Freie Hansestadt Bremen BETT neres und sport Verfassungsschutzbericht 2011 Freie S Hansestadt Bremen rwol Dassicherheitspolitisch herausragende Ereignis im Jahr 2011 war das Bekanntwerden der entsetzlichen Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), der insgesamt zehn Menschen zum Opfer fielen. Schlagartig wurde den Sicherheitsbehörden vor Augen geführt, dass in Deutschland über ein Jahrzehnt hinaus eine rechtsterroristische Zelle aktiv war, die aus rassistischer Motivation heraus gemordethat. Dies war von den Sicherheitsbehörden zu keinem Zeitpunkt erkannt worden. Zudem gab es im Verfassungsschutzverbund bei der Aufarbeitung diverse Pannen. Deshalb geriet der Verfassungsschutz insgesamt massivin die Kritik und erlitt einen erheblichen Vertrauensverlust. Die aktuelle Bedrohung durch gewaltorientierte Extremisten bis hin zum Rechtsterrorismusund islamistischen Terrorismus zeigt aber gerade, wie wichtig esst, den Nährboden hierfür kontinuierlich zu beobachten. Dafür braucht de Bundesrepublik Deutschland - allen Unkenrufen zum Trotz -- einen modernen, effektiven und gut aufgestellten Verfassungsschutz. Notwendig ist eine Reform des Verfassungsschutzes, nicht dessen Abschaffung. An der Trennung von Polizei und Nachrichtendienst ist festzuhalten. Die Erfahrungen mit der Geheimpolizei aus der Zeit des Nationalsozialismus wie auchn heutigen totalitären Regimen lassen keinen anderen Schluss zu. Aber dies darf nicht zu einer gegenseitigen Abschottung undzur Informationsverhinderung führen. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen (LfV) hat sich bereits im Jahr 2008 neu aufgestellt. Nicht mehr alleine der strukturbzw. organisationsbezogene Ansatz st 'Ausgangspunkt der Beobachtung, sondern auch der personenzentrierte Ansatz, wenn Hinweise auf eine Gewaltorientierung vorliegen. Damit verbunden ist eine enge Zusammenarbeit zwischen LfV und der Polizei Bremen. Die Parlamentarische Kontrollkommission der Bremischen Bürgerschaft (PKK) erhält regelmäßigen Einblick in die Arbeit des Landesamtes. Der Senator für Inneres und 'Sport informierte auch im Jahr 2011 die PKK umfangreich unddetailliert über jede operative Maßnahme und stellte Analysen sowie Lagebilder zu den unterschiedlichen Extremismusphänomenen im Bundesland Bremenvor. Miteiner aktiven Öffentlichkeitsarbeit trägt das LfV darüberhinauszur politischen Aufklärung über den Extremismus bei. Das Bremer Landesamt hat den politischen Kampf gegen den Rechtsextremismus in Bremen im Jahr 2011 wirkungsvoll unterstützt: = Das Ziel der NPD, bei den Wahlenin Bremenim Mai2011 in die Bürgerschaft einzuziehen, hat sie trotz massiver Unterstützung des Bundesverbandes klar verfehlt. Mehrere zum Wahlkampf geplante Aktionen (zum Beispiel das Verteilen sog. Schulhof-CDs) kamen nicht zur Umsetzung. = Mehrere Rechtsextremisten wurden entwaffnet (Sicherstellung von legalen und illegalen Waffen sowie diverser Munition). 5 Im Bereich des islamistischen Extremismus lag der Fokus des LfV auf der Beobachtung von "salafistischen Bestrebungen". Da der Salafismus den ideologischen Nährboden für den islamistischen Terrorismus bildet, ist die Beobachtungstätigkeit des LfV in diesem Bereich unverzichtbar. 2011 kam es in Deutschland zu diversen Festnahmen von Personen, die in einem frühen Stadium in Anschlagsvorbereitungen auf deutschem Boden verwickelt waren. Von den bundesweit ca. 3.800 Salafisten befinden sich ungefähr 350 im Bundesland Bremen, eine im Vergleich zu anderen Bundesländern hohe Zahl. Dies liegt vor allem an der Tatsache, dass in Bremen zwei Moscheen eindeutig von Salafisten dominiert sind. Die gewaltsamen Ausschreitungen im Mai 2012 in Solingen und Bonn, an denen auch dem salafistischen Spektrum zuzurechnende Personen aus Bremen teilgenommen haben, haben die von der Szene ausgehende Gefahr deutlich unter Beweis gestellt. Aufgrund der Gefahr von Radikalisierungsprozessen, vor allem in salafistischen Milieus, hat das LfV im letzten Jahr zu diesem Themenfeld die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert. So wurde im Postamt 5 die Wanderausstellung des BfV "Die missbrauchte Religion - Islamisten in Deutschland" präsentiert und eine Podiumsdiskussion zu dem Thema im Konsul-Hackfeld-Haus veranstaltet. Zudem wurde der 2009 initiierte Dialog mit den muslimischen Verbänden, welcher das Ziel verfolgt, Vorbehalte abzubauen und ein gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, auch 2011 fortgeführt. Das LfV hat darüber hinaus bei diversen Vortragsveranstaltungen seine Expertise in den Bereichen Prävention und Deradikalisierung eingebracht. Der Verfassungsschutzbericht 2011 soll dazu dienen, eine differenzierte politische Auseinandersetzung mit den Zielen extremistischer Gruppierungen zu fördern und eine sachliche Basis für die Diskussion um die Maßnahmen zur Abwehr der von ihnen ausgehenden Gefahren zu schaffen. Ulrich Mäurer Senator für Inneres und Sport Seitenzahl Verfassungsschutz im Lande Bremen 11 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) 10 1.2 Tätigkeitsschwerpunkte 10 1.3 "Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum" 11 1.4 "Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus" 12 1.5 Gesetzliche Grundlagen 12 1.6 Kontrolle 13 1.7 Haushaltsmittel und Personalbestand 14 Information und Prävention 15 2.1 Dialog mit muslimischen Verbänden 16 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus 17 2.3 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus 18 Rechtsextremismus 20 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild 21 3.2 Rechtsterrorismus 24 3.3 Rechtsextremistische Parteien 24 3.3.1 NPD 28 3.4 Neonazis 30 3.5 Rechtsextremistische "Mischszene" in Bremen 31 3.6 Sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten 33 37 Bremer Aussteigerprogramm 34 4 Linksextremismus 35 4.1 Ideologie des Linksextremismus 36 4.2 Autonome 39 4.2.1 Aktionsfeld "Antifaschismus" 42 4.2.2 Aktionsfeld "Antirepression" 7 44 4.2.3 Weitere Aktionsfelder 45 4.3 Kommunikation 46 4.4 Linksextremistische Parteien und sonstige Organisationen 48 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus 50 5.1 Islamismus 51 5.2 Islamistischer Terrorismus 51 5.2.1 Ideologischer Hintergrund 52 5.2.2 Schauplätze des islamistischen Terrorismus 52 5.2.3 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" 54 5.2.4 Internet und andere Medien 55 5.2.5 Islamistischer Terrorismus in Deutschland 57 5.3 Beobachtungsobjekt "Salafistische Bestrebungen" in Bremen 58 5.3.1 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e. V." (IKZ) 60 5.3.2 "Kultur & Familien Verein e. V." (KuF) 62 5.4 Weitere islamistische Organisationen in Bremen 62 5.4.1 "Tablighi Jama'at" (TJ) 63 5.4.2 "Hizb Allah" 65 5.4.3 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) 69 6 Ausländerextremismus 71 6.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und Nachfolgeorganisationen ("Kongra Gel") 78 7 "Scientology-Organisation" (SO) 80 8 Unterstützungsaufgaben des LfV 81 8.1 Geheimschutz 82 8.2 Weitere Sicherheitsüberprüfungen 82 8.3 Regelanfragen im Bereich des Einbürgerungsund Aufenthaltsrechts 83 Anhang 87 Impressum ATTERSEE TFA TTE TCHTS Seitenzahl 9 Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) 10 10 11 12 12 IE} 1 Verfassungsschutz im Lande Bremen Deutschlandhat in seiner Geschichte erleben müssen, wie gefährdetdie freiheitliche Demokratie ist und dass sie Gegner hat, die sie beseii wollen. Die Demokratie der Weimarer Republik wurde von rechts und links bekämpft und scheiterte schließlich. Die Nationalsozialisten errichteten ihre verbrecherische Diktatur und stürzten die Welt in einen verheerenden Krieg. Diese schrecklichen Erfahrungen haben dazu geführt, dass unsere Demokratie mit einem Warnund Schutzsystem ausgestattet wurde, das Verfassungsfeinde erkennen und unsere demokratische Gesellschaft vor ihnen schützen kann. Bestandteil dieses Systems ist in Bremen das Landesamt für Verfassungsschutz. Seine Aufmerksamkeit richtet sich maßgeblich auf Bestrebungen, gleich welcher politischen oder weltanschaulichen Richtung, die gezielt versuchen, die Grundprinzipien unserer Verfassung, d.h. die freiheitlich demokratische Grundordnung, zu beeinträchtigen oderzu beseitigen. Die Arbeit des Amtes wird überwachtvon der parlamentarischen Kontrollkommission des Landes. Freiheitliche demokratische 1.1 Aufgaben des Landesamtesfür Verfassungsschutz (LfV) Grundordnung Den Verfassungsschutzbehörden kommt die Aufgabe zu, Erkenntnisse und Die Wesensmerkmale der freiheitUnterlagen überverfassungsfeindliche Bestrebungen und sicherheitsgefährdende lichen demokratischen GrundordTätigkeiten zu sammeln (Artikel 87 Absatz 1 und Artikel 73 Absatz 1 Nr. 10 b) nung sind: Grundgesetz); sie sind damit Teil des Instrumentariums der "wehrhaften Demokratie". = die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen(LfV) hat folgende im Gesetz über Menschenrechten den Verfassungsschutz im Lande Bremen($ 3 BremVerfSchG) normierte Aufgaben: = die Volkssouveränität Die Beobachtung von verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen, = die Gewaltenteilung die = die Verantwortlichkeit der = gegendie freiheitliche demokratische Grundordnung oder Regierung = gegenden Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes = die Gesetzmäßigkeit der gerichtet sind oder Verwaltung = durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshand- = die Unabhängigkeit der lungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden oder Gerichte = gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen = das Mehrparteienprinzip dasfriedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. = die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem DasLfV ist auch zuständig für die Spionageabwehr im Bundesland Bremen. Recht auf verfassungsmäßige Daneben führt das LfV im Rahmen seiner Mitwirkungsaufgaben SicherheitsüberBildung und Ausübung einer prüfungen von Personen zum Zweck des Geheimund Sabotageschutzes durch. Opposition Zu den Aufgaben des LfV zählen weiterhin die regelmäßige Unterrichtung von Senat und Bürgerschaft über die Sicherheitslage im Land Bremen und die Information der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Letzteres wird unter anderem durch die Veröffentlichung des jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichtes gewährleistet. Der Bericht beruht auf den Erkenntnissen, die das LfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Verfassungsschutzbehör10 den des Bundes und der Länder gewonnen hat. Der Verfassungsschutzbericht stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen und deren Bewertung. 1.2 Tätigkeitsschwerpunkte Im Mittelpunkt der Arbeit des LfV stand auch im Jahr 2011 die Beobachtung des Rechtsextremismus. Bundesweit löste die Aufdeckung der Morde durch die Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Entsetzen aus. Aber nicht nur die Täter selbst, sondern auch die Erkenntnis darüber, dass sie Unterstützer und Helfer aus dem rechtsextremistischen Spektrum hatten, zeigt die Wichtigkeit und Notwendigkeit der intensiven Beobachtung rechtsextremistischer Bestrebungen und der von ihnen ausgehenden Gefahren. Diese für das LfV Bremen nicht erst seit der Aufdeckung der Morde im Herbst 2011 vorhandene Lageeinschätzung war Anlass für eine frühzeitige und intensive Beobachtung aller mit dem Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl 2011 zusammenhängenden Aktivitäten der NPD und deren rechtsextremistischen Unterstützerkreis. Bestimmt von dem Willen, dem Rechtsextremismus in Bremen den Boden zu entziehen, erarbeitete noch im Dezember der Senator für Inneres und Sport einen "7-Punkte-Plan" zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Neben der Beobachtung des Rechtsextremismus lag ein weiterer Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit des LfV Bremen in der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Nach den vielfältigen Drohungen islamistischer Terrororganisationen gegen Deutschland im Jahr 2009 verdichteten sich im Jahr 2010 Hinweise auf mögliche terroristische Anschläge in Europa und Deutschland. Dies führte, vor allem im Jahr 2011, zu zahlreichen Festnahmen in Deutschland. Am 2. März 2011 gelang Arid U. der erste vollendete islamistisch-terroristische Anschlag am Frankfurter Flughafen. Bei dem Anschlag tötete der Attentäter zwei amerikanische Soldaten; nur aufgrund eines technischen Defektes seiner Schusswaffe kam es nicht zu weiteren Toten oder Verletzten. Dieser Vorfall verdeutlicht die Gefahr durch Radikalisierungsprozesse, die im Extremfall in der Ausübung von terroristischer Gewalt enden können. Auch wenn diese Zuspitzung die Ausnahme darstellt, so gefährdet auch die gewaltlose Radikalisierung den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein friedliches, interkulturelles Zusammenleben, da sie Polarisation und soziale Abschottung fördert. Jeder Radikalisierungsprozess hat einen Anfang; bereits hier muss wirksame Prävention beginnen. Einen Teil der Präventionsarbeit bildet die Öffentlichkeitsarbeit. Diese hat das LfV Bremen auch im Jahr 2011 in den Phänomenbereichen Rechtsextremismus und islamistischer Extremismus intensiviert. 1.3 "Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum" Die effektive Bekämpfung des islamistischen Terrorismus kann eine nachrichtendienstliche Behörde nicht allein bewältigen. Aus diesem Grund wurde 2004 das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) geschaffen, an dem das LfV mitwirkt. Das GTAZ ist en Zusammenschluss aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder. Vorrangige Aufgabe des GTAZist es,für einen reibungslosen Austausch von Erkenntnissen unter den Sicherheitsbehörden zu sorgen und operative Maßnahmen abzustimmen, um dadurch die Möglichkeit zur effektiven Gefahrenabwehr zu verbessern. Von der erfolgreichen Arbeit des GTAZ und der Unterstützung vieler zum GTAZ gehörender Sicherheitsbehörden hat das LfV auch im Jahr 2011 profitiert. Bundesamt für GeneralbundesMigration und anwalt Flüchtlinge \ Bundesamt für Bundeskriminal- N _- Verfassungs- a N FR schutz et DI x 16 Landesämter kriminalämter > u Eufeseungze schutz zei = Bundespolizei N Bundesnachrichen Militärischer Zollkriminalamt 'Abschirmdienst 1.4 "Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus" Seit Ende 2011 st das "Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus" (GAR) m Wirkbetrieb, um den Austausch zwischen den Behörden auch bezüglich des Rechtsextremismus zu intensivieren. Gestützt auf die Erfahrungen aus dem GTAZwurden für den Bereich Rechtsextremismusdie Informationswege unter den Beteiligten weiter aufgebaut und Fachfragen in Arbeitsgruppen beraten. Bundesamt für BKA GBA Verfassungsschutz 16 Landesämter Bundespolizei - für VerfassungsNS Fa schutz 16 Land > Bundesnachrich- I l6Landess + -- endii kriminalämter Europol 1.5 Gesetzliche Grundlagen Bei der Erfüllung dieser Aufgaben handelt das Landesamt für Verfassungsschutz nicht im rechtsfreien Raum. Es gelten folgende rechtsstaatliche Grundsätze: 12 Gesetze VerhältnismäßigkeitsTrennungsgebot grundsatz (keine Befugnisse keine Exekutivohne gesetzliche Regebefugnisse Das bremische Verfassungslung) (keine Geheimpolizei) schutzgesetz (BremVerfSchG) regelt die Aufgaben und BefugBremVerfSchG, nisse sowie die Rechtsstellung Artikel 10-Gesetz des LfV und seine Zusammenund bremisches arbeit mit den VerfassungsAusführungsgesetz, schutzbehörden der Länder BremSÜG und des Bundes. Das Artikel 10-Gesetz (G 10-Gesetz) regelt die BefugJede Tätigkeit des LfV bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die die Voraussetnisse der deutschen Nachrichzungen für das Ob und das Wie des Handelns genau regelt. tendienste zu Eingriffen in das durch Artikel 10 des GrundgeDie Verfassungsschutzbehörden haben keine polizeilichen Befugnisse. Für seine setzes garantierte Briefgeheimgesetzlich festgelegte Aufgabe des Sammelns und Auswertens von Informationen nis, Postgeheimnis und Fernmelüber verfassungsfeindliche Bestrebungen und sicherheitsgefährdende Aktivitäten degeheimnis. stehen dem LfV neben "offenen" auch geheime Informationsmöglichkeiten zur Verfügung. Dabei gilt jedoch stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Das bremische SicherheitsDie Möglichkeiten zur unerkannten Informationsgewinnung darf das LfV daher erst überprüfungsgesetz in Betracht ziehen, wenn die Informationen von hinreichender Bedeutung sind und (BremSÜG) regelt die Voraussetnicht durch offen zugängliche Quellen erlangt werden können. zungen und das Verfahren zur Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit bestimmten sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten betraut werden sollen (Sicherheitsüberprüfung) oder bereits betraut worden sind 1.6 Kontrolle (Aktualisierungsbzw. WiederDie Arbeit des LfV unterliegt der Kontrolle der Bremischen Bürgerschaft (Parlamenholungsprüfung). tarische Kontrolle) sowie der Rechtsund Fachaufsicht durch den Senator für Die Gesetze sind im Internet Inneres und Sport. Maßnahmen des LfV sind auch gerichtlich überprüfbar. unter www.verfassungsschutz. bremen.de abrufbar. Parlamentarische Parlamentarische Parlamentarische Kontrolle Kontrolle Kontrolle Parlamentarische Parlament G 10-Kommission Kontrollkommission LfV Bremen VerwaltungsGerichtliche Öffentliche kontrolle Kontrolle Kontrolle Senator für Inneres VerwaltungsBürger und Sport (Rechtsgerichtlicher (Auskunftsrecht) und Fachaufsicht) Rechtsschutz Presse Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Bremen Landesrechnungshof Parlamentarische Kontrollkommission Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird durch den Senator für Inneres und Sport über die allgemeine Tätigkeit des LfV sowie über Vorgänge von besonderer 13 Bedeutung fortlaufend und umfassend unterrichtet. Die PKK hat das Recht, Einsicht in Akten und andere Unterlagen zu nehmen, und hat Zugang zu Einrichtungen des LfV. Die PKK der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die Bürgerschaft zu Beginn jeder Wahlperiode aus ihrer Mitte wählt. Die Kommission tritt mindestens alle drei Monate zusammen. Ihre Beratungen unterliegen der Geheimhaltungspflicht. G 10-Kommission Die G 10-Kommission entscheidet über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem G 10-Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene. Die G 10-Kommission der Bremischen Bürgerschaft besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern, die die PKK zu Beginn jeder Wahlperiode wählt. Der Vorsitzende muss die Befähigung zum Richteramt besitzen. 1.7 Haushaltsmittel und Personalbestand Zur Erfüllung seiner Aufgaben gab das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen im Haushaltsjahr 2011 für Personal 1.831.805 Euro (2010: 1.819.553 Euro) und für Sachmittel 785.601 Euro (2010: 718.218 Euro) aus. Die investiven Ausgaben betrugen 2011 60.590 Euro (2010: 57.538 Euro). Das Gesamtausgabevolumen lag 2011 bei 2.677.996 Euro (2010: 2.595.309 Euro). Das Beschäftigungsvolumen umfasste 2011 46,2 Vollzeiteinheiten (2010: 47,2). 2 Information und Prävention Seitenzahl ib 16 ir4 2 Information und Prävention Die Bekämpfung extremistischer Aktivitäten erfolgt in einer Demokratie in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext. Aus diesem Grund ist es ein besonderes Anliegen des LfV, das Wissen des Verfassungsschutzes für die Aufklärung und Meinungsbildung in Staat und Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Die Informationsund Präventionsarbeit des LfV bezieht sich insbesondere auf drei Bereiche: Dialog mit den muslimischen Verbänden, Veranstaltungen im Bereich Islamismus und Veranstaltungen im Bereich Rechtsextremismus. 2.1 Dialog mit muslimischen Verbänden Der Dialog zwischen dem LfV und den muslimischen Verbänden begann Ende 2009 mt einer von der Senatskanzlei initiierten Gesprächsrunde. Das LfV führt seitdem separate Gespräche mit den Verbänden "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" (DITIB), 'Verband der islamischen Kulturzentren" (VIKZ) und "Islamische Föderation Bremen" (IFB). 2011 wurden Themen wie Integration, Anerkennung der 'Arbeit der Verbände, Diskriminierung und Islamfeindlichkeit besprochen. Daneben verfolgt das LfV das Anliegen, sowohl der muslimischen wie auch dernichtmuslimischen Bevölkerung die rechtsstaatlichen Grenzen zwischen legaler Religionsausübung und extremistischen Tendenzen aufzuzeigen. Ergebnis der Gespräche war die Durchführung einer gemeinsamen Veranstaltung mit der DITIB zum Thema "Islam und Islamismus", um in der Öffentlichkeit eine differenzierte Betrachtungsweise auf dieses Thema zu fördern. Muslime in Bremen In Deutschland leben derzeit 3,8 bis 4,3 Millionen Muslime, während es in Bremen ca. 40.000 Muslime sind. Rund 6 % der Muslime in Bremen gehören einer islamistischen Organisation an oder weisen eine entsprechende Einstellung auf. Diese Minderheit, die die Religion für politische Zwecke missbraucht, ist von der großen Mehrheit der friedlich lebenden Muslime abzugrenzen. Der Großteil der in Bremen lebenden Muslime kommt aus der Türkei oder dem arabischen Raum. Muslime unterscheiden sich nicht nur durch ihre Herkunft, Sprache und Kultur, sondern auch durch ihre religiöse Ausrichtung. In Bremen existieren daher rund 30 Moscheen, die sich durch ihren ethnischen Hintergrund (z. B. arabisch 'oder türkisch) oder durch ihre religiöse Ausrichtung (z. B. sunnitisch oder schiitisch) unterscheiden. Die organisatorische Basis für die Moscheen len sogenannte "Moschee-Vereine". Die in Bremen tätigen muslimischen Verbände DITIB, VIKZ undIFB verstehen sich als Interessenvertretungen für religiöse und auch allgemeine Belange der Muslime. Se nehmen zumeist ehrenamtlich Aufgaben im sozialen Bereich, insbesondere in der Integrations-, Jugendund Bildungsarbeit, wahr. Land Bremen 700.000 ) 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 172.000 100.000 v ) m GesamtbeBevö kerung mit 'Ausländer Muslime Islamisten völkerung Migrationshintergrund (Quelle: Statistisches LfV: Bremen in Zahlen 2010; LfV Bremen) umiskraueteng 2.2 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Islamismus Religion Islamisten Die Öffentlichkeitsarbeit des LfV im Bereich Islamismusverfolgt dasZiel, die öffentin Deutschland liche Debatte über Islam und Islamismus zu versachlichen und die bremische Bevölkerung über islamistische Bestrebungen in Bremen zu informieren. Ausstellung und Podiumsdiskussion "Die missbrauchteReligion - Islamisten in Deutschland" Vom 14.-29. September präsentierte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Zusammenarbeit mit dem LfV im Postamt 5 die Wanderausstellung des BfV "Die missbrauchte Religion -- Islamisten in Deutschland". Zu der Eröffnungsveranstaltung erschien mit Vertretern von verschiedenen Behörden, den muslimischen Verbänden Innensenator Mäurer eröffnet die unddiversen zivilgesellschaftlichen Institutionen ein breiter gesellschaftlicher 'Ausstellung "Die missbrauchte Querschnitt der Bremer Bevölkerung. Die Ausstellung verfolgte dasZiel, sachlich, Religion - Islamisten in Deutschland" differenziert und anschaulich über das Thema "Islamismus in Deutschland" aufzuklären. In der Ausstellung wurden die Widersprüche des Islamismus zu der freiheitli Arie Hansestadt Bremen. demokratischen Grundordnung aufgezeigt und die verschiedenen Erscheinungsformen, Ziele und Aktivitäten islamistischer Organisationen in Deutschland beleuch[PTETETIET] Vertassungsschutz tet. Die Ausstellung machte deutlich, wie der Verfassungsschutz als Teil der nationalen Sicherheitsarchitektur den Gefahren desIslamismus entgegenwirkt. Ein zentrales Anliegen der Ausstellung war es, zwischen der großen Weltreligion des Dienstag 20. September, um 18.30 Uhr, Islam und der extremistischen Ideologie des Islamismusklar zu unterscheiden. Insgesamt habensich in den knapp zwei Wochen 55 Gruppenaus den Bereichen Schule, Hochschule, Polizei und Moscheegemeinde für eine Führung angemeldet. Die missbrauchte Religion Insgesamt besuchten ca. 2.000 Personen die Ausstellung. Islamisten in Deutschland Im Rahmen dieser Ausstellung veranstaltete das LfV in Kooperation mit der DITIB em | a0 Bonesenen Fe wä er nn am 20. September 2011 eine Podiumsdiskussion zu dem gleichen Thema im KonsulHackfeld-Haus. In seinem Vortrag erklärte Herr Dr. Müller, Islamwissenschaftler und en ann Gründer von Ufuq.de, am Beispiel von verschiedenen muslimischen Jugendkulturen mit ei rn die vielfältigen Erscheinungsformen des Islams in Deutschland. Ein extremistisches nn Islamverständnis definierte er wie folgt: "Sobald ich meineInterpretation des Islams als absolut setze und jeden, der mir in dieser Ansicht nicht folgt, ausgrenze und Informatonsplakat zur abwerte, verfolge ich eineislamistische Einstellung." Während der anschließenden Podumsdiskussion Podiumsdiskussion wies Frau Cengiz, stellvertretende Vorsitzende des Bremer Rates für Integration, darauf hin, dass vor allem Muslime unter Anschlägen im Namen ihrer Religion zu leiden haben, da sie dadurch oftmals unter Generalverdacht gestellt werden. Herr Dr. Liffers, Leiter des Projektes "Kultur vor Ort in Gröpelingen", ergänzte, dass eine heterogene Gesellschaft kein Problem sei, wenn die verschiedenen Bevölkerungsgruppen lernen, miteinander friedlich auszukommen. Die Besucherzahl von ca. 100 Teilnehmern sowie die abschließende angeregte Diskussion verdeut17 lichten das Interesse an diesem Thema innerhalb der Bremer Bevölkerung. Vorträge zum Thema Islamismus Zur Aufklärung über die aktuelle Situation und neue Entwicklungen im Themenbereich Islamismus bietet das LfV Informationen für jedermann und Vorträge für Einrichtungen, Vereine und Schulen an. Dr. Jochen Müller referiert über Islam und Islamismus 2.3 Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Rechtsextremismus Das LfV Bremen ist Partner im Bremer Beratungsnetzwerk "pro aktiv gegen rechts" und unterstützt die umfassende und seit Jahren bestehende Präventionsarbeit der verschiedenen Initiativen, Institutionen und Behörden im Land Bremen. Daneben ist das LfV bestrebt, mit eigenen Initiativen die Prävention vor rechtsextremistischen Gefahren zu fördern, etwa durch eigene Ausstellungen und Veranstaltungen. Vorträge zum Thema Rechtsextremismus Zur Öffentlichkeitsarbeit des LfV gehört seit 2009 das Angebot, Vorträge zum Thema Rechtsextremismus zu halten. Das Angebot richtet sich insbesondere an Schulen sowie Vereine und sonstige Einrichtungen. In den Vorträgen geht es um aktuelle Entwicklungen und neue Erscheinungsformen im Rechtsextremismus sowie den Rechtsextremismus im Lande Bremen. Gemeinsame Internetseite der norddeutschen Verfassungsschutzbehörden Einen Überblick über die Situation des Rechtsextremismus in Norddeutschland gibt die Internetseite www.verfassungsschutzgegenrechtsextremismus.de. Die norddeutschen Verfassungsschutzbehörden informieren dort über aktuelle Entwicklungen und Ereignisse im Themenfeld Rechtsextremismus. ui} 3 Rechtsextremismus 31 Rechtsextremistisches Weltbild 3.2 Rechtsterrorismus 3.3 Rechtsextremistische Parteien 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 3.4 Neonazis 3.5 Rechtsextremistische "Mischszene" in Bremen 3.6 Sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten. 2 37 Bremer Aussteigerprogramm 3 Rechtsextremismus Die Ende des Jahres 2011 bekannt gewordenen Ereignisse um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) und deren Mitglieder Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habenschlagartig die Existenz eines bis dahin von den Sicherheitsbehörden nicht erkannten Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland aufgezeigt. Dieses bedrückende Ereignis aus dem Phänomenbereich Rechtsextremismus führte zu der Erkenntnis, dass es den Sicherheitsbehörden in Deutschland nicht gelang, in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahrendie Existenz einer rechtsterroristischen Zelle zu erkennen und ihre menschenverachtenden Verbrechen zu verhindern. Dies zog bei den Sicherheitsbehörden bereits eingeleitete strukturelle Veränderungen nach sich, wie beispielsweise die Einrichtung eines "Gemeinsamen 'Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus" (GAR) zur Intensivierung des Informationsaustauschs zwischen der Polizei und dem Verfassungsschutz. Aber auch auf Landesebene hatte der Senator für Inneres und Sport für das Bundesland Bremen bereits im Dezember 2011 einen 7-Punkte-Plan zur effektiveren Bekämpfung des Rechtsextremismus in Bremen und Bremerhaven erarbeitet und damit begonnen, diesen umzusetzen. Derzeit werden die Ereignisse um den "NSU", den "Thüringer Heimatschutz" und die handelnden Personen intensiv untersucht. Die Innenministerkonferenz hat mit Unterstützung undBeteiligung des Bundes eine Bund-Länder-Expertenkommission zum Thema Rechtsterrorismus eingesetzt, um das damalige Verhalten derSicherheitsbehörden zu untersuchen und mögliche strukturelle Defizite, unter anderem in der Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz, aufzuzeigen. Parallel dazu habenein Bundestagsuntersuchungsausschuss sowie Untersuchungsausschüsse und Kommissionen der betroffenen Länder ihre Arbeit aufgenommen. In Bremen sind aktuell keine Erkenntnisse über rechtsterroristische Strukturen vorhanden. Die im Vergleich zu anderen Bundesländern kleine rechtsextremistische Szene Bremensweist allerdings alle Facetten und Organisationsformen des Rechtsextremismus auf. Es gibt Parteien, eine neonazistische Kameradschaft, rechtsextremistische Skinheads und Skinhead-Bands sowie rechtsextremistisch beeinflusste Hooligans. Darüber hinaus liegt ein besonderes Augenmerk des Bremer Verfassungsschutzes auf weiteren gewaltaffinen Gruppierungen oder Zusammenschlüssen unter rechtsextremistischem Einfluss. Daher lag ein Schwerpunkt der Beobachtung rechtsextremistischer Aktivitäten im Bundesland Bremen im Jahr 2011 auf dem von der NPD zu den Bürgerschaftsund Kommunalwahlen am 22. Mai 2011 geführten Wahlkampf und den damit zusammenhängenden geplanten Aktionen, wie dem letztlich am 30. April statt am 1. Mai 2011 veranstalteten Aufmarsch der NPD, bei dem ca. 200 Rechtsextremisten durch die Bremer Neustadt zogen. Unterstützung erhielt die Partei während des gesamten Wahlkampfes auch aus der neonazistischen Szene und dem subkulturellen Spektrum. Mit jederentwicklung im Rechtsextremismus in Bremen 180 160 140 120 100 80 NeonazisSubkult rel 2008 2009 2010 2011 3.1 Rechtsextremistisches Weltbild Rechtsextremismus ist keine in sich geschlossene Ideologie, sondern eine Weltanschauung, die sich insbesondere gegendie fundamentale Gleichheit aller Menschen richtet (Ideologie der Ungleichheit). Trotz derleidvollen Erfahrungen Deutschlands während der NS-Zeit ist der Rechtsextremismus durch Einstellungen geprägt, die geschichtliche Tatsachen leugnen und großenteils zur Verharmlosung, Rechtfertigung odergar Verherrlichung nationalsozialistischer Verbrechen einschließlich des Holocausts beitragen. Auch heute noch werden in einem Teil der rechtsextremistischen Szene, besonders in der neonazistischen Szene, Symbolik und Tradition des Nationalsozialismus aufgegriffen und Gedenktage von NS-Tätern zum Anlass für Veranstaltungen genommen. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Elemente: Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Zentrale Merkmale des Fremdenfeindlichkeit umschreibt eine ablehnende Haltung gegenüber allem, was Rechtsextremismus als fremd und deshalb bedrohlich oder minderwertig empfunden wird. Abgelehnt werden vor allem Ausländer, Muslime, Obdachlose, Behinderte und Homosexuelle. 1. Ablehnung der universellen 'Als Formender Fremdenfeindlichkeit gelten Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit Gleichheit aller Menschen und Rassismus. 2. Verachtung des demokratischen Verfassungsstaates; WährendAntisemitismus speziell die Feindseligkeit gegenüber Juden und AusBevorzugung autoritärer und länderfeindlichkeit die Feindseligkeit gegenüber Ausländern bezeichnet, bezieht totalitärer Staatsmodelle sich Rassismus ausschließlich auf äußere Merkmale. Beim Rassismus wird aus 3. Aggressiver Nationalismus genetischen Merkmalen der Menscheneine naturgegebene Rangordnung abgeleitet ns an undzwischen"wertvollen"und"minderwertigen"Rassenunterschieden. 4 KENermlosun Relativi Rassismusprägt auchdaszweitezentrale ElementrechtsextremistischerWeltano'der Leuanu De unter 9 schauung,den Nationalismus. Unter Nationalismusist ein übersteigertes Bewusstnation.en stischer Herrsein vom Wert und der Bedeutung dereigenen Nation zu verstehen. Rechtsextreschaft bei len Vermisten sind der Überzeugung, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation, Ethnie oder brechenen RasseüberdenWerteinesMenschenentscheik DieeigeneNationwirddabei gegenüber anderen als höherwertig eingestuft. Sie wird als ein so wichtiges, absolutes Gut angesehen, dass ihr sowohl Interessen und Werte anderer Nationalitäten als auch die (Bürgerund Menschen-)Rechte jedes Einzelnen unterzuordnen sind. Das Ziel von Rechtsextremisten besteht darin, unsere pluralistische Gesellschaftsordnung durch die einer "Volksgemeinschaft" zu ersetzen, in der der totalitäre Staat und das ethnisch homogene Volk miteinander verschmelzen. Der demokratisch verfasste Rechtsstaat soll einem nach dem Führerprinzip ausgerichteten totalitären Staat 21 weichen, der von einer Einheitspartei beherrscht wird. Diese antidemokratischen Vorstellungen stehen im Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes und der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Fremdenfeindlichkeit als Grundelement rechtsextremistischen Denkens ist weder mit dem Prinzip der Menschenwürde noch mit dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen vereinbar. Das autoritäre Staatsverständnis und antipluralistische Gesellschaftsverständnis widersprechen wesentlichen Demokratieprinzipien, wie der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität oder dem Recht zur Bildung und Ausübung einer Opposition. Der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch Beobachtung des Rechtsextremismus in seinen unterschiedlichen Facetten und Organisationsformen ist eine der zentralen Aufgaben des LfV gemäß SS 3 des Bremischen Verfassungsschutzgesetzes. 3.2 Rechtsterrorismus "Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)" Der von zwei maskierten Männern am 4. November 2011 verübte Banküberfall auf eine Sparkasse in Eisenach (Thüringen) und deren anschließende (Selbst-)Tötung in einem Wohnmobil sowie die am gleichen Tag vorsätzlich herbeigeführte Explosion eines Wohnhauses in Zwickau führten aufgrund der im Wohnmobil und im Wohnhaus aufgefundenen Beweisstücke zu der bis dahin nicht vorhandenen Erkenntnis, dass seit vielen Jahren in Deutschland eine rechtsterroristische Zelle namens "NSU" agierte. Sie ermordete neun Mitbürger türkischer und griechischer Herkunft aus Fremdenhass sowie eine Polizeibeamtin im Dienst. Die vom Generalbundesanwalt eingeleiteten Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gem. SS 129a Abs.1 Nr.1 StGB führten dazu, dass die Beteiligten wegen weiterer Mordversuche und diverser Banküberfälle in ganz Deutschland verdächtigt werden. Beate Zschäpe, eine der drei Beteiligten des "NSU-Trios", sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Das Trio, bestehend aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, gehörte vor seinem Abtauchen in den Untergrund dem rechtsextremistischen "Thüringer Heimatschutz" (THS) an, der auch Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen außerhalb Thüringens unterhielt. Die Mitglieder der Gruppe konnten bereits vor diesen Straftaten 1998 untertauchen, ohne dass es den Polizeioder Verfassungsschutzbehörden gelang, die aufgrund anderer einschlägiger rechtsextremistischer Gewalttaten bereits Gesuchten zu entdecken. Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe Anschläge durch Anders Breivik in Norwegen Am 22. Juli 2011 verübte der Norweger Anders Breivik in Oslo sowie der nahegelegenen Insel Utoya Attentate, bei denen er insgesamt 77 Menschen tötete. Allein auf Utoya ermordete er 69 Menschen, vorwiegend Jugendliche. Kurz zuvor hatte Breivik sein Manifest "2083 - Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung" weltweit per 22 E-Mail an einen größeren Adressatenkreis versandt. Neben zahlreichen Presseund Medienorganen sowie norwegischen Parlamentsmitgliedern erhielten auch etliche rechtsextremistische oder rechtspopulistische Gruppierungen, darunter auch deutsche, die E-Mail. Das von Breivik erstellte Pamphlet umfasst ca. 1.500 Seiten, in denen er seine Sicht von der angeblichen Bedrohung Europas darlegt. Er sieht sich dabei selbst nicht als Rechtsextremist und lehnt für sich etwa den Nationalsozialismus ab. Unverkennbar ist jedoch eine Weltsicht, die mindestens in ihren Auswirkungen zahlreiche Übereinstimmungen mit der rechtsextremistischen Ideologie aufweist. Ausrichtung des staatlichen Handelns Sowohl die Morde der Terrorgruppe NSU als auch die Attentate von Norwegen verdeutlichen, dass die Aufgabe der Sicherheitsbehörden zur Aufklärung und Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht auf erkannte rechtsextremistische Strukturen Anders Breivik bei seinem Prozess beschränkt bleiben darf. So wichtig die Beobachtung etwa von rechtsextremistischen Parteien und der Neonazi-Szene ist, so deutlich wird doch gerade durch die genannten Attentate, dass die Bedrohung deutlich über diesen "klassischen" Rechtsextremismus hinausreicht. Die neue Qualität der Gefahr liegt insbesondere in sich rechtsterroristisch-radikalisierenden Einzelpersonen und Kleinstgruppen, die sich dem herkömmlichen rechtsextremistischen Muster entziehen. Das Erkennen solcher Bedrohungen, die nicht unbedingt in bekannte Organisationszusammenhänge eingebunden sein müssen, stellt neue Anforderungen an die Sicherheitsbehörden im Bereich des Rechtsextremismus. Das LfV Bremen sieht sich durch die Ereignisse daher darin bestätigt, gerade auch die Randbereiche rechtsextremistischer Aktivitäten in den Blick zu nehmen, um sowohl mögliche Überschneidungen zum rechtsextremistischen Kernmilieu möglichst frühzeitig zu erkennen als auch gegebenenfalls eine sich getrennt davon abzeichnende Radikalisierungstendenz aufzudecken. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der Aufklärungsund Präventionsarbeit der Sicherheitsbehörden und aller gesellschaftlich aktiven Gruppen zu, da den Radikalisierungsprozessen letztlich nur gesamtgesellschaftlich begegnet werden kann. Der Bremische Verfassungsschutz ist daher bestrebt, mögliche Radikalisierungstendenzen frühzeitig öffentlich aufzuzeigen, um alle beteiligten Akteure, etwa im Netzwerk "pro aktiv gegen rechts", in die Lage zu versetzen, entsprechende eigene Präventionsansätze entwickeln zu können. Für dieses Ziel ist dabei die Aufklärungsarbeit im Bereich der Jugendprävention von besonderer Bedeutung. Bei der Erforschung und Analyse der Ursachen von Fremdenfeindlichkeit und anderen rechtsextremistischen Einstellungen kann der Verfassungsschutz nur teilweise einen Beitrag leisten. Im Vordergrund stehen stattdessen vorwiegend sozialwissenschaftlich geprägte Erkenntnisse. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Erforschung von jenen Einstellungen, die als solche nicht dem Rechtsextremismus zuzuordnen sind, jedoch in Teilbereichen vergleichbare Argumentationen vertreten. Insbesondere die Ausprägungen des sog. "Rechtspopulismus" sind eingehend zu analysieren. Derartige Bestrebungen, die bei normativer Betrachtung im Vorfeld des Rechtsextremismus angesiedelt sind, bedürfen dabei mit Recht einer intensiven gesellschaftlichen Diskussion. Das LfV Bremen kann zwar aufgrund des gesetzlichen Auftrags der Verfassungsschutzbehörden derartige Gruppierungen als solche nicht beobachten. Gleichwohl sieht es als von seinem Auftrag umfasst an, dass es hier nachhaltig an der Aufklärung über Bestrebungen mitwirkt, die an der Nahtstelle zum Rechtsextremismus aktiv sind. Auch in diesem Bereich kommt der Früherkennung von sich abzeichnenden problematischen Entwicklungen eine entscheidende Rolle zu. 23 Konkrete staatliche Maßnahmen Auf die neuen Gefahren-Phänomene haben die Sicherheitsbehörden bereits mit Maßnahmen reagiert und werden auch noch nach der Analyse der Untersuchungsausschüsse und (Experten-)Kommissionen zu reagieren haben. Bund und Länder haben im Verfassungsschutzverbund kurzfristig eine Reihe von . organisatorischen Konsequenzen gezogen: . Einsetzung einer Expertenkommission zur Prüfung des "NPD-Verbotsverfahrens". Einrichtung eines Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus . (GAR) (siehe Kapitel 1.4). . Organisatorische Änderungen im Bundesamt für Verfassungsschutz. . Einrichtung einer gemeinsamen Verbunddatei von Polizei und Verfassungsschutz. Förderung von Aussteigerprogrammen. Auf Bundesebene liegt somit derzeit der Schwerpunkt auf einer Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den Sicherheitsbehörden und ihrer Analysefähigkeiten. Hervorzuheben ist dabei aus Sicht des LfV Bremen insbesondere die Gründung des GAR, das bei Wahrung der unterschiedlichen Kompetenzen von Polizei und Verfassungsschutz die Zusammenarbeit deutlich erleichtert, auch wenn dies mit einer erheblichen finanziellen und personellen Belastung für die beteiligten Dienststellen verbunden ist. Die Bekämpfung des gewaltorientierten Rechtsextremismus wird nunmehr durch das GAR organisatorisch in gleicher Weise gestärkt wie die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus durch das Abwehrzentrum GTAZ, nach dessen Vorbild das GAR errichtet ist. Der Senator für Inneres und Sport unterstützt diese Verbesserungen und ergänzt sie durch ein eigenes Maßnahmenbündel zur effektiveren Bekämpfung des Rechtsextremismus in Bremen und Bremerhaven. Im Dezember 2011 hat er einen entsprechenden . "7-Punkte-Plan" der Öffentlichkeit vorgestellt: Intensivierung der Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten, Aufklärung neonazistischer Gewaltbereitschaft und konsequente Beobachtung rechtsextremistischer Kameradschaften, autonomer Nationalisten und der subkulturellen Szene . sowie ihrer Verbindungen zur NPD. Aufklärungsbefugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bzgl. des Rechtsextremismus analog bestehender Befugnisse zur Abwehr islamistischer Terrorgefahren erweitern. Dazu ist eine Änderung des Bremischen Verfassungs- . schutzgesetzes notwendig. Entwaffnung von Rechtsextremisten. Waffenrecht konsequent umsetzen und Waffen von Rechtsextremisten einziehen. Mit der Änderung der Meldedatenübermittlungsverordnung soll das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen aus dem . Waffenregister erhalten können. Schaffung eines eigenen Versammlungsrechts für Bremen infolge der Föderalismusreform mit der Aufnahme eines Militanzverbots bei öffentlichen Versammlungen . und Verbot von Versammlungen an symbolträchtigen Orten und Tagen. . Verbot von rechtsextremistischen Musikveranstaltungen. Stadionverbot für Rechtsextremisten. Durch eine Änderung der Stadionordnung kann rechtsextremistischen Personen oder Gruppen der Zutritt zum Weserstadion . untersagt werden. Der Innensenator initiiert bzw. unterstützt auf Bund-Länder-Ebene die zur Bekämpfung des Rechtsextremismus beschlossenen Maßnahmen. Ein Teil dieses Maßnahmenbündels ist bereits zuvor angewandt worden. Neue Maßnahmen, wie etwa das Verhindern des Waffenbesitzes von Rechtsextremisten, sind bereits im Dezember 2011 umgehend verwirklicht worden. 3.3 Rechtsextremistische Parteien In Bremen waren der Wahlkampf der NPD und die damit verbundenen Aktivitäten zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft am 22. Mai 2011 die bestimmenden Ereignisse in 24 der ersten Jahreshälfte. Die DVU trat zur Bürgerschaftswahl nicht an. Parteienfusion von NPD und DVU NPD und DVU beschlossen zum 1. Januar 2011 die Fusion beider Parteien. Vereinbart war eine Auflösung der DVU; ihre Mitglieder sollten der NPD beitreten. Faktisch war die Fusion der beiden rechtsextremistischen Parteien damit vollzogen, rechtlich wurde sie jedoch auf Betreiben einzelner Landesverbände der DVU aus formalen Gründen vom Landgericht München am 27. Januar 2011 für unwirksam erklärt. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Fusionsgegner. Gegen diese Entscheidung hat der ehemalige DVU-Bundesvorsitzende Matthias Faust Widerspruch eingelegt. In Bremen ist die Auflösung der DVU bereits faktisch vollzogen, nur wenige ihrer ehemaligen Mitglieder sind jedoch der NPD beigetreten. 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Mitglieder: ca. 6.300 in Deutschland ca. 50 in Bremen Seit 2008 war die NPD von stetem Mitgliederrückgang betroffen. Die Fusion mit der DVU im Jahre 2011 hat diese Entwicklung vorübergehend gestoppt. In Bremen ist eine ähnliche Entwicklung festzustellen. Nur wenige der ca. 60 DVUMitglieder traten 2011 der NPD bei. Die Mitgliederzahl der NPD erhöhte sich daher von ca. 40 Mitgliedern in 2010 auf ca. 50 Mitglieder im Jahr 2011. Die NPD hat durch die Fusion ihre bereits zuvor bestehende dominierende Kraft im rechtsextremistischen Lager weiter festigen können. Dies wird auch im Lande Bremen deutlich, in dem zuvor die DVU durch ihre regelmäßigen Erfolge bei den Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft und zur Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven nach außen deutlich hervortrat. Der NPD war es seit Mitte der 90er-Jahre gelungen, das Image der "Altherrenpartei" abzustreifen und durch verstärkte Jugendarbeit zahlreiche junge Mitglieder zu gewinnen. In ihrer monatlich erscheinenden Parteizeitung "Deutsche Stimme" unterbreitet die NPD ihre rechtsextremistische Gesinnung. NPD verfehlt ihre Wahlziele Bei den sieben Landtagswahlen 2011 musste die NPD zum Teil deutliche Wahlniederlagen hinnehmen. Nur in Mecklenburg-Vorpommern konnte die Partei mit 6 % der Stimmen erneut ins Landesparlament einziehen. In Sachsen-Anhalt verpasste die NPD am 20. März mit 4,6 % der Stimmen knapp den Einzug in den Landtag und blieb damit hinter dem eigentlichen Ziel zurück, nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in das dritte Parlament in Ostdeutschland einzuziehen. In Hamburg erhielt die Partei am 20. Februar 0,9 % Stimmenanteil. Vergleichbare Wahlergebnisse hatte die Partei am 27. März in Baden-Württemberg mit 0,97% und in Rheinland-Pfalz mit 1,1 % der Stimmen erzielt. Bei der letzten Wahl des Jahres am 16. September in Berlin erreichte die Partei 2,1 % Stimmenanteil. NPD verpasst deutlich den Einzug in die Bremische Bürgerschaft Die NPD trat am 22. Mai 2011 erstmals seit 1999 wieder zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft an und erreichte landesweit 1,6 % der Stimmen. Während sie im Wahlbereich Bremen einen Stimmenanteil von 1,4 % erhielt, erzielte sie in Bremerhaven 2,3 % der Stimmen und verfehlte damit ihr erklärtes Ziel, den Einzug in die Bremische Bürgerschaft. 25 Außer zur Bürgerschaftswahl kandidierte die NPD auch für die gleichzeitig stattfindende Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven und für die Beiräte in Bremen. Dabei reichten der NPD 2,2 % der Stimmen, um ein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven zu erreichen. Für die Wahl der Beiräte der Stadt Bremen nominierte die NPD in fünf von 22 Bremer Stadtteilen Kandidaten. In Bremen-Blumenthal wurde der NPD-Kandidat mit 4,3 % der Stimmen in den Beirat gewählt. In Bremen-Gröpelingen reichten der NPD-Kandidatin 3,7 % Stimmenanteil, um ins Stadtteilparlament einzuziehen. Wahlkampf der NPD zur Bürgerschaftswahl am 22. Mai in Bremen Einen Schwerpunkt der Wahlkampfaktivitäten in den westdeutschen Bundesländern im Jahr 2011 legte der NPD-Bundesverband nach Bremen. Die NPD rechnete sich aufgrund der bei den vorherigen Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft erzielten Wahlerfolge der DVU nach der Fusion und unter Zuhilfenahme der 5 % Sonderregel mit Bremerhaven (eine Besonderheit im Bremischen Wahlrecht ermöglicht einer Partei den Einzug in die Bremische Bürgerschaft, wenn es ihr gelingt, in einem der beiden Wahlkreise Bremen oder Bremerhaven 5 % Stimmenanteil zu erreichen) Chancen auf mindestens ein Mandat in der Bürgerschaft aus. Dazu setzte sie erhebliche finanzielle Mittel ein. Als Spitzenkandidaten für Bremen und Bremerhaven traten der ehemalige Bundesvorsitzende der DVU, Matthias Faust, und Jens Pühse aus dem Bundesvorstand der NPD an, der über langjährige Erfahrungen im Wahlkampf verfügte. Beide Kandidaten meldeten ihren Wohnsitz in Bremen bzw. Bremerhaven an und waren nach der verlorenen Wahl ebenso schnell wieder nach Hamburg bzw. Sachsen verschwunden. Der Wahlkampf wurde unmittelbar vom Bundesverband und mehreren anderen Landesverbänden unterstützt. Als Wahlkampfleiter fungierte Jens Pühse, der über Kontakte zu zahlreichen NPD-Landesverbänden sowie zu neonazistischen "Freien Kräften" verfügte. Die in Bremen eingesetzten Wahlkampfhelfer kamen zum großen Teil aus den ostdeutschen Landesverbänden. Für die Bürgerschaftswahl nominierte die Partei insgesamt 12 Kandidaten, aufgeteilt für die Wahlbereiche Bremen und Bremerhaven. Auf den Listenplätzen kandidierten neben den beiden Spitzenkandidaten ehemalige DVU-Mitglieder sowie ein NPDMitglied mit neonazistischem Hintergrund. Als Koordinationsstelle und Versammlungsstätte wurde am 9. Januar 2011 das "Bürgerbüro Bremen" in Bremerhaven in Anwesenheit des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt eröffnet. Das Büro dient noch heute der Partei darüber hinaus als Versammlungsstätte für Mitgliedertreffen und soll als Anlaufstelle für Hilfesuchende eine Nähe zur Bevölkerung aufbauen. Finanziell wurde der Wahlkampf maßgeblich vom NPD-Bundesverband und von zwei Landesverbänden sowie von privaten Spendern getragen. Unter dem Motto Informationsblatt zum "Bürgerbüro "Aktion 50.000 Euro - NPD-Die Volksunion in die Bremische Bürgerschaft" wurde Bremen" außerdem eine Spendenaktion zur Unterstützung des Wahlkampfes ausgerufen. Ein Spendenbarometer auf der NPD-Internetseite, die eigens für den zunächst im Internet stattgefundenen Wahlkampf neu gestaltet wurde, zeigte den jeweils aktuellen Stand der Sammelaktion an. Unter dem Motto "Soziale Sicherheit statt Multikulti" setzte die NPD auf die klassischen rechtsextremistischen Wahlkampfthemen, wie Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus. Der zentrale Wahlkampfschwerpunkt spiegelte sich in den eingesetzten Werbematerialien wider. Die verwendeten Texte blieben jedoch stereotypisch und zeigten den Versuch, bestimmte Botschaften in Reimform zu zwingen ("Ist der Ali kriminell, in die Heimat aber schnell"). 26 Mit einer Wahlkampftaktik, die darauf abzielte, die Öffentlichkeit zu provozieren, versuchte der als Wahlkampfleiter eingesetzte Jens Pühse, die NPD zum Dauerthema der öffentlichen Diskussion zu machen. So versuchte Pühse beispielsweise mit der DGB-Bezirksvorsitzenden für Bremen in einen Dialog zu treten oder er rief die NPD-Mitglieder auf, sich als "Volkszähler in Bremen und Bremerhaven für den Zensus 2011" zu bewerben, um Informationen für die "nationaldemokratische Marktforschung zur Wähleransprache" zu gewinnen. NPD wirbt um "Erstund Jungwähler" Eines der Ziele der NPD war es, Erstund Jungwähler im Wahlkampf für sich zu gewinnen. Diese Absicht gewann insbesondere vor dem Hintergrund der Herabsetzung des Wahlalters für die Bremische Bürgerschaft auf 16 Jahre eine besondere Bedeutung. Eine gezielte Werbung um Jungwähler an Schulhöfen kündigte die Partei mit Unterstützung der neonazistischen Kameradschaft "Freie Nationalisten Bremen" bereits Anfang 2011 auf ihrer Internetseite an. Die NPD setzte dafür eine eigens hergestellte "Schulhof-CD", die Wahlkampfzeitung "Lehrerschreck", einen Internetwerbespot sowie ein Online-Spiel ein. Die "Schulhof-CD" mit dem Titel "Gegen den Strom" wurde erstmals am 6. April 2011 in Bremerhaven verteilt. Sie ähnelte in ihrer Aufmachung einer gleichnamigen CD der NPD in Sachsen-Anhalt. Von den 14 Musiktiteln auf der Bremer "Schulhof-CD" waren Cover der Schulhof-CD 13 bereits in Sachsen-Anhalt veröffentlicht worden. Bremer Skinhead-Bands waren nicht auf der CD vertreten. 90 Exemplare der CD wurden auf Anordnung der Bremer Staatsanwaltschaft durch die Polizei am 7. April 2011 sichergestellt. Diese sollten von NPD-Mitgliedern an Bremer Schüler verteilt werden. Zehn weitere "Schulhof-CDs" beschlagnahmte die Polizei an einem Infostand der NPD. Während die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien die CD als nicht jugendgefährdend ansah, stufte die Staatsanwaltschaft Bremen zwei auf der CD enthaltene Lieder als jugendgefährdend ein. Anfang Mai 2011 verteilte die Bremer NPD eine Wahlkampfzeitung mit dem Titel "Lehrerschreck". Die Zeitung war auf der Internetseite der Bremer NPD abrufbar. Mit der 12-seitigen Hochglanzbroschüre wandte sich die Partei an Schüler und Jungwähler. In fast allen Artikeln der Wahlkampfzeitung macht die NPD pauschal die "Überfremdung" für die politischen und gesellschaftlichen Probleme Bremens verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft Bremen erkannte auch hier jugendgefährdende Inhalte in einem der abgedruckten Artikel. Bei einer Durchsuchung des NPD-Parteibüros in Bremerhaven sowie der Wohnung des Spitzenkandidaten Jens Pühse beschlagnahmte die Polizei ca. 280 Exemplare der Wahlkampfzeitung. Durch Plakatund Verteilaktionen wie z.B. zum Thema "Bremerhaven: NEIN zur Großmoschee!" zeigte die Partei ihre fremdenfeindliche Gesinnung. Mittels ihrer rechtsextremistisch eingefärbten Wahlkampfziele versuchte die NPD bei öffentlichen Kundgebungen in Bremen und Bremerhaven Wähler für sich zu gewinnen. Viele der Kundgebungen bekamen jedoch keinerlei Aufmerksamkeit. Zu Beginn Titelblatt der Wahlkampfzeitung des Wahlkampfes wurden sie von überwiegend demokratischem Publikum behindert "Lehrerschreck" oder verhindert, mit Fortdauer des Wahlkampfes stieg die Frustration der Veranstalter und ließ sie häufig von weiteren geplanten Kundgebungen Abstand nehmen. NPD-Kundgebung am 9. April 2011 auf dem Domshof Am 9. April 2011 veranstaltete der NPD-Landesverband auf dem Domshof in der Bremer Innenstadt eine Kundgebung unter dem Motto: "Demokratie 2.0: Kein Konto für die NPD". An der Veranstaltung nahmen lediglich ca. 20 Mitglieder und Sympathisanten der NPD teil. Der Protest richtete sich gegen die Bremer Landesbank, die der Partei im Oktober 2011 die Einrichtung eines Girokontos verweigert 27 hatte. An einer vom Bündnis "Keinen Meter" kurzfristig organisierten Gegendemonstration nahmen ca. 200 Personen teil, darunter auch Angehörige des linksextremistischen autonomen Spektrums. Vereinzelt kam es zu gewalttätigen Übergriffen der linken Szene, ein starkes Polizeiaufgebot konnte intensive Auseinandersetzungen verhindern. NPD-Kundgebung am 23. April 2011 in Bremen-Gröpelingen Unter dem Motto "Religionsfreiheit JA - Gottesstaat NEIN!" richtete der NPDLandesverband am 23. April 2011 in Bremen-Gröpelingen in unmittelbarer Nähe des islamistisch ausgerichteten "Kultur & Familien Verein e.V." eine Kundgebung mit nur 12 Teilnehmern aus. Ca. 200 Personen protestierten gegen die NPD-Kundgebung. Auch hier verhinderte ein starkes Polizeiaufgebot Übergriffe auf die Kundgebungsteilnehmer. NPD-Demonstration am 30. April 2011 in Bremen-Neustadt Von Anfang an geplanter Höhepunkt der NPD-Wahlkampfaktivitäten war die zunächst für den 1. Mai 2011 angemeldete und schließlich auf den 30. April 2011 vorverlegte Demonstration "Sozialkongress - Nationale Solidarität statt Raubtierkapitalismus!". Ursprünglich gingen die Rechtsextremisten von einer bundesweiten Mobilisierung von ca. 1.000 Rechtsextremisten aus dem Parteienspektrum sowie aus dem Bereich der Neonazis aus. Tatsächlich beteiligten sich dann nur rund 200 Personen an dem Marsch durch die Bremer Neustadt. Der von der NPD geplante und beantragte Streckenverlauf durch die Bremer Innenstadt wurde aus Gründen der Sicherheit von der Polizei in die Neustadt verlegt. Das breit aufgestellte bürgerliche Bündnis (DGB, demokratische Parteien, Bremer Bürger usw.), bestehend aus ca. 4.000 Teilnehmern, demonstrierte zeitgleich gegen den Aufmarsch der Rechtsextremisten. Die wenigen gewaltbereiten Autonomen aus dem linksextremistischen Spektrum konnten den friedlichen Protest aufgrund eines großen Polizeiaufgebotes nicht nachhaltig stören. Gleichwohl kam es zu einigen Angriffen gegen Polizeibeamte. Eröffnet wurde die NPD-Kundgebung am 30. April 2011 gegen Mittag am Bahnhof Neustadt mit Redebeiträgen des Thüringer NPD-Funktionärs und DemonstrationsFlyer zur Ankündigung der anmelders Patrick Wieschke sowie des Bundesvorsitzenden der NPD, Udo Voigt. NPD-Demonstration Bereits eine Stunde später endete die Veranstaltung wieder am Bahnhof Neustadt, wo Spitzenkandidat Faust und der sächsische NPD-Fraktionschef Holger Apfel die Abschlussreden hielten. Von den rechtsextremistischen Teilnehmern der "Bremer Demonstration" kam der überwiegende Teil nicht aus Bremen, sondern aus Thüringen und Sachsen. Lediglich 30 Personen des rechtsextremistischen Spektrums Bremens konnte die NPD mobilisieren. Die geringe Teilnehmerzahl ist sowohl ein Zeichen für die Inaktivität der Bremer NPD als auch die Folge von Zerwürfnissen innerhalb der rechten Szene in Bremen. 