Der Senator Freie für Hansestadt Inneres und Sport Bremen Verfassungsschutzbericht 2007 -2Herausgeber: Der Senator für Inneres und Sport Contrescarpe 22-24, 28203 Bremen www.inneres.bremen.de Bremen, im Juni 2008 -3Vorwort Mit dem vorliegenden Jahresbericht gibt das Landesamt für Verfassungsschutz einen Einblick in seine Arbeit und informiert die Öffentlichkeit über den Umfang verfassungsfeindlicher Bestrebungen in unserem Bundesland. Die hier dokumentierten Erkenntnisse des Landesamtes sollen es den zuständigen staatlichen Stellen und den politischen Gremien ermöglichen, gegebenenfalls Maßnahmen zur rechtzeitigen Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu treffen. Zugleich soll die Veröffentlichung auch dazu beitragen, die politische Auseinandersetzung über Ziele und Verhaltensweisen extremistischer Gruppierungen anzuregen und insbesondere auf der Basis der zusammengetragenen Fakten zu versachlichen. Ein Jahresbericht kann selbstverständlich nicht für Interpretationen von tagesaktuellen Gefahrenlagen dienen. Er kann auch nicht allzu detaillierte Erkenntnisse veröffentlichen, die denen, die beobachtet werden, Rückschlüsse auf die Arbeit des Landesamtes erlauben. Aber der Bericht kann Hintergrundinformationen liefern und Aufmerksamkeit erzeugen für verfassungsfeindliche oder gar terroristische Entwicklungen in unserem Lande und deren Dimensionen skizzieren. Der diesjährige Verfassungsschutzbericht stellt in gewisser Weise ein Zäsur dar. Er dokumentiert die Arbeit eines Amtes, das seit Anfang dieses Jahres organisatorisch und personell neu aufgestellt wurde und dessen inhaltliche Schwerpunktsetzung noch nicht abgeschlossen ist. Diese Veränderungen werden sich erst im nächsten Jahresbericht niederschlagen können. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes für ihre Arbeit, die einen wichtigen Beitrag für die Auseinandersetzung mit dem Extremismus in unserem Lande darstellt. Ulrich Mäurer Senator für Inneres und Sport -4- -5Inhaltsverzeichnis Seite I. Verfassungsschutz im Lande Bremen 6 II. Rechtsextremismus 13 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 15 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) 24 3. "Neonazistische Szene" 31 4. "Rechtsextremistische Skinheads" 36 5. Bewertung der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Bremen 40 III. Linksextremismus 42 1. "Autonome Linksextremisten" 44 2. "DIE LINKE." / vormals "Die Linkspartei.PDS" 52 3. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 57 4. "Sozialistische Alternative" (SAV) 58 5. "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU) 59 6. "Rote Hilfe e.V." (RH) 61 7. "GegenStandpunkt" / vormals "Marxistische Gruppe" (MG) 62 8. "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) 64 9. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 66 10. Bewertung der aktuellen Situation des Linksextremismus in Bremen 67 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 68 1. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 70 2. "Partei Gottes" (Hizb Allah) 79 3. "Partei der Befreiung" (Hizb ut-Tahrir / HuT) 81 4. "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) 84 5. "Marokkanischer Verein Abu Bakr Moschee e.V." 86 6. "Gemeinschaft für Verkündigung und Mission" (Tablighi Jama'at) 88 7. "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gel) / vormals "Arbeiterpartei 90 Kurdistans" (PKK) 8. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 97 9. "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) / "Volksmodjahedin Iran99 Organisation" (MEK) 10. "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (Liberation Tigers of Tamil Eelam / 102 LTTE) 11. Bewertung der aktuellen Situation sicherheitsgefährdender und 104 extremistischer Bestrebungen von Ausländern V. Scientology-Organisation (SO) 106 VI. Geheimschutz 109 VII. Rechtsvorschriften 113 1. Bremisches Verfassungsschutzgesetz (BremVerfSchG) 113 2. Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BremSÜG) 129 Anhang 142 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender extremistischer Motivation 142 -6Verfassungsschutzbericht des Landes Bremen 2007 I. Verfassungsschutz im Lande Bremen Den Verfassungsschutzbehörden ist durch das Grundgesetz und die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder die Aufgabe zugewiesen, verfassungsfeindliche sowie sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu beobachten. Über die Ergebnisse der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden werden politisch Verantwortliche, aber auch die Öffentlichkeit unterrichtet, um einen Überblick über die tatsächliche Bedrohung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch ihre Gegner zu erhalten. Der institutionelle Verfassungsschutz dient insofern als "Frühwarnsystem". Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen: - das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, - die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, - das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, - die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, - die Unabhängigkeit der Gerichte, - der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und - die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Bremen ist nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes verpflichtet, im Nachrichtenverbund mit den -7Verfassungsschutzbehörden der Länder und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zusammenzuarbeiten, denn verfassungsfeindliche Organisationen und Personen beachten bei ihren demokratiefeindlichen Aktivitäten innerhalb der Bundesrepublik keine Ländergrenzen. Demzufolge werden die grundlegenden Arbeitsergebnisse auch im föderativen Ämterverbund analysiert und einer gemeinsamen Bewertung zugeführt. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen es den zuständigen Stellen ermöglichen, rechtzeitig erforderliche Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu treffen. Dies kann primär durch eine geistig-politische Auseinandersetzung mit den Zielen oder dem Verhalten extremistischer Gruppierungen geschehen. Aber auch das Verbot eines Vereins durch den zuständigen Innenminister/-senator oder einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht kann als Folge des von den Verfassungsschutzbehörden gelieferten Beweismaterials in Betracht kommen. Erkenntnisse des Verfassungsschutzes aus den gewaltbereiten extremistischen oder gar terroristischen Bereichen sowie der Spionageabwehr bilden nicht selten die Basis für staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Die Verfassungsschutzbehörden setzen sich mit Extremisten und dem Extremismus auseinander. Radikal und Radikalismus sind keine Arbeitsbegriffe für sie. Denn das Attribut radikal leitet sich vom lateinischen "radix" (Wurzel) her und beschreibt das politische Ziel, eine Gesellschaft grundlegend zu verändern. Der Begriff beschreibt dabei nur die Entschlossenheit und Konsequenz des politischen Handelns, aber keine bestimmte inhaltliche Richtung. Das Attribut extrem hingegen ist vom lateinischen extremus (äußerster, letzter, übersteigert) abgeleitet. Der Begriff beruht auf der Idee eines politischen Spektrums, das eine Mitte und Ränder besitzt. Er bestimmt das gemeinte Verhalten und Denken als Gegensatz zu einem gesellschaftlich und staatlich etablierten Demokratieverständnis, das er damit als Normalität definiert. Er kennzeichnet eine Politik als "äußeren Rand", von dem eine Gefährdung dieser Normalität ausgehen könnte. -8Das LfV Bremen ist wie alle Verfassungsschutzbehörden nur beobachtend und unterrichtend tätig. Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse nicht zu. Es darf mit Polizeidienststellen organisatorisch nicht verbunden werden und diese auch im Wege der Amtshilfe nicht um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. Gleichwohl arbeiten Verfassungsschutzund Polizeibehörden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, der "Zusammenarbeitsrichtlinien", eng zusammen. Demnach ist der Verfassungsschutz kein willkürlich agierender "Geheimdienst", sondern ein Inlandsnachrichtendienst, der an Recht und Gesetz gebunden ist. Die nachrichtendienstliche Ausprägung der Verfassungsschutzbehörden ergibt sich vorrangig aus dem Umstand, dass sie nicht dem Strafverfolgungszwang (Legalitätsprinzip) unterliegen, sondern nach dem Opportunitätsprinzip handeln. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben dürfen sie Mittel und Instrumente einsetzen, die der geheimen, von Betroffenen nicht wahrnehmbaren, Nachrichtenbeschaffung dienen. Beispiele für diese "nachrichtendienstlichen Mittel" sind: - Einsatz von Vertrauensleuten (VM) - Observation - geheimes Fotografieren sowie - Tarnmaßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, dass der Verfassungsschutz tätig ist. Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz im Einzelfall unter engen, gesetzlich normierten Voraussetzungen den Briefund Fernmeldeverkehr überwachen. Die meisten Informationen werden aus allgemein zugänglichen Quellen (Parteiprogramme, Flugblätter, Publikationen, öffentliche Veranstaltungen) gewonnen. Neben der Bewertung extremistischer und terroristischer Bestrebungen ist auch die Spionageabwehr, d.h. das Erkennen und Verhindern geheimdienstlicher Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste, eine originäre Aufgabe des Verfassungsschutzes. -9Obwohl sich ehemals feindlich gegenüberstehende Staaten einander angenähert haben, stellt Deutschland nach wie vor ein Aufklärungsziel für eine Vielzahl von Nachrichtendiensten fremder Staaten dar. Dafür spricht der hohe Anteil von Mitarbeitern ausländischer Nachrichtendienste, die an halbstaatlichen oder staatlichen Vertretungen (Legalresidenturen) der jeweiligen Länder in Deutschland eingesetzt sind. Die nachrichtendienstlichen Aktivitäten, die sich gegen die Interessen Deutschlands richten, umfassen neben den "klassischen" Gebieten der Spionage, d.h. Informationsbeschaffung aus den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, auch die Ausspähung und Unterwanderung von Personen und Gruppen, die in Deutschland leben und in Opposition zur Regierung ihres Heimatlandes stehen. Daneben gilt es, Beschaffungsaktivitäten der um Proliferation bemühten Staaten zu verhindern. Proliferation bedeutet die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen. Das Land Bremen ist ein bedeutender Standort für Luft-, Raumfahrtund Automobilindustrie sowie für Wissenschaft und Forschung. Seine beiden in Bremen und Bremerhaven befindlichen Seehäfen sind vor Ausforschung fremder Geheimdienste besonders zu schützen. Zunehmende Bedeutung nach dem 11. September 2001 haben die Mitwirkungsaufgaben erlangt. Die Anzahl der Personenüberprüfungen bei Regelanfragen (Einbürgerungen und Aufenthaltsgenehmigungen) hat 2007 abgenommen. Die entsprechenden Vergleichszahlen sind im Abschnitt V "Geheimschutz" nachzulesen. Der Verfassungsschutz ist an die Gesetze und an rechtsstaatliche Maßstäbe gebunden. Als Rechtsgrundlage kommen hier insbesondere das Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen, das 2006 voll- - 10 - ständig novelliert wurde, sowie das Bundesverfassungsschutzgesetz zum Tragen. Das LfV Bremen unterliegt in seiner Arbeit der Aufsicht durch den Senator für Inneres und Sport, der der Bremischen Bürgerschaft politisch verantwortlich ist. Die parlamentarische Kontrolle des LfV wird von einer speziell für diesen Zweck konstituierten "Parlamentarischen Kontrollkommission" (PKK) ausgeübt. Beschäftigte und Haushalt des LfV Bremen Beschäftigte Das Beschäftigungsvolumen umfasste 2007 39,4 Vollzeiteinheiten (2006: 41,7). Haushalt Im Haushaltsjahr 2007 wurden für Personal 1.677.298 EURO (2006: 1.799.041 EURO) und für Sachmittel 478.524 EURO (2006: 472.819 EURO) ausgegeben. Die investiven Ausgaben betrugen 2007 78.166 EURO (2006: 79.697 EURO). Das Gesamtausgabevolumen lag 2007 bei 2.233.988 EURO (2006: 2.351.557 EURO). Das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen ist zu erreichen unter: Anschrift: Flughafenallee 23 28199 Bremen Postadresse: Postfach 286157 28361 Bremen Telefon: 0421/5377-0 Fax: 0421/5377-195 E-Mail: office@lfv.bremen.de Internet: http://www.inneres.bremen.de - 11 - Beobachtungsschwerpunkte im Jahr 2007 Auch im Jahr 2007 stand die Beobachtung des islamistischen Spektrums aufgrund der weltweit anhaltenden Attentate und Terroranschläge mit islamistischem Täterprofil im Vordergrund. Dass Anschläge insbesondere in Regionen wie dem Nahen und Mittleren Osten ausgeübt wurden, ändert nichts an der Tatsache, dass auch westliche Staaten dieser Bedrohung ausgesetzt sind. Die gescheiterten "Kofferbomben"-Anschläge im Sommer 2006 auf zwei Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen, die Festnahme von drei Personen im September 2007 im Sauerland wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags in Deutschland sowie die Anschläge der zurückliegenden Jahre mit hunderten Todesopfern und Verletzten wie beispielsweise in London, Madrid und Istanbul vergegenwärtigen uns dies. Auch andere gewaltgeneigte ausländische Organisationen, die in ihren Herkunftsländern terroristische und in der Bundesrepublik kriminelle Aktivitäten entwickeln, stehen im Fokus des Bremer Verfassungsschutzes. So z.B. die separatistisch ausgerichtete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die sich mehrmals umbenannt hat und jetzt "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gel) heißt. Für ihren bewaffneten Kampf im Südosten der Türkei rekrutiert sie in Europa junge Kurden und treibt für diese Zwecke "Spendengelder" ein. Nach wie vor stehen Bestrebungen rechtsextremistischer Personen und Organisationen, die antijüdische und ausländerfeindliche Ressentiments bedienen, sowie gewalttätige Aktionen autonomer linksextremistischer Gruppierungen, die sich gegen den Kernbereich des Grundgesetzes richten, im Zentrum der Bremer Verfassungsschutzarbeit. Die Aufklärungsprioritäten des Landesamtes wurden im Einklang mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bestimmt. Die extremistischen und sicherheitsgefährdenden Komplexe weisen bundesweit nur minimale, meist regional bedingte Abweichungen auf. - 12 - Im vorliegenden Bericht finden nicht alle Beobachtungsobjekte des LfV Bremen und auch nicht alle Ereignisse des Jahres 2007 Erwähnung. - 13 - II. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus in Deutschland weist keine gefestigte einheitliche Ideologie auf. Gemein ist den rechtsextremistischen Bestrebungen die Überzeugung von der "Ungleichheit der Menschen". Sie streben eine totalitäre politische Ordnung an, in der die Rechte des Individuums aufgehoben werden. Damit stehen sie im krassen Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. Kennzeichnend für rechtsextremistische Bestrebungen sind u.a. folgende Merkmale: * Nationalismus als Überhöhung des eigenen Volkes und der eigenen Nation, mit dem oft ein Feindbild gegenüber anderen Staaten aufgebaut wird. * Menschenverachtende, aggressive Fremdenfeindlichkeit bis hin zum Rassismus und Antisemitismus. * Vorstellungen von Staat und Nation, in denen die Interessen der Volksgemeinschaft über die Rechte der Individuen gestellt werden (völkischer Kollektivismus). * Ausrichtung an autoritären und totalitären Politikmodellen (Führerprinzip) ohne die wesentlichen Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. * Die Leugnung oder Relativierung der Verbrechen des NSRegimes, Glorifizierung von Funktionsträgern des Nationalsozialismus, wie des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß, sowie "gebietsrevisionistische" Forderungen. * Die systematische Diffamierung unseres demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten. Deutsche Politiker werden als "Erfüllungsgehilfen fremder Mächte", insbesondere der USA, bezeichnet. Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen Rechtsextremisten feststellbar. Der Rechtsextremismus stellt kein einheitliches Gefüge dar und tritt mit unterschiedlicher Ausprägung nationalistischer, rassistischer und antisemitischer Weltanschauung in Erscheinung. - 14 - Dabei wird das diffuse Weltbild der gewaltbereiten Rechtsextremisten, zu denen insbesondere rechtsextremistische Skinheads zählen, von fremdenfeindlichen oder rassistischen Ressentiments geprägt. Sie treten durch spontane Gewalttaten und aggressive, volksverhetzende Musik in Erscheinung. Von der rechtsextremistischen Skinheadszene heben sich die Neonazis durch eine stärker ausgeprägte politische Aktivität ab, obwohl die Grenzen teilweise fließend sind. Eindeutig ist ihre Orientierung an einem nationalistischen und rassistischen "Führerstaat" nach dem Vorbild des Dritten Reiches. Die rechtsextremistischen Parteien vertreten dagegen Positionen, die den nationalistischen Staat unter Abwertung von Menschenund Bürgerrechten zum obersten Prinzip erheben. Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung werden in unterschiedlicher Intensität von allen rechtsextremistischen Bestrebungen missachtet. Im Jahr 2007 gab es in Deutschland mehr als 180 rechtsextremistische Organisationen und Personenzusammenschlüsse. Vor diesem Hintergrund wurden im Land Bremen u.a. folgende Parteien und Gruppierungen beobachtet: - 15 - 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gegründet: 1964 Mitglieder: Deutschland: ca. 7.200 (2006: ca. 7.000) Land Bremen: ca. 60 (unverändert, wie 2006) Organisation / Der NPD-Landesverband besteht aus den Kreisverbänden Struktur: Bremen-Stadt und Bremerhaven. Dem Kreisverband Bremen-Stadt ist eine "NPDJugendgruppe" angegliedert. Medien: "Deutsche Stimme" (bundesweite Monatsschrift), Die Kreisverbände Bremen und Bremerhaven sowie die "Jugendgruppe" haben eigene Internetseiten. Entwicklung Die 1964 gegründete NPD war über viele Jahre die einzige rechtsextremistische Partei und hatte bundesweit bis zu 28.000 Mitglieder. Nach Erfolgen bei Landtagswahlen (in der Bremischen Bürgerschaft war sie von 1967-1971 vertreten; Wahlergebnis: 8,8 %) verfehlte sie bei der Bundestagswahl 1969 mit 4,3 % der Stimmen den Einzug in das Parlament. Nach dieser Niederlage wurde sie in den folgenden Jahrzehnten weitgehend bedeutungslos. Ihre Mitgliederzahl reduzierte sich bundesweit auf ca. 3.500 bis zum Jahr 1996. Eine Wandlung der Partei vollzog sich 1996 mit der Wahl von Udo VOIGT zum Bundesvorsitzenden. Die NPD öffnete sich nun für Angehörige der Neonaziund Skinheadszene. Das in dieser Phase vom Bundesvorstand ausgegebene "Drei-Säulen-Konzept": "Kampf um die Straße / Kampf um die Köpfe / Kampf um die Stimmen" machte die NPD seitdem zu der aktivsten Bewegung im rechtsextremistischen Spektrum. Die Einstellung des gegen sie eingeleiteten Verbotsverfahrens im Jahr 2003 wertete die NPD als "Aufbruchsignal für Deutschland" und bot sich selbst als die "nationale Alternative, auf die das Land wartet", an. Mit dem Einzug in den Landtag von Sachsen 2004 ergänzte sie das "Drei-SäulenKonzept" um den "Kampf um den organisierten Willen" und strebt dadurch die Konzentration "aller nationalen Kräfte" zu einer "Volksfront von Rechts" an mit dem Ziel, die Macht zu erlangen. - 16 - Als Teil dieser "Volksfront" stellt sich auch der "Deutschland-Pakt" zwischen der NPD und der "Deutschen Volksunion" (DVU) dar. Darin haben am 15. Januar 2005 der NPD-Vorsitzende Udo VOIGT und der Vorsitzende der DVU, Dr. Gerhard FREY, eine zunächst bis zum Jahr 2009 geltende Kooperation beider Parteien festgeschrieben, um bei Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene nicht gegeneinander anzutreten, jedoch wechselseitig die Listen der NPD und der DVU für die jeweils andere Partei zu öffnen. Bei der Landtagswahl 2006 in Mecklenburg-Vorpommern zog die NPD mit einem Stimmenanteil von 7,3 % und sechs Abgeordneten in ein weiteres Landesparlament ein. Zwei der Abgeordneten kommen aus der Neonaziszene. Darüber hinaus ist die NPD inzwischen auch in mehrere Kommunalvertretungen eingezogen. Mit einem aktionistischen Politikstil und einer Vielzahl von Demonstrationen und Kundgebungen erreichte sie öffentliche Wahrnehmung und konnte damit - wie auch vorrangig gewollt - junge Menschen ansprechen. Parteiveranstaltungen werden häufig von einem musikalischen Rahmenprogramm mit Skinhead-Bands und rechtsextremistischen Liedermachern begleitet, das insbesondere an Jugendliche und Heranwachsende gerichtet ist. Die Zusammenarbeit mit Neonazis wurde auch 2007 fortgesetzt. Auf ihrer Internetseite erklärte die NPD, die "Volksfront von Partei und unabhängigen Nationalisten" sei festgefügt und habe Erfolge möglich gemacht. Aktionsbereitschaft und Kampagnefähigkeit des "nationalen Widerstandes" hätten eine neue Qualität erreicht. Neonazis bekleiden weitere Führungsfunktionen im Bundesverband und in Landesverbänden. So wurde im Februar mit Jürgen RIEGER einer der schillerndsten Protagonisten der Neonaziszene zum Landesvorsitzenden der Hamburger NPD gewählt. Die NPD avancierte 2007 mit 7.200 Mitgliedern zur stärksten rechtsextremistischen Partei. - 17 - Ideologische Ausrichtung Die NPD ist eine rassistisch, fremdenfeindlich und antisemitisch ausgerichtete Partei, die als Ziel die Beseitigung des demokratischen Rechtsstaates anstrebt. Sie versteht sich als "idealistische deutsche Erneuerungsbewegung, die der noch unter dem Schutt der Zeit liegenden Volksgemeinschaft den Weg ebnen wird". Nach ihrer Überzeugung hat sich das Individuum den Interessen einer "Volksgemeinschaft" unterzuordnen. Mitglied dieses "völkischen Kollektivs" kann aber nur derjenige sein, dessen "Blut deutsch" ist. Durch eine beabsichtigte totalitäre "Volksherrschaft" werden Ausländer, Andersdenkende und Minderheiten ausgegrenzt. Mit dieser Sichtweise greift die NPD einen Kernpunkt der Ideologie des Nationalsozialismus auf. Die NPD betrachtet sich als sozialrevolutionäre Partei mit antikapitalistischer Diktion und fordert einen "revolutionären Nationalismus statt Globalkapitalismus" und eine "Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn". Nur eine "Volksgemeinschaft" könne sich erfolgreich gegen die "bösen Mächte" - USA, Israel und "die Juden" - wehren. Der deutschen Regierung wird in diesem Zusammenhang eine "Vasallenmentalität" gegenüber den USA und "bestimmten jüdischen Interessenvertretern" unterstellt. Die NPD schürt Zukunftsängste, wie Arbeitsplatzverlust oder "Überfremdung", in der Bevölkerung und bietet sich als vermeintlich "demokratische Partei" an, die sich um die Bedürfnisse des "einfachen Menschen" kümmert und "sozial Entrechtete vertritt". Sie versteht sich als Kopf einer breiten sozialen Protestbewegung unter der Maxime "Sozial geht nur national", die gemeinsam mit Neonazis und Skinheads auch in öffentlichen Aufmärschen das Ziel der "Überwindung des Systems" verfolgt. Dabei versucht sie, durch ein bürgerlich-ziviles Auftreten "die Mitte des Volkes, das wahre Deutschland und die Zukunft" zu repräsentieren. - 18 - Landesverband Bremen Der Bremer NPD-Landesverband mit seinen Kreisverbänden BremenStadt und Bremerhaven sowie der "NPD-Jugendgruppe" des Kreisverbandes Bremen-Stadt konnte, entgegen eigener Darstellung, seinen ca. 60 Personen umfassenden Mitgliederstand nicht ausbauen. Ein eigenes Parteibüro existiert nicht. Mitgliedertreffen finden in Gaststätten oder Privatwohnungen statt. Das von der Parteiführung initiierte "Volksfront-Konzept" wird vom Bremer Landesverband im vollen Umfang mitgetragen. Seit 2006 übernahmen Angehörige der Neonaziund Skinheadszene Funktionen im Landesverband und in den Kreisverbänden. Diese Entwicklung setzte sich auch im Jahre 2007 fort. So wurde im Februar auf der Jahreshauptversammlung des Kreisverbandes Bremen-Stadt der bisherige Vorsitzende, ein einschlägig vorbestrafter Neonazi, im Amt bestätigt. Ihm zur Seite steht nun als Stellvertreter ein gewaltbereiter junger Neonazi, der darüber hinaus auch Vorsitzender der "NPD-Jugendgruppe" des Kreisverbandes Bremen-Stadt ist. Im April gab der Bremer Landesverband unter der Überschrift "Schulterschluss mit freien Kräften! NPD-Bremerhaven unter neuer Führung" auf seiner Internetseite die Wahl eines neuen Vorsitzenden im Kreisverband Bremerhaven bekannt, der "(...) bisher erfolgreich im freien Nationalen Spektrum in Bremen und Bremerhaven gewirkt hatte. Er kündigte an, auch in Zukunft freie Kräfte in die Arbeit der NPD mit einzubeziehen, um somit, noch stärker als bisher, eine wirkliche Volksfront der nationalen Opposition in Bremerhaven zu bilden." Der neue Kreisvorsitzende, ein gewaltbereiter Skinhead, verlegte im Vorjahr seinen Wohnsitz von Bremen nach Bremerhaven. Unter seiner Führung sammelten sich dort ca. zehn - bisher unorganisierte - Neonazis und gewaltbereite Skinheads in einer Gruppe unter der Bezeichnung "Backstreet Skinheads". Mitglieder dieser Gruppe nehmen sporadisch an Ver- - 19 - anstaltungen des Bremer NPD-Landesverbandes und Demonstrationen und Kundgebungen norddeutscher Neonazis teil. Im Juni wurde auf dem Landesparteitag der seit 2003 amtierende Landesvorsitzende Horst GÖRMANN in seinem Amt bestätigt. Zu seinem neuen Stellvertreter wurde der Bremerhavener Kreisvorsitzende gewählt. Mit der Übernahme von Funktionen durch Neonazis und Skinheads ging auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer Aktionen, insbesondere des NPD-Kreisverbandes Bremen-Stadt, einher. Die "NPD-Jugendgruppe" setzte die im Sommer 2006 begonnene Reihe von NPD-Informationsständen in Bremen auch im ersten Halbjahr fort. Dabei sahen sich die Betreuer der Stände wiederholt mit - zum Teil handgreiflichen - Protesten des politischen Gegners konfrontiert. Unter anderem aus diesen Anlässen wurde auf Initiative des Vorsitzenden der "NPD-Jugendgruppe" ein "Bremer Bündnis keine Gewalt" gegründet, das von NPD-Gliederungen, Neonazis und Skinheads unterstützt wird und "über linksextreme Gewalttaten und deren Hintergründe aufklären" soll. Das "Bündnis" unterhält eine eigene Internetseite. Mit der Gründung dieses "Bündnisses" versuchen Teile der rechtsextremistischen Bremer Szene, die eigene Gewaltbereitschaft zu negieren und sich selbst ausschließlich als "Opfer" darzustellen. Mit der Absicht, den Tod des kleinen Bremer Jungen "Kevin" in ihrem Sinne zu instrumentalisieren, führten Mitglieder dieses "Bündnisses" am 20. Januar in Bremen-Osterholz eine "Mahnwache" unter dem Motto "Warum wollt ihr nicht kapieren, Kindermörder kann man nicht therapieren" durch. Die Veranstaltung mit ca. 20 Teilnehmern aus Reihen der NPD, Neonaziund Skinheadszene richtete sich gegen die psychiatrische Behandlung des Ziehvaters und mutmaßlich Verantwortlichen für den Tod des kleinen Kevin. Die "Mahnwache" der Rechtsextremisten wurde von - 20 - einer gruppenübergreifenden Protestkundgebung mit ca. 300 Teilnehmern begleitet. Unter dem Motto "Aufmucken gegen Rechts? - nein danke! - linke Gewalt stoppen" führte das "Bremer Bündnis" am 22. September in Weyhe/Niedersachsen eine öffentliche Versammlung mit Aufzug durch, an der sich ca. 40 Rechtsextremisten aus Bremen und der regionalen niedersächsischen Szene beteiligten. Die Demonstration richtete sich gegen die von Weyher Antifaschisten ausgerichtete jährliche Veranstaltung "Aufmucken gegen Rechts". Die Beteiligung blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Neben der Ausrichtung eigener Veranstaltungen beteiligte sich der Bremer NPD-Landesverband auch an überregionalen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene. Um der eigenen Klientel gerecht zu werden, bevorzugte er dabei Kundgebungen und Demonstrationen, die gemeinsam von der NPD und "Freien Kräften" getragen wurden. So beteiligten sich Mitglieder des Landesverbandes u.a. an: * Einer Demonstration der Hamburger NPD und "Freier Nationalisten" mit ca. 50 Teilnehmern am 10. Februar in Hamburg gegen den Bau einer Moschee im Stadtteil Hamburg-Bergedorf. Nach dem Aufzug hieß es in einem Bericht auf der Internetseite des Bremer Landesverbandes: "Der Islamismus oder islamisch geprägte Staaten können unter Umständen äußere Freunde Deutschlands sein. Der Islam im Inneren unseres Vaterlandes ist aber zweifelsohne unser Feind. Er kann uns aber nur dann besiegen, wenn das deutsche Volk nicht mehr bereit ist, um seinen Lebensraum und sein völkisches Überleben zu kämpfen." * Einer Spontandemonstration von NPD-Mitgliedern und "Freien Nationalisten" aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Niedersachsen am 2. Juni in Lüneburg. Die ca. 300 Teilnehmer waren ursprünglich auf der Anreise zu einer Demonstration gegen den "G8-Gipfel" in Mecklenburg-Vorpommern. Als sie vom Verbot des geplanten Aufzuges erfuhren, fanden sie sich in Lüneburg zu einem Aufzug mit Kundgebungen und Redebeiträgen von NPD- - 21 - Funktionären und Wortführern des neonazistischen Lagers ein. Die Polizei führte Personenfeststellungen durch. * Einer Demonstration von NPD und "Freien Nationalisten" am 14. Juli in Lüneburg unter dem Motto "Keine Demonstrationsverbote - Meinungsfreiheit erkämpfen!". Etwa 150 Rechtsextremisten aus norddeutschen Bundesländern richteten ihren Protest insbesondere gegen die Polizeimaßnahmen vom 2. Juni in Lüneburg. In Redebeiträgen wandten sich NPD-Funktionäre und Neonazis gegen eine vermeintliche staatliche Repressionspolitik. Der Bremer NPD-Landesverband war weder an Planungen noch an den Ausgestaltungen überregionaler Veranstaltungen beteiligt. Bremer Funktionäre lieferten auch keine Redebeiträge. Bei internen Informationsveranstaltungen, zu denen auch Mitglieder der DVU sowie Neonazis und Skinheads eingeladen werden, lässt der Bremer Landesverband vornehmlich "Parteiprominenz" anderer Landesverbände als Referenten auftreten. So trat am 7. September der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo PASTÖRS, in einer Bremer Gaststätte vor ca. 60 Rechtsextremisten mit einem Vortrag über die "Gefahren der Globalisierung" auf. Der Landesverband berichtete auf seiner Internetseite über die Veranstaltung unter der Überschrift "Deutliche Abrechnung mit Multikulti und Globalisierung". Demnach habe PASTÖRS angeprangert, dass "(...) die nationale Identität des deutschen Volkes im immer stärkeren Maße auf dem Altar internationaler Machtinteressen geopfert werde. Mit dem Ausverkauf der deutschen Wirtschaft gehe der Verrat an deutschen Werten und Eigenständigkeiten einher. Die zunehmende Überfremdung deutscher Großstädte sei das offenkundigste Zeichen für diese Entwicklung." Weiter wurde ausgeführt: "Als die Schuldigen für diesen Verfall der politischen Moral habe PASTÖRS die etablierten Parteien und ihre drittklassigen Führungsriegen benannt. Die hilflosen Reaktionen der herrschenden Kräfte gegen die NPD zeigten, dass diese Herrschaften mit dem - 22 - Rücken zur Wand stünden. Deshalb laute die Devise für Nationaldemokraten: Her mit der Macht!" Der Bremer Landesverband wertete die Veranstaltung "als einen weiteren Erfolg der Bremer NPD im Kampf um die Köpfe und Seelen der Menschen in dieser Stadt". Bei der gemeinsamen "Jahresabschlussfeier von Bremer NPD und DVU" am 9. Dezember in einer Bremer Gaststätte forderte Andreas MOLAU, Spitzenkandidat der NPD bei der Wahl zum niedersächsischen Landtag im Januar 2008, als Gastredner dazu auf, "Multikulti-Wahnsinn, Globalisierung und der Zerstörung von Tradition und Familie entschlossen entgegenzutreten." Mit der gemeinsamen "Jahresabschlussfeier" versuchten die Bremer Landesverbände von NPD und DVU, offenbar eine Wiederannäherung zu signalisieren. In der Bremer NPD war es im Frühjahr zu heftigen Verstimmungen gekommen, weil die DVU bei ihrer - zwischen beiden Parteien vereinbarten - Kandidatur zur Bürgerschaftswahl am 13. Mai kein NPD-Mitglied auf ihren Kandidatenlisten nominiert hatte. Mit unverhohlener Kritik begleitete daher der NPD-Landesverband unmittelbar nach der Wahl die Stimmenverluste der DVU in ihrer "Hochburg" Bremerhaven. Im Gastkommentar eines Bremer Neonazis auf der Internetseite der Bremer NPD heißt es: "Der persönliche Kontakt zum Wähler wurde nicht gesucht. Ein Straßenwahlkampf wäre auch nicht möglich gewesen, weil die DVU-Mitglieder dafür in der Regel zu alt sind und die angebotene Unterstützung seitens der NPD von Dr. Frey torpediert wurde." "Weil die DVU aufgrund ihres überalterten Personals keinen derartigen Wahlkampf führen kann, hätte sie auf ihren Bündnispartner, die NPD, zurückgreifen müssen. Und da die DVU nicht nur nehmen kann, sondern auch geben muß, hätte sie ihre Landesliste für deren Kandidaten öffnen müssen." Zum Parteiaustritt des Bremerhavener DVU-Spitzenkandidaten Siegfried TITTMANN am 17. Juli und dessen