Anschlägen in der Regel unauffälliger als aus dem Ausland eingereiste Attentäter. Radikalisierungsprozesse Die Wandlung in die Gesellschaft integriert erscheinender junger Personen zu islamistisch motivierten Gewalttätern wirft Fragen zum Radikalisierungsprozess auf. Es existieren zahlreiche wissenschaftliche Studien zu dem Thema, die trotz unterschiedlicher Methodik Grundaussagen bezüglich der Radikalisierung von Personen zulassen: Viele junge Menschen stellen sich Fragen zu ihrer Identität und können u.a. im Islam Antworten finden. Zentral ist dabei oftmals die Frage nach der Bedeutung, als Muslim in einer mehrheitlich nichtmuslimischen Gesellschaft zu leben. Eine scheinbare Antwort auf diese Fragen können islamistische Ideologien wie der Salafismus bieten, der vor allem über das Internet, aber auch in geringerem Maße über Literatur und Prediger vermittelt wird. Die meisten Muslime lehnen eine solche extremistische Islaminterpretation ab. Akzeptanz findet die Ideologie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen dann, wenn sie dort aufgrund von erlebten Frustrationserfahrungen wie Diskriminierung, Erniedrigung, Entfremdung, Ungleichbehandlung, Perspektivund Orientierungslosigkeit oder Konflikte mit dem Elternhaus angebliche Bestätigung finden. In diesem Fall werden persönliche negative Erfahrungen in eine Weltsicht eingebettet, in der sich die Ungläubigen in jeder Hinsicht gegen die Muslime verschworen haben. Die Ursachen für eine Radikalisierung liegen jedoch nicht im Islam, sondern sind sozialer, ökonomischer oder psychologischer Natur. Daher ist häufig nicht die Ideologie der wichtigste Grund, sich einer extremistischen Gruppierung anzuschließen, sondern die Aufnahme und Akzeptanz in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Auch wenn die Befürwortung oder sogar Ausübung von Gewalt eher die Ausnahme darstellt, so gefährdet auch die gewaltlose Radikalisierung, vergleichbar mit Sekten und fundamentalistischen Strömungen innerhalb anderer Religionen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein friedliches, interkulturelles Zusammenleben, da sie Polarisation und soziale Abschottung fördert. 6.2.4 Islamistischer Terrorismus in Deutschland Die Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus ist im Jahr 2017 konstant hoch geblieben. So gab es diverse Festnahmen und Gerichtsverfahren gegen Personen aus dem islamistisch-terroristischen Spektrum. Schließlich fließen auch die Reisebewegungen von deutschen Staatsbürgern wie auch von Geflüchteten in die 65 Sicherheitslage ein. Anschlagsplanungen und Verhaftungen Am 1. Februar 2017 kam es in drei Bundesländern zu Verhaftungen mit Islamismusbezug. Rund 1.100 Polizisten durchsuchten 54 Wohnungen, Geschäftsräume und Moscheen. In Hessen nahm die Polizei einen 36 Jahre alten Tunesier fest, der für die Terrormiliz "IS" einen Anschlag in Deutschland geplant haben soll. In Berlin wurden drei Islamisten verhaftet, von denen zwei Kontakt zum Berliner Attentäter Anis Amri gehabt haben sollen. Bei Nürnberg fasste die Polizei einen 31-Jährigen, der in Syrien Mitglied der Terrormiliz "Junud al-Sham" (Soldaten Syriens) gewesen sein soll. In Essen wurde am 11. März 2017 das Shoppingcenter Limbecker Platz wegen einer Anschlagsdrohung geschlossen. Zuvor hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz von einem möglichen Anschlag auf das Einkaufszentrum erfahren und die Polizei informiert. Bei dem mutmaßlichen Drahtzieher des geplanten Anschlages handelte es sich um einen 24-Jährigen aus Oberhausen, der aber inzwischen in Syrien lebt. Geplant war, dass drei Selbstmordattentäter ihre Rucksäcke in dem Einkaufszentrum explodieren lassen. Am 4. April 2017 gingen Ermittler in Kassel, Essen, Hannover und Leipzig gegen mutmaßliche Unterstützer der Terrormiliz "Islamischer Staat" vor. Acht Wohnungen wurden durchsucht, sechs Männer zwischen 20 und 28 Jahren wurden vorläufig festgenommen. Die Festgenommenen sollen Anhänger des "IS" sein und möglicherweise Anschläge in Deutschland geplant haben. Die Anschlagsplanungen waren den Ermittlungen zufolge noch nicht abgeschlossen, sollen sich aber gegen ein öffentliches Ziel in Deutschland gerichtet haben. Am 31.1 Oktober 2017 wurde in Schwerin ein Syrer verhaftet. Innenminister de Maiziere betonte in seiner Pressemitteilung: "Die deutschen Sicherheitsbehörden haben unter Federführung der Bundessicherheitsbehörden Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt erneut einen schweren Terroranschlag in Deutschland verhindert." Der Beschuldigte war nach Angaben der Bundesanwaltschaft dringend verdächtig, die Begehung eines islamistisch motivierten Anschlags mit hochexplosivem Sprengstoff in Deutschland geplant und bereits konkret vorbereitet zu haben. Ermittlungsverfahren und Strafprozesse von Terrorverdächtigen Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Islamisten ist erneut angestiegen. Insgesamt finden in Deutschland derzeit rund 1.000 Ermittlungsverfahren mit islamistischem Bezug statt. Im Folgenden sind einige der Verfahren beispielhaft erwähnt. Die Bundesanwaltschaft hat am 1. Februar 2017 vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg Anklage gegen einen 18-jährigen syrischen Staatsangehörigen, einen 26-jährigen syrischen Staatsangehörigen und einen 19-jährigen syrischen Staatsangehörigen erhoben. Die Angeschuldigten sind hinreichend verdächtig, sich als Mitglieder an der ausländischen terroristischen Vereinigung "IS" beteiligt zu haben (SSSS 129a, 129b StGB). Zwei der Angeschuldigten wird in der Anklageschrift darüber hinaus vorgeworfen, zur Täuschung im Rechtsverkehr eine verfälschte Urkunde gebraucht zu haben, der dritte Angeklagte soll dies versucht haben (SSSS 267, 22, 23 StGB). Am 20. März 2017 wurde vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz Anklage gegen einen 21-jährigen afghanischen Staatsangehörigen erhoben. Der Angeschuldigte ist hinreichend verdächtig, sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Taliban" beteiligt (SSSS 129a, 129b StGB) und in sechs Fällen Beihilfe zum versuchten gemeinschaftlichen Mord in jeweils mindestens einhundert Fällen (SSSS 211, 22, 23, 25 Abs. 2, SS 27 Abs. 2 StGB) geleistet zu haben. 66 Darüber hinaus ist er wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz (SS 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG) angeklagt. Am 31. Juli 2017 hat der Generalbundesanwalt (GBA) die Ermittlungen gegen den 26-jährigen Ahmad A. wegen des Messerattentats vom 28. Juli 2017 in einem Hamburger EDEKA-Markt wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernommen. Dem Beschuldigten wird Mord sowie versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen zur Last gelegt. Am Nachmittag des 28. Juli 2017 gegen 15.00 Uhr begab sich Ahmad A. in die EDEKA-Filiale in der Fuhlsbütteler Straße in Hamburg. Dort entnahm er aus dem Sortiment des Marktes ein Kochmesser mit einer Klingenlänge von etwa 20 cm. Mit diesem Messer stach er auf einen unmittelbar in seiner Nähe stehenden Kunden ein. Die Person erlitt mehrere Stichwunden, in deren Folge sie noch im Supermarkt verstarb. Anschließend stach Ahmad A. auf einen weiteren Kunden ein und fügte ihm akut lebensbedrohende Verletzungen zu. Danach verließ der Beschuldigte die EDEKA-Filiale. Auf der Straße stach er auf drei weitere Menschen ein und versetzte ihnen ebenfalls Stichverletzungen. Ahmad A. wurde schließlich von Passanten gestellt und festgehalten. Zum Ende des Jahres hat die Bundesanwaltschaft hat am 27. November 2017 vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin Anklage gegen einen 30-jährigen syrischen Staatsangehörigen sowie einen 26-jährigen syrischen Staatsangehörigen erhoben. Die zwei Angeschuldigten sind hinreichend verdächtig, sich als Mitglieder an der "JaN" beteiligt zu haben (SSSS 129a, 129b StGB). Darüber hinaus besteht bei einem der Angeschuldigten der hinreichende Tatverdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an dem sogenannten "IS". Reisebewegungen Reisebewegungen in Richtung Syrien und Irak sind 2017 weitestgehend zum Erliegen gekommen. Es liegen derzeit Erkenntnisse zu mehr als 970 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des Islamischen Staates und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Derzeit werden nur noch vereinzelt Ausreisesachverhalte bekannt. Die jüngsten Erhöhungen sind überwiegend nicht auf aktuelle, sondern nachträglich bekannt gewordene Ausreisen zurückzuführen. Etwa ein Fünftel der gereisten Personen ist weiblich. Der überwiegende Teil der insgesamt ausgereisten Personen ist jünger als 30 Jahre. Nicht in allen Fällen liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien/Irak aufhalten oder aufgehalten haben. Teilweise werden die Ausreisen erst mit zeitlicher Verzögerung bekannt. Etwa ein Drittel dieser gereisten Personen befindet sich momentan wieder in Deutschland. Zu der Mehrzahl dieser Rückkehrer liegen keine belastbaren Informationen vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen in Syrien/Irak beteiligt haben. Im Zusammenhang mit fortschreitenden Gebietsverlusten des IS sind pressewirksame Sachverhalte von im Kampfgebiet festgenommenen Personen aus Deutschland bekannt. Eine verstärkte Rückreisetendenz zeichnet sich bislang jedoch nicht ab. Als Ergebnis der kontinuierlichen Ausund Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden aktuell zu über 80 Personen Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben. Ferner liegen zu ca. 160 Personen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind. Die Anzahl der behördlich verhängten Ausreiseverbotsverfügungen bewegt sich im niedrigen dreistelligen Bereich. Die Migrationsbewegungen wiederum in Richtung Deutschland stellen die deutschen Sicherheitsbehörden weiterhin vor vielseitige Herausforderungen. Besonderes Augenmerk kommt der Einreise von Mitgliedern, Unterstützern und Sympathisanten islamistischer Terrororganisationen zu. Deutschland ist das Ziel einer hohen Anzahl von Menschen, die unter anderem aus Krisengebieten des Nahen Ostens und Afrikas stammen. Unter ihnen befinden sich zum Teil Personengruppen, die die gesetzliche Aufgabenwahrnehmung der Sicherheitsbehörden berühren. Dazu zählen insbeson67 dere Personen, die vor ihrer Flucht im Herkunftsland in unterschiedlichem Maße in jihadistische Organisationen eingebunden gewesen sein sollen. Bisweilen offenbaren sie diese Aktivitäten im Kontakt mit deutschen Behörden. Dabei schildern sie beispielsweise den Aufenthalt in einem islamistisch-terroristischen Trainingslager oder die Teilnahme an gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Regierungskräften des Herkunftslandes. Aufklärung erfordern darüber hinaus die Aktivitäten von Personen, die auch nach ihrer Flucht Verbindungen zu jihadistischen Organisation aufweisen sollen. So gehen die deutschen Sicherheitsbehörden Hinweisen zu Personen nach, die unter dem Deckmantel von Migrationsbewegungen zur Erfüllung eines terroristischen Auftrags nach Europa gelangen. Sofern die Erkenntnislage einen Anfangsverdacht begründet, werden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Um die von eingereisten islamistischen Terroristen ausgehenden Gefahren abwehren zu können, erfolgt im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum ein enger Austausch der deutschen Sicherheitsbehörden. Ergänzt wird dies um eine bilaterale und multilaterale Kooperation mit europäischen und internationalen Partnern. 