3.4 Neonazis Mitglieder: ca. 6.000 in Deutschland ca. 20 in Bremen 28 Die Neonazi-Szene in Deutschland besteht zum größten Teil aus lose strukturierten Neonazis Kameradschaften, die sich in der Regel als "Freie Kräfte" oder "Freie Nationalisten" "Neonazi" ist die Kurzform für bezeichnen. Die gesamte Neonazi-Szene umfasste im Jahr 2011 etwa 6.000 Per"Neonationalsozialist". Fälschsonen, davon in Bremen ungefähr 20 Personen. In Bremen existiert derzeit eine licherweise werden die Begriffe aktive Kameradschaft, die "Freien Nationalisten Bremen". "Neonazi" und "Rechtsextremist" häufig synonym verwendet. Neonazismus ist ein Teilbereich Neonazis in Kameradschaften organisiert des Rechtsextremismus, der Die Kameradschaften bildeten sich in den 1990er-Jahren als Reaktion auf die dadurch gekennzeichnet ist, zahlreichen Verbote neonazistischer Vereine und stellen eine alternative Organisatidass er in der Tradition des onsform zu Vereinen dar. Die damals zersplitterte neonazistische Szene organisierte Nationalsozialismus steht. sich neu, um ihre Aktionsfähigkeit wieder zu erhöhen ("Organisierung ohne OrganiNeonazis unterscheiden sich von sation") und durch Verzicht auf formelle Organisationsstrukturen weitere Vereinsversubkulturell geprägten Gruppiebote zu verhindern. Heute existieren im gesamten Bundesgebiet rund 160 Kameradrungen vor allem durch ihre schaften. zielgerichteten politischen Aktivitäten. Neonazis bekennen sich zur NS-Ideologie Neonazis zeichnen sich vor allem durch ihre starke Bezugnahme auf die nationalsozialistische Ideologie aus. In ihren Aktionsformen sowie in ihrer Symbolik beziehen sich Neonazis auf die Traditionen des Nationalsozialismus, z. B. auf die SS-Verbände (Schutzstaffeln). Außerdem greifen sie die typischen rechtsextremistischen Themenfelder auf: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Ihr Ziel besteht darin, die staatliche Ordnung Deutschlands - die sie nur als "das System" bezeichnen - durch einen totalitären Führerstaat nationalsozialistischer Prägung mit einer ethnisch homogenen Bevölkerungsstruktur zu ersetzen. Neonazistischer Aufmarsch in Bad Nenndorf 2011 "Freie Nationalisten Bremen" Der 2008 gegründeten neonazistischen Kameradschaft "Freie Nationalisten Bremen" gehören zurzeit ca. 10 Personen an. Die Kameradschaft versteht sich als "revolutionäre Bewegung", die sich zusammengeschlossen hat, um "nationale und sozialistische Strukturen und Ideen in Bremen bekannt zu machen" (Selbstdarstellung der "Freien Nationalisten Bremen", 13.01.2010). Ihr erklärtes Ziel ist die "nationale Revolution". Ihre rechtsextremistische Haltung wird deutlich in Aussagen wie: "Dieses System ist unheilbar krank, es gleicht einer Pest, die ausgerottet werden muss, wenn wir Deutschen eine gesunde Zukunft haben wollen." (Internetseite der "Freien Nationalisten Flyer der "Freien Nationalisten Bremen", 06.01.2010) Bremen" (FN) Im September / Oktober 2011 wurden vor dem Bremer Landgericht führende Mitglieder der "Freien Nationalisten Bremen" wegen der Zugehörigkeit zur neonazistischen Gruppierung "Sturm Wiking" angeklagt. Die Anklage lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Gegen die beiden Rädelsführer verhängte das Gericht jeweils Bewährungsund Geldstrafen. Den Beteiligten wurde der Vorwurf gemacht, eine Vereinigung gegründet zu haben, bzw. daran beteiligt gewesen zu sein, deren erklärtes Ziel es war, ein "artgemäßes freies deutsches Reich" zu schaffen. Zu diesem Zwecke sollte auch der "Kampf um die Parlamente und die Straße" erfolgen. Weiter hieß es in einer bei einer Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Bremen aufgefundenen "Satzung", dass zur Erreichung dieser Ziele eine "schlagende kämpfende Truppe" notwendig sei. Die Ausführungen in der "Satzung" gipfelten in der Aufforderung, "Mit dem Mob und 29 Ausländerhorden auf der Straße diskutiert man nicht - man schlägt sie! Man schlägt sie erbarmungslos in die Flucht." Eine erste Umsetzung dieser Planungen stellte ein Anschlag dar, der gegen die Jugendbildungsstätte "Lidice-Haus" gerichtet war. Durch Steinwürfe gegen das Haus und gegen ein vor dem Haus stehenden PKW entstand ein Sachschaden von ca. 20.000 Euro. Vermutlich aufgrund des laufenden Ermittlungsund anschließenden Gerichtsverfahrens gingen von der neonazistischen Kameradschaft "Freie Nationalisten Bremen" im Jahr 2011 keine eigenständigen Aktionen aus. Mitglieder dieser Kameradschaft unterstützten lediglich größere, überregionale Demonstrationen von NPD und "Freien Kräften" im nordund ostdeutschen Raum. "Bürgerbewegung für Bremerhaven" Im Juli 2011 trat die "Bürgerbewegung für Bremerhaven" (BFB) mit einer Internetseite erstmals öffentlich in Erscheinung; Initiator ist ein gewaltbereiter Bremerhavener Neonazi. Die Gruppierung bezeichnet sich selbst zwar als "patriotisch, bürgernah und sozial", hinter einer vorgeblich "islamkritischen Positionierung" dieser Kleingruppe verbirgt sich jedoch ein neonazistisches Konzept. In den Eigendarstellungen zum "Selbstverständnis der Bewegung" und dem Programm wird eine durchgängig fremdenfeindliche und rassistische Ausrichtung deutlich. Sie gipfelt in der Forderung, "Bremerhaven braucht die deutsche Volksgemeinschaft statt multikulturelle Manipulation". Für den 3. Oktober 2011 hatte die BFB eine Kundgebung gegen einen Moscheebau in Bremerhaven angekündigt. Diese fand jedoch ebenso wenig statt wie weitere angekündigte Veranstaltungen zum gleichen Thema. Öffentlich in Erscheinung trat die Gruppierung dagegen durch einige Informationsstände in Bremerhaven. Die Gruppe ist innerhalb der rechtsextremistischen Szene isoliert, eine Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten ist nicht erkennbar. "Trauermarsch" in Dresden Der "Trauermarsch" in Dresden nimmt seit mehreren Jahren einen festen Platz im Terminkalender der norddeutschen Neonazis ein und zählt zu den bedeutendsten Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene. Anlass der jährlich vom sächsischen Landesverband der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" angemeldeten Demonstration ist der Jahrestag des Bombenangriffs auf Dresden im Februar 1945. Am "Trauermarsch" am 13. Februar 2011 beteiligten sich etwa 1.500 Personen. Massive Proteste gab es von ca. 2.000 Gegendemonstranten, darunter Mitgliedern des gewaltbereiten linksextremistischen Spektrums. Zu drei weiteren Veranstaltungen in Dresden hatte die rechtsextremistische Szene für den 19. Februar 2011 aufgerufen, an denen ca. 3.000 Personen, darunter auch etwa 1.000 gewaltbereite Rechtsextremisten, teilnehmen wollten. Rund 12.500 Gegendemonstranten verhinderten mit Blockaden und Barrikaden die rechtsextremistischen Aufmärsche. Es kam es zu erheblichen Ausschreitungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen und den eingesetzten Polizeibeamten. An einer Veranstaltung am 19. Februar 2011 nahmen auch Bremer Rechtsextremisten teil. "Trauermarsch" der Freien Nationalisten in Bad Nenndorf Am 6. August 2011 fand im niedersächsischen Bad Nenndorf der jährlich vom neonazistischen Veranstalterkreis "Gedenkbündnis Bad Nenndorf" organisierte "Trauermarsch" statt. An dem unter dem Motto "gefangen, gefoltert, gemordet - Damals wie heute: Besatzer raus" stehenden Aufzug nahmen 600 Rechtsextremisten teil. Der 30 Protest richtet sich gegen die angeblichen Folterungen des britischen Geheimdienstes von deutschen Soldaten in den Nachkriegsjahren. Im Kurhaus von Bad Nenndorf hatte das britische Militär damals ein Gefängnis eingerichtet, in dem bis 1947 insbesondere hohe NS-Funktionäre und Mitglieder der SS inhaftiert und verhört waren. Am diesjährigen Aufmarsch nahmen ca. 15 Personen des rechtsextremistischen Spektrums aus Bremen teil. In der Vergangenheit beteiligten sich Neonazis aus Bremen vielfach an Aktionen der rechtsextremistischen Szene im niedersächsischen Umland. Zu konkreten Aktivitäten schließen sich die Neonazis aus Bremen und Niedersachsen zusammen, reisen gemeinsam zu überregionalen rechtsextremistischen Demonstrationen und unterstützen sich gegenseitig bei Veranstaltungen. 3.5 Rechtsextremistische "Mischszene" in Bremen In Bremen besteht eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen NPD, Neonazis, rechtsextremistischen Skinheads und rechtsextremistischen Hooligans. Vielfach lassen sich dadurch die einzelnen Teilbereiche in Bremen kaum mehr unterscheiden und führen zu einer rechtsextremistischen "Mischszene". Nachdem das 2004 von der NPD ausgerufene "Volksfront-Konzept" in Bremen zunächst auf Skepsis gestoßen war, wurde es mit einer gewissen Zeitverzögerung 2006 schließlich umgesetzt. Die Bremer NPD öffnete sich für Angehörige der Neonaziund Skinhead-Szene, die in den folgenden Monaten zahlreich in die Partei eintraten und sogar Führungsfunktionen auf Kreisund Landesebene übernahmen. Wenngleich sich die Angehörigen von Neonaziund subkultureller Szene heute weitgehend wieder aus der Parteiarbeit der NPD zurückgezogen haben, gibt es in Bremen noch eine Vielzahl von personellen Überschneidungen. So ist es z. B. nicht ungewöhnlich, dass ein NPD-Mitglied zugleich in der Neonazi-Szene aktiv ist. Aus dieser Gemengelage ergibt sich eine eigene Gefahr, die weniger aus der ideologischen Verknüpfung der einzelnen Bereiche ihr Bedrohungspotenzial schöpft als vielmehr aus der Verbindung mit gewaltbereiten Teilen befreundeter Gruppierungen. Hier ist etwa auch die Rockerszene Bremens zu nennen, die punktuell über persönliche Kontakte Verbindungen zum Rechtsextremismus aufweist. Auch die Auseinandersetzungen im Rockermilieu und entsprechende "Bandenkriege" stehen daher im Hinblick auf ihre Verbindungen zum Rechtsextremismus im Fokus des LfV Bremen; Gleiches gilt für andere gewaltaffine Gruppierungen mit Bezügen zum Rechtsextremismus. Exkurs: "Autonome Nationalisten" (AN) Die "Autonomen Nationalisten" (AN) sind eine spezielle Ausprägung der NeonaziSzene. Seit 2003 treten sie insbesondere in Großstädten und Ballungszentren in Erscheinung. In Bremen existieren keine festen Strukturen der AN. Die AN gelten als gewaltbereit, insbesondere gegenüber der Polizei und ihren politischen Gegnern. Nachrangig sind für sie theoretisch-ideologische Positionen, sie bedienen sich lediglich einzelner Elemente der rechtsextremistischen Weltanschauung. In ihrem Erscheinungsbild widersprechen die AN dem herkömmlichen Bild eines Neonazis. Sie übernehmen die Bekleidungsstile anderer Jugendkulturen und tragen schwarze Kleidung, Kapuzenpullover und Baseball-Mützen. Darüber hinaus übernehmen sie die Agitationsformen der Linksextremisten, deren Parolen und die Bildung von "Schwarzen Blöcken". 3.6 Sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten Personenpotenzial: ca. 9.800 in Deutschland, davon ca. 7.600 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten, DL ES Im gesamten Phänomenbereich Rechtsextremismus werden ca. 9.800 Personen dem gewaltbereiten Spektrum zugerechnet, schwerpunktmäßig aus der subkulturellen Subkulturelle Szene Szene. Die subkulturell geprägte Szene, zu der insbesondere rechtsextremistische Mit subkultureller Szene sind Skinheads undrechtsextremistisch beeinflusste Hooligans zählen, umfasste 2011 Cliquen gemeint, die wederfest bundesweit rund 7.600 Personen, davon in Bremen etwa 30 Personen. Ebenso wenig strukturiert noch hierarchisch wie in den Vorjahren gingen vonder subkulturellen Bremer Szene 2011 eigene, organisiert sind, sondern vor öffentlichkeitswirksame Aktionen aus. Vielmehr beteiligten sich ihre Angehörigen an allem überdie persönlichen den Veranstaltungen von NPD und"Freien Kräften". Ein Treffpunkt der subkulturell Beziehungen der Cliquengeprägten Rechtsextremisten warbis zu dessen Schließung EndeApril 2011 das mitglieder zusammengehalten Geschäft "Sportsfreund" in der Bremer Innenstadt. Der Betreiber des Geschäfts werden. Ein wesentliches unterhielt Kontakte zur Hooliganund rechtsextremistischen Szene in Bremen. Auf Merkmal ist ihre Gewaltbereitnachhaltigen Druckeiner Bürgerinitiative und anderer demokratischer Kräfte musste schaft, die häufig in Verbindung er das Geschäft "Sportsfreund" schließen. Sein anschließend in der Faulenstraße mit Alkoholkonsum in spontanen eröffnetes Ladengeschäft "Gladiator" bestand nur kurze Zeit. Er musste es bereits Gewaltaktionen mündet. Eine Ende Juni wieder schließen. besondere Bedeutung kommt derFreizeitgestaltung zu, d.h. der gemeinsamen Teilnahme Rechtsextremistische Skinheads an rechtsextremistischen Der subkulturell geprägte Lebensstil stellt die Freizeitgestaltung in den Vordergrund; Veranstaltungen, Demonstratipolitische Arbeit ist rechtsextremistischen Skinheads hingegen eher unwichtig. Sie onen oder Konzerten. vertreten keine gefestigte Ideologie, sondern hängen einem diffusen rechtsextremistischen Weltbild an, in dem Fremdenfeindlichkeit und Rassismus die zentralen Elemente sind. Skinheads 'Skinhead ist eine SammelbeInsbesonderedas Erscheinungsbild der Skinheads hat sich in denletzten Jahren zeichnung für eine sehr heterowesentlich verändert: Während sie vor einigen Jahren noch anihrer Glatze, an gene, jugendlich dominierte Springerstiefeln und Bomberjacken leicht erkennbar waren, fallen sie heute mit 'Subkultur. Die Skinhead-Bewenormaler Kleidungin der Öffentlichkeit kaum auf. Als Erkennungszeichen dienen gungbesteht aus vielen verhauptsächlich bestimmte szenetypische Kleidungsmarken (z.B. "Masterrace" schiedenen Gruppierungen, oder "Consdaple"), die oftmals nur noch von "Eingeweihten" als Identifikationswobei rechtsextremistische merkmale zu erkennen sind. Das entscheidende Merkmal ist nicht länger die Skinheads lediglich einen kleinen äußere Erscheinung, sondern vor allem die Musik. Sie sorgt für den nötigen Teil der Bewegung ausmachen. Zusammenhalt einer Szene, die kaum feste oder organisierte Strukturen kennt. ZumBeispiel gibt es auch antirassistische Skinheads, die "Skinheads Against Racial Bremer Skinhead-Bands Prejudice" (SHARP). Der Begriff Die rechtsextremistische Szene Bremens ist insbesondere durch ihre vier SkinheadSkinhead wird fälschlicherweise Bands "Hetzjagd", "Endlöser", "Endstufe" und "Strafmass" deutschlandweit bekannt. häufig synonym zu Neonazi 'Aktivitäten entwickelte im Jahre 2011 jedoch nur die Gruppe "Endstufe". Die rechtsgebraucht. extremistische Musik hat ihren Ursprung in der Skinhead-Bewegung der 1960/70erJahre und entwickelte sich seit Mitte der 1980er-Jahre auch in Deutschland. Entscheidendist ihre "Klammerfunktion", sie hält nicht nur die Skinhead-Szene zusammen, sondern ist gleichzeitig auch das verbindende Element zwischen Skinhead-, NeonaziSzene und den Parteien. Auftritte rechtsextremistischer Musikgruppen und sogenannter Liedermacher bei Veranstaltungen der NPD oder bei Sommerfesten des "Deutsche Stimme"-Verlages gehören zur Normalität. CD-Cover der Skinhead-Band Der Einstieg von Jugendlichen in die Skinhead-Szene oder bei den "Autonomen "Strafmass" Nationalisten" erfolgt oftmals über die Skinhead-Musik, durch die typisch rechtsextremistische Feindbilder leicht vermittelt werden können. Konzerte haben dabei zwei wichtige Funktionen, zum einen gebensie die Gelegenheit für Szene-Treffen und zum anderen stärken se das Zusammengehörigkeitsgefühl, weil sie regelmäßig konspirativ organsert sind. Die meisten rechtsextremistischen Konzerte finden nach wie vor n Ostdeutschland statt. In Bremen war 2011 zwar kein Konzert einer einschlägigen Skinhead-Band zu verzeichnen, jedoch verlagern die aus Bremen stammenden Bands ihre Aktivitäten vielfach in das niedersächsische Umland. So hat im Berichtsjahr en Konzert der Band "Endstufe" in Stuhr stattgefunden. DerSenator für Inneres und Sport sowie das LfV Bremen weisen ausdrücklich auf die Gefahrhin, dass rechtsextremistische Musikvielfach als "Einstiegsdroge" für junge Menschenin den Rechtsextremismus dient. Sie ist auch Gegenstand der Präventionsarbeit des LfV Bremen im Bereich Rechtsextremismus und war daher beispielsweise einer der thematischen Schwerpunkte einer vom Verfassungsschutz 2010 gezeigten Ausstellung in Bremen. Die Hooligan-Szene ist über Bremenhinaus bekannt, lurch ihre drei Hooligan-Gruppierungen "Standarte Bremen", "City Warriors" und "Nordsturm Brema". Diese Gruppierungen Hooliganssind fanatische, sind rechtsextremistisch beeinflusst, das heißt, dass einzelne Mitglieder überzeugte gewaltbereite Fans eines Rechtsextremisten sind. Vereins, im Rahmen von Sportereignissen durchihre In der Regel sind Hooligans unpolitisch, lediglich ein kleiner Teil ist fremdenfeindlich Gewalttätigkeiten auffallen. motiviert. Seit den 1980er-Jahren versuchen Rechtsextremisten, sowohl Hooligans Sie verabreden sich gezielt zu gezielt abzuwerben und sie fürihre politischen Ziele zu instrumentalisieren als auch Kämpfen mit Hooligans anderer die Hooligan-Szene zu unterwandern. Vereine und betrachten dies als ihren Sport ("3. Halbzeit'). In Bremen bestehen enge Verbindungen zwischen der Hooliganund der Neona"Hooligan" ist ein Kunstbegriff zi-Szene. Verbindungsglied zwischen der Hooligan-Szene undden "Freien Natioaus dem Englischen und wird nalisten Bremen" ist ein bekannter, überregional agierender Neonazi. Diese enge sinngemäßmit "Straßenrowdy", Verflechtung führte in der Vergangenheit dazu, dass Mitglieder der "Standarte "Halbstarker" oder "Rabauke" Bremen" sowie "Nordsturm Brema" an rechtsextremistischen Veranstaltungen übersetzt. teilnahmen. Sieben Mitglieder der rechtsextremistisch beeinflussten Hooligan-Szene mussten sich 2011 in einem Strafverfahren vor dem Bremer Amtsgericht verantworten. Sie hatten sich im Januar 2007 an einem Überfall auf eine Feier der Werder-Fangruppe "Racaille Verte" im Ostkurvensaal des Weserstadions beteiligt. Am 29. September 2011 verurteilte das Amtsgericht die Angeklagten wegen schweren Hausfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu Geldstrafen. Vier Hooligans legten gegen das Urteil Rechtsmittel ein. 33 3.7 Bremer Aussteigerprogramm Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gehört auch die Unterstützung von Personen, die aus der Szene aussteigen möchten. So verfügt das Land Bremen seit einigen Jahren über ein Hilfsangebot zur Unterstützung von ausstiegswilligen Rechtsextremisten. Ziel ist laut Senatsbeschluss vom 24. August 2004: "nicht nur einen Einstieg in die rechtsextremistische Szene bestmöglich zu verhindern, sondern auch zum Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene zu veranlassen." Um eine eventuelle Hemmschwelle möglichst zu vermeiden, ist die Kontaktaufnahme über eine nichtstaatliche Institution vorgesehen. Ansprechpartner Vereinigte Protestantische Gemeinde zur Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche in Bremerhaven: Tel.: 0471-41 26 47, E-Mail: buero.grossekirche@kirchebremen.de 4 Linksextremismus Seitenzahl 35 36 Ei] [72 44 En E02 ee 4 Linksextremismus Im Jahr 2011 standen im Fokus gewalttätiger Agitationen des autonomen linksextremistischen Spektrums die Wahlkampfaktivitäten der NPD zur Bürgerschaftswahl am 22. Mai 2011 sowie die NPD-Demonstration am 30. April 2011. Autonome Linksextremisten verübten in diesem Rahmen Brandanschläge auf Fahrzeuge von NPD-Funktionären in Bremen und Bremerhaven. Auch im übrigen Bundesgebiet wurden durch Linksextremisten Brandanschläge verübt. Im Fokus standen hierbei vor allem in Berlin und Hamburg Anschläge auf Fahrzeuge als "Symbole des Kapitalismus". Darüber hinaus wurden Kabelschächte von Bahnanlagen Ziele linksextremistisch motivierter Anschläge, um gegen die Deutsche Bahnals Unterstützer des Bundeswehreinsatzesin Afghanistan und der Atomindustrie zu protestieren. 4.1 Ideologie des Linksextremismus "Den" Linksextremisten gibt es nicht. Innerhalb des linksextremistischen Spektrums gibt es stark voneinander abweichende Positionen. Einig sind sich Linksextremisten Merkmale des aller Schattierungen jedoch darin, dass es die bestehende als imperialistisch, kapitaLinksextremismus listisch oderrassistisch bezeichnete Staatsund Gesellschaftsordnung zu überwinden gilt. Das Ziel soll dabei unter Missachtung der Grundwerte derfreiheitlichen 1. Bekenntnis zum Marxismusdemokratischen Grundordnung erreicht werden und würde grundlegende Prinzipien Leninismus als "wissenschaftder Verfassung außer Kraft setzen. Betroffen wären davonnicht nur das in der liche" Anleitung zum Handeln; Verfassung verankerte Rechtsstaatsoder Demokratieprinzip, sondern insbesondere daneben, je nach Ausprägung auch die individuellen Freiheitsrechte. der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien Linksextremisten lassensich grob in zwei Hauptströmungen einteilen: Auf der vonStalin, Trotzki, Mao Zedong einenSeite gibt es die dogmatischen Marxisten-Leninisten, derenZiel eine sozialisund anderen tisch-kommunistische Gesellschaftsordnung ist und die überwiegend in Parteien 2. Bekenntnis zur sozialistischund festen Gruppen organisiert sind. Auf der anderen Seite existieren die meist in kommunistischen Transformalosen Zusammenhängen agierenden Autonomen und Anarchisten, derenZiel tion der Gesellschaft mittels nicht konkret beschriebene "klassenund herrschaftsfreie Gesellschaft" ist, eines revolutionären Umjedoch mit den Werten des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. sturzes oderlangfristiger revolutionärer Veränderungen Linksextremisten engagieren sich häufig für Themen, die für sich betrachtet nicht 3. Bekenntnis zur Diktatur extremistisch sind. Auf diese Weise versuchensie, ihre politischen Vorstellungen des Proletariats oder zu einer in die Gesellschaft zu tragen. Dafür sind sie bereit, sich an bürgerlich-demokratischen herrschaftsfreien (anarchisBündnissenzu beteiligen undihre eigenenZiele kurzfristig in den Hintergrund zu tischen) Gesellschaft stellen. Mit dieser Taktik gelingt es Linksextremisten immer wieder, insbesondere 4. Bekenntnis zur revolutionären im Bereich "Antifaschismus", mit bürgerlich-demokratischen Gruppierungen zusamGewalt als bevorzugter oder -- menzuarbeiten, ihre extremistischen Ansichten im Grunde ablehnen. je nach den konkreten Bedingungen - taktisch einzusetzender Kampfform 4.2 Autonome Personenpotenzial: ca. 6.400 in Deutschland ca. 200 in Bremen 36 Der autonomen Szene in Deutschland waren im Jahr 2011 etwa 6.400 gewaltorientierte Anhänger zuzurechnen. In Bremen kann die autonome Szene zu bestimmten Anlässen, beispielsweise zu Spontandemonstrationen gegen Neonazis, kurzfristig bis zu 200 Personen mobilisieren. Ziel von Autonomen ist das Abschaffen jeglicher Form von "Herrschaftsstrukturen". Sie lehnen sowohl gesellschaftliche Normen und Zwänge als auch den demokratischen Verfassungsstaat - den sie als "staatlichen Repressionsapparat" bezeichnen - sowie seine Einrichtungen ab. Autonome erheben den Anspruch, nach eigenen Regeln leben zu können, und streben nach einem hierarchiefreien, selbstbestimmten Leben innerhalb "herrschaftsfreier" Räume. Ideologisch beziehen sie sich vor allem auf anarchistische und kommunistische Theoriefragmente, wobei ihre ideologischen Vorstellungen insgesamt diffus bleiben. Da formelle Strukturen und Hierarchien grundsätzlich abgelehnt werden, ist die autonome Szene stark fragmentiert und besteht hauptsächlich aus losen Personenzusammenschlüssen. Autonome erachten ihre Eigenund Selbstständigkeit für so wichtig, dass sie sich in der Regel in keine festen politischen Strukturen integrieren. In den vergangenen Jahren war allerdings festzustellen, dass Teile der Szene wie z.B. die Gruppe "Avanti" nicht mehr prinzipiell die Organisierung ablehnen, sondern diese bis zu einem gewissen Grad als geeignet ansehen, um größere politische Bedeutung zu erlangen. "Avanti - Projekt undogmatische Linke" Die Gruppe "Avanti - Projekt undogmatische Linke" gründete sich 1989 aus autonomen Gruppierungen in Schleswig-Holstein. Das Ziel von "Avanti" ist die revolutionäre Überwindung der bestehenden Gesellschaft. Mit der Auffassung, dass die Systemüberwindung eine Organisierung der Kräfte voraussetzt, hebt sich die Gruppe von der typischen organisationsablehnenden Einstellung autonomer Gruppierungen ab. So besteht "Avanti" aus acht Ortsgruppen in Norddeutschland, u.a. in Bremen und Hamburg, und engagiert sich zur besseren überregionalen Vernetzung in der "Interventionistischen Linken". Dies ist ein bundesweiter Zusammenschluss von linksextremistischen autonomen sowie nichtextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen, der sich um die Organisierung des radikalen linksextremistischen Spektrums bemüht. "Avanti" ähnelt in ihrer theoretischen Ausrichtung eher revolutionär-marxistischen Organisationen als autonomen Gruppierungen. Die Aktionsformen von "Avanti" gleichen wiederum denen der autonomen Szene. Die Bremer Ortsgruppe ging im Juni 2008 aus der Gruppe "solid.org - Organisierung linker Basisgruppen" hervor, die wiederum aus dem PDS-nahen Jugendverband "['solid] - die sozialistische Jugend" entstanden war. "Avanti Bremen" engagierte sich 2011 im Aktionsfeld "Antifaschismus" für die Proteste gegen den Wahlkampf der NPD. Die Gruppe war aber auch in den Bereichen "Antirepression" und "AntiAtom" aktiv. Gewalt als legitimes Mittel Die Anwendung von Gewalt ist innerhalb der autonomen Szene kaum umstritten. Autonome befürworten Gewalt gegen den Staat, seine Einrichtungen und Repräsentanten sowie gegen rechtsextremistische Strukturen und Personen zur Durchsetzung ihrer politischen Forderungen. Ihre "militanten Aktionen" rechtfertigen sie u. a. mit der von Staat und Gesellschaft ausgehenden "strukturellen Gewalt". Darüber hinaus ist Gewalt für die autonome Szene ein identitätsstiftendes Element, zum Teil sehen Angehörige der Szene in der Anwendung von Gewalt einen Akt der Selbstbefreiung. Mit dem Selbstverständnis, politische Ziele gewaltsam zu verfolgen, setzen sich Autonome über das Gewaltmonopol des Staates und den Grundkonsens demokratischer Verfassungsstaaten hinweg, gesellschaftspolitische Veränderungen ausschließlich auf demokratischem Wege herbeizuführen. Gewaltsame Aktionen betreffen somit alle Aktionsfelder und werden von Autonomen hauptsächlich in zwei Konstellationen ausgeübt: einerseits im Rahmen von Demonstrationen sowie anderseits bei Anschlägen auf Gebäude und Fahrzeuge. 