Entschluss, die Mandate in der Bremischen Bürgerschaft und der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung zu behalten, wird auf der Internetseite angeführt: - 23 - "Bei der Bremer NPD, wie verschiedentlich gemutmaßt, wird für ihn jedenfalls kein Platz sein. Dort werden Mitstreiter gesucht, die dienen können, und dabei nicht ausschließlich an sich selbst denken." Gleichzeitig signalisierte man der DVU aber auch die Bereitschaft zum Neubeginn der beiderseitigen Beziehungen, unter der Bedingung, "(...) dass die DVU zukünftig nicht mehr nur an kurzfristigen Wahlerfolgen ohne nachhaltige Wirkung interessiert ist und sich stattdessen mehr als bisher am Drei-Säulen-Konzept der NPD (Kampf um die Straße, Kampf um die Köpfe, Kampf um die Parlamente) orientieren will, werden die Bremer Nationaldemokraten dem nicht im Wege stehen." Dem Bremer NPD-Landesverband ist es bei stagnierender Mitgliederzahl gelungen, insbesondere Neonazis und Skinheads in seine Aktivitäten einzubinden. Eigene öffentliche Aktionen hatten dabei nur lokale Ausstrahlung. Bei Beteiligungen an überregionalen Veranstaltungen nimmt der Bremer Landesverband lediglich eine "Mitläuferrolle" ein. Impulse zur Ausgestaltung solcher Veranstaltungen gehen vom Bremer Landesverband nicht aus. - 24 - 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) Gegründet: 1971 als Verein DVU e.V. 1987 als DVU - Liste D 1991 in DVU umbenannt Mitglieder: Deutschland: ca. 7.000 (2006: ca. 8.500) Land Bremen: ca. 120 (2006: ca. 145) Organisation / Der DVU-Landesverband besteht aus den KreisverbänStruktur: den Bremen und Bremerhaven. Medien: "Nationalzeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) erscheint bundesweit. Der Bremer Landesverband unterhält eine Internetseite. Entwicklung Die 1987 als Partei gegründete "Deutsche Volksunion" (DVU) mit Sitz in München musste einen weiteren Mitgliederrückgang hinnehmen. Der Mitgliederschwund ist teils altersbedingt, aber auch auf eine fehlende Jugendarbeit der Partei, die keine Jugendorganisation unterhält, zurückzuführen. Gründer, bislang einziger Vorsitzender und Großfinanzier der Partei ist der Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY. Mit seiner Finanzkraft und seinem autoritären Führungsstil dominiert er die Partei völlig. Die beispiellose Konzentration aller wesentlichen Parteifunktionen auf seine Person bedingt zwangsläufig das Fehlen innerparteilicher Demokratie. Folglich existieren nur formal funktionierende Parteistrukturen in allen Bundesländern. Eine wirkliche aktive Mitgestaltung der Basis an der sachpolitischen Willensbildung ist nicht erkennbar. Bei Funktionsbesetzungen wird einzig die Treue zu FREY als Auswahlkriterium gewertet. Auf dem Bundesparteitag am 20. Januar in München wurde der Bundesvorsitzende erneut im Amt bestätigt. Die Funktionäre des Bremer Landesverbandes - Siegfried TITTMANN als einer der beiden Stellvertreter von FREY und Hans-Otto WEIDENBACH als Beisitzer -wurden ebenfalls bestätigt. Ideologische Ausrichtung Zentrales Ideologieelement der DVU ist ihr tief greifender völkisch geprägter Nationalismus. Demnach ist das allein bestimmende Identifikationsmerkmal der Partei das Begriffsumfeld "Deutschland" und die "deut- - 25 - sche Nation". Es ist das erklärte Ziel, ein ethnisch einheitliches Deutschland zu schaffen. Ein durchgehendes Thema stellt dabei die "Umvolkung der Deutschen" dar. Suggeriert wird, dass durch eine gezielte und geplante Zuwanderung von Ausländern ein "Volksaustausch" in Deutschland vorgenommen werde. Vor diesem Hintergrund greift die DVU im Wesentlichen die typischen rechtsextremistischen Agitationsfelder auf. Kernpunkte bilden dabei die Themen "Fremdenfeindlichkeit", "Antisemitismus" sowie ein umfassender "Revisionismus". Der demokratische Rechtsstaat und seine Repräsentanten werden systematisch diffamiert. Als propagandistisches Sprachrohr dient der Partei dafür insbesondere die von FREY in einer Auflage von ca. 40.000 Exemplaren wöchentlich herausgegebene "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ). In der Berichterstattung werden dabei oftmals die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert, unterschwellig eine antisemitische und fremdenfeindliche Stimmung geschürt, gegen Repräsentanten des Rechtsstaates polemisiert und gegen die USA agitiert. Beispielhaft hierfür sind Artikelüberschriften wie: * Zweiter Weltkrieg: Die wahren Ursachen - SensationsDokumente entlasten Deutschland (NZ 06/07 vom 2. Februar 2007) * Merkels mörderische Kriegspolitik - Warum soll Deutschland für die USA bluten? (NZ 16/07 vom 13. April 2007) * Tatort Fußball - Ausländergewalt in deutschen Stadien (NZ 29/07 vom 13. Juli 2007) * Kommen Millionen Afrikaner? - So kann der Ansturm gestoppt werden (NZ 30/07 vom 20. Juli 2007) * Die Invasion der Moscheen - Deutschlands heimliche Islamisierung (NZ 35/07 vom 24. August 2007 - 26 - Teilnahme an Wahlen Primär ist die DVU eine Wahlpartei, das heißt, sie verfolgt ihre verfassungsfeindlichen Zielsetzungen in der Hauptsache durch die Teilnahme an Wahlen und - bei Erfolg - durch parlamentarische Arbeit. Die Wahlerfolge der DVU seit 1987 resultieren u.a. aus Wahlabsprachen mit anderen rechtsextremistischen Parteien. Aus dieser Erfahrung heraus und dem erfolgreichen Abschneiden beider Parteien bei den Landtagswahlen 2004 in Brandenburg und Sachsen, schlossen FREY und der Bundesvorsitzende der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) im Januar 2005 eine als "Deutschland-Pakt" bezeichnete Vereinbarung. Sie legten fest, bei kommenden Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene bis zum 31. Dezember 2009 nicht gegeneinander anzutreten. Die Ablehnung "antideutscher" Bestrebungen bildet die Klammer des "Deutschland-Paktes". Damit hat sich die DVU gleichzeitig formell in die von der NPD initiierte Sammlung aller nationalen Kräfte zur "Volksfront von rechts" eingebunden. Aus dieser Absprache resultierte auch die alleinige Kandidatur der DVU bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai, der einzigen Landtagswahl 2007. Als Kandidaten wurden ausschließlich eigene Parteimitglieder nominiert. Der Bundesvorsitzende FREY betrachtet seit dem ersten Wahlantritt zur Bürgerschaftswahl im Jahre 1987 den Wahlbereich Bremerhaven als "seine Bastion". Im Zweckbündnis mit der NPD war der DVU über die Bremerhavener Wahlliste damals der Einzug in die Bremische Bürgerschaft mit einem Mandat gelungen. Das Bremer Wahlrecht bestimmt, dass eine Partei ein Mandat erhält, wenn sie in einem der Wahlbereiche Bremen oder Bremerhaven die Fünf-Prozent-Hürde überwindet. Seit 1999 war die DVU mit einem Abgeordneten, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Siegfried TITTMANN, im Landesparlament vertreten. Diesen Sitz hatte sie wiederum im Wahlbereich Bremerhaven errungen, auf den sich auch diesmal die Wahlkampfaktivitäten konzentrierten. Par- - 27 - allel zur Bürgerschaftswahl fand in Bremerhaven die Wahl der Stadtverordnetenversammlung sowie in Bremen die Wahl zu den Stadtteilbeiräten statt. Die DVU führte in der für sie bekannten Manier einen kostenintensiven Wahlkampf mit Informationsständen, Flugblattverteilungen, Bannerwerbung mit Flugzeugen, Verteilung einer Wahlkampf-CD mit dem Titel: "Stolz und frei - Heimatlieder, Vaterlandslieder, Deutschlandlied". Am 6. Mai fand in der Stadthalle Bremerhaven eine Informationsveranstaltung mit dem Bundesvorsitzenden FREY statt. Den Veranstaltungsort hatte die Partei gerichtlich durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Bremen erstritten. In Bremerhaven war der Wahlkampf mit flächendeckenden Plakatierungen auf den Spitzenkandidaten Siegfried TITTMANN abgestellt. Ihre politische Standortbestimmung kam in einem Flugblatt mit dem Titel "Warum DVU wählen" deutlich zum Ausdruck. Darin heißt es u.a.: * "Die Deutsche Volksunion (DVU) ist die Partei der Deutschen". * "Nicht die Interessen der USA, Israels und des Großkapitals dürfen deutsche Politik bestimmen, sondern nur das Wohl des deutschen Volkes". * "Die DVU tritt ein für ein freies, unabhängiges, souveränes, neutrales, rechtsstaatliches, demokratisches, soziales und vor allem deutsches Deutschland". Inhaltliche Aussagen beschränkten sich auf die Verbreitung stereotyper Parolen wie: * "Arbeit statt Zuwanderung" * "Geld für Deutsche statt Bundeswehr im Ausland" * "Kriminelle Ausländer raus" * "Raus! Die ROTE KARTE für Polit-Bonzen" - 28 - Mit einem Stimmenzuwachs von knapp 0,5 % auf Landesebene konnte die DVU ihr Ergebnis gegenüber der Wahl von 2003 auf 2,7 % steigern. Die Stimmengewinne erzielte sie im Wahlbereich Bremen. Im Wahlbereich Bremerhaven musste sie allerdings deutliche Verluste (-1,7 %) hinnehmen. Das Ergebnis - mit Vergleichszahlen 2003 - im Einzelnen: Bürgerschaftswahl 2007 Bürgerschaftswahl 2003 Land Bremen: 2,74 % - 7.566 Stimmen 2,28 % - 6.642 Stimmen Stadt Bremen: 2,24 % - 5.191 Stimmen 1,37 % - 3.376 Stimmen Bremerhaven: 5,36 % - 2.375 Stimmen 7,10 % - 3.266 Stimmen Durch das Resultat in Bremerhaven zog der bisherige Abgeordnete TITTMANN erneut für die DVU in die Bremische Bürgerschaft. Deutliche Stimmenverluste fuhr die DVU bei der zeitgleichen Wahl des Bremerhavener Kommunalparlaments, der Stadtverordnetenversammlung, ein. Mit einem Stimmenanteil von 5,53 % gegenüber 8,08 % bei der Wahl im Jahr 2003 gingen 2,55 % Wählerstimmen verloren. Mit dem Ergebnis büßte die DVU einen Sitz ein und erhielt nur noch drei Mandate. Die Partei ist in dem Stadtparlament ununterbrochen seit 1987 vertreten. In Bremen errang die DVU bei den gleichzeitig durchgeführten Wahlen zu den Stadtteilbeiräten erneut insgesamt vier Sitze, verteilt auf die Beiräte der Stadtteile Huchting, Osterholz, Vahr und Walle. In einer Pressemitteilung auf der Internetseite des Bremer Landesverbandes bedankte sich der Landesvorsitzende WEIDENBACH bei den Wählern der DVU. Ohne auf die Stimmenverluste in Bremerhaven einzugehen betonte er: "Für vier Jahre ist damit gewährleistet, dass deutsche Politik in der Bremischen Bürgerschaft und in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven eine Stimme hat - die Stimme der DVU!" - 29 - Musste schon das Wahlergebnis die Partei enttäuschen, wurde sie am 17. Juli vom Parteiaustritt ihres Bremerhavener "Aushängeschildes" TITTMANN vollends überrascht. Gegenüber der Presse ließ er verlauten, die DVU aus persönlichen Gründen verlassen zu haben, weil er die politische Entwicklung in der Partei nicht mehr habe mittragen können. Seine Mandate als Bremerhavener Stadtverordneter und als Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft werde er allerdings bis 2011 behalten. Tatsächlich war aber wohl die parteiinterne Kritik an dem Bremerhavener Wahlergebnis und die Ankündigung des Parteivorstandes, "beim nächsten Wahlantritt mit einem neuen Gesicht und neuen Ideen aufzuwarten", ursächlich für den Parteiaustritt. Aus "Solidarität" erklärten weitere Mitglieder des Bremerhavener Kreisverbandes ihren Parteiaustritt, darunter auch ein DVU-Abgeordneter aus der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung. Somit hat die DVU nur noch ein Mandat inne. Die Mandatsund Mitgliederverluste im Bremer Landesverband werden die Stellung der Partei im Lager der rechtsextremistischen Parteien, insbesondere gegenüber der NPD, weiter schwächen. Der Vorstand des Bremer Landesverbandes steht weiterhin - formal - zu der eingegangenen Bündnispolitik mit der NPD. Eine fundierte Zusammenarbeit hat sich zwischen den beiden Landesverbänden aber nicht herausgebildet. Die Kooperation beschränkt sich auf gemeinsame Kranzniederlegungen am Volkstrauertag und der gelegentlichen Teilnahme einzelner Parteimitglieder an internen Veranstaltungen des jeweiligen Partners. Erstmals führten beide Parteien eine gemeinsame "Jahresabschlussfeier" in einer Bremer Gaststätte durch. Nach wie vor betrachtet insbesondere die Parteibasis das Kooperations-Konzept wegen der Nähe des Bremer NPD-Landesverbandes zur Neonazi-Szene skeptisch. Die DVU führt in Bremen wegen ihrer organisatorischen Schwäche und aus Furcht vor Gegenaktionen keine öffentlichen Veranstaltungen durch. Turnusmäßige Mitgliedertreffen erfolgen in Form von "Politischen Stammtischen" in Gaststätten. Satzungsobligatorische Mitgliederversammlungen - 30 - werden auch weiterhin unter konspirativen Modalitäten im niedersächsischen Umland abgehalten. - 31 - 3. "Neonazistische Szene" Erstmalig Ende der 70er Jahre. aufgetreten: Anhänger: Deutschland: ca. 4.400 (2006: ca. 4.200) Land Bremen: ca. 15 (unverändert, wie 2006) Organisation / Meist unstrukturiert oder lokal verankerte Struktur: "Freie Kameradschaften". Medien: Diverse Internetseiten. Entwicklung und Ausrichtung Bundesweit stieg 2007 die Zahl der Neonazis auf ca. 4.400 Personen (2006: 4.200) an. Sie sind in ca. 160 Kameradschaften organisiert; im Land Bremen blieb mit ca. 15 Neonazis die Zahl gegenüber dem Vorjahr unverändert. Die ideologische Basis für die Neonazis, die sich selbst auch "Freie Nationalisten" nennen, bildet der historische Nationalsozialismus. Ihr Ziel ist die Errichtung eines autoritären Führerstaates und die Schaffung eines ethnisch homogenen "Vierten Reiches". Ihr Weltbild wird bestimmt von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Die kultische Verehrung von Repräsentanten des Dritten Reiches sowie die Leugnung oder Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus, insbesondere des Holocaust, sind prägende Merkmale des Neonationalsozialismus. Die Themenpalette ihrer Agitationen umfasst seit geraumer Zeit Bekundungen "Gegen staatliche Repression - Weg mit dem SS 130 StGB1" und Forderungen wie "Moscheebau stoppen". Des Weiteren werden sozialpolitische Themen aufgegriffen und die Ausländerund Asylpolitik kritisiert. Nach den Verboten neonazistischer Vereine in den 90er Jahren entwikkelten führende Neonazis eine Organisationsform ohne verbotsfähige formale Vereinsstrukturen und ohne formale Mitgliedschaften, die "Freien 1 Mit der Neufassung des SS 130 StGB im Jahr 2005 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, "wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer - 32 - Kameradschaften". Einer "Kameradschaft", die meist lokal verankert ist, gehören in der Regel fünf bis zwanzig Personen an, die sich selbst auch als "Freie Nationalisten" oder "Freie Kräfte" bezeichnen. Aus Sicht der Verfassungsschutzbehörden handelt es sich um eine "Kameradschaft", wenn folgende Kriterien erfüllt sind: * eine gemeinsame, zielgerichtete politische Arbeit mit einer neonazistischen Grundorientierung, * ein fester Stamm von Aktivisten mit einer geringen Fluktuation, * ein lokaler bis regionaler Aktionsbereich, * eine zumindest minimale Struktur. Ein Informationsaustausch zwischen den einzelnen lokalen oder regionalen Gruppen wird über moderne Kommunikationsmittel, wie das Internet oder Mobiltelefone, sichergestellt. Zur Koordinierung gemeinsamer Aktivitäten wurden regional agierende "Aktionsbüros" installiert. So sind Bremer Neonazis über das "Aktionsbüro Norddeutschland" (Sitz in Hamburg) in die Szene eingebunden. Neonazis sehen sich in erster Linie als politische Straßenkämpfer. Ihre politischen Positionen tragen sie insbesondere mit provokativen Aufmärschen und Kundgebungen öffentlichkeitswirksam vor. Dabei greifen sie auch tagesaktuelle, populistisch verwertbare Themen auf und instrumentalisieren diese, um nationalsozialistische Positionen in die Öffentlichkeit zu bringen. Die Annäherung großer Teile der Neonaziszene an die NPD und daraus resultierende gemeinsame Aktionen eröffneten ihnen ein noch breiteres Forum. Neonazistische Szene in Bremen Im Land Bremen bestimmte bis zum Jahr 2006 die bis zu 30 Mitglieder zählende "Kameradschaft Bremen" die lokale Neonaziszene. Interne Querelen und der Rückzug einzelner Führungspersonen aus der politischen Arbeit brachten die eigenständigen Aktivitäten der Gruppe weitestgehend zum Erliegen. Bislang unorganisierte Bremer Neonazis ließen danach die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.". - 33 - zwar die Absicht erkennen, neue feste Strukturen zu entwickeln. Es gelang ihnen aber nicht, die Bremer Neonaziszene zu einer "elitären Kaderschmiede" im Sinne der "Kameradschaft Bremen" zusammenzuführen. Vielmehr ist eine weitere Vermischung der Neonaziszene mit der Skinheadszene festzustellen und eine noch engere Einbindung in die Aktivitäten des Bremer NPD-Landesverbandes, in dem sowohl Neonazis als auch gewaltbereite Skinheads Funktionen übernommen haben. Dies kann als ein Beleg für die Akzeptanz und Unterstützung des von der NPD propagierten "Volksfront-Konzeptes" durch große Teile der Bremer Neonaziund Skinheadszene gewertet werden. So nahmen Neonazis und Skinheads aus Bremen gemeinsam an regionalen Demonstrationen und Kundgebungen "Freier Nationalisten" oder auch der NPD teil, wie im Februar * bei zwei Kundgebungen der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) in Rotenburg, die sich gegen die polizeiliche Auflösung einer rechtsextremistischen Musikveranstaltung "Gegen Repression und Polizeigewalt" richteten, und * bei einer Veranstaltung "Freier Nationalisten" mit ca. 200 Teilnehmern in Hildesheim, die unter dem Motto "Gegen Repression und Polizeiwillkür" polizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung rechtsextremistischer Veranstaltungen in Gaststätten im Landkreis Hildesheim anprangerten. Für Bremer Neonazis haben die jährlichen Aktivitäten des rechtsextremistischen Spektrums aus Anlass des Todestages von Rudolf Heß, dem ehemaligen Hitler-Stellvertreter, einen hohen Stellenwert. Heß wird besonders von Neonazis als "Märtyrer des Friedens" verehrt. Der rechtsextremistischen Szene gelang es auch anlässlich des diesjährigen 20. Todestages wiederum nicht, eine zentrale Gedenkveranstaltung in Wunsiedel (Bayern), dem Begräbnisort von Heß, durchzuführen. Das Landratsamt hatte die für den 18. August von dem rechtsextremistischen - 34 - Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER angemeldete Veranstaltung "Gedenken an Rudolf Heß" verboten. Es sei zu erwarten gewesen, dass bei einer solchen Veranstaltung die nationalsozialistische Gewaltund Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt worden wäre. Damit wäre der öffentliche Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise gestört worden und hätte eine Straftat gemäß SS 130 Abs. 4 StGB dargestellt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am 13. August den Verbotsbescheid des Landratsamtes Wunsiedel. An mehreren dezentralen Veranstaltungen um den 17. August, u.a. in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Thüringen, nahmen insgesamt ca. 1.200 Personen teil. Die Aufzüge der Rechtsextremisten wurden von starken Protesten begleitet. Bremer Neonazis und Skinheads beteiligten sich am 18. August zusammen mit anderen Rechtsextremisten aus Norddeutschland, Dänemark und Schweden an einer von Gegendemonstrationen begleiteten Ausweichveranstaltung in der dänischen Stadt Kolding. In Bremen wurde am 16. August von Unbekannten an zwei Autobahnüberführungen an der A1 und der A 27 jeweils ein großes Plakat mit der Aufschrift "Rudolf Heß von Engländern ermordet" angebracht. Drei Aktivisten der Bremer Skinheadund Hooliganszene wurden in der Nacht vom 17. auf den 18. August von der Polizei auf frischer Tat gestellt, als sie an Wände des Bremer "Weserstadions" Konterfeis von Rudolf Heß sprayten und Flyer klebten. Mit maßgeblicher Beteiligung eines überregional agierenden Bremer Neonazis / Hooligans und Mitarbeiters des "Deutsche-Stimme-Verlages" der NPD in Riesa (Sachsen) führten Rechtsextremisten unter dem Motto "Räder müssen rollen für die Wahrheit" eine Propagandaaktion für Rudolf Heß durch. Vom 13. bis 17. August fuhren Rechtsextremisten mit einem Lkw, an dessen Aufbauten ein Kopfbild von Rudolf Heß sowie die Aufschrift "Rudolf - 35 - Heß, 1894 - 1987, Mord verjährt nicht" aufgedruckt waren, durch mehrere deutsche Großstädte, darunter am 16. August auch durch Bremen. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite wurde in einem Verlaufsbericht die Fahrt kommentiert. Die Kontakte zwischen Bremer Neonazis und Skinheads zu Teilen der gewaltbereiten Bremer Hooliganszene verfestigten sich im Verlaufe des Jahres. Nachdem 2006 mehrere Neonazis und Skinheads von politischen Gegnern gezielt angegriffen worden waren, hatte sich Ende 2006 eine aus ca. 20 Neonazis, Skinheads und Hooligans bestehende "Eingreifgruppe" formiert, um solchen Attacken entgegenzuwirken. Seit Beginn des Jahres suchten nun Mitglieder dieser Gruppe mehrfach gezielt Trefforte (z.B. Freizeitheime) oder Veranstaltungen der als "Zecken" titulierten AntifaAktivisten auf und provozierten Konfrontationen mit den erkannten Aktivisten dieser Szene. - 36 - 4. "Rechtsextremistische Skinheads" Erstmalig In den 80er Jahren. aufgetreten: Mitglieder: Deutschland: ca. 10.000 (2006: ca. 10.400) Land Bremen: ca. 35 (unverändert, wie 2006) Organisation / Unstrukturiert / Lose Cliquen. Struktur: Medien: Diverse Internetseiten. Entwicklung und Ausrichtung Dem Bereich der rechtsextremistischen Skinheads und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten werden auf Bundesebene ca. 10.000 Personen (2006: ca. 10.400) zugerechnet. Im Land Bremen blieb die Anzahl mit 35 Personen gegenüber 2006 konstant. Dieser Bereich bildet, wie auch auf Bundesebene, ein wichtiges Rekrutierungsfeld für die Neonaziszene und in Bremen darüber hinaus auch für den NPD-Landesverband. Nachdem sich früher die Skinheadund Neonaziszene voneinander abgegrenzt hatten, bewegten sie sich im Verlaufe der letzten Jahre aufeinander zu. Daraus entwickelte sich im Land Bremen inzwischen eine "Mischszene", bei der auch die Distanz zur NPD merklich abgenommen hat. Einige Skinheads beteiligen sich mittlerweile an der Parteiarbeit in den Kreisverbänden Bremen-Stadt und Bremerhaven. Einzelne Bremer Skins bekleiden Funktionen in der Partei. Motivierend für die Skinheads, sich an Demonstrationen und Kundgebungen der NPD und Neonazis zu beteiligen, ist auch der dabei gebotene Aktionismus. Rechtsextremistische Skinheads, die Teil der "subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten" sind, haben in der Regel kein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild. Oft vertreten sie Versatzstücke des nationalsozialistischen Gedankengutes. Nationalistische, rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Vorurteile sind bei ihnen stark ausgeprägt. Sie sind als gewaltbejahend und grundsätzlich gewaltbereit einzustufen. Ihre Aggressivität entlädt sich zumeist in spontanen Gewalttaten insbesondere gegen Menschen anderer Hautfarbe - 37 - oder "Undeutschen", zu denen sie z.B. Homosexuelle oder Obdachlose zählen. Das äußere Erscheinungsbild der Skinszene mit den klassischen Accessoires wie Springerstiefel, Bomberjacke und kahlgeschorener Kopf, wich zunehmend einem "zivilen" Auftreten in modischer Freizeitkleidung, wobei zur internen Identifikation bestimmten szenetypischen Textilmarken Vorzug eingeräumt wird. Identifikationsfaktor und verbindendes Element der rechtsextremistischen Skinheadszene ist die Skinmusik. In den Liedtexten drückt sich das Selbstverständnis und die Abgrenzung der Szene zur bürgerlichen Gesellschaft aus. Es werden Fragmente der nationalsozialistischen Ideologie, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, sowie die Verherrlichung der Gewalt propagiert. Bundesweit gibt es ca. 150 rechtsextremistische Skinhead-Musikgruppen, die Tonträger produzieren und / oder bei einschlägigen Konzerten im Inund Ausland auftreten. Da die Skinheadszene kaum feste organisatorische Strukturen kennt, haben die meist konspirativ durchgeführten Musikveranstaltungen eine große Bedeutung, um Kontakte zu knüpfen und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Darüber hinaus bilden diese Konzerte eine Art "Klammerfunktion" zwischen der Skinszene und Teilen des rechtsextremistischen/ neonazistischen Lagers und werden oftmals auch als Umschlagbörse für verbotene einschlägige CDs und szenetypische Kleidung genutzt. In Bremen fanden, wie auch in den Vorjahren, keine Skinheadkonzerte statt. Skinhead-Musikszene in Bremen Überregional bekannt sind die Bremer Skinhead-Bands "Endlöser", "Endstufe" und "Hetzjagd". Die Texte ihrer Lieder sind vielfach von rassistischer, volksverhetzender und antisemitischer Tendenz geprägt. Mehrere - 38 - CDs dieser Gruppen wurden indiziert. Konzerte mit diesen Bands wurden wiederholt verboten bzw. von der Polizei aufgelöst. Die Gruppe "Endstufe" ist die älteste bestehende Bremer Skin-Band, der vier Mitglieder angehören. Sie tritt seit 1981 in wechselnden Formationen bei Skinkonzerten in Deutschland und dem europäischen Ausland auf. Zu ihren Auftritten reist häufig auch eine feste "Fangemeinde" aus der regionalen Bremer Skinszene mit. Zusammen mit drei anderen Gruppen trat "Endstufe" im März bei einem Konzert in Mecklenburg-Vorpommern auf. An der Saalveranstaltung nahmen ca. 500 Personen aus ganz Deutschland und Dänemark teil. Im Juli spielte die Gruppe zusammen mit anderen Skin-Bands aus verschiedenen europäischen Ländern bei einem Skinkonzert in Norditalien. Organisatoren des "Veneto Summer Fest" waren italienische Rechtsextremisten. Die Gruppe "Hetzjagd" wurde 2002 gegründet. Ihre Mitglieder gehören der "Hammerskin-Bewegung"2 an. In diesem Jahr veröffentlichten sie eine CD mit elf Liedern unter dem Titel "Kampf dem System". Mit dem Lied "Hammerskins" geben sie ein Bekenntnis zur "Hammerskin-Bewegung" und eine Kampfansage gegen den politischen Gegner ab. Darin heißt es in einer Textpassage: "Hammerskins, die Elite aus der Masse, Skinheads aus der Arbeiterklasse, den Hämmern immer treu verbunden, im Kampf um unsere weiße Rasse. Wir sind Nationalisten aus der ganzen Welt, unsere Bruderschaft uns ewig zusammen hält, bis der letzte unserer Gegner fällt." Die Skinheadband "Endlöser" stellte mit der CD "Wir geben Gas" eine neue Produktion vor. Der Tonträger enthält elf Titel. Er weist strafrechts- 2 Die "Hammerskins" wurden 1986 in den USA gegründet. Ihre Mitglieder erheben innerhalb der Skinheadszene einen elitären Anspruch. Sie vertreten ein rassistisches Weltbild, das mit nationalsozialistischem Gedankengut verbunden ist. Ihr Ziel ist die Vereinigung aller weißen Skinheads zu einer "Hammerskin Nation". Zwei gekreuzte Zimmermannshämmer sind das Zeichen der "Hammerskins" und sollen die weiße Arbeiterklasse symbolisieren. - 39 - relevante sowie jugendgefährdende Inhalte auf. Das Amtsgericht Bremen erließ im Juni einen allgemeinen Beschlagnahmebeschluss. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierte die CD, weil der Inhalt zum Rassenhass anreizt. Der Titel der CD stellt auf die Genozide an der jüdischen Bevölkerung und anderer Opfer der Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern ab. So heißt es auszugsweise in dem Lied "Wir geben Gas": "Neue Lieder, neuer Hass, schnallt euch an, denn wir geben wieder Gas... Heute bringen wir alles wieder in'n Schlot. Ihr habt wohl gedacht "Oh Gott das war's". Doch das war ein Irrtum, wir geben Gas... Alte Methoden, neue Sitten, Wir lassen uns nicht zweimal bitten. Die Lunte brennt, die Bombe tickt, Ihr werdet alle eingeschickt. Steht zusammen gegen die Pest Und heute geben wir euch den Rest. Ihr habt wohl gedacht "Oh Gott das war's", Die Bühne frei, wir geben Gas". Der Text verharmlost und befürwortet die Tötungspraktiken der Nationalsozialisten und kündigt darüber hinaus neuerliche Gräueltaten ("alte Methoden, neue Sitten") durch Vergasungen an. Die optische Gestaltung des CD-Covers zeigt deutlich, dass die Interpreten die Verhöhnung der Opfer der Nazi-Diktatur beabsichtigten. - 40 - 5. Bewertung der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Bremen Der NPD-Landesverband Bremen konnte seinen Mitgliederstand halten. Insbesondere seine im Vorjahr gegründete "Jugendgruppe" entwickelte öffentliche Aktivitäten in Bremen. Das von der Parteiführung initiierte "VolksfrontKonzept" - die Konzentration aller nationalen Kräfte zu einer "Volksfront von Rechts" - wird vom Bremer Landesverband im vollen Umfang mitgetragen. Weitere Angehörige der Neonaziund Skinheadszene übernahmen Funktionen im Landesverband und in den Kreisverbänden Bremen-Stadt und Bremerhaven. Daraus resultierten gemeinsame Teilnahmen von NPDMitgliedern, Neonazis und Skinheads an überregionalen Veranstaltungen der NPD und "Freier Nationalisten". Impulse auf überregionale Veranstaltungen der Partei gehen vom Bremer Landesverband nicht aus. Die NPD ging deutlich auf Distanz zum Bremer DVU-Landesverband, nachdem diese ihr bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai keine Kandidatur auf ihren Listen eingeräumt hatte. Erst durch gemeinsame Veranstaltungen zum Jahresende scheinen die Parteien sich wieder anzunähern. Die DVU konnte bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft zwar im Wahlbereich Bremen Stimmengewinne verzeichnen, musste aber in ihrer "Hochburg" Bremerhaven deutliche Verluste hinnehmen - auch bei der gleichzeitig stattfindenden Wahl zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung. Das gewonnene Bürgerschaftsmandat verlor die DVU am 17. Juli durch den Parteiaustritt ihres Abgeordneten Siegfried TITTMANN. Darüber hinaus büßte sie auch in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung durch Parteiaustritte zwei der drei errungenen Mandate ein. Dem Beispiel TITTMANNs folgten weitere Mitglieder. Die Entwicklung im Bremer Landesverband dürfte auch die Position der DVU gegenüber der NPD innerhalb des "Deutschland-Paktes" geschwächt haben. In der Bremer Neonazi-Szene hat sich keine gefestigte Gruppe formieren können, die dieses Spektrum zu eigenen politischen Aktionen anleiten könnte. Vielmehr ist eine weitere Anbindung an die Aktivitäten der NPD fest- - 41 - zustellen. Einzelne Neonazis besetzen Funktionen im Landesverband und den Kreisverbänden. Die Neonaziund Skinheadszenen entwickeln sich zunehmend zu einer "Mischszene". Zusammen mit Skinheads und Hooligans traten Bremer Neonazis bei gezielten Übergriffen gegen Aktivisten aus dem antifaschistischen Spektrum in Erscheinung. Bremer Skinheadgruppen traten mit CD-Produktionen auf, die wegen ihrer Texte zum Teil indiziert wurden oder der Beschlagnahme unterliegen. Darüber hinaus waren Bremer Skinbands auch auf überregionalen Konzerten vertreten. In Bremen fanden keine Skinkonzerte statt. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten im Land Bremen ging auf ca. 265 Personen (2006: 285 Personen) zurück. Die Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation gingen gegenüber dem Vorjahr leicht zurück (siehe Anhang). Eine deutliche Zunahme ist bei den rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten auf insgesamt 17 gegenüber zwei Delikten im Vorjahr zu verzeichnen. Diese Steigerung ist u.a. auf Konfrontation von Rechtsextremisten mit ihrem politischen Gegner, den "Linken", zurückzuführen. - 42 - III. Linksextremismus Orthodoxe Linksextremisten streben auf der Grundlage einer ökonomisch begründeten Klassentheorie eine "klassenlose Gesellschaft" an. Es wird eine völlige Unterordnung des Individuums gefordert, da die revolutionären Ziele Priorität genießen. In der Bundesrepublik Deutschland zielen sie auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie bekennen sich überwiegend zu "revolutionärer Gewalt". Ihre teilweise differierenden ideologischen Ausrichtungen basieren auf marxistisch-leninistischen oder trotzkistischen Elementen. Sie propagieren die "Herrschaft der Arbeiterklasse", d.h. "Diktatur des Proletariats", oder die Einführung einer "Räterepublik" - ein politisches System, bei dem die Herrschaft von der Bevölkerung über direkt gewählte Räte ausgeübt wird. Es gibt keine Gewaltenteilung (Judikative, Legislative und Exekutive). Unter Marxismus, von Karl MARX (1818-1883) und Friedrich ENGELS (1820-1895) begründete Wirtschaftsund Gesellschaftstheorie, versteht man im heutigen Sprachgebrauch die Weiterentwicklungen und Interpretationen der Lehren von Karl MARX. In seinem ab 1850 entstandenen Hauptwerk "Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie" kritisiert er "die selbst zerstörerische Produktionsweise des Kapitalismus". Die von Wladimir Iljitsch LENIN (1870-1924) entwickelte revolutionäre Lehre, Leninismus, basiert auf dem Marxismus. Im Leninismus wird die Rolle der an der "richtigen" Theorie ausgerichteten revolutionären Partei bei der kommunistischen Machtergreifung und bei der Konsolidierung dieser Macht hervorgehoben. Die Parteiführer sind klassenbewusste Berufsrevolutionäre, deren Aufgabe darin besteht, der Arbeiterklasse ein revolutionäres Bewusstsein, Disziplin und die marxistische Theorie zu vermitteln. Nach der Machtergreifung sollte die Partei die "Diktatur des Proletariats" errichten. Trotzkismus bezieht sich auf Leo TROTZKI (1879-1940). Ausgangspunkt für den Trotzkismus ist eine Analyse der "Bürokratisierung" der Länder, in denen eine proletarische Revolution stattgefunden hatte. Im Gegensatz zu der von Josef STALIN (1878-1953, sowjetischer Politiker und Diktator) vertretenen These vom möglichen "Sozialismus im eigenen Land" stand - 43 - TROTZKI für einen konsequenten Internationalismus. Laut TROTZKI kann der Sozialismus nur auf internationaler Ebene funktionieren. Autonome Linksextremisten wollen eine "herrschaftsfreie Gesellschaft". Sie haben eine latente Bereitschaft, zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele Gewalt einzusetzen. Sie verfolgen kein einheitliches ideologisches Konzept. Durch einen Minimalkonsens wird eine diffuse "antifaschistische", "antiimperialistische" und "antipatriarchale" Grundhaltung eingenommen, die sich gegen die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung richtet. Durch eine fehlende Strategie nehmen sie die Ineffektivität ihrer Aktionen in Kauf. Die anarchistische Szene lehnt jede institutionalisierte Form von Macht ab. Es wird, ihrem Selbstverständnis entsprechend, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung abgelehnt und eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" propagiert. Anarchisten verfolgen die Utopie eines auf freier Selbstbestimmung beruhenden Zusammenlebens, das in der Regel ohne Anwendung von Gewalt verfolgt und realisiert werden soll. Unter anderem folgende Parteien und Gruppierungen unterlagen 2007 in Bremen einer Beobachtung: - 44 - 1. "Autonome Linksextremisten" Erstmalig Anfang der 1970er Jahre aufgetreten: MobilisierungsDeutschland: ca. 5.800 (2006: ca. 5.500) potenzial: Land Bremen: ca. 200 (unverändert, wie 2006) Organisation / Kein ideologisches Konzept, verschwommene anarchoStruktur: kommunistische Vorstellungen. Medien: "Interim" (bundesweit), wöchentlich, "Bremer Kassiber", unregelmäßig. Entwicklung Die autonomen Linksextremisten sind aus der Konkursmasse der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO) Anfang der 70er Jahre hervorgegangen. Diese undogmatische linksextremistische Bewegung hat die aus der gleichen Politisierungsphase resultierenden kommunistischen Splittergruppen - so genannte "K-Gruppen" - zeitlich weit überdauert und für die Sicherheitslage der Bundesrepublik ein weitaus größeres Gewaltpotenzial heraufbeschworen. Die nicht homogene autonome Szene verfügt über keine geschlossene Ideologie. Ein "Vulgärmarxismus"3, gepaart mit einer strikten Ablehnung leninistischer Kaderorganisierung, bestimmen diese weitgehend regionale und basisorientierte Bewegung. Sie agiert überwiegend spontan und reflexartig auf ihre Feindbilder, ist jedoch infolge der fehlenden Strukturen meist nur zu kurzfristigen Aktionsformen fähig. Charakteristisch für die autonomen Linksextremisten ist ihre Spontanität, mit der ad hoc "Initiativen", "Büros", "Bündnisse" usw. gegründet werden, die sich aktuellen Themen widmen. Stets greifen sie jedoch über den konkreten Anlass hinaus das parlamentarische System der Bundesrepublik Deutschland an, das sich für sie als "Verschleierung eines industriell-militärischen Machtkartells" darstellt, als "Kern allen Übels". Der autonome Linksextremismus war auch Rekrutierungsund Unterstüt- 3 Vulgärmarxismus werden vereinfachende Darstellungen des Marxismus und die verkürzenden Auslegungen der Schriften von Karl MARX genannt. Diese dienten im Vulgärmarxismus vor allem zur - 45 - zerfeld für alle terroristischen Gruppierungen der vergangenen Jahrzehnte ("Rote Armee Fraktion / RAF", "Bewegung 2. Juni", "Revolutionäre Zellen / RZ"). Mit Schwerpunkten in Norddeutschland wurden auch 2007 konspirative militante Anschläge verübt, die im Zusammenhang mit dem "G8-Gipfel" vom 6. bis 8. Juni 2007 in Heiligendamm (MecklenburgVorpommern) standen. Personenschäden waren nicht zu verzeichnen, es kam jedoch teilweise zu erheblichen Sachbeschädigungen, insbesondere durch Brandanschläge. In Bremen ist eine solche militante Ausprägung der autonomen linksextremistischen Szene bisher nicht erkennbar. Veranstaltungen zum "G8-Gipfel" Im Mittelpunkt der Aktivitäten der autonomen linksextremistischen Szene in Bremen standen 2007 die vielfältigen Aktionen gegen den "G8-Gipfel". Innerhalb der Antiglobalisierungsbewegung fanden erneut verschiedene Mobilisierungsveranstaltungen unter Beteiligung Bremer Linksextremisten sowohl auf lokaler als auch auf überregionaler Ebene statt. In diesem Zusammenhang wurde in der Zeit vom 19. bis 21. Januar in Bremen das sechste bundesweite Anti-G8-Vorbereitungstreffen des überregionalen "Dissent!"-Netzwerkes durchgeführt. Im globalisierungskritischen Lager wird "Dissent!" als eine "Organisierung im linksradikalen, autonomen, emanzipatorischen und anarchistischen Spektrum" beschrieben. Durch Einbeziehung von Personen aus demokratischen Initiativen an den Veranstaltungen wird versucht, eine größere Vernetzung zu erreichen. Anlass der Veranstaltung war erneut die Vorbereitung der Proteste gegen den "G8-Gipfel". Etwa 150 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet Vermittlung grundlegender Ergebnisse aus der Forschung von Karl Marx zur Ökonomie, Soziologie und Philosophie an das nicht akademische Publikum, der Arbeiterschaft. - 46 - nahmen an den verschiedenen Plenen und Arbeitsgruppen teil. Bei 50 Personen handelte es sich um Bremer Aktivisten, die überwiegend dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen waren. Neben verschiedenen Themen beschäftigten sich die Teilnehmer schwerpunktmäßig u.a. mit organisatorischen Inhalten, geplanten Demonstrationen, Blockadekonzepten und der so genannten Camp-Thematik. Verschiedene Teilnehmer sollen im Hinblick auf eine für den 7. Juni geplante Demonstration ("Sternmarsch") geäußert haben, es müsse "dort richtig zur Sache gehen". Auch das Durchbrechen von Absperrungen sollte demnach in Kauf genommen werden. Ziel sei es, "(...) die RepräsentantInnen der herrschenden Verhältnisse dieser Welt an der Fortführung ihrer Politik zu hindern". Wie auch die "Gewaltfrage" wurden diverse Themenbereiche erneut kontrovers diskutiert, so dass eine Konsensfindung oft nicht abschließend möglich war. Auszügen aus einem Protokoll des "Dissent!"-Abschlussplenums zufolge "(...) ist Hauptergebnis des Treffens, dass sich viel mehr Menschen beteiligen müssen, da die auf uns zukommende Arbeit für die viel zu wenigen Menschen, die im Moment daran arbeiten, in der immer knapper werdenden Zeit nicht zu schaffen ist. An Infrastruktur steht bisher fast nichts.". Aus Bremen beteiligten sich am 2. Juni ca. 500 Personen an einer Demonstration in Rostock, davon ca. 100 Bremer autonome Linksextremisten. Insgesamt haben daran bis zu 30.000 Personen aus dem Inund Ausland, darunter ca. 2.000 Gewaltbereite, teilgenommen. Seitens der Autonomen kam es zu einer Fülle von massiven Stein-, Farbbeutelund Molotowcocktailwürfen gegen Polizeikräfte. Insgesamt wurden über 400 Polizeibeamte verletzt, 32 davon schwer. Im Laufe der "Aktionswoche" wurden 1.185 Personen in Gewahrsam bzw. vorläufig festgenommen, darunter 274 ausländische Demonstranten. Un- - 47 - ter den Festgenommenen befanden sich 25 Personen aus Bremen, die überwiegend der autonomen linksextremistischen Szene angehören. Die Proteste wurden von linksextremistischen Globalisierungsgegnern als Erfolg gewertet, obwohl die angestrebte Mobilisierung von ca. 100.000 Personen nicht erreicht werden konnte. In Bremen meldete das "Bremer Bündnis gegen G8" eine Kundgebung für den 6. Juni an. An der Kundgebung beteiligten sich rund 150 Personen, die sich anschließend zu einer spontanen Demonstration durch das "Steintorviertel" bewegten. Die Veranstaltung verlief friedlich. Auch am 23. Juni wurde eine Nachbereitungsdemonstration unter dem Motto "G 8 ist jeden Tag - Den Polizeistaatstendenzen entgegentreten" durchgeführt. Die ca. 80 Teilnehmenden demonstrierten friedlich gegen "gesteigerte" Polizeipräsenz. EU-Außenministerkonferenz In die Aktivitäten von Globalisierungsgegnern sind die Aktionen von Linksextremisten gegen die EU-Außenministerkonferenz in Bremen am 30./31. März einzuordnen. Sie begannen mit einem "Aktionstag" am 30. März und endeten mit einer Demonstration am 31. März. Dafür lagen zwei Anmeldungen von nicht extremistischen Organisationen für eine Mahnwache und einen Informationsstand vor. Es musste aufgrund von Hinweisen auf dem Flugblatt zur Demonstration am 31. März auch mit spontanen Aktivitäten von autonomen Linksextremisten gerechnet werden, die sich jedoch nicht bestätigten. Hinter dem Aufruf zur Demonstration stand ein auch von autonomen Linksextremisten initiiertes "Bremer Bündnis gegen die EUAußenministerkonferenz". Der Aufzug am 31. März mit 600 Teilnehmenden - darunter ca. 300 Linksextremisten - verlief friedlich. Veranstaltung zu SS 129a StGB - 48 - Der AStA der Universität Bremen führte zusammen mit der "Messstelle für Arbeitsund Umweltschutz (Maus) e.V." und der Stadtkommune "Alla Hopp" eine Veranstaltung zum Thema SS 129a StGB durch. Die Veranstaltung fand am 1. November in den Räumen der Universität Bremen statt. Es traten u.a. zwei Referenten auf, gegen die der Generalbundesanwalt ein Verfahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung nach SS 129a StGB anlässlich der "Militanten Kampagne zum Weltwirtschaftsgipfel der G8 2007 in Heiligendamm" eingeleitet hatte. An der Veranstaltung beteiligten sich rund 100 Personen, von denen ca. 50 dem autonomen linksextremistischen Spektrum zuzurechnen sind. Thematisiert wurden insbesondere die Durchsuchungen Anfang Mai von insgesamt 40 Objekten in sechs Bundesländern, darunter in Bremen Räume der Universität, von "Maus e.V." und der Stadtkommune "Alla Hopp". Die beiden Betroffenen schilderten aus ihrer Sicht die Umstände, unter denen sie ins Visier der Fahnder geraten waren. Der zweite Betroffene schilderte, er habe seit Jahren unter staatlichen Repressionen, Observationen und Abhöraktionen zu leiden. Auch er ließ die Aktionen gegen ihn im Mai noch einmal Revue passieren (Geruchsproben, Beschlagnahmungen usw.). In seinem abschließenden Plädoyer ließ er sich über Neoliberalismus und kapitalistische Globalisierung aus. Politische Antagonisten würden vom Staat unterdrückt und schikaniert. Die Bundeswehr nannte er eine Kriegsarmee und hieß es gut, diese zu bekämpfen. Transnationale Unternehmen seien für die Armut der Dritten Welt und den Hungertod vieler Millionen Kinder verantwortlich. Die Politiker des G8 seien die wirklichen Terroristen und Mörder. Sich gegen deren Pläne und Politik zu wehren und sie zu sabotieren, sei für ihn legitim. Anmerkung: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 20. Dezember 2007 gab es für die im Vorfeld des Weltwirtschaftsgipfels am 09. Mai 2007 durchgeführten Exekutivmaßnahmen keine Zuständigkeit des Bundes bzw. des Generalbundesanwaltes, weil, "soweit es den Verdacht der mitglied- - 49 - schaflichen Beteiligung in einer kriminellen Vereinigung anbelangt, fehle es an der für die Bundeszuständigkeit zusätzlich erforderlichen besonderen Bedeutung des Falles." Denn zur Verfolgung der in Rede stehenden Aktionen wären die Strafverfolgungsbehörden der Bundesländer zuständig gewesen. Antifaschismusarbeit Zu den aktuellen Aktionsfeldern der autonomen Linksextremisten in Bremen gehört weiterhin die "Antifaschismusarbeit", die sich vordergründig in Angriffen auf Personen der rechtsextremistischen Szene ausdrückt. Der "Antifaschismus" linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen geht jedoch in seiner Ausrichtung über ein moralisch-ethisches Antifaschismusverständnis des demokratischen gesellschaftlichen Spektrums hinaus. Er hat eine mobilisierende Funktion im eigenen Umfeld und dient als "Totschlagargument" der Diffamierung politischer Gegner jeglicher Herkunft. Selbst militante Aktionen werden mit "antifaschistischer Motivation" zu rechtfertigen versucht. Mit einer solchen Antifaschismusstrategie versuchen autonome Linksextremisten, ihre auf eine Systemüberwindung zielenden Absichten zu verschleiern. Ein Bestandteil der "Antifaschismusarbeit" ist das Beobachten und "Outen" der Aktivitäten von Rechtsextremisten im Land Bremen und im niedersächsischen Umland. Über eine eigens eingerichtete Internetseite werden die Beobachtungen der linksextremistischen "Aufklärungsarbeit" veröffentlicht: Eigenen Angaben zufolge soll diese Internetseite ein "antifaschistisches Webprojekt" für Bremen und das niedersächsische Umland sein. Hier werden Hinweise und Beiträge zu rechtsextremistischen Veranstaltungen sowie über Aktionen des autonomen Spektrums veröffentlicht. Auf dieser Internetseite werden u.a. Fotos von Personen veröffentlicht, die an rechtsextremistischen Demonstrationen und Aufmärschen teilgenommen haben. Auch mit so genannten Steckbriefaktionen - Flugblättern mit - 50 - Kurzdarstellungen zu Bremer Rechtsextremisten - wird aktives "Outing" betrieben. Eine neue Variante der linksextremistischen Antifaschismusarbeit ist die "Kampagne Ladenschluss", die sich gegen Geschäftsstrukturen der Bremer Neonazi-Szene richtet. Gegendemonstrationen Bremer Linksextremisten beteiligten sich auch an Gegendemonstrationen bzw. -aktionen zu regionalen und überregionalen rechtsextremistischen Veranstaltungen. Dabei stehen sie in reger Kooperation mit autonomen "Antifa"-Gruppen des niedersächsischen Umlandes. So wurde z.B. eine Kundgebung norddeutscher Rechtsextremisten am 10. Februar in Rotenburg/Wümme von ca. 400 Gegendemonstranten, darunter viele autonome Linksextremisten, gestört. Antirassismusarbeit Einen weiteren Teil der Aktivitäten der autonomen linksextremistischen Szene in Bremen bildet die so genannte Antirassismusarbeit. Bremer Linksextremisten beteiligten sich auch 2007 an regionalen und überregionalen Veranstaltungen der "Anti-Lager-Tour"4-Struktur. Anmerkung: Angehörige der "Anti-Lager-Bewegung" wie auch Gruppierungen aus anderen autonomen Themenzusammenhängen beteiligten sich vor dem Hintergrund des in Heiligendamm (MV) stattfindenden G8-Gipfels zunehmend an überregionaler "Anti-G8"-Mobilisierung. Themen, wie "Migration" bzw. "Flüchtlingsproblematik", sollten Schwerpunkte bei den Gipfelprotesten darstellen. Die geschwächte "Antirassismus"-Bewegung erhoffte sich - wie andere bündnisorientierte Gruppierungen - eine Bündelung der Kräfte. So wurde bei einem migrationsbezogenen Anti-G8-Vorbereitungstreffen der Vorschlag einer erneuten "Karawane/NoLager-Tour" erarbeitet. Diese 4 Die "Anti-Lager-Bewegung" hat die Nachfolge der vorangegangenen "Antirassistischen Grenzcamps" angetreten. Das zuletzt durchgeführte "Grenzcamp" wurde im Jahr 2003 nach Ausschreitungen autonomer Linksextremisten durch die Polizei aufgelöst. - 51 - bundesweite "Tour der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant/innen" wurde vom 19. Mai bis zum 4. Juni durchgeführt. Die "Tour" machte am 27. Mai einen Zwischenstopp mit einer Kundgebung auf dem Bremer Bahnhofsvorplatz. Das dänische Szeneobjekt "Ungdomshuset" Im Hinblick auf die Räumung des von Autonomen besetzten dänischen Szeneobjektes "Ungdomshuset" und den damit verbundenen Ausschreitungen am 1. März in Kopenhagen wurde aus Solidarität mit den dänischen Demonstranten in Deutschland zu Kundgebungen aufgerufen. Eine solche unangemeldete Solidaritätsdemonstration hat u.a. am 1. März auch in der Bremer Innenstadt stattgefunden. Die Teilnehmerzahl belief sich auf 80 bis 100 Personen, überwiegend aus dem autonomen Spektrum. Neben vereinzelten Flaschenwürfen verlief die unangemeldete Demonstration weitestgehend störungsfrei, obwohl eine aggressive Grundstimmung herrschte. Ebenfalls im Zusammenhang mit der Räumung des dänischen "Ungdomshuset" kam es am 24. März in Bremen erneut zu unangemeldeten demonstrativen Aktionen, diesmal im Bereich des dänischen Konsulats. Die Anzahl der Demonstranten belief sich auf ca. 70 überwiegend vermummte Personen des autonomen Spektrums. Aus der Gruppe der Teilnehmer heraus wurden verschiedene Sachbeschädigungen begangen, u.a. wurden Farbbeutel auf das Konsulatsgebäude geworfen. Es wurde ein Transparent mit der Aufschrift "Linke Zentren erkämpfen und verteidigen" mitgeführt. Nach Auflösung der Versammlung nahm die Polizei 69 Personen vorläufig fest. - 52 - 2. "DIE LINKE." / vormals "Die Linkspartei.PDS" Erstmalig 1946 in der sowjetisch besetzten Zone. Zwangszusammenleaufgetreten: gung von SPD und KPD zur SED, der späteren Staatspartei der DDR (1949-1990). Umbenennung im Februar 1990 zur "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Am 31. Juli 2005 Umbenennung in "Die Linkspartei.PDS". Am 17. Juni 2007 Vereinigung mit der WASG und Umbenennung in "DIE LINKE.". Mitglieder: Deutschland: ca. 71.000 (2006: 62.000 "Die Linkspartei") Land Bremen: ca. 400 (2006: 170 "Die Linkspartei") Organisation / Landesverband Bremen. Struktur: Medien: "Disput", monatlich; "stimmt!"; "Ein anderes Bremen ist nötig - Ein anderes Bremen ist möglich!", monatlich. Entwicklung Die in der ehemaligen DDR herrschende "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) hat sich nach dem Zusammenbruch ihres Unrechtsystems nicht aufgelöst. Sie beschloss zunächst auf ihrem Sonderparteitag am 16./17. Dezember 1989 die Umbenennung in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus" (SED - PDS). Der Parteivorstand änderte am 4. Februar 1990 den Parteinamen in "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Diese Namensänderung wurde vom 1. Parteitag der PDS am 24./25. Februar 1990 bestätigt. Obwohl sie sich programmatisch von den Prinzipien des MarxismusLeninismus losgesagt hat und diese Ideologie nicht mehr zur Staatsdoktrin erhebt, hat sie bei ihrer Gründung am 4. Februar 1990 in den neuen Ländern die bestehenden Strukturen, Logistik und den Mitgliederstamm sowie die Finanzmittel der ehemaligen SED behalten. Semantische Anleihen bei demokratischen Parteien und den Interessenvertretungen gesellschaftlicher Minderheiten rundeten diesen Anpassungskurs an die Realitäten im vereinten Deutschland ab. Im Dezember 1994 hat sich der Landesverband Bremen konstituiert. Das Parteiprogramm der PDS aus dem Jahre 1993 wurde nach einer breiten, durchaus kontroversen parteiinternen Diskussion am 25./26. Ok- - 53 - tober 2003 auf der Tagung des 8. Parteitages der PDS in Chemnitz (Sachsen) erneuert. In dem neuen Parteiprogramm richtete man sich nicht im Kapitalismus ein, sondern zielte auf dessen schrittweise Überwindung. Es wurde auch weiterhin das gesellschaftliche Endziel des Sozialismus angestrebt. Es hieß dort: "In der PDS wirken unterschiedliche, linke demokratische Kräfte zusammen. In ihr haben sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen und die die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden." Die PDS richtete ein Hauptaugenmerk auf die Beteiligung an Wahlen. Der Beschluss des PDS-Landesverbandes Bremen vom Dezember 2004: "In Bremen in die Politik einmischen - 2006 in den Bundestag einziehen" wurde durch die Aktivitäten zur Vereinigung von PDS und der nicht extremistischen WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative) überholt. Auf einem Landesparteitag der PDS am 31. Juli 2005 in Bremen wurden die Vorgaben der Bundespartei für Bremen sanktioniert. Das kurzfristige Ziel der Zusammenarbeit von PDS und WASG ist durch die für WASG-Mitglieder offene Liste und das Abschneiden bei den vorgezogenen Wahlen zum Deutschen Bundestag am 18. September 2005 (8,7 % auf Bundesebene, 8,4 % im Land Bremen) erreicht worden Am 16. Juni 2007 fand in Berlin der Gründungsparteitag der Partei "DIE LINKE." statt. Insgesamt 796 Delegierte der "Linkspartei.PDS" und der Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) stimmten dem Zusammenschluss beider Parteien bei nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen zu. Damit trat der so genannte Verschmelzungsvertrag in Kraft, wonach der Zusammenschluss beider Parteien nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes durch Übertragung des Vermögens der WASG als Ganzes auf - 54 - die "Linkspartei.PDS" vollzogen wurde. Der Zusammenschluss beider Parteien wurde nach dem seit 1995 geltenden Umwandlungsgesetz gestaltet. Deshalb haben sich die beiden Parteien Ende 2006 in rechtsfähige Vereine umgewandelt. Nach dem so genannten Beitrittsmodell ist die kleinere WASG der größeren "Linkspartei." beigetreten. Im Gegenzug gewährte die "Linkspartei.PDS" den ca. 11.000 WASGAngehörigen Mitgliedsrechte. "DIE LINKE." zählt nun rund 71.000 Mitglieder und ist damit bundesweit die drittgrößte Partei. Die Delegierten wählten einen aus 44 Personen bestehenden - paritätisch besetzten - Vorstand. Zu gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt wurden der bisherige Vorsitzende der "Linkspartei.PDS", Lothar BISKY, und der jetzige Vorsitzende der Bundestagsfraktion "DIE LINKE.", Oskar LAFONTAINE. Der Zusammenschluss beider Parteien wurde von Anfang an maßgeblich durch die "Linkspartei.PDS" bestimmt oder sogar dominiert. Bereits im Vorfeld hatten Funktionäre und Gliederungen der "Linkspartei.PDS" mehrfach bekräftigt, an den bisherigen Aussagen ihres Programms festzuhalten. "DIE LINKE." hat in erster Linie zentrale und elementare Wertvorstellungen und Positionen der "Linkspartei.PDS" übernommen. Auffallend ist auch eine weitgehende personelle Kontinuität in den Führungsgremien. Von den 22 Mitgliedern im Vorstand gehörten 19 bereits dem bisherigen - 20 Mitglieder umfassenden - Parteivorstand der "Linkspartei.PDS" an. Zudem waren ein Vorsitzender, zwei stellvertretende Vorsitzende, der Bundesgeschäftsführer und der Bundesschatzmeister bereits in der "Linkspartei.PDS" in diesen Funktionen tätig. Es wird weiterhin eine über die Grenzen der bestehenden Gesellschaft hinausweisende sozialistische Ordnung propagiert. Innerhalb der Partei "DIE LINKE." werden offen extremistische Strukturen geduldet und gefördert, darunter u.a. die bereits in der "Linkspartei.PDS" entstandenen Zusammenschlüsse "Kommunistische Plattform" (KPF) und "Marxistisches Forum" (MF). Zu beobachten ist in Bremen auch die Zusammenarbeit zwischen Organisationen, die der verbotenen "PKK" nahe stehen, mit der Partei "DIE LINKE.". - 55 - Von den rund 71.000 Mitgliedern der Partei "DIE LINKE." waren nach Aussage des Parteivorsitzenden BISKY 55.000 bereits Mitglieder der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED). Wahlergebnisse Bei der Wahl am 13. Mai zur Bremischen Bürgerschaft erreichte die Partei "DIE LINKE." folgendes Wahlergebnis: Bürgerschaftswahl 2007 Bürgerschaftswahl 2003 Land Bremen 8,44 % - 23.296 Stimmen 1,67 % - 4.885 Stimmen Stadt Bremen 8,73 % - 20.226 Stimmen 1,78 % - 4.386 Stimmen Bremerhaven 6,92 % - 3.070 Stimmen 1,08 % - 499 Stimmen Jugendorganisation umbenannt Die parteinahe Jugendorganisation "['solid] - die sozialistische Jugend" hat sich in "Linksjugend ['solid]" umbenannt. Sie versteht sich als ein sozialistischer, antifaschistischer, basisdemokratischer und feministischer Jugendverband. ['solid] steht für "sozialistisch, links, demokratisch". Laut Eigendarstellung: "(...) greift er in die gesellschaftlichen Verhältnisse ein und ist Plattform für antikapitalistische und selbstbestimmte Politik. Als Teil emanzipatorischer Bewegungen sucht der Jugendverband die Kooperation mit anderen BündnispartnerInnen. Der Jugendverband strebt eine enge Zusammenarbeit mit gleichgesinnten politischen Jugendstrukturen auf internationaler und insbesondere auf europäischer Ebene an. Politische Bildung, der Eintritt in eine politische und kulturelle Offensive von links und die politische Aktion stehen dabei im Mittelpunkt der Tätigkeit des Jugendverbandes. Als parteinaher Jugendverband ist die Linksjugend ['solid] die Jugendorganisation der Partei DIE LINKE und wirkt als Interessensvertretung linker Jugendlicher in die Partei.". Schwerpunkt der Arbeit der Jugendorganisation ist weiterhin der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Am 20. Januar 2007 führte die Jugendorganisation in Bremen eine Gegendemonstration zum Thema "Gemeinsam gegen Nazis" mit etwa 300 Personen, darunter ca. 100 Linksextremisten, durch. Die Veranstaltung richtete sich gegen eine Kundgebung eines - 56 - rechtsextremistischen "Bündnisses keine Gewalt" im Zusammenhang mit dem Tod des Jungen Kevin. - 57 - 3. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gegründet: 1968 Mitglieder: Deutschland: ca. 4.200 (unverändert, wie 2006) Land Bremen ca. 70 (unverändert, wie 2006) Organisation / Parteivorstand auf Bundesebene. In Bremen besteht die DKP Struktur: aus dem Bezirk Land Bremen. Der Bezirk wird von einem Landesvorstand geleitet. Medien: "Unsere Zeit" (UZ), wöchentlich, "Bremer Rundschau", unregelmäßig. Entwicklung Die orthodox-kommunistische DKP war von ihrer Gründung im Jahre 1968 an, de facto als Nachfolgeorganisation der 1952 verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD), das "Trojanische Pferd" der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) in der Bundesrepublik. Ausgestattet mit jährlich zweistelligen Millionenbeträgen aus der DDR war sie bis zur Wiedervereinigung ein durchaus potenter außerparlamentarischer Faktor, insbesondere durch Unterwanderung und Beeinflussung gesellschaftlicher Protestbewegungen, wie z.B. der Friedensund der AntiAtom-Bewegung. Bei ihren Teilnahmen an Wahlen blieb sie in der Bundesrepublik jedoch, abgesehen von Einzelergebnissen auf kommunaler Ebene, völlig bedeutungslos. Die DKP ist bei den Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai 2007 nicht angetreten. Mitgliederverlust Nach der Auflösung der DDR und infolge der ausbleibenden ideologischen - und vor allem finanziellen - Unterstützung begann ein rasanter Niedergang der DKP. Von ehemals etwa 50.000 Mitgliedern in der Bundesrepublik sind gegenwärtig höchstens 4.200 Mitglieder übrig geblieben. Nach wie vor werden DKP-Funktionäre in Bildungseinrichtungen der Partei außerhalb von Bremen geschult. Der DKP-Bezirk Land Bremen jedoch entwickelte mit seiner überalterten Mitgliederstruktur kaum mehr öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten. - 58 - 4. "Sozialistische Alternative" (SAV) Gegründet: 1994 Mitglieder: Deutschland: ca. 400 (unverändert, wie 2006) Land Bremen: ca. 20 (unverändert, wie 2006) Organisation / Trotzkistische Kernorganisation mit Sitz in Berlin. Die SAV verStruktur: fügt über eine Ortsgruppe in Bremen. Medien: Monatlich "Solidarität". Eigene Internetseite. Entwicklung Die trotzkistische "Sozialistische Alternative" (SAV) ist die deutsche Sektion des internationalen Dachverbandes "Komitee für eine Arbeiterinternationale" (KAI) mit Sitz in London. Sie will, laut "Solidarität" vom Juli 2006, über den Aufbau einer "revolutionär sozialistischen Masseninternationale" den Kapitalismus abschaffen und diesen durch eine "sozialistische Demokratie" ersetzen. Die SAV hat sich bundesweit in die Proteste gegen die "Hartz IV"-Reform und den "Sozialabbau" eingebracht. Sie versucht nach wie vor, über eine Beteiligung an gemeinsamen politischen Kampagnen Einfluss auf demokratische Organisationen zu gewinnen. So arbeitete sie in der nicht extremistischen WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahl-alternative) mit und beteiligte sich dort eigenen Angaben zufolge am Aufbau einer "Jugend-AG". Durch die Mitarbeit in der WASG versuchte sie, Zugang zur "Linkspartei." zu erlangen. Trotz aller Bemühungen ist es der SAV nicht gelungen, neue Mitglieder zu gewinnen. Eine Außenwirkung ging 2007 von ihr in Bremen kaum aus. - 59 - 5. "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU) Gegründet: 1977 als "Initiative Freie Arbeiter Union" (I-FAU) in Köln. Mitglieder: Deutschland: ca. 250 (2006: 300) Land Bremen: ca. 15 (2006: 10) Organisation / Deutschlandweite Ortsgruppen. "Lokalföderation Bremen" unStruktur: terteilt in Syndikate (Gewerkschaften). Medien: "Direkte Aktion" (Bund), zweimonatlich. "Bremer Aktion" (erscheint unregelmäßig). Eigene Internetseite. Entwicklung Die FAU bezeichnet sich als "anarcho-syndikalistische Gewerkschaft" und Teil der "Internationalen ArbeiterInnen Assoziation" (IAA). In den Bereichen Bildung, Lebensmittel und Landwirtschaft, Informationstechnologie, Kultur, Tiermedizin und Gesundheit gibt es lokale Branchensyndikate und/oder überregionale Branchenföderationen. Beschäftigte aus den übrigen Branchen schließen sich derzeit in Allgemeinen Syndikaten bzw. Vereinigungen aller Berufe/Branchen zusammen. Das Wort "Syndikat" kommt aus dem Französischen und heißt "Gewerkschaft". Die FAU beschreibt "Anarchosyndikalismus" wie folgt: "Wir Anarcho-SyndikalistInnen lehnen die Organisation unserer Interessen in zentralistisch aufgebauten Parteien und Organisationen ab. Gegen Stellvertreterpolitik und Parlamentarismus setzen wir die Selbstorganisation der Arbeitenden und Erwerbslosen in autonomen, unabhängigen Gruppen und Syndikaten (Gewerkschaften), die miteinander auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene zusammen-geschlossen sind. Zur Durchsetzung unserer Ziele und Forderungen dienen uns die Mittel der 'direkten Aktion' (z.B. Besetzungen, Boykotts, Streiks usw.). Wir lehnen im Gegensatz dazu 'indirekte' Maßnahmen wie die parlamentarische Betätigung ab. Das Ziel des Anarcho-Syndikalismus ist die herrschaftsfreie, auf Selbstorganisation aufgebaute und auf Selbstverwaltung gegründete Gesellschaft.". Veranstaltungen Die Ortsgruppe der sich als "basisdemokratische Gewerkschaftsinitiative" beschreibenden FAU verfügt in Bremen über eigene Räumlichkeiten, wie das "Working Class Cafe", Buchtstr. 14/15. Im "Lagerhaus" in der Schildstraße führte die FAU einige kleinere Informationsveranstaltungen durch. - 60 - Auch in Bremerhaven wurde eine Kontaktstelle eingerichtet. 2007 thematisierte die FAU Bremen die Situation der Erwerbstätigen in Deutschland. Darüber hinaus wurde in Bremen der "ChefduzenStammtisch der Ausgebeuteten" wieder eingerichtet. In einer im August im Internet veröffentlichten Einladung hieß es dazu: "Alle die sich mit anderen über die Situation mit Ämtern, auf Arbeit oder in 'Maßnahmen' austauschen wollen sind herzlich dazu eingeladen. - 61 - 6. "Rote Hilfe e.V." (RH) Gegründet: 1975 Mitglieder: Deutschland: ca. 4.300 (unverändert, wie 2006) Land Bremen: ca. 130 (2006: ca. 100) Organisation/ Bundesweite Organisation mit einer Ortsgruppe in Bremen. Struktur: Medien: "Die Rote Hilfe" (vierteljährlich), eigene Internetseite. Entwicklung Die "Rote Hilfe e.V." (RH) ist eine Organisation, die in ca. 40 Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet agiert. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Geld für die Unterstützung inhaftierter "Genossen" sowie für Prozesskostenhilfe zu sammeln. Ihrer Satzung (SS 2) entsprechend organisiert die RH: "(...) nach ihren Möglichkeiten die Solidarität für alle, unabhängig von Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist z.B. das Eintreten für die Ziele der ArbeiterInnenbewegung, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische oder gewerkschaftliche Kampf und der Kampf gegen die Kriegsgefahr." Werbung neuer Mitglieder Die RH Ortsgruppe Bremen engagierte sich 2007 schwerpunktmäßig in der "Antirepressionsarbeit" und im Kampf gegen den "G8-Gipfel" bzw. "G8-Repressionen". Im Zusammenhang mit dem "G8-Gipfel" ist es ihr gelungen, eine Reihe von Neumitgliedern für sich zu gewinnen. - 62 - 7. "GegenStandpunkt" / vormals "Marxistische Gruppe" (MG) Gegründet: Anfang der 70er Jahre. Bis 1991 als "Marxistische Gruppe". Danach "GegenStandpunkt" (Bremen). Mitglieder: Deutschland: ca. 10.000 (unverändert, wie 2006) Land Bremen: ca. 250 (unverändert, wie 2006) Organisation / Konspirativ tätige, sektenartige Organisation mit Sitz in MünStruktur: chen und Gruppierungen in mehr als 20 Städten, u.a. in Bremen mit der Bezeichnung "GegenStandpunkt". Medien: "GegenStandpunkt" (vierteljährlich), "GegenStandpunkt" (Bremen), eigene Internetseite. Entwicklung 1991 löste sich die in Bremen ca. 500 Personen starke "Marxistische Gruppe" (MG) offiziell auf. Personell existiert die MG jedoch bundesweit unter verschiedenen Bezeichnungen weiter. Die Gruppe "GegenStandpunkt" Bremen setzt sich überwiegend aus Akademikern zusammen. Es handelt sich um einen weitgehend geschlossenen Personenkreis, dessen polemische Exegese der kapitalistischen Wirtschaftsordnung pseudomarxistische Ansätze in den Vordergrund rückt. Der parlamentarische, demokratische Rechtsstaat wird auf den "GegenStandpunkt"Veranstaltungen in destruktiver Weise kritisiert. Sie befasste sich 2007 mit folgenden Themen: "Familienpolitik heute - Wie der Staat den Kinderwunsch fruchtbar machen will" "Streit um das amerikanische Raketenabwehrsystem" "Die Lokführer führen einen Lohnkampf: Dürfen die das?" "Kreditkrise und Menschenrechte" "US-Hypothekenkrise" Die Vierteljahreszeitschrift "GegenStandpunkt" bemüht sich um Erklärungen, die den Beweis erbringen sollen, dass die wirklichen Verhältnisse in der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft anders verlaufen als die "amtierenden Fachleute von Wirtschaft, Politik, Moral & Weltanschauung" das dem Wahlvolk vermitteln wollen. - 63 - Im Bremer "Bürgerhaus Weserterrassen" werden fast monatlich Diskussionsveranstaltungen ("jour fixe") vor 150 bis 250 Personen durchgeführt. Die Gruppe "GegenStandpunkt" verfügt über eine eigene Internetseite. - 64 - 8. "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Gegründet: 1973 Mitglieder: Deutschland: ca. 130 (unverändert, wie 2006) Land Bremen: ca. 10 (unverändert, wie 2006) Organisation / Bundesweite Ortsgruppen. Sitz in München. Struktur: Medien: Eigene Internetseite. Entwicklung Der "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) mit Sitz in München verfügt in verschiedenen Bundesländern über einzelne Ortsgruppen. Bundesweit wird die Mitgliederzahl des Arbeiterbundes auf ca. 130 Personen geschätzt. Der Ortsgruppe Bremen können ca. 10 Mitglieder zugerechnet werden. Der AB ist eine kommunistische Organisation, hervorgegangen 1973 aus "Arbeiter-Basisgruppen" in München. Der AB orientierte sich zunächst an der maoistischen5 Lesart des Marxismus-Leninismus und betrachtete die Volksrepublik China als Zentrum des Sozialismus, die Sowjetunion als "sozialimperialistisch", die DKP als "sozialdemokratisch". Veranstaltungen Am 3. November hatte ein "Jugendausschuss Notstand der Republik", dem Organisationen der Gewerkschaftsjugend und Verbände aus dem linksextremistischem Spektrum angehören, zu Demonstrationen aufgerufen. Unter dem Motto "Jugend gegen den Notstand der Republik" fand eine Kundgebung in Bremen statt. Gleichzeitig wurden weitere Veranstaltungen unter dem gleichen Motto in Erfurt und Regensburg durchgeführt. 5 Maoismus, die politische Lehre des langjährigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas und Gründer der Volksrepublik China, Mao ZEDONG (1893-1976). Der Begriff Maoismus wurde nie eindeutig definiert und nie von denjenigen benutzt, die in China oder anderswo eine maoistische Politik praktizierten; sie bevorzugten die Ausdrucksweise: "die Gedanken von Mao Zedong" und beschrieben den Maoismus als eine Anpassung des Marxismus-Leninismus an chinesische Verhältnisse. - 65 - Die AB-Ortsgruppen Bremen und Hamburg haben sich neben antifaschistischen und gewerkschaftlichen Gruppierungen an der Demonstration in der Bremer Innenstadt beteiligt. Daran nahmen ca. 120 Personen teil. Die Anmeldenden gingen von ca. 500 Personen aus. Die Demonstration verlief friedlich. Ein Einfluss des AB auf andere linksextremistische Strömungen in Bremen ist weiterhin nicht erkennbar. - 66 - 9. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gegründet: 1982 Mitglieder: Deutschland: ca. 2.300 (unverändert, wie 2006) Land Bremen: ca. 15 (unverändert, wie 2006) Organisation / Bundesweite Ortsgruppen. Sitz in Gelsenkirchen. Struktur: Medien: Zentralorgan "Rote Fahne". Eigene Internetseite. Entwicklung Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) mit ihren ca. 2.000 Mitgliedern wird bundesweit von einem Zentralkomitee mit Sitz in Gelsenkirchen geführt. Die Bremer Ortsgruppe umfasst ca. 15 Mitglieder. Das Ziel der 1982 gegründeten Partei ist der "revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals". Maoistische Ausrichtung Die maoistisch-stalinistisch geprägte MLPD gehört zu den wenigen linksextremistischen Organisationen, die sich offen zu ihrer verfassungsfeindlichen Ausrichtung bekennen und unverändert die revolutionäre Überwindung der parlamentarischen Demokratie anstreben. Letztendlich sollen nach der Ideologie der MLPD mit dem "bewaffneten Aufstand" der Arbeiterklasse unter Führung der Partei der "Sturz des Imperialismus" und die "Zerschlagung des Staatsapparats" erreicht werden. Öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten gingen von der MLPD 2007 in Bremen nicht aus. An der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai beteiligte sie sich nicht. - 67 - 10. Bewertung der aktuellen Situation des Linksextremismus in Bremen Die Partei "DIE LINKE." hat sich nach dem Zusammenschluss mit der WASG im Juni zu einer wählbaren Alternative entwickelt. Das zeigen auch die Wahlergebnisse, die sie anlässlich der Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai 2007 erlangt hat. Sie errang sieben Sitze. Die übrigen linksextremistischen Gruppierungen haben sich überwiegend an Protestkundgebungen demokratischer Organisationen, insbesondere gegen den "G8-Gipfel" in Heiligendamm und gegen rechtsextremistische Aufmärsche, beteiligt. Für die linksextremistisch ausgerichtete autonome Szene Bremens hatten die Proteste gegen den "G8-Gipfel" Priorität. Daneben stand die "Antifaschismusarbeit" weiterhin im Fokus dieses Spektrums. Während im Raum Hamburg Anschläge mit G8-Hintergrund verübt wurden, sind in Bremen Ansätze für linksextremistisch motivierte terroristische Aktivitäten derzeit nicht feststellbar. Die Zahl der Straftaten mit linksextremistischer Motivation nahm leicht zu (siehe Anhang). Der Schwerpunkt der Straftaten lag dabei in den Deliktsbereichen Sachbeschädigung und Körperverletzung. - 68 - IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Im Land Bremen (Gesamtbevölkerung ca. 663.000) betätigen sich rund 1.900 der insgesamt 84.000 ausländischen Staatsangehörigen in unterschiedlichen extremistischen Zusammenhängen. Ausländische Staatsbürger oder ausländische Organisationen werden vom Verfassungsschutz nur dann beobachtet, wenn ihre Ausrichtung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar ist oder wenn sie Bestrebungen verfolgen, die darauf gerichtet sind, durch Gewalt die politischen Verhältnisse in den jeweiligen Herkunftsländern zu verändern. Die verfassungsfeindliche Orientierung dieser Gruppierungen basiert sowohl auf linksextremistischen als auch auf nationalistischen und religiös überhöhten Ideologien. Islamistische Bestrebungen gehören zu den Beobachtungsschwerpunkten der Verfassungsschutzbehörden. Der Islamismus ist eine politische Bewegung, die von einer Minderheit der Muslime unterstützt wird. Sie gibt sich als "wahrer Islam" aus und will diesen als verbindliche Richtschnur für Staat und Gesellschaft - ohne Rücksicht auf Andersgläubige - verwirklichen. Der Islam hingegen ist eine monotheistische Religion (der Glaube an einen Gott), die eng mit dem Judentum und dem Christentum verwandt ist. Islamisten fordern unter Berufung auf die "Scharia" die Wiederherstellung einer so genannten islamischen Ordnung. In dieser "Ordnung" sollen alle Lebensbereiche so gestaltet sein, wie es nach ihrer Auslegung von Gott verbindlich vorgegeben ist - unabhängig von den Regeln eines demokratischen Rechtsstaates. Unter "Scharia" versteht man sowohl das islamische Recht als auch die Lehren vom Gottesbegriff und den religiösen Handlungen. Die "Scharia" - 69 - speist sich aus verschiedenen Quellen: Koran (heilige Schrift des Islam) und Sunna (Lebensweise des Propheten Mohammed). Zur herausragenden Bedrohung für die internationale Staatengemeinschaft hat sich der islamistische Terrorismus entwickelt. Seit dem 11. September 2001 ist das Bedrohungspotenzial durch den islamistischen Terrorismus um ein Vielfaches gestiegen. Die von Usama Bin LADEN6 Mitte der 80er Jahre gegründete "al Qaida" (die Basis) hat sich zum bekanntesten und auch gefährlichsten islamistisch-terroristischen Phänomen entwickelt. Der "Jihad" als bewaffneter Kampf gegen den Westen verbreitete sich weit über die Grenzen von Krisengebieten mit muslimischer Bevölkerung und wurde zur weltweiten Bedrohung. Der "Jihad" ist ein Begriff aus dem Koran und bedeutet an sich die Anstrengung eines Muslims auf dem Weg zu Gott. Traditionell wird zwischen "großem" und "kleinem" Jihad unterschieden: Der "große" Jihad meint die individuelle Bemühung des Gläubigen um ein gottgefälliges Leben in einem friedlichen Sinne. Der "kleine" Jihad ist der bewaffnete Kampf zur Verteidigung des Glaubens. Islamistische Terroristen missbrauchen den Begriff "Jihad" zur Rechtfertigung ihres "Kampfes". Sie behaupten pauschal, dass "der Westen" den Islam vernichten wolle. Besonders die westlichen Staaten und ihre Bürger sehen sich dadurch einer unmittelbaren, globalen terroristischen Bedrohung ausgesetzt. Durch diesen weltweiten Kampf der "al Qaida" gegen die "Ungläubigen" kamen auch deutsche Zivilisten und Soldaten, die u.a. in Afghanistan Aufbauarbeit leisten, zu Tode. Der Ausländerextremismus unterteilt sich in Organisationen mit religiöser (1. bis 6.) und ohne religiöse (7. bis 10.) Motivation, von denen 2007 u.a. folgende beobachtet wurden: - 70 - 1. "Islamische Gemeinschaft Milli Görü e.V." (IGMG) Gegründet: 1985 als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) gegründet. 1995 umorganisiert und umbenannt in IGMG. Mitglieder/ Deutschland: ca. 27.000 (2006: 26.500) Anhänger: Land Bremen: ca. 1.200 (unverändert, wie 2006) Organisation / Die Europazentrale befindet sich in Kerpen (NRW). Die FaStruktur: tih-Moschee ist Zentrum der IGMG in Bremen mit überregionaler Bedeutung und eine der größten Norddeutschlands. Ideologisch eng verbunden ist die IGMG mit der türkischen "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi, SP). Medien: "IGMG Perspektive". Als Plattform dient auch die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung). Eigene Internetseite. Entwicklung Die IGMG trat bis 1995 unter dem Namen "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) auf. 1995 teilte sich die Organisation in zwei unabhängige juristische Personen. Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) übernahm die kulturellen, sozialen und religiösen Aufgaben der AMGT, während die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) für die Verwaltung des Immobilienbesitzes der ehemaligen AMGT zuständig wurde. Unter den islamistischen Organisationen in Deutschland nimmt die IGMG nicht nur wegen ihrer Mitgliederzahl, sondern auch wegen der zahlreichen, auch in anderen europäischen Ländern verbreiteten Einrichtungen eine besondere Stellung ein. Die IGMG gilt sowohl im Bundesgebiet als auch in Bremen als größte extremistische Ausländerorganisation. ERBAKANs Führungsanspruch Die IGMG sieht sich als Gesprächspartner für Vertreter aus Politik und Gesellschaft und setzt der Eigendarstellung zufolge ihre "gewissenhaft 6 Der in Saudi-Arabien geborene Usama Bin LADEN kämpfte gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans und gilt heute als weltweit meistgesuchter Terrorist, insbesondere wegen der ihm zugeschriebenen Anschläge am 11. September 2001. - 71 - formulierte Integrationspolitik" vor Ort um. Doch ihr Auftreten nach außen steht im Widerspruch zur weiterhin engen Verbindung zu Prof. Dr. Necmettin ERBAKAN und dessen Ideologie. Diese hat er in der programmatischen Schrift "Gerechte Ordnung" (Adil Düzen) niedergelegt. Hieraus, wie auch aus anderen Äußerungen ERBAKANs geht hervor, dass die derzeitig herrschende politische Ordnung nichtig sei und durch eine auf dem Islam fußende Ordnung, die er als "Gerechte Ordnung" bezeichnet, ersetzt werden müsse. Seine Vorstellung stellt ein auf islamischer Grundlage basierendes, umfassendes soziales, ökonomisches und politisches Regelungssystem dar, das die westliche Zivilisation, ihren Wertekanon und ihr Demokratieverständnis ablehnt. ERBAKAN ist geistiger Vater und Führer der "Milli Görüs"-Bewegung. Insbesondere die traditionalistischen Anhänger unter den IGMG-Anhängern sehen nach wie vor in ihm die eigentliche Führungspersönlichkeit. Neben führenden Abgeordneten der türkischen "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi / SP) trat ERBAKAN immer wieder als Gastredner bei Veranstaltungen der IGMG auf oder wurde per Telefon zugeschaltet. So z.B. anlässlich des "Studententages" am 31. März 2007 in Hagen. Durch die Video-Zuschaltungen von ERBAKAN bei IGMGGroßveranstaltungen wird die enge Verbundenheit zwischen IGMG und der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei offensichtlich. Nach wie vor hat die SP in der Türkei großen Einfluss auf die Besetzung wichtiger Führungsfunktionen innerhalb der IGMG in Deutschland. Auf einer Veranstaltung des Istanbuler Jugendverbandes der SP unter dem Motto "Milli Görüs trifft die Jugend" im Jahre 2006 wurde ERBAKAN ebenfalls per Telefon zugeschaltet und machte seine Grundposition sehr deutlich: "Die Jugend ist der Motor unserer Mission. In der heutigen Welt, die den rassistischen Imperialisten in die Hände gefallen ist, hat die Menschheit nur Blut, Tränen und Kriege erlebt. Nur die "Milli Görü"-Jugend kann die Menschheit von diesen Kindermördern befreien." - 72 - "Milli Gazete" - Plattform der "Milli Görüs" Die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung), formal von der IGMG unabhängig, dient u.a. der IGMG und der SP als Plattform. In ihr werden Verschwörungstheorien verbreitet, die u.a. Israel, die USA und die Türkei betreffen. Berichterstattung mit "Milli-Görüs"-Bezug genießt Priorität; auf Veranstaltungen der IGMG wird regelmäßig hingewiesen. Nach wie vor wird bei Veranstaltungen für ein Zeitungsabonnement geworben. Der Kolumnist Mehmet Sevket EYGI schrieb in der Ausgabe vom 22. August 2007: "In einem Land, in dem es keine qualifizierte und starke Opposition gibt, kann Demokratie nicht richtig funktionieren. Ich kritisiere die Islamisten nicht, aber die qualifizierten Muslime in einem solchen Land sollten in ausreichender Zahl in der Opposition sitzen. (...) Die Muslime in einem solchen Land müssten als gute, qualifizierte und repräsentative Inspektoren auftreten (...) Wenn sie so handeln, werden selbst die Ungläubigen nach einer Zeit wollen, dass die Muslime die Macht dieses Landes übernehmen." In seiner bereits am 18. Dezember 2006 erschienenen Kolumne schrieb EYGI unter anderem: "Die Bücher, die gelesen werden sollen, müssen dem Koran, der Sunna, dem Konsens der Umma entsprechen. Vom islamischen Standpunkt werden Bücher in zwei Kategorien eingeteilt: 1. Göttliche Bücher (...) 2. Teuflische Bücher. Kaufen Sie nicht irrtümlich teuflische Bücher, und lassen Sie sich nicht von diesen täuschen! Die Titel, Einbände, Aufmachungen mancher Bücher sind anziehend und täuschend, aber der Inhalt kann schädliche, verderbliche Informationen, Gedanken und Meinungen enthalten. Gift wird nicht in Bechern aus Blech gereicht. (...). Seien wir vorsichtig und wachsam!" Strukturen Europaweit verfügt die IGMG über weit gestreute Einrichtungen. Es gibt jeweils 15 europäische und 15 deutsche Regionalverbände. In der Bundesrepublik und in Europa existieren mehr als 500 Moschee-Gemeinden. Im Land Bremen sind 7 Moscheen der IGMG zuzurechnen. - 73 - Mit ca. 1.200 Mitgliedern stellt die nicht gewaltgeneigte IGMG in Bremen die mitgliederstärkste extremistische Organisation unter den mehr als 30.000 hier lebenden Muslimen dar. In den Bremer Moscheen bietet die IGMG den Muslimen Beistand und Betreuung auf religiösem, kulturellem und sozialem Gebiet an. Durch ein fast alle gesellschaftlichen Lebensbereiche abdeckendes Vereinsgeflecht gelingt es der IGMG, einen Teil der hier lebenden türkischen Muslime an sich zu binden. Ein Schwerpunkt der IGMG bleibt nach wie vor die islamische Erziehungsund Bildungsarbeit. Insbesondere der Jugendorganisation der IGMG als Nachwuchsbasis wird ein besonderer Stellenwert beigemessen. So liegt einer Eigendarstellung der IGMG zufolge das besondere Augenmerk auf Vermittlung von religiösen Werten an die Jugendlichen. Die Jugendlichen sollen bei der Schaffung einer Basis für ein bewusstes und von Wissen getragenes, gottgefälliges Leben begleitet und dabei unterstützt werden. Die Organisation versucht so, junge Muslime über ein breites Freizeitangebot zu werben und an sich zu binden. So werden in Sommerschulen und Ferienkursen Fächer, wie Benimmregeln, Sittenlehre, Koranrezitation und Türkisch, gelehrt sowie Wissenswettbewerbe durchgeführt. Kindern und Jugendlichen wird darüber hinaus Nachhilfeunterricht erteilt. Die Betroffenen sollen dadurch vor dem Einfluss der aus der Sicht der IGMG von Moralund Sittenverfall geprägten westlichen Gesellschaft geschützt und eine am islamischen Glauben ausgerichtete Lebensweise soll bewahrt werden. Die IGMG verfolgt in dieser Hinsicht ein wesentliches, allen islamistischen Kräften gemeinsames Ziel: die Stärkung des Gefühls, Teil der einzigartigen Gemeinschaft aller Muslime zu sein und sich damit gleichzeitig von der "westlichen Welt" abzugrenzen. - 74 - Durch die intensive organisatorische Anbindung, insbesondere der Jugendlichen, und der Schaffung einer eigenen Infrastruktur in fast allen Bereichen des täglichen Lebens, schafft die IGMG alle Voraussetzungen für den Aufbau einer Parallelgesellschaft. Kopftuchproblematik Neben den aktuellen Zielen der IGMG, wie der Anerkennung als Religionsgemeinschaft sowie der Durchsetzung eines von der Organisation beeinflussten islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen, wird nach wie vor das Tragen des Kopftuches in öffentlichen Einrichtungen thematisiert. Nicht nur die Zentrale in Kerpen greift auf ihrer Internetseite regelmäßig das Thema auf, sondern auch auf Gebietsebene versuchen IGMG-Funktionäre, in Gesprächskreisen mit Politik und Gesellschaft auf die Kopftuchproblematik aufmerksam zu machen. So kritisieren Islamrat und die IGMG den Ende 2006 erfolgten Appell deutsch-türkischer Politiker an muslimische Frauen in Deutschland, ihr Kopftuch abzulegen. Dies sei "ein Versuch der Bevormundung der muslimischen Frauen". Der Islam könne nicht über Assimilation integriert werden. Integration bedeute vielmehr, dass man auch die Identität bewahren darf und soll, so der Vorsitzende des Islamrates, Ali KIZILKAYA. In einem Artikel der "Milli Gazete" vom 21. November 2006 äußerte sich der Vorsitzende der Bildungs-Abteilung der IGMG, Mehmet GEDIK, über die Vergabe von Stipendien an Türkinnen, die aufgrund ihres Kopftuches in der Türkei nicht studieren dürfen. Dieser Fonds sei gegründet worden, um den "kopftuchgeschädigten Studentinnen ein Studium im Ausland zu ermöglichen". Dem Bericht zufolge haben von 1996 bis heute 1.200 Studentinnen ein Stipendium erhalten. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen hat entschieden7, dass das Bremer Landesinstitut für Schule (LIS) eine Muslimin, die sich weigert, im Unterricht ihr Kopftuch abzulegen, nicht in den Vorbereitungsdienst im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses aufnehmen muss. Das OVG blieb damit bei seinem schon im vorausgegangenen Eilverfahren vertretenen Standpunkt, dass die Vorschriften des bremischen - 75 - Schulgesetzes verfassungskonform seien. Hiernach seien Lehrer insbesondere im Hinblick auf Vorgaben der bremischen Landesverfassung verpflichtet, in der Schule auch hinsichtlich ihres äußeren Erscheinungsbildes auf die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen aller Schüler sowie ihrer Erziehungsberechtigen Rücksicht zu nehmen. Parlamentswahlen in der Türkei Am 22. Juli fanden in der Türkei vorgezogene Parlamentswahlen statt. Die Regierungspartei AKP (Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei) konnte mit einem Stimmenanteil von 46,58 % ihr Wahlergebnis von 2002 um 12,38 Prozentpunkte verbessern. Der Stimmenanteil der SP fiel im Vergleich zu den vorausgegangenen Wahlen um weitere 0,15 Prozentpunkte auf 2,34 %. Unter dem Titel "Wahlfieber" kritisierte der Generalsekretär der IGMG, Oguz ÜCÜNCÜ, am 7. April auf der Internetseite der IGMG bereits im Vorfeld der Wahlen die Regierungsarbeit des türkischen Ministerpräsidenten ERDOGAN. Die türkische Regierung habe sich in Sachen Gleichgültigkeit und Ignoranz gegenüber 4,5 Millionen im Ausland lebenden Mitbürgern nahtlos in die Tradition der Vorgängerregierungen eingereiht und die Interessen der Auslandstürken nicht gebührend vertreten. Vor den Wahlen sagte der stellvertretende Generalsekretär der SP, Mete GÜNDOGAN, in einem Fernsehinterview in der Türkei, "nur die SP und die "Milli Görüs" könne Licht in die Dunkelheit der Türkei bringen". Er äußerte sich weiterhin: "Seien Sie sich dessen bewusst, egal, wo wir hingehen, umarmt uns das Volk. Wir werden aus den bevorstehenden Wahlen als Sieger hervorgehen. Andernfalls erwarten die Türkei dunkle Tage."8 Unter dem Titel "Wir werden die Saadet-Fahne ganz nach oben ziehen" berichtete die "Milli Gazete" vom 16. April 2007 über eine monatlich abgehaltene Provinzratssitzung der SP in Istanbul. Neben dem Istanbuler Par- 7 Vgl. Pressemitteilung vom 22. Februar 2007 OVG Bremen. 8 "Milli Gazete" vom 05. Februar 2007. - 76 - teivorsitzenden, Osman YUMAKOGULLARI, nahmen auch IGMGFunktionäre daran teil. Hasan DAMAR, Mitglied des IGMG-Exekutivrates, erklärte in seiner Rede, man werde im Rahmen der Wahlvorbereitungen mit tausend Fahrzeugen und tausend Predigern aktiv sein, denn es handele sich bei dieser Mission um eine heilige Reise. Aber auch Reaktionen auf die Wahlen mit der einhergehenden unveränderten ideologischen Verbundenheit zur SP spiegeln sich in der "Milli Gazete" wider. Einem Artikel vom 26. November 2007 zufolge, fand in Istanbul eine erweiterte Vorstandssitzung der SP unter reger Teilnahme statt. Necmettin ERBAKAN nahm als Ehrengast an dem Programm teil. Der Vorsitzende der SP, Recai KUTAN, hielt eine Rede und betonte, dass die Türkei eine sehr schwere Zeit zu überstehen hätte, dass westlich gelenkte Kreise für die schlechte Lage der Türkei verantwortlich seien und nur die "Milli Görüs" die Türkei aus der Misere befreien könne. In der Eröffnungsrede einer in Ankara einberufenen Sitzung betonte KUTAN, dass es wichtig sei, die Wahlergebnisse richtig zu bewerten. Die Bevölkerung suche im Grunde nicht nach der kollaborierenden AKP sondern nach der SP, der Vertreterin der "Milli Görüs". Die SP sei der einzige Garant für die Glückseligkeit. Ihre Mission sei göttlich und in Zukunft gelte es, noch disziplinierter für die Erreichung ihrer Ziele zu arbeiten.9 Studenten-Treffen Der Vorstand der Studenten-Abteilung des IGMG-Jugendverbandes veranstaltete am 31. März 2007 in Hagen einen "Tag der Studenten", an dem rund 1.600 Studenten aus ganz Deutschland teilnahmen. Bei der unter dem Motto "Die Zukunft in der Tradition" betriebenen Veranstaltung wurde Necmettin ERBAKAN per Video live zugeschaltet. Er forderte die Jugendlichen in seiner Botschaft auf, mit solidem Glauben auf innere und äußere Sauberkeit zu achten, ihre religiösen Verpflichtungen nicht zu vernachlässigen und als moralisch handelnde Menschen zu lernen, ihre Gelüste zu bezähmen. Die Mobilisierung für diese Veranstaltung - 77 - erfolgte über eine eigens für den "Tag der Studenten" eingerichtete türkischsprachige Internetseite. Mesut GÜLBAHAR, der Vorsitzende der IGMG-Jugendabteilung sprach in einem Interview mit der Islamischen Zeitung (IZ) über den Hagener Studententag: "(...) Wir haben sicherlich generell mehr Jugendliche als früher, und wir wissen, dass mehr als die Hälfte unserer Funktionäre Akademiker oder Studentinnen und Studenten sind, die in unseren Regionalund Ortsverbänden aktiv sind. Das zeigt, dass die Zahl peu a peu steigt."10 Die Abteilung für Bildung und Erziehung des IGMG-Gebiets Bremen organisierte im April ein Seminar für Führungskräfte, an dem Mitglieder aus allen Gemeinden teilgenommen haben. Zahlreiche Gastredner nahmen an dem Programm teil. Darunter Referenten aus Deutschland und der Türkei - u.a. der stellvertretende Vorsitzende der Bremer IGMG, Ahmet ÖZDEN, sowie der IGMG-Generalvorsitzende Yavuz Celik KARAHAN, der sich anlässlich des Seminars wie folgt äußerte: "(...) diejenigen, die kein Ziel haben, können auch keinen Ehrgeiz entwickeln, unser Ziel ist es, Allahs Gnade zu gewinnen." Große Saalveranstaltung Am 8. April feierten etwa 5.000 Muslime in der Bremer Stadthalle die "Woche der Heiligen Geburt" des Propheten Mohammed. Dazu eingeladen hatte u.a. die IGMG, damit "(...) dem falschen oder fehlerhaften Wissen über den Islam, das in den letzten Jahren insbesondere in der westlichen Welt eine ansteigende Tendenz zeigt, entgegengewirkt" werde (Presseerklärung). Die Teilnehmer kamen aus Bremen und dem niedersächsischen Umland. Die Teilnehmerzahl zeigt, dass die IGMG über ein hohes Mobilisierungspotenzial verfügt. "Tag der offenen Moschee" 9 "Milli Gazete" vom 30. Juli 2007. 10 Islamische Zeitung vom 04. April 2007. - 78 - Die nach außen hin demonstrierten demokratischen Verhaltensweisen, wie Integrationsbereitschaft und Offenheit, werden insbesondere an der jährlichen Teilnahme am "Tag der offenen Moschee" - jeweils zum 3. Oktober - deutlich. Zum ersten Mal luden in diesem Jahr die vier größten islamischen Dachverbände gemeinsam unter dem Motto "Moscheen - Brücken für eine gemeinsame Zukunft" Gäste in ihre Gebetshäuser ein. Bundesweit beteiligten sich rund 2.000 Moscheen daran, darunter auch die Fatih-Moschee in Bremen. Hier konnten sich Besucher über den Islam und seine Traditionen informieren. Am Abend veranstaltete die FatihGemeinde ein "Iftar-Mahl" (Fastenbrechen), da der diesjährige Tag der offenen Moschee in den Fastenmonat Ramadan11 fiel. An dem Essen nahmen sowohl Vertreter deutscher Verbände und Einrichtungen als auch türkische Unternehmer teil. Unter den zahlreich erschienenen Gästen war auch der Vorsitzende des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, Ali KIZILKAYA. 11 Heiliger Fastenmonat, eine der fünf Säulen des Islam, die der Koran allen (gesunden) erwachsenen Muslimen vorschreibt. Die übrigen Säulen sind: Glaubenszeugnis, rituelles Pflichtgebet, Almosensteuer, Wallfahrt nach Mekka. - 79 - 2. "Partei Gottes" (Hizb Allah) Gegründet: 1982 im Libanon. Anhänger/ Deutschland: ca. 900 (unverändert, wie 2006) Aktivisten: Land Bremen: ca. 50 (unverändert, wie 2006) Organisation / Funktionärsgruppe, Anhänger z.T. im Verein "Al Mustafa GeStruktur: meinschaft e.V." in Bremen organisiert. Medien: "Al Ahd" (Die Verpflichtung), "Al-Manar" (Der Leuchtturm), TVSender (Beirut). Entwicklung Die libanesisch-schiitische12 "Hizb Allah" (Partei Gottes) wurde 1982 nach dem Einmarsch israelischer Truppen im Libanon auf maßgebliche iranische Initiative gegründet. Sowohl Syrien als auch der Iran beeinflussen die Organisation. Die im Wesentlichen aus radikalen Splittereinheiten der "Gruppe des libanesischen Widerstandes" (AMAL) bestehende Organisation entwickelte sich schnell zu einer militanten Sammlungsbewegung von Schiiten. Die "Hizb Allah" entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer politischen Partei und übernahm auch gleichzeitig die Rolle einer Miliz im Bürgerkrieg. Sie gilt als eine der ersten Organisationen in der Region, die Selbstmordattentate als Teil einer militärischen Strategie befürwortet. Strukturen In Deutschland besteht die "Hizb Allah" seit etwa 1986. Sie tritt hier auch unter der Bezeichnung "Islamischer Widerstand" auf. Geistliche Autorität der "Hizb Allah" ist Scheich Hussein FADLALLAH, politischer Führer ist der Generalsekretär Hassan NASRALLAH. Die Anhänger der "Hizb Allah" in Bremen, überwiegend organisiert in der "Al Mustafa Gemeinschaft e.V.", beschränken sich auf gelegentliche 12 Schiiten (auch Schia genannt, arab. "Partei") sind neben den Sunniten die kleinere der beiden Hauptgruppen des Islam, die etwa ein Zehntel aller Muslime ausmacht. Beide Gruppen unterscheiden sich weniger durch ihre Riten und Gesetze als vielmehr aufgrund ihrer Theologie sowie in der Frage der Rechtmäßigkeit des Imams. Imame können Vorbeter in einer Moschee sein, aber auch das Oberhaupt einer Gemeinschaft oder Gruppe. - 80 - Treffen besonders anlässlich schiitischer Festtage und auf das Sammeln von Spendengeldern, die auch für die Finanzierung von Ortsgruppen verwendet werden. Lediglich zu Feiertagen und religiösen Festen wie dem "Aschura-Fest", das zum Gedenken an den Märtyrertod des Imam Hussein begangen wird, werden die Vereine und Moscheen von einer größeren Besucheranzahl aufgesucht. Neue Vereinsräumlichkeiten In Bremen wurden Anfang 2007 neue Vereinsräumlichkeiten in der Stolzenauer Str. 36 bezogen. Im Laufe des Jahres fanden dort verschiedene religiöse Veranstaltungen mit einer Beteiligung von bis zu 100 Personen statt. Predigten wurden verschiedentlich von auswärtigen Imamen gehalten. Dabei halten sich diese mit politischen Äußerungen zurück. Dieses Verhalten ist auch auf Bundesebene zu beobachten. Darüber hinaus nahmen an einer Veranstaltung in Bremerhaven zum Jahrestag der "Befreiung des Südlibanons" etwa 200 Personen der dortigen libanesischen Gemeinde teil. "Spendengeldsammlungen" In Deutschland werden "Spendengelder" z.B. für das "Waisenkinderprojekt Libanon" (WKP) gesammelt. Das "WKP" existiert seit 1993 in Deutschland und kooperiert eng mit der "Hizb Allah"-Stiftung "Al Shahid Association" (Vereinigung der Märtyrer). Sie ist eine soziale Hilfsorganisation im Geflecht der "Hizb Allah", dessen Aufgaben die Betreuung der Angehörigen von Getöteten, Verletzten und Gefangenen und Vermittlung von Patenschaften für Märtyrerwaisenkinder umfasst. Schiiten betrachten Ali, den Schwiegersohn und Vetter des Propheten Mohammed, als dessen designierten Nachfolger und als ihren ersten Imam. - 81 - 3. "Partei der Befreiung" (Hizb ut-Tahrir / HuT) Gegründet: 1953 in Jordanien Mitglieder: Deutschland: ca. 300 (unverändert, wie 2006) Land Bremen: Einzelpersonen (unverändert, wie 2006) Organisation / Konspirativ agierende Organisation. Struktur: Medien: "Al Khilafah" (Englisch/Arabisch), "Hilafet" und "Köklü Degisim" (Türkisch), "Al-Waie" (Arabisch), "Expliciet" (Niederländisch). Entwicklung Die "Hizb ut-Tahrir" (HuT) wurde 1953 von Taqi ad-Din AN-NABHANI (1909-1977) in Jordanien als politische Partei gegründet. AN-NABHANIs Buch "Nizam-ul Islam" (Die Ordnung des Islam) dient bis heute als ideologische Grundlage für die Organisation. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch ein Urteil vom 25. Januar 2006 das vom Bundesinnenministerium gegen die Organisation erlassene Betätigungsverbot mit Wirkung zum 15. Januar 2003 bestätigt. Gründung eines Kalifats Die HuT versteht den Islam als ein geistiges System, das alle Lebensbereiche der Menschen, insbesondere auch politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen, abschließend regelt. Unter Ablehnung nationalstaatlicher Strukturen wird die Einigung der islamischen Gemeinschaft (Umma) in einem weltweiten islamischen Staat unter der Führung eines Kalifen13 angestrebt. Die Aufgabe des Kalifen soll u.a. die Umsetzung der Scharia sein, um so die angestrebte Herrschaft Gottes auf Erden zu verwirklichen. Dabei betrachtet die HuT die Machtergreifung durch einen Staatsstreich als Alternative zu der in ihren Augen gescheiterten Strategie 13 Kalifat, Amt und Machtbereich des Kalifen als Leiter der muslimischen Gemeinde und Nachfolger des Propheten Mohammed. Die Kalifen waren sowohl weltliche als auch religiöse Führer. - 82 - der Muslimbruderschaft14, sich zuerst über soziale Betreuungsangebote in der Gesellschaft eine Basis zu verschaffen. Israelfeindliche Grundhaltung Die HuT spricht dem Staat Israel das Existenzrecht ab und verbreitet antizionistische Propaganda, die auf eine antijüdische Gesinnung hindeutet. In hetzerischer Weise agiert die HuT nicht nur gegen die USA, sondern lehnt auch Staaten der islamischen Welt mit westlicher oder weltlicher Orientierung ab. Gewalt als Methode der Auseinandersetzung wird jedoch nach außen abgelehnt. Die Organisation ist heute auf allen Kontinenten aktiv, u.a. im Nahen Osten, in Zentralasien, auf dem indischen Subkontinent und in Europa. In ihrer Tätigkeit in den westlichen Ländern beschränkt sie sich darauf, ein "richtiges islamisches Bewusstsein" unter den dort lebenden Muslimen zu vermitteln. Intensive Internet-Nutzung Sie verbreitet ihre Propaganda hauptsächlich über das Internet, sie ist dort mit einer eigenen Internetseite vertreten. Bei der Wahl ihrer Worte und Zitate betonen die Sprecher der Organisation einerseits, dieses Ziel auf friedlichem Wege erreichen zu wollen, doch andererseits lässt sich zwischen den Zeilen ein zwiespältiges Verhältnis zur Gewaltanwendung erkennen. Hinsichtlich der Präsidentschaftswahlen im Oktober in Pakistan veröffentlichte die Organisation im Internet einen Aufruf an die Soldaten in Pakistan: "So flüchtet hin zu Allah ihr Muslime. Flüchtet hin zu Allah ihr Soldaten der Muslime. Verteidigt euren Glauben und die Flagge eures Propheten. Hizb ut-Tahrir sucht eure Unterstützung, so gebt sie ihr! Sie sucht eure Hilfe, so helft ihr! Beseitigt die Herrschaft des Unrechts und der Ungerechten. Errichtet den Staat des Islam, den Staat der Muslime! Errichtet das rechtgeleitete Kalifat (...)