Senator für Inneres und Sport Verfassungsschutzbericht 2014 Freie Hansestadt Bremen 2 Senator für Inneres und Sport 3 Verfassungsschutzbericht 2014 Freie Hansestadt Bremen 4 Vorwort Die Ereignisse seit Beginn dieses Jahres haben die konkrete Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus und dessen Nähe zu Bremen deutlich unter Beweis gestellt. Sie reihen sich ein in eine Serie von Anschlagsdrohungen und tatsächlich erfolgten Attentaten in Europa im letzten Jahr. Daher lag der Fokus der Arbeit des Verfassungsschutzes 2014 auch in diesem Bereich. Die Gefährdungslage ist insbesondere durch den Konflikt in Syrien und dem Irak derzeit besonders hoch. Dies liegt zum einen daran, dass dortige Terrorgruppen wie "Jabhat al-Nusra" oder der selbsternannte "Islamische Staat" in ihren Propagandavideos konkret zu Anschlägen in Europa aufrufen. Daher können sich hierzulande jederzeit fanatisierte Einzeltäter oder Kleinstgruppen inspiriert fühlen, Gewalttaten in Eigeninitiative zu begehen. Zum anderen sind bis zum jetzigen Zeitpunkt ca. 600 Personen alleine aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ausgereist, mit dem Ziel, sich am dortigen gewaltsamen Jihad zu beteiligen. Hiervon ist ungefähr ein Drittel, darunter auch fünf Bremer und Bremerinnen (Stand: 11. März 2015), wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Teil der rund 200 Rückkehrer und Rückkehrerinnen die Erfahrungen, die sie im Ausland gesammelt haben, nutzen, um hierzulande Terrorakte durchzuführen. Bremen hat auf diese Entwicklung im letzten Jahr reagiert und am 5. Dezember 2014 den "Kultur & Familien Verein e.V." in Bremen-Gröpelingen verboten, da sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Alle 16 Personen, die bis zum Zeitpunkt des Verbots nach Syrien ausgereist waren oder dies versucht hatten, standen mit dem Verein in Kontakt. Neben einer konsequenten Beobachtung der salafistischen Szene, die den Nährboden für den gewaltbereiten Terrorismus darstellt, ist auch die Präventionsarbeit in diesem Bereich fortzuführen und zu intensivieren, um den radikalen Kräften so effektiv und frühzeitig wie möglich zu begegnen. Dies gilt im Übrigen auch für den Bereich des Rechtsextremismus. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten ist bundesweit zwar leicht rückläufig, jedoch kommt dem aktionsorientierten und gewaltbereiten Rechtsextremismus weiterhin eine besondere Bedeutung zu. Bereits seit Jahren haben wir in Bremen festgestellt, dass sich diese gefährliche Gruppe von Rechtsextremisten mit anderen gewaltaffinen Gruppen, wie etwa Fußball-Hooligans, vermengt. Durch die zunehmende Vermischung der Szenen wird das Problem mithin weiter verstärkt. Für das Landesamt für Verfassungsschutz war daher eine Entwicklung, wie wir sie mit dem Entstehen der HoGeSa-Bewegung und der gewalttätigen Demonstration Ende 2014 in Köln erleben mussten, keine 5 Überraschung. An dieser Szene waren auch Bremer maßgeblich beteiligt. Diese Tatsache unterstreicht erneut, wie wichtig die Aktivitäten der bremischen Sicherheitsbehörden in diesem Bereich bleiben. Die Ereignisse der vergangenen Monate haben abermals verdeutlicht, dass Sicherheit und Freiheit keine Gegensätze sind, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille. Sie haben zugleich gezeigt, dass sich die bremischen Sicherheitsbehörden beiden Aspekten verpflichtet fühlen und ihrem Auftrag gerecht geworden sind. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat dabei mit seinen Erkenntnissen maßgeblich zum Erfolg beigetragen. Es bleibt daher eine unverzichtbare Einrichtung zur Verhinderung und Bekämpfung von extremistischen und terroristischen Aktivitäten. Ulrich Mäurer Senator für Inneres und Sport 6 Inhalt Seitenzahl 8 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen 10 1.1 Neues Bremisches Verfassungsschutzgesetz 10 1.2 Aufgaben des Verfassungsschutzes 13 1.3 Kontrolle des Verfassungsschutzes 14 1.4 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV 15 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV 16 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus 17 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus 19 3 Rechtsextremismus 20 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 21 3.2 NSU-Prozess 22 3.3 Rechtsextremistische Parteien 22 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 26 3.3.2 Weitere rechtsextremistische Parteien 28 3.4 Neonazistische Szene 32 3.5 Subkulturelle Szene 38 4 Linksextremismus 39 4.1 Ideologie des Linksextremismus 40 4.2 Autonome Linksextremisten 43 4.3 Aktionsfelder der Autonomen 43 4.3.1 Aktionsfeld "Antifaschismus" 7 47 4.3.2 Aktionsfeld "Antirepression" 48 4.3.3 Aktionsfeld "Antimilitarismus" 49 4.3.4 Aktionsfeld "Antirassismus" 50 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus 51 5.1 Islamismus 53 5.2 Islamistischer Terrorismus 53 5.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 54 5.2.2 "Islamischer Staat" ("IS") 55 5.2.3 Brennpunkte des islamistischen Terrorismus 56 5.2.4 Radikalisierte Einzeltäter 58 5.2.5 Internet und andere Medien 59 5.2.6 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 62 5.3 Salafistische Bestrebungen 64 5.3.1 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 66 5.3.2 "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF) 68 5.4 Weitere islamistische Bestrebungen in Bremen 70 6 Ausländerextremismus 72 6.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 77 6.2 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 79 7 Unterstützungsaufgaben des LfV 82 Anhang 86 Impressum 8 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Seitenzahl 10 1.1 Neues Bremisches Verfassungsschutzgesetz 10 1.2 Aufgaben des Verfassungsschutzes 13 1.3 Kontrolle des Verfassungsschutzes 14 1.4 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV 9 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Auch im Jahr 2014 stand die Aufklärung der Mordserie der rechtsterroristischen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Der Prozess gegen Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben wird das Oberlandesgericht München voraussichtlich noch das komplette Jahr 2015 beschäftigen. Schon jetzt ist deutlich geworden, dass das neonazistische Spektrum den Nährboden und das Unterstützerumfeld für den "NSU" darstellte. Dieses extremistische Personenumfeld hat in seiner Gefährlichkeit nichts eingebüßt und wurde daher auch im Jahr 2014 durch das Landesamt für Verfassungsschutz intensiv beobachtet. Die neue Erscheinungsform diverser Bündnisse zwischen Hooligans und Rechtsextremisten, wie sie sich beispielhaft in der Bewegung "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) im Jahr 2014 zeigte, wurde vom Senator für Inneres und Sport bereits seit Jahren in seinen Verfassungsschutzberichten regelmäßig als "Mischszene" von Rechtsextremisten und Hooligans dargestellt und beschrieben. Hier zeigt sich die besondere Affinität von Rechtsextremisten zum unpolitischen gewaltbereiten Spektrum. Diese Symbiose ist deshalb als besonders gefährlich einzuschätzen, weil sich das Personenpotenzial anlassund ereignisbezogen für rassistische und fremdenfeindliche Agitationen vervielfachen lässt. Gleichzeitig war neben der intensiven Beobachtung des Rechtsextremismus die Beobachtung der salafistischen Szene Schwerpunkt der Tätigkeit des bremischen Verfassungsschutzes im Jahr 2014. Die Zunahme der Ausreisen von jungen Bremerinnen und Bremern ins Gebiet des sog. "Islamischen Staates" (IS) nach Syrien und in den Irak und die Bedrohung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus stellen den Verfassungsschutz vor neue Herausforderungen. Die in Bremen durch Inkrafttreten des neuen BremVerSchG zum 1. Januar 2014 erfolgte Neuausrichtung des Verfassungsschutzes wurde in einigen anderen Bundesländern und im Bund im Jahr 2014 diskutiert und teilweise gesetzlich verankert. Bei den in diesem Zuge verabschiedeten Gesetzen war mehr Transparenz und Kontrolle der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden das Ziel. Es zeichnet sich nunmehr eine Fortentwicklung der Institution als eine von der Öffentlichkeit abgeschotteten zu einer transparenteren Behörde ab. Darüber hinaus befähigen die erweiterten Kontrollbefugnisse die zuständigen Volksvertreter, die Arbeit des Verfassungsschutzes umfassend und bis ins kleinste Detail nachzuvollziehen und zu kontrollieren. Nicht zuletzt zielt der Reformprozess auch darauf ab, das durch die NSU-Mordserie verloren gegangene Vertrauen der Bürger in den Verfassungsschutz wiederherzustellen. 1.1 Neues Bremisches Verfassungsschutzgesetz Im Rahmen des Reformprozesses des Verfassungsschutzes wurde das Bremische Verfassungsschutzgesetz zum 1. Januar 2014 geändert; sämtliche Empfehlungen des Untersuchungsausschusses des Bundestages sind darin eingeflossen. Neben 10 klar definierten Grenzen der Informationserhebung, die den Datenschutz und den Kernbereich privater Lebensgestaltung von Betroffenen beachten, ist vor allem die parlamentarische Kontrolle gestärkt und die Transparenz erhöht worden. Konkret tragen drei wesentliche Neuerungen im Bremischen Verfassungsschutzgesetz dazu . bei: Regelungen zur Auswahl und zum Einsatz von V-Leuten. In Zukunft dürfen z.B. keine Personen als V-Leute angeworben werden, die wegen schwerer Straftaten . vorbestraft sind. Parlamentarischer Genehmigungsvorbehalt für den Einsatz von V-Leuten. Bislang . hatte der Einsatz von V-Leuten im Ermessen des Behördenleiters gestanden. Verfassungsschutz als Informationsdienstleister der Öffentlichkeit. Die neuen Regelungen, so hat das Jahr 2014 gezeigt, haben sich bewährt. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen (LfV) entwickelte sich bereits in den letzten Jahren zu einer modernen und transparenten Sicherheitsbehörde. Seit seiner Neuausrichtung im Jahr 2008 versteht sich das LfV als Dienstleister für andere Behörden und Bedarfsträger. Es bemühte sich verstärkt darum, die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) umfassender als zuvor über seine Tätigkeiten zu informieren und seine Erkenntnisse über extremistische Phänomene in Vorträgen, Ausstellungen und Veranstaltungen in der Öffentlichkeit transparenter zu machen. Ferner besteht in Bremen seit Jahren innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine enge Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei. 1.2 Aufgaben des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz gilt als "Frühwarnsystem" der Demokratie, da er verfassungsfeindliche Aktivitäten (extremistische Bestrebungen) und sicherheitsgefährdende Tätigkeiten erkennen soll. Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen Deutschlands mit dem Nationalsozialismus ist unser demokratischer Rechtsstaat mit einem Warnund Schutzsystem ausgestattet. Das Prinzip der "wehrhaften DemokraFreiheitliche demokratische tie" trägt der Entschlossenheit des Staates Rechnung, sich gegenüber den Feinden Grundordnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu wehren. Es zeigt sich etwa am Die Wesensmerkmale der freiheitFestschreiben eines unveränderlichen Kerns einer Grundund Werteordnung, die lichen demokratischen Grundordselbst vor Verfassungsänderungen geschützt ist ("Ewigkeitsklausel", Art. 79 Abs. 3 . nung sind: Grundgesetz (GG)). Neben den Staatsstrukturprinzipien von Demokratie und Rechtsdie Achtung vor den im staatlichkeit sind dadurch vor allem die wesentlichen Freiheitsrechte des Einzelnen Grundgesetz konkretisierten abgesichert, allen voran der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Ergänzt . Menschenrechten wird die "Wehrhaftigkeit" durch die Möglichkeit des Verbots von Parteien und sons- . die Volkssouveränität tigen Vereinigungen wegen verfassungswidriger Aktivitäten (Art. 21 Abs. 2 GG, . die Gewaltenteilung Art. 9 Abs. 2 GG) oder durch die Verwirkung von Grundrechten, wenn diese im die Verantwortlichkeit der Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden . Regierung (Art. 18 GG). die Gesetzmäßigkeit der . Verwaltung Das LfV hat folgende im Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen die Unabhängigkeit der (SS 3 BremVerfSchG) normierte Aufgaben: Die Beobachtung von Bestrebungen, die . . Gerichte . das Mehrparteienprinzip gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die . die Chancengleichheit für alle Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind politischen Parteien mit dem durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen . Recht auf verfassungsmäßige auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden Bildung und Ausübung einer gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Opposition Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Das LfV ist auch zuständig für die Spionageabwehr im Bundesland Bremen. Daneben unterstützt es im Rahmen seiner Mitwirkungsaufgaben Sicherheitsüberprüfungen von Personen zum Zweck des Geheimund Sabotageschutzes. Zu den Aufgaben des LfV zählen weiterhin die regelmäßige Unterrichtung von Senat und Bürgerschaft über die Sicherheitslage im Land Bremen und die Information der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Letzteres wird unter 11 anderem durch die Veröffentlichung des jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichtes gewährleistet. Der Verfassungsschutzbericht beruht auf den Erkenntnissen, die das LfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gewonnen hat. Der Bericht stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse oder Ereignisse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen. Tätigkeitsschwerpunkte Die Tätigkeitsschwerpunkte des LfV stellen die Beobachtung der Phänomenbereiche des Rechtsextremismus, islamistischen Terrorismus und Islamismus, Linksextremismus sowie Ausländerextremismus dar. Die gewaltbereiten Kräfte aus den einzelnen Phänomenbereichen stehen jeweils im Fokus der Beobachtung. Nicht zuletzt verdeutlichte die rechtsterroristische Gruppierung NSU die neue Qualität der Bedrohung der Inneren Sicherheit, welche heute von radikalisierten Einzeltätern und Kleingruppen ausgeht, die nicht zwingend in extremistische Strukturen eingebunden sein müssen. Mit der Fokussierung auf Gewalt veränderte sich auch insofern der Blickwinkel des VerfasDas Bremische Verfassungssungsschutzes, als nunmehr auch verstärkt Verbindungen zwischen Extremisten und schutzgesetz (BremVerfSchG) gewaltaffinen Gruppierungen in die Beobachtung einbezogen werden. Dies gilt besonregelt die Aufgaben und Befugders für den Bereich Rechtsextremismus. Exemplarisch hierfür stehen die Bündnisse nisse sowie die Rechtsstellung von Hooligans und Rechtsextremisten im Jahr 2014 ("Hooligans gegen Salafisten" des LfV und seine Zusammen("Hogesa")). arbeit mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes. Informationsgewinnung Das Artikel 10-Gesetz (G 10) regelt die Befugnisse der Einen Großteil seiner Informationen gewinnt der Verfassungsschutz aus offen zugängdeutschen Nachrichtendienste lichen Quellen, wie z.B. Publikationen, Internetseiten und sozialen Netzwerken sowie zu Eingriffen in das durch Artikel öffentlichen Veranstaltungen. Durch die offene Informationsgewinnung entsteht aller10 des Grundgesetzes garandings selten ein vollständiges Bild extremistischer Bestrebungen. Gegenüber konspiratierte Brief-, Postund Fernmeltiven Methoden versagt sie völlig. Um auch getarnte oder geheim gehaltene Aktivitäten degeheimnis. beobachten zu können, setzt der Verfassungsschutz vor allem im Bereich gewaltorienDas Bremische Sicherheitstierter Bestrebungen die verdeckte Informationsgewinnung ein, u.a. durch den Einsatz überprüfungsgesetz von Vertrauensleuten (V-Leuten), Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie (BremSÜG) regelt die Voraussetdie Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. zungen und das Verfahren zur Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit bestimmten Gesetzliche Grundlagen sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten betraut werden Gesetze VerhältnismäßigkeitsTrennungsgebot sollen (Sicherheitsüberprüfung) grundsatz (keine Befugnisse keine Exekutivoder bereits betraut worden sind ohne gesetzliche befugnisse (Aktualisierungsbzw. WiederRegelung) (keine Geheimpolizei) holungsprüfung). BremVerfSchG, Die Gesetze sind im Internet Artikel 10-Gesetz abrufbar unter: und bremisches www.verfassungsschutz. Ausführungsgesetz, bremen.de BremSÜG Jede Tätigkeit des Verfassungsschutzes bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die die Voraussetzungen für das Ob und das Wie des Handelns genau regelt. Insbesondere bei der geheimen Informationsgewinnung gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Die Möglichkeiten zur geheimen Informationsgewinnung darf der Verfassungsschutz daher erst in Betracht ziehen, wenn die Informationen von hinreichender Bedeutung sind und nicht durch offen zugängliche Quellen erlangt 12 werden können. Dem Verfassungsschutz stehen bei der Erfüllung seiner Aufgaben keine polizeilichen Befugnisse zu (Trennungsgebot), d.h., er darf weder Personen festnehmen noch Durchsuchungen anordnen und durchführen oder Gegenstände beschlagnahmen. Die Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten ist eine Folge der nationalsozialistischen Herrschaft mit ihrer allmächtigen "Geheimen Staatspolizei". Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei Unter Beachtung des Trennungsgebotes stellte die Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Verfassungsschutz und Polizei einen Schwerpunkt des bisherigen Prozesses der Neuausrichtung dar. So trägt das im November 2012 eingerichtete "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ), an dem sich Polizei und Verfassungsschutz gleichermaßen beteiligen, zum effizienteren Informationsaustausch innerhalb der Sicherheitsbehörden bei. Dabei ging das seit Dezember 2011 bestehende "Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus" (GAR) im GETZ auf. Das GETZ ist nach dem Vorbild des im Bereich des islamistischen Terrorismus erfolgreich operierenden "Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums" (GTAZ) geschaffen worden. Die Einrichtung von Untergremien im GETZ, in Gestalt einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) sowie einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS), soll insbesondere die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden verbessern. Zu einem besseren Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei trägt auch die im Dezember 2011 eingerichtete Plattform "Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus" (KIAR) bei. Die seit September 2012 bestehende "Rechtsextremismusdatei" (RED) sichert einen schnellen Austausch von Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten zwischen Verfassungsschutz und Polizei. "Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) Die effektive Bekämpfung des islamistischen Terrorismus kann eine nachrichtendienstliche Behörde nicht alleine bewältigen. Aus diesem Grund wurde 2004 das Bundesamt für GeneralbundesMigration und anwalt Flüchtlinge Bundesamt für BundeskriminalVerfassungsamt schutz 16 Landes16 Landesämter für Verfassungskriminalämter GTAZ PI AS N I AS schutz BundesnachrichBundespolizei tendienst Militärischer Zollkriminalamt Abschirmdienst "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) geschaffen, ein Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Vorrangige Aufgabe des GTAZ ist es, für einen reibungslosen Austausch von Erkenntnissen zu sorgen und operative Maßnahmen abzustimmen. 13 "Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) Das 2012 neu eingerichtete "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) ist ebenfalls ein Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Das GETZ beschäftigt sich mit den Phänomenbereichen Ausländer-, Linksund Rechtsextremismus sowie der Spionageabwehr. Bundesamt für BundeskriminalGeneralbundesVerfassungsamt anwalt schutz 16 Landesämter Bundespolizei für Verfassungs- N I AS schutz PI AS Bundesnachrich16 Landeskriminalämter GETZ tendienst Europol Militärischer Abschirmdienst 1.3 Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Arbeit des LfV unterliegt der parlamentarischen Kontrolle durch die Bremische Bürgerschaft (Parlamentarische Kontrollkommission und G 10-Kommission). Die Aufsicht über die Verfassungsschutzbehörde führt die Behördenleitung des Senators für Inneres und Sport. Maßnahmen des LfV sind auch gerichtlich überprüfbar. Parlamentarische Parlamentarische Parlamentarische Kontrolle Kontrolle Kontrolle Parlamentarische Parlament G 10-Kommission Kontrollkommission LfV Bremen VerwaltungsGerichtliche Öffentliche kontrolle Kontrolle Kontrolle Senator für Inneres VerwaltungsBürger und Sport gerichtlicher (Auskunftsrecht) Rechtsschutz Landesbeauftragte für Presse Datenschutz und Informationsfreiheit Bremen Landesrechnungshof Parlamentarische Kontrollkommission Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird durch den Senator für Inneres und Sport über die allgemeine Tätigkeit des LfV sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung fortlaufend und umfassend unterrichtet. Die PKK hat das Recht, Einsicht in Akten und andere Unterlagen zu nehmen, und hat Zugang zu Einrich14 tungen des LfV. Die PKK der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die Bürgerschaft zu Beginn jeder Wahlperiode aus ihrer Mitte wählt. Daneben können nicht in der PKK vertretene Fraktionen einen ständigen Gast in die PKK entsenden. Die Kommission tritt mindestens alle drei Monate zusammen. Ihre Beratungen unterliegen der Geheimhaltungspflicht. G 10-Kommission Die G 10-Kommission entscheidet über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem G 10-Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene. Die G 10-Kommission der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die PKK zu Beginn jeder Wahlperiode wählt. Der Vorsitzende besitzt die Befähigung zum Richteramt. 1.4 Haushaltsmittel und Personalstand des LfV Zur Erfüllung seiner Aufgaben gab das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen im Haushaltsjahr 2014 für Personal 2.114.095 Euro (2013: 1.984.028 Euro) und für Sachmittel 708.286 Euro (2013: 699.245 Euro) aus. Die Investiven Ausgaben betrugen 2014 94.873 Euro (2013: 49.828 Euro). Das Gesamtausgabevolumen lag 2014 bei 2.917.254 Euro (2013: 2.733.101 Euro). Das Beschäftigungsvolumen umfasste 2014 46,0 Vollzeiteinheiten (2013: 41,0). 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV 15 Seitenzahl 16 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus 17 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus 16 2 Öffentlichkeitsarbeit des LfV Die Bekämpfung extremistischer Aktivitäten erfolgt in einer Demokratie in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext. Aus diesem Grund ist es dem LfV ein besonderes Anliegen, das Wissen des Verfassungsschutzes für die Aufklärung und Meinungsbildung in Staat und Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Öffentlichkeitsarbeit des LfV bezieht sich insbesondere auf die Bereiche Rechtsextremismus und Islamismus. 2.1 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus Das LfV ist Partner im Bremer Beratungsnetzwerk "pro aktiv gegen rechts" und unterstützt im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit die umfassende und seit Jahren bestehende Präventionsarbeit der verschiedenen Initiativen, Institutionen und Behörden im Land Bremen. Daneben ist das LfV bestrebt, mit eigenen Initiativen die Prävention vor rechtsextremistischen Gefahren zu fördern, etwa durch eigene Ausstellungen und Vorträge. Vorträge zum Thema Rechtsextremismus Die zu diesem Thema angebotenen Vorträge richten sich insbesondere an Behörden, Einrichtungen, Vereine und Schulen. In den Vorträgen können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden, so kann es um aktuelle Entwicklungen und neue Erscheinungsformen im Rechtsextremismus oder den Rechtsextremismus im Lande Bremen gehen. "reset" - neues Beratungsund Betreuungsangebot bei der Distanzierung vom Rechtsextremismus Mit der Beratungsstelle "reset" gibt es in Bremen seit Juli 2014 ein Projekt zur Beratung und Begleitung für junge Personen bei der Distanzierung vom Rechtsextremismus. Gefördert wird die Beratungsstelle "reset" durch das Bundesprogramm "Toleranz fördern - Kompetenz stärken" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In Bremen liegt die Trägerschaft beim Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit e.V. (VAJA). "reset" ist als Erstkontaktstelle für Personen konzipiert, die aus der rechtsextremistischen Szene aussteigen wollen oder Fragen zum Thema haben. Das Beratungsund Betreuungsangebot von "reset" richtet sich vorrangig an junge Personen, die bereit sind, sich in eine langfristige Auseinandersetzung mit ihrer rechtsextremistischen Haltung zu begeben. Dabei sollen vor allem Jugendliche angesprochen werden, die mit der rechtsextremistischen Szene sympathisieren, erste Kontakte geknüpft haben oder sich bereits in der Szene verorten. Ein besondeKontakt: rer Fokus des Angebots liegt auf Mädchen und jungen Frauen, deren Rolle innerhalb "reset" rechtsextremistischer Strukturen lange Zeit kaum beachtet wurde. Die Beratung und Tel.: 0157 77453638 oder Begleitung von "reset" ist freiwillig, kostenlos und absolut vertraulich. 0157 52510527 E-Mail: reset@vaja-bremen.de 17 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus Die Öffentlichkeitsarbeit des LfV im Bereich Islamismus verfolgt das Ziel, die öffentliche Debatte über Islam und Islamismus zu versachlichen und die bremische Bevölkerung über islamistische Bestrebungen zu informieren. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Behörden und zivilgesellschaftlichen Stellen sollen unter den Überschriften "Sensibilisierung und Früherkennung" in die Lage versetzt werden, zwischen legitimer Religionsausübung und dem eventuellen Abdriften einer Person in extremistische Kreise zu unterscheiden. Zentrales Anliegen ist es, dabei zu helfen, die Radikalisierung junger Personen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, bevor die Sicherheitsbehörden aktiv werden müssen. Islamisten in Bremen Personenanzahl 700.000 Land Bremen 655.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 179.000 100.000 80.000 40.000 440 0 GesamtbeBevölkerung mit Ausländer Muslime Islamisten völkerung Migrationshintergrund Islamisten stellen eine kleine Minderheit unter den Muslimen in Bremen. (Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, LfV) LfV im Dialog mit muslimischen Verbänden Das LfV pflegt seit Jahren einen Dialog mit den in Bremen tätigen muslimischen Verbänden "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" (DITIB), "Verband der islamischen Kulturzentren" (VIKZ), "Islamische Föderation Bremen" (IFB) und seit 2012 auch mit der "Ahmadiyya-Gemeinde". Die Verbände DITIB, VIKZ und IFB 18 verstehen sich als Interessenvertretungen für religiöse und allgemeine Belange der Muslime. Sie nehmen zumeist ehrenamtlich Aufgaben im sozialen Bereich wahr, insbesondere in der Integrations-, Jugendund Bildungsarbeit. Vorrangiges Ziel des Dialoges zwischen LfV und den muslimischen Verbänden ist es, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und Vorbehalte abzubauen. Des Weiteren finden auch anlassbezogene Treffen statt, so z.B. zum Thema Hooligans oder "IS". Vorträge zum Thema Islamismus Zur Aufklärung der aktuellen Situation in Bremen und neuen Entwicklungen im Themenbereich Islamismus bietet das LfV Vorträge für Einrichtungen, Vereine und Schulen an. In den Vorträgen können unterschiedliche Themenschwerpunkte gesetzt werden, so zum Beispiel islamistische Szene in Bremen, Salafismus, Islamismus oder Islam, muslimisches Leben in Deutschland und Jugendkulturen. Im Jahr 2014 nutzten zahlreiche Schulen, Jugendfreizeitheime, Behörden sowie verschiedene zivilgesellschaftliche und politische Institutionen dieses Angebot. Hier hört die Tätigkeit des LfV allerdings auf. Prävention durch Beratung wird durch andere Institutionen zur Verfügung gestellt, wie die neu eingerichtete Beratungsstelle "kitab". Bundesweites Beratungsnetzwerk und Beratungsstelle in Bremen "kitab" Von der seit 2012 bestehenden Beratungsstelle "Radikalisierung" des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) können sich Personen telefonisch beraten lassen, die die Radikalisierung einer Person in ihrem Umfeld wahrnehmen. Die Telefonnummer der Beratungsstelle lautet: 0911 9434343. Bundesweit verfügt die Beratungsstelle über regionale Partner. In Bremen existiert die Beratungsstelle "kitab", die vom "Verein zur Förderung akzeptierender JugendKontakt: arbeit e.V." (VAJA) getragen wird. Das Angebot bietet insbesondere Eltern, Angehöri"kitab" gen, Lehrern und Sozialarbeitern Hilfestellungen und Unterstützung im Umgang Internet: www.vaja-bremen.de/ mit Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die sich möglicherweise islamistischen teams-vaja-kitab.htm Gruppen zuwenden. Auch die Betroffenen können sich an "kitab" wenden. Die Tel.: 0157 381652-06/-02 Mitarbeiter der Beratungsstelle in Bremen sind werktags zwischen 9 und 15 Uhr und E-Mail: kitab@vaja-bremen.de nach Vereinbarung erreichbar. Die Beratung erfolgt auch in türkischer Sprache. Mitarbeit in verschiedenen Gremien und an Präventionsveranstaltungen Salafismusprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, welche behördenübergreifend und in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erfolgen muss. Das LfV bringt seine Expertise in verschiedenen Gremien, die sich mit dem Thema befassen, ein, beansprucht jedoch keine Federführung. So war das LfV Mitglied in der, durch die ressortübergreifende Lenkungsgruppe "Schule, Jugendhilfe, Polizei, Justiz und Senatskanzlei", beauftragten Expertenrunde, welche ein Eckpunktepapier zum Umgang mit Menschenrechtsund demokratiefeindlichem Verhalten von Jugendlichen in Bremer Schulen entwickelt hat. Ebenso nahm ein Referent des LfV am 16. Oktober an einem durch die Herbert-Quandt-Stiftung in Kooperation mit dem LIS organisierten Fachtag zum Thema Salafismus für Lehrer teil. 3 Rechtsextremismus 19 Seitenzahl 20 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 21 3.2 NSU-Prozess 22 3.3 Rechtsextremistische Parteien 22 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 26 3.3.2 Weitere rechtsextremistische Parteien 28 3.4 Neonazistische Szene 32 3.5 Subkulturelle Szene 20 3 Rechtsextremismus Gewalttätigkeiten von Fußballfans und Hooligans überraschten zum Ende des Jahres 2014 die Öffentlichkeit. Im Rahmen der Demonstration "Hooligans gegen Salafisten" am 26. Oktober 2014 in Köln zeigten unter anderem rechtsextremistische Fußballfans und Hooligans ein hohes Gewaltpotenzial. Der Auftritt der rechtsextremistischen Bremer Hooligan-Band "Kategorie C" stellte einen Höhepunkt der Demonstration dar. Das gemeinsame Engagement von zum Teil verfeindeten und sich ursprünglich als unpolitisch verstehenden Hooligans für ein politisches Thema wird mancherorts als neue Form der Kooperation gesehen. In Bremen hingegen war die anlassbezogene Kooperation von Rechtsextremisten und gewaltbereiten Hooligans in der Vergangenheit mehrfach zu beobachten. Gemeinsame Aktivitäten gab es zum Beispiel vermehrt in den Jahren 2007 bis 2009 als Reaktion auf die Aktionen von Autonomen gegen den damals bestehenden rechtsextremistischen Szeneladen "Sportsfreund". Daher hat das LfV bereits in den letzten Jahren regelmäßig in den Verfassungsschutzberichten auf die überwiegend gewaltaffine Mischszene hingewiesen. Die rechtsextremistische NPD befand sich im Jahr 2014 in einem anhaltenden Abwärtstrend. Der verpasste Wiedereinzug in den sächsischen Landtag stellt einen herben Bedeutungsverlust für die Partei dar, der auch durch ihren Einzug in das Europäische Parlament nicht abgeschwächt werden konnte. Bundesweit verlor die Partei im Jahr 2014 Mitglieder. Während in Bremen der parteigebundene Rechtsextremismus erfolglos blieb, gewann der aktionsorientierte Rechtsextremismus an Attraktivität. Personellen Zulauf erfuhren insbesondere Personenzusammenschlüsse der neonazistischen und subkulturellen Szene Bremens, die sich hauptsächlich über das Internet organisieren. 