Senator für Inneres Verfassungsschutzbericht 2016 Freie Hansestadt Bremen 2 Senator für Inneres 3 Verfassungsschutzbericht 2016 Freie Hansestadt Bremen 4 Vorwort 5 Durch die tragischen Ereignisse in Berlin kurz vor Weihnachten letzten Jahres ist deutlich geworden, dass von dem islamistischen Terrorismus nicht nur eine rein abstrakte Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland ausgeht. Der Aufruf des sogenannten "Islamischen Staates" (IS), auf möglichst simple Art und Weise möglichst viele Menschen zu töten, findet in extremistischen Kreisen zunehmend Widerhall. Je mehr die Terrororganisation an Territorium verliert, desto mehr wird sie versuchen durch Operationen im Ausland von ihrer Niederlage vor Ort abzulenken. Mit weiteren Anschlägen dieser Art ist daher auch in Zukunft leider zu rechnen. Was den Tätertypus anbelangt, so lassen sich zwei Erkenntnisse feststellen: Zum einen hatten alle Attentäter der letzten Jahre in Europa Bezüge in die salafistische Szene. Sozial völlig isolierte Attentäter sind nach wie vor die Ausnahme. Ob sie die Tat letzten Endes in einer Gruppe oder alleine ausführen, ist dabei nebensächlich. Entscheidend ist ihre Vernetzung in der Szene. Insofern ist die Beobachtung salafistischer Bestrebungen im Lande Bremen durch das Landesamt für Verfassungsschutz eine zwingende Notwendigkeit. Zwar gilt, dass nicht jeder Salafist gewaltorientiert ist. Doch die Szene beherbergt ein militantes Spektrum, aus dem sich die Attentäter rekrutieren. Zum anderen lässt sich feststellen, dass das gewaltorientierte Spektrum innerhalb des Salafismus nicht etwa durch besonders frommes Verhalten, sondern vielmehr durch Bezüge in das organisierte kriminelle Milieu auffällt. So ergab eine gemeinsame Studie des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes, dass zwei Drittel der insgesamt über 900 aus Deutschland nach Syrien ausgereisten Personen zuvor polizeilich bekannt waren. Um solche Entwicklungen zu erkennen und entsprechend reagieren zu können, ist die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz unverzichtbar. Durch die im Vorfeld stattfindende Analysearbeit ist es möglich, extremistisch motivierte Täter zu erkennen, noch bevor es zu einer Straftat kommt. Eine ausreichende personelle Ausstattung des Landesamtes für Verfassungsschutz ist unabdingbar, um der immer größer werdenden Gefahr durch den islamistischen Terrorismus etwas entgegensetzen zu können. Zusätzlich ist das Landesamt für Verfassungsschutz der erste Ansprechpartner, wenn es darum geht, über das Phänomen der islamistischen Radikalisierung und mögliche Präventionsmaßnahmen aufzuklären. In diesem Rahmen fanden im letzten Jahr Dutzende Vortragsveranstaltungen im Bereich Polizei, JVA, Schulen oder auch in Flüchtlingsunterkünften statt. In Zusammenarbeit mit der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport wurde im Jahr 2016 zudem eine Handreichung für Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften erstellt, die über mögliche Radikalisierungsmerkmale aufklärt und Handlungsoptionen darlegt. 6 Einen weiteren Aufgabenschwerpunkt des Landesamtes für Verfassungsschutz stellt der Phänomenbereich Rechtsextremismus dar. Rechtsextremisten versuchen derzeit insbesondere mit ihrer Propaganda zum Thema Asyl und Ausländerkriminalität, Einfluss auf die Stimmung in der Gesellschaft zu nehmen. In sozialen Netzwerken instrumentalisieren sie diese Themen vor allem mit dem Ziel, die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen zu diskreditieren und das Vertrauen der Bürger in die Politik und den demokratischen Verfassungsstaat zu unterminieren. Sie propagieren dazu häufig die Kriminalität von Ausländern. In vielen Äußerungen offenbart sich eine hohe verbale Radikalität ihrer Verfasser. An anderer Stelle agieren Rechtsextremisten jedoch vielfach subtiler als noch vor einigen Jahren, um auch Nichtextremisten zu erreichen. Sie bedienen sich dazu des Stilmittels des Populismus; sie geben sich als "Patrioten" aus und verdecken ihren rechtsextremistischen Hintergrund. Diese unterschiedlichen Vorgehensweisen von Rechtsextremisten machen deutlich, wie wichtig die sorgfältige Beobachtung der Entwicklungen in diesem Bereich durch das Landesamt für Verfassungsschutz ist. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Verfassungsfeindlichkeit der rechtsextremistischen Partei NPD in seinem Urteil vom 17. Januar 2017, ein Verbot der Partei erfolgte aber wegen mangelnder Anhaltspunkte zur Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele nicht. Daher muss es nunmehr vorrangig darum gehen, die entsprechenden Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen, die die Finanzierung extremistischer Parteien durch den Staat unterbinden. Dazu ist neben mehreren Gesetzesänderungen eine Änderung von Artikel 21 des Grundgesetzes notwendig. Die Vorfälle im letzten Jahr in Sachsen-Anhalt und Bayern, bei denen mehrere Polizisten von "Reichsbürgern" verletzt und ein Beamter sogar getötet wurde, verdeutlichen die Gefahr, die von diesem Personenspektrum ausgeht. In Bremen steht das Spektrum daher nicht erst seit dem vergangenen Jahr, sondern bereits seit 2014 unter Beobachtung des Landesamtes für Verfassungsschutz. Das Gewaltpotenzial der linksextremistischen Szene Bremens zeigte sich wie im Vorjahr an der Reihe von Sachbeschädigungen und Brandstiftungen sowie insbesondere an den gezielten Angriffen auch auf vermeintliche Rechtsextremisten. Mit der linksextremistischen Gruppierung "Revolutionärer Aufbau Bremen" etablierte sich zuletzt eine Gruppe, die ihre hohe Gewaltbereitschaft offen propagiert. Im Hinblick auf den bevorstehenden G20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg, zu dem linksextremistische Gruppierungen bundesweit seit Monaten Proteste planen, kommt der Beobachtung der linksextremistischen Szene Bremens durch das Landesamt für Verfassungsschutz eine hohe Bedeutung zu. Ulrich Mäurer Senator für Inneres 7 8 Inhalt Seitenzahl 10 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen 14 1.1 Kontrolle des Verfassungsschutzes 15 1.2 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV 16 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV 17 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus 19 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus 21 3 Rechtsextremismus 22 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 23 3.2 Straftaten gegen Asylbewerber und ihre Unterkünfte 24 3.3 Rechtsextremistische Agitation und Propaganda 26 3.4 Strukturen und Gruppierungen des Rechtsextremismus 32 3.5 Rechtsextremistische Parteien 35 4 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 38 5 Linksextremismus 39 5.1 Aktivitäten von gewaltorientierten Linksextremisten 40 5.1.1 "Militante Aktionen" 42 5.1.2 Angriffe auf "politische Gegner" 43 5.1.3 Proteste gewaltorientierter Linksextremisten 9 48 5.2 Strukturen und Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus 54 6 Islamismus und islamistischer Terrorismus 55 6.1 Islamismus 57 6.2 Islamistischer Terrorismus 57 6.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 58 6.2.2 "Islamischer Staat" (IS) 60 6.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen und radikalisierte Einzeltäter 63 6.2.4 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 66 6.2.5 Internet und andere Medien 66 6.3 Salafistische Bestrebungen 69 6.3.1 Salafismus im Land Bremen 73 6.3.2 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 75 6.4 "Hizb Allah" 76 7 Ausländerextremismus 78 7.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 84 7.2 Türkischer Linksextremismus 86 7.3 Türkischer Rechtsextremismus 88 8 Unterstützungsaufgaben des LfV 92 Anhang 96 Impressum 10 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Seitenzahl 14 1.1 Kontrolle des Verfassungsschutzes 15 1.2 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV 11 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Der Verfassungsschutz gilt als "Frühwarnsystem" der Demokratie, da er verfassungsfeindliche Aktivitäten (extremistische Bestrebungen) und sicherheitsgefährdende Tätigkeiten erkennen soll. Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen Deutschlands mit dem Nationalsozialismus ist der demokratische Rechtsstaat mit einem Warnund Schutzsystem ausgestattet. Das Prinzip der "wehrhaften Demokratie" trägt der Entschlossenheit des Staates Rechnung, sich gegenüber den Feinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu wehren. Die freiheitliche demokratische Grundordnung beinhaltet die zentralen Grundprinzipien, die einen demokratischen Verfassungsstaat ausmachen, dazu gehören insbesondere die Würde des Menschen sowie das Demokratieund das Rechtsstaatsprinzip. Das Prinzip der "wehrhaften Demokratie" zeigt sich etwa am Festschreiben eines unveränderlichen Kerns einer Grundund Werteordnung, die selbst vor Verfassungsänderungen geschützt ist ("Ewigkeitsklausel", Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz (GG)). Neben den Staatsstrukturprinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind dadurch vor allem die wesentlichen Freiheitsrechte des Einzelnen abgesichert, allen voran der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Ergänzt wird die "Wehrhaftigkeit" Das Bremische Verfassungsdurch die Möglichkeit des Verbots von Parteien und sonstigen Vereinigungen wegen schutzgesetz (BremVerfSchG) verfassungswidriger Aktivitäten (Art. 21 Abs. 2 GG, Art. 9 Abs. 2 GG) oder durch regelt die Aufgaben und Befugdie Verwirkung von Grundrechten, wenn diese im Kampf gegen die freiheitliche nisse sowie die Rechtsstellung demokratische Grundordnung missbraucht werden (Art. 18 GG). des LfV und seine Zusammenarbeit mit den VerfassungsDas Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat folgende im Gesetz über den schutzbehörden der Länder Verfassungsschutz im Lande Bremen (SS 3 BremVerfSchG) normierte Aufgaben: und des Bundes. . Die Beobachtung von Bestrebungen, die Das Artikel 10-Gesetz gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder (G 10) regelt die Befugnisse der . die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, deutschen Nachrichtendienste durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen zu Eingriffen in das durch Artikel . auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden, 10 des Grundgesetzes garangegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche tierte Brief-, Postund FernmelZusammenleben der Völker gerichtet sind. degeheimnis. Das LfV ist auch zuständig für die Spionageabwehr im Land Bremen. Daneben Das Bremische Sicherheitsunterstützt es im Rahmen seiner Mitwirkungsaufgaben Sicherheitsüberprüfungen überprüfungsgesetz von Personen zum Zweck des Geheimund Sabotageschutzes. (BremSÜG) regelt die Voraussetzungen und das Verfahren Zu den Aufgaben des LfV zählen weiterhin die regelmäßige Unterrichtung von Senat zur Sicherheitsüberprüfung von und Bürgerschaft über die Sicherheitslage im Land Bremen und die Information der Personen, die mit bestimmten Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Letzteres wird unter andesicherheitsempfindlichen rem durch die Veröffentlichung des jährlich erscheinenden VerfassungsschutzbeTätigkeiten betraut werden richtes gewährleistet. sollen (Sicherheitsüberprüfung) oder bereits betraut worden sind Der Verfassungsschutzbericht beruht auf den Erkenntnissen, die das LfV im Rahmen (Aktualisierungsbzw. Wiederseines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Verfassungsschutzbehörden des holungsprüfung). Bundes und der Länder gewonnen hat. Der Bericht stellt keine abschließende Die Gesetze sind im Internet Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Gruppierungen oder Ereignisse dar, abrufbar unter: sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichwww.verfassungsschutz. nenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen. bremen.de Beobachtungsschwerpunkte Das LfV beobachtet Bestrebungen in den Phänomenbereichen Rechtsextremismus, islamistischer Terrorismus und Salafismus, Linksextremismus sowie Ausländerextremismus. Im Fokus der Beobachtung stehen die gewaltorientierten Kräfte aus den einzelnen Phänomenbereichen. Die Bedrohung der Inneren Sicherheit geht heute 12 von radikalisierten Einzeltätern und Kleingruppen aus, die nicht zwingend in extremistische Strukturen eingebunden sein müssen. Mit der Fokussierung auf Gewalt veränderte sich in den vergangenen Jahren insofern der Blickwinkel des Verfassungsschutzes, als nunmehr auch verstärkt Verbindungen zwischen Extremisten und gewaltaffinen Gruppierungen in die Beobachtung einbezogen werden. Informationsgewinnung Einen Großteil seiner Informationen gewinnt der Verfassungsschutz aus offen zugänglichen Quellen, wie z.B. Publikationen, Internetseiten und sozialen Netzwerken sowie öffentlichen Veranstaltungen. Durch die offene Informationsgewinnung entsteht allerdings selten ein vollständiges Bild extremistischer Bestrebungen. Gegenüber konspirativen Methoden versagt sie völlig. Um auch getarnte oder geheim gehaltene Aktivitäten beobachten zu können, setzt der Verfassungsschutz vor allem im Bereich gewaltorientierter Bestrebungen die verdeckte Informationsgewinnung ein, u.a. durch den Einsatz von Vertrauensleuten (V-Leuten), Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. Gesetzliche Grundlagen Freiheitliche demokratische Gesetze VerhältnismäßigkeitsTrennungsgebot Grundordnung grundsatz (keine Befugnisse keine ExekutivDie Wesensmerkmale der freiheitohne gesetzliche befugnisse lichen demokratischen GrundordRegelung) (keine Geheimpolizei) . nung sind: BremVerfSchG, die Achtung vor den im Artikel 10-Gesetz Grundgesetz konkretisierten und bremisches . Menschenrechten Ausführungsgesetz, . die Volkssouveränität BremSÜG . die Gewaltenteilung die Verantwortlichkeit der . Regierung Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei die Gesetzmäßigkeit der . Verwaltung Unter Beachtung des Trennungsgebotes stellte die Verbesserung des Informationsdie Unabhängigkeit der austausches zwischen Verfassungsschutz und Polizei einen Schwerpunkt des . Gerichte bisherigen Prozesses der Neuausrichtung dar. So trägt das im Jahr 2012 eingerichte- . das Mehrparteienprinzip te "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ), an dem die Chancengleichheit für alle sich Polizei und Verfassungsschutz gleichermaßen beteiligen, zum effizienteren Inforpolitischen Parteien mit dem mationsaustausch innerhalb der Sicherheitsbehörden bei. Dabei ging das seit 2011 Recht auf verfassungsmäßige bestehende "Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus" (GAR) im GETZ auf. Bildung und Ausübung einer Das GETZ ist nach dem Vorbild des im Bereich des islamistischen Terrorismus Opposition erfolgreich operierenden "Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums" (GTAZ) geschaffen worden. Die Einrichtung von Untergremien im GETZ, in Gestalt einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) sowie einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS), soll insbesondere die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden verbessern. Zu einem besseren Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei trägt auch die im Jahr 2011 eingerichtete Plattform "Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus" (KIAR) bei. Die 2012 eingeführte "Rechtsextremismusdatei" (RED) sichert einen schnellen Austausch von Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten zwischen Verfassungsschutz und Polizei. "Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) 13 Die effektive Bekämpfung des islamistischen Terrorismus kann eine nachrichtendienstliche Behörde nicht alleine bewältigen. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2004 das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) geschaffen, ein Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Vorrangige Aufgabe des GTAZ ist es, für einen reibungslosen Austausch von Erkenntnissen zu sorgen und operative Maßnahmen abzustimmen. Bundesamt für GeneralbundesMigration und anwalt Flüchtlinge Bundesamt für BundeskriminalVerfassungsamt schutz 16 Landes16 Landesämter kriminalämter GTAZ für VerfassungsPI AS N I AS schutz BundesnachrichBundespolizei tendienst Militärischer Zollkriminalamt Abschirmdienst "Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) Das im Jahr 2012 eingerichtete "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) ist ebenfalls ein Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Das GETZ beschäftigt sich mit den Phänomenbereichen Ausländer-, Linksund Rechtsextremismus sowie der Spionageabwehr. Bundesamt für BundeskriminalGeneralbundesVerfassungsamt anwalt schutz 16 Landesämter Bundespolizei für Verfassungs- N I AS schutz PI AS Bundesnachrich16 Landeskriminalämter GETZ tendienst Europol Militärischer Abschirmdienst 1.1 Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Arbeit des LfV unterliegt der parlamentarischen Kontrolle durch die Bremische Bürgerschaft (Parlamentarische Kontrollkommission und G 10-Kommission). Die Aufsicht über die Verfassungsschutzbehörde führt die Behördenleitung des Senators 14 für Inneres. Maßnahmen des LfV sind auch gerichtlich überprüfbar. Parlamentarische Parlamentarische Parlamentarische Kontrolle Kontrolle Kontrolle Parlamentarische Parlament G 10-Kommission Kontrollkommission LfV Bremen VerwaltungsGerichtliche Öffentliche kontrolle Kontrolle Kontrolle Senator für Inneres VerwaltungsBürger gerichtlicher (Auskunftsrecht) Landesbeauftragte für Rechtsschutz Datenschutz und Presse Informationsfreiheit Bremen Landesrechnungshof Parlamentarische Kontrollkommission Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird durch den Senator für Inneres über die allgemeine Tätigkeit des LfV sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung fortlaufend und umfassend unterrichtet. Die PKK hat das Recht, Einsicht in Akten und andere Unterlagen zu nehmen, und hat Zugang zu Einrichtungen des LfV. Die PKK der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die Bürgerschaft zu Beginn jeder Wahlperiode aus ihrer Mitte wählt. Daneben können nicht in der PKK vertretene Fraktionen einen ständigen Gast in die PKK entsenden. Die Kommission tritt mindestens alle drei Monate zusammen. Ihre Beratungen unterliegen der Geheimhaltungspflicht. G 10-Kommission Die G 10-Kommission entscheidet über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem G 10-Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an 15 Betroffene. Die G 10-Kommission der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die PKK zu Beginn jeder Wahlperiode wählt. Der Vorsitzende besitzt die Befähigung zum Richteramt. 1.2 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV Zur Erfüllung seiner Aufgaben gab das LfV im Haushaltsjahr 2016 für Personal 2.382.874 Euro (2015: 2.320.763 Euro) und für Sachmittel 852.588 Euro (2015: 740.190 Euro) aus. Die investiven Ausgaben betrugen 227.997 Euro (2015: 49.258 Euro). Das Gesamtausgabevolumen lag 2016 bei 3.463.459 Euro (2015: 3.110.211 Euro). Das Beschäftigungsvolumen umfasste 49,0 Vollzeiteinheiten (2015: 51,0). 16 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV Seitenzahl 17 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus 19 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus 17 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV Die Bekämpfung extremistischer Aktivitäten erfolgt in einer Demokratie in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext. Aus diesem Grund ist es dem LfV ein besonderes Anliegen, das Wissen des Verfassungsschutzes für die Aufklärung und Meinungsbildung, aber auch für die erfolgreiche Präventionsarbeit anderer Träger in Staat und Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Öffentlichkeitsarbeit des LfV bezieht sich auf die Beobachtungsschwerpunkte der Bereiche Rechtsextremismus und Islamismus. 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus Das LfV unterstützt im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit die umfassende und seit Jahren bestehende Präventionsarbeit der verschiedenen Initiativen, Institutionen und Behörden im Land Bremen. Daneben ist das LfV bestrebt, mit eigenen Initiativen die Prävention vor rechtsextremistischen Gefahren zu fördern, etwa durch Vorträge. Vorträge zum Thema Rechtsextremismus Die Vorträge im Bereich Rechtsextremismus richten sich insbesondere an Behörden, Einrichtungen, Vereine und Schulen. In den Vorträgen können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden, so kann es um aktuelle Entwicklungen und neue Erscheinungsformen im Rechtsextremismus gehen. "reset" - Beratung und Begleitung bei der Loslösung vom Rechtsextremismus im Land Bremen Die Beratungsstelle "reset" wird im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie von der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport gefördert. Die Trägerschaft liegt beim "Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit e.V." (VAJA). Das Beratungsund Begleitungsangebot von "reset" richtet sich vorrangig an junge Personen, die bereit sind, sich in eine langfristige Auseinandersetzung mit ihren "rechten" Einstellungen und Verhaltensweisen zu begeben, um sich von diesen zu distanzieren. "reset" wendet sich an Personen, die mit der rechtsextremen Szene sympathisieren, erste Kontakte geknüpft haben oder sich bereits in der Szene verorten. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf Mädchen und junge Frauen gerichtet. Die Beratungsstelle unterstützt darüber hinaus Personen, die in Auseinandersetzung mit den genannten Zielgruppen stehen, wie u.a. Fachkräfte aus den Bereichen Bildung, Jugendhilfe, Freizeit und Justiz. Das Beratungsangebot von 18 "reset" wird von dem gesonderten Angebot der "Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt" (ARuG) ergänzt, das sich speziell an Personen richtet, die weitgehender in rechtsextremistische Szenezusammenhänge eingebunden sind. Hier fungiert "reset" als Erstkontaktstelle. Die Beratung und Begleitung von "reset" und ARuG ist freiwillig, kostenlos und vertraulich. "pro aktiv gegen rechts" - Mobile Beratung in Bremen und Bremerhaven "pro aktiv gegen rechts" ist ein Beratungsangebot der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport, das sich seit 2010 in der Trägerschaft von VAJA befindet und im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Die Beratungsstelle informiert zu den Themenfeldern Rechtsextremismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Ziel der Beratung ist es, Jugendliche und Erwachsene zu unterstützen und zu befähigen, eine demokratische Kultur zu entwickeln sowie sich "rechts" motivierten Entwicklungen und Geschehnissen entgegen zu stellen. Hauptzielgruppe der Beratung sind Jugendliche, interessierte Einzelpersonen und Multiplikatoren sowie Vereine, Bündnisse, Unternehmen und Stadtteilgremien. Auch das Angebot von "pro aktiv gegen rechts" ist kostenfrei und vertraulich. Kontakt: "reset" Internet: www.reset-bremen.de E-Mail: reset@vaja-bremen.de Tel.: 0157 77 453 638 oder 0157 52 510 527 "pro aktiv gegen rechts" Internet: www.pro-aktiv-gegen-rechts.bremen.de E-Mail: proaktiv@vaja-bremen.de Tel.: 0421 960 384 93 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus Die Öffentlichkeitsarbeit des LfV im Bereich Islamismus verfolgt das Ziel, die öffentliche Debatte über Islam und Islamismus zu versachlichen und die bremische Bevölkerung über islamistische Bestrebungen zu informieren. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Behörden und zivilgesellschaftlichen Stellen sollen unter der Überschrift 19 "Sensibilisierung und Früherkennung" in die Lage versetzt werden, zwischen legitimer Religionsausübung und dem eventuellen Abdriften einer Person in extremistische Kreise zu unterscheiden. Zentrales Anliegen ist es, dabei zu helfen, die Radikalisierung junger Personen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, bevor Sicherheitsbehörden aktiv werden müssen. Islamisten in Bremen Personenanzahl 700.000 Land Bremen 663.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 195.000 100.000 92.000 50.000 460 0 GesamtBevölkerung mit Ausländer Muslime Islamisten bevölkerung Migrationshintergrund Islamisten stellen eine kleine Minderheit unter den Muslimen in Bremen. (Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, LfV) Vorträge zum Thema Islamismus Zur Aufklärung der aktuellen Situation in Bremen und neuen Entwicklungen im Themenbereich Islamismus bietet das LfV Vorträge für Einrichtungen, Vereine und Schulen an. In den Vorträgen können unterschiedliche Themenschwerpunkte gesetzt werden, so zum Beispiel islamistische Szene in Bremen, Salafismus, Islamismus oder 20 Islam, muslimisches Leben in Deutschland und Jugendkulturen. Im Jahr 2016 nutzten zahlreiche Schulen, Jugendfreizeitheime, Behörden sowie verschiedene zivilgesellschaftliche und politische Institutionen dieses Angebot. Hier hört die Tätigkeit des LfV allerdings auf. Prävention durch Beratung wird durch andere Institutionen, wie z.B. die Beratungsstelle "kitab", zur Verfügung gestellt. Bundesweites Beratungsnetzwerk und Beratungsstelle in Bremen "kitab" Durch die seit 2012 bestehende Beratungsstelle "Radikalisierung" des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) können sich Personen telefonisch beraten lassen, die die Radikalisierung einer Person in ihrem Umfeld wahrnehmen. Die Telefonnummer der Beratungsstelle lautet: 0911 943 43 43. Bundesweit verfügt die Beratungsstelle über regionale Partner. In Bremen existiert die Beratungsstelle "kitab", die vom "Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit e.V." (VAJA) getragen wird. Das Angebot bietet insbesondere Eltern, Angehörigen, Lehrern und Sozialarbeitern Hilfestellungen und Unterstützung im Umgang mit Kontakt: Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die sich möglicherweise islamistischen "kitab" Gruppen zuwenden. Auch die Betroffenen können sich an "kitab" wenden. Die Internet: www.vaja-bremen.de/ Mitarbeiter der Beratungsstelle in Bremen sind werktags zwischen 9 und 15 Uhr und teams/kitab/ nach Vereinbarung erreichbar. Die Beratung erfolgt auch in türkischer Sprache. Tel.: 01575 575 30 02 E-Mail: kitab@vaja-bremen.de Mitarbeit in verschiedenen Gremien und an Präventionsveranstaltungen Salafismusprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, welche behördenübergreifend und in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erfolgen muss. Das LfV bringt seine Expertise in verschiedenen Gremien, die sich auf EU-, Bundesund Landesebene mit dem Thema befassen, ein, beansprucht jedoch keine Federführung. So ist das LfV Mitglied in der ressortübergreifenden AG "religiös begründete Radikalisierung", in der die Umsetzung des Bremer Präventionskonzeptes besprochen und abgestimmt wird. 3 Rechtsextremismus 21 Seitenzahl 22 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 23 3.2 Straftaten gegen Asylbewerber und ihre Unterkünfte 24 3.3 Rechtsextremistische Agitation und Propaganda 26 3.4 Strukturen und Gruppierungen des Rechtsextremismus 32 3.5 Rechtsextremistische Parteien 22 3 Rechtsextremismus Im Fokus der Agitation und der Propaganda von Rechtsextremisten stand auch im Jahr 2016 das Thema Asyl und Ausländerkriminalität. Offen rechtsextremistische Propaganda und ihre organisatorische Anbindung an die Szene stellen Rechtsextremisten häufig in den Hintergrund, um über die rechtsextremistische Szene hinaus Personen für ihre politischen Aktionen und Ziele zu gewinnen. Auf subtile Weise werben auch Aktivisten der rechtsextremistischen Szene Bremens insbesondere in sozialen Netzwerken für ihre fremdenfeindlichen und rassistischen Positionen. Die Zahl der Anschläge auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte war im Jahr 2016 ebenso wie im Vorjahr auf einem hohen Niveau. In Bremen gab es im Jahr 2016 mehrere Straftaten in diesem Zusammenhang. Obwohl nicht jeder dieser Anschläge Tätern zugerechnet werden kann, die ideologisch und organisatorisch fest in der rechtsextremistischen Szene verankert sind, so ist die Fremdenfeindlichkeit, die in dem Großteil solcher Taten zum Ausdruck kommt, ein zentraler Bestandteil der rechtsextremistischen Ideologie. Die Verfassungsfeindlichkeit der Ziele der rechtsextremistischen Partei "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), denen das Ideologieelement Fremdenfeindlichkeit jeweils zugrunde liegt, bestätigte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil im Januar 2017. Das von der Partei propagierte Konzept einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" als Gegenmodell zum demokratischen Rechtsstaat richtet sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, deren Kern die Menschenwürde sowie das Demokratieund Rechtsstaatsprinzip bilden. Das Gericht verbot die Partei lediglich aufgrund ihrer derzeitigen politischen Bedeutungsund Wirkungslosigkeit nicht. 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild Rechtsextremismus ist keine in sich geschlossene Ideologie, sondern eine Weltanschauung, die sich vor allem gegen die fundamentale Gleichheit aller Menschen richtet (Ideologie der Ungleichheit). Trotz der Erfahrungen Deutschlands während der Zeit des Nationalsozialismus ist der Rechtsextremismus durch Einstellungen geprägt, die geschichtliche Tatsachen leugnen und tendenziell zur Verharmlosung, Rechtfertigung oder gar Verherrlichung nationalsozialistischer Verbrechen einschließlich des Holocausts beitragen. Geschichtsrevisionistische Positionen sind in unterschiedlicher Ausprägung in der rechtsextremistischen Szene verbreitet, insbesondere die neonazistische Szene greift Symbolik und Tradition des Nationalsozialismus auf und nimmt Gedenktage zum Anlass für Veranstaltungen. Im Mittelpunkt der rechtsextremistischen Ideologie stehen zwei Elemente: Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Fremdenfeindlichkeit umschreibt eine ablehnende Haltung gegenüber allem, was als fremd und deshalb bedrohlich oder minderwertig empfunden wird. Abgelehnt werden vor allem Ausländer, Muslime, Obdachlose, Behinderte und Homosexuelle. Als Formen der Fremdenfeindlichkeit gelten Ausländerund Islamfeindlichkeit sowie Antisemitismus. Ausländerfeindlichkeit bezieht sich auf die Feindseligkeit gegenüber Ausländern, während Islamfeindlichkeit die Abwertung von Personen wegen ihrer religiösen Überzeugung beschreibt, die häufig jedoch auch auf ethnische Zugehörig23 keit oder Nationalität abstellt. Antisemitismus meint die Feindseligkeit gegenüber Juden, die häufig politisch, kulturell oder rassistisch begründet und vielfach mit Verschwörungstheorien untermauert wird. Rassismus bezieht sich ausschließlich auf äußere Merkmale. Beim Rassismus wird aus genetischen Merkmalen der Menschen eine naturgegebene Rangordnung abgeleitet und zwischen "wertvollen" und "minderwertigen" Rassen unterschieden. Rassismus nimmt Einfluss auf das zweite zentrale Element rechtsextremistischer Weltanschauung, den Nationalismus. Unter Nationalismus ist ein übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung der eigenen Nation zu verstehen. Rechtsextremisten sind der Überzeugung, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation, Ethnie oder Rasse über den Wert eines Menschen entscheidet. Die eigene Nation wird dabei gegenüber anderen als höherwertig eingestuft. Sie wird als ein so wichtiges, absolutes Gut angesehen, dass ihr sowohl Interessen und Werte anderer Nationalitäten als auch die (Bürgerund Menschen-)Rechte jedes Einzelnen unterzuordnen sind. Das Ziel von Rechtsextremisten besteht darin, die pluralistische Gesellschaftsordnung durch die einer "Volksgemeinschaft" zu ersetzen, in der der totalitäre Staat und das ethnisch homogene Volk miteinander verschmelzen. Der demokratisch verfasste Rechtsstaat soll einem nach dem Führerprinzip ausgerichteten totalitären Staat weichen, der von einer Einheitspartei beherrscht wird. Diese antidemokratischen Vorstellungen stehen im Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Fremdenfeindlichkeit als Grundelement rechtsextremistischen Denkens ist weder mit dem Prinzip der Menschenwürde noch mit dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen vereinbar. Das autoritäre Staatsverständnis und das antipluralistische Gesellschaftsverständnis widersprechen sowohl dem Demokratieprinzip, wie z.B. der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität oder dem Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition, als auch dem Rechtsstaatsprinzip, wie z.B. der Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt, der Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte sowie dem staatlichen Gewaltmonopol. 