Senator für Inneres Verfassungsschutzbericht 2015 Freie Hansestadt Bremen 2 Senator für Inneres 3 Verfassungsschutzbericht 2015 Freie Hansestadt Bremen 4 Vorwort 5 Noch nie war die Anschlagsfrequenz islamistisch motivierter terroristischer Anschläge in Europa so hoch wie seit Beginn des Jahres 2015. Allein durch die Anschläge am 7. Januar und 13. November in Paris sowie am 22. März 2016 in Brüssel waren rund 200 Todesopfer und viele hunderte Verletzte zu beklagen. Daneben verübten im selben Zeitraum salafistisch geprägte Einzeltäter weitere Anschläge oder Attentate: in Kopenhagen am 14. Februar, im Thalys-Schnellzug zwischen Belgien und Frankreich am 21. August und in London am 6. Dezember. In Oberursel konnte ein geplanter Anschlag auf ein Radrennen am 30. April noch gerade rechtzeitig durch die Polizei, der geplante Massenmord im Thalys durch das beherzte Eingreifen mehrerer Passagiere verhindert werden. Bereits zu Beginn des Jahres 2015 bestand im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine sehr ernst zu nehmende Gefährdung durch islamistisch motivierten Terrorismus. Diese Lageeinschätzung der Bundessicherheitsbehörden sowie in Einzelfällen darüber hinausgehende konkrete Warnhinweise führten in einzelnen deutschen Städten zu Ausnahmesituationen, die das öffentliche Leben zumindest vorübergehend einschränkten und zu Absagen großer Ereignisse führten. Bereits zu Beginn des Jahres, am 16. Februar 2015, war dies in Braunschweig der Fall. Einen vergleichbaren Sachstand gab es dann in Bremen am 27./28. Februar, gefolgt von Oberursel am 30. April, Hannover am 17. November und München am 31. Dezember. In Brüssel war das öffentliche Leben aufgrund einer Terrorwarnung fast eine ganze Woche (21. bis 26. November 2015) lahmgelegt. Der apokalyptischen Strategie des sogenannten "Islamischen Staates" und anderer islamistischer Terrororganisationen wie der "Jabhat al-Nusra" oder "al-Qaida" folgend, sind weitere Anschläge in Europa und Deutschland geplant; möglicherweise in noch höherer Frequenz und in noch größerem Ausmaß. Besonders auffällig ist, dass sich die Mehrheit der aus Europa stammenden Kämpfer aus der salafistischen Szene rekrutiert hat. Vor diesem Hintergrund müssen uns deren steigende Anhängerzahlen alarmieren. Ende des Jahres 2015 zählten die Verfassungsschutzbehörden in Deutschland ca. 8.650 Salafisten, von denen rund 800 bereits ins Kampfgebiet des "Islamischen Staates" nach Syrien oder in den Irak ausgereist waren. Darunter war auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von jungen Frauen mit ihren Kindern, deren Motivation nicht in der Teilnahme am Kampf liegt, sondern vornehmlich aus dem Glauben heraus erfolgt, der "Islamische Staat" würde ihnen eine ernsthafte bessere Perspektive zum derzeitigen Leben in der Bundesrepublik Deutschland bieten. Bereits hier wird deutlich, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, sich mit den Ursachen der Radikalisierung und der Hinwendung zum Salafismus auseinanderzusetzen und frühzeitig über die darin liegenden Gefahren aufzuklären. Daher habe ich auf der Innenministerkonferenz Ende 2015 erfolgreich eine "Nationale Präventionsstrategie" gefordert, der sich alle ebenfalls verantwortlichen Ressorts wie Soziales, Bildung und Justiz anschließen müssen, unter Hinzuziehung der Expertise aus der Wissenschaft. Der salafistischen Szene in Bremen sind ca. 360 Personen zuzurechnen. Diese Zahl ist bereits seit dem Jahr 2013 praktisch konstant. Im Gegensatz dazu hat sich die Zahl der Salafisten in der Bundesrepublik Deutschland im selben Zeitraum mehr als verdoppelt. Bezogen auf die Einwohnerzahl oder im Vergleich zu den Städten 6 Hamburg und Berlin ist die Zahl von 360 Salafisten jedoch noch immer sehr hoch. Erfolgsfaktor für die Stagnation in Bremen ist eine "Nulltoleranzstrategie" der Sicherheitsund Ordnungsbehörden sowie des Senators für Inneres. Nachdem ich im Dezember 2014 den "Kultur & Familien Verein e.V." verboten habe, folgte im Februar 2016 das Verbot des Nachfolgevereins "Islamischer Förderverein Bremen e.V.". Daneben wurden diverse Ausreiseverbote ausgesprochen und Strafverfahren eingeleitet. Viele der notwendigen Erkenntnisse zur Durchführung dieser Maßnahmen wurden durch die intensive und gute Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen gewonnen. Um vor den Gefahren des Salafismus zu warnen, engagiert sich das Landesamt für Verfassungsschutz neben einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit auch in Form von Vorträgen im Rahmen von Schulungsmaßnahmen vielfältiger Bedarfsträger, wie Bildung, Justiz oder Soziales. Als jüngeres Beispiel möchte ich die Schulung der Träger von Flüchtlingsunterkünften aufzählen. Dies ist notwendig geworden, weil die Salafisten nicht davor zurückschrecken, gezielt neue Sympathisanten unter den Flüchtlingen zu werben. Ebenso wichtig ist allerdings die Säule der Präventionsarbeit. Auch hier fungiert das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen "als Motor", ist aber selbst keine Präventionsbehörde. Die enge Kooperation mit den Ressorts Soziales, Bildung und Justiz führte in Bremen im Jahr 2015 zu einer abgestimmten Präventionsstrategie auf Landesebene, in deren "Fahrwasser" neue Präventionsprojekte zur Bekämpfung der salafistischen Ideologie entstanden sind. Die Zahl von 24 Bremerinnen und Bremern (Stand: 18. April 2016), die seit Beginn des Jahres 2014 ausgereist sind, um sich dem "Islamischen Staat" anzuschließen, zeigt, dass weitere Herausforderungen warten. Mit derselben Intensität, mit der Präventionsarbeit betrieben wird, müssen für die Rückkehrer Deradikalisierungsprogramme zur Verfügung gestellt werden. Neben der Beobachtung des Salafismus und des islamistischen Terrorismus steht nach wie vor die Beobachtung des Rechtsextremismus im Fokus und bildet einen Aufgabenschwerpunkt des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen. Bundesweit gab es im Jahr 2015 einen massiven Anstieg der gewaltsamen Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland (fünf Mal so hoch wie im Jahr 2014). Deutlich gestiegen ist nicht nur die Zahl der Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, sondern auch die Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge selbst. Neben Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte wurden auch Moscheen attackiert. Von dieser extremen Zunahme an Straftaten gegen Flüchtlinge und Muslime und deren Einrichtungen ist Bremen bisher verschont geblieben. Die Muslime dienen Rechtsextremisten, aber auch Rechtspopulisten, als kollektives Feindbild. Diese Entwicklung stellt eine erhebliche Bedrohung für das gesellschaftliche Klima und die demokratische Kultur in Deutschland dar und gilt es gesamtgesellschaftlich zu bekämpfen. Wenngleich Täter in vielen Fällen unerkannt bleiben, tragen Rechtsextremisten maßgeblich zur gewaltgeladenen Stimmung in der Gesellschaft bei. Besonders in sozialen Netzwerken schüren Rechtsextremisten nicht nur 7 eine pauschale Ausländerund Fremdenfeindlichkeit, vielmehr zeigen sich dort offener Hass gegen Flüchtlinge und Aufrufe zu Gewalttaten. Es gilt zu verhindern, dass rechtsextremistische Propaganda, an deren Verbreitung sich in hohem Maße auch Rechtsextremisten aus Bremen beteiligen, in weitere Übergriffe auf Flüchtlinge mündet. Daher wird auch in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz in der Beobachtung rechtsextremistischer Bestrebungen in Bremen und Bremerhaven liegen. Nährboden für Rechtsextremisten ist der Rechtspopulismus. Rechtspopulistische Bestrebungen oder Parteien werden nicht durch den Verfassungsschutz beobachtet. Der gesetzliche Auftrag umfasst nur die Beobachtung extremistischer Bestrebungen. Selbstverständlich prüft der Verfassungsschutz jedoch fortlaufend, ob rechtspopulistische Organisationen oder Parteien die Grenze zum Rechtsextremismus überschreiten. Ausländerund fremdenfeindliche Agitation allein erfüllt jedoch nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Die Demokratie wehrt sich erst dann mit staatlichen Institutionen, wenn das Ziel einer Bestrebung letztlich in der Abschaffung der Staatsordnung der Bundesrepublik Deutschland besteht oder zu Straftaten aufgerufen wird. Im Übrigen ist die Wahrung des gesamtgesellschaftlichen Friedens die Aufgabe aller Demokraten. Hier gilt es rechtspopulistischen Bestrebungen durch politische Auseinandersetzung entschieden entgegenzutreten. Auch der Gewalt von und durch autonome Linksextremisten ist entschieden zu begegnen. Diese Gewalt wird insbesondere durch eine Reihe von so bezeichneten militanten Anschlägen im Jahr 2015 deutlich. Die Aktionen belegen, wie handlungsfähig die gewaltorientierte linksextremistische Szene in Bremen und wie wichtig deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist. Insgesamt bleibt festzustellen, dass für eine wirksame Bekämpfung gewaltorientierter extremistischer und terroristischer Bestrebungen und Organisationen der Beobachtungsauftrag durch das Landesamt für Verfassungsschutz unverzichtbar ist und bleibt. Für die in 2015 geleistete wichtige Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen bedanke ich mich daher herzlich. Ulrich Mäurer Senator für Inneres 8 Inhalt Seitenzahl 10 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen 12 1.1 Bremisches Verfassungsschutzgesetz 12 1.2 Aufgaben des Verfassungsschutzes 15 1.3 Kontrolle des Verfassungsschutzes 16 1.4 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV 17 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV 18 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus 19 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus 22 3 Rechtsextremismus 23 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 24 3.2 NSU-Prozess 25 3.3 Rechtsextremistische Parteien 25 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 27 3.3.2 "Die Rechte" 28 3.4 Neonazistische Szene 31 3.5 Subkulturelle Szene 34 4 Linksextremismus 35 4.1 Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung 35 4.1.1 "Militante Aktionen" 39 4.1.2 Proteste gewaltorientierter Linksextremisten 45 4.2 Strukturen und Gruppierungen des 9 gewaltorientierten Linksextremismus 48 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus 49 5.1 Islamismus 51 5.2 Islamistischer Terrorismus 51 5.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 52 5.2.2 "Islamischer Staat" ("IS") 53 5.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen 55 5.2.4 Radikalisierte Einzeltäter 57 5.2.5 Internet und andere Medien 58 5.2.6 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 61 5.3 Salafistische Bestrebungen 64 5.3.1 Salafismus im Land Bremen 68 5.3.2 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 70 5.4 Weitere islamistische Bestrebungen in Bremen 72 6 Ausländerextremismus 74 6.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 78 6.2 Türkischer Linksextremismus 80 6.3 Türkischer Rechtsextremismus 82 7 Unterstützungsaufgaben des LfV 85 Anhang 90 Impressum 10 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Seitenzahl 11 1.1 Neues Bremisches Verfassungsschutzgesetz 12 1.2 Aufgaben des Verfassungsschutzes 15 1.3 Kontrolle des Verfassungsschutzes 16 1.4 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV 11 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Die Bedrohung Europas durch den islamistischen Terrorismus ist so hoch wie nie zuvor. Das haben die menschenverachtenden Anschläge zu Beginn und zu Ende des Jahres 2015 in Paris mit sehr vielen Toten und Verletzten gezeigt. Potenzielle Anschlagsziele müssen nicht zwingend einen hohen Symbolwert haben; insbesondere der sogenannte "Islamische Staat" ("IS") rief seine Anhänger im Jahr 2015 mit unzähligen Videobotschaften im Internet dazu auf, Anschläge an jedem Ort und zu jeder Zeit, auch mit einfachen Tatwerkzeugen, zu begehen. Dabei wurden auch explizit deutsche "IS"-Anhänger aufgefordert, Anschläge in Deutschland zu verüben. Dies erforderte auch im Jahr 2015 eine intensive Beobachtung der salafistischen Szene in Deutschland und in Bremen, aus der die Terroristen des sogenannten "IS" rekrutiert werden. Deutschland steht vor einer riesigen Herausforderung. Allein im Jahr 2015 sind geschätzt 1 Million Flüchtlinge ins Land gekommen. Rechtsextremisten und Populisten heizen die Diskussion über den Umgang mit der hohen Zahl von Flüchtlingen mit völkischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Hetzparolen an. Die Inhalte dieser Parolen reichen bis in die Mitte der Gesellschaft. Dort treffen sie auf Verlustängste und können so einen breiten Kreis erreichen. In dieser Gemengelage von Extremismus, Populismus und demokratischer Willensbildung ist es für den Verfassungsschutz ganz besonders wichtig, sauber zu trennen zwischen extremistischen Bestrebungen, für deren Beobachtung er zuständig ist, und demokratischen Willensbildungsprozessen in der Gesellschaft. Trotz des "aufgeheizten" Klimas in der deutschen Gesellschaft hat die Zahl der Rechtsextremisten bundesweit nur leicht zugenommen. Genauso verhält es sich auch im Land Bremen. Besorgniserregend ist dabei aber die hohe Zahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten. Sie machen bundesweit und in Bremen ungefähr die Hälfte aller Rechtsextremisten aus. Dies spiegelt sich auch in den hohen Zahlen der Brandanschläge und Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte sowie der menschenverachtenden Übergriffe gegen Flüchtlinge selbst im Jahr 2015 wider. Diese Zahlen sind in höchstem Maße alarmierend und beunruhigend und erfordern bei rechtsextremistischer Einflussnahme oder Agitation ein intensives Beobachten der Szene durch den Verfassungsschutz. Diese aktuelle fragile Situation in der Gesellschaft sowie die Bedrohung der Gesellschaft durch Terroristen von außen hat den Verfassungsschutz im Jahr 2015 gefordert wie nie zuvor. Dies wird im laufenden und in den kommenden Jahren so bleiben. 1.1 Bremisches Verfassungsschutzgesetz Im Rahmen des Reformprozesses des Verfassungsschutzes wurde das Bremische Verfassungsschutzgesetz zum 1. Januar 2014 geändert; sämtliche Empfehlungen des "NSU"-Untersuchungsausschusses des Bundestages sind darin eingeflossen. 12 Neben klar definierten Grenzen der Informationserhebung, die den Datenschutz und den Kernbereich privater Lebensgestaltung von Betroffenen beachten, ist vor allem die parlamentarische Kontrolle gestärkt und die Transparenz erhöht worden. Konkret tragen drei wesentliche Neuerungen im Bremischen Verfassungsschutzgesetz dazu bei: . Regelungen zur Auswahl und zum Einsatz von V-Leuten. In Zukunft dürfen z.B. keine Personen als V-Leute angeworben werden, die wegen schwerer Straftaten . vorbestraft sind. Parlamentarischer Genehmigungsvorbehalt für den Einsatz von V-Leuten. Bislang . hatte der Einsatz von V-Leuten im Ermessen des Behördenleiters gestanden. Verfassungsschutz als Informationsdienstleister der Öffentlichkeit. Die neuen Regelungen, so haben die beiden letzten Jahre gezeigt, haben sich bewährt. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen (LfV) entwickelte sich bereits in den letzten Jahren zu einer modernen und transparenten Sicherheitsbehörde. Seit seiner Neuausrichtung im Jahr 2008 versteht sich das LfV als Dienstleister für andere Behörden und Bedarfsträger. Es bemühte sich verstärkt darum, die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) umfassender als zuvor über seine Tätigkeiten zu informieren und seine Erkenntnisse über extremistische Phänomene in Vorträgen, Ausstellungen und Veranstaltungen in der Öffentlichkeit transparenter zu machen. Ferner besteht in Bremen seit Jahren innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine enge Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei. 1.2 Aufgaben des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz gilt als "Frühwarnsystem" der Demokratie, da er verfassungsFreiheitliche demokratische feindliche Aktivitäten (extremistische Bestrebungen) und sicherheitsgefährdende Grundordnung Tätigkeiten erkennen soll. Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen Die Wesensmerkmale der freiheitDeutschlands mit dem Nationalsozialismus ist unser demokratischer Rechtsstaat mit lichen demokratischen Grundordeinem Warnund Schutzsystem ausgestattet. Das Prinzip der "wehrhaften Demokra- . nung sind: tie" trägt der Entschlossenheit des Staates Rechnung, sich gegenüber den Feinden die Achtung vor den im der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu wehren. Es zeigt sich etwa am Grundgesetz konkretisierten Festschreiben eines unveränderlichen Kerns einer Grundund Werteordnung, die . Menschenrechten selbst vor Verfassungsänderungen geschützt ist ("Ewigkeitsklausel", Art. 79 Abs. 3 . die Volkssouveränität Grundgesetz (GG)). Neben den Staatsstrukturprinzipien von Demokratie und Rechts- . die Gewaltenteilung staatlichkeit sind dadurch vor allem die wesentlichen Freiheitsrechte des Einzelnen die Verantwortlichkeit der abgesichert, allen voran der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Ergänzt . Regierung wird die "Wehrhaftigkeit" durch die Möglichkeit des Verbots von Parteien und sonsdie Gesetzmäßigkeit der tigen Vereinigungen wegen verfassungswidriger Aktivitäten (Art. 21 Abs. 2 GG, . Verwaltung Art. 9 Abs. 2 GG) oder durch die Verwirkung von Grundrechten, wenn diese im die Unabhängigkeit der Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden . Gerichte (Art. 18 GG). . das Mehrparteienprinzip die Chancengleichheit für alle Das LfV hat folgende im Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen politischen Parteien mit dem (SS 3 BremVerfSchG) normierte Aufgaben: Die Beobachtung von Bestrebungen, die . Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die . Opposition Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen . auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Das LfV ist auch zuständig für die Spionageabwehr im Land Bremen. Daneben unterstützt es im Rahmen seiner Mitwirkungsaufgaben Sicherheitsüberprüfungen von Personen zum Zweck des Geheimund Sabotageschutzes. Zu den Aufgaben des LfV zählen weiterhin die regelmäßige Unterrichtung von Senat und Bürgerschaft über die Sicherheitslage im Land Bremen und die Information der 13 Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Letzteres wird unter anderem durch die Veröffentlichung des jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichtes gewährleistet. Der Verfassungsschutzbericht beruht auf den Erkenntnissen, die das LfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gewonnen hat. Der Bericht stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Gruppierungen oder Ereignisse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen. Beobachtungsschwerpunkte Das LfV beobachtet Bestrebungen in den Phänomenbereichen Rechtsextremismus, islamistischer Terrorismus und Salafismus, Linksextremismus sowie Ausländerextremismus. Dabei stehen die gewaltbereiten Kräfte aus den einzelnen Phänomenbereichen jeweils im Fokus der Beobachtung. Nicht zuletzt verdeutlichte die rechtsterroristische Gruppierung NSU die neue Qualität der Bedrohung der Inneren Sicherheit, welche heute von radikalisierten Einzeltätern und Kleingruppen ausgeht, die nicht zwingend in extremistische Strukturen eingebunden sein müssen. Selbiges gilt für den islamistischen Terrorismus. Mit der Fokussierung auf Gewalt veränderte sich auch insofern der Blickwinkel des Verfassungsschutzes, als nunmehr auch verstärkt VerbinDas Bremische Verfassungsdungen zwischen Extremisten und gewaltaffinen Gruppierungen in die Beobachtung schutzgesetz (BremVerfSchG) einbezogen werden. Dies gilt besonders für den Bereich Rechtsextremismus. regelt die Aufgaben und BefugExemplarisch hierfür stehen die Bündnisse von Hooligans und Rechtsextremisten nisse sowie die Rechtsstellung ("Hooligans gegen Salafisten" ("HoGeSa")). des LfV und seine Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder Informationsgewinnung und des Bundes. Das Artikel 10-Gesetz Einen Großteil seiner Informationen gewinnt der Verfassungsschutz aus offen zugäng(G 10) regelt die Befugnisse der lichen Quellen, wie z.B. Publikationen, Internetseiten und sozialen Netzwerken sowie deutschen Nachrichtendienste öffentlichen Veranstaltungen. Durch die offene Informationsgewinnung entsteht allerzu Eingriffen in das durch Artikel dings selten ein vollständiges Bild extremistischer Bestrebungen. Gegenüber konspira10 des Grundgesetzes garantiven Methoden versagt sie völlig. Um auch getarnte oder geheim gehaltene Aktivitäten tierte Brief-, Postund Fernmelbeobachten zu können, setzt der Verfassungsschutz vor allem im Bereich gewaltoriendegeheimnis. tierter Bestrebungen die verdeckte Informationsgewinnung ein, u.a. durch den Einsatz von Vertrauensleuten (V-Leuten), Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie Das Bremische Sicherheitsdie Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. überprüfungsgesetz (BremSÜG) regelt die Voraussetzungen und das Verfahren Gesetzliche Grundlagen zur Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit bestimmten sicherheitsempfindlichen Gesetze VerhältnismäßigkeitsTrennungsgebot Tätigkeiten betraut werden grundsatz sollen (Sicherheitsüberprüfung) (keine Befugnisse keine Exekutivoder bereits betraut worden sind ohne gesetzliche befugnisse (Aktualisierungsbzw. WiederRegelung) (keine Geheimpolizei) holungsprüfung). BremVerfSchG, Die Gesetze sind im Internet Artikel 10-Gesetz abrufbar unter: und bremisches www.verfassungsschutz. Ausführungsgesetz, bremen.de BremSÜG Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei Unter Beachtung des Trennungsgebotes stellte die Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Verfassungsschutz und Polizei einen Schwerpunkt des bisherigen Prozesses der Neuausrichtung dar. So trägt das im November 2012 eingerichtete "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ), 14 an dem sich Polizei und Verfassungsschutz gleichermaßen beteiligen, zum effizienteren Informationsaustausch innerhalb der Sicherheitsbehörden bei. Dabei ging das seit Dezember 2011 bestehende "Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus" (GAR) im GETZ auf. Das GETZ ist nach dem Vorbild des im Bereich des islamistischen Terrorismus erfolgreich operierenden "Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums" (GTAZ) geschaffen worden. Die Einrichtung von Untergremien im GETZ, in Gestalt einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) sowie einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS), soll insbesondere die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden verbessern. Zu einem besseren Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei trägt auch die im Dezember 2011 eingerichtete Plattform "Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus" (KIAR) bei. Die seit September 2012 bestehende "Rechtsextremismusdatei" (RED) sichert einen schnellen Austausch von Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten zwischen Verfassungsschutz und Polizei. "Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) Die effektive Bekämpfung des islamistischen Terrorismus kann eine nachrichtendienstliche Behörde nicht alleine bewältigen. Aus diesem Grund wurde 2004 das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) geschaffen, ein Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Vorrangige Aufgabe des GTAZ ist es, für einen reibungslosen Austausch von Erkenntnissen zu sorgen und operative Maßnahmen abzustimmen. Bundesamt für GeneralbundesMigration und anwalt Flüchtlinge Bundesamt für BundeskriminalVerfassungsamt schutz 16 Landes16 Landesämter kriminalämter GTAZ für VerfassungsPI AS N I AS schutz BundesnachrichBundespolizei tendienst Militärischer Zollkriminalamt Abschirmdienst "Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) Das 2012 neu eingerichtete "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) ist ebenfalls ein Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Das GETZ beschäftigt sich mit den Phänomenbereichen Ausländer-, Linksund Rechtsextremismus sowie der Spionageabwehr. 15 Bundesamt für BundeskriminalGeneralbundesVerfassungsamt anwalt schutz 16 Landesämter Bundespolizei für Verfassungs- N I AS schutz PI AS Bundesnachrich16 Landeskriminalämter GETZ tendienst Europol Militärischer Abschirmdienst 1.3 Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Arbeit des LfV unterliegt der parlamentarischen Kontrolle durch die Bremische Bürgerschaft (Parlamentarische Kontrollkommission und G 10-Kommission). Die Aufsicht über die Verfassungsschutzbehörde führt die Behördenleitung des Senators für Inneres. Maßnahmen des LfV sind auch gerichtlich überprüfbar. Parlamentarische Parlamentarische Parlamentarische Kontrolle Kontrolle Kontrolle Parlamentarische Parlament G 10-Kommission Kontrollkommission LfV Bremen VerwaltungsGerichtliche Öffentliche kontrolle Kontrolle Kontrolle Senator für Inneres VerwaltungsBürger gerichtlicher (Auskunftsrecht) Landesbeauftragte für Rechtsschutz Datenschutz und Presse Informationsfreiheit Bremen Landesrechnungshof Parlamentarische Kontrollkommission Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird durch den Senator für Inneres über die allgemeine Tätigkeit des LfV sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung fortlaufend und umfassend unterrichtet. Die PKK hat das Recht, Einsicht in 16 Akten und andere Unterlagen zu nehmen, und hat Zugang zu Einrichtungen des LfV. Die PKK der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die Bürgerschaft zu Beginn jeder Wahlperiode aus ihrer Mitte wählt. Daneben können nicht in der PKK vertretene Fraktionen einen ständigen Gast in die PKK entsenden. Die Kommission tritt mindestens alle drei Monate zusammen. Ihre Beratungen unterliegen der Geheimhaltungspflicht. G 10-Kommission Die G 10-Kommission entscheidet über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem G 10-Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene. Die G 10-Kommission der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die PKK zu Beginn jeder Wahlperiode wählt. Der Vorsitzende besitzt die Befähigung zum Richteramt. 1.4 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV Zur Erfüllung seiner Aufgaben gab das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen im Haushaltsjahr 2015 für Personal 2.320.763 Euro (2014: 2.114.095 Euro) und für Sachmittel 740.190 Euro (2014: 708.286 Euro) aus. Die Investiven Ausgaben betrugen 2015 49.258 Euro (2014: 94.873 Euro). Das Gesamtausgabevolumen lag 2015 bei 3.110.211 Euro (2014: 2.917.254 Euro). Das Beschäftigungsvolumen umfasste 2015 51,0 Vollzeiteinheiten (2014: 46,0). 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV 17 Seitenzahl 18 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus 19 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus 18 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV Die Bekämpfung extremistischer Aktivitäten erfolgt in einer Demokratie in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext. Aus diesem Grund ist es dem LfV ein besonderes Anliegen, das Wissen des Verfassungsschutzes für die Aufklärung und Meinungsbildung, aber auch für die erfolgreiche Präventionsarbeit anderer Träger in Staat und Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Öffentlichkeitsarbeit des LfV bezieht sich auf die Beobachtungsschwerpunkte der Bereiche Rechtsextremismus und Islamismus. 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus Das LfV ist Partner des "Demokratiezentrums" des Landes Bremen und unterstützt im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit die umfassende und seit Jahren bestehende Präventionsarbeit der verschiedenen Initiativen, Institutionen und Behörden im Land Bremen. Daneben ist das LfV bestrebt, mit eigenen Initiativen die Prävention vor rechtsextremistischen Gefahren zu fördern, etwa durch eigene Ausstellungen und Vorträge. Vorträge zum Thema Rechtsextremismus Die zu diesem Thema angebotenen Vorträge richten sich insbesondere an Behörden, Einrichtungen, Vereine und Schulen. In den Vorträgen können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden, so kann es um aktuelle Entwicklungen und neue Erscheinungsformen im Rechtsextremismus oder den Rechtsextremismus im Lande Bremen gehen. "reset" - neues Beratungsund Betreuungsangebot bei der Distanzierung vom Rechtsextremismus Mit der Beratungsstelle "reset" gibt es in Bremen ein Projekt zur Beratung und Begleitung für junge Personen bei der Distanzierung vom Rechtsextremismus. Gefördert wird die Beratungsstelle "reset" durch das Bundesprogramm "Toleranz fördern - Kompetenz stärken" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In Bremen liegt die Trägerschaft beim Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit e.V. (VAJA). "reset" ist als Erstkontaktstelle für Personen konzipiert, die aus der rechtsextremistischen Szene aussteigen wollen oder Fragen zum Thema haben. Das Beratungsund Betreuungsangebot von "reset" richtet sich vorrangig an junge Personen, die bereit sind, sich in eine langfristige Auseinandersetzung mit ihrer rechtsextremistischen Haltung zu begeben. Dabei sollen vor allem Jugendliche angesprochen werden, die mit der rechtsextremistischen Szene sympathisieren, Kontakt: erste Kontakte geknüpft haben oder sich bereits in der Szene verorten. Ein besonde"reset" rer Fokus des Angebots liegt auf Mädchen und jungen Frauen, deren Rolle innerhalb Tel.: 0157 774 536 38 oder rechtsextremistischer Strukturen lange Zeit kaum beachtet wurde. Die Beratung und 0157 525 105 27 Begleitung von "reset" ist freiwillig, kostenlos und absolut vertraulich. E-Mail: reset@vaja-bremen.de 19 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus Die Öffentlichkeitsarbeit des LfV im Bereich Islamismus verfolgt das Ziel, die öffentliche Debatte über Islam und Islamismus zu versachlichen und die bremische Bevölkerung über islamistische Bestrebungen zu informieren. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Behörden und zivilgesellschaftlichen Stellen sollen unter den Überschriften "Sensibilisierung und Früherkennung" in die Lage versetzt werden, zwischen legitimer Religionsausübung und dem eventuellen Abdriften einer Person in extremistische Kreise zu unterscheiden. Zentrales Anliegen ist es, dabei zu helfen, die Radikalisierung junger Personen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, bevor die Sicherheitsbehörden aktiv werden müssen. Islamisten in Bremen Personenanzahl 700.000 Land Bremen 659.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 188.000 100.000 80.000 40.000 440 0 GesamtbeBevölkerung mit Ausländer Muslime Islamisten völkerung Migrationshintergrund Islamisten stellen eine kleine Minderheit unter den Muslimen in Bremen. (Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, LfV) LfV im Dialog mit muslimischen Verbänden Das LfV pflegt seit Jahren einen Dialog mit den in Bremen tätigen muslimischen Verbänden "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" (DITIB), "Verband der islamischen Kulturzentren" (VIKZ), "Islamische Föderation Bremen" (IFB) und seit 2012 auch mit der "Ahmadiyya-Gemeinde". Die Verbände DITIB, VIKZ und IFB 20 verstehen sich als Interessenvertretungen für religiöse und allgemeine Belange der Muslime. Sie nehmen zumeist ehrenamtlich Aufgaben im sozialen Bereich wahr, insbesondere in der Integrations-, Jugendund Bildungsarbeit. Vorrangiges Ziel des Dialoges zwischen LfV und den muslimischen Verbänden ist es, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und Vorbehalte abzubauen. Des Weiteren finden auch anlassbezogene Treffen statt, so z.B. zum Thema Hooligans oder "IS". Vorträge zum Thema Islamismus Zur Aufklärung der aktuellen Situation in Bremen und neuen Entwicklungen im Themenbereich Islamismus bietet das LfV Vorträge für Einrichtungen, Vereine und Schulen an. In den Vorträgen können unterschiedliche Themenschwerpunkte gesetzt werden, so zum Beispiel islamistische Szene in Bremen, Salafismus, Islamismus oder Islam, muslimisches Leben in Deutschland und Jugendkulturen. Im Jahr 2015 nutzten zahlreiche Schulen, Jugendfreizeitheime, Behörden sowie verschiedene zivilgesellschaftliche und politische Institutionen dieses Angebot. Hier hört die Tätigkeit des LfV allerdings auf. Prävention durch Beratung wird durch andere Institutionen zur Verfügung gestellt, wie die Beratungsstelle "kitab". Bundesweites Beratungsnetzwerk und Beratungsstelle in Bremen "kitab" Von der seit 2012 bestehenden Beratungsstelle "Radikalisierung" des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) können sich Personen telefonisch beraten lassen, die die Radikalisierung einer Person in ihrem Umfeld wahrnehmen. Die Telefonnummer der Beratungsstelle lautet: 0911 9434343. Bundesweit verfügt die Beratungsstelle über regionale Partner. In Bremen existiert die Beratungsstelle "kitab", die vom "Verein für Akzeptierende Jugendarbeit e.V." Kontakt: (Vaja) getragen wird. Das Angebot bietet insbesondere Eltern, Angehörigen, Lehrern "kitab" und Sozialarbeitern Hilfestellungen und Unterstützung im Umgang mit Jugendlichen Internet: www.vaja-bremen.de/ oder jungen Erwachsenen, die sich möglicherweise islamistischen Gruppen zuwenteams-vaja-kitab.htm den. Auch die Betroffenen können sich an "kitab" wenden. Die Mitarbeiter der BeraTel.: 0157 381 652-06/-02 tungsstelle in Bremen sind werktags zwischen 9 und 15 Uhr und nach Vereinbarung E-Mail: kitab@vaja-bremen.de erreichbar. Die Beratung erfolgt auch in türkischer Sprache. Mitarbeit in verschiedenen Gremien und an Präventionsveranstaltungen Salafismusprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, welche behördenübergreifend und in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erfolgen muss. Das LfV bringt seine Expertise in verschiedenen Gremien, die sich mit dem Thema befassen, ein, beansprucht jedoch keine Federführung. So ist das LfV mitverantwortlich für die Erstellung des Präventionskonzeptes gegen religiös begründeten Extremismus und Islamfeindlichkeit. In dessen Rahmen erfüllt es die Aufgabe der Sensibilisierung über die Themen Radikalisierung und Präventionsmöglichkeiten. Zudem war das LfV Mitglied in der durch die ressortübergreifende Lenkungsgruppe "Schule, Jugendhilfe, Polizei, Justiz und Senatskanzlei" beauftragten Expertenrunde, welche ein Eckpunktepapier zum Umgang mit menschenrechtsund demokratiefeindlichem Verhalten von Jugendlichen in Bremer Schulen entwickelt hat. Ebenso nahm ein Referent des LfV am 17. November 2015 an einem durch die Herbert-Quandt-Stiftung in Kooperation mit dem LIS organisierten Fachtag zum Thema Salafismus für Lehrer teil. Auch auf Bundesebene ist das LfV auf verschiedenen Gebieten in der Präventionsund Deradikalisierungsarbeit aktiv. So ist es Mitglied in den Bund-Länder-Arbeitsgruppen "Deradikalisierung", der verfassungsschutzinternen AG "Deradikalisierung und Prävention" sowie in der, auf Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) vom 4. bis 6. Dezember 2013 eingerichteten, AG zur Erstellung und Fortschreibung einer bundesweiten Rahmenkonzeption zur Implementierung von "Präventionsnetzwerken gegen Salafismus". 21 Der Senator für Inneres hat zudem auf den Sitzungen der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Innenministerkonferenz - IMK) am 24.-26. Juni 2015 und 3.-4.Dezember 2015 die Entwicklung einer Nationalen Präventions-strategie gegen gewaltbereiten Extremismus gefordert. Ziel dieser Initiative ist es, durch eine effektive Verknüpfung aller beteiligten staatlichen Akteure in diesem Feld eine größtmögliche Wirkung von Präventionsund Deradikalisierungsmaßnahmen zu erreichen. Die Innenministerkonferenz hat sich dieser Forderung am 4. Dezember 2015 angeschlossen; Bremen ist an dem Entwicklungsprozess einer solchen Nationalen Präventionsstrategie beteiligt. 22 3 Rechtsextremismus Seitenzahl 23 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 24 3.2 NSU-Prozess 25 3.3 Rechtsextremistische Parteien 25 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 27 3.3.2 "Die Rechte" 28 3.4 Neonazistische Szene 31 3.5 Subkulturelle Szene 23 3 Rechtsextremismus Im Fokus rechtsextremistischer Agitation stand im Jahr 2015 die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland. Die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte ist bundesweit stark gestiegen. Während sich die überwiegende Zahl der Anschläge zunächst gegen geplante oder unbewohnte Flüchtlingsunterkünfte richtete, wurden zum Ende des Jahres 2015 vermehrt auch Anschläge gegen von Flüchtlingen bewohnte Unterkünfte begangen. Das zeigt, dass die Hemmschwelle der Täter gesunken ist, schwere Straftaten zu verüben, bei denen Personen ernsthaft verletzt oder gar getötet werden. Obwohl nicht jeder dieser Anschläge Tätern zugerechnet werden kann, die ideologisch und organisatorisch fest in der rechtsextremistischen Szene verankert sind, so ist der tiefe Hass gegen alles Fremde, der in diesen Taten zum Ausdruck kommt, ein zentraler Bestandteil der rechtsextremistischen Ideologie. Rechtsextremisten greifen in der politischen Diskussion reale Probleme auf, die sich mit der Unterbringung von Flüchtlingen und der Integration von Asylbewerbern ergeben, und betten sie in übersteigerte Bedrohungsszenarien ein, um vermeintlich einfache Lösungen aufzuzeigen. Offen rechtsextremistische Propaganda oder ihre eigentliche Intention stellen sie häufig in den Hintergrund, um Personen aus dem bürgerlichen Spektrum für ihre politischen Ziele zu gewinnen. Stark gestiegen ist bundesweit auch die Zahl der Initiativen, Demonstrationen und Veranstaltungen, die sich im Jahr 2015 gegen die Flüchtlingsund Asylpolitik richteten. Wenngleich der Schwerpunkt der Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und der "Anti-Asyl"-Demonstrationen in anderen Bundesländern liegt, so trägt auch die rechtsextremistische Szene in Bremen insbesondere mit ihrer im Internet verbreiteten Propaganda zum gestiegenen Aggressionsund Gewaltpotenzial der gesamten rechtsextremistischen Szene in Deutschland bei. 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild Rechtsextremismus ist keine in sich geschlossene Ideologie, sondern eine Weltanschauung, die sich vor allem gegen die fundamentale Gleichheit aller Menschen richtet (Ideologie der Ungleichheit). Trotz der Erfahrungen Deutschlands während der Zeit des Nationalsozialismus ist der Rechtsextremismus durch Einstellungen geprägt, die geschichtliche Tatsachen leugnen und tendenziell zur Verharmlosung, Rechtfertigung oder gar Verherrlichung nationalsozialistischer Verbrechen einschließlich des Holocausts beitragen. Geschichtsrevisionistische Positionen sind in unterschiedlicher Ausprägung in der rechtsextremistischen Szene verbreitet, insbesondere die neonazistische Szene greift Symbolik und Tradition des Nationalsozialismus auf und nimmt Gedenktage zum Anlass für Veranstaltungen. Im Mittelpunkt der rechtsextremisti- schen Ideologie stehen zwei Elemente: Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Fremdenfeindlichkeit umschreibt eine ablehnende Haltung gegenüber allem, was als fremd und deshalb bedrohlich oder minderwertig empfunden wird. Abgelehnt werden vor allem Ausländer, Muslime, Obdachlose, Behinderte und Homosexuelle. Als Formen der Fremdenfeindlichkeit gelten Ausländerund Islamfeindlichkeit sowie Antisemitismus. Ausländerfeindlichkeit bezieht sich auf die Feindseligkeit gegenüber 24 Ausländern, während Islamfeindlichkeit die Abwertung von Personen wegen ihrer religiösen Überzeugung beschreibt, die häufig jedoch auch auf ethnische Zugehörigkeit oder Nationalität abstellt. Antisemitismus meint die Feindseligkeit gegenüber Juden, die häufig politisch, kulturell oder rassistisch begründet und vielfach mit Verschwörungstheorien untermauert wird. Rassismus bezieht sich ausschließlich auf äußere Merkmale. Beim Rassismus wird aus genetischen Merkmalen der Menschen eine naturgegebene Rangordnung abgeleitet und zwischen "wertvollen" und "minderwertigen" Rassen unterschieden. Rassismus nimmt Einfluss auf das zweite zentrale Element rechtsextremistischer Weltanschauung, den Nationalismus. Unter Nationalismus ist ein übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung der eigenen Nation zu verstehen. Rechtsextremisten sind der Überzeugung, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation, Ethnie oder Rasse über den Wert eines Menschen entscheidet. Die eigene Nation wird dabei gegenüber anderen als höherwertig eingestuft. Sie wird als ein so wichtiges, absoluZentrale Merkmale des tes Gut angesehen, dass ihr sowohl Interessen und Werte anderer Nationalitäten als Rechtsextremismus auch die (Bürgerund Menschen-)Rechte jedes Einzelnen unterzuordnen sind. 1. Ablehnung der universellen Gleichheit aller Menschen Das Ziel von Rechtsextremisten besteht darin, die pluralistische Gesellschaftsord2. Verachtung des demokranung durch die einer "Volksgemeinschaft" zu ersetzen, in der der totalitäre Staat und tischen Verfassungsstaates; das ethnisch homogene Volk miteinander verschmelzen. Der demokratisch verfasste Bevorzugung autoritärer und Rechtsstaat soll einem nach dem Führerprinzip ausgerichteten totalitären Staat totalitärer Staatsmodelle weichen, der von einer Einheitspartei beherrscht wird. Diese antidemokratischen 3. Aggressiver Nationalismus Vorstellungen stehen im Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes und der (Konzept der "Volksgemeinfreiheitlichen demokratischen Grundordnung. Fremdenfeindlichkeit als Grundelement schaft") und Fremdenfeindlichrechtsextremistischen Denkens ist weder mit dem Prinzip der Menschenwürde noch keit mit dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen vereinbar. Das autoritäre Staatsver4. Verharmlosung, Relativierung ständnis und das antipluralistische Gesellschaftsverständnis widersprechen wesentoder Leugnung der unter lichen Demokratieprinzipien, wie der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität oder nationalsozialistischer Herrdem Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition. Der Schutz der freiheitlichen schaft begangenen Verdemokratischen Grundordnung durch Beobachtung des Rechtsextremismus in brechen (Revisionismus) seinen unterschiedlichen Facetten und Organisationsformen ist eine der zentralen Aufgaben des LfV gemäß dem Bremischen Verfassungsschutzgesetz. 3.2 NSU-Prozess Der im Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht München begonnene Strafprozess richtet sich nach dem Selbstmord der beiden Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahr 2011 gegen das einzige noch lebende NSU-Mitglied Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer. Die Mitglieder des NSU lebten rund 13 Jahre im Untergrund und ermordeten in den Jahren von 2000 bis 2007 insgesamt zehn Personen vor allem aus fremdenfeindlichen und rassistischen Motiven. Darüber hinaus beging das Trio mindestens zwei Bombenanschläge und 15 bewaffnete Raubüberfälle. Ein Ende des Prozesses ist noch nicht absehbar. 3.3 Rechtsextremistische Parteien Im rechtsextremistischen Parteienspektrum stellt die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) nach wie vor eine Partei von bundesweiter Bedeutung dar. Daneben gründeten sich in den letzten Jahren weitere Parteien, die nicht in allen Bundesländern vertreten sind, wie die neonazistisch ausgerichtete rechtsextremis25 tische Partei "Die Rechte". 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 gegründete NPD stellt mit rund 5.200 Mitgliedern im Jahr 2015 die mitgliederstärkste der rechtsextremistischen Parteien in Deutschland dar, wenngleich sie seit 2008 einen Mitgliederrückgang verzeichnet. In Bremen zählt die Partei etwa 30 Mitglieder. Noch im Jahr 2012 verfügte die Bremer NPD über einen Mitgliederstand von rund 50 Personen. Verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD Die NPD vertritt offen fremdenfeindliche, rassistische und nationalistische Positionen. Ihre verfassungsfeindliche Ausrichtung kommt in dem 2010 verabschiedeten Parteiprogramm "Arbeit. Familie. Vaterland." zum Ausdruck. Allen politischen, ökonomischen und sozialen Themenbereichen oder Sachfragen liegt hier das Konzept der "Volksgemeinschaft" zugrunde und damit ein antiindividualistisches Menschenbild sowie ein identitäres Politikund Staatsverständnis. Unter "Volksgemeinschaft" Banner der NPD verstehen Rechtsextremisten ein streng hierarchisches Gemeinwesen, in dem der Staat und das ethnisch homogene Volk zu einer Einheit verschmelzen. Die "Volksgemeinschaft" als Gegenentwurf zur Demokratie gilt für die NPD als alternativloses Konzept. Die Leitidee der "Volksgemeinschaft" findet sich u.a. in einer 2012 veröffentlichten NPD-Broschüre "Wortgewandt/Argumente für Mandatsund Funktionsträger". Im Kapitel zur Ausländerpolitik wird gefordert, dass Deutschland durch eine "rechtsstaatlich abgesicherte Ausländerrückführung" "das Land der Deutschen" bleiben müsse. Deutscher sei - entsprechend dem Verständnis der NPD - nicht derjenige, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, vielmehr gelte das Abstammungsprinzip. Die NPD spricht zumindest nichteuropäischen Migranten kategorisch das Aufenthaltsrecht ab. Den Islam bewertet die Partei als "fremdkörperhafte Aggressionsreligion" in Mitteleuropa und erkennt ihm das Existenzrecht in Deutschland ab. Strategie der NPD Die NPD konnte ihre dominante Rolle im rechtsextremistischen Parteienlager letztmalig mit der Fusion der rechtsextremistischen Partei "Deutsche Volksunion" (DVU) 2011 festigen, wenngleich sie dadurch weder einen erheblichen Mitgliederzuwachs noch eine Erhöhung ihres Aktionspotenzials erfuhr. Ihren Führungsanspruch im rechtsextremistischen Spektrum formulierte die NPD bereits im Jahr 2004 mit der "Volksfront von rechts". Das Konzept beschrieb den Versuch der Partei, alle "nationalen Kräfte" unter ihrer Führung zu bündeln, und läutete eine Phase der engen Zusammenarbeit zwischen NPD und Neonazis ein, die mancherorts bis heute anhält. Von Seiten der neonazistischen "Freien Kräfte" war die strategische Zusammenarbeit mit der NPD im Jahr 2009 aufgekündigt worden. Gültigkeit besitzt noch heute die 1996 formulierte "Drei-Säulen-Strategie" ("Kampf um die Parlamente", "Kampf um die Straße" und "Kampf um die Köpfe"), die 2004 um eine vierte Säule ("Kampf um den organisierten Willen") erweitert wurde. Die "Vier-Säulen-Strategie" zielt auf die umfassende Bekämpfung des demokratischen Verfassungsstaates mit dem Schwerpunkt, öffentliche Präsenz durch Aufmärsche, Kundgebungen und die politische 26 Arbeit in Landesund Kommunalparlamenten zu zeigen. Die strategische Ausrichtung der Partei bestimmte maßgebend der bis 2011 amtierende NPD-Bundesvorsitzende Voigt, der 15 Jahre lang an der Spitze der Partei stand. NPD-Verbotsverfahren Das Bekanntwerden der Mordserie der rechtsterroristischen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im Jahr 2011 hatte erneut die Diskussion um ein NPD-Verbot entfacht. Der Bundesrat reichte im Dezember 2013 einen Antrag auf Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein. Als einziges der drei antragsberechtigten Staatsorgane hatte sich der Bundesrat zu einem solchen Antrag entschlossen, nachdem die Innenministerkonferenz (IMK) die Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens positiv beurteilt hatte. Die IMK traf ihre Einschätzung wiederum auf Grundlage einer Materialsammlung über die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der NPD, die von einer eigens dafür eingerichteten Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zusammengestellt worden war. Die in die Materialsammlung eingeflossenen Informationen und Belege stammen ausschließlich aus offen zugänglichen Quellen. Mit dieser Vorgehensweise ist auf das im Jahre 2003 gescheiterte Verbotsverfahren reagiert worden. Damals hatte das BVerfG das Verfahren eingestellt, weil belastende Informationen von "Vertrauensleuten" (V-Leuten) des Verfassungsschutzes stammten. Aus diesem Grund bescheinigten nunmehr die Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern in Form von dem Verbotsantrag beiliegenden Testaten die Quellenfreiheit der verwendeten Informationen. In einem weiteren Testat wurde die Abschaltung aller V-Leute auf Führungsebene bestätigt, um im Verfahren die "Gegnerfreiheit" aufseiten der Antragsgegnerin zu garantieren und sicherzustellen, dass die Prozessstrategie der NPD nicht durch V-Leute ausgeforscht werden kann; nach vorläufiger Bewertung des BVerfG in der mündlichen Verhandlung Anfang März 2016 ist dies hinreichend dargelegt worden. NPD in Bremen Die NPD trat als einzige rechtsextremistische Partei zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft am 10. Mai 2015 an. Die Partei erreichte insgesamt ein Ergebnis von 0,2 % der Stimmen, wobei sie lediglich im Wahlbereich Bremerhaven zur Wahl angetreten war. Bei der Bürgerschaftswahl 2011 war die NPD in beiden Wahlbereichen angetreten und hatte ein Ergebnis von 1,6 % der Stimmen erzielt. Neben der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) fanden gleichzeitig auch die Kommunalwahlen in Bremen statt, nämlich die Wahl zur Stadtbürgerschaft der Stadt Bremen, zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven und zu den Beiräten im Gebiet der Stadt Bremen. Die NPD erreichte mit 1,4 % der Stimmen nur ein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven, welches der seit 2003 amtierende NPD-Landesvorsitzende Horst Görmann wahrnimmt. Zuvor war die NPD auf kommunaler Ebene nicht nur in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven, sondern mit zwei Mandaten auch in den Beiräten der Stadt Bremen vertreten. Wahlplakat der NPD Die NPD führte 2015 einen sehr schwachen, öffentlich kaum wahrnehmbaren Wahlkampf. Die in Bremerhaven angemeldeten Infotische blieben unbeachtet oder wurden abgesagt. Eine im April 2015 unter dem Motto "Lehe wehrt sich" geplante Kundgebung in Bremerhaven war aufgrund mangelnder Beteiligung abgesagt worden. Zur Bürgerschaftswahl 2011 hatte die NPD einen intensiven Wahlkampf in Bremen geführt, den der Bundesverband sowohl personell als auch finanziell maßgeblich unterstützte. 27 Sowohl das Wahlergebnis als auch der schwache Wahlkampf verdeutlichen die seit mehreren Jahren zunehmende Handlungsunfähigkeit des Bremer Landesverbandes. Seit 2011 trat der NPD-Landesverband kaum noch öffentlich in Erscheinung. Auch im Internet erfuhr er lediglich geringe Unterstützung, so handelte es sich zum Beispiel bei den im Internet eingestellten Beiträgen zumeist um die des Bundesverbandes. Ein Grund für die Passivität des Landesverbandes ist sein Mangel an geeigneten Führungspersonen und die damit verbundene intellektuelle sowie organisatorische Schwäche. Der Bremer Landesverband kämpft seit Jahren mit einem starken Mitgliederrückgang, und es gelingt ihm nicht, insbesondere junge Aktivisten an sich zu binden. 3.3.2 "Die Rechte" Die 2012 von ehemaligen DVU-Mitgliedern und Neonazis gegründete rechtsextremistische Partei "Die Rechte" zählt zum Ende des Jahres 2015 etwa 700 Mitglieder. Ihr Parteigründer ist der Neonazi Christian Worch. Die Partei "Die Rechte" verfügt derzeit über mehrere Kreisund Landesverbände. In Bremen gründete sich im Oktober 2013 eine "Landesgruppe", deren "Landesbeauftragter" ein bekannter Bremer Neonazi ist. Die ideologische Ausrichtung der Partei ist heterogen, da sich unter den Parteimitgliedern neben ehemaligen NPDund DVU-Mitgliedern auch Neonazis befinden. Angetreten war die Partei 2012 mit dem Parteiprogramm der 2011 aufgelösten DVU, welches sie mit leichten Veränderungen übernommen hatte. Ihr organisatorischer Schwerpunkt befindet sich in Nordrhein-Westfalen, wo ihr aktivster und mitgliederstärkster Landesverband ist. Handlungsfähige Parteistrukturen existieren dort auch unterhalb der Ebene des Landesverbandes in den Kreisverbänden. Die Führungspositionen sind vor allem von früheren Aktivisten verbotener neonazistischer Kameradschaften besetzt. Insofern gilt der nordrhein-westfälische Landesverband als Auffangbecken für Neonazis, die ihre Aktivitäten und Veranstaltungen unter dem Deckmantel der Partei, d.h. unter Ausnutzung des Parteienprivilegs, fortführen können. Politische Parteien sind in besonderer Weise vor Verboten geschützt, da sie ausschließlich vom Bundesverfassungsgericht verboten werden können. Alle anderen Personenzusammenschlüsse wie Kameradschaften können hingegen vom zuständigen Innenminister oder -senator vereinsrechtlich verboten werden. Bremer "Landesgruppe" Der 2012 gegründeten Bremer "Landesgruppe" der Partei "Die Rechte" ist der Aufbau fester Organisationsstrukturen auch im Jahr 2015 nicht gelungen. So gibt es weiterhin weder einen Kreisnoch einen Landesverband in Bremen. Die stark neonazistisch ausgerichtete "Landesgruppe" thematisierte im Jahr 2015 auf ihrem gleichnamigen Facebook-Profil vor allem die Unterbringung von Flüchtlingen, "Gewalt von Ausländern gegen Deutsche" oder den "Erhalt der deutschen Kultur". Zur Verbreitung ihrer rechtsextremistischen Überzeugungen bezog die "Landesgruppe" häufig Stellung zu verschiedenen Themen ohne Nennung ihres extremistischen Hintergrunds. Ende des Jahres 2015 löschte das soziale Netzwerk Facebook sämtliche Profile der Partei. Die Löschung der Facebook-Seite wird in Bremen die Etablierung fester Parteistrukturen weiterhin erschweren. 28 3.4 Neonazistische Szene Die neonazistische Szene in Deutschland umfasste im Jahr 2015 etwa 5.800 Personen, davon in Bremen ungefähr 30 Personen. Die Zahl der Neonazis in Bremen stagnierte damit seit 2012. Relativ konstant geblieben ist auch die Zahl des bundesweiten neonazistischen Personenpotenzials seit 2011. So zählte die neonazistische Szene in Deutschland im Jahr 2007 rund 4.400 Personen, 2009 umfasste die Szene bereits etwa 5.000 Personen und im Jahr 2011 gehörten ihr rund 6.000 Personen an. Ideologie Wenngleich sich Aktionsund Organisationsformen der neonazistischen Szene wandeln, bleiben die ideologischen Grundüberzeugungen gleich. Neonazis vertreten Neonazis stark revisionistische Positionen. Sie zeichnen sich durch ihre starke Bezugnahme "Neonazi" ist die Kurzform für auf die nationalsozialistische Ideologie aus, sowohl in ihren Aktionsformen als auch "Neonationalsozialist". Fälschin ihrer Symbolik beziehen sie sich auf den Nationalsozialismus. Sie greifen die licherweise werden die Begriffe typischen rechtsextremistischen Ideologieelemente wie Fremdenund Islamfeind"Neonazi" und "Rechtsextremist" lichkeit, Rassismus und Nationalismus auf. Ihr Ziel besteht darin, die staatliche häufig synonym verwendet. Ordnung Deutschlands, die sie als "das System" bezeichnen, durch einen totalitären Neonazismus ist ein Teilbereich Führerstaat nationalsozialistischer Prägung mit einer ethnisch homogenen Bevölkedes Rechtsextremismus, der rungsstruktur zu ersetzen. Ethnische Vielfalt und Meinungsvielfalt bedrohen die dadurch gekennzeichnet ist, von Neonazis angestrebte "Volksgemeinschaft", die Personen ausländischer Herkunft dass er in der Tradition des kategorisch ausschließt und in der sich jedes Individuum dem vorgegebenen Nationalsozialismus steht. Gesamtwillen unterzuordnen hat. Trotz übereinstimmender Grundüberzeugungen Neonazis bezeichnen sich ist die neonazistische Szene ideologisch nicht homogen, die verschiedenen Ideoloselber häufig als "Freie Kräfte" gieelemente sind vielmehr je nach Gruppe unterschiedlich stark ausgeprägt. oder "Freie Nationalisten". Struktur der neonazistischen Szene Die neonazistische Szene in Deutschland ist in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden. Sie besteht heute zum größten Teil aus lose strukturierten Personenzusammenschlüssen. Das Organisationsmodell der Kameradschaften verliert zunehmend an Bedeutung. Bei Kameradschaften handelt es sich um regional oder lokal verankerte Gruppen mit einem relativ festen Aktivistenstamm, die sich längerfristig politisch engagieren. Überregional vernetzt waren Kameradschaften in sogenannten "Aktionsbüros", die sich ebenfalls in den letzten Jahren verstärkt auflösten. Das Kameradschaftsmodell hatte sich in den 1990er-Jahren als Reaktion auf die zahlreichen Verbote neonazistischer Vereine und Verbände als eine Organisationsform ohne formelle Strukturen entwickelt. Heute treten anstelle von Kameradschaften neue Formen der Organisation, die noch geringere Strukturen aufweisen. So bilden sich vermehrt kleine, informelle, regional verankerte Gruppierungen, die aufgrund enger persönlicher Kontakte keine größeren Organisationsstrukturen benötigen. Überregional vernetzt sind diese Kleingruppen über das Internet. Diese informelleren Formen der politischen Arbeit stellen eine Alternative zu der verbindlichen politischen Arbeit in Kameradschaften dar. Der Trend zum Verzicht auf Organisationsstrukturen, um Vereinsverbote zu erschweren und um möglichst wenig Ansatzpunkte für strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Gruppierungen zu bieten, wird sich einerseits fortsetzen. Andererseits zeigen auch die Gründungen der Parteien "Die Rechte" 2012 in Nordrhein-Westfalen oder "Der Weg" 2014 in Bayern, dass Neonazis auch bereit sind, sich unter dem Schutz einer Partei zu organisieren. Hier zeigt sich die Anpassungsfähigkeit der Szene: an ein Parteienverbot sind höhere gesetzliche Anforderungen gestellt als an ein Vereinsverbot, das auf diese Weise umgangen werden kann. Aktionsformen der neonazistischen Szene Zu den Aktionsformen der neonazistischen Szene zählen beispielsweise die "Autonomen Nationalisten" (AN) und "Die Unsterblichen". Die AN traten als eigenständige Aktionsund Organisationsform in Abgrenzung zum Organisationsmodell der Kameradschaften erstmals im Jahr 2003 insbesondere in Großstädten in Erscheinung. Zunächst hoben sich die AN wegen ihres Aktionsstils, wie die Bildung von "Schwar29 zen Blöcken", und ihres Bekleidungsstils, z.B. schwarze Kleidung, Kapuzenpullover und Baseball-Mützen, deutlich von der neonazistischen Szene ab, während ihr Stil heute von großen Teilen der Szene übernommen worden ist. "Die Unsterblichen" stellen eine erstmals 2011 initiierte Aktionsform der neonazistischen Szene dar. Dabei handelt es sich um unangemeldete Aufzüge von kurzer Dauer, sogenannte "Flashmobs", bei denen die Demonstranten dunkel gekleidet und einheitlich vermummt mit weißen Masken auftreten. Die konspirativ geplanten und zumeist nachts durchgeführten Spontandemonstrationen werden gefilmt und im Nachhinein im Internet verbreitet. Die Selbstdarstellung, durch die im Internet verbreiteten Videoaufnahmen von den Aufzügen, ist für die neonazistische Szene ebenso wichtig wie die Aktion selbst. Neonazistische Szene Bremens Im Jahr 2015 nahmen Neonazis aus Bremen an größeren Veranstaltungen der neonazistischen und subkulturellen Szene im gesamten Bundesgebiet teil. Ebenso wenig wie in den Vorjahren organisierte die neonazistische Szene öffentliche Veranstaltungen oder Demonstrationen in Bremen. Auch scheiterte der Versuch am 12. September 2015, kurzfristig eine Ersatzveranstaltung für den in Hamburg verbotenen "Tag der deutschen Patrioten" (TddP) durchzuführen. Die Polizei erteilte den Rechtsextremisten ein Betretungsverbot für Bremen und verhinderte mit ihrer massiven Präsenz am Bremer Hauptbahnhof ein Aufeinandertreffen von Rechtsextremisten und Gegendemonstranten. Die Aktivitäten der neonazistischen Szene beliefen sich überwiegend auf die Agitation in sozialen Netzwerken, in denen ihre Beiträge zum Teil mittels subtiler Propaganda und mit teils manipulierten Beiträgen eine hohe Verbreitung fanden. Darüber hinaus unterhalten mehrere Rechtsextremisten aus Bremen Online-Vertriebe, über die sie beispielsweise szenetypische Bekleidung, revisionistische Magazine oder Musik anbieten. Für diese Vertriebe werben sie insbesondere in sozialen Netzwerken. Die neonazistische Szene Bremens weist lediglich geringe Organisationsstrukturen auf. Mit der neonazistischen Kameradschaft "Freie Nationalisten Bremen" löste sich zuletzt 2011 eine der zentralen handlungsfähigen Gruppierungen in Bremen auf. In der Vergangenheit scheiterten diverse Versuche der Etablierung neuer neonazistischer Gruppierungen. "Identitäre Bewegung" Die im Jahr 2012 gegründete "Identitäre Bewegung" stellte insofern eine neuartige Aktionsund Organisationsform dar, als sich die Szene erstmals überregional projektartig im Internet organisierte. Anfänglich bestand die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) aus über 90 lokalen Kleingruppen, darunter die "Identitäre Bewegung Bremen" (IBB). 