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild Rechtsextremismus ist keine in sich geschlossene Ideologie, sondern eine Weltanschauung, die sich insbesondere gegen die fundamentale Gleichheit aller Menschen richtet (Ideologie der Ungleichheit). Trotz der Erfahrungen Deutschlands während der Zeit des Nationalsozialismus ist der Rechtsextremismus durch Einstellungen geprägt, die geschichtliche Tatsachen leugnen und tendenziell zur Verharmlosung, Rechtfertigung oder gar Verherrlichung nationalsozialistischer Verbrechen einschließlich des Holocausts beitragen. Geschichtsrevisionistische Positionen sind in unterschiedlicher Ausprägung in der rechtsextremistischen Szene verbreitet, insbesondere die neonazistische Szene greift Symbolik und Tradition des Nationalsozialismus auf und nimmt Gedenktage zum Anlass für Veranstaltungen. Im Mittelpunkt der rechtsextremistischen Ideologie stehen zwei Elemente: Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Fremdenfeindlichkeit umschreibt eine ablehnende Haltung gegenüber allem, was als fremd und deshalb bedrohlich oder minderwertig empfunden wird. Abgelehnt werden vor allem Ausländer, Muslime, Obdachlose, Behinderte und Homosexuelle. Als Formen der Fremdenfeindlichkeit gelten Ausländer-, Islamfeindlichkeit sowie Antisemitismus. Ausländerfeindlichkeit bezieht sich auf die Feindseligkeit gegenüber 21 Ausländern, während Islamfeindlichkeit die Abwertung von Personen wegen ihrer religiösen Überzeugung beschreibt, die häufig jedoch auch auf ethnische Zugehörigkeit oder Nationalität abstellt. Antisemitismus meint die Feindseligkeit gegenüber Juden, die häufig politisch, kulturell oder rassistisch begründet und vielfach mit Verschwörungstheorien untermauert wird. Rassismus bezieht sich ausschließlich auf äußere Merkmale. Beim Rassismus wird aus genetischen Merkmalen der Menschen eine naturgegebene Rangordnung abgeleitet und zwischen "wertvollen" und "minderwertigen" Rassen unterschieden. Rassismus nimmt Einfluss auf das zweite zentrale Element rechtsextremistischer Weltanschauung, den Nationalismus. Unter Nationalismus ist ein übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung der eigenen Nation zu verstehen. Rechtsextremisten sind der Überzeugung, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation, Ethnie oder Rasse über den Wert eines Menschen entscheidet. Die eigene Nation Zentrale Merkmale des wird dabei gegenüber anderen als höherwertig eingestuft. Sie wird als ein so wichRechtsextremismus tiges, absolutes Gut angesehen, dass ihr sowohl Interessen und Werte anderer 1. Ablehnung der universellen Nationalitäten als auch die (Bürgerund Menschen-)Rechte jedes Einzelnen unterGleichheit aller Menschen zuordnen sind. 2. Verachtung des demokratischen Verfassungsstaates; Das Ziel von Rechtsextremisten besteht darin, die pluralistische GesellschaftsordBevorzugung autoritärer und nung durch die einer "Volksgemeinschaft" zu ersetzen, in der der totalitäre Staat und totalitärer Staatsmodelle das ethnisch homogene Volk miteinander verschmelzen. Der demokratisch verfasste 3. Aggressiver Nationalismus Rechtsstaat soll einem nach dem Führerprinzip ausgerichteten totalitären Staat (Konzept der "Volksgemeinweichen, der von einer Einheitspartei beherrscht wird. Diese antidemokratischen schaft") und FremdenfeindlichVorstellungen stehen im Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes und keit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Fremdenfeindlichkeit als Grundele4. Verharmlosung, Relativierung ment rechtsextremistischen Denkens ist weder mit dem Prinzip der Menschenwürde oder Leugnung der unter noch mit dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen vereinbar. Das autoritäre Staatsnationalsozialistischer Herrverständnis und das antipluralistische Gesellschaftsverständnis widersprechen schaft begangenen Verwesentlichen Demokratieprinzipien, wie der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität brechen (Revisionismus) oder dem Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition. Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch Beobachtung des Rechtsextremismus in seinen unterschiedlichen Facetten und Organisationsformen ist eine der zentralen Aufgaben des LfV gemäß dem Bremischen Verfassungsschutzgesetz. 3.2 NSU-Prozess Der im Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht München begonnene Strafprozess richtet sich nach dem Selbstmord der beiden Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahr 2011 gegen das einzige noch lebende NSU-Mitglied Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer. Die aus den drei Rechtsextremisten bestehende Gruppierung lebte rund 13 Jahre im Untergrund und ermordete in den Jahren 2000 bis 2007 vor allem aus fremdenfeindlichen und rassistischen Motiven bundesweit insgesamt neun Personen ausländischer Herkunft und eine Polizistin. Darüber hinaus beging das Trio mindestens zwei Bombenanschläge und mindestens 15 bewaffnete Raubüberfälle zur Finanzierung ihres Lebens im Untergrund. Der Hauptangeklagten Zschäpe wirft die Bundesanwaltschaft die Bildung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie die Mittäterschaft an neun Morden, am Mordanschlag auf bzw. Mordversuch an zwei Polizisten und an versuchten Morden durch mehrere Sprengstoffanschläge vor. Zwei Mitangeklagten werden insbesondere Beihilfe zu den Morden durch Beschaffung der Tatwaffe, dem dritten Angeklagten Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag und dem vierten Mitange22 klagten Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in mehreren Fällen angelastet. Ein Urteil in diesem Verfahren ist voraussichtlich im Jahr 2015 zu erwarten. 3.3 Rechtsextremistische Parteien Im rechtsextremistischen Parteienspektrum ist die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) derzeit die einzige Partei von bundesweiter Bedeutung, obwohl sie sich in einem anhaltenden Abwärtstrend befindet. Sie verlor ihre Fraktion im sächsischen Landtag, erzielte durchweg schlechte Wahlergebnisse bei den drei Landtagswahlen 2014 und sah sich einem erneuten Führungswechsel sowie dem Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegenüber. Die neonazistisch ausgerichtete Partei "Die Rechte" stellt jedoch insbesondere bei Wahlen nach wie vor keine Konkurrenz für die NPD dar. 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Mitglieder: ca. 5.200 in Deutschland ca. 30 in Bremen Die 1964 gegründete NPD stellt mit rund 5.200 Mitgliedern im Jahr 2014 die mitgliederstärkste der rechtsextremistischen Parteien in Deutschland dar. Der seit 2008 bundesweit zu verzeichnende Mitgliederrückgang setzte sich auch 2014 fort, so zählte die Partei 2013 noch 5.500 Mitglieder. In Bremen sank die Mitgliederzahl des NPD-Landesverbandes um etwa 10 Personen auf ca. 30 Mitglieder im Jahr 2014. Noch im Jahr 2012 verfügte die Bremer NPD über einen Mitgliederstand von rund 50 Personen. Verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD Die NPD vertritt offen fremdenfeindliche, rassistische und nationalistische Positionen. Ihre verfassungsfeindliche Ausrichtung kommt in dem 2010 verabschiedeten Parteiprogramm "Arbeit. Familie. Vaterland." zum Ausdruck. Allen politischen, ökonomischen und sozialen Themenbereichen oder Sachfragen liegt hier das Konzept der "Volksgemeinschaft" zugrunde und damit ein antiindividualistisches Menschenbild sowie ein identitäres Politikund Staatsverständnis. Unter "Volksgemeinschaft" verstehen Rechtsextremisten ein streng hierarchisches Gemeinwesen, in dem der Staat und das ethnisch homogene Volk zu einer Einheit verschmelzen. Die "Volksgemeinschaft" als Gegenentwurf zur Demokratie gilt für die NPD als alternativloses Konzept. Die Leitidee der "Volksgemeinschaft" findet sich u.a. in einer 2012 veröffentlichten NPD-Broschüre "Wortgewandt/Argumente für Mandatsund Funktionsträger". Im Kapitel zur Ausländerpolitik wird gefordert, dass Deutschland durch eine "rechtsstaatlich abgesicherte Ausländerrückführung" "das Land der Deutschen" bleiben müsse. Deutscher sei - entsprechend dem Verständnis der NPD - nicht derjenige, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, vielmehr gelte das Abstammungsprinzip. Die NPD spricht zumindest nichteuropäischen Migranten kategorisch das Aufenthaltsrecht ab. Den Islam bewertet die Partei als "fremdkörperhafte Aggressionsreligion" in Mitteleuropa und erkennt ihm das Existenzrecht in Deutschland ab. Auch im Europa- wahlkampf 2014 vertrat die NPD diese dem Konzept der "Volksgemeinschaft" zugrunde liegenden Positionen. Im Vorwort des Wahlprogramms "Europa wählt rechts" heißt es: "Statt Zuwanderung fordern wir eine konsequente Ausländerrückführung und statt Integration die Verlegung von Überkapazitäten in deren Heimatländer." ("Nationaldemokratisches Europawahlprogramm", S. 8) 23 NPD bei Europawahl 2014 Die NPD erreichte bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 ein schwaches Ergebnis von bundesweit lediglich 1 % der Stimmen. Gleichwohl errang ihr Spitzenkandidat, der frühere Bundesvorsitzende Udo Voigt, mit diesem Ergebnis erstmals einen Sitz für die NPD im Europäischen Parlament. Dies war möglich, weil nach Feststellung des Bundesverfassungsgerichts die bislang geltende 3 %-Klausel verfassungswidrig ist und somit auch sehr geringe Stimmenanteile für die Erlangung eines Parlamentsmandats ausreichen können. Der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Voigt hatte sich zuvor in einer Kampfabstimmung um den Spitzenplatz am 18. Januar 2014 gegen den damaligen kommissarisch gewählten NPD-Bundesvorsitzenden und NPD-Fraktionsvorsitzenden im mecklenburgischen Landtag Udo Pastörs durchgesetzt. Die NPD blieb mit ihrem Wahlergebnis und dem Erringen lediglich eines Parlamentsmandats weit hinter ihren Erwartungen zurück. Der rechtsextremistischen Partei war es nicht gelungen, ihre Stammwähler von der strategischen Bedeutung der Wahl zu überzeugen und sie zu mobilisieren. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2013, bei der die NPD 1,3 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte, büßte die Partei bei der Europawahl einen beträchtlichen Stimmenanteil ein. Wenngleich der NPD-Europaabgeordnete Voigt keiner Fraktion im Europaparlament angehört, so bringt seine Mitgliedschaft der rechtsextremistischen Partei jedoch einen finanziellen und propagandistischen Vorteil. NPD bei Kommunalund Landtagswahlen 2014 Am 25. Mai 2014 fanden in zehn Bundesländern Kommunalwahlen statt; die NPD konnte dabei die Zahl ihrer Mandate insgesamt erhöhen. Bundesweit verfügt die rechtsextremistische Partei nunmehr über etwa 350 Sitze in Kommunalparlamenten. Die NPD erzielte überwiegend schwache Wahlergebnisse in den westdeutschen Bundesländern, während sie in den ostdeutschen Bundesländern unterschiedliche Resultate erreichte. So trug zum Beispiel das gute Abschneiden der NPD in Thüringen maßgeblich zum Zuwachs der Mandate bei. Die NPD blieb bei allen drei Landtagswahlen im Jahr 2014 hinter ihren Zielen zurück: In Sachsen konnte die rechtsextremistische Partei am 31. August 2014 lediglich 4,95 % der Stimmen auf sich vereinigen. Ebenfalls schwache Wahlergebnisse erzielte die NPD am 14. September 2014 mit 2,2 % der Stimmen in Brandenburg und mit Wahlplakate der NPD 3,6 % der Stimmen in Thüringen. Eine herbe Niederlage für die gesamte Partei stellte das Wahlergebnis der NPD in Sachsen dar, da sie ihren Wiedereinzug in den Landtag knapp verpasste. Seit 2004 hatte die NPD dort eine Fraktion gestellt. Trotz ihres professionellen und kostspieligen Wahlkampfes scheiterte die Partei an ihrem Ziel, zum dritten Mal in Folge in den sächsischen Landtag einzuziehen. Mit dem Wegfall der sächsischen Fraktion verliert die NPD ein Machtzentrum, das Ressourcen zur Professionalisierung der Parteiarbeit bot und damit die Aktionsund Handlungsfähigkeit der Partei sicherte. Die NPD ist nunmehr nur noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Erneuter Führungswechsel bei der NPD: Franz wird neuer Bundesvorsitzender Der bisherige Bundespressesprecher und ehemalige saarländische Landesvorsitzende Frank Franz wurde am 1. November 2014 von den Delegierten des NPD-Bundesparteitages in Weinheim zum neuen NPD-Bundesvorsitzenden gewählt. Franz war mit einem Ergebnis von 63,7 % der Stimmen seinen Mitbewerbern, dem ehemaligen 24 NPD-Generalsekretär Peter Marx und der früheren Bundesvorsitzenden der NPDFrauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" Sigrid Schüßler, deutlich überlegen. Die Parteigeschäfte waren seit dem 10. Januar 2014 kommissarisch von dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden in Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs geleitet worden, nachdem Holger Apfel das Amt des Bundesvorsitzenden am 19. Dezember 2013 niedergelegt hatte. Der bisherige stellvertretende Bundesvorsitzende Frank Schwerdt wurde von den Delegierten in seinem Amt bestätigt, während der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD in Brandenburg Ronny Zasowk sowie der Landesvorsitzende der NPD in Mecklenburg-Vorpommern Stefan Köster neu als stellvertretende Vorsitzende gewählt wurden. In den aus 17 Mitgliedern bestehenden NPD-Bundesvorstand wurden neun neue Mitglieder gewählt. Der NPD-Bundesvorstand setzt sich sowohl aus offen bekennenden Neonazis wie dem neuen Bundesorganisationsleiter und Berliner NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke und dem neuen Beisitzer Thomas Wulff als auch betont gemäßigt auftretenden Parteimitgliedern wie dem neu gewählten Bundesgeschäftsführer und sächsischen NPD-Landesvorsitzenden Holger Szymanski zusammen. Parteiinterne Spannungen bezüglich der Außendarstellung der Partei Der neu konstituierte NPD-Bundesvorstand ist ein Spiegelbild der parteiinternen Zerrissenheit. Der neue NPD-Bundesvorsitzende gilt als Kompromisskandidat der beiden sich seit Jahren im Konflikt um das Erscheinungsbild und den Parteikurs gegenüberstehenden Parteiflügel. Franz, der über keine eigene Machtbasis innerhalb der Partei verfügt, wird kaum in der Lage sein, neue Schwerpunkte in der inhaltlichstrategischen Ausrichtung oder in der Außendarstellung der Partei zu setzen. Mit der Propagierung eines "aufgeklärten Nationalismus" versucht Franz, ähnlich wie der frühere Bundesvorsitzende Apfel, sich öffentlich vom historischen Nationalsozialismus zu distanzieren und die NPD als "moderne Volkspartei" darzustellen, ohne dabei jedoch von rechtsextremistischen Grundüberzeugungen abzuweichen, etwa der Leitidee der "Volksgemeinschaft". Im Werben um die Wählergunst kristallisierten sich in der Vergangenheit vor allem zwei Herangehensweisen heraus: Während die Befürworter des "deutschen Weges" um den von 1996 bis 2011 amtierenden NPD-Bundesvorsitzenden und derzeitigen EU-Abgeordneten der NPD Udo Voigt für eine Rückbesinnung auf ideologische Grundsätze und für ein offen neonazistisches Auftreten warben, plädierten die Befürworter des "sächsischen Weges" und des Konzeptes der "seriösen Radikalität" um den von 2011 bis 2013 amtierenden NPD-Bundesvorsitzenden Apfel für ein bürgerlich-gemäßigtes Auftreten und die Modernisierung des Erscheinungsbildes der Partei unter Beibehaltung der rechtsextremistischen Grundüberzeugungen. Apfel war in seiner Amtszeit als Bundesvorsitzender mit seinem Konzept der "seriösen Radikalität" gescheitert, da es ihm weder gelungen war, Wahlen noch neue Mitglieder zu gewinnen. Jedoch war ebenso wenig der ihm 2014 folgende kommissarische Bundesvorsitzende Pastörs als klarer Befürworter des "deutschen Weges" mit einem offen neonazistischen Auftreten in seiner wenige Monate dauernden Amtszeit in der Umsetzung seiner Ziele erfolgreich. So ist statt einer Zusammenarbeit zurzeit eher eine Entfremdung zwischen NPD und parteigebundenen Neonazis zu konstatieren. Ein Beispiel dafür ist der Versuch der NPD-Führung, den Hamburger NPDLandesvorsitzenden und überzeugten Neonazi Thomas Wulff aus der Partei aus- zuschließen, weil dieser sich im März 2014 öffentlich zum Nationalsozialismus bekannt und die NPD-Führung wiederholt öffentlich angegriffen hatte. Wulff stellt seit Jahren eine feste Größe in der neonazistischen Szene dar, gilt als Bindeglied zwischen NPD und Neonazis und als Vordenker der neonazistischen Szene. Darüber hinaus schnitt die NPD unter der Führung Pastörs' insgesamt schlecht bei den 2014 abgehaltenen Landtagswahlen ab. Sowohl der gemäßigte NPD-Landesverband in Sachsen als auch der überwiegend neonazistisch ausgerichtete NPD-Landesver25 band in Thüringen verbuchten Misserfolge. Strategie der NPD Die NPD konnte ihre dominante Rolle im rechtsextremistischen Parteienlager letztmalig mit der Fusion der rechtsextremistischen Partei "Deutsche Volksunion" (DVU) 2011 festigen, wenngleich sie dadurch weder einen erheblichen Mitgliederzuwachs noch eine Erhöhung ihres Aktionspotenzials erfuhr. Ihren Führungsanspruch im rechtsextremistischen Spektrum formulierte die NPD bereits im Jahr 2004 mit der "Volksfront von rechts". Das Konzept beschrieb den Versuch der Partei, alle "nationalen Kräfte" unter ihrer Führung zu bündeln, und läutete eine Phase der engen Zusammenarbeit zwischen NPD und Neonazis ein, die mancherorts bis heute anhält. Vonseiten der neonazistischen "Freien Kräfte" war die strategische Zusammenarbeit mit der NPD im Jahr 2009 aufgekündigt worden. Gültigkeit besitzt noch heute die 1996 formulierte "Drei-Säulen-Strategie" ("Kampf um die Parlamente", "Kampf um die Straße" und "Kampf um die Köpfe"), die 2004 um eine vierte Säule ("Kampf um den organisierten Willen") erweitert wurde. Die "Vier-Säulen-Strategie" zielt auf die umfassende Bekämpfung des demokratischen Verfassungsstaates mit dem Schwerpunkt, öffentliche Präsenz durch Aufmärsche, Kundgebungen und die politische Arbeit in Landesund Kommunalparlamenten zu zeigen. Die strategische Ausrichtung der Partei bestimmte maßgebend der bis 2011 amtierende NPD-Bundesvorsitzende Voigt, der 15 Jahre lang an der Spitze der Partei stand. NPD-Verbotsverfahren Das Bekanntwerden der Mordserie der rechtsterroristischen Gruppierung NSU im Jahr 2011 hatte erneut die Diskussion um ein NPD-Verbot entfacht. Der Bundesrat reichte am 3. Dezember 2013 einen Antrag auf Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein. Als einziges der drei antragsberechtigten Staatsorgane hatte sich der Bundesrat zu einem solchen Antrag entschlossen, nachdem die Innenministerkonferenz (IMK) die Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens positiv beurteilt hatte. Die IMK traf ihre Einschätzung wiederum auf Grundlage einer Materialsammlung über die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der NPD, die von einer eigens dafür eingerichteten Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zusammengestellt worden war. Die in die Materialsammlung eingeflossenen Informationen und Belege stammen ausschließlich aus offen zugänglichen Quellen. Mit dieser Vorgehensweise ist auf das im Jahre 2003 gescheiterte Verbotsverfahren reagiert worden. Damals hatte das BVerfG das Verfahren eingestellt, weil belastende Informationen von "Vertrauensleuten" (V-Leuten) des Verfassungsschutzes stammten. Aus diesem Grund bescheinigten nunmehr die Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern in Form von dem Verbotsantrag beiliegenden Testaten die Quellenfreiheit der verwendeten Informationen. In einem weiteren Testat wird die Abschaltung aller V-Leute auf Führungsebene bestätigt, um im Verfahren die "Gegnerfreiheit" aufseiten der Antragsgegnerin zu garantieren und sicherzustellen, dass die Prozessstrategie der NPD nicht durch V-Leute ausgeforscht werden kann. Finanzlage der NPD Die Finanzlage der NPD war wie in den Vorjahren angespannt, ihre Handlungsfähigkeit war dadurch jedoch nicht beschränkt. Die Partei profitiert durch die Teilnahme an Wahlen erheblich von der gesetzlichen Parteienfinanzierung. Mit den Wahlergebnissen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen, die alle26 samt über 1 % der Stimmen lagen, sicherte sich die NPD die Fortzahlungen aus der staatlichen Teilfinanzierung von Parteien. Bremer NPD-Landesverband weitgehend inaktiv Mit dem starken Mitgliederrückgang in den letzten Jahren geht eine zunehmende Handlungsunfähigkeit des Bremer NPD-Landesverbandes einher, der seit dem Jahr 2011 kaum noch öffentlich in Erscheinung tritt. Ein Grund für den Mitgliederschwund und die Passivität des Landesverbandes ist sein Mangel an geeigneten Führungspersonen und die damit verbundene intellektuelle sowie organisatorische Schwäche. Dem Bremer Landesverband gelingt es seit Jahren nicht mehr, junge Aktivisten an sich zu binden. Wenig zuträglich für einen Mitgliederzuwachs auf Landesebene ist auch der desolate Zustand der NPD auf Bundesebene. In Bremen erhielt die NPD bei der Wahl zum Europäischen Parlament lediglich 0,6 % der Stimmen. Während die Partei im Kreis Bremen 0,5 % der Stimmen erzielte, errang sie im Kreis Bremerhaven 1,0% der Stimmen. Der inaktive NPD-Landesverband entfaltete abgesehen vom Anbringen der Wahlplakate und der Veranstaltung eines Informationsstandes in Bremerhaven keine Aktivitäten im Wahlkampf zum Europäischen Parlament. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 hatte die Bremer NPD ebenfalls lediglich ein Mindestmaß an Aktivitäten gezeigt. Ein aus eigener Kraft geführter Wahlkampf zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft und der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven im Mai 2015 ist vor diesem Hintergrund vom Bremer Landesverband kaum zu erwarten. Bei der letzten Bürgerschaftswahl 2011 verfehlte die NPD mit einem Ergebnis von 1,6 % der Stimmen deutlich ihr Ziel, in die Bremische Bürgerschaft einzuziehen. Derzeit ist die NPD in Bremen auf kommunaler Ebene und Stadtteilebene vertreten. Über jeweils ein Mandat verfügt die Partei in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven und in den Stadtteilbeiräten Bremen-Blumenthal und Bremen-Gröpelingen. 3.3.2 Weitere rechtsextremistische Parteien "Die Rechte" Die 2012 von ehemaligen DVU-Mitgliedern und Neonazis gegründete rechtsextremistische Partei "Die Rechte" zählt zum Ende des Jahres 2014 etwa 500 Mitglieder. Ihr Parteigründer ist der Neonazi Christian Worch, der am 5. Juli 2014 von den Delegierten des Bundesparteitages in seinem Amt als Bundesvorsitzender bestätigt worden war. Die Partei "Die Rechte" verfügt derzeit über sechs Landesverbände sowie mehrere Kreisverbände. Bereits zwei Landesverbände haben nach kurzer Zeit ihre Aktivitäten eingestellt oder sich aufgelöst. In Bremen gründete sich im Oktober 2013 eine "Landesgruppe", deren "Landesbeauftragter" ein bekannter Bremer Neonazi ist. Die ideologische Ausrichtung der Partei ist heterogen, da sich unter den Parteimitgliedern neben ehemaligen NPDund DVU-Mitgliedern auch Neonazis befinden. Inzwischen gilt knapp die Hälfte der Landesverbände als neonazistisch ausgerichtet. Angetreten war die Partei 2012 mit dem Parteiprogramm der 2011 aufgelösten DVU, welches sie mit leichten Veränderungen übernommen hatte. Die Partei verortet sich im politischen Parteienspektrum zwischen rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Parteien. Der organisatorische Schwerpunkt der Partei befindet sich in Nordrhein-Westfalen, wo ihr aktivster und mitgliederstärkster Landesverband ist. Handlungsfähige Parteistrukturen existieren auch unterhalb der Ebene des Landesverbandes in den Kreis27 verbänden. Die Führungspositionen sind vor allem von früheren Aktivisten der 2012 verbotenen neonazistischen Kameradschaften besetzt. Insofern gilt der nordrheinwestfälische Landesverband als Auffangbecken für Neonazis, die ihre Aktivitäten und Veranstaltungen unter dem Deckmantel der Partei, d.h. unter Ausnutzung des Parteienprivilegs, fortführen können. Politische Parteien sind in besonderer Weise vor Verboten geschützt, da sie ausschließlich vom Bundesverfassungsgericht verboten werden können. Alle anderen Personenzusammenschlüsse wie Kameradschaften können hingegen vom zuständigen Innenminister oder -senator verboten werden. Zur Europawahl im Mai 2014 kandidierte die Partei nicht, da sie bereits an der Sammlung der benötigten Unterstützungsunterschriften scheiterte. Sie beteiligte sich punktuell an den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 in Nordrhein-Westfalen und erzielte zwei Mandate. Zur Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt plant die "Die Rechte" ihre Teilnahme und daher die Gründung eines Landesverbandes. Bremer "Landesgruppe" Der seit über einem Jahr existierenden Bremer "Landesgruppe" der Partei "Die Rechte" ist der Aufbau von weiteren Parteistrukturen im Jahr 2014 nicht gelungen. So gibt es weiterhin weder einen Kreisnoch einen Landesverband in Bremen. Die stark neonazistisch ausgerichtete "Landesgruppe" thematisierte im Jahr 2014 auf ihrer Facebookseite vor allem die "Gewalt von Ausländern gegen Deutsche", den "Erhalt der deutschen Kultur" oder "Asylmissbrauch". Gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Bremen agitierte "Die Rechte" ebenso wie im Vorjahr und verteilte Flugblätter in den jeweiligen Stadtteilen. An der am 26. Oktober 2014 in Köln abgehaltenen Demonstration "Hooligans gegen Salafisten" beteiligte sich auch die Bremer "Landesgruppe". Ebenso wie im Vorjahr unterstützte die "Landesgruppe" die Organisation einer Gedenkveranstaltung an einen 2013 im niedersächsischen Kirchweyhe getöteten jungen Mann. Der 25-Jährige war von anderen Heranwachsenden zu Tode geprügelt worden, nachdem er versucht hatte, einen Streit zu schlichten. Unter dem Motto "Eine Rose für Daniel" demonstrierten am 14. März 2014 rund 20 Rechtsextremisten aus Bremen und Niedersachsen in Kirchweyhe, etwa Flyer zur Gedenkveranstaltung 200 Personen protestierten gegen die rechtsextremistische Kundgebung. Bereits im in Kirchweyhe Vorjahr hatte die rechtsextremistische Szene den Migrationshintergrund des Haupttäters instrumentalisiert, um mit fremdenund islamfeindlichen Parolen von der aufgeheizten Stimmung in der Bevölkerung zu profitieren. In diesem Zusammenhang hatten im Jahr 2013 zwei rechtsextremistische Kundgebungen in Kirchweyhe stattgefunden. "Bürgerbewegung pro Deutschland" Unter dem Namen "pro Bewegung" oder "pro Partei" gründeten sich in den vergangenen Jahren Parteien und Vereine in Deutschland, die von ihrer Organisationsform her eigenständig, jedoch zum Teil personell und programmatisch eng miteinander verknüpft sind. Die 2007 gegründete rechtsextremistische Partei "Bürgerbewegung pro NRW" und der 1996 gegründete rechtsextremistische Verein "pro Köln e.V." zählen insgesamt rund 1.000 Mitglieder, von denen viele dem rechtsextremistischen Spektrum entstammen. Ihre programmatische Ausrichtung ist islamfeindlich. Sie propagieren den Islam als Feindbild, warnen vor einer "Islamisierung Europas" und diffamieren Muslime pauschal aufgrund ihrer religiösen Überzeugung, Abstammung oder Nationalität. Sie sprechen ihnen nicht nur das Grundrecht auf freie Religionsausübung ab, sondern auch ein Existenzund Bleiberecht in Europa. Die Veranstaltungen der rechtsextremistischen Gruppierungen zogen in der Vergangenheit häufig öffentliche Aufmerksamkeit auf sich, weil sie mit ihrer Taktik der "maximalen Provokation" ihre politischen 28 Gegner gezielt reizten. Im Gegensatz zur rechtsextremistischen Partei "Bürgerbewegung pro NRW" und zum rechtsextremistischen Verein "pro Köln" gehen die derzeitigen Einschätzungen der Verfassungsschutzbehörden zur Verfassungsfeindlichkeit der "Bürgerbewegung pro Deutschland" auseinander. Die 2005 gegründete "Bürgerbewegung pro Deutschland" besteht aus einem Landesverband in Berlin sowie "Landesgruppen" und Kreisverbänden in mehreren Bundesländern. In Bremen gründete sich im November 2012 ein Kreisverband der "Bürgerbewegung pro Deutschland", der im Jahr 2013 an der Bundestagswahl teilnahm und seitdem nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten ist. Die programmatische Ausrichtung der Partei entspricht der der "Bürgerbewegung pro NRW". Auch ihr Themenschwerpunkt ist die Bekämpfung einer vermeintlichen "Islamisierung" und "Überfremdung" Deutschlands durch Zuwanderung von Ausländern. Zwischen der "Bürgerbewegung pro Deutschland" und der "Bürgerbewegung pro NRW" bestehen insofern sowohl programmatisch-strategische als auch ideologische Übereinstimmungen. 