3.2 Straftaten gegen Asylbewerber und ihre Unterkünfte Die Zahl der Gewaltund Straftaten gegen Asylbewerber und ihre Unterkünfte pendelte sich in den Jahren 2015 und 2016 bundesweit auf einem im Vergleich zum Vorjahr anhaltend hohen Niveau ein. In Bremen gab es im Jahr 2016 mehrere Straftaten in diesem Zusammenhang. So wurde zum Beispiel im September 2016 ein Brandanschlag auf eine unbewohnte Flüchtlingsunterkunft in Bremen-Huchting verübt, bei dem vier von 80 Wohncontainern ausbrannten und weitere 12 Container beschädigt wurden. Im März 2016 wurden Propagandadelikte an Flüchtlingsunterkünften sowohl in Bremen-Oberneuland als auch in Bremerhaven gemeldet. Anfang des Jahres 2016 ist in Bremen-Steintor ein Flüchtling von einem unbekannten Täter angegriffen und mit Reizgas besprüht worden. Dieser Vorfall reiht sich in einen bundesweiten Trend ein, wonach sich fremdenfeindliche Übergriffe inzwischen auch gegen Personen richten. Anfangs richteten sich die Übergriffe vornehmlich auf geplante und unbewohnte Unterkünfte, nunmehr sind neben Personen regelmäßig auch bewohnte Unterkünfte im Bundesgebiet betroffen. Damit hat sich insgesamt die Qualität der fremdenfeindlichen Übergriffe verstärkt, da Verletzungen von Personen bewusst in Kauf genommen werden. 24 Ein Großteil der Straftaten wird spontan und aus der Situation heraus begangen, daneben gibt es aber auch Straftaten, die einer gezielten Planung und Vorbereitung bedürfen. Bei der Begehung von Straftaten treten unter anderem rechtsextremistische oder rechtsextremistisch beeinflusste Gruppierungen in Erscheinung, wie die Gruppierungen im brandenburgischen Nauen und im sächsischen Freital zeigen, die jeweils eine Serie an fremdenfeindlichen Straftaten verübten. Ein Großteil der Täter weist jedoch weder verfassungsschutznoch staatsschutzrelevante Erkenntnisse auf. Mehrheitlich handelt es sich somit um Personen, die vorher nicht mit rechtsextremistischen Aktivitäten in der Öffentlichkeit aufgefallen sind. Vor diesem Hintergrund ist der Agitation und der Propaganda von Rechtsextremisten eine zentrale Bedeutung beizumessen, wenn es darum geht, dass sich fremdenfeindliche Einstellungen in der Gesellschaft festigen und radikalisierte Personen fremdenfeindliche Straftaten begehen. 3.3 Rechtsextremistische Agitation und Propaganda Das Thema Asyl, das im Jahr 2016 im Fokus der rechtsextremistischen Agitation und Propaganda stand, hatte sich in den letzten Jahren zum Schwerpunktthema entwickelt. Mit dem Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland nahm die Anti-Asyl-Agitation der rechtsextremistischen Szene in den Jahren 2014 und 2015 signifikant zu, während sie mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen im Jahr 2016 in ihrer Intensität nachließ. Gleichwohl ist das Thema weiterhin von zentraler Bedeutung in der rechtsextremistischen Propaganda. Während Rechtsextremisten die Zuwanderung von Flüchtlingen anfangs eher als abstrakte "Bedrohung" betrachteten und das Thema "Asylmissbrauch" allgemein thematisierten, versuchen sie nunmehr insbesondere durch das Hervorheben der von Ausländern verübten Straftaten eine konkrete "Bedrohung" zu suggerieren, aus der sie oftmals Gewalt als legitimes Abwehrmittel ableiten. Rechtsextremistische Propaganda im Internet Die Aktivitäten im Internet sind ein wesentlicher Bestandteil der Anti-Asyl-Agitation der rechtsextremistischen Szene. Mit ihrer Propaganda verfolgen Rechtsextremisten das Ziel der individuellen und kollektiven Radikalisierung, indem sie über die gesellschaftspolitischen Diskussionen zum Thema Einfluss auf Meinungen von Einzelpersonen und somit letztlich auf Stimmungen in der Gesellschaft nehmen. Insbesondere soziale Netzwerke und Messenger-Dienste dienen der rechtsextremistischen Szene zur Kommunikation, Verbreitung von Propaganda, Mobilisierung von Personen für Aktionen und Organisation von Veranstaltungen. Angesichts der hohen Nutzung von sozialen Netzwerken durch Jugendliche und junge Erwachsene bemühen sich Rechtsextremisten um die Verbreitung ihrer Propaganda insbesondere bei Facebook, Die "Word-Cloud" stellt die Twitter oder YouTube. Schlüsselwörter auf einer von Rechtsextremisten betriebenen Facebook-Seite dar Zur massenhaften Verbreitung ihrer Propaganda nutzen Rechtsextremisten beispielsweise gezielt die Verteilungsalgorithmen sozialer Netzwerke, welche die Verbreitungswege der eingestellten Informationen bestimmen. So werden Nutzern, die auf die Propaganda von Rechtsextremisten reagieren, beispielsweise "Freunde" von "Freunden", ähnliche Gruppierungen oder Inhalte vorgeschlagen, wodurch sie stetig mehr rechtsextremistische Propaganda erhalten. 25 Aktivisten der rechtsextremistischen Szene Bremens instrumentalisieren die Themen Asyl und Einwanderung in hohem Maße für ihre Zwecke. Die Thematisierung erfolgt generell mit dem Ziel, die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen zu diskreditieren und das Vertrauen der Bürger in die Politik und den demokratischen Verfassungsstaat zu unterminieren, die "Flüchtlingsproblematik" zu lösen. So unterstellen Aktivisten der rechtsextremistischen Szene Flüchtlingen beispielsweise pauschal Kriminalität, Gewalttätigkeit sowie Asylmissbrauch oder Verbindungen zum Islamismus und islamistischen Terrorismus. Mit gezielten Tabubrüchen und dem Zeichnen von Bedrohungsszenarien, für die sie teilweise mit manipulierten oder verfälschten Informationen arbeiten, versuchen sie, Aufmerksamkeit zu erregen, vorhandene Ängste zu verstärken und Hass zu schüren. Sie propagieren in diesem Zusammenhang häufig das Szenario einer drohenden "Islamisierung" Deutschlands. Regelmäßig fallen dabei beleidigende Äußerungen bis hin zu Mordund Gewaltandrohungen. Die Anonymität des Internets offenbart insofern vielfach ein hohes Aggressionspotenzial sowie eine hohe Respektund Maßlosigkeit seiner Nutzer; zum Ausdruck kommt häufig eine Verrohung der Sprache. Anfang des Jahres 2016 thematisierte die rechtsextremistische Szene die zahlreichen Übergriffe von überwiegend nordafrikanischen oder arabischen Männern auf Frauen an Silvester 2015/2016 in Köln. Rechtsextremisten bereiteten die Vorfälle propagandistisch auf. Im Zuge dessen formierte sich im Januar 2016 eine Facebook-Gruppe mit dem Ziel der Etablierung einer Bürgerwehr in Bremen. Als Administratoren fungierten u.a. Rechtsextremisten aus Bremen. Die Facebook-Gruppe hatte zeitweilig über 700 Mitglieder. Die Ankündigung vom Aufbau einer Bürgerwehr wurde letztendlich nicht in die Tat umgesetzt. Offene und verdeckte Werbung für rechtsextremistische Positionen Die rechtsextremistische Propaganda im Internet erfolgt auf offene oder verdeckte Weise. Rechtsextremisten werben zum Teil offen für rechtsextremistische Positionen und Organisationen, andere agieren subtil, indem sie auf offene rechtsextremistische Propaganda verzichten, ihren rechtsextremistischen Hintergrund verdecken und sich als "Patrioten" ausgeben. Die starke Zunahme von subtilerer rechtsextremistischer Propaganda in den vergangenen Jahren zielt insbesondere auf einen höheren Verbreitungsgrad der Nachrichten. Dazu bedienen sich Rechtsextremisten oftmals des Stilmittels des Populismus, bei dem es generell darum geht, sich volksnah zu geben, die Emotionen, Vorurteile und Ängste der Bevölkerung aufzugreifen und vermeintlich einfache und klare Lösungen für komplexe gesellschaftspolitische Probleme anzubieten. Rechtsextremistische Anti-Asyl-Agitation Die Anzahl der Anti-Asyl-Demonstrationen war im Jahr 2016 bundesweit stark rückläufig, nachdem sie im November 2015 ihren Höchststand erreicht hatte. Die Demonstrationen wurden zum einen von rechtsextremistischen Parteien wie der NPD, "Die Rechte" oder "Der III. Weg" und zum anderen von bürgerlichen Organisa26 tionen und Gruppierungen organisiert, wie u.a. aus dem Spektrum der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA). In Bremen gab es in den vergangenen Jahren keine von Rechtsextremisten initiierte Anti-Asyl-Demonstration, jedoch unterstützen Bremer Rechtsextremisten bürgerlich getragene fremdenfeindliche Proteste vor allem durch ihre Propaganda im Internet. Rechtsextremisten aus Bremen beteiligten sich im Jahr 2016 zudem an PEGIDADemonstrationen in anderen Städten Deutschlands. So mobilisierten Aktivisten der rechtsextremistischen Gruppierung "Gemeinsam-Stark Deutschland" (GSD) zur Teilnahme an der PEGIDA-Kundgebung am 9. Januar 2016 in Köln. Am 11. Januar 2016 traten Protagonisten der rechtsextremistischen Hooligan-Band "Kategorie C" zum Jahrestag der Initiative "Leipziger Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (LEGIDA) in Leipzig auf. Die schwindende Abgrenzung zwischen rechtsextremistischem und nichtextremistischem, rechtskonservativem Spektrum zeigte sich bereits im Jahr 2015 bei den Anti-Asyl-Demonstrationen. In großem Umfang beteiligten sich Personen, die nicht dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind, an von Rechtsextremisten organisierten Demonstrationen. Diese Entwicklung zeigt, dass es der rechtsextremistischen Szene mit ihrer Anti-Asyl-Agitation und Propaganda gelungen ist, einen radikalisierenden Einfluss auf Teile der Gesellschaft zu nehmen und die Akzeptanz ihres Gedankenguts speziell im rechtskonservativen Spektrum zu erhöhen, wo radikale Äußerungen und rechtsextremistische Positionen teilweise übernommen werden. 3.4 Strukturen und Gruppierungen des Rechtsextremismus Die Mordserie der rechtsterroristischen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) in den Jahren 2000 bis 2007 als auch das Attentat eines Rechtsextremisten in Norwegen im Jahr 2011 verdeutlichen die Gefahr, die von radikalisierten Einzelpersonen und Kleinstgruppen ausgeht, die unabhängig von bekannten rechtsextremistischen Strukturen agieren und sich bekannten Handlungsmustern der rechtsextremistischen Szene entziehen. Rechtsterrorismus des "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) Der seit 2013 vor dem Oberlandesgericht München laufende Strafprozess richtet sich nach dem Selbstmord der beiden Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppierung NSU Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahr 2011 gegen das einzige noch lebende NSU-Mitglied Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer. Die Mitglieder des NSU lebten rund 13 Jahre im Untergrund und ermordeten in den Jahren 2000 bis 2007 insgesamt zehn Menschen vor allem aus fremdenfeindlichen und rassistischen Motiven. Darüber hinaus beging das Trio mindestens zwei Bombenanschläge und 15 bewaffnete Raubüberfälle. Die geplante und gezielte Mordserie der rechtsterroristischen Gruppierung NSU, die über Jahre kein öffentliches Bekenntnis in direkter oder indirekter Form ablegte, stellt eine Besonderheit in der Geschichte des deutschen Terrorismus dar. Die in den 1970erbis 2000er-Jahren in Deutschland existierenden rechtsterroristischen Gruppierungen begingen keine Serienmorde an Personen und auch keine gezielten Tötungen. Im Vergleich zu früheren Gruppierungen im Rechtsterrorismus unterscheidet sich der NSU damit insbesondere hinsichtlich seiner Gewaltintensität. 27 Aktionsund gewaltorientierte rechtsextremistische Szene Die rechtsextremistische Szene unterliegt seit einigen Jahren vielfältigen strukturellen Entwicklungen. Zum einen hält der bereits vor einigen Jahren begonnene Trend zum Abbau von Organisationsstrukturen an: Kleine, informelle und regional verankerte Gruppierungen und lose Netzwerke haben inzwischen Organisationen mit festeren Strukturen wie Parteien, Vereine und Kameradschaften abgelöst. Grund für den Verzicht auf Organisationsstrukturen ist, Vereinsverbote zu erschweren und möglichst wenig Ansatzpunkte für strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Gruppierungen zu bieten. Zum anderen zeigen die Gründungen der Parteien "Die Rechte" 2012 in Nordrhein-Westfalen oder "Der III. Weg" 2014 in Bayern, dass Neonazis auch bereit sind, sich unter dem Schutz einer Partei zu organisieren. Hier zeigt sich die Anpassungsfähigkeit der Szene: Politische Parteien sind in besonderer Weise vor Verboten geschützt, da sie ausschließlich vom Bundesverfassungsgericht verboten werden können. Alle anderen Personenzusammenschlüsse wie Kameradschaften können hingegen vom zuständigen Innenminister oder -senator verboten werden. Die rechtsextremistische Szene kommt insbesondere durch die Nutzung von sozialen Medien vielfach ohne feste übergeordnete, überregionale oder bundesweite Organisationsstrukturen aus. Über persönliche Kontakte sind ihre Aktivisten bundesweit vernetzt. Neonazis "Neonazi" ist die Kurzform für "Neonationalsozialist". Fälschlicherweise werden die Begriffe "Neonazi" und "Rechtsextremist" häufig synonym verwendet. Neonazis bezeichnen sich selbst häufig als "Freie Kräfte" oder "Freie Nationalisten". Der Neonazismus, der als ein Teilbereich des Rechtsextremismus gilt, ist dadurch gekennzeichnet, dass er in der Tradition des Nationalsozialismus steht. Neonazis vertreten mit ihrer starken Bezugnahme auf die nationalsozialistische Ideologie revisionistische Positionen. Sie greifen zudem die typischen rechtsextremistischen Ideologieelemente wie Fremdenund Islamfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus auf. Ihr Ziel besteht darin, die staatliche Ordnung Deutschlands, die sie als "das System" bezeichnen, durch einen totalitären Führerstaat nationalsozialistischer Prägung mit einer ethnisch homogenen Bevölkerungsstruktur zu ersetzen. Ethnische Vielfalt und Meinungsvielfalt bedrohen die von Neonazis angestrebte "Volksgemeinschaft", die Personen ausländischer Herkunft kategorisch ausschließt und in der sich jedes Individuum dem vorgegebenen Gesamtwillen unterzuordnen hat. Trotz übereinstimmender Grundüberzeugungen ist die neonazistische Szene ideologisch nicht homogen, die verschiedenen Ideologieelemente sind vielmehr je nach Gruppe unterschiedlich stark ausgeprägt. "Identitäre Bewegung" Die im Jahr 2012 gegründete rechtsextremistische Gruppierung "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) vernetzte erstmals bundesweit Aktivisten der rechtsextremistischen Szene über das soziale Netzwerk Facebook. Heute existieren zahlreiche lokale und regionale Facebook-Gruppen der "Identitären". Die "Identitären" treten mit 28 "Flashmobs", Plakat-Aktionen und der Verteilung von Flugblättern in der Öffentlichkeit mit dem Ziel auf, in die mediale Berichterstattung zu gelangen, um ihre nationalistischen, fremdenund islamfeindlichen Positionen in die gesellschaftspolitischen Diskussionen zum Thema Asyl und Einwanderung einzubringen. Mit ihren professionell gestalteten Internetseiten sprechen sie insbesondere jüngere Personen an. Große Aufmerksamkeit zogen sie im Jahr 2016 mit der "Besetzung" des Brandenburger Tors am 27. August 2016 in Berlin auf sich. Aktivisten der "Identitären" kletterten auf das Tor und befestigten dort ein Plakat mit der Aufschrift "Sichere Grenzen - sichere Zukunft", schwenkten Fahnen und brannten Pyrotechnik ab. In Bremen gründete sich 2012 die "Identitäre Bewegung Bremen" (IBB), die anfangs öffentlichkeitswirksam in Erscheinung trat, in den folgenden Jahren jedoch keinerlei Aktivitäten entfaltete. Im November 2016 nahmen u.a. Rechtsextremisten die Aktivitäten wieder auf. Unter der Überschrift "Bremen wird identitär!" kündigten sie auf ihrer Facebook-Seite an: "Wir sind unbequem und rebellieren als einzige gegen diejenigen, die mittels Islamisierung und Multikulti-Doktrin systematisch dafür sorgen, dass Deutschland langsam aber sicher abgeschafft wird. Doch Heimatliebe ist kein Verbrechen, sondern der Geist einer neuen Generation - der identitären Generation, deren Vertreter wir sind! Wir werden die politischen Verhältnisse durcheinanderwirbeln und Begriffe wie links und rechts ihre Bedeutung nehmen. (...) Wir sind gekommen um zu bleiben!" (Fehler im Original, Facebook-Seite der IBB, 08.11.2016). Aktivisten der "Identitären" verteilten am 18. Dezember 2016 Flugblätter auf dem Weihnachtsmarkt in Bremen. Unter der Überschrift "Integration ist eine Lüge! Gegen den großen Austausch - für die Vielfalt der Völker!" heißt es dort: "Unsere Generation ist mit einer Lüge aufgewachsen! Der Lüge, dass Multikulti, Integration und Masseneinwanderung Frieden, Wohlstand und mehr soziale Lebensqualität versprechen würden. (...) Wir erleben in allen europäischen Städten eine zunehmend dominante Ausbreitung des Islams, der durch ungebremste Masseneinwanderung meist junger Menschen permanent demographischen Nachschub erfährt. (...) Eine funktionierende Integration ist jedoch nur denkbar, wenn wir unsere eigene ethnokulturelle Identität schützen und erhalten (...). (...) Die Antwort auf Masseneinwanderung bedeutet nämlich nicht Integration, sondern Remigration!" (Fehler im Original, Facebook-Seite der IBB, 19.12.2016). Das Flugblatt erschien im Rahmen der 2015 ausgerufenen Kampagne "Großer Austausch". Die Kampagne der "Identitären" richtet sich gegen "die ungebremste Masseneinwanderung und die daraus resultierende Islamisierung", die mit einer politischen und ökonomischen Benachteiligung der einheimischen Bevölkerung einhergehe. Insbesondere die islamische Religion und Kultur halten die "Identitären" Flugblatt der "Identitären" für unvereinbar mit europäischen Werten und nehmen sie als Bedrohung wahr. Ihrer Ansicht nach zielen die politisch Verantwortlichen auf ein "multikulturalisiertes" Deutschland ohne Identität, Patriotismus und Traditionen und fördern den "Austausch" des deutschen Volkes (Großer Austausch, Facebook-Seite der IBD, 07.02.2017). Die IBD bedient sich des Konzepts des Ethnopluralismus, mit dem bisher insbesondere eine intellektuelle Strömung im Rechtsextremismus unter dem Namen "Neue Rechte" argumentierte. Grundlegende Annahme des Ethnopluralismus ist die Verschiedenartigkeit der Völker. Migrationsprozesse bedrohten diese Völkervielfalt, entwurzelten Menschen und vernichteten kulturelle Identitäten. Die Ethnienvielfalt könne letztlich nur durch die Trennung der Völker bewahrt werden. Ethnopluralisten betonen, dass sich Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse, sondern aufgrund kultureller, regionaler und geografischer Faktoren unterscheiden. Ihr Ziel sind ethnisch und kulturell homogene Staaten ohne "fremde" Einflüsse. 29 "Europäische Aktion" Die seit 2011 aktive "Europäische Aktion" (EA) ist ebenfalls eine rechtsextremistische Gruppierung, deren Ziel in der europaweiten Vernetzung von rechtsextremistischen Aktivisten und Gruppierungen liegt. Die EA sieht sich als "Bewegung zur politischkulturellen Erneuerung ganz Europas", an ihr beteiligen sich vor allem europäische Holocaustleugner. In ihrer Programmatik ist die Bewegung vor allem stark revisionistisch, rassistisch und antisemitisch. Ihr Ziel ist ein Staatenbund unter dem Namen "Europäische Eidgenossenschaft", der die EU und NATO ablösen soll. Die 2010 in der Schweiz gegründete und zunächst unter der Bezeichnung "Bund Freies Europa" bestehende EA strebt die Zusammenarbeit von rechtsextremistischen Gruppen in Europa an und hat dazu deutschlandweit Stützpunkte errichtet. In die Führungsstruktur der EA sind namhafte Rechtsextremisten eingebunden, die über weitreichende Verbindungen in die verschiedenen Spektren des Rechtsextremismus verfügen. Mittels aggressiver Rhetorik erreicht die EA auch Zugang zu aktionsorientierten jüngeren Rechtsextremisten unterschiedlicher Ausrichtungen, die sie unter ihrem ideologischen Dach vereint. Auch in Bremen findet die EA Unterstützung durch einzelne Aktivisten der rechtsextremistischen Szene. "Bruderschaft Nordic 12" Die rechtsextremistische Gruppierung "Bruderschaft Nordic 12" (N12), die 2014 aus der Gruppe "Brigade 8 - Bremen Crew" hervorging, bemühte sich wie bereits im Vorjahr um die strategische Vernetzung der rechtsextremistischen Szene. Die N12 gibt sich "patriotisch" und bedient sich in Anlehnung an sogenannte "OutlawMotorcycle-Gangs" eines martialischen Erscheinungsbildes. So tragen ihre Anhänger beispielsweise mit Aufnähern versehene Westen, sogenannte "Kutten". Die Zahl "12" im Namen der Gruppierung steht nach eigenen Angaben für die Strahlen der "Schwarzen Sonne", einem rechtsextremistischen Symbol, das auch im Nationalsozialismus verwendet wurde. Im Januar 2016 rief die Gruppierung auf ihrer Facebook-Seite alle "nationalen Kräfte" dazu auf, sich gegen das System zu vereinen: "Egal ob Kameradschaft, Bruderschaft, Parteien, Divisionen, Hooligans, Stammtische, Burschenschaften, Vereine und auch freie Kameraden und Patrioten (...) gegen das System." (Fehler im Original, Facebook-Seite von "Nordic 12", 11.01.2016). Vor dem Hintergrund der angestrebten Vernetzung lud die Gruppierung im Jahr 2016 regelmäßig Aktivisten der rechtsextremistischen Szene Bremens zu ihren Veranstaltungen ein. Ihre Anhänger beteiligten sich darüber hinaus bundesweit an rechtsextremistischen Demonstrationen, zum Beispiel an der rechtsextremistischen Demonstration "Schicht im Schacht" am 8. Oktober 2016 in Dortmund. Rechtsextremistische Mischszene Bremens In Bremen existiert seit langem eine "Mischszene" aus aktionsund gewaltorientierten Rechtsextremisten und Angehörigen anderer gewaltaffiner Szenen wie Hooligans oder Rockern. Das Bedrohungspotenzial liegt dabei weniger in der ideologischen Grundüberzeugung als vielmehr in der hohen Gewaltbereitschaft, die von Personen 30 aus diesen Spektren ausgeht und die mittels rechtsextremistischer Einflussnahme instrumentalisiert werden können. Rechtsextremisten sind vielfach in der Lage, anlassund ereignisbezogen solche gewaltaffinen Gruppierungen zur Begehung von politisch motivierten Straftaten zu mobilisieren. Daher ist auch nicht nur die absolute Zahl der Rechtsextremisten maßgebend bei der Darstellung der rechtsextremistischen Bedrohung, sondern auch das sonstige gewaltbereite Rekrutierungspotenzial. Bundesweit ist spätestens mit den Demonstrationen der Initiative "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) in den Jahren 2014 und 2015 ersichtlich geworden, dass sich ein breites, heterogenes und gewaltbereites Personenpotenzial zum Protest "gegen Islamismus und Salafismus" mobilisieren lässt. Rechtsextremistisch beeinflusste Hooligans Die Bremer Hooligan-Szene ist wegen der Hooligan-Gruppierungen "Standarte Bremen", "City Warriors" und "Nordsturm Brema" sowie der Fußballfan-Gruppierung "Farge Ultras" bundesweit bekannt. Auch wenn einige dieser Gruppierungen in der Vergangenheit vorgaben, sich aufgelöst zu haben, so sind einzelne Mitglieder stets aktiv. Die Gruppierungen gelten als "rechtsextremistisch beeinflusst", das heißt, dass es sich bei einzelnen Mitgliedern um überzeugte Rechtsextremisten handelt. In der Regel sind Hooligans unpolitisch, lediglich ein Teil davon ist rechtsextremistisch oder fremdenfeindlich motiviert. Seit den 1980er-Jahren versuchen Rechtsextremisten, sowohl Hooligans gezielt abzuwerben und sie für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren als auch die Hooligan-Szene zu unterwandern. "Gemeinsam-Stark Deutschland" Die Formierung des Vereins "Gemeinsam-Stark Deutschland" (GSD) im Jahr 2015 zeigt ebenfalls, dass sich Rechtsextremisten und Hooligans zum gemeinsamen Vorgehen gegen ihren "politischen Gegner" organisieren. Eine Gruppe von Aktivisten hatte sich im Januar 2015 von der seit 2014 bestehenden Initiative "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) getrennt und den Verein "Gemeinsam-Stark Deutschland e.V." gegründet. Ziel des Vereins ist die Bekämpfung "des radikalen Salafismus" und die Bewahrung "deutscher Werte und Freiheiten". In ihrer Satzung heißt es: "Ziel ist es, eine breite, öffentliche, offene und tabulose Diskussion über das Grundwesen des Islams anzustoßen, aus welcher sich die Erkenntnis ergibt, dass es sich beim Islam um eine religiös begründete totalitäre Ideologie handelt, die einer freien demokratischen Gesellschaft völlig konträr gegenüber steht" (Fehler im Original, Internetseite von GSD, 21.06.2016). In Bremen gründete sich im Jahr 2015 eine Ortsgruppe des Vereins. Zu ihren Führungspersonen gehören u.a. langjährige Angehörige der rechtsextremistischen Szene. Der Gruppierung gelang es jedoch auch, Personen an sich zu binden, die nicht der rechtsextremistischen Szene entstammen. Ihre Mitglieder präsentieren sich in sozialen Netzwerken als "kämpfende Patrioten" für einen "ohnmächtigen Staat", der vom Islamismus bedroht ist und der der Gewalt von Ausländern und Linksextremisten hilflos gegenübersteht. Für den "gemeinsamen Kampf" will die Gruppe insbesondere gewaltbereite Rechtsextremisten, Hooligans und Rocker gewinnen. Mit ihrem offenen Bekenntnis zur Anwendung von Gewalt bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele setzt sich die Bremer Ortsgruppe über das Gewaltmonopol des Staates hinweg. Einzelne Mitglieder der Bremer Ortsgruppe nehmen innerhalb des Vereins zentrale Funktionen wahr, so melden sie bundesweit GSD-Kundgebungen an. Darüber hinaus beteiligten sich Mitglieder der GSD-Ortsgruppe an verschiedenen Demonstrationen im Jahr 2016, so zum Beispiel an der Demonstration "Merkel muss weg" am 12. März 2016 in Berlin und an der Demonstration "Gegen linke Gewalt und Asylmissbrauch" am 9. April 2016 in Magdeburg. 31 Die Bremer Ortsgruppe ist im Jahr 2016 insbesondere im Rahmen ihrer Auseinandersetzungen mit "antifaschistischen Ultras" öffentlich in Erscheinung getreten. Am 18. Juni 2016 waren etwa 45 Personen dem bundesweiten Aufruf der Bremer Ortsgruppe gefolgt und versammelten sich an der Universität Bremen zur Aufnahme eines Videos. Die mit grün-weißen Sturmhauben maskierten Hooligans riefen Parolen, verteilten Aufkleber und verbrannten Pyrotechnik. Einige von ihnen trugen Pfefferspray, Teleskopschlagstöcke, Messer oder Quarzsandhandschuhe bei sich. Ziel des Videos war zum einen die Mobilisierung von Personen für Aktionen des Vereins und zum anderen eine Machtdemonstration gegenüber der "Antifa" und den "antifaschisDie Polizei beschlagtischen Ultras". Grund für diese Machtdemonstration waren mehrere gewaltsame nahmte u.a. Sturmmasken Angriffe von Angehörigen der linksextremistischen Szene auf Aktivisten der rechtsexund Quarzsandhandtremistisch beeinflussten Hooligan-Szene im April und Mai 2016 in Bremen (siehe schuhe am 18. Juni 2016 Kapitel 5.1.2). in Bremen Bereits am 12. Juni 2016 hatten Angehörige der GSD-Ortsgruppe Stellung gegen die "Antifa" bezogen, indem sie Aufkleber mit den Aufschriften "FCK Antifa" und "100% Patriot Gemeinsam-Stark" am Ostkurvensaal des Weser-Stadions verteilten. Der Ostkurvensaal ist Treffpunkt von "antifaschistischen Ultra"-Gruppierungen. Rechtsextremistische Musik Die Musik hält die verschiedenen Teilbereiche der rechtsextremistischen Szene zusammen. Des Weiteren erfolgt der Einstieg von Jugendlichen in die Szene oftmals über die Musik, durch die typisch rechtsextremistische Feindbilder leicht vermittelt werden können. Um eine breite Zuhörerschaft zu erreichen, verdecken rechtsextremistische Bands zum Teil auch ihren ideologischen Hintergrund und geben sich patriotisch. Konzerte haben in diesem Zusammenhang mehrere wichtige Funktionen: Sie bilden eine Gelegenheit für Szene-Treffs und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl, auch weil sie häufig konspirativ organisiert sind. Aufkleber der Gruppierung GSD Rechtsextremistische Bands Die rechtsextremistische Musik-Szene Bremens ist mit ihren Bands "Hetzjagd", "Endlöser", "Endstufe" und "Strafmass" sowie insbesondere mit der rechtsextremistischen Hooligan-Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe" (KC) über Deutschland hinaus bekannt. Sie treten bei rechtsextremistischen Konzerten auf und geben regelmäßig CDs heraus oder beteiligen sich an CD-Samplern. Die häufig wechselnden Besetzungen der Bands erwecken den Eindruck, als ob ein großer Personenkreis dahinterstünde, tatsächlich handelt es sich jedoch um eine geringe Personenzahl. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren der Schwerpunkt der Aktivitäten etlicher Bremer Bands in andere Bundesländer verschoben; viele Bandmitglieder leben seit Jahren nicht mehr in Bremen, weshalb auch Aufnahmen und Proben der Bands in anderen Bundesländern stattfinden. "Kategorie C" Die 1997 gegründete, bundesweit bekannte rechtsextremistische Hooligan-Band KC gilt als Bindeglied der Hooliganund der rechtsextremistischen Szene, weil sie in beiden Szenen vor allem wegen ihrer gewaltverherrlichenden Lieder beliebt ist und insbesondere auch mit ihren Konzerten zum Zusammenhalt und zur Mobilisierung 32 beiträgt. Mit der Wiederaufnahme des rechtsextremistischen Musik-Projektes "Nahkampf" im Jahr 2014 bestätigte die Hooligan-Band ihre rechtsextremistische Ausrichtung. Ihre Aktivitäten und in diesem Rahmen getätigten Aussagen weisen offen rechtsextremistische Inhalte auf. Die Band "Nahkampf" war Ende der 1980erJahre ebenfalls von dem KC-Bandleader gegründet worden und bis Mitte der 2000erJahre aktiv. Im Jahr 2016 absolvierten die Bandmitglieder im Namen beider rechtsextremistischer Bands ihre Auftritte. Die Hooligan-Band KC veröffentlichte zur Fußball-Europameisterschaft 2016 eine CD unter dem Titel "Pure EMotion 2016". Die Band "Nahkampf" brachte eine CD mit dem Titel "Kein schöner Land" und eine weitere CD mit dem Titel "Angriff" in Zusammenarbeit mit der rechtsextremistischen CD-Cover der HooliganBand "Volkszorn" heraus, die die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Band KC sogleich indizierte. "Hammerskins" Die seit Beginn der 1990er-Jahre in Deutschland existierende rechtsextremistische Skinhead-Organisation "Hammerskins" beschäftigt sich vorwiegend mit der Planung und Durchführung rechtsextremistischer Konzerte. Vor dem Hintergrund ihres rassistischen und nationalistischen Weltbildes verfolgt die Organisation das Ziel, alle "weißen nationalen" Kräfte in einer weltweiten "Hammerskin-Nation" zu vereinigen. Die 1988 in den USA gegründeten "Hammerskins" verstehen sich als Elite der rechtsextremistischen Skinhead-Szene und sind straff und hierarchisch organisiert. Die "Hammerskin Nation" ist in nationale Divisionen aufgeteilt, die wiederum in regionale "Chapter" gegliedert sind. In Deutschland gibt es derzeit etwa zehn "Chapter", wobei das "Hammerskin-Chapter Bremen" zu den ältesten gehört. Abgesehen von Konzertveranstaltungen treten die konspirativ agierenden "Hammerskins" selten öffentlich in Erscheinung. 