2014 gab sich die Bewegung eine neue Organisationsform, nunmehr gliedert sie sich in 15 regionale Gruppen. Die Bremer "Identitären" entfalteten 2015 keinerlei öffentliche Aktivitäten, sie unterhielten lediglich eine Facebook-Seite. Ideologisch wendet sich die "Identitäre Bewegung" gegen "kulturellen Verfall", "Multikulturalismus" sowie eine drohende "Islamisierung" und setzt sich für den Erhalt der "ethnokulturellen Identität der Deutschen" ein. Dabei bedient sie sich des Konzepts des Ethnopluralismus, dessen grundlegende Annahme die Verschiedenartigkeit der Völker ist. Migrationsprozesse würden diese Völkervielfalt bedrohen, Menschen entwurzeln und kulturelle Identitäten vernichten. Die Ethnienvielfalt könne letztlich nur 30 durch die Trennung der Völker bewahrt werden. Ethnopluralisten betonen, dass sich Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse, sondern aufgrund kultureller, regionaler und geografischer Faktoren unterscheiden. "Europäische Aktion" Die rechtsextremistische Gruppierung "Europäische Aktion" (EA) steht weniger als Beispiel für neue Aktionsformen als vielmehr für andere Organisationsformen neben Kameradschaften und kleinen, regional verankerten Gruppierungen. Bei der seit 2011 aktiven EA handelt es sich um "eine Bewegung zur politisch-kulturellen Erneuerung ganz Europas", in der sich vorwiegend europäische Holocaustleugner sammeln. In ihrer Programmatik ist die Bewegung vor allem stark revisionistisch, rassistisch und antisemitisch. Ihr Ziel ist ein Staatenbund unter dem Namen "Europäische Eidgenossenschaft", der die EU und NATO ablösen soll. Die 2010 in der Schweiz gegründete und zunächst unter der Bezeichnung "Bund Freies Europa" bestehende EA strebt daher die Zusammenarbeit von rechtsextremistischen Gruppen in Europa an und hat dazu deutschlandweit Stützpunkte errichtet. In die Führungsstruktur der EA sind namhafte Rechtsextremisten eingebunden, die über weitreichende Verbindungen in die verschiedenen Spektren des Rechtsextremismus verfügen. Mittels verbal-aggressiver Rhetorik erreicht die EA auch Zugang zu aktionsorientierten jüngeren Rechtsextremisten unterschiedlicher Ausrichtungen, die sie unter ihrem ideologischen Dach vereint. Auch in Bremen findet die EA Unterstützung durch einzelne Personen aus der rechtsextremistischen Szene. Rechtsextremistische Mischszene in Bremen In Bremen bestehen besonders enge Verbindungen zwischen rechtsextremistischen Parteien, neonazistischer und subkultureller Szene. Es gibt eine Vielzahl von personellen Überschneidungen, so ist es beispielsweise nicht ungewöhnlich, dass ein NPD-Mitglied zugleich in der neonazistischen Szene aktiv ist. Neben personellen Überschneidungen bestimmen vor allem enge persönliche Kontakte die Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene Bremens. Vielfach lassen sich dadurch die einzelnen Teilbereiche kaum mehr unterscheiden und führen zu einer rechtsextremistischen Mischszene. Nicht nur in Bremen, sondern bundesweit sind die Grenzen im aktionsorientierten Rechtsextremismus zwischen neonazistischer und subkultureller Szene in den letzten Jahren durchlässiger geworden. Eine erhöhte Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden verlangt darüber hinaus auch das Verschwimmen der Grenze von diesem gewaltbereiten, aktionsorientierten Rechtsextremismus zu gewaltaffinen Gruppierungen, wie z.B. Hooligans und Rockern. Das Bedrohungspotenzial liegt dabei weniger in der ideologischen Grundüberzeugung als vielmehr in der hohen Gewaltbereitschaft, die von Personen aus diesen Spektren ausgeht und die mittels rechtsextremistischer Einflussnahme instrumentalisiert werden können. Rechtsextremisten sind vielfach in der Lage, anlassund ereignisbezogen solche gewaltaffinen Gruppierungen zur Begehung von politisch motivierten Straftaten zu mobilisieren. Daher ist auch nicht nur die absolute Zahl der Rechtsextremisten maßgebend bei der Darstellung der rechtsextremistischen Bedrohung, sondern auch das sonstige gewaltbereite Rekrutierungspotenzial. Im Fokus des Verfassungsschutzes steht somit auch die verstärkte Beobachtung von jenen gewaltaffinen Gruppierungen, die vielerlei Verbindungen und vor allem persönliche Kontakte zur rechtsextremistischen Szene aufweisen. 3.5 Subkulturelle Szene Die subkulturelle rechtsextremistische Szene, zu der rechtsextremistische Skinheads, rechtsextremistische Hooligans und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten zählen, umfasste im Jahr 2015 bundesweit rund 8.200 Personen, davon etwa 60 Personen in Bremen. Bundesweit ist damit im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg 31 der Zahl der subkulturell geprägten Rechtsextremisten zu verzeichnen (2014: 7.200). In Bremen verdoppelte sich das subkulturelle Personenpotenzial innerhalb von wenigen Jahren (2014: 50 Personen; 2013: 40; 2012: 30). Ein Grund für die Zunahme ist die Attraktivität der subkulturellen Szene infolge ihres hohen Aktionspotenzials in den vergangenen Jahren. Mit subkultureller Szene sind Cliquen gemeint, die nicht unbedingt fest strukturiert oder hierarchisch organisiert sein müssen, sondern vor allem über die persönlichen Beziehungen der Cliquenmitglieder zusammengehalten werden. Ein wesentliches Merkmal der subkulturellen rechtsextremistischen Szene ist ihre niedrige Hemmschwelle zur Ausübung von Gewalt, die gerade in Verbindung mit Alkoholkonsum häufig zu spontanen Gewaltaktionen insbesondere im Rahmen von Konzertveranstaltungen führt. Rechtsextremistische Skinheads Für den subkulturell geprägten Lebensstil, der die Freizeitgestaltung wie z.B. Skinheads die Teilnahme an rechtsextremistischen Veranstaltungen und Konzerten in den Skinhead ist eine SammelbeVordergrund stellt, ist eine dauerhafte politische Arbeit nachrangig. So vertreten zeichnung für eine sehr heterorechtsextremistische Skinheads nach außen auch keine gefestigte Ideologie, gene Subkultur. Die Skinheadsondern hängen einem diffusen rechtsextremistischen Weltbild an, in dem FremdenBewegung besteht aus vielen feindlichkeit und Rassismus zentrale Elemente bilden. Das Erscheinungsbild der verschiedenen Gruppierungen, Skinheads hat sich in den letzten Jahren wesentlich verändert: Während sie vor wobei rechtsextremistische einigen Jahren noch an ihrer Glatze, an Springerstiefeln und Bomberjacken leicht Skinheads lediglich einen kleinen erkennbar waren, fallen sie heute mit normaler Kleidung in der Öffentlichkeit kaum Teil der Bewegung ausmachen. auf. Als Erkennungszeichen dienen hauptsächlich bestimmte szenetypische Zum Beispiel gibt es auch Kleidungsmarken, die oftmals nur noch von "Eingeweihten" als Identifikationsmerkantirassistische Skinheads, male zu erkennen sind. Das entscheidende Merkmal ist nicht länger die äußere die "Skinheads Against Racial Erscheinung, sondern vor allem die rechtsextremistische Musik. In einer Szene, Prejudice" (SHARP). Der Begriff die kaum über feste Organisationsstrukturen verfügt, sorgt sie für den nötigen Skinhead wird fälschlicherweise Zusammenhalt. häufig synonym zu Neonazi gebraucht. Rechtsextremistische Musik Die rechtsextremistische Musik hält nicht nur die subkulturelle Szene zusammen, sie erfüllt darüber hinaus eine "Klammerfunktion" zwischen der subkulturellen und der neonazistischen Szene sowie dem rechtsextremistischen Parteienspektrum. Konzerte haben in diesem Zusammenhang mehrere wichtige Funktionen: sie bilden eine Gelegenheit für Szene-Treffs und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl, auch weil sie häufig konspirativ organisiert sind. Des Weiteren erfolgt der Einstieg von Jugendlichen in die subkulturelle oder neonazistische Szene oftmals über die Musik, durch die typisch rechtsextremistische Feindbilder leicht vermittelt werden können. Um eine breite Zuhörerschaft zu erreichen, verdecken rechtsextremistische Bands zum Teil auch ihre ideologische Motivation und geben sich patriotisch. "Hammerskins" Die seit Beginn der 1990er-Jahre in Deutschland existierende rechtsextremistische Skinhead-Organisation "Hammerskins" beschäftigt sich vorwiegend mit der Planung und Durchführung rechtsextremistischer Konzerte. Das "Hammerskin-Chapter Bremen" existiert seit etwa 20 Jahren. Vor dem Hintergrund ihres rassistischen und 32 nationalistischen Weltbildes verfolgt die Organisation das Ziel, alle "weißen nationalen" Kräfte in einer weltweiten "Hammerskin-Nation" zu vereinigen. Die "Hammerskins" verstehen sich als Elite der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Im Gegensatz zur rechtsextremistischen Skinhead-Szene in Deutschland sind die 1988 in den USA gegründeten "Hammerskins" straff und hierarchisch organisiert. Die "Hammerskin Nation" ist in nationale Divisionen aufgeteilt, die wiederum in regionale "Chapter" gegliedert sind. In Deutschland gibt es derzeit etwa zehn "Chapter", wobei das "Hammerskin-Chapter Bremen" zu den ältesten gehört. Abgesehen von Konzertveranstaltungen treten die konspirativ agierenden "Hammerskins" selten öffentlich in Erscheinung. Rechtsextremistische Bremer Bands Die rechtsextremistische Musik-Szene Bremens ist insbesondere durch die Skinhead-Bands "Hetzjagd", "Endlöser", "Endstufe" und "Strafmass" sowie die rechtsextremistische Hooligan-Band "Kategorie C" über Deutschland hinaus bekannt. Sie treten bei rechtsextremistischen Konzerten in Deutschland und im europäischen Ausland auf. Die häufig wechselnden Besetzungen der Bands erwecken den Eindruck, als ob ein großer Personenkreis dahinterstehen würde, tatsächlich handelt es sich jedoch um eine geringe Personenzahl. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren der Schwerpunkt der Aktivitäten etlicher Bremer Bands in andere Bundesländer verschoben; viele Bandmitglieder leben seit Jahren nicht mehr in Bremen, weshalb auch Aufnahmen und Proben der Bands in anderen Bundesländern stattfinden. Die 1997 gegründete, bundesweit bekannte rechtsextremistische Hooligan-Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe" (KC) gilt als Bindeglied der Hooliganund der rechtsextremistischen Szene, weil sie in beiden Szenen vor allem wegen ihrer gewaltverherrlichenden Lieder sehr beliebt ist und insbesondere auch mit ihren Konzerten zum Zusammenhalt und zur Mobilisierung beiträgt. So stellte ihr Auftritt den Höhepunkt einer Demonstration unter dem Motto "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) 2014 in Köln dar, in deren Verlauf es teilweise massive gewalttätige Ausschreitungen zwischen den Hooligans und der Polizei gab. Mit der Wiederaufnahme des rechtsextremistischen Musik-Projektes "Nahkampf" 2014 bestätigte die Hooligan-Band ihre rechtsextremistische Ausrichtung. Die unter der Bezeichnung "Nahkampf" stattfindenden Aktivitäten und Aussagen weisen offen rechtsextremistische Inhalte auf. Die Band "Nahkampf" war Ende der 1980er-Jahre ebenfalls von dem KC-Bandleader gegründet worden und bis Mitte der 2000er-Jahre aktiv. Im Jahr 2015 absolvierten die Bandmitglieder im Namen beider rechtsextremistischer Bands ihre Auftritte. Die Hooligan-Band KC wurde bereits in den Jahren 2006 bis 2012 im Verfassungsschutzbericht im Kapitel Rechtsextremismus als "Verdachtsfall" aufgeführt, d.h. das bezüglich der Band Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung bestanden. Dies geschah im Einklang mit der damaligen Rechtsprechung zu Verfassungsschutzberichten. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2013 bedarf es für eine solche "Verdachtsberichterstattung" jedoch einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, die Norm zur Veröffentlichung von Verfassungsschutzberichten ist nach dieser Rechtsprechung nicht ausreichend. Diese Rechtsgrundlage hat der bremische Gesetzgeber im Zuge der Novellierung des Bremer Verfassungsschutzgesetzes zum 1. Januar 2014 geschaffen, sie kann jedoch nicht mehr die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte Berichterstattung nachträglich legitimieren. Die Aufnahme von KC unter der Rubrik Rechtsextremismus in den Verfassungsschutzberichten von 2006 bis 2012 war danach unzulässig. Die Tatsache, dass die Hooligan-Band inzwischen als nachgewiesen rechtsextremistisch einzustufen ist, bestätigt jedoch die inhaltliche Richtigkeit der in den Vorjahren 33 getroffenen Einschätzung. Rechtsextremistisch beeinflusste Hooligans Die Bremer Hooligan-Szene ist wegen der Hooligan-Gruppierungen "Standarte Bremen", "City Warriors" und "Nordsturm Brema" sowie der Fußballfan-Gruppierung "Farge Ultras" bundesweit bekannt. Diese Gruppierungen gelten als "rechtsextremistisch beeinflusst", das heißt, dass es sich bei einzelnen Mitgliedern um überzeugte Rechtsextremisten handelt. In der Regel sind Hooligans unpolitisch, lediglich ein kleiner Teil ist rechtsextremistisch oder fremdenfeindlich motiviert. Seit den 1980erJahren versuchen Rechtsextremisten, sowohl Hooligans gezielt abzuwerben und sie für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren als auch die Hooligan-Szene zu unterwandern. In Bremen bestehen seit Jahren enge Verbindungen zwischen der subkulturellen Hooliganund der neonazistischen Szene. Gegen die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen oder gegen Themen wie "Ausländergewalt" und "Salafismus" protestierten Rechtsextremisten als auch gewaltbereite Hooligans bundesweit im Jahr 2015. Bremer Aktivisten waren insbesondere auch in die Organisation solcher Demonstrationen eingebunden. In Bremen kam es darüber hinaus in der Vergangenheit mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen antifaschistisch geprägten "Ultras" und rechtsextremistisch beeinflussten Hooligans, so auch im Jahr 2015. An Protesten gegen Flüchtlinge beteiligten sich auch Mitglieder der subkulturellen rechtsextremistischen Gruppierung "Bruderschaft Nordic 12" im Jahr 2015. Die Gruppierung spaltete sich 2014 von der rechtsextremistischen Gruppierung "Brigade 8" ab. Die Zahl "12" in ihrem Namen steht nach Angaben der Gruppierung für die Strahlen der "Schwarzen Sonne", die ein eindeutig rechtsextremistisches Symbol darstellt. Die Gruppierung gibt sich patriotisch und bedient sich eines martialischen Erscheinungsbilds und der Organisationsstrukturen von Motorradclubs, ohne jedoch ein Motorradclub zu sein. So tragen ihre Anhänger beispielsweise mit Aufnähern versehene Westen, sogenannte "Kutten". 34 4 Linksextremismus Seitenzahl 35 4.1 Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung 35 4.1.1 "Militante Aktionen" 39 4.1.2 Proteste gewaltorientierter Linksextremisten 45 4.2 Strukturen und Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus 35 4 Linksextremismus In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu linksextremistischen Gewalttaten in Deutschland. Gewaltorientierte Linksextremisten begingen nicht nur zahlreiche Sachbeschädigungen, sondern nahmen bei gezielten Angriffen auf Polizisten in Kauf, ihnen ernsthafte Verletzungen zuzufügen. In Bremen zeigt insbesondere die jüngste Serie "militanter Aktionen", wie handlungsfähig die gewaltorientierte linksextremistische Szene ist. 4.1 Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung Gewaltorientierte Linksextremisten befürworten zur Durchsetzung ihrer politischen Forderungen die Anwendung von Gewalt gegen den Staat, seine Einrichtungen und Repräsentanten sowie gegen rechtsextremistische Strukturen und Personen. Mit "militanten Aktionen" wollen sie über die Herbeiführung "chaotischer Zustände" letztlich die Unregierbarkeit des Staates erreichen. "Militante Aktionen" werden u.a. mit der von Staat und Gesellschaft ausgehenden "strukturellen Gewalt" gerechtfertigt. Gewalt dient nicht nur als Mittel zur Bekämpfung des "staatlichen Repressionsapparates", sondern bildet zugleich auch ein identitätsstiftendes Merkmal. Viele Angehörige der gewaltorientierten Szene sehen darin einen Akt der individuellen Selbstbefreiung. Mit ihrer Einstellung, politische Ziele gewaltsam zu verfolgen, setzen sie sich über das Gewaltmonopol des Staates und den Grundkonsens demokratischer Verfassungsstaaten hinweg, gesellschaftspolitische Veränderungen ausschließlich auf demokratischem Wege herbeizuführen. Daher liegt der Fokus der Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Bremen auf dem gewaltorientierten Linksextremismus, wozu Autonome, Postautonome und Antiimperialisten (s. Kapitel 4.2) zählen. 4.1.1 "Militante Aktionen" "Militante Aktionen" in Form von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen auf Gebäude und Fahrzeuge werden von konspirativ agierenden Kleingruppen zumeist nachts durchgeführt. Ziel solcher Aktionen war in den vergangenen Jahren vermehrt ebenfalls die öffentliche Infrastruktur. Diese gezielten und geplanten Anschläge sollen eine Signalwirkung entfalten. Zum einen geht es den Tätern um mediale Resonanz und zum anderen sollen die betroffenen Einrichtungen oder Unternehmen zu einer Verhaltensänderung genötigt werden. Im Nachhinein werden die Taten oftmals in Selbstbezichtigungsschreiben ideologisch begründet und im Internet oder in Szene-Zeitschriften veröffentlicht. Unterzeichnet werden Selbstbezichtigungsschreiben häufig mit fiktiven Gruppennamen. Unter dem bundesweit von zahlreichen Aktivisten und Gruppen verwendeten Label "autonome gruppe" oder "Autonome Gruppen" waren im Jahr 2015 diverse Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht worden. Auch etliche der in Bremen erschienenen Selbstbezichtigungsschreiben trugen diese Unterschrift. Im Jahr 2015 entwickelte sich unter anderem Bremen zu einem der Schwerpunktorte 36 "militanter Aktionen" mit einem gewachsenen Aggressionsniveau in Teilen der linksextremistischen Szene. Neben Berlin und Hamburg, die seit Jahren die zentralen Orte linksextremistischer Gewalt sind und wo insgesamt fast ein Viertel des gesamten linksextremistischen Personenpotenzials agiert, bildete 2015 auch Leipzig einen solchen Schwerpunkt . Zu einer ähnlichen Bewertung kommt das "Komitee der 1. Liga für Autonome" am 2. Dezember 2015, welches den "Randalemeister 2015" kürte: "And the winner is... Leipzig! (...) Das Komitee hat es sich nicht leicht gemacht bei der Entscheidung, dennoch wird der Vorschlag sicher auf Zustimmung bei den Behörden stoßen. Es muss hier auch auf die Kontinuität der GenossInnen verwiesen werden. In der weiteren Auswahl dabei waren: Frankfurt, Bremen, Hamburg und Flugblatt zur Darstellung von Berlin." (Fehler im Original, Internetseite "linksunten.indymedia" vom 02.12.2015) "militanten Aktionen" 2015 in Bremen Die öffentliche Infrastruktur war für gewaltorientierte Linksextremisten auch im Jahr 2015 ein Angriffsziel, von dem sie sich Signalwirkung erhofften. So ist ein am 14. September 2015 verübter Brandanschlag an der Bahnstrecke von Bremen nach Osnabrück einerseits in den Begründungszusammenhang "Anti-Atom" einzuordnen. Andererseits fordern die Täter die Szene in dem im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben zu weiteren Anschlägen auf die öffentliche Infrastruktur auf, damit ihre Aktionen und Positionen von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden: "Die Taktik, militante Aktionen zu verschweigen, fahren die Bullen in Bremen schon seit langem. (...) In Presse und Radio wird äußerst selten über militante Aktionen berichtet. Wir sehen dies als Teil einer Befriedungsstrategie von Stadt und Bullen. Die Angreifbarkeit von Institutionen, Infrastruktur und Verantwortlichen soll unsichtbar gemacht werden, indem über militante Aktionen öffentlich geschwiegen wird. (...) Für uns kann dies nur bedeuten, für die öffentliche Wahrnehmbarkeit militanter Aktionen selbst zu sorgen." (Fehler im Original, Internetseite "end of road" vom 17.10.2015) Ein Teil der in Bremen verübten "militanten Aktionen" richtete sich gegen die Flüchtlingspolitik des Bremer Senats. Am 18. Juli 2015 zerstörte eine Gruppe von fünfzehn Vermummten in einem blitzartigen Überfall mehrere Fensterscheiben des Dienstgebäudes des Bremer Senators für Inneres und beschmierte die Fassade. Zu der Tat bekannte sich mit einem in der Szene-Zeitschrift "Interim" veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben eine unbekannte "autonome gruppe". Sie stellt die Tat in den ideologischen Begründungszusammenhang des "Antirassismus" und kritisiert die "rassistische Abschottungspolitik" des Bremer Senats: Vor allem die RegierungsSachbeschädigungen am parteien CDU/CSU und SPD müssten sich für den Tod von 20.000 Flüchtlingen im Dienstgebäude des Senators Mittelmeer verantworten. Auch im Inland gebe es "krieg gegen geflüchtete", u.a. für Inneres durch "schikane der ausländerbehörden, die unzureichende versorgung, isolation, kriminalisierung, rassistische kontrollen der bullen und dem zoll". Da der Innensenator diese Zustände mittrage, ziele der Angriff auf sein Dienstgebäude auch auf ihn persönlich. Die Täter warnen: "seht darin eine kleine Manifestation unseres hasses - gegen eure knäste, eure grenzen, eure bullen und eure scheiss autorität" (Fehler im Original, "Interim" Nr. 771 von 08/2015). Ebenfalls im Begründungszusammenhang "Antirassismus" stand eine am 2. Juli 2015 begangene Sachbeschädigung am Parteigebäude der CDU in Bremen-Nord. In dem auch mit "autonome Gruppen" unterschriebenen Selbstbezichtigungsschreiben wird Kritik an der Verschärfung des Asylrechts geübt und es findet sich ein Eingeständnis zur "Ohnmacht gegenüber dem Staat": "Wir sind uns unserer Ohnmacht gegenüber dem Staat und seinen Gesetzen durchaus bewusst und glauben nicht daran, dessen Betrieb mit vereinzelten Aktionen ernsthaft stören zu können. Massenhafte Sabotage der politischen Infrastruktur könnte derartige Beschlüsse verhindern, davon sind wir weit entfernt. Dennoch setzten wir auf die direkte Konfrontation (...)". Dieser Aufruf endet mit dem Statement "Feuer dem Staat und seinen Papieren! Wir kommen wieder! Autonome Gruppen" ("Interim" Nr. 771 von 08/2015). "Antirassismus" Das Themenfeld "Antirassismus" rückte im Jahr 2015 infolge des starken Flüchtlingsstroms nach Deutschland und damit verbundener Herausforderungen der praktischen Bewältigung in den Mittelpunkt der politischen Arbeit der linksextremistischen Szene Bremens, nachdem es in den vergangenen Jahren kaum von Bedeutung war. Zentral ist hier die Forderung nach besseren Aufnahmeund Lebensbedingungen von 37 Flüchtlingen und Migranten sowie nach einer anderen Abschiebepolitik. In diesem Themenfeld engagieren sich neben linksextremistischen eine Vielzahl von nichtextremistischen, bürgerlichen Organisationen und antirassistischen Flüchtlingsinitiativen. Im Gegensatz zu nichtextremistischen Aktivisten werfen Linksextremisten dem Staat mit seinen Behörden und Einrichtungen eine grundsätzliche rechtsextremistische Einstellung und damit einen "systemimmanenten" Rassismus vor und fordern vor diesem Hintergrund seine Abschaffung. Die linksextremistische Agitation bezieht sich vor allem auf den "Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft" und auf einen vorgeblichen "staatlichen Rassismus". Ihre Ablehnung gegenüber der Polizei brachte die gewaltorientierte linksextremistische Szene Bremens im Jahr 2015 insbesondere mit Farbanschlägen auf Polizeidienststellen zum Ausdruck. In der Nacht zum 11. September 2015 verübten mutmaßlich gewaltorientierte Linksextremisten einen Farbanschlag auf eine Polizeidienststelle in der Bremer Neustadt. In einem am 13. September 2015 im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben stellen "Autonome Gruppen" den Anschlag in Plakat zu Prozess gegen den Zusammenhang mit einem derzeit in Hamburg laufenden Prozess gegen sechs Hausbesetzer in Hamburg Personen, die wegen einer Hausbesetzung und Auseinandersetzung mit der Polizei im August 2014 angeklagt sind. Die Brandstiftung an mehreren Polizeifahrzeugen in Bremen-Schwachhausen am 23. November 2015 fügt sich ein in eine Reihe von Anschlägen, die in den vergangenen Jahren mit dem linksextremistischen Themenfeld "Antirepression" begründet wurde. Eine Taterklärung zum Anschlag liegt nicht vor. Gleichwohl veröffentlichten anonyme Aktivisten in den folgenden Tagen diverse Zeitungsberichte über den Anschlag auf der linksextremistischen Internetseite "linksunten.indymedia". Brandanschlag auf Polizeifahrzeuge in Bremen-Schwachhausen "Antirepression" "Antirepression" stellt seit mehreren Jahren einen Aktionsschwerpunkt der gewaltorientierten Szene in Bremen dar. Gewaltorientierte Linksextremisten sehen ihre individuelle, soziale oder politische Entfaltung durch den Staat und seine "Machtstrukturen" unterbunden, konkret etwa durch Sicherheitsgesetze oder polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund sehen sich gewaltorientierte Linksextremisten im Kampf gegen die "staatliche Repression". Die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols ist das verbindende Element verschiedener linksextremistischer Gruppierungen. In Bremen engagieren sich insofern sämtliche gewaltorientierte Gruppierungen anlassbezogen in diesem Aktionsfeld. Angriffe auf Polizisten als "Vertreter oder Handlanger des Repressionsapparates" finden innerhalb der gewaltorientierten linksextremistischen Szene seit jeher weitgehende Akzeptanz, sofern Menschenleben dadurch nicht unmittelbar gefährdet werden. Inzwischen scheint sich dieser Konsens vor dem Hintergrund eines wachsenden Aggressionsund Gewaltpotenzials der gewaltorientierten linksextremistischen Szene aufzuweichen. Ein weiterer Teil der 2015 in Bremen verübten "militanten Aktionen" steht im Zusammenhang mit der Kritik an der Sicherheitspolitik der deutschen Bundesregierung und konkret an der Existenz der Bundeswehr. Zur Brandstiftung an einem Bundeswehrfahrzeug bekannten sich am 5. März 2015 unbekannte Täter unter dem Namen "Autonome Gruppen" im Internet unter der Überschrift "BREMEN: DESTROIKA - Schritt zur Abrüstung Bundeswehrfahrzeug abgefackelt!". Die antimilitaristische Kritik 38 an der Bundeswehr wird mit der Eröffnung der "Europäischen Zentralbank" (EZB) in Brandanschlag auf Fahrzeug Frankfurt am Main am 18. März 2015 verknüpft: "Für leidenschaftliche Momente des der Bundeswehr in Bremen Aufstandes am 18. März in Frankfurt! Für einen militanten Antirassismus. War starts here - lets stop it here!" (Fehler im Original, Internetseite "linksunten.indymedia" vom 05.03.2015) Ebenfalls im antimilitaristischen Begründungszusammenhang steht die Sachbeschädigung eines haushohen Transparents der Bundeswehr in der Bremer Innenstadt am 28. November 2015. Unter der Überschrift "Dachaktion gegen die Bundeswehr" wurde am selben Tag im Internet ein Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht. Die Aktion richtete sich in erster Linie gegen die Nachwuchswerbung der Bundeswehr. Darüber hinaus stehen die Auslandseinsätze der Bundeswehr in der Kritik, dazu heißt es: "Die Bundeswehr versenkt Flüchtlinge im Mittelmeer und Piraten vor Somalia. Sie kämpft entsprechend der Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 für die 'Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt'." Die Verfasser stellen Kapitalismus und Krieg in einen direkten Zusammenhang und sehen die Rolle der Bundeswehr ausschließlich in der Durchsetzung kapitalistischer Interessen im Ausland. Das Schreiben endet mit dem Aufruf: "Gegen Deutschland und seine bewaffneten Knechte! Krieg beginnt hier!" (Internetseite "linksunten.indymedia" vom 04.12.2015) "Antimilitarismus" Das Themenfeld "Antimilitarismus" war auch im Jahr 2015 für die gewaltorientierte Kampagne "Krieg beginnt