." 14 Die Muslimbruderschaft ist eine der einflussreichsten islamistischen Bewegungen im Nahen Osten, die 1928 von Hasan al BANNA in Ägypten gegründet wurde. Sie gilt als die erste revolutionäre islamische Bewegung. - 83 - Im Zusammenhang mit den versuchten "Kofferbomben"-Anschlägen vom 31. Juli 2006 in Koblenz und Dortmund äußert sich Dr. I. Shaker ASSEM als repräsentierendes Mitglied der HuT im Internet wie folgt: "In aller Entschiedenheit weist die Hizb-ut-Tahrir alle Anschuldigungen zurück, mit den vermeintlichen Kofferbombenanschlägen in Deutschland in irgendeinem Zusammenhang zu stehen. Alle seitens der deutschen Behörden und Medien vorgebrachten Verdächtigungen sind nichts als Hirngespinste, die in boshafter Absicht gegen die HuT konstruiert wurden." (...) Obwohl wir derartige Anschläge in keiner Weise gutheißen und sie aus unserer islamischen Überzeugung heraus ablehnen, halten wir eine Tatsache fest, die von westlichen Politikern und Medien nur allzu gern verschwiegen wird: Die wahre Ursache für solche Taten liegt in der verbrecherischen Politik des Westens gegenüber der islamischen Welt (...)." In der Vergangenheit trat die HuT in Deutschland vorwiegend in Universitätsstädten durch die Verteilung von Flugblättern und Publikationen in Erscheinung. Darin wurden u.a. antijüdische und antiwestliche Positionen vertreten. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten der HuT konnten von hier lebenden Anhängern im Land Bremen nicht festgestellt werden. Die Zahl der Anhänger in Bremen beschränkt sich nach bisherigen Erkenntnissen auf Einzelpersonen. - 84 - 4. "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) Gegründet: 2003 Besucherstand: Ca. 180 Personen zum Freitagsgebet (2006: 100-150). Organisation / Vereinsräumlichkeiten, Gebetsräume im Breitenweg 57/59, Struktur: Bremen. Medien: Keine eigenen. Entwicklung Das "Islamische Kulturzentrum Abu Bakr15 Moschee e.V." wurde 1986 von einer Gruppe Marokkaner gegründet und im März 2001 ins Vereinsregister eingetragen. Die Vereinsund Gebetsräume befanden sich anfangs im Breitenweg 50, seit Mai 2001 im Breitenweg 57/59, Bremen. Im Juni 2003 wurde durch Beschluss einer Mitgliederversammlung das "Islamische Kulturzentrum Abu Bakr Moschee e.V." in "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) umbenannt. Bis zu 180 Gläubige unterschiedlicher Nationalität besuchen die Vereinsräumlichkeiten zu den Freitagsgebeten. Somit ist die Besucherzahl 2007 leicht angestiegen. Neben den Freitagsgebeten werden an allen anderen Tagen zu unterschiedlichen Uhrzeiten Gebete abgehalten. Auch Koranund Arabischunterricht wird angeboten. Islamistische Umtriebe Aus dem Umfeld des heutigen IKZ gibt es Hinweise auf Einzelpersonen mit Verbindungen zu islamistischen Gruppierungen sowie Personen, die islamistisches Gedankengut verbreiten. Beispielsweise zur "Tablighi Jama'at" (TJ), einer pakistanischen "Missionsbewegung", die für eine sunnitisch-orthodoxe Auslegung des Islam eintritt (mehr dazu unter Ziffer 6). 15 Abu Bakr (um 570 bis 634), erster islamischer Kalif und einer der ersten Anhänger des Propheten Mohammed. Abu Bakr wird von den Sunniten als erster der vier "rechtmäßigen" Kalifen verehrt. Die Mehrheit der Schiiten dagegen glaubt, dass er das Kalifat von dem Vetter und Schwiegersohn des Propheten, Ali, usurpiert habe, und sieht in ihm somit den ersten unrechtmäßigen Kalifen. Die vier "rechtmäßigen" Kalifen sind Abu Bakr, Omar, Othman und Ali. - 85 - Des Weiteren sprechen einige Hinweise dafür, dass in der Vergangenheit junge Bremer mit Migrationshintergrund von Personen aus dem Umfeld des ehemaligen "Islamischen Kulturzentrums Abu Bakr Moschee" islamistisch beeinflusst wurden. Eine seit 2001 als Imam im IKZ tätige Person wurde im November mit ihrer Familie, nach Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung, in die Türkei abgeschoben. Dieser in der Presse als "Hetzprediger" titulierte Imam verbreitete im IKZ islamistisches Gedankengut. - 86 - 5. "Marokkanischer Verein Abu Bakr Moschee e.V." Gegründet: 2004 Besucherstand: Ca. 90 Personen zum Freitagsgebet (2006: 50-60). Organisation / Vereinsräumlichkeiten, Gebetsräume in der Duckwitzstraße Struktur: 23, Bremen. Medien: Keine eigenen. Entwicklung Da sich in der Vergangenheit Mitglieder des ehemaligen "Islamischen Kulturzentrums Abu-Bakr-Moschee", heute "Islamisches Kulturzentrum e.V." (IKZ), durch die Berichterstattung in den Medien zu sehr im Licht der Öffentlichkeit sahen, wurden durch überwiegend marokkanische Gemeindemitglieder neue Versammlungsräume in der Duckwitzstraße 23 in Bremen angemietet. Die neu eröffnete Moschee wurde im Februar 2004 als "Marokkanischer Verein Abu-Bakr-Moschee e.V." in das Vereinsregister eingetragen. Im Umfeld des "Marokkanischen Vereins Abu-Bakr-Moschee" gibt es ebenfalls Hinweise auf Einzelpersonen mit Verbindungen zu islamistischen Gruppierungen. "Hetzpredigten" Es wurden in beiden Moscheen, sowohl im Breitenweg als auch in der Duckwitzstraße, "Hetzpredigten" gehalten. In diesen Reden wurde u.a. der "Religionskrieg der Amerikaner" im Irak sowie der "Verfolgungswahn der Juden in Palästina" verurteilt. In den Predigten wurden Gemeindemitglieder aufgefordert, den Jihad sowohl persönlich als auch materiell zu unterstützen. In einer dieser "Hetzpredigten" hieß es beispielsweise: "Wir dürfen nie vergessen, dass täglich in Palästina viele unserer Glaubensbrüder dem Terror der Juden zum Opfer fallen. Wir müssen kämpfen im Namen Gottes um den Erhalt unseres religiösen Lebensmittelpunktes in Palästina, der El-Kuds-Moschee. Sollten die jüdischen Kriegstreiber die El-Kuds-Moschee zerstören, wird die gesamte islamische Welt sich erheben. Im Namen Gottes lie- - 87 - ben wir den Tod. Wir werden bis zum letzten Blutstropfen uns der Zerstörungspolitik der Juden mit aller Härte widersetzen." Ferner hieß es: "Nicht nur im Irak, in Palästina oder Afghanistan, sondern weltweit, befinden wir uns als Muslime in einem religiösen Verteidigungskampf gegen die Bösen des Imperialismus." Seit August 2005 führt ein neuer Imam die Freitagsgebete im "Marokkanischen Verein Abu-Bakr-Moschee". Dieser war zuvor in Thüringen tätig. Aufgrund interner Streitigkeiten war ab der zweiten Hälfte des Jahres ein Rückgang der Besucherzahlen um etwa ein Drittel zu verzeichnen. - 88 - 6. "Gemeinschaft für Verkündigung und Mission" (Tablighi Jama'at) Gegründet: Um 1926. Anhänger/ Deutschland: ca. 700 (2006: 600) Aktivisten: Land Bremen: 15-20 (2006: 10-12) Organisation/ Internationale Missionsbewegung mit weltweit bis zu 15 MillioStruktur: nen Mitgliedern. Medien: Keine eigenen auf deutsch. Entwicklung Die "Tablighi Jama'at" (TJ) wurde um 1926 von dem Religionsgelehrten Maulawi Muhammad ILYAS als eine Wiedererweckungsund Missionsbewegung gegründet. Die Ursprünge liegen in Indien in der Region um Delhi. Die Anhänger der anfänglichen Wiedererweckungsund Missionsbewegung distanzierten sich damals sowohl von der englischen Kolonialmacht als auch vom Hinduismus. Sie predigten gruppenweise und verkündeten ihren Glauben auf Reisen. Hieraus entstand eine islamische Massenbewegung, die auch heute noch ihren Schwerpunkt in der Missionstätigkeit sieht. Bei den missionarischen Reisetätigkeiten werden weltweit Moscheen aufgesucht. Das heutige Zentrum der TJ befindet sich in Lahore / Pakistan. Das Zentrum für Europa ist in Dewsbury / Großbritannien. Islamistisches Gedankengut Ziel der Gemeinschaft ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Ihre Anhänger sollen ein Leben streng nach Koran und Sunna führen. Sie fordern die strikte Einhaltung der Scharia und fürchten daher gerade in westlichen Ländern die ihrer Ansicht nach "negativen Einflüsse" auf ihre Glaubensbrüder. TJ-Anhänger verfechten die strikte Trennung der Geschlechter und eine deutliche Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen. - 89 - Die Organisation gibt an, Gewalt abzulehnen. Im Umfeld der TJ wurden aber in der Vergangenheit immer wieder Personen festgestellt, die extremistisches Gedankengut verbreitet haben. Es besteht die Gefahr, dass Terrororganisationen die Strukturen der TJ als Rekrutierungsquelle für potenzielle Terroristen nutzen. Das Verwaltungsgericht Bayreuth kommt in einem Beschluss vom 24. November 2005 (Az: B 1 S 05.763) zu der Überzeugung, dass die TJ den internationalen Terrorismus unterstützt. Missionarische Treffen Charakteristisch für die Gruppierung ist eine missionarische Reisetätigkeit. Die Anhänger reisen in kleinen Gruppen und verpflichten sich Missionsreisen zu unternehmen und andere Moscheen aufzusuchen, um sich mit Glaubensbrüdern auszutauschen und gemeinsam zu beten. Darüber hinaus sollen neue Anhänger gewonnen werden. Innerhalb der TJ werden zudem regelmäßig Treffen veranstaltet. Hierzu gehören Versammlungen in kleineren regionalen Gruppen, aber auch Deutschlandund Europatreffen. Zum Beispiel versammelten sich vom 20. bis 22. April 2007 rund 500 TJ-Anhänger zu einem Deutschlandtreffen in Berlin. Hieran soll auch eine Delegation von religiösen Autoritäten aus Pakistan und Indien teilgenommen und ihren Unmut darüber geäußert haben, dass die Missionierungserfolge in Deutschland weit hinter denen anderer europäischer Länder zurückliegen. Die Missionierungsarbeit in Deutschland solle intensiviert werden. Es ist davon auszugehen, dass TJAnhänger aus Bremen an regionalen und überregionalen Treffen teilgenommen haben. Zudem werden in jährlich stattfindenden Treffen in Bangladesh, Pakistan und Indien Strategien festgelegt, wie die Organisation in anderen Teilen der Welt zu agieren habe, um beispielsweise neue Anhänger zu gewinnen. - 90 - 7. "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gel) / vormals "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gegründet: 1978 als "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in der Türkei gegründet. Anhänger/ Deutschland: ca. 11.500 (unverändert, wie 2006) Aktivisten und Mobilisierungspotenzial: ca. 40.000 (unverändert, wie 2006) MobilisierungsLand Bremen: ca. 300 (unverändert, wie 2006) potenzial: Mobilisierungspotenzial: ca. 380 (unverändert, wie 2006) Organisation / Der Kongra Gel ist eine straff organisierte und zentralistisch Struktur: geführte Kaderpartei. Die Bundesrepublik ist in 27 "Gebiete" unterteilt. Daneben existieren diverse Kulturvereine. Medien: "Serxwebun" (Unabhängigkeit), diverse Internetseiten. Entwicklung Die "PKK" wurde am 27. November 1978 von einer kurdischen16 Gruppierung um den damaligen Politik-Studenten Abdullah ÖCALAN (APO) gegründet. Dieser leitete die Organisation bis zu seiner Festnahme im Februar 1999 in Kenia direkt. Danach übernahm ein so genannter Präsidialrat die Führung, der jedoch indirekt den Weisungen des Gründers aus dem Gefängnis folgt. Im Bundesgebiet ist die "PKK" seit Anfang der achtziger Jahre aktiv. Teilweise mit äußerster Gewalt vollzogene Unterstützungshandlungen hier lebender Anhänger führten am 26. November 1993 zum Betätigungsverbot der "PKK" durch das Bundesministerium des Innern. Strategiewandel Mit der Inhaftierung Abdullah ÖCALANs auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali17 ging ein Strategiewandel der Organisation einher. Der seit 1984 in der Osttürkei geführte "bewaffnete Kampf" wurde zunächst eingestellt. Ein "demokratisch-politischer Kampf" rückte in den Vordergrund und wurde programmatisch auf dem 7. Parteikongress im Frühjahr 2000 umgesetzt. Damit verbunden war eine Vielzahl von Umbenennungen, z.B. wurde die 16 Das Siedlungsgebiet der Kurden erstreckt sich auf die Territorien hauptsächlich folgender Staaten: Türkei, Iran, Irak, Syrien, ehemalige Sowjetrepubliken. Die Kurden sprechen eine indogermanische Sprache aus der iranischen Gruppe und gehören zu den iranischen Völkern. 17 Imrali ist die flächenmäßig zweitgrößte Insel im Marmarameer. Sie ist unbewohnt. - 91 - "Volksverteidigungsarmee" (ARGK) in "Volksverteidigungskräfte" (HPG) und die 1985 für öffentliche Parteiarbeit gegründete Europaorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) in "Kurdische Demokratische Volksunion" (YDK) umbenannt. Einen weiteren Wandel vollzog die "PKK" im Frühjahr 2002 aufgrund der von Abdullah ÖCALAN entwickelten Verteidigungsschrift für sein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Mit Beschluss des 8. Parteikongresses 2002 im Nordirak fungierte die "Partei" fortan nur noch als eine Art Koordinierungseinheit, unter der sich weitere Parteien / Organisationen in Iran, Irak, Syrien und Türkei ansiedeln sollten. Die Forderung nach einem eigenständigen kurdischen Staat wurde aufgegeben. Eine "kulturelle Autonomie" wurde nun mehr angestrebt. Die Ankündigungen blieben jedoch ohne nennenswerte Veränderungen in der Organisationsstruktur, wie die zur Umsetzung gegründete Nachfolgeorganisation der "PKK", der "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK), selbst eingestand. Im Oktober 2003 beschloss die Organisation deshalb die Auflösung des KADEK. Einen Monat später wurde der "Volkskongresses Kurdistans" (Kongra Gel) gegründet. Bisherige Unterorganisationen des KADEK siedelten sich als selbständige Einheiten unter dem Dach des Kongra Gel an. Gleiches erfolgte mit dem europäischen Arm der "Partei", der YDK, welche sich in "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) umbenannte. EU-Terrorliste Trotz programmatischer Veränderungen wurde die "Partei" aber weiterhin nach dem Kaderprinzip geführt. Ankündigungen demokratischer Strukturen blieben weitgehend Lippenbekenntnisse. Am 2. Mai 2002 beschloss der Rat der Europäischen Union - als Folge der Geschehnisse des 11. September 2001 - u.a. die "PKK" in die Liste der terroristischen Organisationen aufzunehmen. Anfang April 2004 setzte die Europäische Union auch die Nachfolgeorganisation, den Kongra Gel, auf die so genannte Terrorliste. - 92 - Im Juli 2004 erklärte das Bundesministerium des Innern, dass sich das gegen die "PKK" verhängte vereinsrechtliche Betätigungsverbot vom 22. November 1993 auch auf den Kongra Gel erstreckt. Die neue Strategie und die damit verbundenen Umbenennungen der Organisation stießen bei vielen Anhängern auf Unverständnis. Zeitgleich fanden Machtkämpfe in der Führungsriege der "PKK" statt, die letztlich 2004 zur Abspaltung einer Gruppe um Osman ÖCALAN, Bruder des Abdullah ÖCALAN, führte. Am 1. Juni 2004 erklärte der Kommandorat der "Volksverteidigungskräfte" den "einseitigen" fünfjährigen Waffenstillstand in der Türkei für beendet. Damit setzte die "PKK" erneut Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele ein. Ab 2005 versuchten die so genannten Freiheitsfalken Kurdistans (TAK)18 den Forderungen des Kongra Gel mit Bombenanschlägen auf türkische Tourismuszentren Nachdruck zu verleihen. Innerparteilich übernahm eine "neue PKK" die ideologische Straffung der Gesamtorganisation. Konflikt im Grenzgebiet Unter dem Motto "Der Staat hat die Waffenruhe ins Leere laufen lassen" erhoben am 1. Oktober Führungsgremien der Organisation schwere Vorwürfe gegen den türkischen Staat. Dieser habe die vor einem Jahr verkündete "einseitige Waffenruhe"19 der "PKK" missachtet und seine Sanktionen gegen die Kurden verstärkt. Die Zusammenstöße zwischen HPG und den türkischen Streitkräften eskalierten, nachdem "PKK"-Kämpfer im türkisch-irakischen Grenzgebiet einen Militärposten angriffen und 12 türkische Soldaten töteten. Daraufhin erteilte das türkische Parlament am 17. Oktober der AKP-Regierung die Erlaubnis für grenzüberschreitende Militärschläge gegen "PKK"-Stellungen im Nordirak. 18 Splittergruppe der "PKK" / des Kongra Gel. Operiert vorwiegend in Touristenzentren und Metropolen im Westen der Türkei. Kongra Gel und TAK bestreiten, organisatorisch zusammen zu gehören. Gleichwohl orientiert sich der terroristische Aktionismus an Paradigmen des Kongra Gel / des "Führers" Abdullah ÖCALAN. 19 Die "Waffenruhe" schließt so genannte Verteidigungsaktionen der "Volksverteidigungskräfte" (HPG) nicht aus. - 93 - Auf europäischer Ebene betreibt die "PKK" weiterhin einen gewaltfreien Kurs. Lediglich kurdische Jugendliche treten vereinzelt mit "Hit and Run"Aktionen20 in Erscheinung, abhängig von politischen Geschehnissen in der Türkei. Der europäische Arm der "PKK", die CDK und die Dachverbände der PKK-nahen Vereine kämpfen gegen einen drohenden Mitgliederverlust. Die Mitbestimmung des Volkes über so genannte Volksräte konnte bisher ansatzweise verwirklicht werden. Jedoch sind nur wenige Kurden aus dem Umfeld der "PKK" bereit, sich in diesen von der "PKK" geschaffenen Gremien zu engagieren. Zentren der "PKK" / des Kongra Gel Im Lande Bremen sind als Informationsund Kommunikationszentren für Anhänger der "PKK" / des Kongra Gel folgende Einrichtungen bekannt: "Mesopotamischer Kulturverein Bremen e.V." gegründet: 7. Juni 1987 - verboten: 26. November 1993 durch das Bundesministerium des Innern. "Kurdisch-Deutscher Verein für Völkerfreundschaft e.V. -HEVALTI-" gegründet: 6. Dezember 1993 - verboten: 14. November 1995 durch den Senator für Inneres. "Kurdisch-Deutscher Solidaritätsverein e.V." gegründet: 15. Dezember 1995 - verboten: 27. April 1998 durch den Senator für Inneres. Als zentraler CDK-Basisverein existiert in Bremen, An der Weide 27, das "MED-Kulturzentrum e.V." gegründet: 24. November 1999 - am 22. Mai 2005 umbenannt in "BIRATI e.V.21 (Verein zur Förderung demokratischer Gesellschaft Kurdistans)" sowie in Bremerhaven der "Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein Bremerhaven e.V." gegründet: 10. Dezember 1993. 20 "Hit and Run" kommt klassischerweise im Guerillakrieg bzw. bei insgesamt asymmetrischen Konflikten zur Anwendung. 21 Anträge auf Änderungen hinsichtlich der Umbenennung wurden vom Amtsgericht zunächst wegen Formfehler abgelehnt. Erst am 19. März 2007 wurde die Namensänderung offiziell in das Vereinsregister eingetragen. - 94 - Solidaritätsbündnisse Einem Artikel der türkischsprachigen Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP) am 25. Juni zufolge, habe nach der Bürgerschaftswahl am 13. Mai auf Einladung der "Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland" (YEK-KOM)22 ein Treffen zwischen den Delegationen der Partei "DIE LINKE." und YEK-KOM im "BIRATI e.V." stattgefunden. Für die geleistete Unterstützung und den Wahlerfolg mit Hilfe des kurdischen Volkes habe sich die Delegation der Partei "DIE LINKE." bedankt. Bremer Vertreter der YEK-KOM hoben während der Zusammenkunft die Wichtigkeit von Bündnissen für den "gerechten Kampf des kurdischen Volkes in Europa" hervor. Anhand solcher Bündnisse, u.a. mit weiteren Migrantengruppen in Bremen, versucht sich der "BIRATI e.V." als "demokratische Einrichtung" zu etablieren. Propagandapolitik Die Partizipation an der Bürgerschaftswahl verdeutlicht, dass die "PKK" in Bremen eine geschickte Propagandapolitik betreibt. Kontakte zu örtlichen Politikern und Institutionen werden insbesondere von der YEK-KOM wahrgenommen. Sie fungiert für die "PKK" als eine Art "legaler Arm", weil sie dem Verbot von 1993 nicht unterliegt. Offenbar konnten örtliche Funktionäre von YEK-KOM und "BIRATI e.V." gegenüber Menschenrechtsvereinigungen, diversen Migrantengruppen und dem politischen linken Spektrum glaubhaft machen, dass der örtliche Aktionismus keine Verbindung zu den Terrorakten der "PKK" in der Türkei aufweist. So hatte sich angesichts eines bevorstehenden Einmarsches türkischer Truppen in den Nordirak zeitweise sogar eine Art "Solidaritätsfront" gebildet. Veranstaltungen Mit der "PKK" im Zusammenhang stehende Bremer Veranstaltungen wurden fast ausschließlich vom "BIRATI e.V." organisiert. "Geschehnisse in der Heimat" bestimmten weitgehend die Themen. Auch "PKK"-historische - 95 - Daten, beispielsweise der Gründungstag der "PKK", waren Anlass zum Feiern. Der Schwerpunkt des Aktionismus lag, wie bereits in den vergangenen Jahren, in der Person des "Führers" Abdullah ÖCALAN begründet. Funktionäre bzw. "PKK"-nahe Medien weisen stets auf die Zusammengehörigkeit von "Führung" und dem kurdischen Volk hin. Es ist stets die Befürchtung spürbar, ohne ÖCALAN könnte sich die Anhängerschaft von der "Partei" abwenden. In einem Artikel des Parteiorgans "Serxwebun" Nr. 305 hieß es: "Die Freiheit unseres Anführers ist nämlich das Zentrum, der Brennpunkt und die Hauptachse jeder Art von Freiheiten." Im Oktober forderte die CDK die Kurden in Europa auf, gegen die vermeintliche Vergiftung ÖCALANs und einen möglichen Einmarsch türkischer Streitkräfte in den Nordirak zu protestieren. Dem Aufruf von "BIRATI e.V." folgten Anfang November ca. 600 Personen aus Bremen und dem niedersächsischen Umland, aus diversen Vereinen und Organisationen, darunter auch Personen, die der Bremer "Saidi Kurdi"-Moschee23 angehören. Abgesehen von wiederholten Verstößen gegen das Vereinsgesetz, beispielsweise dem Skandieren verbotener Parolen, blieben die Demonstrationen in Bremen friedlich. In einigen anderen Städten Deutschlands kam es im Zusammenhang mit der im Herbst eskalierenden Lage im türkischirakischen Grenzraum zu vereinzelten Brandanschlägen jugendlicher "PKK"-Anhänger24 auf Vereinsgebäude türkischer Nationalisten. "Märtyrer" In "PKK"-nahen Vereinen werden regelmäßig Feiern für "Märtyrer" veranstaltet. Anfang Juli wurde in den Räumen des "BIRATI e.V." einer aus Bremen stammenden 27-jährigen "PKK"-Kämpferin gedacht. Diese war 22 Sie versteht sich als Interessenvertreter der in Deutschland lebenden Kurden und unterstützt mit ihrem propagandistischen Wirken die Ziele der "PKK" und ihrer Nachfolgeorganisationen. YEK-KOM gilt als Dachverband aller PKK-nahen örtlichen kurdischen Vereine in Deutschland. 23 Wird vorwiegend von kurdischen Muslimen besucht. - 96 - Ende Juni bei Kämpfen im Südosten der Türkei getötet worden. Die in Bremen lebenden Eltern brachten ihren Stolz auf ihre Tochter zum Ausdruck. Die Mutter bot sogar weitere Kinder für den Kampf der "PKK" an. Mit dem "Märtyrertum" in der "PKK" befasst sich auch ein Artikel der Parteizeitung "Serxwebun" vom Mai. Darin hieß es übersetzt: "Die Kurden unserer Zeit, die sich den Spruch, wir lieben das Leben so sehr, dass wir dessentwegen gerne in den Tod gehen, zu ihrer Devise gemacht hätten, bezeichne man inzwischen als APOs Kurden, weil er, ÖCALAN, der Schöpfer eines solchen neuen Kurdentyps sei. Deshalb nenne man auch die PKK, diese durch das Blut der Märtyrer gewachsene untadelige Partei, die Partei der Märtyrer." "Spendenkampagne" Jährlich findet europaweit im Herbst und Winter eine "Spendenkampagne" der "PKK" statt. Dabei wurden auch von den Bremer Anhängern der Organisation unterschiedliche Beträge eingefordert. Gegenüber früheren Jahren hat die Gewaltandrohung dabei allerdings deutlich abgenommen. Die in der Kampagne gesammelten Gelder stellen zusammen mit weiteren Einnahmequellen, beispielsweise aus dem Verkauf von Zeitschriften, die Finanzierungsgrundlage für den Aktionismus der "PKK" im Inund Ausland dar. Aufgrund des im Herbst eskalierenden Konfliktes im türkischirakischen Grenzraum ist mit einer erhöhten Spendenbereitschaft der europäischen Anhängerschaft zu rechnen. 24 Die Jugendlichen sind teilweise Mitglieder in der Kongra Gel-Jugendorganisation "Comalen Ciwan" oder werden zumindest von Funktionären dieser Organisation beeinflusst. - 97 - 8. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gegründet: 1994 in Syrien Mitglieder/ Deutschland: ca. 650 (unverändert, wie 2006) Aktivisten: Land Bremen: ca. 40 (unverändert, wie 2006) Organisation/ Gewalttätige revolutionäre Kaderpartei, die über eine konspiStruktur: rativ agierende Funktionärsgruppe verfügt. Unterhält Guerillaeinheiten in der Türkei. Medien: "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke), "Yürüyüs" (Marsch). Entwicklung Die DHKP-C ist im März 1994 aus der türkischen Vereinigung "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervorgegangen, die in der Türkei verboten ist. Sie hält dort eine Untergrundstruktur aufrecht. In Deutschland ist die "Devrimci Sol" seit dem 9. Februar 1983 durch Verfügung des Bundesinnenministeriums mit einem Betätigungsverbot belegt. Am 13. August 1998 wurde auch die DHKP-C durch das Bundesministerium als Ersatzorganisation der "Devrimci Sol" eingestuft und mit einem Betätigungsverbot belegt. Zwischen der DHKP-C und der mit ihr konkurrierenden "Türkischen Volksbefreiungspartei-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) kam es zwischen 1997 und 1998 zu massiven Gewalttaten mit schweren Körperverletzungen und Mordanschlägen. Gegen zahlreiche Mitglieder und Funktionäre der DHKP-C wurde eine Vielzahl von Strafverfahren geführt. Mehrere ranghohe Funktionäre wurden zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt. Daraus resultierte in Deutschland ein Mitgliederverlust, dessen Folge geringere Mitgliedsbeiträge und "Spenden" waren. Die THKP/-C ist ebenfalls aus der Konkursmasse der "Devrimci-Sol" hervorgegangenen. Auch sie wurde 1998 verboten. Die DHKP-C wurde darüber hinaus im Mai 2002 in die von der Europäischen Union geführte Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. "Todesfasten"-Kampagne - 98 - Nachdem bereits 2002 verschiedene türkische linksextremistische Gruppierungen das "Todesfasten" als Kampfform um eine Verbesserung der Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen für beendet erklärten, schloss sich die DHKP-C 2007 diesem Schritt an. Presseveröffentlichungen zufolge fielen mehr als hundert Menschen, meist Angehörige der DHKP-C, dem "Todesfasten" zum Opfer. Eine Umfeldorganisation der DHKP-C, das so genannte "TAYAD-Komitee" ("Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei"), erwies sich in der Vergangenheit auf europäischer Ebene als Initiator von Veranstaltungen zugunsten der Gefangenen. "Kulturund Musikveranstaltungen", vorwiegend von Anhängern der DHKP-C besucht, dienen Parteifunktionären nach wie vor als Agitationsfeld gegen den als "faschistisch" bezeichneten türkischen Staat. In Bremen sind keine Strukturen eines "TAYAD-Komitees" bekannt. "Spendenkampagne" Wichtigste Finanzquelle der Organisation ist und bleibt die jährliche "Spendensammlung". Die Sammlung erfolgt äußert konspirativ. Eine Konfrontation mit der Polizei wird vermieden. Bremer Asylbewerberunterkünfte erwiesen sich in der Vergangenheit als erfolgreiches Werbungsund Sammelterrain für die Organisation. Einzelne geschäftliche Aktivitäten von Mitgliedern lassen den Schluss zu, dass Teile des Gewinns an die Organisation fließen bzw. solcherlei Aktivitäten gezielt von der Organisation über Strohmänner als Einnahmequelle betrieben werden. Obwohl die DHKP-C nach außen einen gewaltfreien Kurs in Europa vertritt, dienen hier durchgeführte Protestveranstaltungen und "Spendensammlungen" der moralischen und finanziellen Unterstützung terroristischer Aktionen bewaffneter Einheiten in der Türkei. Streitigkeiten zwischen einzelnen Funktionären verhindern weiterhin die Entwicklung öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten von Bremer DHKP-CAktivisten sowohl auf regionaler als auch auf überregionaler Ebene. - 99 - - 100 - 9. "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) / "Volksmodjahedin IranOrganisation" (MEK) Gegründet: 1981 in Paris gegründet. Seit 1994 in Deutschland vertreten. Mitglieder/ Deutschland: ca.1250 (2006 ca. 1.150) Aktivisten: Land Bremen: ca. 50 (unverändert, wie 2006) (Mobilisierungspotenzial: ca. 80 (2006 ca. 100) Organisation / Revolutionäre Kaderpartei, konspirativ agierende FunktioStruktur: närsgruppe. Medien: "Mojahed" (Glaubenskämpfer). Entwicklung Die Organisation der "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) ist die bedeutendste und früher auch militanteste iranische Oppositionsgruppe. In Europa und Nordamerika treten die Mitglieder und Sympathisanten als Anhänger des "Nationalen Widerstandsrats Iran" (NRWI) in Erscheinung. Der NWRI ist ein im Jahre 1981 gegründeter Zusammenschluss zahlreicher Oppositionsgruppen und Einzelpersonen, der von der MEK dominiert wird. Die weltweit operierende Organisation verfolgte jahrelang eine Doppelstrategie. So führten bewaffnete Kräfte der "Nationalen Befreiungsarmee" (NLA), dem ehemals militanten Arm der Bewegung, einen Guerillakampf auf iranischem Boden gegen das dortige islamische Regime mit dem Ziel des gewaltsamen Umsturzes. Die Terroranschläge am 11. September 2001 blieben auch für die NLA nicht ohne Auswirkungen. Letztmalig im Mai 2002 führte sie einen Anschlag im Iran durch. Nach dem Sturz des irakischen Diktators Saddam HUSSEIN im Mai 2003 wurden etwa 3.000 NLA-Angehörige von den US-Truppen entwaffnet und im irakischen Lager Ashraf interniert. Deshalb konzentrierte sich die MEK über den NWRI auf politische Aktivitäten in europäischen Ländern. Veranstaltungen In Europa und der restlichen Welt tritt die Organisation durch umfangreiche Propaganda und Geldbeschaffungsaktionen in Erscheinung. Hauptagitationsschwerpunkte des NWRI waren bzw. sind die Wiederaufnahme des iranischen Atomprogramms, die Streichung der MEK von der - 101 - so genannten Terrorliste der Europäischen Union und die durch den iranischen Staat missachteten Menschenrechte, insbesondere Hinrichtungen von Regimegegnern, darunter auch viele Anhänger der MEK / des NWRI. Aufgrund der Menschenrechtsthematik bestehen innerhalb Deutschlands auch Kontakte zu Menschenrechtsvereinen und politisch aktiven Einzelpersonen. Aktivitäten in Bremen Auch in Bremen waren Menschenrechtsverletzungen, die Atompolitik des Iran und die Führung der MEK in der EU-Terrorliste Anlass für vereinzelte öffentliche Veranstaltungen. So protestierten ca. 45 Anhänger mit Fahnen und Bildern der Organisation während der EU-Außenministerkonferenz, die Ende März in Bremen stattfand. Wie auf Bundesebene wurde auf lokaler Ebene teilweise mit Menschenrechtsgruppen kooperiert. Dabei präsentierten sich die NWRI-Anhänger als Angehörige einer "demokratischen iranischen Exilbewegung", um Öffentlichkeit und Politik für ihre Ziele zu gewinnen. Zur Finanzierung seiner Aktivitäten führt der NWRI u.a. Straßengeldsammlungen durch, wie sie 2006 in der Bremer Innenstadt festgestellt wurden. Iranischer Nachrichtendienst Die intensive Propagandatätigkeit des NWRI gegen das iranische Regime in Europa blieb im Iran nicht unbeachtet. Entsprechend versuchte der iranische Nachrichtendienst, die Strukturen des NWRI in Deutschland zu unterwandern und hier lebende Anhänger zu verunsichern. EU-Terrorliste Obwohl der Europäische Gerichtshof Erster Instanz im Dezember 2006 die Aufnahme der Volksmodjahedin in die EU-Terrorliste für rechtswidrig erklärte, entschied sich der EU-Ministerrat für die weitere Erfassung in der Liste. Die Gerichtsentscheidung beziehe sich auf das formelle Aufnahmeverfahren und impliziere nicht die generelle Aufnahme in die Liste, so die Erläuterung des EU-Rates. Mit der Erfassung ist das Einfrieren finanzieller - 102 - Mittel verbunden. Die Entscheidung löste europaweite Proteste der NWRIAnhängerschaft aus, auch in Bremen. - 103 - 10. "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (Liberation Tigers of Tamil Eelam / LTTE) Gegründet: 1972 in Sri Lanka. Mitglieder/ Deutschland: ca. 800 (unverändert, wie 2006) Anhänger: Land Bremen: ca. 20 (unverändert, wie 2006) Organisation / Streng hierarchisch gegliederte Kadergruppe, konspirative Struktur: Arbeitsweise. Medien: "Viduthalai Puligal", vierzehntäglich. Entwicklung Bei den Tamilen handelt es sich um eine Volksgruppe, die den Nordosten Sri Lankas bewohnt. Der Bürgerkrieg zwischen den hinduistischen Tamilen und den buddhistischen Singhalesen um die Aufteilung der Insel schwelt seit langem. Die "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) (Befreiungstiger von Tamil Eelam) gründeten sich 1972 und fordern einen unabhängigen