3.5 Rechtsextremistische Parteien Die rechtsextremistischen Parteien in Deutschland profitieren kaum von der aktuellen asylkritischen Stimmung in der Gesellschaft. Neben der NPD, die im rechts-extremistischen Parteienspektrum nach wie vor von bundesweiter Bedeutung ist, gründeten sich in den letzten Jahren weitere rechtsextremistische Parteien, die jedoch nicht in allen Bundesländern gleichermaßen vertreten sind, wie beispielsweise die neonazistisch ausgerichtete Partei "Die Rechte". "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 gegründete NPD stellt mit rund 5.000 Mitgliedern im Jahr 2016 nach wie vor die mitgliederstärkste der rechtsextremistischen Parteien in Deutschland dar, wenngleich sie seit 2008 einen kontinuierlichen Mitgliederrückgang verzeichnet. Die NPD verfügt derzeit über ein Mandat im Europäischen Parlament und ist bundesweit mit über 300 Mandaten auf kommunaler Ebene insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern vertreten. Im Jahr 2016 instrumentalisierte die NPD ebenso wie in den Vorjahren die Asyldebatte für ihre politischen Ziele. Ihre fremdenfeindliche Agitation richtet sich gegen Asylbewerber und speziell gegen Muslime, die sie pauschal mit negativen Eigenschaften belegt und als Bedrohung für die deutsche Bevölkerung diffamiert. Die Partei konnte jedoch von der Zunahme der fremdenfeindlichen Stimmung innerhalb der Gesell- schaft nicht profitieren und blieb bei den Landtagswahlen im Jahr 2016 weitgehend erfolglos. Mit einem Ergebnis von 3,0% scheiterte sie am Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, wo sie von 2006 bis 2016 eine Fraktion stellte. Nach dem Verlust der Fraktion im Sächsischen Landtag im Jahr 2014 bedeutet das eine weitere Schwächung der Partei in finanzieller, logistischer und personeller Hinsicht. Der NPD gelang es auch im Jahr 2016 nicht, sich ein attraktives Profil für die Wähler zu geben. Ein Grund dafür liegt in ihrer fehlenden Bereitschaft, sich von ihren 33 völkischen Positionen zu lösen, um sich einer größeren Wählerschaft zu öffnen. Darin liegt das strategische Problem der NPD, die einerseits zu einer von der Mehrheitsgesellschaft wählbaren Partei werden will und sich andererseits weigert inhaltliche Korrekturen vorzunehmen und an der Beibehaltung der völkischen Ideologie sowie an der Fixierung auf den Nationalsozialismus festhält. Diese in sich widersprüchlichen Ausrichtungen versucht der seit 2014 amtierende Bundesvorsitzende Frank Franz in seinem Kurs zu vereinen. Verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD Die NPD vertritt offen fremdenfeindliche, rassistische und nationalistische Positionen. Ihre verfassungsfeindliche Ausrichtung kommt in dem 2010 verabschiedeten Parteiprogramm "Arbeit. Familie. Vaterland." zum Ausdruck. Allen politischen, ökonomischen und sozialen Themenbereichen oder Sachfragen liegt hier das Konzept der "Volksgemeinschaft" zugrunde und damit ein antiindividualistisches Menschenbild sowie ein identitäres Politikund Staatsverständnis. Unter "Volksgemeinschaft" verstehen Rechtsextremisten ein streng hierarchisches Gemeinwesen, in dem der Staat und das ethnisch homogene Volk zu einer Einheit verschmelzen. Die "Volksgemeinschaft" als Gegenentwurf zur Demokratie gilt für die NPD als alternativloses Konzept. Die Leitidee der "Volksgemeinschaft" findet sich u.a. in einer 2012 veröffentlichten NPD-Broschüre "Wortgewandt/Argumente für Mandatsund Funktionsträger". Im Kapitel zur Ausländerpolitik wird gefordert, dass Deutschland durch eine "rechtsstaatlich abgesicherte Ausländerrückführung" "das Land der Deutschen" bleiben müsse. Deutscher sei - entsprechend dem Verständnis der NPD - nicht derjenige, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, vielmehr gelte das Abstammungsprinzip. Die NPD spricht zumindest nichteuropäischen Migranten kategorisch das Aufenthaltsrecht ab. Den Islam bewertet die Partei als "fremdkörperhafte Aggressionsreligion" in Mitteleuropa und erkennt ihm das Existenzrecht in Deutschland ab. Strategie der NPD Die NPD bekämpft den demokratischen Rechtsstaat mit der stets gültigen, im Jahr 1996 formulierten "Drei-Säulen-Strategie" ("Kampf um die Parlamente", "Kampf um die Straße" und "Kampf um die Köpfe"), die 2004 um eine vierte Säule ("Kampf um den organisierten Willen") erweitert wurde. Die "Vier-Säulen-Strategie" zielt darauf, öffentliche Präsenz durch Aufmärsche, Kundgebungen und die politische Arbeit in Landesund Kommunalparlamenten zu zeigen. Die strategische Ausrichtung der Partei bestimmte maßgebend der von 1996 bis 2011 amtierende NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, der die NPD heute im Europäischen Parlament vertritt. NPD in Bremen Der Bremer Landesverband der NPD ist in den vergangenen Jahren kaum noch öffentlich in Erscheinung getreten. Seine politische Erfolglosigkeit wurde insbesondere bei den Wahlen in den vergangenen Jahren deutlich. So erzielte die NPD bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft 2015 lediglich 0,2% der Stimmen, während sie 2014 bei der Wahl zum Europäischen Parlament 0,6% der Stimmen erreichte. Derzeit verfügt die Partei über ein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven, welches der seit 2003 amtierende NPD-Landesvorsitzende Horst Görmann wahrnimmt. Ein Grund für die Passivität des Landesverbandes ist sein Mangel an geeigneten Führungspersonen und die damit verbundene intellektuelle sowie organisatorische Schwäche. Der Bremer Landesverband kämpft seit Jahren mit einem starken Mitgliederrückgang und es gelingt ihm nicht, insbesondere junge Aktivisten an sich zu binden. So zählte die Partei im Jahr 2016 etwa 25 Mitglieder, vier Jahre zuvor war ihr Mitgliederstand noch doppelt so hoch. 34 Angesichts seiner organisatorischen und intellektuellen Schwäche spielt der Bremer Landesverband zurzeit keine wesentliche Rolle innerhalb der rechtsextremistischen Szene Bremens. Gleichwohl handelt es sich bei den Mitgliedern des NPD-Landesverbandes um langjährige Szeneangehörige, die offen fremdenfeindliche, rassistische und nationalistische Positionen vertreten. NPD-Urteil Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wies am 17. Januar 2017 den im Jahr 2013 vom Bundesrat eingebrachten Antrag auf Verbot der Partei zurück. Damit scheiterte nunmehr der zweite Versuch, die rechtsextremistische NPD zu verbieten. In ihrem Urteil schloss sich das BVerfG zumindest in Teilen der Auffassung des Aufkleber der NPD Bundesrats an und erklärte die Ziele der NPD als verfassungsfeindlich, weil sich diese gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten. Das von der Partei propagierte Ziel, den demokratischen Rechtsstaat durch eine ethnisch homogene "Volksgemeinschaft" zu ersetzen, missachte die Menschenwürde und sei mit dem Demokratieund Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. Jedoch fehlten nach der neuen Rechtsprechung "konkrete Anhaltspunkte von Gewicht (...), die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann (Potentialität)" (Urteil des BVerfG, 17.01.2017). Das BVerfG verlangt für ein Verbot einer Partei somit mehr als ihre bloße verfassungsfeindliche Gesinnung. In diesem Zusammenhang formuliert das Gericht einen neuen Maßstab, welcher sich maßgeblich von dem des im Jahr 1956 gesprochenen Urteils zum Verbot der KPD unterscheidet. Danach war es nicht erforderlich, dass eine Partei ihre verfassungswidrigen Absichten in absehbarer Zeit verwirklichen kann. Wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele kann die Partei nach der Entscheidung des Gerichts nicht verboten werden. "Die Rechte" Die 2012 von ehemaligen DVU-Mitgliedern und Neonazis gegründete rechtsextremistische Partei "Die Rechte" zählte im Jahr 2016 etwa 700 Mitglieder. Sie verfügt bundesweit über mehrere Kreisund Landesverbände. Ihr Bundesvorsitzender ist der Neonazi Christian Worch. Die ideologische Ausrichtung der Partei ist heterogen, da sich unter den Parteimitgliedern neben ehemaligen NPDund DVU-Mitgliedern auch Neonazis befinden. Angetreten war die Partei 2012 mit dem Parteiprogramm der 2011 aufgelösten DVU, welches sie mit leichten Veränderungen übernommen hatte. Ihr organisatorischer Schwerpunkt befindet sich in Nordrhein-Westfalen, wo ihr aktivster und mitgliederstärkster Landesverband ist. Handlungsfähige Parteistrukturen existieren dort auch unterhalb der Ebene des Landesverbandes in den Kreisverbänden. Die Führungspositionen sind vor allem von früheren Aktivisten verbotener neonazistischer Kameradschaften besetzt. Insofern gilt der nordrhein-westfälische Landesverband als Auffangbecken für Neonazis, die ihre Aktivitäten und Veranstaltungen unter dem Deckmantel der Partei, d.h. unter Ausnutzung des Parteienprivilegs, fortführen können. Die 2013 gegründete rechtsextremistische "Landesgruppe" der Partei "Die Rechte" entfaltete im Jahr 2016 keinerlei Aktivitäten in Bremen. Das Facebook-Profil der "Landesgruppe" war bereits 2015 von den Betreibern des sozialen Netzwerkes gelöscht worden. Auf ihrem Facebook-Profil hatte die "Landesgruppe" bis dahin ihre fremdenfeindlichen und rassistischen Positionen verbreitet. Wenngleich die Partei in Bremen nicht mehr öffentlich in Erscheinung tritt, so hat sie stets Unterstützer in der rechtsextremistischen Szene. 4 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 35 36 4 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" Die Angriffe von "Reichsbürgern" auf Polizisten in Sachsen-Anhalt im August 2016 und in Bayern im Oktober 2016, bei denen mehrere Polizisten durch Schüsse verletzt und ein Polizist sogar getötet worden ist, zeigen das hohe Gewaltpotenzial, das von einzelnen Anhängern dieses Spektrums ausgeht. In den vergangenen Jahren war eine deutliche Zunahme der Aktivitäten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" festzustellen, so auch in Bremen. Ideologie und Struktur Das Spektrum der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", dem 2016 bundesweit etwa 10.000 Personen zuzurechenen waren, ist ideologisch sowie organisatorisch heterogen. Ihm gehören zahlreiche (Kleinst-)Gruppierungen und Einzelpersonen an, die jeweils ihre eigenen Theorien und Argumentationsmuster verfolgen. Die Nicht-Anerkennung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung ist das verbindende Element der Angehörigen dieses Spektrums. Sie versuchen, insbesondere historische, völkerrechtliche und wissenschaftliche Fakten zu leugnen. "Reichsbürger" bestreiten die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und berufen sich in Abgrenzung dazu auf den Fortbestand eines "Deutschen Reiches". Die Reorganisation des "Deutschen Reiches" gehört zu den häufigsten Handlungslinien von "Reichsbürgern". Bisweilen unterbleibt aber auch eine Bezugnahme auf die "Reichsidee" und die Personen proklamieren ihre Wohnung oder ihr Grundstück als eigenes Staatsgebiet (sog. "Selbstverwalter"). Sie glauben, durch eine entsprechende Erklärung aus Deutschland "austreten" zu können. Angehörige dieses Spektrums propagieren regelmäßig Verschwörungstheorien, jedoch vertritt nur eine Minderheit explizit rechtsextremistische Positionen; zum Teil sind die Ideen auch von sozialistischen Haltungen grundiert. Manche Gruppierungen sind zudem esoterisch geprägt. Das heterogene "Reichsbürger"-Spektrum lässt sich daher ideologisch kaum einordnen. Unabhängig davon sind "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" als extremistisch zu bewerten, weil sie die völkerrechtliche Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland leugnen und sich damit gegen den Bestand des Staates sowie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden. Sie erkennen folglich weder das Grundgesetz oder Bundesund Landesgesetze noch Urteile von Gerichten oder Bescheide von Behörden an. Stattdessen geben sie sich eigene Gesetze oder berufen sich auf ein selbst definiertes Naturrecht. Den Staat bezeichnen sie unter anderem als "BRD-GmbH" oder "BRD-System" und sehen sich beispielsweise als "Angehörige Preußens" oder handeln im Namen von "(Kommissarischen) Reichsregierungen". Aktivitäten Die fundamentale Ablehnung der bestehenden Rechtsordnung zeigt sich in besonderem Maße im Verhalten von "Reichsbürgern" gegenüber Behörden und deren Mitarbeitern. Ihr Ziel besteht darin, die Funktionsfähigkeit des Staates zu beeinträchtigen, indem sie staatliche Institutionen und staatliche Maßnahmen sabotieren. Zum Beispiel versenden Angehörige des Spektrums massenhaft Schreiben mit unsinnigen 37 Forderungen an Behörden oder erklären den Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung, dass diese nur Personal der "BRD-GmbH" seien, weshalb gerichtliche oder behördliche Entscheidungen rechtswidrig seien. Sie argumentieren häufig in pseudojuristischer Weise, das heißt, dass sie in ihren Argumentationen oft wahlund zusammenhangslos Gesetze und Urteile heranziehen. Regelmäßig werden Behördenmitarbeiter von "Reichsbürgern" beleidigt und bedroht, in Einzelfällen kam es bereits zur Anwendung von Gewalt, wie die Fälle in Sachsen-Anhalt und Bayern zeigen. Das heterogene und überwiegend aus Einzelpersonen und kleineren Gruppierungen bestehende Spektrum ist insbesondere über das Internet und soziale Netzwerke miteinander verbunden. In den vergangenen Jahren ist eine Zunahme der Aktivitäten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" in sozialen Netzwerken zu verzeichnen. Dort mobilisieren Angehörige zum einen Unterstützer für ihre Aktivitäten und verbreiDie "Word-Cloud" stellt die ten zum anderen ihre abstrusen Theorien. So veröffentlichen sie beispielsweise ihre Schlüsselwörter auf einer von Urteilsund Gesetzesinterpretationen, liefern Vorlagen sowie Dokumente für ihre "Reichsbürgern" betriebenen Argumentationslinien und führen vermeintliche Belege für ihre VerschwörungsFacebook-Seite dar theorien an. "Reichsbürger" in Bremen Das Spektrum der "Reichsbürger" in Bremen bestand im Jahr 2016 überwiegend aus Einzelpersonen sowie Kleingruppen und zählte rund 100 Personen, allerdings mit wachsender Tendenz. Bereits seit 2014 beobachtet das LfV die Szene. Die Aktivitäten von "Reichsbürgern" in Bremen haben im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Dies zeigt sich vor allem anhand der vielfältigen Propaganda in sozialen Netzwerken, aber auch anhand der zahlreichen Fälle, in denen "Reichsbürger" die Auseinandersetzung mit Mitarbeitern von Behörden suchen. Zahlreiche Selbstentworfener Ausweis Bremer Behörden sind mit den "Anliegen" von "Reichsbürgern" beschäftigt, insbesoneines "Reichsbürgers" dere die Justiz, das Stadtamt und die Steuerverwaltung. Dabei sind einige "Reichsbürger" unter anderem mit Beleidigungsdelikten, Urkundenfälschung oder mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Erscheinung getreten. Angehörige des Spektrums versuchen zum Beispiel, ihren Personalausweis abzugeben oder verweigern die Zahlung von Gebühren. Sehr häufig stellen sie mit Bezug auf ihre "Reichsideen" auch Anträge auf "Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit" und berufen sich bei der Ausstellung des Dokuments beispielsweise auf die Staatsangehörigkeit des "Königreichs Preußen" oder beantragen Zusätze, wie "ist Deutscher mit der Staatsangehörigkeit im Bundesstaat Preußen". Im März 2016 verteilten u.a. "Reichsbürger" Flugblätter in der Bremer Innenstadt, mit denen sie zur Teilnahme an der Demonstration "Merkel muss weg" am 12. März 2016 in Berlin aufriefen. Auf dem Flugblatt sind unter der Überschrift "WANTED" Fahndungsfotos der Bundeskanzlerin abgebildet und unter einem Foto steht: "Angeklagt wegen Hochverrats am deutschen Volk". An der Demonstration in Berlin beteiligten sich rund 3.000 Personen. Aus Bremen waren neben "Reichsbürgern" auch Angehörige der rechtsextremistisch beeinflussten Hooligan-Szene nach Berlin gereist. 38 5 Linksextremismus Seitenzahl 39 5.1 Aktivitäten von gewaltorientierten Linksextremisten 40 5.1.1 "Militante Aktionen" 42 5.1.2 Angriffe auf "politische Gegner" 43 5.1.3 Proteste gewaltorientierter Linksextremisten 48 5.2 Strukturen und Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus 39 5 Linksextremismus Die gewaltorientierte linksextremistische Szene weist bundesweit ein anhaltend hohes Aggressionsund Gewaltpotenzial auf. Ihre Angehörigen begingen auch im Jahr 2016 zahlreiche "militante Aktionen" in Form von Sachbeschädigungen und Brandstiftungen. Zudem nahmen sie bei gezielten Angriffen auf Polizisten und ihren "politischen Gegner" in Kauf, ihnen ernsthafte Verletzungen zuzufügen. In Bremen verdeutlichen sowohl die hohe Zahl der im Jahr 2016 verübten "militanten Aktionen" als auch mehrere gewaltsame Angriffe auf Rechtsextremisten das hohe Aggressionsund Gewaltpotenzial der Angehörigen der linksextremistischen Szene. 5.1 Aktivitäten von gewaltorientierten Linksextremisten1 Die Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele ist einer der strittigsten Punkte innerhalb der linksextremistischen Ideologie. Während der Großteil der Linksextremisten auch aus taktischen Gründen auf die konkrete Ausübung von Gewalt verzichtet, ist die Notwendigkeit von Gewalt innerhalb der gewaltorientierten linksextremistischen Szene unumstritten. Zur gewaltorientierten linksextremistischen Szene zählen nicht nur Personen und Gruppierungen, die selbst gewalttätig handeln oder gewaltbereit gegen ihre "politischen Gegner" vorgehen, sondern ebenso diejenigen, die Gewalt unterstützen oder Gewalt befürworten. Die Gewaltorientierung einer Person oder Gruppierung kann sich zum einen aus ihrer ideologischen Ausrichtung und zum anderen aus ihren konkreten Handlungen ergeben. Dazu gehören beispielsweise das Propagieren der Notwendigkeit von Gewalt im Kampf gegen das "politische System" vor einem ideologischen Hintergrund, Appelle an politische Mitstreiter zur Ausübung von Gewalt oder die billigende Inkaufnahme von Gewalttätigkeiten politischer Mitstreiter, etwa mit der Begründung, im Hinblick auf ein politisches Ziel Geschlossenheit der Szene demonstrieren zu wollen. Gewaltorientierte Linksextremisten befürworten zur Durchsetzung ihrer politischen Forderungen die Anwendung von Gewalt gegen den Staat, seine Einrichtungen und Repräsentanten sowie gegen rechtsextremistische Strukturen und Personen. Mit "militanten Aktionen" wollen sie über das Herbeiführen "chaotischer Zustände" letztlich die Unregierbarkeit des Staates erreichen. "Militante Aktionen" werden u.a. mit der von Staat und Gesellschaft ausgehenden "strukturellen Gewalt" gerechtfertigt. Gewalt ist nicht nur ein Mittel zur Bekämpfung des "staatlichen Repressionsapparates", sondern zugleich auch ein identitätsstiftendes Merkmal. Viele Angehörige der gewaltorientierten Szene sehen darin einen Akt der individuellen Selbstbefreiung. Mit 1 Aktualisierte Version des Verfassungsschutzberichts 2016 nunmehr mit detaillierter Erklärung zum Begriff der Gewaltorientierung. ihrer Einstellung, politische Ziele gewaltsam zu verfolgen, setzen sie sich über das Gewaltmonopol des Staates und den Grundkonsens demokratischer Verfassungsstaaten hinweg, gesellschaftspolitische Veränderungen ausschließlich auf demokratischem Wege herbeizuführen. Daher liegt der Fokus der Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Bremen auf dem gewaltorientierten Linksextremismus. 40 5.1.1 "Militante Aktionen" "Militante Aktionen" in Form von Sachbeschädigungen und Brandstiftungen werden von konspirativ agierenden Kleingruppen zumeist nachts durchgeführt. Gebäude und Fahrzeuge von Behörden, Unternehmen und auch Privatpersonen werden u.a. durch Steinwürfe und Farbe beschädigt oder in Brand gesetzt. Diese gezielten und geplanten Anschläge sollen eine Signalwirkung entfalten. Zum einen geht es den Tätern um mediale Resonanz und zum anderen sollen die betroffenen Personen, Behörden oder Unternehmen zu einer Verhaltensänderung genötigt werden. Im Nachhinein werden die Taten oftmals in Selbstbezichtigungsschreiben ideologisch begründet und im Internet oder in Szene-Zeitschriften veröffentlicht. Unterzeichnet werden Selbstbezichtigungsschreiben häufig mit fiktiven Gruppennamen. In den vergangenen Jahren unterzeichneten zahlreiche Aktivisten ihre Selbstbezichtigungsschreiben mit dem Label "autonome gruppe" oder "Autonome Gruppen". In Bremen gab es im Jahr 2016 ebenso wie im Vorjahr eine Reihe "militanter Aktionen", die insbesondere die Handlungsfähigkeit und die hohe Gewaltbereitschaft der linksextremistischen Szene Bremens zum Ausdruck bringen. Die Zunahme an "militanten Aktionen" hatte Ende des Jahres 2014 begonnen. Damals fanden insbesondere Brandanschläge auf Kabelschächte, die den öffentlichen Bahnverkehr zeitweilig stark beeinträchtigten, öffentliche Aufmerksamkeit. Vor dem Hintergrund der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft im Mai 2015 erreichte die Serie "militanter Aktionen" einen vorläufigen Höhepunkt. Danach pendelte sich die Zahl der Anschläge zwar auf einem niedrigeren Niveau ein, das jedoch deutlich über dem früherer Jahre liegt. Bremen gehört nach Berlin, Hamburg und Leipzig damit zu den Städten in Deutschland, die einen Schwerpunkt des gewaltorientierten Linksextremismus darstellen. In der Vergangenheit war festzustellen, dass Aktivisten der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens die Stadt als eine Art "Rückzugsraum" betrachteten, während sie sich gleichzeitig bundesweit an zum Teil gewaltsamen Demonstrationen und Veranstaltungen beteiligten und dort auch aktive Rollen als Organisatoren oder Redner einnahmen. Die hohe Anzahl "militanter Aktionen" verdeutlicht nunmehr, dass Teile der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens ihren Schwerpunkt von der inhaltlichen, politischen Arbeit faktisch auf die Verübung von gewalttätigen Aktionen verlagert haben. Damit bewegen sie sich bewusst außerhalb der Möglichkeiten des politischen Protests in demokratischen Rechtsstaaten. Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr In Bremen wurden bei einem Brandanschlag auf dem Gelände eines SystemtechnikUnternehmens am 23. Oktober 2016 insgesamt 18 Fahrzeuge und zwei Fahrzeuganhänger der Bundeswehr, ein ziviler Lieferwagen sowie ein weiterer Anhänger zerstört. Außerdem beschädigte das Feuer eine Werkhalle. Die Feuerwehr verhinderte jedoch das Übergreifen des Feuers auf angrenzende Lagerhallen, in denen sich weitere Bundeswehrfahrzeuge befanden. Der Schaden liegt in zweistelliger Millionenhöhe. Das zivile Unternehmen rüstet Fahrzeuge der Bundeswehr u.a. mit Kommunikationstechnik aus. Es gab kein Selbstbezichtigungsschreiben zu der Tat, was daran liegen mag, dass die Täter ihre Tat für selbsterklärend halten. Das Aktionsfeld "AntimilitarisAbgebrannte Bundeswehrmus" liefert seit jeher Begründungen für Aktionen und Straftaten gewaltorientierter fahrzeuge in Bremen 2016 Linksextremisten, die Anschläge gegen Einrichtungen der Bundeswehr als notwendiges Mittel ihres "antimilitaristischen Widerstands" sehen. Der Bundeswehr gehe es um "die militärische Durchsetzung deutscher imperialistischer Interessen im Ausland" (Internetplattform "linksunten.indymedia", 02.08.2016). Vereinzelt bekundeten linksextremistische Gruppierungen ihre Sympathie für die Tat. So äußerte die linksextremistische Bremer Gruppierung "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) am 24. Oktober 2016 ihre Zustimmung zu dem Brandanschlag: "Bundeswehrfahrzeuge 41 strahlen leider eine enorme (soziale) Kälte aus, ein besorgtes, militärkritisches Feuer hat in Bremen nun beschlossen 18 von ihnen vorsichtig zu erwärmen und dabei versehentlich unglaubliche 15 Millionen Euro Schaden angerichtet." (Fehler Flyer zu Anschlägen auf im Original, Facebook-Seite der BA, 24.10.2016). Bundeswehrfahrzeuge "Antimilitarismus" Das Aktionsfeld "Antimilitarismus" hat bundesweit einen hohen Stellenwert und war auch im Jahr 2016 für die autonome Szene in Bremen von Bedeutung. Die in diesem Kontext 2011 ausgerufene Kampagne "Krieg beginnt hier. War starts here. Kampagne gegen die kriegerische Normalität" richtet sich primär gegen die Bundeswehr und die mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmen, wie die Deutsche Post oder die Deutsche Bahn. Kritisiert werden die Sicherheitspolitik der Bundesregierung und insbesondere die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die Kampagne ist eine Fortsetzung der Kampagne gegen den Logistikdienstleister DHL und die Deutsche Post, bei denen es in den Jahren 2008 bis 2011 zu einer Vielzahl von Sachbeschädigungen und Brandanschlägen kam. Anschläge auf AWO Die "Arbeiterwohlfahrt" (AWO) war im vergangenen Jahr mehrfach das Ziel "militanter Aktionen". Am 24. Februar 2016 bewarfen unbekannte Täter das Gebäude der AWO mit Farbbeuteln, am 20. März 2016 wurde eine Flagge am Gebäude beschädigt. Der sich im unteren Teil der Flagge befindliche Schriftzug "Gegen Rassismus" wurde abgeschnitten und durch den Schriftzug "Rückkehrberatung Stop!" ersetzt. Am 17. August 2016 setzten unbekannte Täter ein Fahrzeug der AWO in Brand. In den dazu veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben wurden die Taten jeweils in den Begründungszusammenhang "Antirassismus" gestellt. Die Kritik richtet sich gegen das Angebot der AWO an abgelehnte Asylbewerber, sie finanziell und organisatorisch bei der freiwilligen Ausreise in ihre Heimatländer zu unterstützen. In dem am 24. Februar 2016 veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben rechtfertigten die Täter ihre Vergehen damit, dass die Rückkehrerhilfe der AWO "ein tragender Bestandteil des rassistischen Abschottungsund Abschiebe-Regimes in Bremen" sei, bei dem Geflüchtete "so lange in Lagern isoliert und unter Druck gesetzt werden bis sie sich dazu entschließen 'freiwillig' auszureisen." (Fehler im Original, Internetplattform "linksunten.indymedia", 25.02.2016). In dem am 17. August 2016 erschienenen Selbstbezichtigungsschreiben heißt es weiter: "Europa führt Krieg gegen Geflüchtete. Einrichtung wie die AWO sind tragender Bestandteil dieser rassistischen Abschiebeund Abschottungspolitik." (Fehler im Original, Internetplattform "linksunten. indymedia", 17.08.2016). "Antirassismus" Das Themenfeld "Antirassismus" rückte infolge des starken Zuzugs von Flüchtlingen nach Deutschland 2015 in den Mittelpunkt der politischen Arbeit der linksextremistischen Szene Bremens. Zentral ist hier die Forderung nach besseren Aufnahmeund Lebensbedingungen von Flüchtlingen und Migranten und einer "liberaleren" Abschiebepolitik. Im Gegensatz zu nichtextremistischen Aktivisten werfen Linksextremisten dem Staat und seinen Behörden einen "systemimmanenten" Rassismus und damit eine rechtsextremistische Einstellung vor. 5.1.2 Angriffe auf "politische Gegner" Im April und Mai 2016 verübten mutmaßlich Angehörige der gewaltorientierten linksextremistischen Szene drei Angriffe auf Rechtsextremisten. Am 6. April 2016 ist ein Bremer Rechtsextremist von unbekannten Tätern niedergeschlagen worden. 42 Nach Aussage des Geschädigten schlugen und traten die Täter auf ihn ein, als er bereits am Boden lag. Die Täter raubten ihm zudem das Fahrrad. Verschiedene Flyer zu Überfall auf Hinweise lassen darauf schließen, dass die Täter aus der gewaltorientierten linksexRechtsextremisten im tremistischen Szene stammen. So endet beispielsweise ein am 22. April 2016 auf April 2016 einer von Linksextremisten betriebenen Internetseite veröffentlichter Beitrag mit der Aussage: "Für die kommenden Jahre bleibt uns daher nur, Ihnen politisch weiterhin viel Glück zu wünschen auf sämtlichen Irrwegen, und persönlich eine bessere Gesundheit als Ihrem guten Freund und Kameraden (...)" (Fehler im Original, Internetseite der "Antifa Bremen", 22.04.2016). Ein weiterer Rechtsextremist ist am 3. Mai 2016 an seiner Haustür von drei oder vier Vermummten überfallen worden. Nach Aussage des Geschädigten schlugen die Täter mit Knüppeln auf ihn ein und traten ihn, als er am Boden lag. Sie übergossen ihn außerdem mit einer Flüssigkeit. Ein dritter Rechtsextremist ist am 31. Mai 2016 von unbekannten Tätern vor seiner Wohnung zusammengeschlagen worden. Nach Aussage des Geschädigten schlugen die Täter ihn u.a. mit einem Teleskopschlagstock und besprühten ihn mit Pfefferspray. Die direkten und gezielten Angriffe von Angehörigen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens auf den "politischen Gegner" im Rahmen von sogenannten "Hausbesuchen", bei denen die Geschädigten in ihrem Wohnumfeld von mehreren Tätern unerwartet angegriffen werden, stellen eine neue Qualität der Gewalt dar. Bislang hatten sie körperliche Auseinandersetzungen mit ihrem "politischen Gegner" zumeist im Rahmen von Demonstrationen und Veranstaltungen gesucht. Insbesondere im Zuge von Fußballspielen kam es in der Vergangenheit zu zahlreichen gewalttätigen Konflikten zwischen rechtsextremistisch beeinflussten Hooligans und "linken" Fußball-Fans der Ultra-Szene sowie gewaltorientierten Linksextremisten. So verurteilte das Bremer Landgericht am 28. Juni 2016 einen Bremer Linksextremisten, der zugleich der Ultra-Szene angehört, wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Die Polizei hatte ihn am 1. Juli 2015 im Nachgang von schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Bremer Hooligans und Bremer Ultras anlässlich eines Fußballspiels festgenommen. "Autonome Recherchearbeit" Die "Aufklärungsoder Recherchearbeit" gehört zu den zentralen Aktivitäten der autonomen Szene in Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Szene. In diesem Zusammenhang werden Beobachtungen und Informationen über Einzelpersonen, Gruppierungen und Strukturen der "rechten" Szene wie etwa Szeneläden gesammelt. Die Informationen zu Einzelpersonen werden meist in Steckbriefen zusammengefasst und im Rahmen sogenannter "Outing-Aktionen" in der Nachbarschaft der Betroffenen und im Internet veröffentlicht. In den Steckbriefen werden neben persönlichen Daten, wie z.B. Anschrift, Geburtsdatum oder Beruf, auch weitere Einzelheiten aus dem Privatleben der Betroffenen bekanntgemacht. Ziel dieser Aktionen ist es, vermeintliche Rechtsextremisten aus der Anonymität zu holen und ihre politischen Aktivitäten öffentlich zu machen, wobei dies eine Gefahr für die Betroffenen darstellt und insbesondere ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Unter dem Titel "Achtung Neonazis" hingen in den Jahren 2015 und 2016 zahlreiche solcher Plakate im Bremer Stadtgebiet aus. Gestiegenes Aggressionsund Gewaltpotenzial der linksextremistischen Szene Bundesweit zeigten Angehörige der gewaltorientierten linksextremistischen Szene in den vergangenen Jahren in Auseinandersetzungen mit ihren "politischen Gegnern" und Polizisten vielfach ein zum Teil brutales gewalttätiges Vorgehen, welches ein Absenken der Hemmschwelle verdeutlicht, auch schwerste Verletzungen zu verursa43 chen. In diesem Zusammenhang ist häufig die Rede von einer zunehmenden szenedefinierten "Entmenschlichung des politischen Gegners". Ein Beispiel für die Inkaufnahme von schweren Verletzungen bis hin zum Tod der Opfer ist der Überfall von Linksextremisten auf eine Gruppe von Rechtsextremisten Anfang des Jahres 2016 im sachsen-anhaltinischen Oschersleben. Zehn Rechtsextremisten wurden auf der Rückfahrt von einer rechtsextremistischen Demonstration in Magdeburg am 16. Januar 2016 am Bahnhof in Oschersleben von etwa 25 vermummten Personen mit Baseballschlägern, Eisenstangen und Teleskopschlagstöcke angegriffen. Ein Geschädigter erlitt dabei lebensgefährliche Kopfverletzungen, drei weitere Geschädigte kamen mit Platzwunden und Prellungen davon. Zeugen beobachteten, dass die Täter u.a. in einem Fahrzeug mit Bremer Kennzeichen flüchten. In einem am 19. Januar 2016 auf der Internetplattform "linksunten.indymedia" veröffentlichten Beitrag heißt es unter der Überschrift "Angreifer offenbar aus gesamten Bundesgebiet": "Die Fahrzeuge hatten unter anderem Kennzeichen aus Quedlinburg, Hildesheim und Bremen." (Internetplattform "linksunten.indymedia", 19.01.2016). 