hier" linksextremistische Szene in Bremen von Bedeutung. Bundesweit hat das Aktionsfeld einen hohen Stellenwert für die Szene, was durch die anhaltend hohe Zahl an "militanten Aktionen" deutlich wird. Die in diesem Kontext 2011 ausgerufene Kampagne "Krieg beginnt hier. War starts here. Kampagne gegen die kriegerische Normalität" richtet sich primär gegen die Bundeswehr und die mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmen, wie die Deutsche Post oder die Deutsche Bahn. Kritisiert werden die Sicherheitspolitik der Bundesregierung und insbesondere die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die Kampagne ist eine Fortsetzung der Kampagne gegen den Logistikdienstleister DHL und die Deutsche Post, bei denen es in den Jahren 2008 bis 2011 zu einer Vielzahl von Sachbeschädigungen und Brandanschlägen kam. 4.1.2 Proteste gewaltorientierter Linksextremisten Die massiven gewalttätigen Ausschreitungen im Rahmen von autonomen Demonstrationen stellen regelmäßig ein zentrales Problem für die öffentliche Sicherheit dar. Gewaltorientierte Linksextremisten greifen Polizisten und ihre politischen Gegner mit Steinen, Flaschen, pyrotechnischen Gegenständen sowie improvisierten Fahnen39 stangen an und nehmen dabei auch schwere Verletzungen in Kauf. Das Maß der von Linksextremisten verübten Ausschreitungen und das hemmungslose Vorgehen gegen Polizisten fügen sich ein in das Bild einer zunehmenden szenedefinierten "Entmenschlichung" von Staatsbediensteten und eines weiteren Absenkens der Hemmschwelle, auch schwerste Verletzungen zu verursachen. An gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligen sich neben den autonomen Linksextremisten häufig auch "anpolitisierte", aber auch unpolitische, erlebnisorientierte Jugendliche. Ebenso wie sehr jungen Angehörigen der autonomen Szene geht es ihnen weniger um konkrete politische und auf die Systemüberwindung ausgerichtete Ziele als um den "Erlebnischarakter", der von solchen Ereignissen ausgeht; auch das Ausleben eines Aggressionspotenzials ist vielfach handlungsleitend. In Bremen hat es bei autonomen Demonstrationen seit Langem keine gewalttätigen Ausschreitungen gegeben. Dennoch kommt es auch in Bremen im Vorfeld und im Rahmen von Demonstrationen der linksextremistischen Szene häufig zu Sachbeschädigungen. Darüber hinaus beteiligen sich gewaltorientierte Linksextremisten aus Bremen bundesweit an gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei im Rahmen von Demonstrationen. Proteste gegen Europäische Zentralbank Massive Ausschreitungen gab es zum Beispiel unter Beteiligung von Linksextremisten aus Bremen abseits der geplanten und angemeldeten Demonstration gegen die Eröffnung des Neubaus der "Europäischen Zentralbank" (EZB) am 18. März 2015 in Frankfurt am Main. Größere Gruppen von teilweise vermummten Aktivisten errichteten brennende Barrikaden, blockierten Straßen und bewarfen Polizisten und Polizeifahrzeuge mit Steinen. Zu den Protesten hatten verschiedene Bündnisse aufgerufen. So forderte das linksextremistische "M18"-Bündnis, das sich nach eigenen Angaben aus "40 antiautoritären kommunistischen und anarchistischen Gruppen aus Griechenland, Zypern, Großbritannien, Tschechien, der Schweiz und Deutschland" zusammensetzt, unter dem Motto "Destroika" zur Teilnahme an den Protesten auf. Im Vorfeld war im Internet ein Video mit dem Titel "Mit dem Aufhören anfangen - die EZB-Eröffnungsparty crashen" veröffentlicht worden, das mit der Forderung nach Kommunismus endet: "Diesen Widerstand werden viele Menschen aus ganz Europa am 18. März (...) auf die Straße tragen. Denn, kein Witz: Eine andere, eine solidarische Welt ist möglich - Screenshot aus dem Video aber sie kann nur auf den Trümmern der alten Ordnung errichtet werden. Fangen wir "M18 Mobilization Video: mit dem Abriss an" (Video "M18 Mobilization Video: Mit dem Aufhören anfangen - die Mit dem Aufhören anfangen EZB-Eröffnungsparty crashen", Internetportal "YouTube" vom 24.02.2015). - die EZB-Eröffnungsparty crashen" In Vorbereitung auf die Proteste hatten in Bremen mehrere Treffen des Bündnisses "Blockupy Bremen" stattgefunden. Das seit 2012 aktive Bündnis besteht aus nichtextremistischen und linksextremistischen Bremer Gruppierungen und ist Teil des bundesweiten "Blockupy-Bündnisses". Bei den Protesten agierten gewaltorientierte Linksextremisten abseits der angemeldeten Demonstration, was verdeutlicht, dass es ihnen weniger um das Vortragen ihres politischen Anliegens als vielmehr um eine gewaltsame Eskalation der Proteste ging. Sie nutzten die friedlichen Proteste als Plattform für die Auseinandersetzung mit der Polizei. Teile der linksextremistischen Szene, darunter das "M18"Bündnis, werteten die "militanten Aktionen" als "unmissverständliches Signal" an die 40 EZB, "die in den letzten Jahren maßgeblich an der Verschlechterung der Lebensbedingungen so vieler Menschen in Europa beteiligt war". Damit sei die EZB "Auslöser und die richtige Adressatin dieser Wut." (Internetseite "linksunten.indymedia" vom 22.03.2015) Innerhalb des "Blockupy-Bündnisses" herrschte hingegen Uneinigkeit hinsichtlich der Bewertung der Proteste, mehrheitlich distanzierten sich die Gruppierungen von den Gewaltausschreitungen. "Soziale Kämpfe" Im Themenfeld "Soziale Kämpfe" geht es vor allem um die Verbesserung der Arbeitsund Lebensbedingungen der Menschen. Linksextremisten gehen auch in diesem Themenfeld, in dem überwiegend nichtextremistische Akteure tätig sind, häufig Bündnisse mit demokratischen Gruppen ein, um den Protesten ein größeres Gewicht zu verleihen und ihre extremistischen Positionen in die Bündnisse einzubringen. Die "Europäische Zentralbank" (EZB) ist für Linksextremisten ein Symbol der "kapitalistischen Gesellschaft". Der Troika, d.h. der EZB, der Europäischen Kommission und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), werfen sie eine menschenverachtende Politik angesichts der globalen Finanzund Wirtschaftskrise vor. Proteste gegen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten Die gewaltorientierte linksextremistische Szene reagierte im Jahr 2015 in hohem Maße auf die Aktivitäten von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, die wiederum gegen die zunehmende Anzahl von Flüchtlingen in Deutschland protestierten. Im Bereich der "Antifaschismusarbeit" ist neben linksextremistischen Organisationen und Gruppen auch eine Vielzahl unterschiedlicher demokratischer Akteure tätig. Gewaltorientierte Linksextremisten unterscheiden sich von ihnen erstens durch die Wahl ihrer Mittel, mit denen sie vermeintliche oder tatsächliche Missstände bekämpfen, d.h. insbesondere durch die Anwendung von Gewalt, und zweitens durch ihre politischen Ziele, die maßgeblich auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen. "Antifaschismus" Das linksextremistische Verständnis von Antifaschismus mit dem Ziel der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht weit über das von Demokraten hinaus. Für Linksextremisten stellt die Bekämpfung von rechtsextremistischen Strukturen und Personen nur ein vordergründiges Ziel dar, ihre tatsächliche Stoßrichtung ist das "bürgerliche und kapitalistische System" und die angeblich ihm zugrunde liegenden faschistischen Wurzeln. Zur Vergrößerung ihres politischen Einflusses und zur Gewinnung neuer Anhänger ist das Bemühen um Bündnisse mit nichtextremistischen Gruppen ein entscheidendes Instrument autonomer "Antifaschismusarbeit". Demonstration gegen Bundesparteitag der AfD in Bremen An einer insgesamt friedlich verlaufenen Demonstration gegen den am 31. Januar 2015 in Bremen abgehaltenen Bundesparteitag der AfD beteiligten sich ca. 3.500 Personen, darunter 200 gewaltorientierte Linksextremisten. Zu der Demonstration hatte das bürgerliche, gewerkschaftliche Bündnis "Gemeinsam gegen Rassismus und Rechtspopulismus" und das linksextremistisch beeinflusste Bremer "Bündnis gegen 41 Nationalismus" aufgerufen. Demonstration gegen Bundesparteitag der AfD in der Bremer Der in diesem Zusammenhang von der linksextremistischen "Basisgruppe AntifaInnenstadt schismus Bremen" (BA) veröffentlichte Redebeitrag verdeutlicht ihre linksextremistische Zielsetzung. Die BA strebt die Überwindung der bestehenden demokratisch verfassten Gesellschaftsordnung an, die sie durch eine nicht abschließend bzw. näher definierte kommunistische Gesellschaftsordnung ersetzen will: "Daher müssen wir weiter konsequent für eine Welt ohne Nationen, ohne das kapitalistische Patriarchat und für eine Welt kämpfen, in der alle ohne Angst verschieden sein können. Für eine Welt ohne Privateigentum, für eine Gesellschaft, die für die Bedürfnisse der Menschen gemacht ist. Wir nennen sie: Kommunismus!". Hierfür erforderlich sieht die BA die Abschaffung der "staatlich aufgezwungene(n) Konkurrenz Aller gegen Alle im kapitalistischen Wettbewerb der Nationen" (Fehler im Original, Internetseite der BA vom 04.02.2015). Proteste gegen "Tag der deutschen Patrioten" Der von Rechtsextremisten initiierte "Tag der deutschen Patrioten" (TddP) am 12. September 2015 in Hamburg war vom Bundesverfassungsgericht verboten worden, dennoch reisten zahlreiche Rechtsextremisten nach Hamburg. An den zwei friedlich verlaufenen Gegenveranstaltungen beteiligten sich mehrere hundert gewaltorientierte Linksextremisten, darunter auch Linksextremisten aus Bremen. Da ein Teil der Rechtsextremisten spontan versuchte, eine Ausweichveranstaltung in Bremen durchzuführen, reisten gewaltorientierte Linksextremisten ebenfalls nach Bremen. Polizisten, die die Abreise am Hamburger Bahnhof verhindern wollten, wurden von Linksextremisten angegriffen. Am Bremer Hauptbahnhof gelang es der Polizei durch ihre massive Präsenz, die beiden Personengruppen voneinander zu trennen und ein Zusammentreffen zu verhindern. Etwa 700 Angehörige der linksextremistischen Szene protestierten gegen ungefähr 100 Angehörige der rechtsextremistischen Szene. Die Polizei hatte den Rechtsextremisten zuvor ein Betretungsverbot für Bremen erteilt. Eine in Bremen spontan angemeldete Demonstration von Aktivisten der linksextremistischen autonomen Szene verlief insgesamt friedlich. Proteste gegen rechtsextremistische Aufmärsche Gewaltorientierte Linksextremisten aus Bremen beteiligten sich im Jahr 2015 im Rahmen ihrer "Antifaschismusarbeit" an Protesten gegen rechtsextremistische und vermeintlich rechtsextremistische Aufmärsche und Veranstaltungen in verschiedenen Städten. Zu den jährlich wiederkehrenden Protesten gehört die Demonstration gegen den rechtsextremistischen "Trauermarsch" zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt Magdeburg im Zweiten Weltkrieg. Am 16. Januar 2015 beteiligten sich an Protestaktionen ca. 1.300 Personen, darunter auch Bremer Linksextremisten. Am 18. April 2015 demonstrierten ca. 350 Personen, darunter gewaltorientierte Linksextremisten aus Bremen, gegen rechtsextremistische Strukturen im niedersächsischen Bückeburg. Demonstration gegen HoGeSa in Köln Eine "antirassistische Bündnisdemonstration" organisierten Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung gegen eine Kundgebung der Initiative "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) am 24. Oktober 2015 in Köln. Am 25. Oktober 2015 kam es zu weiteren Kundgebungen und Demonstrationen in Köln, an denen sich 42 insgesamt ca. 18.000 Personen beteiligten. Darunter waren etwa 700 gewaltbereite Linksextremisten, unter anderem auch aus Bremen. Im Vorfeld war bundesweit für die Demonstrationen mobilisiert worden. Die linksextremistische "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) aus Bremen formulierte ihr Ziel in ihrem Aufruf zur Teilnahme wie folgt: "Unser Ziel ist die Verhinderung des Hogesa Aufmarsches. Wir betrachten Hogesa weder als isoliertes Phänomen, noch als völlig neue Qualität. Unser Beitrag als radikale Linke muss es nicht nur sein den Ausdruck der rechten Hooligans unmöglich zu machen, sondern auch eine umfassende Kritik der Zustände zu leisten, die Hogesa hervorbringen." (Fehler im Original, Internetseite "end of road" vom 02.10.2015) Folglich geht es der Szene nicht nur darum, Rechtsextremismus zu bekämpfen, sondern darüber hinaus um die Diskreditierung und Unterminierung des "kapitalistischen" und "faschistischen" Staates. Kampagne "#freeValentin" In Bremen gibt es seit Jahren gewalttätige Konflikte zwischen rechtsextremistisch beeinflussten Hooligans und "linken" Fußball-Fans der Ultra-Szene, wobei der vorwiegende Teil der Bremer Ultra-Szene unpolitisch ist. Im Rahmen einer solchen Auseinandersetzung anlässlich eines Fußballspiels am 1. Juli 2015 nahm die Polizei nach schweren, gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Bremer Hooligans und Bremer Ultras eine Person fest, die sowohl Bezüge in die linksextremistische als auch in die Ultra-Szene aufweist. Um ihre Solidarität mit der festgenommenen Person zu bekunden, beteiligten Banner der Kampagne sich etwa 800 Angehörige beider Szenen am 15. August 2015 an einer friedlich "#freeValentin" verlaufenen Demonstration in Bremen-Hastedt. Unter dem Motto "Gegen Nazis und Repression" war sowohl in der linksextremistischen als auch in der Ultra-Szene zu der Demonstration aufgerufen worden. Zu einer spontanen Solidaritätskundgebung kamen am 17. Dezember 2015 ungefähr 60 zum Teil vermummte Personen im Bremer Viertel zusammen. Sie bewarfen Polizisten und ihre Fahrzeuge mit Steinen und Pyrotechnik. Darüber hinaus starteten im Sommer 2015 Aktivisten beider Szenen die Kampagne "#freeValentin", die nicht nur überregionale, sondern internationale Unterstützung fand. Mit der Veröffentlichung und dem Verkauf einer "Solidaritäts-CD" wird der Inhaftierte finanziell unterstützt. Die linksextremistische Rechtsund Hafthilfeorganisation "Rote Hilfe" richtete ein Spendenkonto ein, für das sie im August 2015 in der bundesweit verbreiteten Szene-Zeitschrift "Interim" um Spenden warb. Die zahlreichen Solidaritätsbekundungen zeigen die hohe Mobilisierungsfähigkeit der gewaltorientierten linksextremistischen und der Ultra-Szene in Bremen, die weniger ihre Theorieals ihre Aktionsorientierung verbindet. Autonome "Recherchearbeit" Die "Aufklärungsoder Recherchearbeit" gehört zu den zentralen Aktivitäten der autonomen Szene in Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Szene. In diesem Zusammenhang werden Beobachtungen und Informationen über Einzelpersonen, Gruppierungen und Strukturen der "rechten" Szene wie etwa Szeneläden gesammelt. Die Informationen zu Einzelpersonen werden meist in Steckbriefen 43 zusammengefasst und im Rahmen sogenannter "Outing-Aktionen" in der Nachbarschaft der Betroffenen und im Internet veröffentlicht. In den Steckbriefen werden neben persönlichen Daten, wie z.B. Anschrift, Geburtsdatum oder Beruf, auch weitere Einzelheiten aus dem Privatleben der Betroffenen bekanntgemacht. Ziel dieser Aktionen ist es, vermeintliche Rechtsextremisten aus der Anonymität zu holen und ihre politischen Aktivitäten öffentlich zu machen, wobei dies eine Gefahr für die Betroffenen darstellt und insbesondere ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Unter dem Titel "Achtung Neonazis" hingen im Jahr 2015 zahlreiche Plakate im Bremer Stadtgebiet aus. Proteste gegen Rassismus Den Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Bremen-Blumenthal in der Nacht zum 26. September 2015 nahm die linksextremistische Szene Bremens zum Anlass, um am 30. September 2015 eine Demonstration mit ca. 70 Personen auszurichten. In dem von der autonomen "Antifaschistischen Gruppe Bremen" (AGB) veröffentlichten Redebeitrag heißt es: "Dieser Stadtteil hat nicht nur ein rechtes Klima, dieser Stadtteil ist das rechte Klima! Diese innerdeutschen Zustände haben so gar nichts mit Geflüchteten zu tun. Das alles hat allein mit eurem menschenverachtenden Weltbild zutun, das den idealen Nährboden für weitere Nazis und Rassist_innen bereitet, und schon deswegen kann das Problem und die Ursache nicht Geflüchete heißen, das Problem und die Ursache heißen ganz allein: Rassismus!" Das Flugblatt endet mit der Drohung an "alle Faschisten und Rassist_innen in diesem Stadtteil: Dies ist eine Kampfansage! Wir geben euch Nazis und Rassist_innen die Straße zurück ... Stein für Stein.. Stein für Stein!" (Fehler im Original, Internetseite der AGB vom 07.10.2015) In Bremen gab es in diesem Zusammenhang eine weitere Demonstration unter dem Motto "Refugees Welcome - gegen Rassismus und Abschottungspolitik" am 3. Oktober 2015, an der ca. 1.600 Personen teilnahmen. Das überwiegend aus nichtextremistischen Gruppierungen bestehende Bündnis "Refugees Welcome" hatte die Demonstration organisiert. Linksextremisten nutzten die öffentliche Debatte über Asylund Flüchtlingspolitik zur Verbreitung ihrer politischen Vorstellungen und verknüpften oftmals das Themenfeld "Antirassismus" mit dem Themenfeld "Antifaschismus". Sie zielen auf die Anschlussfähigkeit bei Nichtextremisten, um Deutungshoheit und Meinungsführung in der Debatte zu erlangen. Diese Zielsetzung wird in einem von der "Basisgruppe Antifaschismus Bremen" (BA) im Rahmen der Demonstration verteilten Flugblatt deutlich: "Das Problem sind nicht bloß die rechten 'Farger Ultras' aus Bremen-Nord (...). (...) Das Problem ist ein Staat, der vor keiner Schweinerei zurückschreckt, um sein Geschäftsmodell zu verteidigen. (...) Antirassismus ist nur im praktischen Widerstand gegen Staat, Nation und Kapital zu haben" (Fehler im Original, Internetseite der BA vom 03.10.2015). Kommunikation Das Internet ist das wichtigste Kommunikationsmittel der linksextremistischen Szene. Es dient ihr sowohl als Kommunikationsplattform als auch als Medium zur Verbreitung von Propaganda. Die internationalen, gruppenunabhängigen Mediennetzwerke "Indymedia" mit seinem deutschen Ableger "Indymedia Deutschland" sowie "linksun44 ten.indymedia" stellen zentrale Kommunikationsplattformen für das gesamte "linke" Spektrum dar. Beide Internetplattformen betreiben einen "offenen Journalismus", d.h., jeder Internetnutzer kann dort ohne redaktionelle Vorgaben und unter Nutzung eines Pseudonyms Beiträge veröffentlichen, die andere Internetnutzer wiederum anonym kommentieren und ergänzen können. Die Beiträge reichen von Berichten zum Verlauf von Kundgebungen über Analysen zu tagespolitischen Entwicklungen bis hin zu Taterklärungen und Selbstbezichtigungsschreiben sowie Informationsoder Diffamierungskampagnen gegen politische Gegner. In Bremen gibt es seit 2009 das Internetforum "end of road". Die Betreiber erklärten, dass es sich um ein "antikapitalistisches Projekt" handele und sie "nur Dinge veröffentlichen, die dem Sinne des Projektes entsprechen und eine antifaschistische, autonome und antinationale Grundhaltung haben" (Internetseite "end of road" vom 06.09.2009). Die veröffentlichten Artikel, Aktionsberichte, Demonstrationsaufrufe und Terminankündigungen spiegeln ein breites Themenspektrum wider. Die Nutzer können die eingestellten Artikel kommentieren und sind darüber hinaus zum Einsenden von Berichten und Terminankündigungen aufgefordert. Die veröffentlichten Beiträge stammen jedoch auch aus Tageszeitungen oder aus den Internetportalen "Indymedia" und "linksunten.indymedia". Szene-Zeitschriften "Interim" und "LaRage" Ein zentrales Publikationsorgan ist die in Berlin herausgegebene Szene-Zeitschrift "Interim", die als eine von wenigen autonomen Schriften bundesweite Bedeutung genießt. Die Szene-Zeitschrift dient vor allem dem gewaltbereiten autonomen Spektrum zur Information und Diskussion. In der "Interim" finden sich Beiträge zu aktuellen Themen, aber auch Rechtfertigungen zur Gewaltanwendung sowie Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten. Um Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren, gibt es keine feste Redaktion, auch wird kein Impressum abgedruckt. Weit weniger Bedeutung kommt der seit 2010 regelmäßig in Bremen erscheinenden Szene-Zeitschrift "LaRage" zu. Die in der Zeitschrift veröffentlichten Artikel umfassen unterschiedliche Themenbereiche, vom "Antifaschismus" bis hin zu "Sozialen KämpTitelbilder der Szenefen". Insbesondere wird darin über Aktionen und Veranstaltungen der autonomen Zeitschriften "Interim" Szene Bremens berichtet. und "LaRage" aus dem Jahr 2015 4.2 Strukturen und Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus Personenpotenzial: ca. 7.700 in Deutschland ca. 200 in Bremen 45 Linksextremisten eint das Ziel der Überwindung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung und der Errichtung eines herrschaftsfreien oder kommunistischen Systems. In der linksextremistischen Ideologie wird die Forderung nach sozialer Gleichheit unter Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates verabsolutiert. Das Ziel soll dabei unter Missachtung der Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erreicht werden und würde grundlegende Prinzipien der Verfassung außer Kraft setzen. Betroffen wäre davon nicht nur das in der Verfassung verankerte Rechtsstaatsoder Demokratieprinzip, wie beispielsweise die Gewaltenteilung, die Volkssouveränität oder das Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition, sondern insbesondere auch die individuellen Freiheitsrechte. Dem Linksextremismus sind neben den gewaltorientierten Linksextremisten auch orthodox kommunistische, maoistische und trotzkistische Gruppen zuzurechnen. Ihr Ziel ist die Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates unter formaler Beachtung demokratischer Regeln und zum Teil unter Ausnutzung des grundgesetzlichen Schutzes der Parteien. Diese Gruppierungen haben in den letzten Jahrzehnten enorm an Mitgliedern und Sympathisanten verloren. Ziel der gewaltorientierten Linksextremisten, wozu Autonome, Postautonome und Antiimperialisten zählen, ist das Abschaffen jeglicher Form von "Herrschaftsstrukturen". Sie lehnen sowohl gesellschaftliche Normen als auch den demokratischen Verfassungsstaat mit seinen Einrichtungen - den sie als "staatlichen Repressionsapparat" und "kapitalistisches System" bezeichnen - ab. Autonome Autonome Linksextremisten erheben den Anspruch, nach eigenen Regeln leben zu können, und streben nach einem hierarchiefreien, selbstbestimmten Leben innerhalb "herrschaftsfreier" Räume. Ideologisch beziehen sie sich vor allem auf anarchistische und kommunistische Theoriefragmente, wobei ihre ideologischen Vorstellungen insgesamt diffus bleiben. Da formelle Strukturen und Hierarchien grundsätzlich abgelehnt werden, ist die autonome Szene stark fragmentiert und besteht hauptsächlich aus losen Personenzusammenschlüssen, die anlassbezogen gegründet werden und sich ebenso kurzfristig auflösen. In Bremen bestehen relativ konstant die "Antifaschistische Gruppe Bremen" (AGB) und die "Autonome Antifa Bremen". Postautonome Autonome Linksextremisten erachten ihre Eigenund Selbstständigkeit für so wichtig, dass sie sich in der Regel in keine festen politischen Strukturen integrieren. In den vergangenen Jahren war jedoch zu beobachten, dass Teile der zunächst organisationsfeindlichen autonomen Szene die Bildung von festen Organisationsstrukturen vorantrieben. Diese Szene lässt sich inzwischen deutlich von der ursprünglichen autonomen Szene abgrenzen und kann daher als "postautonom" bezeichnet werden. Während sich Autonome insbesondere durch ihre Organisationsfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft und Theorieferne auszeichnen, können Postautonome lediglich noch als organisationskritisch, weniger gewaltbereit und um Theorie bemüht beschrieben werden. Ihre gesellschaftliche Isolation wollen sie vor allem dadurch durchbrechen, dass sie eine Scharnierfunktion zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und gemäßigten, bürgerlichen "Linken" einnehmen. Zu den Gruppierungen, die eine Organisierung der "linken" Szene zur Erreichung ihrer politischen Ziele für notwendig erachten, zählen die linksextremistischen Gruppierungen "Interventionistische Linke" (IL) und die "Basisgruppe Antifaschismus" (BA). 46 "Interventionistische Linke" Die 2014 gegründete postautonome Gruppierung "Interventionistische Linke" (IL) nimmt in Bremen eine Scharnierfunktion zwischen dem linksextremistischen und nichtextremistischen Spektrum ein. So war sie im Jahr 2015 in die Vorbereitung der Proteste gegen die von massiven Ausschreitungen begleitete Eröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB) eingebunden. Die Bremer Ortsgruppe der IL ist mit der Umbenennung und der Auflösung der Ortsgruppe der Gruppierung "Avanti - Projekt undogmatische Linke" ("Avanti") im Jahr 2014 entstanden. Die Mehrheit der Ortsgruppen der 1989 gegründeten Gruppierung erklärte am 27. September 2014 ihre Auflösung als selbständige Organisation und ihren Beitritt zum bundesweit agierenden linksextremistisch beeinflussten Netzwerk IL. Die IL setzt sich überwiegend aus linksextremistischen und nichtextremistischen Gruppierungen sowie Einzelpersonen zusammen. Ihre Zielsetzung und Strategie legte sie in einem "Zwischenstandspapier" vom Oktober 2014 dar: "Da sich auf der Basis patriarchaler und rassistischer Gesellschaftsstrukturen der real existierende Kapitalismus entfalten konnte, ist es für uns zentral, den Kampf für eine befreite Gesellschaft mit dem Kampf gegen all diese Herrschaftsformen zu verbinden. (...) Entscheidend für uns istsowohl in der theoretischen Begründung als auch in der Eröffnung praktischer Optionen-, stets auf eine gesamtgesellschaftliche Veränderung abzuzielen." (Auszug aus "IL im Aufbruch - ein Zwischenstandspapier" vom 11.10.2014) Die IL bietet damit keine konkrete "Systemalternative", gleichwohl kämpft sie für einen "revolutionären Bruch mit dem nationalen und globalen Kapitalismus" sowie der "Macht des bürgerlichen Staates". "Basisgruppe Antifaschismus" Die antideutsch und antinational ausgerichtete "Basisgruppe Antifaschismus" (BA) ist seit mehreren Jahren eine der aktivsten postautonomen Gruppierungen in Bremen. Mit ihrer Veranstaltungsreihe "K*Schemme" möchte die BA einen "Ort zum Diskutieren, Vernetzen, Schnacken, Organisieren oder vielleicht auch nur zum nett Klönen" bieten. Das "K" steht nach eigenen Angaben für Kommunismus und das Sternchen "soll deutlich machen, dass Kommunismus für uns die Leerstelle für die eine ganz andere Gesellschaft ist (...)" (Internetseite der BA vom 04.02.2016). Die BA ist seit Mai 2011 in dem überregionalen, antideutsch ausgerichteten "... umsGanze!"-Bündnis organisiert, das sich als Zusammenschluss "linksradikaler und kommunistischer Gruppen" versteht. Das 2006 gegründete "...umsGanze!"-Bündnis Flyer zur Veranstaltungsreihe bezeichnet sich im Untertitel seines Namens als ein "kommunistisches Bündnis" und "K*Schemme" verweist damit auf seine ideologische Herkunft: "Wir wollen uns nicht mit realpolitischen Forderungen zufrieden geben, wir wollen nicht nach der praktischen Umsetzbarkeit irgendwelcher Reformen fragen, wir sagen klar und deutlich: Uns geht's ums Ganze! Wir wollen die Überwindung des gesellschaftlichen Verhältnisses Kapitalismus als die einzig, menschenwürdige' Lösung propagieren. Wir wollen unsere Negation dieses Verhältnisses ausdrücken." (Auszug aus "...umsGanze! smash capitalism. fight the G8 summit" von 04/2007) Anarchisten Anarchisten zielen mit der Forderung nach einem "herrschaftsfreien Leben", der die Grundidee des "freien Willens" zugrunde liegt, auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen und die umgehende Auflösung des bestehenden Rechtsstaates. Die in Bremen seit 2013 monatlich stattfindende Informationsveranstaltung "A-Cafe" wird von einem "heterogenen Haufen mit verschiedensten 47 politischen Schwerpunkten und Herangehensweisen" organisiert, die die Idee "eines herrschaftsfreien Lebens für Alle" verbindet (Fehler im Original, Internetseite "riseup. net" vom 18.08.2014). Antiimperialisten Antiimperialisten orientieren sich teilweise am dogmatischen Marxismus-Leninismus und machen den Kapitalismus für alle negativen Zustände in der Welt verantwortlich. Ihr Kampf richtet sich vornehmlich gegen den Staat und internationale Konzerne. In Bremen gründete sich 2012 eine Gruppierung aus überwiegend jungen Aktivisten zunächst unter der Bezeichnung "Kommunistische Jugendgruppe Bremen" (KJGB) und benannte sich im April 2015 in "Revolutionärer Aufbau Bremen" (RAB) um. Der RAB propagiert in seiner Selbstdarstellung eine revolutionäre Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung hin zum Kommunismus. Die Selbstdarstellung endet mit der Aussage: "Für die revolutionäre Organisation der Arbeiterklasse, für den Kommunismus und das schöne Leben!". Der thematische Schwerpunkt des RAB liegt auf den Themenfeldern "Antifaschismus", "Soziale Kämpfe" und "Antirepression". Im Jahr 2015 unterstützte der RAB neben anderen Gruppierungen wie die linksextremistische Rechtsund Hafthilfeorganisation "Rote Hilfe" (RH) die Kampagne "#freeValentin". "Rote Hilfe" Die Rechtsund Hafthilfeorganisation "Rote Hilfe e.V." (RH) ist ausschließlich im Bereich der "Antirepression" tätig. Der Verein versteht sich laut Satzung als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation", die über 40 Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet unterhält. In Bremen besteht eine aktive Ortsgruppe. Die RH sieht ihren Arbeitsschwerpunkt in der finanziellen und politischen Unterstützung von Angehörigen aus dem "linken" Spektrum, die von "staatlicher Repression" betroffen sind. Zu ihren Aufgaben gehören die Gewährung von Rechtshilfe, die Vermittlung von Anwälten an Szene-Angehörige, die Beihilfe zu Prozesskosten und Geldstrafen sowie die Betreuung von "politischen Gefangenen". Die dabei entstehenden Kosten werden aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. 