37 . Gewalt im Rahmen von Demonstrationen Die massiven gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizisten und den "politischen Gegner" im Rahmen linksextremistischer autonomer Demonstrationen, wie z. B. am 1. Mai in Berlin oder dem "Schanzenfest" in Hamburg, stellen regelmäßig ein zentrales Problem für die öffentliche Sicherheit dar. Die Verletzung von Polizeikräften, die u. a. mit Steinen, Molotowcocktails und Feuerwerkskörpern beworfen werden, wird dabei zumindest billigend in Kauf genommen. An solchen gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligen sich häufig auch unpolitische Jugendliche. In der Regel geht es ihnen ebenso wie sehr jungen Angehörigen der autonomen Szene jedoch weniger um konkrete politische und auf die Systemüberwindung ausgerichtete Ziele als mehr um den "Erlebnischarakter", der von solchen Ereignissen ausgeht, oder das Ausleben eines vorhandenen Aggressionspotenzials. Ein großer Teil dieser gewaltorientierten Jugendlichen kehrt mit dem Autonome demonstrieren in Älterwerden in den nichtextremistischen Bereich zurück. Bremen gegen den Aufmarsch der NPD In Bremen gab es im Rahmen von autonomen Demonstrationen oder solchen mit autonomer Beteiligung seit Langem keine Ausschreitungen in der Form, dass Barrikaden errichtet und in Brand gesetzt oder Geschäfte geplündert worden sind. Dennoch kommt es auch in Bremen im Rahmen von Demonstrationen unter Beteiligung der autonomen Szene immer wieder zu Sachbeschädigungen und der Verletzung von Polizisten. Autonome Linksextremisten führten im Frühjahr 2011 gezielt gegen einzelne Wahlkampfveranstaltungen der NPD massive Proteste durch. Teilweise beteiligten sie sich auch an Protesten des bürgerlichen Spektrums. Im Zuge dieser Protestaktionen wurden NPD-Mitglieder und -Sympathisanten durch Autonome nicht nur mit Toilettenpapier, Obst und Gemüse beworfen, sondern auch mit Flaschen und Steinen. Ein besonders hohes Aggressionsund Gewaltpotenzial zeigten Autonome im Anschluss einer NPD-Kundgebung im April 2011 auf dem Bremer Domshof, als sie einen gusseisernen Gullydeckel auf einen voll besetzten Transporter der NPD warfen. Nur durch Zufall gab es keine Schwerverletzten. Das Einschreiten der Polizei verhinderte in diesem wie in mehreren anderen Fällen während des NPD-Wahlkampfs schwerere gewaltsame Auseinandersetzungen und Übergriffe. . Anschläge auf Gebäude und Fahrzeuge Im Jahr 2011 beschränkten sich gewalttätige Aktionen der autonomen Szene nicht nur auf Demonstrationen. Vielmehr wurden darüber hinaus Brandanschläge und Sachbeschädigungen unterschiedlicher Art und Intensität ebenfalls zahlreich verübt. Brandanschläge auf Fahrzeuge als "Symbole des Kapitalismus" waren insbesondere in Berlin und Hamburg an der Tagesordnung. Ein weiteres Ziel waren im Jahr 2011 Kabelanlagen der Deutschen Bahn. Während einige Brandsätze durch die Bundespolizei entschärft werden konnten, führten Brandanschläge auf mehreren Bahnstrecken zu massiven Beeinträchtigungen im Zugverkehr. Ihrer logistischen Dienstleistungen wegen gelten die Deutsche Bahn, aber auch das Postund Logistikunternehmen DHL bei Autonomen als Unterstützer sowie "Profiteure" des aus autonomer Sicht abzulehnenden Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Die Deutsche Bahn wird aufgrund der Castortransporte als Unterstützerin der Atomindustrie gesehen. In Bremen und Bremerhaven wurden im Frühjahr 2011 während des NPD-Wahlkampfes durch autonome Linksextremisten insgesamt sieben Brandanschläge auf Fahrzeuge von NPD-Funktionären verübt. Im März 2011 wurde der Motorroller eines NPD-Kandidaten durch einen Brandanschlag zerstört. Diese Aktion wurde am Tag darauf auf der Internetseite "end of road" wie folgt kommentiert: "Der NPD muss spätestens jetzt klar sein, dass es auf allen Ebenen Widerstand gegen ihre men38 schenverachtende Politik geben wird! Schöne Aktion! Der NPD den Wahlkampf versauen!" Weitere Brandanschläge ereigneten sich im April und Mai in Bremen und Bremerhaven. Betroffen waren jeweils Fahrzeuge von weiteren Funktionären der NPD, das Fahrzeug des Landeswahlkampfleiters und Spitzenkandidaten der Partei sowie ein Transporter des NPD-Landesverbandes. Obwohl es sich stets um gezielte Anschläge zum Nachteil von Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum handelte, gerieten in zwei Fällen auch Fahrzeuge unbeteiligter Personen durch überschlagende Flammen in Brand. Weitere Brandanschlagsserien im Jahr 2011 gegen Fahrzeuge und Müllcontainer haben nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse keinen linksextremistischen Hintergrund. Hierzu zählt unter anderem eine Reihe von Anschlägen im September 2011 in den Stadtteilen Neustadt, Woltmershausen und Huchting. Nicht nur im Rahmen des Wahlkampfes kam es in Bremen im Jahr 2011 zu Straftaten mit linksextremistischem Bezug. Im Februar 2011 wurden mehrere Gebäude durch Farbanschläge beschädigt. Eine Bankfiliale in Bremen war gleich dreimal betroffen. Hierbei handelte es sich um Solidaritätsaktionen im Zusammenhang mit der Räumung eines besetzten Hauses in der Berliner Liebigstraße 14. Ein Brandanschlag auf ein Fahrzeug im Bremer Steintorviertel im Februar 2011 stand ebenfalls in diesem Kontext. Im September 2011 kam es zu massiven Sachbeschädigungen am Kontaktbüro der Polizei in der Bremer Innenstadt. Unbekannte Täter zerstörten die Fenster und verwüsteten den Innenraum des Büros. Einem Bekennerschreiben zufolge, das auf der Internetseite "end of road" veröffentlicht wurde, war die Tat eine Reaktion auf die Räumung eines von autonomen Gruppen besetzten Hauses im spanischen Bilbao. Weitere Sachbeschädigungen standen im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Frankreich Ende Mai 2011, wobei zwei Bankfilialen durch Steinwürfe und Farbbeutel beschädigt wurden. Die Täter besprühten die Fassaden mit Parolen wie "Banken sind Mörder" und "smash G8". In Bremen war 2011 gegenüber dem Vorjahr insgesamt zwar ein Anstieg von linksextremistischen Gewaltund Straftaten festzustellen, allerdings war dieser auf die besondere Situation im Zusammenhang mit dem NPD-Wahlkampf zurückzuführen. Aktionsfelder der Autonomen Im Jahr 2011 fanden die meisten Aktivitäten der autonomen Szene in den Aktionsfeldern "Antifaschismus" und "Antirepression" statt. Auch in den Aktionsfeldern "Anti-Atom" und "Antirassismus" zeigte sich die Szene Bremens aktiv. Das Feld "Antirassismus" gewann verglichen mit dem Vorjahr wieder etwas stärker an Bedeutung, während das Feld "Soziale Kämpfe", das noch im Jahr 2010 einen der Aktivitätsschwerpunkte der autonomen Szene in Bremen darstellte, von nachrangiger Bedeutung war. Auch in dem Aktionsfeld "Antimilitarismus" waren in diesem Jahr nur vereinzelte Aktivitäten zu verzeichnen. Die Schwerpunktverschiebung zeigt, dass die autonome Szene mit ihren politischen Aktivitäten hauptsächlich auf aktuelle politische Ereignisse reagiert; selten setzt sie eigene Themen im politischen Diskurs. Die subjektive Betroffenheit bestimmt maßgeblich das autonome Handeln und damit das autonome Politikverständnis. 4.2.1 Aktionsfeld "Antifaschismus" Im Bereich der "Antifaschismusarbeit" sind neben einer Vielzahl unterschiedlicher demokratischer Akteure und Bündnisse auch linksextremistische Organisationen und Gruppierungen tätig. Für Linksextremisten stellt die Bekämpfung von rechtsextremistischen Strukturen und Personen jedoch nur ein vordergründiges Ziel dar. Ihr tatsäch39 liches Angriffsziel ist das "bürgerliche und kapitalistische System" und die angeblich ihm zugrunde liegenden faschistischen Wurzeln. Dem Antifaschismusverständnis von Linksextremisten zufolge muss die freiheitliche demokratische Grundordnung abgeschafft werden. Zur Vergrößerung ihres politischen Einflusses, zur Gewinnung neuer Anhänger und zur Mobilisierung breiter Massen beteiligen sich autonome Gruppierungen jedoch häufig an bürgerlich-demokratischen Bündnissen und versuchen, neben aller Einigkeit mit den Zielen der bürgerlichen Bündnispartner, diese Bündnisse aber auch für ihre linksextremistischen Zwecke zu missbrauchen. Das Hauptbetätigungsfeld der autonomen Szene in Bremen war im Jahr 2011 die "Antifaschismusarbeit", in deren Mittelpunkt die Proteste gegen den Wahlkampf der NPD und einen Aufmarsch der Partei in der Bremer Neustadt am 30. April 2011 standen. Außerdem unterstützte die autonome Szene Demonstrationen gegen rechtsextremistische Strukturen in Bremen und rechtsextremistische Aufmärsche in Bündnisse mobilisieren mehreren deutschen Städten. Im linksextremistischen Aktionsfeld "Antifaschismus" zu Protesten sind verschiedene Gruppen in Bremen tätig, z.B. die Bremer "Antifa", die "Basisgruppe Antifaschismus" und der "Antifa Arbeitskreis" der Gruppe "Avanti - Projekt undogmatische Linke". Protestaktionen gegen NPD-Wahlkampfveranstaltungen Mit dem Aufruf, den "Wahlk(r)ampf versauen!" oder "Nazis sabotieren! (NPD-) Wahlkampf verhindern!", schlossen zahlreiche Artikel und Berichte, die während des NPD-Wahlkampfes auf der von der autonomen Szene genutzten Internetseite "end of road" veröffentlicht wurden. Die linksextremistische autonome Szene mobilisierte nicht nur zu Protesten gegen öffentliche NPD-Wahlkampfveranstaltungen und Informationsstände, sondern rief auch zum Zerstören von NPD-Wahlkampfplakaten auf. Alle öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen der Bremer NPD wurden von Gegenprotesten begleitet. Auch soweit NPD-Kundgebungen nicht öffentlich beworben worden waren, hatten die zumeist autonomen Gegendemonstranten stets im Voraus Kenntnis von den Terminen und protestierten mit bis zu 200 Personen gegen die Veranstaltungen der NPD. Im Januar 2011 demonstrierten darüber hinaus etwa 40 Personen, überwiegend aus dem autonomen Spektrum, gegen die Eröffnung des NPD-Parteibüros in Bremerhaven-Surheide. Zuvor hatten Autonome den NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt, der sich auf der Anreise nach Bremerhaven zur Eröffnungsfeier des Parteibüros befand, am Bremer Hauptbahnhof an der Zugfahrt gehindert. Die kurzfristige Mobilisierungsfähigkeit der autonomen Szene Bremens wurde insbesondere im Rahmen einer Protestaktion gegen einen Informationsstand der NPD in Bremen im März 2011 deutlich. In einem auf der Internetseite "end of road" veröffentlichten Artikel hieß es dazu: "Positiv anzumerken ist sicherlich die schnelle Mobilisierung, so dass binnen 15 Minuten nach dem ersten Bekannt werden schon 20 Menschen direkt vor Ort und einige in der Umgebung waren!" (Fehler im Original) Autonome Linksextremisten mobilisieren gegen Aufmarsch der NPD am 30. April 2011 Um vor allem die Proteste gegen den Aufmarsch der rechtsextremistischen NPD am 30. April 2011 organisieren und eine möglichst hohe Teilnehmerzahl mobilisieren zu können, gründete sich im Januar 2011 das übergeordnete Dachbündnis "Keinen 40 Meter", das von demokratischen Kräften initiiert und getragen wurde. Innerhalb des Dachbündnisses engagierten sich aber auch linksextremistische autonome Gruppen wie u.a. die "Antifa Bremen" oder "Avanti Bremen". Sie gründeten innerhalb des demokratischen Dachbündnisses ein eigenes Bündnis mit der Bezeichnung das "antifaschistische 'Keinen Meter'-Bündnis" und lehnten sich namentlich somit an das Motto des Gesamtbündnisses an. Auch über das Bündnis hinaus mobilisierte die autonome Szene zu Protesten gegen die NPD-Demonstration und kündigte gewaltMobilisierung zu Protesten mit same Aktionen bereits weit im Vorfeld an. In einem Mobilisierungsvideo, das im April fiktivem "Tagesschau"-Beitrag 2011 auf der Internetplattform "Youtube" und auf der von der autonomen Szene genutzten Internetseite "end of road" erschienen war, wurde anschaulich zu gewaltsamen Protesten gegen die rechtsextremistische Demonstration und die Polizei aufgerufen. Der fiktive Bericht erfolgte im Stil der Nachrichtensendung "Die Tagesschau" und endete mit den Worten, dass es "an diesem 1. Mai zu den schwersten Ausschreitungen in der Nachkriegsgeschichte Bremens gekommen" sei. Tatsächlich verliefen die Proteste aufgrund der starken Polizeipräsenz weitgehend friedlich. Proteste gegen NPD-Aufmarsch am 30. April 2011 Am 30. April 2011 setzten sich zeitweilig rund 400 gewaltorientierte Autonome aus Bremen und weiteren deutschen Städten in einem "schwarzen Block" an die Spitze der Demonstration des Gesamtbündnisses, das insgesamt etwa 4.000 Personen zur Teilnahme mobilisieren konnte. Obwohl beide Demonstrationsrouten durch die Bremer Neustadt führten und nicht weit voneinander entfernt lagen, konnte die autonome Szene ihr Ziel, die rechtsextremistische Demonstration der Bremer NPD zu blockieren, nicht in die Tat umsetzen, auch wenn sie sich im Vorfeld gezielt auf das Durchbrechen von Polizeiketten vorbereitet hatte und immer wieder Durchbruchversuche unternahm. Bei den Auseinandersetzungen zwischen autonomen Linksextremisten und der Polizei gab es sieben verletzte Personen. Vereinzelt wurden Polizisten mit Steinen und Flaschen beworfen, Barrikaden errichtet, Müllcontainer sowie ein Fahrzeuganhänger in Brand gesetzt. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke gegen gewalttätige Gegendemonstranten ein. Nach Beendigung der NPD-Demonstration blockierten mehrere Hundert Gegendemonstranten die Bahngleise im Bereich des Neustädter Bahnhofes und verzögerten damit die Abreise der Rechtsextremisten aus Bremen. Linksextremistische Autonome kritisierten im Nachgang vor allem den Polizeieinsatz, sie übten jedoch auch Selbstkritik. Von dem Ziel, "den Nazis keinen Meter!" zu überlassen, seien sie an diesem Tag weit entfernt gewesen. Autonome unterstützen Proteste gegen "rechte Strukturen" in und außerhalb Bremens Den Kampf gegen Rechtsextremismus und "rechte" Strukturen setzte die autonome Szene Bremens auch nach Beendigung des NPD-Wahlkampfes fort. Nicht nur in Bremen, sondern auch in anderen Städten schlossen sich die Autonomen dem Protest gegen rechtsextremistische Aufmärsche an, machten mittels Demonstrationen die Öffentlichkeit auf "rechte" Szene-Läden aufmerksam oder protestierten gegen Konzerte einer "rechten" Band. . Autonome Proteste in Bremen Unter dem Motto "Rechte Gewalt stoppen!" demonstrierten in Bremen im September 2011 rund 800 Personen, darunter 300 autonome Linksextremisten aus Bremen und dem Umland, gegen die "Verharmlosung von rechter Gewalt". Hintergrund der Protestaktion war ein Strafprozess vor dem Amtsgericht Bremen gegen sieben Personen, die im Januar 2007 die Jubiläumsfeier der Werder-Fangruppierung "Racaille Verte" im Ostkurvensaal des Weserstadions überfielen. Unter den Angeklagten waren auch Angehörige der rechtsextremistischen Szene. Laut Meinung der Initiatoren der Demonstration wurden die strafbaren Handlungen der sieben Angeklagten vom Gericht als szenetypische Auseinandersetzungen zwischen Fangruppen bewertet und dadurch bagatellisiert, statt sie als einen Gewaltakt von Rechtsextremisten zu werten und die Täter entsprechend zu bestrafen. 41 Im November 2011 protestierten rund 250 autonome Linksextremisten in einem "schwarzen Block" an der Spitze einer Demonstration mit etwa 650 Teilnehmern in der Bremer Innenstadt. Der Protestmarsch richtete sich gegen ein geplantes Konzert der Musikgruppe "Kategorie C - Hungrige Wölfe". Direkt im Anschluss an die Abschlusskundgebung kam es zu Übergriffen auf etwa sieben Personen, die durch die Demonstrationsteilnehmer dem "rechten" Spektrum zugeordnet wurden. Das Einschreiten der Polizei verhinderte eine weitere Eskalation. Zwei Demonstrationen im April und Juni 2011 richteten sich gezielt gegen in der "rechten" Szene beliebte Geschäfte. Rund 100 Demonstrationsteilnehmer, die überwiegend der autonomen Szene angehören, protestierten in Bremen-Hastedt gegen den Laden "Sieg oder Spielabbruch". Eine weitere Demonstration mit rund 150 Teilnehmern Anfang Juni 2011 in der Bremer Innenstadt richtete sich gegen das Geschäft "Gladiator". Autonome "Recherchearbeit" Die "Recherchearbeit" der autonomen Antifaschisten spielt eine wichtige Rolle. Bei der linksextremistischen "Aufklärungsarbeit" werden Beobachtungen und Informationen über die rechte Szene in Bremen sowie aus dem niedersächsischen Umland gesammelt und im Internet veröffentlicht, oder führen, wie am Beispiel des "Ladenschluss 2.0"-Bündnisses deutlich wird, zu handlungsorientierten Aktivitäten. . Autonome Proteste in Bremen Breite Bündnisse zwischen nichtextremistischen Gruppierungen, an denen sich auch autonome Linksextremisten beteiligen, rufen jedes Jahr zu Blockadeaktionen auf, um rechtsextremistische Aufmärsche zu verhindern. Die Mobilisierung erfolgt nicht nur lokal, sondern häufig bundesweit mit Mobilisierungsveranstaltungen in vielen Städten. Diese werden zumeist von autonomen Gruppen vor Ort organisiert. Bei den Protesten selbst kommt es zum Teil zu erheblichen Ausschreitungen. Autonome Linksextremisten aus Bremen unterstützten auch im Jahr 2011 die erfolgreichen Blockadeaktionen gegen den rechtsextremistischen "Trauermarsch" im Februar 2011 in Dresden. An den Protesten beteiligten sich rund 12.500 Personen, Plakat des Bündnisses davon etwa 3.500 gewaltorientierte Linksextremisten. Den Aufruf zu "Massenblocka"no pasaran!" den" initiierte das überwiegend aus nichtextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen bestehende Bündnis "Nazifrei - Dresden stellt sich quer" und das von Linksextremisten dominierte Bündnis "no pasaran!". Letztere lieferten sich neben friedlichen Aktionen und Sitzblockaden gewalttätige Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten und der Polizei. Innerhalb der linksextremistischen autonomen Szene mobilisierte u.a. die Gruppierung "Avanti" als Teil des linksextremistischen Bündnisses "no pasaran!" bundesweit für die Teilnahme an den Protesten. "Avanti Bremen" organisierte im Vorfeld einen Aktionsund Informationstag in Bremen. Zu massiven Übergriffen auf die Polizei kam es auch in Dortmund am 3. September 2011, als rund 5.000 Personen, darunter etwa 800-1.000 Autonome, gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten protestierten. An dieser Protestaktion beteiligten sich Angehörige der autonomen Szene Bremens ebenso wie im Verlauf des Jahres an weiteren entsprechenden Demonstrationen gegen Rechtsextremisten, u.a. in Lübeck, Bad Nenndorf, Tostedt und Leipzig. 4.2.2 Aktionsfeld "Antirepression" Das Themenfeld "Antirepression" war wie bereits in den Vorjahren für die autonome Szene Bremens von zentraler Bedeutung. Insbesondere für gewaltbereite Linksextremisten stellt die Auseinandersetzung mit "staatlicher Repression" seit jeher einen 42 Aktionsschwerpunkt dar. Im Mittelpunkt der Kritik stehen vor allem polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen. Weiterer Schwerpunkt der "Antirepressionsarbeit" ist die Schaffung und Verteidigung von "Freiräumen", dazu zählen in erster Linie besetzte Häuser oder selbstverwaltete Projekte. Im Aktionsfeld "Antirepression" engagiert sich der Großteil der autonomen Bremer Gruppierungen vor allem bei konkreten Anlässen. Bremer Autonome protestieren gegen die Räumung besetzter Häuser Im Februar 2011 wurde in Berlin ein seit 1990 von der "linken" Szene besetztes Wohnhaus in der Liebigstraße 14 von der Polizei geräumt. Die linksextremistische autonome Szene Berlins organisierte zahlreiche Protestaktionen, bei denen es teilweise zu erheblichen gewalttätigen Ausschreitungen kam. Bundesweit bekundeten Autonome ihre Solidarität mit der Berliner Szene und veranstalteten spontane Demonstrationen gegen "staatliche Repression". Auch in Bremen demonstrierten etwa 100 Personen des linksextremistischen autonomen Spektrums an zwei Abenden spontan in der Innenstadt. Autonome Szene veröffentlicht "Polizeibericht Bremen 2010" Aus autonomer Sicht ist die Polizei ein "Handlanger" des "staatlichen Repressionsapparates" und somit immer wieder Angriffsziel autonomer Aktivitäten. So veröffentlichten Angehörige der linksextremistischen autonomen Szene Bremens Ende Februar 2011 die Broschüre "Informationen zur politischen Bildung 181 - Polizeibericht Bremen 2010". Titel und Titelbild ähneln dem vierteljährlich erscheinenden Magazin der "Bundeszentrale für politische Bildung". Im Vorwort der Broschüre heißt es: "Repression - Wenn dein Weg über kurz oder lang nicht an ihr vorbeiführt, ergeht es dir wie vielen anderen, die sich für linksradikale und autonome Politik stark machen." Die Verfasser hoffen, mit "dieser Lektüre einige Anregungen dazu zu bieten, wie ein adäquater Umgang mit den Bullen in Zukunft aussehen könnte". In der 55-seitigen Broschüre werden die Organisationsstruktur der Polizei Bremen, einzelne Polizeireviere und Spezialeinheiten wie das "Mobile Einsatz Kommando" ausführlich dargestellt. Ebenfalls wird über polizeiliche Einsatztaktiken sowie finanzielle und materielle Ausstattung der Polizei informiert. Angehörige der autonomen Szene Berlins hatten in den vergangenen Jahren bereits ähnliche "Polizeiberichte" herausgegeben und unterstützten die Autonomen Bremens bei der Erstellung des "Polizeiberichts Bremen 2010". Dies zeigt die anlassund projektbezogene Zusammenarbeit verschiedener autonomer Szenen in Deutschland. Protestaktion gegen G8-Gipfel 2011 Die Treffen der Staatsund Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen (G8) wurden in den vergangenen Jahren stets von gewaltsamen Protesten am Tagungsort begleitet. In diesem Jahr jedoch riefen die Globalisierungskritiker statt zu einer großen, zentralen Protestveranstaltung am Veranstaltungsort im französischen Deauville zu kleineren, dezentralen Protestaktionen überall in Europa auf. In Bremen versammelten sich im Mai 2011 unter dem Motto "Stell dir vor es ist G8...und niemand geht hin" bis zu 100 Personen der linksextremistischen autonomen Szene Bremens zu einer unangemeldeten Protestaktion in Form eines "symbolischen Anti-G8-ZeltCamps" auf dem Bremer Domshof, um ihre Forderung "G8 und Kapitalismus abschaffen!" zum Ausdruck zu bringen. Plakat zur Mobilisierung gegen den G8-Gipfel Proteste gegen Feierlichkeiten zum "Tag der Deutschen Einheit" in Bonn Autonome Linksextremisten aus Bremen unterstützten auch Proteste gegen die Feierlichkeiten zum "Tag der Deutschen Einheit" in Bonn. Wie bereits im vergangenen Jahr mobilisierte zu den Aktionen unter anderem das bundesweite linksextremistische Bündnis "...ums Ganze!", dem auch die antideutsch ausgerichtete Bremer Gruppe "Basisgruppe Antifaschismus" angehört. 43 An einer Demonstration am 3. Oktober 2011 unter dem Motto "The only PIIG's the System! Organisiert den Vaterlandsverrat!" nahmen etwa 750 Linksextremisten teil, davon etwa 150 Personen aus dem gewaltbereiten Spektrum. Aufgrund der zu erwartenden Ausschreitungen wurde die Demonstration mit einem hohen Polizeiaufgebot begleitet, sodass es den Demonstranten nicht möglich war, die genehmigte Route zu verlassen. Auch wenn aus dem Demonstrationszug heraus vereinzelt Feuerwerkskörper und Flaschen auf die Polizisten geworfen wurden, konnten nennenswerte Störungen und Sachbeschädigungen verhindert werden. Antideutsche und antinationale Autonome Nach der deutschen Wiedervereinigung bildeten sich in den 1990er-Jahren verschiedene Strömungen innerhalb des autonomen linksextremistischen Spektrums heraus, darunter antinationale und antideutsche Gruppierungen. Beide Strömungen befürchteten mit der deutschen Wiedervereinigung ein erneutes Erstarken des Nationalsozialismus. Die antinationale Strömung lehnt grundsätzlich Nationalstaaten und Nationen ab, während im Mittelpunkt der antideutschen Überzeugung darüber hinaus die uneingeschränkte Solidarität mit Israel und den USA steht. Die Mehrheit der autonomen und orthodox-kommunistischen Linksextremisten ist jedoch stark antiamerikanisch eingestellt und ergreift im israelisch-palästinensischen Konflikt Partei für die Palästinenser. Diese unterschiedlichen Ansichten führen in der Zusammenarbeit häufig zu Spannungen und Zerwürfnissen. "Rote Hilfe" Die Rechtsund Hafthilfeorganisation "Rote Hilfe e. V." (RH) ist ausschließlich im Bereich der "Antirepression" tätig. Der Verein versteht sich laut Satzung als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation", die über 40 Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet unterhält. Bundesweit zählt die Organisation ca. 5.600 Mitglieder. In Bremen besteht eine aktive Ortsgruppe aus etwa 190 Mitgliedern. Sie betreibt seit Oktober 2011 auch eine eigene Internetseite. Die RH sieht ihren Arbeitsschwerpunkt in der finanziellen und politischen Unterstützung von Angehörigen aus dem "linken" Spektrum, die von "staatlicher Repression" betroffen sind. Zu ihren Aufgaben gehören die Gewährung von Rechtshilfe, die Vermittlung von Anwälten an Szeneangehörige, die Beihilfe zu Prozesskosten und Geldstrafen sowie die Betreuung von "politischen Gefangenen". Die dabei entstehenden Kosten werden aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. 4.2.3 Weitere Aktionsfelder Die autonome Szene in Bremen entfaltete im Jahr 2011 auch in den Aktionsfeldern "Anti-Atom" und "Antirassismus" Aktivitäten, wenn auch weitaus weniger als in den zuvor beschriebenen Themenfeldern. Kaum wahrnehmbar waren in diesem 44 Jahr die Aktionen im Bereich "Antimilitarismus". "Anti-Atom" In Bremen wird die "Anti-Atom-Bewegung" größtenteils von nichtextremistischen Bürgerund Umweltinitiativen getragen. Anlassbezogen, wie bei Protesten gegen die Atompolitik der Bundesregierung oder gegen Castortransporte, wird diese Thematik auch von Bremer autonomen Linksextremisten aufgegriffen. So beteiligten sich im Mai 2011 auch etwa 80 Personen des linksextremistischen autonomen Spektrums an einer Bremer Anti-Atom-Kundgebung mit rund 4.000 Teilnehmern. Im Verlauf löste sich diese Gruppe aus dem Aufzug und startete eine eigene Demonstration unter dem Motto "Nicht die Symptome, sondern die Ursachen bekämpfen". Mit Parolen riefen die Autonomen hierbei zu Straftaten wie dem Einsatz von Hakenkrallen und zum Zersägen von Schienen auf. Auch im Rahmen des 13. Castortransportes vom 23. bis 28. November 2011 in das niedersächsische Zwischenlager Gorleben kam es zu gewaltsamen Aktionen militanter Linksextremisten, darunter auch Angehörige der Bremer Szene. Polizeikräfte und ihre Einsatzfahrzeuge wurden in mehreren Fällen mit Pyrotechnik, Molotowcocktails oder Steinen beworfen, als sie Gleisblockaden auflösen oder "schotternde" Gruppen aufhalten wollten. Beim "Schottern" werden die Gleisanlagen unbrauchbar gemacht, indem die Steine aus dem Schotterbett entfernt werden. Diese Aktionsform wurde erstmalig in einer Kampagne überwiegend linksextremistischer Gruppen 2010 propagiert. Insgesamt ist festzustellen, dass die Beteiligung autonomer Linksextremisten im Jahr 2011 mit ca. 450 Personen im Vergleich zum Vorjahr (ca. 300 Teilnehmer) gestiegen ist und die Gewaltbereitschaft während des Castortransportes zugenommen hat. "Antirassismus" Ebenfalls Bestandteil der Aktivitäten der autonomen Szene in Bremen ist die "Antirassismusarbeit". Aktionsschwerpunkte der überwiegend durch bürgerliche Kräfte getragenen, aber linksextremistisch beeinflussten Arbeit in diesem Themenfeld waren im Jahr 2011 in Bremen der Einsatz für bessere Aufnahmeund Lebensbedingungen von Flüchtlingen und Proteste gegen Abschiebungen. So unterstützten autonome Linksextremisten der Bremer Szene angesichts der bevorstehenden Abschiebung einer kosovarischen Familie in der Nacht zum 31. Mai 2011 die Delmenhorster Szene. Etwa 100 autonome Linksextremisten versammelten sich in Delmenhorst, um die für diese Nacht geplante und schließlich nicht vollzogene Abschiebung zu verhindern. Dies unterstreicht beispielhaft, dass die Bremer Szene mit autonomen Gruppen des niedersächsischen Umlandes in reger Kooperation steht. Die Zusammenarbeit reicht von einer gemeinsamen Teilnahme an DemonstraMobilisierung zu Protesten tionen bis hin zu regelmäßigen Treffen und Veranstaltungen und zieht sich durch alle gegen die Abschiebung einer Aktionsfelder. Familie in Delmenhorst "Antimilitarismus" Im Themenfeld Antimilitarismus kritisieren autonome Linksextremisten vor allem die Sicherheitspolitik der Bundesregierung und den damit verbundenen Bundeswehreinsatz in Afghanistan. So störten Angehörige der autonomen Szene Bremens zum Teil vermummt drei Berufsinformationsveranstaltungen der Bundeswehr an Bremer Schulen. Während einer dieser Veranstaltungen im Februar 2011 wurde ein Bundeswehrsoldat mit diversen Gegenständen beworfen und im weiteren Verlauf mit einer Pistole bedroht, die der Soldat aber als Requisitenwaffe erkennen konnte. 