6.2.5 Internet und andere Medien Die Radikalisierung von jungen Menschen kann insbesondere über im Internet abrufbare islamistische Propaganda erfolgen. Das Internet dient Islamisten als wichtiges Medium zur Kontaktpflege, Verbreitung von Propaganda und Rekrutierung von neuen Anhängern. Ihre Präsenz im Internet hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Nutzung sozialer Netzwerke im Internet bzw. entsprechender Programme wie Twitter, WhatsApp, Facebook, Youtube oder Telegramm erhöht. Popularität genießen auch jihadistische Kampflieder, sogenannte "Nasheeds". Da in den Liedern keine Instrumente benutzt werden, stellen sie entsprechend einer strengen islamischen Auslegung die einzige legitime Musikform dar. Die Kampflieder stammen ursprünglich aus dem mystischen Islam (Sufismus). In den 1980er-Jahren, während des Krieges in Afghanistan, entdeckten Jihadisten diese Kampflieder für sich und unterlegen damit oft musikalisch ihre Propagandavideos. Onlinemagazine Islamistische Propaganda wird längst nicht mehr ausschließlich auf Arabisch, sondern auch in europäischen Sprachen verbreitet. Das bekannteste Propagandamagazin des "IS" ist "Rumiyah" (Rom), das auf Englisch, Französisch, Deutsch, Türkisch, Russisch, Indonesisch und Uigurisch herausgegeben wird. Es ruft unter anderem zu Anschlägen im Westen auf und beschreibt beispielsweise, wie man am effektivsten Angriffe mit einem Messer ausführt. Bereits extremistisch motivierte Personen werden durch die Berichterstattung aufgeheizt und motiviert, sich am bewaffneten Kampf für die vermeintlich gemeinsame Sache zu beteiligen. Das Propagandamagazin "Rumiyah" des "IS" 6.3 Salafistische Bestrebungen Der Salafismus gilt sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. Ihr werden in Deutschland derzeit ca. 11.000 Personen und in Bremen rund 500 Personen zugerechnet. Eine exakte 68 Bezifferung des salafistischen Personenpotenzials ist aufgrund von strukturellen Besonderheiten der Szene schwierig. So weisen zahlreiche salafistische Personenzusammenschlüsse keine festen Strukturen auf. Gleichzeitig finden sich Salafisten in anderen islamistischen Organisationen und Einrichtungen. Salafismus leitet sich vom arabischen Begriff "Salafiyya" ab, der eine Strömung des Islams bezeichnet, die sich ideologisch an den sogenannten "Salaf as-Salih" ("die frommen Altvorderen"), also den ersten drei Generationen der Muslime orientiert. Salafisten versuchen deren Lebensweise detailgetreu zu kopieren. Die Anhänger dieser Ideologie sind der Überzeugung, dass Probleme der Gegenwart durch die Rückbesinnung auf den "wahren Urislam" gelöst werden können. Dazu legen sie die islamischen Quellen, Koran und Sunna, wortwörtlich aus. Anpassungen der Islamauslegung an veränderte gesellschaftliche und politische Gegebenheiten werden durch die Salafisten als "unislamisch" kategorisch abgelehnt und führen - so die Vorstellung - zwangsläufig zum "Unglauben". Auch im Alltag orientieren sich viele Salafisten an den Lebensumständen der frühislamischen Zeit. Zum Beispiel befolgen sie spezielle Zahnputztechniken, tragen nach dem Vorbild des Propheten Mohammed knöchellange Gewänder oder Vollbärte und propagieren die Vollverschleierung der Frau. Die Ideologie des Salafismus lässt sich in eine politische und eine jihadistische Strömung unterteilen. Vertreter des politischen Salafismus stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit, um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten sowie politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Anhänger des jihadistischen Salafismus hingegen glauben, ihre Ziele durch Gewaltanwendung realisieren zu können. Die Übergänge zwischen beiden Formen sind fließend. In Deutschland lebende Anhänger lassen sich sowohl dem politischen als auch dem jihadistischen Salafistenspektrum zuordnen. Die Ideologie, die ihrer Interpretation der "Scharia" absoluten Geltungsanspruch einräumt, verstößt in mehreren Punkten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. So lehnen Salafisten die Demokratie als politisches System grundsätzlich ab, da nur Gott Gesetze erlassen dürfe. Des Weiteren verletzen die in der "Scharia" vorgeschriebenen Körperstrafen für Kapitalverbrechen, die körperliche Züchtigung der Frau und die Beschränkung ihrer Freiheitsrechte sowie die fehlende Religionsfreiheit die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Salafistische Aktivitäten in Deutschland Die salafistische Szene in Deutschland ist sehr heterogen, was ihre Struktur und Gewaltaffinität betrifft. Die salafistischen Vereine veranstalten in regelmäßigen Abständen bundesweit sogenannte "Islamseminare", in denen sie ihre salafistische Ideologie vermitteln. Finanzielle Unterstützung erhalten sie vor allem aus SaudiArabien, dort stellt der Salafismus die offizielle Islaminterpretation dar. In den vergangenen Jahren hatte der Salafismus eine wachsende Anziehungskraft insbesondere auf junge Menschen. Der bekannteste salafistische Verein in Deutschland war der Verein "Einladung zum Paradies e.V." (EZP). Einem angestrebten Verbotsverfahren kam der Verein im Jahr 2011 durch seine Selbstauflösung zuvor. Seine Mitglieder sind jedoch weiterhin aktiv. Der Verein EZP war vor allem wegen umstrittener und Aufsehen erregender Vorträge seiner Prediger bekannt. Insbesondere der Konvertit Pierre Vogel, der seine Botschaften stets mit Charisma vorträgt, ist bei jungen Muslimen populär. Gleiches gilt für dessen Weggefährten Sven Lau, der ebenfalls bundesweit agiert. Lau befindet sich seit dem 15. Dezember 2015 in Untersuchungshaft, da er verdächtigt wird, die Terrororganisation "Jaish al-Muhadjirin wal-Ansar" in Syrien unterstützt zu haben. Darüber hinaus machte Lau bereits im September 2014 Schlagzeilen, als er die 69 Gründung einer "Scharia-Polizei" bekannt gab. Zusammen mit einer Gruppe von Gleichgesinnten zog er damals durch die Wuppertaler Innenstadt und riet anderen Muslimen zu einem islamkonformen Verhalten. Zudem lud er sie in die "Darul Arqam Moschee" ein, die als Zentrum der Salafisten um Pierre Vogel gilt. Das aktive salafistische Netzwerk "Die wahre Religion" (DWR) hatte sich die missionarische Verbreitung der "reinen Form" des Islams zur Aufgabe gemacht. Das Netzwerk propagierte die salafistische Ideologie über bundesweit stattfindende Vorträge und Seminare sowie seine Internetseite. Die meist emotional gehaltenen Vorträge zielten auf die Radikalisierung ihrer Zuhörer. Die Prediger versuchten insbesondere mit dem Vorwurf der Untätigkeit, ihre Zuhörer zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" zu bewegen. Der Hauptakteur des Netzwerkes DWR war der salafistische Prediger Ibrahim Abou Nagie. Im Rahmen des von Nagie initiierten Projektes "LIES! Im Namen Deines Herrn, der Dich erschaffen hat" wurde der Koran kostenlos verteilt. Bundesweit gab es seit dem Jahr 2012 zahlreiche Verteilaktionen, davon mehrere in Bremen und Bremerhaven. Der Koran wurde mit dem Ziel verteilt, vor allem Jugendliche langfristig in salafistische Netzwerke einzubinden. Für die Beteiligung an Verteilaktionen ist keine formelle Mitgliedschaft im salafistischen Netzwerk DWR nötig, vielmehr konnten Interessierte entsprechendes Material über die Internetseite anfordern. Für viele junge Menschen war die Aktion deshalb attraktiv, weil sie in ihren Augen dem Abbau von Vorurteilen gegenüber der Religion des Islam diente. Insofern verwies die Beteiligung einer Person an einer solchen Verteilaktion nicht zwangsläufig auf ihre salafistische Einstellung. Am 15. November 2016 wurde DWR durch das Bundesministerium des Innern (BMI) verboten. In der Verbotsverfügung heißt es, "Die wahre Religion" richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung und vertrete einen totalitären Anspruch. Die Vereinigung befürwortet demnach den bewaffneten "Jihad" und stellt ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungsund Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für solche Personen dar, die aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach Syrien beziehungsweise in den Irak ausreisen wollen. Aus einer Studie des BKA geht hervor, dass ein Viertel der aus Deutschland nach Syrien und in dem Irak ausgereisten Personen zuvor Kontakt mit der "LIES"-Aktion gehabt hatten. Nachdem im Dezember 2017 die Klage gegen das Verbot überraschend zurückgenommen wurde, ist dieses nun rechtskräftig. Der salafistische Verein "Dawa FFM" und die dazugehörige Internetplattform "Islamische Audios" wurde im März 2013 wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung durch das BMI verboten. Hintergrund des Verbots war die Verbreitung salafistischer Ideologie sowie Aufrufe zu Gewalt im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Salafisten und der Polizei im Rahmen des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes 2012. Mit derselben Begründung war im Jahr 2012 bereits die salafistische Vereinigung "Millatu Ibrahim" (MI, "die Gemeinschaft Abrahams") durch das BMI verboten worden. Der Verein hatte u.a. den "Jihad" und das Märtyrertum glorifiziert. Darüber hinaus hatte er sich für die Befreiung von in Deutschland inhaftierten Islamisten eingesetzt. Das Verbot, das auch Nachfolgebestrebungen einschloss, erstreckte sich im März 2013 folglich auch auf den Nachfolgeverein "an Nussrah". Der Name "Millatu Ibrahim" ist ein ideologischer Verweis auf das gleichnamige Hauptwerk des bekannten jihadistischen Ideologen Muhammad al-Maqdisi, welcher zurzeit in Jordanien inhaftiert ist. 70 Am 26. Februar 2015 hat das BMI die Vereinigung "Tauhid Germany" alias "Team Tauhid Media" als Ersatzorganisation von "Millatu Ibrahim" verboten. Zu dem Verbot gehörte auch die Abschaltung der Webseite ansarul-aseer.com, welche als Plattform salafistischer Gefangenenunterstützung diente. "Tauhid Germany" hatte salafistisches Propagandamaterial vor allem über das Internet verbreitet und nutzte hierzu vorrangig soziale Medien. Am 28. Februar 2017 wurde die Berliner "Fussilet-Moschee" verboten. Die Gebetsräume waren nach Erkenntnissen der Polizei ein Treffpunkt gewaltbereiter Islamisten. Auch der Berliner Attentäter Anis Amri verkehrte dort regelmäßig. Dem Verbotsantrag der Innenverwaltung gab das Verwaltungsgericht nach Angaben der Polizei bereits am 15. Februar statt. Vorsitzender von "Fussilet" war der selbst ernannte "Emir" Ismet D., der in Moabit durch seinen Islamunterricht Muslime - meist Türken und Kaukasier - für den "Jihad" in Syrien radikalisiert haben soll. In der Moschee soll auch Geld für Terroranschläge in Syrien gesammelt worden sein. Am 14. März 2017 wurde der "Deutschsprachige Islamkreis Hildesheim" in Niedersachsen durchsucht und verboten. Die Moschee sei ein Rekrutierungsort für Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" gewesen. Muslime seien dort zielgerichtet indoktriniert worden, um sie zur Ausreise Richtung Syrien und den Irak zu mobilisieren. Auch der Berliner Attentäter Anis Amri verkehrte mehrere Male in der Moschee. Schon im November des Vorjahres war in diesem Zusammenhang der Iraker Abu Walaa festgenommen worden. Er hatte wiederholt in den Räumen des Hildesheimer Vereins gepredigt. Abu Walaa gilt als prägende Figur der Salafisten-Szene, er soll viele Freiwillige für den Islamischen Staat rekrutiert haben und steht aus diesem Grund in Celle vor Gericht. Nur eine Woche später, am 23. März 2017, wurde in Kassel der salafistische Verein "al-Madinah" verboten. Dort hätten der hauptverantwortliche Imam und ein weiterer Geistlicher fortlaufend salafistische Predigten gehalten und offen zum Heiligen Krieg sowie zur Tötung Andersgläubiger aufgerufen. Dem Verbot waren laut Innenministerum monatelange Ermittlungen vorausgegangen. Auch der hessische Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt seien daran beteiligt gewesen. Die verschiedenen Aktivitäten der salafistischen Szene dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Es handelt sich um ein organisches Netzwerk, in dem die Grenzen zwischen militanten und nicht militanten Teilen oftmals verschwimmen. Statistisch gesehen reist jeder zehnte Salafist in Deutschland nach Syrien bzw. in den Irak aus. Diese Sogwirkung verdeutlicht die Gefahr, die vom Salafismus in Deutschland ausgeht. 