Der Senator Freie für Inneres und Sport Hansestadt Bremen VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2006 -2Herausgeber: Senator für Inneres und Sport Contrescarpe 22 - 24, 28203 Bremen www.inneres.bremen.de Bremen, im Juli 2007 -3Vorwort Regelmäßig dokumentiert das Landesamt für Verfassungsschutz die Ergebnisse seiner Arbeit in einem Verfassungsschutzbericht, um die Öffentlichkeit über den Umfang verfassungsfeindlicher Bestrebungen in unserem Bundesland zu informieren. Die Erkenntnisse des Amtes sollen es den zuständigen staatlichen Stellen ermöglichen, gegebenenfalls Maßnahmen zur rechtzeitigen Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu treffen. Aber nicht nur das. Die Veröffentlichung soll auch dazu beitragen, die politische Auseinandersetzung über Ziele und Verhaltensweisen extremistischer Gruppierungen anzuregen und insbesondere auf der Basis der zusammengetragenen Fakten zu versachlichen. Ein Jahresbericht kann selbstverständlich nicht für Interpretationen von tagesaktuellen Gefahrenlagen dienen. Aber er kann Hintergrundinformationen liefern und Aufmerksamkeit erzeugen für verfassungsfeindliche oder gar terroristische Entwicklungen in unserem Lande. Beispielsweise ist dem aktuellen Bericht zu entnehmen, dass der Rechtsextremismus in Bremen personell nicht allzu stark ist. Trotzdem gibt es eine rege Szene, die sich zwar überwiegend außerhalb der Landesgrenzen betätigt, aber auch immer wieder hier aktiv wird. So stellen wir fest, dass es verstärkt Propagandamaßnahmen der rechtsextremistischen Szene gibt. Dazu gehören neben gelegentlichen Demonstrationen beispielsweise die Versuche von Rechtsextremen, junge Leute über die Verteilung von Musik-CDs auf sich aufmerksam zu machen und anzuwerben. Während die ins Parlament gewählte DVU hier weniger auffällig ist, beobachten wir im Bereich der NPD, die auch bundesweit wieder Sorgen bereitet, Aktivitäten, die wir im Auge behalten und politisch bekämpfen müssen; gleiches gilt für andere, offen neonazistische Gruppen. -4Linksextremistisch motivierte terroristische Aktivitäten hat der Verfassungsschutz nicht feststellen können. Gleichwohl haben die Straftaten mit linksextremistischer Motivation zugenommen. Sie resultieren insbesondere aus "antifaschistischen" Aktionen, das heißt, aus einem Aufeinandertreffen von Rechtsund Linksextremisten. Gewalttätige Auseinandersetzungen, egal wer sie führt, dürfen uns nicht gleichgültig lassen. Während bundesweit über die Bedrohungen durch islamistische Fundamentalisten diskutiert wird, gibt es für Bremen keine Anhaltspunkte für akute terroristische Bedrohungen. Dennoch halte ich eine Reihe von Erkenntnissen für politisch sehr beachtenswert. So gehen mehr als 20.000 Jungen und Mädchen jährlich in die Sommerschule der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG), einer Organisation, die nach Feststellungen des Verfassungsschutzes gezielt an der Schaffung einer Parallelgesellschaft arbeitet. Dem müssen wir entgegenwirken - nicht nur, um in Bremen keinen Nährboden für islamistischen Terrorismus entstehen zu lassen, sondern auch um zu verhindern, dass hier eine Generation heranwächst, die sich einer Integration entzieht und somit sozialpolitisches Konfliktpotential erzeugt. Um seine Arbeit leisten zu können, hat das Landesamt für Verfassungsschutz seine besonderen Kompetenzen und Instrumentarien, die bei Bedarf aktuellen Erfordernissen wie politischen Entwicklungen anzupassen sind. Diese Anpassungen sind zu Recht immer auch Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Deswegen enthält dieser Bericht auch den Text des 2006 geänderten Bremischen Verfassungsschutzgesetzes und des Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes für ihre Arbeit, die einen wichtigen Beitrag für die Auseinandersetzung mit dem Extremismus in unserem Lande darstellt. Willi Lemke Senator für Inneres und Sport -5Inhaltsverzeichnis Seite I. Verfassungsschutz im Lande Bremen 6 II. Rechtsextremismus 12 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 13 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) 18 3. "Neonazistische Szene" 23 4. "Rechtsextremistische Skinheads" 27 5. Bewertung der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Bremen 30 III. Linksextremismus 32 1. "Autonome" 33 2. "Die Linkspartei.PDS"/ Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 43 3. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 47 4. "Sozialistische Alternative" (SAV) 49 5. "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union" (FAU) 50 6. "Rote Hilfe e.V." (RH) 51 7. "GegenStandpunkt" / früher Marxistische Gruppe (MG) 52 8. Sonstige linksextremistische Parteien und Gruppen 54 9. Bewertung der aktuellen Situation des Linksextremismus in Bremen 55 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 56 1. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 58 2. "Partei Gottes" (Hizb Allah) 65 3. "Partei der Befreiung" (Hizb ut-Tahrir / HuT) 67 4. "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." 70 5. "Marokkanischer Verein Abu Bakr Moschee e.V." 72 6. "Gemeinschaft für Verkündung und Mission" (Tablighi Jama'at) 74 7. "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gel), vormals "Freiheits76 und Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) bzw. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 8. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 83 9. "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) 87 10. "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (Liberation Tigers of Tamil Eelam / 90 LTTE) 11. Bewertung der aktuellen Situation sicherheitsgefährdender und 93 extremistischer Bestrebungen von Ausländern V. Scientology-Organisation (SO) 94 VI. Geheimschutz 97 VII. Rechtsvorschriften 101 1. Bremisches Verfassungsschutzgesetz (BremVerfSchG) 101 2. Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BremSÜG) 126 Anhang 147 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender extremistischer Motivation 147 -6Verfassungsschutzbericht des Landes Bremen 2006 I. Verfassungsschutz im Lande Bremen Den Verfassungsschutzbehörden ist durch das Grundgesetz und die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder die Aufgabe zugewiesen, verfassungsfeindliche sowie sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu beobachten. Über die Ergebnisse der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden werden politisch Verantwortliche, aber auch die Öffentlichkeit unterrichtet, um einen Überblick über die tatsächliche Bedrohung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch ihre Gegner zu erhalten. Der institutionelle Verfassungsschutz dient insofern als "Frühwarnsystem". Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen: * das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, * die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, * das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, * die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, * die Unabhängigkeit der Gerichte, * der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und * die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Bremen ist nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes verpflichtet, im Nachrichtenverbund mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder und dem Bundesamt für -7Verfassungsschutz (BfV) zusammenzuarbeiten, denn verfassungsfeindliche Organisationen und Personen beachten bei ihren demokratiefeindlichen Aktivitäten innerhalb der Bundesrepublik keine Ländergrenzen. Demzufolge werden die grundlegenden Arbeitsergebnisse auch im föderativen Ämterverbund analysiert und einer gemeinsamen Bewertung zugeführt. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen es den zuständigen Stellen ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu treffen. Dies kann primär durch eine geistigpolitische Auseinandersetzung mit den Zielen oder dem Verhalten extremistischer Gruppierungen geschehen. Aber auch das Verbot eines Vereins durch den zuständigen Innenminister/-senator oder einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht kann als Folge des von den Verfassungsschutzbehörden gelieferten Beweismaterials in Betracht kommen. Erkenntnisse des Verfassungsschutzes aus den militant-extremistischen oder gar terroristischen Bereichen sowie der Spionageabwehr bilden nicht selten die Basis für staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Das LfV Bremen ist wie alle Verfassungsschutzbehörden nur beobachtend und unterrichtend tätig. Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse nicht zu. Es darf mit Polizeidienststellen organisatorisch nicht verbunden werden und diese auch im Wege der Amtshilfe nicht um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. Die nachrichtendienstliche Ausprägung der Verfassungsschutzbehörden ergibt sich vorrangig aus dem Umstand, dass sie nicht dem Strafverfolgungszwang (Legalitätsprinzip) unterliegen, sondern nach dem Opportunitätsprinzip handeln. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben dürfen sie Mittel und Instrumente einsetzen, die der geheimen, von Betroffenen nicht wahrnehmbaren, Nachrichtenbeschaffung dienen. Beispiele für diese "nachrichtendienstlichen Mittel" sind: - Einsatz von Vertrauensleuten (VM) - Observation - geheimes Fotografieren sowie - Tarnmaßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, dass der Verfassungsschutz tätig ist. -8Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz im Einzelfall unter engen, gesetzlich normierten Voraussetzungen den Briefund Fernmeldeverkehr überwachen. Gleichwohl werden die meisten Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen (Parteiprogramme, Flugblätter, Publikationen, öffentliche Veranstaltungen) gewonnen. Neben der Bewertung extremistischer und terroristischer Bestrebungen ist auch die Spionageabwehr, d.h. das Erkennen und Verhindern geheimdienstlicher Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste, eine originäre Aufgabe des Verfassungsschutzes. Obwohl sich ehemals gegenüberstehende Staaten einander angenähert haben, stellt Deutschland nach wie vor ein Aufklärungsziel für eine Vielzahl von Nachrichtendiensten fremder Staaten dar. Dafür spricht der hohe Anteil von Mitarbeitern ausländischer Nachrichtendienste, die an halbstaatlichen oder staatlichen Vertretungen (Legalresidenturen) der jeweiligen Länder in Deutschland eingesetzt sind. Die nachrichtendienstlichen Aktivitäten, die sich gegen die Interessen Deutschlands richten, umfassen neben den "klassischen" Gebieten der Spionage, d.h. Informationsbeschaffung aus den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, auch die Ausspähung und Unterwanderung von Personen und Gruppen, die in Deutschland leben und in Opposition zur Regierung ihres Heimatlandes stehen. Daneben gilt es Beschaffungsaktivitäten der um Proliferation bemühten Staaten zu verhindern. Proliferation bedeutet die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen. Bremen als ein bedeutender Standort für Luftund Raumfahrtindustrie, für Wissenschaft, Forschung und Militärtechnologie sowie seine beiden Seehäfen in Bremen und Bremerhaven sind vor geheimdienstlicher Ausforschung besonders zu schützen. -9Zunehmende Bedeutung nach dem 11. September 2001 haben die Mitwirkungsaufgaben. So hat die Anzahl der Personenüberprüfungen durch die Einführung der Regelanfrage bei Einbürgerungen und Gewährung von Aufenthaltsgenehmigungen erheblich zugenommen. Die entsprechenden Vergleichszahlen sind im Abschnitt V "Geheimschutz" nachzulesen. Im gesamten Spektrum seiner Aufgabenerfüllung ist das Handeln des Verfassungsschutzes an die Gesetze und an rechtsstaatliche Maßstäbe gebunden. Als Rechtsgrundlage kommen hier insbesondere das Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen sowie das Bundesverfassungsschutzgesetz zum Tragen. Das LfV Bremen unterliegt in seiner Arbeit der Aufsicht durch den Senator für Inneres und Sport, der der Bremischen Bürgerschaft politisch verantwortlich ist. Die parlamentarische Kontrolle des LfV wird von einer speziell für diesen Zweck konstituierten parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) ausgeübt. Beschäftigte und Haushalt des Landesamtes für Verfassungsschutz Bremen Beschäftigte Das Beschäftigungsvolumen umfasste 2006 41,7 Vollzeiteinheiten (2005: 43,5). Haushalt Im Haushaltsjahr 2006 wurden für Personal 1.799.041 Euro (2005: 1.894.718 Euro) und für Sachmittel 472.819 Euro (2005: 486.297 Euro) ausgegeben. Die investiven Ausgaben betrugen 79.697 Euro (2005: 39.359 Euro). Das Gesamtausgabevolumen lag bei 2.351.557 Euro (2005: 2.420.374 Euro). - 10 - Das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen ist zu erreichen unter: Anschrift: Flughafenallee 23 28199 Bremen Postadresse: Postfach 286157 28361 Bremen Telefon: 0421/5377-0 Fax: 0421/5377-195 E-Mail: office@lfv.bremen.de Internet: http://www.inneres.bremen.de - 11 - Beobachtungsschwerpunkte im Jahre 2006 Die Aufklärungsprioritäten des LfV Bremen wurden im Einklang mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bestimmt. Die extremistischen und sicherheitsgefährdenden Komplexe weisen bundesweit nur minimale, meist regional bedingte Abweichungen auf. Der vorliegende Bericht erwähnt nicht alle Beobachtungsobjekte des LfV Bremen und auch nicht alle Ereignisse des Jahres 2006. Die Welle weltweiter Terroranschläge mit islamistischem Täterhintergrund haben die Aufklärung und die Beobachtung von Organisationen und Einzelpersonen dieses Spektrums weiterhin in die vorderste Linie gerückt. Auch die gegen den Kernbereich des Grundgesetzes gerichteten Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen sowie die Aktionen autonomer linksextremistischer Gruppen erfordern eine stetige und hohe Beobachtungsintensität. - 12 - II. Rechtsextremismus Rechtsextremisten aller Schattierungen propagieren eine "Ideologie der Ungleichheit". Sie stellen ihre Nation, ihre Rasse und ihre Volksgemeinschaft über andere Nationen, andere Rassen und über die Rechte des Individuums. Folglich wenden sie sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und propagieren bzw. praktizieren eine aggressive, menschenverachtende, rassistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit. Gleichwohl verfügen sie über keine gefestigte ideologische Struktur. Die den deutschen Rechtsextremismus prägende Haltung ist seine, die geschichtlichen Tatsachen leugnende, Einstellung zum "Dritten Reich" und die Verharmlosung, Rechtfertigung oder gar Verherrlichung nationalsozialistischer Untaten. In diesem Rahmen wird auch der Antisemitismus beständig genährt. Der Rechtsextremismus in Deutschland stellt kein einheitliches Gefüge dar: Das Spektrum umfasst rechtsextremistische Skinheads mit einem diffusen Weltbild, geprägt von fremdenfeindlichen Ressentiments. Sie treten durch spontane Gewalttaten und ihre aggressive, volksverhetzende Musik in Erscheinung. Von dieser Skinheadszene heben sich die Neonazis durch eine stärker ausgeprägte, zielgerichtete politische Aktivität ab, obwohl die Grenzen teilweise fließend sind. Eindeutig ist die Orientierung der Neonazis an nationalsozialistischen Vorstellungen eines "Führerstaates" auf rassistischer Grundlage. Die rechtsextremistischen Parteien vertreten dagegen Positionen, die den nationalsozialistischen Staat unter Abwendung von Menschenund Bürgerrechten zum obersten Prinzip erheben. Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung werden in unterschiedlicher Intensität von allen rechtsextremistischen Bestrebungen missachtet. Im Jahre 2006 gab es in Deutschland mehr als 180 rechtsextremistische Organisationen und Personenzusammenschlüsse. Vor diesem Hintergrund wurden 2006 im Land Bremen u.a. folgende Parteien und Gruppierungen beobachtet: - 13 - 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gegründet: 1964 Mitglieder: Deutschland: ca. 7.000 (2005: ca. 6.000) Land Bremen: ca. 60 (unverändert, wie 2005) Organisation/ Der NPD-Landesverband besteht aus den Kreisverbänden Struktur: Bremen-Stadt und Bremerhaven. Dem Kreisverband Bremen-Stadt ist eine "NPDJugendgruppe" angegliedert. Publikationen: "Deutsche Stimme" (Monatsschrift), Die Kreisverbände und die "Jugendgruppe" haben eigene Internetseiten. Politische Die NPD versteht sich als "sozialrevolutionäre Ziele/ Erneuerungsbewegung", als "Partei der neuen Ordnung" und Agitations"nationale Alternative für ein besseres Deutschland". Sie will schwerpunkte: "auf den Trümmern des Liberalkapitalismus ein neues Deutschland errichten". Einher damit geht eine Polemik gegen das Demokratieprinzip und eine Diffamierung des parlamentarischen Systems und seiner Repräsentanten. Mit der Zielsetzung, alle "nationalen Kräfte" durch Kooperation zu konzentrieren, ruft sie zur Beteiligung an der von ihr initiierten "Volksfront von rechts" auf. Aktuelle Werbung für das "Volksfront"-Konzept, Themen: "Überfremdung und Einreise stoppen", "Arbeit, Familie, Vaterland", "Arbeit für Deutsche", "Arbeit für Millionen statt Profit für Millionäre" Letztes Europawahl 2004 zum Vergleich 1999 Wahlergebnis: Land Bremen: 0,83% (1.483 Stimmen) 0,43% (923) Stadt Bremen: 0,67% (1.003 Stimmen) 0,39% (700) Stadt Bremerhaven: 1.70% (480 Stimmen) 0,62% (223) Bundestagswahl 2005 zum Vergleich 2002 Land Bremen: 1,48% (5.341 Stimmen) 0,48% (1.801) Stadt Bremen: 1,37% (4.121 Stimmen) 0,44% (1.372) Stadt Bremerhaven: 2,01% (1.220 Stimmen) 0,66% (429) An der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft 2003 und der Wahl zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung 2003 hat die NPD nicht teilgenommen. - 14 - Entwicklung und Tendenz: Die 1964 gegründete NPD war über viele Jahre die einzige rechtsextremistische Partei. Nach ihren beachtlichen Wahlerfolgen in den Jahren 1967 - 1969 (in der Bremischen Bürgerschaft war sie von 1967 - 1971 vertreten; Wahlergebnis: 8,84 %) wurde sie in den folgenden Jahrzehnten weitgehend bedeutungslos. Ihre Mitgliederzahl reduzierte sich bundesweit von 28.000 auf ca. 4.000. Erst nach der Beendigung der deutschen Teilung vermochte es die NPD, ihre Mitgliederzahlen wieder auf 6.500 zu steigern. Nach den Vereinsverboten von neonazistischen Gruppen in den Jahren 1992 bis 1996 traten eine beachtliche Zahl dieser neonazistischen Aktivisten in die NPD ein. Der seit 1996 amtierende Bundesvorsitzende Udo VOIGT hatte die NPD konsequent und beharrlich für Angehörige der Neonaziund Skinheadszene geöffnet. Dadurch erlangte die Partei eine Kampagnenfähigkeit, die sich in der Folgezeit in bundesweiten Großdemonstrationen ausprägte. Das in dieser Phase vom Bundesvorstand ausgegebene "Drei-SäulenKonzept": "Kampf um die Straße / Kampf um die Köpfe / Kampf um die Stimmen", machte die NPD seitdem zu der aktivsten Bewegung im rechtsextremistischen Spektrum. Nicht zuletzt als Folge der Verbotsanträge von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung im Jahr 2001 ging zunächst bundesweit die Zahl der Mitglieder auf 5.000 zurück. In der Einstellung des Verbotsverfahrens im Jahr 2003 sah die NPD ein "Aufbruchsignal