sozialistischen Tamilenstaat, den "Tamil Eelam". Zur Durchsetzung ihrer Ziele führt die Organisation seit Jahren einen Guerillakrieg gegen die von den Singhalesen dominierte Zentralregierung Sri Lankas. Im Verlauf der seit September 2002 andauernden Friedensverhandlungen zwischen der Zentralregierung und der LTTE war die Organisation von ihrer Forderung eines eigenen Tamilenstaates abgerückt, forderte aber eine Teilautonomie innerhalb des Staatsgefüges Sri Lankas. Die LTTE verübte in der Vergangenheit eine Vielzahl von Terroranschlägen gegen srilankische und indische Ziele. EU-Terrorliste Durch einen Selbstmordanschlag am 25. April 2006 auf das Hauptquartier der srilankischen Armeetruppen in der Hauptstadt Colombo hat sich die Lage weiter zugespitzt. Die Europäische Union hat die LTTE am 31. Mai 2006 offiziell als Terrororganisation eingestuft. Erstmals hat die EU die Aufnahme in die Liste der terroristischen Organisationen mit einer politi- - 104 - schen Erklärung verbunden. In dieser Erklärung wird die Rücknahme der Einstufung in Aussicht gestellt, falls die LTTE dauerhaft auf Gewalt verzichten und sich erkennbar für den Friedensprozess einsetzen sollten. Kritik übte die EU auch an der Regierung Sri Lankas und wies darauf hin, dass die Gewalt dort nicht allein durch die LTTE verursacht sei. Die Gewalt auf Sri Lanka hat 2007 zugenommen und erneut bürgerkriegsähnliche Zustände erreicht. "Spendensammlungen" Die Aktivitäten der LTTE in Deutschland umfassen u.a. auch das Sammeln von "Spendengeldern", die teilweise für die Finanzierung des bewaffneten Kampfes auf Sri Lanka verwendet werden. Die "Spenden" wurden in der Vergangenheit teilweise mit Gewalt eingefordert. Die LTTE steuert und nutzt unterschiedliche tamilische Vereine in ganz Deutschland, um so ihr Spendenaufkommen zu erhöhen. Der in Bremen ansässige "Internationale Menschenrechtsverein Bremen e.V." steht der LTTE nahe. Bremer Anhänger sind in der Lage, anlassbezogen Aktivisten zu mobilisieren. So meldete der oben erwähnte "Menschenrechtsverein" für den 6. November vor der Bremischen Bürgerschaft eine Mahnwache mit 30 Teilnehmern an. Mit dieser Aktion wollten die Vereinsmitglieder an getötete Führungskader in Sri Lanka erinnern. - 105 - 11. Bewertung der aktuellen Situation sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen von Ausländern Die IGMG ist deutschlandweit die mitgliederstärkste Organisation mit islamistischem Hintergrund. Dies gilt auch für das Land Bremen. Die Organisation ist nicht gewaltgeneigt. Jedoch verfolgt sie Ziele, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind. Die IGMG, die sich nach außen offen zeigt, verhält sich in ihren Grundzügen integrationsunwillig. Mit ihrem Bildungsangebot, mit dem sie versucht, muslimische Jugendliche vor dem "Einfluss der westlichen Welt" zu schützen, trägt sie zum Aufbau bzw. zur Festigung einer Parallelgesellschaft bei. Noch immer beschäftigt sie Imame und Hodschas aus der Türkei, die kein Deutsch sprechen. Die IGMG unterhält weiterhin enge Kontakte zur türkischen "Saadet Partisi" (SP), deren geistiger Führer Necmettin ERBAKAN ist. Diesen hatte in den vergangenen Jahren das türkische Verfassungsgericht wegen antilaizistischer Umtriebe mit einem politischen Betätigungsverbot belegt. ERBAKANs Machtanspruch bleibt innerhalb der "Milli Görüs"-Bewegung dennoch unangetastet. IGMG-Reginonalund -Ortsverbände befolgen strikt die von der Zentrale in Kerpen (NRW) erteilten Weisungen. In ihrer Israelund USA-feindlichen Rhetorik hat sich die Organisation in den letzten Jahren stark zurückgenommen. Die von der "PKK" in der Türkei durchgeführten Terroranschläge haben 2007 zugenommen. Der Angriff auf einen türkischen Grenzposten, bei dem im Herbst zwölf Soldaten getötet wurden, führte dazu, dass die Türkei mit diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln den Druck auf den (Nord-)Irak erhöht und dort befindliche "PKK"-Stellungen angegriffen hat. In Europa versuchten der "PKK" nahe stehende Organisationen durch diverse Aktionen auf die Situation ihres inhaftierten "Führers" Abdullah ÖCALAN aufmerksam zu machen. Nach wie vor ist ÖCALAN die Führungsperson innerhalb der Organisation. - 106 - Auch in Bremen versuchte die "PKK"-Sektion, sich durch Kontaktaufnahme zu Politikern und politischen Institutionen Gehör zu verschaffen. Der Bremer Basisverein "BIRATI e.V. nutzte jede Gelegenheit in Form von Demonstrationen, Mahnwachen und den Aufbau von Informationsständen, um auf den "Gesundheitszustand" ÖCALANs und die Situation im Nordirak aufmerksam zu machen. Die Umstrukturierungen und Umbenennungen der vergangenen Jahre konnten den undemokratischen Charakter der "Partei" nicht verschleiern. Sie nutzt nach wie vor Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele. Personen mit terroristischem Täterhintergrund aus dem Bereich "Ausländerextremismus" wurden in Bremen auch 2007 nicht festgestellt. Die Zahl der Straftaten mit ausländerextremistischer Motivation nahm deutlich ab (siehe Anhang). - 107 - V. Scientology-Organisation (SO) Gegründet: 1954 in den USA. Erste Niederlassung in Deutschland 1970, in Bremen 1981. Mitglieder: Deutschland: 5.000-6.000, (unverändert, wie 2006) Land Bremen: ca. 100, (unverändert, wie 2006) Organisation / Los Angeles ("Church of Scientology International" / CSI), MisStruktur: sion in Bremen: Stolzenauer Str. 36, Bremen-Hastedt. Medien: Freiheit, Impact, Scientology-News, Source, eigene Internetseiten. Entwicklung Die Programmatik der Scientology-Organisation (SO) beruht nach wie vor auf den Schriften von L. Ron HUBBARD (1911-1986), die nach eigenem Bekunden der Organisation für sie unverändert Gültigkeit haben und als Arbeitsanweisungen dienen. Die SO versteht sich als Glaubensgemeinschaft. Einem Beschluss25 des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 1995 zufolge handelt es sich bei der Organisation in Deutschland jedoch nicht um eine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes. Ihre Lehren dienen vielmehr nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele. Eine von der Innenministerkonferenz (IMK) eingesetzte Arbeitsgruppe hat festgestellt, dass Ziele und Verhaltensweisen der SO der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehen. Das kollektive Verhalten der Organisation lässt Anzeichen für eine politische Zielsetzung erkennen, die letztlich darauf ausgerichtet ist, unsere verfassungsmäßige Ordnung zu verändern bzw. zu beseitigen. Dies ergibt sich aus dem von Hubbard verfassten und 1950 erschienenen Grundlagenwerk "Dianetik". Das darin publizierte Verfahren strebt mit Hilfe von Psychotechniken die ideologische Umerziehung und Veränderung der Persönlichkeit von Menschen an. Hierbei erhebt die Methode Anspruch auf den einzig legitimen Weg zur Rettung des einzelnen Menschen und der gesamten Gesellschaft. 25 "Neue Juristische Wochenschrift" 1996, S.143 ff - Az.:5AZB21/94. - 108 - Strukturen Die SO verfügt über diverse Nebenund Unterstrukturen, die sich mit den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Themen beschäftigen. Dazu gehören u.a. das WISE (Welt-Institut für Scientology-Unternehmen), die ABLE (Vereinigung für besseres Leben und Bildung), die KVPM (Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte), deren Ziel es sei, gegen angebliche Menschrechtsverletzungen der modernen Psychiatrie vorzugehen, das ZIEL (Zentrum für Individuelles und Effektives Lernen), die APS zur Schülernachhilfe, die NARCONON zur Drogenrehabilitation und CRIMINON zur Rehabilitation von Straftätern. Tatsächliche Anhaltspunkte Im Jahr 1997 erhielten die Verfassungsschutzbehörden auf Grund eines Beschlusses der Innenministerkonferenz den Auftrag, die SO zu beobachten. Grundlage hierfür war die Feststellung, dass bei der SO tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen. Diese Anhaltspunkte finden sich u.a. in den von HUBBARD verfassten Schriften, Regelwerken und Richtlinienbriefen (policy letters), die immer noch innerhalb der Organisation ihre Gültigkeit haben. In diesen Schriften finden sich zahlreiche und eindeutige Anhaltspunkte dafür, dass die SO eine scientologische Weltordnung errichten und dazu grundlegende Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaates außer Kraft setzen will. In diesem "Scientologischen Gesellschaftssystem" werden nur denjenigen Rechte zuerkannt, die das so genannte Auditing-Verfahren angewandt haben und zu "geclearten", d.h. zu geheilten Menschen geworden sind. Ferner heißt es in einem Zitat von HUBBART: "Wenn wir alle zusammen mit allen Organisationen unsere gemeinsame Kraft als eine Bemühung Schulter-an-Schulter ausübten, würden wir diesen Planeten einfach so, und nur mit dem, was wir wissen, übernehmen."26 26 FREEWINDS, Ausgabe 42 von 2001, S. 23. - 109 - Aktivitäten Neben den Mitgliederzahlen stagnieren auch die Aktivitäten der SO in Bremen. Wie in den Jahren zuvor trat das "Dianetik-Zentrum der Scientology-Mission Bremen e.V." als Anmelder von mehreren Informationsständen in verschiedenen Bremer Stadtteilen auf. Die Aktionen der SO stießen in der Bremer Öffentlichkeit auf wenig Interesse. - 110 - VI. Geheimschutz Materieller Geheimschutz Ziel des Geheimschutzes ist der Schutz staatlicher Verschlusssachen. Er soll die Kenntnisnahme durch Unbefugte verhindern, um dadurch eine Gefährdung des Bestandes, der Sicherheit oder sonstiger Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder auszuschließen. Die Sicherheit des demokratischen Rechtsstaates und die seiner Bürger sind aber unverzichtbare Verfassungswerte. Unabhängig von ihrer Darstellungsform sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die geheim zu halten sind, Verschlusssachen (VS). Sie werden je nach dem Schutz, dessen sie bedürfen, nach SS 5 Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BremSÜG) in die vier folgenden Geheimhaltungsgrade eingestuft: STRENG GEHEIM GEHEIM VS-VERTRAULICH VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH Der Schutz der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen (Verschlusssachen) wird durch Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. Sie sind in der Verschlusssachenanweisung (VSA) des Landes Bremen vom 05. Januar 1996 sowie ergänzenden Richtlinien zusammengefasst. Personeller Geheimschutz Beim personellen Geheimschutz sollen Sicherheitsüberprüfungen verhindern, dass Personen mit Sicherheitsrisiken sicherheitsempfindliche Tätigkeiten ausüben. - 111 - Die Pflichten und Befugnisse der an einer Sicherheitsüberprüfung Beteiligten sind im Gesetz über die Vorraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Landes Bremen (Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - BremSÜG) geregelt. Das am 30. Juni 1998 von der Bremischen Bürgerschaft verabschiedete Gesetz lehnt sich an das auf Bundesebene geltende SÜG an und löste die bis dahin geltenden Sicherheitsrichtlinien des Landes Bremen von 1961 ab. Die Verantwortung für den personellen und materiellen Geheimschutz in den einzelnen Dienststellen trägt der Leiter der jeweiligen Dienststelle, der diese Aufgaben weitgehend auf einen Geheimschutzbeauftragten übertragen kann. Dieser arbeitet bei der Erfüllung seiner Aufgaben eng mit den Verfassungsschutzbehörden zusammen, denen der Gesetzgeber Mitwirkungspflichten beim Geheimschutz übertragen hat (SS 3 Abs. 2 Bremisches Verfassungsschutzgesetz). Sicherheitsüberprüfungen Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Das SÜG sieht für Sicherheitsüberprüfungen drei Überprüfungsarten vor: * (Ü1) - einfache Sicherheitsüberprüfung * (Ü2) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung * (Ü3) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen. Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Verschlusssachengrades, zu dem der/die Betroffene Zugang erhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Lebenspartner / Lebenspartnerin in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personen auf den Betroffenen auswirken können. Die Sicherheitsüberprüfung wird mit dem Ziel durchgeführt, mögliche sicherheitserhebliche Erkenntnisse bei dem Betroffenen festzustellen, aus denen sich Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben. Sicherheitsri- - 112 - siken sind gegeben, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen oder an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder Erpressbarkeit bzw. Anfälligkeit für Anbahnungsund Werbungsversuche durch fremde Nachrichtendienste für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland vorliegen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass eine Sicherheitsüberprüfung nur mit vorheriger Zustimmung des Betroffenen erfolgen darf. Das LfV gibt gegenüber den für die Sicherheitsüberprüfung zuständigen Stellen ein so genanntes Sicherheitsvotum ab. Das Votum ist eine Entscheidungshilfe, auf deren Grundlage die zuständige Stelle (Beschäftigungsbehörde) über die Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entscheidet. Das Ende der Ost-West-Konfrontation und die Intention des im Jahre 1998 in Kraft getretenen Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, den Kreis der staatlichen Geheimnisträger auf den notwendigen Kernbestand zu beschränken, hatte zur Folge, dass das Antragsaufkommen bei den Sicherheitsüberprüfungen im Laufe der letzten Jahre abgenommen hat. Regelanfragen Die nach den Ereignissen im September 2001 eingeführten Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungen sowie die Anfragen vor Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis sind gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen. Angestiegen ist die Zahl der Personen, die nach dem Luftverkehrs-, Hafensicherheitsund Sprengstoffgesetz überprüft wurden. - 113 - Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2007 folgendes Bild: Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 29 a Luftverkehrgesetz pro Jahr: 2006 2007 2048 Personen 2272 Personen Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 13 Hafensicherheitsgesetz: 2006 2007 21 Personen 58 Personen Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 8 Sprengstoffgesetz: 2006 2007 34 Personen 47 Personen Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungen: 2006 2007 2926 Personen 2630 Personen Regelanfragen vor Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung: 2006 2007 2491 Personen 2299 Personen - 114 - VII. Rechtsvorschriften 1. Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen (Bremisches Verfassungsschutzgesetz - BremVerfSchG) Vom 28. Februar 2006 Inhaltsübersicht Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften SS 1 Zweck und Auftrag des Verfassungsschutzes SS 2 Zuständigkeit SS 3 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 4 Aufklärung der Öffentlichkeit SS 5 Begriffsbestimmungen Abschnitt 2 Befugnisse, nachrichtendienstliche Mittel, Datenverarbeitung SS 6 Allgemeine Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 7 Besondere Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 8 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS 9 Einsatz technischer Mittel im Schutzbereich von Artikel 13 Grundgesetz SS 10 Weiterverarbeitung; Mitteilung an Betroffene SS 11 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 13 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien SS 14 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Akten SS 15 Verfahrensbeschreibungen Abschnitt 3 Auskunft SS 16 Auskunft an Betroffene Abschnitt 4 Informationsübermittlung SS 17 Grenzen der Übermittlung personenbezogener Daten SS 18 Übermittlung von Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz SS 19 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 20 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 21 Übermittlung von Informationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit - 115 - SS 23 Übermittlungsverbote, Minderjährigenschutz SS 24 Pflichten der empfangenden Stelle SS 25 Nachberichtspflicht Abschnitt 5 Parlamentarische Kontrolle SS 26 Parlamentarische Kontrollkommission SS 27 Zusammensetzung, Wahl der Mitglieder SS 28 Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission SS 29 Geschäftsordnung, Geheimhaltung SS 30 Eingaben Abschnitt 6 Schlussvorschriften SS 31 Geltung des Bremischen Datenschutzgesetzes SS 32 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften SS1 Zweck und Auftrag des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. Er erfüllt diesen Auftrag durch 1. die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1, 2. die Unterrichtung der Landesregierung und die Mitwirkung an der Aufklärung der Öffentlichkeit über diese Bestrebungen und Tätigkeiten, 3. die Wahrnehmung der in diesem Gesetz geregelten sonstigen Mitwirkungsaufgaben sowie 4. den in diesem Gesetz oder in anderen Rechtsvorschriften vorgesehenen Informationsaustausch mit anderen Stellen. SS2 Zuständigkeit (1) Verfassungsschutzbehörde ist das Landesamt für Verfassungsschutz im Geschäftsbereich des Senators für Inneres und Sport. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz und polizeiliche Dienststellen dürfen einander nicht angegliedert werden. (3) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Lande Bremen nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Ihre Befugnisse bestimmen sich dabei nach den Vorschriften dieses Gesetzes. (4) Hat sich das Bundesamt für Verfassungsschutz wegen beabsichtigter eigener Maßnahmen im Lande Bremen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz ins Benehmen gesetzt (SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes), so unterrichtet das Landesamt für Verfassungsschutz den Senator für Inneres und Sport über die Herstellung des Benehmens. - 116 - (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf andere Verfassungsschutzbehörden nicht um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. SS3 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. Die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder die Vertreterin oder der Vertreter bestimmt die Objekte, die zur Erfüllung der Aufgaben nach Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 planmäßig zu beobachten und aufzuklären sind (Beobachtungsobjekte). SS 6 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend. Die Bestimmung eines Beobachtungsobjektes ist regelmäßig zu überprüfen. Sie ist aufzuheben, wenn die Voraussetzung des SS 6 Abs. 1 Satz 3 entfallen ist. Die Bestimmung eines Beobachtungsobjektes bedarf der persönlichen Zustimmung des Senators für Inneres und Sport oder seiner Vertreterin oder seines Vertreters. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet den Senator für Inneres und Sport regelmäßig und umfassend über die Wahrnehmung seiner Aufgaben und seine Auswertungsergebnisse. Die Unterrichtung soll die zuständigen Stellen in die Lage versetzen, Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach Absatz 1 zu beurteilen und die erforderlichen Abwehrmaßnahmen zu treffen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. SS4 Aufklärung der Öffentlichkeit (1) Der Senator für Inneres und Sport klärt die Öffentlichkeit auf der Grundlage der Auswertungsergebnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz durch zusammenfassende Berichte über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 auf. Hierzu gehört ein regelmäßiger Verfassungsschutzbericht, in dem auch die Summe der Haushaltsmittel für das Landesamt für Verfassungsschutz sowie die Gesamtzahl seiner Bediensteten nach Stellen und Beschäftigungsvolumen darzustellen sind. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt ergänzend durch eigene Maßnahmen an der Aufklärung der Öffentlichkeit mit; es kann dabei zugleich über die Wahrnehmung seiner Aufgaben unterrichten. SS5 Begriffsbestimmungen (1) Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 sind politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne - 117 - des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 oder 4, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes: solche, die darauf gerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes: solche, die darauf gerichtet sind, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung: solche, die darauf gerichtet sind, einen der in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. (3) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz und in der Landesverfassung konkretisierten Menschenrechte. (4) Eine Gefährdung auswärtiger Belange im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 liegt nur dann vor, wenn die Gewalt innerhalb der Bundesrepublik Deutschland angewendet oder vorbereitet wird und sie sich gegen die politische Ordnung oder Einrichtungen anderer Staaten richtet oder richten soll. (5) Gewalt im Sinne dieses Gesetzes ist die Anwendung körperlichen Zwanges gegen Personen und die gewalttätige Einwirkung auf Sachen. (6) Sammlung von personenbezogenen Daten ist das Erheben im Sinne des Bremischen Datenschutzgesetzes. Abschnitt 2 Befugnisse, nachrichtendienstliche Mittel, Datenverarbeitung SS6 Allgemeine Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten sowie besonderer Arten personenbezogener Daten nach SS 2 Abs. 6 des Bremischen Datenschutzgesetzes erheben und weiter verarbeiten, soweit dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften nicht besondere Regelungen treffen. Regelungen dieses Gesetzes über die Verarbeitung personenbezogener Daten gelten für die Verarbeitung besonderer Arten personenbezogener Daten gleichermaßen. Voraussetzung für die Sammlung von Informationen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die, insgesamt betrachtet und unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Erfahrungen, den Verdacht einer der in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten rechtfertigen. (2) Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit deren Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben, es sei denn, dass die Erhebung für Zwecke des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht bekannt werden darf. Die Betroffenen sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. - 118 - (3) Ist zum Zwecke der Sammlung von Informationen die Weitergabe personenbezogener Daten unerlässlich, so dürfen schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nur im unvermeidbaren Umfang beeinträchtigt werden. (4) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (5) Bei der Sammlung und Verarbeitung von Informationen hat das Landesamt für Verfassungsschutz von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS7 Besondere Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen. Absatz 1 Halbsatz 2 gilt entsprechend. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die Auskunft kann auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und die zukünftige Nutzung von Telediensten eingeholt werden. Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten sind 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennungen sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der von der Kundin oder dem Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund Teledienst-Dienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (5) Über das Einholen von Auskünften nach den Absätzen 1 bis 4 entscheidet der Senator für Inneres und Sport auf Antrag des Landesamtes für Verfassungsschutz. Der Antrag ist zu begründen und von der Leiterin oder dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder der Vertreterin oder dem Vertreter zu unterzeichnen. Die Entscheidung des Senators für Inneres und Sport bedarf der Zustimmung der nach SS 1 Abs. 3 des Bremischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes bestehenden Kommission (G-10-Kommission). Bei Gefahr im Verzuge kann der Senator für Inneres und Sport anordnen, dass die Entscheidung bereits vor der Zustimmung der G-10-Kommission vollzogen wird. In diesem Fall ist die nachträgliche Zustimmung unverzüglich einzuholen. (6) Die G-10-Kommission prüft im Rahmen der Erteilung der Zustimmung gemäß Absatz 5 Satz 3 sowie aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften nach den Absätzen 1 bis 4. SS 3 Abs. 1 des Bremischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes ist entsprechend anzuwenden. Entscheidungen über Auskünfte, die die G-10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat der Senator für Inneres und Sport unverzüglich aufzuheben. Wird die nachträgliche Zustimmung im Fall des Absatzes 5 Satz 4 versagt, so ist die Anordnung aufzuheben und die aufgrund der Anordnung erhobenen Daten sind unverzüglich zu löschen. Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen weder den Betroffenen noch Dritten vom Auskunftsgeber mitgeteilt werden. (7) Der Senator für Inneres und Sport unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über die Durchführung der Absätze 1 bis 4; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet der Bürgerschaft jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4. - 119 - (8) Der Senator für Inneres und Sport unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes jährlich über die nach den Absätzen 1 bis 4 durchgeführten Maßnahmen; dabei ist ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. (9) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6 eingeschränkt. SS8 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur heimlichen Informationsbeschaffung, einschließlich der heimlichen Erhebung personenbezogener Daten, nur folgende nachrichtendienstliche Mittel anwenden: 1. Inanspruchnahme von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informantinnen und Informanten und Gewährspersonen; 2. Einsatz von verdeckt ermittelnden Beamtinnen und Beamten; 3. Observationen und für besondere Observationszwecke bestimmte technische Mittel; 4. heimliche Bildaufzeichnungen; 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen; 6. heimliches Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel; 7. heimliches Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel; 8. Beobachtung des Funkverkehrs auf nicht für den allgemeinen Empfang bestimmten Kanälen; 9. fingierte biographische, berufliche oder gewerbliche Angaben (Legenden); 10. Tarnpapiere und Tarnkennzeichen; 11. Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel-10-Gesetzes; 12. Technische Mittel, mit denen zur Ermittlung des Standortes und zur Ermittlung der Geräteund der Kartennummern aktiv geschaltete Mobilfunkendeinrichtungen zur Datenabsendung an eine Stelle außerhalb des Telekommunikationsnetzes veranlasst werden. (2) Die Mittel nach Absatz 1 dürfen nur angewendet werden, wenn 1. sich ihr Einsatz gegen Personenzusammenschlüsse, in ihnen oder für sie tätige Personen oder gegen Einzelpersonen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 vorliegen; 2. sich ihr Einsatz gegen Personen richtet, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für eine der in Nummer 1 genannten Personen bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben; 3. ihr Einsatz gegen andere als die in den Nummern 1 und 2 genannten Personen unumgänglich ist, um Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder über Bestrebungen zu gewinnen, die sich unter Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter wenden; 4. durch sie die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlichen Quellen in den in Nummer 1 genannten Personenzusammenschlüssen gewonnen oder überprüft werden können oder 5. dies zum Schutz der Bediensteten, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz vor Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht erforderlich ist. (3) In den Fällen des SS 53 der Strafprozessordnung ist die Informationsbeschaffung mit den Mitteln nach Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 7 unzulässig; ergibt sich während oder nach Durchführung der Maßnahme, dass ein Fall des SS 53 der Strafprozessordnung vorliegt, dürfen die Erkenntnisse nicht verwendet werden. In den Fällen des SS 53 a der Strafprozessordnung gilt SS 9 Abs. 4 Satz 2 entsprechend. - 120 - (4) Technische Mittel gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 12 darf das Landesamt für Verfassungsschutz zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel-10Gesetzes einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Personenbezogene Daten Dritter dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen. SS 7 Abs. 5 bis 7 gilt entsprechend. Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (5) Eine Informationsbeschaffung mit den Mitteln nach Absatz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, die Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch ein Ersuchen nach SS 18 Abs. 3 gewonnen werden kann. Die Anwendung eines Mittels nach Absatz 1 darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen, insbesondere nicht außer Verhältnis zu der Gefahr, die von der jeweiligen Bestrebung oder Tätigkeit nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 ausgeht oder ausgehen kann. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (6) Von einem Einsatz eines nachrichtendienstlichen Mittels nach Absatz 1, das in seiner Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommt, ist die Parlamentarische Kontrollkommission in der nächsten nach der Anordnung stattfindenden Sitzung zu unterrichten. (7) Die Behörden des Landes und der Gemeinden sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz technische Hilfe für Tarnmaßnahmen (Absatz 1 Satz 1 Nr. 10) zu leisten. (8) Die näheren Voraussetzungen für die Anwendung der Mittel nach Absatz 1 und die Zuständigkeit für ihre Anordnung sind in Dienstvorschriften durch den Senator für Inneres und Sport umfassend zu regeln. Für die Anordnung des Einsatzes eines Mittels nach Absatz 1 Nr. 2 im Schutzbereich des Artikel 13 des Grundgesetzes ist die Zuständigkeit der Leiterin oder des Leiters des Landesamtes für Verfassungsschutz oder der Vertreterin oder des Vertreters vorzusehen. Vor Erlass solcher Dienstvorschriften ist die Parlamentarische Kontrollkommission rechtzeitig zu unterrichten. SS9 Einsatz technischer Mittel im Schutzbereich von Artikel 13 Grundgesetz (1) Der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung und Informationsaufzeichnung im Schutzbereich des Artikel 13 des Grundgesetzes ist zulässig, wenn die Voraussetzungen nach SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes vorliegen und die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert ist. Er darf nur in Wohnungen der verdächtigen Person erfolgen. In Wohnungen anderer Personen ist der Einsatz von Mitteln nach Satz 1 nur zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die verdächtige Person sich darin aufhält. (2) Die Maßnahme ist nur zulässig, soweit nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass dadurch Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Gespräche in Betriebsoder Geschäftsräumen sind in der Regel nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen. Das Gleiche gilt für Gespräche über Straftaten. (3) Die Maßnahme ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Erkenntnisse über solche Äußerungen dürfen nicht verwendet werden, Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. Ist eine Maßnahme nach Satz 1 unterbrochen, so darf sie unter den in Absatz 2 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Im Zweifel ist über die Unterbrechung oder Fortführung der Maßnahme unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen; SS 100 d Abs. 4 der Strafprozessordnung gilt entsprechend. (4) In den Fällen des SS 53 der Strafprozessordnung ist die Maßnahme unzulässig; ergibt sich während oder nach Durchführung der Maßnahme, dass ein Fall des SS 53 der Strafprozessordnung vorliegt, gilt Absatz 3 Satz 2 und 3 entsprechend. In den Fällen der SSSS 52 und 53 a der Strafprozessordnung dürfen aus der Maßnahme gewonnene Erkenntnisse nur verwertet werden, wenn dies unter Berücksichtigung des zugrundeliegenden Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Erforschung des Sachverhalts steht. (5) Die Maßnahmen bedürfen der richterlichen Anordnung. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Landesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz hat. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Verlängerungen um jeweils höchstens drei weitere Monate sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen für die Anordnung fortbestehen. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Gegen eine Entscheidung, durch welche der Antrag des Landesamtes für Verfassungsschutz abgelehnt wird, steht diesem die Beschwerde zu. Bei Gefahr im Verzuge kann die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder die Vertreterin oder der Vertreter - 121 - die Anordnung treffen; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Der Vollzug der Anordnung erfolgt unter der Aufsicht einer oder eines Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz, die oder der die Befähigung zum Richteramt hat. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. (6) Der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Artikel 13 des Grundgesetzes ist auch zulässig, soweit dieser Einsatz zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen unerlässlich ist. Verdeckte Einsätze nach Satz 1 bedürfen der Anordnung durch die Leiterin oder den Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder durch die Vertreterin oder den Vertreter. (7) Von einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 6 ist die Parlamentarische Kontrollkommission in der nächsten nach der Anordnung stattfindenden Sitzung zu unterrichten. (8) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 1 bis 6 eingeschränkt. SS 10 Weiterverarbeitung; Mitteilung an Betroffene (1) Die durch Maßnahmen nach den SSSS 7 und 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur nach Maßgabe des SS 4 des Artikel-10-Gesetzes weiterverarbeitet werden. (2) Die mit Mitteln nach SS 8 Abs. 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck weiterverarbeitet werden, zu dem sie erhoben worden sind. Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist nur zulässig, wenn das zur Erhebung verwendete Mittel auch für den anderen Zweck hätte angewendet werden dürfen. Für personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach SS 9 Abs. 1 erhoben wurden, gilt SS 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie Abs. 5 und 6 des Artikel-10-Gesetzes entsprechend. Die Daten dürfen außer zu den in SS 9 Abs. 1 genannten Zwecken nur zur Verfolgung der in SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung genannten Straftaten, sofern die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt, und zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person übermittelt werden. Für personenbezogene Daten, die durch solche Maßnahmen nach SS 8 Abs. 1 erhoben wurden, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, gilt SS 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie Abs. 4 bis 6 des Artikel-10-Gesetzes entsprechend. (3) Die durch Maßnahmen nach SS 9 Abs. 6 erhobenen Daten dürfen außer zu den dort genannten Zwecken nur zu den in Absatz 2 Satz 4 genannten Zwecken verwertet werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Die Verwertung bedarf der richterlichen Feststellung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme. SS 9 Abs. 5 Satz 2 und 5 bis 7 gilt entsprechend. Wird die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht nachträglich richterlich bestätigt, so sind die erhobenen Daten unverzüglich zu löschen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in den Absätzen 1, 2 Satz 3 und Absatz 3 bezeichneten Maßnahmen den Betroffenen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Kann eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, so ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald diese Voraussetzung gegeben ist. Wurden personenbezogene Daten übermittelt, so erfolgt die Mitteilung im Benehmen mit der empfangenden Stelle. Einer Mitteilung bedarf es endgültig nicht, wenn 1. die Voraussetzung aus Satz 1 auch fünf Jahre nach Einstellung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, 2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden als auch bei der empfangenden Stelle vorliegen. Bei den in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen stellt die G-10-Kommission das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 4 fest; SS 3 Abs. 1 und 2 des Bremischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes findet entsprechende Anwendung. Bei den übrigen Maßnahmen unterrichtet der Senator für Inneres und Sport die Parlamentarische Kontrollkommission innerhalb von sechs Monaten nach Einstellung über die Mitteilung an die Betroffenen oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Die Parlamentarische Kontrollkommission ist auch über die nach Satz 4 unterbliebenen Mitteilungen zu unterrichten. SS 11 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten - 122 - (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 beteiligt ist, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 2. dies für die Erforschung und Bewertung gewalttätiger Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 oder von Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erforderlich ist oder 3. dies zur Schaffung nachrichtendienstlicher Zugänge zu Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlich ist. In Akten dürfen über Satz 1 Nr. 2 hinaus personenbezogene Daten auch gespeichert, verändert und genutzt werden, wenn dies sonst zur Erforschung und Bewertung von Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 erforderlich ist. In Akten dürfen über Satz 1 Nr. 2 hinaus personenbezogene Daten auch gespeichert, verändert und genutzt werden, wenn dies sonst zur Erforschung und Bewertung von Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 13 und 4 erforderlich ist. (2) Personenbezogene Daten dürfen nur dann in Dateien gespeichert werden, wenn sie aus Akten ersichtlich sind. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. SS 12 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 11 Daten über das Verhalten Minderjähriger aus der Zeit vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, nur speichern, verändern oder nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person eine der in SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In automatisierten Dateien ist eine Speicherung von Daten oder über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. (2) Die nach Absatz 1 über Personen vor Vollendung des 16. Lebensjahres gespeicherten Daten sind zwei Jahre nach der Speicherung zu löschen, es sei denn, dass weitere Informationen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 hinzugekommen sind. Die nach Absatz 1 über Personen nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres gespeicherten Daten sind zwei Jahre nach der Speicherung auf die Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung zu überprüfen. Sie sind spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Informationen über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 hinzugekommen sind. SS 13 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; es hat sie zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt sein können. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn 1. ihre Speicherung unzulässig war oder 2. ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der Betroffenen weiter verarbeitet werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu ergänzen, zu löschen oder zu sperren sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind spätestens zehn Jahre, über Bestrebungen nach Nr. 3 oder 4 spätestens 15 Jahre nach dem Zeit- - 123 - punkt der letzten Speicherung einer Information über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 zu löschen. (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nach dem Bremischen Datenschutzgesetz weiter verarbeitet werden. SS 14 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Akten (1) Stellt das Landesamt für Verfassungsschutz fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, berichtigt es diese; sofern die Daten durch die Berichtigung unverständlich würden, ist die Berichtigung mittels eines ergänzenden Vermerks vorzunehmen. Wird die Richtigkeit personenbezogener Daten von Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken. (2) Für Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, gilt SS 13 Abs. 2 und 3 entsprechend. Im Übrigen hat das Landesamt für Verfassungsschutz personenbezogene Daten zu sperren, wenn es bei der Einzelfallbearbeitung feststellt, dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden, und die Daten für die künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr weiter verarbeitet werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen. SS 15 Verfahrensbeschreibungen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, in einer Beschreibung für jedes automatisierte Verfahren, mit dem personenbezogene Daten verarbeitet werden, festzulegen: 1. die Bezeichnung des Verfahrens und die Zweckbestimmung der Verarbeitung, 2. die Art der verarbeiteten Daten sowie die Rechtsgrundlage ihrer Verarbeitung, 3. den Kreis der Betroffenen, 4. die Empfänger oder den Kreis von Empfängern, denen Daten mitgeteilt werden können, 5. Fristen für das Sperren und Löschen der Daten, 6. die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach SS 7 BremDSG, 7. eine geplante Datenübermittlung in Staaten außerhalb der Europäischen Union. Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die Angaben nach Satz 1 für mehrere gleichartige Verfahren in einer Verfahrensbeschreibung zusammenfassen. Satz 1 gilt nicht für Dateien, die ausschließlich aus verarbeitungstechnischen Gründen vorübergehend vorgehalten werden. (2) Verfahrensbeschreibungen bedürfen der vorherigen Zustimmung des Senators für Inneres und Sport. Vor ihrem Erlass ist die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz anzuhören. (3) Die Speicherung personenbezogener Daten ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. In angemessenen Abständen ist die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung der Dateien zu überprüfen. (4) In der Verfahrensbeschreibung über personenbezogene Textdateien ist die Zugriffsberechtigung auf Personen zu beschränken, die unmittelbar mit Arbeiten in dem Gebiet betraut sind, dem die Textdateien zugeordnet sind; Auszüge aus Textdateien dürfen nicht ohne die dazugehörenden erläuternden Unterlagen übermittelt werden. - 124 - Abschnitt 3 Auskunft SS 16 Auskunft an Betroffene (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt Betroffenen auf schriftlichen Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf Angaben zur Herkunft der Daten sowie im Falle von Übermittlungen auf Angaben zu den empfangenden Stellen. Über Daten aus Akten, die nicht zur Person der Betroffenen geführt werden, wird Auskunft nur erteilt, soweit die Daten, namentlich aufgrund von Angaben der Betroffenen, mit angemessenem Aufwand auffindbar sind. Das Landesamt für Verfassungsschutz bestimmt Verfahren und Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen. (2) Die Auskunftserteilung kann nur abgelehnt werden, soweit 1. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, 2. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der berechtigten Interessen von Dritten geheimgehalten werden müssen oder 3. durch die Auskunftserteilung Informationsquellen gefährdet würden oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz unter Abwägung der in Satz 1 Nrn. 1 bis 3 genannten Interessen mit dem Interesse der antragstellenden Person an der Auskunftserteilung. Die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz kann eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter damit beauftragen, ebenfalls Entscheidungen nach Satz 1 zu treffen. (3) Die Ablehnung einer Auskunft bedarf keiner Begründung, soweit durch die Begründung der Zweck der Ablehnung gefährdet würde. Die Gründe der Ablehnung sind aktenkundig zu machen. Wird der antragstellenden Person keine Begründung für die Ablehnung der Auskunft gegeben, so ist ihr die Rechtsgrundlage dafür zu nennen. Ferner ist sie darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Der oder dem Landesbeauftragten ist auf Verlangen Auskunft zu erteilen. Stellt der Senator für Inneres und Sport fest, dass durch die Erteilung der Auskunft nach Satz 5 die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde, so darf die Auskunft nur der Landesbeauftragten oder dem Landesbeauftragten persönlich erteilt werden. Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten an die antragstellende Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des Landesamtes für Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht einer weitergehenden Mitteilung zustimmt. (4) Auskunftsrechte, die in anderen Rechtsvorschriften geregelt sind, finden auf dieses Gesetz keine Anwendung. Abschnitt 4 Informationsübermittlung SS 17 Grenzen der Übermittlung personenbezogener Daten Wird nach den Bestimmungen dieses Abschnitts um die Übermittlung personenbezogener Daten ersucht, so dürfen nur solche Daten übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde oder Stelle bereits bekannt sind oder von ihr aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. SS 18 Übermittlung von Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes und der Gemeinden, insbesondere die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Behörden des Polizeivollzugsdienstes, sowie die sonstigen der ausschließlichen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unterrichten von sich aus das Landesamt für Verfassungsschutz über die ihnen bekannt gewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland erkennen lassen, die sich unter Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 genannten Schutzgüter wenden. - 125 - (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Behörden des Polizeivollzugsdienstes sowie die Ausländerbehörden übermitteln darüber hinaus von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die in Absatz 1 genannten Stellen um Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen, wenn diese nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Die Ersuchen sind aktenkundig zu machen. (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nach den Absätzen 1 bis 3 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel-10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Satz 1 übermittelten personenbezogenen Daten findet SS 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 sowie Abs. 4 bis 6 des Artikel-10-Gesetzes entsprechende Anwendung. (5) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen (SSSS 94 bis 100, 100 c bis 111 p, 163 e und 163 f der Strafprozessordnung) bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 oder 4 oder von Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bestehen. Die nach Satz 1 übermittelten personenbezogenen Daten dürfen nur zur Erforschung solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten genutzt werden. SS 19 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Gewinnung von Informationen über gewalttätige Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 oder 4 oder über Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 die von öffentlichen Stellen geführten Register, insbesondere Grundbücher, Personenstandsbücher, Melderegister, Personalausweisregister, Passregister, Führerscheinkartei, Waffenerlaubnisregister, einsehen. (2) Die Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle den Zweck der Maßnahme gefährden würde oder 2. die betroffene Person durch eine anderweitige Informationsgewinnung unverhältnismäßig beeinträchtigt würde. Die Einsichtnahme ist unzulässig, wenn ihr eine gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder eine Pflicht zur Wahrung von Berufsgeheimnissen entgegensteht. (3) Die Einsichtnahme ordnet die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, im Falle der Verhinderung die Vertreterin oder der Vertreter, an. (4) Die durch Einsichtnahme in Register gewonnenen Informationen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. Gespeicherte Informationen sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich sind. (5) Über jede Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, das eingesehene Register und die registerführende Stelle sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen, deren Daten für eine weitere Verarbeitung erforderlich sind. Diese Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Anfertigung folgt, zu vernichten. SS 20 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an inländische Behörden übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder die empfangende Stelle die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit oder der Strafverfolgung benötigt. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck weiterverarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt wurden. - 126 - (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Dienststellen der alliierten Streitkräfte übermitteln, soweit dies im Rahmen der Zusammenarbeit nach Artikel 3 des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) erforderlich ist. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, soweit die Übermittlung in einem Gesetz, einem Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften oder einer internationalen Vereinbarung geregelt ist. Eine Übermittlung darf auch erfolgen, wenn sie 1. zum Schutz von Leib oder Leben erforderlich ist oder 2. zur Erfüllung eigener Aufgaben, insbesondere in Fällen grenzüberschreitender Tätigkeiten des Landesamtes, unumgänglich ist und im Empfängerland gleichwertige Datenschutzregelungen gelten. Die Übermittlung unterbleibt, wenn ihr auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen, insbesondere deren Schutz vor einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. Die Übermittlung der von einer Ausländerbehörde empfangenen personenbezogenen Daten unterbleibt, es sei denn, die Übermittlung ist völkerrechtlich geboten. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten nur für den Zweck weiter verarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt wurden. Sie ist auf die Verarbeitungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass sich das Landesamt für Verfassungsschutz vorbehält, Auskunft über die Verarbeitung der Daten zu verlangen. (4) Personenbezogene Daten dürfen an einzelne Personen oder an andere als die in den Absätzen 1 bis 3 genannten Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 oder zur Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen erforderlich ist und der Senator für Inneres und Sport der Übermittlung zugestimmt hat. Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über jede Übermittlung personenbezogener Daten nach Satz 1 einen gesonderten Nachweis, aus dem der Zweck der Übermittlung, ihre Veranlassung, die Aktenfundstelle und die empfangende Stelle hervorgehen. Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Anfertigung folgt, zu vernichten. Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten nur für den Zweck weiterverarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt wurden. Sie ist auf die Verarbeitungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass sich das Landesamt für Verfassungsschutz vorbehält, Auskunft über die Verarbeitung der Daten zu verlangen. Die Übermittlung der personenbezogenen Daten ist der betroffenen Person durch das Landesamt für Verfassungsschutz mitzuteilen, sobald eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Mitteilung nicht mehr zu besorgen ist. Die Zustimmung nach Satz 1 und das Führen eines Nachweises nach Satz 2 sind nicht erforderlich, wenn personenbezogene Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz zum Zweck von Datenerhebungen an andere Stellen übermittelt werden. SS 21 Übermittlung von Informationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Behörden des Polizeivollzugsdienstes von sich aus die ihm bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von folgenden Straftaten erforderlich ist: 1. die in SS 74 a Abs. 1 und SS 120 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, 2. sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielrichtung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation anzunehmen ist, dass sie sich gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genannten Schutzgüter wenden. (2) Die Polizeibehörden dürfen zur Verhinderung von Straftaten nach Absatz 1 das Landesamt für Verfassungsschutz um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit Bei der Aufklärung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien dürfen personenbezogene Daten nur bekannt gegeben werden, wenn die Veröffentlichung für die Aufklärung über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlich ist und das Interesse der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. - 127 - SS 23 Übermittlungsverbote, Minderjährigenschutz (1) Die Übermittlung von Informationen nach den Vorschriften dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 1. die Informationen zu löschen sind, 2. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass die Informationen für die empfangende Stelle nicht erforderlich sind, 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen, insbesondere ihres Bezuges zu der engeren Persönlichkeitssphäre der betroffenen Person, und der Umstände ihrer Erhebung das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person das Interesse der Allgemeinheit an der Übermittlung überwiegt, 4. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 5. besondere Regelungen in Rechtsvorschriften, in Standesrichtlinien oder Verpflichtungen zur Wahrung besonderer Amtsgeheimnisse der Übermittlung entgegenstehen. (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger über ihr Verhalten vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder an überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. Dasselbe gilt für Informationen über Personenzusammenschlüsse, deren Mitglieder überwiegend Minderjährige sind, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. SS 24 Pflichten der empfangenden Stelle Die empfangende Stelle prüft, ob die ihr nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass dies nicht der Fall ist, so hat sie die entsprechenden Unterlagen zu vernichten und gespeicherte Daten zu löschen. Die Vernichtung und die Löschung können unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. SS 25 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung als unvollständig oder unrichtig, so sind sie gegenüber der empfangenden Stelle unverzüglich zu ergänzen oder zu berichtigen, es sei denn, dass der Mangel für die Beurteilung des Sachverhalts offensichtlich ohne Bedeutung ist. Werden personenbezogene Daten wegen ihrer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nach ihrer Übermittlung gelöscht oder gesperrt, so ist dies der empfangenden Stelle unter Angabe der Gründe, die zu der Löschung oder Sperrung geführt haben, unverzüglich mitzuteilen. Abschnitt 5 Parlamentarische Kontrolle SS 26 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes übt unbeschadet der Rechte der Bürgerschaft und ihrer sonstigen Ausschüsse eine besondere, von der Bürgerschaft gebildete Parlamentarische Kontrollkommission aus. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende einer Wahlperiode der Bürgerschaft hinaus aus, bis die nachfolgende Bürgerschaft eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. - 128 - SS 27 Zusammensetzung, Wahl der Mitglieder (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern. Die Bürgerschaft wählt sie zu Beginn jeder Wahlperiode aus ihrer Mitte. (2) Scheidet ein Mitglied oder stellvertretendes Mitglied aus der Bürgerschaft oder aus seiner Fraktion aus, verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission; es ist unverzüglich ein neues Mitglied oder stellvertretendes Mitglied zu wählen. Das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. SS 28 Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Der Senator für Inneres und Sport ist verpflichtet, die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz im Allgemeinen sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission hat das Recht, Auskünfte des Senators für Inneres und Sport einzuholen, von diesem Einsicht in Akten und andere Unterlagen sowie Zugang zu Einrichtungen des Landesamtes für Verfassungsschutz zu verlangen und Auskunftspersonen anzuhören. Sie übt diese Rechte auf Antrag mindestens eines ihrer Mitglieder aus. (3) Das Kontrollbegehren ist an den Senator für Inneres und Sport zu richten; dieser kann widersprechen, wenn es die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz gefährden würde; dies hat er vor der Parlamentarischen Kontrollkommission zu begründen. (4) Die Parlamentarische Kontrollkommission kann feststellen, dass der Unterrichtungsanspruch nicht oder nicht hinreichend erfüllt und eine weitergehende Unterrichtung erforderlich ist; hiervon kann sie der Bürgerschaft Mitteilung machen. SS 29 Geschäftsordnung, Geheimhaltung (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt eine Person, die den Vorsitz ausübt und gibt sich eine Geschäftsordnung. Diese regelt auch, unter welchen Voraussetzungen Sitzungsunterlagen und -protokolle von den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission oder ihren stellvertretenden Mitgliedern eingesehen werden können. Beschlüsse der Parlamentarischen Kontrollkommission bedürfen der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Person, die den Vorsitz ausübt. (2) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind; dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. SS 30 Eingaben Eingaben von Personen über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz sind der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Kenntnis zu geben. Abschnitt 6 Schlussvorschriften SS 31 Geltung des Bremischen Datenschutzgesetzes Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, finden die Vorschriften des Bremischen Datenschutzgesetzes Anwendung. - 129 - SS 32 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1982 (Brem.GBl. S. 91 - 12-b1) außer Kraft. (2) SS 7, SS 8 Abs. 1 Nr. 12 und SS 9 treten mit Ablauf des 10. Januar 2007 außer Kraft. Sie sind vorher zu evaluieren. Bremen, den 28. Februar 2006 Der Senat - 130 - 2. Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Landes Bremen (Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - BremSÜG) Vom 30. Juni 1998 Inhaltsverzeichnis Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften SS 1 Anwendungsbereich und Zweck des Gesetzes SS 2 Sicherheitsempfindliche Tätigkeiten SS 3 Betroffener Personenkreis SS 4 Zuständigkeit SS 5 Verschlußsachen SS 6 Sicherheitsrisiken, sicherheitserhebliche Erkenntnisse SS 7 Rechte und Pflichten der betroffenen und der einbezogenen Person Abschnitt 2 Überprüfungsarten und Durchführungsmaßnahmen SS 8 Arten der Sicherheitsüberprüfung SS 9 Einfache Sicherheitsüberprüfung SS 10 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung SS 11 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen SS 12 Datenerhebung SS 13 Maßnahmen bei den einzelnen Überprüfungsarten Abschnitt 3 Verfahren SS 14 Sicherheitserklärung SS 15 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung SS 16 Vorläufige Zuweisung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit SS 17 Sicherheitserhebliche Erkenntnisse nach Abschluß der Sicherheitsüberprüfung SS 18 Ergänzung der Sicherheitserklärung und Wiederholungsüberprüfung Abschnitt 4 Akten über die Sicherheitsüberprüfung; Datenverarbeitung SS 19 Sicherheitsakte und Sicherheitsüberprüfungsakte SS 20 Aufbewahrung und Vernichtung der Unterlagen SS 21 Speichern, Verändern und Nutzen personenbezogener Daten in Dateien SS 22 Übermittlung und Zweckbindung SS 23 Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten SS 24 Auskunft, Akteneinsicht Abschnitt 5 Sonderregelungen bei Sicherheitsüberprüfungen für nicht-öffentliche Stellen SS 25 Anwendungsbereich SS 26 Zuständigkeit SS 27 Sicherheitserklärung SS 28 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung, Weitergabe sicherheitserheblicher Erkenntnisse SS 29 Aktualisierung der Sicherheitserklärung SS 30 Übermittlung von Informationen über persönliche und arbeitsrechtliche Verhältnisse SS 31 Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle SS 32 Datenverarbeitung, -nutzung und -berichtigung in automatisierten Dateien Abschnitt 6 Reisebeschränkungen und Schlußvorschriften SS 33 Reisebeschränkungen SS 34 Allgemeine Verwaltungsvorschriften SS 35 Inkrafttreten - 131 - Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften SS1 Anwendungsbereich und Zweck des Gesetzes (1) Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Überprüfung einer Person, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (Sicherheitsüberprüfung) oder bereits betraut worden ist (Wiederholungsüberprüfung). (2) Zweck der Überprüfung ist es, im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse vor dem Zugang von Personen zu schützen, bei denen ein Sicherheitsrisiko vorliegt (personeller Geheimschutz). (3) Dieses Gesetz gilt für Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Landes, der Gemeinden und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Es gilt zudem für politische Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes, soweit sie ihren Sitz im Land haben oder es sich um eine auf das Land beschränkte Untergliederung von Parteien handelt. Für nichtöffentliche Stellen gilt dieses Gesetz nach Maßgabe des Abschnitts 5. SS2 Sicherheitsempfindliche Tätigkeiten Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt aus, wer 1. Zugang zu Verschlußsachen hat oder ihn sich verschaffen kann, die STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VS-VERTRAULICH eingestuft sind, 2. Zugang zu Verschlußsachen ausländischer, überoder zwischenstaatlicher Stellen hat oder ihn sich verschaffen kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland, die Freie Hansestadt Bremen oder ein anderes Land verpflichtet ist, nur sicherheitsüberprüfte Personen hierzu zuzulassen, 3. in einer in SS 1 Abs. 3 Satz 1 genannten Stelle oder in einem Teil von ihr tätig ist, die aufgrund des Umfangs und der Bedeutung dort anfallender Verschlußsachen von der jeweils zuständigen obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Senator für Inneres zum Sicherheitsbereich erklärt worden ist. SS3 Betroffener Personenkreis (1) Eine Person, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (betroffene Person), ist vorher einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit darf erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres übertragen werden. Auf eine Sicherheitsüberprüfung nach diesem Gesetz kann verzichtet werden, wenn für die betroffene Person vor weniger als fünf Jahren eine gleichoder höherwertige Sicherheitsüberprüfung durchgeführt worden ist und die Unterlagen verfügbar sind. (2) Wer mit der betroffenen Person verheiratet ist oder mit ihr in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft lebt (Lebenspartnerin oder Lebenspartner) und volljährig ist, soll in die Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 10 und 11 einbezogen werden (einbezogene Person). Über Ausnahmen entscheidet die zuständige Stelle. Geht die betroffene Person die Ehe, die eheähnliche oder gleichgeschlechtliche Gemeinschaft während oder erst nach erfolgter Sicherheitsüberprüfung ein, so ist die zuständige Stelle zu unterrichten, um sie in die Lage zu versetzen, die Einbeziehung der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners in die Sicherheitsüberprüfung nachzuholen. Das gleiche gilt bei später eintretender Volljährigkeit der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners. (3) Dieses Gesetz gilt nicht für: 1. die Mitglieder der Bürgerschaft (Landtag) und des Senats, 2. Richterinnen und Richter, soweit sie Aufgaben der Rechtsprechung wahrnehmen, 3. ausländische Staatsangehörige, die in der Bundesrepublik Deutschland im Interesse überoder zwischenstaatlicher Stellen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach SS 2 Nr. 2 ausüben sollen. - 132 - SS4 Zuständigkeit (1) Zuständige Stelle für die Sicherheitsüberprüfung ist 1. diejenige in SS 1 Abs., 3 Satz 1 genannten Stelle, die einer Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zuweisen, übertragen oder sie dazu ermächtigen will, es sei denn, die jeweilige oberste Landesbehörde übernimmt die Aufgaben der zuständigen Stelle, 2. bei politischen Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes sowie deren Stiftungen die Partei selbst. (2) Die Aufgaben der zuständigen Stelle nach diesem Gesetz sind von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit wahrzunehmen. (3) Mitwirkende Behörde bei der Sicherheitsüberprüfung ist das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Bremen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz führt Sicherheitsüberprüfungen für Bewerberinnen und Bewerber sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des eigenen Dienstes nach den Vorschriften dieses Gesetzes selbst durch. SS5 Verschlußsachen (1) Verschlußsachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. Sie werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung eingestuft. (2) Eine Verschlußsache ist 1. STRENG GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann, 2. GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann, 3. VS-VERTRAULICH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann, 4. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. SS6 Sicherheitsrisiken, sicherheitserhebliche Erkenntnisse (1) Ein Sicherheitsrisiko im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen, 2. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsund Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpreßbarkeit, begründen oder 3. erhebliche Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Ein Sicherheitsrisiko kann auch aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Person der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners vorliegen. (2) Eine Erkenntnis ist sicherheitserheblich, wenn sich aus ihr ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt. SS7 - 133 - Rechte und Pflichten der betroffenen oder der einbezogenen Person (1) Die betroffene Person ist über den Zweck und die Art der beabsichtigten Sicherheitsüberprüfung von der zuständigen Stelle zu unterrichten. Wird eine Sicherheitsüberprüfung der nächsthöheren Art notwendig, so ist auch für diese eine entsprechende Unterrichtung erforderlich. (2) Die Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9, 10 oder 11 bedarf der Zustimmung der betroffenen Person. Besteht für die betroffene Person eine dienstoder arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Pflicht, die Zustimmung zu erteilen, so ist sie darauf hinzuweisen. (3) Hat die betroffene Person in die Sicherheitsüberprüfung eingewilligt, so ist sie verpflichtet, die zur Sicherheitsüberprüfung erforderlichen Angaben vollständig und wahrheitsgemäß zu machen. Sie kann Angaben verweigern, die für sie, einen nahen Angehörigen im Sinne von SS 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung oder die Lebenspartnern oder den Lebenspartner die Gefahr strafoder disziplinarrechtlicher Verfolgung, der Entlassung oder Kündigung begründen könnten. Über das Verweigerungsrecht ist die betroffene Person zu belehren. (4) Sind zur Ehefrau oder zum Ehemann, zur Lebenspartnern oder zum Lebenspartner Angaben zu erheben oder sollen sie in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden, gelten die Absätze 1 bis 3 mit Ausnahme von Absatz 2 Satz 2 entsprechend. (5) Vor Ablehnung der Zulassung zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ist der betroffenen Person Gelegenheit zu geben, sich persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die betroffene Person kann zur Anhörung mit einem Rechtsbeistand erscheinen. Die Anhörung erfolgt in einer Weise, die den Quellenschutz gewährleistet und den schutzwürdigen Interessen von Personen, die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung befragt wurden, Rechnung trägt. Sie unterbleibt, wenn sie einen erheblichen Nachteil für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zur Folge hätte, insbesondere bei Sicherheitsüberprüfungen der Bewerberinnen und Bewerber beim Landesamt für Verfassungsschutz. (6) Liegen in der Person der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners Anhaltspunkte vor, die ein Sicherheitsrisiko begründen, ist ihnen Gelegenheit zu geben, sich vor der Ablehnung der Zulassung der betroffenen Person zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Absatz 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. (7) Die Absätze 5 und 6 sind auch im Falle der Ablehnung einer Weiterbeschäftigung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit anzuwenden. Abschnitt 2 Überprüfungsarten und Durchführungsmaßnahmen SS8 Arten der Sicherheitsüberprüfung (1) Entsprechend der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit wird entweder eine 1. einfache Sicherheitsüberprüfung, 2. erweiterte Sicherheitsüberprüfung oder 3. erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen durchgeführt. (2) Ergeben sich bei der Sicherheitsüberprüfung sicherheitserhebliche Erkenntnisse, die nur durch Maßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung geklärt werden können, kann die zuständige Stelle die nächsthöhere Art der Sicherheitsüberprüfung anordnen. SS 13 Abs. 6 bleibt unberührt. SS9 Einfache Sicherheitsüberprüfung (1) Die einfache Sicherheitsüberprüfung ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Tätigkeiten in Bereichen nach SS 2 Nr. 3 wahrnehmen sollen. - 134 - (2) In den Fällen von Absatz 1 Nr. 2 kann die zuständige Stelle von der Sicherheitsüberprüfung absehen, wenn Art oder Dauer der Tätigkeit dies zulassen. SS 10 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Zugang zu einer hohen Anzahl VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 9 für ausreichend hält. SS 11 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu STRENG GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Zugang zu einer hohen Anzahl GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 3. beim Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden sollen oder sind, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9 oder 10 für ausreichend hält. SS 12 Datenerhebung (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde dürfen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlichen Daten erheben. Soweit Referenzund Auskunftspersonen sowie nichtöffentliche Stellen befragt werden sollen, sind diese auf den Zweck der Erhebung und die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 4 Abs. 4 genannten Personen kann die Angabe der erhebenden Stelle gegenüber den sonstigen zu befragenden Personen oder nichtöffentlichen Stellen unterbleiben, wenn dies zum Schutz der betroffenen Person oder des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. (2) Die zuständige Stelle erhebt die personenbezogenen Daten bei der betroffenen oder der einbezogenen Person. Reicht diese Erhebung nicht aus oder stehen ihr schutzwürdige Interessen der betroffenen oder der einbezogenen Person entgegen, können andere geeignete Personen oder Stellen befragt werden. SS 13 Maßnahmen bei den einzelnen Überprüfungsarten (1) Die mitwirkende Behörde wird nur auf Antrag der zuständigen Stelle tätig. (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 9 trifft die mitwirkende Behörde folgende Maßnahmen: 1. sicherheitsmäßige Bewertung der Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, 2. Einholung einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister, 3. Anfragen unter Beteiligung der Landeskriminalämter an die Polizeidienststellen der Wohnsitze der betroffenen Person, in der Regel beschränkt auf die letzten fünf Jahre. - 135 - (3) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 trifft die mitwirkende Behörde zusätzlich folgende Maßnahmen: 1. Prüfung der Identität der betroffenen Person, 2. Anfragen an das Bundeskriminalamt, die Grenzschutzdirektion und Nachrichtendienste des Bundes. Absatz 2 und Satz 1 finden auf die einbezogene Person entsprechende Anwendung. (4) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 11 befragt die mitwirkende Behörde zusätzlich von der betroffenen Person in ihrer Sicherheitserklärung angegebene Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen, um zu prüfen, ob die Angaben der betroffenen Person zutreffen und ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein Sicherheitsrisiko schließen lassen. (5) Die zuständige Stelle fragt zur Feststellung einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit der betroffenen oder der einbezogenen Person für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik an, wenn die betroffene oder die einbezogene Person vor dem 1. Januar 1970 geboren wurde und in dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wohnhaft war oder Anhaltspunkte für eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorliegen. Ergibt die Anfrage sicherheitserhebliche Erkenntnisse, übermittelt die zuständige Stelle diese zur Bewertung an die mitwirkende Behörde. (6) Soweit es eine sicherheitserhebliche Erkenntnis erfordert und die Befragung der betroffenen oder der einbezogenen Person nicht ausreicht oder ihr schutzwürdige Interessen entgegenstehen, kann die mitwirkende Behörde neben den Maßnahmen nach den Absätzen 2 bis 4 weitere geeignete Auskunftspersonen oder andere geeignete Stellen, insbesondere Staatsanwaltschalten oder Gerichte, befragen oder Einzelmaßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung durchführen. Abschnitt 3 Verfahren SS 14 Sicherheitserklärung (1) In der Sicherheitserklärung sind von der betroffenen Person anzugeben: 1. Namen, auch frühere, Vornamen, 2. Geburtsdatum, -ort, 3. Staatsangehörigkeit, auch frühere und doppelte Staatsangehörigkeiten, 4. Familienstand 5. Wohnsitze und Aufenthalte von längerer Dauer als zwei Monate, und zwar im Inland in den vergangenen fünf Jahren, im Ausland ab dem 18. Lebensjahr, 6. ausgeübter Beruf, 7. Arbeitgeber und dessen Anschrift, 8. Anzahl der Kinder, 9. im Haushalt lebende Personen über 18 Jahre (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Verhältnis zu dieser Person), 10. Eltern, Stiefoder Pflegeeltern (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz), 11. Ausbildungsund Beschäftigungszeiten, Wehroder Zivildienstzeiten mit Angabe der Ausbildungsstätten, Beschäftigungsstellen sowie deren Anschriften, 12. Nummer des Personalausweises oder Reisepasses, 13. Angaben über in den vergangenen fünf Jahren durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, und ob zur Zeit die finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden können, - 136 - 14. Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die auf einen Anbahnungsund Werbungsversuch hindeuten können, 15. Beziehungen zu verlassungsfeindlichen Organisationen, 16. anhängige Strafund Disziplinarverfahren, 17. Angaben zu Wohnsitzen, Aufenthalten, Reisen, nahen Angehörigen und sonstigen Beziehungen in und zu Staaten, in denen nach Feststellung des Senators für Inneres besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befaßten Personen zu besorgen sind, 18. zwei Auskunftspersonen zur Identitätsprüfung der betroffenen Person nur bei der Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 10 und 11 (Namen, Vornamen, Anschrift, Rufnummer und Verhältnis zur Person), 19. drei Referenzpersonen nur bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 11 (Namen, Vornamen, Beruf, berufliche und private Anschrift und Rufnummern sowie zeitlicher Beginn der Bekanntschaft), 20. Angaben zu früheren Sicherheitsüberprüfungen. Der Erklärung sind zwei aktuelle Lichtbilder mit der Angabe des Jahres der Aufnahme beizufügen. (2) Bei der Sicherheilsüberprüfung nach SS 9 entfallen die Angaben zu Absatz 1 Nrn. 8, 11 und 12 sowie die Pflicht, Lichtbilder beizubringen; Absatz 1 Nr. 10 entfällt, soweit die dort genannten Personen nicht in einem Haushalt mit der betroffenen Person leben. Zur Person der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnern oder des Lebenspartners sind die in Absatz 1 Nm. 1 bis 4, 14 und 15 genannten Daten anzugeben. Ergeben sich aus der Sicherheitserklärung oder aufgrund der Abfrage aus einer der in SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes genannten Verbunddateien sicherheitserhebliche Erkenntnisse über die Ehefrau oder den Ehemann, die Lebenspartnern oder den Lebenspartner der betroffenen Person, sind weitere Überprüfungsmaßnahmen nur zulässig, wenn die Ehefrau oder der Ehemann, die Lebenspartnern oder der Lebenspartner gemäß SS 3 Abs. 2 in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen wird. (3) Wird die Ehefrau oder der Ehemann, die Lebenspartnern oder der Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, so sind zusätzlich die in Absatz 1 Nrn. 5 bis 7,12,13, 16, 17 und 18 genannten Daten anzugeben. (4) Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 4 Abs. 4 genannten Personen sind zusätzlich die Wohnsitze seit der Geburt, die Geschwister und abgeschlossene Strafund Disziplinarverfahren sowie alle Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik anzugeben. (5) Die Sicherheitserklärung ist von der betroffenen Person der zuständigen Stelle zuzuleiten. Sie prüft die Angaben auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit. Zu diesem Zweck können die Personalakten eingesehen werden. Die zuständige Stelle leitet die Sicherheitserklärung an die mitwirkende Behörde weiter und beauftragt diese, eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen, es sei denn, die zuständige Stelle hat bereits bei der Prüfung der Sicherheitserklärung festgestellt, daß ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Die mitwirkende Behörde kann mit Zustimmung der zuständigen Stelle und der betroffenen Person in die Personalakte Einsicht nehmen, wenn dies zur Klärung oder Beurteilung sicherheitserheblicher Erkenntnisse unerläßlich ist. SS 15 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung (1) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, daß kein Sicherheitsrisiko vorliegt, so teilt sie dies der zuständigen Stelle mit. Fallen Erkenntnisse an, die kein Sicherheitsrisiko begründen, aber weiterhin sicherheitserheblich sind, so werden diese mitgeteilt. (2) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, daß ein Sicherheitsrisiko vorliegt, unterrichtet sie schriftlich unter Darlegung der Gründe und ihrer Bewertung die zuständige Stelle. Bei nachgeordneten Stellen erfolgt die Unterrichtung über deren oberste Landesbehörde. (3) Die zuständige Stelle entscheidet, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Im Zweifel hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen. (4) liegt ein Sicherheitsrisiko vor, hat die zuständige Stelle die Betrauung mit der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit abzulehnen und dies der betroffenen Person mitzuteilen. - 137 - SS 16 Vorläufige Zuweisung einer Sicherheitsempfindlichen Tätigkeit Die zuständige Stelle kann in Ausnahmefällen abweichend von SS 3 Abs. 1 die sicherheitsempfindliche Tätigkeit der betroffenen Person vor Abschluß der Sicherheitsüberprüfung erlauben, wenn die mitwirkende Behörde 1. bei der einfachen Sicherheitsüberprüfung die Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der eigenen Erkenntnisse bewertet hat oder 2. bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung und bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen die Maßnahmen der nächst niederen Art der Sicherheitsüberprüfung abgeschlossen hat und sich daraus keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben haben. SS 17 Sicherheitserhebliche Erkenntnisse nach Abschluß der Sicherheitsüberprüfung (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben sich unverzüglich gegenseitig zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über die betroffene oder die einbezogene Person bekannt werden oder sich mitgeteilte Erkenntnisse als unrichtig erweisen. (2) Die mitwirkende Behörde prüft die sicherheitserheblichen Erkenntnisse, stellt fest, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, und unterrichtet die zuständige Stelle über das Ergebnis der Prüfung. Im übrigen ist SS 15 Abs. 2 bis 4 entsprechend anzuwenden. SS 18 Ergänzung der Sicherheitserklärung und Wiederholungsüberprüfung (1) Die Sicherheitserklärung ist der betroffenen Person, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, in der Regel alle fünf Jahre erneut zur Abfrage von Veränderungen zuzuleiten. Unabhängig hiervon hat die betroffene Person der zuständigen Stelle von sich aus Änderungen von Familienstand, Namen, Wohnsitz und Staatsangehörigkeit mitzuteilen. (2) Die zuständige Stelle kann eine Wiederholungsüberprüfung einleiten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse anfallen. Bei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 11 ist in der Regel im Abstand von zehn Jahren eine Wiederholungsüberprüfung einzuleiten. Auf die Wiederholungsüberprüfung finden die Vorschriften über die Erstüberprüfung Anwendung. Sie Ist jedoch nur soweit durchzuführen, wie der Überprüfungszweck dies erfordert. Abschnitt 4 Akten über die Sicherheitsüberprüfung; Datenverarbeitung SS 19 Sicherheitsakte und Sicherheitsüberprüfungsakte (1) Die zuständige Stelle führt über die betroffene Person eine Sicherheitsakte, in die alle die Sicherheitsüberprüfung betreffenden Informationen aufzunehmen sind. (2) Informationen über die persönlichen, dienstlichen und arbeitsrechtlichen Verhältnisse der Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit befaßt sind, sind zur Sicherheitsakte zu nehmen, soweit sie für die sicherheitsmäßige Beurteilung erheblich sind. Dazu zählen insbesondere: 1. Zuweisung, Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, die dazu erteilte Ermächtigung sowie deren Änderungen und Beendigung, 2. Umsetzung, Abordnung, Versetzung und Ausscheiden, 3. Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit, 4. Anhaltspunkte für Überschuldung, insbesondere Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse, - 138 - 5. Anhaltspunkte für geistige oder seelische Störungen sowie für Alkohol-, Drogenoder Tablettenmißbrauch, 6. Strafund Disziplinarsachen sowie dienstund arbeitsrechtliche Maßnahmen. (3) Die Sicherheitsakte ist keine Personalakte. Sie ist gesondert zu führen und darf weder der personalverwaltenden Stelle noch der betroffenen Person zugänglich gemacht werden. SS 24 bleibt unberührt. Im Falle des Wechsels der Dienststelle oder des Dienstherrn ist die Sicherheitsakte nach dorthin abzugeben, wenn auch dort eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt werden soll. (4) Die mitwirkende Behörde führt über die betroffene Person eine Sicherheitsüberprüfungsakte, in die aufzunehmen sind: 1. Informationen, die die Sicherheitsüberprüfung, die durchgeführten Maßnahmen und das Ergebnis betreffen, 2. das Ausscheiden aus oder die Nichtaufnahme der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, 3. Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit. Die in Absatz 2 Nrn. 4 bis 6 genannten Daten sind zur Sicherheitsüberprüfungsakte zu nehmen, wenn sie sicherheitserheblich sind. (5) Die zuständige Stelle ist verpflichtet, die in Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 genannten Daten unverzüglich der mitwirkenden Behörde zu übermitteln. Die Übermittlung der in Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 genannten Daten erfolgt nach den in SS 23 Abs. 2 Nr. 1 festgelegten Fristen. SS 20 Aufbewahrung und Vernichtung der Unterlagen (1) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung sind gesondert aufzubewahren und gegen unbefugten Zugriff zu schützen. (2) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung sind bei der zuständigen Stelle innerhalb eines Jahres zu vernichten, wenn die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Aufbewahrung ein. Im übrigen sind die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung bei der zuständigen Stelle fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu vernichten, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Aufbewahrung ein oder es ist beabsichtigt, die betroffene Person in absehbarer Zeit erneut mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu betrauen. Die Aufbewahrungszeit soll insgesamt 10 Jahre nicht überschreiten, sofern die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufgenommen hat. (3) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung bei der mitwirkenden Behörde sind nach den in SS 23 Abs. 2 Nr. 2 genannten Fristen zu vernichten. Gleiches gilt bezüglich der Unterlagen zu den in SS 4 Abs. 4 genannten Personen. SS 21 Speichern, Verändern und Nutzen personenbezogener Daten in Dateien (1) Die zuständige Stelle darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz 1. die in SS 14 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 genannten personenbezogenen Daten, ihre Aktenfundstelle und die der mitwirkenden Behörde, 2. die Beschäftigungsstelle, 3. Verfügung zur Bearbeitung des Vorganges sowie 4. beteiligte Behörden in Dateien speichern, verändern und nutzen. (2) Die mitwirkende Behörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben 1. die in SS 14 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 genannten personenbezogenen Daten der betroffenen und der einbezogenen Person und die Aktenfundstelle, - 139 - 2. Verfügungen zur Bearbeitung des Vorgangs sowie 3. sicherheitserhebliche Erkenntnisse und Erkenntnisse, die ein Sicherheitsrisiko begründen, in Dateien speichern, verändern und nutzen. Die Daten nach Nummer 1 dürfen auch in den nach SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässigen Verbunddateien gespeichert werden. SS 22 Übermittlung und Zweckbindung (1) Die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen von der zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde nur für 1. die mit der Sicherheitsüberprüfung verfolgten Zwecke, 2. Zwecke der Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, 3. Zwecke parlamentarischer Untersuchungsausschüsse genutzt und übermittelt werden. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen die ihnen nach Satz 1 Nr. 2 übermittelten Daten für Zwecke eines Strafverfahrens nur verwenden, wenn die Strafverfolgung auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Die zuständige Stelle darf die gespeicherten personenbezogenen Daten darüber hinaus für Zwecke der disziplinarrechtlichen Verfolgung sowie dienstoder arbeitsrechtlicher Maßnahmen nutzen und übermitteln, wenn dies zur Gewährleistung des Verschlußsachenschutzes erforderlich ist. Die mitwirkende Behörde darf die gespeicherten personenbezogenen Daten im Rahmen des erforderlichen Umfangs nutzen und übermitteln zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten oder zur Aufklärung sonstiger Bestrebungen von erheblicher Bedeutung. (2) Die Übermittlung der nach SS 21 in Dateien gespeicherten Daten ist nur zulässig, soweit sie für die Erfüllung der in Absatz 1 genannten Zwecke erforderlich ist. Die nach SS 21 Abs. 2 Nr. 1 gespeicherten Daten dürfen zur Erfüllung aller Zwecke des Verfassungsschutzes genutzt und übermittelt werden. (3) Die mitwirkende Behörde darf personenbezogene Daten nach den Absätzen 1 und 2 nur an öffentliche Stellen übermitteln, (4) Die Nutzung oder Übermittlung unterbleibt, soweit gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. (5) Die Empfangsstellen dürfen die übermittelten Daten nur für Zwecke verarbeiten und nutzen, zu dessen Erfüllung sie ihnen übermittelt werden. Eine nicht-öffentliche Stelle ist darauf hinzuweisen. SS 23 Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Wird festgestellt, daß personenbezogene Daten unrichtig sind oder wird ihre Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten, so ist dies, soweit sich die personenbezogenen Daten in Akten befinden, dort zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. Zuständige Stelle und mitwirkende Behörde haben sich jeweils gegenseitig zu unterrichten. (2) In Dateien gespeicherte personenbezogene Daten sind zu löschen 1. von der zuständigen Stelle a) innerhalb eines Jahres, wenn die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Speicherung ein, b) nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden der betroffenen Person aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Speicherung ein oder es ist beabsichtigt, die betroffene Person in absehbarer Zeit mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu betrauen. Die Speicherung soll insgesamt zehn Jahre nicht überschreiten, sofern die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufgenommen hat. 2. von der mitwirkenden Behörde - 140 - a) bei einfachen Sicherheitsüberprüfungen nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden der betroffenen Person aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, b) bei den übrigen Überprüfungsakten nach Ablauf von zehn Jahren, c) die nach SS 21 Abs. 2 Nr. 3 gespeicherten Daten, wenn feststeht, daß die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt oder aus ihr ausgeschieden ist. Im übrigen sind in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. (3) Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person verarbeitet und genutzt werden. SS 24 Auskunft, Akteneinsicht (1) Auf Antrag ist von der zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde unentgeltlich Auskunft zu erteilen, welche Daten über die anfragende Person im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeichert wurden. (2) Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfangsstellen von Übermittlungen. Bezieht sich die Auskunftserteilung auf die Übermittlung personenbezogener Daten an die mitwirkende Behörde, ist sie nur mit deren Zustimmung zulässig; entsprechendes gilt für die Auskunftserteilung durch die zuständige Stelle hinsichtlich solcher Daten, die ihr von der mitwirkenden Behörde übermittelt wurden. (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde, 2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 3. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Anfragenden an der Auskunftserteilung zurücktreten muß. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall sind die Gründe der Auskunftsverweigerung aktenkundig zu machen. Die anfragende Person ist auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß sie sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. (5) Wird der anfragenden Person keine Auskunft erteilt, so ist sie auf ihr Verlangen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu erteilen. Soweit der jeweils zuständige Senator im Einzelfall feststellt, daß die Sicherheit des Bundes oder eines Landes es gebietet, ist Auskunft nur dem Landesbeauftragten selbst oder seinem Vertreter nach SS 24 Abs. 2 BrDSG zu gewähren. Die Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der speichernden Stelle zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. (6) Die zuständige Stelle gewährt der anfragenden Person Einsicht in die Sicherheitsakte, soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen nicht ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist. Die Regelung der Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend. Abschnitt 5 Sonderregelungen bei Sicherheitsüberprüfungen für nicht-öffentliche Stellen SS 25 Anwendungsbereich Bei Sicherheitsüberprüfungen von betroffenen Personen, die von der zuständigen Stelle zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bei einer nicht-öffentlichen Stelle ermächtigt werden sollen, gelten folgende Sonderregelungen. - 141 - SS 26 Zuständigkeit Die Aufgaben der zuständigen Stelle werden wahrgenommen von derjenigen In SS 1 Abs. 3 Satz 1 genannten Stelle, die eine Verschlußsache an eine nicht-öffentliche Stelle weitergeben will, es sei denn, die jeweilige oberste Landesbehörde übernimmt die Aufgaben der zuständigen Stelle. SS 27 Sicherheitserklärung Die betroffene Person leitet ihre Sicherheitserklärung der zuständigen Stelle zu. Außerdem legt sie der nicht-öffentlichen Stelle, in der sie beschäftigt ist, ihre Angaben zu SS 14 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 7 vor. Die nicht-öffentliche Stelle prüft die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben und darf, soweit dies erforderlich ist, die Personalunterlagen beiziehen. Sie gibt die Angaben nach Überprüfung an die zuständige Stelle weiter und teilt dieser vorhandene sicherheitserhebliche Erkenntnisse mit. Im Falle der Einbeziehung der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners fügt die betroffene Person deren Zustimmung bei. SS 28 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung, Weitergabe sicherheitserheblicher Erkenntnisse Die zuständige Stelle unterrichtet die nicht-öffentliche Stelle nur darüber, daß die betroffene Person zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ermächtigt oder nicht ermächtigt werden kann. Erkenntnisse, die die Ablehnung der Ermächtigung zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betreffen, dürfen nicht mitgeteilt werden. Zur Gewährleistung des Geheimschutzes können sicherheitserhebliche Erkenntnisse an die nicht-öffentliche Stelle übermittelt werden und dürfen von ihr ausschließlich zu diesem Zweck genutzt werden. Die nicht-öffentliche Stelle hat die zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über die betroffene oder die einbezogene Person bekannt werden. SS 29 Aktualisierung der Sicherheitserklärung (1) Die nicht-öffentliche Stelle leitet der betroffenen Person, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, auf Anforderung der zuständigen Stelle die Sicherheitserklärung in der Regel alle fünf Jahre erneut zu. Unabhängig hiervon hat die betroffene Person der zuständigen Stelle von sich aus Änderungen von Familienstand, Namen, Wohnsitz und Staatsangehörigkeit mitzuteilen. (2) Die betroffene Person hat die in der Sicherheitserklärung angegebenen Daten im Falle eingetretener Veränderungen zu ergänzen. Die zuständige Stelle beauftragt die mitwirkende Behörde, die Maßnahmen nach SS 13 Abs. 2 Nrn. 2 und 3, Abs. 3 Nr. 1 erneut durchzuführen und zu bewerten. SS 30 Übermittlung von Informationen über persönliche und arbeitsrechtliche Verhältnisse Die nicht-öffentliche Stelle hat der zuständigen Stelle das Ausscheiden aus sicherheitsempfindlicher Tätigkeit, Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit unverzüglich mitzuteilen. SS 31 Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle Für die Sicherheitsakte in der nicht -öffentlichen Stelle gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über die Sicherheitsakte entsprechend mit der Maßgabe, daß die Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht abgegeben wird. SS 32 Datenverarbeitung, -nutzung und -berichtigung in automatisierten Dateien Die nicht-öffentliche Stelle darf die nach diesem Gesetz zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten der betroffenen Person in automatisierten Dateien speichern, verändern und nutzen. Die für die zuständige Stelle geltenden Vorschriften zur Berichtigung, Löschung und Sperrung finden Anwendung. - 142 - Abschnitt 6 Reisebeschränkungen und Schlußvorschriften SS 33 Reisebeschränkungen (1) Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben, die eine Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 10 und 11 erfordert, können verpflichtet werden, Dienstund Privatreisen in und durch Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten, der zuständigen Stelle oder der nichtöffentlichen Stelle rechtzeitig vorher anzuzeigen. Die Verpflichtung kann auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit angeordnet werden. (2) Die Reise kann von der zuständigen Stelle untersagt werden, wenn Anhaltspunkte zur Person oder eine besonders sicherheitsempfindliche Tätigkeit vorliegen, die eine erhebliche Gefährdung durch fremde Nachrichtendienste erwarten lassen. (3) Ergeben sich bei einer Reise in und durch Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten, Anhaltspunkte, die auf einen Anbahnungsund Werbungsversuch fremder Nachrichtendienste hindeuten können, so ist die zuständige Stelle nach Abschluß der Reise unverzüglich zu unterrichten. SS 34 Allgemeine Verwaltungsvorschriften Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes erläßt der Senator für Inneres. SS 35 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Bremen, den 30. Juni 1998 Der Senat - 143 - Anhang Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender extremistischer Motivation Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation insgesamt27 2004 86 2005 121 2006 138 2007 130 Davon Propagandadelikte 2004 48 2005 72 2006 95 2007 82 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Motivation 2004 18 2005 44 2006 80 2007 86 Straftaten im Zusammenhang mit erwiesener oder zu vermutender politisch motivierter Ausländerkriminalität 2004 30 2005 14 2006 40 2007 20 27 Zur Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen Erfassung und Bewertung politisch motivierter Straftaten wurde ein neues Definitionsund Erfassungssystem erarbeitet, dass mit Wirkung vom 01.01.2001 eingeführt wurde. Seit Einführung des neuen Definitionsund Erfassungssystems werden rechtsextremistische Straftaten und Propagandadelikte nach kriminalistischen Aspekten erfasst.