5.1.3 Proteste gewaltorientierter Linksextremisten Die hemmungslose Anwendung von Gewalt durch Linksextremisten führt regelmäßig auch zu massiven gewalttätigen Ausschreitungen im Rahmen von Demonstrationen. Gewaltorientierte Linksextremisten greifen Polizisten und ihren "politischen Gegner" u.a. mit Steinen, Flaschen und pyrotechnischen Gegenständen an. An gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligen sich neben den gewaltorientierten Linksextremisten häufig auch "anpolitisierte" oder gänzlich unpolitische, erlebnisorientierte Jugendliche. Ebenso wie sehr jungen Angehörigen der autonomen Szene geht es ihnen weniger um konkrete politische und auf die Systemüberwindung ausgerichtete Ziele als um den "Erlebnischarakter", der von solchen Ereignissen ausgeht; auch das Ausleben eines Aggressionspotenzials ist vielfach handlungsleitend. In Bremen hat es bei Demonstrationen seit langem keine gewalttätigen Ausschreitungen gegeben. Jedoch beteiligen sich Angehörige der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens bundesweit regelmäßig an gewalttätigen Auseinandersetzungen. Proteste gegen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten Die gewaltorientierte linksextremistische Szene reagierte im Jahr 2016 ebenso wie im Vorjahr in hohem Maße auf die Aktivitäten von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, deren Agitation und Propaganda sich hauptsächlich gegen Asylbewerber richtete. Das Themenfeld "Antifaschismus" stellt unverändert seit Jahren ein zentrales Betätigungsfeld der linksextremistischen Szene Bremens dar, in dessen Mittelpunkt Proteste gegen Aufmärsche, Veranstaltungen und Informationsstände von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten stehen. Gewaltorientierte Linksextremisten aus Bremen beteiligten sich beispielsweise an den Protesten gegen eine rechtsextremistische Demonstration am 16. April 2016 im schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe. Demonstranten blockierten die Gleise und errichteten brennende Barrikaden, um den Beginn der Demonstration und die Anreise der rechtsextremistischen Demonstranten zu stören. Im Anschluss an die Demonstra44 tion bewarfen sie die Rechtsextremisten mit Steinen und Flaschen. In einem Aufruf der linksextremistischen Gruppierung "Antifaschistische Gruppe Bremen" (AGB) zur Teilnahme an der Demonstration heißt es: "Bad Oldesloe bleibt nazifreie Zone! (...) Es werden sich Nazis und Rassist*innen aus ganz Norddeutschland auf den Weg nach Bad Oldesloe machen. Nachdem die rassistischen Mobilisierungen in den vergangenen Monaten in Schleswig-Holstein weitgehend gescheitert sind, werden wir auch diesen Versuch zu verhindern wissen." (Fehler im Original, Internetseite der AGB, 11.04.2016). Angehörige der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens beteiligten sich am 10. September 2016 an den Protesten gegen eine rechtsextremistische Demonstration im niedersächsischen Stade, die in einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen gewaltorientierten Linksextremisten und Polizisten mündete. Zur Teilnahme an den Protesten hatte u.a. die Bremer Ortsgruppe der linksextremistischen Gruppierung "Interventionistische Linken" (IL) aufgerufen. In der Nacht zum 5. September 2016 beschmierten unbekannte Täter die Gebäude des Busunternehmens in Bremen und im niedersächsischen Rotenburg mit Farbe, das seine Busse an die Rechtsextremisten vermietet hatte. Zu gewaltsamen Protesten gegen eine rechtsextremistische Demonstration, an denen sich auch Linksextremisten aus Bremen beteiligten, kam es am 19. November 2016 im niedersächsischen Nienburg. Im Verlauf der Proteste versuchten Linksextremisten, Blockaden zu errichten und Polizeiketten zu durchbrechen, dabei verletzten sie drei Polizisten mit Steinen und Pyrotechnik. In Bremen hatte die linksextremistische Gruppierung "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen. Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA) Die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA) ist vom linksextremistischen, kommunistischen Bündnis "...ums Ganze!" am 31. Januar 2016 ausgerufen worden. Ziel der NIKA-Kampagne, die unter dem Titel "Kampagne gegen die Festung Europas" beschlossen wurde, ist die Störung des Wahlkampfes der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) und die generelle Bekämpfung einer auf Begrenzung des Flüchtlingszuzugs ausgerichteten Politik. Das Bündnis greift auf eine bereits 2014 gelaufene Kampagne gegen die AfD zurück. Die NIKA-Kampagne ist eine sog. "Mitmachkampagne", die den ideologischen Hintergrund, das "Corporate Design" oder das "Label" vorgibt und auf die bundesweite Beteiligung von Gruppierungen mit eigenen "kleinen, kreativen Aktionen" setzt. In Bremen wird die Kampagne maßgeblich von der linksextremistischen Gruppierung "Basisgruppe Antifaschismus" (BA), die dem "...ums Ganze!"-Bündnis seit 2011 angehört, und der linksextremistischen Gruppierung "Antifaschistische Gruppe Bremen" (AGB) getragen. Aktivisten dieser Flyer der beiden Gruppierungen stellten die NIKA-Kampagne am 5. April 2016 in dem von NIKA-Kampagne Linksextremisten frequentierten "Infoladen" in Bremen vor: "Unter dem Motto 'Nationalismus ist keine Alternative' wurde sich gemeinsam auf eine Mitmachkampagne verständigt, die sich sowohl gegen den völkischen Nationalismus von AfD und Pegida als auch gegen das staatliche Grenzregime richtet." Ziel der Kampagne sei es "gegen das 'organisatorische Rückrat des völkischen Rollbacks' vorzugehen. Zugleich werden die Akteure der Abschottung und einer Politik der staatlichen Entrechtung von Geflüchteten (...) Ziel einer gemeinsamen Mobilisierung sein. Dabei sollen auch die Profiteure des europäischen Grenzregimes, wie Unternehmen, die sich an der Abschiebung und Kasernierung von Geflüchteten beteiligen, zum Gegenstand von Protesten werden." (Fehler im Original, Internetseite der NIKA-Kampagne, 01.02.2016). Unter Berufung auf die NIKA-Kampagne gab es im ersten Halbjahr 2016 mehrere Sachbeschädigungen an Gebäuden in Bremen und Bremerhaven. So besprühten Unbekannte im Rahmen eines bundesweiten Aktionswochenendes am 6. März 2016 in Bremerhaven die Hauswand des stellvertretenden AfD-Landesvorsitzenden mit Graffiti und beklebten sie mit Plakaten. Sie zündeten zudem Pyrotechnik. 45 Im Zusammenhang mit dem Landesparteitag der AfD am 29. Mai 2016 in Bremerhaven gab es mehrere "militante Aktionen". Am 27. Mai 2016 klebten Unbekannte Plakate an die Fassade der Häuser von drei, teils ehemaligen AfD-Mitgliedern. Es handelte sich um Plakate des nichtextremistischen Bündnisses "Jugend gegen Rassismus", welches zur Teilnahme an einer Demonstration gegen den AfD-Landesparteitag aufrief. Am 29. Mai 2016 bewarfen unbekannte Täter das Haus eines Aufruf zu Aktionen der AfD-Mitglieds mit Gegenständen. Sie besprühten die Fassade mit Graffitis; in rosafarNIKA-Kampagne bener Schrift stand dort geschrieben: "AfD versenken". Sie besprühten außerdem die Eingangstür mit Bauschaum, versperrten den Zugang zum Grundstück mit Bauzaun und Stacheldraht und befestigten daran ein Plakat mit der Aufschrift "Gegen Jeden statt gegen jede Grenze". Ebenfalls am 29. Mai 2016 klingelten Unbekannte an der Wohnungstür eines AfD-Mitgliedes und warfen Papierschnipsel und Luftschlangen in die Wohnung, als die Tür geöffnet wurde. Ein auf der Facebook-Seite der Gruppierung BA am 2. Juni 2016 veröffentlichtes Video zeigt beide Aktionen. Darüber hinaus ist eine weitere Aktion am Wohnhaus eines dritten AfD-Mitgliedes zu sehen, bei der Flyer an die Nachbarn verteilt werden. Anschließend entrollen die Aktivisten ein Banner der NIKA-Kampagne und skandieren: "Nationalismus raus aus den Köpfen!" Im Rahmen der NIKA-Kampagne organisierten gewaltorientierte Linksextremisten auch die Proteste gegen den Bundesparteitag der AfD am 30. April 2016 in Stuttgart. Mehrere Hunderte gewaltorientierte Linksextremisten, u.a. aus Bremen, versuchten, den Bundesparteitag beispielsweise durch die Blockade der Zufahrtswege zu stören. "Antifaschismus" Im Bereich der "Antifaschismusarbeit" ist neben linksextremistischen Organisationen und Gruppen auch eine Vielzahl unterschiedlicher demokratischer Akteure tätig. Mit dem Ziel der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht das Antifaschismusverständnis von Linksextremisten jedoch weit über das von Demokraten hinaus. Für Linksextremisten stellt die Bekämpfung von rechtsextremistischen Strukturen und Personen nur ein vordergründiges Ziel dar, ihre tatsächliche Stoßrichtung ist das "bürgerliche und kapitalistische System" und die angeblich ihm zugrunde liegenden faschistischen Wurzeln. Zur Vergrößerung ihres politischen Einflusses und zur Gewinnung neuer Anhänger ist das Bemühen um Bündnisse mit nichtextremistischen Gruppen ein entscheidendes Instrument autonomer "Antifaschismusarbeit". Besetzung des "Alten Sportamtes" Die Erhaltung und Schaffung von "autonomen Freiräumen", wozu in erster Linie besetzte Häuser und selbst verwaltete Projekte zählen, ist seit jeher ein Schwerpunkt der "Antirepressionsarbeit" von gewaltorientierten Linksextremisten. In Bremen stellt das "Alte Sportamt" einen solchen "Freiraum" für die linksextremistische Szene dar. Das sanierungsbedürftige Gebäude ist ein Veranstaltungsort der "linken" Szene in Bremen, in dem sie sich "selbstbestimmt und solidarisch" organisieren kann. In der Vergangenheit fanden dort sowohl extremistische als auch nichtextremistische Veranstaltungen statt. Gewaltorientierte Linksextremisten nutzten die Räumlichkeiten beispielsweise für sogenannte "Aktionsund Blockadetrainings" in Vorbereitung auf Demonstrationen. Die Nutzer des Gebäudes, die in dem Verein "Klapstul" organisiert sind, besetzten das Gebäude im April 2015, als Pläne der Gesellschaft "Immobilien Bremen" bekannt wurden, den jeweils für ein Jahr geltenden Nutzungsvertrag nicht zu verlängern. Dem Verein gehören u.a. auch Angehörige der linksextremistischen Szene an. Große Teile der nichtextremistischen "linken" Szene Bremens sowie der gewaltorientierten linksextremistischen Szene erklärten sich solidarisch mit den Besetzern. 46 Der Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Juli 2016 und der Androhung einer Räumungsklage stellten sich die Besetzer entgegen; sie weigern sich kategorisch, das "Alte Sportamt" zu verlassen: "Wir werden das alte Sportamt natürlich nicht einfach so hergeben und hoffen weiterhin auf eure Unterstützung!" (Internetplattform "linksunten.indymedia", 28.06.2016). In einem am 8. Juli 2016 in der Bremer SzeneZeitschrift "LaRage" veröffentlichten Interview bekräftigte ein Sprecher des Vereins: "Zum Thema Räumung wollen wir an dieser Stelle deutlich machen, dass wir versuchen werden, sie mit aller Entschlossenheit zu verhindern." (Szene-Zeitschrift "LaRage", 08.07.2016). Die gesetzte Frist verstrich, ohne dass die Stadt ihre Ankündigung wahrmachte und eine Räumungsklage einreichte. Ab Oktober 2016 gab es erneut Gespräche zwischen Stadt und Nutzern, um eine Einigung zu erreichen. In diesem Zusammenhang gab es eine Sachbeschädigung am Gebäude der Immobilienfirma "von Poll" am 28. Juni 2016. In dem auf der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia" veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben zu der Tat drohten die Verfasser, die mit dem bundesweit verwandten Label "autonome Gruppen" unterschrieben: "Seit kurzem ist das besetzte Alte Sportamt in Bremen räumungsbedroht. Auf die Drohgebärden des Senats können wir nur antworten: jede Räumung hat ihren Preis." (Fehler im Original, Internetplattform "linksunten.indymeda", 30.06.2016). "Antirepression" "Antirepression" stellt seit jeher einen Aktionsschwerpunkt der gewaltorientierten linksextremistischen Szene in Bremen dar. Linksextremisten sehen ihre individuelle, soziale oder politische Entfaltung durch den Staat und seine "Machtstrukturen" unterbunden, konkret etwa durch Sicherheitsgesetze oder polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund sehen sich gewaltorientierte Linksextremisten im Kampf gegen die "staatliche Repression". Die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols ist das verbindende Element sämtlicher Gruppierungen. Vorbereitung der Proteste gegen den G20-Gipfel Die gewaltorientierte linksextremistische Szene begann im November 2016 mit der Vorbereitung der Proteste gegen den im Juli 2017 in Hamburg stattfindenden Gipfel der Staatsund Regierungschefs der zwanzig wichtigsten Industrieund Schwellenländer (G20). In dem Gipfel, welcher das zentrale Forum für die internationale und wirtschaftliche Zusammenarbeit darstellt, sieht die linksextremistische Szene die Zusammenkunft von Vertretern "kapitalistischer und imperialistischer Interessen", die es zu bekämpfen gelte. So rief das linksextremistische, überregionale "...ums Flyer der IL zum Ganze!"-Bündnis im November 2016 unter der Überschrift "Don't fight the players, G20-Gipfel fight the game: Zum G20 die Logistik des Kapitals lahmlegen!" zu Protesten auf: "Wir rufen dazu auf, den G20-Gipfel und die internationale Mobilisierung dagegen zu nutzen, um dort anzusetzen, wo es einer Welt, in der Waren frei über die Weltmeere schippern, während zugleich tausendfach Migrant_innen ertrinken, wirklich wehtun kann. (...) Denn der G20-Gipfel ist ein zentraler Ausdruck des politischen Dilemmas des Kapitalismus: Seine Widersprüche werden von der Politik und ihrem Personal (...) bloß verwaltet. (...) Die Chance, die in Hamburg vor uns liegt, ist daher (...) die G20-Bühne zu nutzen, um mit der Logistik einen Angriffspunkt aufzuzeigen, der über politische Symbolik hinausgeht." (Fehler im Original, Internetseite der BA, 27.11.2016). An einer "Aktionskonferenz" gegen den G20-Gipfel im Dezember 2016 in Hamburg, die wenige Tage vor einem Treffen der Außenminister der "Organisation und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) stattfand, beteiligten sich Aktivisten der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens. Zur Teilnahme an der Aktionskonferenz 47 hatte u.a. die linksextremistische Gruppierung "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) aufgerufen. In Bremen ist neben der BA auch die Ortsgruppe der gewaltorientierten linksextremistischen Gruppierung "Interventionistische Linke" (IL) in die Planung der Proteste involviert. Ziel der IL ist es, eine große Anzahl von Demonstranten sowohl aus dem linksextremistischen, dem ausländerextremistischen als auch aus dem nichtextremistischen Spektrum für die Proteste zu gewinnen. Im Rahmen einer "militanten Begleitkampagne" verübten gewaltorientierte Linksextremisten seit Mitte 2016 bundesweit bereits mehrere "militante Aktionen" im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel. Unter der Überschrift "Banken Smashing Contest G20" erschien am 7. Dezember 2016 auf der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia" ein Aufruf zur Sachbeschädigung an Banken. Zur Begründung heißt es dort: "Darum laden wir euch ein mit uns Banken zu smashen, die wie keine andere Institution in der öffentlichen Wahrnehmung für Profitgier, Krisen und den Kapitalismus selbst stehen, was sich als symbolisches Ziel für uns eignet. (...) Das Ziel des Contest sind 57 Banken bis G20, aber wir sind uns sicher, ihr könnt mehr!" (Fehler im Original, Internetplattform "linksunten.indymedia", 07.12.2016). In Bremen warfen unbekannte Täter daraufhin am 9. Dezember 2016 mehrere Scheiben einer Filiale der Deutschen Bank ein und beschmierten die Fassade mit dem Schriftzug "Stop G20". "Antikapitalismus" "Antikapitalismus" ist die Basis der linksextremistischen Ideologie. Strukturen und Eigentumsverhältnisse des "Kapitalismus" sind nicht nur Grundlagen für Armut, Hunger und soziale Ungerechtigkeit, sondern darüber hinaus für "Faschismus", "Repression", Migrationsströme, ökologische Katastrophen, "Imperialismus" und Krieg. Kommunikation Das Internet ist das wichtigste Kommunikationsmittel der linksextremistischen Szene. Es dient ihr sowohl als Kommunikationsplattform als auch als Medium zur Verbreitung von Propaganda. Die Internetplattform "linksunten.indymedia" nimmt eine zentrale Bedeutung für das gesamte "linke" Spektrum ein. Sie betreibt einen "offenen Journalismus", d.h., jeder Internetnutzer kann dort ohne redaktionelle Vorgaben und unter Nutzung eines Pseudonyms Beiträge veröffentlichen, die andere Internetnutzer wiederum anonym kommentieren und ergänzen können. Die Beiträge reichen von Berichten zum Verlauf von Kundgebungen über Analysen zu tagespolitischen Entwicklungen bis hin zu Taterklärungen und Selbstbezichtigungsschreiben sowie Informationsoder Diffamierungskampagnen gegen politische Gegner. In Bremen gibt es seit 2009 die Internetplattform "end of road". Die Betreiber erklärten, dass es sich um ein "antikapitalistisches Projekt" handele und sie "nur Dinge Titelbild der Szene-Zeitschrift veröffentlichen, die dem Sinne des Projektes entsprechen und eine antifaschistische, "Interim" 2016 autonome und antinationale Grundhaltung haben" (Internetseite "end of road", 06.09.2009). Die veröffentlichten Artikel, Aktionsberichte, Demonstrationsaufrufe und Terminankündigungen spiegeln ein breites Themenspektrum wider. Die Nutzer können die eingestellten Artikel kommentieren und sind darüber hinaus zum Einsenden von Berichten und Terminankündigungen aufgefordert. Die veröffentlichten Beiträge stammen jedoch auch aus Tageszeitungen oder der Internetplattform "linksunten.indymedia". Ein zentrales Publikationsorgan ist die in Berlin herausgegebene Szene-Zeitschrift "Interim", die als eine von wenigen Schriften bundesweite Bedeutung genießt. Die Szene-Zeitschrift dient vor allem der gewaltorientierten Szene zur Information und Diskussion. In der "Interim" finden sich Beiträge zu aktuellen Themen, aber auch Rechtfertigungen zur Gewaltanwendung sowie Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten. Um Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren, gibt es keine feste 48 Redaktion, auch wird kein Impressum abgedruckt. In Bremen erscheint die Szene-Zeitschrift "LaRage" seit dem Jahr 2010, die lediglich von regionaler Bedeutung ist. Die in der Zeitschrift veröffentlichten Artikel umfassen unterschiedliche Themenbereiche, vom "Antifaschismus" bis hin zu "Sozialen Kämpfen". Insbesondere wird darin über Aktionen und Veranstaltungen der linksextremistischen Szene Bremens berichtet. Nach einer längeren Veröffentlichungspause Titelbild der Szene-Zeitschrift erschien im Januar 2016 wieder eine Ausgabe. "LaRage" 2016 5.2 Strukturen und Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus Personenpotenzial: ca. 7.700 in Deutschland ca. 220 in Bremen Linksextremisten eint das Ziel der Überwindung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung, die als Kapitalismus und bürgerliche Gesellschaft bezeichnet wird, und die auf die Errichtung eines herrschaftsfreien oder kommunistischen Systems zielt. In der linksextremistischen Ideologie wird die Forderung nach sozialer Gleichheit unter Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates verabsolutiert. Das Ziel soll dabei unter Missachtung der Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erreicht werden und würde grundlegende Prinzipien der Verfassung außer Kraft setzen. Betroffen wäre davon nicht nur das in der Verfassung verankerte Rechtsstaatsoder Demokratieprinzip, wie beispielsweise die Gewaltenteilung, die Volkssouveränität oder das Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition, sondern insbesondere auch die individuellen Freiheitsrechte. Dem Linksextremismus sind neben den gewaltorientierten Linksextremisten auch orthodox kommunistische, maoistische und trotzkistische Parteien, Organisationen und Gruppen zuzurechnen. Ihr Ziel ist die Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates unter formaler Beachtung demokratischer Regeln und zum Teil unter Ausnutzung des grundgesetzlichen Schutzes der Parteien. Sie haben in den letzten Jahrzehnten enorm an Mitgliedern und Sympathisanten verloren. Im Fokus der Beobachtung durch den Verfassungsschutz stehen daher die gewaltorientierten Teile des Phänomenbereichs. Als gewaltorientiert gelten nicht nur Personen und Gruppierungen, die selbst gewalttätig handeln oder gewaltbereit gegen ihre "politischen Gegner" vorgehen, sondern ebenso diejenigen, die Gewalt unterstützen oder Gewalt befürworten. Die Gewaltorientierung einer Person oder Gruppierung kann sich zum einen aus ihrer ideologischen Ausrichtung und zum anderen aus ihren konkreten Handlungen ergeben. Das Abschaffen jeglicher Form von "Herrschaftsstrukturen" ist das Ziel von gewaltorientierten Linksextremisten, wozu Autonome, Anarchisten und Antiimperialisten zählen. Während Autonome den Anspruch erheben, nach eigenen Regeln leben zu können, und nach einem hierarchiefreien, selbstbestimmten Leben innerhalb "herrschaftsfreier" Räume streben, zielen Anarchisten mit der Forderung nach einem "herrschaftsfreien Leben", der die Grundidee des "freien Willens" zugrunde liegt, auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen. Antiimperialisten hingegen orientieren sich teilweise am dogmatischen Marxismus-Leninismus und machen den "Kapitalismus" für alle negativen Zustände in der Welt verantwortlich. Autonome Autonome Linksextremisten beziehen sich ideologisch vor allem auf anarchistische und kommunistische Theoriefragmente, wobei ihre ideologischen Vorstellungen insgesamt diffus bleiben. Da formelle Strukturen und Hierarchien grundsätzlich abgelehnt werden, ist die autonome Szene stark fragmentiert und besteht hauptsächlich aus losen Personenzusammenschlüssen, die anlassbezogen gegründet werden 49 und sich ebenso kurzfristig auflösen. Relativ konstant bestehen derzeit im Bereich der "klassischen" autonomen Gruppierungen die "Antifaschistische Gruppe Bremen" (AGB) und die "Antifa Bremen". Autonome Linksextremisten erachten ihre Eigenund Selbstständigkeit für so wichtig, dass sie sich in der Regel in keine festen politischen Strukturen integrieren. Teile der autonomen Szene sind jedoch bereit, sich an bürgerlich-demokratischen Bündnissen zu beteiligen und ihre eigenen Ziele kurzfristig in den Hintergrund zu stellen, um ihre politischen Vorstellungen in die Gesellschaft zu tragen. Mit der Taktik der Bündnispolitik gelingt es Autonomen immer wieder, insbesondere im Bereich "Antifaschismus", mit bürgerlich-demokratischen Gruppen zusammenzuarbeiten, die ihre extremistischen Ansichten im Grunde ablehnen. In den vergangenen Jahren war darüber hinaus zu beobachten, dass Teile der zunächst organisationsfeindlichen autonomen Szene die Bildung von festen Organisationsstrukturen vorantrieben. Diese Szene lässt sich inzwischen deutlich von der ursprünglichen autonomen Szene abgrenzen und kann daher als "postautonom" bezeichnet werden. Während sich Autonome insbesondere durch ihre Organisationsfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft und Theorieferne auszeichnen, können Postautonome lediglich noch als organisationskritisch, weniger gewaltbereit und um Theorie bemüht beschrieben werden. Ihre gesellschaftliche Isolation wollen sie vor allem dadurch durchbrechen, dass sie eine Scharnierfunktion zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und gemäßigten, bürgerlichen "Linken" einnehmen. Zu den Gruppierungen, die eine Organisierung der "linken" Szene zur Erreichung ihrer politischen Ziele für notwendig erachten, zählt in Bremen insbesondere die linksextremistische Gruppierung "Interventionistische Linke" (IL). "Interventionistische Linke" (IL) Die Ortsgruppe der linksextremistischen Gruppierung "Interventionistische Linke" (IL) gehört zu den aktiven Gruppierungen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens. Bundesweit setzt sich die IL sowohl aus linksextremistischen als auch aus nichtextremistischen Gruppierungen sowie Einzelpersonen zusammen. Die Bremer Ortsgruppe der IL ist aus der linksextremistischen Gruppierung "Avanti - Projekt undogmatische Linke" ("Avanti") hervorgegangen. Die Mehrheit der Ortsgruppen der 1989 gegründeten überregionalen Gruppierung "Avanti" erklärte im Jahr 2014 ihre Auflösung als selbständige Organisation und ihren Beitritt zur bundesweit agierenden IL. Zuvor hatte sich "Avanti" über mehrere Jahre als eigenständige Gruppe an der politischen Arbeit der IL beteiligt. Die IL legte ihre Zielsetzung und Strategie in einem "Zwischenstandspapier" im Jahr 2014 dar: "Da sich auf der Basis patriarchaler und rassistischer Gesellschaftsstrukturen der real existierende Kapitalismus entfalten konnte, ist es für uns zentral, den Kampf für eine befreite Gesellschaft mit dem Kampf gegen all diese Herrschaftsformen zu verbinden. (...) Entscheidend für uns istsowohl in der theoretischen Begründung als auch in der Eröffnung praktischer Optionen-, stets auf eine gesamtgesellschaftliche Veränderung abzuzielen." (Fehler im Original, Auszug aus "IL im Aufbruch - ein Zwischenstandspapier", 11.10. 2014). Die IL bietet damit keine konkrete "Systemalternative", gleichwohl kämpft sie für einen "revolutionären Bruch mit dem nationalen und globalen Kapitalismus" sowie der "Macht des bürgerlichen Staates". Mit der Formulierung, einen Zustand erreichen zu wollen, der dem Kommunismus ähnelt, bleibt ihr Ziel vage. "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) Die 2008 gegründete kommunistische, antideutsch und antinational ausgerichtete "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) ist seit mehreren Jahren eine der aktiven Gruppierungen in Bremen. Der Arbeitsschwerpunkt der BA lag ebenso wie in den Vorjahren im Themenfeld "Antifaschismus". Mit ihrer Veranstaltungsreihe "K*Schemme" 50 bietet die BA einen "Ort zum Diskutieren, Vernetzten, Schnacken, Organisieren oder vielleicht auch nur zum nett Klönen". Das "K" steht nach eigenen Angaben für Kommunismus und das Sternchen "soll deutlich machen, dass Kommunismus für uns die Leerstelle für die eine ganz andere Gesellschaft ist (...)" (Internetseite der BA, 04.02.2016). Die Gruppierung ist seit dem Jahr 2011 in dem überregionalen, linksextremistischen "...ums Ganze!"-Bündnis (uG) organisiert. Das 2006 gegründete Bündnis bezeichnet sich im Untertitel seines Namens als ein "kommunistisches Bündnis" und verweist damit auf seinen ideologischen Hintergrund. In einer Broschüre aus der Gründungszeit des Bündnisses aus dem Jahr 2007 heißt es: "Wir wollen uns nicht mit realpolitischen Forderungen zufrieden geben, wir wollen nicht nach der praktischen Umsetzbarkeit irgendwelcher Reformen fragen, wir sagen klar und deutlich: Uns geht's ums Ganze! Wir wollen die Überwindung des gesellschaftlichen Verhältnisses Kapitalismus als die einzig, menschenwürdige' Lösung propagieren. Wir wollen unsere Negation dieses Verhältnisses ausdrücken." (Fehler im Original, Auszug aus "...ums Ganze! smash capitalism. fight the g8 summit", 04/2007). "Revolutionärer Aufbau Bremen" (RAB) Die 2015 gegründete Gruppierung "Revolutionärer Aufbau Bremen" (RAB) gehört derzeit zu den aktiven Gruppierungen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens. Die Gruppierung war 2012 zunächst unter der Bezeichnung "Kommunistische Jugendgruppe Bremen" (KJGB) gegründet worden und benannte sich im Jahr 2015 in RAB um. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf den Themenfeldern "Antifaschismus", "Soziale Kämpfe" und "Antirepression". Ideologisch vertritt die Gruppierung Fragmente der kommunistischen Ideologie, insbesondere marxistisch-leninistischer und maoistischer Ausprägung. Sie propagiert die revolutionäre Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung hin zum Kommunismus, dabei verfolgt sie das Prinzip "Klarheit vor Einheit": "Wir haben keinen Bock auf irgendein diffuses "dagegen"-sein, auf Meinungspluralismus in der Gruppe und die Zusammenarbeit mit Leuten, die eine ganz andere Politik vertreten, sondern wollen uns als Lohnabhängige organisieren, die sich dies Gesellschaft wirklich erklären, die eine entsprechend radikale Kritik vertreten und sich in allen wesentlichen Fragen eine gemeinsame Kritik erarbeiten, welche die Grundlage unserer politischen Praxis ist." (Fehler im Original, Internetseite der RAB, 17.02.2016). Das ideologische Ziel der revolutionären Überwindung der parlamentarischen Demokratie beinhaltet bereits die Befürwortung von Gewalt. Die positive Einstellung der Angehörigen des RAB zur Anwendung von Gewalt wird beispielsweise in einem Mobilisierungsvideo zur Teilnahme an Protesten am 1. Mai 2016 deutlich, in dem sie vermummt in martialischer Art und Weise auftreten, und u.a. Pyrotechnik zünden. Eine Aktivistin zielt mit einer täuschend echt aussehenden Waffe in die Kamera. In Screenshot aus dem der Nachbetrachtung der "Liebknecht-Luxemburg"-Demonstration am 15. Januar Mobilisierungsvideo 2017 in Berlin, an der Angehörige des RAB teilnahmen, wird die Befürwortung von der RAB zum 1. Mai Gewalt ebenfalls deutlich: "'Nur der Griff der Massen zum Gewehr - schafft den 2016 Sozialismus her! (...) Ausbeutung abwählen, das klappt nie - Boykott der Wahl der Bourgeoisie' drückten wir aus, dass nur die bewaffnete Machtergreifung durch die Massen (die Revolution) der Klasse die Macht geben wird und es keine Alternative zur Revolutionären Gewalt - wie bspw. Das Parlament gibt." (Fehler im Original, Facebook-Seite des RAB, 17.01.2017). Die Gruppierung nimmt mit ihrer engen ideologischen Ausrichtung am Marxismus sowie ihren autonomen Aktionsund Organisationsformen eine Bindegliedfunktion zwischen dem orthodox-kommunistischen Parteienspektrum und dem klassischen autonomen Spektrum ein und spricht damit insbesondere junge gewaltorientierte Aktivisten an. Insofern trägt der RAB maßgeblich zur hohen Gewaltorientierung der linksextremistischen Szene Bremens bei. 51 "Rote Hilfe" (RH)2 Der 1975 gegründete Verein "Rote Hilfe e.V." (RH) unterhält bundesweit etwa 50 Ortsgruppen, auch in Bremen besteht eine Ortsgruppe. Der Verein, der sich als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation" beschreibt, ist ausschließlich im Bereich der "Antirepressionsarbeit" tätig. Er unterstützt "linke" Strafund Gewalttäter sowohl in politischer als auch in finanzieller Hinsicht, z.B. gewährt er Rechtshilfe, vermittelt Anwälte oder übernimmt in Teilen Anwalts-, Prozesskosten und Geldstrafen bei entsprechenden Straftaten. Darüber hinaus betreut der Verein rechtskräftig verurteilte Straftäter während ihrer Haft mit dem Ziel ihrer dauerhaften Bindung an die linksextremistische Szene. Die dabei entstehenden Kosten werden aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Die Strafverfolgung von Linksextremisten sieht der Verein als "politische Verfolgung" an und unterstellt der Justiz und dem Staat die willkürliche Unterdrückung von Kritikern und Oppositionellen. Angesichts der Verurteilung von drei Mitgliedern der linksextremistischen Gruppierung "militante gruppe" (mg) zu mehrjährigen Haftstrafen wegen der Verübung mehrerer Brandanschläge auf Behörden 2009 nahm die RH wie folgt Stellung: "Die RH erklärt sich solidarisch mit den Verurteilten und fordert '(...) die sofortige Einstellung aller Verfahren (...) Weg mit dem Gummiparagrafen 129, 129a und 129b! Freiheit für alle politischen Gefangenen!'" (Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 2009, S. 191, zitiert von Internetseite "scharfunten", 03.12.2009). Wenngleich die RH selbst nicht gewalttätig agiert, gehört sie aufgrund ihrer gewaltunterstützenden und gewaltbefürwortenden Einstellung zur gewaltorientierten linksextremistischen Szene. Ihre Einstellung zu Gewalt wird deutlich in der Solidarisierung mit der linksextremistischen terroristischen Vereinigung "Rote Armee Fraktion" (RAF). Unter der Überschrift "danach war alles anders ..." heißt es in einem 2013 in der "Rote Hilfe Zeitung" erschienenen Artikel: "die rote armee fraktion war ein wichtiges und notwendiges projekt auf dem weg zur befreiung, ein projekt, in dem unschätzbare erfahrungen über den kampf in der illegalität gesammelt wurden: die raf hat bewiesen, dass der bewaffnete kampf hier möglich ist. dieses projekt, das konzept stadtguerilla ist gescheitert, raf und widerstand sind hier nicht durchgekommen. die gründe dafür sind bekannt und müssen für zukünftige bewaffnete projekte berücksichtigt und einbezogen werden. und ein projekt wird folgen ... muss folgen - in welcher form auch immer. nicht als kopie oder reproduktion der raf, das wäre fatal, politisch wie historisch falsch. aber als integraler bestandteil einer neu zu schaffenden sozialrevolutiönären, emazipatorischen organisation oder partei, denn 'die waffe der kritik kann allerdings die kritik der waffen nicht ersetzen. die materielle gewalt muß gestürzt werden durch materielle gewalt'" (Fehler im Original, "Rote Hilfe Zeitung" 2/2013, S. 35-40). 2 Aktualisierte Version des Verfassungsschutzberichts 2016 nunmehr mit ausführlicher Begründung zur Gewaltorientierung der linksextremistischen Gruppierung "Rote Hilfe" (RH). Mit seiner gewaltbefürwortenden Einstellung hat der Verein eine stabilisierende Funktion für die gewaltorientierte linksextremistische Szene, wenn er potenziellen linksextremistischen Gewaltund Straftätern vor Begehung von Taten politische und finanzielle Unterstützung verspricht. Dabei unterstützt er nur solche Taten, die er als "politisch" bewertet. Entschuldigungen oder Distanzierungen der Täter von linksextremistischen Gewaltdelikten im Verfahren führen regelmäßig zu einem Entzug ihrer 52 Unterstützung, hier zwei Beispiele: "Abgelehnt haben wir einen Unterstützungsantrag in einem Verfahren wegen Brandstiftung an Autos. Der Antragsteller hat die Vorwürfe eingeräumt, die Sache bereut und einen politischen Zusammenhang abgestritten. Das unterstützen wir nicht." ("Rote Hilfe Zeitung" 3/2011, S. 7). "Während der Proteste gegen die EZB-Eröffnung in Frankfurt am Main (Hessen) äußerte ein Genosse seine Kritik am kapitalistischen System angeblich, indem er eine bereits lädierte Scheibe eintrat und mit Steinen warf. Es folgte eine Strafanzeige und Gerichtsverhandlung wegen Sachbeschädigung und versuchter schwerer Körperverletzung. Dabei gab er an, dass er bereits im Polizeigewahrsam zu der Erkenntnis gekommen sei, die falsche Protestform gewählt zu haben. Wir werten diese Einlassung als Distanzierung und übernehmen keine Kosten." ("Rote Hilfe Zeitung" 1/2017, S. 6). 53 54 6 Islamismus und islamistischer Terrorismus Seitenzahl 55 6.1 Islamismus 57 6.2 Islamistischer Terrorismus 57 6.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 58 6.2.2 "Islamischer Staat" (IS) 60 6.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen und radikalisierte Einzeltäter 63 6.2.4 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 66 6.2.5 Internet und andere Medien 66 6.3 Salafistische Bestrebungen 69 6.3.1 Salafismus im Land Bremen 73 6.3.2 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 75 6.4 "Hizb Allah" in Bremen 55 6 Islamismus und islamistischer Terrorismus Die asymmetrische Bedrohungslage durch islamistisch motivierte Terroristen oder Einzeltäter hat sich im Jahr 2016 in Deutschland und Europa noch weiter erhöht. Dies haben die Anschläge in Brüssel im März sowie in Berlin im Dezember vergangenen Jahres auf drastische Art und Weise verdeutlicht. In Deutschland gab es zudem Muslime zahlreiche Durchsuchungen und Gerichtsverfahren gegen islamistische Terroristen, die im Verdacht stehen, terroristische Unterstützungshandlungen begangen bzw. konkrete Anschläge in Deutschland geplant zu haben. Islamistische Terroristen veröffentlichten darüber hinaus zahlreiche Propagandavideos mit dem Ziel, die Bürger westlicher Staaten in ihrem Sicherheitsgefühl zu verunsichern. In einigen deutschsprachigen Drohund Propagandavideos wurde auch mit konkreten terroristischen Anschlägen in Islamisten Deutschland gedroht. Im Fokus des Verfassungsschutzes standen im Jahr 2016 sowohl Salafisten die Personen, die sich islamistisch-terroristischen Gruppierungen u.a. im syrisch-iraJihadisten kischen Bürgerkrieg anschlossen und bereits wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind, als auch diejenigen, die sich hierzulande radikalisiert haben. Ebenso gab es vereinzelte Fälle, bei denen radikalisierte Flüchtlinge Anschläge verübt haben. Das Umfeld potenzieller Täter hat sich daher gegenüber den letzten Jahren deutlich differenziert. Die Radikalisierung verläuft schneller und ist keinesfalls auf religiöse Radikale Ansichten Milieus beschränkt. Fast alle Attentäter fielen bis zu ihrer Radikalisierung keineswegs werden von einem Bruchteil durch besonders frommes Verhalten auf. Vielmehr ergeben sich vermehrt Überschneider Muslime vertreten dungen ins allgemeinkriminelle Milieu. Als potenziellen Nährboden für den islamistischen Terrorismus haben die Verfassungsschutzbehörden den Salafismus besonders im Blick. Insgesamt waren in Deutschland 2016 ca. 9700 Personen der salafistischen Szene zugehörig. In Bremen waren rund 380 Salafisten aktiv. Sowohl auf Bundeswie auch auf Landesebene handelt es sich verglichen mit der Gesamtzahl an Muslimen jeweils um einen Prozentanteil von unter 1%. 6.1 Islamismus Islamismus bezeichnet eine politische Ideologie, die anstelle des demokratischen Rechtsstaates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Gesellschaftsund Rechtsordnung vorsieht, welche auf einer islamistischen Interpretation der "Scharia" beruht. Das hier im Mittelpunkt stehende "Prinzip der Gottessouveränität" widerspricht dem "Prinzip der Volkssouveränität". In der Öffentlichkeit werden die Begriffe Islamismus und Islam häufig fälschlicherweise gleichbedeutend verwendet oder verwechselt. Die politische Ideologie des Islamismus ist jedoch deutlich von der Religion des Islam zu trennen. Während der Islam die Religion bezeichnet, bedient sich der Islamismus als extremistische Ideologie an Symbolen und Begriffen aus dem Islam, um seine extremistischen politischen Ziele religiös zu legitimieren und durchzusetzen. Kennzeichen islamistischer Bestrebungen . Islamisten folgen nicht nur ihrer religiös fundamentalistischen Überzeugung, . sondern sind darüber hinaus politisch motiviert. Das Ziel ist, unter Berufung auf die "Scharia" eine vom Islam vorgegebene Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, die für alle Bürger unabhängig von ihrer 56 Religion gilt und die die Regeln und Gesetze eines demokratischen Rechtsstaates . ersetzen soll. Islamisten fordern ein "islamisches" Staatswesen und lehnen die westliche Zivilisation, ihre Werte und ihr Demokratieverständnis ab. "Scharia" "Scharia" bedeutet wörtlich übersetzt "Weg zur Quelle" und bezeichnet die Gesamtheit aller islamischen Regeln und Riten, die im Koran und den gesammelten Prophetentraditionen (Sunna) festgeschrieben sind. Diese Texte zu interpretieren und daraus konkrete Handlungsempfehlungen und Gesetze abzuleiten, ist die Aufgabe der islamischen Rechtsgelehrten. Diese Wissenschaft wird mit dem Begriff "Fiqh" beschrieben. Zur Rechtsfindung werden vier Quellen bzw. Methodiken zu Rate gezogen: der Koran, die Sunna, der Konsens der Gelehrten ("Ijma`") und der Vergleich von früher zu heute ("Qiyas"). Die "Scharia" ist nirgends abschließend festgeschrieben, sondern unterliegt einer steten Auslegung. Die "Scharia" besteht im Wesentlichen aus zwei Bereichen, den "'Ibadat" (rituelle Pflichten) und den "Mu'amalat" (gemeinschaftliche Regeln). Die "'Ibadat" umfassen Vorschriften zum rituellen Leben und Pflichten gegenüber Gott. Dort sind u.a. neben den fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, fünfmaliges tägliches Gebet, Almosenspende, Fasten im Monat Ramadan, Pilgerfahrt nach Mekka) die rituelle Reinheit, z.B. Waschungen vor dem Gebet, und das Verbot bestimmter Speisen, z.B. Schweinefleisch, geregelt. Die "Mu'amalat" befassen sich mit den Regeln des menschlichen Zusammenlebens. Dort finden sich Bestimmungen zum Ehe-, Familien-, Personenstands-, Vermögens-, Verkehrsund Wirtschaftsrecht sowie aus dem Strafrecht wieder. Islamisten fordern die unmittelbare und vollkommene Umsetzung ihrer Interpretation der "Scharia", während sich heute die Mehrheit der Muslime lediglich an die in der "Scharia" im Bereich der "'Ibadat" festgelegten Vorschriften zum rituellen Leben und an die Pflichten gegenüber Gott hält. Einige Vorschriften in der "Scharia" aus dem Bereich der "Mu'amalat", die das menschliche Zusammenleben regeln, widersprechen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der in Deutschland geltenden Rechtsordnung. Die grundrechtlich garantierte körperliche Unversehrtheit wird beispielsweise durch Vergeltungsstrafen verletzt, dazu gehören u.a. das Abhacken der Hand oder die Steinigung. Die im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten bestehende Ungleichbehandlung der Geschlechter zeigt sich insbesondere in den Rechtsgebieten des Erbund Familienrechts, z.B. ist die Zeugenaussage eines Mannes in manchen Bereichen so viel wert wie die zweier Frauen. Der Islamismus ist eine sehr heterogene Bewegung und hat im Laufe seiner Geschichte verschiedene Ausprägungsformen entwickelt, die sich methodisch und ideologisch teilweise stark voneinander unterscheiden. Ausgehend von der Einstellung zur Gewalt können im Islamismus zwei Hauptströmungen unterschieden werden: islamistischer Extremismus und islamistischer Terrorismus. Die Grenze zwischen beiden Strömungen ist teilweise fließend, weil zum einen die ideologische Ausrichtung und die damit begründete Gewaltaffinität der Anhänger nicht immer eindeutig definiert werden kann, zum anderen weil terroristische Gruppen ihre Anhänger häufig aus islamistisch-extremistischen Organisationen rekrutieren. Islamistischer Extremismus und islamistischer Terrorismus differenzieren sich hauptsächlich durch die Wahl ihrer Mittel: . Islamistisch-extremistische Organisationen streben in ihren Heimatländern die Veränderung der Staatsund Gesellschaftsordnung zugunsten eines islamischen Staatswesens über die politische Einflussnahme an. Durch politische und gesellschaftliche Veränderungen sollen rechtliche Freiräume für ein "schariakonformes" Leben geschaffen werden. So zielt auch die politische Strategie der in Deutschland lebenden islamistischen Extremisten darauf, hier entsprechend ihrer Ideologie leben zu können. 57 . Islamistische Terrororganisationen verfolgen ihre Ziele demgegenüber mit Gewalt, unter anderem in Form von terroristischen Anschlägen. Unterschieden werden kann hier zwischen islamistisch-terroristischen Organisationen, die ausschließlich in ihren Heimatländern einen bewaffneten Kampf führen, z.B. die libanesische Organisation "Hizb Allah", und Jihadisten, die weltweit einen bewaffneten Kampf führen, z.B. das Terrornetzwerk "al-Qaida" und der "Islamische Staat" (IS). Insgesamt sind in Deutschland ca. 44.670 Personen der islamistischen Szene zugehörig. In Bremen sind im Jahr 2016 etwa 460 Personen islamistischen Gruppenzuzurechnen. 6.2 Islamistischer Terrorismus Der überwiegende Teil der islamistisch-terroristischen Bewegung ist jihadistisch geprägt. Die Anhänger dieser Ideologie legitimieren die von ihnen verübten Terroranschläge religiös. "Jihad" bedeutet wörtlich übersetzt "Anstrengung" oder "Bemühung" und meint die geistlich-spirituellen Bemühungen der Gläubigen um das richtige Verhalten gegenüber Gott. Islamische Gelehrte unterscheiden hierbei zwischen dem "Großen Jihad" und dem "Kleinen Jihad". Mit dem "Großen Jihad" sind alle "inneren Bemühungen" eines Muslims gemeint, die moralischen Maßstäbe des Islams so gut wie möglich zu befolgen. Der "Kleine Jihad" dagegen meint den Kampfeinsatz zur Verteidigung sowie zur Ausbreitung des islamischen Herrschaftsbereichs. Die Jihadisten beziehen sich demzufolge auf den "Kleinen Jihad". Sie führen unter dem Leitprinzip des "Jihad" einen bewaffneten Kampf gegen die angeblichen Feinde des Islam. Dieser religiösen Legitimation bedienen sich nicht nur die Terrornetzwerke "Islamischer Staat" (IS), "al-Qaida" und ihre Ablegerorganisationen, sondern auch organisatorisch unabhängig agierende jihadistische Einzelgruppierungen und Einzeltäter. 6.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" "Al-Qaida" vollzog innerhalb der letzten 15 Jahre einen fundamentalen Wandel von einer Organisation mit festen Strukturen zu einem globalen losen Terrornetzwerk. Das Terrornetzwerk "al-Qaida" umfasst eine Vielzahl von islamistisch-terroristischen Organisationen, einzelne Terrorzellen aus dem Nahen Osten, Afrika und Europa sowie zahlreiche regional und überregional agierende Ablegerorganisationen. Zu den von der Kernorganisation "al-Qaida" logistisch und finanziell relativ unabhängig agierenden regionalen Gruppen gehören unter anderem "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH) im Jemen, "al-Shabab" ("die jungen Menschen") in Somalia, "Jabhat Fath ash-Sham" (JFS, "Eroberungsfront Syriens") in Syrien, "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) in den Maghrebstaaten und "al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS). Die aus "al-Qaida im Irak" hervorgegangene Terrororganisation "IS" agiert mittlerweile unabhängig bzw. sogar in bewaffneter Abgrenzung zu "al-Qaida". Viele dieser Organisationen und Terrorzellen stehen nicht in unmittelbarem Kontakt zur Kernorganisation "al-Qaida". Weltweit werden inzwischen Terroranschläge von Personen oder Organisationen verübt, die sich lediglich der Ideologie "al-Qaidas" verschrieben haben. Die von "al-Qaida" entwickelte "Dachideologie" des globalen "Jihad" existiert damit organisationsunabhängig und ist auch durch den Wegfall einzelner Personen nicht zu beseitigen. 58 Entstehung und Ideologie des Terrornetzwerkes "al-Qaida" Die Entstehung von "al-Qaida" ("die Basis") ist eng mit der sowjetischen Besetzung Afghanistans in den Jahren von 1979 bis 1989 verknüpft. Neben den afghanischen "Mujahideen" ("die, die den "Jihad" betreiben") gab es eine Gruppe unter der Führung des Palästinensers Abdallah Azzam, die weltweit Muslime zur Verteidigung Afghanistans als muslimisches Land aufrief und den "Jihad" somit internationalisierte. Azzam betrieb zusammen mit dem Saudi-Araber Usama bin Laden und dem Ägypter Ayman az-Zawahiri das sogenannte "Dienstleistungsbüro" (maktab al-khidamat), das die Finanzierung und Koordinierung der arabischen "Mujahideen" übernahm. Aus diesem "Dienstleistungsbüro" entstand die Organisation "al-Qaida". Entscheidend für die Entwicklung der Ideologie "al-Qaidas" waren der Zweite Golfkrieg 1990-1991 und die Tatsache, dass die Islamisten Anfang der 1990er-Jahre in keinem arabischen Staat die Herrschaft erringen konnten. Während bin Laden die Stationierung von US-amerikanischen Truppen in Saudi-Arabien im Zuge des Golfkrieges als nicht hinnehmbare Demütigung der islamischen Welt empfand, betrachtete Zawahiri die Machtübernahme von islamistischen Bewegungen in arabischen Staaten als aussichtslos, solange diese durch den Westen und insbesonUsama bin Laden und dere die USA unterstützt würden. Diese Unterstützung könne ausschließlich durch Ayman az-Zawahiri Angriffe auf den Westen beendet werden. Die Hinwendung von der Bekämpfung des "nahen Feindes" (die arabischen Regime) zur Bekämpfung des "fernen Feindes" (der Westen) ist ein Schlüsselkonzept der Ideologie "al-Qaidas". Dieses Konzept manifestierte sich in den Anschlägen auf das "World Trade Center" in den USA 1993, die US-amerikanischen Botschaften in Daressalam/Tansania und Nairobi/Kenia 1998, das US-Kriegsschiff "USS Cole" 2000 und auf das "World Trade Center" 2001 in den USA. Mittlerweile hat sich dieses ideologische Konzept verselbstständigt und bildet die Motivation für zahlreiche Anschläge, die nicht direkt von der Kernorganisation "al-Qaida" koordiniert werden, wie die Terroranschläge am 11. März 2004 in Madrid oder am 7. Juli 2005 in London. Seitdem wird "al-Qaida" nicht mehr als Organisation, sondern als ein Netzwerk von gleichgesinnten Jihadisten definiert. 6.2.2 "Islamischer Staat" (IS) Spätestens seit dem Bruch mit seiner Mutterorganisation ist der sogenannte "IS" als eigenständige Terrororganisation wahrzunehmen, die in einem Konkurrenzverhältnis zu "al-Qaida" steht. Die Ideologie beider Gruppen ist sich sehr ähnlich, die Unterschiede sind eher struktureller Natur. Im Gegensatz zur eher dezentral und versteckt agierenden "al-Qaida" verfügt der "IS" über einen Herrschaftsbereich in größeren Teilen Syriens und des Iraks. In verschiedenen Ländern (Libyen, Ägypten, Algerien, Nigeria, Jemen) haben terroristische Gruppen bereits ihre Loyalität zu dem "IS" bekundet. Der "IS" ist gegenwärtig die stärkste jihadistische Terrororganisation, hat "al-Qaida" in dieser Hinsicht den Rang abgelaufen und kontrollierte zeitweise in Syrien und im Irak ein Territorium von der Größe Großbritanniens. Der Versuch, in diesen Gebieten staatsähnliche Strukturen aufzubauen, gelingt dem "IS" durch umfangreiche finanzielle Mittel, die vor allem aus Beutezügen, Schutzgelderpressung und dem Verkauf von Rohöl erlangt werden. Hinzu kommt der Besitz von modernem Kriegsgerät, wodurch der "IS" mehr als eine Miliz denn als einfache, im reinen Untergrund agierende Terrororganisation verstanden werden muss. Aus dieser augenblicklichen "Position der Stärke" erwächst die Attraktivität und Anziehungskraft auf viele radikalisierte Jugendliche und junge Erwachsene. So kommt es, dass sich dem "IS" aus fast der gesamten Welt sogenannte "Foreign Fighters" angeschlossen haben. Alleine aus Europa sind 59 ca. 5.000 Personen ausgereist, davon rund 900 aus Deutschland. Mittlerweile gerät der "IS" durch eine militärische Koalition von westlichen und muslimischen Staaten sowie kurdischen Milizen zunehmend unter Druck. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Berichtes wird nach wie vor durch irakische und kurdische Truppen versucht, Mossul, die zweitgrößte Stadt des Iraks, vom "IS" zurückzuerobern. Genese des "Islamischen Staates" Die Ursprünge des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) liegen im 2003 begonnenen Irakkrieg. Die unter der Führung des Jordaniers Abu Musab al-Zarqawi stehende Terrorgruppe "al-Tawhid wa-l-Jihad" benannte sich 2004 in "al-Qaida im Zweistromland" um und agierte fortan als regionaler Ableger von "Kern-al-Qaida" im Irak. Schon zu dieser Zeit fiel die Gruppe durch ihre enorme Brutalität auf. Durch möglichst Aufsehen erregende und opferreiche Anschläge auf schiitische Heiligtümer und Bürger wollte ihr Anführer al-Zarqawi Gegenschläge gegen die sunnitische Bevölkerung In Deutschland provozieren und sich in dem antizipierten Bürgerkrieg zum wichtigsten Verteidiger der verbotene Flagge Sunniten aufschwingen. 2005 rief die damalige Nr. 2 von "al-Qaida" Ayman az-Zawahiri des "IS" Zarqawi zur Mäßigung auf, da er einen Imageverlust von "al-Qaida" aufgrund der Gräueltaten von Zarqawis Gruppe vermutete. Nach dem Tod al-Zarqawis 2006 benannte sich die Gruppe in den "Islamischen Staat im Irak" um, blieb jedoch weiterhin Teil von "al-Qaida". In den folgenden Jahren konnte die Organisation weitestgehend zurückgedrängt werden. Erst mit dem Abzug der Amerikaner aus dem Irak, der konfessionell spaltenden Politik des ehemaligen schiitischen irakischen Premiers al-Maliki und dem durch den Bürgerkrieg bedingten Machtvakuum im Nachbarland Syrien konnte sich der "Islamische Staat im Irak" wieder etablieren. Anfang 2012 entsandte der jetzige Anführer des "IS" Abu Bakr al-Baghdadi eine unter der Führung von Abu Muhammad al-Jaulani stehende Delegation von Kämpfern nach Syrien, die den Namen "Jabhat al-Nusra" ("JaN") trug. Al-Jaulani agierte jedoch zunehmend unabhängiger von al-Baghdadi. Dieser erklärte in einer Veröffentlichung im April 2013, dass die JaN Teil seiner Organisation sei, die er in den "Islamischen Staat im Irak und Sham" umbenannte. Al-Jaulani pochte weiterhin auf seine Unabhängigkeit und schwor die Treue an den Führer von "Kern-al-Qaida" Ayman az-Zawahiri. In der Folge kam es zu einem Zerwürfnis und az-Zawahiri schloss "ISIS" schließlich im April 2014 aus dem "al-Qaida"-Netzwerk aus. Kurz darauf benannte sich "ISIS" in den "Islamischen Staat" (IS) um und erklärte seinen Anführer Abu Bakr al-Baghdadi zum Kalifen und somit zum Herrscher über alle Muslime. Am 12. September 2015 wurde gegen die Organisation "Islamischer Staat" in Deutschland durch das Bundesinnenministerium ein Betätigungsverbot erlassen. Die Tätigkeiten der Vereinigung laufen Strafgesetzen zuwider und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung, heißt es in der Verbotsverfügung. Es ist ferner verboten, Kennzeichen des "IS" öffentlich, in einer Versammlung oder in Schriften, Tonoder Bildträgern, Abbildungen oder Darstellungen, die verbreitet werden können oder zur Verbreitung bestimmt sind, zu verwenden. 6.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen und radikalisierte Einzeltäter Der islamistische Terrorismus ist ein globales Phänomen. Von den Anschlägen islamistischer Terrororganisationen sind daher sowohl die islamische Welt wie aber auch die 60 nichtislamische Welt betroffen. Beide sehen sich einer asymmetrischen Bedrohungslage ausgesetzt. Dies gilt zum einen für den Tätertypus. So kann es sich bei den Tätern um langjährige Operateure, neu ausgebildete Rekruten und Rückkehrer, "HomeGrown"-Aktivisten, Lone-Wolf-Akteure oder als Flüchtlinge getarnte Terroristen handeln. Ebenso ist an jedem Ort und zu jeder Zeit mit Anschlägen zu rechnen. Die Ziele des islamistischen Terrorismus umfassen nicht nur kritische Infrastruktur, wie Bahnhöfe oder Flughäfen, sondern auch sogenannte "soft targets" wie z.B. Einkaufszentren oder Cafes. Schließlich gilt die Asymmetrie auch für die Tatausführung, den sogenannten Modus Operandi. Jegliche Arten von Waffen können hierbei zum Einsatz kommen. So werden Sprengsätze sowohl per Fernzünder als auch mittels Selbstmordattentäter ebenso benutzt wie Schusswaffen oder Kraftfahrzeuge. Letztlich ist auch der Gebrauch eines einfachen Küchenmessers zur Tatbegehung ausreichend. Islamische Welt In Syrien hat sich der 2011 zunächst friedlich begonnene Protest gegen das Regime des Präsidenten Assad zu einem landesweiten Bürgerkrieg entwickelt. Gegen die syrischen Regierungstruppen kämpfen neben säkularen nichtsalafistischen Oppositionsgruppen auch jihadistische Gruppen. Innerhalb dieser jihadistischen Opposition gibt es ein Zerwürfnis zwischen der "al-Qaida"-nahen "JFS" und dem "IS", wobei Letzterer auch Teile des Iraks unter seine Kontrolle gebracht hat. In den vom ihm kontrollierten Gebieten geht der "IS" äußerst brutal vor. Vor allem Schiiten, Jesiden und andere nicht sunnitische Minderheiten stehen im besonderen Fokus der Terrorgruppe. Aber auch sunnitische Muslime, die sich nicht dem extremistischen Islamverständnis des "IS" unterwerfen wollen, werden bekämpft und gezielt getötet. Besonderes Aufsehen erregten in den westlichen Medien die von der Propagandaabteilung des "IS" verbreiteten Enthauptungsvideos u.a. amerikanischer und britischer Staatsbürger. Zusammen mit einem drohenden Genozid an kurdischen Jesiden in Sinjar und Kobane waren diese Taten ausschlaggebend für die durch die USA angeführte militärische Allianz gegen den "IS". Dem "IS" haben sich tausende von ausländischen Kämpfern, allen voran aus der arabischen Welt, angeschlossen. Aber auch zahlreiche Europäer, darunter Deutsche, kämpfen an der Seite des "IS", beteiligen sich an Gräueltaten und treten in an Deutschland gerichtete Propagandavideos auf. Darüber hinaus reisen auch viele junge Menschen aus, um das selbsternannte Kalifat jenseits von Kampfhandlungen zu unterstützen. Darunter fallen auch viele junge Frauen, die ihre Heimat verlassen, um vor Ort einen Kämpfer zu heiraten und diesen im Haushalt, aber durchaus auch logistisch zu unterstützen. Im Jemen bekämpfen schiitische Milizen die ehemalige Zentralregierung, welche durch saudi-arabische Truppen unterstützt wird. In dem entstehenden Machtvakuum gelingt es sowohl "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" wie auch dem lokalen Ableger des "IS", ihren Machtbereich auszuweiten. Letzterer übernahm die Verantwortung für einen Anschlag am 18. Dezember 2016 auf eine Kaserne nahe der Stadt Aden, bei dem 49 Soldaten getötet wurden. In Libyen tobt ein Bürgerkrieg zwischen verschiedenen islamistischen Milizen und der Regierung in Tripolis. Fast ein Drittel der Bevölkerung befindet sich mittlerweile auf der Flucht. Im Dezember 2016 gelang es den Regierungstruppen, den "IS" aus der Stadt Sirte zu vertreiben. Dennoch gibt es nach wie vor keine flächendeckende staatliche Kontrolle und dadurch diverse Rückzugsgebiete für den libyschen "IS". Seit der Absetzung des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mursi durch das Militär im Juli 2013 sind jihadistische Gruppen vor allem auf der Sinai-Halbinsel, aber mitunter auch im ägyptischen Kernland aktiv. Die schlagkräftigste Gruppe unter ihnen nannte sich ursprünglich "Ansar Bayt al-Maqdis" ("die Anhänger Jerusalems"), bevor sie im November 2014 ihren Anschluss an den "IS" verkündete. Die Gruppe bekannte sich zu mehreren Anschlägen mit zahlreichen Todesopfern. Am 11. Dezember 2016 übernahm sie die Verantwortung für den Anschlag auf eine koptische Kirche in Kairo, 61 bei dem 25 Menschen ums Leben kamen. Am 4. Juli 2016 erschütterte eine Serie von Selbstmordanschlägen Saudi-Arabien. Nach der Attacke eines Selbstmordattentäters in der Nähe des US-Konsulats in der Hafenstadt Dschidda sprengte sich ein weiterer Mann nahe der Prophetenmoschee in Medina in die Luft. Nach Angaben des Innenministeriums starben dabei außer dem Attentäter selbst auch vier Sicherheitskräfte; fünf weitere wurden verletzt. Fast zeitgleich gab es auch in der im Osten Saudi-Arabiens gelegenen, mehrheitlich von Schiiten bewohnten Stadt Katif einen Selbstmordanschlag. Dort starb nur der Attentäter. In der Türkei ereigneten sich 2016 mehrere schwere Anschläge. Während ein Teil durch die PKK und ihr nahestehende Organisationen ausgeführt wurde, macht die Regierung den "IS" für einen Teil der Anschläge verantwortlich, wie z.B. für den Terroranschlag in Istanbul am 28. Juni 2016 auf den Flughafen Istanbul-Atatürk, bei dem 45 Menschen starben. Der "IS" übernahm allerdings nur in einem Fall die Verantwortung, und zwar für das Attentat auf einen Nachtclub in der Silvesternacht, bei dem 39 Menschen ermordet wurden. USA und Europa Am Morgen des 22. März 2016 sprengten sich zwei Terroristen am Flughafen Brüssel-Zaventem und ein weiterer in der Brüsseler Innenstadt im U-Bahnhof Maalbeek/ Maelbeek in die Luft. Letzterer liegt in unmittelbarer Nähe zu Gebäuden einiger EU-Behörden, darunter der Europäischen Kommission. Nach offiziellen Angaben kamen 35 Menschen ums Leben, darunter drei der Attentäter, und mehr als 300 Personen wurden verletzt. Zu den Anschlägen bekannte sich laut einer ihr nahestehenden sogenannten Nachrichtenagentur die Terrororganisation "IS". Einer der Attentäter war auch an der Durchführung der Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris beteiligt. Bei dem Attentat von Orlando im US-Bundesstaat Florida am 12. Juni 2016 wurden 49 Menschen getötet und 53 verletzt. Damit ist es das folgenschwerste Attentat in den Vereinigten Staaten seit den Anschlägen vom 11. September 2001. Der Attentäter hielt sich schon drei Stunden vor dem Anschlag in dem Nachtclub auf, bevor er mit einem Sturmgewehr und einer Pistole kurz nach zwei Uhr morgens begann, wahllos auf die Gäste zu schießen. Er hatte kurz vor seiner Tat beim Polizeinotruf angerufen und sich zum "IS" bekannt. Er war dem FBI zwar im Vorfeld bekannt, jedoch schien keine konkrete Terrorgefahr von ihm auszugehen. Er galt jedoch als psychisch auffällig. Nur zwei Tage später erstach ein 25-jähriger Attentäter im Pariser Vorort Magnanville einen Polizisten in Zivil vor dessen Wohnhaus. Anschließend tötete er in der Wohnung dessen Lebensgefährtin. Der dreijährige Sohn des Paares überstand die Terrortat physisch unverletzt. Noch während der Tat bekannte sich der 25-Jährige nach Polizeiangaben zur Terrormiliz "IS" und übertrug die Tat live per Online-Stream. Der Mann starb bei der Erstürmung des Hauses. Auch er war den Sicherheitsbehörden bereits bekannt. 