3.4 Neonazistische Szene Personenpotenzial: ca. 5.600 in Deutschland ca. 30 in Bremen Die neonazistische Szene in Deutschland umfasste im Jahr 2014 etwa 5.600 Personen, davon in Bremen ungefähr 30 Personen. Die Zahl der Neonazis in Bremen stagniert damit seit 2012. Relativ konstant ist auch die Zahl des bundesweiten neonazistischen Personenpotenzials seit 2011, nachdem in den Vorjahren ein Anstieg zu verzeichnen war. So zählte die neonazistische Szene in Deutschland im Jahr 2007 rund 4.400 Personen, zwei Jahre später umfasste die Szene bereits etwa 5.000 Personen und im Jahr 2011 gehörten ihr rund 6.000 Personen an. Neonazis Ideologie "Neonazi" ist die Kurzform für Wenngleich sich Aktionsund Organisationsformen der neonazistischen Szene "Neonationalsozialist". Fälschwandeln, bleiben die ideologischen Grundüberzeugungen gleich. Neonazis vertreten licherweise werden die Begriffe stark revisionistische Positionen. Sie zeichnen sich durch ihre starke Bezugnahme "Neonazi" und "Rechtsextremist" auf die nationalsozialistische Ideologie aus, sowohl in ihren Aktionsformen als auch häufig synonym verwendet. in ihrer Symbolik beziehen sie sich auf den Nationalsozialismus. Sie greifen die Neonazismus ist ein Teilbereich typischen rechtsextremistischen Ideologieelemente wie Fremdenund Islamfeindlichdes Rechtsextremismus, der keit, Rassismus und Nationalismus auf. Ihr Ziel besteht darin, die staatliche Ordnung dadurch gekennzeichnet ist, Deutschlands, die sie als "das System" bezeichnen, durch einen totalitären Führerdass er in der Tradition des staat nationalsozialistischer Prägung mit einer ethnisch homogenen BevölkerungsNationalsozialismus steht. struktur zu ersetzen. Ethnische Vielfalt und Meinungsvielfalt bedrohen die von Neonazis bezeichnen sich Neonazis angestrebte "Volksgemeinschaft", die Personen ausländischer Herkunft selber häufig als "Freie Kräfte" kategorisch ausschließt und in der sich jedes Individuum dem vorgegebenen Geoder "Freie Nationalisten". samtwillen unterzuordnen hat. Trotz übereinstimmender Grundüberzeugungen ist die neonazistische Szene ideologisch nicht homogen, die verschiedenen Ideologieelemente sind vielmehr je nach Gruppe unterschiedlich stark ausgeprägt. Struktur der neonazistischen Szene Die neonazistische Szene in Deutschland ist in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden. Sie besteht heute zum größten Teil aus lose strukturierten Personenzusammenschlüssen, während das Organisationsmodell der Kameradschaften zunehmend an Bedeutung verliert. Bei Kameradschaften handelt es sich um regional oder lokal verankerte Gruppen mit einem relativ festen Aktivistenstamm, die sich längerfris29 tig politisch engagieren. Überregional vernetzt waren Kameradschaften in sogenannten "Aktionsbüros", die sich ebenfalls in den letzten Jahren verstärkt auflösten. Das Kameradschaftsmodell hatte sich in den 1990er-Jahren als Reaktion auf die zahlreichen Verbote neonazistischer Vereine und Verbände als eine Organisationsform ohne formelle Strukturen entwickelt. Heute treten anstelle von Kameradschaften neue Formen der Organisation, die noch geringere Strukturen aufweisen. So bilden sich vermehrt kleine, informelle, regional verankerte Gruppierungen, die aufgrund enger persönlicher Kontakte keine größeren Organisationsstrukturen benötigen. Überregional vernetzt sind diese Kleingruppen über das Internet. Diese informelleren und unverbindlicheren Formen der politischen Arbeit stellen eine Alternative zu der verbindlichen politischen Arbeit in Kameradschaften dar. Der Trend zum Verzicht auf Organisationsstrukturen, um Vereinsverbote zu erschweren und um möglichst wenig Ansatzpunkte für strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Gruppierungen zu bieten, wird in Zukunft angesichts der etlichen seit 2012 erfolgten Kameradschaftsverbote anhalten. Neben dem Trend zum Verzicht auf Organisationsstrukturen ist insbesondere mit der Gründung der Partei "Die Rechte" 2012 in Nordrhein-Westfalen zu beobachten, dass auch Parteistrukturen eine neue Möglichkeit der neonazistischen Organisation darstellen können. Aktionsformen der neonazistischen Szene Zu den Aktionsformen der neonazistischen Szene zählen beispielsweise die "Autonomen Nationalisten" (AN) und "Die Unsterblichen". Die AN traten als eigenständige Aktionsund Organisationsform in Abgrenzung zum Organisationsmodell der Kameradschaften erstmals im Jahr 2003 insbesondere in Großstädten in Erscheinung. Zunächst hoben sich die AN wegen ihres Aktionsstils, wie z.B. die Bildung von "Schwarzen Blöcken", und ihres Bekleidungsstils, wie z.B. schwarze Kleidung, Kapuzenpullover und Baseball-Mützen, deutlich von der neonazistischen Szene ab, während ihr Stil heute von großen Teilen der Szene übernommen worden ist. "Die Unsterblichen" stellen eine erstmals 2011 initiierte Aktionsform der neonazistischen Szene dar. Dabei handelt es sich um unangemeldete Aufzüge von kurzer Dauer, sogenannte "Flashmobs", bei denen die Demonstranten dunkel gekleidet und einheitlich vermummt mit weißen Masken auftreten. Die konspirativ geplanten und zumeist nachts durchgeführten Spontandemonstrationen werden gefilmt und im Nachhinein im Internet verbreitet. Die Selbstdarstellung durch die im Internet verbreiteten Videoaufnahmen von den Aufzügen ist für die neonazistische Szene ebenso wichtig wie die Aktion selbst. Nachdem das maßgeblich für die Initiierung dieser Aktionsform verantwortliche neonazistische Netzwerk 2012 verboten worden war und mehrere Aktivisten wegen ihrer Teilnahme verurteilt worden waren, ging die Zahl der Spontandemonstrationen ab 2013 deutlich zurück. Hinter der einheitlichen Vermummung der "Unsterblichen" steht die Botschaft, dass der Einzelne in der "Volksgemeinschaft" aufgeht und in ihr "unsterblich" wird. Die 2008 gestartete "Volkstod-Kampagne" warnt vor dem Aussterben des deutschen Volkes aufgrund von "Überfremdung", Abwanderung und des Geburtenrückgangs. In Anlehnung an die nationalsozialistische Rassenideologie werden Zuwanderer als "genetische" Gefahr für das deutsche Volk gesehen. Neonazistische Szene Bremens Die neonazistische Szene Bremens weist derzeit lediglich geringe Organisationsstrukturen auf. Mit der neonazistischen Kameradschaft "Freie Nationalisten Bremen" löste sich zuletzt eine der zentralen handlungsfähigen Gruppierungen in Bremen auf. Die 2008 gegründete Kameradschaft trat seit 2011 nicht mehr öffentlich in Erschei30 nung. Grund für ihre Inaktivität kann die Furcht vor Strafverfolgung sein, denn 2011 sind führende Mitglieder der "Freien Nationalisten Bremen" im "Sturm-Wiking-Prozess" wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung zu Bewährungsund Geldstrafen sowie im "Ostkurvensaal-Prozess" wegen schweren Hausfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt worden. In der Vergangenheit scheiterten diverse Versuche der Etablierung neuer neonazistischer Gruppierungen; folgende Gruppierungen bestehen zurzeit in Bremen: "Identitäre Bewegung" Die im Jahr 2012 gegründete Gruppierung "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD), die eine neue Aktionsund Organisationsform der neonazistischen Szene darstellt, gab sich im April 2014 eine neue Organisationsstruktur. Bislang bestand die vornehmlich im Internet aktive IBD bundesweit aus über 90 lokalen Kleingruppen, nunmehr gliedert sie sich in 17 regionale Gruppen. Nachdem die Aktivitäten der IBD im Jahr 2013 im Vergleich zur Gründungsphase deutlich nachgelassen hatten, kann die Neustrukturierung als ein Versuch gewertet werden, die Aktionsfähigkeit der Gruppierung durch Straffung der Organisationsstruktur wieder zu erhöhen. Die im November 2012 gegründete rechtsextremistische Gruppierung "Identitäre Bewegung Bremen" (IBB), die im Zuge der Neustrukturierung in der regionalen Gruppe "Weser-Ems" aufging, war zunächst ebenfalls äußerst aktiv, um ihre Aktivitäten wenig später für ein gutes halbes Jahr komplett einzustellen. Die IBB sah sich dem öffentlichen Vorwurf der Beteiligung von Rechtsextremisten ausgesetzt, von dem sie sich vergebens zu distanzieren versuchte. Die im Jahr 2014 erneut entfalteten Aktivitäten der IBB standen vor allem im Zusammenhang mit der neonazistischen Gedenkveranstaltung im März 2014 in Kirchweyhe. Ideologisch setzen sich die "Identitären" für den Erhalt der ethnokulturellen Identität der Deutschen ein und kämpfen gegen kulturellen Verfall, Multikulturalismus und Islamisierung. Dabei bedienen sie sich des Konzepts des Ethnopluralismus, dessen grundlegende Annahme die Verschiedenartigkeit der Völker ist. Migrationsprozesse würden diese Völkervielfalt bedrohen, Menschen entwurzeln und kulturelle Identitäten vernichten. Die Ethnienvielfalt könne letztlich nur durch die Trennung der Völker bewahrt werden. Ethnopluralisten betonen, dass sich Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse, sondern aufgrund kultureller, regionaler und geografischer Faktoren unterscheiden. Die mit dem Konzept des Ethnopluralismus begründeten nationalistischen, fremdenund insbesondere islamfeindlichen Einstellungen verbreiten die "Identitären" hauptsächlich im Internet, insbesondere im sozialen Netzwerk Facebook, auf professionell gestalteten Plakaten, Flyern und in Videos. "Europäische Aktion" Die rechtsextremistische Gruppierung "Europäische Aktion" (EA) steht weniger als Beispiel für neue Aktionsformen als vielmehr für andere Organisationsformen neben Kameradschaften und kleinen, regional verankerten Gruppierungen. Bei der seit 2011 aktiven EA handelt es sich um "eine Bewegung zur politisch-kulturellen Erneuerung ganz Europas", in der sich vorwiegend europäische Holocaustleugner sammeln. In ihrer Programmatik ist die Bewegung vor allem stark revisionistisch, rassistisch und antisemitisch. Ihr Ziel ist ein Staatenbund unter dem Namen "Europäische Eidgenossenschaft", der die EU und NATO ablösen soll. Die 2010 in der Schweiz gegründete und zunächst unter der Bezeichnung "Bund Freies Europa" bestehende EA strebt daher die Zusammenarbeit von rechtsextremistischen Gruppen in Europa an, dazu sollen Stützpunkte in Deutschland errichtet werden. In Bremen existiert seit 2012 ein solcher Stützpunkt. Aktivitäten der neonazistischen Szene Bremens 31 Die neonazistische Szene organisierte im Jahr 2014 ebenso wenig wie in den Vorjahren öffentliche Veranstaltungen oder Demonstrationen in Bremen. Einzelne Aktivisten nahmen an größeren, überregionalen Veranstaltungen von NPD, neonazistischer und subkultureller Szene im gesamten Bundesgebiet teil. In der Vergangenheit beteiligten sich Neonazis aus Bremen vielfach an Aktionen und Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene im niedersächsischen Umland oder reisten gemeinsam mit Neonazis aus Niedersachsen zu überregionalen rechtsextremistischen Demonstrationen. Die erstmals im Jahr 2012 erschienene Zeitschrift "Ein Fähnlein" versteht sich als "Magazin und Projekt, das Brücken bauen soll zwischen den Generationen [...] zum Verständnis der jungen Deutschen der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts". (Fehler im Original, Internetseite "soldatenbiographien.de" vom 04.12.2014) Inhaltlich befasst sich die Zeitschrift vor allem mit revisionistischen Themen, die die Zeit des Nationalsozialismus glorifizieren. Verantwortlich für das Magazin zeichnet sich ein bekannter Bremer Neonazi, der seit Jahren versucht, mit revisionistischen Themen den Nationalsozialismus zu rehabilitieren und die freiheitliche demokratische Grundordnung zu delegitimieren. Auch die Verteilung von Plakaten in der Bremer Innenstadt im März 2014 fällt in seine Verantwortung; auf den Plakaten wurde die "Freiheit für alle politischen Gefangenen!" gefordert und dies auf entsprechender Internetseite wie folgt begründet: "Mit dem Lied "Taten statt Worte" der Kampfkapelle "Nahkampf" im Hinterkopf, machten sich auch in der Freien Hansestadt Bremen Männer mit Kleistereimer und Plakaten auf den Weg, um anläßlich des 18. März, dem Tag der politischen Gefangenen, die BRD-Bürger auf unsere Kameraden im Knast aufmerksam zu machen. Wir werden Euch nicht vergessen! Eure Unfreiheit ist die Unfreiheit Zeitschrift "Ein Fähnlein" des Deutschen Reiches! Für Euch und uns gelten die Worte Erich Priebkes: niemals aufgeben!" (Fehler im Original, Internetseite "artikel5.info" vom 04.12.2014) Rechtsextremistische Mischszene in Bremen In Bremen besteht eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen NPD, Neonazis, rechtsextremistischen Skinheads und rechtsextremistischen Hooligans. Vielfach lassen sich dadurch die einzelnen Teilbereiche kaum mehr unterscheiden und führen zu einer rechtsextremistischen Mischszene. Es gibt in Bremen eine Vielzahl von personellen Überschneidungen, so ist es beispielsweise nicht ungewöhnlich, dass ein NPD-Mitglied zugleich in der neonazistischen Szene aktiv ist. Neben personellen Überschneidungen bestimmen vor allem enge persönliche Kontakte die Aktivitäten der rechtsextremistischen Mischszene Bremens. Nicht nur in Bremen, sondern bundesweit sind die Grenzen im aktionsorientierten Rechtsextremismus zwischen neonazistischer und subkultureller Szene in den letzten Jahren durchlässiger geworden. Eine erhöhte Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden verlangt auch das Verschwimmen der Grenze von diesem gewaltbereiten, aktionsorientierten Rechtsextremismus zu gewaltaffinen Gruppierungen, wie z.B. Hooligans und Rockern. Das Bedrohungspotenzial liegt dabei weniger in der ideologischen Grundüberzeugung als vielmehr in der hohen Gewaltbereitschaft, die von Personen aus diesen Spektren ausgeht. Im Fokus des Verfassungsschutzes steht somit auch die verstärkte Beobachtung von jenen gewaltaffinen Gruppierungen, die vielerlei Verbindungen und vor allem persönliche Kontakte zur rechtsextremistischen Szene aufweisen. 3.5 Subkulturelle Szene Personenpotenzial: ca. 7.200 in Deutschland ca. 50 in Bremen 32 Die subkulturelle rechtsextremistische Szene, zu der rechtsextremistische Skinheads, rechtsextremistische Hooligans und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten zählen, umfasste im Jahr 2014 bundesweit rund 7.200 Personen, davon etwa 50 Personen in Bremen. In Bremen ist damit ebenso wie im Vorjahr ein Anstieg des subkulturellen Personenpotenzials zu verzeichnen (2013: 40 Personen). Ein Grund für die Zunahme ist die Attraktivität der subkulturellen Szene infolge ihres hohen Aktionspotenzials in den vergangenen beiden Jahren. Bundesweit hingegen sinkt die Zahl der subkulturell geprägten Rechtsextremisten seit Jahren. Während die subkulturelle Szene im Jahr 2007 rund 10.000 Personen umfasste, zählte die Szene 2010 ungefähr 8.300 Personen, 2013 gehörten ihr noch etwa 7.400 Personen an. Mit subkultureller Szene sind Cliquen gemeint, die weder fest strukturiert noch hierarchisch organisiert sind, sondern vor allem über die persönlichen Beziehungen der Cliquenmitglieder zusammengehalten werden. Ein wesentliches Merkmal der subkulturellen rechtsextremistischen Szene ist ihre niedrige Hemmschwelle zur Ausübung von Gewalt, die gerade in Verbindung mit Alkoholkonsum häufig zu spontanen Gewaltaktionen insbesondere im Rahmen von Konzertveranstaltungen führt. Rechtsextremistische Skinheads Skinheads Für den subkulturell geprägten Lebensstil, der die Freizeitgestaltung wie z.B. die Teilnahme an rechtsextremistischen Veranstaltungen und Konzerten in den VorderSkinhead ist eine Sammelbegrund stellt, ist eine dauerhafte politische Arbeit nachrangig. So vertreten rechtszeichnung für eine sehr heteroextremistische Skinheads auch keine gefestigte Ideologie, sondern hängen einem gene Subkultur. Die Skinheaddiffusen rechtsextremistischen Weltbild an, in dem Fremdenfeindlichkeit und RassisBewegung besteht aus vielen mus die zentralen Elemente sind. Das Erscheinungsbild der Skinheads hat sich in verschiedenen Gruppierungen, den letzten Jahren wesentlich verändert: Während sie vor einigen Jahren noch an wobei rechtsextremistische ihrer Glatze, an Springerstiefeln und Bomberjacken leicht erkennbar waren, fallen sie Skinheads lediglich einen kleinen heute mit normaler Kleidung in der Öffentlichkeit kaum auf. Als Erkennungszeichen Teil der Bewegung ausmachen. dienen hauptsächlich bestimmte szenetypische Kleidungsmarken, die oftmals nur Zum Beispiel gibt es auch noch von "Eingeweihten" als Identifikationsmerkmale zu erkennen sind. Das entscheiantirassistische Skinheads, dende Merkmal ist nicht länger die äußere Erscheinung, sondern vor allem die die "Skinheads Against Racial rechtsextremistische Musik. In einer Szene, die kaum feste oder organisierte StrukPrejudice" (SHARP). Der Begriff turen kennt, sorgt sie für den nötigen Zusammenhalt. Skinhead wird fälschlicherweise häufig synonym zu Neonazi gebraucht. Rechtsextremistische Musik Rechtsextremistische Musik hält nicht nur die subkulturelle Szene zusammen, sondern erfüllt gleichzeitig eine "Klammerfunktion" zwischen subkultureller Szene, neonazistischer Szene und rechtsextremistischen Parteien. Konzerte haben dabei zwei wichtige Funktionen, zum einen geben sie die Gelegenheit für Szene-Treffen und zum anderen stärken sie das Zusammengehörigkeitsgefühl, auch weil sie häufig konspirativ organisiert sind. Des Weiteren erfolgt der Einstieg von Jugendlichen in die subkulturelle oder neonazistische Szene oftmals über die Musik, durch die typisch rechtsextremistische Feindbilder leicht vermittelt werden können. "Hammerskins" Die seit Beginn der 1990er-Jahre in Deutschland existierende rechtsextremistische Skinhead-Organisation "Hammerskins" beschäftigt sich vorwiegend mit der Planung und Durchführung rechtsextremistischer Konzerte. Das "Hammerskin-Chapter Bremen" existiert seit etwa 20 Jahren. Vor dem Hintergrund ihres rassistischen und nationalistischen Weltbildes verfolgt die Organisation das Ziel, alle "weißen natio33 nalen" Kräfte in einer weltweiten "Hammerskin-Nation" zu vereinigen. Die "Hammerskins" verstehen sich als Elite der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Im Gegensatz zur rechtsextremistischen Skinhead-Szene in Deutschland sind die 1988 in den USA gegründeten "Hammerskins" straff und hierarchisch organisiert. Die SkinheadOrganisation ist in nationale Divisionen und diese wiederum in regionale "Chapter" gegliedert. In Deutschland gibt es derzeit rund zehn "Chapter", wobei das "Hammerskin-Chapter Bremen" zu den ältesten gehört. Abgesehen von Konzertveranstaltungen treten die konspirativ agierenden "Hammerskins" selten öffentlich in Erscheinung. Rechtsextremistische Bremer Skinhead-Bands Die rechtsextremistische Musik-Szene Bremens ist insbesondere durch die aktiven Skinhead-Bands "Hetzjagd", "Endlöser", "Endstufe" und "Strafmass" über Deutschland hinaus bekannt. Die häufig wechselnden Besetzungen der Bands erwecken den Eindruck, als ob ein großer Personenkreis dahinterstehen würde, tatsächlich handelt es sich dabei um etwa 10 bis 15 Personen. Die rechtsextremistischen Bremer Skinhead-Bands geben regelmäßig CDs heraus oder beteiligen sich an CD-Samplern. Im Jahr 2014 veröffentlichte die 2008 gegründete Skinhead-Band "Strafmass" eine CD mit dem Titel "Der Tag er kommt" (Fehler im Original). Die 1981 gegründete und damit älteste Bremer Skinhead-Band "Endstufe" beteiligte sich mit fünf Liedern an einem CD-Sampler mit dem Titel "This One's For The Skinheads". In Bremen gab es im Jahr 2014 keine rechtsextremistischen Konzerte, jedoch traten die Bremer Skinhead-Bands bei rechtsextremistischen Konzerten in Deutschland und im europäischen Ausland auf. So trat die Skinhead-Band "Endstufe" am 14. Juni 2014 im Rahmen eines internationalen Rechtsrock-Festivals in Großbritannien auf. Rechtsextremistische Bremer Hooligan-Band "Kategorie C" Die 1997 gegründete, bundesweit bekannte rechtsextremistische Hooligan-Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe" (KC) gilt als Bindeglied der Hooliganund der rechtsextremistischen Szene, weil sie in beiden Szenen vor allem wegen ihrer gewaltverherrlichenden Lieder sehr beliebt ist und insbesondere auch mit ihren Konzerten zum Zusammenhalt und zur Mobilisierung beiträgt. Mit der Wiederaufnahme des rechtsextremistischen Musik-Projektes "Nahkampf" bestätigte die Hooligan-Band ihre rechtsextremistische Ausrichtung. Ihre Aktivitäten und Aussagen weisen offen rechtsextremistische Inhalte auf. Im Rahmen des Konzertes "Support the Movement" am 5. April 2014 in Belgien trat die Band erstmals unter dem Bandnamen "Nahkampf" auf. Weitere Auftritte im Jahr 2014 absolvierten die Bandmitglieder im Namen beider rechtsextremistischer Bands im Inund Ausland. Die rechtsextremistische Band "Nahkampf" war Ende der 1980er-Jahre ebenfalls von dem KC-Bandleader gegründet worden und bis Mitte der 2000er-Jahre aktiv. In diesem Zeitraum veröffentlichte die Band mehrere CDs, die zum Teil von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert worden sind. Die CDs produzierte u.a. das "Blood & Honour"-Label "ISD Records". Die Abkürzung ISD steht für die Anfangsbuchstaben des Namens des Sängers der rechtsextremistischen britischen Skinhead-Band "Screwdriver" Ian Stuart Donaldson, der auch das seit 2000 in Deutschland verbotene Skinhead-Netzwerk "Blood & Honour" (dt.: Blut und Ehre) gründete, das europaweit rechtsextremistische Konzerte organisiert und entsprechende Musik vertreibt. In einem 1997 in der rechtsextremistischen Zeitschrift "Unsere Welt" unter der Überschrift "Der Kampf geht weiter - neues von Nahkampf" erschienenen Interview kommt die rechtsextremistische Ausrichtung der Band 34 deutlich zum Ausdruck. Auf die Frage, wie die Band zu dem bewaffneten Arm des "Blood & Honour"-Netzwerkes "Combat 18" steht, antwortete sie wie folgt: "Wir stehen absolut hinter dem Grundgedanken von C18 - wir haben ein gemeinsames Ziel, doch C18 hat sich entschieden einen radikaleren Weg zu gehen "White Power" through political Terror ist ihr Weg, mit dem wir sympathisieren und den wir auf keinen Fall verurteilen werden." (Fehler im Original, Zeitschrift "Unsere Welt", Ausgabe 1, 1997) Ankündigungen für Konzerte der rechtsDas Engagement der Bandmitglieder in einer in der Tradition des Skinhead-Netzextremistischen Bands werkes "Blood & Honour" stehenden Band zeigt den rechtsextremistischen Charakter KC und "Nahkampf" der Hooligan-Band KC. Insbesondere ihr Auftritt im Rahmen der Demonstration "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) am 26. Oktober 2014 in Köln verdeutlicht die Bemühung der Band, die Hooligan-Szene politisch zu beeinflussen. KC präsentierte im Zuge der Veranstaltung ein selbst komponiertes Lied mit dem Titel "Hooligans gegen Salafisten", das den Islam und seine Anhänger in menschenverachtender Weise diffamiert, wörtlich heißt es darin: "Islam will keinen Frieden sondern Gottessklaverei. (...) Heute schächten sie Schafe und Rinder, morgen vielleicht schon Christenkinder. (...) Wenn das Messer an der Kehle ist dann habt ihrs kapiert." Rechtsextremistisch beeinflusste Hooligans Die Bremer Hooligan-Szene ist wegen der Hooligan-Gruppierungen "Standarte Hooligans Bremen", "City Warriors" und "Nordsturm Brema" sowie der Fußballfan-Gruppierung Hooligans sind fanatische, "Farge Ultras" bekannt. Diese Gruppierungen gelten als "rechtsextremistisch beeingewaltbereite Fans eines flusst", das heißt, dass es sich bei einzelnen Mitgliedern um überzeugte RechtsextreVereins, die im Rahmen von misten handelt. Sportereignissen durch ihre Gewalttätigkeiten auffallen. In der Regel sind Hooligans unpolitisch, lediglich ein kleiner Teil ist rechtsextremisSie verabreden sich gezielt zu tisch oder fremdenfeindlich motiviert. Seit den 1980er-Jahren versuchen RechtsexKämpfen mit Hooligans anderer tremisten, sowohl Hooligans gezielt abzuwerben und sie für ihre politischen Ziele zu Vereine und betrachten dies instrumentalisieren als auch die Hooligan-Szene zu unterwandern. In Bremen als ihren Sport ("3. Halbzeit"). bestehen enge Verbindungen zwischen der subkulturellen Hooliganund der neona"Hooligan" ist ein Kunstbegriff zistischen Szene, was die folgende, aufsehenerregende Aktion anlässlich eines aus dem Englischen und wird Fußballspiels von Werder Bremen gegen den Hamburger Sportverein am 1. März sinngemäß mit "Straßenrowdy", 2014 verdeutlicht: Etwa 130 maskierte Hooligans versuchten, mit einem gecharterten "Halbstarker" oder "Rabauke" Schiff zum Bremer Weserstadion zu gelangen. Unter den mit grün-weißen Sturmübersetzt. masken maskierten Hooligans aus Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen befanden sich zahlreiche Angehörige der neonazistischen und subkulturellen Szene, insbesondere Mitglieder der drei rechtsextremistisch beeinflussten Hooligan-Gruppierungen. Am Schiff hatten sie ein großes Transparent mit dem Schriftzug "Scheiß Hamburg" befestigt. Die Wasserschutzpolizei stoppte das in Bremen-Nord gestartete Schiff in der Bremer Innenstadt am Martinianleger und verhinderte damit seine Weiterfahrt. Hooligans auf dem Weg zum Weserstadion anlässlich eines Fußballspiels von Werder Bremen gegen den Hamburger Sportverein Rechtsextremistische Hooligans demonstrieren gegen Islamismus Im Jahr 2014 demonstrierten Fußballfans und Hooligans, darunter Rechtsextremisten, verstärkt gegen Islamismus und Salafismus sowie konkrete salafistische Veranstaltungen. In mehreren deutschen Städten gab es in der ersten Jahreshälfte 2014 Proteste gegen die Auftritte des salafistischen Predigers Pierre Vogel im Rahmen seiner "Deutschlandtour - Pierre Vogel in Deiner Stadt zu Gast". In Bremen 35 beteiligten sich an einer friedlich verlaufenen Demonstration gegen eine Kundgebung des salafistischen Predigers am 1. Juni 2014 Angehörige der neonazistischen und subkulturellen Szene Bremens, darunter Mitglieder der rechtsextremistisch beeinflussten Hooligan-Gruppierung "Standarte Bremen" und der islamfeindlichen subkulturellen Gruppierung "German Defence League - Division Bremen". Unter dem Motto "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) protestierten am 26. Oktober 2014 in Köln rund 4.800 Fußballfans und Hooligans, darunter mehrere Hundert Rechtsextremisten. Im Verlauf der Demonstration gab es teilweise massive gewalttätige Ausschreitungen zwischen den Hooligans und der Polizei, bei denen insgesamt 45 Polizisten verletzt worden sind. Einen Höhepunkt der Veranstaltung stellte der Auftritt der rechtsextremistischen Hooligan-Band "Kategorie C" aus Bremen dar. Unter den Demonstrationsteilnehmern befanden sich Mitglieder der drei rechtsextremistisch beeinflussten Bremer Hooligan-Gruppierungen, der rechtsDemonstration von Hooligans extremistisch beeinflussten Fußballfan-Gruppierung "Farge Ultras" sowie der rechtsin Köln extremistischen Bremer Gruppierung "Infidels Deutschland - Sektion Nord". Eine weitere von der Initiative "Hooligans gegen Salafismus" organisierte Demonstration unter dem Motto "Europa gegen den Terror des Islamismus" fand am 15. November 2014 in Hannover statt. Die zunächst verbotene Demonstration wurde vom Verwaltungsgericht Hannover unter bestimmten Auflagen erlaubt, die u.a. eine Standkundgebung statt eines Aufzuges, ein Alkoholverbot und ein Verbot für den Auftritt der rechtsextremistischen Hooligan-Band "Kategorie C" vorschrieben. Neben den Auflagen stellte insbesondere ein massives Polizeiaufgebot sicher, dass die Demonstration friedlich verlief. Unter den 3.200 Demonstranten befanden sich einige Hundert Angehörige der neonazistischen und subkulturellen Szene, so auch aus Bremen. Die seit Herbst 2014 im Internet und insbesondere im sozialen Netzwerk Facebook aktive Initiative "Hooligans gegen Salafisten" versteht sich "als Bewegung, der sich Hooligans, Ultras, Fußballfans und 'normale' Bürger angeschlossen haben, um gemeinsam gegen den Terror der IS (weltweit) und die Salafisten (bundesweit) zu kämpfen" (Facebookseite "Gemeinsam sind wir stark" vom 13.10.2014). Auf einem Treffen am 13. Oktober 2014 bestimmte die Initiative