48 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus Seitenzahl 49 5.1 Islamismus 51 5.2 Islamistischer Terrorismus 51 5.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 52 5.2.2 "Islamischer Staat" ("IS") 53 5.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen 55 5.2.4 Radikalisierte Einzeltäter 57 5.2.5 Internet und andere Medien 58 5.2.6 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 61 5.3 Salafistische Bestrebungen 64 5.3.1 Salafismus im Land Bremen 68 5.3.2 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 70 5.4 Weitere islamistische Bestrebungen in Bremen 49 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus Die asymmetrische Bedrohungslage durch islamistisch motivierte Terroristen oder Einzeltäter hat sich im Jahr 2015 in Deutschland und Europa noch weiter erhöht. Dies haben die Anschläge in Paris im Januar sowie im November vergangenen Jahres auf drastische Art und Weise verdeutlicht. In Deutschland gab es mehrere Muslime Durchsuchungen und Gerichtsverfahren gegen islamistische Terroristen, deren Beschuldigte im Verdacht stehen, terroristische Unterstützungshandlungen begangen bzw. konkrete Anschläge in Deutschland geplant zu haben. Islamistische Terroristen veröffentlichten darüber hinaus zahlreiche Propagandavideos mit dem Ziel, die Bürger westlicher Staaten in ihrem Sicherheitsgefühl zu verunsichern. In einigen deutschsprachigen Drohund Propagandavideos wurde auch mit konkreten Islamisten terroristischen Anschlägen in Deutschland gedroht. Im Fokus des VerfassungsschutSalafisten zes stand im Jahr 2015 insbesondere die steigende Zahl von Personen aus DeutschJihadisten land, die sich islamistisch-terroristischen Gruppierungen im syrisch-irakischen Bürgerkrieg anschlossen sowie bereits wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind. Als potenziellen Nährboden für den islamistischen Terrorismus haben die Verfassungsschutzbehörden dabei den Salafismus besonders im Blick. In diesem Zusammenhang hat der Senator für Inneres am 16. Februar 2016 den salafistischen Verein Radikale Ansichten "Islamischer Förderverein Bremen e.V.", eine Ersatzorganisation des bereits 2014 werden von einem Bruchteil verbotenen "Kultur & Familien Verein e.V.", verboten. Insgesamt sind in Deutschland der Muslime vertreten ca. 8.650 Personen der salafistischen Szene zugehörig. In Bremen waren im Jahr 2015 etwa 360 Salafisten aktiv. Sowohl auf Bundeswie auch auf Landesebene handelt es sich verglichen mit der Gesamtzahl an Muslimen jeweils um einen Prozentanteil von unter 1 %. 5.1 Islamismus Islamismus bezeichnet eine politische Ideologie, die anstelle des demokratischen Rechtsstaates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Gesellschaftsund Rechtsordnung vorsieht, welche auf einer islamistischen Interpretation der "Scharia" beruht. Das hier im Mittelpunkt stehende "Prinzip der Gottessouveränität" widerspricht dem "Prinzip der Volkssouveränität". In der Öffentlichkeit werden die Begriffe Islamismus und Islam häufig gleichbedeutend verwendet oder verwechselt. Die politische Ideologie des Islamismus ist jedoch deutlich von der Religion des Islam zu trennen. Während der Islam die Religion bezeichnet, bedient sich der Islamismus an Symbolen und Begriffen aus dem Islam, um seine politischen Ziele religiös zu legitimieren und durchzusetzen. Kennzeichen islamistischer Bestrebungen . Islamisten folgen nicht nur ihrer religiös fundamentalistischen Überzeugung, . sondern sind darüber hinaus politisch motiviert. Das Ziel ist, unter Berufung auf die "Scharia" eine vom Islam vorgegebene Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, die für alle Bürger unabhängig von ihrer 50 Religion gilt und die die Regeln und Gesetze eines demokratischen Rechtsstaates . ersetzen soll. Islamisten fordern ein "islamisches" Staatswesen und lehnen die westliche Zivilisation, ihre Werte und ihr Demokratieverständnis ab. "Scharia" "Scharia" bedeutet wörtlich übersetzt "Weg zur Quelle" und bezeichnet die Gesamtheit aller islamischen Regeln und Riten, die im Koran und den gesammelten Prophetentraditionen (Sunna) festgeschrieben sind. Diese Texte zu interpretieren und daraus konkrete Handlungsempfehlungen und Gesetze abzuleiten, ist die Aufgabe der islamischen Rechtsgelehrten. Diese Wissenschaft wird mit dem Begriff "Fiqh" beschrieben. Zur Rechtsfindung werden vier Quellen bzw. Methodiken zu Rate gezogen: der Koran, die Sunna, der Konsens der Gelehrten ("Ijma`") und der Vergleich von früher zu heute ("Qiyas"). Die "Scharia" ist nirgends abschließend festgeschrieben, sondern unterliegt einer steten Auslegung. Die "Scharia" besteht im Wesentlichen aus zwei Bereichen, den "'Ibadat" (rituelle Pflichten) und den "Mu'amalat" (gemeinschaftliche Regeln). Die "'Ibadat" umfassen Vorschriften zum rituellen Leben und Pflichten gegenüber Gott. Dort sind u.a. neben den fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, fünfmaliges tägliches Gebet, Almosenspende, Fasten im Monat Ramadan, Pilgerfahrt nach Mekka) die rituelle Reinheit, z.B. Waschungen vor dem Gebet, und das Verbot bestimmter Speisen, z.B. Schweinefleisch, geregelt. Die "Mu'amalat" befassen sich mit den Regeln des menschlichen Zusammenlebens. Dort finden sich Bestimmungen zum Ehe-, Familien-, Personenstands-, Vermögens-, Verkehrsund Wirtschaftsrecht sowie aus dem Strafrecht wieder. Islamisten fordern die unmittelbare und vollkommene Umsetzung ihrer Interpretation der "Scharia", während sich heute die Mehrheit der Muslime lediglich an die in der "Scharia" im Bereich der "'Ibadat" festgelegten Vorschriften zum rituellen Leben und an die Pflichten gegenüber Gott hält. Einige Vorschriften in der "Scharia" aus dem Bereich der "Mu'amalat", die das menschliche Zusammenleben regeln, widersprechen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der in Deutschland geltenden Rechtsordnung. Die grundrechtlich garantierte körperliche Unversehrtheit wird beispielsweise durch Vergeltungsstrafen verletzt, dazu gehören u.a. das Abhacken der Hand oder die Steinigung. Die im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten bestehende Ungleichbehandlung der Geschlechter zeigt sich insbesondere in den Rechtsgebieten des Erbund Familienrechts, z.B. ist die Zeugenaussage eines Mannes in manchen Bereichen so viel wert wie die zweier Frauen. Der Islamismus ist eine sehr heterogene Bewegung und hat im Laufe seiner Geschichte verschiedene Ausprägungsformen entwickelt, die sich methodisch und ideologisch teilweise stark voneinander unterscheiden. Ausgehend von der Einstellung zur Gewalt können im Islamismus zwei Hauptströmungen unterschieden werden: islamistischer Extremismus und islamistischer Terrorismus. Die Grenze zwischen islamistischem Extremismus und islamistischem Terrorismus ist teilweise fließend, weil zum einen die ideologische Ausrichtung und die damit begründete Gewaltaffinität der Anhänger nicht immer eindeutig definiert werden kann, zum anderen weil terroristische Gruppen ihre Anhänger häufig aus islamistisch-extremistischen Organisationen rekrutieren. Islamistischer Extremismus und islamistischer Terrorismus differenzieren sich hauptsächlich durch die Wahl ihrer Mittel: . Islamistisch-extremistische Organisationen streben in ihren Heimatländern die Veränderung der Staatsund Gesellschaftsordnung zugunsten eines islamischen Staatswesens über die politische Einflussnahme an. Durch politische und gesellschaftliche Veränderungen sollen rechtliche Freiräume für ein "schariakonformes" Leben geschaffen werden. So zielt auch die politische Strategie der in Deutschland lebenden islamistischen Extremisten darauf, hier entsprechend ihrer . Ideologie leben zu können. 51 Islamistische Terrororganisationen verfolgen ihre Ziele demgegenüber mit Gewalt, unter anderem in Form von terroristischen Anschlägen. Unterschieden werden kann hier zwischen islamistisch-terroristischen Organisationen, die ausschließlich in ihren Heimatländern einen bewaffneten Kampf führen, z.B. die libanesische Organisation "Hizb Allah", und Jihadisten, die weltweit einen bewaffneten Kampf führen, z.B. das Terrornetzwerk "al-Qaida" und der "IS". Insgesamt sind in Deutschland ca. 44.670 Personen der islamistischen Szene zugehörig. In Bremen sind im Jahr 2015 etwa 440 Personen islamistischen Gruppen zuzurechnen. 5.2 Islamistischer Terrorismus Der überwiegende Teil der islamistisch-terroristischen Bewegung ist jihadistisch geprägt. Die Anhänger dieser Ideologie legitimieren die von ihnen verübten Terroranschläge religiös. "Jihad" bedeutet wörtlich übersetzt "Anstrengung" oder "Bemühung" und meint die geistlich-spirituellen Bemühungen der Gläubigen um das richtige Verhalten gegenüber Gott. Islamische Gelehrte unterscheiden hierbei zwischen dem "Großen Jihad" und dem "Kleinen Jihad". Mit dem "Großen Jihad" sind alle "inneren Bemühungen" eines Muslims gemeint, die moralischen Maßstäbe des Islams so gut wie möglich zu befolgen. Der "Kleine Jihad" dagegen meint den Kampfeinsatz zur Verteidigung sowie zur Ausbreitung des islamischen Herrschaftsbereichs. Die Jihadisten beziehen sich demzufolge auf den "Kleinen Jihad". Sie führen unter dem Leitprinzip des "Jihad" einen bewaffneten Kampf gegen die angeblichen Feinde des Islam. Dieser religiösen Legitimation bedienen sich nicht nur das Terrornetzwerk "al-Qaida" und ihre Ablegerorganisationen, sondern auch von "al-Qaida" organisatorisch unabhängig agierende jihadistische Einzelgruppierungen, wie der sogenannte "Islamische Staat", und Einzeltäter. 5.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" "Al-Qaida" vollzog innerhalb der letzten 15 Jahre einen fundamentalen Wandel von einer Organisation mit festen Strukturen zu einem globalen losen Terrornetzwerk. Das Terrornetzwerk "al-Qaida" umfasst eine Vielzahl von islamistisch-terroristischen Organisationen, einzelne Terrorzellen aus dem Nahen Osten, Afrika und Europa sowie zahlreiche regional und überregional agierende Ablegerorganisationen. Zu den von der Kernorganisation "al-Qaida" logistisch und finanziell relativ unabhängig agierenden regionalen Ablegerorganisationen gehören unter anderem "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) im Jemen, "al-Shabab" ("die jungen Menschen") in Somalia, "Jabhat al-Nusra" (JaN, "Unterstützungsfront") in Syrien, "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) in den Maghrebstaaten und seit September 2014 "al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS). Die aus "al-Qaida im Irak" hervorgegangene Terrororganisation "Islamischer Staat" agiert mittlerweile unabhängig bzw. sogar in bewaffneter Abgrenzung zu "al-Qaida". Viele dieser Organisationen und Terrorzellen stehen nicht in unmittelbarem Kontakt zur Kernorganisation "al-Qaida". Weltweit werden inzwischen Terroranschläge von Personen oder Organisationen verübt, die sich lediglich der Ideologie "al-Qaidas" verschrieben haben. Die von "al-Qaida" entwickelte "Dachideologie" des globalen "Jihad" existiert damit organisationsunabhängig und ist auch durch den Wegfall einzelner Personen nicht zu beseitigen. Entstehung und Ideologie des Terrornetzwerkes "al-Qaida" Die Entstehung von "al-Qaida" ("die Basis") ist eng mit der sowjetischen Besetzung Afghanistans in den Jahren von 1979 bis 1989 verknüpft. Neben den afghanischen "Mujahideen" ("die, die den "Jihad" betreiben") gab es eine Gruppe unter der Führung des Palästinensers Abdallah Azzam, die weltweit Muslime zur Verteidigung Afgha52 nistans als muslimisches Land aufrief und den "Jihad" somit internationalisierte. Azzam betrieb zusammen mit dem Saudi-Araber Usama bin Laden und dem Ägypter Ayman az-Zawahiri das sogenannte "Dienstleistungsbüro" (maktab al-khidamat), das die Finanzierung und Koordinierung der arabischen "Mujahideen" übernahm. Aus diesem "Dienstleistungsbüro" entstand die Organisation "al-Qaida". Entscheidend für die Entwicklung der Ideologie "al-Qaidas" waren der Zweite Golfkrieg 1990-1991 und die Tatsache, dass die Islamisten Anfang der 1990er-Jahre in keinem arabischen Staat die Herrschaft erringen konnten. Während bin Laden die Stationierung von US-amerikanischen Truppen in Saudi-Arabien im Zuge des Golfkrieges als nicht hinnehmbare Demütigung der islamischen Welt empfand, betrachtete Zawahiri die Machtübernahme von islamistischen Bewegungen in arabischen Staaten als aussichtslos, solange diese durch den Westen und insbesondere die USA unterstützt würden. Diese Unterstützung könne ausschließlich durch Usama bin Laden und Angriffe auf den Westen beendet werden. Ayman az-Zawahiri Die Hinwendung von der Bekämpfung des "nahen Feindes" (die arabischen Regime) zur Bekämpfung des "fernen Feindes" (der Westen) ist ein Schlüsselkonzept der Ideologie "al-Qaidas". Dieses Konzept manifestierte sich in den Anschlägen auf das "World Trade Center" in den USA 1993, die US-amerikanischen Botschaften in Daressalam/Tansania und Nairobi/Kenia 1998, das US-Kriegsschiff "USS Cole" 2000 und auf das "World Trade Center" 2001 in den USA. Mittlerweile hat sich dieses ideologische Konzept verselbstständigt und bildet die Motivation für zahlreiche Anschläge, die nicht direkt von der Kernorganisation "al-Qaida" koordiniert werden, wie die Terroranschläge am 11. März 2004 in Madrid oder am 7. Juli 2005 in London. Seitdem wird "al-Qaida" nicht mehr als Organisation, sondern als ein Netzwerk von gleichgesinnten Jihadisten definiert. 5.2.2 "Islamischer Staat" ("IS") Spätestens seit dem Bruch mit seiner Mutterorganisation ist der sogenannte "Islamische Staat" ("IS") als eigenständige Terrororganisation wahrzunehmen, die in einem Konkurrenzverhältnis zu "al-Qaida" steht. Die Ideologie beider Gruppen ist sich sehr ähnlich, die Unterschiede sind eher struktureller Natur. Im Gegensatz zur eher dezentral und versteckt agierenden "al-Qaida" verfügt der "IS" über einen Herrschaftsbereich in größeren Teilen Syriens und des Iraks. In verschiedenen Ländern (Libyen, Ägypten, Algerien, Nigeria, Jemen) haben terroristische Gruppen bereits ihre Loyalität zu dem "IS" bekundet. Der "IS" ist gegenwärtig die stärkste jihadistische Terrororganisation, hat "al-Qaida" in dieser Hinsicht den Rang abgelaufen und kontrolliert in Syrien und im Irak ein Territorium von der Größe Großbritanniens. Der Versuch, in diesen Gebieten staatsähnliche Strukturen aufzubauen, gelingt dem "IS" durch umfangreiche finanzielle Mittel, die er vor allem aus Beutezügen, Schutzgelderpressung und dem Verkauf von Rohöl erlangt. Hinzu kommt der Besitz von modernem Kriegsgerät, wodurch der "IS" mehr als eine Miliz denn als einfache, im reinen Untergrund agierende Terrororganisation verstanden werden muss. Aus dieser augenblicklichen Position der Stärke erwächst die Attraktivität und Anziehungskraft auf viele radikalisierte Jugendliche und junge Erwachsene. So kommt es, dass sich dem "IS" aus fast der gesamten Welt sogenannte "Foreign Fighters" angeschlossen haben. Alleine aus Europa sind ca. 5.000 Personen ausgereist, davon rund 800 aus Deutschland. Genese des "Islamischen Staats" Die Ursprünge des sogenannten "Islamischen Staats" (IS) liegen im 2003 begonnenen Irakkrieg. Die unter der Führung des Jordaniers Abu Musab al-Zarqawi stehende Terrorgruppe "al-Tawhid wa-l-Jihad" benannte sich 2004 in "al-Qaida im Zweistromland" um und agierte fortan als regionaler Ableger von "Kern-al-Qaida" im Irak. Schon zu dieser Zeit fiel die Gruppe durch ihre enorme Brutalität auf. Durch möglichst 53 Aufsehen erregende und opferreiche Anschläge auf schiitische Heiligtümer und Bürger wollte ihr Anführer al-Zarqawi Gegenschläge gegen die sunnitische Bevölkerung In Deutschland provozieren und sich in dem antizipierten Bürgerkrieg zum wichtigsten Verteidiger der verbotene Flagge Sunniten aufschwingen. 2005 rief die damalige Nr. 2 von "al-Qaida" Ayman az-Zawahiri des "IS" Zarqawi zur Mäßigung auf, da er einen Imageverlust von "al-Qaida" aufgrund der Gräueltaten von Zarqawis Gruppe vermutete. Nach dem Tod al-Zarqawis 2006 benannte sich die Gruppe in den "Islamischen Staat im Irak" um, blieb jedoch weiterhin Teil von "al-Qaida". In den folgenden Jahren konnte die Organisation weitestgehend zurückgedrängt werden. Erst mit dem Abzug der Amerikaner aus dem Irak, der konfessionell spaltenden Politik des ehemaligen schiitischen irakischen Premiers al-Maliki und dem durch den Bürgerkrieg bedingten Machtvakuum im Nachbarland Syrien konnte sich der "Islamische Staat im Irak" wieder etablieren. Anfang 2012 entsandte der jetzige Anführer des "IS" Abu Bakr al-Baghdadi eine unter der Führung von Abu Muhammad al-Jaulani stehende Delegation von Kämpfern nach Syrien, die den Namen "Jabhat al-Nusra" ("JaN") trug. Al-Jaulani agierte jedoch zunehmend unabhängiger von al-Baghdadi. Dieser erklärte in einer Veröffentlichung im April 2013, dass die JaN Teil seiner Organisation sei, die er in den "Islamischen Staat im Irak und Sham" umbenannte. Al-Jaulani pochte weiterhin auf seine Unabhängigkeit und schwor die Treue an den Führer von "Kern-al-Qaida" Ayman az-Zawahiri. In der Folge kam es zu einem Zerwürfnis und az-Zawahiri schloss ISIS schließlich im April 2014 aus dem "al-Qaida"-Netzwerk aus. Kurz darauf benannte sich ISIS in den "Islamischen Staat" ("IS") um und erklärte seinen Anführer Abu Bakr al-Baghdadi zum Kalifen und somit Herrscher über alle Muslime. 5.2.3 Anschläge durch islamistische Terrororganisationen Der islamistische Terrorismus ist ein globales Phänomen. Von den Anschlägen islamistischer Terrororganisationen sind daher sowohl die islamische Welt wie aber auch die nichtislamische Welt betroffen. Beide sehen sich einer asymmetrischen Bedrohungslage ausgesetzt. Dies gilt zum einen für den Tätertypus. So kann es sich bei den Tätern um langjährige Operateure, neu ausgebildete Rekruten und Rückkehrer, Schläferzellen, Lone-Wolf-Akteure oder als Flüchtlinge getarnte Terroristen handeln. Ebenso ist an jedem Ort zu jeder Zeit mit Anschlägen zu rechnen. Die Ziele des islamistischen Terrorismus umfassen nicht nur kritische Infrastruktur, wie Bahnhöfe oder Flughäfen, sondern auch sogenannte "soft targets" wie z.B. Einkaufszentren oder Cafes. Schließlich gilt die Asymmetrie auch für die Tatausführung, den sogenannten Modus Operandi. Jegliche Arten von Waffen können hierbei zum Einsatz kommen. So werden Sprengsätze sowohl per Fernzünder wie auch durch Selbstmordattentäter ebenso benutzt wie auch oder ausschließlich Schusswaffen. Letztlich ist auch der Gebrauch eines einfachen Küchenmessers zur Tatbegehung ausreichend. Islamische Welt In Syrien hat sich der 2011 zunächst friedlich begonnene Protest gegen das Regime des Präsidenten Assad zu einem landesweiten Bürgerkrieg entwickelt. Gegen die syrischen Regierungstruppen kämpfen neben säkularen nicht salafistischen Oppositionsgruppen auch jihadistische Gruppen. Innerhalb dieser jihadistischen Opposition gibt es ein Zerwürfnis zwischen der "al-Qaida"-nahen "JaN" und dem "IS", wobei Letzterer auch Teile des Iraks unter seine Kontrolle gebracht hat. In den von ihm kontrollierten Gebieten geht der "IS" äußerst brutal vor. Vor allem Schiiten, Jesiden und andere nicht sunnitische Minderheiten stehen im besonderen Fokus der Terrorgruppe. Aber auch sunnitische Muslime, die sich nicht dem extremistischen Islamverständnis des "IS" unterwerfen wollen, werden bekämpft und gezielt umgebracht. Besonderes Aufsehen erregten in den westlichen Medien die von der Propagandaabteilung des "IS" verbreiteten Enthauptungsvideos amerikanischer 54 und britischer Staatsbürger. Zusammen mit einem drohenden Genozid an kurdischen Jesiden in Sinjar und Kobane waren sie ausschlaggebend für die durch die USA angeführte militärische Allianz gegen den "IS". Dem "IS" haben sich tausende von ausländischen Kämpfern, allen voran aus der arabischen Welt, angeschlossen. Aber auch zahlreiche Europäer, darunter Deutsche, kämpfen an der Seite des "IS", beteiligen sich an Gräueltaten und treten in an Deutschland gerichtete Propagandavideos auf (s. Kapitel 5.2.6). Im Jemen bekämpfen schiitische Milizen die ehemalige Zentralregierung, welche durch saudi-arabische Truppen unterstützt wird. In dem entstehenden Machtvakuum gelingt es sowohl "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" wie auch dem lokalen Ableger des "IS", ihren Machtbereich auszuweiten. Letzterer übernahm die Verantwortung für einen Doppelanschlag auf zwei schiitische Moscheen am 20. März 2015, bei dem 142 Personen ums Leben kamen. In Libyen tobt ein Bürgerkrieg zwischen verschiedenen islamistischen Milizen und der Regierung in Tripolis. Fast ein Drittel der Bevölkerung befindet sich mittlerweile auf der Flucht. Teile der Provinz um die Stadt Sirte sind in der Hand des regionalen Ablegers des "IS", der aber auch in anderen Landesteilen wie in Derna aktiv ist. Im Februar 2015 veröffentlichte der "IS" von dort ein Propagandavideo, in dem 21 ägyptische Kopten enthauptet wurden. Ägypten begann daraufhin mit der Bombardierung von terroristischen Trainingslagern in Libyen. Seit der Absetzung des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mursi durch das Militär im Juli 2013 sind jihadistische Gruppen vor allem auf der Sinai-Halbinsel, aber mitunter auch im ägyptischen Kernland aktiv. Die schlagkräftigste Gruppe unter ihnen nannte sich ursprünglich "Ansar Bayt al-Maqdis" ("die Anhänger Jerusalems"), bevor sie im November 2014 ihren Anschluss an den "IS" verkündete. Die Gruppe bekannte sich zu mehreren Anschlägen mit zahlreichen Todesopfern. Am 31. Oktober 2015 übernahm sie die Verantwortung für den mutmaßlich durch eine Bombe verursachten Absturz einer russischen Passagiermaschine, bei der 224 Menschen ums Leben kamen. Auch in dem vergleichsweise stabilen Tunesien gab es 2015 zwei schwere Terrorangriffe. Am 18. März 2015 stürmten drei bewaffnete Attentäter das Bardo Nationalmuseum in Tunis und erschossen 22 Menschen, die meisten davon Touristen. Nur drei Monate später, am 26. Juni 2015, erschoss ein Attentäter 38 Personen, darunter zwei deutsche Staatsbürger, an einem Hotelstrand in Sousse. Zu beiden Anschlägen bekannte sich der "IS". Weiterhin kam es 2015 zu Anschlägen mit hohen Opferzahlen in Somalia, Indonesien, dem Libanon, Kuwait und der Türkei. Europa Am 7. Januar 2015 wurde ein islamistisch motivierter Terroranschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" in Paris verübt. Zwei maskierte Täter, die sich später zu "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" bekannten, drangen in die Redaktionsräume der Zeitschrift ein, töteten elf Personen, verletzten mehrere Anwesende und brachten auf ihrer Flucht einen weiteren Polizisten um. Am 9. Januar verschanzten sie sich in Dammartin-en-Goele, wo Sicherheitskräfte die beiden Täter erschossen. Am 8. Januar wurde im Süden von Paris eine Polizistin von einem weiteren schwerbewaffneten Täter erschossen. Dieser überfiel am Tag darauf den Supermarkt "Hyper Cacher" für koschere Waren im Pariser Osten, tötete vier Menschen und nahm weitere als Geiseln. Der Täter bekannte sich zum "IS" und erklärte, sein Vorgehen stehe in Verbindung mit dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Er wurde bei der Erstürmung des Supermarktes durch die Sicherheitskräfte erschossen. 55 Eine Woche später kam es im belgischen Verviers zu mehreren Festnahmen im jihadistischen Milieu. In den dabei erfolgten Schusswechseln kamen zwei der Terrorverdächtigen ums Leben. Sie sollen geplant haben, Verkäufer der Zeitschrift "Charlie Hebdo" zu ermorden. Wie sich im Nachhinein herausstellte, wurde die Terrorzelle durch Abdelhamid Abaaoud gesteuert, den späteren Drahtzieher der Anschläge von Paris im November des gleichen Jahres. Diese erfolgten am 13. November 2015 in Paris als koordinierte Attentate an fünf verschiedenen Orten im 10. und 11. Pariser Arrondissement sowie an drei Orten in der Vorstadt Saint-Denis. Insgesamt wurden 130 Menschen getötet und 352 verletzt. Außerdem starben sieben der Attentäter in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Attacken. Zu den Anschlägen bekannte sich der "IS". Die Angriffsserie richtete sich gegen die Zuschauer eines Fußballspiels im Stade de France, gegen die Besucher eines Rockkonzerts im Bataclan-Theater sowie gegen die Gäste zahlreicher Bars, Cafes und Restaurants. Es handelte sich um mehrere Schusswaffenattentate, im Bataclan-Theater verbunden mit einer Massengeiselnahme, sowie sechs Sprengstoffanschläge, die von Selbstmordattentätern mit Sprengstoffwesten ausgelöst wurden. Der Modus Operandi ähnelt den Anschlägen von Mumbai (Indien) im Jahr 2008, wo ebenfalls mehrere Anschläge zeitgleich an verschiedenen Orten der Stadt verübt wurden. Der mutmaßliche Planer der Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, starb wenige Tage später bei einer Razzia im Pariser Vorort Saint-Denis. Dieses Attentat vereint die zuvor genannten Aspekte der asymmetrischen Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus in Bezug auf Täterschaft, Lokalität und Modus Operandi. 5.2.4 Radikalisierte Einzeltäter Neben der gezielten Steuerung durch Terrororganisationen werden Anschläge häufig auch von "fanatisierten" Einzeltätern in Eigeninitiative ausgeführt. Diese stehen nicht immer im Visier der Sicherheitsbehörden, vor allem dann nicht, wenn sie sich zuvor unauffällig verhielten und nie längerfristig in islamistisch-terroristische Strukturen eingebunden waren. Bei den Personen handelt es sich meist entweder um Rückkehrer aus den erwähnten Krisengebieten oder um Personen, die sich ohne eine vorherige Ausreise radikalisiert haben. In beiden Fällen ist die Zugehörigkeit zu einer Terrororganisation nur lose vorhanden. Die folgenden Attentate im Jahr 2015 verdeutlichen die Gefahr, die von solchen Personen ausgeht: Am 14. und 15. Februar 2015 kam es zu zwei islamistischen Anschlägen in Kopenhagen (Dänemark). Am Nachmittag des 14. Februars wurde auf das Kulturzentrum Krudttonden im Kopenhagener Stadtteil Osterbro ein Anschlag verübt. Dabei wurden der dänische Dokumentarfilmer Finn Norgaard getötet und drei Polizeibeamte verletzt. Ziel des Anschlages war eine Diskussionsveranstaltung zur Thematik Kunst, Blasphemie und Meinungsfreiheit. Im Verlauf der folgenden Nacht ereignete sich ein zweiter Anschlag auf die Kopenhagener Synagoge, bei dem ein jüdischer Wachmann erschossen und zwei Polizeibeamte verletzt wurden. Der Täter Omar Abdel Hamid El-Hussein wurde kurz darauf von Einsatzkräften gestellt und nach Gegenwehr erschossen. In Garland, Texas (USA) griffen am 3. Mai 2015 zwei Männer eine Ausstellung mit Mohammed-Karikaturen an und lieferten sich einen Schusswechsel mit der Polizei, bei dem beide Täter erschossen und ein Wachmann verletzt wurden. Die Ausstellung in Garland war von einer islamfeindlichen Gruppe organisiert worden, an ihr nahm auch der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders teil. 56 In der Nähe von Lyon (Frankreich) attackierte ein Mann am 26. Juni 2015 eine Gasfabrik, nachdem er seinen Chef getötet und enthauptet hatte. Neben der Leiche hingen zwei Flaggen mit dem Logo des "IS". Der Täter wurde gefasst, er war seit 2006 wegen jihadistischer Tendenzen bereits im Visier der Behörden. In einem Thalys-Zug von Amsterdam nach Paris ereignete sich am Abend des 21. August 2015 im belgisch-französischen Grenzgebiet ein Anschlag, als der in Brüssel zugestiegene Attentäter Ayoub El Kahzani das Feuer auf andere Fahrgäste eröffnete. Er wurde dabei von mehreren im Zug anwesenden US-Soldaten überwältigt. Nach Angaben der Ermittler lebte El Kahzani sieben Jahre lang in Spanien und sei dann über Frankreich ins Bürgerkriegsland Syrien gereist. Am 10. Mai 2015 hielt er sich nach Erkenntnissen der französischen Behörden in Berlin auf. Von hier aus sei er in die Türkei geflogen, nach seiner Rückkehr habe er dann in Belgien gewohnt. Diese Erkenntnisse belegen den grenzüberschreitenden Charakter des islamistischen Terrorismus. Bei dem Terroranschlag in San Bernardino in Kalifornien (USA) am 2. Dezember 2015 wurden von den Attentätern Syed Farook und Tashfeen Malik 14 Menschen getötet und 21 weitere verletzt. Der Anschlag ereignete sich im Inland Regional Center, einer gemeinnützigen Einrichtung für Menschen mit Entwicklungsbeeinträchtigung, in der zu dieser Zeit eine Weihnachtsfeier stattfand. Es handelt sich um den schwersten islamistischen Terrorakt in den USA seit dem 11. September 2001. Einer der Attentäter hatte auf Facebook seine Loyalität zum "IS" bekundet. "Home-Grown-Terrorismus" Die Profile islamistischer Terroristen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Längst stellen nicht mehr nur aus dem Ausland eingereiste Attentäter eine Bedrohung für die Innere Sicherheit dar. Eine hohe Gefährdung geht von sogenannten "Home-Grown"-Terroristen aus, die in westlichen Staatsund Gesellschaftsformen aufgewachsen und sozialisiert worden sind. Wenngleich "Home-Grown"Terroristen äußerlich meist gut in die Gesellschaft integriert scheinen, wenden sie sich radikal islamistischem Gedankengut zu und fühlen sich zur Verübung von Anschlägen berufen. Durch ihre Sozialisation bewegen sich "Home-Grown"-Terroristen bei der Planung und Durchführung von Anschlägen in der Regel unauffälliger als aus dem Ausland eingereiste Attentäter. Radikalisierungsprozesse Die Wandlung in die Gesellschaft integriert erscheinender junger Personen zu islamistisch motivierten Gewalttätern wirft Fragen zum Radikalisierungsprozess auf. Es existieren zahlreiche wissenschaftliche Studien zu dem Thema, die trotz unterschiedlicher Methodik Grundaussagen bezüglich der Radikalisierung von Personen zulassen: Viele junge Muslime stellen sich Fragen zu ihrer Identität und können u.a. im Islam Antworten finden. Zentral ist dabei oftmals die Frage nach der Bedeutung, als Muslim in einer mehrheitlich nichtmuslimischen Gesellschaft zu leben. Eine scheinbare Antwort auf diese Fragen können islamistische Ideologien wie der Salafismus bieten, der vor allem über das Internet, aber auch in geringerem Maße über Literatur und Prediger vermittelt wird. Die meisten Muslime lehnen eine solche extremistische Islaminterpretation ab. Akzeptanz findet die Ideologie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen dann, wenn sie dort aufgrund von erlebten Frustrationserfahrungen wie Diskriminierung, Erniedrigung, Entfremdung, Ungleichbehandlung, Perspektivund Orientierungslosigkeit oder Konflikte mit dem Elternhaus angebliche Bestätigung finden. In diesem Fall werden persönliche negative Erfahrungen in eine Weltsicht eingebettet, in der sich die Ungläubigen in jeder Hinsicht gegen die Muslime verschworen haben. Die 57 Ursachen für eine Radikalisierung liegen jedoch nicht im Islam, sondern sind sozialer, ökonomischer oder psychologischer Natur. Daher ist häufig nicht die Ideologie der wichtigste Grund, sich einer extremistischen Gruppierung anzuschließen, sondern die Aufnahme und Akzeptanz in eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Auch wenn die Befürwortung oder sogar Ausübung von Gewalt eher die Ausnahme darstellt, so gefährdet auch die gewaltlose Radikalisierung, vergleichbar mit Sekten und fundamentalistischen Strömungen innerhalb anderer Religionen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein friedliches, interkulturelles Zusammenleben, da sie Polarisation und soziale Abschottung fördert. 