4.3 Kommunikation Das Internet ist das wesentliche Kommunikationsmittel der autonomen Szene. Die meisten linksextremistischen Gruppen und Bündnisse in Bremen nutzen das Internet auch zur Selbstdarstellung. Die teilweise sehr professionell gestalteten Internetseiten bieten u. a. Veranstaltungsübersichten, Mobilisierungsaufrufe und 45 Kontaktmöglichkeiten. Internetportale Neben einer Vielzahl von offenen und geschlossenen Internetportalen stellt das internationale Mediennetzwerk "Indymedia" mit seinem deutschen Ableger "Indymedia Deutschland" eine zentrale Kommunikationsplattform für das gesamte "linke" Spektrum dar. "Indymedia" betreibt einen "offenen Journalismus", d. h., jeder Internetnutzer kann dort ohne redaktionelle Vorgaben und unter Nutzung eines Pseudonyms Beiträge veröffentlichen, die andere Internetnutzer wiederum kommentieren und ergänzen können. Die Beiträge reichen von Berichten zum Verlauf von Kundgebungen über Analysen zu tagespolitischen Entwicklungen bis hin zu Informationsoder Diffamierungskampagnen gegen politische Gegner. Speziell für Bremen gibt es seit September 2009 das Internetforum "end of road". Die Betreiber kündigten zu Beginn an, dass es sich um ein "antikapitalistisches Projekt" handele und sie "nur Dinge veröffentlichen, die dem Sinne des Projektes entsprechen und eine antifaschistische, autonome und antinationale Grundhaltung haben". (Internetblog "end of road", 06.09.2009). Zentrales Anliegen sei es, "regionale Geschehnisse zu dokumentieren und für Interessierte zugänglich zu machen". Die veröffentlichten Artikel, Aktionsberichte, Demonstrationsaufrufe und Terminankündigungen spiegeln daher ein breites Themenspektrum wider. Die Nutzer können die eingestellten Artikel kommentieren und sind darüber hinaus zum Einsenden von Berichten und Terminankündigungen aufgefordert. Die veröffentlichten Beiträge stammen jedoch auch aus Tageszeitungen oder dem Internetportal "Indymedia". Szene-Zeitschriften Wenngleich die über Jahrzehnte dominierenden klassischen Printmedien durch die Verbreitung elektronischer Medien in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung verloren haben, gibt es nach wie vor Zeitschriften mit regionaler und überregionaler Bedeutung für die autonome Szene. Ein zentrales Publikationsorgan ist die in Berlin herausgegebene Szene-Zeitschrift "Interim", die als eine von wenigen autonomen Schriften bundesweite Bedeutung genießt. Die Szene-Zeitschrift dient vor allem dem gewaltbereiten autonomen Spektrum zur Information und Diskussion. In der "Interim" finden sich Beiträge zu aktuellen Themen, aber auch Rechtfertigungen zur Gewaltanwendung sowie Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten. Um Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren, gibt es keine feste Redaktion, auch wird kein Impressum abgedruckt. In Bremen erschien im Februar 2010 die neue Szene-Zeitschrift "LaRage". Bereits der Titel deutet auf die autonome Szene als Zielgruppe hin. Im Vorwort der ersten Ausgabe heißt es: "In LaRage (französisch: die Wut) sollen zweierlei Dinge passieren. Zum Einen soll sich verdichten, was in Politgruppen, Szenekneipen und Wohnprojekten nächtelang diskutiert worden ist, zum Anderen sollen praktische Erfahrungen und Anregungen in der 'radikalen Linken' verbreitet werden." (Fehler im Original) Die meisten Artikel stammen dabei aus anderen "linken" Medien oder werden von Personen aus der autonomen Szene verfasst und an die Redaktion übermittelt. Für die sechste Ausgabe der "LaRage" im August 2011 wurde z.B. in einem Beitrag mit dem Titel "Bau was!! Tu Was!!" eine Anleitung zum Nachbau von sog. "Krähenfüßen" aus der Szene-Zeitschrift "Prisma" übernommen. Im Impressum der Zeitschrift ist stets eine fiktive Person genannt, um mögliche Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren. Vernetzungsbemühungen innerhalb der autonomen Szene Bremens In der autonomen Szene Bremens gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, die in viele kleine Gruppen zersplitterte Szene besser zu vernetzen und ihre Aktivitäten stärker zu koordinieren. Einen solchen Vernetzungsversuch stellt die im September 2009 gegründete "Autonome Vollversammlung Bremen" (AVV) dar. 46 Die AVV bietet sowohl für "Einzelpersonen als auch Gruppen aus unterschiedlichen politischen Feldern" eine offene "Plattform für Information, Kommunikation und Flyer der AVV Bremen inhaltliche Diskussion", wobei "gemeinsame Basis [...] die radikale Ablehnung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, sowie das Streben nach einer herrschaftsfreien Welt" ist (Internetseite der AVV, 15.02.2010). Ziele der AVV sind weiterhin die "Verbesserung des Informationsaustausches", "Reflektion bisheriger und zukünftiger politischer Praxis/Aktionen" und die Entwicklung von "Perspektiven und Strategien 'autonomer', 'libertärer' und 'linksradikaler' Politik". Die AVV greift jeweils Themen auf, die aktuell in der autonomen Szene Bremens diskutiert werden, so z.B. "Militanz", "autonome Anti-AKW-Politik" oder "die Krise in den arabischen Ländern". Die AVV versucht somit, Kontinuität in die politische Arbeit der Bremer Autonomen zu bringen. Des Weiteren unterhält sie Kontakte zu anderen "Autonomen Vollversammlungen", insbesondere in Berlin und Hamburg. Die angestrebte überregionale Vernetzung soll eine engere Themenabsprache und bundesweite inhaltliche Diskussionen ermöglichen. 4.4 Linksextremistische Parteien und sonstige Organisationen Linksextremistische Parteien sind im Allgemeinen bestrebt, ihr Ziel der Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats unter formaler Beachtung demokratischer Regeln und unter Ausnutzung des grundgesetzlich garantierten Schutzes von Parteien zu verfolgen. Die in Bremen aktiven linksextremistischen Parteien DKP und MLPD streben in erster Linie nicht nach parlamentarischer Repräsentanz, sondern sind sich ihrer geringen Erfolgsaussichten bei Wahlen bewusst und verfolgen daher ihre politischen Ziele vor allem im außerparlamentarischen Raum, wo sie jedoch ebenso kaum wahrnehmbar sind. In Bremen existieren daneben mehrere linksextremistische Splittergruppen. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) ist die Kernorganisation der orthodoxen Kommunisten. Die 1968 gegründete Partei versteht sich als politische Nachfolgerin der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Sie bekennt sich als "Partei der Arbeiterklasse" zum Marxismus-Leninismus und strebt eine revolutionäre Umgestaltung der bestehenden Gesellschaft an. Bundesweit verfügt die DKP über ca. 4.000 Mitglieder, davon in Bremen ca. 70 Personen. Aufgrund ihrer Chancenlosigkeit bei Wahlen versucht die Partei vorwiegend, ihre kommunistische Weltanschauung in sozialen Bewegungen und pluralistischen Bündnissen zu verbreiten. Die DKP ist jedoch aufgrund ihrer überalterten Mitgliederstruktur sowie finanzieller und struktureller Probleme auch im außerparlamentarischen Bereich in den vergangenen Jahren kaum noch als politische Kraft wahrnehmbar gewesen. Zur Bürgerschaftswahl Bremen 2011 ist die DKP nicht angetreten. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entfaltete die Partei in Bremen im Jahr 2011 lediglich durch Infostände. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) hält unverändert an ihrer maoistisch-stalinistischen Ausrichtung und der Notwendigkeit eines revolutionären Kampfes fest. Ziel der 1982 aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) hervorgegangenen MLPD ist die Überwindung des bestehenden politischen 47 Systems. Bundesweit zählt die Partei 2.000 Mitglieder, davon in Bremen etwa 15 Personen. Die Bremer MLPD trat lediglich am 1. Mai 2011 mit einem Informationsstand öffentlich in Erscheinung. "Sozialistische Alternative" (SAV) Die 1994 gegründete trotzkistische "Sozialistische Alternative" (SAV) ist die deutsche Sektion des internationalen trotzkistischen Dachverbandes "Committee for a Workers' International". Die SAV beabsichtigt, eine "revolutionäre sozialistische Masseninternationale" aufzubauen, den Kapitalismus abzuschaffen und diesen durch eine "sozialistische Demokratie" zu ersetzen. Bundesweit zählt die Organisation 400 Mitglieder, die Ortsgruppe Bremen besteht aus ca. 20 Personen. "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (KPD-AB) Bei dem in den 1970er-Jahren aus "Arbeiter-Basisgruppen" hervorgegangenen "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (KPD-AB) handelt es sich um eine revolutionär-marxistische Organisation, die bundesweit über ca. 100 Mitglieder und in Bremen über ca. 10 Mitglieder verfügt. Die KPD-AB beteiligte sich mit einem Aufruf zur Teilnahme an der Kundgebung und Demonstration des DGB zu den 1. MaiDemonstrationen. Im Juli 2011 meldete ein Mitglied der KPD-AB eine Kundgebung, "Aktionstag für das griechische Volk", auf dem Domshof in Bremen an. Des Weiteren fand im September 2011 eine Demonstration mit Kunstcharakter und Kundgebung unter dem Thema "Klassenkampf statt Weltkrieg" in Bremen-Gröpelingen statt. "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union" (FAU-IAA) Die 1977 gegründete "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union/Internationale ArbeiterAssoziation" (FAU-IAA) versteht sich als "anarchistische Gewerkschaft" und engagiert sich vorrangig in Betrieben. Durch Fabrikbesetzungen, Sabotagen und Streiks beabsichtigt die FAU-IAA, revolutionäre Gewerkschaften und militante Betriebsgruppen aufzubauen. Bundesweit gehören der Organisation ca. 380 Mitglieder an, davon in Bremen etwa 15 Personen. Im Jahr 2011 war die FAU-IAA nicht in der Öffentlichkeit präsent. 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus Seitenzahl 50 51 EB] E72 E72 54 55 E24 6:2 Ku [72 [72 (22 (> 5 Islamismus und islamistischer Terrorismus Einerder Arbeitsschwerpunkte der Sicherheitsbehörden lag auch im Jahr 2011 beim Islamismus und islamistischen Terrorismus. Deutschland steht insbesondere wegenseiner Unterstützung der NATO-Mission in Afghanistan weiterhin im Fokus islamistischer Terrorgruppierungen. Während 2009zahlreiche Drohvideos in Zusammenhang mit der Bundestagswahl erschienen waren, verschärfte sich 2010 die Gefährdungslage in Deutschland durchdie sich verdichtenden Hinweise auf Anschlagsplanungen gegen die USA, Europa und Deutschland von "al-Qaida" und ihr nahestehenden Organisationen. Die Anschlagswarnungen aus 2010 konkretisierten sich 2011 durch zahlreiche Festnahmen von Personen, denen vorgeworfen wird, in Deutschland Zellen zur Vorbereitung von Anschlägen aufgebaut zu haben. Trotz der Tötung mehrerer Führungspersonen des Terrornetzwerks "al-Qaida'", darunter auch seinem Gründer Usama bin Laden, bleibt die Gefahr durch den internationalen islamistischen Terrorismus unverändert bestehen. Vor allem treten vermehrt durchdie Ideologie von "al-Qaida" inspirierte, aber organisatorisch unabhängige Organisationen in den Vordergrund. Am 24. Januar 2011 verübteein Selbstmordattentäter einen Anschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo, bei dem 36 Menschen getötet und 152 weitere verletzt wurden. Zu dem Anschlag bekannte sich Doku Chamatowitsch Umarow, der Anführer (Emir) des "Kaukasischen Emirats". Dabei handelt es sich um eine separatistische islamistisch-terroristische Organisation, die sich der Ideologie des globalen Jihads von "al-Qaida" verschrieben hat und Emir des "Kaukasischen Emieinen islamischen Staat im Nordkaukasus errichten will. rats" Doku Umarow Ausden im Jahr 2011 erfolgten Festnahmen ergaben sich bislang keine Bezüge nach Bremen. Dennoch ist in Bremen eine wachsende islamistisch-salafistische Szene festzustellen, die vom LfV im Zusammenwirken mit den Sicherheitsbehörden des Bundes und der anderen Länder beobachtet wird. Der Informationsaustausch und die Koordination von operativen Maßnahmen undErmittlungen erfolgen dabei im Wesentlichen über das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin. In Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Anstieg des islamistischen Personenpotenzials zu verzeichnen; die Zahl der diesem Bereich zuzurechnenden Personenstieg von 37.500 im Jahr 2010 auf 38.000 im Jahr 2011. Der Großteil der Personengehört dabeinicht islamistisch-terroristischen, sondern islamistischextremistischen Organisationen an.In Bremen waren 2011 etwa 2.440 Personen islamistischen Gruppierungen zuzurechnen, 2010 zählten hingegenca. 2.160 Personendazu. Der Anstieg erklärt sich durch die Ernennung der "Salafistischen Bestrebungen" zum Beobachtungsobjekt durch den Verfassungsschutzverbund (siehe Kapitel 5.3). 5.1 Islamismus Islamismus bezeichnet eine politische Ideologie, die anstelle des demokratischen Rechtsstaates eine islamistische Gesellschaftsund Rechtsordnung vorsieht. Ziel ist es, die freiheitliche demokratische Grundordnung durch islamische Vorschriften 50 ("Scharia") vollständig zu ersetzen. Das hier im Mittelpunkt stehende "Prinzip der Gottessouveränität" widerspricht dem "Prinzip der Volkssouveränität". Islamisten lehnen zudem insbesondere die Gleichberechtigung von Mann und Frau ab und verstoßen so gegen die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte. In der Öffentlichkeit werden die Begriffe Islamismus und Islam häufig gleichbedeutend verwendet oder verwechselt. Die politische Ideologie des Islamismus ist jedoch deutlich von der Religion des Islam zu trennen. Während der Islam die Religion bezeichnet, bedient sich der Islamismus an Symbolen und Begriffen aus dem Islam, um seine politischen Ziele religiös zu legitimieren und durchzusetzen. Kennzeichen islamistischer Bestrebungen . Islamisten folgen nicht nur ihrer religiös fundamentalistischen Überzeugung, . sondern sind darüber hinaus politisch motiviert. Das Ziel ist, unter Berufung auf die "Scharia" eine vom Islam vorgegebene Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, die für alle Bürger unabhängig von ihrer Religion gilt und die die Regeln und Gesetze eines demokratischen Rechtsstaates . ersetzen soll. Islamisten fordern ein islamisches Staatswesen und die wörtliche Geltung von . Koran und Sunna für jede Lebenssituation. Islamisten lehnen die westliche Zivilisation, ihre Werte und ihr Demokratieverständnis generell ab. "Scharia" "Scharia" bedeutet wörtlich übersetzt "Weg zur Quelle" und bezeichnet die Gesamtheit aller islamischen Regeln und Riten, die im Koran und den gesammelten Prophetentraditionen (Sunna) festgeschrieben sind. Diese Texte zu interpretieren und daraus konkrete Handlungsempfehlungen und Gesetze abzuleiten, ist die Aufgabe der islamischen Rechtsgelehrten. Diese Wissenschaft wird mit dem Begriff "Fiqh" beschrieben. Zur Rechtsfindung werden vier Quellen bzw. Methodiken zu Rate gezogen: der Koran, die Sunna, der Konsens der Gelehrten ("Idschma") und der Vergleich von früher zu heute ("Qiyas"). Die "Scharia" ist nirgends abschließend festgeschrieben, sondern unterliegt einer steten Auslegung. Die "Scharia" besteht im Wesentlichen aus zwei Bereichen, den "Ibadat" und den "Mu'amalat". Die "Ibadat" umfassen Vorschriften zum rituellen Leben und Pflichten gegenüber Gott. Dort sind u.a. neben den fünf Säulen des Islam die rituelle Reinheit (z.B. Waschungen vor dem Gebet) und das Verbot bestimmter Speisen (z.B. Schweinefleisch) geregelt. Die "Mu'amalat" befassen sich mit den Regeln des menschlichen Zusammenlebens. Dort finden sich Bestimmungen zum Ehe-, Familien-, Personenstands-, Vermögens-, Verkehrsund Wirtschaftsrecht sowie aus dem Strafrecht wieder. Während die Mehrheit der Muslime heute lediglich einen Teil der "Scharia" ("Ibadat") befolgt und sich an die dort festgelegten Vorschriften zum rituellen Leben und an die Pflichten gegenüber Gott hält, fordern Islamisten die unmittelbare und vollkommene Umsetzung der "Scharia". Einige Vorschriften in der "Scharia", die das menschliche Zusammenleben regeln ("Mu'amalat"), widersprechen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der geltenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. So verletzen strafrechtliche Vergeltungsstrafen die grundrechtlich garantierte körperliche Unversehrtheit, wie z. B. das Handabhacken oder die Steinigung. Die Ungleichbehandlung der Geschlechter ich beispielhaft in den Rechtsgebieten des Erbund Familienrechts. Auch wird Herabwürdigung der Frau dadurch deutlich, dass die Zeugenaussage eines Mannes in einigen Bereichen so schwer wiegt wie die zweier Frauen. 'Ausgehend vonihrer jeweiligen Entstehung habensich unterschiedliche Ausprägungen der islamistischen Ideologie entwickelt. Entscheidend wirken dabei vor allem die verschiedenen Gelehrten oder politischen Vertreter, die maßgeblich anihrer Auslegung beteiligt sind. 5.2 Islamistischer Terrorismus Die Grenze zwischen islamistischem Extremismus undislamistischem Terrorismus ist teilweisefließend, weil zum einen die ideologische Ausrichtung und die damit begründete Gewaltaffinität der Anhänger nicht immer eindeutig definiert werden kann, zum anderen weil terroristische Gruppen ihre Anhänger häufig ausislamistisch-extremistischen Organisationen rekrutieren. Islamistische Bestrebungen sind hauptsächlich nach der Wahl ihrer Mittel zu differenzieren: = Islamistisch-extremistische Organisationen wollen die Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren Herkunftsländern zugunsten eines islamischen Staatswesens durchpolitische Einflussnahme verändern. Ziel ihrer politischen Strategie ist es, auch in Deutschland im Sinneihrer Ideologie leben zu können. Durch politische und gesellschaftliche Veränderungen möchten sie rechtliche Freiräume für ein "schariakonformes" Leben erzielen. = Islamistische Terrororganisationen wollen ihre Ziele demgegenüber mit Gewalt und durch das Verüben von Anschlägen durchsetzen. Man unterscheidet zwischen islamistisch-terroristischen Organisationen, welche nurin ihren Heimatländern militant aktiv sind (z.B. "Hizb Allah"), und denJihadisten, welche den bewaffneten Kampf weltweit verfolgen (z.B. "al-Qaida'). 5.2.1 Ideologischer Hintergrund Der überwiegende Teil der islamistisch-terroristischen Bewegung ist jihadistisch geprägt. Die Anhänger dieser Ideologie legitimieren die von ihnen verübten Terroranschläge religiös. "Jihad" bedeutet wörtlich übersetzt "Anstrengung" oder "Bemühung" und meint die geistlich-spirituellen Bemühungen der Gläubigen um das richtige Verhalten gegenüber Gott. Islamische Gelehrte unterscheiden hierbei zwischen dem "Großen Jihad" und dem "Kleinen Jihad". Mit dem "Großen Jihad" sind alle "inneren Bemühungen" eines Muslims gemeint, die moralischen Maßstäbe des Islam so gut wie möglich zu befolgen. Der "Kleine Jihad" dagegen meint den Kampfeinsatz zur Verteidigung sowie zur Ausbreitung des islamischen Herrschaftsbereichs. Die Jihadisten beziehen sich demzufolge auf den "Kleinen Jihad". Sie führen unter dem Leitprinzip des "Jihad" einen gewaltsamen Kampf gegendie angeblichen Feinde desIslam. Dieser religiösen Legitimation bedienen sich nicht nur das Terrornetzwerk "al-Qaida" und ihre Ablegerorganisationen, sondern auch von"al-Qaida" organisatorisch unabhängig agierende jihadistische Einzelgruppierungen und Einzeltäter. Die Grafik verdeutlicht, dass radikale Ansichten nur von einem Bruchteil der Muslime vertreten werden 5.2.2 Schauplätze des islamistischen Terrorismus Beim islamistischen Terrorismus handelt es sich um ein globales Phänomen. Nicht nur für die USA, Europa oder Deutschland bedeutet der islamistische Terrorismus eine Gefährdung für die Innere Sicherheit. Hauptschauplätze des islamistischen Terroris52 mus sind Afghanistan, der Irak, Somalia und der Jemen. Das Hauptbetätigungsfeld und Rückzugsraum für islamistische Terroristen sind die Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA), welche zwischen Afghanistan und Pakistan liegen. In der Berichtszeit konnten wieder Reisebewegungen von Personen aus dem islamistischen Spektrum in Deutschland in diese Region festgestellt werden. Das schwer zugängliche Terrain bietet den Taliban und mit ihnen sympathisierenden Gruppen Schutz bei der Vorbereitung von Anschlägen, die vor allem auf die Institutionen des afghanischen Staates und die ausländische Militärpräsenz abzielen. Da Deutschland nach den USA und Großbritannien die meisten Soldaten der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) stellt, stehen deutsche Truppen weiterhin im Fokus von Anschlägen. Bei einem Selbstmordanschlag am 28. Mai 2011 in einem Regierungsgebäude im nordafghanischen Talokan wurden zwei Bundeswehrsoldaten getötet und drei weitere deutsche Soldaten verletzt. Unter den Verletzten befand sich auch der Kommandeur der internationalen Schutztruppe ISAF in Nordafghanistan. Nur fünf Tage später wurde die Bundeswehr in der Region erneut zum Ziel eines Sprengstoffanschlags. Bei dem Attentat in der Provinz Baghlan wurde ein deutscher Soldat getötet und fünf weitere verletzt, zwei davon schwer. Die Taliban bekannten sich zu dem Anschlag. Neben der "Kernorganisation al-Qaida" gibt es eine ganze Anzahl von regionalen Teilorganisationen, die logistisch und finanziell relativ unabhängig von der Mutterorganisation agieren und für diverse Anschläge sowohl in ihrem Einzugsgebiet als auch überregional verantwortlich sind. Dazu gehören der "Islamische Staat Irak" (ISI) im Irak, "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH) im Jemen, "al-Shabab" ("die jungen Menschen") in Somalia und "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) in den Maghrebstaaten. Bindeglied zwischen ihnen und der Mutterorganisation ist die von "al-Qaida" entwickelte "Dachideologie" des globalen Jihads, welche mittlerweile organisationsunabhängig existiert und daher nicht durch den Wegfall einzelner Personen beseitigt werden kann. 5.2.3 Globales Terrornetzwerk "al-Qaida" "Al-Qaida" vollzog innerhalb der letzten 15 Jahre einen fundamentalen Wandel von einer Organisation mit festen Strukturen zu einem globalen losen Terrornetzwerk. Organisationen und Personen, die sich der Ideologie "al-Qaidas" verschrieben haben, sind nach wie vor für Terroranschläge weltweit verantwortlich. Entstehung und Ideologie des Terrornetzwerkes "al-Qaida" Die Entstehung von "al-Qaida" (die Basis) ist eng verknüpft mit der sowjetischen Besetzung Afghanistans von 1979-1989. Neben den afghanischen "Mujahideen" ("die, die den Jihad betreiben") gab es auch eine Gruppe aus den verschiedenen arabischen Ländern unter der Führung des Palästinensers Abdallah Azzam, der die Muslime weltweit dazu aufgerufen hatte, Afghanistan als muslimisches Land zu verteidigen, und den Jihad somit internationalisierte. Zusammen mit dem SaudiAraber Usama bin Laden und dem Ägypter Ayman az-Zawahiri betrieb er das sogenannte "Dienstleistungsbüro" (maktab al-khidamat), das die Finanzierung und Koordinierung der arabischen Mujahideen übernahm. Aus diesem Dienstleistungsbüro erwuchs die Organisation "al-Qaida". Maßgeblich für die Entstehung der Ideologie "al-Qaidas" waren der Golfkrieg von 1990-1991 und die Tatsache, dass die Islamisten Anfang der 1990er-Jahre in keinem der arabischen Kernländer die Herrschaft erringen konnten. Während bin Laden die Stationierung von US-amerikanischen Truppen in Saudi-Arabien als nicht hinzunehmende Demütigung der islamischen Welt empfand, sah Zawahiri keine Zukunft für die islamistischen Bewegungen, solange die arabischen Regime durch den Westen, insbesondere die USA, unterstützt würden. Man müsse daher diese Unterstützung 53 zunächst durch Angriffe auf den Westen beenden, um dann einen in ihren Augen wahren islamischen Staat gründen zu können. Die Hinwendung von der Bekämpfung des "nahen Feindes" (die arabischen Regime) zur Bekämpfung des "fernen Feindes" (der Westen) ist ein Schlüsselkonzept der Ideologie "al-Qaidas". Diese Zielrichtung manifestierte sich in den Anschlägen auf das World Trade Center 1993, die US-amerikanischen Botschaften in Daressalam/ Tansania und Nairobi/Kenia 1998, dem Angriff auf die USS Cole 2000 und vor allem am 11. September 2001. Mittlerweile hat sich dieses ideologische Gerüst verselbstständigt und bildet die Motivation für Anschläge, die nicht direkt von der "Kernorganisation al-Qaida" koordiniert wurden, wie z.B. die Terroranschläge am 11. März 2004 in Madrid und am 7. Juli 2005 in London. Seitdem wird "al-Qaida" auch nicht mehr als Organisation, sondern als ein Netzwerk von gleich gesinnten Jihadisten definiert. Das Netzwerk umfasst einerseits die bereits erwähnten regional und überregional agierenden Ablegerorganisationen. Andererseits setzt sich das Terrornetzwerk aus einer Vielzahl von islamistisch-terroristischen Organisationen zusammen, wie den "Taliban" oder der "Islamischen Jihad Union" (IJU), sowie einzelnen Terrorzellen aus dem Nahen Osten, Afrika und Europa. Viele dieser Organisationen und Terrorzellen stehen nicht in unmittelbarem Kontakt zur "Kernorganisation al-Qaida". Das Internet spielt bei der Verbreitung der Ideologie von "al-Qaida" eine Schlüsselrolle. Dadurch ist es dem Terrornetzwerk grundsätzlich möglich, weltweit zu agieren und zu jeder Zeit, an jedem Ort und gegen jedes Ziel Anschläge durchzuführen. Grund für diese Diversifizierung war vor allem der hohe Fahndungsdruck, dem "al-Qaida" seit dem 11. September 2001 ausgesetzt ist. Usama bin Laden und Seit Anfang 2009 gelang es den NATO-Truppen in Afghanistan, das Terrornetzwerk Ayman az-Zawahiri insbesondere durch zunehmende Drohnenangriffe zu schwächen. 2011 ist dabei das wohl verlustreichste Jahr für die Organisation. So wurde ihr Anführer Usama bin Laden am 2. Mai 2011 bei einer amerikanischen Kommandoaktion im pakistanischen Abbottabad getötet. Nur drei Monate später starb bei einem Drohnenangriff auch Atiyah Abdel Rahman al-Libi, der zu dem engsten Führungszirkel "al-Qaidas" gehörte. Im September 2011 wurde zudem der jemenitische Prediger aus dem Umfeld der AQAH Anwar al-Awlaqi durch US-Streitkräfte getötet. Durch seine oftmals englischsprachigen Videobotschaften trug er maßgeblich zur Radikalisierung in westlichen Staaten lebender Muslime bei. Trotz dieser Verluste besteht weiterhin eine Gefahr durch überregional agierende Terrororganisationen sowie den sogenannten "Home-Grown-Terrorismus" und "fanatisierte" Einzeltäter. Ein Beispiel für den "Home-Grown-Terrorismus" war der Bombenanschlag am 28. April 2011 in einem beliebten Touristencafe in Marrakesch in Marokko, bei dem 17 Menschen getötet und 20 weitere verletzt wurden. Ähnlich wie bei dem Attentat in Frankfurt waren die Attentäter keine Mitglieder einer terroristischen Vereinigung und den Sicherheitsbehörden vorher nicht bekannt. Die "fanatisierten" Einzeltäter, auch "lone wolves" (einsame Wölfe) genannt, verfügen über keine organisatorische Bindung. Sie agieren unter Beachtung der "al-Qaida"Ideologie vollkommen autonom. In New York wurde am 21. November 2011 ein Mann festgenommen, der mit Rohrbomben Regierungseinrichtungen, Politiker und Soldaten angreifen wollte. Laut Angaben der New Yorker Polizei sei auch er ein Einzelgänger gewesen. Die Anleitung zum Bombenbau habe er dem Magazin "Inspire" entnom54 men. Der Tod von al-Awlaqi soll der Auslöser für die Anschlagsplanungen gewesen sein. Die Umbrüche in der arabischen Welt haben auch "al-Qaida" überrascht. In zahlreichen Stellungnahmen versucht die Organisation die Revolutionen ideologisch für sich zu vereinnahmen, stößt dabei jedoch auf nur sehr wenig Resonanz. Die noch unklare weitere Entwicklung in den arabischen Ländern wird maßgeblich dazu beitragen, ob die Ideologie "al-Qaidas" in Zukunft an Attraktivität gewinnen oder einbüßen wird. 5.2.4 Internet und andere Medien Das Internet dient gewaltbereiten und nichtgewaltbereiten Islamisten als wichtiges Medium zur Kontaktpflege, Verbreitung von Propaganda und Rekrutierung von neuen Anhängern. Ihre mediale Präsenz im Internet hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch sogenannte Medienzentren erhöht, wie z.B. die Medienproduktionsstelle der "Kernorganisation al-Qaida" "as-Sahab Media" oder das Medienverbreitungszentrum "al-Fajr". Videos, die dort eingestellt werden, finden eine rasante Verbreitung, sobald sie auf öffentlichen Plattformen wie "Youtube" hochgeladen werden. Besonders beliebt sind jihadistische Kampflieder, sogenannte "Nasheeds". Da sie keine Instrumente benutzen, sind die "Nasheeds" nach strengen islamischen Richtlinien die einzig legitime Musikform. Sie decken grundsätzlich eine Vielzahl von Themen ab, die meist religiöser Natur sind. Jedoch mehren sich Veröffentlichungen von "Nasheeds", die den "Jihad" verherrlichen und teilweise auch auf Deutsch vorgetragen werden. Seit einiger Zeit gewinnen soziale Netzwerke wie "Facebook" zunehmend an Bedeutung bei der Kommunikation, Propagandaarbeit und Vernetzung von gewaltbereiten und nichtgewaltbereiten Islamisten. Vielfältige Nutzungsmöglichkeiten des Internets für islamistische Terroristen . . Selbstinszenierung mit dem Ziel, Stärke zu demonstrieren und Angst zu verbreiten . Verbreitung von Propaganda . Sammlung von Spenden . Informationsaustausch und verdeckte Kommunikation innerhalb der Netzwerke Inspiration und Motivation der Anhänger zum Fortbestand terroristischer . Netzwerke und zur Durchführung von Terroranschlägen Virtuelle Trainingslager und Anleitungen zur Durchführung von Anschlägen Onlinemagazin "Inspire" Eine neue Zielrichtung bezüglich der internationalen Mobilisierung stellt das 2010 erstmals erschienene englischsprachige Onlinemagazin "Inspire" dar, das von Sympathisanten der "AQAH" im Jemen herausgebracht wird. Durch die englische Sprache werden hauptsächlich Islamisten und Sympathisanten in Europa und den USA erreicht, die der arabischen Sprache nicht mächtig sind. Bisher sind bereits 55 sieben Ausgaben des Magazins über das Internet veröffentlicht worden. In den Ausgaben des Magazins wurden die Leser wiederholt dazu aufgerufen, sich am "Jihad" zu beteiligen oder sich, ohne ein Ausbildungslager besucht zu haben, zur Vorbereitung von Anschlägen in den europäischen Heimatländern zusammenzuschließen. Das Magazin gibt auch Anregungen dazu, wie Anschläge in Europa begangen und Bomben gebaut werden könnten. Wer dazu konkretere Fragen hat, dem bietet das Magazin eine E-Mail-Adresse zur Kontaktaufnahme. Im September 2011 wurden bei einem US-Drohnenangriff sowohl der Herausgeber des Magazins, Samir Khan, als auch einer der Hauptautoren, Anwar al-Awlaqi, getötet. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Verluste auf die Fortführung des Magazins auswirken werden. "Inspire"-Ausgabe von September 2011 5.2.5 Islamistischer Terrorismus in Deutschland Die Gefährdung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus blieb im Jahr 2011 gleichbleibend hoch. Das zeigen die vielen Festnahmen von Personen, denen vorgeworfen wird, in Anschlagsvorbereitungen involviert gewesen zu sein. Die Bedrohung für die Innere Sicherheit geht insbesondere von Personen des gewaltbereiten islamistischen Spektrums aus, die in Terrorlagern im afghanischpakistanischen Grenzgebiet speziell auf Anschläge in Deutschland vorbereitet oder zunächst mit der Zellengründung beauftragt werden. Im Jahr 2011 gab es einen Rückgang der Reisebewegungen von gewaltbereiten Islamisten von Deutschland in die Region. Dennoch besteht weiterhin eine Gefahr durch Personen, die sich bereits wieder in Deutschland aufhalten oder noch vorhaben, wieder zurückzukehren. Seit Beginn der 1990er-Jahre haben insgesamt etwa 220 Personen aus Deutschland eine paramilitärische Ausbildung erhalten oder diese zumindest angestrebt. Ungefähr die Hälfte dieses Personenkreises befindet sich vermutlich wieder in Deutschland, während sich die andere Hälfte an Kampfhandlungen in Afghanistan oder im Irak beteiligt oder sich an einem unbekannten Ort aufhält. Die Bundesanwaltschaft hat am 25. Februar 2011 Anklage gegen einen 25-jährigen deutschen Staatsangehörigen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung erhoben. Er ist hinreichend verdächtig, von Mai 2009 bis Juni 2010 Mitglied der "al-Qaida" gewesen zu sein. Sein Komplize wurde im April 2011 festgenommen und am 2. November 2011 wegen Mitgliedschaft in den ausländischen terroristischen Vereinigungen "Islamische Bewegung Usbekistan" (IBU) und "al-Qaida" angeklagt. Laut Anklageschrift war er von einem hochrangigen "al-Qaida"Mitglied vorgesehen worden, in Deutschland an einem europäischen Netzwerk der Organisation mitzuwirken. Im Zuge der Vernehmungen konnten Hinweise auf weitere Zellen, die mit Anschlägen in Deutschland beauftragt waren, gewonnen werden. So hat die Bundesanwaltschaft am 28. April 2011 drei Terrorverdächtige in Düsseldorf und Bochum festnehmen lassen. Sie sollen vorgehabt haben, einen mit Metallteilen versetzten Sprengsatz in einer größeren Menschenmenge explodieren zu lassen. Einer ihrer Anführer soll in einem Terrorcamp im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ausgebildet worden sein. Ein weiteres Mitglied dieser Zelle wurde am 8. Dezember 2011 festgenommen. Er wird dringend verdächtigt, sich an den Anschlagsplänen der Zelle beteiligt zu haben, und soll versucht haben, diese, nach der Festnahme des ursprünglichen Anführers, fortzusetzen. Darüber hinaus gab es in diesem Jahr noch weitere Festnahmen und Anklagen im Bereich des islamistischen Terrorismus. Am 10. November wurden zwei Personen angeklagt, Mitglieder und Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamische Bewegung Usbekistan" (IBU) zu sein. Zwei weitere Personen wurden am 15. November angeklagt, Mitglieder der "Deutschen Taliban Mujahideen" und "al-Qaida" gewesen zu sein. Zudem wurden die Betreiber der jihadistischen Seiten 56 "Islamic-Hacker-Union" und "Islambruederschaft" festgenommen. Auf den Seiten wurde der "Jihad" glorifiziert und unter anderem auch Anleitungen zum Bombenbau zum Download bereitgestellt. Eine hohe Gefährdung geht daneben in Deutschland ebenso von "fanatisierten" Einzeltätern aus, die keine Ausbildung in einem Terrorcamp durchlaufen haben. Das Festnahme eines Mitglieds der Attentat von Frankfurt hat die Gefahr durch solche Personen deutlich unter Beweis Düsseldorfer Zelle gestellt. Wenngleich organisatorisch unabhängig, hatte die Person jedoch über Facebook zahlreiche Kontakte sowohl in das salafistische als auch das jihadistische Milieu. Durch das Lesen von "Inspire" und das Anschauen von jihadistischen Videos auf "Youtube" soll sich der Täter selbst radikalisiert und die Tat in Eigeninitiative begangen haben. Insbesondere Orte mit hohem Symbolwert oder mit hoher infrastruktureller Bedeutung stellen immer wieder potenzielle Anschlagsziele dar. Dazu zählen neben Flughäfen und Bahnhöfen auch Orte, die aus Sicht der Attentäter die typisch westliche Lebensweise symbolisieren, wie z.B. Einkaufszentren. Einer hohen Gefährdung sind in Deutschland auch US-amerikanische, britische, israelische und jüdische Einrichtungen ausgesetzt. Darüber hinaus dient Deutschland dem islamistisch-terroristischen Netzwerk als Rückzugs-, Logistik-, Vorbereitungsund Rekrutierungsraum. Islamistisch-terroristische Gruppen unterstützen den "Jihad" von Deutschland aus vor allem auf finanzielle und materielle Art, z.B. mit gefälschten Papieren oder Elektronikartikeln. "Home-Grown"-Terrorismus Die Profile islamistischer Terroristen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Längst stellen nicht mehr nur aus dem Ausland eingereiste Attentäter eine Bedrohung der Inneren Sicherheit dar. Eine hohe Gefährdung geht von sogenannten "Home-Grown"-Terroristen aus, die in westlichen Staatsund Gesellschaftsformen aufgewachsen und sozialisiert worden sind. Wenngleich "Home-Grown"-Terroristen äußerlich meist gut in die Gesellschaft integriert scheinen, wenden sie sich radikal islamistischem Gedankengut zu und fühlen sich zur Verübung von Anschlägen berufen. Durch ihre Sozialisation bewegen sich "Home-Grown"-Terroristen bei der Planung und Durchführung von Anschlägen in der Regel unauffälliger als aus dem Ausland eingereiste Attentäter. Radikalisierungsprozesse Die Wandlung in die Gesellschaft integriert erscheinender junger Personen zu islamistisch motivierten Gewalttätern wirft Fragen zum Radikalisierungsprozess auf. Es existieren verschiedene wissenschaftliche Studien zu dem Thema, z.B. European Commission, "Causal Factors for Radicalization", 2008; Heinke, Daniel H.; Hunter, Ryan. "Radikalisierung islamistischer Terroristen im Westen", 2011; Mellis, Colin. "Amsterdam and Radicalisation: The Municipal Approach", 2007; Staun, Jorgen; Veldhuis, Tinka. "Islamist Radicalisation: A Root Cause Model", 2009. Trotz ihrer unterschiedlichen Methodik lassen sich aus dem Vergleich ihrer Ergebnisse Grundaussagen bezüglich der Radikalisierung ableiten. Viele junge Menschen stellen sich Fragen zu ihrer Identität und Religion und finden die Antwort u.a. im Islam. Zentral ist dabei oftmals die Frage, was es bedeutet, als Muslim in einer mehrheitlich nichtmuslimischen Gesellschaft zu leben. Da weder die Eltern noch die traditionellen Moscheen ihnen ausreichend Antworten bieten, suchen sie diese an verschiedenen Stellen, allen voran im Internet. Eine scheinbare Antwort bieten islamistische Ideologien, wie z.B. der Salafismus, der vor allem im Internet, aber auch in geringerem Maße durch Literatur und Wanderprediger vermittelt wird. Die meisten Muslime lehnen eine solche extremistische Islaminterpretation ab. Akzeptanz findet die Ideologie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen dann, wenn sie dort aufgrund von erlebten Frustrationserfahrungen wie Diskriminierung, 57 Erniedrigung, Entfremdung, Ungleichbehandlung, Perspektivund Orientierungslosigkeit oder Konflikte mit dem Elternhaus angebliche Bestätigung finden. In diesem Fall werden persönliche negative Erfahrungen eingebettet in eine Weltsicht, in der sich die Ungläubigen in jeder Hinsicht gegen die Muslime verschworen haben. Die Ursachen für eine Radikalisierung liegen jedoch nicht im Islam, sondern sind sozialer, ökonomischer oder psychologischer Natur. Daher ist häufig nicht die Ideologie der wichtigste Grund, sich einer extremistischen Gruppierung anzuschließen, sondern die Aufnahme und Akzeptanz in eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Auch wenn die Befürwortung oder sogar Ausübung von Gewalt eher die Ausnahme darstellt, so gefährdet auch die gewaltlose Radikalisierung, vergleichbar mit Sekten und fundamentalistischen Strömungen innerhalb anderer Religionen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein friedliches, interkulturelles Zusammenleben, da sie Polarisation und soziale Abschottung fördert. 5.3 Beobachtungsobjekt "Salafistische Bestrebungen" in Bremen In Bremen werden schwerpunktmäßig zwei Einrichtungen den "Salafistischen Bestrebungen" zugeordnet: Das "Islamische Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) und der "Kultur & Familien Verein e.V." (KuF). Es werden jedoch auch weitere Moscheen von Salafisten frequentiert. Der Verfassungsschutzverbund hat 2011 die "Salafistischen Bestrebungen" zu einem eigenen Beobachtungsobjekt erklärt, da tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass die Träger "Salafistischer Bestrebungen" in Deutschland gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen. Der Salafismus gilt sowohl in Deutschland wie auch auf internationaler Ebene als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. Ihr werden in Deutschland derzeit ca. 3.800 und in Bremen ca. 350 Personen zugerechnet. Diese Anhänger sind sowohl dem politischen als auch dem jihadistischen Salafistenspektrum zuzuordnen. Die Zahlenangabe beruht teilweise auf Schätzungen und ist gerundet. Eine exakte Bezifferung ist im Phänomenbereich Salafismus derzeit nicht möglich, da die strukturellen Besonderheiten "Salafistischer Bestrebungen" in Deutschland genaue Erhebungen erschweren. So weisen zahlreiche salafistische Personenzusammenschlüsse keine festen Strukturen auf. Gleichzeitig finden sich Salafisten in Organisationen und Einrichtungen anderer islamistischer Beobachtungsobjekte wieder. "Salafismus" leitet sich vom arabischen Begriff "Salafiyya" ab, der eine Strömung innerhalb des Islam bezeichnet, die sich ideologisch an den sogenannten "Salaf as-Salih (die frommen Altvorderen), also den ersten drei Generationen der Muslime orientiert. Salafisten versuchen deren Lebensweise detailgetreu zu kopieren. Die Anhänger dieser Ideologie sind der Überzeugung, dass Probleme der Gegenwart durch die Rückbesinnung auf den "wahren Urislam" gelöst werden können. Dazu müssen die islamischen Quellen, Koran und Sunna, wortwörtlich ausgelegt werden. Anpassungen der Islamauslegung an veränderte gesellschaftliche und politische Gegebenheiten werden durch die Salafisten als "unislamisch" kategorisch abgelehnt und führen - so die Vorstellung - zwangsläufig zum "Unglauben". Auch im Alltag orientieren sich Salafisten an den Lebensumständen der frühislamischen Zeit. Sie befolgen z.B. spezielle Zahnputztechniken, tragen nach dem Vorbild des Propheten Muhammad knöchellange Gewänder oder Vollbärte und propagieren die Vollverschleierung der Frau. Der Salafismus unterteilt sich in eine politische und eine jihadistische Strömung. 58 Vertreter des politischen Salafismus stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit, um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten und politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Anhänger des jihadistischen Salafismus hingegen glauben, ihre Ziele durch Gewaltanwendung realisieren zu können. Die Übergänge zwischen beiden Formen sind dabei fließend. Als Strömung innerhalb des Islamismus verstößt die Ideologie des Salafismus in mehreren Punkten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. So lehnen Salafisten die Demokratie als politisches System grundsätzlich ab, da in ihren Augen Menschen keine Befugnisse haben, Gesetze zu erlassen, und dieses Recht Gott allein zustehe. Stattdessen soll der salafistischen Interpretation der Scharia ein absoluter Geltungsanspruch eingeräumt werden, welcher dem hiesigen Rechtsstaatsprinzip zuwiderläuft. Die in der "Scharia" vorgeschriebenen Körperstrafen für Kapitalverbrechen, die körperliche Züchtigung der Frau und die Beschränkung ihrer Freiheitsrechte sowie die fehlende Religionsfreiheit sind Aspekte, die die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte verletzen. Der bekannteste salafistische Verein in Deutschland war bisher "Einladung zum Paradies e.V." (EZP). Ursprünglich in Braunschweig gegründet, zog er in dem Vorhaben, eine "Islamschule" zu eröffnen, nach Mönchengladbach und rückte seitdem vor allem durch öffentliche Gebete und umstrittene Vorträge seiner Prediger vermehrt in das Blicklicht der Öffentlichkeit. Bekanntestes Aushängeschild des Vereins war der deutsche Konvertit Pierre Vogel, welcher durch seine charismatisch vorgetragenen Botschaften innerhalb kurzer Zeit bekannt und zum Teil auch sehr populär unter muslimischen Jugendlichen wurde. Am 14. Dezember 2010 wurden im Rahmen eines Vereinsverbotsverfahrens die Räumlichkeiten von EZP sowie des "Islamischen Kulturzentrums Bremen" (IKZ), welches über personelle Beziehungen zu EZP verfügt, durchsucht. Im August 2011 kam der Verein EZP einem Verbot durch eine Selbstauflösung zuvor. Seine Anhänger sind aber weiterhin aktiv. Weitere bekannte salafistische Netzwerke sind "Die wahre Religion", "Millatu-Ibrahim" und "Dawa FFM", welche auch jeweils eine eigene Webseite betreiben. Durch ihre dominante Internetpräsenz sind diese Seiten vor allem unter Jugendlichen gut bekannt. Zusätzlich werden in regelmäßigen Abständen bundesweit sogenannte "Islamseminare" veranstaltet, in denen die gesamte Bandbreite salafistischer Ideologie vermittelt wird. Finanzielle ausländische Unterstützung kommt hierbei vor allem aus Saudi-Arabien. Die wachsende Bedeutung des Salafismus weltweit äußert sich unter anderem in den überraschenden Wahlerfolgen der Salafisten in Ägypten. Bei den Wahlen zum Unterhaus des Parlaments konnte ihr Wahlbündnis nach den Muslimbrüdern die meisten Stimmen erhalten. 5.3.1 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e. V." (IKZ) Personenpotenzial: 300-400 in Bremen (Freitagsgebet) Das "Islamische Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) wurde 2001 zunächst als "Islamisches Kulturzentrum Abu Bakr Moschee e.V." gegründet und 2003 umbenannt. In den im IKZ abgehaltenen Vorträgen, Seminaren und Predigten kommt die salafistische Ausrichtung deutlich zum Ausdruck. Vereinsverbotsverfahren Das IKZ wurde im Dezember 2010 von der Polizei im Rahmen eines vom Bundesinnenministerium eingeleiteten vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens durchsucht. Das Bundesinnenministerium hat den Verdacht, dass das IKZ als Teil eines bundesweit agierenden salafistischen Netzwerkes die verfassungsmäßige Ordnung zugunsten eines islamischen Gottesstaates beseitigen will. Von der polizeilichen Durchsu59 chungsmaßnahme war außer dem IKZ auch der Verein "Einladung zum Paradies e.V." (EZP) in Braunschweig und Mönchengladbach betroffen (siehe 5.3). Zwischen den islamistischen Vereinen IKZ und EZP bestanden bis zu der Auflösung des Vereins Gebäude des IKZ im EZP im August 2011 enge inhaltliche, personelle und organisatorische VerflechBreitenweg in Bremen tungen. Ideologisch beriefen sich die Vereine weitgehend auf dieselben salafistischen Grundlagen. Nach Selbstauflösung des Vereins EZP ruht das Verfahren zurzeit in Gänze. Aktivitäten des IKZ Das Freitagsgebet ist mit 300 bis 400 Besuchern das am stärksten frequentierte Gebet im IKZ. Die an weiteren Wochentagen abgehaltenen Gebete finden mit jeweils weitaus geringerer Beteiligung statt. Als Vorbeter wirken führende Vertreter des IKZ. Die Besucher stammen vor allem aus Nordafrika und der Türkei sowie vom Balkan und aus dem Kaukasus. Zentrale Personen des IKZ betrachten es als ihre religiöse Pflicht, allen Menschen ihren islamischen Glauben näherzubringen. Dieser Pflicht kommen sie durch die Missionierungsarbeit ("Da'wa"), die auch im Rahmen von Vorträgen und Seminaren erfolgt, nach. "Da'wa" "Da'wa" bedeutet wörtlich übersetzt "Ruf" und kann als "Einladung zum Islam" verstanden werden. Einige Muslime sehen es als ihre Pflicht an, andere Menschen über den Islam aufzuklären und sie zum Islam zu bekehren. So heißt es im Koran (Sure 16, Vers 125): "Ruf [die Menschen] mit Weisheit und einer guten Ermahnung auf den Weg deines Herrn und streite mit ihnen auf eine möglichst gute Art." Nach islamischer Lehre erfolgt die Bekehrung jedoch ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt. Im Jahr 2011 hielten salafistische Referenten aus Deutschland und aus Saudi-Arabien regelmäßig Vorträge im IKZ. Seit Ende des Jahres 2010 stammte ein Großteil der vortragenden Referenten nicht mehr von EZP, sondern von der arabischen Halbinsel. Vom 31. Dezember 2010 bis zum 02. Januar 2011 hat im IKZ ein Islamseminar mit dem Titel "Lerne deine Religion und verstärke deine Religion" mit einem saudischen Referenten stattgefunden. Ein weiteres Islamseminar mit einem Gelehrten aus Saudi-Arabien wurde vom 23. Dezember 2011 bis zum 26. Dezember 2011 im IKZ durchgeführt. Zudem wurden seit Ende dieses Jahres für jeden zweiten Samstag im Monat IslamEinladungsflyer Islamseminar unterrichte im IKZ unter Leitung von Hassan Dabbagh angekündigt. Bei ihm handelt es sich um einen bekannten Prediger, welcher neben seiner Tätigkeit als Imam der Al-Rahman-Moschee in Leipzig bundesweit Vorträge und Unterrichte abhält. Die von saudischen Gelehrten und anderen Referenten aus dem Bundesgebiet gehaltenen Vorträge/Predigten führen wiederkehrend zu hohen Besucherzahlen. Regelmäßig finden zudem im IKZ Islamunterrichte statt. Diese richten sich hauptsächlich an Jugendliche und junge Erwachsene. Für Frauen gibt es dabei einen separaten Unterricht im Sinne der Geschlechtersegregation. Internetpräsenz des IKZ Das IKZ nutzt auch das Internet zur Selbstdarstellung. Auf seiner Internetpräsenz finden sich z.B. Veranstaltungshinweise und Unterrichtsbzw. Informationsmaterial. Daneben existieren weitere Internetseiten, die dem IKZ zuzurechnen sind. Außerdem wurde im Jahre 2011 der Youtube-Channel des IKZ aktualisiert und neu aufbereitet. 60 Dieser verzeichnet nunmehr über 150 Freunde und Abonnenten. Kauf des Gebäudes am Breitenweg Seit geraumer Zeit plante der Verein den Kauf seiner Vereinsräumlichkeiten im Breitenweg. Im Februar 2011 wurde zwischen den bisherigen Eigentümern des Objektes und einem saudischen Gelehrten ein notarieller Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von 800.000 EUR unterzeichnet. Eine finanzielle Unterstützung soll dabei aus Saudi-Arabien zugesagt worden sein. Parallel wurde im IKZ zu Spenden zum Zwecke des Moscheekaufes aufgerufen. Anfang des Jahres 2012 wurde bekannt, dass der Kauf aus finanziellen Gründen gescheitert ist. Spendenaufruf-Flyer 5.3.2 "Kultur & Familien Verein e. V." (KuF) Personenpotenzial: 30-40 in Bremen (Freitagsgebet) Der Vereinszweck des 2007 gegründeten Bremer "Kultur & Familien Vereins e. V." (KuF) besteht offiziell in der Zusammenführung von Familien aus internationalen und nationalen Kulturen sowie in der Förderung der Integration. Tatsächlich betreibt der Verein eine Moschee in seinen Vereinsräumen, die sich "Masjidu-l-Furqan" nennt. Der KuF verzeichnet seit seiner Gründung einen stetigen Anstieg der Besucherzahlen. "Takfir"Ideologie Die Anhänger des KuF pflegen eine besonders radikale Form des Salafismus, legen aber ihren ideologischen Schwerpunkt auf das Konzept des "Takfir". "Takfir" bedeutet wörtlich "Exkommunikation", d.h. einen Muslim zu einem Ungläubigen (Kafir) erklären. Gebäude des KuF in Der Begriff steht ursprünglich für ein komplexes Konzept aus der islamischen TheoBremen-Gröpelingen logie (Kalam) und der Rechtswissenschaft (Fiqh). Es gibt eine Vielzahl von Kriterien, die festlegen, ab wann und unter welchen Bedingungen ein Muslim zu einem Ungläubigen erklärt werden darf. Diese sind in der Geschichte des Islam von verschiedenen Strömungen unterschiedlich streng ausgelegt worden. Die Anhänger des KuF bedienen sich dieses Konzeptes, um jeden, insbesondere auch Muslime, die nicht ihren salafistischen Ansichten folgen, zu einem Ungläubigen zu erklären. "Ungläubige" sind nach ihrer Auffassung zu bekämpfen und der Abfall vom Glauben ist mit dem Tode zu bestrafen. Aufgrund dieser grundsätzlichen Befürwortung von Gewalt zur Verwirklichung ihrer Ziele sind die Anhänger des KuF, die sich selbst als "Al-Muwahidun" oder "Ansar at-Tawhid" ("Anhänger des Eingottglaubens") bezeichnen, als jihadistische Salafisten mit "Takfir"-Elementen einzuordnen. "Takfir"-Netzwerk und Aktivitäten des KuF Es existiert ein europaweites, wenn auch instabiles "Takfir"-Netzwerk. Die stetig wachsenden Zahlen auswärtiger Besucher sowie die verschiedenen Reisebewegungen im Umfeld des Vereins zeigen, dass auch der Bremer KuF in dieses europaweite "Takfir"-Netzwerk eingebunden ist. Die Instabilität des Netzwerkes resultiert aus Zerwürfnissen, weil sich die Anhänger auch untereinander bei religiösen Meinungsverschiedenheiten für "ungläubig" erklären. Das heutige europäische und deutsche "Takfir"-Netzwerk, das sich vom Balkan aus nach Europa ausbreitete, ist unter anderem deshalb nicht sehr groß. Für die Anhänger des KuF gehört Missionierungsarbeit ("Da'wa") zur religiösen Pflichtausübung. Sie nimmt dementsprechend einen großen Teil der Aktivitäten des Vereins ein. Auf unterschiedlichen Plattformen, im Internet und auch bei verschiedenen Veranstaltungen und öffentlichen Aktionen wird eine aufgeschlossene, offene 61 Haltung des Vereins suggeriert. Ziel ist es, die dadurch neu gewonnenen Besucher der Moschee von der "Takfir-Ideologie" zu überzeugen. Ein weiteres Instrument zur Verbreitung ihrer extremistischen Ideologie ist der Verlag "Dar ul Firdaus", an dessen Gründung im Jahr 2010 Anhänger des KuF maßgeblich beteiligt waren. Nach eigenen Angaben handelt es sich um ein islamisches Verlagshaus, das die Publikation von "authentischer Literatur" zum Ziel hat. Unter dem umfassenden Angebot, welches auf der Internetseite des Verlages vertrieben und beworben wird, findet sich auch eindeutig salafistische Literatur. Globale Islamische Medienfront (GIMF) Die Bundesanwaltschaft erhob im September 2010, unter anderem auch gegen zwei Gründungsmitglieder des KuF, Anklage wegen Mitgliedschaft in der deutschsprachigen GIMF. Den Beschuldigten wurde neben der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auch vorgeworfen, inhaltlich für die Internetseiten der deutschen GIMF verantwortlich gewesen zu sein. In Beiträgen sollen sie das Terrornetzwerk "al-Qaida" sowie die ihr nahe stehenden terroristischen Organisationen "al-Qaida im Zweistromland" und "Ansar at-Tawhid" unterstützt haben. Bei der GIMF handelt es sich um ein jihadistisches Onlinepropagandanetzwerk, welches über verschiedene nationale Ableger verfügt. In seinen Internetforen werden sowohl jihadistische Schriften als auch Audiound Videobeiträge veröffentlicht, in denen der bewaffnete Kampf glorifiziert wird. Ebenso wird um finanzielle oder logistische Unterstützung für "al-Qaida" und ihr ideologisch nahestehende Organisationen geworben. In der deutschsprachigen Version fanden sich, bis zu ihrer Schließung 2008, zahlreiche Übersetzungen aus dem Arabischen. Die GIMF ist daher ein Beispiel für die professionelle Nutzung des Internets zur Verbreitung der Ideologie von "al-Qaida". Der 2007 in Österreich zu vier Jahren Haft verurteilte Hauptverantwortliche für die deutsche Version der GIMF wurde im September 2011 aus der Haft entlassen und steht seitdem unter Beobachtung, da er auch weiterhin jihadistische Propagandaarbeit betreibt. Im Laufe des Jahres 2011 wurden alle der insgesamt acht Beschuldigten vom Oberlandesgericht München verurteilt. Eines der beiden Gründungsmitglieder des KuF ist wegen Werbung um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung im Ausland in zwei Fällen zu einem "sozialen Trainingskurs" verurteilt worden. Das zweite Gründungsmitglied wurde zu einer Haftstrafe von insgesamt drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zusätzlich zum Werben um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung im Ausland wurde dem Verurteilten die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland zur Last gelegt. Hier sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Verurteilte sich dem bewaffneten Kampf der "al-Qaida" anschließen und sich zu diesem Zweck in einem Trainingslager der "al-Qaida" in Afghanistan ausbilden lassen wollte. Unterstützung hat er bei dem erfolglosen Ausreiseversuch im Jahre 2007 durch ein entsprechendes Empfehlungsschreiben einer Person erhalten, die das Terrornetzwerk "al-Qaida" mit Geldspenden, militärischer Ausrüstung und der Rekrutierung neuer potenzieller Jihadisten unterstützte und deshalb 2009 zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden war. Bei einem der von ihm geworbenen Rekruten handelt es sich um den Deutsch-Marokkaner Bekkay Harrach, der 2009 während des Bundestagswahlkampfes mit seinen Drohvideos für Schlagzeilen sorgte. Medienberichten zufolge soll Harrach 2010 bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen sein. 5.4 Weitere islamistische Organisationen in Bremen In Bremen gehören insbesondre folgende Organisationen zum weiteren islamistischen Spektrum: die "Tablighi Jama'at", die "Hizb Allah"und die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V.". 