einen Vorstand und gliederte sich bundesweit in vier Regionen. Die Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gehören demnach der "Region Nord" an, die unter der Leitung eines Bremer Rechtsextremisten stand. In der Initiative engagieren sich Hooligans für ein politisches Thema, die sich in der Vergangenheit zum Teil verfeindet gegenübergestanden und sich stets als unpolitisch beschrieben haben. Wenngleich sich die Initiative wiederholt von der rechtsextremistischen Szene abgrenzte, sind diese Bekenntnisse angesichts der Beteiligung von Rechtsextremisten insbesondere an der Organisation der Demonstrationen wenig glaubhaft. In Bremen ist die enge Kooperation von Rechtsextremisten und gewaltbereiten Hooligans seit Jahren zu beobachten. Die rechtsextremistische Mischszene in Bremen zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sich einzelne rechtsextremistische Teilbereiche kaum noch voneinander unterscheiden lassen. Die Aktivitäten dieser Mischszene erfolgen vor allem über persönliche Kontakte. Ein verbindendes Element zwischen den subkulturellen Rechtsextremisten und den Hooligans ist derzeit insbesondere die Islamfeindlichkeit. Die hohen Teilnehmerzahlen der Demonstrationen in Köln und Hannover zeigen auch, dass das Thema Islamfeindlichkeit ein hohes Mobilisierungspotenzial von Personen weit über die rechtsextremistische Szene hinaus in sich birgt. Daher werden Rechtsextremisten auch weiterhin versuchen, Kampagnen gegen Islamismus für sich zu vereinnahmen, um neue Anhänger zu rekrutieren. Rechtsextremistisch beeinflusste Fußballfan-Gruppierung "Farge Ultras" In Bremen gab es in der Vergangenheit wiederholt Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der drei rechtsextremistisch beeinflussten Hooligan-Gruppierungen sowie der rechtsextremistisch beeinflussten Fußballfan-Gruppierung "Farge Ultras" (FU) und "linken" Ultra-Gruppierungen sowie "linken" Fußballfans. Insbesondere die 2008 36 gegründete rechtsextremistisch beeinflusste Fußballfan-Gruppierung "Farge Ultras" war in jüngster Vergangenheit in derartige Auseinandersetzungen verwickelt, zuletzt wurde dabei im Jahr 2013 ein Unbeteiligter schwer verletzt. "Linke" Fußballfan-Gruppierungen warfen den FU wiederholt öffentlich vor, ihre Mitglieder seien "rechtsgerichtete Schläger". In der Tat zeigen einzelne Mitglieder ihre rechtsextremistische Einstellung offen, z.B. durch szenetypische Bekleidung, rechtsextremistische Musik oder rechtsextremistische Symbolik. So zeigt ein von der Gruppierung verbreiteter Aufkleber den Bunker "Valentin" in Bremen-Nord mit dem Schriftzug "Farge unzerstörAufkleber der Fußballfanbar". Bei der Errichtung des Bunkers in der Zeit des Nationalsozialismus hatten Gruppierung "Farge Ultras" Tausende Zwangsarbeiter ihr Leben verloren. Weitere subkulturelle Gruppierungen Die 2010 in Deutschland gegründete rechtsextremistische Gruppierung "German Defence League" (GDL) ist stark islamfeindlich ausgerichtet. Von der zunächst bundesweit aus rund 20 Divisionen bestehenden Gruppierung wandte sich Mitte Oktober 2014 ein Teil der Anhänger angesichts interner Unstimmigkeiten ab und gründete am 15. Oktober 2014 die Gruppierung "Infidels Deutschland" (dt. Ungläubige). Die "Infidels Deutschland" gliedern sich in vier regionale Sektionen. Die 2012 in Bremen zunächst unter dem Namen "German Defence League - Division Bremen" ("GDL - Division Bremen") entstandene Gruppierung tritt nunmehr als "Infidels Deutschland - Sektion Nord" auf. Die GDL, die sich als "Bewahrer der jüdisch-christlichen, griechisch-römischen Tradition" sieht, hat sich mit dem Ziel gegründet, "die unveräußerlichen Rechte aller Menschen gegen Übergriffe des radikalen Islam zu schützen" und "Widerstand gegen Entwicklungen [zu leisten], die unsere Rechte und unsere Freiheit existentiell bedrohen" (Internetseite "german-defence-league" von Juni 2014). Die Bekräftigung, sich bei Angriffen von politischen Gegnern körperlich zur Wehr zu setzen, steht im Widerspruch zur betonten rechtsstaatlichen Ausrichtung und dem ausschließlich beim Staat liegenden Gewaltmonopol. Die 2009 in Großbritannien gegründete islamfeindliche und als äußerst gewalttätig geltende Gruppierung "English Defence League" (EDL), nach deren Vorbild sich die GDL bildete, rekrutiert ihre Anhänger ebenfalls vorwiegend aus der Hooligan-Szene. Beide Gruppierungen verfolgen insbesondere im sozialen Netzwerk Facebook die Strategie, Ängste und Ressentiments gegenüber Muslimen und dem Islam zu schüren. In Bremen traten Anhänger der GDL erstmals am 1. Juni 2014 in der Öffentlichkeit auf, indem sie sich gemeinsam mit anderen rechtsextremistischen, gewaltbereiten Hooligans an einer insgesamt friedlich verlaufenen Demonstration gegen eine Kundgebung des salafistischen Predigers Pierre Vogel beteiligten. Auch an der gewaltsam verlaufenen Demonstration "Hooligans gegen Salafisten" am 26. Oktober 2014 in Köln nahmen die Bremer Anhänger der "Infidels" teil. "Brigade 8" und "Nordic 12" Die im Jahr 2012 gegründete subkulturelle rechtsextremistische Gruppierung "Brigade 8" verfügt bundesweit über Anhänger und Mitglieder. Eine regionale Untergliederung der Gruppierung besteht mit der "Brigade 8 Crew Bremen" ("Brigade 8", B8-HB) seit 2012 u.a. auch in Bremen. Mehrere der aus der subkulturellen Szene Bremens stammenden Anhänger der Gruppierung wandten sich Mitte des Jahres 37 2014 von der "Brigade 8" ab und agieren seither unter dem Namen "Nordic 12". Die Zahl "12" im Namen der neuen Bremer Gruppierung steht nach eigenen Angaben für die Strahlen der "Schwarzen Sonne". Damit greift die Gruppierung auf eindeutig rechtsextremistische Symbolik zurück. Das in der rechtsextremistischen Szene vielfach verwendete Symbol, auch als zwölfarmiges Hakenkreuz oder zwölffache Sig-Rune bezeichnet, steht für die "Verbundenheit mit der eigenen Art und mit den arteigenen Wertvorstellungen". Die Gruppierungen "Brigade 8" sowie "Nordic 12" bedienen sich des martialischen Erscheinungsbilds und der Organisationsstrukturen von Motorradclubs, ohne jedoch Motorradclubs zu sein. So tragen ihre Anhänger beispielsweise mit Aufnähern versehene Westen, sogenannte "Kutten", oder ihre Mitglieder werden nach "Vollmitgliedern" und "Unterstützern" unterschieden. In Bremen beteiligten sich Anhänger der "Brigade 8" im März 2014 an der rechtsextremistischen Gedenkveranstaltung in Kirchweyhe. Darüber hinaus beteiligten sie sich an der Demonstration "Hooligans gegen Salafisten" am 26. Oktober 2014 in Köln und hatten im Vorfeld auf ihrer Facebookseite dafür geworben. 38 4 Linksextremismus Seitenzahl 39 4.1 Ideologie des Linksextremismus 40 4.2 Autonome Linksextremisten 43 4.3 Aktionsfelder der Autonomen 43 4.3.1 Aktionsfeld "Antifaschismus" 47 4.3.2 Aktionsfeld "Antirepression" 48 4.3.3 Aktionsfeld "Antimilitarismus" 49 4.3.4 Aktionsfeld "Antirassismus" 39 4 Linksextremismus Die öffentliche Infrastruktur war in den vergangenen Jahren wiederholt Ziel des Handelns von autonomen Kleingruppen. Insbesondere in Berlin waren "militante Aktionen" auf die Beeinträchtigung des Bahnverkehrs gerichtet, während die "Aktionen" in Bremen vor allem der Bundeswehr und der Polizei galten. Im November 2014 war erstmals auch in Bremen die öffentliche Infrastruktur von einem Brandanschlag betroffen. Der Bahnverkehr in Norddeutschland war unter anderem infolge von Anschlägen auf Gleisanlagen an gleich drei Orten für einen Tag eingeschränkt. Zu dem Anschlag bekannten sich "autonome Gruppen". Das hohe Aggressionsund Gewaltpotenzial der Autonomen zeigte sich auch im Jahr 2014 bundesweit vor allem durch gezielte Angriffe auf politische Gegner und Polizisten, bei denen ernsthafte Verletzungen bis hin zum Tod der Opfer in Kauf genommen wurden. In Bremen ist ein vergleichbar hohes Aggressionsund Gewaltpotenzial, wie auch in den Jahren zuvor, nicht festzustellen gewesen. Hier richteten sich gewaltsame Aktionen der autonomen Szene überwiegend gegen Wahlkampfveranstaltungen von rechtsextremistischen oder vermeintlich "rechten" Parteien zur Europawahl 2014. 4.1 Ideologie des Linksextremismus Linksextremismus zielt auf die Überwindung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung, die als Kapitalismus und bürgerliche Gesellschaft bezeichnet wird, und auf die Errichtung eines herrschaftsfreien oder kommunistischen Systems. In der linksextremistischen Ideologie wird die Forderung nach sozialer Gleichheit unter Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates verabsolutiert. Das Ziel soll dabei unter Missachtung der Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erreicht werden und würde grundlegende Prinzipien der Verfassung außer Kraft setzen. Betroffen wäre davon nicht nur das in der Verfassung verankerte Rechtsstaatsoder Demokratieprinzip, wie beispielsweise die Gewaltenteilung, die Volkssouveränität oder das Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition, sondern insbesondere auch die individuellen Freiheitsrechte. Dem Linksextremismus zuzurechnen sind orthodox kommunistische, maoistische und trotzkistische Gruppen. Diese Gruppierungen haben in den letzten Jahrzehnten enorm an Bedeutung und damit auch an Mitgliedern und Sympathisanten verloren. Vor allem geht von ihnen, anders als bei den gewaltbereiten autonomen Gruppen, keine spürbare Gefahr für das friedliche gesellschaftliche Zusammenleben aus. Daher liegt der Fokus der Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Bremen ausschließlich auf dem gewaltorientierten Linksextremismus, der durch autonome Gruppierungen verkörpert wird. 4.2 Autonome Linksextremisten Personenpotenzial: ca. 6.100 in Deutschland ca. 200 in Bremen 40 Der autonomen Szene in Deutschland waren im Jahr 2014 etwa 6.100 Anhänger zuzurechnen. In Bremen kann die autonome Szene zu bestimmten Anlässen, beispielsweise zu Spontandemonstrationen, kurzfristig bis zu 200 Personen mobilisieren. Ziel von Autonomen ist das Abschaffen jeglicher Form von "Herrschaftsstrukturen". Sie lehnen sowohl gesellschaftliche Normen und Zwänge als auch den demokratischen Verfassungsstaat - den sie als "staatlichen Repressionsapparat" bezeichnen - sowie seine Einrichtungen ab. Autonome erheben den Anspruch, nach eigenen Regeln leben zu können, und streben nach einem hierarchiefreien, selbstbestimmten Leben innerhalb "herrschaftsfreier" Räume. Ideologisch beziehen sie sich vor allem auf anarchistische und kommunistische Theoriefragmente, wobei ihre ideologischen Vorstellungen insgesamt diffus bleiben. Da formelle Strukturen und Hierarchien grundsätzlich abgelehnt werden, ist die autonome Szene stark fragmentiert und besteht hauptsächlich aus losen Personenzusammenschlüssen, die anlassbezogen gegründet werden und sich ebenso kurzfristig auflösen. Autonome erachten ihre Eigenund Selbstständigkeit für so wichtig, dass sie sich in der Regel in keine festen politischen Strukturen integrieren. Teile der autonomen Szene sind jedoch bereit, sich an bürgerlich-demokratischen Bündnissen zu beteiligen und ihre eigenen Ziele kurzfristig in den Hintergrund zu stellen, um ihre politischen Vorstellungen in die Gesellschaft zu tragen. Mit der Taktik der Bündnispolitik gelingt es Autonomen immer wieder, insbesondere im Bereich "Antifaschismus", mit bürgerlich-demokratischen Gruppen zusammenzuarbeiten, die ihre extremistischen Ansichten im Grunde ablehnen. Neben der Bündnispolitik steht für Teile der autonomen Szene auch die bessere Vernetzung untereinander im Fokus ihrer Bemühungen. Mit dem Ziel, größere politische Bedeutung zu erlangen, halten sie die Organisierung der Szene bis zu einem gewissen Grad für geeignet. So bildeten sich "Autonome Vollversammlungen" (AVV) in mehreren deutschen Städten im Jahr 2009, um die Szene vor allem auf Flyer der AVV in Bremen lokaler und regionaler Ebene besser zu vernetzen. Dieser Vernetzungsversuch ist inzwischen vielerorts gescheitert. Die in Bremen 2009 gegründete AVV gab nach mehreren Monaten der Inaktivität am 1. März 2014 ihre Auflösung bekannt. Während damit ein weiterer Vernetzungsversuch der autonomen Szene Bremens gescheitert war, ist hier die Etablierung anarchistischer Strukturen seit 2013 zu beobachten. Die monatlich stattfindende Informationsveranstaltung "A-Cafe" wird von einem "heterogenen Haufen mit verschiedensten politischen Schwerpunkten und Herangehensweisen" organisiert, die die Idee "eines herrschaftsfreien Lebens für Alle" verbindet (Fehler im Original, Internetseite "riseup.net" vom 18.08.2014). Mit der Forderung nach einem "herrschaftsfreien Leben", der die Grundidee des "freien Willens" zugrunde liegt, zielen Anarchisten auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen und die umgehende Auflösung des bestehenden Rechtsstaates ab. In den vergangenen Jahren war darüber hinaus zu beobachten, dass Teile der zunächst organisationsfeindlichen autonomen Szene die Bildung von festen Organisationsstrukturen vorantrieben. Zu den Gruppierungen, die eine Organisierung der "linken" Szene zur Erreichung ihrer politischen Ziele für notwendig erachten, zählt die linksextremistische Gruppierung "Avanti - Projekt undogmatische Linke" ("Avanti"), die im Herbst 2014 im bundesweit agierenden linksextremistisch beeinflussten Netzwerk "Interventionistische Linke" (IL) aufging. Beide Gruppierungen stehen für einen Teil der autonomen Szene, der sich inzwischen deutlich von der ursprünglichen autonomen Szene abgrenzen lässt und daher als "postautonom" bezeichnet werden kann. Während sich Autonome insbesondere durch ihre Organisationsfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft und Theorieferne auszeichnen, können Postautonome lediglich noch als organisationskritisch, weniger gewaltbereit und um Theorie bemüht beschrieben werden. Ihre gesellschaftliche Isolation wollen sie vor allem dadurch durchbrechen, dass sie eine Scharnierfunktion zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und gemäßigten, bürgerlichen "Linken" einnehmen. 41 Gewalt als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung Autonome befürworten zur Durchsetzung ihrer politischen Forderungen die Anwendung von Gewalt gegen den Staat, seine Einrichtungen und Repräsentanten sowie gegen rechtsextremistische Strukturen und Personen. Mit "militanten Aktionen" wollen sie über die Herbeiführung "chaotischer Zustände" letztlich die Unregierbarkeit des Staates erreichen. "Militante Aktionen" werden u.a. mit der von Staat und Gesellschaft ausgehenden "strukturellen Gewalt" gerechtfertigt. Gewalt ist aber nicht nur ein Mittel zur Bekämpfung des "staatlichen Repressionsapparates", sondern zugleich auch ein identitätsstiftendes Merkmal. Viele Angehörige der autonomen Szene sehen darin einen Akt der individuellen Selbstbefreiung. Mit ihrer Einstellung, politische Ziele gewaltsam zu verfolgen, setzen sich Autonome über das Gewaltmonopol des Staates und den Grundkonsens demokratischer Verfassungsstaaten hinweg, gesellschaftspolitische Veränderungen ausschließlich auf demokratischem Wege herbeizuführen. In den vergangenen Jahren lässt sich bundesweit ein hohes Gewaltund Aggressionspotenzial in der autonomen Szene feststellen, dies wird insbesondere durch Angriffe auf Polizisten deutlich, bei denen schwere Verletzungen bis hin zur Tötung billigend in Kauf genommen werden. Insgesamt ist jedoch in Bremen für das Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr eine Abnahme von linksextremistischen Straftaten auszumachen, ebenso sank die Zahl der Gewalttaten. Autonome üben Gewalt vornehmlich in zwei Konstellationen aus: einerseits im Rahmen von Demonstrationen und andererseits durch "militante Aktionen" in Form von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen auf Gebäude und Fahrzeuge. Gewalt im Rahmen von Demonstrationen Die massiven gewalttätigen Ausschreitungen im Rahmen von autonomen Demonstrationen stellen regelmäßig ein zentrales Problem für die öffentliche Sicherheit dar, wie am 1. Mai in Berlin oder Hamburg. Die Angriffe, bei denen die Verletzung von Personen zumindest billigend in Kauf genommen wird, richten sich in erster Linie gegen Polizisten und Rechtsextremisten. An gewalttätigen Auseinandersetzungen, insbesondere im Rahmen von Demonstrationen, beteiligen sich häufig auch unpolitische Jugendliche. In der Regel geht es ihnen, ebenso wie sehr jungen Angehörigen der autonomen Szene, weniger um konkrete politische und auf die Systemüberwindung ausgerichtete Ziele als mehr um den "Erlebnischarakter", der von solchen Ereignissen ausgeht, oder das Ausleben eines vorhandenen Aggressionspotenzials. Ein großer Teil dieser gewaltbereiten Jugendlichen kehrt mit dem Älterwerden in den nichtextremistischen Bereich zurück. In Bremen hat es bei autonomen Demonstrationen seit Langem keine gewalttätigen Ausschreitungen in der Form gegeben, dass Barrikaden errichtet und in Brand gesetzt, Geschäfte beschädigt und geplündert oder Fahrzeuge demoliert und angezündet worden sind. Dennoch kommt es auch in Bremen im Rahmen von Demonstrationen der autonomen Szene immer wieder zu Sachbeschädigungen und der Verletzung von Polizisten. "Militante Aktionen" Wie in den Vorjahren verübten Angehörige der autonomen Szene auch im Jahr 2014 zahlreiche "militante Aktionen" in Form von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen unterschiedlicher Art und Intensität. Häufig werden diese Straftaten anschließend in Selbstbezichtigungsschreiben erläutert und zum Beispiel als "Aktionen" 42 gegen "staatliche Repression" oder "Faschismus" begründet. Die Forderung nach einem Atomausstieg und das Gedenken an einen 2004 bei einem Castortransport getöteten "Anti-Atom"-Aktivisten diente als argumentative Rechtfertigung für einen Brandanschlag auf das Streckennetz der Deutschen Bahn am 8. November 2014. Mehrere Brandanschläge auf Kabelschächte und Signalanlagen in Brandenburg, Bremen und Niedersachsen sorgten über mehrere Stunden für Verspätungen und Zugausfälle im Nahund Fernverkehr Norddeutschlands. Unter der Überschrift "Bahnanlagen sabotiert!" veröffentlichten Täter, die sich als "autonome Gruppen" bezeichneten, am 8. November 2014 ein Selbstbezichtigungsschreiben auf der Internetplattform "linksunten.indymedia". Darin betonte die Gruppierung ihr Ziel, der Deutschen Bahn einen wirtschaftlichen Schaden unter Ausschluss der Gefährdung Unbeteiligter zufügen zu wollen. Kommunikation Das Internet ist das wichtigste Kommunikationsmittel der autonomen Szene. Es dient ihr sowohl als Kommunikationsplattform als auch als Medium zur Verbreitung von Propaganda. Von Bremer Gruppierungen gibt es eine Reihe von teilweise sehr professionell gestalteten Internetseiten. Über den Blog "Twitter", der Kurznachrichten in Echtzeit versendet, kommunizieren Angehörige der autonomen Szene beispielsweise während Demonstrationen. Neben einer Vielzahl von offenen und geschlossenen Internetportalen stellen die internationalen, gruppenunabhängigen Mediennetzwerke "Indymedia" mit seinem deutschen Ableger "Indymedia Deutschland" sowie "linksunten.indymedia" zentrale Kommunikationsplattformen für das gesamte "linke" Spektrum dar. Beide Internetplattformen betreiben einen "offenen Journalismus", d.h., jeder Internetnutzer kann dort ohne redaktionelle Vorgaben und unter Nutzung eines Pseudonyms Beiträge veröffentlichen, die andere Internetnutzer wiederum anonym kommentieren und ergänzen können. Die Beiträge reichen von Berichten zum Verlauf von Kundgebungen über Analysen zu tagespolitischen Entwicklungen bis hin zu Taterklärungen und Selbstbezichtigungsschreiben sowie Informationsoder Diffamierungskampagnen gegen politische Gegner. In Bremen gibt es seit 2009 das Internetforum "end of road". Die Betreiber erklärten, dass es sich um ein "antikapitalistisches Projekt" handele und sie "nur Dinge veröffentlichen, die dem Sinne des Projektes entsprechen und eine antifaschistische, autonome und antinationale Grundhaltung haben" (Internetseite "end of road", 06.09.2009). Die veröffentlichten Artikel, Aktionsberichte, Demonstrationsaufrufe und Terminankündigungen spiegeln ein breites Themenspektrum wider. Die Nutzer können die eingestellten Artikel kommentieren und sind darüber hinaus zum Einsenden von Berichten und Terminankündigungen aufgefordert. Die veröffentlichten Beiträge stammen jedoch auch aus Tageszeitungen oder aus den Internetportalen "Indymedia" und "linksunten.indymedia". Szene-Zeitschriften Ein zentrales Publikationsorgan ist die in Berlin herausgegebene Szene-Zeitschrift "Interim", die als eine von wenigen autonomen Schriften bundesweite Bedeutung genießt. Die Szene-Zeitschrift dient vor allem dem gewaltbereiten autonomen Spektrum zur Information und Diskussion. In der "Interim" finden sich Beiträge zu aktuellen Themen, aber auch Rechtfertigungen zur Gewaltanwendung sowie Auffor43 derungen und Anleitungen zu Gewalttaten. Um Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren, gibt es keine feste Redaktion, auch wird kein Impressum abgedruckt. In Bremen erscheint seit 2010 regelmäßig die Szene-Zeitschrift "LaRage". Die in der Zeitschrift veröffentlichten Artikel umfassen unterschiedliche Themenbereiche, vom "Antifaschismus" bis hin zu "Sozialen Kämpfen". Insbesondere wird darin über Aktionen und Veranstaltungen der autonomen Szene Bremens berichtet. 4.3 Aktionsfelder der Autonomen Die Aktionsfelder "Antifaschismus" und "Antirassismus" waren für die autonome Szene Bremens im Jahr 2014 von zentraler Bedeutung. Weniger Aktivitäten als im Vorjahr gab es dagegen in den Aktionsfeldern "Antirepression" und "Soziale Kämpfe". Die autonome Szene reagiert mit ihren politischen Aktivitäten hauptsächlich auf aktuelle politische Ereignisse und setzt selten eigene Themen im politischen Diskurs, sodass es immer wieder zu Schwerpunktverschiebungen kommt. Die subjektive Betroffenheit bestimmt maßgeblich das autonome Handeln und damit das autonome Politikverständnis ("Politik der ersten Person"). Titelbilder der "Interim" In vielen Aktionsfeldern engagieren sich neben den linksextremistischen Autonomen und "LaRage" auch demokratische, "links" orientierte Akteure. Autonome unterscheiden sich von ihnen erstens durch die Wahl ihrer Mittel, mit denen sie vermeintliche oder tatsächliche Missstände bekämpfen, d.h. insbesondere durch die Anwendung von Gewalt, und zweitens durch ihre politischen Ziele, die maßgeblich auf die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinführen. Zur Strategie von linksextremistischen Autonomen gehört es, fließende Übergänge zwischen ihrem extremistischen und dem zivilen Protest zu schaffen. 4.3.1 Aktionsfeld "Antifaschismus" "Antifaschismus" stellt unverändert seit Jahren ein zentrales Betätigungsfeld der autonomen Szene Bremens dar, in dessen Mittelpunkt Proteste gegen Aufmärsche, Veranstaltungen und Informationsstände von Rechtsextremisten sowie Übergriffe auf Einzelpersonen stehen. Im Aktionsfeld "Antifaschismus" engagieren sich in Bremen verschiedene autonome Gruppierungen, wie die "Antifa", die "Basisgruppe Antifaschismus" (BA), "Avanti" bzw. "IL Bremen" und die "Antifaschistische Gruppe Bremen" (AGB). Im Bereich der "Antifaschismusarbeit" ist neben linksextremistischen Organisationen und Gruppen auch eine Vielzahl unterschiedlicher demokratischer Akteure tätig. Mit der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht das Antifaschismusverständnis von Linksextremisten jedoch weit über das von Demokraten hinaus. Für Linksextremisten stellt die Bekämpfung von rechtsextremistischen Strukturen und Personen nur ein vordergründiges Ziel dar, ihre tatsächliche Stoßrichtung ist das "bürgerliche und kapitalistische System" und die angeblich ihm zugrunde liegenden faschistischen Wurzeln. Zur Vergrößerung ihres politischen Einflusses und zur Gewinnung neuer Anhänger ist das Bemühen um Bündnisse mit nichtextremistischen Gruppen ein entscheidendes Instrument autonomer "Antifaschismusarbeit". In Bremen nimmt insbesondere die als postautonom geltende Gruppierung 44 "Avanti" bzw. "IL Bremen" eine Schanierfunktion zwischen linksextremistischen und nichtextremistischen Akteuren ein. "Avanti" Die Mehrheit der Ortsgruppen der 1989 gegründeten Gruppierung "Avanti - Projekt undogmatische Linke" ("Avanti") erklärte am 27. September 2014 ihre Auflösung als selbstständige Organisation und ihren Beitritt zum bundesweit agierenden linksextremistisch beeinflussten Netzwerk "Interventionistische Linke" (IL). Die als postautonom Logo von "Avanti" geltende IL, die sich überwiegend aus linksextremistischen und nichtextremistischen Gruppierungen sowie Einzelpersonen zusammensetzt, ist um die Organisierung der gesamten "linken" Szene zur Erreichung ihrer politischen Ziele bemüht. Seit mehreren Jahren hatte sich "Avanti" als eigenständige Gruppe an der politischen Arbeit der IL beteiligt. Insgesamt fünf der acht in Norddeutschland aktiven Ortsgruppen "Avantis" sind bisher dem Netzwerk IL beigetreten. Mit dem Aufgehen im bundesweiten Netzwerk IL und der Aufgabe eigener Gruppenstrukturen beendete "Avanti" eine jahrelange, intern geführte Debatte um ihre zukünftige strategische Ausrichtung. Als Voraussetzung für die Erreichung ihres Ziels, welches in der revolutionären Überwindung der bestehenden Gesellschaft liegt, ist für "Avanti" die Organisierung der "linken" Kräfte unerlässlich. Insofern scheint sich die Organisierung des gesamten "linken" Spektrums in einem Netzwerk eher verwirklichen zu lassen als in einer lediglich in Norddeutschland verankerten Gruppierung. In der am 27. September 2014 veröffentlichten Erklärung führt "Avanti" unter der Überschrift "25 Jahre AVANTI - Ab jetzt sind wir Interventionistische Linke" aus: "Konkret haben wir beschlossen, dass unsere Ortsgruppen in Kiel, Norderstedt, Lübeck, Hamburg und Bremen ab sofort lokale Gruppen der Interventionistischen Linken sind. (...) Unsere überregionale praktische Zusammenarbeit folgt zukünftig ausschließlich im Rahmen der IL." Aussagen über die "zukünftige politische und strategische Ausrichtung" sollen einer "gemeinsamen Stellungnahme der gesamten Interventionistischen Linken" vorbehalten sein (Internetseite von "Avanti" vom 27.09.2014). In Bremen nennt sich die 2008 als "Avanti" gegründete Ortsgruppe nunmehr "IL Bremen". Im Jahr 2014 zeigte die Gruppierung einen veränderten Agitationsschwerpunkt. Während sie sich in den vergangenen Jahren hauptsächlich im Aktionsfeld "Soziale Kämpfe" engagierte, setzte "Avanti" ihren Arbeitsschwerpunkt nunmehr auf das Aktionsfeld "Antifaschismus". Im Mittelpunkt der politischen Arbeit stand die Bekämpfung des Rechtspopulismus sowie der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD), die von der Gruppierung als rechtspopulistisch angesehen wird. So moderierten Angehörige der Bremer Ortsgruppe auf dem vom 11. bis zum 13. April 2014 stattfindenden Kongress "Antifa in der Krise" einen Workshop mit dem Titel "Keine Alternative für Deutschland: Die AfD, ihr Potenzial und was wir dagegen tun sollten!". Der Workshop, an dem sich über hundert Personen beteiligten, thematisierte insbesondere die Programmatik der AfD. Die Moderation eines solchen zentralen Workshops im Rahmen eines von der IL initiierten Kongresses mit über 400 Teilnehmern verdeutlicht die Stellung der Angehörigen der Bremer Gruppierung innerhalb der autonomen Szene Deutschlands. Proteste von Autonomen im Rahmen des Europawahlkampfes 2014 Die Wahlkampfaktivitäten von rechtsextremistischen oder vermeintlich "rechten" Parteien zur Wahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 wurden bundesweit von Protesten der autonomen Szene begleitet. In erster Linie wurden Wahlplakate beschädigt oder entfernt. Auf der von der autonomen Szene Bremens genutzten Internetseite "endofroad" wurde im Mai 2014 eine Karte mit den Standorten von Bundesweite Kampagne 45 Wahlplakaten der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) veröffentlicht. Mit der "Nationalismus ist keine Überschrift "AfD Plakate in Bremen ...entfernen" und der Forderung "Weg mit dem Alternative" braunen Müll" wurde zum Zerstören der Wahlplakate aufgerufen. Die Proteste der autonomen Szene betrafen auch Informationsstände und Wahlkampfveranstaltungen von vermeintlich "rechten" Parteien. So griffen rund zehn Personen am 19. Mai 2014 in der Bremer Innenstadt Mitglieder der Partei "Die Republikaner" an und demolierten den aufgebauten Informationsstand. Gegen eine Wahlkampfveranstaltung der AfD in Bremen demonstrierten am 30. April 2014 rund 80 Personen, darunter Autonome. Unter anderem hatte die autonome Gruppierung BA zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. In ihrem Mobilisierungsaufruf bezog sie sich auf die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative", mit der bundesweit autonome Gruppierungen zur Störung des Europawahlkampfes von rechtspopulistischen Parteien wie der AfD aufforderten, und ergänzte: "Entschlossene Antifaschist*innen bietet auch der 30. April in Bremen eine gute Gelegenheit, die Parole ernst zu nehmen" (Fehler im Original, Facebookseite der BA vom 18.04.2014). Im Vorfeld der Veranstaltung hatte die autonome Gruppierung "Avanti" einen Brief an die Verwaltung des Veranstaltungshauses Konsul-Hackfeld-Haus gerichtet, in dem sie die Vermietung der Räumlichkeiten an die AfD kritisierte. In der Nacht zum 30. April 2014 wurde das Schloss des Haupteingangs des Veranstaltungshauses verklebt und die Fassade mit Farbe beschädigt. Zu der Tat wurde ein Selbstbezichtigungsschreiben im Internet veröffentlicht. In einem weiteren, direkt an das Konsul-HackfeldHaus gesendeten Selbstbezichtigungsschreiben, das mit "autonome Kleingruppen" unterzeichnet war, hieß es: "Verhaltet euch doch auch so oder wir kommen beim nächsten Mal mit Steinen". Die Sachbeschädigung sowie der Einschüchterungsversuch zeigen, dass Teile der autonomen Szene im Kampf gegen ihre politischen Feinde vor strafbaren Methoden und Mitteln nicht zurückschrecken. Autonome protestieren gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten Autonome Gruppierungen aus Bremen beteiligten sich auch im Jahr 2014 an zahlreichen Demonstrationen gegen rechtsextremistische Aufmärsche in anderen Städten. So demonstrierten am 18. Januar 2014 in Magdeburg rund 1.200 Personen gegen den jährlichen neonazistischen "Trauermarsch" zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. An der Demonstration beteiligten sich rund 450 Autonome, die Straßenblockaden errichteten und sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten. In der österreichischen Bundeshauptstadt Wien protestierten am 24. Januar 2014 rund 6.000 Personen gegen den "Akademikerball" wegen der vermeintlichen Nähe von Teilnehmern und Organisatoren zur "rechten" Szene. Autonome aus Deutschland beteiligten sich an einem "Schwarzen Block" und verübten zahlreiche Sachbeschädigungen. Am 14. März 2014 demonstrierten ca. 200 Personen, darunter etliche Angehörige der autonomen Szene Bremens, gegen eine rechtsextremistische Veranstaltung zum Gedenken an einen 2013 im niedersächsischen Kirchweyhe getöteten jungen Mann (s. Kapitel 3.3.2). Gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten am 7. Juni 2014 in Dresden unter dem Namen "Tag der deutschen Zukunft" demonstrierten rund 1.000 Personen, davon ungefähr 300 Autonome. Anlässlich einer Demonstration der Initiative "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) am 15. November 2014 in Hannover gab es mehrere ProtestAufruf zur Teilnahme an veranstaltungen. An der von Linksextremisten initiierten Demonstration "Gemeinsam Protesten gegen neonazistische Demonstration "Tag der deutschen Zukunft" in Dresden gegen Rassismus und religiösen Fundamentalismus" beteiligten sich rund 3.000 Personen, darunter circa 1.200 Autonome. Im Anschluss an die HoGeSa-Demonstration wurden vier Teilnehmer von circa 30 bis 40 gewaltbereiten, schwarz gekleideten und mit Masken vermummten Gegendemonstranten angegriffen und zum Teil schwer verletzt. 