2013 war er zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden, da er Islamisten bei der Ausreise nach Pakistan geholfen hatte. Bei dem Anschlag in Nizza am 14. Juli 2016 fuhr der Attentäter auf der Promenade des Anglais mit einem Lkw durch eine Menschenmenge. Mindestens 86 Personen wurden getötet und mehr als 400 zum Teil schwer verletzt. Der Attentäter wurde, noch im Führerhaus sitzend, von Sicherheitskräften erschossen. In der Folge wurden mehrere mutmaßliche Komplizen aufgrund des Vorwurfs der Bildung einer terroristischen Vereinigung verhaftet. Der "IS" hat sich zu dem Anschlag bekannt. Da keine Anhaltspunkte ermittelt werden konnten, dass der "IS" tatsächlich in die Vorbereitung und Ausführung des Anschlags involviert war, handelt es sich nach derzeitigem Stand der Ermittlungen um den Angriff eines radikalisierten Einzeltäters. Nach Angaben der ermittelnden Behörden war er als Kleinkrimineller polizeibekannt und wenige Monate 62 vor dem Attentat wegen einer gewalttätigen Auseinandersetzung zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Ungefähr zwei Wochen später, am 26. Juli 2016 drangen zwei Personen in der Normandie in eine Kirche ein und enthaupteten den Pfarrer. Anschließend wurden sie von der Polizei erschossen. Zuvor hatten sie in einem Bekennervideo ihren Treueeid auf den "IS" geleistet. Gegen einen der beiden Attentäter war in der Vergangenheit bereits ein Terrorverfahren eingeleitet worden. Nach Ermittlerangaben hatte der Mann 2015 zweimal versucht, nach Syrien zu gelangen. Beim zweiten Versuch wurde er in der Türkei festgenommen. Er kam zunächst in Untersuchungshaft, wurde aber später mit einer elektronischen Fußfessel freigelassen, die ihn jedoch nicht davon abhielt das Attentat zu begehen. Aus diesen Ereignissen lassen sich zwei Schlussfolgerungen ableiten: Zum einen sind nicht alle Anschläge direkt durch Terrororganisationen gesteuert. Auch wenn sich die Attentäter zum "IS" bekennen und dieser im Nachhinein die Anschläge für sich reklamiert, bleibt häufig unklar, ob die Terrororganisation im Vorfeld davon wusste oder die Täter autonom agierten. Zum anderen entstammen die Attentäter zumeist kriminellen Milieus und waren schon im Vorfeld durch Straftaten, unter anderem Gewaltdelikten, polizeilich bekannt. Die Ideologie des Jihadismus scheint ihnen einen neuen Rechtfertigungsrahmen für ihre Taten zu liefern. Im Gegensatz zu den Attentätern der "al-Qaida"-Generation ist zudem zu beobachten, dass insbesondere radikalisierte Einzeltäter zuvor psychisch auffällig waren. Diese Erkenntnisse gilt es in Bezug auf die Untersuchung von Radikalisierungsprozessen zu berücksichtigen. "Home-Grown-Terrorismus" Die Profile islamistischer Terroristen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Längst stellen nicht mehr nur aus dem Ausland eingereiste Attentäter eine Bedrohung für die Innere Sicherheit dar. Eine hohe Gefährdung geht von sogenannten "Home-Grown"-Terroristen aus, die in westlichen Staatsund Gesellschaftsformen aufgewachsen und sozialisiert worden sind. Wenngleich "Home-Grown"Terroristen äußerlich meist gut in die Gesellschaft integriert scheinen, wenden sie sich radikal islamistischem Gedankengut zu und fühlen sich zur Verübung von Anschlägen berufen. Durch ihre Sozialisation bewegen sich "Home-Grown"-Terroristen bei der Planung und Durchführung von Anschlägen in der Regel unauffälliger als aus dem Ausland eingereiste Attentäter. Radikalisierungsprozesse Die Wandlung in die Gesellschaft integriert erscheinender junger Personen zu islamistisch motivierten Gewalttätern wirft Fragen zum Radikalisierungsprozess auf. Es existieren zahlreiche wissenschaftliche Studien zu dem Thema, die trotz unterschiedlicher Methodik Grundaussagen bezüglich der Radikalisierung von Personen zulassen: Viele junge Menschen stellen sich Fragen zu ihrer Identität und können u.a. im Islam Antworten finden. Zentral ist dabei oftmals die Frage nach der Bedeutung, als Muslim in einer mehrheitlich nichtmuslimischen Gesellschaft zu leben. Eine scheinbare Antwort auf diese Fragen können islamistische Ideologien wie der Salafismus bieten, der vor allem über das Internet, aber auch in geringerem Maße über Literatur und Prediger vermittelt wird. Die meisten Muslime lehnen eine solche extremistische Islaminterpretation ab. Akzeptanz findet die Ideologie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen dann, wenn sie dort aufgrund von erlebten Frustrationserfahrungen wie Diskriminierung, Erniedrigung, Entfremdung, Ungleichbehandlung, Perspektivund Orientierungslosigkeit oder Konflikte mit dem Elternhaus angebliche Bestätigung finden. In diesem Fall werden persönliche negative Erfahrungen in eine Weltsicht eingebettet, in der sich die Ungläubigen in jeder Hinsicht gegen die Muslime verschworen haben. Die 63 Ursachen für eine Radikalisierung liegen jedoch nicht im Islam, sondern sind sozialer, ökonomischer oder psychologischer Natur. Daher ist häufig nicht die Ideologie der wichtigste Grund, sich einer extremistischen Gruppierung anzuschließen, sondern die Aufnahme und Akzeptanz in eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Hinzu kommt, dass eine strenge Religiosität für sich genommen kein ausreichendes Indiz für eine Radikalisierung sein kann. Vielmehr führten die Attentäter der letzten Jahre in Europa meistens einen eher westlich geprägten Lebensstil, teilweise mit Bezügen ins kriminelle Milieu. Auch wenn die Befürwortung oder sogar Ausübung von Gewalt eher die Ausnahme darstellt, so gefährdet auch die gewaltlose Radikalisierung, vergleichbar mit Sekten und fundamentalistischen Strömungen innerhalb anderer Religionen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein friedliches, interkulturelles Zusammenleben, da sie Polarisation und soziale Abschottung fördert. 6.2.4 Islamistischer Terrorismus in Deutschland Die Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus hat sich im Jahr 2016 noch einmal deutlich erhöht. So kam es zur Durchführung mehrerer islamistisch motivierter Anschläge. Des Weiteren sind weiterhin junge Menschen nach Syrien und den Irak ausgereist, um sich jihadistischen Gruppen anzuschließen. Im Zuge dieser Entwicklungen kam es vermehrt zu Festnahmen und Gerichtsverfahren gegen Personen aus dem islamistisch-terroristischen Spektrum. Islamistisch motivierte Anschläge in Deutschland Am 26. Februar 2016 hatte eine zum Tatzeitpunkt 15-jährige Jugendliche am Hauptbahnhof in Hannover einem Bundespolizisten ein Messer in den Hals gerammt. Das 34 Jahre alte Opfer wurde schwer verletzt, überlebte den Angriff aber. Der Kollege des Verletzten überwältigte die Täterin. Diese hatte bereits im Januar 2016 versucht, nach Syrien auszureisen, wurde jedoch von ihrer Mutter aus Istanbul zurückgeholt. Im Januar 2017 verurteilte das Oberlandesgericht Celle die nun 17-jährige zu sechs Jahren Haft. Das Urteil erging demnach unter anderem wegen versuchten Mordes und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Die Verbindung der Angeklagten zum "IS" war nach Einschätzung des Gerichts unter anderem durch Chats auf ihrem Mobiltelefon belegt. Mit ihrer Tat habe sie die Jihadistenmiliz "IS" unterstützen wollen, teilte das Gericht nach der nicht öffentlichen Urteilsverkündung mit. Am 16. April 2016 wurde ein Sprengstoffanschlag auf das Gebetshaus der SikhGemeinde "Gurdwara Nanaskar" in Essen verübt, bei dem drei Menschen verletzt wurden. Dies ist insofern als glimpflich zu erachten, als dass sich kurz vor der Tat in dem Gemeindezentrum eine indische Hochzeitsgesellschaft mit 200 Gästen befunden hatte. Als mutmaßliche Täter wurden in der Folge zwei 16-jährige Jugendliche aus dem Ruhrgebiet festgenommen. Wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, Herbeiführen einer Explosion und Sachbeschädigung müssen sich die Täter nun vor der 5. Jugendstrafkammer des Landgerichts Essen verantworten. Laut Anklage sollen die Jugendlichen die Sikh-Gemeinde als Anschlagsziel ausgewählt haben, weil sie mit der Behandlung von Muslimen durch Sikhs in Nordindien nicht einverstanden waren und ihnen Sikhs als "Ungläubige" galten. Bei einem Anschlag in einer Regionalbahn bei Würzburg am 18. Juli 2016 verletzte ein in Deutschland als minderjährig und unbegleitet registrierter Flüchtling fünf Menschen mit einem Beil und einem Messer, vier davon schwer. Der Täter wurde in der Folge von einem Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei erschossen. Am Tag nach der Tat beanspruchte der "IS" über sein Propaganda-Sprachrohr "Amaq" die Täterschaft für sich und veröffentlichte ein Video im Internet, in dem der Täter, mit einem Messer in 64 der Hand Drohungen gegen die deutsche Bevölkerung aussprach. Der Generalbundesanwalt hat in diesem Fall die Ermittlungen übernommen, da der Verdacht bestehe, der Attentäter habe die Tat als Mitglied des "IS" zielgerichtet begangen. Nur sechs Tage später am 24. Juli 2016 zündete ein 27-jähriger Syrer vor einem Weinlokal in Ansbach eine Rucksackbombe, verletzte damit 15 Personen und kam selbst ums Leben. Der Attentäter hatte ursprünglich geplant, den Rucksack auf dem Musikfestival "Ansbach Open Air" zu platzieren und die Bombe aus der Ferne zu zünden, - wurde jedoch durch die Einlasskontrolle abgewiesen. Auf einem seiner Mobiltelefone befand sich ein Video, in dem er den Anschlag in Ansbach ankündigte und seine Zugehörigkeit zu Abu Bakr al-Baghdadi, dem Anführer des "IS", bezeugt. Die Terrororganisation "bekannte" sich am 27. Juli über "Amaq" zu dem Anschlag und behauptete, der Täter sei einer ihrer "Soldaten" gewesen und veröffentlichte zudem eine kurze angebliche Biographie des Attentäters. Bei dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche erschoss der islamistische Attentäter am 19. Dezember 2016 zunächst den Speditionsfahrer eines Sattelzugs, raubte den Lkw und steuerte ihn gegen 20 Uhr in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, der auf dem Breitscheidplatz im Berliner Ortsteil Charlottenburg stattfand. Durch die Kollision mit dem Lkw starben elf Besucher des Weihnachtsmarktes und weitere 55 wurden verletzt, einige davon lebensgefährlich. Der Täter konnte zunächst entkommen und wurde zwei Tage nach der Tat von der Generalbundesanwaltschaft als dringend Tatverdächtiger zur Fahndung ausgeschrieben. Der 24-jährige Tunesier wurde am 23. Dezember bei einer Routinekontrolle im italienischen Sesto San Giovanni von einer Polizeistreife erschossen. Die Nachrichtenagentur "Amaq" verbreitete auf ihrer Webseite am 20. Dezember eine Meldung, der Attentäter habe als "Soldat des Islamischen Staates" gehandelt. Reisen von Salafisten nach Syrien und in den Irak Im Zuge des syrischen und irakischen Bürgerkrieges reisten bislang mehr als 900 Salafisten aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak aus, um islamistische Gruppen im Kampf gegen syrische bzw. irakische Regierungstruppen zu unterstützen. Etwa ein Drittel dieser Salafisten ist bereits wieder nach Deutschland zurückgekehrt, etwa 70 von ihnen beteiligten sich aktiv an Kampfhandlungen islamistischer Gruppen. Ca. 145 Personen sind bei Kampfhandlungen auf Seiten der Terrorgruppen in Syrien und im Irak bereits ums Leben gekommen. Mehrere Propagandavideos und Bekennerschreiben lassen darauf schließen, dass deutsche Staatsbürger Selbstmordattentate durchgeführt und weitere Gräueltaten verübt haben. Der überwiegende Teil der ausgereisten Personen ist jünger als 30 Jahre. Vor allem innerhalb der salafistischen Szene ist der Konflikt in Syrien gegenwärtig ein wichtiges Thema. Im Internet betonen gewaltorientierte Salafisten ihre Verbundenheit mit jihadistischen Gruppen. In sozialen Netzwerken wie "Twitter" oder "Facebook" veröffentlichen aus Deutschland ausgereiste Personen Fotos und Videos aus der Konfliktregion und versuchen damit, vor allem junge Menschen zur Ausreise zu bewegen. Die wachsende Anzahl der nach Syrien ausgereisten Personen ist für deutsche Sicherheitsbehörden deshalb problematisch, weil diese eine terroristische Ausbildung durchlaufen haben könnten und mit dem erworbenen Wissen sowie dem Ziel der Begehung von Anschlägen nach Deutschland zurückkehren könnten. Ermittlungsverfahren und Strafprozesse von Terrorverdächtigen Die hohe Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus wird auch anhand der Zahl der im Jahr 2016 in diesem Zusammenhang erfolgten Festnahmen sowie der laufenden Ermittlungsverfahren und Strafprozesse deutlich. Im Folgenden werden einige Beispiele beschrieben. 65 Die Bundesanwaltschaft hat am 02. Juni 2016 drei Syrer festnehmen lassen, die im Auftrag des "IS" einen Terroranschlag in der Düsseldorfer Altstadt begehen sollten. Ein vierter Verdächtiger sitzt in Frankreich in Untersuchungshaft. Laut Tatvorwurf soll der Plan bestanden haben, mittels Sprengstoffwesten und Gewehren in der Düsseldorfer Altstadt so viele Menschen wie möglich zu töten. In Schleswig-Holstein sind bei Anti-Terror-Razzien am 13. September 2016 drei Terrorverdächtige festgenommen worden. Laut BKA handelt es sich um drei Syrer, die dringend verdächtig sind, im Auftrag der Terrormiliz "IS" im November 2015 nach Deutschland gekommen zu sein. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wurden drei Personen im Alter von 17, 18 und 26 Jahren durch Spezialkräfte der Polizei festgenommen. Zudem wurden die Wohnungen der drei Beschuldigten durchsucht und umfangreiches Material sichergestellt. Laut Bundesanwaltschaft hatte ein Syrer seit Anfang Oktober 2016 im Internet nach Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffvorrichtungen und Ausrüstungsgegenständen für den "Jihad" gesucht. Am 8. Oktober 2016 fand die Polizei in der Wohnung des Verdächtigten etwa 500 Gramm des Explosivstoffs Triacetontriperoxid, rund 1.000 Gramm weitere Chemikalien zur Herstellung dieses Stoffs sowie Bauteile, die zur Herstellung eines Sprengkörpers geeignet waren. Die Person konnte zwei Tage später in Leipzig gestellt und verhaftet werden. Das Verfahren konnte nicht zu Ende geführt werden, da sich die Person am 12. Oktober 2016 in der Haftanstalt das Leben nahm. Am 14. Oktober 2016 hat der Generalbundesanwalt (GBA) vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin gegen einen 19-jährigen syrischen Staatsangehörigen Anklage erhoben. Der Beschuldigte ist hinreichend verdächtig, Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung "IS" zu sein und gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen zu haben. Der Beschuldigte führte unter anderem bis zu seiner Ausreise nach Deutschland im Sommer 2015 zahlreiche Fahrten zur Beschaffung von Lebensmitteln für das Camp des "IS" in Deir Ezzor durch. Seine Tätigkeit für den "IS" setzte er auch nach seiner Einreise in Deutschland fort. Bei Aufenthalten in Berlin kundschaftete er potenzielle Anschlagsziele aus, zudem vermittelte er mindestens eine Person als Kämpfer nach Syrien. Er stellte sich überdies selbst als Kontaktmann für etwaige Attentäter in Deutschland zur Verfügung und signalisierte seine grundsätzliche Bereitschaft zur Begehung eines Anschlags in Deutschland. Am 8. November 2016 ließ die Bundesanwaltschaft fünf Männer verhaften. Sie stehen im Verdacht, für den "IS" rekrutiert zu haben. Ihnen wird daher die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Unter ihnen ist der bekannte salafistische Prediger Abu Walaa, der sowohl in seiner Hildesheimer Gemeinde als auch im Internet als zentrale Figur des jihadistischen Spektrums in Deutschland fungierte. Seit Herbst des vergangenen Jahres ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen ihn und mutmaßliche Helfer. Sie sollen vor allem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen junge Muslime für den "Jihad" angeworben und bei der Ausreise logistisch und finanziell unterstützt haben. Zwei Tage später, am 10. November 2016 hat der GBA vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf gegen einen 18-jährigen deutschen Staatsangehörigen Anklage erhoben. Er ist hinreichend verdächtig, in neun Fällen die ausländische terroristische Vereinigung "IS" unterstützt zu haben. Der Beschuldigte stand seit Mitte 2016 zu einem deutschsprachigen, im Propagandabereich des "IS" tätigen höherrangigen Mitglied in Kontakt. Diesem gegenüber erklärte er sich bereit, in Englisch, Türkisch und Deutsch abgefasste Texte zu übersetzen und auf sprachliche Fehler zu kontrollieren. Zwischen Anfang Juni und Anfang Juli 2016 lieferte er eine Übersetzung und las acht Texte Korrektur, die anschließend zumindest teilweise im Internet, insbesondere im Online-Magazin "Dabiq Nr. 4" des "IS" veröffentlicht wurden. 6.2.5 Internet und andere Medien Die Radikalisierung von jungen Menschen kann insbesondere über im Internet abrufbare islamistische Propaganda erfolgen. Das Internet dient Islamisten als wichtiges Medium zur Kontaktpflege, Verbreitung von Propaganda und Rekrutierung 66 von neuen Anhängern. Ihre Präsenz im Internet hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Nutzung sozialer Netzwerke im Internet bzw. entsprechender Programme wie Twitter, WhatsApp, Facebook, Youtube oder Telegramm erhöht. Popularität genießen auch jihadistische Kampflieder, sogenannte "Nasheeds". Da in den Liedern keine Instrumente benutzt werden, stellen sie entsprechend einer strengen islamischen Auslegung die einzige legitime Musikform dar. Die Kampflieder stammen ursprünglich aus dem mystischen Islam (Sufismus). In den 1980er-Jahren, während des Krieges in Afghanistan, entdeckten Jihadisten diese Kampflieder für sich und unterlegen damit oft musikalisch ihre Propagandavideos. Onlinemagazine Islamistische Propaganda wird längst nicht mehr ausschließlich auf Arabisch, sondern auch in europäischen Sprachen verbreitet. Das bisher bekannteste nichtarabische Sprachrohr der jihadistischen Bewegung war das Onlinemagazin "Inspire", das von Sympathisanten der im Jemen aktiven Terrororganisation "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" herausgebracht wurde. Bisher sind sechszehn Ausgaben des Magazins über das Internet veröffentlicht worden. In dem Magazin wurden die Leser wiederholt zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" oder zur Vorbereitung von Anschlägen in ihren europäischen Heimatländern aufgerufen. Das Magazin gibt daneben auch Anleitungen zur Begehung von Anschlägen und zum Bombenbau. Auch der "IS" verfügt über eigene professionell aufbereitete Propagandamagazine. Das bekannteste ist "Rumiyah" (Rom), das auf Englisch, Französisch, Deutsch, Türkisch, Russisch, Indonesisch und Uigurisch herausgegeben wird. Ähnlich wie "Inspire" ruft es zu Anschlägen im Westen auf und beschreibt beispielsweise, wie man am effektivsten Angriffe mit einem Messer ausführt. Bereits extremistisch motivierte Personen werden durch die Berichterstattung aufgeheizt und motiviert, Das Propagandamagazin sich am bewaffneten Kampf für die vermeintlich gemeinsame Sache zu beteiligen. "Rumiyah" des "IS" 6.3 Salafistische Bestrebungen Der Salafismus gilt sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. Ihr werden in Deutschland derzeit ca. 9.700 Personen und in Bremen rund 380 Personen zugerechnet. Eine exakte Bezifferung des salafistischen Personenpotenzials ist aufgrund von strukturellen Besonderheiten der Szene schwierig. So weisen zahlreiche salafistische Personenzusammenschlüsse keine festen Strukturen auf. Gleichzeitig finden sich Salafisten in anderen islamistischen Organisationen und Einrichtungen. Salafismus leitet sich vom arabischen Begriff "Salafiyya" ab, der eine Strömung des Islams bezeichnet, die sich ideologisch an den sogenannten "Salaf as-Salih" ("die frommen Altvorderen"), also den ersten drei Generationen der Muslime orientiert. Salafisten versuchen deren Lebensweise detailgetreu zu kopieren. Die Anhänger dieser Ideologie sind der Überzeugung, dass Probleme der Gegenwart durch die Rückbesinnung auf den "wahren Urislam" gelöst werden können. Dazu legen sie die islamischen Quellen, Koran und Sunna, wortwörtlich aus. Anpassungen der Islamauslegung an veränderte gesellschaftliche und politische Gegebenheiten werden durch die Salafisten als "unislamisch" kategorisch abgelehnt und führen - so die Vorstellung - zwangsläufig zum "Unglauben". Auch im Alltag orientieren sich viele Salafisten an den Lebensumständen der frühislamischen Zeit. Zum Beispiel befolgen sie spezielle Zahnputztechniken, tragen nach dem Vorbild des Propheten 67 Mohammed knöchellange Gewänder oder Vollbärte und propagieren die Vollverschleierung der Frau. Die Ideologie des Salafismus lässt sich in eine politische und eine jihadistische Strömung unterteilen. Vertreter des politischen Salafismus stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit, um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten sowie politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Anhänger des jihadistischen Salafismus hingegen glauben, ihre Ziele durch Gewaltanwendung realisieren zu können. Die Übergänge zwischen beiden Formen sind fließend. Die Ideologie, die ihrer Interpretation der "Scharia" absoluten Geltungsanspruch einräumt, verstößt in mehreren Punkten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. So lehnen Salafisten die Demokratie als politisches System grundsätzlich ab, da nur Gott Gesetze erlassen dürfe. Des Weiteren verletzen die in der "Scharia" vorgeschriebenen Körperstrafen für Kapitalverbrechen, die körperliche Züchtigung der Frau und die Beschränkung ihrer Freiheitsrechte sowie die fehlende Religionsfreiheit die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Salafistische Aktivitäten in Deutschland Die salafistische Szene in Deutschland ist sehr heterogen, was ihre Struktur und Gewaltaffinität betrifft. Die salafistischen Vereine veranstalten in regelmäßigen Abständen bundesweit sogenannte "Islamseminare", in denen sie ihre salafistische Ideologie vermitteln. Finanzielle Unterstützung erhalten sie vor allem aus SaudiArabien, dort stellt der Salafismus die offizielle Islaminterpretation dar. In den vergangenen Jahren hatte der Salafismus eine wachsende Anziehungskraft insbesondere auf junge Menschen. Der bekannteste salafistische Verein in Deutschland war der Verein "Einladung zum Paradies e.V." (EZP). Einem angestrebten Verbotsverfahren kam der Verein im Jahr 2011 durch seine Selbstauflösung zuvor. Seine Mitglieder sind jedoch weiterhin aktiv. Der Verein EZP war vor allem wegen umstrittener und Aufsehen erregender Vorträge seiner Prediger bekannt. Insbesondere der Konvertit Pierre Vogel, der seine Botschaften stets mit Charisma vorträgt, ist bei jungen Muslimen populär. Gleiches gilt für dessen Weggefährten Sven Lau, der ebenfalls bundesweit agiert. Lau befindet sich seit dem 15. Dezember 2015 in Untersuchungshaft, da er verdächtigt wird, die Terrororganisation "Jaish al-Muhadjirin wal-Ansar" in Syrien unterstützt zu haben. Darüber hinaus machte Lau bereits im September 2014 Schlagzeilen, als er die Gründung einer "Scharia-Polizei" bekannt gab. Zusammen mit einer Gruppe von Gleichgesinnten zog er damals durch die Wuppertaler Innenstadt und riet anderen Muslimen zu einem islamkonformen Verhalten. Zudem lud er sie in die "Darul Arqam Moschee" ein, die als Zentrum der Salafisten um Pierre Vogel gilt. Das aktive salafistische Netzwerk "Die Wahre Religion" (DWR) hatte sich die missionarische Verbreitung der "reinen Form" des Islams zur Aufgabe gemacht. Das Netzwerk propagierte die salafistische Ideologie über bundesweit stattfindende Vorträge und Seminare sowie seine Internetseite. Die meist emotional gehaltenen Vorträge zielten auf die Radikalisierung ihrer Zuhörer. Die Prediger versuchten insbesondere mit dem Vorwurf der Untätigkeit, ihre Zuhörer zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" zu bewegen. Der Hauptakteur des Netzwerkes DWR war der salafistische Prediger Ibrahim Abou Nagie. Im Rahmen des von Nagie initiierten Projektes "Lies! Im Namen Deines Herrn, der Dich erschaffen hat" wurde der Koran kostenlos verteilt. Bundesweit gab es seit dem Jahr 2012 zahlreiche Verteilaktionen, davon mehrere in Bremen und Bremerhaven. Der Koran wurde mit dem Ziel verteilt, vor allem Jugendliche langfristig in salafistische Netzwerke einzubinden. Für die Beteiligung an Verteilaktionen ist keine formelle Mitgliedschaft im salafistischen Netzwerk DWR nötig, vielmehr konnten 68 Interessierte entsprechendes Material über die Internetseite anfordern. Für viele junge Menschen war die Aktion deshalb attraktiv, weil sie in ihren Augen dem Abbau von Vorurteilen gegenüber der Religion des Islam diente. Insofern verwies die Beteiligung einer Person an einer solchen Verteilaktion nicht zwangsläufig auf ihre salafistische Einstellung. Am 15. November 2016 wurde DWR durch das Bundesministerium des Innern (BMI) verboten. In der Verbotsverfügung heißt es, "Die Wahre Religion" richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung und vertrete einen totalitären Anspruch. Die Vereinigung befürwortet demnach den bewaffneten "Jihad" und stellt ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungsund Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für solche Personen dar, die aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach Syrien beziehungsweise in den Irak ausreisen wollen. Aus einer Studie des BKA geht hervor, dass ein Viertel der aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ausgereisten Personen zuvor Kontakt mit der "Lies!"-Aktion gehabt hatten. Der salafistische Verein "Dawa FFM" und die dazugehörige Internetplattform "Islamische Audios" wurde im März 2013 wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung durch das BMI verboten. Hintergrund des Verbots war die Verbreitung salafistischer Ideologie sowie Aufrufe zu Gewalt im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Salafisten und der Polizei im Rahmen des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes 2012. Mit derselben Begründung war im Jahr 2012 bereits die salafistische Vereinigung "Millatu Ibrahim" (MI, "die Gemeinschaft Abrahams") durch das BMI verboten worden. Der Verein hatte u.a. den "Jihad" und das Märtyrertum glorifiziert. Darüber hinaus hatte er sich für die Befreiung von in Deutschland inhaftierten Islamisten eingesetzt. Das Verbot, das auch Nachfolgebestrebungen einschloss, erstreckte sich im März 2013 folglich auch auf den Nachfolgeverein "an Nussrah". Der Name "Millatu Ibrahim" ist ein ideologischer Verweis auf das gleichnamige Hauptwerk des bekannten jihadistischen Ideologen Muhammad al-Maqdisi, welcher zurzeit in Jordanien inhaftiert ist. Am 26. Februar 2015 hat das BMI die Vereinigung "Tauhid Germany" alias "Team Tauhid Media" als Ersatzorganisation von "Millatu Ibrahim" verboten. Zu dem Verbot gehörte auch die Abschaltung der Webseite ansarul-aseer.com, welche als Plattform salafistischer Gefangenenunterstützung diente. "Tauhid Germany" hatte salafistisches Propagandamaterial vor allem über das Internet verbreitet und nutzte hierzu vorrangig soziale Medien. Im letzten Jahr versuchten Salafisten weiterhin ihre Rekrutierungsbemühungen in Flüchtlingsunterkünften zu intensivieren. So versuchten sie über Sachspenden, logistische Unterstützung, Dolmetschertätigkeiten und Einladungen in einschlägige Moscheen die Orientierungslosigkeit, vor allem junger Menschen, auszunutzen und eine emotionale Bindung an die salafistische Szene zu erwirken. Die Verfassungsschutzbehörden haben auf diese Entwicklung frühzeitig reagiert und entsprechende Sensibilisierungsveranstaltungen mit den Leitern und Mitarbeitern von Flüchtlingsunterkünften durchgeführt. Die verschiedenen Aktivitäten der salafistischen Szene dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Es handelt sich um ein organisches Netzwerk, in dem die Grenzen zwischen militanten und nicht militanten Teilen oftmals verschwimmen. Statistisch gesehen reist jeder zehnte Salafist in Deutschland nach Syrien bzw. in den Irak aus. Diese Sogwirkung verdeutlicht die Gefahr, die vom Salafismus in Deutschland ausgeht. 