5.2.5 Internet und andere Medien Die Radikalisierung von jungen Muslimen kann insbesondere über im Internet abrufbare islamistische Propaganda erfolgen. Das Internet dient Islamisten als wichtiges Medium zur Kontaktpflege, Verbreitung von Propaganda und Rekrutierung von neuen Anhängern. Ihre Präsenz im Internet hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Nutzung sozialer Netzwerke im Internet bzw. entsprechender Programme wie Twitter, WhatsApp, Facebook, Youtube oder Telegramm erhöht. Popularität genießen auch jihadistische Kampflieder, sogenannte "Nasheeds". Da in den Liedern keine Instrumente benutzt werden, stellen sie entsprechend einer strengen islamischen Auslegung die einzige legitime Musikform dar. Die Kampflieder stammen ursprünglich aus dem mystischen Islam (Sufismus). In den 1980er-Jahren, während des Krieges in Afghanistan, entdeckten Jihadisten diese Kampflieder für sich und unterlegen damit oft musikalisch ihre Propagandavideos. Onlinemagazine Islamistische Propaganda wird längst nicht mehr ausschließlich auf Arabisch, sondern auch in europäischen Sprachen verbreitet. Das bisher bekannteste nichtarabische Sprachrohr der jihadistischen Bewegung war das Onlinemagazin "Inspire", das von Sympathisanten der im Jemen aktiven Terrororganisation AQAH herausgebracht wurde. Bisher sind vierzehn Ausgaben des Magazins über das Internet veröffentlicht worden. In dem Magazin wurden die Leser wiederholt zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" oder zur Vorbereitung von Anschlägen in ihren europäischen Heimatländern aufgerufen. Das Magazin gibt daneben auch Anleitungen zur Begehung von Anschlägen und zum Bombenbau. Auch der "IS" verfügt über eigene professionell aufbereitete Propagandamagazine. Das bekannteste ist das englischsprachige Magazin "Dabiq". Es ist im Internet ohne Weiteres verfügbar. Seine Verbreitung dürfte zwar in der Bundesrepublik nunmehr dem durch das Bundesministerium des Innern (BMI) verfügten Betätigungsverbot zuwiderlaufen, doch ist nicht zu erwarten, dass dies die Zugriffsmöglichkeiten nachhaltig einschränkt. Bisher sind dreizehn englischsprachige Ausgaben des Magazins erschienen; die erste und zweite Ausgabe des Machwerks sowie Auszüge darauffolgender Exemplare sind auch auf Deutsch im Internet abrufbar. Die Themen beinhalten die Strategie des "IS", seine vermeintliche Legitimität als "Staat", ideologische Auseinandersetzungen mit anderen jihadistischen Gruppen sowie seine 58 Selbstglorifizierung und Abwertung der ungläubigen westlichen Welt. Insbesondere den USA und Europa, und somit auch Deutschland, wird in dem Magazin mit Anschlägen gedroht. Die Thematisierung der Anschläge von Paris vom 13. November 2015 wird als Beweis aufgeführt, dass es in der Möglichkeit des "IS" liegt, auch westliche, insbesondere amerikanische und französische Staatsangehörige zu töten, ohne dass diese Staaten unmittelbar etwas zur Verhinderung solcher Taten unternehmen können. Bereits extremistisch motivierte Personen werden dadurch aufgeheizt und motiviert, sich am bewaffneten Kampf für die vermeintlich gemeinsame Sache zu beteiligen. Das Propagandamagazin "Dabiq" des "IS" Mittlerweile existieren weitere Magazine, die in ihrem Aufbau und Inhalt Dabiq ähneln, jedoch andere Sprachräume erreichen sollen. Zu nennen wären Dar al-Islam (Gebiet des Islams) für den französischen, Konstantiniyye (Konstantinopel) für den türkischen sowie Istok (Ursprung) für den russischen Sprachraum. 5.2.6 Islamistischer Terrorismus in Deutschland Die Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus hat sich im Jahr 2015 noch einmal deutlich erhöht. Die Bedrohung für die Innere Sicherheit geht insbesondere von Personen des gewaltbereiten islamistischen Spektrums aus, die in Terrorlagern auf die Verübung von Anschlägen in Deutschland vorbereitet oder mit der Gründung von Terrorzellen beauftragt wurden oder sich hierzulande inspiriert fühlen, Anschläge zu verüben. Nicht nur Orte mit hoher infrastruktureller Bedeutung wie Flughäfen und Bahnhöfe stellen potenzielle Anschlagsziele dar. Auch Orte, die aus Sicht der Attentäter die typisch westliche Lebensweise symbolisieren, wie Einkaufszentren, Cafes oder Bars, sind spätestens seit Paris zu den potenziellen Anschlagszielen zu zählen. Einer hohen Gefährdung sind in Deutschland auch US-amerikanische, britische, israelische und jüdische Einrichtungen ausgesetzt. Darüber hinaus dient Deutschland dem islamistischen Terrorismus als Rückzugs-, Logistik-, Vorbereitungsund Rekrutierungsraum. In Deutschland bestehende islamistisch-terroristische Gruppen unterstützen den bewaffneten "Jihad" weltweit vor allem auf finanzielle und materielle Weise, z.B. mit gefälschten Papieren oder Elektronikartikeln. Am 1. Mai 2015 wurde in Oberursel ein Ehepaar festgenommen. Die Beamten stellten im Keller des Hauses, in dem das Paar zu der Zeit wohnte, eine funktionsfähige Rohrbombe, ein zerlegtes Sturmgewehr, 100 Patronen des Kalibers neun Millimeter sowie ein Übungsgeschoss für eine Panzerfaust sicher. Mit dem Zugriff wollte die Polizei verhindern, dass das im nahen Frankfurt geplante, traditionelle Radrennen "Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt" angegriffen wird. In Berlin griff am 17. September 2015 ein bewaffneter Islamist eine Polizistin mit einem Messer an und verletzte diese schwer. Der Kollege der Beamtin erschoss den Angreifer. Bei dem Täter handelt es sich um den 41-jährigen Rafik Yousef, der 2008 vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Organisation "Ansar-al-Islam" zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden war. Er hatte zusammen mit Komplizen im Jahr 2004 einen Mordanschlag auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Iyad Allawi während eines Berlin-Besuchs des Politikers geplant. Reisen von Salafisten nach Syrien und in den Irak Im Zuge des syrischen und irakischen Bürgerkrieges reisten bislang mehr als 800 Salafisten aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak aus, um die islamistischen Oppositionsgruppen im Kampf gegen syrische bzw. irakische Regierungstruppen zu unterstützen. Etwa ein Drittel dieser Salafisten ist bereits wieder nach Deutschland zurückgekehrt, etwa 70 von ihnen beteiligten sich aktiv an Kampfhand59 lungen islamistischer Gruppen. Ca. 130 Personen sind bei Kampfhandlungen in Syrien bereits ums Leben gekommen. Mehrere Propagandavideos und Bekennerschreiben lassen darauf schließen, dass deutsche Staatsbürger Selbstmordattentate durchgeführt und weitere Gräueltaten verübt haben. Der überwiegende Teil der ausgereisten Personen ist jünger als 30 Jahre. Vor allem innerhalb der salafistischen Szene ist der Konflikt in Syrien gegenwärtig ein wichtiges Thema. Im Internet betonen gewaltorientierte Salafisten ihre Verbundenheit mit jihadistischen Oppositionsgruppen. In sozialen Netzwerken wie "Twitter" oder "Facebook" veröffentlichen aus Deutschland ausgereiste Personen Fotos und Videos aus der Konfliktregion und versuchen damit, vor allem junge Muslime zur Ausreise zu bewegen. Die wachsende Anzahl der nach Syrien ausgereisten Personen ist für deutsche Sicherheitsbehörden deshalb problematisch, weil diese eine terroristische Ausbildung durchlaufen haben könnten und mit dem erworbenen Wissen sowie dem Ziel der Begehung von Anschlägen nach Deutschland zurückkehren könnten. Angesichts der aktuellen Zuwanderungsbewegungen nach Deutschland ist nicht auszuschließen, dass sich unter den Flüchtlingen auch Personen aus dem Bereich der Allgemeinkriminalität, Kriegsverbrecher, Mitglieder militanter Gruppen bzw. terroristischer Organisationen oder Einzelpersonen extremistischer Gesinnung befinden könnten. Die Sicherheitsbehörden erhalten in diesem Zusammenhang Hinweise auf derartige Personen. Diesen Hinweisen gehen Polizei und Verfassungsschutzbehörden in jedem Einzelfall unverzüglich nach. Dies führte bisher zur Einleitung von Ermittlungsverfahren im unteren zweistelligen Bereich. Ermittlungsverfahren und Strafprozesse von Terrorverdächtigen Die hohe Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus wird auch anhand der Zahl der im Jahr 2015 in diesem Zusammenhang laufenden Ermittlungsverfahren und Strafprozesse deutlich. Derzeit sind beim Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang 136 Verfahren gegen insgesamt 199 Beschuldigte anhängig. Im Folgenden werden einige Beispiele beschrieben. Der Generalbundesanwalt hat am 22. Januar 2015 aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof zwei deutsche Staatsangehörige an ihren Wohnorten in Nordrhein-Westfalen festnehmen lassen. Zudem wurden ihre Wohnungen nach Beweismitteln durchsucht. Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, sich als Mitglieder an einer ausländischen terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben. Einem Beschuldigten wird in dem Haftbefehl zudem vorgeworfen, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen reisten die Beschuldigten im März und im August 2013 über die Türkei nach Syrien. Dort sollen sie sich dem Kampfverband "Muhajirun halab" ("Auswanderer von Aleppo") angeschlossen haben. Die "Muhajirun halab" gehörten zunächst der ausländischen terroristischen Vereinigung "Jaish al Muhajirin wal Ansar" ("Armee der Auswanderer und Helfer", kurz: JAMWA) an. Nach der Spaltung der JAMWA Ende 2013 schlossen sich die "Muhajirun halab" dem "IS" an. Am 10. Februar 2015 hat der Generalbundesanwalt vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München Anklage gegen einen 21-jährigen deutschen und türkischen Staatsangehörigen erhoben. Der Angeschuldigte ist angeklagt, sich der ausländischen terroristischen Vereinigung "Jabhat al-Nusra" ("JaN") angeschlossen zu haben. In der Anklageschrift wird ihm zudem zur Last gelegt, eine Waffenausbildung durchlaufen und dadurch schwere staatsgefährdende Gewalttaten vorbereitet 60 zu haben. Ende März 2014 reiste der Angeschuldigte über die Türkei nach Syrien. Er beabsichtigte, sich am militanten Jihad gegen das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu beteiligen und im Kampf als "Märtyrer" zu sterben. Zu diesem Zweck schloss er sich der jihadistischen Vereinigung "Jabhat al-Nusra" ("JaN") an. Zunächst absolvierte er eine Waffenausbildung und erhielt Taktikund Religionsunterricht. In der Folge leistete er für die Vereinigung Wachdienste und trat in einem im Internet veröffentlichten Propagandavideo der Vereinigung auf. Der Generalbundesanwalt hat am 3. Juli 2015 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anklage gegen einen tunesischen, zwei deutschmarokkanische und einen russischen Staatsangehörigen erhoben. Die Angeschuldigten sind hiernach hinreichend verdächtig, die ausländische terroristische Vereinigung "IS" unterstützt zu haben. Dabei ging es um die Übermittlung von Geldbeträgen und Bedarfsgütern an den "IS" sowie die Schleusung von Personen nach Syrien. Zudem beschafften sie Flugtickets für vier in der Türkei in Haft befindliche Mitglieder des "IS". Das Oberlandesgericht Celle hat am 7. Dezember 2015 zwei Unterstützer der Terrormiliz "IS" zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die beiden Deutsch-Tunesier hätten sich der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht, entschied das Gericht. Der 27-jährige Ayoub B. wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, der 26-jährige Ebrahim H. B. zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Männer gehörten der Wolfsburger Zelle an, in der Dutzende radikalisierte junge Männer von einem fanatischen Prediger zur Ausreise nach Syrien überredet wurden. Propagandaschriften und Drohvideos Die globale Verbreitung jihadistischer Ideologie wird am Beispiel von deutschsprachigen Propagandaschriften und Drohvideos deutlich. Während die Aufrufe zu terroristischen Anschlägen in schriftlichen Stellungnahmen zunächst vornehmlich für Krisenregionen gegolten haben, beziehen sie sich nunmehr auch auf Europa und Deutschland. Im Jahr 2015 wurden zudem erneut Videos veröffentlicht, die direkt und indirekt gegen Deutschland gerichtete Drohungen beinhalteten. Am 5. August 2015 wurde im Internet erstmalig ein deutschsprachiges Drohund Hinrichtungsvideo mit dem Titel "Der Tourismus dieser Umma" veröffentlicht. In dem etwa fünfminütigen Video wird neben schwerbewaffneten Jihadisten auf Autoladeflächen und marschierenden Kämpfern auch eine Sitzrunde von Gefolgsleuten um den in Österreich verurteilten Terroristen und "IS"-Anhänger Mohamed Mahmoud gezeigt. Botschaft dieses Videos ist die Anwerbung von Ausreisewilligen zur Teilnahme am bewaffneten Kampf des sogenannten "IS" sowie der Aufruf dazu, AnPropagandavideo mit Bremer schläge in Deutschland zu verüben. In einer seiner Ansprachen wird eine Drohung Akteuren gegen die Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgesprochen und zu Gewalttaten gegen deutsche Staatsbürger aufgerufen. Zum Ende des Filmes erfolgt die Hinrichtung von zwei Gefangenen. Das Drohvideo entstand unter der Mitwirkung von zwei aus Bremen ausgereisten Personen, die dem Umfeld des inzwischen verbotenen "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF) zuzurechnen sind. Während einer der Bremer noch in Syrien oder im Irak vermutet wird, wurde der zweite Bremer im Juli 2015 bei seiner Rückkehr nach Bremen verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, eine schwere staatsgefährdende Straftat gemäß SS 89 StGB begangen zu haben. Er sitzt seither in Untersuchungshaft (s. Kapitel 5.3.1.). Darüber hinaus existieren diverse weitere deutschsprachige oder zumindest untertitelte jihadistische Propagandaveröffentlichungen des "IS" und ihm nahestehende Gruppen. Diese fordern nicht notwendigerweise Anschläge in Deutschland, glorifizieren jedoch den "IS" und seine Machenschaften und werben für eine Ausreise. 5.3 Salafistische Bestrebungen Der Salafismus gilt sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. Ihr werden in Deutschland derzeit ca. 8.650 Personen und in Bremen ca. 360 Personen zugerechnet. Eine exakte Bezifferung des salafistischen Personenpotenzials ist aufgrund von strukturellen 61 Besonderheiten der Szene schwierig. So weisen zahlreiche salafistische Personenzusammenschlüsse keine festen Strukturen auf. Gleichzeitig finden sich Salafisten in anderen islamistischen Organisationen und Einrichtungen. Salafismus leitet sich vom arabischen Begriff "Salafiyya" ab, der eine Strömung des Islams bezeichnet, die sich ideologisch an den sogenannten "Salaf as-Salih" ("die frommen Altvorderen"), also den ersten drei Generationen der Muslime orientiert. Salafisten versuchen deren Lebensweise detailgetreu zu kopieren. Die Anhänger dieser Ideologie sind der Überzeugung, dass Probleme der Gegenwart durch die Rückbesinnung auf den "wahren Urislam" gelöst werden können. Dazu legen sie die islamischen Quellen, Koran und "Sunna", wortwörtlich aus. Anpassungen der Islamauslegung an veränderte gesellschaftliche und politische Gegebenheiten werden durch die Salafisten als "unislamisch" kategorisch abgelehnt und führen - so die Vorstellung - zwangsläufig zum "Unglauben". Auch im Alltag orientieren sich viele Salafisten an den Lebensumständen der frühislamischen Zeit. Zum Beispiel befolgen sie spezielle Zahnputztechniken, tragen nach dem Vorbild des Propheten Mohammed knöchellange Gewänder oder Vollbärte und propagieren die Vollverschleierung der Frau. Die Ideologie des Salafismus lässt sich in eine politische und eine jihadistische Strömung unterteilen. Vertreter des politischen Salafismus stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit, um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten sowie politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Anhänger des jihadistischen Salafismus hingegen glauben, ihre Ziele durch Gewaltanwendung realisieren zu können. Die Übergänge zwischen beiden Formen sind fließend. In Deutschland lebende Anhänger lassen sich sowohl dem politischen als auch dem jihadistischen Salafistenspektrum zuordnen. Die Ideologie, die ihrer Interpretation der "Scharia" absoluten Geltungsanspruch einräumt, verstößt in mehreren Punkten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. So lehnen Salafisten die Demokratie als politisches System grundsätzlich ab, da nur Gott Gesetze erlassen dürfe. Des Weiteren verletzen die in der "Scharia" vorgeschriebenen Körperstrafen für Kapitalverbrechen, die körperliche Züchtigung der Frau und die Beschränkung ihrer Freiheitsrechte sowie die fehlende Religionsfreiheit die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Salafistische Vereinigungen in Deutschland Die salafistische Szene in Deutschland ist sehr heterogen, was ihre Struktur und Gewaltaffinität betrifft. Die salafistischen Vereine veranstalten in regelmäßigen Abständen bundesweit sogenannte "Islamseminare", in denen sie ihre salafistische Ideologie vermitteln. Finanzielle Unterstützung erhalten sie vor allem aus SaudiArabien, dort stellt der Salafismus die offizielle Islaminterpretation dar. In den vergangenen Jahren hatte der Salafismus eine wachsende Anziehungskraft insbesondere auf junge Muslime. Der bekannteste salafistische Verein in Deutschland war der Verein "Einladung zum Paradies e.V." (EZP). Einem angestrebten Verbotsverfahren kam der Verein im Jahr 2011 durch seine Selbstauflösung zuvor. Seine Mitglieder sind jedoch weiterhin aktiv. Der Verein EZP war vor allem wegen umstrittener und Aufsehen erregender Vorträge seiner Prediger bekannt. Insbesondere der Konvertit Pierre Vogel, der seine Botschaften stets mit Charisma vorträgt, ist bei jungen Muslimen populär. Gleiches gilt für dessen Weggefährten Sven Lau, der ebenfalls bundesweit agiert. Lau befindet sich seit dem 15. Dezember 2015 in Untersuchungshaft, da er verdächtigt wird, die Terrororganisation "Jaish al Muhajirin wal Ansar" in Syrien unterstützt zu haben. Darüber hinaus machte Lau bereits im September 2014 Schlagzeilen, als er die 62 Gründung einer "Scharia-Polizei" bekannt gab. Zusammen mit einer Gruppe von Gleichgesinnten zog er damals durch die Wuppertaler Innenstadt und riet anderen Muslimen zu einem islamkonformen Verhalten. Zudem lud er sie in die Darul Arqam Moschee ein, die als Zentrum der Salafisten um Pierre Vogel gilt. Das aktive salafistische Netzwerk "Die wahre Religion" (DWR) hat sich die missionarische Verbreitung der "reinen Form" des Islams zur Aufgabe gemacht. Das Netzwerk propagiert die salafistische Ideologie über bundesweit stattfindende Vorträge und Seminare sowie seine Internetseite. Die meist emotional gehaltenen Vorträge zielen auf die Radikalisierung ihrer Zuhörer. Prediger versuchen insbesondere mit dem Vorwurf der Untätigkeit, ihre Zuhörer zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" zu bewegen. Der Hauptakteur des Netzwerkes DWR ist der salafistische Prediger Ibrahim Abou Nagie. Im Jahr 2015 veranstaltete das Netzwerk mehrere Benefizveranstaltungen, in denen Spenden zur Unterstützung islamistischer Oppositionsgruppen in Syrien gesammelt wurden. Im Rahmen des von Nagie initiierten Projektes "Lies! Im Namen Deines Herrn, der Dich erschaffen hat" wird der Koran kostenlos verteilt. Bundesweit gab es seit dem Jahr 2012 zahlreiche Verteilaktionen, davon mehrere in Bremen und Bremerhaven. Der Koran wird mit dem Ziel verteilt, vor allem Jugendliche langfristig in salafistische Netzwerke einzubinden. Für die Beteiligung an Verteilaktionen ist keine formelle Mitgliedschaft im salafistischen Netzwerk DWR nötig, vielmehr können Interessierte entsprechendes Material über die Internetseite anfordern. Für viele junge Muslime ist die Aktion deshalb attraktiv, weil sie in ihren Augen dem Abbau von Vorurteilen gegenüber der Religion des Islam dient. Insofern verweist die Beteiligung einer Person an einer solchen Verteilaktion nicht zwangsläufig auf ihre salafistische Einstellung. Mittlerweile existieren weitere Ableger des Projektes wie z.B. "Siegel des Propheten" oder "Jesus im Islam" (s. Kapitel 5.3.1). Der salafistische Verein "Dawa FFM" und die dazugehörige Internetplattform "Islamische Audios" wurde im März 2013 wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung durch das BMI verboten. Hintergrund des Verbots war die Verbreitung salafistischer Ideologie sowie Aufrufe zu Gewalt im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Salafisten und der Polizei im Rahmen des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes 2012. Mit derselben Begründung war im Jahr 2012 bereits die salafistische Vereinigung "Millatu Ibrahim" (MI, "die Gemeinschaft Abrahams") durch das BMI verboten worden. Der Verein hatte u.a. den "Jihad" und das Märtyrertum glorifiziert. Darüber hinaus hatte er sich für die Befreiung von in Deutschland inhaftierten Islamisten eingesetzt. Das Verbot, das auch Nachfolgebestrebungen einschloss, erstreckte sich im März 2013 folglich auch auf den Nachfolgeverein "an Nussrah". Der Name "Millatu Ibrahim" ist ein ideologischer Verweis auf das gleichnamige Hauptwerk des bekannten jihadistischen Ideologen Muhammad al-Maqdisi, welcher zurzeit in Jordanien inhaftiert ist. Am 26. Februar 2015 hat das BMI die Vereinigung "Tauhid Germany" alias "Team Tauhid Media" als Ersatzorganisation von "Millatu Ibrahim" verboten. Zu dem Verbot gehörte auch die Abschaltung der Webseite ansarul-aseer.com, welche als Plattform salafistischer Gefangenenunterstützung diente. Tauhid Germany hatte salafistisches Propagandamaterial vor allem über das Internet verbreitet und nutzte hierzu vorrangig soziale Medien. 63 Im letzten Jahr versuchten Salafisten ihre Rekrutierungsbemühungen vor allem in Flüchtlingsunterkünften zu intensivieren. So versuchten sie über Sachspenden, logistische Unterstützung, Dolmetschertätigkeiten und Einladungen in einschlägige Moscheen die Orientierungslosigkeit, vor allem junger Menschen, auszunutzen und eine emotionale Bindung an die salafistische Szene zu erwirken. Die Verfassungsschutzbehörden haben auf diese Entwicklung frühzeitig reagiert und entsprechende Sensibilisierungsveranstaltungen mit den Leitern und Mitarbeitern von Flüchtlingsunterkünften durchgeführt. Verbotene Symbole von Die verschiedenen Aktivitäten der salafistischen Szene dürfen nicht isoliert betrachtet "Tauhid Germany" werden. Es handelt sich um ein organisches Netzwerk, in dem die Grenzen zwischen militanten und nicht militanten Teilen oftmals verschwimmen. So ruft Pierre Vogel auf seinen Kundgebungen nicht dazu auf, nach Syrien auszureisen. Dennoch sind Fälle bekannt geworden, in denen junge Menschen kurz nach den Kundgebungen ausgereist sind. Ebenso wird an den Informationsständen der Koranverteilungsaktionen nicht gezielt für den "IS" rekrutiert. Dennoch sind ein Fünftel der bisher aus Deutschland ausgereisten Personen zuvor an den "Lies!"-Ständen aktiv gewesen. Statistisch gesehen, reist jeder zehnte Salafist in Deutschland nach Syrien bzw. den Irak aus. Diese Sogwirkung verdeutlicht die Gefahr, die vom Salafismus in Deutschland ausgeht. "Spill-over"-Effekte und innerdeutsches Konfliktpotenzial Die Geschehnisse in Syrien und im Irak färben auch auf die betroffenen ethnischen und religiösen Gemeinschaften in der Diaspora ab. Diese als "Spill-over"-Effekte beschriebenen Prozesse werden stellenweise auch gewaltsam ausgetragen. Salafisten werden oftmals pauschal mit "IS"-Sympathisanten gleichgesetzt. Neben Kurden, darunter auch Anhänger der in Deutschland verbotenen PKK (siehe Kapitel 6.1), sind es oftmals auch Schiiten und Anhänger des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, welche Salafisten in Deutschland unter anderem durch Demonstrationen entgegentreten. Vor allem im Internet findet man oftmals martialische, zu Gewalt gegen Salafisten aufrufende Seiten und Postings. Dabei reicht oftmals schon traditionelle Kleidung aus, um als Salafist zu gelten. Die Salafisten wiederum sehen sich bedroht und in dem Zwang, sich notfalls mit Gewalt zu verteidigen. Insgesamt ist die Stimmung zwischen beiden Lagern weiterhin angespannt. So werden teilweise Vorfälle aufgegriffen, bei denen unklar ist, ob der ethnisch-religiöse Hintergrund überhaupt ausschlaggebend für den Konfliktfall war. Daneben sieht auch die rechtsextremistische und rechtspopulistische Szene in den Salafisten vermehrt ein geeignetes Feindbild. Ausdruck findet diese Entwicklung in durch die "German Defense League" mitorganisierten Gegendemonstrationen bei Auftritten von Salafisten sowie durch das Hooliganbündnis HoGeSa (siehe Kapitel 3). 