62 5.4.1 "Tablighi Jama'at" (TJ) Personenpotenzial: ca. 700 in Deutschland ca. 15 in Bremen Die "Tablighi Jama'at" ("Gemeinschaft für Verkündigung und Mission") wurde 1926 als eine Wiedererweckungsund Missionsbewegung gegründet und zählt heute wegen ihrer sehr großen Anhängerschaft zu den weltweit bedeutendsten islamischen Bewegungen. Die Führungszentren der TJ liegen in Raiwind (Pakistan), Neu-Delhi (Indien) und Dhaka (Bangladesch). Neben verschiedenen Zentren in Frankreich, den Niederlanden und Portugal gilt Drewsbury (Großbritannien) als maßgebliches Zentrum für den europäischen Raum. Ideologie und Ziele Die TJ ging aus dem "Dar ul-Ulum" ("Haus der Gelehrsamkeit") in Deoband/Indien hervor, einem der größten islamischen geistigen Zentren weltweit. Die auch "Deobandis" genannten Anhänger dieser Denkschule folgen, ähnlich wie die Salafisten, einer strengen Auslegung der islamischen Quellen. Im Gegensatz zu diesen haben sie jedoch auch einige Elemente aus der islamischen Mystik (Sufismus) mit in ihre Lehre aufgenommen. Ziel der TJ ist es, ihre Lehren durch "selbstlose Missionsarbeit" weltweit zu verbreiten und vor allem "vom Weg abgekommene" Muslime wieder enger an den Glauben zu binden. Im Fokus stehen dabei individuelle Frömmigkeit und die konsequente Befolgung der islamischen Riten. Missionierungsreisen Die TJ kennt verschiedene "Missionsreisen"(Jama'at), die sich im Wesentlichen in ihrer Dauer unterscheiden: Die "3-Tages-Missionsreise" und die "10und 40-tägige Missionsreise" gehören zu den Pflichten eines jeden Mitglieds. Die aufwendigste und längste "Missionsreise" ist die viermonatige "Jama'at" in eines der Gründerzentren der TJ in Pakistan, Indien oder Bangladesch, die jedes Mitglied zumindest einmal in seinem Leben absolvieren sollte. Bezüge zum Islamismus Auch wenn die TJ gewaltfrei agiert und sich als apolitisch charakterisiert, stehen Teile ihrer Ideologie unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung entgegen. Da sie, wenngleich weniger offensiv als die Salafisten, für die Anwendung der Scharia in allen Lebensbereichen plädiert, kommt sie in Konflikt mit den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten sowie dem Demokratieund Rechtsstaatsprinzip. Anderen Religionen wird zudem eine minderwertige Rolle zugesprochen; Anhänger sollten sich möglichst gegen außerislamische Einflüsse abschotten. Der Jihad und das Märtyrium in der islamischen Frühzeit werden grundsätzlich glorifiziert, wenngleich nicht dazu aufgerufen wird, sich am aktuellen bewaffneten "Jihad" zu beteiligen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2011 ist die TJ nicht als terroristische Vereinigung einzustufen. Es sind allerdings Fälle bekannt, bei denen ihre Strukturen von Jihadisten zur Rekrutierung von Freiwilligen für den bewaffneten Kampf missbraucht wurden. "Tablighi Jama'at" in Deutschland 63 Die räumliche Struktur der TJ in Deutschland wurde durch die TJ-Führung in Pakistan und Indien festgelegt. Danach wurde Deutschland in zwölf regionale TJ-Gebiete aufgeteilt. Bei den ca. alle vier Monate stattfindenden Deutschlandtreffen wird jeweils ein neuer, für Deutschland zuständiger "Emir" (religiöser Anführer) gewählt. Dieser ist hauptsächlich für die organisatorische Umsetzung der in den Führungszentren der TJ getroffenen, grundlegenden Entscheidungen zuständig. Ihm obliegt damit die geistige und administrative Führung der TJ-Anhänger in Deutschland. Schwerpunkte in Bremen und Umland In Bremen, das eines der zwölf regionalen Gebiete darstellt, wird regelmäßige Missionierungsarbeit teilweise auch von auswärtigen TJ-Gruppen praktiziert. Diese Gruppen werden von Bremer Anhängern der TJ betreut (z.B. Unterkunft, Verpflegung). Durch die verschiedenen und gegenseitigen Besuche wird der Zusammenhalt auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene gepflegt. An den regelmäßig stattfindenden bundesund europaweiten Treffen, auf denen u. a. organisatorische Entscheidungen der Bewegung getroffen werden, beteiligen sich auch Bremer TJ-Anhänger. Die TJ in Bremen verfügt seit Mitte 2010 über eine eigene Moschee, die "Rahmah"Rahmah Moschee" Moschee", die sich in den ehemaligen Räumen der "Medina-Moschee" in der Bremer Innenstadt angesiedelt hat. Trotzdem besuchen weiterhin einige von ihnen das "Islamische Kulturzentrum e.V." (IKZ) und den "Marokkanischen Verein Abu Bakr Moschee e.V.". Der "Marokkanische Verein Abu Bakr Moschee e.V." wurde 2003 gegründet, nachdem sich ein Teil ehemaliger Besucher des IKZ von diesem lossagte. Bei den Mitgliedern und Besuchern dieses Moschee-Vereins handelt es sich größtenteils um Nordafrikaner, vornehmlich um Marokkaner. Der "Marokkanische Verein Abu Bakr Moschee" 5.4.2 "Hizb Allah" Personenpotenzial: ca. 950 in Deutschland ca. 50 in Bremen Die "Hizb Allah" ("Partei Gottes") wurde 1982 als Widerstandsgruppe gegen den Einmarsch der israelischen Truppen in den Libanon auf maßgebliche Initiative des Iran gegründet. Noch heute besitzt der Iran großen finanziellen, ideologischen und politischen Einfluss auf die "Hizb Allah". Das Hauptanliegen der "Hizb Allah" ist die Zerstörung des Staates Israel sowie der Schutz des libanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen. Das ursprüngliche Ziel, einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild im Libanon zu gründen, ist zugunsten einer pragmatischen Politik in den Hintergrund getreten. 2009 legte der Generalsekretär Nasrallah ein Strategiepapier vor, in dem sich die "Hizb Allah" zu einem demokratischen Staat bekennt und die Zusammenarbeit mit der offiziellen libanesischen Armee bei der Verteidigung des Landes bejaht. Nach wie vor jedoch verfügt die "Hizb Allah" über eigene, dem libanesischen Staat nicht untergeordnete, paramilitärische Einheiten. Die "Hizb Allah" hat aufgrund ihres sozialen Engagements vor allem bei der schiitischen Bevölkerung einen breiten gesellschaft64 lichen Rückhalt. Seit 1992 ist die "Hizb Allah" im libanesischen Parlament vertreten. Nach dem Machtvakuum durch den Fall der Regierung im Januar 2011 konnte sie durch Bündnisse mit anderen Parteien die Mehrheit im Parlament erlangen und somit entscheidenden Einfluss auf die Regierungsbildung nehmen. Seit Juni 2011 dominiert ihre Koalition das Kabinett des amtierenden Premierministers Mikati. Struktur und Aktivitäten in Deutschland Die Führung der "Hizb Allah" versucht seit Längerem, effiziente Organisationsstrukturen in Deutschland aufzubauen. Bislang existieren allerdings keine einheitlichen Strukturen. Häufig sind ihre Anhänger in "Moschee-Vereinen" organisiert. Bei islamischen Festen wie dem "Ashura-Fest" oder dem Fastenmonat "Ramadan" schickt die libanesische Organisation regelmäßig Geistliche nach Deutschland, um die deutschen "Hizb Allah"-Gemeinden zu betreuen, denen vor allem libanesischstämmige Personen angehören. Die Aktivitäten der "Hizb Allah" in Deutschland beschränken sich auf die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen, Spendensammlungen und Demonstrationen. Wie in den Vorjahren beteiligten sich arabische, türkische und iranische "Hizb Allah"-Anhänger an der jährlichen Demonstration zum internationalen "al-Quds"-Tag ("Jerusalem-Tag") am 27. August 2011 in Berlin. Einige Teilnehmer waren aus Bremen angereist. Teilnehmer der al-Quds"Hizb Allah" in Bremen Demonstration in Berlin In Bremen sind die Anhänger der "Hizb Allah" in der "Al-Mustafa-Gemeinschaft e. V." organisiert. Die Vereinsaktivitäten konzentrieren sich auf interne Treffen, Diskussionsveranstaltungen und religiöse Aktivitäten. Ziel der "Al-Mustafa-Gemeinschaft" ist es, die in Bremen lebenden Libanesen an ihre Heimat zu binden und die libanesische Kultur aufrechtzuerhalten. Zur Unterstützung des Kampfes der "Hizb Allah" im Libanon sammelt der Verein Spenden in Deutschland. Im Rahmen des "Waisenkinderprojekts Libanon e. V." werden z. B. deutschlandweit Patenschaften für Waisen im Libanon vermittelt und Familien von gefallenen "Hizb Allah"-Kämpfern unterstützt. Werbung für das Waisenkinderprojekt 5.4.3 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) Personenpotenzial: ca. 31.000 in Deutschland ca. 2.000 in Bremen 65 Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) ist mit bundesweit etwa 31.000 Mitgliedern die größte islamistische Organisation in Deutschland. In Bremen wird die IGMG durch die "Islamische Föderation Bremen" (IFB) repräsentiert. Mit ca. 2.000 Mitgliedern stellt die IFB auch in Bremen die mitgliederstärkste islamistische Organisation dar. Die ideologischen Wurzeln der IGMG beruhen auf Ideen des am 27. Februar 2011 verstorbenen türkischen Politikers Necmettin Erbakan, der Ende der 1960er-Jahre die "Milli Görüs"-Bewegung gründete. "Milli Görüs" ("Nationale Sicht") und "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung") sind Schlüsselbegriffe der "Milli Görüs"-Ideologie. Sie zielt darauf, die gegenwärtige Ordnung, die auf Gewalt, Unrecht und Ausbeutung der Schwachen beruht, durch eine "Gerechte Ordnung" nach islamischen Grundsätzen zu ersetzen. Diese "Gerechte Ordnung" soll alle Lebensbereiche erfassen und dabei zunächst in der Türkei und schließlich in der gesamten Welt verwirklicht werden. Das bringt ein Kolumnist in der "Milli-Gazete"-Ausgabe vom 22. Februar 2010 mit folgendem Zitat zum Ausdruck: "Muslim zu sein ist das größte Heldentum.(...) Die Muslime müssen mit ihrem gesamNecmettin Erbakan ten Aussehen zeigen, dass jeder Einzelne von ihnen ein wandelnder Koran ist. (...) Jeder Muslim muss sein Leben dafür aufwenden, dass der Islam gelebt wird. Diese Verhaltensund Denkweise ist ein Schritt dazu, die gesamte Welt zu islamisieren. (...) Oh meine Umma! [Umma =Gesamtheit der Muslime] Moscheen sind Orte, an denen keine Sünden begangen werden. Deswegen ist es Euer aller Pflicht, die Erde in einen Ort zu verwandeln, an dem keine Sünden begangen werden (...)." Die Etablierung einer "islamischen Ordnung" würde wesentliche, im Grundgesetz verankerte Grundsätze, wie das Rechtsstaatund Demokratieprinzip, den Grundsatz der Gewaltenteilung, die Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung von Männer und Frauen, verletzen. Die "Milli Görüs"-Bewegung wendet sich dabei mit ihrer islamistischen Ideologie nicht nur gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, sondern ist aufgrund ihres antisemitischen Charakters auch gegen die Völkerverständigung gerichtet. Deutlich wird dies aus jüngster Zeit durch Erbakans Aussagen in einem Interview mit DIE WELT vom 08. November 2010: "Seit 5.700 Jahren regieren die Juden die Welt. Es ist eine Herrschaft des Unrechts, der Grausamkeit und der Gewalt. Sie haben einen starken Glauben, eine Religion, die ihnen sagt, dass sie die Welt beherrschen sollen. Sehen Sie sich diese Ein-DollarNote an. Darauf ist ein Symbol, eine Pyramide von 13 Stufen, mit einem Auge in der Spitze. Es ist das Symbol der zionistischen Weltherrschaft. [...] Wenn die Israelis in Frieden leben wollen, wäre es vielleicht besser, wenn sie zum Beispiel in Amerika lebten." Struktur und Aktivitäten der IGMG in Deutschland Die Anfänge der Organisation in Deutschland reichen bis in die 1970er-Jahre zurück. Heute ist die IGMG in Deutschland in 15 Regionalverbände untergliedert. Die Regionalverbände sind Zusammenschlüsse der Ortsvereine. Die Zentrale der IGMG für alle europäischen Regionalverbände befindet sich in Kerpen, Nordrhein-Westfalen. Die IGMG bietet ihren Mitgliedern abgesehen von der religiösen Betreuung beispielsweise bei islamischen Festen, Pilgerfahrten oder Bestattungen auch ein breit gefächertes kulturelles, soziales und pädagogisches Angebot. So werden Vortragsveranstaltungen, Gesprächskreise, Kurse für Frauen, Koranlesewettbewerbe, Computerkurse und geschlechtergetrennte Ferienlager für Kinder angeboten. Ebenso verfügt die IGMG über Sportund Studentenvereine. Darüber hinaus unterhält sie eine Rechtsabteilung, die ihre Mitglieder in juristischen Fragen unterstützt, wie z.B. bei der Abmeldung von Mädchen vom Schwimmunterricht oder bei Einbürgerungsverfahren. Die Kinderund Jugendarbeit bildet einen Tätigkeitsschwerpunkt der IGMG. Neben Aktivitäten auf religiösem, kulturellem und sozialem Gebiet ist für die IGMG die Beeinflussung türkischer und türkischstämmiger Kinder und Jugendlicher besonders 66 wichtig. Sie versucht, die Heranwachsenden mit den oben genannten Angeboten an sich zu binden. Auf spielerische Weise (Comics, Bastelanleitungen, Malvorlagen) sollen schon Kinder im Vorschulalter mit der Organisation der IGMG vertraut gemacht werden. Außerdem werden in den Schulferien Koranschulungen angeboten, die sowohl als Tagesals auch als Internatskurse durchgeführt werden. Am 14. Mai 2011 wählten in Duisburg die Delegierten der IGMG einen neuen Vorstand. Kemal Ergün, bislang Vorsitzender des IGMG-Regionalverbandes Köln, wurde zum neuen Generalvorsitzenden und Hakki Ciftci zu seinem Stellvertreter gewählt. Der bisherige, seit neun Jahren amtierende Generalvorsitzende Yavuz Celik Karahan alias Osman Döring hatte bereits im Vorfeld verlauten lassen, nicht erneut zu kandidieren. Insoweit hatten sich Informationen bestätigt, dass Erbakan vor seinem Tod noch einen Wechsel an der Spitze der IGMG durchgesetzt hat, um diese wieder fester in das Gefüge der "Milli-Görüs"-Bewegung einzubinden. Inwieweit sich der Tod Erbakans auf das Verhältnis der IGMG in Deutschland zur "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei auswirkt, kann zurzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Ebenso muss das Vorhaben Ergüns, die IGMG als reine Religionsgemeinschaft "umzubauen", abgewartet werden. "Milli Gazete" als publizistisches Sprachrohr Die türkischsprachige Zeitschrift "Milli Gazete" ist eine formal eigenständige Publikation, die jedoch inhaltlich den Lesern die Ideologie von "Milli Görüs" vermittelt; das Blatt verfügt auch über eine Homepage im Internet. Die Tageszeitung erscheint in einer Türkeisowie in einer Europabzw. Deutschlandausgabe. In der Europaausgabe der "Milli Gazete" nimmt innerhalb der Berichterstattung das Thema "Milli Görüs" einen breiten Raum ein. Regelmäßig und umfänglich wird in der "Milli Gazete" über lokale, regionale und bundesweite Veranstaltungen der IGMG berichtet. Des Weiteren werden dort Annoncen der IGMG veröffentlicht. Auch die Glückwunschund Kondolenzanzeigen machen deutlich, dass die "Milli Gazete" eine wichtige Kommunikationsplattform für die IGMG und die gesamte "Milli Görüs"-Bewegung ist. Weder die Homepage der IGMG noch die verbandseigene Zeitschrift "IGMG Perspektif "oder andere IGMG-Publikationen bieten eine derartige Fülle von tagesaktuellen Informationen über die verschiedenen IGMG-Veranstaltungen. In der "Milli Gazete" wird seit vielen Jahren extremistisches Gedankengut verbreitet. Die Zeitung veröffentlicht regelmäßig zahlreiche Artikel, die ein reformnegierendes Islamverständnis, Welterlösungsansprüche, Verschwörungstheorien und dezidierte Feindbilder propagieren. "Reform in der Religion, Neuerung in der Religion, Veränderung in der Religion, ein gemäßigter Islam und Neuerungen wie die Lehre des historischen Relativismus sind Abnormitäten. [...] die wahre Religion kann keine Teilhaber/Mitstreiter akzeptieren." ("Milli Gazete", 28. Juli 2010) Ideologische Beeinflussung durch die "Saadet Partisi" (SP) In der Türkei sind die Anhänger der "Milli Görüs"-Bewegung seit 2001 in der SP organisiert. Das Ziel der SP ist die Abschaffung des Laizismus und die Einführung einer auf der "Scharia" gegründeten Lebensund Gesellschaftsordnung. Parteifunktionäre der SP werden regelmäßig von IGMG-Anhängern zu offiziellen oder privaten Anlässen in Deutschland oder im europäischen Ausland empfangen und wirken 67 dabei mit, die IGMG ideologisch an den Zielen der SP zu orientieren. Für den Bereich Bremen muss die Präsenz von SP-Mitgliedern bei Veranstaltungen im zurückliegenden Jahr allerdings als rückläufig bezeichnet werden. Der Nachfolger Erbakans im Parteivorsitz der SP, Dr. Mustafa Kamalak - wohl ein Traditionalist im Sinne von Erbakan - , wird die bisherige Linie der SP in der Türkei fortsetzen. Bei den Parlamentswahlen am 12. Juni 2011 in der Türkei entfiel auf die "Saadet Partisi" lediglich ein Stimmanteil von 0,7 %. In 2007 waren es 2,3 % der Stimmen - auch damit verfehlte die Partei den Einzug ins türkische Parlament. Modernisierungsbestrebungen innerhalb der IGMG Die IGMG ist keine durchgehend homogene Organisation. Neben Anhängern des strikt islamistischen Kurses Erbakans sind auch moderat eingestellte, nicht extremistische Kräfte in ihr vertreten. Seit einigen Jahren sind in Deutschland Tendenzen festzustellen, dass sich insbesondere die jüngere Generation bemüht, eine größere Eigenständigkeit der hiesigen Organisation und eine Loslösung von der türkischen "Milli Görüs"Bewegung zu erreichen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Kräfte mit einer Lösung von der Türkei auch eine ideologische Reform der IGMG in Deutschland anstreben. In 2010 hatte der "Milli Görüs"-Führer Erbakan u.a. bei seinem Besuch der IGMG in Deutschland versucht, die IGMG auf seinen ideologischen Kurs "einzuschwören", z.B. durch personelle Einflussnahme. Nach seinem Tod wird jetzt die weitere Entwicklung zeigen, ob die IGMG die Nähe zur SP, insbesondere nach deren Wahldebakel bei den Parlamentswahlen 2011, beibehalten wird. Dies wird auch davon abhängen, ob unter der Führung des neuen Generalvorsitzenden Ergün der Schritt zu einer reinen, von der Türkei unabhängigen, Religionsgemeinschaft vollzogen wird. Struktur und Aktivitäten in Bremen Die "Islamische Föderation Bremen" (IFB) wurde 1989 gegründet und bildet den Regionalverband der IGMG, dem neben zurzeit 16 sogenannten "Moschee-Gemeinden" aus Bremen, Bremerhaven und dem Bremer Umland auch der "Muslimische Frauenverband" und der "Muslimische Jugendund Kulturverein" angehören. Die "Moschee-Gemeinden" werden oftmals von formal eigenständigen IGMG-Ortsvereinen getragen, z.B. der "Kuba-Moschee" in Bremen-Hemelingen oder der "AksaMoschee" in Bremen-Tenever. Die IFB versteht sich als islamische Religionsgemeinschaft und als Interessenvertreterin der hier lebenden Muslime. Durch ein über fast alle gesellschaftlichen Lebensbereiche gespanntes Vereinsgeflecht gelingt es ihr dabei, einen Teil der hier Zentrale der IFB in Bremen-Vahr lebenden türkischen Muslime an sich zu binden und in ihrem Sinne zu beeinflussen. Zu einer festen Größe in Bremen gehört die durch die IFB organisierte, jährlich wiederkehrende Großveranstaltung anlässlich der Geburt des Propheten Muhammads. Am 24. April 2011 nahmen etwa 2.000 Gäste, darunter auch der ehemalige Generalvorsitzende der IGMG, Yavuz Celik Karahan, daran teil. Innerhalb des Rahmenprogramms referierte ein Rechtsgelehrter über die Bedeutung der "Scharia" sowie über die Regeln und die Unfehlbarkeit des Islam. Am Nachmittag des 19. Juni 2011 fand in den Räumen der IFB ein sogenanntes "Saisonabschlussfest" unter Beteiligung verschiedener Funktionäre und ihrer Familienangehörigen aus den Moscheegemeinden der IFB statt. Anlässlich deser Veranstaltung wurde der neu gewählte IGMG-Vorsitzende für Deutschland und Europa, Kemal Ergün, vorgestellt. Daneben konnte auch ein ehemaliger IFB-Funktionär begrüßt werden, der für den Bereich Bildung in die neue Vorstandsriege der IGMG-Zentrale gewechselt ist. Die IFB präsentiert sich seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit als dialogbereite Organisation. Das zeigt sich durch öffentlich wirksame Aktionen, wie den "Tag der offenen Moschee" in Bremen oder den jährlichen "Iftar'-Empfang. Ein in 2009 begonnener Dialog zwischender IFB und dem LfV Bremen wurde auch 2011 fortgeführt. Die Fatih-Moschee ist das Zentrum der IGMG in Bremen undist eine der größten Moscheen Norddeutschlands 6 Ausländerextremismus 61 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und Nachfolgeorganisationen ("Kongra Gel") 6 Ausländerextremismus 2011 wurden extremistischen Ausländerorganisationen in Deutschland ca. 26.000 Personen zugerechnet. Darunter waren Gruppen aus ganz verschiedenen Herkunftsländern, beispielsweise ausSri Lanka, der Türkei oder auch Palästina. Die größte Gruppe mit ca. 13.000 Anhängern stellte die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Einen der Schwerpunkte der Organisation in Deutschland bildeten im Herbst 2011 die Konfrontationen mit rechtsgerichteten türkischen Gruppierungen. Entwicklung extremistischer Ausländerorganisationen in Deutschland Die extremistischen Ausländerorganisationen in Deutschland sind stark von Ereignissen und Entwicklungen in ihren Herkunftsländern abhängig. Im Gegensatz zu islamistischen Organisationen orientieren sie sich nicht an einer religiösen "islamischen Ordnung", sondern anweltlichen, politischen Ideologien oder Anschauungen. Die Zielrichtungen von ausländerextremistischen Organisationen lassen sich im Wesentlichen in linksextremistische, nationalistische und ethnisch motivierte Autonomieund Unabhängigkeitsbestrebungen unterteilen. Die Ausländerorganisationen sind nicht autark, sondern meistens Teil einer "Mutterorganisation" im Herkunftsland oder zumindest ideologisch eng mit einer solchen verbunden. Gesellschaftliche und politische Konflikte aus anderen Teilen der Welt werden durch Migration und den Zuzug von Arbeitskräften nach Deutschland importiert. Von der Finanzkraft der hier lebenden undarbeitenden Ausländer profitierten auch extremistische Organisationen in den Heimatländern. Vielfach gründeten se "Exilvereine" in Deutschland. Heute ist Deutschland für extremistische Ausländerorganisationen in unterschiedlicher Intensität ein Rückzugsund Rekrutierungsraum und dient ihnen zur Beschaffung von Material und Geld. Bei der Mitgliederwerbung und Mobilisierung der Anhängerschaft setzen die Organisationen in populistischer Weise auf "Volksnähe". Der Anteil der ausländischen Extremisten in Bremenist gemessen an der Gesamtbevölkerung gering. Von den ca. 659.300 Bürgern im Land Bremen habenetwa 171.000 einen Migrationshintergrund, davon werden ca. 525, etwa 0,31 %, als Extremisten (ohne Islamisten) eingeschätzt. Verfassungsfeindlichkeit Nach $ 3 Absatz 1 Nr. 3 des Bremischen Verfassungsschutzgesetzes (BremVerfSchG) gehört es zu den Aufgaben des LfV, Bestrebungen zu beobachten, die durch Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dies ist gegeben, wenn ausländische Gruppierungen vonhier aus gewaltsame Aktionen im Heimatstaat vorbereiten oder unterstützen, etwa durch Aufrufe zur Gewalt oder durch die Beschaffung finanzieller oder sonstiger Mittel. Diefreiheitliche demokratische Grundordnung kann auch durch ausländerextremistische Bestrebungen gefährdet sein, wenn Kaderstrukturen beabsichtigen, demokratische Grundregeln n Deutschland außer Kraft zu setzen($ 3 Absatz 1 Nr. 1 BremVerfSchG). 6.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und Nachfolgeorganisationen ("Kongra Gel") Personenpotenzial: ca. 13.000 in Deutschland ca. 300 in Bremen 71 Die größte und aktivste Gruppe unter den ausländischen Extremisten in Bremen "Kongra Gel" bilden die kurdischen Extremisten mit etwa 300 Mitgliedern, die sich überwiegend im "Birati e. V." ("Verein zur Förderung demokratischer Gesellschaft Kurdistans") treffen. Der auch im Jahr 2011 wieder sehr aktive Verein fungiert als regionales Ausführungsorgan der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die zurzeit unter dem Namen "Kongra Gel" agiert. Zwischen den bewaffneten Kräften der PKK, der Guerilla und dem türkischen Militär kam es ab Juli 2011 wieder zu verstärkten Kampfhandlungen, bei denen etliche Kontrahenten ihr Leben verloren. Entwicklung der PKK und ihre Ideologie Die PKK wurde 1978 von einer kurdischen Gruppierung um den heutigen "PKKFührer" Abdullah Öcalan (genannt "Apo" = Onkel) gegründet. Ihre Ideologie strebte auf Grundlage einer demokratischen Volksdiktatur letztlich die Errichtung eines kurdischen Nationalstaates nach streng marxistisch-leninistischer Prägung in der Türkei an. Zur Durchsetzung ihrer Ziele begann die PKK 1984 einen Guerillakrieg im Südosten der Türkei, der ab 1991 auch terroristische Aktionen im Westen der KCK Türkei umfasste. Die Anschläge richteten sich vorwiegend gegen staatliche Einrich"Vereinigte Gemeinschaften tungen, Wirtschaftsunternehmen und Personen des öffentlichen Lebens. Zwischen Kurdistans" (KCK) 1984 und 1999 kamen schätzungsweise 37.000 Menschen in den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und der türkischen Armee ums Leben. Das Konzept der "Vereinigten Gemeinschaften Kurdistans" Mit der Verhaftung des "PKK-Führers" Öcalan 1999 änderte die Partei ihre Strategie. (KCK) zielt auf die Förderung Sie beendete den Guerillakampf und gab gleichzeitig auch ihre Forderung nach der kurdischen Identität und auf einem eigenen Staat auf; ihr Ziel ist seitdem die politisch-kulturelle Autonomie der die Etablierung eines länderKurden. Öcalan entwickelte dazu das Konzept des "Demokratischen Konföderalisübergreifenden, politisch-kultumus" (KKK), das den in verschiedenen Staaten lebenden Kurden eine Art Verfassung rellen Verbundes aller Kurden. geben soll. 2007 wurde dieses Konzept in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" Die Mitbestimmung erfolgt über (KCK) umbenannt. Die ideologische Kaderorganisation "neue PKK" wurde 2005 sogenannte "Volksräte". Die Umgegründet, um das Konzept autoritär und zentralistisch umzusetzen. Der Exekutivrat setzung des Konzeptes erweist der KCK, der aus Spitzenfunktionären der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen sich in Europa als schwierig. besteht, führt das Gesamtgeflecht der PKK. 2004 nahm die PKK den Guerillakampf Wenngleich in den regionalen mit der Begründung wieder auf, die türkische Regierung wolle sich nicht mit ihr Kurdenvereinen vielfach "Volkseinigen. Der bewaffnete Arm der PKK, die sogenannten "Volksverteidigungskräfte" räte" installiert sind, werden (HPG), erhielt in seinem Kampf gegen den türkischen Staat zeitweilig Unterstützung die Vereine meist autoritär von von den aus ihm hervorgegangenen "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK), die vor allem PKK-Funktionären geführt. für terroristische Anschläge verantwortlich waren. Alleinvertretungsanspruch der PKK Die PKK erhebt für sich den Anspruch, alleinige Vertreterin aller Kurden zu sein. Um allen Kurden eine entsprechende "Heimat" bieten zu können, schuf die Partei in den 1990er-Jahren eine Vielzahl von Interessenvertretungen unter dem eigenen Dach, sogenannte Massenorganisationen. Zum Beispiel sind Jugendliche im Dachverband "Komalen Ciwan" organisiert, religiöse Anhänger werden durch die "Islamische Gemeinschaft Kurdistans" (CIK) vertreten. In Bremen gehört die "Saidi Kurdi-Moschee" zur CIK. Verbot der PKK in Europa und Deutschland In Europa wurde die PKK 2002 in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen. In Deutschland wurde die PKK bereits 1993 wegen vielfältiger, teilweise gewaltsamer Unterstützungshandlungen der hier lebenden Anhängerschaft verboten. 