für Deutschland" und bot sich selbst als die "nationale Alternative, auf die das Land wartet" an. Die Parole "Kampf um die Parlamente" gewann für die Partei eine noch größere Bedeutung. Mit dem Einzug in den Landtag von Sachsen 2004 und dem von der NPD propagierten Konzept der Sammlung aller "nationalen Kräfte" zu einer "Volksfront von rechts" im selben Jahr, stieg die Zahl der Mitglieder bis auf aktuell ca. 7.000 wieder an. Das "Drei-Säulen-Konzept" wurde um die Säule "Kampf um den organisierten Willen" ergänzt. Ihre bundesweite Organisationsstruktur mit aktionistischen Kadern ermöglicht der NPD eine öffentliche Präsenz, die von anderen rechtsextremistischen Parteien und Gruppen so nicht erreicht wird. - 15 - Als Teil des "Volksfront"-Konzeptes - Bündelung aller "nationalen Kräfte" einschließlich der neonazistischen Szene - stellt sich auch der "DeutschlandPakt" zwischen der NPD und der "Deutschen Volksunion" (DVU) dar. Darin haben am 15. Januar 2005 der NPD-Vorsitzende Udo VOIGT und der Vorsitzende der DVU, Dr. Gerhard FREY, eine zunächst bis zum Jahr 2009 geltende Kooperation beider Parteien festgeschrieben und die Absprachen für anstehende Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene konkretisiert. Für die NPD war demnach im Jahr 2006 eine Kandidatur bei vier Landtagswahlen vorgesehen. Davon verfehlte die Partei bei drei Wahlen die 5 %-Hürde deutlich und erreichte am 26. März in Rheinland-Pfalz 1,2 % und in Baden-Württemberg 0,7 % sowie am 17. September in Berlin 2,6 %. Bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern erreichte sie einen Stimmenanteil von 7,3 % und zog mit sechs Mandaten in den Landtag ein. Nach Sachsen ist sie damit in einem zweiten Landesparlament vertreten. Zwei der Abgeordneten kommen aus der Neonaziszene. Auf dem Bundesparteitag am 11./12. November in Berlin wurde der Parteivorsitzende VOIGT mit über 95 % der Delegiertenstimmen in seinem Amt bestätigt. Mit der Wahl weiterer Neonazis in den Bundesvorstand hat sich deren Einfluss in der Partei noch verstärkt. Mitglieder des Bremer Landesverbandes sind nicht im Bundesvorstand vertreten. Sowohl VOIGT als auch FREY bekräftigten auf dem Parteitag ihr Festhalten am "Deutschland-Pakt". Der Bremer NPD-Landesverband unterstützte von Beginn an das von der Parteiführung initiierte "Volksfront"-Konzept. Er öffnete sich insbesondere für Angehörige der Neonaziund Skinheadszene. Dies wurde im März bei der Neubesetzung des Vorstandes im Kreisverband Bremen-Stadt deutlich. Mit dem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter besetzen zwei Neonazis die Führungspositionen im Kreisverband. Die von ihnen angekündigte Gründung einer "NPD-Jugendgruppe" erfolgte noch im selben Monat. Die etwa zehn Personen umfassende Gruppe entwickelte, mit Unterstützung des Kreisverbandes, im Laufe des Jahres eigenständige, öffentlichkeitswirksame Aktivitäten in Form von Informationsständen und - 16 - Flugblattverteilungen. Ihre Aktionen wurden mehrfach von massiven Protesten unter Beteiligung linksextremistischer Gruppen begleitet. Der Bremer NPD-Landesverband führte am 04. November unter dem Motto "Arbeitsplätze statt Kriegseinsätze - Kein deutsches Geld für fremde Interessen" erstmals seit 2001 in Bremen wieder eine Demonstration durch. Die Veranstaltung wurde von "Freien Kräften" (Neonazis) unterstützt. Die vom Bremer NPD-Landesvorsitzenden Horst GÖRMANN angemeldete Demonstration war zunächst vom Stadtamt Bremen verboten worden. Die geplante Marschroute sollte durch mehrere Stadtteile mit einem hohen Anteil an Migranten führen. Das von der NPD angerufene Verwaltungsgericht verfügte am 02. November in einer Eilentscheidung, die Demonstration und Kundgebung unter zeitlicher und räumlicher Einschränkung sowie örtlicher Trennung zu angemeldeten Gegenveranstaltungen zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht wies am 03. November die Beschwerde des Stadtamtes gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes zurück. An dem Aufzug beteiligten sich ca. 100 Rechtsextremisten aus Bremen, Hamburg und Niedersachsen. Der Veranstalter hatte mit 300 Teilnehmern gerechnet. Nach einer Auftaktkundgebung am Ausgangspunkt vor dem Bahnhof Bremen-Walle mit Redebeiträgen des Bremer NPDLandesvorsitzenden und des Hamburger Neonazis Christian WORCH setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Nach wenigen hundert Metern musste die Polizei den Zug stoppen, um eine Konfrontation mit entgegenströmenden Demonstranten zu verhindern. Nach einer kurzen Zwischenkundgebung kehrte der NPD-Demonstrationszug zum Ausgangsort zurück und löste sich dort nach einer Abschlusskundgebung auf. Die Polizei nahm sechs Teilnehmer der NPD-Veranstaltung wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot fest. In einem Kommentar auf seiner Internetseite unterstrich der Bremer NPDLandesverband die Aktualität seines Demonstrationsmottos und die "richtige Ortswahl für den Aufzug". Gleichzeitig kritisiert er aber das Verhalten der Polizei, weil sie ca. 40 Personen an der Teilnahme gehindert habe und darüber - 17 - hinaus den gerichtlich festgelegten Aufzugsweg nicht habe durchsetzen können. Er drohte "ein juristisches Nachspiel" an. Tatsächlich musste die geringe Beteiligung den Veranstalter enttäuschen, da es ihm nicht gelang, das rechtsextremistische Bremer Potenzial zu mobilisieren. Eigene Parteimitglieder waren wegen parteiinterner Personalquerelen der Veranstaltung ferngeblieben. Dass der Bremer NPD-Landesverband das "Volksfront-Kozept" konsequent verfolgt und umsetzen will, zeigt sich in der Mitarbeit in der am 08. November in Bremen gegründeten "Arbeitsgemeinschaft Nord" (ARGE Nord). In einer Erklärung auf der Internetseite des Bremer NPD-Landesverbandes heißt es dazu: "Da allen Teilnehmern der Norden unseres Landes sehr am Herzen liegt und wir unsere Kräfte nicht verzetteln möchten, wurde die Zusammenarbeit folgender nationaler Kräfte beschlossen: NPDLandesverband Bremen, NPD-Landesverband Hamburg, NPDKreisverband Stade, NPD-Kreisverband Rotenburg, SPB/NM Lüneburg." Die Zusammenarbeit solle den Gemeinschaftssinn stärken, denn nur gemeinsam könne man den etablierten Parteien etwas entgegensetzen und Paroli bieten: "Die herrschenden Zustände in unserem Land erfordern, den von der Partei proklamierten Volksfrontgedanken vorzuleben und zu realisieren." Der Bremer NPD-Landesverband kündigte im September auf seiner Internetseite das Kaufinteresse an einer Immobilie in Bremen an. Durch Spendenzusagen älterer NPD-Mitglieder und eines Geschäftsmannes sei es der Bremer NPD nun möglich, eine Immobilie für eine Landesgeschäftsstelle zu erwerben. Der Kaufpreis dürfe max. 80.000 Euro betragen. Ein Immobilienerwerb wurde bislang nicht realisiert. - 18 - 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) Gegründet: 1971 als Verein DVU e.V. 1987 als DVU - Liste D 1991 in DVU umbenannt Mitglieder: Deutschland: ca. 8.500 (2005: ca. 9.000) Land Bremen: ca. 145 (2005: ca. 170) Organisation/ Der DVU-Landesverband besteht aus den Kreisverbänden Struktur: Bremen und Bremerhaven. Publikationen: "Nationalzeitung" (erscheint bundesweit wöchentlich). Der Bremer Landesverband unterhält eine Internetseite. Politische Laut Parteiprogramm ist es das Hauptziel der DVU, Ziele/ "dass deutsche Politik in Deutschland endlich wieder Agitationsgem. Art. 56 des Grundgesetzes (Amtseid) betrieben schwerpunkte: wird", Herstellung von Deutschland in den Grenzen von 1937, Verteidigung der "Ehre der ehemaligen deutschen Wehrmacht", Antisemitismus / Propaganda gegen Israel, Keine Zuwanderung / Drohende "Umvolkung" der Deutschen, Abschiebung krimineller Ausländer, Arbeit für Deutsche. Aktuelle Gegen Sozialabbau und Sparkurs, Themen: Fortführung des "Deutschland-Paktes" mit der NPD, Geld für Deutsche statt Bundeswehr im Ausland, Polemik gegen Israel ist ein durchgängiges Thema. Letztes Bürgerschaftswahl 2003 zum Vergleich 1999 Wahlergebnis: Land Bremen: 2,28% (6.642 Stimmen) 3,03% (8.823) Stadt Bremen: 1,37% (3.376 Stimmen) 2,48% (6.076) Stadt Bremerhaven: 7,10% (3.266 Stimmen) 5,99% (2.747) Wahl zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung 2003 zum Vergleich 1999 8,08 % (3.564 Stimmen) 5,2 % (2.415) An den Bundestagswahlen 2005, 2002 und 1998 sowie an der Europawahl 2004 hat die DVU nicht teilgenommen. Mandate: 1 Mandat in der Bremischen Bürgerschaft, 4 Mandate in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven, 4 Mandate in den Beiräten in Bremer Stadtteilen. - 19 - Entwicklung und Tendenz: Der Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY, der seit vielen Jahren im Rechtsextremismus in unterschiedlichen Organisationen eine maßgebliche Rolle gespielt hatte, überführte 1987 die Abonnenten seiner Wochenschrift "Deutsche National-Zeitung" in die Mitgliedschaft der von ihm als Partei etablierten "Deutschen Volksunion". Seit ihrer Gründung wird die DVU von Dr. FREY zentralistisch und autoritär geführt. Durch die Konzentration aller wesentlichen Parteifunktionen auf seine Person entwickelt sich keine innerparteiliche Demokratie. Den 16 Landesverbänden bleibt daher kaum Raum für selbständige politische Arbeit. Die im Verlag des Bundesvorsitzenden erscheinende "National-Zeitung" ist das Sprachrohr der Partei. In der Berichterstattung werden die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert sowie unterschwellig eine antisemitische und fremdenfeindliche Stimmung geschürt. Beispielhaft hierfür sind Artikelüberschriften wie: * "Warum Multikulti verspielt hat Wird Überfremdung endlich gestoppt?" * "Bald mehr Ausländer als Deutsche? Die Schuldigen der Bevölkerungs-Katastrophe" * "Darf jeder Deutscher werden? So werden wir überfremdet" * "Wem gehört Deutschland? Die Gefahren der Ausländerpolitik" * "Wie frei ist Deutschland? Wegen falscher Meinung ins Gefängnis Zweifel am Holocaust sind hierzulande verboten" Ein durchgehendes Thema der DVU bleibt die "Umvolkung der Deutschen". Damit wird suggeriert, dass durch eine gezielte und geplante Zuwanderung in Deutschland ein "Volksaustausch" vorgenommen wird. In einer auf der Internetseite des Bremer DVU-Landesverbandes veröffentlichten Rede des stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Bremer DVU Bürgerschaftsabgeordneten Siegfried TITTMANN zur Bevölkerungsentwicklung im Land Bremen heißt es dazu: - 20 - "Bei uns geht der Anteil der Deutschen seit Jahrzehnten dramatisch zurück, während aber gleichzeitig die Geburtenfreudigkeit unter Ausländern besonders zunimmt. Entsprechend vollzieht sich ein sogenannter Umvolkungsprozess im Zwei-Städte-Staat." Dabei wird eine fremdenfeindliche Tendenz erkennbar, die darauf gerichtet ist, Ängste vor Massenzuwanderung und gleichzeitig eine - angeblich damit einhergehende - Steigerung der Kriminalität hervorzurufen. Die Überschrift eines Artikels "Böse Deutsche, brave Ausländer Woher die Gewalttäter wirklich kommen" in der "National-Zeitung" vom 09. Juni 2006 macht dies deutlich. Das zentrale Ideologieelement der DVU ist ihr tiefgreifender "völkisch" geprägter Nationalismus. Die bestimmenden Identifikationsmerkmale der Partei sind die Begriffe "Deutschland" und die "deutsche Nation". Ziel ist es, ein ethnisch einheitliches Deutschland zu schaffen. Als Beispiele seien hier Aussagen TITTMANNs auf der Internetseite des Bremer Landesverbandes angeführt: Die Deutsche Volksunion (DVU) ist die Partei für die Deutschen. Die DVU tritt ein für ein freies, unabhängiges, souveränes, neutrales, rechtsstaatliches, demokratisches, soziales und vor allem deutsches Deutschland. Die Deutsche Volksunion wird sich jedenfalls nach wie vor einem Ausländerlobbyismus, multikultureller Propaganda oder Überfremdungswahn widersetzen und entschlossen dafür kämpfen und sich einsetzen, dass einer Politik der Weg geebnet wird, die das Überleben des deutschen Volkes in einem sozial gerechten und vor allen Dingen deutschen Deutschland ermöglicht. Die DVU bleibt, trotz eines stetigen Mitgliederrückganges, die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Öffentlich wahrnehmbar ist die Partei fast nur bei ihren Wahlantritten. Gegenwärtig ist die DVU im Landesparlament von Brandenburg mit sechs Sitzen und in Bremen mit einem Abgeordneten vertreten. Die Wahlerfolge der DVU seit 1987 resultieren u.a. auch aus den Wahlabsprachen mit anderen rechtsextremistischen Parteien. So war bei ihrem - 21 - ersten Wahlantritt 1987 in Bremen der DVU im Zweckbündnis mit der NPD über die Bremerhavener Wahlliste der Einzug in die Bremische Bürgerschaft mit einem Mandat gelungen. Der Bundesvorsitzende FREY betrachtet seither den Wahlbereich Bremerhaven als "seine Bastion". Aus diesen Erfahrungen heraus und dem erfolgreichen Abschneiden der DVU und der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) bei den Landtagswahlen 2004 in Brandenburg und Sachsen schlossen die Parteivorsitzenden FREY und VOIGT am 15. Januar 2005 eine als "Deutschland-Pakt" bezeichnete Vereinbarung, in der sie festlegten, bei kommenden Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene bis zum 31. Dezember 2009 nicht gegeneinander anzutreten. Damit hat sich die DVU gleichzeitig formell in die von der NPD initiierte "Volksfront von rechts" eingebunden. Die Ablehnung "antideutscher" Bestrebungen bildet die Klammer des "Deutschland-Paktes". Gemäß dieser Absprache trat die DVU bei gleichzeitigem Verzicht der NPD am 26. März zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt an. Auf ihrer Landesliste waren auch NPD-Kandidaten nominiert. Nach einem aufwändig geführten Wahlkampf blieb sie aber mit einem Stimmenanteil von nur 3 % deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurück. Auf ihrer Internetseite betonte die DVU-Führung in einer Erklärung zum Wahlausgang, dass sie, trotz des enttäuschenden Ergebnisses, am "Deutschland-Pakt" mit der NPD festhalten wolle. Weitere Kandidaturen der DVU sind bei den Landtagswahlen in Bremen (2007), Hamburg (2008), Thüringen, Brandenburg und der Europawahl (2009) vorgesehen. Der Vorstand des Bremer DVU-Landesverbandes steht zwar formal zu der eingegangenen Bündnispolitik mit der NPD. Eine fundierte Zusammenarbeit hat sich bislang zwischen den beiden Landesverbänden aber nicht herausgebildet. Die Kooperation beschränkte sich auf eine gemeinsame Kranzniederlegung auf einem Bremer Friedhof am Volkstrauertag. Insbesondere die Parteibasis betrachtet das Kooperations-Konzept wegen der Nähe der NPD zur NeonaziSzene skeptisch. Dies wurde u.a. auch bei der Demonstration der Bremer NPD und Neonazis am 04. November in Bremen deutlich: Mitglieder des Bremer DVU-Landesverband beteiligten sich nicht an diesem Aufzug. - 22 - Die Partei führt in Bremen wegen ihrer organisatorischen Schwäche und aus Furcht vor Gegenaktionen keine öffentlichen Veranstaltungen durch. Turnusmäßige Mitgliedertreffen werden in Form von "Politischen Stammtischen" in Gaststätten durchgeführt. Satzungsobligatorische Mitgliederversammlungen werden auch weiterhin unter konspirativen Modalitäten im niedersächsischen Umland abgehalten. - 23 - 3. Neonazistische Szene Bundesweit gab es 2006 ca. 4.200 (2005: 4.100) Neonazis, organisiert in ca. 160 Kameradschaften, im Land Bremen ca. 15 Neonazis (2005: 10-15). Nach den Vereinsverboten in den Jahren 1992 bis 1996 verzichtet die Neonaziszene im Gegensatz zu den rechtsextremistischen Parteien auf Organisationsstrukturen. Sie ist gekennzeichnet durch eine weitgehend undifferenzierte Übernahme des Gedankengutes der ehemaligen NSDAP. Insbesondere die Verherrlichung dieses dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte und die kultische Verehrung führender Personen der NS-Ära prägen die Ausrichtung dieser Szene und sind für ihre terminologische Festlegung maßgebend. Auf dieser Grundlage haben sich in verschiedenen Regionen der Bundesrepublik lose strukturierte "Kameradschaften" gebildet, die sich zur Verwirklichung ihrer neonazistischen Ziele häufig aber einer gemeinsamen Willensbildung unterwerfen. Die lediglich lose Organisation der Neonazis, auch "Freie Nationalisten", schränkt aber keineswegs ihre Aktionsfähigkeit ein. Der aktuelle Informationsaustausch zwischen den einzelnen regionalen Gruppen wird über moderne Kommunikationsmittel wie Internet oder Mobiltelefone sichergestellt. Über die Webseiten regionaler "Aktionsbüros" wird die Szene über geplante oder durchgeführte Veranstaltungen informiert. Ihre politischen Positionen tragen Neonazis öffentlichkeitswirksam insbesondere auf Demonstrationen und Kundgebungen vor. Einen hohen Mobilisierungsgrad erreichen dabei Veranstaltungen zur Glorifizierung der Wehrmacht und zur Verehrung von Repräsentanten des Dritten Reiches, insbesondere von Rudolf Heß. Im Jahre 2006 nahmen darüber hinaus soziale Themen und die Forderung "Gegen staatliche Repressionen - Weg mit dem Paragraphen 130 StGB" einen breiten Rahmen bei öffentlichen Protesten ein. Mit der Neufassung des SS 130 StGB aus dem Jahr 2005 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, "wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die - 24 - nationalsozialistische Gewalt und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt." Über Jahre prägte die "Kameradschaft Bremen" die lokale Neonazi-Szene und hatte bis zu 30 Mitglieder. Interne Querelen und der Rückzug einzelner "Führungspersonen" aus der politischen Arbeit führten seit Beginn des Jahres zu einem deutlichen Mitgliederverlust. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entwickelten die verbliebenen Kameradschaftsmitglieder in diesem Jahr nicht. Einzelne Mitglieder traten aber durch sporadische Übergriffe auf politische Gegner in Erscheinung. Es bestehen weiterhin intensive Kontakte zu anderen "Freien Nationalisten" in Norddeutschland. Über das "Aktionsbüro Norddeutschland" ist die "Kameradschaft Bremen" an gemeinsamen Veranstaltungen beteiligt. Darüber hinaus banden sie sich enger in die Aktivitäten der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in Bremen ein. Versuche bisher unorganisierter Neonazis, zusammen mit gewaltbereiten Skinheads aus Bremen-Nord, in Bremen neue, auf Dauer angelegte "Kameradschaften" mit einem stringenten neonazistischen Handlungswillen zu gründen, schlugen meist fehl. So konnte die Gruppe "Weyher Sturmtrupp & Farger Nationalisten" oder der "Wesersturm" anfänglich mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegen antifaschistische Gruppen in Bremen und dem niedersächsischen Umland auf sich aufmerksam machen. Der Aufbau fester Strukturen gelang ihnen aber nicht. Einzelne dieser zum Teil sehr jungen Akteure traten der NPD bei und bekleiden mittlerweile Funktionen im Bremer Landesverband. Erstmals seit Jahren sammelten sich bisher unorganisierte Neonazis und gewaltbereite Skinheads in Bremerhaven unter der Führung eines aus Bremen zugezogenen Neonazis in einer Gruppe unter der Bezeichnung "Backstreet Skinheads". Neben eigenständigen Aktionen, die sich u.a. gegen antifaschistische Gruppen richteten, beteiligte sich diese Gruppe an Veranstaltungen des Bremer NPD-Landesverbandes und an Demonstrationen und Kundgebungen norddeutscher Neonazis. - 25 - Gruppenübergreifend beteiligten sich Bremer Neonazis und Skinheads u.a. am 28. Januar in Lüneburg an einer Demonstration "Freier Nationalisten" aus Norddeutschland unter dem Motto "Gegen Demonstrationsverbote - Meinungsfreiheit erkämpfen". Der Aufzug mit ca. 150 Teilnehmern war Teil der bundesweiten Kampagne "Gegen staatliche Repression". Bremer Neonazis und Skinheads beteiligten sich auch am 11. März an einer zentralen "Heldengedenkfeier" auf der größten deutschen Kriegsgräberstätte in Halbe (Brandenburg). Die Veranstaltung, an der ca. 700 Rechtsextemisten teilnahmen, hat in der Neonazi-Szene einen hohen identitätsstiftenden Charakter. Aus Anlass des Todestages von Rudolf HEß (17. August) fand zwischen 2001 und 2004 in Wunsiedel (Bayern) alljährlich eine zentrale Gedenkfeier der rechtsextremistischen Szene statt. Der ehemalige Hitler-Stellvertreter Heß wird in der rechtsextremistischen Szene, besonders von den Neonazis, als "Märtyrer des Friedens" verehrt. Die jährlichen Gedenkveranstaltungen hatten auch bei Bremer Rechtsextremisten einen festen Platz im Terminkalender. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, wie im Vorjahr, das Verbot der Veranstaltung. Für die daraufhin bundesweit durchgeführten Ersatzveranstaltungen wählten die Veranstalter fast ausschließlich Demonstrationsmottos, die keinen direkten Bezug zu Rudolf Heß aufwiesen. Einzelne Bremer Neonazis und Skinheads beteiligten sich an einer solchen Ersatzveranstaltung mit insgesamt ca. 250 Teilnehmern am 19. August in Berlin. Mit Unterstützung "Freier Nationalisten" aus Norddeutschland richtete der Bremer NPD-Landesverband am 04. November in Bremen eine Demonstration unter dem Motto "Arbeitsplätze statt Kriegseinsätze - Kein Geld für fremde Interessen" aus. Zu den ca. 100 Demonstranten zählten auch Bremer Neonazis und Skinheads, die damit ihren Willen zur Beteiligung an einer "Volksfront von rechts" unter Führung der NPD deutlich machten. Feststellbar wurde im Verlaufe des Jahres eine zunehmende Vermischung von Teilen der neonazistischen mit der Skinheadszene im Land Bremen, die sich u.a. in den geschilderten gemeinsamen Beteiligungen an öffentlichkeitswirksamen Aktionen widerspiegelt. Die distanzierte Positionierung gegenüber dem Bremer NPD-Landesverband weichte zusehends auf. Dies drückte sich in - 26 - der Übernahme von Funktionen im NPD-Landesverband durch Neonazis und Skins aus. Die Kontakte zwischen Bremer Neonazis und Skinheads zu Teilen der gewaltbereiten Bremer Hooliganszene wurden intensiviert. Nachdem im Verlaufe des Jahres mehre Neonazis und Skinheads von politischen Gegnern gezielt angegriffen wurden, formierte sich Ende des Jahres eine aus ca. 20 Personen bestehende "Eingreifgruppe", um solchen Attacken entgegenzuwirken. Zu dieser Gruppe gehören auch Angehörige der Bremer Hooliganszene. - 27 - 4. Rechtsextremistische Skinheads Das Personenpotenzial der rechtsextremistischen Skinheads und sonstiger gewaltbereiter Rechtsextremisten umfasste auf Bundesebene im Jahr 2006 ca. 10.400 Personen. Im Land Bremen sind ca. 35 Personen der Skinheadszene zuzuordnen. Sie bildet, wie auch auf Bundesebene, ein wichtiges Rekrutierungsfeld für die Neonaziszene und in Bremen auch für den NPDLandesverband. Rechtsextremistische Skinheads verzichten weitestgehend auf feste Strukturen. Zusammenschlüsse haben eher einen Cliquencharakter. Nationalsozialistisches Gedankengut, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewaltbereitschaft sind prägende Merkmale der Skinheadszene. Das bisherige typische äußere Erscheinungsbild wie Springerstiefel, Bomberjacke und kahlgeschorener Kopf, weicht zunehmend einem "zivilen" Auftreten in modischer Freizeitkleidung. Zur internen Identifikation werden nun bevorzugt Kleidungsstücke bestimmter Marken und Firmen getragen. Einen bedeutenden Identifikationsfaktor der Skinszene stiftet die gewaltverherrlichende und aggressionsfördernde Skinmusik, die als wichtiges Medium für rechtsextremistisches Gedankengut dient. Die überregional bekannten Bremer Skinhead-Bands "Nahkampf", "Endlöser" (früher: "Schlachtruf"), "Rufmord" und "Endstufe" traten in den zurückliegenden Jahren bundesweit bei Skin-Konzerten auf. Die Gruppe "Hetzjagd", deren Mitglieder den "Hammerskins" angehören, brachte im Jahr 2006 ihre erste eigene CD-Produktion heraus. Ihre Musik ist vornehmlich durch Texte mit rassistischer, volksverhetzender und antisemitischer Tendenz geprägt. Mehrere CDs dieser Gruppen wurden indiziert. Wiederholt wurden Konzerte mit diesen Bands verboten bzw. von der Polizei aufgelöst. Auszüge aus dem Lied "Endlöser" machen beispielsweise die Nähe der gleichnamigen Gruppe zur Rassenideologie der Nationalsozialisten deutlich, denn sowohl der Titel als auch der Text spielen deutlich auf den von den Nationalsozialisten verwendeten Begriff für die Vernichtung der Juden an. So heißt es im Refrain des Liedes: - 28 - "Endlöser ist unser Name Und der Name ist Programm Unseren Worten folgen Taten Aller Feinde Untergang" In einem weiteren Lied derselben Gruppe wird der Kampf gegen das Judentum propagiert, weil es angeblich die Menschen unterdrückt. So lautet auszugsweise der Text: "Wir waren die Herren des Nordens, in Thule einst geboren Doch haben wir den Kampf gegen das Judentum verloren Seitdem tragen wir ein Joch, gemacht von fremder Hand Unsagbare Qualen kommen über unser Land Doch unsere Zeit wird kommen, Die Rache steht bevor......" Skinheadkonzerte, die meist konspirativ organisiert und als private Feiern deklariert werden, dienen dem Zusammenhalt der Szene. Durch die Teilnahme werden Kontakte untereinander gefestigt und daneben auch bislang unpolitische junge Menschen an die rechtsextremistische Szene herangeführt. Gleichzeitig werden solche Veranstaltungen oftmals als Umschlagbörse für verbotene einschlägige CDs und szenetypische Kleidung genutzt. Darüber hinaus bilden Skinheadkonzerte eine Art "Klammerfunktion" zwischen der Skinszene und Teilen des rechtsextremistischen/neonazistischen Lagers. - 29 - Bundesweit fanden 163 rechtsextremistische Konzerte statt. In Bremen wurden, wie schon in den Vorjahren, keine Skinkonzerte ausgerichtet. - 30 - 5. Bewertung der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Bremen Bis auf die NPD hatten die rechtsextremistischen Parteien erneut einen Rückgang der Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Der NPD-Landesverband Bremen konnte seinen Mitgliederstand halten. Mit der Gründung einer "Jugendgruppe" gelang es dem Bremer NPD-Kreisverband, insbesondere junge Neonazis und Skinheads in die Parteiarbeit einzubinden. Die im Januar 2005 im "Deutschlandpakt" festgeschriebene Zusammenarbeit für kommende Wahlen zwischen der DVU und der NPD sowie der Aufruf der NPD an "alle nationalen Kräfte" zur "Bildung einer Volksfront von rechts" hat nach wie vor Bestand. Einzelne Neonazis und Skinheads übernahmen im NPDLandesverband Bremen Funktionen. Durch eine Vielzahl von Informationsständen in Bremen machte die NPD seit Mitte des Jahres auf sich aufmerksam. Mit Unterstützung "Freier Nationalisten" führte sie erstmals seit Jahren in Bremen wieder eine Demonstration durch. Die neonazistische "Kameradschaft Bremen" hat nach Mitgliederverlusten auf die Aktivitäten der neonazistischen Szene in Bremen an Einfluss verloren. Der Aufbau weiterer gefestigter neonazistischer Gruppen scheiterte bislang. Eigenständige öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entwickelten Bremer Neonazis nur in Einzelfällen. Überwiegend banden sie sich aktionistisch an Veranstaltungen des übrigen rechtsextremistischen Spektrums, insbesondere in Norddeutschland. Hatten große Teile der Bremer Neonaziund Skinheadszene bislang der NPD skeptisch und distanziert gegenübergestanden, wurde im Verlaufe des Jahres eine deutliche Annäherung sichtbar, die sich auch in der Übernahme von Funktionen in der Partei widerspiegelt. In Bremen gibt es derzeit weder Anhaltspunkte für Anschlagplanungen von Rechtsextremisten noch Anzeichen für die Existenz oder Gründung rechtsextremistischer terroristischer Strukturen. Ein bedeutender Identifikationsfaktor der gesamten Szene ist nach wie vor die rechtsextremistische Skinheadmusik. Bremer Skinheadbands traten bundesweit bei mehreren Konzerten auf und produzierten neue CDs. - 31 - Die DVU war öffentlich nur im Hinblick auf die Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft im Jahr 2007 wahrnehmbar. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten im Land Bremen blieb mit ca. 285 Personen auf dem Niveau des Vorjahres. Die Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation stiegen gegenüber dem Vorjahr erneut an (siehe Anhang). Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund waren gegenüber dem Vorjahr rückläufig (zwei gegenüber zehn im Jahr 2005). - 32 - III. Linksextremismus Orthodoxe Linksextremisten streben auf der Grundlage einer ökonomisch begründeten Klassentheorie eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse an. In der Bundesrepublik Deutschland zielen sie auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie bekennen sich überwiegend zu "revolutionärer Gewalt". Ihre teilweise differierenden ideologischen Ausrichtungen basieren auf marxistisch-leninistischen1 oder trotzkistischen Elementen. Sie propagieren die "Herrschaft der Arbeiterklasse" - "Diktatur des Proletariats" - oder die Einführung einer "Räterepublik". Autonome Linksextremisten wollen eine "herrschaftsfreie Gesellschaft", die sie auch unter Anwendung von Gewalt zu erreichen versuchen. Sie verfolgen kein einheitliches ideologisches Konzept. Durch eine fehlende Strategie nehmen sie die Ineffektivität ihrer Aktionen in Kauf. Die anarchistische Szene lehnt jede institutionalisierte Form von Macht ab. Anarchisten verfolgen die Utopie eines auf freier Selbstbestimmung beruhenden Zusammenlebens, das in der Regel ohne Anwendung von Gewalt propagiert und realisiert werden soll. 1 Marxismus, von Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) begründete Wirtschaftsund Gesellschaftstheorie. Unter Marxismus versteht man im heutigen Sprachgebrauch auch die Weiterentwicklungen und Interpretationen der Lehren von Marx. In seinem ab 1850 entstandenen Hauptwerk Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie beschreibt Karl Marx "die selbst zerstörerische Produktionsweise des Kapitalismus". Leninismus, von Wladimir Iljitsch Lenin (18701924) entwickelte revolutionäre Lehre auf der Basis des Marxismus. Im Leninismus wird die Rolle der an der "richtigen" Theorie ausgerichteten revolutionären Partei bei der kommunistischen Machtergreifung und bei der Konsolidierung dieser Macht hervorgehoben. Die Parteiführer sind klassenbewusste Berufsrevolutionäre, deren Aufgabe darin besteht, der Arbeiterklasse ein revolutionäres Bewusstsein, Disziplin und die marxistische Theorie zu vermitteln. Nach der Machtergreifung sollte die Partei die "Diktatur des Proletariats" errichten, bis der Übergang zum Sozialismus vollzogen ist. Trotzkismus bezieht sich auf Leo Trotzki (1879-1940). Ausgangspunkt für den Trotzkismus ist eine Analyse der "Bürokratisierung" der Länder, in denen eine proletarische Revolution stattgefunden hatte. Im Gegensatz zu der von Stalin vertretenen These vom möglichen "Sozialismus im eigenen Land" stand Trotzki für einen konsequenten Internationalismus. Laut Trotzki kann der Sozialismus als Übergangsgesellschaft zum Kommunismus nur auf internationaler Ebene funktionieren. - 33 - 1. Autonome Mobilisierbares Deutschland: ca. 5.500 (2005: ca. 5.000) Potenzial: Land Bremen: ca. 200 (2005: ca. 250) Organisation / Kein ideologisches Konzept, verschwommene anarchoStruktur: kommunistische Vorstellungen. Publikationen: "Interim" (bundesweit), wöchentlich "Bremer Kassiber", unregelmäßig Politische Ablehnung staatlicher Strukturen und der vorherrschenden Ziele/ Gesellschaftsform, AgitationsBereitschaft zur Gewaltanwendung, schwerpunkte: die Aktionsfelder "Antifaschismus", "Antiimperialismus" und "Antirassismus" dominieren, Leitmotiv: "Propaganda der Tat", Interaktionen mit Globalisierungsgegnern, Kriegsgegnern und der Anti-Atom-Bewegung. Aktuelle Widerstand gegen Atomtransporte, Themen: das "Outen" von Rechtsextremisten, G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm, Aktionen gegen Unterbringungsund Abschiebepraxis Entwicklung und Tendenz: Die autonomen Linksextremisten sind aus der Konkursmasse der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO) Anfang der 70er Jahre hervorgegangen. Diese undogmatische linksextremistische Bewegung hat die aus der gleichen Politisierungsphase resultierenden kommunistischen Splittergruppen (sog. "K-Gruppen") zeitlich weit überdauert und für die Sicherheitslage der Bundesrepublik ein weitaus größeres Gefahrenpotenzial heraufbeschworen. Die nicht homogene autonome Szene verfügt über keine geschlossene Ideologie. Ein "Vulgärmarxismus" als Analyse des kapitalistischen Systems ("Schweinesystem"), gepaart mit einer strikten Ablehnung leninistischer Kaderorganisierung, bestimmen diese weitgehend regionale und basisorientierte Bewegung. Sie agiert überwiegend spontan und reflexartig auf ihre Feindbilder, ist jedoch infolge der fehlenden Strukturen meist nur zu kurzfristigen Aktionsformen fähig. Charakteristisch für die autonomen Linksextremisten ist ihre Spontaneität, mit der ad hoc Initiativen, "Büros", Bündnisse etc. gebildet werden, die sich - 34 - aktuellen Themen widmen. Stets greifen sie jedoch über den konkreten Anlass hinaus das parlamentarische System der Bundesrepublik Deutschland an, das sich für sie als "Verschleierung eines industriell-militärischen Machtkartells" darstellt, als "Kern allen Übels". Der autonome Linksextremismus war auch Rekrutierungsund Unterstützerfeld für alle terroristischen Konzepte der vergangenen Jahrzehnte (RAF, "Bewegung 2. Juni", RZ). Mit Schwerpunkten in Berlin und Hamburg sowie im niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Umland wurden vermehrt konspirative militante Anschläge verübt, die im Themenzusammenhang mit dem "G8-Gipfel 2007" in Heiligendamm standen. Personenschäden waren nicht zu verzeichnen, es kam jedoch teilweise zu erheblichen Sachbeschädigungen, insbesondere durch Brandanschläge. In Bremen ist eine solche militante Ausprägung der autonomen linksextremistischen Szene bisher nicht erkennbar. Die aktuellen Aktionsfelder der linksextremistischen Autonomen in Bremen erstrecken sich primär auf Aktionen gegen den "Faschismus", der sich vordergründig in Angriffen auf Personen des rechtsextremistischen Bereichs ausdrückt. Der "Antifaschismus" linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen geht jedoch in seiner Ausrichtung über ein moralisch-ethisches Antifaschismusverständnis des demokratischen gesellschaftlichen Spektrums hinaus. Er hat eine mobilisierende Funktion im eigenen Umfeld und dient als "Totschlagargument" der Diffamierung politischer Gegner jeglicher Provenienz. Selbst militante Aktionen werden mit "antifaschistischer Motivation" zu rechtfertigen versucht. Mit einer solchen Antifaschismusstrategie versuchen autonome Linksextremisten, ihre auf eine Systemüberwindung zielenden Absichten zu verschleiern. Ein Bestandteil der "Antifaschismusarbeit" ist das Beobachten und "Outen" der Aktivitäten von Rechtsextremisten im Land Bremen und im niedersächsischen Umland. - 35 - Über eine eigens eingerichtete Internetseite werden die Beobachtungen der linksextremistischen "Aufklärungsarbeit" veröffentlicht: Laut einer Selbstdarstellung soll diese Internetseite ein "antifaschistisches Webprojekt" für Bremen und das niedersächsische Umland sein. Hier werden Hinweise und Beiträge zu rechtsextremistischen Veranstaltungen in Bremen und dem niedersächsischen Umland sowie über Aktionen des autonomen Spektrums veröffentlicht. Auf dieser Seite werden u.a. die Fotos von Personen veröffentlicht, die an rechtsextremistischen Demonstrationen / Aufmärschen teilgenommen haben. So wurden zum Beispiel 124 Bilder von Rechtsextremisten, die an der Kundgebung am 04. November in Bremen-Walle beteiligt waren, kurz darauf in das Internet eingestellt. Auch über sog. "Steckbriefaktionen", bei denen im Juni und Oktober in Form von Flugblättern Kurzdarstellungen zu Bremer Rechtsextremisten in Bremen verteilt wurden, wird aktives "Outing" betrieben. Bremer Linksextremisten beteiligten sich auch an Gegendemonstrationen bzw. -aktionen zu regionalen und überregionalen rechtsextremistischen Veranstaltungen. Dabei stehen sie in reger Kooperation mit autonomen "Antifa"-Gruppen des niedersächsischen Umlandes. Bei diesen zum Teil militanten Protestveranstaltungen wurde Gewalt nicht nur gegen Sachen, sondern immer häufiger gegen Rechtsextremisten oder Polizeikräfte eingesetzt. Die autonomen linksextremistischen "Antifaschisten" suchten die Konfrontation mit dem rechtsextremistischen Gegner auf der Straße und versuchten, dessen Aufmärsche zu verhindern. So war ein Schwerpunkt der Bremer linksextremistischen Antifaschismusarbeit die Gegendemonstration / Gegenaktion zu dem NPD-Aufmarsch am 04. November in Bremen-Walle. Als Reaktion auf die angekündigte NPD-Demonstration in Bremen-Walle hatte sich im Vorfeld ein breites Bündnis aus überwiegend demokratischen Organisationen wie Gewerkschaften, Parteien, Vereinen, Kirchen und anderen Gruppierungen gebildet, die gegen den geplanten Aufmarsch der NPD protestieren wollten. Neben dem breiten bürgerlichen Spektrum beteiligten sich - 36 - auch die "Linkspartei.PDS", die ihr nahe stehende Jugendorganisation ['solid], die Bremer "autonome Antifa" und die DKP am Bündnis. Umfangreiche Vorbereitungen bezüglich der Gegendemonstration hatten bereits seit September stattgefunden, so sollen 10.000 Plakate und 30.000 Flugblätter gedruckt und verteilt worden sein. Auf zahlreichen Internetseiten und in einigen Städten wurde für die Gegendemonstration in Bremen mobilisiert. Gegen den NPD-Aufmarsch in Bremen-Walle am 04. November demonstrierten ca. 4.000 Personen - darunter ca. 400 bis 500 Autonome - im Rahmen des o. g. breiten Bündnisses, bestehend aus ca. 80 überwiegend demokratischen Initiativen. Eine Polizeisperre, die laut einer Gerichtsentscheidung als Pufferzone zwischen Gegendemonstration und Demonstration errichtet worden war, wurde von ca. 400 vermummten Autonomen durchbrochen. Diesen Autonomen folgten 1.500 Personen, die sich dann vor einer zweiten Absperrung der Polizei sammelten und ihre Demonstration fortsetzten. Im Bereich dieser polizeilichen Absperrlinien kam es zu Steinund Flaschenwürfen gegen Polizeibeamte. Insgesamt erfolgten sieben Festnahmen und ca. 200 Personen wurden bis zum Ende der Demonstration in Gewahrsam genommen. Aus polizeilicher Sicht wurde eine deutliche und massive Aggressivität von gewaltbereiten Demonstrationsteilnehmern gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten wahrgenommen. Die Gegendemonstration wurde von der linksextremistischen autonomen Szene in Bremen als Erfolg gewertet. Der Umstand, dass die Rechtsextremisten nach ca. 300 Metern wieder umkehren mussten, wurde besonders herausgestellt. Neben der Veranstaltung von Demonstrationen zu rechtsextremistischen Aufmärschen engagierte sich die Bremer antifaschistische Szene vor allem bei Aktionen gegen Informationsstände der NPD. So griffen z.B. am 22. August ca. 25 vermummte Personen einen Informationsstand der NPD in Bremen/Vegesack an. Dabei wurde der Stand zerstört und Informationsmaterial vernichtet bzw. zerstreut. Zwei weitere Informationsstände der NPD am 18. und am 25. November in Bremen / - 37 - Gröpelingen bzw. Walle wurden ebenfalls von Protesten u.a. der autonomen linksextremistischen Szene begleitet. Bei beiden Veranstaltungen konnten Übergriffe der Gegendemonstranten durch die Polizei verhindert werden. Diese Tendenz des Jahres 2005 setzte sich auch im Jahr 2006 fort. So ist ein Anstieg von Straftaten mit linksextremistischer Motivation im Land Bremen zu verzeichnen. Der Deliktsschwerpunkt der linksextremistisch motivierten Straftaten lag auch im Jahr 2006 in Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. Die Bereitschaft, Gewalt gegen den "politischen Gegner" einzusetzen, wird immer häufiger umgesetzt. Einen weiteren Schwerpunkt der autonomen Szene in Bremen bildet die sog. "Antirassismusarbeit". Hierunter fielen im Jahr 2006 in Bremen u.a. erneut Demonstrationen und Aktionen gegen die Unterbringungsund Abschiebepraxis von nicht aufenthaltsberechtigten Personen. Gemeinsame Aktivitäten mit demokratischen Gruppierungen wurden in dem jeweiligen Zusammenhang angestrebt. Im Zusammenhang mit dem zwangsweisen Einsatz eines Brechmittels bei Laye Alama CONDE2, in dessen Folge der Betroffene verstarb, wurde am 07. Januar 2006 eine Demonstration mit dem Titel "Zum Gedenken an Laye Alama CONDE und seinen Tod durch Brechmitteleinsatz" durchgeführt. Unter den 150-200 Demonstranten befanden sich ebenfalls Bremer Linksextremisten. Sowohl im Vorfeld im Internet als auch der Demonstration auf Transparenten und Flugblättern während der Demonstration wurden Konsequenzen für die "Verantwortlichen" gefordert: "Wir werden die Bagatellisierung der Folter und Infragestellung elementarster Menschenrechte durch die CDU hier in Bremen und in Berlin nicht kampflos hinnehmen." "Wir fordern eine öffentliche und angemessene Entschuldigung der für den Tod (...) persönlich und politisch Verantwortlichen (...)