5.3.1 Salafismus im Land Bremen Auch die salafistische Szene im Land Bremen mit rund 360 Anhängern ist heterogen in ihrer Zusammensetzung. Ausgehend von gewaltfreiem politischem Salafismus über gewaltunterstützende und -befürwortende bis hin zu gewalttätigen Anhängern 64 der Ideologie findet sich jede beschriebene Facette auch im Land Bremen wieder. So fanden im Jahr 2015 in Bremen und Bremerhaven zahlreiche Koranverteilungsaktionen der Organisationen "Siegel der Propheten" und "Lies!" statt. Im Februar 2015 sah sich Bremen mit einer Gefährdungslage ausgehend von islamistischen Gewalttätern konfrontiert, die zu polizeilichen Maßnahmen zur Bewältigung der Lage führte. Aber auch Ausreisefälle in Richtung Syrien und Irak waren im Jahr 2015 ein Thema, mit dem sich Bremen auseinandersetzen musste. Hierbei spielten unter anderem Personen eine Rolle, die mit möglichen Kampferfahrungen bzw. -ausbildungen nach Bremen zurückkehrten. Ebenfalls von Bedeutung für die Arbeit des Verfassungsschutzes war die Gründung einer Ersatzorganisation durch Anhänger des im Jahre 2014 verbotenen "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF) in Bremen. Auch der massive Anstieg der Flüchtlingszahlen stellte das Landesamt für Verfassungsschutz im Jahresverlauf vor besondere Herausforderungen, die weiterhin andauern. Bremer Salafisten schließen sich in Syrien jihadistischen Gruppen an Durch die Hinwendung zum Salafismus wird ein "Grundstein" für einen weiteren Weg der Radikalisierung bis hin zum Jihadismus gelegt. Dies wird in Bremen insbesondere durch sämtliche bislang bekannt gewordenen Fälle deutlich, in denen Bremer Personen sich nach Kontakten in die salafistische Szene zu einer Ausreise in jihadistische Kampfgebiete in Syrien oder dem Irak entschlossen hatten. Die Ausreisen erfolgten zum Teil mit minderjährigen Kindern. Seit Januar 2014 sind den Sicherheitsbehörden in Bremen 23 Personen, darunter eine Jugendliche, bekannt geworden, die mit der Absicht Richtung Syrien reisten, sich dort agierenden jihadistischen Organisationen, mehrheitlich dem "IS", anzuschließen. Nicht in allen Fällen war die Ausreise erfolgreich, teilweise wurden die Personen bereits an der türkischen Grenze festgenommen und die Einreise nach Syrien verhindert. Vier der 14 ausgereisten Bremer Männer sollen bereits bei Kampfhandlungen auf Seiten der Terrororganisation "IS" getötet worden sein sowie zwei weitere Männer, die dem KuF angehörten, jedoch nicht in Bremen wohnhaft waren. Mit einer besonderen Herausforderung sehen sich die Sicherheitsbehörden in Bremen durch Personen konfrontiert, die nach Deutschland zurückkehren. Problematisch ist hierbei der Nachweis, dass die Personen in Syrien aktiv an Kämpfen teilgenommen haben oder auch nur militärisch geschult wurden, was regelmäßig Voraussetzung einer strafrechtlichen Verfolgung ist. Hinzu kommt die mögliche Traumatisierung der Personen durch das im Kampfgebiet Erlebte. Derzeit halten sich in Bremen acht sogenannte "Rückkehrer" auf, darunter eine Jugendliche. Unter den sechs männlichen Personen ist bislang ein Fall bekannt, in dem eine militärische Ausbildung durch den "IS" erfolgt sein soll. Der junge Mann aus Bremen befindet sich derzeit in Untersuchungshaft (siehe Kapitel 5.2.6). Aktuell geht der Bremer Verfassungsschutz zudem von einer unbekannten Anzahl von weiteren Ausreisefällen aus. Bestätigt wird dies unter anderem durch die Aussage eines Bremer Rückkehrers, der angab, dass er Kenntnis von weiteren Bremer Personen habe, die sich in Syrien dem "IS" angeschlossen haben sollen. Anti-Terror-Einsatz der Polizei Bremen Aufgrund einer konkreten Gefährdungslage wegen befürchteter Aktivitäten islamistischer Gewalttäter wurden am Wochenende des 27. Februar bis 1. März 2015 durch die Polizei Bremen offene polizeiliche Maßnahmen durchgeführt. Hierzu gehörten Schutzmaßnahmen in der Bremer Innenstadt und für gefährdete Bereiche wie 65 z.B. jüdische Einrichtungen, aber auch Durchsuchungsmaßnahmen bei zwei tatverdächtigen Bremern sowie die Durchsuchung des "Islamischen Kulturzentrums Bremen e.V." (IKZ). Hintergrund des sogenannten "Anti-Terror-Einsatzes" in Bremen waren konkrete Verdachtsmomente, die sich aus Erkenntnissen der bremischen Sicherheitsbehörden sowie einer Bundesbehörde ergaben. Bereits im Herbst 2014 gab es Hinweise auf eine mögliche Bewaffnung von Personen aus dem Anhängerkreis des salafistischen "IKZ" in Bremen. Hinzu kamen weitere konkrete Hinweise, die eine Gefährdungslage begründeten. Im Rahmen der polizeilichen Maßnahmen konnten weder Waffen gefunden noch weitere Tatverdächtige ermittelt werden, sodass der Tatverdacht bis heute weder erhärtet noch ausgeräumt werden konnte. Im Spätsommer 2015 wurde durch die Bremische Bürgerschaft ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die Gründe, die zu den polizeilichen Maßnahmen führten, und den Ablauf des "Anti-Terror-Einsatzes" zu untersuchen und abschließend der Bremischen Bürgerschaft Bericht zu erstatten. Bremen reiht sich somit in eine Serie von sogenannten "Terrorlagen" ein, wie z.B. der abgesagten "PEGIDA"-Demonstration am 18. Januar 2015, dem abgesagten Karnevalsumzug am 15. Februar 2015 in Braunschweig, dem abgesagten FußballLänderspiel am 17. November 2015 in Hannover und der Terrorwarnung in der Silvesternacht 2015/2016 in München. Allerdings kam es in Bremen zu keinen Absagen von öffentlichen Veranstaltungen und schon gar nicht zu einer Einschränkung des öffentlichen Lebens wie es z.B. in Brüssel im November 2015 der Fall war. Ehemalige Anhänger gründen Ersatzorganisation des verbotenen "Kultur & Familien Verein e.V." Nach dem Verbot des "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF) durch den Senator für Inneres am 5. Dezember 2014 stellte das Landesamt für Verfassungsschutz im Rahmen seiner Arbeit im Juni 2015 fest, dass ehemalige Anhänger des Vereins wiederum in Bremen unter dem Deckmantel eines Vereins mit der Bezeichnung "Islamischer Förderverein Bremen e.V." eine Ersatzorganisation betrieben. Mit dem verkündeten Verbot war es dem Verein auch untersagt, seine Aktivitäten in anderen Organisationen fortzusetzen. Nachfolgeorganisationen sind von Gesetzes wegen verboten. Die Ermittlungen ergaben, dass der "Islamische Förderverein Bremen e.V." zwar bereits im Jahr 2009 gegründet worden war, aber in den Folgejahren offensichtlich keine Aktivitäten mehr entfaltete. Auch Mitgliederversammlungen oder Vorstandswahlen fanden nicht statt. Im Vorstand befand sich seit dem Jahr 2009 eine Person, die dem engeren Anhängerkreis des "KuF" zugerechnet wurde. Bei Neuwahlen des Vorstandes im Juni 2015 wurden sämtliche Vorstandsposten mit Personen aus der ehemaligen Anhängerschaft des "KuF" besetzt - auch alle Besucher des Vereins in den folgenden Monaten sind dem Umfeld des verbotenen "KuF" zuzurechnen. In Räumlichkeiten in Bremen-Walle betrieb der "Islamische Förderverein Bremen e.V." eine Moschee, in der unter anderem auch Unterrichte zur islamischen Religionsausübung für Erwachsene und Kinder durchgeführt wurden. Im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurde festgestellt, dass es sich bei dem Verein "Islamischer Förderverein Bremen e.V." um eine Ersatzorganisation des "KuF" handelt. Der Senator für Inneres verfügte daher am 16. Februar 2016 das Verbot und die sofortige Auflösung des Vereins. Bei dem Verbot des "KuF" im Jahr 2014 hatte es sich deutschlandweit erstmalig um das Verbot eines Unterstützungsvereins des "Islamischen Staates" (IS) gehandelt. Der "KuF" war in den vorangegangenen Monaten insbesondere durch die Ausreisen mehrerer Personen aus dem Verein und dessen Umfeld aufgefallen. In der zusammenfassenden Bewertung des Innensenators wurde festgestellt, dass sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverstän66 digung richtete. Gerade durch die von den führenden Mitgliedern des "KuF" in den Freitagspredigten verbreitete Ideologie wurde die verfassungsmäßige Ordnung ebenso wie der Gedanke der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig beeinträchtigt. . Der Verein richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, da er das Demokratieund Rechtsstaatenprinzip als Säulen der bestehenden . staatlichen Ordnung ablehnte, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht allen . Menschen zubilligte sowie die Glaubensund Gewissensfreiheit ablehnte. Weiterhin richtete sich der Verein gegen den Gedanken der Völkerverständigung, . da er zum Hass gegen Angehörige anderer Religionen bzw. religiöser . Überzeugungen aufrief, . die Minderwertigkeit anderer Religionen bzw. Religionsgruppen vertrat, . zur Bekämpfung westlicher Regierungen aufrief sowie zentrale Elemente der bestehenden völkerrechtlichen Ordnung ablehnte und zu deren Bekämpfung aufrief. Der Verein ging dabei jeweils mit einer aggressiv-kämpferischen Grundhaltung vor, . indem er durch sein Handeln die salafistische Bewegung und deren verfassungsund . völkerrechtsfeindliche Ziele maßgeblich und nachhaltig beförderte, den salafistischen Machtund Alleinvertretungsanspruch proklamierte und . verbreitete und dabei selbst Gewalt und terroristische Handlungen einschließlich der Tötung von Personen, die nicht der gleichen Ideologie anhängen, - einschließlich der Unterstützung des bewaffneten Kampfes der Terrororganisation "Islamischer Staat" - nachdrücklich befürwortete und so zu weiterer Gewalt anstachelte. Die Anhänger des "KuF" pflegten eine besonders radikale Form des Salafismus. Hierbei wurde vom Großteil der Anhänger der Schwerpunkt auf das Konzept der "Takfir"-Ideologie gelegt. "Takfir" bedeutet wörtlich "Exkommunikation", d.h. einen Muslim zu einem Ungläubigen (Kafir) zu erklären. "Ungläubige" sind nach Auffassung der Vereinsanhänger zu bekämpfen und der Abfall vom Glauben ist zumindest theoretisch mit dem Tode zu bestrafen. In der Überbetonung des "Takfir"-Konzeptes und der mindestens in Teilen gehegten Sympathie mit dem gewaltsamen Jihad begründete sich das hohe Maß an Radikalität des Vereins und seiner Anhänger. Sie selbst bezeichneten sich als "Al Muwahidun" oder "Ansar at-tawhid", was so viel wie "Die Anhänger des Einheitsglaubens" bedeutet. Damit erklärten sie sich zu den einzig wahren Muslimen und werteten sogar andere Muslime, die nicht ihrer ideologischen Linie folgen, ab. Die Gründung des "KuF" erfolgte im Jahr 2008 durch eine Abspaltung von Anhängern des "Islamischen Kulturzentrums Bremen e.V.". Die Trennung erfolgte aufgrund der Hinwendung zur "Takfir"-Ideologie. Bereits kurz nach der Gründung rückte der Verein verstärkt in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Gegen zwei der Mitbegründer wurde im Rahmen des sogenannten "GIMF"-Verfahrens der Generalbundesanwaltschaft ermittelt. Die Verurteilung der zwei Bremer, aber auch weiterer Personen erfolgte dann im Jahr 2011 durch das Oberlandesgericht in München. Das Gericht sah es in beiden Fällen als erwiesen an, dass die Beschuldigten für die terroristische Vereinigung "Al-Qaida" geworben hatten. In einem Fall stellte das Gericht darüber hinaus die Unterstützung der Terror67 organisation fest und verhängte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. "Globale Islamische Medienfront" (GIMF) Bei der GIMF handelt es sich um ein internationales Netzwerk von Internetaktivisten, die die "al-Qaida"-Ideologie mittels Audiound Videobotschaften verbreiten. Sie werben für eine Unterstützung des gewaltsamen, islamistischen Kampfes. Der deutschsprachige Ableger der GIMF forderte u.a. Deutschland und Österreich zum Abzug ihrer Soldaten aus Afghanistan auf. Das deutsche Forum wurde im Sommer 2008 geschlossen. Koranverteilungsaktionen "Siegel der Propheten" und "Lies!" im Land Bremen "Siegel der Propheten e.V." organisiert bundesweit Informationsstände, an denen der Koran kostenlos verteilt wird und Interessierte die Möglichkeit haben, sich an den Ständen über den Islam zu informieren. So fand auch in Bremen im Bereich des Hauptbahnhofes und der Innenstadt an fast jedem Wochenende des Jahres 2015 diese Koranverteilungsaktion statt. Auf dem Facebook-Profil von "Siegel der Propheten e.V." werden Fotos und Videos der veranstalteten Koranverteilungsaktionen veröffentlicht. Außerdem wird über die Seite zu Spenden aufgerufen, um diese zum Druck neuer Korane zu verwenden. Die salafistische Gesinnung des Vereins äußert sich über salafistisch einzustufende Inhalte, die auf dem Profil der Organisation auf Facebook veröffentlicht und geteilt werden. Auf der Homepage von "Siegel der Propheten e.V." wird auf die Professionalität der Da'wa-Aktivitäten aufmerksam gemacht. Hier heißt es, dass die "Da'wa-Aktivisten" in regelmäßigen Abständen geschult werden sollen, um an den Informationsständen Diskussionen führen zu können. Als Referent auf solchen Schulungen fungierte auch Sven Lau (s. Kapitel 5.3), dessen offizielles Aufgabenfeld innerhalb des Vereins mit "Teamleader Training" beschrieben wird. Anzunehmen ist, dass die salafistische Ideologie das Fundament dieser Schulungen bildet. Es ist hinlänglich bekannt, dass "Siegel der Propheten e.V." einen großen Zulauf und auch einen nicht irrelevanten Einfluss auf Jugendliche und junge Erwachsene hat. Auch das Projekt "Lies!" organisierte solche Verteilungsaktionen in Bremen, aber auch in Bremerhaven. Während in Bremerhaven im Jahr 2015 fast zwei Mal monatlich solche Informationsstände angemeldet wurden, konnten in Bremen lediglich unregelmäßige Termine festgestellt werden. Die Anmelder und Betreiber der Stände in Bremen und Bremerhaven können ausschließlich dem salafistischen Spektrum zugerechnet werden. Ausreise von zwei Bremern nach Kontakt zu "Siegel der Propheten" Den Sicherheitsbehörden liegen Erkenntnisse darüber vor, dass sich Personen, die an Koranverteilungsaktionen teilgenommen haben, im weiteren Verlauf ihrer Radikalisierung auch an den Kämpfen in Syrien beteiligt haben. In diesen Fällen lässt sich eine Verbindung zwischen salafistischer Propaganda und Ausreisen nach Syrien 68 feststellen. In Bremen reisten im August 2015 zwei junge Männer gemeinsam in die Türkei, mit dem Ziel, nach Syrien zu gelangen. Es lag nahe, dass die Reise dem Zweck diente, sich islamistischen Gruppierungen in Syrien anzuschließen und an Kampfhandlungen teilzunehmen. Beide Männer waren vor ihrer Ausreise Teilnehmer einiger Koranverteilungsaktionen der Organisation "Siegel der Propheten e.V." in der Bremer Innenstadt und zudem Besucher des "Islamischen Kulturzentrums Bremen e.V.". Mitte September 2015 erfolgte die Festnahme beider Personen an der türkisch-syrischen Grenze durch türkische Sicherheitsbehörden. In der Folge wurde die Abschiebung nach Deutschland veranlasst. Salafistische Einflussnahme auf Flüchtlinge Bundesweit, so auch in Bremen, war im Verlauf des Jahres 2015 eine Kontaktaufnahme von Salafisten zu Flüchtlingen in Unterbringungseinrichtungen festzustellen. Daher regte das Landesamt für Verfassungsschutz in Zusammenarbeit mit der Polizei Bremen zahlreiche Gespräche mit weiteren im Flüchtlingskontext betroffenen Behörden an. In der Folge wurden durch den Verfassungsschutz Bremen zahlreiche Träger der Unterbringungseinrichtungen und vor Ort verantwortliches Personal zum Thema Salafismus geschult. Des Weiteren wurde in Kooperation zwischen Bremer Verfassungsschutz, Polizei und der Sozialbehörde eine Broschüre erstellt, die in den Einrichtungen an die Flüchtlinge verteilt werden soll. Die Broschüre soll auf die Gefahren des Islamismus und hier insbesondere des Salafismus aufmerksam machen und die Menschen sensibilisieren. 5.3.2 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) Personenpotenzial: 400 - 450 in Bremen (Freitagsgebet) Der salafistische Verein "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) gründete sich im Jahr 2001. Das Freitagsgebet ist mit 400 bis 450 Besuchern das am stärksten frequentierte Gebet im IKZ. Die Besucher stammen größtenteils aus Nordafrika, der Türkei sowie vom Balkan. Im Jahr 2015 konnte ein Besucherzuwachs insbesondere bei Freitagsgebeten und muslimischen Feiertagen festgestellt werden, der mit der Einreise von asylsuchenden Menschen im Zusammenhang steht. Als Vorbeter fungieren führende Vertreter des IKZ, die die "Missionierungsarbeit" ("Da'wa") als ihre religiöse Pflicht betrachten. "Da'wa" Gebäude des IKZ in "Da'wa" bedeutet wörtlich übersetzt "Ruf" und kann als "Einladung zum Islam" Bremen-Mitte verstanden werden. Einige Muslime sehen es als ihre Pflicht an, andere Menschen über den Islam aufzuklären und sie zum Islam zu bekehren. So heißt es im Koran (Sure 16, Vers 125): "Ruf [die Menschen] mit Weisheit und einer guten Ermahnung auf den Weg deines Herrn und streite mit ihnen auf eine möglichst gute Art." Nach islamischer Lehre erfolgt die Bekehrung jedoch ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt. Die salafistische Ausrichtung des Vereins kommt regelmäßig in Vorträgen, Seminaren und Predigten zum Ausdruck. Im Jahr 2015 hielten Vertreter des IKZ sowie salafistische Referenten aus Deutschland und Saudi-Arabien Vorträge im IKZ, zu denen jeweils viele Besucher kamen, teilweise reisten sie aus dem gesamten Bundesgebiet an. Regelmäßig finden im IKZ "Islamunterrichte" statt, die sich hauptsächlich an Kinder, 69 Jugendliche und junge Erwachsene richten. Für Frauen gibt es separaten Unterricht im Sinne der Geschlechtersegregation. Im ersten Halbjahr 2015 führte das IKZ mehrere Islaminfostände im Stadtzentrum Bremens durch. Diese Art von Veranstaltungen wird auch jenseits einer strafrechtlichen Relevanz als problematisch angesehen, da sie als Erstkontakt dienen und junge Menschen längerfristig in salafistische Netzwerke einbinden sollen. Es besteht die Gefahr, dass sich junge Menschen in diesem Prozess radikalisieren und in das gewaltbereite Spektrum des Salafismus abrutschen. Oberverwaltungsgericht lehnt Beschwerde des IKZ ab Mit Beschluss vom 1. Dezember 2015 lehnte das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen (OVG Bremen) eine Beschwerde des IKZ ab. Vorausgegangen war ein gerichtliches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen (VG Bremen). Verhandelt wurde ein Antrag des IKZ auf Unterlassung von Äußerungen des Senators für Inneres, die im Rahmen einer Pressemitteilung am 3. März 2015 veröffentlicht wurden. Ebenfalls beantragt wurde seitens des IKZ die Löschung der im Internet befindlichen und auf die Pressemitteilung bezogenen Beiträge. Nachfolgend aufgeführte Aussagen des Senators für Inneres wurden durch das IKZ im Antrag an das Gericht kritisiert: . das IKZ sei keine Moschee, deren Besucher friedlich ihrem Glauben . nachgingen; das IKZ gehöre zu den Salafisten, die die Vollverschleierung der Frau propagieren, die Demokratie als System ablehnen sowie die körperliche Züchtigung der Frau . und Beschränkung ihrer Freiheitsrechte befürworten; das IKZ lade einen Prediger aus Saudi-Arabien ein, damit dieser dort seine . extremistische, salafistische Lehre verbreiten kann; das IKZ werde finanziell und ideologisch stark aus Saudi-Arabien unterstützt. Durch Erkenntnisse aus Freitagsgebeten, islamwissenschaftliche Bewertungen von Broschüren und Flyern aus dem IKZ und Ausführungen des LfV Bremen in den Verfassungsschutzberichten der letzten Jahre konnten die in der Pressemitteilung getätigten Äußerungen des Senators für Inneres belegt werden. Mit Beschluss des VG Bremen vom 29. April 2015 wurde der Antrag des IKZ abgelehnt. Lediglich hinsichtlich der Äußerung zur starken finanziellen Unterstützung aus Saudi-Arabien wurde dem Antrag des IKZ stattgegeben. Das LfV darf aber weiterhin informieren, dass das IKZ finanziell aus Saudi-Arabien unterstützt wird. Das IKZ legte gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung Beschwerde beim OVG Bremen ein; die mit Beschluss vom 1. Dezember 2015 zurückgewiesen wurde. 5.4 Weitere islamistische Bestrebungen in Bremen "Hizb Allah" 70 Personenpotenzial: ca. 50 Personen Die libanesische Organisation "Hizb Allah" ("Partei Gottes") hat eine islamistischschiitische Ausrichtung. Die "Hizb Allah" wurde im Jahr 1982 maßgeblich auf Initiative des Iran nach dem Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon gegründet und wird bis heute vom iranischen Regime finanziell und materiell unterstützt. Der "revolutionäre Iran" dient der "Hizb Allah" auch ideologisch als Vorbild, jedoch rückte Flagge der inzwischen ihr ursprüngliches Ziel der Errichtung eines Gottesstaates nach ira"Hizb Allah" nischem Vorbild im Libanon aufgrund politischer Entwicklungen in den Hintergrund. Das Hauptanliegen der Organisation besteht in der Zerstörung des Staates Israel sowie im Schutz des libanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen. Die "Hizb Allah" verfolgt im Libanon ihre Ziele sowohl auf parlamentarischem als auch auf außerparlamentarischem Wege. Einerseits verfügt sie über eine Partei und stellt eine Fraktion im libanesischen Parlament dar, andererseits unterhält sie einen militärischen Arm. Die paramilitärischen Einheiten der "Hizb Allah" kämpfen seit 2012 im syrischen Bürgerkrieg auf Seiten der Regierung gegen die zahlreichen Oppositionsgruppen. 2014 wurde der militärische Arm der "Hizb Allah" von der EU in ihre Terrorliste aufgenommen. In Deutschland bemüht sich die "Hizb Allah" um den Aufbau von Organisationsstrukturen, ihre Anhänger organisieren sich derzeit vorwiegend in "Moschee-Vereinen". Bundesweit verfügt die Organisation über etwa 950 Anhänger, in Bremen zählen ca. 50 Personen dazu. Die Aktivitäten der "Hizb Allah" beschränken sich in Deutschland auf die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen, Spendensammlungen und Demonstrationen. Wie jedes Jahr beteiligten sich auch 2015 arabische, türkische und iranische "Hizb Allah"-Anhänger an einer Demonstration zum internationalen "al-Quds"-Tag ("Jerusalem-Tag") am 11. Juli 2015 in Berlin. Unter den rund 650 Demonstranten waren auch Teilnehmer aus Bremen. Die Anhänger der "Hizb Allah" sind in Bremen in dem "Moschee-Verein" "Al-MustafaGemeinschaft e.V." organisiert. Der "Moschee-Verein" veranstaltet Treffen, Diskussionsveranstaltungen und religiöse Aktivitäten mit dem Ziel, die in Bremen lebenden Libanesen an ihre Heimat zu binden und die libanesische Kultur aufrechtzuerhalten. Der "Moschee-Verein" unterstützt die Organisation im Libanon insbesondere durch die Sammlung von Spendengeldern. Hierbei spielte unter anderem der bundesweit tätige Verein "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." eine maßgebliche Rolle. Dieser Spendenverein wurde am 8. April 2014 vom Bundesministerium des Innern verboten. Gegen dieses Verbot legte der Verein in der Folge Rechtsmittel ein und benannte sich in "Farben für Waisenkinder e.V." um. Am 16. November 2015 wurde die Rechtmäßigkeit des Verbots durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Tablighi Jama'at Personenpotenzial: Einzelpersonen Die "Tablighi-Jama'at" (TJ) ("Gemeinschaft für Verkündigung und Mission") wurde 71 1926 als eine Wiedererweckungsund Missionsbewegung gegründet und zählt heute wegen ihrer großen Anhängerschaft zu den weltweit bedeutendsten islamistischen Bewegungen. Die TJ teilt Deutschland in zwölf regionale Gebiete auf. Bei den Deutschlandtreffen, die ungefähr alle vier Monate stattfinden, wird jeweils ein neuer "Emir" (religiöser Anführer) gewählt. Dieser ist hauptsächlich für die organisatorische Umsetzung der in den Führungszentren der TJ getroffenen, grundlegenden Entscheidungen zuständig. Ihm obliegt damit die geistige und administrative Führung der TJ-Anhänger in Deutschland. Bundesweit verfügt die TJ über etwa 700 Anhänger. In Bremen ist die Gruppierung lediglich durch Einzelpersonen vertreten, die darüber hinaus kaum Aktivitäten entfalten. Die TJ verfügt seit 2010 über eine eigene Moschee in Bremen, die "Rahmah Moschee". Einige TJ-Anhänger besuchen daneben weitere Einrichtungen in Bremen, wie den salafistischen Verein IKZ und den "Marokkanischen Verein Abu Bakr Moschee e.V." ("Abu Bakr Moschee"). Diese Moschee wurde im Jahr 2003 u.a. von ehemaligen Besuchern des IKZ gegründet, nachdem sie sich vom IKZ losgesagt hatten. Aufgrund der längeren Inaktivität der Gruppierung und ihrer geringen Anhängerzahl prüft das LfV 2016, inwieweit noch ausreichende Gründe vorhanden sind, die eine Beobachtung rechtfertigen. Die Bewegung TJ entstand in Indien, in einem der größten geistigen islamischen Zentren weltweit, dem "Dar ul-Ulum" ("Haus der Gelehrsamkeit") in Deoband. Die Anhänger dieser Denkschule werden daher auch "Deobandis" genannt. Sie folgen ähnlich wie Salafisten einer strengen Auslegung islamischer Quellen. Ihre Lehre besteht darüber hinaus jedoch auch aus Elementen der islamischen Mystik (Sufismus). Im Gegensatz zu Salafisten, die die Zugehörigkeit zu einer islamischen Rechtsschule ablehnen, gehören "Deobandis" der hanafitischen Rechtsschule an. Die Führungszentren der TJ liegen in Pakistan, Indien und Bangladesch. Das für Europa maßgebliche Zentrum befindet sich in Großbritannien, weitere Zentren gibt es in Frankreich, Portugal und den Niederlanden. Die TJ verfolgt weltweit das Ziel, ihre Lehren durch eine "selbstlose Missionsarbeit" zu verbreiten und vor allem "vom Weg abgekommene" Muslime an sich zu binden. Die konsequente Befolgung und die individuelle Frömmigkeit der islamischen Riten stehen für die gewaltfrei agierende islamische Bewegung im Vordergrund. Auch wenn sich die TJ als apolitisch charakterisiert, sind Teile ihrer Ideologie mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. So steht die strenge Auslegung der "Scharia" im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten sowie dem Demokratieund Rechtsstaatsprinzip. Ihrer Ideologie entsprechend betrachten Anhänger der TJ andere Religionen als minderwertig und sind zur Abschottung jeglichen außerislamischen Einflusses gehalten. Des Weiteren glorifizieren sie den "Jihad" und das Märtyrertum aus der islamischen Frühzeit, wenngleich sie nicht aktiv zur Beteiligung am bewaffneten "Jihad" aufrufen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2011 ist die TJ keine terroristische Vereinigung, jedoch sollen ihre Strukturen von Jihadisten zur Rekrutierung von freiwilligen Kämpfern für den bewaffneten Kampf missbraucht werden. 72 6 Ausländerextremismus Seitenzahl 74 6.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 78 6.2 Türkischer Linksextremismus 80 6.3 Türkischer Rechtsextremismus 73 6 Ausländerextremismus Die Geschehnisse in Syrien und dem Irak wirkten sich auch auf die in Deutschland lebenden PKK-Anhänger aus. Als Reaktion fanden Veranstaltungen in zahlreichen deutschen Städten statt. In Bremen kam es u.a. zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz und einer Demonstration von der Innenstadt zum Hauptbahnhof. Entwicklung extremistischer "Ausländerorganisationen" in Deutschland Die extremistischen "Ausländerorganisationen" in Deutschland sind stark von Ereignissen und Entwicklungen in ihren Herkunftsländern abhängig. Im Gegensatz zu islamistischen Organisationen orientieren sie sich nicht an einer religiös-politischen Weltanschauung, sondern an weltlichen, politischen Ideologien oder Anschauungen. Die Zielrichtungen von ausländerextremistischen Organisationen lassen sich im Wesentlichen in linksextremistische, nationalistische und ethnisch motivierte Autonomieund Unabhängigkeitsbestrebungen unterteilen. Die "Ausländerorganisationen" sind nicht autark, sondern meistens Teil einer "Mutterorganisation" im Herkunftsland oder zumindest ideologisch eng mit einer solchen verbunden. Gesellschaftliche und politische Konflikte aus anderen Teilen der Welt werden durch Migration und den Zuzug von Arbeitskräften nach Deutschland importiert. Von der Finanzkraft der hier lebenden und arbeitenden Ausländer profitieren auch extremistische Organisationen in den Heimatländern. Vielfach gründeten sie "Exilvereine" in Deutschland. Heute ist Deutschland für extremistische Ausländerorganisationen in unterschiedlicher Intensität ein Rückzugsund Rekrutierungsraum und dient ihnen zur Beschaffung von Material und finanziellen Mitteln. Zu den Aufgaben des LfV gehört die Beobachtung von Bestrebungen, die auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland durch Gewalt gefährden. Dies ist gegeben, wenn ausländische Gruppierungen von hier aus gewaltsame Aktionen im Heimatstaat unterstützen, etwa durch Aufrufe zur Gewalt oder durch logistisch-finanzielle Hilfe. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann auch durch ausländerextremistische Bestrebungen gefährdet sein, wenn Kaderstrukturen beabsichtigen, demokratische Grundregeln in Deutschland außer Kraft zu setzen. Im Jahr 2015 umfasste das ausländerextremistische Personenpotenzial in Deutschland etwa 28.800 Personen, dabei stammen die Gruppierungen aus verschiedenen Herkunftsländern, z.B. aus der Türkei oder den palästinensischen Gebieten. In Bremen nehmen die drei türkischen Organisationen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) einen besonderen Stellenwert ein, wobei erstere eher linksextremistisch und die zuletzt genannte nationalistisch ausgerichtet ist. 6.