6.3.1 Salafismus im Land Bremen Auch die salafistische Szene im Land Bremen mit rund 500 Anhängern ist heterogen in ihrer Zusammensetzung. Ausgehend von gewaltfreiem politischem Salafismus über gewaltunterstützende und -befürwortende bis hin zu gewalttätigen Anhängern der Ideologie findet sich jede beschriebene Facette auch im Land Bremen wieder. Nicht nur in Bremen, sondern auch bundesweit war im Jahr 2017 weiterhin ein starker Anstieg der Anhängerzahlen im Bereich Salafismus zu verzeichnen. Dies ist insbesondere der Tatsache geschuldet, dass die zunehmend bessere Aufklärung und die damit einhergehenden besseren nachrichtendienstlichen Zugänge in die Szene zu einer besseren Erkenntnislage führen. Zudem ist das Hinweisaufkommen durch Dritte weiterhin konstant hoch. Im Jahr 2017 waren unter anderem Ausreisefälle in Richtung Syrien und Irak ein Thema, mit dem sich Bremen auseinandersetzen musste. Hierbei spielten unter anderem zuvor ausgereiste Personen eine Rolle, die mit möglichen Kampferfahrungen bzw. -ausbildungen nach Bremen zurückkehrten. Aber auch die möglicherweise zurückkehrenden Frauen und Kinder aus den "Jihad"-Gebieten bilden einen Themenschwerpunkt. Ebenfalls von erheblicher Bedeutung für die Arbeit des Verfassungsschutzes ist die Bearbeitung von Hinweisen mit einem möglichen Bezug zum 71 Jihadismus. Bremer Salafisten schließen sich in Syrien jihadistischen Gruppen an Durch die Hinwendung zum Salafismus wird ein "Grundstein" für einen weiteren Weg der Radikalisierung bis hin zum Jihadismus gelegt. Dies wird in Bremen insbesondere durch sämtliche bislang bekannt gewordenen Fälle deutlich, in denen Bremer Personen sich nach Kontakten in die salafistische Szene zu einer Ausreise in jihadistische Kampfgebiete in Syrien oder dem Irak entschlossen haben. Die Ausreisen erfolgten zum Teil mit minderjährigen Kindern. Seit Januar 2014 sind den Sicherheitsbehörden in Bremen 30 Personen, darunter eine Jugendliche, bekannt geworden, die mit der Absicht Richtung Syrien reisten, sich dort agierenden jihadistischen Organisationen, mehrheitlich dem "IS", anzuschließen. Nicht in allen Fällen war die Ausreise erfolgreich, teilweise wurden die Personen bereits an der türkischen Grenze festgenommen und die Einreise nach Syrien verhindert. Fünf der 19 ausgereisten Bremer Männer sollen bereits bei Kampfhandlungen auf Seiten der Terrororganisation "IS" getötet worden sein. Insgesamt geht der Bremer Verfassungsschutz zudem von einer unbekannten Anzahl von weiteren Ausreisefällen aus. Bestätigt wird dies unter anderem durch die Aussage eines Bremer Rückkehrers, der angab, dass er Kenntnis von weiteren Bremer Personen habe, die sich in Syrien dem "IS" angeschlossen haben sollen. In bislang insgesamt 20 Fällen, darunter zwei Jugendliche, konnten die Bremer Sicherheitsbehörden gemeinsam mit dem Bremer Stadtamt mittels ausreiseverhindernder Maßnahmen eine Ausreise nach Syrien oder in den Irak bereits im Vorfeld verhindern. Hierbei wurden in der Regel Ausreiseverbote verfügt und Meldeauflagen verhängt. Seit Beginn des Jahres 2017 stagniert die Zahl der Ausreisefälle aus Bremen. Im Rahmen von Ermittlungen werden zwar weiterhin sogenannte "Altfälle" festgestellt, neue Fälle kommen jedoch kaum hinzu. Mit einer besonderen Herausforderung sehen sich die Sicherheitsbehörden in Deutschland, darunter auch in Bremen, durch Männer, Frauen und Kinder konfrontiert, die aus dem Kriegsgebiet in Syrien bzw. dem Irak nach Deutschland zurückkehren. Problematisch ist hierbei hinsichtlich möglicher strafrechtlicher Verfahren häufig der Nachweis, dass die sogenannten "Rückkehrer" in Syrien aktiv an Kämpfen teilgenommen haben oder auch nur militärisch geschult wurden. Hinzu kommt die mögliche Traumatisierung der Personen durch das im Kampfgebiet Erlebte. Derzeit sind neun der aus Bremen ausgereisten Personen wieder nach Bremen zurückgekehrt. Es liegen in drei Fällen Erkenntnisse vor, dass aus Bremen ausgereiste Frauen mit ihren Kindern im irakischen oder auch syrischen Grenzgebiet in sogenannten "Camps" untergebracht sein sollen und von dort auf eine Weiterreise hoffen. Der Bremer Verfassungsschutz hat sich dieser Problematik der möglichen Rückkehr von Menschen aus den "Jihad"-Gebieten angenommen und im Herbst 2017 einen behörden-übergreifenden Bericht verfasst, um insbesondere Sozialund Bildungsbehörden für dieses Thema zu sensibilisieren. Bislang sind den Sicherheitsbehörden elf Frauen bekannt, die mit insgesamt 13 Kindern, überwiegend im Kleinkindalter, nach Syrien ausreisten. Bekannt ist, dass im "Jihad"-Gebiet weitere Kinder geboren worden sein sollen. Bislang ist kein Fall bekannt, in dem eine der Bremer Frauen verstorben sein soll. Somit kann die Rückkehr weiterer, möglicherweise an Waffen ausgebildeter, aber auch ideologisch indoktrinierter oder auch traumatisierter Menschen nicht ausgeschlossen werden. Strafrechtliche Verfolgung von Bremer Rückkehrern Am 13. September 2017 erfolgte die Festnahme eines in Bremen wohnhaften 28-jährigen Mannes. Dem russischen Staatsbürger tschetschenischer Herkunft wird von der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Hamburg vorgeworfen, sich während eines Syrienaufenthaltes an Kampfhandlungen des IS beteiligt zu haben. 72 Das Verfahren dauert weiter an. In einem weiteren Fall wurde ein 29-jähriger Mann bei seiner Rückkehr im Juli 2015 am Bremer Flughafen verhaftet und am 5. Juli 2016 durch das Oberlandesgericht Hamburg zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Gericht sah die Mitgliedschaft des Beschuldigten in einer terroristischen Vereinigung in drei Fällen als erwiesen an; Davon in einem Fall in Tateinheit mit dem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über ein vollautomatisches Sturmgewehr und in einem Fall in Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe nebst Patronenmunition. Beweiserheblich war hierbei ein am 5. August 2015 via Internet veröffentlichtes Drohund Hinrichtungsvideo des "IS", in dem unter anderem der Beschuldigte und ein weiterer aus Bremen ausgereister Mann mitwirkten. Es handelte sich seinerzeit um das erste deutschsprachige Propagandavideo mit dem Titel "Der Tourismus der Umma". Botschaft dieses Videos ist insbesondere die Anwerbung von Ausreisewilligen zur Teilnahme am bewaffneten Kampf des "IS" sowie der Aufruf dazu, Anschläge in Deutschland zu verüben. Am Ende des etwa fünfminütigen Films erfolgt die Hinrichtung von zwei Gefangenen. Am 25. November 2016 leitete der Generalbundesanwalt (GBA) ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den 29-Jährigen ein, das am 10. Juli 2017 vor dem Oberlandesgericht zur Anklage gebracht wurde. Bei dem verfahrenserheblichen Beweismittel handelte es sich wiederum um ein Hinrichtungsvideo des "IS", das die US-amerikanische Tageszeitung "Washington Post" erhielt und im Oktober 2016 veröffentlichte. Laut GBA bestanden nach Sichtung des neuen Videos zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass sich der Beschuldigte im Juni 2015 in Palmyra/ Syrien als Angehöriger eines zusammengestellten Trupps des "IS" an der Hinrichtung von insgesamt sechs Gefangenen des "IS" beteiligte. Die Mordanklage wurde durch den Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Hamburg am 12. Oktober 2017 abgelehnt. Grund für die Ablehnung ist das im Grundgesetz verankerte Verbot der Doppelbestrafung. Verurteilung eines aus Bremen ausgereisten Mannes in der Türkei Neben dem verurteilten Bremer wirkte in dem Hinrichtungsvideo "Der Tourismus der Umma" auch ein zweiter junger Mann aus Bremen mit. Laut türkischer Medienberichterstattung wurde dieser im Januar 2017 wegen Terrorismusverdachts durch türkische Behörden festgenommen und ist seitdem in der Türkei inhaftiert. Am 28. Dezember 2017 wurde der Angeklagte nach fünf Verhandlungstagen von der 14. Strafkammer in Ankara wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation "Daesh" zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Zusätzlich wurde der Angeklagte wegen Falschaussage und Fälschung eines offiziellen Dokumentes zu einer Haftstra"IS"-Propagandavideo mit fe von 75 Tagen verurteilt. Diese Strafe wurde in eine Geldstrafe in Höhe von 1.500,Bremer Akteuren türkischen Lira (ca. 330 Euro) umgewandelt. Jihadistische Verdachtsund Gefährdungssachverhalte Die Anzahl der sogenannten jihadistischen Verdachtsund Gefährdungssachverhalte, die durch das LfV Bremen bearbeitet werden, ist weiterhin konstant hoch. Diese jihadistischen Sachverhalte betreffen u.a. mögliche Einreisen von jihadistischen Zellen und Kämpfern nach Deutschland, so auch Bremen, mit dem vermuteten Ziel, Anschläge zu planen oder zu begehen. Auch erreichen das LfV Hinweise auf Terrorfinanzierungen oder logistische Unterstützungshandlungen von jihadistisch motivierten Personen oder Bestrebungen. Maßnahmen der Sicherheitsbehörden im Flüchtlingskontext Bislang fanden seit dem Jahr 2015 rund 15.000 Menschen im Land Bremen Zuflucht vor insbesondere Krieg und Zerstörung im Heimatland. Auch wenn die Zahlen stark rückläufig sind, so stellt die Einreise so vieler Menschen weiterhin die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern vor erhebliche Herausforderungen. Da bundesweit, aber auch in Bremen, im Verlauf des Jahres 2015 eine Kontaktaufnahme von Sala73 fisten zu Flüchtlingen in Unterbringungseinrichtungen festzustellen war, regte das Landesamt für Verfassungsschutz in Zusammenarbeit mit der Polizei Bremen zahlreiche Gespräche mit weiteren im Flüchtlingskontext betroffenen Behörden an. In der Folge wurden fortdauernd durch den Verfassungsschutz Bremen zahlreiche Träger der Unterbringungseinrichtungen und vor Ort verantwortliches Personal zum Thema Salafismus geschult. Des Weiteren wurde in Kooperation zwischen Bremer Verfassungsschutz, Polizei und der Sozialbehörde eine Broschüre erstellt, die an die Mitarbeiter der Einrichtungen verteilt wurde. Die Broschüre mit dem Titel "Religiös motivierter Extremismus als Gefährdung für Flüchtlinge - Handreichung für die Aufnahmeeinrichtungen in Bremen" macht auf die Gefahren des Islamismus und hier insbesondere des Salafismus aufmerksam und soll die Mitarbeiter sensibilisieren. Insgesamt zeigten diese Maßnahmen Erfolg, denn im Verlauf der Jahre 2016 und 2017 konnte bundesweit ein Rückgang der Kontaktaufnahmen von hier lebenden Salafisten zu Flüchtlingen verzeichnet werden. Auf der anderen Seite erreichen die Sicherheitsbehörden, so auch das LfV Bremen, weiterhin zahlreiche Hinweise unterschiedlichen Ursprungs auf möglicherweise radikalisierte Personen unter den Flüchtlingen bzw. Hinweise auf Personen, die in ihren Heimatländern islamistischterroristischen Organisationen angehört haben bzw. diese unterstützt haben sollen. In nicht wenigen Fällen stellen sich solche Hinweise als Denunzierungsversuche ohne tatsächliche Grundlage heraus. In anderen Fällen wiederum führt der Weg der Ermittlungen zu Verfahren der Sicherheitsbehörden. Ausländerrechtliche Maßnahmen - Ermittlungen der Sicherheitsbehörden führen zu Abschiebungen Der Senator für Inneres in Bremen prüft fortwährend das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für aufenthaltsbeendende Maßnahmen von unter anderem politisch motivierten Straftätern, aber auch sonstigen Personen, die im Fokus der Bearbeitung von Bremer Sicherheitsbehörden stehen. So führten Ermittlungen der Sicherheitsbehörden in Bremen im Jahr 2017 in insgesamt vier Fällen zu Abschiebungen. In zwei Fällen erfolgte die Abschiebung im Rahmen des SS 58a AufenthG, wonach gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen werden kann. In einem Fall erfolgte am 04. September 2017 die Abschiebung eines 18-jährigen russischen Staatsangehörigen und in einem weiteren Fall die Abschiebung