2004 wurde das Verbot sowohl in Europa als auch in Deutschland auf die PKK-Nach72 folgeorganisation "Kongra Gel" ausgeweitet. In den 1990er-Jahren wurden im Zusammenhang mit dem Verbot der PKK in Bremen auch vier "Unterstützervereine" und ihre Nachfolgeorganisationen verboten. Die Bremer PKK-Anhänger gründeten jedoch unmittelbar nach den Verboten neue Vereine, zu ihnen gehört der Bremer "Birati e. V.". Im Oktober 2010 entschied der Bundesgerichtshof, dass es sich bei der in Deutschland aktiven Teilgruppe der PKK nicht um eine eigenständige inländische Organisation nach SSSS129, 129a StGB, sondern um die Teilorganisation einer ausländischen (Haupt-)Organisation nach SSSS129a, 129b StGB (ausländische terroristische Vereinigung) handelt. Gewaltfreier Kampf in Europa Die PKK führt im Gegensatz zum gewaltsamen Kampf in der Türkei grundsätzlich einen gewaltfreien Kampf in Europa und verfolgt damit eine "Doppelstrategie". In Europa ist die Partei lediglich mit ihrem politischen Arm vertreten, der sich "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) nennt. Die PKK greift in ihrem gewaltfreien Kampf sowohl auf legale als auch illegale Strukturen in Deutschland zurück. Regionale Kurdenvereine (sogenannte Basisvereine) dienen den Anhängern als Informationsund Kommunikationszentren. Diese PKK-nahen Vereine sind in Deutschland unter dem Dachverband der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM) zusammengeschlossen. Die Föderation unterstützt mit ihrem propagandistischen Wirken die Ziele der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen. Den Vorsitz des Dachverbandes hat seit März 2011 (erneut) der Bremer Yüksel Koc inne. Wie sehr das Wirken der Föderation in Verbindung zur PKK-Spitze steht, wurde während der Vorbereitungen zum alljährlich von YEK-KOM organisierten kurdischen Kulturfestival am 3. September 2011 in Köln deutlich. Wenige Tage vor dem Festival äußerte Yüksel Koc gegenüber dem PKK-Propagandasender Roj TV: "Dieses Mal muss unsere Stimme bis nach Kandil reichen". "Kandil" ist ein Gebirge im Nordirak und wird von der Führungsspitze der PKK (Exekutivrat der KCK) als Unterschlupf genutzt. Zugleich ist es Rückzugsund Ausbildungsgebiet der Guerilla. Die Äußerung des YEK-KOM-Vorsitzenden ist Zeugnis dafür, dass die örtlichen, grundsätzlich gewaltfrei agierenden sogenannten legalen Strukturen der PKK im Sinne der terroristischen Führungsriege der PKK im Ausland handeln. Dem aktiven Führungskreis von YEK-KOM gehören weitere Bremer Vertreter an. Dieser Führungskreis ist u.a. in Bremen innerhalb der PKK-Strukturen für die Kontakte zu Politik und Gesellschaft verantwortlich. Türkisch-kurdischer Konflikt Das Demonstrationsverhalten der PKK-Anhänger in Europa war in der zweiten Jahreshälfte 2011 zeitweilig von hoher Aggressivität geprägt. Dazu beigetragen hat u.a. ein Überfall der PKK-Guerilla auf acht türkische Militärposten in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 2011 nahe der Grenze zum Irak, bei dem 24 Soldaten getötet wurden, und die anschließenden Reaktionen des türkischen Militärs. Türkische Landsleute, u.a. in Europa, protestierten gegen den Terror der PKK. Dabei wurden vermehrt Zusammenstöße zwischen offensichtlich nationalistisch geprägten Türken, sogenannte "Graue Wölfe", und PKK-Anhängern registriert. Im Gegenzug machten u.a. jugendliche PKK-Anhänger in Deutschland mit Demonstrationen und Besetzungen, beispielsweise von CDU-Parteibüros bzw. -Geschäftsstellen in Hamburg, Köln und Stuttgart, auf die "Kriegsverbrechen" des türkischen Staates an Kurden aufmerksam. "Graue Wölfe" kontra PKK-Anhänger Die kurdische Bevölkerung in der Türkei fühlt sich seit Gründung der Republik im Jahre 1923 gegenüber der türkischen Bevölkerung benachteiligt, da sie in der Verfassung nicht erwähnt ist. Dies ist einer der Gründe dafür, warum Abdullah Öcalan 1978 die PKK gründete. Wiederum veranlasste dies nationalistisch geprägte Türken, deren Sammelbecken die "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) in der 73 Türkei ist, ihren Einsatz gegen separatistische Bestrebungen der Kurden zu verstärken. Daraus formierte sich eine latent schwelende Feindschaft, die durch die jeweiligen Anhänger, sogenannte "Graue Wölfe" und PKK-Anhänger, nach Deutschland exportiert wird. Nachdem eine für den 26. November 2011 von YEK-KOM in Berlin geplante Großdemonstration zum Thema "Demokratie stärken, PKK-Verbot aufheben, Freiheit für A. Öcalan und Frieden in Kurdistan" wegen zu erwartender Propaganda für die PKK verboten wurde, beteiligten sich am selben Tag mehrere Hundert PKK-Anhänger aus Deutschland, u.a. auch aus Bremen, an einer Demonstration des linken deutschen Spektrums gegen Rassismus und Faschismus in Berlin. Sie zeigten verbotene PKK-Symbole und lieferten sich Auseinandersetzungen mit türkischen Landsleuten. Der YEK-KOM-Vorsitzende Yüksel Koc hatte nach dem Verbot der eigenen (YEKKOM-)Demonstration laut. "Yeni Özgür Politika" zur Teilnahme an dieser Kundgebung aufgerufen. Offensichtlich als begleitende Maßnahme im türkisch-kurdischen Konflikt verschärfte die türkische Regierung die Haftbedingungen Abdullah Öcalans. Als Folge besetzten u.a. jugendliche PKK-Anhänger am 28. September 2011 das Studio des Fernsehsenders RTL in Köln und forderten die Ausstrahlung eines vorbereiteten Beitrags zur Freilassung Abdullah Öcalans. Trotz einer allgemein erkennbaren Zunahme von Gewalt bei Veranstaltungen von PKK-Anhängern in der Diaspora lässt sich daraus noch keine Abkehr der PKK von einer grundsätzlich gewaltfreien Linie in Europa ableiten. Finanzierung der PKK Der Guerillakampf der PKK in der Türkei sowie ihre politische Arbeit in Europa erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Dies wird gerade in Zeiten verstärkter militärischer Auseinandersetzungen, wie sie ab Sommer 2011 zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK-Guerilla vorkamen, offensichtlich. Die PKK finanziert sich in erster Linie aus Spenden, daneben auch durch Erlöse aus Veranstaltungen und dem Verkauf von Publikationen. Die Spendenbereitschaft der europäischen Anhänger wird durch eine intensive Propagandatätigkeit aufrechterhalten. Dafür fließen die in Europa gesammelten Gelder größtenteils in die kostenintensive Propagandaund Medienarbeit der PKK. Ein Teil der Einnahmen strömt aber auch in die Türkei bzw. den Nordirak und kommt damit der Guerilla zugute. Dafür spricht u.a. der von September auf August 2011 vorgezogene Beginn der Kampagne, denn ab Juli hatte die PKK ihre Guerillaaktivitäten in der Heimat intensiviert. Propagandasender Roj TV Eines der wichtigsten Propagandainstrumente der PKK in Europa ist der von Dänemark ausstrahlende Fernsehsender "Roj TV". Der Bundesminister des Innern (BMI) hat mit Verfügung vom 19. Juni 2008 u.a. ein Betätigungsverbot gegen den Betrieb des Fernseh-Satellitensenders "Roj TV" sowie das in Deutschland ansässige Unternehmen "VIKO Fernseh Produktion GmbH" als dessen Teilorganisation erlassen. Gegen die Verfügung hatte der Sender vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig Klage erhoben. Nach einem Beschluss des BVerwG ist durch die Verfügung europäisches Recht tangiert. Die Frage des vorrangig anzuwendenden Rechts wurde zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Dieser entschied am 22. September 2011, Deutschland kann die Ausstrahlung von Dänemark aus nicht verbieten, dazu habe lediglich der die Sendelizenz ausstellende Staat die Möglichkeit. Allerdings sei das Verbot von Produktionsbeiträgen/-stätten in Deutschland grundsätzlich zulässig. Die endgültige Entscheidung nach Maßgaben des EuGH durch das BVerwG stand Ende 2011 noch aus. In Dänemark wurde im August 2011 ein entspre74 chendes Verbotsverfahren eröffnet. Pressemeldungen zufolge verurteilte ein Kopenhagener Gericht am 10. Januar 2012 "Roj TV" zu einer Gesamtstrafe von annähernd 700.000 EUR. Der Sender werde von der PKK finanziert und betreibe Propaganda für die Organisation. Die Entziehung der Sendelizenz lehnte das Gericht jedoch ab, weil dies als Sanktion bei Körperschaften nicht vorgesehen sei. Trotzdem sind die Programme des Senders seit dem 22. Januar 2012 außer über das Internet nicht mehr zu empfangen, da die Satellitenbetreiber, insbesondere Eutelsat, die Ausstrahlung aufgrund der Unterstützung von "Roj TV" für die PKK eingestellt haben. "Roj TV" hat nach Presseberichten Rechtsmittel gegen die Entscheidungen eingelegt. Werbung und Rekrutierung von jungen Kurden für die PKK-Guerilla Die PKK ringt aufgrund einer starken Zunahme der bewaffneten Konflikte in der Türkei sowie Inhaftierungen von Kadern in Europa mit Nachwuchsproblemen. Deshalb erfolgen Aufrufe zur Beteiligung am Kampf u.a. in den ihr nahestehenden Medien wie "Roj TV", auf einschlägigen Seiten im Internet, in (Jugend-)Zeitschriften oder auf Großveranstaltungen wie dem jährlichen kurdischen Kulturfestival. Aber auch sogenannte "Märtyrerveranstaltungen" in den örtlichen Vereinen, wobei gefallene Guerillakämpfer glorifiziert werden, bereiten den Boden für Rekrutierungen. Die zum Ritual solcher Veranstaltungen zählenden Gedenkminuten sollen ein Verbundenheitsgefühl mit den gefallenen Guerillakämpfern vermitteln. Verbotene Symbole der PKK sind bei derlei Veranstaltungen allgegenwärtig. "Westlicher Einfluss" erschwert zunehmend die Rekrutierung junger Anhänger in Europa. Er zerstört die "Werte der Revolution", verlautete es dazu aus PKK-Führungskreisen. Andererseits steigern (empfundene) Benachteiligungen der kurdischen Bevölkerung in der Türkei die Rekrutierungsbereitschaft der jugendlichen Anhänger, u.a. auch deshalb, weil die PKK solche Ereignisse propagandistisch nutzt. Befinden sich die Jugendlichen erst einmal in den Fängen spezieller Kader, wie der PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan", sind sie gegen die massive Partei-Indoktrination weitgehend machtlos. PKK in Bremen Aktivitäten der Bremer PKK-Sektion erfolgen erfahrungsgemäß hauptsächlich auf Weisung der "illegalen" bzw. "legalen" übergeordneten Strukturen. "Birati e.V." nimmt dabei als regionales Ausführungsorgan der PKK eine besondere Funktion ein, weil er zu den sogenannten "Zentralvereinen" gehört. Deutschland wurde vom politischen Arm der PKK, der CDK, in knapp 30 Gebiete unterteilt. In einem solchen Gebiet nimmt der jeweils bedeutendste kurdische Verein die Stellung des "Zentralvereins" ein und alle anderen PKK-nahen Vereine sind häufig abhängig von seinen Entscheidungen und Weisungen. In Bremen steht z.B. der Verein der "Förderung der kurdischislamischen Kultur e.V." (Trägerverein der "Saidi Kurdi-Moschee") in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Zentralverein "Birati e.V.". Dass auch jugendliche PKK-Anhänger dem Einfluss von "Birati e.V." unterliegen, zeigte sich u.a. am 29. Oktober 2011 in Sitz des "Birati e.V." Bremen bei einer Protestkundgebung von ca. 1.000 türkischen Landsleuten gegen den PKK-Terror "in der Heimat". Im Rahmen einer unangemeldeten Gegendemonstration provozierten 60-70 junge Kurden mit Öcalan-Bildern und PKK-Skandierungen die türkischen Demonstrationsteilnehmer. Ein bekannter PKK-Frontarbeiter und Aktivist des "Birati e. V." begleitete die Jugendlichen; mutmaßlich, um spontane Überreaktionen der Jugendlichen zu verhindern, damit kein negatives Bild des Vereines in der Bremer Öffentlichkeit entsteht. Gleichwohl kam es u.a. zu einer massiven Tätlichkeit gegen einen Polizeibeamten, als dieser einzelne Kurden von 75 einer Gruppe Türken fernhalten wollte. Während der Demonstration wurde der latent schwelende Konflikt zwischen extremistischen türkischen und kurdischen Gruppen auch in Bremen sichtbar. Sogenannte "Graue Wölfe" offenbarten das Wolfszeichen, ein Symbol von nationaler Stärke der türkischen Nation, während die kurdische Seite mit dem Öcalan-Bildnis und PKK-Parolen provozierte. Nur der Polizeieinsatz konnte größere Zusammenstöße verhindern. Der Verein "Birati e. V." bietet seinen Mitgliedern nach Eigendarstellung u.a. soziale und kulturelle Aktivitäten an, beispielsweise Gruppen und Kurse für Folklore, Nachhilfe, Integration, Musik, Frauen und Jugendliche sowie Rechtsberatung. Diese Aktivitäten sind nicht Gegenstand der Beobachtung. Anders stellt sich die Situation dar, wenn bei solcherlei Veranstaltungen Propaganda für die PKK betrieben wird. Rekrutierungsfälle 2009-2011 In Bremen sind von 2009 bis 2011 vier Rekrutierungsfälle von jungen KurdenInnen für eine Kaderoder Guerilla-Ausbildung der PKK bekannt geworden. Seit Mitte Juni 2011 wird ein zum damaligen Zeitpunkt 24-jähriger Kurde aus Bremen von seiner Familie vermisst. Die Umstände ließen auf eine Rekrutierung für die PKK schließen. Wie bereits 2009, als die Eltern zweier rekrutierter junger Kurdinnen den Kontakt zum "Birati e. V." suchten, forderten auch diesmal wieder Angehörige im "Birati e. V." die Rückführung ihres Verwandten. Während die Forderungen 2009 Erfolg hatten, blieb bis Jahresende 2011 die Rückkehr des 24-Jährigen aus. Anfang 2010 schloss sich ein ebenfalls aus Bremen stammender junger Kurde und Funktionär der PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan" der Guerilla an. Er ist bis Ende 2011 ebenfalls nicht zu seiner Familie zurückgekehrt. 2007 war er an einem Brandanschlag auf ein türkisches Vereinslokal in Berlin beteiligt. PKK-Guerillakämpfer Bremer Spendenkampagne Das "Jährliche" der Partei, wie die PKK ihre alljährliche Spendenkampagne im Herbst/ Winter bezeichnet, hat im Gebiet Bremen bereits im August 2011 begonnen, ca. einen Monat früher als üblich. Die Bremer Sektion nutzte dadurch die aufgebrachte Emotionslage der "kurdischen Patrioten" nach den türkischen Parlamentswahlen am 12. Juni 2011. Argumentationsmuster der PKK-Spitze, wie "Vernichtungsaktionen gegen das kurdische Volk" durch den türkischen Staat, wurden auch von Bremer Verantwortlichen im Anhängerkreis benutzt. Die Bremer Kampagne wurde von einer hohen Aggressivität unter den Frontarbeitern begleitet. Bereits kurz nach Beginn der Kampagne gab es Hinweise auf zwei Bedrohungsfälle gegenüber zahlungsunwilligen Spendern in zwei verschiedenen Bremer Stadtteilen. Größte Demonstration von PKK-Anhängern in Bremen Bei der Abschlusskundgebung eines von "Birati e. V." am 26. März 2011 in Bremen veranstalteten Aufzuges zum Thema: "Eine Aufklärungsund Wahrheitskommission der Massengräber" wiegelte der Bremer Volksratsvorsitzende Sait Bilgin die Teilnehmer gegen die türkische AKP-Regierung und Ministerpräsident Erdogan auf. Von 76 einer geplanten Ausrottung der PKK-Mitglieder und ihrer Familien war die Rede. Am selben Tag veröffentlichte die PKK-nahe Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP) eine Äußerung Abdullah Öcalans, in der dieser ebenfalls die türkische Regierung der Vernichtung der PKK und ihrer Anhänger bezichtigte. Grund für die Veranstaltung war eine (europaweite) Weisung der CDK. Der türkische Menschenrechtsverein IHD veröffentlichte nach Presseangaben am 11. Februar 2011 einen Bericht, dem zufolge in der Türkei bis dato in 26 Massengräbern 171 Leichen gefunden wurden. Weitere Massengräber werden vermutet. Bei einigen der gefundenen Leichname handelt es sich offensichtlich um Mitglieder der PKK. Mit 400 Teilnehmern erreichte diese Demonstration in Bremen 2011 die größte Beteiligung von PKK-Anhängern im öffentlichen Raum. Trotz Verbotes zeigten u.a. zwei Frauen (zum damaligen Zeitpunkt 43 und 47 Jahre alt) Bildnisse von Öcalan. Bei einer damit im Zusammenhang stehenden Personalienfeststellung durch die Polizei griffen einige Demonstrationsteilnehmer die Ordnungshüter an. Der Versuch, einem Polizeibeamten die Dienstwaffe zu entreißen, konnte verhindert werden. In der "Yeni Özgür Politika" (YÖP) wurde die Situation als "Angriff" der Polizei auf zwei "alte Frauen" dargestellt. Die Darstellungsweise ist geeignet, eine Feindschaft von PKK-Anhängern gegenüber der Polizei zu schüren. Sie ähnelte stark der Ausdrucksweise von PKK-Funktionären, wenn diese von staatlichen Repressalien gegen Demonstration von PKKKurden bzw. deren Einrichtungen in Europa sprechen. Anhängern in Bremen Bremer Bürgerschaftswahl Zur Durchsetzung eigener Interessen in Europa (u. a. Aufhebung des PKK-Verbotes in Deutschland) versucht die Partei ihren parlamentarischen Einfluss zu mehren. Wie weit dieser Einfluss in Bremen reicht, zeigte sich bei der Kandidatenaufstellung der Partei DIE LINKE für die Bremer Bürgerschaftswahl am 22. Mai 2011. Bei der Nominierungsveranstaltung waren von ca. 200 anwesenden Mitgliedern fast ein Viertel kurdischstämmige Mitglieder aus dem "Birati e. V.". Die von "Birati e. V." im Zusammenwirken mit YEK-KOM und PKK-nahen Medien unterstützte "eigene" kurdischstämmige Kandidatin konnte letztlich aber nicht in die Bürgerschaft einziehen. Selbst einzelne Mitglieder der Partei DIE LINKE zeigten sich nach Presseberichten von dieser massiven Einflussnahme bei der Kandidatenaufstellung überrascht. So berichtete "taz.de" vom 18. Januar 2011 über Aussagen eines Mitgliedes, welches sich ebenfalls eine Nominierung erhofft hatte, dass " (...) Kurden aus dem Umfeld des Birati-Vereins [unter den Abstimmenden gewesen seien], die sonst in der Parteiarbeit nicht angetroffen würden." Mitgliederund Identitätskampagne In den Basisvereinen der PKK, so auch im "Birati e. V.", sind in der Regel nur die männlichen Familienvorstände registriert. Deshalb wurden Ende des Jahres 2011 die Familienangehörigen des Bremer Vereines zum Vereinsbeitritt aufgefordert. Die Initiative zur Kampagne ging von der PKK-nahen "Konföderation kurdischer Vereine in Europa" (KON-KURD) aus. Dabei handelt es sich um den Dachverband der nationalen Konföderationen/Dachverbände, wie beispielsweise YEK-KOM in Deutschland. Um ihren Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen, wie der Aufhebung des PKK-Verbotes in Deutschland, benötigt die PKK u.a. eine breite Mitgliederbasis. Diese soll in den "legalen Strukturen" (YEK-KOM, Basisvereine) durch die Mitgliederkampagne geschaffen werden. Die Mitgliederkampagne war kombiniert mit einer sogenannten Identitätskampagne der Kurden, die eine Gleichstellung der kurdischen Volksgruppe in Deutschland mit Migranten aus anderen Ländern zum Ziel hat und von YEK-KOM organisiert wurde. Bereits auf der Jahreshauptversammlung von YEK-KOM im Februar 2011 forderte der designierte Vorsitzende Yüksel Koc aus Bremen gemäß einem Artikel (Übersetzung) der "Yeni Özgür Politika": "Offizielle Anerkennung der kurdischen Identität durch Deutschland, Bekenntnis des kurdischen Volkes zu seinen Institutionen und höhere 77 Wirksamkeit innerhalb der deutschen Politik, Förderung der Beteiligung von Kurden an deutschen Einrichtungen und die YEK-KOM als Sprachrohr des Volkes gegen den politischen und sozialen Völkermord an Kurden in der Türkei." U.a. die kurdischstämmigen Mitglieder des "Birati e. V." mit deutscher Staatsbürgerschaft wurden aufgefordert, die (zusätzliche) Eintragung ihrer kurdischen Identität in ihren Ausweisen zu beantragen. Im Rahmen der Mitgliederkampagne sollte eine Kommission des "Birati e. V." vom 1.-15. September 2011 bei Bremer Kurden 4.000 Unterstützerunterschriften sammeln. Insgesamt strebte YEK-KOM bundesweit mindestens 50.000 Unterschriften an. Nach einem Bericht der "Yeni Özgür Politika" sollen 60.000 Unterschriften am 15. September 2011 an den Petitionsausschuss des Bundestages übergeben worden sein. Die Mitgliederund Identitätskampagne entspricht dem Grundverständnis der PKK, alleiniger (politischer) Vertreter aller Kurden zu sein. 7 "Scientology-Organisation" (SO) 7 "Scientology-Organisation" (SO) Personenpotenzial: ca. 4.500 in Deutschland ca. 50 in Bremen Die "Scientology-Mission" in Bremen fügt sich ein in das Geflecht der weltweiten Organisationsstruktur undteilt die Zielsetzungen von "Scientology". Die "ScientologyOrganisation" (SO) versteht sich selbst als neue Religion, tatsächlich strebt sie jedoch eine andere Gesellschaftsordnung an, die den Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderläuft. So sind z. B. die Abschaffung allgemeiner Wahlen und das Aufheben zentraler Menschenrechte Teil dieser Vorstellungen. Elementare Rechte sollen jenen Menschen vorenthalten werden, die nicht der SO angehören. Die SO entzieht sich einer Einordnung in die herkömmlichen extremistischen Phänomenbereiche, wie sie in den vorhergehenden Abschnitten beschrieben sind. Lehre und Ziel der SO Die Lehre der SO geht zurück auf den Gründer der Organisation, den amerikanischen Schriftsteller L. Ron Hubbard. In den 1950er-Jahren gründete er die erste "Scientology Kirche" in Los Angeles, nachdem er zuvor mit einem grundlegenden Buch zur "Dianetik" seine Ideenwelt dargestellt hatte. Seiner Lehre nach bilden die Identität des Menschen undsein unsterbliches Wesen den sogenannten Thetan, der in seinem Idealzustand in die Lage versetzt ist, umfassend übermaterielle und immaterielle Dinge zu bestimmen. Dieser Zustand soll vom Einzelnen mittels körperlicher und geistiger Reinigungsprozesse erreicht werden, die von der Organisation angeboten werden. Die Publikationen und Kurse werden gewinnorientiert gegen Entgelt angeboten. Die angestrebte Gewinnmaximierung unddie beabsichtigte ständige Ausweitung der Organisationsstrukturen dient dem Ziel der SO, eine "scientologische" Gesellschaftsordnung zu schaffen. Bremenspielt für die Organisation eine untergeordnete Rolle und ist nicht mit den Schwerpunkten in Deutschland, etwa mit Berlin, Hamburg oder den südlichen Bundesländern, vergleichbar. Bundesweit gehören der SO ca. 4.500 Personen an, in Bremen zählen etwa 50 Personen zu "Scientology". Die Bremer"Mission" trat 2011 kaum öffentlichkeitswirksam in Erscheinung; ihre Informationsstände treffen in der Regel auf keine große Resonanz. Gleichwohl unterhält die SO in Bremen-Hastedt eigene Räumlichkeiten. Dadie "Scientologen" über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen, lässt die SO ihre 'Aktivitäten vielfach nicht unter ihrem eigenen Namen stattfinden. Stattdessen werden hierfür Tarnvereine genutzt, so u. a. die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V.", die unter einem entsprechenden Vorwand Werbung für die SO-Aktivitäten betreibt. ungsaufgaben des LfV Seitenzahl 1] 82 72 8 Unterstützungsaufgaben des LfV DasLfV hatnicht nureine inhaltliche Aufgabenstellung zum Schutz derfreiheitlichen demokratischen Grundordnung vor extremistischen Bestrebungen. Es wirkt auch mit beim Verhindern von möglichen Sicherheitsrisiken, die bei anderen Behörden oder privaten Unternehmen entstehen können. Hierbei unterstützt das LfV diese Stellen, indem esfür diese zum Teil umfangreiche Prüfungen vornimmt: 8.1 Geheimschutz Der Geheimschutz hat die Aufgabe, Informationen und Vorgänge,deren BekanntGeheimhaltungsgrade werden den Bestand, die Sicherheit oder sonstige Interessen der Bundesrepublik Deutschland odereinesihrer Länder gefährden, vor unbefugter Kenntnisnahme ($ 5 Bremisches Sicherheitszu schützen. Der Schutz dieser sogenannten Verschlusssachen (VS) wird durch überprüfungsgesetz) Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. STRENG GEHEIM Geheimschutz findet nicht nur in Behörden statt, sondern auch in Unternehmen, GEHEIM die im Auftrag des Staates mit Verschlusssachen umgehen und demzufolge die VS-VERTRAULICH Regelungen des personellen und materiellen Geheimschutzes zu beachten haben. VS-NUR FÜR DEN z. Geheimschutzbetreute Unternehmen sind B. Betriebe, die im Bereich der wehrDIENSTGEBRAUCH technischen Forschung oder Produktion tätig sind. Materieller Geheimschutz Dermaterielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen und regelt beispielsweise, in welcher Weise VS-Dokumente aufbewahrt und verwaltet werden müssen. Die Einzelheiten ergeben sich im Wesentlichen aus der Verschlusssachenanweisung des Landes Bremen. Dort ist jeweils in Abhängigkeit vom Geheimhaltungsgrad auch die Erforderlichkeit von Tresoren und Alarmanlagen geregelt. Das LfV ist zentraler Ansprechpartner für alle bremischen Behörden, die mit VS-Material umgehen. Es berät und unterstützt diese bei der Erfüllung der Anforderungen des materiellen Geheimschutzes. Personeller Geheimschutz Derpersonelle Geheimschutz soll sicherstellen, dass in Bereichen, mit VS-Material umgehen, keine Person beschäftigt wird, von derein Sicherheitsrisiko ausgeht. Zu diesem Zweck und nur mit vorheriger Zustimmung desBetroffenen finden individuelle Sicherheitsüberprüfungen statt. DasLfV wirkt an den Sicherheitsüberprüfungen mit. Seine fachliche Bewertung dient der zuständigen Behörde als Entscheidungshilfe, bevor sie eine Person mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut. 'Abstufung vonSicherheitsüberprüfungen ($ 8 Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz) = (Ü1)einfache Sicherheitsüberprüfung = (Ü2)erweiterte Sicherheitsüberprüfung = (Ü3)erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Geheimhaltungsgrades, zu dem die Person Zugangerhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Ehegatte oder Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personenauf die betroffene Person auswirken können. 8.2 Weitere Sicherheitsüberprüfungen Nicht nur i Bereich des Geheimschutzes ist der Ausschluss von individuellen Sicherheitsrisiken von besonderer Bedeutung. Auch auf anderen Arbeitsfeldern kommt dem Ausschluss von Personen mit Sicherheii isiken eine entscheidende Bedeutung zu. Das Luftsicherheitsgesetz, das Sprengstoffgesetz und das Bremische Hafensicherheitsgesetz sehen dahervergleichbare Überprüfungender in diesen Bereichen beschäftigten Personen vor; die Betroffenen sindin der Regel bei privaten Unternehmen tätig. Auch an diesen Sicherheitsüberprüfungen wirkt das LfV wie im Bereich des personellen Geheimschutzes mit. 8.3 Regelanfragen im Bereich des Einbürgerungsund Aufenthaltsrechts Zu den Aufgaben des LfV gehört darüber hinaus die Beantwortung von Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungsverfahren undvor derErteilung von Aufenthaltstiteln. Durch die große Zahl der anfallenden Prüfungen bilden diese Bereiche den Schwerpunkt der personenbezogenen Prüfungen des LfV für andere Behörden. Personenanzahl 3.000 en 2.500 2.000 AEST 1.500 1.000 500 Regelanfragen im Rahmen von Regelanfragenvor Erteilung oder Verlängerung ener 1 -- >; Zuverlässigkeitsüberprüfungen gemäß dem > Zuverlässigkeitsüberprüfungen gemäß dem EP Zuverlässigkeitsüberprüfungen gemäß dem Einbürgerungen AufenthaltsLuftsicherheits-HafensicherheitsSprengstoffgesetz genehmigung gesetz gesetz Übersicht über extremistische Organisationen und Gruppierungen in Bremen 84 Mitglieder / Personenpotenzial Organisation / Gruppierung gegründet Medien / Publikationen in Deutschland in Bremen Rechtsextremismus "Nationaldemokratische 1964 ca. 6.300 ca. 50 "Deutsche Stimme" Partei Deutschlands" (NPD) www.npd.de Neonazi-Szene ca. 6.000 ca. 20 "Freie Nationalisten Bremen" www.fn-bremen.org Subkulturelle Szene ca. 7.600 ca. 30 (Rechtsextremistische Skinheads) Linksextremismus "Deutsche Kommunistische 1968 ca. 4.000 ca. 70 "Unsere Zeit" Partei" (DKP) "Bremer Rundschau" www.dkp.de "Marxistisch-Leninistische Partei 1982 ca. 2.000 ca. 15 "Rote Fahne" Deutschlands" (MLPD) www.mlpd.de "Sozialistische Alternative" (SAV) 1994 ca. 400 ca. 20 "Solidarität" www.sozialismus.info "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter1977 ca. 380 ca. 15 "Direkte Aktion" Union" (FAU-IAA) "Bremer Aktion" www.fau.org "Arbeiterbund für den 1973 ca. 100 ca. 10 www.arbeiterbund-fuerWiederaufbau der KPD" (KPD-AB) den-wiederaufbau-derkpd.de "Rote Hilfe" (RH) 1975 ca. 5.600 ca. 190 "Die Rote Hilfe" www.rote-hilfe.de Autonome Szene ca. 6.400 ca. 200 "Interim" "Indymedia": http://de.indymedia.org "LaRage" "end of road": http// endofroad.blogsport.de Mitglieder / Personenpotenzial 85 Organisation / Gruppierung gegründet Medien / Publikationen in Deutschland in Bremen Islamismus "Salafistische Bestrebungen" ca. 3.800 ca. 350 "Islamisches Kulturzentrum 2003 300-400 www.islamhb.de Bremen e. V." (IKZ) (Freitagsgebet) "Kultur & Familien 2007 30-40 www.masjidulfurqanVerein e. V." (KuF) (Freitagsgebet) bremen.de "Tablighi Jama'at" (TJ) 1926 ca. 700 ca. 15 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" 1985 ca. 31.000 ca. 2.000 "IGMG Perspektif" (IGMG) www.igmg.de "Hizb Allah" 1982 ca. 950 ca. 50 www.almustafa.de in Bremen: "Al-MustafaGemeinschaft e. V." Ausländerextremismus "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und 1978 ca. 13.000 ca. 300 "Serxwebun" Nachfolgeorganisationen "ROJ TV" ("Kongra Gel") "Liberation Tigers of Tamil Eelam" 1972 ca. 800 ca. 20 "Viduthalai Puligal" (LTTE) Scientology "Scientology-Organisation" (SO) 1981 ca. 4.500 ca. 50 "Freiheit" "Impact" "Source" "Scientology News" Internetpräsentation Politisch motivierte Kriminalität in Bremen 2007-2011 86 Politisch motivierte Ausländerkriminalität Straftaten 2007 2008 2009 2010 2011 gesamt 23 22 25 11 26 davon extremistische Delikte 20 21 20 9 23 davon Gewaltdelikte 2 1 5 3 8 Politisch motivierte Kriminalität "Rechts" Straftaten 2007 2008 2009 2010 2011 gesamt 130 138 140 113 132 davon Propagandadelikte 82 92 97 87 102 davon Gewaltdelikte 17 10 6 5 6 Politisch motivierte Kriminalität "Links" Straftaten 2007 2008 2009 2010 2011 gesamt 107 55 65 96 241 davon extremistische Delikte 86 36 61 94 240 davon Gewaltdelikte 12 7 12 24 79 Impressum: Herausgeber: Der Senator für Inneres und Sport Contrescarpe 22-24 28203 Bremen www.inneres.bremen.de Redaktion: Landesamt für Verfassungsschutz Bremen Flughafenallee 23 28199 Bremen Tel. 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