! Endgültig Schluss mit jedweder Vergabe von Brechmitteln (...)! Weg mit der Drogenverbotspolitik! Stoppt rassistische Polizeigewalt!" Neben Beeinflussung verschiedener Demonstrationen überwiegend 2 Hintergrund war eine im Dezember 2004 in Bremen durchgeführte Zwangsmedikation an den mutmaßlichen Drogendealer L. A. CONDE mit Todesfolge. - 38 - demokratischer Gruppierungen beteiligten sich Bremer Linksextremisten auch 2006 bei regionalen sowie bundesweiten Veranstaltungen der "Anti-LagerTour"3-Struktur. Ein Schwerpunkt der "Anti-Lager-Tour"-Bewegung war u.a. die im Juni in örtlicher Nähe zur Landesaufnahmestelle Bramsche-Hesepe (Niedersachsen) durchgeführten "Anti-Lager-Tage", die unter dem Motto "Wir wollen nicht im Lager leben" standen. Zentrale Forderung dieser Aktionstage war die "sofortige Schließung des Abschiebelagers Bramsche-Hesepe". Anmerkung: In Bramsche/Hesepe befindet sich die größte Landesaufnahmestelle in Deutschland. Ca. 550 Flüchtlinge und Asylsuchende sind dort untergebracht. Von linksextremistisch beeinflussten antirassistischen Gruppierungen und Organisationen werden die dort herrschenden Zustände schon seit längerer Zeit als unzumutbar kritisiert. Aus diesem Grund geriet diese Aufnahmestelle auch in der Vergangenheit mehrfach in den Fokus. Unter dem Motto "Bleiberecht für alle! Globale Bewegungsfreiheit für alle! Alles für alle!" wurden im September / Oktober erneut überregionale "Anti-LagerAktionstage" durchgeführt. Die Aktionstage fanden in der Nähe der "Zentralen Aufnahmestelle" (ZAST) Blankenburg (Niedersachsen) statt. Durch ihre Aktionen wollten die Veranstaltungsteilnehmer "(...) die repressive Flüchtlingspolitik, die durch das Lagersystem charakterisiert ist, aufgreifen und sichtbar machen." Des Weiteren sollten "(...) Perspektiven des gemeinsamen Widerstands gesucht (...)" werden. Neben Workshops mit Titeln wie "Linksradikale Politik und antirassistische Arbeit" und Diskussionsrunden zu "Perspektiven antirassistischen Widerstands" wurde ebenfalls eine Demonstration zur "Lagerpolitik" in der Oldenburger Innenstadt durchgeführt, an der ca. 400 Personen teilnahmen, darunter auch Personen aus dem Bremer autonomen linksextremistischen Spektrum. Auch im Hinblick auf diese Aktionstage wurden überregional Vorbereitungstreffen und Informationsveranstaltungen, erneut auch in Bremen, durchgeführt. 3 Die "Anti-Lager-Bewegung" hat die Nachfolge der vorangegangenen "Antirassistischen Grenzcamps" angetreten. Das zuletzt durchgeführte "Grenzcamp" wurde im Jahr 2003 nach militanten Ausschreitungen autonomer Linksextremisten durch die Polizei aufgelöst. - 39 - Anmerkung: Angehörige der "Anti-Lager-Bewegung" wie auch Gruppierungen aus anderen autonomen Themenzusammenhängen, beteiligen sich vor dem Hintergrund des im Jahr 2007 in Heiligendamm (MV) stattfindenden G8-Gipfels zunehmend auch an überregionaler "Anti-G8"-Mobilisierung. Themen wie "Migration" bzw. "Flüchtlingsproblematik" sollen Schwerpunkte bei den Gipfelprotesten darstellen. Die geschwächte "Antirassismus"-Bewegung erhofft sich wie andere bündnisorientierte Gruppierungen eine Bündelung der Kräfte. Bremer Linksextremisten beteiligten sich regional an Aktivitäten gegen die Nutzung von Kernenergie sowie an bundesweit durchgeführten Aktionen gegen sog. Castortransporte. Die "Anti-Atom-Bewegung" wird jedoch weiterhin nicht von Linksextremisten dominiert. Anlässlich des 20. Jahrestages des Reaktorunfalls in Tschernobyl wurden im April in Bremen verschiedene Veranstaltungen durchgeführt. An einem Informationsabend mit inhaltlichen Beiträgen, Lesungen und Filmvorführungen unter dem Motto "Zur sofortigen Stilllegung aller zivilen und militärischen Atomanlagen - weltweit!" nahmen bis zu 150 Personen, auch aus dem linksextremistischen Spektrum Bremen teil. Angebrachte Transparente demonstrierten öffentliche Gesellschaftskritik: "AKW's und die herrschende Klasse ausschalten". Auf Infotischen lagen weiterhin u.a. mehrere Exemplare des überregionalen linksradikalen Untergrundblattes "radikal" aus. Anmerkung: Bei der "radikal" handelt es sich um eine konspirativ hergestellte Zeitschrift, die Positionen autonomer und antiimperialistischer Gruppen vertritt und unterstützt. Nach fast fünfjähriger Pause erschien im April 2004 eine neue Ausgabe der Zeitschrift mit dem Schwerpunkt "Anleitungen zum Bau von - auch zündverzögerten - Brandsätzen". Diese Veranstaltung diente ebenfalls der Vorbereitung eines für den 26. April geplanten "Sternmarsches" durch die Bremer Innenstadt. - 40 - Der vorgenannte "Sternmarsch" wurde unter dem Motto "20 Jahre Tschernobyl - born to be wild" durchgeführt. Unter Beteiligung von Teilen der Bremer linksextremistischen Szene verlief die mit bis zu 700 Demonstranten frequentierte Veranstaltung störungsfrei. In einem bereits im Vorfeld verteilten Flugblatt wurde neben der Ablehnung der Nutzung von Kernenergie erneut auch Kritik an den herrschenden Verhältnissen deutlich. Hierin hieß es u.a.: "Unser Kampf richtet sich nicht nur gegen menschenfeindliche Technologien (...), sondern auch gegen die Verhältnisse, die diese Technologie ermöglichen. (...) Überzeugung läuft über politischen Druck und politischer Druck läuft über praktischen Widerstand. Wir sind innerhalb der herrschenden Verhältnisse nicht kompromissbereit und versuchen uns in diese nicht integrieren zu lassen - wir wollen ein anderes Leben, (...) eine andere Welt! Für die sofortige Stilllegung der herrschenden Klasse! - weltweit." Im Hinblick auf einen im November durchgeführten Castortransport von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague (Frankreich) in das Zwischenlager Gorleben (Niedersachsen) wurde ebenfalls bereits im Vorfeld über die üblichen Medien und Veranstaltungen überregional und lokal mobilisiert. Am 10. November wurde hierzu eine Anti-Castor-Demonstration unter dem Motto "Castor stoppen - Atomstaat zerschlagen" durch die Bremer Innenstadt durchgeführt. Neben Transparenten und Plakaten mit Aufschriften wie "Castor stoppen! Gegen unsere Lebendigkeit seid ihr machtlos - sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit" oder "Wenn ihr unser Leben nicht achtet, achten wir eure Gesetze nicht!" kam es u.a. zu symbolischen Blockadeaktionen, die als sog. "Aufwärmtraining" für eine Großdemonstration am 11. November in Gorleben dienen sollten. Insgesamt nahmen ca. 200-300 Personen, u.a. aus dem linksextremistischen autonomen Spektrum, teil. Bis zu 3500 Demonstranten demonstrierten am 11. November in Gorleben "für den sofortigen Atomausstieg". An dieser Kundgebung nahmen bis zu 200 Bremer Atomkraftgegner teil, darunter Aktivisten aus dem linksextremistischen Milieu. Während des gesamten Transportes in der Zeit vom 10.-13. November kam es bundesweit zu verschiedenen Blockadeaktionen. Direkt im Wendland wurden vermehrt Gleisund Straßenblockaden sowie Ankettaktionen u.ä. - 41 - durchgeführt, wodurch es zu Verzögerungen des Transportes kam. Darüber hinaus wurden im Vorfeld und während des Castor-Transportes verschiedene Sabotageaktionen und Sachbeschädigungen verübt. Die Protestaktionen und Teilnehmerzahlen bewegten sich in etwa auf dem Niveau der Vorjahre. Neben der überwiegenden Anzahl von friedlichen Demonstrationen kam es gelegentlich zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte. Eine erhöhte Militanz durch die im Vorfeld angekündigte Teilnahme von Anti-G8-Aktivisten war nicht erkennbar. Im Rahmen der überregionalen Mobilisierung gegen den geplanten "G8-Gipfel" vom 06. bis 08. Juni 2007 in Heiligendamm wurden u.a. diverse bundesweite Vernetzungstreffen sowie lokale Vorbereitungsund Informationsveranstaltungen, vereinzelt auch auf Bremer Ebene, durchgeführt. Getragen werden die überregionalen "Anti-G8"-Veranstaltungen durch ein breites globalisierungskritisches Spektrum, das sich aus Bündnissen verschiedener linksextremistischer, linksextremistisch beeinflusster und demokratischer Themenzusammenhänge und Personen gebildet hat. Bremer Globalisierungskritiker dominieren die "Anti-G8"-Bewegung nicht. Innerhalb der einzelnen Mobilisierungsströmungen bestanden und bestehen kontroverse Auffassungen zum Thema "Militanzdebatte", dennoch wurden im Jahr 2006 überregional vermehrt konspirative, militante Anschläge verübt, die im Kontext mit dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm standen. Hierbei kam es teilweise zu erheblichen Sachbeschädigungen, insbesondere durch Brandanschläge. Derlei militante Aktionen werden von nichtextremistischen Globalisierungskritikern abgelehnt. In Bremen ist eine militante Ausprägung der autonomen linksextremistischen Szene bisher nicht erkennbar. Sonstige Projekte und Aktionen Auch nahmen - wie im Vorjahr - Bremer Linksextremisten an der Demonstration und Kundgebung gegen eine Veranstaltung des "Verbandes der Freunde der Gebirgsjäger" in Mittenwald (Bayern) teil. Diese regelmäßig stattfindenden - 42 - Protestaktionen gegen Gebirgsjägertreffen finden bei Bremer Linksextremisten eine konstante Resonanz. Mit einer Demonstration unter dem Motto "Deutschland weggrätschen! Gegen Deutschland und seine Fans", trat die "Antinationale Gruppe Bremen" (ANG) in die Öffentlichkeit. Der Demonstrationsaufruf endet mit den Worten: "Gegen Deutschland - Für den Kommunismus". Der NPD-Aufmarsch am 04.11. wurde von der ANG zum Anlass genommen, über das Internet einen Artikel zum Thema "Kein Frieden mit Deutschland - ob mit Nazis oder ohne" zu veröffentlichen. Der Beitrag endet mit dem Aufruf: "Weg mit Deutschland, her mit dem Kommunismus! Gegen Antisemitismus, Rassismus und Kapitalismus" Die "Antinationalen" zeichnen sich durch eine Ablehnung von Nation und Nationalstaatlichkeit und eine unkritische Solidarität mit Israel aus. Der "Ermittlungsausschuss" (EA) Bremen führte Anfang des Jahres 2006 eine Veranstaltungsreihe zum Thema "Aktion Repression & Widerstand" in Bremen durch. "Ermittlungsausschüsse" arbeiten auf lokaler Ebene und betreuen Demonstrationen, beobachten Prozesse, leisten Rechtshilfe u.a. für Personen des autonomen linksextremistischen Spektrums und informieren über "staatliche Repressionen". Im Jahr 2006 wurde die Bremer Zeitung "Kassiber", in der regionale Bezüge wie "Antifa-Arbeit" und "Internationalismus" dargestellt werden, nur unregelmäßig herausgegeben. Der "Kassiber" sieht sich selbst als "Zeitung der linksradikalen Szene" und will "radikale Inhalte und Positionen" in der Öffentlichkeit bekannt bzw. verständlich machen und so Rückhalt schaffen für eine "gesellschaftliche Wurzelbehandlung, die den Herren noch einige Zahnschmerzen verursachen wird." - 43 - 2. "Die Linkspartei.PDS" / vormals "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Erstmalig in 1946 in der sowjetisch besetzten Zone. Zwangszusammenlegung Erscheinung von SPD und KPD zur SED, der späteren Staatspartei der DDR getreten: (1949-1990). Umbenennung im Februar 1990 zur "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Im Dezember 1994 hat sich der PDS-Landesverband Bremen konstituiert. Am 31. Juli 2005 Umbenennung in "Die Linkspartei.PDS", Landesverband Bremen. Der Zusatz "PDS" wurde am 25.11.2006 gestrichen. Mitglieder: Deutschland: ca. 62.000 (unverändert, wie 2005) Land Bremen: ca. 170 (unverändert, wie 2005) Organisation/ Landesverband Bremen. Ziel ist das zeitnahe Zusammenwachsen Struktur: von "Linkspartei" und der Partei " Arbeit und Soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative " (WASG). Publikationen: "Disput", monatlich; "PDS International", vierteljährlich; (Auswahl) "stimmt!" ; "Ein anderes Bremen ist nötig - Ein anderes Bremen ist möglich!", monatlich. Politische Widerstand gegen die "Militarisierung" der Politik, soziale Ziele/ Grundsicherung, gegen Sozialabbau, AgitationsZusammenschluss mit der WASG. schwerpunkte: Aktuelle "Widerstand gegen soziale Raubzüge", Themen: Steuerpolitik, Bildungspolitik, Haushaltspolitik und Sanierungsmöglichkeiten in Bremen. Letztes Europawahl 2004: 1999: Wahlergebnis: Land Bremen: 3,71% (6.627 Stimmen) 2,60% (5.576) Stadt Bremen: 3,87% (5.816 Stimmen) 2,78% (4.954) Stadt Bremerhaven: 2,88% (811 Stimmen) 1,73% (622) Bürgerschaftswahl 2003: 1999: Land Bremen: 1,67% (4.885 Stimmen) 2,89% (8.418) Stadt Bremen: 1,78% (4.386 Stimmen) 3,13% (7.678) Stadt Bremerhaven: 1,08% (499 Stimmen) 1,61% (740) Bundestagswahl 2005: 2002: Land Bremen: 8,45% (30.570 Stimmen) 2,24% (8.443) Stadt Bremen: 8,62% (25.959 Stimmen) 2,39% (7.464) Stadt Bremerhaven: 7,58% ( 4.611 Stimmen) 1,51% (979) Mandate: 6 Mandate in den Beiräten der Bremer Stadtteile - 44 - Entwicklung und Tendenz: Die in der ehemaligen DDR herrschende "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) hat sich nach dem Zusammenbruch ihres Unrechtsystems nicht aufgelöst. Sie beschloss zunächst, auf ihrem Sonderparteitag am 16./17. Dezember 1989 die Umbenennung in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus" (SED - PDS). Der Parteivorstand änderte am 04. Februar 1990 den Parteinamen endgültig in "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Diese Namensänderung wurde vom 1. Parteitag der PDS am 24./25. Februar 1990 bestätigt. Die PDS ist somit Rechtsnachfolgerin der SED der DDR-Diktatur. Das Bekenntnis zu ihrer Tradition bleibt auch nach der Tagung des 8. Bundesparteitages am 12./13. Oktober 2002 in Gera ein wesentlicher Faktor der Identität der PDS. Obwohl sie sich programmatisch von den Prinzipien des MarxismusLeninismus ("Diktatur des Proletariats") losgesagt hat und diese Ideologie nicht mehr zur Staatsdoktrin erhebt, hat sie bei ihrer Gründung am 04. Februar 1990 in den neuen Ländern die bestehenden Strukturen, Logistik und den Mitgliederstamm sowie die Finanzmittel der ehemaligen SED behalten. Semantische Anleihen bei demokratischen Parteien und den Interessenvertretungen gesellschaftlicher Minderheiten rundeten diesen Anpassungskurs an die Realitäten im wiedervereinten Deutschland ab. Im Dezember 1994 hat sich der Landesverband Bremen konstituiert. Das Parteiprogramm der PDS aus dem Jahre 1993 wurde nach einer breiten, durchaus kontroversen parteiinternen Diskussion am 25./26. Oktober 2003 auf der Tagung des 8. Parteitages der PDS in Chemnitz (Sachsen) erneuert. In dem neuen Parteiprogramm richtet man sich nicht im Kapitalismus ein, sondern zielt auf dessen schrittweise Überwindung. Es wird auch weiterhin das gesellschaftliche Endziel des Sozialismus angestrebt. Es heißt dort weiterhin: "In der PDS wirken unterschiedliche, linke demokratische Kräfte zusammen. In ihr haben sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen und die die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden." - 45 - Das Ziel des neuen Programms ist nach wie vor eine über die Grenzen der bestehenden Gesellschaftsform hinausgehende sozialistische Ordnung. Die PDS richtet ein Hauptaugenmerk auf die Beteiligung an Wahlen. Der im Hinblick auf den ursprünglichen Bundestagswahlkampf 2006 gefasste Beschluss des PDS-Landesverbandes Bremen im Dezember 2004: "In Bremen in die Politik einmischen - 2006 in den Bundestag einziehen" bekam im Jahre 2005 durch die Aktivitäten zur Vereinigung von der PDS und der WASG eine erhebliche Bedeutung. Auf einem Landesparteitag der PDS am 31. Juli 2005 in Bremen wurden die Vorgaben der PDS auf Bundesebene für Bremen sanktioniert. Das kurzfristige Ziel der Zusammenarbeit von PDS und WASG ist durch die für WASG-Mitglieder offene Liste und das erfolgreiche Abschneiden bei den vorgezogenen Wahlen zum Deutschen Bundestag am 18. September 2005 erreicht worden. Nach der Fusion beider Parteien wird die neue Partei die Bezeichnung "Die Linke" tragen. Durch die Aufhebung des Verbots der Doppelmitgliedschaft hat die "Linkspartei.PDS" am 10. Dezember 2005 auf ihrem Parteitag in Dresden den Mitgliedern der WASG die Möglichkeit eröffnet, gleichzeitig Mitglied der "Linkspartei.PDS" zu sein. Am 23. Februar stellten die "Linkspartei.PDS" und die WASG auf einer gemeinsamen Pressekonferenz "Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland" vor. Aus einer breiten Diskussion über diese Eckpunkte solle dann das Programm einer neuen linken Partei entwickelt werden. Ende Oktober legten die "Linkspartei.PDS" und die WSAG Entwürfe der Gründungsdokumente für eine neue gesamtdeutsche linke Partei vor. In Bremen ist die "Linkspartei" weiterhin bestrebt, den Erfolg bei den Bundestagswahlen 2005 auszubauen. Auf die politische Arbeit in den Ortsbeiräten wird besonderes Gewicht gelegt. Die PDS ist in Bremen in sechs Beiräten vertreten. Der der "Linkspartei" nahestehende Jugendverband "['solid] - die sozialistische Jugend", der sich als "Teil der undogmatischen radikalen Linken" versteht, hat sich weiterhin in die Kampagne gegen Rechtsextremismus eingebracht. - 46 - Der Jugendverband ['solid] will versuchen, Jugendlichen Unterstützung und Hilfestellung anzubieten, um den Herausforderungen der Rechtsextremisten begegnen zu können. Er schreibt in einer Erklärung vom November 2005: "Behandeln wir Nationalismus und Kapitalismus doch einfach wie unsere schlimmsten Feinde. Meckern wir nicht über sie, sondern versuchen wir, sie abzuschaffen." Ein Schwerpunkt der Aktivitäten der Jugendorganisation war die Beteiligung an der Organisation und Durchführung der Gegendemonstration am 04. November gegen einen NPD-Aufmarsch in Bremen. Die Jugendorganisation der "Linkspartei.PDS" führte weiterhin in der Zeit vom 28. Juni bis zum 12. Juli eine Veranstaltungsreihe zum Thema "G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm" im Jugendzentrum Friesenstraße in Bremen durch. Abgeschlossen wurde die Veranstaltungsreihe durch eine Demonstration am 20. Juli in Bremen anlässlich des 5. Jahrestages des Todes von Carlo GIULIANI, der anlässlich der Gipfel-Proteste in Genua am 20. Juli 2001 ums Leben kam. - 47 - 3. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gegründet: 1968 Mitglieder: Deutschland: ca. 4.200 ( 2005: 4500 ) Land Bremen ca. 70 (unverändert, wie 2005) Organisation / Parteivorstand auf Bundesebene. In Bremen besteht die DKP Struktur: aus dem Bezirk Land Bremen. Der Bezirk wird von einem Landesvorstand geleitet. Publikationen: "Unsere Zeit" (UZ), wöchentlich, "Bezirksumschau", unregelmäßig. Politische Die DKP befasst sich mit den Theorien von Marx, Engels und Ziele/ Lenin und deren Bedeutung für die heutigen Bedingungen des AgitationsKlassenkampfes. Sie beteiligt sich an Aktivitäten anderer - auch Schwerpunkte: demokratischer - Gruppen, soweit die Thematik ihrem Konzept entspricht. Ein Einfluss der DKP auf Aktivitäten der linksextremistischen Szene in Bremen ist nicht feststellbar. Aktuelle Auflösung der NATO, gegen Krieg und "Rüstungswahn", Themen: Ablehnung der EU, Gegen "Hartz IV", "Antifaschismus". Letztes Europawahl 2004 Wahlergebnis: Land Bremen: 0,23 % (415 Stimmen) Stadt Bremen: 0,25 % (374 Stimmen) Stadt Bremerhaven: 0,15 % ( 41 Stimmen) Die DKP hat sich in Bremen weder an der Bürgerschaftswahl 2003 noch an der Bundestagswahl 2005 beteiligt. Entwicklung und Tendenz: Die orthodox-kommunistische DKP war von ihrer Gründung im Jahre 1968 an, de facto als Nachfolgeorganisation der 1952 verbotenen KPD, das "Trojanische Pferd" der SED in der Bundesrepublik Deutschland. Ausgestattet mit jährlich zweistelligen Millionenbeträgen aus der DDR war sie bis zur Wiedervereinigung ein durchaus potenter außerparlamentarischer Faktor, insbesondere durch Unterwanderung und Beeinflussung gesellschaftlicher Protestbewegungen wie z.B. der Friedensund der Anti-Atom-Bewegung. Bei ihren Teilnahmen an Wahlen blieb sie in der Bundesrepublik jedoch, abgesehen von Einzelergebnissen auf kommunaler Ebene, völlig bedeutungslos. Nach der Auflösung der DDR und infolge der nunmehr ausbleibenden - 48 - ideologischen und vor allem finanziellen Unterstützung begann ein rasanter Niedergang der DKP. Von ehemals etwa 50.000 Mitgliedern in der Bundesrepublik sank sie auf den gegenwärtigen Stand von höchstens 4.200 Mitgliedern. Auch im Jahre 2006 entfaltete der DKP-Bezirk Land Bremen mit seiner überalterten Mitgliederstruktur kaum öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten. - 49 - 4. "Sozialistische Alternative" (SAV) Gegründet: 1994 Mitglieder: Deutschland: ca. 400 (unverändert, wie 2005) Land Bremen: ca. 20 (unverändert, wie 2005) Organisation/ Trotzkistische Kernorganisation mit Sitz in Berlin. Die SAV Struktur: Ortsgruppe Bremen trifft sich regelmäßig in einem Jugendfreizeitheim in Bremen sowie in Gaststätten und Wohnungen von Aktivisten. Enge personelle Verflechtungen bestehen zur Ortsgruppe Hamburg. Publikationen: Seit April 2002 erscheint monatlich die "Solidarität" als Nachfolgezeitung der "Voran". Die SAV verfügt über eine eigene Homepage. Politische Aufbau einer neuen Arbeiterpartei gegen "Sozialkahlschlag" und Ziele/ "Bildungsreform". Thematisierung des Spanischen AgitationsBürgerkrieges und die Rolle des Staates in der kapitalistischen schwerpunkte Gesellschaft. Aktuelle Sozialkahlschlag / "Hartz IV", Themen: Mitarbeit im "Bündnis gegen Sozialkahlschlag", Antiglobalisierungskampagnen, "Antifaschismus", Mitarbeit bei der "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG). Letztes Bürgerschaftswahl 2003 0,2 % (557 Stimmen), Wahlergebnis Spitzenkandidat Hendrik JÄGER. Die SAV beteiligte sich nicht an der Bundestagswahl im September 2005. Entwicklung und Tendenz: Die trotzkistische "Sozialistische Alternative" (SAV), Teil des "Komitees für eine Arbeiter-Internationale", hat sich bundesweit auch in die Proteste gegen "Hartz IV" und Sozialabbau eingebracht. Sie versteht sich als eine "revolutionäre, sozialistische Partei". Die SAV versucht nach wie vor, über eine Beteiligung an gemeinsamen politischen Kampagnen Einfluss auf demokratische Organisationen zu gewinnen. So arbeitet die SAV in der WASG mit und hat sich dort eigenen Angaben zufolge am Aufbau einer "Jugend-AG" beteiligt. Die SAV versucht über die Mitarbeit in der WASG auch Zugang zur "Linkspartei" zu erlangen. - 50 - 5. "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU) Mitglieder: Deutschland: ca. 300 (unverändert, wie 2005) Land Bremen: ca. 10 (unverändert, wie 2005) Organisation/ Lokalförderation Bremen. Gleichzeitig Sitz der Struktur: "Regionalkoordination Nord" und des "Internationalen Sekretariats". Angliederung an die "Internationale ArbeiterAssociation" (IAA). Publikationen: "Direkte Aktion" (Bund), zweimonatlich, "Bremer Aktion" (erscheint unregelmäßig), Die FAU Bremen verfügt über eine eigene Homepage. Politische Arbeitern, Erwerbslosen und Schülern sollen Hilfen bei der Ziele/ "Durchsetzung ihrer Interessen" angeboten werden. AgitationsVeranstaltungen und Agitationen auf anarcho-syndikalistischer schwerpunkte: Basis, für eine "herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft" sowie "Antifaschismusund Antirassismusarbeit". Aktuelle Beteiligung an Aktionen gegen "Globalisierung" und Themen: Antikriegskampagnen, "Revolution" in Spanien, Arbeiterbewegung in der Ukraine, Gegen Bildungsund Sozialabbau. Entwicklung und Tendenz: Die FAU hat in Bremen eigene Räumlichkeiten, in dem sie auch ihre Zusammenkünfte durchführt. Jeden 1. Montag im Monat werden sog. "offene Treffen" angeboten. Im Jahr 2006 beteiligte sich die FAU Bremen u.a. an Aktivitäten im Antifaschismusbereich und der Einführung eines "Chefduzen-Stammtisches" in Bremen. An diesem Stammtisch soll über die Situation in Ämtern, Büros und sonstigen Arbeitsplätzen diskutiert werden. - 51 - 6. "Rote Hilfe e.V." (RH) Gegründet: 1975 Mitglieder: Deutschland: ca. 4.300 ( 2005: ca. 4600) Land Bremen: ca. 100 ( 2005: ca. 110) Organisation/ Bundesweite Organisation Struktur: Ortsgruppe Bremen. Publikationen: "Die Rote Hilfe" (vierteljährlich), Newsletter für Mitglieder. Politische Unterstützung straffällig gewordener deutscher und ausländischer Ziele / Linksextremisten, AgitationsForderungen nach "Freiheit für alle politischen Gefangenen", schwerpunkte: Abschaffung des SS 129a StGB ("Verdacht der Gründung einer terroristischen Vereinigung"). Aktuelle Rechtshilfe, Themen: Solidarität mit "politischen Gefangenen". Entwicklung und Tendenz: Die "Rote Hilfe e.V." (RH) agiert in ca. 40 Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet. Der Hauptzweck der RH besteht darin, Geld für die Unterstützung inhaftierter "Genossen" sowie für Prozesskostenhilfe zu sammeln. Die RH Ortsgruppe Bremen engagierte sich in Bremen schwerpunktmäßig in der "Antirepressionsarbeit". Die antifaschistische Demonstration am 04. November im Bremen-Walle und die damit verbundenen "Ausschreitungen der Polizei" boten der Ortsgruppe Bremen ein Betätigungsfeld. - 52 - 7. "GegenStandpunkt" (früher "Marxistische Gruppe" / MG) Mitglieder: Land Bremen: ca. 250 (unverändert, wie 2005) Organisation / Konspirativ tätige, sektenartige Organisation mit Sitz in Struktur: München und Gruppierungen in mehr als 20 Städten, u.a. in Bremen mit der Bezeichnung "GegenStandpunkt". Publikationen: "GegenStandpunkt" (vierteljährlich / bundesweit), "GegenStand & Diskussion", Zeitung für Bremen, Eigene Internetseite. Politische Eine Veränderung der Gesellschaftsordnung wird angestrebt. Ziele/ Die Gruppe "GegenStandpunkt" vertritt einen modifizierten und Agitationselitären Marxismus und will einer angestrebten Revolution, schwerpunkte: durch radikal destruktive Kritik der Verhältnisse, den Boden bereiten. Dabei wird dem "Proletariat" in jüngster Zeit die Rolle des potenziellen Trägers der Revolution abgesprochen. Aktuelle Die große Koalition Themen: Karikaturenstreit und Iranpolitik Iran und die Atombombe Lohnpolitik Lateinamerika Deutschlands Außenpolitik Energiepolitik Entwicklung und Tendenz: 1991 löste sich die in Bremen ca. 500 Personen starke "Marxistische Gruppe" (MG) offiziell auf. Personell existiert die MG jedoch bundesweit unter verschiedenen Bezeichnungen weiter. Die Gruppe "GegenStandpunkt Bremen" setzt sich überwiegend aus Hochschulabsolventen zusammen. Es handelt sich um einen weitgehend geschlossenen Personenkreis, dessen polemische Exegese der kapitalistischen Wirtschaftsordnung pseudo-marxistische Ansätze in den Vordergrund rückt. Der parlamentarische, demokratische Rechtsstaat wird auf den "GegenStandpunkt"-Veranstaltungen in destruktiver Weise kritisiert. Im Bremer "Bürgerhaus Weserterrassen" werden fast monatlich Diskussionsveranstaltungen ("jour fixe") vor 150 bis 250 Personen durchgeführt. Die Referenten waren schon vor der Auflösung der MG Mitglieder und Funktionäre. Im Internet ist die Gruppe "GegenStandpunkt" mit einer - 53 - eigenen Seite vertreten, auf der vor den Veranstaltungen die Zusammenfassung des Vortragsthemas nachzulesen ist. - 54 - 8. Sonstige linksextremistische Parteien und Gruppen 8.1. "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) mit Sitz in München verfügt in verschiedenen Bundesländern über einzelne Ortsgruppen. Bundesweit wird die Mitgliederzahl des Arbeiterbundes auf ca. 130 Personen geschätzt. Der Ortsgruppe Bremen können ca. 10 Mitglieder zugerechnet werden. Ein Einfluss des AB auf andere linksextremistische Strömungen in Bremen ist weiterhin nicht erkennbar. 8.2. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) mit ihren ca. 2.300 Mitgliedern wird bundesweit von einem Zentralkomitee mit Sitz in Gelsenkirchen geführt. Das Ziel der 1982 gegründeten Partei ist der "revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals". Die Bremer Ortsgruppe umfasst ca. 15 Mitglieder. Von der MLPD wurden bei der Bundestagswahl 2005 folgende Ergebnisse erzielt: Land Bremen: Stadt Bremen: Stadt Bremerhaven: 0,08 % 0,08 % 0,06 % 283 Stimmen 246 Stimmen 37 Stimmen Die MLPD beteiligte sich im Namen der Initiative "Bremer Montagsdemonstrationen" erneut an Protesten gegen die "Hartz IV"-Reform und stellte Aufrufe zur Teilnahme an den "Montagsdemonstrationen" sowie Redebeiträge auf eine eigene Internetseite. In der Bevölkerung war die Resonanz bei den vorgenannten Demonstrationen im Jahr 2006 wie im Vorjahr eher als gering einzustufen. - 55 - 9. Bewertung der aktuellen Situation des Linksextremismus in Bremen Die "Linkspartei.PDS" hat sich nach dem gemeinsamen Vorgehen mit der WASG bei den Bundestagswahlen im September 2005 und der Öffnung der Partei für WASG-Mitglieder mit dem Ziel der Fusion im Juni 2007 personell und programmatisch verstärkt. Die übrigen linksextremistischen Gruppierungen haben sich lediglich an Protestkundgebungen demokratischer Organisationen insbesondere gegen rechtsextremistische Umtriebe beteiligt. Für die linksextremistisch ausgerichtete autonome Szene Bremens hat weiterhin die "Antifaschismusarbeit" Priorität. Ihre Hauptaktionsfelder lagen neben der Teilnahme an regionalen und überregionalen Gegendemonstrationen zu rechtsextremistischen Aufmärschen und Veranstaltungen auch in der "Antifarecherche", dem Beobachten und dem "Outen" von Rechtsextremisten. Die Proteste gegen die Castortransporte bewegen sich seit einigen Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau und sind somit ein fester Bestandteil der Aktivitäten eines Teils der autonomen linksextremistischen Szene. Ansätze für linksextremistisch motivierte terroristische Aktivitäten waren im Lande Bremen nicht feststellbar. Der G8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm hat in Bremen bislang nur bei Teilen der autonomen Szene Interesse geweckt. Die Zahl der Straftaten mit linksextremistischer Motivation nahm zu (siehe Anhang). Der Schwerpunkt der Straftaten lag dabei in den Deliktsbereichen Sachbeschädigung und Körperverletzung, die überwiegend im Rahmen "antifaschistischer" Aktionen begangen wurden. - 56 - IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Von den rund 84.000 ausländischen Staatsangehörigen, die im Lande Bremen (Gesamtbevölkerung ca. 663.000) gemeldet sind, betätigen sich rund 1.900 in unterschiedlichen extremistischen Zusammenhängen. Ausländische Staatsbürger oder ausländische Organisationen werden vom Verfassungsschutz nur dann beobachtet, wenn ihre Ausrichtung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist oder wenn sie Bestrebungen verfolgen, die darauf gerichtet sind, durch Gewalt die politischen Verhältnisse in den jeweiligen Herkunftsländern zu verändern. Die verfassungsfeindliche Orientierung dieser Gruppierungen basiert sowohl auf linksextremistischen als auch auf nationalistischen und religiös überhöhten Ideologien. Islamistische Bestrebungen gehören zu den Beobachtungsschwerpunkten der Verfassungsschutzbehörden. Der Islamismus ist eine politische Bewegung, die von einer Minderheit der Muslime unterstützt wird. Die Islamisten fordern unter Berufung auf die Scharia4, deren Grundlage in erster Linie der Koran ist, die Wiederherstellung einer so genannten islamischen Ordnung. In dieser "Ordnung" sollen alle Lebensbereiche so gestaltet sein, wie es nach ihrer Auslegung von Gott verbindlich vorgegeben ist - unabhängig von den Regeln eines demokratischen Rechtsstaates. Zur herausragenden Bedrohung für die internationale Staatengemeinschaft hat sich der islamistische Terrorismus entwickelt. Seit dem 11. September 2001 ist das durch den islamistischen Terrorismus verursachte Bedrohungspotenzial um ein Vielfaches gestiegen. Die von Usama Bin LADEN5 Mitte der 80er Jahre gegründete "Al Qaida" (die Basis) hat sich zum bekanntesten und auch gefährlichsten islamistischterroristischen Phänomen entwickelt. Der Jihad6 als bewaffneter Kampf gegen 4 Die Scharia umfasst die das Leben eines Gläubigen bestimmenden Gesetze und Regelungen. Sie beinhaltet die Glaubenspraxis ebenso wie u.a. das Familien-, Erbschafts-, Strafoder Prozessrecht. 5 Der in Saudi-Arabien geborene Usama Bin LADEN kämpfte gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans und gilt heute als weltweit meistgesuchter Terrorist, insbesondere wegen der ihm zugeschriebenen Anschläge am 11. September 2001. 6 Es wird zwischen dem großen und dem kleinen Jihad unterschieden. Der "große Jihad" ist der Kampf gegen das niedere Selbst. Es wird u.a. vollzogen durch das Gebet bzw. das Streben nach Wissen. Der "kleine Jihad" besteht in der Ausbreitung und Verteidigung des Islam. In islamistischen Kreisen wird Jihad als der nach außen gerichtete Kampf gegen die "Ungläubigen" interpretiert. - 57 - "Kreuzzügler" und "Zionisten" verbreitete sich weit über die Grenzen von Krisengebieten mit muslimischer Bevölkerung und wurde zur weltweiten Bedrohung. Besonders die westlichen Staaten und ihre Bürger sehen sich einer unmittelbaren, globalen terroristischen Bedrohung ausgesetzt. Durch diesen weltweiten Kampf der "al Qaida" gegen die "Ungläubigen" kamen auch Deutsche zu Tode.7 Der islamistische Terrorismus bleibt nach wie vor Hauptthema im Bereich Ausländerextremismus. 7 Auswahl von schweren Terroranschlägen, die nach dem 11. September 2001 weltweit (ohne Irak) durch al Qaida und islamistische Terroristen ausgeübt wurden: 11. April 2002, Tunesien, Anschlag auf Synagoge auf Djerba, 21 Tote. 12. Oktober 2002, Indonesien, Bombenanschlag auf zwei Diskotheken auf Bali, 202 Tote. 28. November 2002, Kenia, Selbstmordattentäter in Mombasa, 18 Tote. 12. Mai 2003, Saudi-Arabien, Serienanschlag auf Wohngebiete westlicher Ausländer in Riad, 35 Tote. 16. Mai 2003, Marokko, Anschlagsserie in Casablanca, mehr als 40 Tote. 20. November 2003, Türkei, Bombenanschläge in Istanbul vor zwei Synagogen mit mindestens 24 Toten, fünf Tage später explodierten Bomben vor britischen Einrichtungen, mindestens 33 Tote. 11. März 2004, Spanien, in vier Nahverkehrzügen in Madrid explodierten zehn Bomben, 191 Tote. 29. Mai 2004, Saudi-Arabien, Anschläge in al Khobar, 42 Tote. 24. August 2004, Russland, nach Sprengstoffexplosionen stürzen zwei russische Passagierflugzeuge ab, 90 Tote. 1. September 2004, Russland, in Beslan überfallen Bewaffnete eine Schule, rund 300 Tote. 7. Juli 2005, Großbritannien, Selbstmordanschläge in drei U-Bahnen und einem Bus in London, 56 Tote. 23. Juli 2005, Ägypten, Bombenanschläge in Scharm el Scheich, 66 Tote. 1. Oktober 2005, Indonesien, Selbstmordattentat auf Bali, 22 Tote. 9. November 2005, Jordanien, drei Selbstmordattentate in Amman, mindestens 58 Tote. 11. Juli 2006 Indien, Bahnanschläge in Bombay, 182 Tote. Quelle: www.fr-online.de, 16. März 2007. - 58 - 1. "Islamische Gemeinschaft Milli Görü e.V." (IGMG) Gegründet: 1985 als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) gegründet. Mitglieder/ Deutschland: ca. 26.500 (unverändert, wie 2005) Anhänger: Land Bremen: ca. 1.200 (unverändert, wie 2005) Organisation/ Die Europazentrale befindet sich in Kerpen (NRW). Ihr sind Struktur: Gebietsleitungen nachgeordnet, die Weisungen an Ortsvereine weitergeben. Die Fatih-Moschee ist Zentrum der IGMG in Bremen mit überregionaler Bedeutung und eine der größten Norddeutschlands. Ideologisch eng verbunden ist die IGMG mit der türkischen "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi, SP), vormals "Tugendpartei" (Fazilet Partisi, FP) sowie "Wohlfahrtspartei" (Refah Partisi, RP). Die beiden letzteren wurden durch das türkische Verfassungsgericht, aufgrund des Verstoßes gegen das Prinzip der strikten Trennung von Religion und Staat, verboten. Publikationen: Seit Januar 2005 "IGMG Perspektive" - als Plattform wird auch die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung) genutzt. In ihr werden u.a. islamistische und antiisraelische Positionen vertreten, die unterschwellig auf eine antijüdische Gesinnung hindeuten. Politische Die IGMG verfolgt islamistische Ziele, die den von ihr Ziele/ propagierten Islam als Gesellschaftssystem vorsehen. Dazu Agitationsgehört u.a. die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in schwerpunkte: der Türkei. Die IGMG-Ideologie ist durch Ablehnung des Wertekanons und des Demokratieverständnisses der westlichen Welt geprägt. Die IGMG bemüht sich um Anerkennung als legitime Vertretung der (türkischen) Muslime im politischen wie religiösen Leben in der Bundesrepublik und ist bestrebt, einen Alleinvertretungsanspruch zu reklamieren. Aktuelle Schaffung eines eigenständigen Profils, Themen Kopftuchdebatte in Deutschland und Europa, So genannter Gesinnungstest für Muslime Tag der offenen Moscheen am 3.Oktober Förderung der Jugend - 59 - Entwicklung und Tendenz: Die IGMG trat bis 1995 unter dem Namen "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) auf. 1995 teilte sich die Organisation in zwei unabhängige juristische Personen. Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) übernahm die kulturellen, sozialen und religiösen Aufgaben der AMGT, während die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) für die Verwaltung des Immobilienbesitzes der ehemaligen AMGT zuständig wurde. Unter den islamistischen Organisationen in Deutschland nimmt die IGMG eine besondere Stellung ein. Die IGMG gilt sowohl im Bundesgebiet als auch in Bremen als größte extremistische Ausländerorganisation. Die Ideologie der "Milli Görüs" (Nationale Weltsicht) basiert auf dem 1975 veröffentlichten gleichnamigen Werk ihres geistigen Führers, Necmettin ERBAKAN, in dem dieser seine Vision zur Lösung der politischen und gesellschaftlichen Probleme der Türkei darlegt. Die von ERBAKAN ebenfalls im Rahmen der "Milli Görüs" entwickelte "Gerechte Ordnung" (Adil Düzen) verurteilt "die Ausbeutung der Menschheit, insbesondere der islamischen Länder, durch Imperialismus und Zionismus". Die IGMG sieht ihre Aufgabe in der Verbreitung der islamistischen "Milli Görüs"Ideologie unter den türkischen Migranten in Deutschland. Die Organisation stellte sich nach dem Verbot der "Tugendpartei" (Fazilet Partisi, FP) in der Türkei eindeutig an die Seite der im Juni 2001 gegründeten "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi, SP), für die die "Milli Görüs"-Ideologie unverändert verbindlich geblieben ist. In der "Milli Gazete", die der IGMG nahe steht, wurde am 02. Oktober auf eine Versammlung der SP (Saadet Partisi) in Bolu (Türkei) hingewiesen, auf der sich deren stellvertretender Generalvorsitzende, Numan KURTULMUS, wie folgt geäußert haben soll: "Sobald die Völker der Welt das große Spiel durchschaut haben, das unter dem Deckmantel 'Neue Weltordnung' aufgeführt wird, bringen sie Regierungen mit Milli-Görü-Denkweisen an die Macht. (...) Die - 60 - Welt wird mit Hilfe der Milli Görü gerettet. Die Kollaboration auf der Welt ist nunmehr beendet." Necmettin ERBAKAN wird seit der Gründung der IGMG als geistiger Vater und Führer der "Milli Görüs"-Bewegung verehrt. Insbesondere die traditionalistischen Anhänger unter den IGMG-Mitgliedern sehen in ERBAKAN trotz seines ihm einst auferlegten Politikverbotes die eigentliche Führungspersönlichkeit. Neben führenden Abgeordneten der SP trat ERBAKAN immer wieder als Gastredner bei Veranstaltungen der IGMG auf oder wurde per Telefon zugeschaltet. Die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung), formal unabhängig, spielt eine bedeutende Rolle für die Positionen der "Milli-GörüsBewegung". Eine Zusammenarbeit zwischen der IGMG und der "Milli Gazete" wird zwar offiziell bestritten, durch zahlreiche Publikationen in der "Milli Gazete" aber belegt. Berichterstattung mit Milli-Görüs-Bezug genießt Priorität; auf Veranstaltungen der IGMG wird regelmäßig hingewiesen. Auch für Pilgerfahrten, die von der IGMG organisiert werden, und Bestattungsfonds der Organisation wird geworben. Außerdem werden in der "Milli Gazete" antizionistische und antilaizistische Positionen vertreten sowie Israel und die USA betreffende Verschwörungstheorien verbreitet. Europaweit verfügt die IGMG über weit gestreute Einrichtungen. In der Bundesrepublik und in Europa existieren mehr als 500 Beträume und Moscheen. Im Land Bremen sind 7 Moscheen der IGMG zuzurechnen. Mit ca. 1.200 Mitgliedern stellt die IGMG in Bremen die mitgliederstärkste Organisation unter den mehr als 30.000 hier lebenden Muslimen dar. In den Bremer Moscheen bietet die IGMG den Muslimen Beistand und Betreuung in religiösen und sozialen Fragen an. Nach wie vor bildet die islamische Erziehungsund Bildungsarbeit einen Schwerpunkt der Aktivitäten der Organisation. - 61 - Die Jugend bildet die Basis der Organisation. Die türkischen Jugendlichen sollen für den Islam sensibilisiert werden. In so genannten Sommerschulen oder Ferienkursen soll diese Zielsetzung verwirklicht werden. In den Kursen wird von Religionslehrern (Hodschas), die aus der Türkei eingeladen werden und oft kein Deutsch sprechen, neben Allgemeinwissen insbesondere "Islamkunde" vermittelt. Daneben werden aber auch Fächer wie Benimmregeln, Sittenlehre, Koranrezitation und Türkisch gelehrt. Das Interesse an den von der IGMG durchgeführten "Sommerschulen" war auch im Jahr 2006 wieder sehr groß. Es wurden 20.183 Mädchen und Jungen unterrichtet. Zu den Lehrprogrammen gehörten religiöse Bildung und Erziehung, türkische Grammatik und Rhetorik, Dialog mit anderen Kulturen und Religionen, Orientierungs-Unterricht für Schule und Beruf, Sport, Ausflüge und künstlerische Aktivitäten. Ziele des Lernprogramms waren, Kindern eine Identität und Persönlichkeit, Zugehörigkeitsgefühl zur muslimischen Gemeinde, Benimmregeln, Verantwortungsgefühl in der Gesellschaft, Gefühl des Miteinanders sowie andere Fähigkeiten zu vermitteln. Die IGMG verfolgt in dieser Hinsicht ein wesentliches, allen islamistischen Kräften gemeinsames Ziel: die Stärkung des Gefühls, Teil der einzigartigen Gemeinschaft aller Muslime zu sein und sich damit gleichzeitig von der "westlichen Welt" abzugrenzen. Ein besonderes Augenmerk der IGMG ist auf die Jugend gerichtet. Diese wird als "Garant der Zukunft" bezeichnet. Die Muslime seien verpflichtet, der jungen Generation ihre Religion zu lehren. In diesem Zusammenhang werden die Leser aufgefordert, ihre Kinder in die Moscheen und Korankurse zu schicken. Die Eltern werden dazu aufgerufen, ihre Kinder während der Sommerferien in die Korankurse der IGMG zu schicken. Nur so sei es möglich, die Jugend auf die Zukunft vorzubereiten und sie zu "musterhaften" Menschen zu erziehen. Der Vorsitzende der Jugendorganisation der dem IGMG-Gebiet Bremen angegliederten Gemeinde der FATIH-Moschee und der Gemeindevorsitzende der IGMG Bremen erklären in der Milli Gazette vom 17. Oktober, dass man sich - 62 - zum Ziel gesetzt habe, die religiösen und nationalen Werte der Jugend zu bewahren und weiter zu entwickeln. Durch das breit gefächerte Freizeitund Weiterbildungsangebot der Organisation wird das Ziel verfolgt, Kinder und Jugendliche vom "Einfluss der westlichen Gesellschaft" fernzuhalten, wodurch sich die IGMG in ihren Grundzügen integrationsfeindlich verhält. Sie ist jedoch bestrebt, diese Ausrichtung in ihren offiziellen Darstellungen zu verschleiern. Durch die intensive organisatorische Anbindung, insbesondere der Jugendlichen, und der Schaffung einer eigenen Infrastruktur in fast allen Bereichen des täglichen Lebens schafft die IGMG alle Voraussetzungen für den Aufbau einer Parallelgesellschaft. Die Ziele der Organisation liegen insbesondere in: - der Anerkennung als Religionsgemeinschaft, - der Erlangung von Sonderregelungen für den Schwimmund Sportunterricht für muslimische Mädchen, - der Durchsetzung eines von der Organisation beeinflussten islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen. In der programmatischen Entwicklung lässt sich auf Bremer Ebene keine Unterscheidung zum Bundestrend feststellen. Nach außen demonstriert die Bremer IGMG stets demokratische Verhaltensweisen, Integrationsbereitschaft und Offenheit. Verdeutlicht wird dies insbesondere durch die jährliche Teilnahme am "Tag der offenen Moschee" (jeweils zum 03. Oktober), wodurch laut eigener Darstellung der IGMG in Bremen die Verbundenheit der 3,5 Millionen Muslime in Deutschland mit der Gesellschaft zum Ausdruck gebracht werden soll. Zu diesem Zwecke des "gegenseitigen Kennenlernens" öffnen die Moscheen Fatih, Hicret, Kuba und Aksa regelmäßig für Interessierte ihre Türen. Anlässlich des Tages der offenen Moschee am 03. Oktober sagte Ismail BASER, Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit der FATIH-Moschee: - 63 - "Wir stehen nicht außerhalb der deutschen Gesellschaft, wir sind auch ein Teil dieser Einheit (...). "Ständig stehen wir unter Generalverdacht, teilweise spielen die Menschen dabei eine unrühmliche Rolle. Deshalb gesellt sich zu meiner Hoffnung für die Zukunft auch ein wenig Angst." Neben den aktuellen Zielen der IGMG, wie der Anerkennung als Religionsgemeinschaft sowie der Durchsetzung eines von der Organisation beeinflussten islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen, wird auch die "Kopftuchfrage" in den Reihen der "Milli Görüs"-Organisation fortlaufend diskutiert. Nicht nur die Zentrale in Kerpen greift auf ihrer Homepage regelmäßig das Thema auf, sondern auch auf Gebietsebene versuchen IGMG-Funktionäre, in Gesprächskreisen mit Politik und Gesellschaft auf die Kopftuchproblematik aufmerksam zu machen. Deutsch-türkische Politiker hatten muslimische Frauen in Deutschland aufgefordert, als Zeichen ihrer Integrationsbereitschaft das Kopftuch abzulegen. Der Vorsitzende der IGMG, Yavuz Celik KARAHAN, äußerte sich dazu wie folgt: "ein Armutszeugnis für das Demokratieund Menschenrechtsverständnis. Anstatt sich mit den Tüchern von muslimischen Frauen zu beschäftigen, sollten diejenigen, die dazu aufrufen, sich um die Bretter vor ihren eigenen Köpfen kümmern." "Politisch verantwortliches Handeln würde gebieten, diese Menschen mit ihren Unterschieden in die Gesellschaft zu integrieren. So muss man muslimischen Frauen das Gefühl geben, dass sie auch mit ihrem Kopftuch am öffentlichen Leben teilnehmen können. Nur dadurch könne die Integration gefördert werden, nicht durch Ausgrenzung." . Nach wie vor ist die IGMG bemüht, zur Stärkung ihres Einflusses im gesellschaftspolitischen Raum ihre Mitglieder zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aufzufordern. Die Empfehlungen für die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit zielen jedoch auf den Erwerb von Rechten und nicht auf Akzeptanz des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Werteordnung sowie auf uneingeschränkte Anerkennung seines Rechtssystems ab. - 64 - In einer gemeinsamen Presseerklärung am 01. Februar forderten islamische Organisationen auf der Internetseite der IGMG die baden-württembergische Landesregierung auf, den sog. Einbürgerungstest für Muslime "umgehend zurückzuziehen". Unter den unterzeichnenden islamischen Organisationen befindet sich auch die Islamische Föderation Bremen (IFB). - 65 - 2. "Partei Gottes" (Hizb Allah) Gegründet: 1982 im Libanon. Anhänger/ Deutschland: ca. 900 (unverändert, wie 2005) Aktivisten: Land Bremen: ca. 50 (unverändert, wie 2005) Organisation/ Funktionärsgruppe, Anhänger im Verein "Al Mustafa Struktur: Gemeinschaft e.V." in Bremen organisiert. Publikationen: "Al Ahd" (Die Verpflichtung) "Al-Manar" (Der Leuchtturm) Politische Der Kampf gegen Israel und jüdisch-israelische Ziele/ Einrichtungen weltweit. AgitationsDie Errichtung einer islamischen Republik nach iranischem schwerpunkte: Vorbild. Aktuelle Finanzielle und moralische Unterstützung der "Mutterpartei" Themen: im Libanon. Aktivierung von Mitgliedern. Entwicklung und Tendenz: Die extremistisch-schiitische8 "Hizb Allah" (Partei Gottes) wurde 1982 nach dem Einmarsch israelischer Truppen im Libanon auf iranische Initiative gegründet. Die im Wesentlichen aus radikalen Splittereinheiten der "Gruppe des libanesischen Widerstandes" (AMAL) bestehende Organisation entwickelte sich schnell zu einer militanten Sammlungsbewegung von Schiiten. In Deutschland besteht die "Hizb Allah" seit etwa 1986. Sie tritt hier auch unter der Bezeichnung "Islamischer Widerstand" auf. Geistliche Autorität der "Hizb Allah" ist Scheich Hussein FADLALLAH, politischer Führer ist der Generalsekretär Hassan Nasrallah. Die Anhänger der "Hizb Allah" in Bremen beschränken sich auf gelegentliche Treffen besonders anlässlich schiitischer Festtage und auf das Sammeln von Spenden. In Deutschland werden z.B. Spenden für das "Waisenkinderprojekt Libanon" (WKP) gesammelt. Das "WKP" existiert seit 1993 in Deutschland und 8 Schiiten sind neben den Sunniten die kleinere der beiden Hauptgruppen des Islam, die etwa ein Zehntel aller Muslime ausmacht. Beide Gruppen unterscheiden sich weniger durch ihre Riten und Gesetze als vielmehr aufgrund ihres Ethos, ihrer Theologie sowie in der Frage der Rechtmäßigkeit - 66 - kooperiert eng mit der "Hizb Allah"-Stiftung "Ashahid Association" (Vereinigung der Märtyrer). Sie ist eine soziale Hilfsorganisation im Geflecht der "Hizb Allah", dessen Aufgaben die Betreuung der Angehörigen von Gefallenen, Kriegsverletzten und -gefangenen und Vermittlung von Patenschaften für "Märtyrerwaisenkinder" umfasst. In Bremen besteht innerhalb der "Hizb Allah"-Anhängerschaft weiterhin nur geringes Interesse an einer aktiven Vereinsarbeit. Lediglich zu Feiertagen und religiösen Festen wie dem "Aschura-Fest", das zum Gedenken an den Märtyrertod des Imam Hussein begangen wird, werden die Vereine / Moscheen von einer größeren Besucheranzahl aufgesucht. Dabei halten sich diese derzeit mit öffentlichen Aktivitäten und politischen Äußerungen zurück. Dieses Verhalten ist auch auf Bundesebene zu beobachten. Im Zusammenhang mit dem militärischen Vorgehen Israels gegen "Hizb Allah"Strukturen im Südlibanon kam es im Juli und August auch in Bremen zu zahlreichen Demonstrationen. Es waren deutliche Reaktionen der zumeist schiitischen Libanesen aus Bremen und dem Umland zu verzeichnen, aber auch Personen mit einem palästinensischen Migrationshintergrund verurteilten die israelischen Angriffe. Im Bremer Stadtgebiet fanden sieben angemeldete Demonstrationen und Kundgebungen bzw. Informationsstände mit insgesamt 3.300 Teilnehmern statt. Auffallend war ein hoher Anteil von Kindern und Frauen an der Zahl der Demonstranten. Die Veranstaltungen verliefen überwiegend friedlich. An den gezeigten Transparenten und Bildern verdeutlichte sich die "Hizb Allah"-nahe Position vieler Kundgebungsteilnehmer, u.a. durch das Emblem der Organisation. Bei einer Kundgebung wurde ein Plakat mit einem "Judenstern" und einem "Hakenkreuz" gezeigt und zwei Mitglieder der jüdischen Gemeinde Bremens von libanesischen Heranwachsenden beschimpft und attackiert. des Imams (Imam, Vorbeter in einer Moschee. Imam kann auch das Oberhaupt einer Gemeinschaft oder Gruppe sein). - 67 - 3. "Partei der Befreiung" (Hizb ut-Tahrir / HuT) Gegründet: 1953 in Jordanien Mitglieder: Deutschland: ca. 300 (unverändert, wie 2005) Land Bremen: Einzelpersonen (unverändert, wie 2005) Organisation/Struktur: Konspirativ agierende Organisation Publikationen: "Khilafah Magazine" (Englisch), "Hilafet" und Köklü degisim" (Türkisch), "Al-Waie" (Arabisch), "Expliciet" (Niederländisch) Politische Ziele / Errichtung eines Kalifats, AgitationsRe-Islamisierung der Gesellschaft. schwerpunkte: Betätigungsverbot: 15. Januar 2003 Entwicklung und Tendenzen: Die Hizb ut-Tahrir wurde 1953 von Taqi ad-Din AN-NABHANI (1909-1977) in Jordanien gegründet. AN-NABHANIs Buch "Nizam-ul Islam" (Die Ordnung des Islam) dient bis heute als ideologische Grundlage für die Organisation. Die HuT versteht den Islam als ein geistiges System, das alle Lebensbereiche der Menschen, insbesondere auch politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen, abschließend regelt. Unter Ablehnung nationalstaatlicher Strukturen und jedweder Staatsgewalt wird die Einigung der islamischen Gemeinschaft in einem weltweiten islamischen Staat unter der Führung eines Kalifen angestrebt. Die Aufgabe des Kalifen sei u.a., den Islam durch Missionierung und Jihad in die Welt zu tragen. Die HuT spricht dem Staat Israel das Existenzrecht ab und verbreitet antizionistische Propaganda, die auf eine antijüdische Gesinnung hindeutet. In hetzerischer Weise agiert die HuT nicht nur gegen die USA, sondern lehnt auch Staaten der islamischen Welt mit westlicher oder weltlicher Orientierung ab. Gewaltanwendung wird als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange befürwortet. - 68 - Vermutlich befindet sich die Zentrale der HuT im Libanon. Die Organisation unterhält weltweite Stützpunkte (so genannte Wilayat) u.a. in Ägypten, Australien, Jordanien, Kirgisistan, Kuwait, Sudan, Syrien, Tadschikistan, Türkei, Usbekistan und in den USA. Auch der europäische Bereich stellt ein eigenes "Wilaya" dar. Die HuT verbreitet ihre Propaganda hauptsächlich über das Internet, sie ist dort mit einer eigenen Homepage vertreten. Im Zusammenhang mit den versuchten "Kofferbombenanschlägen" vom 31. Juli in Koblenz und Dortmund äußert sich Dr. I. Shaker ASSEM als repräsentierendes Mitglied der HuT im Internet wie folgt: "In aller Entschiedenheit weist die Hizb-ut-Tahrir alle Anschuldigungen zurück, mit den vermeintlichen Kofferbombenanschlägen in Deutschland in irgendeinem Zusammenhang zu stehen. Alle seitens der deutschen Behörden und Medien vorgebrachten Verdächtigungen sind nichts als Hirngespinste, die in boshafter Absicht gegen die HuT konstruiert wurden." (...) Obwohl wir derartige Anschläge in keiner Weise gutheißen und sie aus unserer islamischen Überzeugung heraus ablehnen, halten wir eine Tatsache fest, die von westlichen Politikern und Medien nur allzu gern verschwiegen wird: Die wahre Ursache für solche Taten liegt in der verbrecherischen Politik des Westens gegenüber der islamischen Welt (...)" Im Bundesgebiet tat sich die HuT bis zum Betätigungsverbot im Januar 2003 schwerpunktmäßig durch die Verteilung von Flugblättern und Broschüren an die Öffentlichkeit hervor. Es wurden auch öffentliche Veranstaltungen organisiert, vorwiegend in den Universitätsstädten, in denen offensichtlich von einander abgeschottete Kleinstgruppen agierten. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch ein Urteil vom 25. Januar 2006 das vom Bundesinnenministerium erlassene Betätigungsverbot mit Wirkung zum 15. Januar 2003 bestätigt. Die Zeitschrift "Explizit" ist seit dem Bestätigungsverbot nicht mehr erschienen. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten der HuT waren weder im Bundesgebiet noch im Land Bremen festzustellen. - 69 - Die Zahl der Anhänger in Bremen beschränkt sich nach bisherigen Erkenntnissen auf Einzelpersonen. - 70 - 4. "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." Gegründet: 2003 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." Besucherstand: "Islamisches Kulturzentrum" 100-150 (unverändert, wie 2005) Organisation: Der Verein verfügt u.a. über Gebetsräume in Bremen, Breitenweg 59 Entwicklung und Tendenz: Das "Islamische Kulturzentrum Abu Bakr Moschee e.V." wurde 1986 von einer Gruppe Marokkaner gegründet und im März 2001 ins Vereinsregister eingetragen. Die Vereinsund Gebetsräume befanden sich anfangs am Breitenweg 50, seit Mai 2001 am Breitenweg 59 in Bremen. Im Juni 2003 wurde durch Beschluss einer Mitgliederversammlung das "Islamische Kulturzentrum Abu Bakr Moschee" in "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) umbenannt. Der Verein hat nach eigenen Angaben etwa 50 zahlende Mitglieder. Nachrichtendienstlichen Informationen zufolge besuchen dort nach wie vor 100 bis 150 Gläubige, die überwiegend libanesischer, ägyptischer und sudanesischer Herkunft sind, die Vereinsräumlichkeiten. Da sich Mitglieder des ehemaligen "Islamischen Kulturzentrums Abu Bakr Moschee" durch die Berichterstattung in den Medien zu sehr im Licht der Öffentlichkeit sahen, haben überwiegend marokkanische Gemeindemitglieder neue Versammlungsräume in der Duckwitzstraße 23 in Bremen angemietet. Die neu eröffnete Moschee wurde als "Marokkanischer Verein Abu BakrMoschee e.V." im Februar 2004 in das Vereinsregister eingetragen. Im Umfeld des heutigen "Islamischen Kulturzentrums Bremen e.V." gab und gibt es Einzelpersonen mit Verbindungen zu islamistischen Gruppierungen. Beispielsweise zur "Tablighi Jama'at" (TJ), einer pakistanischen "Missionsbewegung", die für eine sunnitisch-orthodoxe Auslegung des Islam eintritt. Angehörige der TJ hatten in der Vergangenheit versucht, vereinzelt Personen extremistisch zu beeinflussen. Zumindest einige Hinweise sprechen - 71 - dafür, dass junge Bremer ausländischer Herkunft von Personen aus dem Umfeld des ehemaligen "Islamischen Kulturzentrums Abu Bakr Moschee" islamistisch beeinflusst wurden. Einer entführte am 25. April 2003 einen Linienbus, ein anderer, der türkische Staatsbürger K., wurde nach seiner Festnahme im Januar 2002 in Pakistan US-Ermittlern übergeben, die ihn nach Guantanamo / Cuba verbrachten. Am 24. August 2006 wurde K. nach fast fünf Jahren Haft freigelassen. Es hat sich herausgestellt, dass neben den personellen Verflechtungen zwischen den Vorstandsmitgliedern beider Moscheen, auch Kontakte unter den Gemeindemitgliedern bestanden bzw. weiterbestehen. Im Umfeld beider Moscheen sind weiterhin Personen mit Verbindungen zu islamistischen Gruppierungen zu finden. - 72 - 5. "Marokkanischer Verein Abu-Bakr-Moschee e.V." Gegründet: 2004 "Marokkanischer Verein Abu-Bakr-Moschee e.V." Besucherstand: Zum Freitagsgebet erscheinen regelmäßig zwischen 50-60 Gläubige. (2005: ca. 100) Organisation: Der Verein verfügt in der Duckwitzstrasse 23 in Bremen über Gebetsräume. Entwicklung und Tendenz: Da sich in der Vergangenheit Mitglieder des ehemaligen "Islamischen Kulturzentrums Abu-Bakr-Moschee" heute "Islamisches Kulturzentrum" durch die Berichterstattung in den Medien zu sehr im Licht der Öffentlichkeit sahen, haben überwiegend marokkanische Gemeindemitglieder neue Versammlungsräume in der Duckwitzstraße 23 in Bremen angemietet. Die neu eröffnete Moschee wurde im Februar 2004 als "Marokkanischer Verein AbuBakr-Moschee e.V." in das Vereinsregister eingetragen. Im Umfeld des "Marokkanischen Vereins Abu-Bakr-Moschee" gibt es Einzelpersonen mit Verbindungen zu islamistischen Gruppierungen. Beispielsweise zur "Tablighi Jama'at" (TJ), einer pakistanischen "Missionsbewegung", die für eine sunnitisch-orthodoxe Auslegung des Islam eintritt. Es hat sich herausgestellt, dass es enge Verflechtungen zwischen den Vorstandsmitgliedern des "Islamischen Kulturzentrums" und der "Abu-BakrMoschee" gibt. Es bestehen auch Kontakte unter den Gemeindemitgliedern. Es wurden in beiden Moscheen sowohl im Breitenweg als auch in der Duckwitzstraße Hetzpredigten gehalten. In diesen Reden wurde u.a. der "Religionskrieg der Amerikaner" im Irak sowie der "Verfolgungswahn der Juden in Palästina" verurteilt. In den Predigten wurden Gemeindemitglieder aufgefordert, den Jihad sowohl persönlich als auch materiell zu unterstützen. In einer dieser Hetzpredigten hieß es beispielsweise: - 73 - "Wir dürfen nie vergessen, dass täglich in Palästina viele unserer Glaubensbrüder dem Terror der Juden zum Opfer fallen. Wir müssen kämpfen im Namen Gottes um den Erhalt unseres religiösen Lebensmittelpunktes in Palästina, der El-Kuds-Moschee. Sollten die jüdischen Kriegstreiber die El-Kuds-Moschee zerstören, wird die gesamte islamische Welt sich erheben. Im Namen Gottes lieben wir den Tod. Wir werden bis zum letzten Blutstropfen uns der Zerstörungspolitik der Juden mit aller Härte widersetzen." Ferner hieß es: "Nicht nur im Irak, in Palästina oder Afghanistan, sondern weltweit, befinden wir uns als Muslime in einem religiösen Verteidigungskampf gegen die Bösen des Imperialismus." Seit August 2005 führt ein neuer Imam die Freitagsgebete im "Marokkanischen Verein Abu-Bakr-Moschee". Dieser war zuvor u.a. als Imam in einer Erfurter Moschee in Thüringen beschäftigt. Auffällig ist, dass seit dieser Zeit die Besucherzahlen des Freitagsgebets rückläufig sind. Besuchten bis etwa Ende 2005 noch bis zu 100 Personen die Freitagsgebete, so nehmen mittlerweile nur noch etwa 50 bis 60 Gläubige teil. - 74 - 6. "Gemeinschaft für Verkündung und Mission" ("Tablighi Jama'at / TJ") Gegründet: Mitte der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gegründet Anhänger/ Deutschland: ca. 600 (2005: ca. 500) Aktivisten: Land Bremen: 10-12 (unverändert, wie 2005) Organisation/ Internationale Missionsbewegung mit weltweit bis zu 15 Struktur: Millionen Mitgliedern Politische Ziel ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Ziele/ Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Ihre AgitationsAnhänger vertreten eine wortgetreue Auslegung des Korans schwerpunkte: und der Sunna. Aktuelle Ausübung ihrer Missionstätigkeit und das Organisieren und Themen: Durchführen von Missionsreisen. Entwicklung und Tendenz: Die "Tablighi Jama'at" wurde um 1926 von dem Religionsgelehrten Maulawi Muhammad ILYAS als eine Wiedererweckungsund Missionsbewegung gegründet. Die Ursprünge liegen in Indien in der Region um Dehli. Das heutige Zentrum der "Tabligh-i-Jamaat" befindet sich in Lahore / Pakistan. Das Zentrum für Europa ist in Dewsbury / Großbritannien angesiedelt worden. Die Anhänger dieser Wiedererweckungsund Missionsbewegung distanzierten sich damals sowohl von der englischen Kolonialmacht als auch von den Hindus. Sie predigten gruppenweise und verkündeten ihren Glauben auf Reisen. Hieraus entstand eine islamische Massenbewegung, die auch heute noch ihren Schwerpunkt in der Missionstätigkeit sieht. Bei ihren missionarischen Reisetätigkeiten werden u.a. Moscheen in ganz Europa aufgesucht. Ziel der Gemeinschaft ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Ihre Anhänger sollen ein Leben gemäß dem Koran und der Sunna - die vom Propheten Mohammed überlieferte Lebensform - führen. Sie fordern die strikte Einhaltung des muslimischen Familienrechts, die Trennung von Geschlechtern und eine Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen. - 75 - Die Organisation behauptet, dass sie Gewalt ablehnt. Im Umfeld der "Tablighi Jama'at" wurden aber in der Vergangenheit immer wieder Personen mit extremistischem Gedankengut festgestellt. Es besteht die Gefahr, dass Terrororganisationen die Strukturen der TJ als Rekrutierungsquelle für potenzielle Terroristen nutzen. Das Verwaltungsgericht Bayreuth kommt in einem Beschluss vom 24. November 2005 (Az: B 1 S 05.763) zu der Überzeugung, dass die "Tablighi Jama'at" den internationalen Terrorismus unterstützt. Innerhalb der TJ werden regelmäßig Treffen veranstaltet. Hierzu gehören Versammlungen in kleineren regionalen Gruppen, aber auch Deutschlandund Europatreffen. Es reisten in diesem Jahr auch Bremer Anhänger der TJ zu größeren Treffen außerhalb Europas. - 76 - 7. "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gel) / vormals "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) bzw. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gegründet: 1978 als "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in der Türkei gegründet. Anhänger/ Deutschland: ca. 11.500 (unverändert, wie 2005) Aktivisten und Mobilisierungspotenzial: ca. 40.000 (2005: ca. 35.000) MobilisierungsLand Bremen: ca. 300 (unverändert, wie 2005) potenzial: Mobilisierungspotenzial: ca. 380 (2005: ca. 400) Organisation/ Der Kongra Gel ist eine straff organisierte und zentralistisch Struktur: geführte Kaderpartei. Die Bundesrepublik ist in 27 "Gebiete" unterteilt. Daneben existieren diverse Kulturvereine. Publikationen: "Serxwebun" (Unabhängigkeit). Politische Durch bewaffnete Aktivitäten in der Türkei sowie demonstrative Ziele/ Aktionen sowohl in Europa als auch in der Türkei versucht der AgitationsKongra Gel, die Türkei in der Kurden-Frage zum Einlenken zu schwerpunkte: zwingen. Aktuelle Aufhebung der Betätigungsverbote in Deutschland, Themen: Streichung des Kongra Gel von der EU-Terrorliste, Aufhebung der "Isolationshaft" Abdullah ÖCALANs, Repressalien gegen das kurdische Volk, erneuter (einseitiger) Waffenstillstand seit dem 01. Oktober in der Türkei, Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei. Entwicklung und Tendenz: Die PKK wurde am 27. November 1978 von einer kurdischen Gruppierung um den damaligen Politik-Studenten Abdullah ÖCALAN ("APO" = Onkel) gegründet. Dieser leitete die Organisation bis zu seiner Festnahme im Februar 1999 in Kenia direkt. Danach übernahm ein sog. Präsidialrat die Führung, der aber indirekt den Weisungen des Gründers aus dem Gefängnis folgte. Im Bundesgebiet ist die PKK seit Anfang der achtziger Jahre aktiv. Teilweise mit äußerster Gewalt vollzogene vielfältige Unterstützungshandlungen hier lebender Anhänger führten am 26. November 1993 zum Betätigungsverbot der PKK durch das Bundesministerium des Innern (BMI). Mit der Inhaftierung Abdullah ÖCALANs auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali ging ein Strategiewandel der Organisation einher. Der seit 1984 in der - 77 - Osttürkei geführte "bewaffnete Kampf" wurde eingestellt. Ein "demokratischpolitischer Kampf" rückte in den Vordergrund, und wurde programmatisch umgesetzt auf dem 7. Parteikongress im Frühjahr 2000. Damit verbunden war eine Vielzahl von Namensänderungen, beispielsweise wurde die "Volksverteidigungsarmee" (ARGK) in "Volksverteidigungskräfte" (HPG) und die 1985 für öffentliche Parteiarbeit gegründete Europaorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) in "Kurdische Demokratische Volksunion" (YDK) umbenannt. Einen weiteren Wandel vollzog die PKK im Frühjahr 2002 aufgrund der von Abdullah ÖCALAN entwickelten Verteidigungsschrift für sein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Mit Beschluss des 8. Parteikongresses im April 2002 im Nord-Irak fungierte die "Partei" fortan nur noch als eine Art Koordinierungseinheit, unter der sich weitere Parteien / Organisationen in den Ländern Irak, Iran, Syrien und der Türkei ansiedeln sollten. Die Forderung nach einem eigenständigen kurdischen Staat wurde aufgegeben. Im Einvernehmen mit der Türkei wurde eine "kulturelle Autonomie" der Kurden angestrebt. Die Ankündigungen blieben jedoch ohne nennenswerte Veränderungen in der Organisationsstruktur, wie die zur Umsetzung gegründete Nachfolgeorganisation der PKK, der "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK), selbst eingestand. Folglich konnte der KADEK den Makel der terroristischen PKK nicht ablegen. Ende Oktober 2003 beschloss die Organisation deshalb die Auflösung des KADEK. Damit sollte nach eigenen Verlautbarungen "der Weg für eine neue, demokratische Organisationsstruktur" freigemacht werden. Mitte November 2003 wurde in KADEK-nahen Medien die Gründung des "Volkskongresses Kurdistans" (Kongra Gel) verkündet. Bisherige Unterorganisationen des KADEK siedelten sich als selbständige Einheiten unter dem Dach des Kongra Gel an. Gleiches erfolgte mit dem europäischen Arm der "Partei", die YDK, welche sich in "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) umbenannte. - 78 - Trotz programmatischer Veränderungen wurde die "Partei" aber weiterhin nach dem Kaderprinzip geführt. Ankündigungen demokratischer Strukturen blieben weitgehend Lippenbekenntnisse. Am 02. Mai 2002 beschloss der Rat der Europäischen Union - als Folge der Geschehnisse des 11. September 2001 - u.a. die PKK in die Liste der terroristischen Organisationen aufzunehmen. Anfang April 2004 setzte die Europäische Union auch den Kongra Gel auf die so genannte EU-Terrorliste. Im Juli 2004 erklärte das Bundesministerium des Innern, dass sich das gegen die PKK verhängte vereinsrechtliche Betätigungsverbot vom 22. November 1993 (in Deutschland) auch auf den Kongra Gel erstreckt. Damit blieben Hoffnungen der "Partei" auf Zugeständnisse seitens der Türkei und Europas unerfüllt. Zudem stießen die neue Strategie und die damit verbundenen Namensänderungen der "Partei" bei vielen Anhängern auf Unverständnis. Zeitgleich fanden Machtkämpfe in der Führungsriege der "PKK" statt, die letztlich 2004 zur Abspaltung einer Gruppe um Osman ÖCALAN9 führten. Währenddessen verstärkte der türkische Staat den Kampf gegen die Guerilla. Angesichts der "Vernichtungsoperationen des türkischen Staates" erklärte der Kommandorat der "Volksverteidigungskräfte" zum 01. Juni 2004 den "einseitigen" fünfjährigen Waffenstillstand in der Türkei für beendet. Damit setzt(e) die "PKK"/der Kongra Gel erneut Gewalt zur Durchsetzung seiner Ziele ein. Zur innerparteilichen Stärkung wurde im Frühjahr 2005 eine interne "neue PKK" gegründet, welche im Sinne "APOs" die Gesamtorganisation ideologisch straffen und lenken sollte. Der Terminologie des Kongra Gel folgend, verübten ab Juli 2005 die "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK)10 in türkischen Ferienorten Bombenanschläge. Dabei wurden bis heute etliche Menschen getötet oder 9 Bruder Abdullah ÖCALANs. 10 Splittergruppe der "PKK"/des Kongra Gel. Operiert vorwiegend in Touristenzentren und Metropolen im Westen der Türkei. Kongra Gel und TAK bestreiten die organisatorische Zusammengehörigkeit. Gleichwohl orientiert sich der terroristische Aktionismus an Paradigmen des Kongra Gel/des "Führers" Abdullah ÖCALANs, was in Bekennungen zu Anschlägen deutlich wird. - 79 - verletzt. Im September rief Abdullah ÖCALAN die Guerilla zu einem erneuten11 begrenzten Waffenstillstand auf. HPG und TAK befolgten den Aufruf ab 01. Oktober und hielten diesen bis zum Jahresende weitgehend ein. Gegen Abdullah ÖCALAN wurden die Haftbedingungen wegen "politischer Betätigung" verschärft, was Proteste der Anhängerschaft und verschärfte Drohungen der Guerilla gegen die Türkei auslöste. Auf europäischer Ebene betreibt die "PKK" weiterhin einen gewaltfreien Kurs. Lediglich kurdische Jugendliche treten vereinzelt mit "hit and run"-Aktionen in Erscheinung, abhängig von politischen Geschehnissen in der Türkei. Demonstrative und politische Aktivitäten überwiegen. Zugleich ist die Partei bemüht, Mitgliederverlusten entgegenzuwirken. Dazu könnte auch die Adaptierung des von ÖCALAN entwickelten föderativen (länderübergreifenden) Systems der "Union der kurdischen Gemeinschaften" (KKK) auf die hier lebende Anhängerschaft beitragen. In der Praxis geschieht dies durch die Gründung von "Volksräten" als sog. Mitbestimmungselemente des Volkes. Dass die "Partei" von einer funktionierenden innerparteilichen Demokratie noch weit entfernt ist, belegen Hinweise auf immer noch vereinzelt praktizierte bzw. angedrohte Strafaktionen gegen Mitglieder, die sich nicht parteikonform verhalten. Im August wurden drei Führungskader der CDK12 festgenommen, davon zwei in Deutschland. Kongra Gel und nahe stehende Organisationen werteten die Festnahmen als Fortsetzung der türkischen Repressalien gegen das kurdische Volk in Europa. Insbesondere in Deutschland lösten die Festnahmen eine Protestwelle in der örtlichen Anhängerschaft aus. Im Lande Bremen sind als Informationsund Kommunikationszentren für Anhänger der PKK-, des KADEKund des Kongra Gel folgende Einrichtungen bekannt: "Mesopotamischer Kulturverein Bremen e.V." 11 Bereits im Herbst 2005 kam es nach kurdenfreundlichen Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten zu einem kurzzeitigen Waffenstillstand. 12 Politischer Arm des Kongra Gel in Europa. - 80 - gegründet: 07. Juni 1987 - verboten: 26. November 1993 durch das Bundesministerium des Innern. "Kurdisch-Deutscher Verein für Völkerfreundschaft e.V. -HEVALTI-" gegründet: 06. Dezember 1993 - verboten: 14. November 1995 durch den Senator für Inneres. "Kurdisch-Deutscher Solidaritätsverein e.V." gegründet: 15. Dezember 1995 - verboten: 27. April 1998 durch den Senator für Inneres. Als zentraler CDK-Basisverein existiert in Bremen, An der Weide 27, das "MED-Kulturzentrum e.V." gegründet: 24. November 1999 - am 22. Mai 2005 umbenannt in "Demokratischer Gesellschaftsverein Kurdistan" (BIRATI)13 sowie in Bremerhaven der "Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein Bremerhaven e.V." gegründet: 10. Dezember 1993. "BIRATI e.V." präsentierte sich gegenüber Politik und Öffentlichkeit als demokratisch-kultureller Vertreter und Integrationshelfer für Kurden der Region. Als Mitgliedsverein in der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM)14 suchte der Vorstand u.a. Kontakte zur Bremer Politik als auch zu Menschenrechtsvereinigungen. Wesentliche Inhalte bildeten die politische Situation der Kurden in der Türkei sowie die türkischen EUBeitrittsverhandlungen. Der zum 01. Oktober verkündete Waffenstillstand des Kongra Gel diente dabei als Argumentationsbasis. Die Nähe des "BIRATI e.V." bzw. der Mitgliedschaft zur PKK / dem Kongra Gel, die mit einem Betätigungsverbot belegt sind, war wieder bei verschiedenen Veranstaltungen des Jahres feststellbar. So skandierten Teilnehmer auf einer von "BIRATI e.V." im Januar organisierten und gegen die Haftbedingungen ÖCALANs gerichteten Demonstration verbotene "Biji Serok Apo"-Rufe (Es lebe der Führer Apo). 13 Anträge auf Änderungen im Vereinsregister wurden beim Amtgericht gestellt. Wegen Formfehler bzw. teilweisen Ungereimtheiten in den Unterlagen hat das Amtsgericht die Eintragung bisher abgelehnt. Eine erneute Mitgliederversammlung hat zum Jahresende 2006 stattgefunden. 