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Personenpotenzial: ca. 14.000 in Deutschland ca. 300 in Bremen 74 Flagge der Die größte Gruppe unter den ausländischen Extremisten in Deutschland sind im Jahr PKK-Nachfolgeorganisation 2015, mit etwa 14.000 Personen, die Anhänger der verbotenen kurdischen Organi"Kongra Gel" sation "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die PKK sowie ihre Nachfolgeorganisation "Kongra Gel" sind in Deutschland seit 1993 bzw. 2004 wegen vielfältiger, teilweise gewaltsamer Unterstützungshandlungen ihrer hier lebenden Anhänger verboten. Die EU stuft die PKK seit 2002 als terroristische Organisation ein. Die kurdischen Extremisten stellen mit rund 300 Anhängern auch in Bremen die mitgliederstärkste Gruppe unter den extremistischen "Ausländerorganisationen" dar. Sie organisieren sich überwiegend im "Verein zur Förderung demokratischer Gesellschaft Kurdistans" ("Birati e.V."), der als regionales Ausführungsorgan der PKK fungiert. In den 1990er-Jahren waren im Zusammenhang mit dem Verbot der PKK in Bremen vier "Unterstützervereine" und ihre Nachfolgeorganisationen verboten worden. Die PKK-Anhänger in Bremen gründeten jedoch unmittelbar nach den Verboten neue Vereine. Zu ihnen gehört der Bremer Verein "Birati e.V.". Friedensverhandlungen zwischen PKK und türkischer Regierung Die seit Ende des Jahres 2012 laufenden Friedensverhandlungen zwischen der PKK und der türkischen Regierung werden von den in Europa und Deutschland lebenden Kurden intensiv verfolgt. In den Verhandlungen geht es um die Beendigung des seit Jahrzehnten teilweise gewaltsam ausgetragenen Konflikts zwischen dem türkischen Staat und der Bevölkerungsminderheit der Kurden. Die 1978 von dem noch heute amtierenden PKK-Führer Abdullah Öcalan gegründete Organisation erhebt den Anspruch, alleinige Vertreterin aller Kurden zu sein. Die Kurden bilden eine ethnische Volksgruppe, die vorwiegend in der Türkei, jedoch auch im Irak, Iran und in Syrien leben. Während das anfängliche Ziel der PKK in der Errichtung eines kurdischen Nationalstaates bestand, kämpft sie nunmehr für die politisch-kulturelle Autonomie der Kurden innerhalb des türkischen Staates. Das von Öcalan 2005 hierzu entwickelte Konzept sieht die Etablierung eines politisch-kulturellen Verbundes der in verschiedenen Staaten lebenden Kurden vor. Der mit Unterbrechungen seit fast 30 Jahren geführte Guerilla-Kampf der PKK gegen den türkischen Staat wurde mit der Proklamation eines "einseitigen Waffenstillstands" durch PKK-Führer Öcalan vorerst am 21. März 2013 beendet. Im Gegenzug war der türkische Staat u.a. aufgefordert, den Kurden insbesondere die Gleichstellung als Staatsvolk, die Benutzung der kurdischen Sprache, etwa in Schulen, und mehr Selbstbestimmung in ihren Siedlungsgebieten einzuräumen. Nach dem Ausgang der türkischen Parlamentswahlen im Juni 2015 ging der türkische Staat erneut gegen die PKK vor. Im Juli 2015 eskalierte schließlich der Konflikt zwischen der PKK und türkischen Sicherheitskräften. Auslöser war ein durch einen mutmaßlichen Anhänger des "Islamischen Staates" verübter Selbstmordanschlag in der südosttürkischen Stadt Suruc, bei dem über 30 vorwiegend junge Menschen starben und rund 100 Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Die Stadt Suruc liegt nahe der türkisch-syrischen Grenze in der Nähe der Stadt Kobane in vorwiegend kurdisch geprägtem Gebiet. In einer Verlautbarung des "Verbandes der Studierenden aus Kurdistan" (YYK) hieß es, der Anschlag habe einer über 300-köpfigen Jugenddelegation gegolten, die auf dem Weg nach Kobane gewesen sei, um sich am Wiederaufbau der syrischen Grenzstadt zu beteiligen. Türkische Sicherheitsbehörden machten die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) für den Anschlag verantwortlich. In der Folge kam es in der Türkei zu zahlreichen Protesten prokurdischer Demonstranten, die der türkischen Regierung vorwarfen, sich nicht ausreichend bzw. zu spät im Kampf gegen den "Islamischen Staat" engagiert zu haben. Zudem verübte in der Folge die PKK zahlreiche Anschläge insbesondere auf türkische Sicherheitskräfte vor allem im Südosten der Türkei, darunter ein Anschlag am 6. September 2015 mit 16 getöteten türkischen Soldaten. Im Gegenzug kam es zu landesweiten Exekutivmaßnahmen gegen Einrichtungen der PKK. 75 Die PKK erklärte den seit März 2013 bestehenden Waffenstillstand mit der türkischen Regierung für nunmehr bedeutungslos. Am 28. Juli 2015 kündigte die Türkei den Friedensprozess ihrerseits faktisch auf. Die jüngsten Anschläge in der Türkei sind ein Beleg dafür, dass es sich bei der PKK nach wie vor um eine Terrororganisation handelt. Auch wenn sie hierzulande gewaltfrei auftritt, so dienen Aktionen wie Spendensammlungen letzten Endes auch dazu, die durch die PKK verübten Terroranschläge mitzufinanzieren. Reaktionen von PKK-Anhängern in Deutschland nach Anschlag in Suruc Unmittelbar nach dem Anschlag in Suruc kam es in deutschen Städten zu Protestkundgebungen von Kurden. Es fanden überwiegend friedliche Protestveranstaltungen statt. Mobilisiert wurde hierzu insbesondere in den sozialen Netzwerken. In Bremen fand am 25. Juli 2015 eine gemeinsam durch den Birati e.V. und das "Kurdistan Solidaritätskomitee Bremen" organisierte Spontankundgebung statt. An der Veranstaltung auf dem Bahnhofsvorplatz nahmen ca. 300 Personen teil. Im Verlauf wurden Rufe wie "Mörder Erdogan" skandiert. Die Situation in Deutschland bleibt weiter maßgeblich von der Lageentwicklung in der Türkei und Syrien/Irak abhängig. Vorfälle wie der Anschlag vom 20. Juli 2015 sind in besonderer Weise geeignet, zu einer hohen Emotionalisierung von kurdischen Gruppierungen, insbesondere unter den jugendlichen PKK-Anhängern, zu führen. PKK in Deutschland und Europa Zur Unterstützung ihrer Interessen in der Türkei ist die PKK in Deutschland mit ihrem politischen Arm vertreten, der sich "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) nennt. In ihrem "gewaltfreien Kampf" greift die Organisation auf legale und illegale Strukturen zurück. Regionale Kurdenvereine (sogenannte Basisvereine) dienen den Anhängern als Informationsund Kommunikationszentren. Diese der PKK nahestehenden Vereine sind in Deutschland unter dem Dachverband des NAV-DEM zusammengeschlossen. Einer der Vorsitzenden des Dachverbands ist der Bremer PKK-Funktionär Yüksel Koc. Politischer Arm in Syrien Die kurdische Partei "Partiya Yekitiya Demokrat" (PYD) wurde 2003 in Syrien gegründet und ist die Zweigorganisation der PKK in Syrien, wenngleich die offene Darstellung dieser Verbindung vermieden wird. Vorsitzender der PYD ist seit 2010 Saleh Mohamed Muslim. In dem seit März 2011 andauernden Bürgerkrieg in Syrien versteht sich die PYD neben der "Freien Syrischen Armee" (FSA) und den islamistischen Gruppierungen als dritte Oppositionskraft im Kampf gegen das Assad-Regime. Die PYD strebt dabei die Autonomie der Kurden in Syrien an und rief schließlich im Januar 2014 in drei von Kurden dominierten Kantonen (Afrin, Kobane und Cizre) eine "Demokratische Autonomie" aus. Die PYD unterhält paramilitärische Einheiten, die sogenannten "Volksverteidigungseinheiten" (YPG), die sich seit Herbst 2012 wiederholt bewaffnete Auseinandersetzungen mit anderen in Nordsyrien agierenden Konfliktparteien lieferten, etwa mit der "Freien Syrischen Armee" und dem "IS". In Europa organisiert die PYD insbesondere Protestveranstaltungen gegen Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Finanzierung der PKK Die von der PKK über Jahrzehnte in der Türkei geführten Kämpfe sowie ihre politische Arbeit in Europa erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Die PKK finanziert sich in erster Linie durch Spenden, daneben auch aus Veranstaltungserlösen und mit dem Verkauf von Publikationen. Jedes Jahr ruft die PKK zu einer groß angelegten Spen76 denkampagne auf, die sie "das Jährliche" nennt, und fordert von ihren Anhängern regelmäßig die Steigerung der Spendeneinnahmen. Auch in Bremen gibt es jedes Jahr eine solche Kampagne. Newroz-Feiern Die PKK instrumentalisiert das jährliche Newroz-Fest am 21. März für ihren "Befreiungskampf" gegenüber dem türkischen Staat. Newroz bedeutet "neuer Tag" und geht auf die Legende eines kurdischen Schmieds im Jahre 612 v. Chr. zurück, der zum Widerstand gegen einen Tyrannen aufgerufen und diesen in der Nacht vom 20. auf den 21. März erschlagen haben soll. Daher wird Newroz auch als Fest des Widerstandes gegen Tyrannei und als Symbol für den kurdischen Freiheitskampf verstanden. 2015 fand die zentrale Newroz-Feier in Bonn statt. Ca. 17.000 Personen nahmen am 21. März an der Großveranstaltung teil, darunter auch zahlreiche PKK-Anhänger aus Bremen. Der Dachverband PKK-naher Vereine in Deutschland, das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM), hatte die Veranstaltung organisiert und zur Teilnahme mobilisiert. Das diesjährige Fest stand unter dem Motto: "Im Lichte von Kobane zur Freiheit der Völker". Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die aktuellen Ereignisse in Syrien und im Irak sowie die Verlesung einer Erklärung, in der der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan zur Beendigung des bewaffneten Kampfes gegen die Türkei aufrief. Diese NewrozBotschaft wurde auch bei der am gleichen Tag im türkischen Diyarbakir stattfindenden Veranstaltung verlesen. Parallel zu der zentralen Großveranstaltung in Bonn fanden bundesweit Newroz-Feiern statt. In Bremen organisierte die PYDBremen am 15. März 2015 zum dritten Mal ein Newroz-Fest mit rund 500 Teilnehmern. PKK in Bremen Der Verein "Birati e.V." nimmt als regionales Ausführungsorgan der PKK eine besondere Funktion ein, weil er zu den sogenannten "Zentralvereinen" gehört. Er bietet seinen Mitgliedern u.a. soziale und kulturelle Aktivitäten an. Die im Zusammenhang mit der PKK stehenden Aktivitäten nehmen dabei einen breiten Raum ein, etwa Feiern zum Geburtstag Öcalans oder zum Jahrestag des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK. Bisher wurde Deutschland von der CDK als politischer Arm der PKK intern in knapp 30 Gebiete unterteilt. In einem solchen Gebiet nimmt der jeweils bedeutendste kurdische Verein die Stellung des "Zentralvereins" ein, alle anderen PKK-nahen Vereine sind meist abhängig von dessen Entscheidungen und Weisungen. In Bremen steht z. B. der Verein "Förderung der kurdisch-islamischen Kultur Gebäude des "Birati e.V." in e.V." (Trägerverein der "Saidi Kurdi-Moschee") in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Bremen Zentralverein "Birati e.V.". Ebenso bestimmen PKK-Funktionäre das politische Geschehen im "Bremer Volksrat", der auch als "Kurdisches Parlament" bezeichnet wird. Dessen derzeitiger Vorsitzender gehört zu den bekanntesten Führungspersonen der PKK in Deutschland. Die Einsetzung von "Volksräten" erfolgt entsprechend dem von Öcalan 2005 entwickelten Konzept, das letztlich auf die Etablierung eines politisch-kulturellen Verbundes der in verschiedenen Staaten lebenden Kurden abzielt, um die Mitbestimmung aller Kurden zu gewährleisten. Tatsächlich erfolgte die politische Arbeit im "Bremer Volksrat" allerdings nicht nach demokratischen Regeln, sondern ist bisher hierarchisch geprägt. Im Rahmen der von der PKK-Führung beschlossenen Umstrukturierung sind an die Stelle der bisherigen Vereine übergeordnete "Zentren der demokratischen Gesellschaft" getreten. Es wurden in Bremerhaven und mehreren Bremer Umlandgemeinden "regionale Volksparlamente" eingerichtet. Neben dem Birati e.V. stellen auch diese "regionalen Volksparlamente" sowie verschiedene Organisationen die Vertreter des überge77 ordneten Volksparlaments, welches u.a. als offizieller Ansprechpartner für die bremischen Behörden fungiert. Während die Aktivitäten der Bremer PKK-Anhänger bisher also hauptsächlich auf Weisung übergeordneter legaler und illegaler hierarchischer Strukturen zurückzuführen waren, bleibt abzuwarten, inwieweit zukünftig tatsächlich demokratische Strukturen geschaffen werden. "Kurdisch-deutscher Gemeinschaftsverein" in Bremerhaven Im Frühjahr 2013 wurde der "Kurdisch-deutsche Gemeinschaftsverein" in Bremerhaven gegründet. Die Eintragung in das Vereinsregister Bremen erfolgte am 19. Juni 2014. Die Vereinsmitglieder organisierten regelmäßig unterschiedliche Feierlichkeiten, in denen auch dem PKK-Führer Öcalan gehuldigt wird. Der Verein steht zudem ebenfalls in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Birati e.V., der als Zentralverein der PKK in Bremen fungiert. Werbung und Rekrutierung für die PKK-Guerilla Gebäude des "KurdischDie Kampfhandlungen in Syrien und im Irak haben die Bereitschaft der PKK-Anhändeutschen Gemeinschaftsger, sich für den bewaffneten Kampf rekrutieren zu lassen, gesteigert. Sie folgen u.a. vereins" in Bremerhaven Aufrufen zur Beteiligung am Kampf in der PKK nahestehenden Medien, auf einschlägigen Internetseiten, in (Jugend-)Zeitschriften oder auf Großveranstaltungen wie dem jährlichen kurdischen Kulturfestival. Auch von den örtlichen Vereinen organisierte sogenannte "Märtyrerveranstaltungen", bei denen gefallene Guerilla-Kämpfer glorifiziert werden, bereiten den Boden für Rekrutierungen. Solidaritätskundgebungen für "Rojava" und "Kobane" Aufgrund der anhaltenden Kampfhandlungen in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Nähe der türkisch-syrischen Grenze fanden bundesweit Solidaritätskundgebungen insbesondere für die in Rojava und Kobane lebenden Kurden statt. Am 12. Mai 2015 erfolgte in den Räumen des Birati e.V. ein "Soli-Abend für den Wiederaufbau von Kobane". Bei der Veranstaltung, die durch das "Kurdistan Solidaritätskomitee Bremen" organisiert wurde, handelte es sich um eine Informationsveranstaltung, in der u.a. eine Rede über die derzeitige Lage in Kobane gehalten und kulturelle Beiträge geboten wurden. Eine Delegation aus Kobane, darunter der Außenminister der selbstverwalteten Administration von Kobane, wohnte der Veranstaltung bei. Im Rahmen eines Aktionstages zur "Solidarität mit Rojava und Shengal" fanden am 12. September 2015 bundesweit Protestveranstaltungen statt, so auch auf dem Bremer Marktplatz. An der Kundgebung beteiligten sich rund 200 Personen. Es wurde erneut zur Solidarität mit den Kurden im Kampf gegen den "IS" aufgerufen und um Unterstützung für die Region Rojava geworben. Am 1. November 2015 wurde an über 400 Orten weltweit der zweite "Internationale Aktionstag für Kobane" durchgeführt. Ziel des primär von kurdischen Gruppierungen getragenen Aktionstages war die Unterstützung des Wiederaufbaus der nordsyrischen Stadt Kobane und die Unterstützung des dortigen Widerstandes gegen die islamistische Terrororganisation "Islamischer Staat". Anhänger der PKK sowie türkische und deutsche Linksextremisten beteiligten sich an den in diversen Städten 78 im gesamten Bundesgebiet durchgeführten Protestveranstaltungen. Die Demonstrationen verliefen im Schnitt mit jeweils mehreren Hundert Teilnehmern überwiegend störungsfrei. In Bremen nahmen rund 600 Menschen unter dem Motto "Selbstorganisation statt Machtpolitik! - Hilfskorridor und Wiederaufbau für KobaneSolidarität mit Rojava" an einer Demonstration durch die Innenstadt zum Hauptbahnhof teil. Aufgerufen hatte das "Kurdistan-Solidaritätskomitees Bremen". In ihren Ansprachen betonten die Redner die Dringlichkeit der internationalen Unterstützung für den Wiederaufbau der zerstörten Stadt Kobane im Norden Syriens. Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbotes Forderungen nach einer Aufhebung des durch den Bundesminister des Innern am 22. November 1993 ausgesprochenen Betätigungsverbots gegen die PKK werden seitens der Organisation und ihr nahestehender Gruppierungen regelmäßig erhoben. Zuletzt in Zusammenhang mit der Unterstützung der Kurden in den syrischen und irakischen Siedlungsgebieten gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS). So fand in Bremen am 21. Februar 2015 eine Kundgebung statt, an der sich nach Angaben des "Kurdistan-Solidaritätskomitees Bremen" 250 Personen beteiligten. In Ansprachen wurde kritisiert, dass die Kurden durch das PKK-Verbot kriminalisiert und ihrer Grundrechte und Freiheiten beraubt würden. Zudem wurde gefordert, das Verbot der PKK aufzuheben. 6.2 Türkischer Linksextremismus Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) Personenpotenzial: ca. 650 in Deutschland ca. 40 in Bremen Entstehung/Geschichte Im Jahr 1978 gründete sich in der Türkei die Gruppierung Revolutionäre Linke (Devrimci Sol), deren Ziel es war, das politische System in der Türkei mit Gewalt zu stürzen und den Kommunismus einzuführen. 1983 wurde die Gruppierung in Deutschland aufgrund ihrer Aktivitäten verboten. 1993 spaltete sich die Devrimci Sol in der Türkei und es entstand unter der damaligen Führung von Dursun Karatas die DHKP-C als neue Organisation. Der politische Flügel der DHKP-C trägt den Namen Revolutionäre Volksbefreiungspartei (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - DHKP), der militärische Arm der DHKP-C trägt die Bezeichnung Revolutionäre Volksbefreiungsfront (Devrimci Halk Kurtulus Cephesi - DHKC). Anknüpfend an das Verbot von 1983 wurde die DHKP-C als Ersatzorganisation durch den Bundesminister des Innern 1998 verboten und wird seit 2002 durch die Europäische Union als terroristische Vereinigung geführt. Nach einer Gewaltverzichtserklärung des DHKP-C-Führers Karatas Anfang 1999 sind keine gewaltsamen Aktionen im Bundesgebiet mehr festzustellen. Jedoch bezieht sich der Gewaltverzicht nur auf Deutschland und Europa, nicht aber auf die Türkei. Die DHKP-C ist die Logo der DHKP-C bedeutendste türkische linksextremistische Organisation in Deutschland, welches 79 der Organisation als ein wichtiger Rückzugsort für Strukturierung und Planung (sogenannte Rückfront) dient. Die Anhänger entfalten ihre Aktivitäten aus Vereinen heraus, deren Satzungen keinen Rückschluss auf die Zugehörigkeit zur DHKP-C zulassen. Sie finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spendengeldsammlungen, Verkauf von Publikationen sowie durch Einnahmen aus Musikveranstaltungen. Neben der Türkei gelten insbesondere die USA als Hauptfeind. Nach Ansicht der DHKP-C wird die Türkei in politischer, wirtschaftlicher und vor allem militärischer Hinsicht vom "US-Imperialismus" dominiert. Ideologie/Ziele Die DHKP-C ist eine marxistisch-leninistische Terrororganisation, die das Ziel verfolgt, das aktuell bestehende türkische Staatssystem durch eine bewaffnete Revolution zu zerschlagen und auf Grundlage des Marxismus-Leninismus ein sozialistisches Regime zu gründen. Ziel ist die Errichtung einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft im Sinne der kommunistischen Ideologie, wobei auch bewaffnete Gewalt als legitimes Mittel zur Umsetzung angesehen wird. In der Vergangenheit kam es in der Türkei bereits zu terroristischen Aktionen, insbesondere gegen staatliche Einrichtungen. Die tödlich endende Geiselnahme eines Staatsanwaltes in Istanbul sowie Angriffe auf US-Konsulate und Polizeihäuser in der Türkei sind nur wenige Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, zu denen sich die DHKP-C bekannt hat. Die ideologische Ausrichtung sowie die Aktivitäten der DHKP-C richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährden mit ihrem Bestreben die Innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Ereignisse 2015 Die Aktivitäten in Deutschland hängen nicht ausschließlich von den politischen Ereignissen in der Türkei ab, sondern auch von der Strafverfolgung deutscher Behörden gegen DHKP-C-Anhänger. Neben den üblichen Gedenktagen toter Revolutionäre und Protesten gegen die türkische Regierung in Zusammenhang mit dem Syrienkonflikt wurde auch im vergangenen Jahr bundesweit zu Protestaktionen und Solidaritätsveranstaltungen aufgerufen. So protestierten die Anhänger u.a. gegen die Haftbedingungen von Mitgliedern der DHKP-C-nahen "Anatolischen Föderation e.V." und sonstigen "Freiheitskämpfern". Die Inhaftierung wird als Ausdruck staatlicher Repression angesehen und als Isolationsfolter dargestellt. Auch in Bremen wurden im Jahr 2015 unter dem Namen "Volkskomitee Bremen" bzw. "Volksfront Bremen" diverse Kundgebungen, Plakatierungen und Flyerverteilungen durchgeführt. Der Wille zu einer radikalen Veränderung der politischen Verhältnisse in der Türkei wird auch zukünftig Anlass für die DHKP-C sein, von Deutschland aus die Heimatorganisation ideologisch sowie finanziell zu unterstützen. 6.3 Türkischer Rechtsextremismus "Ülkücü"(Idealisten)-Bewegung 80 Personenpotenzial: ca. 10.000 in Deutschland ca. 200 in Bremen Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten-Vereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF) Entstehung/Geschichte Logo der ADÜTDF 1978 gründete sich in Frankfurt am Main die heutige Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten-Vereine in Deutschland e.V. Der aktuelle Generalsekretär ist Sentürk Dogruyol. Zahlenmäßig ist sie die anhängerstärkste Gruppierung in der "Ülkücü"-Bewegung außerhalb der Türkei. Die Föderation und ihre bundesweiten Mitgliedsvereine (Ülkü Ocaklari, d.h. Idealistenvereine) gelten als ein Sammelbecken extrem nationalistischer Personen mit türkischem Migrationshintergrund. Ihre Mitglieder sind auch bekannt unter dem Namen "Graue Wölfe" (Bozkurtlar). Politisch und ideologisch orientieren sie sich an der türkischen rechtsextremistischen Partei der Nationalistischen Bewegung, der MHP. Als europäische Dachorganisation fungiert die "Türkische Konföderation in Europa (ATK)". Zu den Erkennungszeichen der ADÜTDF gehören u.a. der mit den Fingern der rechten Hand geformte "Wolfsgruß" sowie das Logo der MHP, das drei weiße Halbmonde auf rotem Untergrund zeigt. Finanziert wird die Föderation durch Mitgliedsbeiträge, Spendengelder, Sponsoring und Einnahmen von Musikveranstaltungen. Ideologie/Ziele Ideologisch bekennen sich die ADÜTDF und ihre Mitgliedsvereine zu Alparslan Türkes, dem 1997 verstorbenen Gründer der MHP. Der ehemalige Oberst wird weiterhin uneingeschränkt als ewiger Führer ("Basbug") verehrt. Ihm folgt der Parteivorsitzende der MHP Devlet Bahceli. Die Ideologie der MHP - und somit auch der ADÜTDF - stützen sich u.a. auf den Gedanken des Panturkismus, d.h. einer Vereinigung aller Turkvölker - vom Balkan bis nach Zentralasien - unter der Führung einer "Großtürkei", angelehnt an das Osmanische Reich. Sie sehen die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als höchsten Wert an. Prägend für die Bewegung ist ein übersteigerter türkischer Nationalismus, mit einer Überhöhung der eigenen Ethnie. Damit einher geht eine Abwertung anderer Ethnien wie beispielsweise Kurden, Armeniern, Griechen und Juden. Logo der "Grauen Wölfe" und Im Außenverhältnis geben sich die Ülkücü-Vereine überwiegend legalistisch und der rituelle "Wolfsgruß" demokratisch. In der Vergangenheit wurde den Mitgliedern von führenden Persönlichkeiten sogar nahegelegt, ihre demokratischen Rechte in Deutschland wahrzunehmen und sich politisch und gesellschaftlich zu betätigen, um Einfluss auszuüben. So sind im Bundesgebiet Anhänger der Ülkücü-Bewegung in Parteien tätig und auch in Ausländerbeiräten und anderen Gremien vertreten. Dies darf nicht als Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstanden werden, sondern als gezielte politische Einflussnahme im Sinne einer nationalistischen Ideologie. Die ADÜTDF sieht sich nicht nur als alleinige Hüterin der Ideologie der "Nationalistischen Bewegung" in Deutschland, sondern generell als Hüterin türkischer Werte und Kultur. Eine derartige auf Volkszugehörigkeit und übersteigertem Nationalismus gründende Identität kann in einer pluralistisch geprägten Gesellschaft jedoch unterschiedliche Konflikte hervorrufen. Sie führt nicht zuletzt zu Intoleranz gegenüber anderen Völkern. Dies widerstrebt dem Gedanken der Völkerverständigung, ist gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet und wirkt einer Integration in die 81 deutsche Gesellschaft entgegen. Ereignisse/Veranstaltungen 2015 Deutschland ist in der Organisationsstruktur der ADÜTDF in mehrere Gebiete (Bölge) unterteilt. Bremen gehört gemeinsam mit Hamburg, Neumünster, Lübeck und Kiel zum Nordverbund (Bölge-Nord). Der Dachverband findet seine lokale Vertretung in Bremen und Bremerhaven in dem Verein "Türkische Familienunion in Bremen und Umgebung e.V." wieder. Der Verein unterhält enge Kontakte zum Nordverbund und organisiert regelmäßig familiäre Aktivitäten in Großraumsälen zur Förderung der Solidarität, zum Schutz der kulturellen und religiösen Werte und der Entwicklung des Nachwuchses. Wenn es sich auch nicht vorrangig um Propaganda-Veranstaltungen handelt, ist die ideologische Ausrichtung und Verbreitung des Gedankenguts gegenwärtig. Am 11. Juli 2015 wurde auf dem Bremer Marktplatz friedlich gegen die Unterdrückung und Ermordung der Uiguren (muslimisches Turkvolk) in China demonstriert. Mehrere hundert Menschen nahmen an dieser Veranstaltung teil, auch Anhänger der ÜlkücüBewegung. Für die Verbreitung der Ideologie der Ülkücü-Bewegung wird insbesondere im Internet auf verschiedenen Plattformen geworben. Hierbei wird in diversen lokalen und überregionalen Facebook-Gruppen gegen politische Gegner und Völker gehetzt und an das türkische Nationalbewusstsein appelliert. Konflikte in der Türkei, insbesondere im Zusammenhang mit der Kurdenpolitik, finden ihre Fortsetzung in Deutschland. Mit insbesondere den jugendlichen Anhängern der "Ülkücü"-Bewegung ist das Potenzial für gewalttätige Auseinandersetzungen vorhanden. 82 7 Unterstützungsaufgaben des LfV 83 7 Unterstützungsaufgaben des LfV Dem LfV obliegt nicht nur die Beobachtung extremistischer Bestrebungen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sondern es trägt über umfangreiche Prüfungen ebenfalls dazu bei, Sicherheitsrisiken in Behörden oder privaten Unternehmen zu minimieren. Geheimschutz Der Geheimschutz hat die Aufgabe, Informationen und Vorgänge, deren BekanntGeheimhaltungsgrade werden den Bestand, die Sicherheit oder sonstige Interessen der Bundesrepublik von Verschlusssachen (VS) Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden, vor unbefugter Kenntnisnahme (SS 5 BremSÜG) zu schützen. Der Schutz dieser sogenannten Verschlusssachen (VS) wird durch . . STRENG GEHEIM Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. . GEHEIM . Geheimschutz findet nicht nur in Behörden statt, sondern auch in Unternehmen, VS-VERTRAULICH die im Auftrag des Staates mit Verschlusssachen umgehen und demzufolge die VS-NUR FÜR DEN Regelungen des personellen und materiellen Geheimschutzes zu beachten haben. DIENSTGEBRAUCH Geheimschutzbetreute Unternehmen sind z.B. Betriebe, die im Bereich der wehrtechnischen Forschung oder Produktion tätig sind. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen und regelt z.B., in welcher Weise VS-Dokumente aufbewahrt und verwaltet werden müssen. Die Einzelheiten ergeben sich im Wesentlichen aus der Verschlusssachenanweisung des Landes Bremen. Dort ist jeweils in Abhängigkeit vom Geheimhaltungsgrad auch die Erforderlichkeit von Tresoren und Alarmanlagen geregelt. Das LfV ist zentraler Ansprechpartner für alle bremischen Behörden, die mit VS-Material umgehen. Es berät und unterstützt diese bei der Erfüllung der Anforderungen des materiellen Geheimschutzes. Personeller Geheimschutz Der personelle Geheimschutz soll sicherstellen, dass in Bereichen, die mit VS-Material umgehen, keine Person beschäftigt wird, von der ein Sicherheitsrisiko ausgeht. Zu diesem Zweck und nur mit vorheriger Zustimmung des Betroffenen finden individuelle Sicherheitsüberprüfungen statt. Das LfV wirkt an den Sicherheitsüberprüfungen mit. Seine fachliche Bewertung dient der zuständigen Behörde als Entscheidungshilfe, bevor sie eine Person mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut. Abstufung von Sicherheitsüberprüfungen (SS 8 BremSÜG) . . (Ü1) - einfache Sicherheitsüberprüfung . (Ü2) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü3) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen 84 Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Geheimhaltungsgrades, zu dem die Person Zugang erhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Ehegatte oder Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personen auf die betroffene Person auswirken können. Weitere Sicherheitsüberprüfungen Der Ausschluss von individuellen Sicherheitsrisiken ist nicht nur im Bereich des Geheimschutzes, sondern auch in anderen Arbeitsbereichen von Bedeutung. So sieht u.a. das Luftsicherheitsgesetz, Sprengstoffgesetz und Bremische Hafensicherheitsgesetz vergleichbare Überprüfungen der in diesen Bereichen in der Regel bei privaten Unternehmen beschäftigten Personen vor. Auch an diesen Sicherheitsüberprüfungen wirkt das LfV mit. Regelanfragen im Bereich des Einbürgerungsund Aufenthaltsrechts Zu den Aufgaben des LfV gehört darüber hinaus die Beantwortung von Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungsverfahren und vor der Erteilung von Aufenthaltstiteln. Durch die große Zahl der anfallenden Prüfungen bilden diese Bereiche den Schwerpunkt der personenbezogenen Prüfungen für das LfV. Personenanzahl 4.000 4.289 3.500 3.000 3.060 2.744 2.500 2.559 2.000 1.500 1.483 1.000 1.234 500 2014 76 43 46 4 2015 0 Regelanfragen Regelanfragen vor ZuverlässigkeitsZuverlässigkeitsZuverlässigkeitsim Rahmen Erteilung oder überprüfungen überprüfungen überprüfungen gemäß von Verlängerung einer gemäß dem gemäß dem dem Einbürgerungen AufenthaltsLuftsicherheitsHafensicherheitsSprengstoffgesetz genehmigung gesetz gesetz Anhang 85 Übersicht extremistischer Organisationen und Gruppierungen in Bremen 86 Mitglieder / Personenpotenzial Organisation / Gruppierung / Szene Medien / Publikationen in Deutschland in Bremen "Deutsche Stimme" Rechtsextremismus www.npd.de "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) ca. 5.200 ca. 30 Neonazistische Szene ca. 5.800 ca. 30 Subkulturelle Szene ca. 8.200 ca. 60 Linksextremismus Gewaltorientierte "Interim" linksextremistische Szene ca. 7.700 ca. 200 "Indymedia": http://de.indymedia.org "LaRage" "end of road": http// endofroad.blogsport.de Islamismus "Die Rote Hilfe" www.rote-hilfe.de Salafistische Bestrebungen ca. 8.650 ca. 360 "Islamisches Kulturzentrum 400-450 Bremen e.V." (IKZ) (Freitagsgebet) www.islamhb.de "Tablighi Jama'at" (TJ) ca. 700 Einzelpersonen www.masjidulfurqanbremen.de "Hizb Allah"/ "Al-MustafaGemeinschaft e.V." ca. 950 ca. 50 "IGMG Perspektif" "Camia" www.igmg.de www.almustafa.de Organisation / Gruppierung / Szene Mitglieder / Personenpotenzial 87 in Deutschland in Bremen Ausländerextremismus "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und Nachfolgeorganisationen ("Kongra Gel") ca. 14.000 ca. 300 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) ca. 650 ca. 40 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) ca. 10.000 ca. 200 Politisch motivierte Kriminalität in Bremen 2011-2015 88 Politisch motivierte Ausländerkriminalität Straftaten 2011 2012 2013 2014 2015 gesamt 26 23 16 44 34 davon extremistische Delikte 23 23 15 27 22 davon Gewaltdelikte 8 2 1 9 2 Politisch motivierte Kriminalität "Rechts" Straftaten 2011 2012 2013 2014 2015 gesamt 132 127 115 142 126 davon Propagandadelikte 102 86 82 117 74 davon Gewaltdelikte 6 4 2 4 6 Politisch motivierte Kriminalität "Links" Straftaten 2011 2012 2013 2014 2015 gesamt 241 82 116 77 88 davon extremistische Delikte 240 78 95 32 41 davon Gewaltdelikte 79 22 17 8 7 89 90 Impressum Herausgeber: Der Senator für Inneres Contrescarpe 22-24 28203 Bremen www.inneres.bremen.de Redaktion: Landesamt für Verfassungsschutz Bremen Flughafenallee 23 28199 Bremen Tel.: 0421 53 77-0 Fax: 0421 53 77-195 office@lfv.bremen.de www.verfassungsschutz.bremen.de Gestaltung: moltkedesign, Bremen Fotos: LfV Titelbild: Dienstgebäude des Senators für Inneres Druck: Zertani Die Druck GmbH Erscheinungsdatum: 20. Juni 2016 91 92 Senator für Inneres und Sport 93 Freie Hansestadt Bremen