46 Antideutsche Autonome protestieren gegen Feierlichkeiten anlässlich des Tags der Deutschen Einheit in Hannover Die antideutsch und antinational ausgerichteten Autonomen in Bremen zeigten im Jahr 2014 verstärkt Aktivitäten, nachdem sie seit den Protesten gegen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit 2010 nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten waren. Die antideutschen und antinationalen Autonomen stellen sowohl betreffend ihrer Anhängerzahl als auch ihrer ideologischen Überzeugung eine Minderheit innerhalb der autonomen Szene dar. Beide Strömungen befürchten ein erneutes Erstarken des Nationalsozialismus. Während antinationale Autonome grundsätzlich Nationen und Nationalstaaten ablehnen, steht im Mittelpunkt der antideutschen Ideologie die bedingungslose Solidarität mit dem Staat Israel und seiner Schutzmacht USA. Die Mehrheit der autonomen Szene ist jedoch antiimperialistisch und damit antiamerikanisch und pro-palästinensisch eingestellt. In Vorbereitung auf die Proteste zur Fußballweltmeisterschaft und zum Tag der Deutschen Einheit in Hannover bildete sich 2014 das "Bündnis gegen Nationalismus Bremen", an dem sich autonome Gruppierungen beteiligten. Während der Fußballweltmeisterschaft fand am 5. Juli 2014 in Bremen eine Demonstration unter dem Motto "Keine Party für die Nation" unter Beteiligung von ca. 250 Personen statt. Weitgehend friedlich protestierten gegen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2014 in Hannover ca. 2.700 Personen, darunter auch Autonome aus Bremen. Insbesondere das antideutsche und antinationale Bündnis "...ums Ganze!" hatte unter dem Motto "Was ihr feiert: Armut, Ausgrenzung und Leistungszwang" und "There is an Alternative - Kommunismus statt Deutschland" zur Teilnahme an den Gegenprotesten aufgerufen. In Bremen mobilisierte das "Bündnis gegen Nationalismus Bremen" zur Teilnahme an den Protesten und initiierte mehrere Veranstaltungen in diesem Zusammenhang. Autonome "Recherchearbeit" Die "Aufklärungsoder Recherchearbeit" gehört zu den zentralen Aktivitäten der autonomen Szene in Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Szene. In diesem Zusammenhang werden Beobachtungen und Informationen über Einzelpersonen, Gruppierungen und Strukturen der "rechten" Szene wie etwa Szeneläden gesammelt. Die Informationen zu Einzelpersonen werden meist in Steckbriefen zusammengefasst und im Rahmen sogenannter "Outing-Aktionen" in der Nachbarschaft der Betroffenen und im Internet veröffentlicht. In den Steckbriefen werden neben persönlichen Daten, wie z.B. Foto, Anschrift, Geburtsdatum oder Beruf, auch weitere Einzelheiten aus dem Privatleben der Betroffenen bekanntgemacht. Ziel dieser Aktionen ist es, vermeintliche Rechtsextremisten aus der Anonymität zu holen und ihre politischen Aktivitäten öffentlich zu machen, wobei dies eine Gefahr für die Betroffenen darstellt und insbesondere ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. In Bremen wurden zum Beispiel Fotos von Mitgliedern der Partei "Die Republikaner" im Internet veröffentlicht, die einen Wahlkampfstand im Rahmen des Europawahlkampfes im Mai 2014 veranstalteten. Ende November 2014 warnten unter anderem an der Universität Bremen ausgehängte Plakate unter dem Titel "Achtung Neonazis" vor Bremer Rechtsextremisten; eine unbekannte Gruppierung veröffentlichte am 12. Dezember 2014 ein Selbstbezichtigungsschreiben zu dieser "Outing-Aktion" im Internet. 4.3.2 Aktionsfeld "Antirepression" "Antirepression" stellt ebenfalls einen Aktionsschwerpunkt der gewaltbereiten autonomen Szene in Bremen dar. Autonome sehen ihre individuelle, soziale oder politische Entfaltung durch den Staat und seine "Machtstrukturen" unterbunden, konkret etwa durch Sicherheitsgesetze oder polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen. Vor 47 diesem Hintergrund sehen sich Autonome im Kampf gegen die "staatliche Repression". Die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols ist das verbindende Element verschiedener autonomer Gruppierungen. In Bremen engagieren sich insofern sämtliche autonome Gruppierungen anlassbezogen in diesem Aktionsfeld. Angriffe auf Polizisten als "Vertreter oder Handlanger des Repressionsapparates" finden innerhalb der autonomen Szene seit jeher weitgehende Akzeptanz, sofern Menschenleben dadurch nicht unmittelbar gefährdet werden. Inzwischen scheint sich dieser Konsens vor dem Hintergrund eines wachsenden Aggressionsund Gewaltpotenzials der autonomen Szene aufzuweichen. Die Zahl der Angriffe auf Polizisten, bei denen der Tod zumindest billigend in Kauf genommen wird, stieg in den vergangenen Jahren an. Ihre Ablehnung gegenüber der Polizei brachten Autonome im Jahr 2014 insbesondere mit Farbanschlägen auf die Polizeidienststelle in Bremen-Schwachhausen zum Ausdruck. Der zwischen dem 21. und 23. Februar 2014 verübte Farbanschlag wurde in einem im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben wie folgt erklärt: "Die Polizei, als ein ausführendes Organ des kapitalistischen Staates, ist verantwortlich für das Leid vieler Menschen (...). Deshalb sind diese auch Ziel unserer Wut über Unterdrückung und Ausbeutung" (Fehler im Original, Internetseite "end of road" vom 24.02.2014). Mit einer ähnlich lautenden Erklärung begründeten unbekannte Täter die am 18. Juni 2014 ebenso auf die Polizeidienststelle in Bremen-Schwachhausen verübten Farbanschläge sowie auf vier dort abgestellte Fahrzeuge. In der am 20. Juni Farbanschlag auf 2014 im Internet eingestellten Taterklärung bezieht sich eine unter dem Namen "Tiffy Polizeidienststelle in und seine Rasselbande" agierende Gruppierung auf verschiedene autonome TheBremen-Schwachhausen menfelder, wobei das Themenfeld "Antirepression" mit der Bekämpfung der Polizei im Vordergrund steht: "Bullen verteidigen das Gewaltmonopol des Staates und arbeiten deshalb auch maßgeblich daran zum Beispiel eine wütende aufständische Bevölkerung zu befrieden und zu maßregeln. Wir wollen diese Gewaltverhältnisse nicht hinnehmen! Freiheit entsteht als kämpfende Bewegung. Veränderung beginnt mit dir!" (Internetseite "linksunten.indymedia" vom 20.06.2014). Weiterer Schwerpunkt der "Antirepressionsarbeit" ist die Schaffung und Erhaltung von "autonomen Freiräumen", wozu in erster Linie besetzte Häuser oder selbst verwaltete Projekte zählen. Kritisiert wird unter dem Stichwort "Gentrifizierung" der Verdrängungseffekt infolge städtebaulicher Umstrukturierungsmaßnahmen, d.h., weniger wohlhabende Personen werden aufgrund steigender Mieten infolge von Sanierungsmaßnahmen aus bestimmten Stadtteilen verdrängt. In Bremen gab es zwei Hausbesetzungen im Jahr 2014, mit denen "autonome Freiräume" geschaffen werden sollten. So heißt es in dem Selbstbezichtigungsschreiben zu der Hausbesetzung am 28. Oktober 2014 in Bremen-Neustadt: "wir träumen von einer freien, herrschaftslosen und solidarischen Gesellschaft!" (Fehler im Original, Internetseite "linksunten.indymedia" vom 28.10.2014). Die Besetzung eines leerstehenden Wohnund Geschäftshauses am 29. August 2014 in Bremen-Mitte wurde in einem im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben wie folgt gerechtfertigt: "Mit der Besetzung wollen wir (...) eine Alternative zu bestehenden kapitalistischen Stadtpolitik schaffen. (...) Diese Verhältnisse lehnen wir nicht nur ab, sondern wir wollen ihnen auch aktiv entgegentreten. Wir wollen ein selbst bestimmtes Leben jenseits von Eigentum und Lohnarbeit, das mehr zu bieten hat als Ausgrenzung und Leistungsdruck" (Internetseite "end of road" vom 29.08.2014). Die Hausbesetzung in Bremen stand im Zusammenhang mit den sogenannten "Squattingdays" in Hamburg. Mit Aktionen und Veranstaltungen machte die autonome Szene in Hamburg vom 27. bis zum 31. August 2014 insbesondere auf das Problem steigender Mieten aufmerksam. Am 28. August 2014 besetzten Aktivisten nach einer nicht angemeldeten Demonstration von rund 180 Personen ein leerstehendes Gebäude in Hamburg-Altona. Bei der Räumung des Hauses verletzten die Hausbe48 setzer zehn Polizisten, indem sie sie u.a. mit Flaschen, Pyrotechnik und größeren Gegenständen wie einer Nachtspeicherheizung bewarfen. Logo des "Rote Hilfe" "Rote Hilfe e.V." Die Rechtsund Hafthilfeorganisation "Rote Hilfe e.V." (RH) ist ausschließlich im Bereich der "Antirepression" tätig. Der Verein versteht sich laut Satzung als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation", die über 40 Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet unterhält. Bundesweit zählt die Organisation ca. 6.000 Mitglieder. In Bremen besteht eine aktive Ortsgruppe mit etwa 200 Mitgliedern. Die RH sieht ihren Arbeitsschwerpunkt in der finanziellen und politischen Unterstützung von Angehörigen aus dem "linken" Spektrum, die von "staatlicher Repression" betroffen sind. Zu ihren Aufgaben gehören die Gewährung von Rechtshilfe, die Vermittlung von Anwälten an Szene-Angehörige, die Beihilfe zu Prozesskosten und Geldstrafen sowie die Betreuung von "politischen Gefangenen". Die dabei entstehenden Kosten werden aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. 4.3.3 Aktionsfeld "Antimilitarismus" Das Aktionsfeld "Antimilitarismus" war auch im Jahr 2014 für die autonome Szene in Bremen von Bedeutung. Bundesweit hat das Aktionsfeld einen hohen Stellenwert für die autonome Szene, was durch die anhaltend hohe Zahl an "militanten Aktionen" deutlich wird. Die in diesem Kontext 2011 ausgerufene Kampagne "Krieg beginnt hier. Kampagne "Krieg War starts here. Kampagne gegen die kriegerische Normalität" richtet sich primär beginnt hier" gegen die Bundeswehr und die mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmen, wie die Deutsche Post oder die Deutsche Bahn. Kritisiert werden die Sicherheitspolitik der Bundesregierung und insbesondere die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die Kampagne ist eine Fortsetzung der Kampagne gegen den Logistikdienstleister DHL und die Deutsche Post, bei denen es in den Jahren 2008 bis 2011 zu einer Vielzahl von Sachbeschädigungen und Brandanschlägen kam. Auch in Bremen gab es im Jahr 2014 "militante Aktionen" in diesem Begründungszusammenhang. Einen Farbanschlag auf das Gebäude der Bundeswehr in BremenNeustadt verübten unbekannte Täter in der Nacht zum 10. Februar 2014. In einem am 24. Februar 2014 auf der Internetseite "linksunten.indymedia" und im Frühjahr 2014 in der Bremer Szene-Zeitschrift "LaRage" erschienenen Selbstbezichtigungsschreiben begründen sie die Tat: "wir haben in der nacht von 09.02 auf den 10.02 infrastruktur der bundeswehr mit mehreren (roten) farbbeuteln und steinen markiert und sabotiert. in der großen sortillienstraße 60 (neustadt) liegt die wehrverwaltung und das streitkräftekarrierenberatungsgebäude der bundeswehr. hier wird krieg vorbereitet und geplant, hier wird fürs töten als beruf geworben und die propaganda der bundeswehr verbreitet" (Fehler im Original, Internetseite "linksunten.indymedia" vom 24.02.2014). Weiterhin kündigten die unbekannten Verfasser an, dass es sich um eine "erste warmup-aktion gegen die Bundeswehr und ihre rüstungskonzerne" handele, und riefen zu weiteren "militanten Aktionen" auf, die bislang jedoch ausblieben. 4.3.4 Aktionsfeld "Antirassismus" Das Aktionsfeld "Antirassismus" rückte im Jahr 2014 mit der verstärkten Aufnahme von Flüchtlingen vor allem aus Syrien in den Mittelpunkt der politischen Arbeit der autonomen Szene Bremens, nachdem es in den vergangenen Jahren kaum von Bedeutung war. Zentral ist hier die Forderung nach besseren Aufnahmeund Lebens49 bedingungen von Flüchtlingen und Migranten sowie nach einer anderen Abschiebepolitik. In diesem Themenfeld engagieren sich neben linksextremistischen Autonomen eine Vielzahl von nichtextremistischen, bürgerlichen Organisationen und antirassistischen Flüchtlingsinitiativen. Im Gegensatz zu nichtextremistischen Aktivisten werfen Linksextremisten dem Staat mit seinen Behörden und Einrichtungen eine rechtsextremistische Einstellung und damit einen "systemimmanenten" Rassismus vor und fordern vor diesem Hintergrund seine Abschaffung. So heißt es zum Beispiel in einem Aufruf der "Antifaschistischen Gruppe Bremen" (AGB) zur Teilnahme an einer am 26. April 2014 veranstalteten Demonstration zur Mordserie der rechtsterroristischen Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU): "Die deutsche Gesellschaft blieb eine Gesellschaft, aus der eine gezielt mordende Neonazigruppe nicht überraschend oder aus dem Nichts auftaucht. (...) Von alleine wird sich dieser rassistische Normalzustand nicht ändern oder abschaffen. (...) Dazu bedarf es Solidarität! Solidarität mit den Hinterbliebenen der Opfer der NSU! Solidarität mit den Geflüchteten, solidarisch gegen den rassistischen Polizei und Behördenterror!" (Fehler im Original, Internetseite der BA vom 15.04.2014). Autonome demonstrieren gegen Rassismus Unter dem Motto "Solidarisch gegen Rassismus in Bremen" organisierten autonome Gruppierungen, darunter die AGB und die BA, am 26. April 2014 eine Demonstration gegen den in der Gesellschaft vorhandenen Rassismus bei der Aufklärung der vom NSU begangenen Mordserie. An der friedlich verlaufenen Demonstration beteiligten sich ca. 350 Angehörige der autonomen Szene. Auch die Proteste gegen die Einrichtung eines Flüchtlingsheims in Bremen-Farge nahm die autonome Szene Bremens zum Anlass, um am 14. November 2014 eine Demonstration unter dem Motto "Das Problem heißt Rassismus" mit ca. 150 Personen auszurichten. Autonome demonstrieren gegen Antisemitismus Das im Jahr 2012 gegründete "Bremer Bündnis gegen Antisemitismus", das von linksextremistischen Gruppierungen unterstützt wird, initiierte am 15. Juli 2014 eine Demonstration mit ca. 250 Teilnehmern. Die gegen Antisemitismus gerichtete Demonstration war eine Reaktion auf die antiisraelischen Demonstrationen am 12. und 13. Juli 2014 in Bremen, deren Teilnehmer ihre Solidarität mit den Palästinensern ausdrückten. Bei den israelischen Luftangriffen im Juli 2014 auf den von Palästinensern bewohnten Gazastreifen hatte es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. In dem Demonstrationsaufruf wurde insbesondere das Verhalten der antiisraelischen Demonstrationsteilnehmer kritisiert, die Parolen wie "Kindermörder Israel", "Israel - Terroristen" und "Zionisten sind Faschisten" skandierten. Der Aufruf schließt mit den Worten "Wir zeigen uns solidarisch mit allen betroffenen antisemitischer Gewalt. Zusammen gegen jeden Antisemitismus!" (Fehler im Original, Internetseite "linksunten.indymedia" vom 15.07.2014). Aufruf zur Teilnahme an Demonstration gegen Antisemitismus 50 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus Seitenzahl 51 5.1 Islamismus 53 5.2 Islamistischer Terrorismus 53 5.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 54 5.2.2 "Islamischer Staat" ("IS") 55 5.2.3 Brennpunkte des islamistischen Terrorismus 56 5.2.4 Radikalisierte Einzeltäter 58 5.2.5 Internet und andere Medien 59 5.2.6 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 62 5.3 Salafistische Bestrebungen 64 5.3.1 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 66 5.3.2 "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF) 68 5.4 Weitere islamistische Bestrebungen in Bremen 51 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus Die abstrakte Bedrohung durch islamistisch motivierte Terroristen oder Einzeltäter hat sich im Jahr 2014 in Deutschland noch einmal erhöht. Dies zeigen mehrere Durchsuchungen und Gerichtsverfahren gegen islamistische Terroristen in Deutschland, deren Beschuldigte im Verdacht stehen, terroristische Unterstützungshandlungen begangen bis hin zu konkreten Anschlägen in Deutschland geplant zu haben. Islamistische Terroristen veröffentlichten darüber hinaus zahlreiche Propagandavideos mit dem Ziel, die Bürger westlicher Staaten in ihrem Sicherheitsgefühl zu verunsichern. In einigen deutschsprachigen Drohund Propagandavideos wurde auch mit konkreten terroristischen Anschlägen in Deutschland gedroht. Im Fokus des Verfassungsschutzes stand im Jahr 2014 insbesondere die steigende Zahl von Personen aus Deutschland, die sich islamistisch-terroristischen Gruppierungen im syrischen und irakischen Bürgerkrieg anschlossen. Als potenziellen Nährboden für den islamistischen Terrorismus haben die Verfassungsschutzbehörden dabei den Salafismus besonders im Blick. Aus diesem Grund hat der Senator für Inneres und Sport am 5. Dezember 2014 den "Kultur & Familien Verein e.V." in Bremen-Gröpelingen verboten, da sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete (siehe Kapitel 5.3.2). Insgesamt sind in Deutschland ca. 43.200 Personen der islamistischen Szene zugehörig. In Bremen sind im Jahr 2014 etwa 440 Personen islamistischen Gruppierungen zuzurechnen. 5.1 Islamismus Islamismus bezeichnet eine politische Ideologie, die anstelle des demokratischen Rechtsstaates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Gesellschaftsund Rechtsordnung vorsieht, welche auf einer islamistischen Interpretation der "Scharia" beruht. Das hier im Mittelpunkt stehende "Prinzip der Gottessouveränität" widerspricht dem "Prinzip der Volkssouveränität". In der Öffentlichkeit werden die Begriffe Islamismus und Islam häufig gleichbedeutend verwendet oder verwechselt. Die politische Ideologie des Islamismus ist jedoch deutlich von der Religion des Islam zu trennen. Während der Islam die Religion bezeichnet, bedient sich der Islamismus an Symbolen und Begriffen aus dem Islam, um seine politischen Ziele religiös zu legitimieren und durchzusetzen. Kennzeichen islamistischer Bestrebungen . Islamisten folgen nicht nur ihrer religiös fundamentalistischen Überzeugung, . sondern sind darüber hinaus politisch motiviert. Das Ziel ist, unter Berufung auf die "Scharia" eine vom Islam vorgegebene Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, die für alle Bürger unabhängig von ihrer Religion gilt und die die Regeln und Gesetze eines demokratischen Rechtsstaates . ersetzen soll. Islamisten fordern ein "islamisches" Staatswesen und lehnen die westliche Zivilisation, ihre Werte und ihr Demokratieverständnis ab. "Scharia" "Scharia" bedeutet wörtlich übersetzt "Weg zur Quelle" und bezeichnet die Gesamtheit aller islamischen Regeln und Riten, die im Koran und den gesammelten Prophetentraditionen (Sunna) festgeschrieben sind. Diese Texte zu interpretieren und daraus konkrete Handlungsempfehlungen und Gesetze abzuleiten, ist die Aufgabe 52 der islamischen Rechtsgelehrten. Diese Wissenschaft wird mit dem Begriff "Fiqh" beschrieben. Zur Rechtsfindung werden vier Quellen bzw. Methodiken zu Rate gezogen: der Koran, die Sunna, der Konsens der Gelehrten ("Ijma'") und der Vergleich von früher zu heute ("Qiyas"). Die "Scharia" ist nirgends abschließend festgeschrieben, sondern unterliegt einer steten Auslegung. Die "Scharia" besteht im Wesentlichen aus zwei Bereichen, den "'Ibadat" (rituelle Pflichten) und den "Mu'amalat" (gemeinschaftliche Regeln). Die "'Ibadat" umfassen Vorschriften zum rituellen Leben und Pflichten gegenüber Gott. Dort sind u.a. neben den fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, fünfmaliges tägliches Gebet, Almosenspende, Fasten im Monat Ramadan, Pilgerfahrt nach Mekka) die rituelle Reinheit, z.B. Waschungen vor dem Gebet, und das Verbot bestimmter Speisen, z.B. Schweinefleisch, geregelt. Die "Mu'amalat" befassen sich mit den Regeln des menschlichen Zusammenlebens. Dort finden sich Bestimmungen zum Ehe-, Familien-, Personenstands-, Vermögens-, Verkehrsund Wirtschaftsrecht sowie aus dem Strafrecht wieder. Islamisten fordern die unmittelbare und vollkommene Umsetzung ihrer Interpretation der "Scharia", während sich heute die Mehrheit der Muslime lediglich an die in der "Scharia" im Bereich der "'Ibadat" festgelegten Vorschriften zum rituellen Leben und an die Pflichten gegenüber Gott hält. Einige Vorschriften in der "Scharia" aus dem Bereich der "Mu'amalat", die das menschliche Zusammenleben regeln, widersprechen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der in Deutschland geltenden Rechtsordnung. Die grundrechtlich garantierte körperliche Unversehrtheit wird beispielsweise durch Vergeltungsstrafen verletzt, dazu gehören u.a. das Abhacken der Hand oder die Steinigung. Die im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Menschenrechte bestehende Ungleichbehandlung der Geschlechter zeigt sich insbesondere in den Rechtsgebieten des Erbund Familienrechts, z.B. ist die Zeugenaussage eines Mannes in manchen Bereichen so viel wert wie die zweier Frauen. Der Islamismus ist eine sehr heterogene Bewegung und hat im Laufe seiner Geschichte verschiedene Ausprägungsformen entwickelt, die sich methodisch und ideologisch teilweise stark voneinander unterscheiden. Ausgehend von der Einstellung zur Gewalt können im Islamismus zwei Hauptströmungen unterschieden werden: islamistischer Extremismus und islamistischer Terrorismus. Die Grenze zwischen islamistischem Extremismus und islamistischem Terrorismus ist teilweise fließend, weil zum einen die ideologische Ausrichtung und die damit begründete Gewaltaffinität der Anhänger nicht immer eindeutig definiert werden kann, zum anderen weil terroristische Gruppen ihre Anhänger häufig aus islamistisch-extremistischen Organisationen rekrutieren. Islamistischer Extremismus und islamistischer Terrorismus differenzieren sich hauptsächlich durch die Wahl ihrer Mittel: . Islamistisch-extremistische Organisationen streben in ihren Heimatländern die Veränderung der Staatsund Gesellschaftsordnung zugunsten eines islamischen Staatswesens über die politische Einflussnahme an. Durch politische und gesellschaftliche Veränderungen sollen rechtliche Freiräume für ein "schariakonformes" Leben geschaffen werden. So zielt auch die politische Strategie der in Deutschland lebenden islamistischen Extremisten darauf, hier entsprechend ihrer Ideologie leben zu können. . Islamistische Terrororganisationen verfolgen ihre Ziele demgegenüber mit Gewalt, unter anderem in Form von terroristischen Anschlägen. Unterschieden werden kann hier zwischen islamistisch-terroristischen Organisationen, die ausschließlich in ihren Heimatländern einen bewaffneten Kampf führen, z.B. die libanesische Organisation "Hizb Allah", und Jihadisten, die weltweit einen bewaffneten Kampf führen, z.B. das Terrornetzwerk "al-Qaida" und der "Islamische Staat (IS)". 53 5.2 Islamistischer Terrorismus Muslime Der überwiegende Teil der islamistisch-terroristischen Bewegung ist jihadistisch geprägt. Die Anhänger dieser Ideologie legitimieren die von ihnen verübten Terroranschläge religiös. "Jihad" bedeutet wörtlich übersetzt "Anstrengung" oder "Bemühung" und meint die geistlich-spirituellen Bemühungen der Gläubigen um das richtige Verhalten gegenüber Gott. Islamische Gelehrte unterscheiden hierbei zwischen dem "Großen Jihad" und dem "Kleinen Jihad". Mit dem "Großen Jihad" Islamisten sind alle "inneren Bemühungen" eines Muslims gemeint, die moralischen Maßstäbe Salafisten des Islam so gut wie möglich zu befolgen. Der "Kleine Jihad" dagegen meint den Jihadisten Kampfeinsatz zur Verteidigung sowie zur Ausbreitung des islamischen Herrschaftsbereichs. Die Jihadisten beziehen sich demzufolge auf den "Kleinen Jihad". Sie führen unter dem Leitprinzip des "Jihad" einen bewaffneten Kampf gegen die angeblichen Feinde des Islam. Dieser religiösen Legitimation bedienen sich nicht nur das Terrornetzwerk "al-Qaida" und ihre Ablegerorganisationen, sondern auch von Radikale Ansichten "al-Qaida" organisatorisch unabhängig agierende jihadistische Einzelgruppierungen, werden von einem Bruchteil wie der "IS", und Einzeltäter. der Muslime vertreten 5.2.1 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" "Al-Qaida" vollzog innerhalb der letzten 15 Jahre einen fundamentalen Wandel von einer Organisation mit festen Strukturen zu einem globalen losen Terrornetzwerk. Das Terrornetzwerk "al-Qaida" umfasst eine Vielzahl von islamistisch-terroristischen Organisationen, einzelne Terrorzellen aus dem Nahen Osten, Afrika und Europa sowie zahlreiche regional und überregional agierende Ablegerorganisationen. Zu den von der Kernorganisation "al-Qaida" logistisch und finanziell relativ unabhängig agierenden regionalen Ablegerorganisationen gehören unter anderem "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH) im Jemen, "al-Shabab" ("die jungen Menschen") in Somalia, "Jabhat al-Nusra" (JaN, "Unterstützungsfront") in Syrien, "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) in den Maghrebstaaten und seit September 2014 "al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS). Die aus "al-Qaida im Irak" hervorgegangene Terrororganisation "Islamischer Staat" agiert mittlerweile unabhängig bzw. sogar in bewaffneter Abgrenzung zu "al-Qaida". Viele dieser Organisationen und Terrorzellen stehen nicht in unmittelbarem Kontakt zur Kernorganisation "al-Qaida". Weltweit werden inzwischen Terroranschläge von Personen oder Organisationen verübt, die sich lediglich der Ideologie "al-Qaidas" verschrieben haben. Die von "al-Qaida" entwickelte "Dachideologie" des globalen "Jihad" existiert damit organisationsunabhängig und ist auch durch den Wegfall einzelner Personen nicht zu beseitigen. Entstehung und Ideologie des Terrornetzwerkes "al-Qaida" Die Entstehung von "al-Qaida" ("die Basis") ist eng mit der sowjetischen Besetzung Afghanistans in den Jahren von 1979 bis 1989 verknüpft. Neben den afghanischen "Mujahideen" ("die, die den "Jihad" betreiben") gab es eine Gruppe unter der Führung des Palästinensers Abdallah Azzam, die weltweit Muslime zur Verteidigung Afgha54 nistans als muslimisches Land aufrief und den "Jihad" somit internationalisierte. Azzam betrieb zusammen mit dem Saudi-Araber Usama bin Laden und dem Ägypter Ayman az-Zawahiri das sogenannte "Dienstleistungsbüro" (maktab al-khidamat), das die Finanzierung und Koordinierung der arabischen "Mujahideen" übernahm. Aus diesem "Dienstleistungsbüro" entstand die Organisation "al-Qaida". Entscheidend für die Entwicklung der Ideologie "al-Qaidas" waren der Zweite Golfkrieg 1990-1991 und die Tatsache, dass die Islamisten Anfang der 1990er-Jahre in keinem arabischen Staat die Herrschaft erringen konnten. Während bin Laden die Stationierung von US-amerikanischen Truppen in Saudi-Arabien im Zuge des Golfkrieges als nicht hinnehmbare Demütigung der islamischen Welt empfand, betrachtete Zawahiri die Machtübernahme von islamistischen Bewegungen in arabischen Staaten als aussichtslos, solange diese durch den Westen und insbesondere die USA unterstützt würden. Diese Unterstützung könne ausschließlich durch Usama bin Laden und Angriffe auf den Westen beendet werden. Ayman az-Zawahiri Die Hinwendung von der Bekämpfung des "nahen Feindes" (die arabischen Regime) zur Bekämpfung des "fernen Feindes" (der Westen) ist ein Schlüsselkonzept der Ideologie "al-Qaidas". Dieses Konzept manifestierte sich in den Anschlägen auf das "World Trade Center" in den USA 1993, die US-amerikanischen Botschaften in Daressalam/Tansania und Nairobi/Kenia 1998, das US-Kriegsschiff "USS Cole" 2000 und auf das "World Trade Center" 2001 in den USA. Mittlerweile hat sich dieses ideologische Konzept verselbstständigt und bildet die Motivation für zahlreiche Anschläge, die nicht direkt von der Kernorganisation "al-Qaida" koordiniert werden, wie die Terroranschläge am 11. März 2004 in Madrid oder am 7. Juli 2005 in London. Seitdem wird "al-Qaida" nicht mehr als Organisation, sondern als ein Netzwerk von gleichgesinnten Jihadisten definiert. 