eines 36-jährigen Mannes am 10. Januar 2018 nach Algerien. Beide Männer befanden sich zuvor mehrere Monate in Abschiebehaft. Im Fall des russischen Staatsangehörigen befasste sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit dem Fall und hob die einstweilige Anordnung auf, woraufhin die Abschiebung erfolgen konnte. Das Hauptsacheverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Im Fall des algerischen Staatsangehörigen stimmte das Bundesverwaltungsgericht einer Abschiebung zu, erteilte jedoch die Auflage, dass zunächst eine Zusicherung von algerischer Seite einzuholen sei, dass dem Betroffenen im Heimatland keine Folter drohe. Auch hier steht im Hauptsacheverfahren eine Entscheidung noch aus. In zwei weiteren Fällen erfolgten die Abschiebungen eines Mannes nach Algerien am 25. Oktober 2017 sowie eines weiteren Mannes am 27. Oktober 2017 ebenfalls nach Algerien. In allen Fällen waren die Personen Anhänger der salafistischen Szene in Bremen, teilweise mit deutlichen Bezügen zum Jihadismus. Vereinsrechtliche Maßnahmen - Bremer Innensenator verbietet Ersatzorganisation Am 16. Februar 2016 verfügte der Senator für Inneres Bremen das Verbot und die sofortige Auflösung einer Ersatzorganisation des im Dezember 2015 verbotenen "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF). Mit dem verkündeten Verbot war es dem Verein 74 auch untersagt, seine Aktivitäten in anderen Organisationen fortzusetzen. Nachfolgeorganisationen sind von Gesetzes wegen verboten. Wie das Landesamt für Verfassungsschutz feststellte, gründeten ehemalige Anhänger des KuF wiederum in Bremen unter dem Deckmantel eines Vereins mit der Bezeichnung "Islamischer Förderverein Bremen e.V." eine Ersatzorganisation. Das Verbot ist noch nicht bestandskräftig, das gerichtliche Verfahren dauert derzeit noch an. Bei dem Verbot des KuF im Jahr 2014 handelte es sich deutschlandweit erstmalig um das Verbot eines Unterstützungsvereins des "IS". Der KuF war in den vorangegangenen Monaten insbesondere durch die Ausreisen mehrerer Personen aus dem Verein und dessen Umfeld aufgefallen. In der zusammenfassenden Bewertung des Innensenators wurde festgestellt, dass sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Gerade durch die von den führenden Mitgliedern des KuF in den Freitagspredigten verbreitete Ideologie wurde die verfassungsmäßige Ordnung ebenso wie der Gedanke der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig beeinträchtigt. Die Anhänger des KuF pflegten eine besonders radikale Form des Salafismus. Hierbei wurde vom Großteil der Anhänger der Schwerpunkt auf das Konzept der "Takfir"-Ideologie gelegt. "Takfir" bedeutet wörtlich "Exkommunikation", d.h. einen Muslim zu einem Ungläubigen (Kafir) zu erklären. "Ungläubige" sind nach Auffassung der Vereinsanhänger zu bekämpfen und der Abfall vom Glauben ist zumindest theoretisch mit dem Tode zu bestrafen. In der Überbetonung des "Takfir"-Konzeptes und der mindestens in Teilen gehegten Sympathie mit dem gewaltsamen "Jihad" begründete sich das hohe Maß an Radikalität des Vereins und seiner Anhänger. Die Anhänger selbst bezeichneten sich als "Al Muwahidun" oder "Ansar at-tawhid", was so viel wie "Die Anhänger des Einheitsglaubens" bedeutet. Damit erklärten sie sich zu den einzig wahren Muslimen und werteten sogar andere Muslime, die nicht ihrer ideologischen Linie folgen, ab. 6.3.2 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) Personenpotenzial: 400-500 zum Freitagsgebet Der salafistische Verein "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) gründete sich im Jahr 2001. Das wöchentlich stattfindende Freitagsgebet im IKZ ist mit 400 bis 500 Besuchern das am stärksten frequentierte Gebet. Die Besucher stammen größtenteils aus Nordafrika, der Türkei sowie vom Balkan. Als Vorbeter fungieren nach wie vor führende Vertreter des IKZ, die die "Missionierungsarbeit" ("Da'wa") als ihre religiöse Gebäude des IKZ in Pflicht betrachten. Bremen-Mitte Die salafistische Ausrichtung des Vereins kommt regelmäßig in Vorträgen, Seminaren und Predigten zum Ausdruck. Auch im Jahr 2017 fanden eine Reihe von Vortragsveranstaltungen statt, so u.a. das alljährliche Seminar zum Jahreswechsel mit salafistischen Predigern aus Süddeutschland oder das Seminar zu den Grundlagen der Koraninterpretation mit Shaikh Ahmed Ibrahim aus Ägypten. Während dieser meist mehrtägigen Seminare bietet das IKZ Schlafmöglichkeiten innerhalb der Moschee an, die von auswärtigen Besuchern genutzt werden. Zudem besteht gelegentlich die Möglichkeit, solche Seminare über die Profilseite des IKZ bei Facebook live zu verfolgen und Fragen an den jeweiligen Prediger zu stellen. Die Seminare weisen rein religiöse, aber dennoch eindeutig salafistische Inhalte auf. So versucht das IKZ die salafistische Ideologie unter seinen Besuchern zu stärken und weiter zu verbreiten. Wie bereits im letzten Jahr fand 2017 während des muslimischen Fastenmonats 75 Ramadan jeden Abend das sogenannte Fastenbrechen (Iftar) statt, zu dem sich viele Gläubige in der Moschee versammelten, um gemeinsam zu essen. Nach wie vor finden im IKZ regelmäßig "Islamunterrichte" für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene statt. Für Frauen gibt es separaten Unterricht im Sinne der Geschlechtersegregation. 6.4 "Hizb Allah" Personenpotenzial: ca. 950 in Deutschland ca. 60 in Bremen Die libanesische Organisation "Hizb Allah" ("Partei Gottes") wurde im Jahr 1982 maßgeblich auf Initiative des Iran nach dem Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon gegründet. Bis heute wird die islamistisch-schiitische Organisation vom iranischen Regime finanziell und materiell unterstützt. Der "revolutionäre Iran" dient Flagge der der "Hizb Allah" auch ideologisch als Vorbild. So bestand ein Kernziel bis in die "Hizb Allah" 1990er-Jahre darin, eine "islamische Revolution" auch im Libanon auszulösen, an dessen Ende die Errichtung eines schiitischen Gottesstaates stehen sollte. Aufgrund der politischen Entwicklungen rückte dieses Ziel jedoch in den Hintergrund. Im Fokus steht nunmehr der Schutz des libanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen und die Zerstörung des Staates Israels, dem die "Hizb Allah" das Existenzrecht abspricht. Im Libanon verfolgt die "Hizb Allah" ihre Ziele sowohl auf parlamentarischem als auch auf außerparlamentarischem Wege. Einerseits verfügt sie über eine Partei, die über eine Fraktion im libanesischen Parlament vertreten und an der libanesischen Regierung beteiligt ist. Andererseits erfährt die "Hizb Allah" großen Rückhalt in der Bevölkerung, unter anderem auch deshalb, weil sie zahlreiche soziale Einrichtungen unterhält, wie zum Beispiel Krankenund Waisenhäuser oder Schulen. "Hizb Allah" unterhält einen militärischen Arm, dessen paramilitärische Einheiten seit 2012 im syrischen Bürgerkrieg auf Seiten der Regierung gegen die zahlreichen Oppositionsgruppen kämpfen. Seit dem Jahr 2014 wird der militärische Arm der "Hizb Allah" von der EU als Terrororganisation gelistet. Die "Hizb Allah" in Deutschland und Bremen In Deutschland bemüht sich die "Hizb Allah" um den Aufbau von Organisationsstrukturen. Hierzu zählen insbesondere "Moschee-Vereine", in denen sich ihre Anhänger vorwiegend organisieren. Bundesweit verfügt die Organisation über etwa 950 Anhänger. Entgegen der Situation im Libanon beschränken sich die Aktivitäten der "Hizb Allah" in Deutschland vor allem auf die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen, Spendensammlungen und Demonstrationen. Die ca. 60 Anhänger der "Hizb Allah" in Bremen sind in dem Verein "Al-MustafaGemeinschaft e.V." organisiert. Dieser arabisch-schiitische Kulturverein fungiert als Anlaufstelle für schiitische Muslime in Bremen, insbesondere aus dem Libanon. Die "Al-Mustafa-Gemeinschaft" unterstützt die "Hizb Allah" im Libanon insbesondere durch die Sammlung von Spendengeldern. Von besonderer Bedeutung war in diesem 76 Zusammenhang der bundesweit tätige Spendenverein "Waisenkinderprojekt Libanon Logo "Al-Mustafae.V.", dessen Zweck in erster Linie in der finanziellen Unterstützung der HinterbliebeGemeinschaft" nen gefallener "Hizb Allah"-Kämpfer bestand. Am 8. April 2014 wurde der Verein vom Bundesministerium des Innern verboten. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2015 wurde das Verbot bestandskräftig. Neben gemeinsamen religiösen Aktivitäten, wie etwa dem im schiitischen Glauben bedeutsamen Aschura-Fest anlässlich des Märtyrertodes des Imam Hussein, veranstaltet der "Al-Mustafa-Gemeinschaft e.V." auch Treffen und Diskussionsveranstaltungen. Dieses Engagement verfolgt das Ziel, die in Bremen lebenden Libanesen an ihre Heimat zu binden und die libanesische Kultur aufrechtzuerhalten. Die Teilnehmerzahlen variieren je nach Veranstaltung stark, können sich aber auf bis zu 800 Personen belaufen. Wie jedes Jahr beteiligten sich auch 2017 Sympathisanten und Anhänger der "Hizb Allah" aus ganz Deutschland öffentlich an der anti-israelischen Demonstration zum internationalen "al-Quds"-Tag ("Jerusalem-Tag") am 23. Juni 2017 in Berlin. Dieser findet, dem Aufruf von Ayatollah Khomeini folgend, seit 1979 jährlich in Berlin Einladung zum statt. Regelmäßig nehmen auch Teilnehmer aus Bremen an der Demonstration Aschura-Fest anlässlich des "al-Quds"-Tages teil. 7 Ausländerextremismus 77 Seitenzahl 79 7.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 87 7.2 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland" (ADÜTDF) 89 7.3 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 78 7 Ausländerextremismus Die Geschehnisse in der Türkei und Syrien spiegelten sich auch in Deutschland durch ein verstärktes Demonstrationsgeschehen und eine gesteigerte Emotionalisierung der Anhänger der verschiedenen Organisationen wider. Dies wurde z.B. bei der Abstimmung zum Referendum über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsi-dialsystems in der Türkei deutlich. Unter den Anhängern der PKK und der PKK-nahen Organisationen wurde das Referendum mit großer Sorge betrachtet. Sie haben - genauso wie die türkischen Organisationen - Busreisen von Bremen zum türkischen Konsulat in Hannover organisiert, um möglichst viele Anhänger zur "Neinbzw. Ja-Abstimmung" zu bewegen. In Deutschland waren ca. 1,4 Millionen hier lebende Türken wahlberechtigt. Knapp die Hälfte von ihnen ist zur Wahl gegangen. Die Wahlbeteiligung im Wahlbezirk Hannover - zu dem u.a. das Land Bremen dazugehört - lag bei ca. 40,5%, die Mehrheit hat mit "Ja" abgestimmt. Die türkische Regierung hat ihren Kurs gegen ihre Gegner indes fortgesetzt. Weitere Festnahmen von Akademikern, Journalisten und Oppositionellen haben die Spannungen zwischen den Lagern weiter vergrößert und in Deutschland sowohl die Regierungstreuen als auch die Regierungsgegner auf die Straßen geholt. Entwicklung extremistischer "Ausländerorganisationen" in Deutschland Die extremistischen "Ausländerorganisationen" in Deutschland sind stark von Ereignissen und Entwicklungen in ihren Herkunftsländern abhängig. Im Gegensatz zu islamistischen Organisationen orientieren sie sich nicht an einer religiös-politischen Weltanschauung, sondern an weltlichen, politischen Ideologien oder Anschauungen. Die Zielrichtungen von ausländerextremistischen Organisationen lassen sich im Wesentlichen in linksextremistische, nationalistische und ethnisch motivierte Autonomieund Unabhängigkeitsbestrebungen unterteilen. Die "Ausländerorganisationen" sind nicht autark, sondern meistens Teil einer "Mutterorganisation" im Herkunftsland oder zumindest ideologisch eng mit einer solchen verbunden. Gesellschaftliche und politische Konflikte aus anderen Teilen der Welt werden durch Migration und den Zuzug von Arbeitskräften nach Deutschland importiert. Von der Finanzkraft der hier lebenden und arbeitenden Ausländer profitieren auch extremistische Organisationen in den Heimatländern. Vielfach gründeten sie "Exilvereine" in Deutschland. Heute ist Deutschland für extremistische Ausländerorganisationen in unterschiedlicher Intensität ein Rückzugsund Rekrutierungsraum und dient ihnen zur Beschaffung von Material und finanziellen Mitteln. Zu den Aufgaben des LfV gehört die Beobachtung von Bestrebungen, die auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland durch Gewalt gefährden. Dies ist gegeben, wenn ausländische Gruppierungen von hier aus gewaltsame Aktionen im Heimatstaat unterstützen, etwa durch Aufrufe zur Gewalt oder durch logistisch-finanzielle Hilfe. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann auch durch ausländerextremistische Bestrebungen gefährdet sein, wenn Kaderstrukturen beabsichtigen, demokratische Grundregeln in Deutschland außer Kraft zu setzen. Im Jahr 2017 umfasste das ausländerextremistische Personenpotenzial in Deutschland rund 30.000 Personen, dabei stammen die Gruppierungen aus verschiedenen Herkunftsländern. In Bremen nehmen die drei türkischen Organisationen "Arbeiter79 partei Kurdistans" (PKK), "Revolutionäre Volksbefreiungs-Front" (DHKP-C) und die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) einen besonderen Stellenwert ein, wobei erstere eher linksextremistisch und die zuletzt genannte nationalistisch ausgerichtet ist. 7.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Personenpotenzial: ca. 14.500 in Deutschland ca. 480 in Bremen Flagge der Die größte Gruppe unter den ausländischen Extremisten in Deutschland sind im Jahr PKK-Nachfolgeorganisation 2017, mit etwa 14.500 Personen, die Anhänger der verbotenen kurdischen Organisa"Kongra Gel" tion "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die PKK sowie ihre Nachfolgeorganisation "Kongra Gel" sind in Deutschland seit 1993 bzw. 2004 aufgrund vielfältiger, teilweise gewaltsamer Unterstützungshandlungen ihrer hier lebenden Anhänger verboten. Die EU stuft die PKK seit 2002 als terroristische Organisation ein. Die kurdischen Extremisten stellen mit rund 480 Anhängern auch in Bremen die mitgliederstärkste Gruppe unter den extremistischen "Ausländerorganisationen" dar. Sie organisieren sich überwiegend im "Verein zur Förderung demokratischer Gesellschaft Kurdistans" ("Birati e.V."), der als regionales Ausführungsorgan der PKK fungiert. In den 1990er-Jahren waren im Zusammenhang mit dem Verbot der PKK in Bremen vier "Unterstützervereine" sowie deren Nachfolgeorganisationen verboten worden. Die PKK-Anhänger in Bremen gründeten jedoch unmittelbar nach den Verboten neue Vereine. Entwicklung der PKK Die 1978 von dem noch heute amtierenden PKK-Führer Abdullah Öcalan gegründete Organisation erhebt den Anspruch, alleinige Vertreterin aller Kurden zu sein. Die Kurden bilden eine ethnische Volksgruppe, die vorwiegend in der Türkei, jedoch auch im Irak, Iran und in Syrien lebt. Während das anfängliche Ziel der PKK in der Errichtung eines kurdischen Nationalstaates bestand, kämpft sie nunmehr für die politischkulturelle Autonomie der Kurden innerhalb des türkischen Staates. Das von Öcalan 2005 hierzu entwickelte Konzept sieht die Etablierung eines politisch-kulturellen Verbundes der in verschiedenen Staaten lebenden Kurden vor. Der mit Unterbrechungen seit fast 30 Jahren geführte Guerilla-Kampf der PKK gegen den türkischen Staat wurde mit der Proklamation eines "einseitigen Waffenstillstands" durch PKKFührer Öcalan vorerst im März 2013 beendet. Im Gegenzug war der türkische Staat u.a. aufgefordert, den Kurden insbesondere die Gleichstellung als Staatsvolk, die Benutzung der kurdischen Sprache, etwa in Schulen, und mehr Selbstbestimmung in ihren Siedlungsgebieten einzuräumen. Seit die "Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung" (AKP) bei den türkischen Parlamentswahlen im Juni 2015 die absolute Mehrheit verfehlte, ging der türkische Staat erneut gegen die PKK vor. Zuspitzung des Konfliktes zwischen der PKK und der türkischen Regierung Ein im Juli 2015 verübter Selbstmordanschlag in der südosttürkischen Stadt Suruc durch einen mutmaßlichen Anhänger des sog. "Islamischen Staates" (IS) ließ den Konflikt zwischen PKK und türkischem Staat wieder eskalieren. In einer Verlautbarung des "Verbandes der Studierenden aus Kurdistan" (YXK) hieß es, der Anschlag 80 habe einer über 300-köpfigen Jugenddelegation gegolten, die auf dem Weg nach Kobane gewesen sei, um sich am Wiederaufbau der syrischen Grenzstadt zu beteiligen. Türkische Sicherheitsbehörden machten die Terrororganisation "IS" für den Anschlag verantwortlich. In der Folge kam es in der Türkei zu zahlreichen Protesten prokurdischer Demonstranten, die der türkischen Regierung vorwarfen, sich nicht ausreichend bzw. zu spät im Kampf gegen den "Islamischen Staat" engagiert zu haben. Zudem verübte in der Folge die PKK zahlreiche Anschläge, insbesondere auf türkische Sicherheitskräfte. Im Gegenzug kam es zu landesweiten Exekutivmaßnahmen gegen Einrichtungen der PKK. Im weiteren Verlauf kündigten beide Seiten die damals zwei Jahre währende Waffenruhe faktisch auf. Ende 2015 rief die PKK in mehreren Städten im Südosten der Türkei eine kurdische Selbstverwaltung aus (nach dem Vorbild der PKK-Schwesterorganisation "Partiya Yekitiya Demokrat" (PYD), die Anfang 2014 in den kurdischen Siedlungsgebieten in Nordsyrien eine "Demokratische Autonomie" proklamierte). Diese Bestrebungen wurden Anfang 2016 verstärkt. Die Militäroperationen des türkischen Staates richten sich gegen diese Selbstverwaltung. Am 16. April 2017 wurde in der Türkei, auf Initiative des Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, ein Referendum über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems abgehalten. Die Wahlberechtigten, darunter auch die ca. 1,4 Millionen in Deutschland lebenden Türken, konnten mit "Evet" (dt. "Ja") oder "Hayir" (dt. "Nein") für oder gegen das Referendum stimmen. Das Ergebnis fiel bei einer Wahlbeteiligung von ca. 85% mit einer knappen Mehrheit (51,4% zu 48,6%) zugunsten der Einführung des Präsidialsystems aus und bedeutete einen umfassenden Ausbau der präsidentiellen Befugnisse und damit eine faktische Machtausweitung Erdogans. Solidaritätskomitees In weiten Teilen der kurdischen Bevölkerung, insbesondere auch in den Reihen der Kurdistans PKK und PKK-nahen Organisationen, wurde das Referendum schon im Vorfeld mit großer Sorge betrachtet. Seitens der PKK wurde in Bremen durch Demonstrationen und durch das Internet für eine Ablehnung des Referendums mobilisiert. So fand am 4. März 2017 ein Aufzug des "Frauenrats Seve e.V.", der in einem Abhängigkeitsverhältnis zum "Birati e.V." steht, mit Unterstützung durch das Solidaritätskomitee Kurdistan und der PYD Bremen, unter dem Motto "Nein zum Präsidialsystem in der Türkei und Gewalt an Frauen durch patriarchalische Denkstrukturen" vom bremischen Hauptbahnhof zum Marktplatz statt, an dem zwischen 300 und 350 Personen teilnahmen. Zeitweise zeigten die Teilnehmer Fahnen, auf denen der Anführer der PKK, Abdullah Öcalan, zu sehen war. Durch den "Birati e.V." wurden darüber hinaus Busreisen zum türkischen Konsulat in Hannover organisiert, um möglichst viele Anhänger zur Abstimmung zu bewegen. Der gescheiterte Putschversuch in der Türkei und das repressive Vorgehen der türkischen Regierung gegen oppositionelle Kräfte spiegelten sich auch in Deutschland durch ein verstärktes Demonstrationsgeschehen und eine gesteigerte Emotionalisierung der PKK-Anhänger wider. "Solidaritätskomitee Kurdistans" Die Unterstützung kurdischer Autonomiebestrebungen ist ein "altes" linksextremistisches Thema. Seit Oktober 2014 erfolgt sie in Bremen einerseits mittels Informationsveranstaltungen und Aktionen wie Mahnwachen und zahlreicher Demonstrationen des "Kurdistan Solidaritätskomitees Bremen", andererseits konkret in Form von Spendensammlungen. 81 Der Eigendarstellung des Bündnisses zufolge ist "das Bremer Solidaritätskomitee Kurdistan ein Zusammenschluss verschiedener linker Gruppen und Vereine und Einzelpersonen, mit dem Ziel das emanzipierte Gesellschaftsprojekt von Rojava bekannter zu machen, zu unterstützen (...)." Ziele des Bündnisses seien u.a. die "Unterstützung der basisdemokratischen selbstverwalteten Strukturen in Rojava" sowie die "Aufhebung des PKK-Verbots". Über die Internetseite werden Hinweise, Demonstrationsabläufe, Aktionen und Veranstaltungen veröffentlicht. Bislang fanden in Bremen gemeinsam mit dem "Birati e.V." organisierte friedliche Informations-, Diskussionsund Protestveranstaltungen in Form von Mahnwachen und Kundgebungen statt. Protest im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Türkei In Bremen kam es in den vergangenen Jahren zu zahlreichen Protesten aufgrund aktueller oder vergangener Ereignisse in der Türkei, so auch im Jahr 2017. Am 10. April 2017 kam es zu einer spontanen Demonstration vor der Bremischen Bürgerschaft. Ziel der Teilnehmer war die Solidarisierung mit politischen Inhaftierten in der Türkei, die aufgrund der Haftbedingungen in den türkischen Gefängnissen in einen Hungerstreik getreten waren. Am 23. Juli 2017 veranstaltete die PYD Bremen eine Feier zur Befreiung der syrischen Stadt Kobane vom sogenannten "IS". An der Veranstaltung nahmen etwa 500 Personen teil, denen kurdische Musik geboten wurde. Am 5. August 2017 fand eine Demonstration anlässlich der Angriffe des "IS" auf die Region rund um die irakische Stadt Sindschar statt. Im Rahmen der Veranstaltung traten laut der PKK-Tageszeitung Yeni Özgur Politika (YÖP) Funktionäre der "Föderation der jesidischen Vereine" (NAV-YEK), des "Demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) und der PYD als Redner auf. Die PKK in Deutschland und Europa Zur Unterstützung ihrer Interessen in der Türkei ist die PKK in Europa durch den "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistan in Europa" (KCDK-E) vertreten. Einer der Vorsitzenden des KCDK-E ist der Bremer PKK-Funktionär Yüksel Koc. In ihrem "gewaltfreien Kampf" greift die Organisation auf legale und illegale Strukturen zurück. Regionale Kurdenvereine (sogenannte Basisvereine) dienen den Anhängern als Informationsund Kommunikationszentren. Diese der PKK nahestehenden Vereine sind in Deutschland unter dem Dachverband des "Demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) zusammengeschlossen. Politischer Arm in Syrien Die kurdische Partei PYD wurde 2003 in Syrien gegründet und ist die dortige Zweigorganisation der PKK, wenngleich die offene Darstellung dieser Verbindung vermieden wird. Im September 2017 sind Shahuz Hassan und Aisha Hesso an die Parteispitze gewählt worden. Die PYD strebt die Autonomie der Kurden in Syrien an und rief im Januar 2014 in drei von Kurden dominierten Kantonen (Afrin, Kobane und Cizre) eine "Demokratische Autonomie" aus. Die PYD unterhält paramilitärische Einheiten, die sogenannten "Volksverteidigungseinheiten" (YPG), die sich seit Herbst 2012 wiederholt bewaffnete Auseinandersetzungen mit anderen in Nordsyrien agierenden Konfliktparteien lieferten, etwa mit der "Freien Syrischen Armee" und dem "IS". In Europa organisiert die PYD insbesondere Protestveranstal82 tungen gegen Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Finanzierung der PKK Die von der PKK in der Türkei über Jahrzehnte geführten Kämpfe sowie ihre politische Arbeit in Europa erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Die PKK finanziert sich in erster Linie durch Spenden, daneben auch aus Veranstaltungserlösen und dem Verkauf von Publikationen. Jedes Jahr ruft die PKK zu einer groß angelegten Spendenkampagne auf, die sie "das Jährliche" nennt, und fordert von ihren Anhängern regelmäßig die Steigerung der Spendeneinnahmen. Auch in Bremen gibt es jedes Jahr eine solche Kampagne. Reaktionen von PKK-Anhängern auf die Erweiterung