6.3.1. Salafismus im Land Bremen Auch die salafistische Szene im Land Bremen mit rund 380 Anhängern ist heterogen in ihrer Zusammensetzung. Ausgehend von gewaltfreiem politischem Salafismus über gewaltunterstützende und -befürwortende bis hin zu gewalttätigen Anhängern der Ideologie findet sich jede beschriebene Facette auch im Land Bremen wieder. So 69 fanden im Jahr 2016 in Bremen und Bremerhaven Koranverteilungsaktionen der Organisationen "Siegel der Propheten" und, bis zum Verbot des Vereins DWR, auch der Aktion "Lies!" statt. Aber auch Ausreisefälle in Richtung Syrien und Irak waren im Jahr 2016 ein Thema, mit dem sich Bremen auseinandersetzen musste. Hierbei spielten unter anderem zuvor ausgereiste Personen eine Rolle, die mit möglichen Kampferfahrungen bzw. -ausbildungen nach Bremen zurückkehrten. Ebenfalls von Bedeutung für die Arbeit des Verfassungsschutzes war die Etablierung einer Ersatzorganisation durch Anhänger des im Jahre 2014 verbotenen "Kultur & Familien Verein e.V." in Bremen. Der Nachfolgeverein mit dem Namen "Islamischer Förderverein Bremen e.V." wurde am 16. Februar 2016 durch den Bremer Innensenator verboten. Auch die hohe Einreisewelle von Flüchtlingen seit dem Spätsommer 2015 stellt das Landesamt für Verfassungsschutz weiterhin vor besondere Herausforderungen. Bremer Salafisten schließen sich in Syrien jihadistischen Gruppen an Durch die Hinwendung zum Salafismus wird ein "Grundstein" für einen weiteren Weg der Radikalisierung bis hin zum Jihadismus gelegt. Dies wird in Bremen insbesondere durch sämtliche bislang bekannt gewordenen Fälle deutlich, in denen Bremer Personen sich nach Kontakten in die salafistische Szene zu einer Ausreise in jihadistische Kampfgebiete in Syrien oder dem Irak entschlossen haben. Die Ausreisen erfolgten zum Teil mit minderjährigen Kindern. Seit Januar 2014 sind den Sicherheitsbehörden in Bremen 28 Personen, darunter eine Jugendliche, bekannt geworden, die mit der Absicht Richtung Syrien reisten, sich dort agierenden jihadistischen Organisationen, mehrheitlich dem "IS", anzuschließen. Nicht in allen Fällen war die Ausreise erfolgreich, teilweise wurden die Personen bereits an der türkischen Grenze festgenommen und die Einreise nach Syrien verhindert. Fünf der 18 ausgereisten Bremer Männer sollen bereits bei Kampfhandlungen auf Seiten der Terrororganisation "IS" getötet worden sein. Insgesamt geht der Bremer Verfassungsschutz zudem von einer unbekannten Anzahl von weiteren Ausreisefällen aus. Bestätigt wird dies unter anderem durch die Aussage eines Bremer Rückkehrers, der angab, dass er Kenntnis von weiteren Bremer Personen habe, die sich in Syrien dem "IS" angeschlossen haben sollen. In bislang insgesamt 20 Fällen, darunter zwei Jugendliche, konnten die Bremer Sicherheitsbehörden gemeinsam mit dem Bremer Stadtamt mittels ausreiseverhindernder Maßnahmen eine Ausreise nach Syrien oder den Irak bereits im Vorfeld verhindern. Hierbei wurden in der Regel Ausreiseverbote verfügt und Meldeauflagen verhängt. Mit einer besonderen Herausforderung sehen sich die Sicherheitsbehörden in Deutschland, darunter auch in Bremen, durch Personen konfrontiert, die aus dem Kriegsgebiet in Syrien bzw. dem Irak nach Deutschland zurückkehren. Problematisch ist hierbei häufig der Nachweis, dass die sogenannten "Rückkehrer" in Syrien aktiv an Kämpfen teilgenommen haben oder auch nur militärisch geschult wurden. Hinzu kommt die mögliche Traumatisierung der Personen durch das im Kampfgebiet Erlebte. Derzeit sind neun der aus Bremen ausgereisten Personen wieder nach Bremen zurückgekehrt. Verurteilung eines Bremer "Rückkehrers" gemäß SS 129 a, b StGB Von den sieben männlichen "Rückkehrern" ist bislang ein Fall bekannt, in dem eine militärische Ausbildung erfolgte. Bei seiner Rückkehr im Juli 2015 wurde der junge Mann am Bremer Flughafen verhaftet und am 5. Juli 2016 durch das Oberlandesgericht Hamburg zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Gericht 70 sah die Mitgliedschaft des Beschuldigten in einer terroristischen Vereinigung in drei Fällen als erwiesen an; davon in einem Fall in Tateinheit mit dem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über ein vollautomatisches Sturmgewehr und in einem Fall in Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe nebst Patronenmunition. Beweiserheblich war hierbei ein am 5. August 2015 via Internet veröffentlichtes Drohund Hinrichtungsvideo des "IS", in dem unter anderem der Beschuldigte mitwirkte. Es handelte sich seinerzeit um das erste deutschsprachige Propagandavideo mit dem Titel "Der Tourismus der Umma". Botschaft dieses Videos ist insbesondere die Anwerbung von Ausreisewilligen zur Teilnahme am bewaffneten Kampf des "IS" sowie der Aufruf dazu, Anschläge in Deutschland zu verüben. Am Ende des etwa fünfminütigen Films erfolgt die Hinrichtung von zwei Gefangenen. Neben dem zwischenzeitlich verurteilten Bremer "Rückkehrer" wirkte auch ein zweiter junger Mann aus Bremen in dem Video mit. Laut türkischer Medienberichterstattung soll dieser im Januar 2017 wegen Terrorismusverdachts durch türkische Behörden festgenommen und seitdem in der Türkei inhaftiert sein. Am 25. November 2016 leitete der Generalbundesanwalt (GBA) ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den bereits verurteilten Bremer "Rückkehrer" ein. Auch in diesem Fall handelt es sich bei dem Beweismittel um ein Hinrichtungsvideo, das die "IS"-Propagandavideo mit US-amerikanische Tageszeitung "Washington Post" erhielt und im Oktober 2016 Bremer Akteuren veröffentlichte. Laut GBA bestehen nach Sichtung des neuen Videos zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass sich der Beschuldigte im Juni 2015 in Palmyra/ Syrien als Angehöriger eines zusammengestellten Trupps des "IS" an der Hinrichtung von insgesamt sechs Gefangenen des "IS" beteiligte. Die Ermittlungen in diesem Fall dauern an. Bremer Innensenator verbietet Ersatzorganisation Am 16. Februar 2016 verfügte der Senator für Inneres Bremen das Verbot und die sofortige Auflösung einer Ersatzorganisation des im Dezember 2015 verbotenen "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF). Mit dem verkündeten Verbot war es dem Verein auch untersagt, seine Aktivitäten in anderen Organisationen fortzusetzen. Nachfolgeorganisationen sind von Gesetzes wegen verboten. Wie das Landesamt für Verfassungsschutz feststellte, gründeten ehemalige Anhänger des KuF wiederum in Bremen unter dem Deckmantel eines Vereins mit der Bezeichnung "Islamischer Förderverein Bremen e.V." eine Ersatzorganisation. Eintragungen in der Vereinsakte des "Islamischen Fördervereins Bremen e.V." beim Amtsgericht ergaben, dass dieser Verein bereits im Jahr 2009 gegründet wurde, aber in den Folgejahren offensichtlich keine Aktivitäten mehr entfaltete. Auch Mitgliederversammlungen oder Vorstandswahlen fanden nicht statt. Im Vorstand befand sich seit dem Jahr 2009 eine Person, die dem engeren Anhängerkreis des KuF zugerechnet werden konnte. Bei Neuwahlen des Vorstandes im Juni 2015 wurden sämtliche Vorstandsposten mit Personen aus der ehemaligen Anhängerschaft des KuF besetzt - auch die Besucher des Nachfolgevereins sind dem ehemaligen Umfeld des KuF zuzurechnen. In Räumlichkeiten in Bremen-Walle betrieb der "Islamische Förderverein Bremen e.V." eine Moschee, in der unter anderem auch Unterrichte zur islamischen Religionsausübung für Erwachsene und Kinder ausgeübt wurden. Der Verein legte gegen die Verbotsverfügung Rechtsmittel ein; das Verfahren dauert derzeit noch an. Bei dem Verbot des KuF im Jahr 2014 handelte es sich deutschlandweit erstmalig um das Verbot eines Unterstützungsvereins des "IS". Der KuF war in den vorangegangenen Monaten insbesondere durch die Ausreisen mehrerer Personen aus dem Verein und dessen Umfeld aufgefallen. In der zusammenfassenden Bewertung des Innensenators wurde festgestellt, dass sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Gerade durch die von den führenden Mitgliedern des KuF in den Freitagspredigten ver71 breitete Ideologie wurde die verfassungsmäßige Ordnung ebenso wie der Gedanke der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig beeinträchtigt. . Der Verein richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, da er das Demokratieund Rechtsstaatenprinzip als Säulen der bestehenden . staatlichen Ordnung ablehnte, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht allen Menschen . zubilligte sowie die Glaubens-und Gewissensfreiheit ablehnte. Weiterhin richtete sich der Verein gegen den Gedanken der Völkerverständigung, . da er zum Hass gegen Angehörige anderer Religionen bzw. religiöser Überzeugungen . aufrief, . die Minderwertigkeit anderer Religionen bzw. Religionsgruppen vertrat, . zur Bekämpfung westlicher Regierungen aufrief sowie zentrale Elemente der bestehenden völkerrechtlichen Ordnung ablehnte und zu deren Bekämpfung aufrief. Der Verein ging dabei jeweils mit einer aggressiv-kämpferischen Grundhaltung vor, . indem er durch sein Handeln die salafistische Bewegung und deren verfassungs- . und völkerrechtsfeindliche Ziele maßgeblich und nachhaltig beförderte, den salafistischen Macht-und Alleinvertretungsanspruch proklamierte und . verbreitete und dabei selbst Gewalt und terroristische Handlungen einschließlich der Tötung von Personen, die nicht der gleichen Ideologie anhängen, - einschließlich der Unterstützung des bewaffneten Kampfes der Terrororganisation "Islamischer Staat" - nachdrücklich befürwortete und so zu weiterer Gewalt anstachelte. Die Anhänger des KuF pflegten eine besonders radikale Form des Salafismus. Hierbei wurde vom Großteil der Anhänger der Schwerpunkt auf das Konzept der "Takfir"-Ideologie gelegt. "Takfir" bedeutet wörtlich "Exkommunikation", d.h. einen Muslim zu einem Ungläubigen (Kafir) zu erklären. "Ungläubige" sind nach Auffassung der Vereinsanhänger zu bekämpfen und der Abfall vom Glauben ist zumindest theoretisch mit dem Tode zu bestrafen. In der Überbetonung des "Takfir"-Konzeptes und der mindestens in Teilen gehegten Sympathie mit dem gewaltsamen "Jihad" begründete sich das hohe Maß an Radikalität des Vereins und seiner Anhänger. Die Anhänger selbst bezeichneten sich als "Al Muwahidun" oder "Ansar at-tawhid", was so viel wie "Die Anhänger des Einheitsglaubens" bedeutet. Damit erklärten sie sich zu den einzig wahren Muslimen und werteten sogar andere Muslime, die nicht ihrer ideologischen Linie folgen, ab. Maßnahmen der Sicherheitsbehörden im Flüchtlingskontext Bislang fanden seit dem Jahr 2015 über 13.000 Menschen im Land Bremen Zuflucht vor insbesondere Krieg und Zerstörung im Heimatland. Auch wenn aktuell die Zahlen rückläufig sind, so stellt die Einreise so vieler Menschen in einem kurzen Zeitraum auch die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern vor erhebliche Herausforderungen. Da bundesweit, aber auch in Bremen, im Verlauf des Jahres 2015 eine Kontaktaufnahme von Salafisten zu Flüchtlingen in Unterbringungseinrichtungen festzustellen war, regte das Landesamt für Verfassungsschutz in Zusammenarbeit mit der Polizei Bremen zahlreiche Gespräche mit weiteren im Flüchtlingskontext betroffenen Behörden an. In der Folge wurden durch den Verfassungsschutz Bremen zahlreiche Träger der Unterbringungseinrichtungen und vor Ort verantwortliches Personal zum Thema Salafismus geschult. Des Weiteren wurde in Kooperation zwischen Bremer Verfassungsschutz, Polizei und der Sozialbehörde eine Broschüre 72 erstellt, die an die Mitarbeiter der Einrichtungen verteilt wurde. Die Broschüre mit dem Titel "Religiös motivierter Extremismus als Gefährdung für Flüchtlinge - Handreichung für die Aufnahmeeinrichtungen in Bremen" macht auf die Gefahren des Islamismus und hier insbesondere des Salafismus aufmerksam und soll die Menschen sensibilisieren. Insgesamt zeigten diese Maßnahmen Erfolg, denn im Verlauf des Jahres 2016 konnte bundeweit ein Rückgang der Kontaktaufnahmen von hier lebenden Salafisten zu Flüchtlingen verzeichnet werden. Auf der anderen Seite erreichen die Sicherheitsbehörden, so auch das LfV Bremen, weiterhin zahlreiche Hinweise unterschiedlichen Ursprungs auf möglicherweise radikalisierte Personen unter den Flüchtlingen bzw. Hinweise auf Personen, die in ihren Heimatländern islamistischterroristischen Organisationen angehört haben bzw. diese unterstützt haben sollen. In nicht wenigen Fällen stellen sich solche Hinweise als Denunzierungsversuche ohne tatsächliche Grundlage heraus. In anderen Fällen wiederum führt der Weg der Ermittlungen zu Verfahren der Strafverfolgungsbehörden. Salafistische Veranstaltungen in Bremen Öffentliche salafistische Veranstaltungen, wie z.B. Koranverteilungsaktionen der Organisationen "Siegel der Propheten" und "Lies!" in Innenstadtbereichen konnten im Jahr 2016 auch im Land Bremen festgestellt werden. Zudem trat am 3. September 2016 der salafistische Prediger Pierre Vogel im Rahmen einer aus seinem Umfeld organisierten Kundgebung am Bremer Hauptbahnhof auf. Koranverteilungsaktionen "Siegel der Propheten" und "Lies!" im Land Bremen Der Verein "Siegel der Propheten e.V." organisierte auch im Jahr 2016 bundesweit Informationsstände, an denen der Koran kostenlos verteilt wird und Interessierte die Möglichkeit haben, sich an den Ständen über den Islam zu informieren. So fand auch in Bremen im Bereich des Hauptbahnhofes oder der Innenstadt bis zum Herbst an fast jedem Wochenende des Jahres 2016 diese Koranverteilungsaktion statt. Am 10. Oktober 2016 beschloss jedoch der Vorstand des Vereins "Siegel der Propheten" die öffentlichen Koranstände nicht mehr stattfinden zu lassen und kommunizierte dies an die Anhänger wenige Tage später über die vereinseigene Internetseite. Auch das Projekt "Lies!" organisierte am Anfang des Jahres 2016 einige wenige Koranverteilungsaktionen der Verantwortlichen des seit November 2016 verbotenen Vereins "Die Wahre Religion!" (siehe Kapitel 6.3) in Bremen. In Bremerhaven konnten im Verlauf des Jahres 2016 keine Koranstände dieser Organisation festgestellt werden. Die Anmelder und Betreiber sämtlicher Stände in Bremen und Bremerhaven konnten ausschließlich dem salafistischen Spektrum zugerechnet werden. Kundgebung des salafistischen Predigers Pierre Vogel in Bremen Am 03.09.2016 fand am Bremer Hauptbahnhof unter der maßgeblichen Leitung des bekannten salafistischen Predigers Pierre Vogel eine Kundgebung mit dem Titel "Wie steht der Islam zum Terrorismus? Was hat der IS mit dem Islam zu tun? (ISIS ist nicht Islam)" statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von dem Verein "Muslime Aktiv e.V." aus Münster, der dem Umfeld des Pierre Vogel zugerechnet wird. 73 Im Rahmen seines Vortrags distanzierte sich Vogel vom "IS". Er erklärte, dass es sich bei den Anhängern der Terrororganisation nicht um Muslime handeln würde. Ein eigens für die Veranstaltung geladener Gastprediger aus Ägypten schloss sich in seinen Ausführungen der Meinung des Pierre Vogel an. Jihadistische, anderweitig gewaltbefürwortende oder sonstige strafrechtliche Inhalte waren den Redebeiträgen nicht zu entnehmen. Die Kundgebung wurde von rund 150 Personen besucht. Damit erreichte sie nicht annähernd die Zuhöreranzahl der letzten Kundgebung von Vogel in Bremen im Juni 2014 mit rund 350 Teilnehmern. Unter den hauptsächlich jungen Menschen befanden sich Personen, die dem bremischen salafistischen Spektrum zugerechnet werden, sowie auch nicht salafistische Muslime und Nichtmuslime. Ein Grund dafür könnte das Thema der Veranstaltung gewesen sein, welches bei vielen Muslimen aber auch Nichtmuslimen Zustimmung findet. Durch das Thematisieren von Aspekten, welche den gegenwärtigen Diskurs über den Islam in Deutschland und darüber hinaus prägen, gelingt es Vogel vor allem in der jüngeren Generation von Muslimen Zuhörer zu gewinnen, welche mit der salafistischen Ideologie zunächst keine Berührungspunkte hatten bzw. ihre genauen Inhalte nicht kennen. Diese sich oftmals als diskriminiert fühlenden jungen Menschen sehen sich in den Aussagen Vogels bestätigt und können die negative Berichterstattung über "die Salafisten" daher schwer bis nicht nachvollziehen. Ähnlich wie die Koranverteilungsaktionen ist auch diese Art von Veranstaltungen, wenngleich jenseits einer strafrechtlichen Relevanz, problematisch. Sie dienen als Erstkontakt und sollen junge Menschen langfristig in salafistische Netzwerke einbinden. Es besteht die Gefahr, dass sich junge Menschen in diesem Prozess radikalisieren und in das gewaltbereite Spektrum des Salafismus abrutschen. 6.3.2. "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) Personenpotenzial: 400-500 zum Freitagsgebet Der salafistische Verein "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) gründete sich im Jahr 2001. Das Freitagsgebet ist in der Spitze mit bis zu 500 Besuchern das am stärksten frequentierte Gebet im IKZ. Die Besucher stammen größtenteils aus Nordafrika, der Türkei sowie vom Balkan. Im Jahr 2016 konnte erneut ein Besucherzuwachs insbesondere bei Freitagsgebeten und muslimischen Feiertagen festgestellt werden, der weiterhin mit der Einreise von asylsuchenden Menschen im Zusammenhang steht. Als Vorbeter fungieren führende Vertreter des IKZ, die die "Missionierungsarbeit" ("Da'wa") als ihre religiöse Pflicht betrachten. "Da'wa" "Da'wa" bedeutet wörtlich übersetzt "Ruf" und kann als "Einladung zum Islam" verstanden werden. Einige Muslime sehen es als ihre Pflicht an, andere Menschen über den Islam aufzuklären und sie zum Islam zu bekehren. So heißt es im Koran (Sure 16, Vers 125): "Ruf [die Menschen] mit Weisheit und einer guten Ermahnung auf 74 den Weg deines Herrn und streite mit ihnen auf eine möglichst gute Art." Nach islamischer Lehre erfolgt die Bekehrung jedoch ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt. Die salafistische Ausrichtung des Vereins kommt regelmäßig in Vorträgen, Seminaren und Predigten zum Ausdruck. Im Jahr 2016 hielten Vertreter des IKZ sowie salafistische Referenten aus Deutschland und von der Arabischen Halbinsel Vorträge im IKZ, zu denen jeweils viele Besucher kamen, teilweise reisten sie aus dem gesamten Bundesgebiet an. Im Jahr 2016 fand im IKZ während des muslimischen Fastenmonats Ramadan jeden Abend das sogenannte Fastenbrechen (Iftar) statt, zu dem sich viele Gläubige in der Moschee versammelten. Die Finanzierung der dort angebotenen Speisen erfolgte durch die kuwaitische salafistische Organisation "Revival of Islamic Heritage Society" im Rahmen ihres Projekts "Iftar für die Fastenden". Regelmäßig finden im IKZ "Islamunterrichte" statt, die sich hauptsächlich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene richten. Für Frauen gibt es separaten Unterricht im Sinne der Geschlechtersegregation. Oberverwaltungsgericht lehnt Beschwerde des IKZ ab Mit Beschluss vom 01. Dezember 2015 lehnte das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen (OVG Bremen) eine Beschwerde des IKZ ab. Seit Januar 2016 ist dieser Beschluss nunmehr rechtskräftig. Vorausgegangen war ein gerichtliches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen (VG Bremen). Verhandelt wurde ein Antrag des IKZ auf Unterlassung von Äußerungen des Senators für Inneres, die im Rahmen einer Pressemitteilung am 03. März 2015 veröffentlicht wurden. Ebenfalls beantragt wurde seitens des IKZ die Löschung der im Internet befindlichen und auf die Pressemitteilung bezogenen Beiträge. Nachfolgend aufgeführte Aussagen des Senators für Inneres wurden durch das IKZ im Antrag an das . Gericht kritisiert: . das IKZ sei keine Moschee, deren Besucher friedlich ihrem Glauben nachgingen; das IKZ gehöre zu den Salafisten, die die Vollverschleierung der Frau propagieren, die Demokratie als System ablehnen sowie die körperliche Züchtigung der Frau . und Beschränkung ihrer Freiheitsrechte befürworten; das IKZ lade einen Prediger aus Saudi-Arabien ein, damit dieser dort seine . extremistische, salafistische Lehre verbreiten kann; das IKZ werde finanziell und ideologisch stark aus Saudi-Arabien unterstützt. Durch Erkenntnisse aus Freitagsgebeten, islamwissenschaftliche Bewertungen von Broschüren und Flyern aus dem IKZ und Ausführungen des LfV Bremen in den Verfassungsschutzberichten der letzten Jahre konnten die in der Pressemitteilung getätigten Äußerungen des Senators für Inneres belegt werden. Lediglich hinsichtlich der Äußerung zur starken finanziellen Unterstützung aus Saudi-Arabien wurde dem Antrag des IKZ stattgegeben. Das LfV darf jedoch weiterhin offen kommunizieren, dass das IKZ finanziell aus Saudi-Arabien unterstützt wird. 6.4 "Hizb Allah" Personenpotenzial: ca. 950 in Deutschland ca. 50 in Bremen 75 Die libanesische Organisation "Hizb Allah" ("Partei Gottes") hat eine islamistischschiitische Ausrichtung. Die "Hizb Allah" wurde im Jahr 1982 maßgeblich auf Initiative des Iran nach dem Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon gegründet und wird bis heute vom iranischen Regime finanziell und materiell unterstützt. Der "revoFlagge der lutionäre Iran" dient der "Hizb Allah" auch ideologisch als Vorbild, jedoch rückte "Hizb Allah" inzwischen ihr ursprüngliches Ziel der Errichtung eines Gottesstaates nach iranischem Vorbild im Libanon aufgrund politischer Entwicklungen in den Hintergrund. Das Hauptanliegen der Organisation besteht in der Zerstörung des Staates Israel sowie im Schutz des libanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen. Die "Hizb Allah" verfolgt im Libanon ihre Ziele sowohl auf parlamentarischem als auch auf außerparlamentarischem Wege. Einerseits verfügt sie über eine Partei und stellt eine Fraktion im libanesischen Parlament dar, andererseits unterhält sie einen militärischen Arm. Die paramilitärischen Einheiten der "Hizb Allah" kämpfen seit 2012 im syrischen Bürgerkrieg auf Seiten der Regierung gegen die zahlreichen Oppositionsgruppen. 2014 wurde der militärische Arm der "Hizb Allah" von der EU in ihre Terrorliste aufgenommen. In Deutschland bemüht sich die "Hizb Allah" um den Aufbau von Organisationsstrukturen, ihre Anhänger organisieren sich derzeit vorwiegend in "Moschee-Vereinen". Bundesweit verfügt die Organisation über etwa 950 Anhänger, in Bremen zählen ca. 50 Personen dazu. Die Aktivitäten der "Hizb Allah" beschränken sich in Deutschland auf die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen, Spendensammlungen und Demonstrationen. Wie jedes Jahr beteiligten sich auch 2016 "Hizb Allah"-nahe Personen aus ganz Deutschland öffentlich an der antiisraelischen Demonstration zum internationalen "al-Quds"-Tag ("Jerusalem-Tag") am 02. Juli 2016 in Berlin. Da in den vergangenen Jahren stets Teilnehmer aus Bremen zu der Veranstaltung anreisten, ist davon auszugehen, dass sich auch im Jahr 2016 Bremer "Hizb Allah"-Anhänger an der Demonstration mit insgesamt 800 Teilnehmern beteiligten. Die Anhänger der "Hizb Allah" sind in Bremen in dem "Moschee-Verein" "Al-MustafaGemeinschaft e.V." organisiert. Neben gemeinsamen religiösen Aktivitäten, darunter das Ashura-Fest anlässlich des Märtyrertodes des Imam Hussein, veranstaltet der Flyer zum Ashura-Fest 2016 "Moschee-Verein" auch Treffen und Diskussionsveranstaltungen. Dieses Engagein Bremen ment verfolgt das Ziel, die in Bremen lebenden Libanesen an ihre Heimat zu binden und die libanesische Kultur aufrechtzuerhalten. 76 7 Ausländerextremismus Seitenzahl 78 7.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 84 7.2 Türkischer Linksextremismus 86 7.3 Türkischer Rechtsextremismus 77 7 Ausländerextremismus Am Abend des 15. Juli 2016 kam es in der Türkei zu einem im weiteren Verlauf gescheiterten Putschversuch durch Teile des türkischen Militärs. Die Regierungspartei AKP machte von Beginn an den in den USA lebenden Prediger und einstigen Erdogan-Weggefährten Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Umgehend verhängte der türkische Staatspräsident Erdogan für zunächst drei Monate den Ausnahmezustand in der Türkei, der bis heute andauert und zu einer sogenannten "Säuberungsaktion" führte, um mutmaßliche Gülen-Unterstützer ausfindig machen und strafrechtlich verfolgen zu können. Inzwischen richten sich die Repressionen auch gegen andere Oppositionelle in der Türkei. Laut Medienberichten in der Türkei kam es in diesem Zusammenhang zu angeordneten Massenentlassungen von über 100.000 Mitarbeitern insbesondere aus den Bereichen Bildung, Justiz, Polizei und Militär. Weiterhin wurde regierungsseitig massiv gegen türkische Medienorgane vorgegangen, wobei unter anderem auch pro-kurdisch geprägte regionale Medienunternehmen geschlossen wurden. Die Auswirkungen des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei waren auch in Deutschland spürbar. So kam es zu zahlreichen öffentlichen Demonstrationen durch in Deutschland lebende Erdogan-Anhänger als auch Gegner der türkischen Regierungspolitik. Während in diesem Zusammenhang aus dem Umfeld der verbotenen PKK eher Zurückhaltung geübt wurde, konnte bundesweit eine Beteiligung von Anhängern der nationalistischen ADÜTDF an Protesten festgestellt werden. Allerdings kam es mehrfach bundesweit aus Demonstrationen heraus bzw. an deren Anschluss zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen mehrheitlich jüngeren Personen aus dem pro-kurdischen und dem türkisch-nationalistischen Spektrum. Die repressive Politik in Ankara hat zu einer weiteren Spaltung innerhalb der türkischstämmigen Gemeinschaft in Deutschland geführt. Entwicklung extremistischer "Ausländerorganisationen" in Deutschland Die extremistischen "Ausländerorganisationen" in Deutschland sind stark von Ereignissen und Entwicklungen in ihren Herkunftsländern abhängig. Im Gegensatz zu islamistischen Organisationen orientieren sie sich nicht an einer religiös-politischen Weltanschauung, sondern an weltlichen, politischen Ideologien oder Anschauungen. Die Zielrichtungen von ausländerextremistischen Organisationen lassen sich im Wesentlichen in linksextremistische, nationalistische und ethnisch motivierte Autonomieund Unabhängigkeitsbestrebungen unterteilen. Die "Ausländerorganisationen" sind nicht autark, sondern meistens Teil einer "Mutterorganisation" im Herkunftsland oder zumindest ideologisch eng mit einer solchen verbunden. Gesellschaftliche und politische Konflikte aus anderen Teilen der Welt werden durch Migration und den Zuzug von Arbeitskräften nach Deutschland importiert. Von der Finanzkraft der hier lebenden und arbeitenden Ausländer profitieren auch extremistische Organisationen in den Heimatländern. Vielfach gründeten sie "Exilvereine" in Deutschland. Heute ist Deutschland für extremistische Ausländerorganisationen in unterschiedlicher Intensität ein Rückzugsund Rekrutierungsraum und dient ihnen zur Beschaffung von Material und finanziellen Mitteln. Zu den Aufgaben des LfV gehört die Beobachtung von Bestrebungen, die auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland durch Gewalt gefährden. Dies ist gegeben, wenn ausländische Gruppierungen von hier aus gewaltsame Aktionen im Heimatstaat unterstützen, etwa durch Aufrufe zur Gewalt oder durch logistisch-finanzielle Hilfe. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann auch durch ausländerextremistische Bestrebungen gefährdet sein, wenn Kaderstrukturen beabsichtigen, demokra78 tische Grundregeln in Deutschland außer Kraft zu setzen. Im Jahr 2016 umfasste das ausländerextremistische Personenpotenzial in Deutschland rund 30.000 Personen, dabei stammen die Gruppierungen aus verschiedenen Herkunftsländern. In Bremen nehmen die drei türkischen Organisationen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), "Revolutionäre Volksbefreiungs-Front" (DHKP-C) und die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) einen besonderen Stellenwert ein, wobei erstere eher linksextremistisch und die zuletzt genannte nationalistisch ausgerichtet ist. 7.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Personenpotenzial: ca. 14.000 in Deutschland ca. 300 in Bremen Die größte Gruppe unter den ausländischen Extremisten in Deutschland sind im Jahr Flagge der 2016, mit etwa 14.000 Personen, die Anhänger der verbotenen kurdischen OrganisaPKK-Nachfolgeorganisation tion "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die PKK sowie ihre Nachfolgeorganisation "Kongra Gel" "Kongra Gel" sind in Deutschland seit 1993 bzw. 2004 aufgrund vielfältiger, teilweise gewaltsamer Unterstützungshandlungen ihrer hier lebenden Anhänger verboten. Die EU stuft die PKK seit 2002 als terroristische Organisation ein. Die kurdischen Extremisten stellen mit rund 300 Anhängern auch in Bremen die mitgliederstärkste Gruppe unter den extremistischen "Ausländerorganisationen" dar. Sie organisieren sich überwiegend im "Verein zur Förderung demokratischer Gesellschaft Kurdistans" ("Birati e.V."), der als regionales Ausführungsorgan der PKK fungiert. In den 1990er-Jahren waren im Zusammenhang mit dem Verbot der PKK in Bremen vier "Unterstützervereine" sowie deren Nachfolgeorganisationen verboten worden. Die PKK-Anhänger in Bremen gründeten jedoch unmittelbar nach den Verboten neue Vereine. Entwicklung der PKK Die 1978 von dem noch heute amtierenden PKK-Führer Abdullah Öcalan gegründete Organisation erhebt den Anspruch, alleinige Vertreterin aller Kurden zu sein. Die Kurden bilden eine ethnische Volksgruppe, die vorwiegend in der Türkei, jedoch auch im Irak, Iran und in Syrien lebt. Während das anfängliche Ziel der PKK in der Errichtung eines kurdischen Nationalstaates bestand, kämpft sie nunmehr für die politischkulturelle Autonomie der Kurden innerhalb des türkischen Staates. Das von Öcalan 2005 hierzu entwickelte Konzept sieht die Etablierung eines politisch-kulturellen Verbundes der in verschiedenen Staaten lebenden Kurden vor. Der mit Unterbrechungen seit fast 30 Jahren geführte Guerilla-Kampf der PKK gegen den türkischen Staat wurde mit der Proklamation eines "einseitigen Waffenstillstands" durch PKKFührer Öcalan vorerst im März 2013 beendet. Im Gegenzug war der türkische Staat u.a. aufgefordert, den Kurden insbesondere die Gleichstellung als Staatsvolk, die Benutzung der kurdischen Sprache, etwa in Schulen, und mehr Selbstbestimmung in ihren Siedlungsgebieten einzuräumen. Seit die "Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung" (AKP) bei den türkischen Parlamentswahlen im Juni 2015 die absolute Mehrheit verfehlte, ging der türkische Staat erneut gegen die PKK vor. Zuspitzung des Konfliktes zwischen der PKK und der türkischen Regierung 79 Ein im Juli 2015 verübter Selbstmordanschlag in der südosttürkischen Stadt Suruc, durch einen mutmaßlichen Anhänger des sog. "Islamischen Staates" (IS) ließ den Konflikt zwischen PKK und türkischem Staat wieder eskalieren. In einer Verlautbarung des "Verbandes der Studierenden aus Kurdistan" (YYK) hieß es, der Anschlag habe einer über 300-köpfigen Jugenddelegation gegolten, die auf dem Weg nach Kobane gewesen sei, um sich am Wiederaufbau der syrischen Grenzstadt zu beteiligen. Türkische Sicherheitsbehörden machten die Terrororganisation "IS" für den Anschlag verantwortlich. In der Folge kam es in der Türkei zu zahlreichen Protesten pro-kurdischer Demonstranten, die der türkischen Regierung vorwarfen, sich nicht ausreichend bzw. zu spät im Kampf gegen den "Islamischen Staat" engagiert zu haben. Zudem verübte in der Folge die PKK zahlreiche Anschläge insbesondere auf türkische Sicherheitskräfte. Im Gegenzug kam es zu landesweiten Exekutivmaßnahmen gegen Einrichtungen der PKK. Im weiteren Verlauf kündigten beide Seiten die damals zwei Jahre währende Waffenruhe faktisch auf. Ende 2015 rief die PKK in mehreren Städten im Südosten der Türkei eine kurdische Selbstverwaltung aus (nach dem Vorbild der PKK-Schwesterorganisation PYD, die Anfang 2014 in den kurdischen Siedlungsgebieten in Nordsyrien eine "Demokratische Autonomie" proklamierte). Diese Bestrebungen wurden Anfang 2016 verstärkt. Die Militäroperationen des türkischen Staates richten sich gegen diese Selbstverwaltung. Der, letztlich gescheiterte, Putschversuch in der Türkei am 15. Juli 2016 und das repressive Vorgehen der türkischen Regierung gegen die "Demokratische Partei der Völker" (HDP) spiegelten sich auch in Deutschland durch ein verstärktes Demonstrationsgeschehen und eine gesteigerte Emotionalisierung der PKK-Anhänger wider. Protest im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Türkei Anhänger der PKK haben im Januar 2016 in zahlreichen deutschen Städten Kundgebungen durchgeführt und gegen die politischen Entwicklungen in der Türkei protestiert. Die Veranstaltungen verliefen weitestgehend störungsfrei. Die PKK-Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP) berichtete von "tausenden Menschen", die auf die Straße gegangen seien, um gegen die "Massaker des AKP-Faschismus in Kurdistan" zu protestieren. Am 16. Januar 2016 nahmen ca. 300 Personen an einer Kundgebung in der Bremer Innenstadt teil. Die Redner riefen in ihren Ansprachen zur Solidarität mit den Kurden in der Osttürkei auf und forderten das "Ende der Gewaltaktionen" des türkischen Staates. Anfang Februar löste eine türkische Militäraktion in der südostanatolischen Stadt Cizre erneut eine Protestwelle von PKK-Anhängern in Deutschland aus. In der überwiegend durch eine kurdische Bevölkerungsmehrheit dominierten Stadt sollen in der Nacht auf den 8. Februar 2016 bei einem Angriff von Sicherheitskräften auf ein Gebäude bis zu 60 Personen getötet worden sein. Noch am selben Tag fanden deutschlandweit kurzfristig angemeldete und störungsfrei verlaufene Protestveranstaltungen statt, so auch in Bremen. Am 10. Februar 2016 fand nach einem Protestmarsch eine Kundgebung vor dem Bremer Rathaus statt. Marsch und Kundgebung trugen das Motto "Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan". An der Abschlusskundgebung nahmen ca. 100 Personen teil. Neben Mitgliedern des "Birati e.V." sollen auch Personen der Said'i-Kurdi-Moschee teilgenommen haben. Eine Rednerin rief zum Ende der Gewalt gegen die Kurden auf und forderte die Haftentlassung von Abdullah Öcalan. Neben Bildern von Öcalan wurden Flaggen der "Partiya Yekitiya Demokrat" (PYD) und Plakate mit den Parolen "Mörder Erdogan" und 80 "Terrorist Türkei" mitgeführt. Am 12. März 2016 fand infolge weiterer Militäraktionen der türkischen Armee in Cizre erneut eine Kundgebung in Bremen statt. Es wurde ein sofortiges Ende des "Belagerungsund Vernichtungskrieges" in der Osttürkei gefordert unter dem Motto: "Gestern CizirHeute Sur". An der störungsfreien Veranstaltung nahmen etwa 70 Personen teil. Die Redner riefen in ihren Ansprachen zur "Solidarität mit den Völkern in der Osttürkei und Kurdistan" auf und forderten Sanktionen gegen die türkische Regierung. Es wurde außerdem für die Freiheit Abdullah Öcalans plädiert und zur Aufhebung des PKK-Verbots aufgerufen. Neben Bildern von Abdullah Öcalan wurden Flaggen der PYD mitgeführt. Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremen Türken und PKK-Anhängern Ursache für die derzeitige Verschärfung des Konfliktes zwischen den Anhängern der PKK und Personen des türkisch-nationalen Spektrums sind einerseits andauernde militärische Auseinandersetzungen zwischen türkischem Militär und der PKK sowie andererseits in der Türkei verübte Anschläge, zu denen sich PKK-Splittergruppen bekannten. Vermehrte Demonstrationen rechtsextremer Türken schaffen neben den Aktivitäten der PKK-Anhänger zusätzliches Potenzial für direkte Konfrontation. Insbesondere bei jugendlichen PKK-Anhängern sind auch militante Aktionsformen gegen türkische Einrichtungen und Personen des türkisch-nationalen Spektrums zu befürchten. Dies zeigte beispielsweise ein Überfall kurdischer Jugendlicher auf das Büro der "Union der Europäisch-Türkischen Demokraten e.V." (UETD) in Grevenbroich (NRW) am 28. Oktober 2016. Am 10. April 2016 fanden in diversen deutschen Großstädten zeitgleich protürkische sogenannte "Friedensmärsche" statt, mit denen gegen den "Terror der PKK" und den "Terror des IS" demonstriert wurde. Initiatoren waren national-konservative türkische Organisationen, die sich nach Anschlägen in Istanbul und Ankara, für welche PKKnahe Gruppen verantwortlich sein sollten, positionieren wollten. PKK-nahe Gruppierungen und deutsche und türkische Linksextremisten riefen zu Gegendemonstrationen auf. In Bremen zogen, begleitet von einem großen Polizeiaufgebot, am 10. April 2016 Mitglieder des "Solidaritätskomitees Kurdistans" sowie des "Birati e.V." vom Hauptbahnhof zum Marktplatz, wo eine Kundgebung "gegen den Staatsterror in der Türkei" unter dem Motto "NO PASARAN" ("Sie werden nicht durchkommen", Schlachtruf im spanischen Bürgerkrieg) stattfand. In Bremen nahmen ca. 500 Personen an einer "Gegendemonstration" teil, obwohl keine türkische Kundgebung angemeldet worden war. In den Redebeiträgen auf Deutsch und Kurdisch und mittels verteilter Flugblätter kritisierten die Demonstranten und verschiedene Organisationen unter anderem den Umgang der türkischen Regierung mit der kurdischen Bevölkerung. Die Redner prangerten den "barbarischen Faschismus durch Erdogan" in der Türkei an und riefen zum Boykott des Urlaubslandes Türkei auf. Erneut wurde die Aufhebung des PKKVerbots gefordert. Neben Bildern von Abdullah Öcalan wurden Fahnen der "Volksverteidigungseinheiten" (YPG) der PYD mitgeführt. In Bremen verlief die von einem großen Polizeiaufgebot begleitete Veranstaltung friedlich. In anderen Städten wie Köln, Stuttgart und Hamburg kam es allerdings trotz erheblicher Polizeipräsenz zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen beiden Lagern. "Solidaritätskomitees Kurdistans" Die Unterstützung kurdischer Autonomiebestrebungen ist ein "altes" linksextremistisches Thema. Seit Oktober 2014 erfolgt sie in Bremen einerseits mittels Informationsveranstaltungen und Aktionen wie Mahnwachen und zahlreicher Demonstrationen des "Kurdistan Solidaritätskomitees Bremen", andererseits konkret in Form von Spendensammlungen. 81 Der Eigendarstellung des Bündnisses zufolge ist "das Bremer Solidaritätskomitee Kurdistan ein Zusammenschluss verschiedener linker Gruppen und Vereine und Einzelpersonen, mit dem Ziel das emanzipierte Gesellschaftsprojekt von Rojava bekannter zu machen, zu unterstützen (...)." Ziele des Bündnisses seien u.a. die "Unterstützung der basisdemokratischen selbstverwalteten Strukturen in Rojava" sowie die "Aufhebung des PKK-Verbots". Über die Internetseite werden Hinweise, Demonstrationsabläufe, Aktionen und Veranstaltungen veröffentlicht. Bislang fanden in Bremen gemeinsam mit dem "Birati e.V." organisierte friedliche Informations-, Diskussionsund Protestveranstaltungen in Form von Mahnwachen und Kundgebungen statt. Reaktionen von PKK-Anhängern in Deutschland auf die Festnahme von HDP-Abgeordneten in der Türkei Als Reaktion auf die Festnahme von insgesamt zwölf Abgeordneten der pro-kurdischen HDP in der Türkei führten Anhänger der PKK deutschlandweit zahlreiche, überwiegend friedliche Protestaktionen durch. In der Nacht vom 3. auf den 4. November 2016 führten rund 60 PKK-Anhänger in Bremen eine "Besetzungsaktion" im Eingangsbereich des Funkhauses von Radio Bremen durch. Sie führten mehrere Öcalan-Flaggen mit und skandierten: "Erdogan, Terrorist". Erst nach wiederholten Aufforderungen der Polizei verließen sie das Gebäude und setzten ihre Aktion im Außenbereich fort. Nach Abgabe einer kurzen Erklärung gegenüber den Vertretern von Radio Bremen beendeten die Aktivisten die Aktion. Am 04. November 2016 demonstrierten ca. 170 Anhänger der PKK auf dem Bremer Marktplatz gegen die Festnahmen der HDP-Abgeordneten in der Türkei. Am 05. November 2016 zogen ca. 1.200 Personen vom Bremer Hauptbahnhof zum Marktplatz. Es wurden Fahnen der PKK und Bildnisse Öcalans gezeigt. In den verschiedenen Redebeiträgen wurden der "Unrechtsstaat Türkei" und die Festnahmen der HDP-Abgeordneten angeprangert. Während des Marsches kam es aufgrund von einer Provokation zu verbalen und auch gewalttätigen Übergriffen auf den Provokateur. Für den 09. November 2016 meldete der "Frauenrat Seve e.V." eine Versammlung auf dem Bremer Marktplatz mit ca. 100 Teilnehmern unter dem Motto: "Hände weg von unseren HDP Abgeordneten" an. Die PKK in Deutschland und Europa Zur Unterstützung ihrer Interessen in der Türkei ist die PKK in Deutschland mit ihrem politischen Arm vertreten, der sich "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistan in Europa" (KCDK-E) nennt. Einer der Vorsitzenden des KCDK-E ist der Bremer PKK-Funktionär Yüksel Koc. In ihrem "gewaltfreien Kampf" greift die Organisation auf legale und illegale Strukturen zurück. Regionale Kurdenvereine (sogenannte Basisvereine) dienen den Anhängern als Informationsund Kommunikationszentren. Diese der PKK nahestehenden Vereine sind in Deutschland unter dem Dachverband des "Demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) zusammengeschlossen. Politischer Arm in Syrien Die kurdische Partei PYD wurde 2003 in Syrien gegründet und ist die dortige Zweigorganisation der PKK, wenngleich die offene Darstellung dieser Verbindung vermieden wird. Vorsitzender der PYD ist seit 2010 Saleh Mohamed Muslim. Die PYD strebt die Autonomie der Kurden in Syrien an und rief im Januar 2014 in drei von Kurden 82 dominierten Kantonen (Afrin, Kobane und Cizre) eine "Demokratische Autonomie" aus. Die PYD unterhält paramilitärische Einheiten, die sogenannten "Volksverteidigungseinheiten" (YPG), die sich seit Herbst 2012 wiederholt bewaffnete Auseinandersetzungen mit anderen in Nordsyrien agierenden Konfliktparteien lieferten, etwa mit der "Freien Syrischen Armee" und dem "IS". In Europa organisiert die PYD insbesondere Protestveranstaltungen gegen Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Finanzierung der PKK Die von der PKK in der Türkei über Jahrzehnte geführten Kämpfe sowie ihre politische Arbeit in Europa erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Die PKK finanziert sich in erster Linie durch Spenden, daneben auch aus Veranstaltungserlösen und dem Verkauf von Publikationen. Jedes Jahr ruft die PKK zu einer groß angelegten Spendenkampagne auf, die sie "das Jährliche" nennt, und fordert von ihren Anhängern regelmäßig die Steigerung der Spendeneinnahmen. Auch in Bremen gibt es jedes Jahr eine solche Kampagne. Newroz-Feiern Die PKK instrumentalisiert das jährliche Neujahrsfest ("Newroz-Fest", 21. März) für ihren "Befreiungskampf" gegen den türkischen Staat. Das Fest geht auf eine Legende um einen kurdischen Schmied zurück, der zum Widerstand gegen einen Tyrannen aufgerufen und diesen in der Nacht vom 20. auf den 21. März im Jahr 612 v. Chr. erschlagen haben soll. Daher wird Newroz auch als Fest des Widerstandes gegen Tyrannei und als Symbol für den kurdischen Freiheitskampf verstanden. 2016 fand die zentrale Newroz-Feier in Hannover statt. Ca. 12.000 Personen nahmen am 19. März an der Großveranstaltung teil, darunter auch zahlreiche PKK-Anhänger aus Bremen. Der Dachverband PKK-naher Vereine in Deutschland, NAV-DEM, hatte die Veranstaltung organisiert und zur Teilnahme mobilisiert. Das Fest stand 2016 unter dem Doppel-Motto "Aktuelle Ereignisse in der Türkei / Das militärische Vorgehen der türkischen Regierung gegen die PKK und ihre Anhangsorganisationen" und "Freiheit für Öcalan, Freiheit für Kurdistan". Eintrittskarte Newroz-Feier Das Newroz-Fest wurde aufgrund der aktuellen politischen Lage von den Rednern und Teilnehmern genutzt, um zur Solidarität mit den Kurden aufzurufen und den Krieg der Staatsorgane in der Türkei anzuprangern. Wiederholt wurde die Freilassung Abdullah Öcalans aus der türkischen Haft gefordert und zu einer Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland aufgerufen. Neben zahlreichen Bildern von Abdullah Öcalan wurden bei der Kundgebung auch Flaggen der PKK und der PYD mitgeführt. Die Kundgebung verlief friedlich und störungsfrei. Parallel zu der zentralen Großveranstaltung in Hannover fanden bundesweit NewrozFeiern statt. In Bremen organisierte die PYD Bremen am 12. März 2016 zum vierten Mal ein Newroz-Fest mit rund 500 Teilnehmern. Die PKK in Bremen Der Verein "Birati e.V." nimmt als regionales Ausführungsorgan der PKK eine besondere Stellung ein, weil er zu den sogenannten "Zentralvereinen" gehört. Er bietet seinen Mitgliedern u.a. soziale und kulturelle Aktivitäten an. Die im Zusammenhang mit der PKK stehenden Aktivitäten nehmen dabei einen breiten Raum ein, etwa Feiern zum Geburtstag Öcalans oder zum Jahrestag des Beginns des bewaffneten 83 Kampfes der PKK. Bisher wurde Deutschland vom politischen Arm der PKK intern in ca. 30 Gebiete unterteilt. In einem solchen Gebiet nimmt der jeweils bedeutendste kurdische Verein die Stellung eines "Zentralvereins" ein, alle anderen PKK-nahen Vereine sind meist abhängig von dessen Entscheidungen und Weisungen. In Bremen stehen z.B. der Verein "Förderung der kurdisch-islamischen Kultur e.V." (Trägerverein der "Said'i Kurdi-Moschee") und der "Frauenrat Seve e.V." (ehemals "Internationale Fraueninitiative e.V.") in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Zentralverein "Birati e.V.". PKK-Funktionäre bestimmen das politische Geschehen im "Bremer Volksrat", der auch als "Kurdisches Parlament" bezeichnet wird. Dessen derzeitiger Vorsitzender gehört zu den bekanntesten Führungspersonen der PKK in Deutschland. Die Einsetzung von "Volksräten" erfolgt einem von Öcalan 2005 entwickelten Konzept entsprechend, das letztlich auf die Etablierung eines politisch-kulturellen Verbundes der in verschiedenen Staaten lebenden Kurden abzielt, um die Mitbestimmung aller Kurden Gebäude des "Birati e.V." in zu gewährleisten. Tatsächlich erfolgte die politische Arbeit im "Bremer Volksrat" Bremen allerdings nicht nach demokratischen Regeln, sondern ist bisher hierarchisch geprägt. Im Rahmen einer von der PKK-Führung beschlossenen Umstrukturierung sind an die Stelle der bisherigen Vereine übergeordnete "Zentren der demokratischen Gesellschaft" getreten. In Bremerhaven und mehreren Bremer Umlandgemeinden wurden "regionale Volksparlamente" eingerichtet. Neben dem "Birati e.V." stellen auch diese "regionalen Volksparlamente" sowie verschiedene weitere Organisationen die Vertreter eines übergeordneten Volksparlaments. Während die Aktivitäten der Bremer PKK-Anhänger bisher hauptsächlich auf Weisung übergeordneter legaler und illegaler hierarchischer Strukturen zurückzuführen waren, sollten sie zukünftig demokratisch strukturiert werden. In der Praxis erfolgten jedoch bisher keine Veränderungen der Entscheidungsprozesse. "Kurdisch-deutscher Gemeinschaftsverein" in Bremerhaven Im Frühjahr 2013 wurde in Bremerhaven der "Kurdisch-deutsche Gemeinschaftsverein" gegründet, der wiederum in einem Abhängigkeitsverhältnis zum "Birati e.V." steht. Die Eintragung in das Vereinsregister Bremen erfolgte am 19. Juni 2014. Die Mitglieder organisieren regelmäßig Feierlichkeiten, bei denen u.a. dem PKK-Führer Öcalan gehuldigt wird. Z.B. veranstaltete der Verein eine friedliche Kundgebung am 06. August 2016 mit ca. 40 Teilnehmern unter dem Motto: "Freiheit für Abdullah Öcalan und Frieden in Kurdistan - Die Isolation Abdullah Öcalans muss eine Ende haben - Die aktuelle Lage in Kurdistan und der Türkei". Am 10. November 2016 führte er eine störungsfrei verlaufene Veranstaltung in Bremerhaven durch, bei der ca. 120 Teilnehmer "Maßnahmen der deutschen Regierung hinsichtlich einer Korrektur/ Maßregelung der türkischen Regierung" forderten. Werbung und Rekrutierung für die PKK-Guerilla Die Kampfhandlungen in Syrien und im Irak haben die Bereitschaft der PKK-Anhänger, sich für den bewaffneten Kampf rekrutieren zu lassen, gesteigert. Sie folgen u.a. Aufrufen, die von der PKK nahestehenden Medien auf einschlägigen Internetseiten, in (Jugend-)Zeitschriften oder auf Großveranstaltungen wie dem jährlichen kurdischen Kulturfestival verbreitet werden. Auch von den örtlichen Vereinen organisierte sogenannte "Märtyrerveranstaltungen", bei denen gefallene Guerilla-Kämpfer glorifiziert werden bereiten den Boden für Rekrutierungen. Unterstützung der PYD und PKK durch öffentliche Einrichtungen Es ist weiterhin festzustellen, dass sich die örtlichen Funktionäre der PYD und der PKK verstärkt an öffentliche Einrichtungen in Bremen sowie im Umland wenden, um Unterstützung für Ihre Ziele bzw. Projekte zu erhalten. So werden beispielsweise Anfragen zur Nutzung öffentlicher Räumlichkeiten an 84 Behörden und Einrichtungen gestellt, Spendengeldsammlungen zugunsten vermeintlich humanitärer Zwecke mit Unterstützung öffentlicher Einrichtungen beworben und Zuschüsse für "kulturelle Darbietungen" beantragt. Zum Teil sind die Bemühungen der Organisationen erfolgreich. PKK und PYD nutzen ihre zurzeit positive Wahrnehmung in Öffentlichkeit und Politik einerseits, um ihre gesellschaftlichen und politischen Kontakte auszubauen, und andererseits, um gezielt eigene Vertreter in politisch und gesellschaftlich wichtige Strukturen zu bringen. Ziele dieser Bemühungen sind die Aufhebung des PKK-Verbots, die Freilassung des PKK-Führers Öcalan und die Anerkennung der PKK als demokratische Vertretung der Kurden. 7.2 Türkischer Linksextremismus Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) Personenpotenzial: ca. 650 in Deutschland ca. 40 in Bremen Entstehung/Geschichte Im Jahr 1978 gründete sich in der Türkei die Gruppierung Revolutionäre Linke (Devrimci Sol), deren Ziel es war, das politische System in der Türkei mit Gewalt zu stürzen und den Kommunismus einzuführen. 1983 wurde die Gruppierung in Deutschland aufgrund ihrer Aktivitäten verboten. 1993 spaltete sich die Devrimci Sol in der Türkei und es entstand unter der damaligen Führung von Dursun Karatas die DHKP-C als neue Organisation. Der politische Flügel der DHKP-C trägt den Namen Revolutionäre Volksbefreiungspartei (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - DHKP), der militärische Arm der DHKP-C trägt die Bezeichnung Revolutionäre Volksbefreiungsfront (Devrimci Halk Kurtulus Cephesi - DHKC). Anknüpfend an das Verbot von 1983 wurde die DHKP-C als Nachfolgeorganisation durch das Bundesministerium des Innern 1998 verboten und wird seit 2002 durch die Europäische Union als terroristische Vereinigung geführt. Nach einer Gewaltverzichtserklärung des DHKP-C-Führers Karatas Anfang 1999 sind keine gewaltsamen Aktionen im Bundesgebiet mehr festzustellen. Jedoch bezieht sich der Gewaltverzicht Logo der DHKP-C nur auf Deutschland und Europa, nicht aber auf die Türkei. Ideologie/Ziele Die DHKP-C ist eine marxistisch-leninistische Terrororganisation, die das Ziel verfolgt, das aktuell bestehende türkische Staatssystem durch eine bewaffnete Revolution zu zerschlagen und auf Grundlage des Marxismus-Leninismus ein sozialistisches Regime zu gründen. Ziel ist die Errichtung einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft im Sinne der kommunistischen Ideologie, wobei auch bewaffnete 85 Gewalt als legitimes Mittel zur Umsetzung angesehen wird. In der Vergangenheit kam es in der Türkei bereits zu terroristischen Aktionen, insbesondere gegen staatliche Einrichtungen. Neben der Türkei gelten insbesondere die USA als Hauptfeind. Nach Ansicht der DHKP-C wird die Türkei in politischer, wirtschaftlicher und vor allem militärischer Hinsicht vom "US-Imperialismus" dominiert. Die DHKP-C ist die bedeutendste türkische linksextremistische Organisation in Deutschland. Die Bundesrepublik dient der Organisation als ein wichtiger Rückzugsort für Strukturierung und Planung (sog. Rückfront). Die Anhänger entfalten ihre Aktivitäten aus Vereinen heraus, deren Satzungen keinen Rückschluss auf die Zugehörigkeit zur DHKP-C zulassen. Oftmals treten sie über ihre Tarnorganisation "Anatolische Föderation" bzw. "Volkskomitee" in Erscheinung. Die Organisation finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spendengeldsammlungen, Verkauf von Publikationen sowie durch Einnahmen aus Musikveranstaltungen. Ihre Schwerpunktthemen hierzulande sind Gefangenenbefreiung, Märtyrergedenken und Planung und Durchführung von Propaganda-Aktionen. Die ideologische Ausrichtung sowie die Aktivitäten der DHKP-C richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährden mit ihrem Bestreben die Innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Ereignisse/Veranstaltungen Die Übergriffe auf Flüchtlingslager, der Konflikt in Syrien, der Umgang der türkischen Regierung mit der kurdischen Bevölkerung und der Presse - alle diese Ereignisse haben auch in Bremen die Anhänger der DHKP-C auf die Straßen bewegt, um sich mit ideologisch nahen Gruppierungen, wie z.B. mit kurdischen bzw. deutschen Linksbündnissen, gemeinsam gegen den "Faschismus, den Nationalismus und den Islamismus" solidarisch zu zeigen und zum Widerstand gegen die imperialistischen Mächte und die Vorhaben der türkischen Regierung aufzurufen. Die Aktivitäten in Deutschland hängen jedoch nicht nur ausschließlich von den politischen Ereignissen in der Türkei ab, sondern auch von der Strafverfolgung deutscher Behörden gegen DHKP-C-Anhänger. So protestierten die Anhänger u.a. gegen die Haftbedingungen von Mitgliedern der DHKP-C-nahen "Anatolischen Föderation e.V." und sonstigen "Freiheitskämpfern". Die Inhaftierung wird als Ausdruck staatlicher Repression angesehen und als Isolationsfolter dargestellt. Die Festnahme des hochrangigen Führungsfunktionärs Musa Asoglu Anfang Dezember 2016 in Hamburg löste innerhalb der Organisation ebenfalls bundesweite Proteste aus. Da Europa und insbesondere Deutschland für die DHKP-C als Rückzugsraum für ihre Planung unverzichtbar ist, sind militante oder unfriedliche Aktivitäten hierzulande eher unwahrscheinlich. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die politischen Verhältnisse in der Türkei auch zukünftig den Anlass geben werden, die Heimatorganisation ideologisch zu unterstützen und sie bei ihrem bewaffneten Widerstand zu finanzieren. 7.3 Türkischer Rechtsextremismus "Ülkücü"(Idealisten)-Bewegung 86 Personenpotenzial: ca. 11.000 in Deutschland ca. 200 in Bremen Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten-Vereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF) Entstehung/Geschichte Logo der ADÜTDF 1978 gründete sich in Frankfurt am Main die heutige Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten-Vereine in Deutschland e.V. Der aktuelle Generalsekretär ist Sentürk Dogruyol. Zahlenmäßig ist sie die anhängerstärkste Gruppierung in der "Ülkücü"-Bewegung außerhalb der Türkei. Die Föderation und ihre bundesweiten Mitgliedsvereine (Ülkü Ocaklari, d.h. Idealistenvereine) gelten als ein Sammelbecken extrem nationalistischer Personen mit türkischem Migrationshintergrund. Ihre Mitglieder sind auch bekannt unter dem Namen "Graue Wölfe" (Bozkurtlar). Politisch und ideologisch orientieren sie sich an der türkischen rechtsextremistischen Partei der Nationalistischen Bewegung, der MHP. Als europäische Dachorganisation fungiert die "Türkische Konföderation in Europa (ATK)". Zu den Erkennungszeichen der ADÜTDF gehören u.a. der mit den Fingern der rechten Hand geformte "Wolfsgruß" sowie das Logo der MHP, das drei weiße Halbmonde auf rotem Untergrund zeigt. Finanziert wird die Föderation durch Mitgliedsbeiträge, Spendengelder, Sponsoring und Einnahmen von Musikveranstaltungen. Ideologie/Ziele Ideologisch bekennen sich die ADÜTDF und ihre Mitgliedsvereine zu Alparslan Türkes, dem 1997 verstorbenen Gründer der MHP. Der ehemalige Oberst wird weiterhin uneingeschränkt als ewiger Führer ("Basbug") verehrt. Ihm folgt der Parteivorsitzende der MHP Devlet Bahceli. Die Ideologie der MHP - und somit auch der ADÜTDF - stützt sich u.a. auf den Gedanken des Panturkismus, d.h. einer Vereinigung aller Turkvölker - vom Balkan bis nach Zentralasien - unter der Führung einer "Großtürkei", angelehnt an das Osmanische Reich. Sie sehen die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als höchsten Wert an. Prägend für die Bewegung ist ein übersteigerter türkischer Nationalismus, mit einer Überhöhung der eigenen Ethnie. Damit einher geht eine Abwertung anderer Ethnien wie beispielsweise Kurden, Armeniern, Griechen und Juden. Logo der "Grauen Wölfe" und Im Außenverhältnis geben sich die Ülkücü-Vereine überwiegend legalistisch und der rituelle "Wolfsgruß" demokratisch. In der Vergangenheit wurde den Mitgliedern von führenden Persönlichkeiten sogar nahegelegt, ihre demokratischen Rechte in Deutschland wahrzunehmen und sich politisch und gesellschaftlich zu betätigen, um Einfluss auszuüben. So sind im Bundesgebiet Anhänger der Ülkücü-Bewegung in Parteien tätig, aber auch in Ausländerbeiräten und anderen Gremien vertreten. Dies darf insoweit nicht als Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstanden werden, sondern als gezielte politische Einflussnahme im Sinne einer nationalistischen Ideologie. Die ADÜTDF sieht sich nicht nur als alleinige Hüterin der Ideologie der "Nationalistischen Bewegung" in Deutschland, sondern generell als Hüterin türkischer Werte und Kultur. Eine derartige auf Volkszugehörigkeit und übersteigertem Nationalismus gründende Identität kann in einer pluralistisch geprägten Gesellschaft jedoch unterschiedliche Konflikte hervorrufen. Sie führt nicht zuletzt zu Intoleranz gegenüber anderen Völkern. Dies widerstrebt dem Gedanken der Völkerverständigung, ist gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet und wirkt einer Integration in die 87 deutsche Gesellschaft entgegen. Ereignisse/Veranstaltungen Deutschland ist in der Organisationsstruktur der ADÜTDF in mehrere Gebiete (Bölge) unterteilt. Bremen gehört gemeinsam mit Hamburg, Neumünster, Lübeck und Kiel zum Nordverbund (Bölge-Nord). Der Dachverband findet seine lokale Vertretung in Bremen und Bremerhaven in dem Verein "Türkische Familienunion in Bremen und Umgebung e.V." wieder. Der Verein unterhält enge Kontakte zum Nordverbund. Im vergangenen Jahr organisierten die Mitglieder regelmäßig familiäre Aktivitäten in Großraumsälen zur Förderung der Solidarität, zum Schutz der kulturellen und religiösen Werte und der Entwicklung des Nachwuchses. Wenn es sich auch nicht vorrangig um Propaganda-Veranstaltungen handelt, ist die ideologische Ausrichtung und Verbreitung des Gedankenguts allgegenwärtig. Der Putschversuch in der Türkei und der anschließende Schulterschluss der MHPFührung mit der türkischen Regierungspartei AKP spaltete die Ülkücü-Bewegung in zwei Lager. Während ein Teil der Anhänger weiterhin der politischen Linie Atatürks folgt, hegt der andere Teil zunehmend Sympathien für die politischen Maßgaben der AKP und die türkische Führung. Ursächlich hierfür waren insbesondere die Einstellung der Friedensverhandlungen mit den Kurden, die Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe und die Bekämpfung ihrer politischen Vertreter im Rahmen des ausgerufenen Notstandes. Für die Verbreitung der Ideologie der Ülkücü-Bewegung in Deutschland wird insbesondere im Internet auf verschiedenen Plattformen geworben. Hierbei wird u.a. in diversen lokalen und überregionalen Facebook-Gruppen gegen politische Gegner und Völker gehetzt und an das nun gemeinsame türkische Nationalbewusstsein appelliert. Konflikte in der Türkei, insbesondere im Zusammenhang mit dem Putschversuch und dem rigorosen Vorgehen gegen das kurdische Volk und seine politischen Vertreter, finden ihre Fortsetzung in Deutschland. Die Gewaltbereitschaft und das Aggressionspotenzial zwischen nationalistischen und kurdischen Jugendgruppen hat auch in Deutschland eine höhere Stufe erreicht. Politisch motivierte Straftaten, wie z.B. Sachbeschädigungen an Vereinshäusern oder Körperverletzungsdelikte im Nachgang von öffentlichen Veranstaltungen, haben bundesweit erheblich zugenommen. So kam es z.B. auch in Bremen am 05. November 2016 am Rande einer Großveranstaltung des "Birati e.V." mit rund 1.200 Teilnehmern zu einem Übergriff gegen einen türkischstämmigen Außenstehenden durch Teilnehmer des Aufzuges. 88 8 Unterstützungsaufgaben des LfV 89 8 Unterstützungsaufgaben des LfV Dem LfV obliegt nicht nur die Beobachtung extremistischer Bestrebungen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sondern es trägt über umfangreiche Prüfungen ebenfalls dazu bei, Sicherheitsrisiken in Behörden oder privaten Unternehmen zu minimieren. Geheimschutz Der Geheimschutz hat die Aufgabe, Informationen und Vorgänge, deren BekanntGeheimhaltungsgrade werden den Bestand, die Sicherheit oder sonstige Interessen der Bundesrepublik von Verschlusssachen (VS) Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden, vor unbefugter Kenntnisnahme (SS 5 BremSÜG) zu schützen. Der Schutz dieser sogenannten Verschlusssachen (VS) wird durch . . STRENG GEHEIM Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. . GEHEIM . Geheimschutz findet nicht nur in Behörden statt, sondern auch in Unternehmen, VS-VERTRAULICH die im Auftrag des Staates mit Verschlusssachen umgehen und demzufolge die VS-NUR FÜR DEN Regelungen des personellen und materiellen Geheimschutzes zu beachten haben. DIENSTGEBRAUCH Geheimschutzbetreute Unternehmen sind z.B. Betriebe, die im Bereich der wehrtechnischen Forschung oder Produktion tätig sind. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen und regelt z.B., in welcher Weise VS-Dokumente aufbewahrt und verwaltet werden müssen. Die Einzelheiten ergeben sich im Wesentlichen aus der Verschlusssachenanweisung des Landes Bremen. Dort ist jeweils in Abhängigkeit vom Geheimhaltungsgrad auch die Erforderlichkeit von Tresoren und Alarmanlagen geregelt. Das LfV ist zentraler Ansprechpartner für alle bremischen Behörden, die mit VS-Material umgehen. Es berät und unterstützt diese bei der Erfüllung der Anforderungen des materiellen Geheimschutzes. Personeller Geheimschutz Der personelle Geheimschutz soll sicherstellen, dass in Bereichen, die mit VS-Material umgehen, keine Person beschäftigt wird, von der ein Sicherheitsrisiko ausgeht. Zu diesem Zweck und nur mit vorheriger Zustimmung des Betroffenen finden individuelle Sicherheitsüberprüfungen statt. Das LfV wirkt an den Sicherheitsüberprüfungen mit. Seine fachliche Bewertung dient der zuständigen Behörde als Entscheidungshilfe, bevor sie eine Person mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut. Abstufung von Sicherheitsüberprüfungen (SS 8 BremSÜG) . . (Ü1) - einfache Sicherheitsüberprüfung . (Ü2) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü3) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen 90 Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Geheimhaltungsgrades, zu dem die Person Zugang erhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Ehegatte oder Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personen auf die betroffene Person auswirken können. Weitere Sicherheitsüberprüfungen Der Ausschluss von individuellen Sicherheitsrisiken ist nicht nur im Bereich des Geheimschutzes, sondern auch in anderen Arbeitsbereichen von Bedeutung. So sieht u.a. das Luftsicherheitsgesetz, Sprengstoffgesetz und Bremische Hafensicherheitsgesetz vergleichbare Überprüfungen der in diesen Bereichen in der Regel bei privaten Unternehmen beschäftigten Personen vor. Auch an diesen Sicherheitsüberprüfungen wirkt das LfV mit. Regelanfragen im Bereich des Einbürgerungsund Aufenthaltsrechts Zu den Aufgaben des LfV gehört darüber hinaus die Beantwortung von Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungsverfahren und vor der Erteilung von Aufenthaltstiteln. Durch die große Zahl der anfallenden Prüfungen bilden diese Bereiche den Schwerpunkt der personenbezogenen Prüfungen für das LfV. 91 Personenanzahl 8.000 7.000 7.052 6.000 5.000 4.000 4.289 3.500 3.000 2.500 2.559 2.315 2.000 1.500 1.234 1.138 1.000 500 2015 18 46 52 76 2016 0 Regelanfragen Regelanfragen vor ZuverlässigkeitsZuverlässigkeitsZuverlässigkeitsim Rahmen Erteilung oder überprüfungen überprüfungen überprüfungen gemäß von Verlängerung einer gemäß dem gemäß dem dem Einbürgerungen AufenthaltsLuftsicherheitsHafensicherheitsSprengstoffgesetz genehmigung gesetz gesetz 92 Anhang Übersicht extremistischer Bestrebungen in Bremen Mitglieder / Personenpotenzial 93 Organisation / Gruppierung / Szene Medien / Publikationen in Deutschland in Bremen "Deutsche Stimme" Rechtsextremismus www.npd.de "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) ca. 5.000 ca. 25 Neonazistische Szene ca. 5.800 ca. 30 Subkulturelle Szene ca. 8.500 ca. 70 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ca. 10.000 ca. 100 "Interim" "Indymedia": http://de.indymedia.org "LaRage" "end of road": http// Linksextremismus endofroad.blogsport.de Gewaltorientierte linksextremistische Szene ca. 7.700 ca. 220 "Die Rote Hilfe" www.rote-hilfe.de Islamismus Salafistische Bestrebungen ca. 9.700 ca. 380 www.islamhb.de www.masjidulfurqan"Islamisches Kulturzentrum 400-500 bremen.de Bremen e.V." (IKZ) (Freitagsgebet) "Hizb Allah"/ "IGMG Perspektif" "Al-Mustafa"Camia" Gemeinschaft e.V." ca. 950 ca. 50 www.igmg.de www.almustafa.de 94 Organisation / Gruppierung / Szene Mitglieder / Personenpotenzial in Deutschland in Bremen Ausländerextremismus "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und Nachfolgeorganisationen ("Kongra Gel") ca. 14.000 ca. 300 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) ca. 650 ca. 40 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) ca. 7.000 ca. 200 Politisch motivierte Kriminalität in Bremen 2012-2016 Politisch motivierte Ausländerkriminalität 95 Straftaten 2012 2013 2014 2015 2016 gesamt 23 16 44 34 52 davon extremistische Delikte 23 15 27 22 36 davon Gewaltdelikte 2 1 9 2 13 Politisch motivierte Kriminalität "Rechts" Straftaten 2012 2013 2014 2015 2016 gesamt 127 115 142 126 122 davon Propagandadelikte 86 82 117 74 68 davon Gewaltdelikte 4 2 4 6 13 Politisch motivierte Kriminalität "Links" Straftaten 2012 2013 2014 2015 2016 gesamt 82 116 77 88 70 davon extremistische Delikte 78 95 32 41 32 davon Gewaltdelikte 22 17 8 7 14 96 Impressum Herausgeber: Der Senator für Inneres Contrescarpe 22-24 28203 Bremen www.inneres.bremen.de Redaktion: Landesamt für Verfassungsschutz Bremen Flughafenallee 23 28199 Bremen Tel.: 0421 53 77-0 Fax: 0421 53 77-195 office@lfv.bremen.de www.verfassungsschutz.bremen.de Gestaltung: moltkedesign, Bremen Fotos: LfV Titelbild: Dienstgebäude des Senators für Inneres Druck: Zertani Die Druck GmbH Erscheinungsdatum: 16. Juni 2017 Aktualisierte Version: 12. Juni 2018 97 Senator für Inneres und Sport 99 Freie Hansestadt Bremen