5.2.2 "Islamischer Staat" ("IS") Spätestens seit dem Bruch mit seiner Mutterorganisation ist der sogenannte "Islamische Staat" ("IS") als eigenständige Terrororganisation wahrzunehmen, die in einem Konkurrenzverhältnis zu "al-Qaida" steht. Die Ideologie beider Gruppen ist sich sehr ähnlich, die Unterschiede sind eher struktureller Natur. Im Gegensatz zur eher dezentral und versteckt agierenden "al-Qaida" verfügt der "IS" über einen Herrschaftsbereich in größeren Teilen Syriens und des Iraks. In verschiedenen Ländern (Libyen, Ägypten, Jemen) haben terroristische Gruppen bereits ihre Loyalität zu dem "IS" bekundet. Genese des "Islamischen Staats" Die Ursprünge des sogenannten "Islamischen Staats" (IS) liegen im 2003 begonnenen Irakkrieg. Die unter der Führung des Jordaniers Abu Musab al-Zarqawi stehende Terrorgruppe "al-Tawhid wa-l-Jihad" benannte sich 2004 in "al-Qaida im Zweistromland" um und agierte fortan als regionaler Ableger von "Kern-al-Qaida" im Irak. Schon zu dieser Zeit fiel die Gruppe durch ihre enorme Brutalität auf. Durch möglichst Aufsehen erregende und opferreiche Anschläge auf schiitische Heiligtümer und Bürger wollte ihr Anführer al-Zarqawi Gegenschläge gegen die sunnitische Bevölkerung provozieren und sich in dem antizipierten Bürgerkrieg zum wichtigsten Verteidiger der Sunniten aufschwingen. 2005 rief die damalige Nr. 2 von "al-Qaida" Ayman az-Zawahiri Zarqawi zur Mäßigung auf, da er einen Imageverlust von "al-Qaida" aufgrund der Gräueltaten von Zarqawis Gruppe vermutete. Nach dem Tod al-Zarqawis 2006 benannte sich die Gruppe in den "Islamischen Staat im Irak" um, blieb jedoch weiterhin Teil von "al-Qaida". In den folgenden Jahren konnte die Organisation weitestgehend zurückgedrängt werden. Erst mit dem Abzug der Amerikaner aus dem Irak, der konfessionell spaltenden Politik des ehemaligen schiitischen irakischen Premiers al-Maliki und dem durch den Bürgerkrieg bedingten Machtvakuum im Nachbarland Syrien konnte sich der "Islamische Staat im Irak" wieder etablieren. 55 Anfang 2012 entsandte der jetzige Anführer des "IS" Abu Bakr al-Baghdadi eine unter der Führung von Abu Muhammad al-Jaulani stehende Delegation von Kämpfern nach Syrien, die den Namen "Jabhat al-Nusra" ("JaN") trug. Al-Jaulani agierte jedoch zunehmend unabhängiger von al-Baghdadi. Dieser erklärte in einer Veröffentlichung im April 2013, dass die JaN Teil seiner Organisation sei, die er in den "Islamischen Staat im Irak und Sham" umbenannte. Al-Jaulani pochte weiterhin auf seine Unabhängigkeit und schwor die Treue an den Führer von "Kern-al-Qaida" Ayman az-Zawahiri. In der Folge kam es zu einem Zerwürfnis und az-Zawahiri schloss ISIS schließlich im April 2014 aus dem "al-Qaida"-Netzwerk aus. Kurz darauf benannte sich ISIS in den "Islamischen Staat" ("IS") um und erklärte seinen Anführer Abu Bakr Abu Bakr al-Baghdadi al-Baghdadi zum Kalifen und somit Herrscher über alle Muslime. 5.2.3 Brennpunkte des islamistischen Terrorismus Brennpunkte des islamistischen Terrorismus liegen zurzeit insbesondere in den Krisenregionen Syrien und Irak, aber auch in Libyen, Afghanistan, Somalia, im Jemen, der Sahelregion und in Ägypten. In Syrien hat sich der 2011 zunächst friedlich begonnene Aufstand gegen das Regime des Präsidenten Assad zu einem landesweiten Bürgerkrieg entwickelt. Gegen die syrischen Regierungstruppen kämpfen neben säkularen nicht-salafistischen Oppositionsgruppen auch jihadistische Gruppen. Innerhalb dieser jihadistischen Opposition gibt es ein Zerwürfnis zwischen der "al-Qaida"-nahen "JaN" und dem "IS". In den vom ihm kontrollierten Gebieten geht der "IS" äußerst brutal vor. Vor allem Schiiten, Jesiden und andere nicht sunnitische Minderheiten stehen im besonderen Fokus der Terrorgruppe. Aber auch sunnitische Muslime, die sich nicht dem extremistischen Islamverständnis des "IS" unterwerfen wollen, werden bekämpft und gezielt umgebracht. Besonderes Aufsehen erregten in den westlichen Medien die von der Propagandaabteilung des "IS" verbreiteten Enthauptungsvideos amerikanischer und britischer Staatsbürger. Zusammen mit einem drohenden Genozid an kurdischen Jesiden in Sinjar und Kobane waren sie ausschlaggebend für die durch die USA angeführte militärische Allianz gegen den "IS". Dem "IS" haben sich Tausende von ausländischen Kämpfern, allen voran aus der arabischen Welt, angeschlossen. Aber auch zahlreiche Europäer, darunter Deutsche, kämpfen an der Seite des "IS", beteiligen sich an Gräueltaten und treten in an Deutschland gerichteten Propagandavideos auf (s. Kapitel 5.2.5). In Libyen tobt ein Bürgerkrieg zwischen verschiedenen islamistischen Milizen und der Regierung in Tripoli. Im Juli haben daher fast alle ausländischen Vertretungen ihre Diplomaten aus dem Land abgezogen. 400.000 Menschen befinden sich mittlerweile auf der Flucht. Ein Grund für den Anstieg ist die Tatsache, dass sich Islamisten im Oktober 2014 in der Stadt Derna dem selbsternannten Kalifen al-Baghdadi unterworfen haben, den Ort als Provinz des "Islamischen Staates" betrachten und brutal gegen die dortige Bevölkerung vorgehen. Schon im September hatte sich in Algerien eine Organisation dem "IS" ideologisch verpflichtet und kurz darauf eine französische Geisel enthauptet. Auch wenn Ägypten bislang keinen Brennpunkt des islamistischen Terrorismus darstellt, dient es Jihadisten als Transitland. Wie in den Vorjahren reisten Personen aus dem salafistisch-jihadistischen Spektrum aus Deutschland nach Ägypten, um von dort in eines der Krisengebiete zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" oder in ein Ausbildungslager zu gelangen. Seit der Absetzung des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mursi durch das Militär im Juli 2013 sind jihadistische Gruppen vor allem auf der Sinai-Halbinsel, aber mitunter auch im ägyptischen Kernland aktiv. Die schlagkräftigste Gruppe unter ihnen nennt sich "Ansar Bayt al-Maqdis" ("die Anhänger Jerusalems"). Die Gruppe bekannte sich zu mehreren Anschlägen mit zahlreichen Todesopfern. Im November verkündete auch sie ihren Anschluss an den "IS". 56 Nach wie vor halten sich außerdem auch deutsche Staatsbürger im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet auf. Im Januar waren drei deutsche Extremisten bei einem Luftangriff des pakistanischen Militärs auf Stellungen der Taliban ums Leben gekommen. Weiterhin relevant ist die Region zudem durch die Stationierung deutscher Truppen als Teil der internationalen Militärpräsenz (bis Ende 2014 ISAF-Mission, seit Jahresbeginn 2015 Operation "Resolute Support"). Bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul im August 2014 ist ein deutscher Brigadegeneral verletzt worden. Insgesamt wurden mindestens 15 Soldaten der ISAF bei dem Attentat im britischen Camp Quargha verwundet und einer getötet. Die Bundeswehr sprach von einem vermutlichen "Innentäterangriff". 5.2.4 Radikalisierte Einzeltäter Vor allem außerhalb der islamischen Welt werden Anschläge von Kleingruppen und "fanatisierten" Einzeltätern in Eigeninitiative ausgeführt. Diese stehen nicht immer im Visier der Sicherheitsbehörden, vor allem dann nicht, wenn sie sich zuvor unauffällig verhielten und weder eine Ausbildung in einem Terrorcamp absolvierten noch dauerhaft in islamistisch-terroristische Strukturen eingebunden waren. Die folgenden Attentate im Jahr 2014 verdeutlichen die Gefahr, die von solchen Personen ausgeht: In der größten australischen Stadt Sydney hat die Polizei im September 2014 in dem größten Antiterror-Einsatz der Geschichte des Landes 15 Personen verhaftet. Bei den Verdächtigen soll es sich um Sympathisanten des "IS" handeln, die öffentliche Exekutionen auf den Straßen des Landes geplant hätten. Laut dem australischen Premierminister sei die Aufforderung zu den Anschlägen von einem Australier ausgegangen, der sich in den Reihen des "IS" befindet. Die 15 Männer hatten sich von der Aufforderung angesprochen gefühlt und die Tat geplant, ohne je ausgereist zu sein oder sonstigen Kontakt zu dem "IS" aufgenommen zu haben. Wenige Tage später ging ein 18-jähriger junger Mann mit einem Messer auf zwei Polizisten los und verletzte sie schwer. Ein Beamter erschoss den Angreifer in Notwehr. Der Angreifer trug nicht nur mehrere Messer bei sich, sondern auch die schwarze Flagge des "IS". Im Oktober erfolgte in Ottawa ein Anschlag auf das kanadische Parlament, bei dem ein Soldat sowie der Attentäter selbst ums Leben kamen. Dieser hatte zuvor mehrfach versucht, nach Syrien auszureisen, jedoch sei ihm die Ausstellung eines Reisepasses verweigert worden. Der Täter hatte über das Internet Kontakte zu radikalen Islamisten in Kanada und den USA, nicht jedoch zu dem "IS" gehabt. Der Anschlag zeigt deutlich, dass nicht nur eine Gefahr von den sogenannten Rückkehrern aus Jihad-Gebieten ausgeht, sondern auch von Personen, die sich hierzulande radikalisieren und ihre Taten ohne eine vorherige Ausbildung in einem ausländischen Terrorcamp begehen. Im Dezember nahm ein islamistischer Terrorist in einem Cafe in Sydney mehrere Menschen als Geiseln. 16 Stunden nach Beginn der Geiselnahme stürmte die Polizei das Cafe; dabei kamen der Geiselnehmer und zwei Geiseln ums Leben. Der Täter war ein selbsternannter Jihadist und seit Jahren in der islamistischen Szene aktiv. Er identifizierte sich zwar mit der Terrorgruppe "IS", unternahm die Tat jedoch im Alleingang. Der "IS" hatte in diversen Propagandavideos und Schriften zu Anschlägen in westlichen Ländern aufgerufen. "Home-Grown-Terrorismus" Die Profile islamistischer Terroristen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Längst stellen nicht mehr nur aus dem Ausland eingereiste Attentäter eine Bedrohung der Inneren Sicherheit dar. Eine hohe Gefährdung geht von sogenannten "Home-Grown"-Terroristen aus, die in westlichen Staatsund Gesellschaftsformen aufgewachsen und sozialisiert worden sind. Wenngleich "Home-Grown"-Terroristen 57 äußerlich meist gut in die Gesellschaft integriert scheinen, wenden sie sich radikal islamistischem Gedankengut zu und fühlen sich zur Verübung von Anschlägen berufen. Durch ihre Sozialisation bewegen sich "Home-Grown"-Terroristen bei der Planung und Durchführung von Anschlägen in der Regel unauffälliger als aus dem Ausland eingereiste Attentäter. Radikalisierungsprozesse Die Wandlung in die Gesellschaft integriert erscheinender junger Personen zu islamistisch motivierten Gewalttätern wirft Fragen zum Radikalisierungsprozess auf. Es existieren zahlreiche wissenschaftliche Studien zu dem Thema, die trotz unterschiedlicher Methodik Grundaussagen bezüglich der Radikalisierung von Personen zulassen: Viele junge Muslime stellen sich Fragen zu ihrer Identität und können u.a. im Islam Antworten finden. Zentral ist dabei oftmals die Frage nach der Bedeutung, als Muslim in einer mehrheitlich nichtmuslimischen Gesellschaft zu leben. Eine scheinbare Antwort auf diese Fragen können islamistische Ideologien wie der Salafismus bieten, der vor allem über das Internet, aber auch in geringerem Maße über Literatur und Prediger vermittelt wird. Die meisten Muslime lehnen eine solche extremistische Islaminterpretation ab. Akzeptanz findet die Ideologie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen dann, wenn sie dort aufgrund von erlebten Frustrationserfahrungen wie Diskriminierung, Erniedrigung, Entfremdung, Ungleichbehandlung, Perspektivund Orientierungslosigkeit oder Konflikte mit dem Elternhaus angebliche Bestätigung finden. In diesem Fall werden persönliche negative Erfahrungen eingebettet in eine Weltsicht, in der sich die Ungläubigen in jeder Hinsicht gegen die Muslime verschworen haben. Die Ursachen für eine Radikalisierung liegen jedoch nicht im Islam, sondern sind sozialer, ökonomischer oder psychologischer Natur. Daher ist häufig nicht die Ideologie der wichtigste Grund, sich einer extremistischen Gruppierung anzuschließen, sondern die Aufnahme und Akzeptanz in eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Auch wenn die Befürwortung oder sogar Ausübung von Gewalt eher die Ausnahme darstellt, so gefährdet auch die gewaltlose Radikalisierung, vergleichbar mit Sekten und fundamentalistischen Strömungen innerhalb anderer Religionen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein friedliches, interkulturelles Zusammenleben, da sie Polarisation und soziale Abschottung fördert. 5.2.5 Internet und andere Medien Die Radikalisierung von jungen Muslimen kann insbesondere über im Internet abrufbare islamistische Propaganda erfolgen. Das Internet dient Islamisten als wichtiges Medium zur Kontaktpflege, Verbreitung von Propaganda und Rekrutierung 58 von neuen Anhängern. Ihre Präsenz im Internet hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch sogenannte Medienzentren erhöht, wie z.B. die Medienproduktionsstelle "as-Sahab Media" des Terrornetzwerkes "al-Qaida" oder den TwitterKanal "al-Hayat Mediencenter" des "IS". Popularität genießen auch jihadistische Kampflieder, sogenannte "Nasheeds". Da in den Liedern keine Instrumente benutzt werden, stellen sie entsprechend einer strengen islamischen Auslegung die einzige legitime Musikform dar. Die Kampflieder stammen ursprünglich aus dem mystischen Islam (Sufismus). In den 1980er-Jahren während des Krieges in Afghanistan entdeckten Jihadisten diese Kampflieder für sich und unterlegen damit oft musikalisch ihre Propagandavideos. Onlinemagazine Islamistische Propaganda wird längst nicht mehr ausschließlich auf Arabisch, sondern auch in europäischen Sprachen verbreitet. Das bisher bekannteste nichtarabische Sprachrohr der jihadistischen Bewegung war das Onlinemagazin "Inspire", das von Sympathisanten der im Jemen aktiven Terrororganisation "AQAH" herausgebracht wurde. Bisher sind zwölf Ausgaben des Magazins über das Internet veröffentlicht worden. In dem Magazin wurden die Leser wiederholt zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" oder zur Vorbereitung von Anschlägen in ihren europäischen Heimatländern aufgerufen. Das Magazin gibt daneben auch Anleitungen zur Begehung von Anschlägen und zum Bombenbau. Auch der "IS" verfügt über ein eigenes professionell aufbereitetes Propagandamagazin mit dem Namen "Dabiq". Bisher sind vier englischsprachige Ausgaben des Magazins erschienen, von denen die erste auch ins Deutsche übersetzt wurde. In der vierten Ausgabe finden sich, vermutlich im Nachgang zu dem Aufruf des offiziellen Pressesprechers des "IS", Abu Mohammed al-Adnani, der im September "dem Westen" mit Anschlägen gedroht hatte, zahlreiche Aufrufe zur Tötung von Nichtmuslimen. Es werden mehrere Länder als Top-Ziele für Attentate genannt, darunter auch Deutschland. Die Bürger dieser "Kreuzfahrer-Nationen" sollen überall angegriffen werden, wo man auf sie treffe. "Dabiq" ist das bisher erste jihadistische Propagandamagazin, welches ins Deutsche übersetzt wurde, und erhöht damit die Gefahr der Radikalisierung von jungen Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen empfänglich für die Propaganda des "IS" sein können. "Kern al-Qaida" ist bemüht, propagandistisch mit dem "IS" mitzuhalten, und veröffentlichte im Oktober 2014 die erste Ausgabe des ebenfalls englischsprachigen Propagandamagazins "Resurgence". Der inhaltliche Fokus liegt dabei auf dem indischen Deutsche Ausgabe Subkontinent, wo das Terrornetzwerk im September 2014 seine neueste "Filiale" des Propagandamagazins gegründet hatte. In der üblichen Rhetorik wird zum Jihad gegen die "Kreuzritter" "Dabiq" aufgerufen und die vermeintliche Unterdrückung der indischen Muslime durch die hinduistische Mehrheit angeprangert. Ein Artikel widmet sich ausführlich der internationalen Versorgung durch Rohöl und beschreibt die wirtschaftliche Wirkung eines potenziellen Angriffs auf diese "Achillesferse des Westens". Schließlich existiert noch das englischsprachige Propagandamagazin "Azan" ("Ruf zum Gebet"), welches erstmals im Mai 2013 durch die pakistanischen Taliban herausgebracht wurde. In den bislang sechs veröffentlichten Ausgaben stammten mehrere Beiträge von dem deutschen Jihadisten Monir Chouka, der mehrfach in gegen Deutschland gerichteten Drohvideos aufgetreten war. 5.2.6 Islamistischer Terrorismus in Deutschland Die Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus hat sich im Jahr 2014 erhöht. Die Bedrohung für die Innere Sicherheit geht insbesondere von Personen des gewaltbereiten islamistischen Spektrums aus, die in Terrorlagern auf die Verübung von Anschlägen in Deutschland vorbereitet oder zumindest mit der Grün59 dung von Terrorzellen beauftragt werden. Insbesondere Orte mit hohem Symbolwert oder hoher infrastruktureller Bedeutung stellen potenzielle Anschlagsziele dar. Dazu zählen neben Flughäfen und Bahnhöfen auch Orte, die aus Sicht der Attentäter die typisch westliche Lebensweise symbolisieren, wie Einkaufszentren. Einer hohen Gefährdung sind in Deutschland auch US-amerikanische, britische, israelische und jüdische Einrichtungen ausgesetzt. Darüber hinaus dient Deutschland dem islamistischen Terrorismus als Rückzugs-, Logistik-, Vorbereitungsund Rekrutierungsraum. In Deutschland bestehende islamistisch-terroristische Gruppen unterstützen den bewaffneten "Jihad" weltweit vor allem auf finanzielle und materielle Weise, z.B. mit gefälschten Papieren oder Elektronikartikeln. Reisen von Salafisten nach Syrien und in den Irak Im Zuge des syrischen und irakischen Bürgerkrieges reisten bislang mehr als Berlin, 12.09.2014 550 Salafisten (Stand 31.12.2014) aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak aus, Seite 2 von 3 um die islamistischen Oppositionsgruppen im Kampf gegen syrische bzw. irakische Berlin, Schwarzer 12.09.2014 Hintergrund mit weißer arabi Seite 2 von 3 Regierungstruppen zu unterstützen. Etwa ein Drittel dieser Salafisten ist bereits gezeigt wird der Satz "La Ilaha illa Allah" wieder nach Deutschland zurückgekehrt, etwa 30 von ihnen beteiligten sich aktiv an Worte "Allah, Rasul, Muhammad" Schwarzer (soge phetensiegel", gesprochen "Muhammad Kampfhandlungen islamistischer Gruppen. Ca. 50 Personen sind bei Kampfhandund darunter "Dawlat al-Khilafa al-Islam gezeigt wir Worte "Alla lungen in Syrien bereits ums Leben gekommen. Mehrere Propagandavideos und phetensieg Bekennerschreiben lassen darauf schließen, dass deutsche Staatsbürger SelbstSchwarzer Hintergrund mit weißer und darun arab mordattentate durchgeführt und weitere Gräueltaten verübt haben. Schrift; gezeigt wird der Satz "La Ilaha Berlin, 12.09.2014 Kreis die Worte "Allah, Rasul, Muhamm nanntes "Prophetensiegel", gesprochen Schwarze Seite 2 von 3 Vor allem innerhalb der salafistischen Szene ist der Konflikt in Syrien gegenwärtig ad Rasul Allah"). Schrift; ge ein wichtiges Thema. Im Internet betonen gewaltorientierte Salafisten ihre VerbunSchwarzer Hintergrund mit weißer Kreisarabi die gezeigt wird der Satz "La Ilahananntes illa Allah" " denheit mit jihadistischen Oppositionsgruppen. In sozialen Netzwerken wie "Twitter" Worte "Allah, Rasul, Muhammad" (soge ad Rasul oder "Facebook" veröffentlichen aus Deutschland ausgereiste Personen Fotos phetensiegel", gesprochen "Muhammad und Videos aus der Konfliktregion und versuchen damit, vor allem junge Muslime Logo und der Medienstelle darunter "Dawlat al-Khilafa"Mu'assasat al-Islam al-F Gemäß SS 3 Absatz 1 in Verbindung al-I'lami" mit des SS 15"Islamischen Absatz 1 undStaates": SS 18 Satz Sti2 zur Ausreise zu bewegen. Die wachsende Anzahl der nach Syrien ausgereisten gesetzes (VereinsG) vom 5. August schee 1964 in gelb-weiß(BGBl. Imit S. dem 593),Schriftzug zuletzt ge Personen ist für deutsche Sicherheitsbehörden deshalb problematisch, weil diese Artikel 6 des Gesetzes vom 21. Schwarzer scheeDezember "Mu'assasatHintergrund 2007 (BGBl. mitI S. al-Furqan" weißerund arab 3198), Logo der daru er Schrift; gezeigt wird deral-Furqan Satz "La Ilaha Personen eine terroristische Ausbildung durchlaufen haben könnten und mit dem gende Schriftzug "Mu'assasat Kreis die Worte "Allah, Rasul, Muhamm al-I'lami" lil-Inta erworbenen Wissen sowie dem Ziel der Begehung von Anschlägen nach Deutschnanntes Berlin, 12.09.2014"Prophetensiegel", gesprochen schee in g Verfügung: schee "M land zurückkehren. Seite ad3Rasul Logo von der3Allah"). Medienstelle "al-I'tisam lil-Inta des "Islamischen Schriftzug 1. Die Tätigkeit der Vereinigung "IslamischerStaates": In kalligraph Staat", alias Logo "Islamis der IS Irak", alias "Islamischerstellung Staat imdie IrakWorte und in "al-I'tisam" Groß-Syrien" in weißer Kalligraphis - im alle als "Islamischer Staat" bezeichnet - läuft Strafgesetzen Gold, Logodarun zu der Verbot des "IS" in Deutschland sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Logo der Medienstelle "Mu'assasat des "Islam al-F Völkerverständigung. Logo al-I'lami" der Medienstelle "Mu'assasat Ajn des "Islamischen Staates": Berlin, 12.09.2014 lamischen Staates": In kalligraphischer stellungSti d Am 12. September wurde gegen die Organisation "Islamischer Staat" in Deutschland Seiteschee das 2 vonin3gelb-weiß mit dem Schriftzug Wort "Ajnad" in Gold sowie links un 2. Die Betätigung des "Islamischen schee "Mu'assasat Staates" ist im räumlichen al-Furqan" und daru Ge durch das Bundesinnenministerium ein Betätigungsverbot erlassen. Die Tätigkeiten Berlin,des 12.09.2014 Vereinsgesetzes verboten. der Schriftzug "an-Nusra Schwarzer al-Maqdisiya" Hin Seite 2 von 3 Schriftzug "Mu'assasat al-Furqan lil-Inta der Vereinigung laufen Strafgesetzen zuwider und richten sich gegen die verfassungsoben davon die Zahl 1435. Logo gezeigt derd wird Worte lamischen "Allah, mäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung, heißt es in 3. Es ist verboten, Kennzeichen 4. Schwarzer Dasdes "Islamischen im Hintergrund Geltungsbereich Staates" mit weißer des Verein das öffent arab Wort Versammlung oder in Schriften, Logo gezeigt der wird Medienstelle Tonoder phetensiegel" "al-I'tisam SatzBildträgern, derStaates" "La Ilaha lil-Inta Abbildu illa Allah der Verbotsverfügung. Es ist ferner verboten, Kennzeichen des "IS" öffentlich, in einer stellungen, die verbreitet des lamischen "Islamischen werden können wird zurund Staates": oder beschlagna Inder darunter Schrif kalligraph Verbreitung Worte gen. "Allah, Rasul, Muhammad" (soge Versammlung oder in Schriften, Tonoder Bildträgern, Abbildungen oder Darstelzu verwenden. Das Verbot stellungbetrifft phetensiegel", dieinsbesondere Worte gesprochen"al-I'tisam" oben folgendein weißer "Muhammad dav Kenn lungen, die verbreitet werden können oder zur Verbreitung bestimmt sind, zu verwen5. und Sachen darunterDritter "Dawlat al-Khilafa werden al-Islam beschlagnah Schwarzer H den. te durch Überlassung der Sachen Schrift; gezea Logo Schwarzer der Medienstelle sungswidrige Hintergrund "Mu'assasat mit weißer Bestrebungen in Ajn ara Schwarzer Hintergrund mitKreis weißer dieDeutWo arab lamischen gezeigt chenwird zur Staates": der FörderungSatzIn"La kalligraphischer IlahaBestrebu dieser illa Alla Schrift; gezeigt wird der Satz nanntes "La "Pro Ilaha das Worte Wort "Allah, "Ajnad" Rasul, in Gold sowie Muhammad" links un (sog Kreis die Worte "Allah, Rasul, ad RasulMuhamm Alla der Schriftzug 6. phetensiegel", Forderungen "an-Nusra gesprochen al-Maqdisiya" Dritter gegen "Muhamma den "Isla nanntes oben davon "Prophetensiegel", die"ad-Dawla Zahl soweit gesproche 1435. al-Islamiya und unddarunter eingezogen, sie nach Ar ad Rasul Allah"). Sham". Förderung der verfassungswidrigen darstellen oder soweit sie begründe Verbotene IS-Symbole Logo der Me mischen Staates" dem behördlichen Vermögens des "Islamischen al-I'lami" des Staate Logo schee in gelb cheder Medienstelle Forderung durch "Mu'assasat Abtretung erw al-F al-I'lami" schee "Mu'as in Satzdes "Islamischen 1 genannten Staates": Tatsachen St bei ZUSTELLUND LIEFERANSCHRIFT Alt-Moabit 101 D, 10559 Berlin schee VERKEHRSANBINDUNG S-Bahnhof Bellevue; U-Bahnhof Turmstraße in Kleiner Bushaltestelle gelb-weiß Tiergarten mit dem Schriftzug Schriftzug "M 7. schee Die "Mu'assasat sofortige Vollziehung al-Furqan" und daru dieser Ver Ermittlungsverfahren und Strafprozesse von Terrorverdächtigen Die hohe Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus wird auch anhand der Zahl der im Jahr 2014 in diesem Zusammenhang laufenden Ermittlungsverfahren und Strafprozesse deutlich. Im Folgenden werden einige Beispiele beschrieben. 60 Der Generalbundesanwalt hat am 12. März 2014 wegen des versuchten Sprengstoffanschlags auf dem Bonner Hauptbahnhof vom 10. Februar 2012 und des vereitelten Attentats auf den Vorsitzenden der Partei "Pro NRW" im März 2013 Anklage vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf erhoben. In der Anklage wird den sich in Untersuchungshaft befindlichen Personen die Bildung einer terroristischen Vereinigung, eine Verabredung zum Mord und ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Ebenfalls im März 2014 hat der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen eine Person wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland ("IS") und anderer Straftaten eingeleitet. Es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass der Beschuldigte im August 2013 von Düsseldorf über die Türkei nach Syrien reiste und in einer dem "IS" verbundenen Gruppierung eine mehrwöchige Ausbildung absolvierte. Der Beschuldigte konnte am 13. November 2013 bei dem Versuch einer erneuten Ausreise nach Syrien festgenommen werden. Am 12. November 2014 wurden im Großraum Köln und weiteren Städten umfassende Festnahmeund Durchsuchungsmaßnahmen des Generalbundesanwaltes und der Staatsanwaltschaft Köln gegen ein mutmaßliches jihadistisches Unterstützernetzwerk und dessen Umfeld durchgeführt. Den beiden Hauptbeschuldigten wird vorgeworfen, die ausländische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat in Irak und Großsyrien" ("ISIS") unterstützt und in Deutschland um Mitglieder geworben zu haben. Nach den bisherigen Ermittlungen ist davon auszugehen, dass sich mindestens drei Männer aus Deutschland aufgrund der Initiative einer der beiden festgenommenen Personen oder mit seiner Unterstützung dem terroristischen Jihad in Syrien angeschlossen haben. Im sogenannten Düsseldorfer "al-Qaida-Prozess" sind im November 2014 die vier Angeklagten schuldig gesprochen worden. Das Oberlandesgericht verhängte wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung einer staatsgefährdeten Straftat beziehungsweise der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung Strafen zwischen viereinhalb und neun Jahren Haft. Das Gericht stellte fest, dass die Zelle nicht autonom agierte, sondern im Auftrag "al-Qaidas" handelte. "Sie sollten und wollten im Auftrag von "al-Qaida" Splitterbombenanschläge in Deutschland durchführen", sagte ein Gerichtssprecher. Im ersten deutschen Prozess gegen einen Syrien-Rückkehrer hat das Oberlandesgericht Frankfurt einen Angeklagten am 5.Dezember 2014 zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Der 20-Jährige hatte sich an Kampfeinsätzen der Terrormiliz Islamischer Staat beteiligt. Der Deutsche mit Wurzeln im Kosovo war im Juli 2013 nach Syrien gereist. Im Prozess sagte er, er habe auch an Kampfeinsätzen des "IS" teilgenommen, dabei aber nicht auf Menschen geschossen. Bei seiner Rückkehr vor knapp einem Jahr wurde der Frankfurter am Flughafen festgenommen. Es ist das erste Mal, dass ein mutmaßlicher "IS"-Kämpfer in Deutschland vor Gericht stand. Propagandaschriften und Drohvideos Die globale Verbreitung jihadistischer Ideologie wird am Beispiel von deutschsprachigen Propagandaschriften und Drohvideos deutlich. Während die Aufrufe zu terroristischen Anschlägen in schriftlichen Stellungnahmen zunächst vornehmlich für Krisenregionen gegolten haben, beziehen sie sich nunmehr auch auf Europa und Deutschland. Im Jahr 2014 wurden zudem zahlreiche Videos veröffentlicht, die gegen 61 Deutschland gerichtete Drohungen beinhalteten. Im Juli 2014 erschien im Internet ein von einem nach Syrien ausgereisten deutschen Jihadisten verfasster Text mit dem Titel "Vom Schläfer zum Terroristen". Der Text lässt auf eine hohe Verrohung des Verfassers schließen. Er macht darin Vorschläge, Züge entgleisen zu lassen, Autoreifen und andere Hindernisse auf der Autobahn zu verteilen und Steine oder schwere Gegenstände von Brücken auf Autos oder Fußgänger zu werfen. Ferner ruft er dazu auf, "Ungläubige" zu töten "wen, wann und wo immer ihr wollt". Im Oktober 2014 wurde über die offizielle Medienstelle des "IS" ein Video bezüglich des Opferfestes veröffentlicht. In dem Video kommen verschiedene Sprecher in unterschiedlichen Sprachen zu Wort. In einer Sequenz kommt ein Deutsch sprechender Jihadist zu Wort, welcher die Muslime dazu aufruft, die "Ungläubigen" in ihren Ländern zu schlachten und sich dem "Islamischen Staat" anzuschließen. In einem weiteren im Oktober 2014 veröffentlichten Propagandavideo des "IS" aus Syrien droht ein aus Deutschland stammender Jihadist der Bundeskanzlerin und anderen europäischen Staatsoberhäuptern. Weiter ruft der deutsche Jihadist seine "Geschwister in Deutschland, Österreich, in der Schweiz" auf, sich der Terrororganisation Islamischer Staat anzuschließen. "Sitzt nicht mit den Schmutzigen! ... Kämpft auf dem Weg Allahs!" Der Extremist war eine Führungsperson der inzwischen verbotenen Salafisten-Organisation Millatu Ibrahim, die im Juni 2012 durch das Bundesinnenministerium verboten wurde. Im Sommer 2012 reiste er gemeinsam mit seiner Ehefrau aus Deutschland nach Ägypten aus. Später soll er sich kurzfristig in Libyen aufgehalten haben, bevor er nach Syrien reiste und sich dort dem "Islamischen Staat" anschloss. Der Berliner Gangsterrapper Dennis Cuspert alias Deso Dogg war in der Vergangenheit in diversen Propagandavideos des "IS" aufgetreten. Im November war er zum ersten Mal in einem Gräuelvideo zu sehen. Cuspert wird in dem Video der Terrormiliz gemeinsam mit anderen Kämpfern gezeigt, die mehrere Männer umbringen. Es ist nicht zu sehen, ob Cuspert selbst Opfer tötete. Er hält aber für einen kurzen Augenblick einen abgeschnittenen Kopf in der Hand. Da es sich um Gegner des "IS" gehandelt haben soll, hätten sie die Todesstrafe verdient, so Cuspert in dem Video. Darüber hinaus existieren diverse weitere deutschsprachige oder zumindest untertitelte jihadistische Propagandaveröffentlichungen des "IS" und ihm nahestehende Deutscher Jihadist Dennis Cuspert Gruppen. Diese fordern nicht notwendigerweise Anschläge in Deutschland, glorifialias Abu Talha al-Almani zieren jedoch den "IS" und seine Machenschaften und werben für eine Ausreise. 