des PKK-Kennzeichenverbots durch das Bundesministerium des Innern (BMI) Mit Erlass vom 2. März 2017 betreffend den Vollzug des gegen die PKK verhängten Betätigungsverbots hat das BMI seine Bewertung der derzeit verwendeten Organisationsbezeichnungen und der hiermit verbundenen Kennzeichen der PKK aktualisiert.1 Verboten sind demnach nun unter anderem auch die Kennzeichen und Symbole der syrischen PYD sowie der Verteidigungseinheiten YPG/YPJ, soweit diese in einem PKK-Kontext verwendet werden, der PKK-Jugendorganisationen "Komalen Ciwan"/ "Ciwanen Azad" und der PKK-Studierendenorganisationen YXK/JXK. Grundlage hierfür ist eine Verfügung des BMI vom 22. November 1993. Diese verbietet, Kennzeichen der PKK und von ihrer Teilorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) öffentlich zu verwenden, und umfasst generell alle sichtund hörbaren Symbole. Erfasst sind zum Zeitpunkt des Erlasses benutzte Symbole, aber auch später aufgrund von Umbenennungen neu hinzutretende. Betroffen sind auch die zahlreichen Unterund Teilorganisationen im PKK-Einflussbereich, ungeachtet einer scheinbaren organisatorischen Selbstständigkeit, denn diese handeln gem. Bundesgerichtshof abhängig von den Vorgaben der Gesamtorganisation (vgl. Urteil des BGH vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10; BGHSt 56, 28). Die PKK weicht inzwischen zunehmend auf Symbole aus, die zunächst keinen unmittelbaren PKK-Bezug aufweisen, zum Beispiel eine Fahne mit dem Abbild ihres Gründers Abdullah Öcalan auf gelbem oder grün-gelbem Grund. Aufgrund eines erheblichen Emotionalisierungseffektes bei Versammlungen sind diese Fahnen aber in besonderer Weise dazu geeignet, den Zusammenhalt der PKK zu fördern und nach außen hin unübersehbar zu demonstrieren, weshalb sie ebenfalls dem Verbot unterliegen. Beispiele für verbotene Symbole 1 Mit Erlass vom 12. Februar 2018 wurde das o.g. Betätigungsverbot nochmals aktualisiert. Im Mittelpunkt dieser Aktualisierung steht der Beschluss des OVG Münster vom 3. November 2017, wonach sämtliche Kennzeichen mit dem Abbild des PKK-Anführers Öcalan dem Kennzeichenverbot vom 22. November 1993 unterfallen. Nur wenn das Abbild eindeutig in keinster Weise im Zusammenhang mit der PKK verwendet wird, sondern auf das persönliche Schicksal Öcalans und seine Haftbedingungen aufmerksam gemacht werden soll, unterfällt dies in Ausnahmefällen nicht dem Kennzeichenverbot. Das erweiterte Kennzeichenverbot wurde seitens der betroffenen Organisationen stark kritisiert. U.a. warfen sie der Bundesregierung vor, die Politik der von ihnen als faschistisch bezeichneten AKP gegenüber den Kurden zu unterstützen. Das Verbot entziehe sich der Rechtsstaatlichkeit. Außerdem zeige das Verhalten die enorme Abhängigkeit der Bundesregierung vom Regime Erdogans. Die Erweiterung des Kennzeichenverbots war im Rahmen ihrer Veranstaltungen ein 83 Hauptkritikpunkt der PKK-Anhänger. Trotz Verbots und vorheriger Sensibilisierung durch die Versammlungsbehörden wurden diesbezüglich die Auflagen auch nicht eingehalten, so z.B. auf der zentralen Newroz-Feier der PKK am 18. März 2017 in Frankfurt am Main; s.u., Abschnitt "Newroz-Feier". Am 17. Juni 2017 kam es in Berlin zu Ausschreitungen bei einer Demonstration unter dem Motto "Solidarität mit Rojava und Shengal - Gegen die Kriminalisierung der PYD, YPG und YPJ". Es wurden verbotene Symbole und Fahnen gezeigt. Unter den Teilnehmern herrschte eine hochaggressive Stimmung. Am Rande des Geschehens kam es zu Provokationen nationalistischer Türken - kurdische Teilnehmer reagierten mit Steinwürfen. Eine Eskalation konnte durch die Polizei verhindert werden. Nach der Veranstaltung wurden Polizisten bei der Festnahme von Personen, die während des Aufzuges Straftaten begangen hatten, von Demonstrationsteilnehmern attackiert. An der Veranstaltung sollen auch Bremer teilgenommen haben. Am 4. November 2017 kam es in Düsseldorf zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Etwa 6.000 PKK-Anhänger demonstrierten unter dem Motto "NO PASARAN! Kein Fußbreit dem Faschismus, Schluss mit den Verboten kurdischer und demokratischer Organisationen aus der Türkei, Freiheit für Abdullah Öcalan und alle politischen Gefangenen". Entgegen polizeilicher Auflagen wurden verbotene Fahnen mit dem Abbild Abdullah Öcalans gezeigt. Die Veranstaltung wurde in der Folge vorzeitig für beendet erklärt. Aus Bremen nahmen ca. 300 Personen an der Kundgebung teil. Die Reaktionen der PKK auf das Kennzeichenverbot verdeutlichen ihre Bereitschaft, Demonstrationsflyer hinsichtlich aus ihrer Sicht wesentlicher Themen auch in Deutschland gewaltsam gegen staatliche Maßnahmen vorzugehen. Sorge der PKK-Anhänger um den Gesundheitszustand Abdullah Öcalans Der Gesundheitszustand des PKK-Anführers, Abdullah Öcalan, ist nach wie vor in besonderem Maße dazu geeignet, die PKK-Anhängerschaft zu emotionalisieren und zu mobilisieren. Nachdem im Oktober 2017 Gerüchte über eine Verschlechterung der gesundheitlichen Verfassung Öcalans umgingen, lösten diese eine europaweite Demonstrationswelle aus. Auch in Bremen kam es zu Demonstrationen, bei denen die Teilnehmer Informationen über den Zustand Öcalans und dessen Freiheit forderten. Das enorme Mobilisierungspotenzial wird schon an der Anzahl der durchgeführten Versammlungen deutlich: So wurden durch den "Birati e.V." allein in der Zeit vom 15. Oktober 2017 bis zum 28. Oktober 2017 zwei Kundgebungen und drei Aufzüge organisiert, an denen zum Teil mehrere Hundert Personen teilgenommen haben. So initiierte der "Birati e.V." am 16. Oktober 2017 einen Aufzug zur aktuellen humanitären Situation des inhaftierten Abdullah Öcalan vom Ziegenmarkt zum Domshof, an dem etwa 220 Personen teilgenommen haben. Die Tageszeitung der PKK, Yeni Özgur Politika, berichtete schon im Vorfeld über den geplanten Aufzug. Im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen wurden durch Teilnehmer zum Teil verbotene PKK-Fahnen gezeigt. Außerdem kam es zu Provokationen zwischen Demonstrationsteilnehmern und Anwohnern der Marschstrecke. Auf einem Balkon wurde eine türkische Fahne gezeigt, daraufhin warf ein Demonstrant eine Flasche. Auch in Bremerhaven fand am 28. Oktober 2017 eine Kundgebung unter dem Motto "Für die Freiheit von Öcalan" statt, die vom "Kurdisch-Deutschen Gemeinschaftsverein e.V." organisiert wurde. In Straßburg findet seit dem 25.06.2012 eine ununterbrochene Dauermahnwache unter dem Motto "Free Öcalan" vor dem Europarat statt. In einem wöchentlichen 84 Wechsel nehmen jeweils Gruppen aus verschiedenen Städten Europas an der Mahnwache teil. In der 286. Woche nach Beginn der Mahnwache wurden die Teilnehmer von der PYD Bremen gestellt und vier Frauen der bremischen PYD zur Teilnahme in Straßburg entsandt. Aufgrund der Isolationshaft Öcalans auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali ist es für die Außenwelt sehr schwer, verifizierbare Erkenntnisse über dessen gesundheitliches Wohlbefinden zu erlangen. Sowohl den Angehörigen als auch den Anwälten Öcalans wird der Kontakt zu dem PKK-Anführer untersagt. Newroz-Feiern Die PKK instrumentalisiert das jährliche Neujahrsfest ("Newroz-Fest", 21. März) für ihren "Befreiungskampf" gegen den türkischen Staat. Das Fest geht auf eine Legende um einen kurdischen Schmied zurück, der zum Widerstand gegen einen Tyrannen aufgerufen und diesen in der Nacht vom 20. auf den 21. März im Jahr 612 v. Chr. erschlagen haben soll. Daher wird Newroz auch als Fest des Widerstandes gegen Tyrannei und als Symbol für den kurdischen Freiheitskampf verstanden. 2017 fand die zentrale Newroz-Feier in Frankfurt am Main statt. Ca. 30.000 Personen nahmen am 18. März an der Großveranstaltung teil, darunter zahlreiche PKK-Anhänger aus Bremen. Der Dachverband PKK-naher Vereine in Deutschland "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) hatte die Veranstaltung organisiert und zur Teilnahme mobilisiert. Das "Fest" stand 2017 unter dem Motto: "No Pasaran - kein Fußbreit dem Faschismus, Demokratie in der Türkei, Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan". Tatsächlich wurden aber in erster Linie die Erweiterung des Kennzeichenverbots sowie die "Nein-Kampagne" zum Verfassungsreferendum in der Türkei thematisiert. Trotz Verbots zeigten Teilnehmer vielfach verbotene Symbole und Fahnen. Die Kundgebung verlief insgesamt friedlich. Eintrittskarte Newroz-Feier Parallel zu der zentralen Großveranstaltung in Frankfurt am Main fanden bundesweit Newroz-Feiern statt. In Bremen organisierte die PYD Bremen am 12. März 2017 zum fünften Mal ein Newroz-Fest mit mehreren hundert Teilnehmern. "25. Internationales Kurdisches Kulturfestival" Das der PKK nahestehende NAV-DEM veranstaltete am 16. September 2017 in Köln unter dem Motto "Freiheit für Öcalan, Status für Kurdistan, Demokratie für den Mittleren Osten" das "25. Internationale Kurdische Kulturfestival". Das "Internationale Kurdische Kulturfestival" stellt einen Höhepunkt der regelmäßig stattfindenden kurdischen Großveranstaltungen dar. Neben der von der PKK propagierten "Pflege der kurdischen Kultur" dient es der Verbreitung ihrer politischen Botschaften. An der weitgehend störungsfrei verlaufenen Veranstaltung nahmen ca. 14.000 Personen aus ganz Europa teil, darunter ca. 300 aus Bremen. Im Vergleich mit den Vorjahren war die Teilnehmerzahl relativ gering. Ursache hierfür dürfte u.a. das erstmalige Untersagen von Verpflegungsständen gewesen sein. Das türkische Außenministerium reagierte auf die Veranstaltung mit der Einbestellung des deutschen Botschafters in Ankara. Der Vorwurf der türkischen Regierung lautete, dass die deutschen Behörden mit der Veranstaltung zugleich auch "die Verbreitung von Terrorpropaganda" genehmigt hätten. Der Umgang mit der PKK berührt, wie der Vorfall beispielhaft zeigt, anhaltend die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei. Er birgt stetiges Konfliktpotenzial für das Zusammenleben von Kurden und Türken in Deutschland. 85 Beteiligung von Bremer PKK-Anhängern am G20-Gipfel am 7./8. Juli in Hamburg In Deutschland mobilisierten u.a. NAV-DEM und die YXK die PKK-Anhängerschaft, sich an den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg zu beteiligen (siehe hierzu das Kapitel "Linksextremismus"). Die YXK-Ortsgruppe Bremen kündigte in sozialen Netzwerken ihre Teilnahme an verschiedenen Aktionen/Demonstrationen an. Des Weiteren wurden Beiträge wie "Nieder mit den #G20 und der Weltordnung der kapitalistischen Moderne" veröffentlicht. Aus Bremen nahmen an den Protesten PKK-Anhänger im kleinen zweistelligen Bereich teil. Die PKK in Bremen Der Verein "Birati e.V." nimmt als regionales Ausführungsorgan der PKK eine besondere Stellung ein, weil er zu den sogenannten "Zentralvereinen" gehört. Er bietet seinen Mitgliedern u.a. soziale und kulturelle Aktivitäten an. Die im Zusammenhang mit der PKK stehenden Aktivitäten nehmen dabei einen breiten Raum ein, etwa Feiern zum Geburtstag Öcalans oder zum Jahrestag des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK. Bisher wurde Deutschland vom politischen Arm der PKK intern in ca. 30 Gebiete unterteilt. In einem solchen Gebiet nimmt der jeweils bedeutendste kurdische Verein die Stellung eines "Zentralvereins" ein, alle anderen PKK-nahen Vereine sind meist abhängig von dessen Entscheidungen und Weisungen. In Bremen stehen z.B. der Verein "Förderung der kurdisch-islamischen Kultur e.V." (Trägerverein der "Said'i-Kurdi-Moschee") und der "Frauenrat Seve e.V." (ehemals "Internationale Fraueninitiative e.V.") in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Zentralverein "Birati e.V.". PKK-Funktionäre bestimmen das politische Geschehen im "Bremer Volksrat", der auch als "Kurdisches Parlament" bezeichnet wird. Die Einsetzung von "Volksräten" erfolgt einem von Öcalan 2005 entwickelten Konzept