5.3 Salafistische Bestrebungen Der Salafismus gilt sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. Ihr werden in Deutschland derzeit ca. 7.000 Personen und in Bremen ca. 360 Personen zugerechnet. Eine exakte 62 Bezifferung des salafistischen Personenpotenzials ist aufgrund von strukturellen Besonderheiten der Szene schwierig. So weisen zahlreiche salafistische Personenzusammenschlüsse keine festen Strukturen auf. Gleichzeitig finden sich Salafisten in anderen islamistischen Organisationen und Einrichtungen. Salafismus leitet sich vom arabischen Begriff "Salafiyya" ab, der eine Strömung des Islam bezeichnet, die sich ideologisch an den sogenannten "Salaf as-Salih" ("die frommen Altvorderen"), also den ersten drei Generationen der Muslime orientiert. Salafisten versuchen deren Lebensweise detailgetreu zu kopieren. Die Anhänger dieser Ideologie sind der Überzeugung, dass Probleme der Gegenwart durch die Rückbesinnung auf den "wahren Urislam" gelöst werden können. Dazu legen sie die islamischen Quellen, Koran und "Sunna", wortwörtlich aus. Anpassungen der Islamauslegung an veränderte gesellschaftliche und politische Gegebenheiten werden durch die Salafisten als "unislamisch" kategorisch abgelehnt und führen - so die Vorstellung - zwangsläufig zum "Unglauben". Auch im Alltag orientieren sich viele Salafisten an den Lebensumständen der frühislamischen Zeit. Zum Beispiel befolgen sie spezielle Zahnputztechniken, tragen nach dem Vorbild des Propheten Mohammed knöchellange Gewänder oder Vollbärte und propagieren die Vollverschleierung der Frau. Die Ideologie des Salafismus lässt sich in eine politische und eine jihadistische Strömung unterteilen. Vertreter des politischen Salafismus stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit, um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten sowie politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Anhänger des jihadistischen Salafismus hingegen glauben, ihre Ziele durch Gewaltanwendung realisieren zu können. Die Übergänge zwischen beiden Formen sind fließend. In Deutschland lebende Anhänger lassen sich sowohl dem politischen als auch dem jihadistischen Salafistenspektrum zuordnen. Die Ideologie, die ihrer Interpretation der "Scharia" absoluten Geltungsanspruch einräumt, verstößt in mehreren Punkten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. So lehnen Salafisten die Demokratie als politisches System grundsätzlich ab, da nur Gott Gesetze erlassen dürfe. Des Weiteren verletzen die in der "Scharia" vorgeschriebenen Körperstrafen für Kapitalverbrechen, die körperliche Züchtigung der Frau und die Beschränkung ihrer Freiheitsrechte sowie die fehlende Religionsfreiheit die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Salafistische Vereinigungen in Deutschland Die salafistische Szene in Deutschland ist sehr heterogen, was ihre Struktur und Gewaltaffinität betrifft. Die salafistischen Vereine veranstalten in regelmäßigen Abständen bundesweit sogenannte "Islamseminare", in denen sie ihre salafistische Ideologie vermitteln. Finanzielle Unterstützung erhalten sie vor allem aus SaudiArabien, dort stellt der Salafismus die offizielle Islaminterpretation dar. In den vergangenen Jahren hatte der Salafismus eine wachsende Anziehungskraft insbesondere auf junge Muslime. Der bekannteste salafistische Verein in Deutschland war der Verein "Einladung zum Paradies e.V." (EZP). Einem angestrebten Verbotsverfahren kam der Verein im Jahr 2011 durch seine Selbstauflösung zuvor. Seine Mitglieder sind jedoch weiterhin aktiv. Der Verein EZP war vor allem wegen umstrittener und Aufsehen erregender Vorträge seiner Prediger bekannt. Insbesondere der Konvertit Pierre Vogel, der seine Botschaften stets mit Charisma vorträgt, ist bei jungen Muslimen populär. Aber auch dessen Weggefährte Sven Lau machte im Jahr 2014 Schlagzeilen, als er im September die Gründung einer "Scharia-Polizei" bekannt gab. Zusammen mit einer Gruppe von Gleichgesinnten zog er durch die Wuppertaler Innenstadt, riet anderen Muslimen zu einem islamkonformen Verhalten und lud sie in die Darul Arqam Moschee ein, die als Zentrum der Salafisten um Pierre Vogel gilt. Das aktive salafistische Netzwerk "Die wahre Religion" (DWR) hat sich die missionarische Verbreitung der "reinen Form" des Islam zur Aufgabe gemacht. Das Netzwerk 63 propagiert die salafistische Ideologie über bundesweit stattfindende Vorträge und Seminare sowie seine Internetseite. Die meist emotional gehaltenen Vorträge zielen auf die Radikalisierung ihrer Zuhörer. Prediger versuchen insbesondere mit dem Vorwurf der Untätigkeit, ihre Zuhörer zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" zu bewegen. Der Hauptakteur des Netzwerkes DWR ist der salafistische Prediger Ibrahim Abou Nagie. Im Jahr 2014 veranstaltete das Netzwerk mehrere Benefizveranstaltungen, in denen Spenden zur Unterstützung islamistischer Oppositionsgruppen in Syrien gesammelt wurden. Im Rahmen des von Nagie initiierten Projektes "Lies! Im Namen Deines Herrn, der Dich erschaffen hat" wird der Koran kostenlos verteilt. Bundesweit gab es seit dem Jahr 2012 zahlreiche Verteilaktionen, davon mehrere in Bremen und Bremerhaven. Der Koran wird mit dem Ziel verteilt, vor allem Jugendliche langfristig in salafistische Netzwerke einzubinden. Für die Beteiligung an Verteilaktionen ist keine formelle Mitgliedschaft im salafistischen Netzwerk DWR nötig, vielmehr können Interessierte entsprechendes Material über die Internetseite anfordern. Für viele junge Muslime ist die Aktion deshalb attraktiv, weil sie in ihren Augen dem Abbau von Vorurteilen gegenüber der Religion des Islam dient. Insofern verweist die Beteiligung einer Person an einer solchen Verteilaktion nicht zwangsläufig auf ihre salafistische Einstellung. Der salafistische Verein "Dawa FFM" und die dazugehörige Internetplattform "Islamische Audios" wurde im März 2013 wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung vom Bundesinnenministerium verboten. Hintergrund des Verbots war die Verbreitung salafistischer Ideologie sowie Aufrufe zu Gewalt im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Salafisten und der Polizei im Rahmen des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes 2012. Mit derselben Begründung war im Jahr 2012 bereits die salafistische Vereinigung "Millatu Ibrahim" (MI, "die Gemeinschaft Abrahams") vom Bundesinnenministerium verboten worden. Der Verein hatte u.a. den "Jihad" und das Märtyrertum glorifiziert. Darüber hinaus hatte er sich für die Befreiung von in Deutschland inhaftierten Islamisten eingesetzt. Das Verbot, das auch Nachfolgebestrebungen einschloss, erstreckte sich im März 2013 folglich auch auf den Nachfolgeverein "an Nussrah". Der Name "Millatu Ibrahim" ist ein ideologischer Verweis auf das gleichnamige Hauptwerk des bekannten jihadistischen Ideologen Muhammad al-Maqdisi, welcher zurzeit in Jordanien inhaftiert ist. "Spill-over"-Effekte und innerdeutsches Konfliktpontenzial Die Geschehnisse in Syrien und im Irak färben auch auf die betroffenen ethnischen und religiösen Gemeinschaften in der Diaspora ab. Diese als "Spill-over"-Effekte beschriebenen Prozesse werden stellenweise auch gewaltsam ausgetragen. Während der Flucht kurdischer Jesiden vor den angreifenden IS-Truppen in das irakische Sinjar-Gebirge im Irak im August 2014 kam es in Herford zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jesiden und Salafisten. Nur zwei Monate später eskalierte die Gewalt erneut zwischen Kurden und Salafisten in Celle und vor allem in Hamburg. Hintergrund ist die aktuelle Situation der durch den "IS" belagerten kurdischen Stadt Kobane in Syrien. Salafisten werden oftmals pauschal mit IS-Sympathisanten gleichgesetzt. Neben Kurden, darunter auch Anhänger der in Deutschland verbotenen PKK (siehe Kapitel 6.1), sind es oftmals auch Schiiten und Anhänger des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, welche Salafisten in Deutschland unter anderem durch Demonstrationen entgegentreten. Vor allem im Internet findet man oftmals martialische, zu Gewalt gegen Salafisten aufrufende Seiten und Postings. Dabei reicht oftmals schon traditio64 nelle Kleidung aus, um als Salafist zu gelten. Die Salafisten wiederum sehen sich bedroht und in dem Zwang, sich notfalls mit Gewalt zu verteidigen. Insgesamt ist die Stimmung zwischen beiden Lagern weiterhin angespannt. So werden teilweise Vorfälle aufgegriffen, bei denen unklar ist, ob der ethnisch-religiöse Hintergrund überhaupt ausschlaggebend für den Konfliktfall war. Als in Bremen ein Muslim von kurdischen Jesiden mit einer Axt am Kopf verletzt wurde, zog Pierre Vogel in einem Video den Vorfall als ein Beispiel für die staatlich orchestrierte Hetze gegen Muslime und die Aufstachelung kurdischer Jesiden heran. Daneben sieht auch die rechtsextremistische und rechtspopulistische Szene in den Salafisten vermehrt ein geeignetes Feindbild. Ausdruck findet diese Entwicklung in durch die "German Defence League" mitorganisierten Gegendemonstrationen bei Auftritten von Salafisten sowie durch das Hooligan-Bündnis HoGeSa (siehe Kapitel 3). 5.3.1 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) Personenpotenzial: 350-400 in Bremen (Freitagsgebet) Der salafistische Verein "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) gründete sich im Jahr 2001. Das Freitagsgebet ist mit 350 bis 400 Besuchern das am stärksten frequentierte Gebet im IKZ. Die Besucher stammen größtenteils aus Nordafrika, der Türkei sowie vom Balkan. Als Vorbeter fungieren führende Vertreter des IKZ, die die "Missionierungsarbeit" ("Da'wa") als ihre religiöse Pflicht betrachten. "Da'wa" "Da'wa" bedeutet wörtlich übersetzt "Ruf" und kann als "Einladung zum Islam" verstanden werden. Einige Muslime sehen es als ihre Pflicht an, andere Menschen über den Islam aufzuklären und sie zum Islam zu bekehren. So heißt es im Koran Gebäude des IKZ in (Sure 16, Vers 125): "Ruf [die Menschen] mit Weisheit und einer guten Ermahnung Bremen-Mitte auf den Weg deines Herrn und streite mit ihnen auf eine möglichst gute Art." Nach islamischer Lehre erfolgt die Bekehrung jedoch ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt. Die salafistische Ausrichtung des Vereins kommt regelmäßig in Vorträgen, Seminaren und Predigten zum Ausdruck. Im Jahr 2014 hielten Vertreter des IKZ sowie salafistische Referenten aus Deutschland und Saudi-Arabien Vorträge im IKZ, zu denen jeweils viele Besucher kamen, teilweise reisten sie aus dem gesamten Bundesgebiet an. Regelmäßig finden im IKZ "Islamunterrichte" statt, die sich hauptsächlich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene richten. Für Frauen gibt es separaten Unterricht im Sinne der Geschlechtersegregation. Wie auch im Vorjahr hielt der bekannte Prediger und Imam einer Leipziger Moschee Hassan Dabbagh zahlreiche Unterrichte und Vorträge. Vortragsveranstaltung des Pierre Vogel in Bremen Im Rahmen seiner Deutschland-Tour führte Pierre Vogel am 01. Juni 2014 eine Kundgebung mit dem Titel "Islam, die am schnellsten wachsende Religion der Welt! Was steckt dahinter?" vor dem Bremer Hauptbahnhof durch. Bei der Veranstaltung traten der salafistische Redner Sven Lau sowie ein weiterer Vertreter der Plattform "Die wahre Religion" auf. 65 Das Stadtamt Bremen hatte versucht, im Vorfeld die Veranstaltung zu verbieten. Die Entscheidung des Stadtamtes wurde allerdings vom Verwaltungsgericht und letztlich auch vom Oberverwaltungsgericht Bremen verworfen. Der Anmelder dieser Kundgebung ist dem Islamischen Kulturzentrum Bremen e.V. zuzurechnen. Im Vorfeld der Veranstaltung wurden dort auch Flyer verteilt. Inhaltlich waren die Elemente der salafistischen Ideologie auf den ersten Blick nur schwer erkennbar. Alle Redner wiederholten die Forderung nach dem ausschließlichen Rückgriff auf Koran und Sunna in religiösen wie auch weltlichen Fragestellungen und zogen Geschichten aus dem Leben des Propheten als zeitlos gültige Metaphern für alle Lebenslagen heran. Insgesamt blieben jedoch detailliertere und radikalere Bestandteile der salafistischen Ideologie bei den Auftritten der Redner außen vor. Jihadistische, anderweitig gewaltbefürwortende oder sonstige strafrechtliche Inhalte waren den Predigten nicht zu entnehmen. Während der Veranstaltung konvertierten einige Teilnehmer öffentlich zum Islam, indem ihnen Pierre Vogel das islamische Glaubensbekenntnis abnahm. Die Veranstaltung wurde von 300 bis 350 Personen besucht. Unter den hauptsächlich jungen Menschen befanden sich Personen, die dem bremischen salafistischen Spektrum zugerechnet werden, sowie auch nicht salafistische Muslime und Nichtmuslime. Ein Grund dafür ist, dass Vogel in seinem Vortrag diverse Sachverhalte anspricht, die weit über das salafistische Spektrum hinaus bei vielen Muslimen, aber auch Nichtmuslimen Zustimmung finden. Durch das Thematisieren von Aspekten, welche den gegenwärtigen Diskurs über den Islam in Deutschland und darüber hinaus prägen, gelingt es ihm, vor allem in der jüngeren Generation von Muslimen Zuhörer zu gewinnen, welche mit der salafistischen Ideologie zunächst keine Berührungspunkte hatten bzw. deren genaue Inhalte nicht kennen. Diese sich oftmals als diskriminiert fühlenden jungen Menschen sehen sich in den Aussagen Vogels bestätigt und können die negative Berichterstattung über "die Salafisten" daher schwer bis nicht nachvollziehen. Ähnlich wie die Koranverteilaktionen ist diese Art von Veranstaltungen jedoch auch jenseits einer strafrechtlichen Relevanz problematisch. Sie dienen als Erstkontakt und sollen junge Menschen längerfristig in salafistische Netzwerke einbinden. Es besteht die Gefahr, dass sich junge Menschen in diesem Prozess radikalisieren und in das gewaltbereite Spektrum des Salafismus abrutschen. 5.3.2 "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF) Personenpotenzial: In der Spitze besuchten bis zu 70 männliche Personen das Freitagsgebet. 66 Der Vereinszweck des 2007 gegründeten Bremer "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF) bestand offiziell in der Zusammenführung von Familien aus internationalen und nationalen Kulturen sowie in der Förderung der Integration. Tatsächlich betrieb der Verein eine Moschee in seinen Vereinsräumen, die sich "Masjidu-l-Furqan" nannte. Gebäude des KuF in Ideologie Bremen-Gröpelingen Bei dem "Kultur & Familien Verein e.V." handelte es sich um eine von Salafisten geprägte Einrichtung, deren Anhänger eine besonders radikale Form des Salafismus pflegten. Hierbei wurde vom Großteil der Anhänger der Schwerpunkt auf das Konzept der "Takfir"-Ideologie gelegt. "Takfir" bedeutet wörtlich "Exkommunikation", d.h. einen Muslim zu einem Ungläubigen (Kafir) zu erklären. "Ungläubige" sind nach Auffassung der Vereinsanhänger zu bekämpfen und der Abfall vom Glauben ist zumindest theoretisch mit dem Tode zu bestrafen. In der Überbetonung des "Takfir"-Konzeptes und der mindestens in Teilen gehegten Sympathie mit dem gewaltsamen Jihad begründete sich das hohe Maß an Radikalität des Vereins und seiner Anhänger. Die Anhänger selbst bezeichneten sich als "Al Muwahidun" oder "Ansar at-tawhid", was so viel wie "Die Anhänger des Einheitsglaubens" bedeutet. Damit erklärten sie sich zu den einzig wahren Muslimen und werteten andere Muslime, die nicht ihrer ideologischen Linie folgten, ab. Der "Kultur & Familien Verein e.V." verzeichnete seit seiner Gründung wachsende Besucherzahlen. Der Verein hatte sich als ein Treffpunkt radikaler Salafisten etabliert. Waren es zu Beginn noch fast ausschließlich junge Männer, die sich von dem Verein angezogen fühlten, konnte nach und nach beobachtet werden, dass Muslime unterschiedlichen Alters den Verein aufsuchten, wenn auch die Zahl junger Menschen überwiegte. Ebenso hat sich seit Bestehen des Vereins die Anzahl der Personen vergrößert, die einen Wohnortwechsel in die Nähe des Vereins vollzogen haben. Bei der Neugewinnung von Anhängern, insbesondere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wurde darauf geachtet, dass diese nicht nur regelmäßig an den Vereinsaktivitäten teilnehmen, sondern sich sukzessive von ihrem bisherigen Umfeld fernhalten. Für die Anhänger des "Kultur & Familien Verein e.V." gehörte Missionierungsarbeit ("Da'wa") zur religiösen Pflichterfüllung. Sie bemühten sich - erfolgreich - um die Missionierung und eine damit einhergehende Indoktrination insbesondere junger Menschen. Hierbei ist besonders zu beachten, dass Vorbeter, Prediger und andere Funktionsträger eines Vereins als wichtige Multiplikatoren des in der Moschee vorherrschenden Islamverständnisses fungieren. Ausreisen Die ersten Ausreisen nach Syrien von Anhängern des Vereins wurden bereits mit Beginn des Jahres 2014 bekannt. Familienangehörige zweier ausgereister Männer demonstrierten im Frühjahr 2014 vor dem Vereinsgebäude des KuF. Sie machten unter anderem den KuF für die Radikalisierung der Verwandten verantwortlich. Insbesondere ihre Mütter wandten sich an verschiedene deutsche und türkische Medien, um zu versuchen, den Aufenthaltsort der Söhne zu ermitteln. Sie gaben dabei in allen Interviews übereinstimmend an, dass sie ihre Söhne in Syrien vermuten würden und davon überzeugt seien, dass diese sich im KuF radikalisiert hätten und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen über die Türkei nach Syrien ausgereist seien, um sich dem "IS" anzuschließen. Im Laufe des Jahres 2014 folgten weitere Ausreisen bzw. Ausreiseversuche von Vereinsanhängern. Inzwischen ist bekannt, dass mindestens 16 Erwachsene und elf Kinder aus dem Verein und dessen Umfeld nach Syrien ausgereist sind. Nach aktuellen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden sind bereits zwei Männer aus Bremen bei Kampfhandlungen des "Islamischen Staates" ("IS") getötet worden, weitere vier Männer und fünf Frauen halten sich vermutlich im Krisengebiet Syrien auf, um den "IS" zu unterstützen. Vier Personen sind inzwischen nach Bremen zurückgekehrt. 67 Im Rahmen von weiteren Ausreiseverdachtsfällen wurden gegen acht weitere Vereinsanhänger durch das Stadtamt Bremen Passentziehungen, Ausreiseverbotsverfügungen sowie Meldeauflagen durchgeführt. Parallel hierzu fanden Durchsuchungen statt. Vereinsverbot Am 5. Dezember 2014 wurde der "Kultur & Familien Verein" durch den Bremer Innensenator verboten. Hierbei handelte es sich deutschlandweit erstmalig um das Verbot eines Unterstützungsvereins des "IS". Der KuF war in den vergangenen Monaten insbesondere durch die Ausreisen mehrerer Personen aus dem Verein und dessen Umfeld aufgefallen. In der zusammenfassenden Bewertung des Innensenators wurde festgestellt, dass sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Gerade durch die von den führenden Mitgliedern des KuF in den Freitagspredigten verbreitete Ideologie wurde die verfassungsmäßige Ordnung ebenso wie der Gedanke der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig beeinträchtigt. . Der Verein richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, da er das Demokratieund Rechtsstaats-Prinzip als Säulen der bestehenden . staatlichen Ordnung ablehnte, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht allen Menschen . zubilligte sowie die Glaubensund Gewissensfreiheit ablehnte. Weiterhin richtete sich der Verein gegen den Gedanken der Völkerverständigung, . da er zum Hass gegen Angehörige anderer Religionen bzw. religiöser . Überzeugungen aufrief, . die Minderwertigkeit anderer Religionen bzw. Religionsgruppen vertrat, . zur Bekämpfung westlicher Regierungen aufrief sowie zentrale Elemente der bestehenden völkerrechtlichen Ordnung ablehnte und zu deren Bekämpfung aufrief. Der Verein ging dabei jeweils mit einer aggressiv-kämpferischen Grundhaltung . vor, indem er durch sein Handeln die salafistische Bewegung und deren verfassungs- . und völkerrechtsfeindliche Ziele maßgeblich und nachhaltig beförderte, den salafistischen Machtund Alleinvertretungsanspruch proklamierte und . verbreitete und dabei selbst Gewalt und terroristische Handlungen einschließlich der Tötung von Personen, die nicht der gleichen Ideologie anhängen,einschließlich der Unterstützung des bewaffneten Kampfes der Terrororganisation "Islamischer Staat" - nachdrücklich befürwortete und so zu weiterer Gewalt anstachelte. Mit dem verkündeten Vereinsverbot ist dem Verein auch untersagt, seine Aktivitäten in anderen Organisationen fortzusetzen. Nachfolgeorganisationen sind von Gesetzes wegen verboten. Darüber hinaus wurde die vom KuF betriebene Moschee in BremenGröpelingen geschlossen. Die Verkündung des Vereinsverbots wurde von Durchsuchungen der Vereinsräume sowie von insgesamt 17 Privatwohnungen führender Vereinsmitglieder begleitet. 5.4 Weitere islamistische Bestrebungen in Bremen "Tablighi Jama'at" Die "Tablighi Jama'at" (TJ) wurde 1926 als eine Wiedererweckungsund Missions68 bewegung gegründet und zählt heute wegen ihrer großen Anhängerschaft zu den weltweit bedeutendsten islamistischen Bewegungen. Bundesweit verfügt die TJ über etwa 700 Anhänger, in Bremen zählen ca. 15 Personen dazu. Die Führungszentren der TJ liegen in Pakistan, Indien und Bangladesch. Das für Europa maßgebliche Zentrum befindet sich in Großbritannien, weitere Zentren gibt es in Frankreich, Portugal und den Niederlanden. Die TJ teilt Deutschland in zwölf regionale Gebiete auf. Bei den Deutschlandtreffen, die ungefähr alle vier Monate stattfinden, wird jeweils ein neuer "Emir" (religiöser Anführer) gewählt. Dieser ist hauptsächlich für die organisatorische Umsetzung der in den Führungszentren der TJ getroffenen, grundlegenden Entscheidungen zuständig. Ihm obliegt damit die geistige und administrative Führung der TJ-Anhänger in Deutschland. Die Bewegung TJ entstand in Indien, in einem der größten geistigen islamischen Zentren weltweit, dem "Dar ul-Ulum" ("Haus der Gelehrsamkeit") in Deoband. Die Anhänger dieser Denkschule werden daher auch "Deobandis" genannt. Sie folgen ähnlich wie Salafisten einer strengen Auslegung islamischer Quellen. Ihre Lehre besteht darüber hinaus jedoch auch aus Elementen der islamischen Mystik (Sufismus). Im Gegensatz zu Salafisten, die die Zugehörigkeit zu einer islamischen Rechtsschule ablehnen, gehören "Deobandis" der hanafitischen Rechtsschule an. Die TJ verfolgt weltweit das Ziel, ihre Lehren durch eine "selbstlose Missionsarbeit" zu verbreiten und vor allem "vom Weg abgekommene" Muslime an sich zu binden. Die konsequente Befolgung und die individuelle Frömmigkeit der islamischen Riten stehen für die gewaltfrei agierende islamische Bewegung im Vordergrund. Auch wenn sich die TJ als apolitisch charakterisiert, sind Teile ihrer Ideologie mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. So steht die strenge Auslegung der "Scharia" im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten sowie dem Demokratieund Rechtsstaatsprinzip. Ihrer Ideologie entsprechend betrachten Anhänger der TJ andere Religionen als minderwertig und sind zur Abschottung jeglichen außerislamischen Einflusses gehalten. Des Weiteren glorifizieren sie den "Jihad" und das Märtyrertum aus der islamischen Frühzeit, wenngleich sie nicht aktiv zur Beteiligung am bewaffneten "Jihad" aufrufen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2011 ist die TJ keine terroristische Vereinigung, jedoch sollen ihre Strukturen von Jihadisten zur Rekrutierung von freiwilligen Kämpfern für den bewaffneten Kampf missbraucht werden. In Bremen, das eines der zwölf regionalen Gebiete in Deutschland darstellt, betreiben TJ-Anhänger regelmäßig "Missionierungsarbeit", auch mit auswärtiger Unterstützung. Den auswärtigen TJ-Anhängern stellen die Bremer Anhänger z.B. Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung. Die gegenseitigen Besuche fördern den Zusammenhalt der islamistischen Bewegung auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene. Die Bremer TJ-Anhänger sind auf diese Weise in die übergeordneten Strukturen ihrer Bewegung eng eingebunden. Die TJ verfügt seit 2010 über eine eigene Moschee in Bremen, die "Rahmah Moschee". Einige TJ-Anhänger besuchen daneben weitere Einrichtungen in Bremen, wie den salafistischen Verein IKZ und den "Marokkanischen Verein Abu Bakr Moschee e.V." ("Abu Bakr Moschee"). Diese Moschee wurde im Jahr 2003 u.a. von ehemaligen Besuchern des IKZ gegründet, nachdem sie sich vom IKZ losgesagt hatten. In der "Abu Bakr Moschee" verkehren jedoch weiterhin auch IKZ-Besucher. "Hizb Allah" Die libanesische Organisation "Hizb Allah" ("Partei Gottes") hat eine islamistischschiitische Ausrichtung. Die "Hizb Allah" wurde im Jahr 1982 maßgeblich auf Initiative des Iran nach dem Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon gegründet und wird bis heute vom iranischen Regime finanziell und materiell unterstützt. Der "revolutionäre Iran" dient der "Hizb Allah" auch ideologisch als Vorbild, jedoch rückte 69 inzwischen ihr ursprüngliches Ziel der Errichtung eines Gottesstaates nach iranischem Vorbild im Libanon aufgrund politischer Entwicklungen in den Hintergrund. Flagge der Das Hauptanliegen der Organisation besteht in der Zerstörung des Staates Israel "Hizb Allah" sowie im Schutz des libanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen. Die "Hizb Allah" verfolgt im Libanon ihre Ziele sowohl auf parlamentarischem als auch auf außerparlamentarischem Wege. Einerseits verfügt sie über eine Partei und stellt eine Fraktion im libanesischen Parlament dar, andererseits unterhält sie einen militärischen Arm. Die paramilitärischen Einheiten der "Hizb Allah" kämpfen seit 2012 im syrischen Bürgerkrieg aufseiten der Regierung gegen die zahlreichen Oppositionsgruppen. Im vergangenen Jahr wurde der militärische Arm der "Hizb Allah" von der EU in ihre Terrorliste aufgenommen. In Deutschland bemüht sich die "Hizb Allah" um den Aufbau von Organisationsstrukturen, ihre Anhänger organisieren sich derzeit vorwiegend in "Moschee-Vereinen". Bundesweit verfügt die Organisation über etwa 950 Anhänger, in Bremen zählen ca. 50 Personen dazu. Die Aktivitäten der "Hizb Allah" beschränken sich in Deutschland auf die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen, Spendensammlungen und Demonstrationen. Wie jedes Jahr beteiligten sich auch 2014 arabische, türkische und iranische "Hizb Allah"-Anhänger an einer Demonstration zum internationalen "al-Quds"-Tag ("Jerusalem-Tag") am 24. Juli 2014 in Berlin. Unter den etwa 1.000 Demonstranten waren auch Teilnehmer aus Bremen. Die Anhänger der "Hizb Allah" sind in Bremen in dem "Moschee-Verein" "Al-MustafaGemeinschaft e.V." organisiert. Der "Moschee-Verein" veranstaltet Treffen, Diskussionsveranstaltungen und religiöse Aktivitäten mit dem Ziel, die in Bremen lebenden Libanesen an ihre Heimat zu binden und die libanesische Kultur aufrechtzuerhalten. Der "Moschee-Verein" unterstützt die Organisation im Libanon insbesondere durch die Sammlung von Spendengeldern. Im Rahmen des bundesweiten "Waisenkinderprojektes Libanon e.V." (WKP) werden Patenschaften für Waisen im Libanon vermittelt und Familien von gefallenen "Hizb Allah"-Kämpfern unterstützt. Dieser Spendenverein wurde am 8. April 2014 vom Bundesministerium des Innern verboten. 70 6 Ausländerextremismus Seitenzahl 72 6.