entsprechend, das letztlich auf die Etablierung eines politisch-kulturellen Verbundes der in verschiedenen Staaten lebenden Kurden abzielt, um die Mitbestimmung aller Kurden zu gewährleisten. Tatsächlich erfolgte die politische Arbeit im "Bremer Volksrat" allerdings nicht nach demokratischen Regeln, sondern ist nach wie vor hierarchisch geprägt. Im Rahmen einer von der PKK-Führung beschlossenen Umstrukturierung sind an die Stelle der bisherigen Vereine übergeordnete "Zentren der demokratischen Gesellschaft" getreten. In Bremerhaven und mehreren Bremer Umlandgemeinden wurden "regionale Volksparlamente" eingerichtet. Neben dem "Birati e.V." stellen auch diese "regionalen Volksparlamente" sowie verschiedene weitere Organisationen die Vertreter eines übergeordneten Volksparlaments. Während die Aktivitäten der Bremer PKK-Anhänger bisher hauptsächlich auf Weisung übergeordneter legaler und illegaler hierarchischer Strukturen zurückzuführen waren, sollten sie zukünftig demokratisch strukturiert werden. In der Praxis erfolgten jedoch bisher keine Veränderungen der Entscheidungsprozesse. Gebäude des "Birati e.V." in Bremen "Kurdisch-deutscher Gemeinschaftsverein" in Bremerhaven Im Frühjahr 2013 wurde in Bremerhaven der "Kurdisch-deutsche Gemeinschaftsverein" gegründet, der wiederum in einem Abhängigkeitsverhältnis zum "Birati e.V." steht. Die Eintragung in das Vereinsregister Bremen erfolgte am 19. Juni 2014. Die Mitglieder organisieren regelmäßig Feierlichkeiten, bei denen u.a. dem PKK-Führer Öcalan 86 gehuldigt wird. Der Verein beantragte im letzten Jahr, wie auch schon im Jahr zuvor, einen Zuschuss für eine "Kulturveranstaltung". Dieser wurde jedoch wegen fehlender Distanz zur PKK im Kulturausschuss abgelehnt. Gebäude des "Kurdischdeutschen GemeinschaftsAuseinandersetzungen zwischen rechtsextremen Türken vereins" in Bremerhaven und PKK-Anhängern Zwischen den Anhängern der PKK und Personen des türkisch-nationalen Spektrums kam es im vergangenen Jahr zu Provokationen am Rande von Demonstrationen. Ursache sind einerseits andauernde militärische Auseinandersetzungen zwischen türkischem Militär und der PKK sowie andererseits in der Türkei verübte Anschläge, zu denen sich PKK-Splittergruppen bekannten. Die Vielzahl von Demonstrationen der PKK-Anhänger schafft zusätzliches Potenzial für eine direkte Konfrontation. Insbesondere bei jugendlichen PKK-Anhängern sind auch militante Aktionsformen gegen türkische Einrichtungen und Personen des türkisch-nationalen Spektrums zu befürchten. Von beiden Seiten kam es 2017 in Bremen zu kleineren Sachbeschädigungen an Vereinsgebäuden und Kfz der jeweils anderen Seite. Werbung und Rekrutierung für die PKK-Guerilla Die Kampfhandlungen in Syrien und im Irak haben die Bereitschaft der PKK-Anhänger, sich für den bewaffneten Kampf rekrutieren zu lassen, gesteigert. Sie folgen u.a. Aufrufen, die von der PKK nahestehenden Medien auf einschlägigen Internetseiten, in (Jugend-)Zeitschriften oder auf Großveranstaltungen, wie dem jährlichen kurdischen Kulturfestival, verbreitet werden. Auch von den örtlichen Vereinen organisierte sogenannte "Märtyrerveranstaltungen", bei denen gefallene Guerilla-Kämpfer glorifiziert werden, bereiten den Boden für Rekrutierungen. So fand z.B. im Dezember 2017 in den Räumlichkeiten des "Birati e.V." eine Märtyrerveranstaltung statt. Laut der PKK-Tageszeitung Yeni Özgur Politika (YÖP) vom 12. Dezember 2017 wurden die Freiheitskämpfer, die am 3./4. Dezember 1989 gefallen waren, geehrt. Vertreter der PYD und des Rates der Märtyrerfamilien hielten Reden. 2017 kehrten zwei junge Frauen aus dem "Kandil" (Rückzugsort der PKK im KandilGebirge, Irak) nach Bremen zurück. Ihr Vater hatte bei den Bremer Verantwortlichen der PKK vehement, allerdings erfolglos, versucht, die Ausreise seiner Töchter zu verhindern. Der damals für Bremen zuständige Gebietsleiter wurde inzwischen vom OLG Hamburg wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er von Mitte 2014 bis Anfang 2015 als hauptamtlicher Kader das Gebiet Bremen geleitet hat. Vom Vorwurf der versuchten Nötigung wurde er freigesprochen. Bei einem Konflikt mit dem Vater der Mädchen soll der Gebietsleiter mit einer Pistole gedroht und versucht haben, diesen davon abzuhalten, sich an die Polizei zu wenden. Im Prozess verweigerte der Vater der Frauen die Aussage. Unterstützung der PYD und PKK durch öffentliche Einrichtungen Es ist weiterhin festzustellen, dass sich die örtlichen Funktionäre der PYD und der PKK verstärkt an öffentliche Einrichtungen in Bremen sowie im Umland wenden, um Unterstützung für Ihre Ziele bzw. Projekte zu erhalten. So werden beispielsweise Anfragen zur Nutzung öffentlicher Räumlichkeiten an 87 Behörden und Einrichtungen gestellt, Spendengeldsammlungen zugunsten vermeintlich humanitärer Zwecke mit Unterstützung öffentlicher Einrichtungen beworben und Zuschüsse für "kulturelle Darbietungen" beantragt. Zum Teil sind die Bemühungen der Organisationen erfolgreich. PKK und PYD nutzen ihre zurzeit positive Wahrnehmung in Öffentlichkeit und Politik einerseits, um ihre gesellschaftlichen und politischen Kontakte auszubauen, und andererseits, um gezielt eigene Vertreter in politisch und gesellschaftlich wichtige Strukturen zu bringen. Ziele dieser Bemühungen sind die Aufhebung des PKK-Verbots, die Freilassung des PKK-Führers Öcalan und die Anerkennung der PKK als demokratische Vertretung der Kurden. 7.2 ADÜTDF - Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten-Vereine in Deutschland (Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu) Personenpotenzial: ca. 7.000 in Deutschland ca. 200 in Bremen Logo der ADÜTDF Ideologie/Ziele Die ADÜTDF ist einer von drei Dachverbänden und die anhängerstärkste Gruppierung in der Ülkücü-Bewegung (Idealisten-Bewegung) außerhalb der Türkei. Die Föderation und ihre bundesweiten Mitgliedsvereine, die sog. Ülkü Ocaklari (Idealistenvereine), gelten als ein Sammelbecken extrem nationalistischer Personen mit türkischem Migrationshintergrund. Der Dachverband findet seine lokale Vertretung in Bremen und Bremerhaven in dem Verein "Türkische Familienunion in Bremen und Umgebung e.V." wieder. Ihre Mitglieder sind auch bekannt unter dem Namen "Graue Wölfe" (Bozkurtlar). Zu ihren Erkennungszeichen gehören u. a. der mit den Fingern der rechten Hand geformte "Wolfsgruß" sowie das Logo der türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP), das drei weiße Halbmonde auf rotem Untergrund zeigt und an der sie sich politisch und ideologisch orientieren. Ideologisch bekennen sich die ADÜTDF und ihre Mitgliedsvereine zu Alparslan Türkes, dem 1997 verstorbenen Gründer der MHP. Der ehemalige Oberst wird weiterhin uneingeschränkt als ewiger Führer ("Basbug") verehrt. Ihm folgt der Parteivorsitzende der MHP Devlet Bahceli. Die MHP ist eine Partei des rechten Spektrums. Die Ideologie der MHP - und somit auch der ADÜTDF - stützt sich u.a. auf den Gedanken des Panturkismus, d.h. einer Vereinigung aller Turkvölker - vom Balkan bis nach Zentralasien - unter der Führung einer "Großtürkei", angelehnt an das Osmanische Reich. Sie sehen die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als höchsten Wert an. Prägend für die Bewegung ist ein übersteigerter türkischer Nationalismus, mit einer Überhöhung der eigenen Ethnie. Damit einher geht eine Abwertung anderer Ethnien wie beispielsweise Kurden, Armenier, Griechen und Juden. Der Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 und der anschließende Schulterschluss des MHP-Parteivorsitzenden Devlet Bahceli mit der Regierungspartei für "Gerechtigkeit und Aufschwung" (AKP) unter der Führung vom Staatspräsidenten Erdogan hat die MHP in eine Art Identitätskrise geführt. Bei vielen MHP-Funktionären wurden neue Sympathien für die AKP entfacht. Andere wiederum haben sich gegen diese Allianz gestellt und eine neue gemeinsame Partei gegründet. Vor dem Putschversuch 88 wäre solch eine Allianz nicht vorstellbar gewesen. Auch in der Ülkücü-Bewegung ist es zu Spaltungen gekommen, wobei der ADÜTDF-Dachverband geschlossen hinter dem AKP/MHP-Bündnis steht. Die Ülkücü-Vereine vermeiden einen offenen Antisemitismus und geben sich nach außen hin überwiegend legalistisch und demokratisch. In der Vergangenheit wurde jedoch von führenden Mitgliedern nahegelegt, die demokratischen Rechte in Deutschland wahrzunehmen und sich politisch und gesellschaftlich zu betätigen, um Einfluss auszuüben. So sind im Bundesgebiet Anhänger der Ülkücü-Bewegung in Parteien tätig und auch in Ausländerbeiräten und anderen Gremien vertreten. Dies darf insoweit nicht als Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstanden werden, sondern als gezielte politische Einflussnahme im Sinne einer nationalistischen Ideologie. Neben den Mitgliedern in den Ülkü Ocaklari gibt es auch Anhänger, die der Bewegung Logo der "Grauen Wölfe" und ideologisch verbunden, jedoch nicht in einem Verein organisiert sind. Diese unorganider rituelle "Wolfsgruß" sierte Bewegung besteht überwiegend aus jüngeren Menschen. Sie stehen zum Teil über die sozialen Netzwerke miteinander in Kontakt. In diversen lokalen und überregionalen Facebook-Gruppen wird gegen politische Gegner und Völker gehetzt und an das gemeinsame türkische Nationalbewusstsein appelliert. Sie pflegen ihre Feindbilder und äußern sich viel unverblümter über ihren Antisemitismus als die Anhänger in den Idealistenvereinen. Die ADÜTDF sieht sich nicht nur als alleinige Hüterin der Ideologie der "Nationalistischen Bewegung" in Deutschland, sondern generell als Hüterin türkischer Werte und Kultur. Eine derartige auf Volkszugehörigkeit und übersteigertem Nationalismus gründende Identität kann in einer pluralistisch geprägten Gesellschaft jedoch unterschiedliche Konflikte hervorrufen. Sie führt nicht zuletzt zu Intoleranz gegenüber anderen Völkern. Dies widerstrebt dem Gedanken der Völkerverständigung, ist gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet und wirkt einer Integration in die deutsche Gesellschaft entgegen. Ereignisse/Veranstaltungen 2017 Bremen Die ADÜTDF ist in der Organisationsstruktur in mehrere Gebiete, sog. Bölge, unterteilt. Der Bremer Verein gehört gemeinsam mit Hamburg, Neumünster, Lübeck und Kiel zum Nordverbund (Bölge-Nord). Sie pflegen einen engen Kontakt zueinander. Im Jahr 2017 organisierte der Bremer Verein regelmäßig familiäre Aktivitäten zur Förderung der Solidarität, zum Schutz der kulturellen und religiösen Werte und der Entwicklung des Nachwuchses. Dazu zählt beispielhaft das Fahnenfest am 26. Februar 2017, das im Zeichen für die Unterstützung des Referendums in der Türkei stand, oder das Kulturund Kunstfest am 17. Dezember 2017. Wenn es sich auch nicht vorrangig um Propaganda-Veranstaltungen handelt, ist die ideologische Ausrichtung und Verbreitung des Gedankenguts gegenwärtig. Die politische Lage in der Türkei und die militärischen Offensive gegen die PKK in Syrien verschärft die Spannungen zwischen nationalistischen Türken und PKK-Anhängern. Die Gewaltbereitschaft und das Aggressionspotenzial beider Gruppen sind auf einem hohen Niveau geblieben. Politisch motivierte Straftaten wie Sachbeschädigung an Vereinshäusern oder Provokationen und Körperverletzungsdelikte im Nachgang von öffentlichen Veranstaltungen wurden auch in Bremen verzeichnet. Solange die türkische Regierung gegen kurdische Oppositionelle vorgeht und militärische Interventionen gegen die PKK andauern, muss auch hierzulande mit Demonstrationen und Ausschreitungen zwischen beiden Gruppierungen gerechnet werden. 