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 77 6.2 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 71 6 Ausländerextremismus Die Geschehnisse in Syrien und dem Irak wirkten sich auch auf die in Deutschland lebenden PKK-Anhänger aus. Als Reaktion fanden Veranstaltungen in zahlreichen deutschen Städten statt. In Bremen kam es u.a. zu einer Kundgebung im Flughafen und im Funkhaus von Radio Bremen. Entwicklung extremistischer "Ausländerorganisationen" in Deutschland Die extremistischen "Ausländerorganisationen" in Deutschland sind stark von Ereignissen und Entwicklungen in ihren Herkunftsländern abhängig. Im Gegensatz zu islamistischen Organisationen orientieren sie sich nicht an einer religiös-politischen Weltanschauung, sondern an weltlichen, politischen Ideologien oder Anschauungen. Die Zielrichtungen von ausländerextremistischen Organisationen lassen sich im Wesentlichen in linksextremistische, nationalistische und ethnisch motivierte Autonomieund Unabhängigkeitsbestrebungen unterteilen. Die "Ausländerorganisationen" sind nicht autark, sondern meistens Teil einer "Mutterorganisation" im Herkunftsland oder zumindest ideologisch eng mit einer solchen verbunden. Gesellschaftliche und politische Konflikte aus anderen Teilen der Welt werden durch Migration und den Zuzug von Arbeitskräften nach Deutschland importiert. Von der Finanzkraft der hier lebenden und arbeitenden Ausländer profitieren auch extremistische Organisationen in den Heimatländern. Vielfach gründeten sie "Exilvereine" in Deutschland. Heute ist Deutschland für extremistische Ausländerorganisationen in unterschiedlicher Intensität ein Rückzugsund Rekrutierungsraum und dient ihnen zur Beschaffung von Material und finanziellen Mitteln. Zu den Aufgaben des LfV gehört die Beobachtung von Bestrebungen, die auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland durch Gewalt gefährden. Dies ist gegeben, wenn ausländische Gruppierungen von hier aus gewaltsame Aktionen im Heimatstaat unterstützen, etwa durch Aufrufe zur Gewalt oder durch logistisch-finanzielle Hilfe. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann auch durch ausländerextremistische Bestrebungen gefährdet sein, wenn Kaderstrukturen beabsichtigen, demokratische Grundregeln in Deutschland außer Kraft zu setzen. Im Jahr 2014 umfasste das ausländerextremistische Personenpotenzial in Deutschland etwa 26.500 Personen, dabei stammen die Gruppierungen aus verschiedenen Herkunftsländern, z.B. aus der Türkei oder Palästina. In Bremen nehmen die beiden türkischen Organisationen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) einen besonderen Stellenwert ein, wobei erstere eher linksextremistisch und letztere nationalistisch ausgerichtet ist. 6.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Personenpotenzial: ca. 13.000 in Deutschland ca. 300 in Bremen 72 Flagge der Die größte Gruppe unter den ausländischen Extremisten in Deutschland sind im Jahr PKK-Nachfolgeorganisation 2014, mit etwa 13.000 Personen, die Anhänger der verbotenen kurdischen Organisa"Kongra Gel" tion "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die PKK sowie ihre Nachfolgeorganisation "Kongra Gel" sind in Deutschland seit 1993 bzw. 2004 wegen vielfältiger, teilweise gewaltsamer Unterstützungshandlungen ihrer hier lebenden Anhänger verboten. Die EU definiert die PKK seit 2002 als terroristische Organisation. Die kurdischen Extremisten stellen mit rund 300 Anhängern auch in Bremen die mitgliederstärkste Gruppe unter den extremistischen "Ausländerorganisationen" dar. Sie organisieren sich überwiegend im "Verein zur Förderung demokratischer Gesellschaft Kurdistans" ("Birati e.V."), der als regionales Ausführungsorgan der PKK fungiert. In den 1990er-Jahren waren im Zusammenhang mit dem Verbot der PKK in Bremen vier "Unterstützervereine" und ihre Nachfolgeorganisationen verboten worden. Die PKK-Anhänger in Bremen gründeten jedoch unmittelbar nach den Verboten neue Vereine, zu ihnen gehört der Bremer Verein "Birati e.V.". Friedensverhandlungen zwischen PKK und türkischer Regierung Die seit Ende des Jahres 2012 laufenden Friedensverhandlungen zwischen der PKK und der türkischen Regierung werden von den in Europa und Deutschland lebenden Kurden intensiv verfolgt. In den Verhandlungen geht es um die Beendigung des seit Jahrzehnten teilweise gewaltsam ausgetragenen Konflikts zwischen dem türkischen Staat und der Bevölkerungsminderheit der Kurden. Die 1978 von dem noch heute amtierenden PKK-Führer Abdullah Öcalan gegründete Organisation erhebt den Anspruch, alleinige Vertreterin aller Kurden zu sein. Die Kurden bilden eine ethnische Volksgruppe, die vorwiegend in der Türkei, jedoch auch im Irak, Iran und in Syrien leben. Während das anfängliche Ziel der PKK in der Errichtung eines kurdischen Nationalstaates bestand, kämpft sie nunmehr für die politisch-kulturelle Autonomie der Kurden innerhalb des türkischen Staates. Das von Öcalan 2005 hierzu entwickelte Konzept sieht die Etablierung eines politisch-kulturellen Verbundes der in verschiedenen Staaten lebenden Kurden vor. Der mit Unterbrechungen seit fast 30 Jahren geführte Guerilla-Kampf der PKK gegen den türkischen Staat wurde mit der Proklamation eines "einseitigen Waffenstillstands" durch PKK-Führer Öcalan vorerst am 21. März 2013 beendet. Im Gegenzug war der türkische Staat u.a. aufgefordert, den Kurden insbesondere die Gleichstellung als Staatsvolk, die Benutzung der kurdischen Sprache, etwa in Schulen, und mehr Selbstbestimmung in ihren Siedlungsgebieten einzuräumen. Der Friedensprozess ist inzwischen ins Stocken geraten. Gründe sind der gegenseitige Vorwurf der Parteien, Zusagen nicht einzuhalten bzw. zu geringe Zugeständnisse zu machen, sowie insbesondere die Rolle der Türkei in Bezug auf die Kampfhandlungen zwischen der PKK sowie der "Partiya Yekitiya Demokrat" (PYD) auf der einen und dem "Islamischen Staat" ("IS") auf der anderen Seite. Die PKK wirft der Türkei bezüglich dieses in den kurdischen Siedlungsgebieten nahe der türkisch-syrischen Grenze geführten Konflikts ein zu passives Verhalten vor. Umstrukturierung der PKK Im Rahmen des Friedensprozesses mit der türkischen Regierung hat die PKK den Aufbau legaler Strukturen in Europa, verbunden mit der Schaffung erhöhter Transparenz, beschlossen. Ein Hauptaspekt hierbei ist die Gründung sogenannter "Volksparlamente", die zu einem basisdemokratischen Entscheidungsprozess führen sollen. Dieses neue System orientiert sich stark an der aktuellen Gesellschaftsform in den 73 kurdischen Gebieten in Syrien. Ziel ist insbesondere die Schaffung einer freien, durch alle Ethnien und Religionen aktiv gestaltbaren Gesellschaft. Die europäischen "Volksparlamente" sollen eine zentrale Rolle übernehmen und innerhalb der PKKStruktur weiter gestärkt werden. Die Umstrukturierung betrifft auch die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM). Am 21. und 22. Juni 2014 fand in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) der 20. Kongress der YEK-KOM statt. Laut der PKK-nahen Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" wurde beschlossen, im Rahmen der aktuellen Neustrukturierung der PKK die YEK-KOM in "Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum Deutschland" (NAV-DEM) umzubenennen. PKK in Deutschland und Europa Zur Unterstützung ihrer Interessen in der Türkei ist die PKK in Deutschland mit ihrem politischen Arm vertreten, der sich "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) nennt. In ihrem "gewaltfreien Kampf" greift die Organisation auf legale und illegale Strukturen zurück. Regionale Kurdenvereine (sogenannte Basisvereine) dienen den Anhängern als Informationsund Kommunikationszentren. Diese der PKK nahestehenden Vereine sind in Deutschland unter dem Dachverband des NAV-DEM zusammengeschlossen. Einer der Vorsitzenden des Dachverbands ist der Bremer PKK-Funktionär Yüksel Koc. Politischer Arm in Syrien Die kurdische Partei "Partiya Yekitiya Demokrat" (PYD) gilt als politischer Arm der PKK in Syrien, wenngleich die offene Darstellung dieser Verbindung vermieden wird. Die PYD strebt einen Autonomiestatus der von Kurden besiedelten Gebiete im Norden Syriens an. Die PYD unterhält paramilitärische Einheiten, die sogenannten "Volksverteidigungseinheiten" (YPG), die sich seit Herbst 2012 wiederholt bewaffnete Auseinandersetzungen mit anderen in Nordsyrien agierenden Konfliktparteien lieferten, etwa mit der "Freien Syrischen Armee" (FSA) und dem "IS". In Europa organisiert die PYD insbesondere Protestveranstaltungen gegen Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Finanzierung der PKK Die von der PKK über Jahrzehnte in der Türkei geführten Kämpfe sowie ihre politische Arbeit in Europa erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Die PKK finanziert sich in erster Linie durch Spenden, daneben auch aus Veranstaltungserlösen und mit dem Verkauf von Publikationen. Jedes Jahr ruft die PKK zu einer groß angelegten Spendenkampagne auf, die sie "das Jährliche" nennt, und fordert von ihren Anhängern regelmäßig die Steigerung der Spendeneinnahmen. Auch in Bremen gibt es jedes Jahr eine solche Kampagne. Newroz-Feiern Die PKK instrumentalisiert das jährliche Newroz-Fest am 21. März für ihren "Befreiungskampf" gegenüber dem türkischen Staat. Newroz bedeutet "neuer Tag" und geht auf die Legende eines kurdischen Schmieds im Jahre 612 v. Chr. zurück, der zum Widerstand gegen einen Tyrannen aufgerufen und diesen in der Nacht vom 20. auf 74 den 21. März erschlagen haben soll. Daher wird Newroz auch als Fest des Widerstandes gegen Tyrannei und als Symbol für den kurdischen Freiheitskampf verstanden. In Deutschland fand 2014 die zentrale Newroz-Feier, an der ca. 10.000 Personen teilnahmen, am 22. März in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) statt. Unter den Teilnehmern waren etwa 400 PKK-Anhänger aus Bremen. Die Feier war von der PKK-nahen Organisation "Rat für Frieden und Demokratie in Europa" (ABDEM) unter dem Motto "Freiheit in Kurdistan - Demokratie in der Türkei" angemeldet worden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand eine Erklärung Öcalans, die schwerpunktmäßig den Friedensprozess zwischen der PKK und dem türkischen Staat betraf. Parallel zu der zentralen Großveranstaltung in Düsseldorf fanden bundesweit Newroz-Feiern statt. In Bremen organisierte die PYD-Bremen am 15. März 2014 zum zweiten Mal ein Newroz-Fest, mit rund 400 Teilnehmern. Eine weitere Newroz-Feier, mit rund 50 Teilnehmern, fand am 21. März 2014 im neuen "Kurdisch-deutschen Gemeinschaftsverein e.V." in Bremerhaven statt. PKK in Bremen Im Rahmen der von der PKK-Führung beschlossenen Umstrukturierung sollen an die Stelle der bisherigen Vereine übergeordnete "Zentren der demokratischen Gesellschaft" treten. Dies hat auch Auswirkungen auf den Bremer Verein "Birati e.V.", der in "Demokratisches Zentrum Bremen" umbenannt werden soll. Bisher nahm der Verein "Birati e.V." als regionales Ausführungsorgan der PKK eine besondere Funktion ein, weil er zu den sogenannten "Zentralvereinen" gehörte. Er bietet seinen Mitgliedern u.a. soziale und kulturelle Aktivitäten an. Die im Zusammenhang mit der PKK stehenden Aktivitäten nehmen dabei einen breiten Raum ein, etwa Feiern zum Geburtstag Öcalans oder zum Jahrestag des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK. Deutschland wurde von der CDK als politischem Arm der PKK intern in knapp 30 Gebiete unterteilt. In einem solchen Gebiet nimmt der jeweils bedeutendste kurdische Verein die Stellung des "Zentralvereins" ein, alle anderen PKK-nahen Vereine sind meist abhängig von dessen Entscheidungen und Weisungen. In Bremen steht z.B. der Verein "Förderung der kurdisch-islamischen Kultur e.V." (Trägerverein der "Saidi Kurdi-Moschee") in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Zentralverein "Birati e.V.". Ebenso bestimmen PKK-Funktionäre das politische Geschehen im "Bremer Volksrat", der auch als "Kurdisches Parlament" bezeichnet wird. Dessen derzeitiger Vorsitzender gehört zu den bekanntesten Führungspersonen der PKK in Deutschland. Die Einsetzung von "Volksräten" erfolgt entsprechend dem von Öcalan 2005 entwickelten Konzept, das letztlich auf die Etablierung eines politisch-kulturellen Verbundes der in verschiedenen Staaten lebenden Kurden abzielt, um die Mitbestimmung aller Kurden zu gewährleisten. Tatsächlich erfolgte die politische Arbeit im "Bremer Volksrat" allerdings nicht nach demokratischen Regeln, sondern ist bisher hierarchisch geprägt. Künftig sollen, z.B. in Bremerhaven und mehreren Bremer Umlandgemeinden, "regionale Volksparlamente" eingerichtet werden. Neben dem "Demokratischen Zentrum" (bisher "Birati e.V.") sollen künftig auch diese "regionalen Volksparlamente" sowie verschiedene Organisationen die Vertreter des übergeordneten VolksparlaGebäude des "Birati e.V." in ments stellen, welches u.a. als offizieller Ansprechpartner für die bremischen BehörBremen den fungiert. Während die Aktivitäten der Bremer PKK-Anhänger bisher also hauptsächlich auf Weisung übergeordneter legaler und illegaler hierarchischer Strukturen zurückzuführen waren, bleibt abzuwarten, inwieweit zukünftig tatsächlich demokratische Strukturen geschaffen werden. "Kurdisch-deutscher Gemeinschaftsverein" in Bremerhaven 75 Im Frühjahr 2014 wurde der "Kurdisch-deutsche Gemeinschaftsverein" in Bremerhaven gegründet. Die Eintragung in das Vereinsregister Bremen erfolgte am 19. Juni 2014. Seine Mitglieder organisierten unterschiedliche Feierlichkeiten. So fand laut der PKK-nahen Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" u.a. in Bremerhaven eine Feier anlässlich des 65. Geburtstags Öcalans am 4. April 2014 statt. Werbung und Rekrutierung für die PKK-Guerilla Gebäude des "Kurdischdeutschen GemeinschaftsDie Kampfhandlungen in Syrien und im Irak haben die Bereitschaft der PKK-Anhänverein" in Bremerhaven ger, sich für den bewaffneten Kampf rekrutieren zu lassen, gesteigert. Sie folgen u.a. Aufrufen zur Beteiligung am Kampf in der PKK nahestehenden Medien, auf einschlägigen Internetseiten, in (Jugend-)Zeitschriften oder auf Großveranstaltungen wie dem jährlichen kurdischen Kulturfestival. Auch von den örtlichen Vereinen organisierte sogenannte "Märtyrerveranstaltungen", bei denen gefallene Guerilla-Kämpfer glorifiziert werden, bereiten den Boden für Rekrutierungen. Solidaritätskundgebungen für "Rojava" (Westkurdistan) Aufgrund der weiter anhaltenden Kampfhandlungen in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Nähe der türkisch-syrischen Grenze fanden bundesweit Solidaritätskundgebungen für die in Rojava lebenden Kurden statt. So führte am 17. Januar 2014 der "Birati e.V." in Bremen eine Demonstration mit rund 250 Teilnehmern durch. Es wurden Fahnen der PYD und Transparente mit der Aufschrift "Unabhängigkeit für Rojava" mitgeführt. Während der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz wurde die Teilnahme eines kurdischen Vertreters auf der bevorstehenden "Friedenskonferenz für Syrien" am 22. Januar 2014 in der Schweiz gefordert. Zu der sogenannten "Genf 2-Konferenz" war das von der PYD dominierte "Hohe Kurdische Komitee" (DKB) nicht als eigenständige Delegation eingeladen, sondern sollte im Rahmen des Zusammenschlusses der "Nationalen Koalition der syrischen Revolutionsund Oppositionsgruppen" an der Konferenz teilnehmen. Dieses Ansinnen ablehnend, beteiligte sich kein Vertreter des DKB an der Veranstaltung. Am 21. Januar 2014 wurde die "Demokratische Autonomie" in der Region Rojava ausgerufen und eine Regierung gebildet. Seitens der PYD wurde erklärt, dass es keine Lösung des Konfliktes geben werde, wenn die Forderungen der Kurden in Rojava nicht im Rahmen der Friedensverhandlungen berücksichtigt würden. Proteste im Zusammenhang mit dem "IS" und dem Syrien-Konflikt Die PKK erhebt für sich den Anspruch, alleinige Vertreterin aller Kurden zu sein. Um allen Kurden eine entsprechende "Heimat" bieten zu können, schuf die Partei in den 1990er-Jahren eine Vielzahl von Interessenvertretungen unter dem eigenen Dach. Zum Beispiel für die Jugendlichen, religiöse Anhänger und auch für die Jesiden. Die 76 Jesiden sind jedoch kein Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz Bremen. Die Jesiden (altiranisch "yazata" = "Engelswesen") sind eine religiöse Minderheit innerhalb der mehrheitlich muslimischen Volksgruppe der Kurden. Ihre Siedlungen befinden sich im Nordirak. Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, in die nicht konvertiert werden kann. Die Zugehörigkeit zu der Religion ist nur durch Geburt möglich, wobei beide Elternteile jesidischen Glaubens sein müssen. Entsprechend existiert im Jesidentum auch kein Gebot zur Missionierung Andersgläubiger. Weltweit gibt es ca. 800.000 - 1.000.000 Jesiden, in Bremen sind etwa 3.000 beheimatet. Die PKK hat aufgrund der aktuellen Situation in Syrien ihr Engagement insbesondere gegen den "IS" in den kurdischen Siedlungsgebieten in Nord-Syrien und im Irak verstärkt. Die PYD war 2014 ebenfalls in Kampfhandlungen gegen den "IS" verwickelt. Hierbei geht es um die Verteidigung der in der Region Rojava im Januar 2014 ausgerufenen "Demokratischen Autonomie". Im Nordirak eroberte der "IS" innerhalb weniger Tage die Städte Sengal und Samar. Daraufhin flüchteten Tausende in das Sinjar-Gebirge, eines der Hauptsiedlungsgebiete der Jesiden, die vom "IS" als "Ungläubige" betrachtet werden. Die PKK beansprucht für sich, den Vormarsch des "IS" im Sinjar-Gebirge gestoppt und die eingeschlossenen Jesiden befreit und damit vor gewaltsamen Übergriffen durch den "IS" Proteste im Zusammenhang geschützt zu haben. Der Vormarsch des "IS" im Nordirak führte seit Anfang August mit dem "IS" und dem Syrien2014 zu zahlreichen Protestkundgebungen in Deutschland, u.a. auch in Bremen. Konflikt Am 6. August 2014 fand eine vom Birati e.V. angemeldete Demonstration gegen vom "IS" verübte Gewalt gegenüber Jesiden und Kurden im Irak statt. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Bremer Marktplatz waren etwa 2.200 Teilnehmer anwesend. Vom 11. bis 16. August 2014 führte die "Föderation der Yeziden Kurdistans" (FEK) Bremen am Hillmannplatz eine, ursprünglich vom Birati e.V. angemeldete, Mahnwache mit Infostand mit dem Aufruf "Stoppt die Massaker in Sengal, ISIS massakriert und die Menschheit schaut zu" durch. Es wurde eine verbotene Fahne der PKK und ein Bild von Öcalan gezeigt. Dem "jesidischen Nachrichtenportal" "ezidipress.com" zufolge handelt es sich bei der FEK um einen "...der PKK nahestehenden Dachverband verschiedener jesidischer Vereine in Europa...". Der "IS" eroberte weite Gebiete im Norden und Westen Syriens, führte dort das islamische Recht ein und ging gewaltsam gegen "Ungläubige" vor. Er bedrohte diese für den Fall, dass sie sich weigern, zum Islam zu konvertieren, mit dem Tod. Seit September 2014 führte der "IS" Angriffe auf die für die Kurden bedeutende Stadt Kobane durch. Am 6. Oktober 2014 wurde bekannt, dass mehrere Stadtteile vom "IS" eingenommen wurden. Es kam in der Folge bundesweit zu Protestaktionen gegen den "IS" und dessen Vorgehen, auch in Form von Besetzungsaktionen an Flughäfen und Rundfunkanstalten. In Bremen fanden sich am späten Abend des 6. Oktober 2014 zunächst etwa 200 überwiegend kurdische Teilnehmer am Leibnizplatz (in der Bremer Neustadt) zusammen und gingen von dort zum Bremer Flughafen. Im Flughafenterminal hielten sie während des Abends und der Nacht eine Kundgebung ab. Es wurden Fahnen der PKK und PYD sowie Bilder von Öcalan gezeigt. Die Teilnehmerzahl war zwischenzeitlich auf 300 gestiegen. Am Morgen des 7. Oktober 2014 zogen die verbliebenen 100 bis 150 Personen zum Bremer Rathaus und hielten dort eine Abschlusskund77 gebung ab. In Frankfurt am Main (Hessen), in Hamburg, in Köln-Bonn (NordrheinWestfalen) und Stuttgart (Baden-Württemberg) kam es ebenfalls zu Protesten in Flughäfen. An einer weiteren Demonstration in Bremen unter dem Motto "Solidarität mit Kobane - Gegen den IS" nahmen am 18. Oktober 2014 ca. 800 Personen teil. Aufgerufen hatte die dem Birati e.V. nahestehende "Kurdische Fraueninitiative", die auch eine wöchentlich stattfindende Mahnwache vor der Bremischen Bürgerschaft zum gleichen Thema veranstaltete. Da sich verschiedene als linksextremistisch eingestufte Gruppierungen dem Aufruf angeschlossen hatten, nahmen zwischenzeitlich auch Personen aus dem linksextremistischen Spektrum an der Veranstaltung teil. Am 20. Oktober 2014 kam es im Bereich des Funkhauses von Radio Bremen zu einer spontanen Demonstration von ca. 20 Teilnehmern, die sich im weiteren Verlauf vermummten und Zutritt zum Gebäude verschafften. Dort zeigten sie ein Transparent mit dem Bild Öcalans und skandierten das Motto "Wir brauchen keine Salafisten". Beim Eintreffen der Polizei verließen sie das Gebäude. In Hannover (Niedersachsen), Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) und Kiel (Schleswig-Holstein) gab es weitere Besetzungsaktionen in Rundfunkanstalten. Die kurdischen Demonstrationen in Deutschland verliefen überwiegend friedlich, in einigen Fällen (Herford, Celle, Hamburg) kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, überwiegend mit Personen aus dem salafistischen Spektrum. In Bremen verliefen alle Kundgebungen friedlich. 6.2 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Personenpotenzial: ca. 10.000 in Deutschland ca. 200 in Bremen Die "ADÜTDF" wurde 1978 in Frankfurt am Main gegründet und nennt sich seit 2007 Logo der ADÜTDF "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." ("Graue Wölfe"). Sie gilt als deutsche Vertretung der in der Türkei ansässigen rechtsextremistischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" ("Milliyetci Hareket Partisi") und ist eine der anhängerstärksten Gruppierungen der "Ülkücü"Bewegung außerhalb der Türkei. Als europäische Dachorganisation fungiert die "Türkische Konföderation in Europa" (ATK). "Ülkücü"-Bewegung Als "Graue Wölfe" bezeichnet man die Mitglieder der rechtsextremistischen türkischen "Partei der Nationalen Bewegung" und synonym für türkischen Nationalismus. Die Anhänger selbst nennen sich Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung (deutsch: Idealisten-Bewegung). 78 Durch ihr teilweise extrem nationalistisches Gedankengut verfolgt die "ADÜTDF" Bestrebungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung bzw. das friedliche Zusammenleben der Völker richten und somit die Voraussetzungen zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfüllen. Die Bewegung basiert auf einem übersteigerten Nationalbewusstsein, das die türkische Nation sowohl politischterritorial als auch ethnisch-kulturell als höchsten Wert ansieht. Die Demokratie Logo der "Grauen Wölfe" und gefährdende Ülkücü-Ideologie lebt im Wesentlichen von Feindbildern, die sich vor der rituelle "Wolfsgruß" allem gegen Kurden, Amerikaner, Juden und Armenier und auch Angehörige gesellschaftlicher Minderheiten, z.B. Homosexuelle, richten. Auch der Bremer Verein "Türkische Familienunion in Bremen und Umgebung e.V." wird der "ADÜTDF" zugerechnet. Darüber hinaus findet man im sozialen Netzwerk "Facebook" noch weitere Bremer "Ülkücü"-Gruppen. Insgesamt können aus Bremen vermutlich rund 200 Personen der Anhängerschaft der "ADÜTDF" zugerechnet werden. Das Internet hat auch für die jugendlichen Anhänger, den sogenannten "Genclik Ülkücü", zunehmend an Bedeutung gewonnen. In sozialen Netzwerken wie Facebook oder offen zugänglichen Videoportalen bringen sie ihre extremistischen Forderungen und Positionen zum Ausdruck. Sie enthalten u.a. USA-feindliche Aussagen sowie obszöne und beschimpfende Darstellungen, sie hetzen gegen das friedliche Zusammenleben der verschiedensten ethnischen und religiösen Gruppierungen und fördern damit auch in der Bundesrepublik Deutschland das Entstehen von Parallelgesellschaften. 7 Unterstützungsaufgaben des LfV 79 80 7 Unterstützungsaufgaben des LfV Dem LfV obliegt nicht nur die Beobachtung extremistischer Bestrebungen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sondern es trägt über umfangreiche Prüfungen ebenfalls dazu bei, Sicherheitsrisiken in Behörden oder privaten Unternehmen zu minimieren. Geheimschutz Geheimhaltungsgrade Der Geheimschutz hat die Aufgabe, Informationen und Vorgänge, deren Bekanntvon Verschlusssachen (VS) werden den Bestand, die Sicherheit oder sonstige Interessen der Bundesrepublik (SS 5 BremSÜG) Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden, vor unbefugter Kenntnisnahme . zu schützen. Der Schutz dieser sogenannten Verschlusssachen (VS) wird durch . STRENG GEHEIM Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. . GEHEIM . VS-VERTRAULICH Geheimschutz findet nicht nur in Behörden statt, sondern auch in Unternehmen, VS-NUR FÜR DEN die im Auftrag des Staates mit Verschlusssachen umgehen und demzufolge die DIENSTGEBRAUCH Regelungen des personellen und materiellen Geheimschutzes zu beachten haben. Geheimschutzbetreute Unternehmen sind z.B. Betriebe, die im Bereich der wehrtechnischen Forschung oder Produktion tätig sind. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen und regelt z.B., in welcher Weise VS-Dokumente aufbewahrt und verwaltet werden müssen. Die Einzelheiten ergeben sich im Wesentlichen aus der Verschlusssachenanweisung des Landes Bremen. Dort ist jeweils in Abhängigkeit vom Geheimhaltungsgrad auch die Erforderlichkeit von Tresoren und Alarmanlagen geregelt. Das LfV ist zentraler Ansprechpartner für alle bremischen Behörden, die mit VS-Material umgehen. Es berät und unterstützt diese bei der Erfüllung der Anforderungen des materiellen Geheimschutzes. Personeller Geheimschutz Der personelle Geheimschutz soll sicherstellen, dass in Bereichen, die mit VS-Material umgehen, keine Person beschäftigt wird, von der ein Sicherheitsrisiko ausgeht. Zu diesem Zweck und nur mit vorheriger Zustimmung des Betroffenen finden individuelle Sicherheitsüberprüfungen statt. Das LfV wirkt an den Sicherheitsüberprüfungen mit. Seine fachliche Bewertung dient der zuständigen Behörde als Entscheidungshilfe, bevor sie eine Person mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut. Abstufung von Sicherheitsüberprüfungen (SS 8 BremSÜG) . . (Ü1) - einfache Sicherheitsüberprüfung . (Ü2) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü3) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Geheimhal81 tungsgrades, zu dem die Person Zugang erhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Ehegatte oder Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personen auf die betroffene Person auswirken können. Weitere Sicherheitsüberprüfungen Der Ausschluss von individuellen Sicherheitsrisiken ist nicht nur im Bereich des Geheimschutzes, sondern auch in anderen Arbeitsbereichen von Bedeutung. So sieht u.a. das Luftsicherheitsgesetz, Sprengstoffgesetz und Bremische Hafensicherheitsgesetz vergleichbare Überprüfungen der in diesen Bereichen in der Regel bei privaten Unternehmen beschäftigten Personen vor. Auch an diesen Sicherheitsüberprüfungen wirkt das LfV mit. Regelanfragen im Bereich des Einbürgerungsund Aufenthaltsrechts Zu den Aufgaben des LfV gehört darüber hinaus die Beantwortung von Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungsverfahren und vor der Erteilung von Aufenthaltstiteln. Durch die große Zahl der anfallenden Prüfungen bilden diese Bereiche den Schwerpunkt der personenbezogenen Prüfungen für das LfV. Personenanzahl 3.000 3.060 2.744 2.500 2.564 2.000 1.657 1.500 1.483 1.000 1.029 500 2013 24 44 43 4 2014 0 Regelanfragen Regelanfragen vor ZuverlässigkeitsZuverlässigkeitsZuverlässigkeitsim Rahmen Erteilung oder überprüfungen überprüfungen überprüfungen gemäß von Verlängerung einer gemäß dem gemäß dem dem Einbürgerungen AufenthaltsLuftsicherheitsHafensicherheitsSprengstoffgesetz genehmigung gesetz gesetz 82 Anhang Übersicht extremistischer Organisationen und Gruppierungen in Bremen Mitglieder / Personenpotenzial 83 Organisation / Gruppierung / Szene Medien / Publikationen in Deutschland in Bremen Rechtsextremismus "Nationaldemokratische ca. 5.200 ca. 30 "Deutsche Stimme" Partei Deutschlands" (NPD) www.npd.de Neonazistische Szene ca. 5.600 ca. 30 Subkulturelle Szene ca. 7.200 ca. 50 Linksextremismus Autonome Szene ca. 6.100 ca. 200 "Interim" "Indymedia": http://de.indymedia.org "LaRage" "end of road": http// endofroad.blogsport.de "Rote Hilfe" (RH) ca. 6.000 ca. 200 "Die Rote Hilfe" www.rote-hilfe.de Islamismus Salafistische Bestrebungen ca. 7.000 ca. 360 "Islamisches Kulturzentrum 350-400 www.islamhb.de Bremen e.V." (IKZ) (Freitagsgebet) "Kultur & Familien ca. 70 www.masjidulfurqanVerein e.V." (KuF) (Freitagsgebet) bremen.de "Tablighi Jama'at" (TJ) ca. 700 ca. 15 "Hizb Allah"/ ca. 950 ca. 50 "IGMG Perspektif" "Al-Mustafa"Camia" Gemeinschaft e.V." www.igmg.de www.almustafa.de 84 Mitglieder / Personenpotenzial Organisation / Gruppierung / Szene in Deutschland in Bremen Ausländerextremismus "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ca. 13.000 ca. 300 und Nachfolgeorganisationen ("Kongra Gel") "Föderation der ca. 10.000 ca. 200 Türkisch-Demokratischen Idealisten Vereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Politisch motivierte Kriminalität in Bremen 2010-2014 Politisch motivierte Ausländerkriminalität 85 Straftaten 2010 2011 2012 2013 2014 gesamt 11 26 23 16 44 davon extremistische Delikte 9 23 23 15 27 davon Gewaltdelikte 3 8 2 1 9 Politisch motivierte Kriminalität "Rechts" 2010 2011 2012 2013 2014 Straftaten 113 132 127 115 142 gesamt davon 87 102 86 82 117 Propagandadelikte davon 5 6 4 2 4 Gewaltdelikte Politisch motivierte Kriminalität "Links" 2010 2011 2012 2013 2014 Straftaten 96 241 82 116 77 gesamt davon 94 240 78 95 32 extremistische Delikte davon 24 79 22 17 8 Gewaltdelikte 86 Impressum Herausgeber: Der Senator für Inneres und Sport Contrescarpe 22-24 28203 Bremen www.inneres.bremen.de Redaktion: Landesamt für Verfassungsschutz Bremen Flughafenallee 23 28199 Bremen Tel.: 0421 53 77-0 Fax: 0421 53 77-195 office@lfv.bremen.de www.verfassungsschutz.bremen.de Gestaltung: moltkedesign, Bremen Fotos: dpa, LfV Titelbild: Dienstgebäude des Senators für Inneres und Sport Druck: Zertani Die Druck GmbH Erscheinungsdatum: 14. 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