89 7.3 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) Personenpotenzial: ca. 650 in Deutschland ca. 40 in Bremen Ideologie/Ziele Die DHKP-C ist die bedeutendste türkische linksextremistische Organisation in Deutschland. Sie verfolgt das Ziel, das aktuell bestehende türkische Staatssystem durch eine bewaffnete Revolution zu zerschlagen und auf Grundlage des MarxismusLogos der DHKP-C Leninismus ein sozialistisches Regime zu gründen. Ziel ist auch die Errichtung einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft im Sinne der kommunistischen Ideologie, wobei auch bewaffnete Gewalt als legitimes Mittel zur Umsetzung angesehen wird. In Deutschland unterliegt die DHKP-C seit 1998 einem Organisationsverbot und wird seit 2002 durch die Europäische Union als terroristische Vereinigung geführt. Der politische Flügel der DHKP-C trägt den Namen Revolutionäre Volksbefreiungspartei (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - DHKP), der militärische Arm der DHKP-C trägt die Bezeichnung Revolutionäre Volksbefreiungsfront (Devrimci Halk Kurtulus Cephesi - DHKC). Die Bundesrepublik dient der Organisation als ein wichtiger Rückzugsort zur Strukturierung und Planung (sog. Rückfront). Die Anhänger entfalten ihre Aktivitäten aus legalen Vereinen heraus, deren Satzungen keinen Rückschluss auf die Zugehörigkeit zur DHKP-C zulassen. Oftmals treten sie über ihre Tarnorganisation "Anatolische Föderation" (Anadolu Federasyonu) bzw. "Volkskomitee/-front" (Halk Cephesi) in Erscheinung. Die Organisation finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spendengeldsammlungen, Verkauf von Publikationen sowie durch Einnahmen aus Musikveranstaltungen. Ihre Schwerpunktthemen hierzulande sind häufig die Forderungen von Freilassungen von politischen Gefangenen, Märtyrergedenken und Planung und Durchführung von Propaganda-Aktionen. Das vergangene Jahr wurde dominiert von Aktionen, die sich gegen die Maßnahmen der türkischen Regierung richteten, die noch in Zusammenhang mit der "Säuberungswelle" im Nachgang des gescheiterten Putschversuches im Juli 2016 standen. In diesem Zusammenhang wurden auch die zurückhaltenden Reaktionen der Bundesregierung in Bezug auf die Äußerungen und Verhaltensweisen des türkischen Staatspräsidenten kritisiert. Nach einer Gewaltverzichtserklärung des früheren DHKP-C-Führers Dursun Karatas Anfang 1999 sind keine gewaltsamen Aktionen im Bundesgebiet mehr festzustellen. Jedoch bezieht sich der Gewaltverzicht nur auf Deutschland und Europa. In der Vergangenheit kam es in der Türkei mehrfach zu Anschlägen und militanten Aktionen, insbesondere gegen staatliche Einrichtungen wie Polizei und Militär. Die DHKP-C propagiert für die Türkei weiterhin den bewaffneten Kampf. Neben der Türkei gelten insbesondere die USA als Hauptfeind. Nach Ansicht der DHKP-C wird die Türkei in politischer, wirtschaftlicher und vor allem militärischer Hinsicht vom "US-Imperialismus" dominiert. Dieser sei auch für die Zustände und Auseinandersetzungen im aktuellen Nahost-Konflikt verantwortlich. Die ideologische Ausrichtung sowie die Aktivitäten der DHKP-C richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährden mit ihrem Bestreben die Innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. 90 Ereignisse/Veranstaltungen 2017 Bremen Nachdem im Dezember 2016 der mutmaßliche Europaleiter der DHKP-C, Musa Asoglu, in Hamburg festgenommen wurde, organisierten seine Anhänger bundesweit einen sogenannten "langen Marsch" gegen seine Festnahme und für die Freiheit aller politischen Gefangenen. In Bremen fand am 11. März 2017 ebenfalls eine Solidaritätsaktion statt. Vor dem Türkei-Referendum im April 2017 zur Einführung eines Präsidialsystems unterstützte die DHKP-C türkische oppositionelle Vereine in ihrer "Nein-Kampagne". Auch nach dem Referendum wurde die Kampagne fortgesetzt und kundgetan, dass der Kampf noch nicht verloren sei. Im Rahmen der "Säuberungswelle" durch die türkische Regierung wurden im März 2017 in der Türkei zwei Akademiker entlassen, die daraufhin in einen öffentlich wirksamen, wochenlangen Hungerstreik getreten sind. Diese Aktion wurde in Deutschland durch Anhänger der DHKP-C instrumentalisiert und es wurden diverse Solidaritätskundgebungen veranstaltet. In Bremen fanden am 7. September 2017 und 21. Oktober Kundgebungen statt, Mitglieder des Volkskomitees Bremen traten ebenfalls in einen mehrtätigen Hungerstreik. Da Europa und insbesondere Deutschland für die DHKP-C als Rückzugsraum für ihre Planung unverzichtbar ist, werden militante oder unfriedliche Aktivitäten hierzulande eher als unwahrscheinlich erachtet. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die politischen Verhältnisse in der Türkei für die in Deutschland lebenden Anhänger auch zukünftig den Anlass geben werden, die Heimatorganisation ideologisch zu unterstützen und sie bei ihrem bewaffneten Widerstand zu finanzieren. 8 Unterstützungsaufgaben des LfV 91 92 8 Unterstützungsaufgaben des LfV Dem LfV obliegt nicht nur die Beobachtung extremistischer Bestrebungen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sondern es trägt über umfangreiche Prüfungen ebenfalls dazu bei, Sicherheitsrisiken in Behörden oder privaten Unternehmen zu minimieren. Geheimschutz Geheimhaltungsgrade Der Geheimschutz hat die Aufgabe, Informationen und Vorgänge, deren Bekanntvon Verschlusssachen (VS) werden den Bestand, die Sicherheit oder sonstige Interessen der Bundesrepublik (SS 5 BremSÜG) Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden, vor unbefugter Kenntnisnahme . zu schützen. Der Schutz dieser sogenannten Verschlusssachen (VS) wird durch . STRENG GEHEIM Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. . GEHEIM . VS-VERTRAULICH Geheimschutz findet nicht nur in Behörden statt, sondern auch in Unternehmen, VS-NUR FÜR DEN die im Auftrag des Staates mit Verschlusssachen umgehen und demzufolge die DIENSTGEBRAUCH Regelungen des personellen und materiellen Geheimschutzes zu beachten haben. Geheimschutzbetreute Unternehmen sind z.B. Betriebe, die im Bereich der wehrtechnischen Forschung oder Produktion tätig sind. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen und regelt z.B., in welcher Weise VS-Dokumente aufbewahrt und verwaltet werden müssen. Die Einzelheiten ergeben sich im Wesentlichen aus der Verschlusssachenanweisung des Landes Bremen. Dort ist jeweils in Abhängigkeit vom Geheimhaltungsgrad auch die Erforderlichkeit von Tresoren und Alarmanlagen geregelt. Das LfV ist zentraler Ansprechpartner für alle bremischen Behörden, die mit VS-Material umgehen. Es berät und unterstützt diese bei der Erfüllung der Anforderungen des materiellen Geheimschutzes. Personeller Geheimschutz Der personelle Geheimschutz soll sicherstellen, dass in Bereichen, die mit VS-Material umgehen, keine Person beschäftigt wird, von der ein Sicherheitsrisiko ausgeht. Zu diesem Zweck und nur mit vorheriger Zustimmung des Betroffenen finden individuelle Sicherheitsüberprüfungen statt. Das LfV wirkt an den Sicherheitsüberprüfungen mit. Seine fachliche Bewertung dient der zuständigen Behörde als Entscheidungshilfe, bevor sie eine Person mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut. Abstufung von Sicherheitsüberprüfungen (SS 8 BremSÜG) . . (Ü1) - einfache Sicherheitsüberprüfung . (Ü2) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü3) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Geheimhaltungsgrades, zu dem die Person Zugang erhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Ehegatte oder Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personen auf die betroffene Person auswirken können. 93 Weitere Sicherheitsüberprüfungen Der Ausschluss von individuellen Sicherheitsrisiken ist nicht nur im Bereich des Geheimschutzes, sondern auch in anderen Arbeitsbereichen von Bedeutung. So sieht u.a. das Luftsicherheitsgesetz, Sprengstoffgesetz und Bremische Hafensicherheitsgesetz vergleichbare Überprüfungen der in diesen Bereichen in der Regel bei privaten Unternehmen beschäftigten Personen vor. Auch an diesen Sicherheitsüberprüfungen wirkt das LfV mit. Regelanfragen im Bereich des Einbürgerungsund Aufenthaltsrechts Zu den Aufgaben des LfV gehört darüber hinaus die Beantwortung von Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungsverfahren und vor der Erteilung von Aufenthaltstiteln. Durch die große Zahl der anfallenden Prüfungen bilden diese Bereiche den Schwerpunkt der personenbezogenen Prüfungen für das LfV. Personenanzahl 9.000 8.335 8.000 7.000 7.052 6.000 5.000 4.000 3.500 3.000 2.900 2.500 2.315 2.000 2.071 1.500 1.138 1.000 500 2016 52 78 18 23 2017 0 Regelanfragen Regelanfragen vor ZuverlässigkeitsZuverlässigkeitsZuverlässigkeitsim Rahmen Erteilung oder überprüfungen überprüfungen überprüfungen gemäß von Verlängerung einer gemäß dem gemäß dem dem Einbürgerungen AufenthaltsLuftsicherheitsHafensicherheitsSprengstoffgesetz genehmigung gesetz gesetz 94 Anhang Übersicht extremistischer Bestrebungen in Bremen Mitglieder / Personenpotenzial 95 Organisation / Gruppierung / Szene in Deutschland in Bremen Rechtsextremismus* Parteien ca. 6.050 ca. 20 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen ca. 6.300 ca. 30 Weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial ca. 12.900 ca. 90 Anteil gewaltorientierter Rechtsextremisten ca. 12.700 ca. 80 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ca. 16.500 ca. 120 Linksextremismus Gewaltorientierte linksextremistische Szene ca. 9.000 ca. 220 Islamismus Salafistische Bestrebungen ca. 11.000 ca. 500 "Hizb Allah" ca. 950 ca. 60 Ausländerextremismus "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und Nachfolgeorganisationen (Kongra Gel) ca. 14.500 ca. 480 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) ca. 650 ca. 40 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) ca. 7.000 ca. 200 * Bisher war in den jährlichen Verfassungsschutzberichten das rechtsextremistische nichtparteigebundene Personenpotenzial von "Neonazis" und "Subkulturellen" ausgewiesen. Diese Begrifflichkeiten stellten damit vorwiegend auf ideologische Komponenten ab, die aufgrund der Veränderungen der Szene in den letzten Jahren immer weniger festzustellen waren. Mit dem vorliegenden Bericht wird diese Differenzierung zugunsten einer rein organisatorischen Einteilung aufgegeben, die der heutigen ganz überwiegenden rechtsextremistischen "Mischszene" besser gerecht wird. Da die "Neonazis" zumeist einen gewissen Organisationsgrad aufwiesen und es bei der subkulturellen rechtsextremistischen Szene in der Regel an einem solchen Zusammenschluss im Allgemeinen fehlte, sind die dort verzeichneten Personenzahlen im Ergebnis im Wesentlichen in den neuen Kategorien der "parteiunabhängigen Strukturen" einerseits bzw. des "weitgehend unstrukturierten Personenpotenzials" andererseits aufgegangen. Politisch motivierte Kriminalität in Bremen 2013 - 2017* 96 Politisch motivierte Ausländerkriminalität Straftaten 2013 2014 2015 2016 2017 gesamt 16 44 34 52 23 davon extremistische Delikte 15 27 22 36 19 davon Gewaltdelikte 1 9 2 13 1 Politisch motivierte Kriminalität "Rechts" Straftaten 2013 2014 2015 2016 2017 gesamt 115 142 126 122 110 davon Propagandadelikte 82 117 74 68 50 davon Gewaltdelikte 2 4 6 13 4 Politisch motivierte Kriminalität "Links" Straftaten 2013 2014 2015 2016 2017 gesamt 116 77 88 70 126 davon extremistische Delikte 95 32 41 32 108 davon Gewaltdelikte 17 8 7 14 11 Antisemitische Straftaten Straftaten 2013 2014 2015 2016 2017 gesamt 11 15 8 6 17 Die Zahlen der politisch motivierten Kriminalität werden von der Polizei erhoben. 97 98 Impressum Herausgeber: Der Senator für Inneres Contrescarpe 22-24 28203 Bremen www.inneres.bremen.de Redaktion: Landesamt für Verfassungsschutz Bremen Flughafenallee 23 28199 Bremen Tel.: 0421 53 77-0 Fax: 0421 53 77-195 office@lfv.bremen.de www.verfassungsschutz.bremen.de Gestaltung: moltkedesign, Bremen Fotos: LfV Titelbild: Dienstgebäude des Senators für Inneres Druck: Zertani Die Druck GmbH Erscheinungsdatum: 18. Juni 2018 99 Senator für Inneres und Sport 101 Freie Hansestadt Bremen