14 Diese Föderation versteht sich als Interessenvertreter der in Deutschland lebenden Kurden. Sie unterstützt mit ihrem propagandistischen Wirken die Ziele der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen. - 81 - Nach einem Artikel der "Yeni Özgür Politika"15 fand am 25. Juni im "BIRATI e.V." eine Volksversammlung statt, auf der ein hochrangiger Funktionär u.a. die Bedeutung der KKK16 für die Befreiung des Volkes hervorhob. Zudem wurden Kongress-Beschlüsse der CDK diskutiert, deren Vorgabe für die untergeordneten Strukturen Handlungsanweisungen sind. Anmerkung: Bei zeitgleichen Volksversammlungen an anderen Orten verdeutlichte das Führungsduo der KKK per Zuschaltung die besondere Bedeutung der in Europa lebenden Kurden für den derzeitigen Prozess des kurdischen Volkes. Bisher sollen schon "Hunderte kurdischer Jugendlicher aus Europa in die Widerstandsgebiete entsandt worden" sein (der Sprachgebrauch lässt eindeutig auf den Eintritt in die Guerilla schließen). Auch der Jahrestag des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK, der 15. August 1984, war Anlass für Bremer Anhänger und Sympathisanten zum Feiern im "BIRATI e.V.". Ebenso lösten die oben erwähnten Festnahmen dreier CDK-Funktionäre Demonstrationen des "BIRATI e.V." in Bremen aus. Des Weiteren wurde der Gründungstag der PKK mit ca. 700 Anhängern und Sympathisanten aus dem Land Bremen und den umliegenden niedersächsischen Bereichen in Delmenhorst gefeiert. Organisiert wurde diese "Kulturveranstaltung" wiederum von "BIRATI e.V." und dem neu gegründeten Bremer "Volksrat". In politischen Reden wurde die Wichtigkeit des Kongra Gel für die Neuordnung des kurdischen Freiheitskampfes hervorgehoben. Gleichzeitig wurde mit Krieg gedroht, sollte die Türkei nicht angemessen auf den Waffenstillstand der "PKK" reagieren. Anmerkung: Die Teilnehmerzahl zeigt, dass der örtliche Basisverein der Bremer "PKK"-Sektion trotz "Widrigkeiten" (fortschreitende Integration; wiederholte Namenswechsel der "PKK"; restriktives Vorgehen deutscher Behörden gegen Funktionäre usw.) im Einzelfall noch zur Mobilisierung einer hohen Anhängerzahl in der Lage ist. 15 Die Zeitschrift greift ähnliche Themen wie die ehemalige "Özgür Politika" auf und ist als Kongra Gel-nah anzusehen. 16 Wie sehr die als "demokratische Volksbefreiungsbewegung" gepriesene KKK mit der PKK-Guerilla verstrickt ist, wird u.a. in einer im August veröffentlichten KKK-Deklaration für eine "demokratische Lösung" verdeutlicht. Sollte nämlich die Türkei zu einem Waffenstillstand bereit sein, so "könne die KKK für einen Waffenstillstand der HPG sorgen", heißt es darin. - 82 - Am 3. Februar fand vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf die Verhandlung gegen einen ehemaligen CDK-Gebietsleiter von Bremen statt. Wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dem Rückgang des Mobilisierungspotentials der letzten Jahre konnte die Bremer "PKK" weitgehend Einhalt gebieten. Die Werbung neuer Mitglieder/Anhänger blieb aber bisher erfolglos. Dadurch ist mit einem sukzessiven Rückgang der alljährlichen Spendeneinnahmen zu rechnen. - 83 - 8. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gegründet: 1994 in Syrien Mitglieder/ Deutschland: ca. 650 unverändert, wie 2005 Aktivisten: Land Bremen: ca. 40 unverändert, wie 2005 Organisation/ Gewalttätige revolutionäre Kaderpartei, Struktur: konspirativ agierende Funktionärsgruppe, Guerillaeinheiten in der Türkei. Publikationen: "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) "Yürüyüs" (Marsch). Politische Zerschlagung des türkischen Staates, Ziele/ Errichtung einer Gesellschaft auf der Grundlage des AgitationsMarxismus-Leninismus, schwerpunkte: Agitationen gegen die USA und die Bundesrepublik als Unterstützer des "türkischen Faschismus/Terrorismus". Aktuelle Kampagne gegen die Haftbedingungen in türkischen Themen: Gefängnissen, Terroristische Aktionen in der Türkei, Proteste gegen "Hartz IV". Entwicklung und Tendenz: Die DHKP-C ist im März 1994 aus der türkischen Vereinigung "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervorgegangen, die in der Türkei verboten ist und dort eine Untergrundstruktur aufrechterhält. In Deutschland ist die "Devrimci Sol" seit dem 9. Februar 1983 durch Verfügung des Bundesministers des Innern (BMI) mit einem Betätigungsverbot belegt. Auch die DHKP-C wurde am 13. August 1998 durch das BMI als Ersatzorganisation der "Devrimci Sol" eingestuft und mit einem Betätigungsverbot belegt. Zwischen der DHKP-C und der konkurrierenden, auch aus der "Devrimci-Sol" hervorgegangenen und ebenfalls 1998 mit einem Betätigungsverbot belegten "Türkischen Volksbefreiungspartei-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) kam es zwischen 1997 und 1998 zu massiven Gewalttaten mit schweren Körperverletzungen und Mordanschlägen. Gegen zahlreiche Mitglieder und Funktionäre der DHKP-C wurden eine Vielzahl von Strafverfahren geführt. Mehrere ranghohe Funktionäre wurden zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt. Daraus resultierte in Deutschland ein Mitgliederverlust, dessen Folge geringere Mitgliedsbeiträge und Spenden waren. - 84 - Die DHKP-C wurde im Mai 2002 in die von der Europäischen Union geführte Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. Nachdem bereits 2002 verschiedene linksextremistische türkische Gruppierungen das "Todesfasten" als Kampfform um eine Verbesserung der Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen für beendet erklärten, führt die DHKP-C dieses im Berichtszeitraum in der Türkei fort. Nach Presseveröffentlichungen sollen dabei insgesamt mehr als hundert Menschen, meist Angehörige der DHKP-C, gestorben sein. Eine unter dem Namen "TAYAD-Komitee" ("Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei") auftretende Organisation, welche stark von der DHKP-C beeinflusst wird, erweist sich auf europäischer Ebene als Initiator von Veranstaltungen zugunsten der Gefangenen. Diese "Kultur/Musikveranstaltungen", vorwiegend von Anhängern der DHKP-C besucht, dienen Parteifunktionären als Agitationsfeld gegen die mit der "imperialistischen" USA kooperierende "faschistische" türkische Regierung. Eintrittsund Spendengelder fließen außer an Gefangene und deren Familien auch an die DHKP-C. Seit Anfang 2004 besuchten Bremer Funktionäre und Aktivisten der DHKP-C vermehrt Veranstaltungen der "Anatolischen Föderation" (Anadolu Federasyonu e.V.) in Köln und Hamburg. Auch bei diesen Veranstaltungen werden überwiegend Folkloredarbietungen inszeniert und politische Diskussionen geführt. Die DHKP-C verfolgt das Ziel, durch die Gründung neuer Vereine, wie der "Anatolischen Föderation", eine legale Plattform zu schaffen. Folgende Erklärung stellte die "Anatolische Förderation" am 28. Juli ins Internet: "Der Räuberstaat (Israel) führt in Gaza und im Libanon gegen das gesamte Volk Krieg. Wie auch im Irak bombardiert der Imperialismus im Namen von Gleichheit, Freiheit (und) Demokratie. .... Aber die Verantwortlichen sind nicht allein der Imperialismus und der Zionismus. Schuldig sind auch die arabischen Länder und die Türkei, die angesichts der Besetzung und des Massakers stumm geblieben sind. Wir als - 85 - "Anatolische Förderation" fordern, dass der Angriff auf den Libanon sofort beendet werden muß, ... dass (Israel) sich ohne Bedingung aus dem Land (Libanon) zurückzieht und dass die Gefangenen, die sich in der Hand der Israelis befinden, freigelassen werden." Zu einer Gründung eines "TAYAD-Komitees" oder einer "Anatolischen Föderation" in Bremen ist es bis jetzt nicht gekommen. Das traditionelle Parteifest der DHKP-C anlässlich der Gründung der Organisation fand am 29. April in 's-Hertogenbosch (Niederlande) statt. Es nahmen 1.500 bis 2.000 Personen an der Saalveranstaltung teil. Auch Bremer Funktionäre und Sympathisanten der Organisation beteiligten sich an dieser Veranstaltung. Es traten bekannte Musikund Folkloregruppen auf. In Redebeiträgen ist zum "Kampf gegen Imperialismus und Faschismus" in der Türkei aufgerufen worden. Auf der Veranstaltung wurde bekräftigt, den Hungerstreik in den türkischen Haftanstalten fortzusetzen. Wichtigste Finanzquelle der Organisation ist und bleibt die alljährliche Spendensammlung. Im Bremer Bereich ist eine zeitliche Begrenzung auf einen bestimmten Jahresabschnitt kaum noch erkennbar. Die Sammlung selber erfolgt äußert konspirativ. Eine Konfrontation mit der Polizei wird vermieden. Neben bisherigen Anhängern / Sympathisanten erweisen sich Bremer Asylbewerberunterkünfte offensichtlich als erfolgreiches Werbungsund Sammelterrain der Funktionäre. Einzelne geschäftliche Aktivitäten von Mitgliedern lassen den Schluss zu, dass Teile des Gewinns an die Organisation fließen bzw. solcherlei Aktivitäten gezielt von der Organisation über Strohmänner als Einnahmequelle betrieben werden. Weitere Einnahmequellen der DHKP-C in Bremen sind von ihr durchgeführte Kulturveranstaltungen für die hier lebenden Anhänger. Obwohl die DHKP-C nach außen einen gewaltfreien Kurs in Europa vertritt, dienen hier durchgeführte Protestveranstaltungen und Spendensammlungen der moralischen und finanziellen Unterstützung terroristischer Aktionen von Genossen in der Türkei. Die DHKP-C veröffentlichte als Reaktion auf die Eskalation im Nahen Osten im Internet folgende Erklärung: - 86 - "Unser Volk! Der beste und stärkste Weg, mit dem Volk Palästinas und Libanons solidarisch zu sein, ist, den Kampf gegen die kollaborierende Regierung unseres Landes, die den amerikanischen Imperialismus und den Zionismus unterstützt... zu verstärken... Israel ist ein zionistischer Staat. Ein Massenmörder. Ein Besetzer. Ein Terrorist." - 87 - 9. "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Gegründet: 1981 in Paris gegründet seit 1994 in Deutschland vertreten Mitglieder/ Deutschland: ca. 900 (unverändert, wie 2005 Aktivisten: Land Bremen: ca. 50 (unverändert, wie 2005) (Mobilisierungspotenzial: ca. 100, unverändert, wie 2005) Organisation/ revolutionäre Kaderpartei, konspirativ agierende Struktur: Funktionärsgruppe. Publikationen: "Mojahed" (Glaubenskämpfer) Politische Sammeln von Spendengeldern, Ziele/ Politischer Umsturz im Iran. Agitationsschwerpunkte: Aktuelle Menschenrechtsverletzungen im Iran, Atompolitik im Iran, Themen: Streichung von der sog. EU-Terrorliste. Entwicklung und Tendenz: Der "Nationale Widerstandsrat Iran" ist ein im Jahre 1981 gegründeter Zusammenschluss zahlreicher Oppositionsgruppen und Einzelpersonen. Die Organisation der "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) ist die bedeutenste und früher auch militanteste iranische Oppositionsgruppe. In Europa und Nordamerika treten die Mitglieder und Sympathisanten als Anhänger des sogenannten NRWI in Erscheinung. Die weltweit operierende Organisation verfolgte jahrelang eine Doppelstrategie: So führten bewaffnete Kräfte der "Nationalen Befreiungsarmee" (NLA), dem ehemals militanten Arm der Bewegung, einen Guerillakampf auf iranischem Boden gegen das dortige islamische Regime mit dem Ziel des gewaltsamen Umsturzes. Die NLA hat bis zum Sturz von Saddam Hussein teilweise schwere Terroranschläge im Iran verübt. Danach konnten keine militanten Aktionen mehr festgestellt werden. Mit dem Wegfall der Operationsbasis im Irak, versuchen MEK und NWRI mit politischen Aktionen in der westlichen Welt erfolgreich zu sein. - 88 - Es fehlt jedoch an einer ausdrücklichen Abkehr von früheren terroristischen Verhaltensmustern. In Europa und der restlichen Welt tritt die Organisation durch umfangreiche Propaganda und Geldbeschaffungsaktionen in Erscheinung. Hauptagitationsschwerpunkte des NWRI waren die Wiederaufnahme des iranischen Atomprogramms, die Streichung des NWRI von der so genannten Terrorliste der Europäischen Union und die durch den iranischen Staat missachteten Menschenrechte. Aufgrund der Thematik der Menschenrechtsverletzungen im Iran gibt es innerhalb Deutschlands auch Kontakte zu Menschenrechtsvereinen und politisch aktiven Einzelpersonen. Bremer Aktivisten der Organisation beteiligten sich ganzjährig an Aktionen, die durch den NWRI organisiert wurden. Auch Veranstaltungen im europäischen Ausland, wie zum Beispiel die Großdemonstration am 01. Juli in Paris, wurden von zahlreichen Anhängern und Sympathisanten aus Deutschland besucht. Themen waren u.a. die "Beschwichtigungspolitik" der internationalen Gemeinschaft gegenüber dem Iran und die Streichung der Volksmodjahedin von der Terrorliste. Anlass der Demonstration war der Jahrestag der Durchsuchung der NWRIEuropazentrale und die Festnahme von Maryam RAJAVI, Präsidentin des NWRI, am 17. März 2003 durch die französische Polizei. In Bremen wurden mit Hilfe von Fotomappen, die Menschrechtsverletzungen im Iran zeigten, Unterschriften von Politikern und Bürgern gesammelt, um so die Streichung von der EU-Terrorliste zu erreichen. Solche Aktionen wurden ebenfalls in anderen europäischen Ländern durchgeführt. Der NWRI wandte sich direkt an die Sicherheitsbehörden, so z.B. in Bremen, um vor dem Regime im Iran zu warnen. Zur Finanzierung seiner Aktivitäten führte der NWRI auch Straßengeldsammlungen durch, für die er vorwiegend Tarnvereine benutzte. In der Bremer Innenstadt wurden u.a. Spenden für den "Menschenrechtsverein für Migranten e. V" mit Sitz in Aachen und das "Menschenrechtszentrum für ExiliranerInnen e. V." mit Sitz in Düsseldorf gesammelt. - 89 - Das Europäische Gericht Erster Instanz in Luxemburg hat am 12. Dezember festgestellt, dass der Beschluss des EU-Ministerrats vom Mai 2002 die iranischen Volksmodjahedin in die EU-Terrorliste aufzunehmen, rechtswidrig war, da er das Recht auf effektiven Rechtsschutz dieser Gruppierung verletze und nicht hinreichend begründet worden sei. Der Beschluss über das Einfrieren von Geldern der Organisation sei daher unwirksam. - 90 - 10. "Befreiungstiger von Tamil Eelam" ("Liberation Tigers of Tamil Eelam" / LTTE) Gegründet: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/ Deutschland: ca. 800 (unverändert, wie 2005) Anhänger: Land Bremen: ca. 20 (unverändert, wie 2005) (Mobilisierungspotenzial: ca. 150, unverändert, wie 2005) Organisation/ Streng hierarchisch gegliederte Kadergruppe, Struktur: konspirative Arbeitsweise. Publikationen: "Viduthalai Puligal", vierzehntäglich. Politische Sammeln von Geldern zur Unterstützung und Finanzierung des Ziele/ bewaffneten Kampfes im Heimatland. AgitationsGründung eines eigenen unabhängigen Tamilenstaates "Tamil schwerpunkte: Eelam". Aktuelle Wiederaufnahme des Dialoges zwischen EU und LTTE, Themen: Aufnahme in die EU-Terrorliste, Spendensammlungen. Entwicklungen und Tendenzen: Bei den Tamilen handelt es sich um eine Volksgruppe, die den Nordosten Sri Lankas bewohnt. Der Bürgerkrieg zwischen den hinduistischen Tamilen und den buddhistischen Singhalesen um die Aufteilung der Insel schwelt seit langem. Die "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) (Befreiungstiger von Tamil Eelam) gründeten sich 1972 und fordern einen unabhängigen sozialistischen Tamilenstaat "Tamil Eelam". Zur Durchsetzung ihrer Ziele führt die Organisation seit Jahren einen Guerillakrieg gegen die von den Singhalesen dominierte Zentralregierung Sri Lankas. Im Verlauf der seit September 2002 andauernden Friedensverhandlungen zwischen der Zentralregierung und der LTTE war die Organisation von ihrer Forderung eines eigenen Tamilenstaates abgerückt, forderte aber eine Teilautonomie innerhalb des Staatsgefüges Sri Lankas. Die LTTE verübte in der Vergangenheit eine Vielzahl von Terroranschlägen gegen srilankische und indische Ziele. - 91 - Die Friedensverhandlungen der LTTE mit der Regierung von Sri Lanka, die seit 2002 andauern, wurden 2005 durch die Ermordung des Außenministers Sri Lankas erschüttert. Die Europäische Union reagierte umgehend auf die Zuspitzung der Gewalt indem sie bekannt gab, keine offizielle Delegation der LTTE mehr in EU-Gremien zu empfangen. Durch einen Selbstmordanschlag am 25. April auf das Hauptquartier der srilankischen Armeetruppen in Colombo hat sich die Lage weiter zugespitzt. Die Europäische Union hat die LTTE am 31. Mai offiziell als Terrororganisation eingestuft. Erstmals hat die EU die Aufnahme in die Liste der terroristischen Organisationen mit einer politischen Erklärung verbunden. In dieser Erklärung wird die Rücknahme der Einstufung in Aussicht gestellt, falls die LTTE dauerhaft auf Gewalt verzichten und sich erkennbar für den Friedensprozess einsetzen sollten. Die Aufnahme in die Liste bedeutet, dass sämtliche Vermögenswerte der LTTE in der EU eingefroren werden. Kritik übte die EU auch an der Regierung Sri Lankas und wies darauf hin, dass die Gewalt dort nicht allein durch die LTTE verursacht sei. Die Geberländer Sri Lankas (EU, Japan, USA) haben beiden Seiten gedroht, jegliche finanzielle Unterstützung einzustellen, sollte der Gewalt kein Ende bereitet werden. Inzwischen hat die Gewalt auf Sri Lanka wieder bürgerkriegsähnliche Zustände erreicht. Die Aktivitäten der LTTE in Deutschland umfassen u.a. auch das Sammeln von Geldern, die teilweise für die Finanzierung des bewaffneten Kampfes auf Sri Lanka verwendet werden. Die Spenden wurden in der Vergangenheit teilweise mit Gewalt eingefordert. Die LTTE steuert und nutzt unterschiedliche tamilische Vereine in ganz Deutschland, um so ihr Spendenaufkommen zu erhöhen. Vereinstrukturen sind derzeit im Land Bremen nicht bekannt. Bremer Anhänger sind in der Lage, anlassbezogen eine große Anzahl an Aktivisten zu mobilisieren. - 92 - Am 25. Juli fand auf dem Bremer Marktplatz eine Mahnwache von 20-30 Tamilen zur Situation in Sri Lanka statt. Anmelder der Demonstration war der Vorstand des "Internationalen Menschrechtsvereins Bremen e.V.". Es wurden Spruchbänder gezeigt und Flugblätter verteilt. Inhalt der Flugblätter war u.a. die Aufnahme der LTTE in die EU-Terrorliste. Offen wurde darin ausgeführt, die LTTE sei Repräsentantin der Tamilen und die EU habe mit dem Verbot einseitig in den Konflikt interveniert. Bei den Parlamentswahlen in Sri Lanka vom April 2004 lautete die Wahlkampfaussage in den dortigen Siedlungsgebieten wie folgt: "die LTTE sei die einzige und rechtmäßige Repräsentantin des tamilischen Volkes." "Wie kann die EU also behaupten, das Verbot richte sich gegen die LTTE und nicht gegen das tamilische Volk?". Am 02. Dezember fand in der Gruga-Halle in Essen eine Feier zum Gedenken der verstorbenen Freiheitskämpfer der Tamilen statt. Die Rede des LTTEFührers Velupillai PRABKHARAN wurde über Video gezeigt. Er sagte, die Tamilen hätten sich lange Zeit in Geduld geübt und niemals Krieg einer friedlichen Lösung vorgezogen. Nun aber sei es glasklar, dass die singhalesischen Führer niemals eine gerechte Lösung der tamilischen nationalen Frage vorbringen würden. Diese kompromisslose Haltung lasse den Tamilen keine andere Möglichkeit, als einen unabhängigen Staat für das Volk der Tamil Eelams zu gründen. Die Internationale Gemeinschaft werde gebeten, diesen Freiheitskampf anzuerkennen. - 93 - 11. Bewertung der aktuellen Situation sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen von Ausländern Die mitgliederstärkste extremistische Ausländerorganisation im Lande Bremen, die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG), nimmt sich nach wie vor nach der weltweiten Welle islamistischer Terroranschläge in ihrer antisemitischen, vor allem aber israelfeindlichen Rhetorik zurück. Sie befolgt strikt die von ihrer Zentrale in Kerpen (NRW) erteilten Weisungen, sich jeglicher politisch-agitatorischer Aktivitäten zu enthalten. Bei der IGMG sind jedoch auch Tendenzen zur Eigenständigkeit gegenüber der türkischen "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi) und eine Distanzierung von ihrem geistigen Führer Necmettin ERBAKAN zu bemerken. Der ungebrochene Führungsanspruch ERBAKANs setzt diesen Bestrebungen jedoch weiterhin deutliche Grenzen. Die von der Europäischen Union geforderte Einhaltung der Menschenrechte durch die türkische Regierung unter der Führung ERDOGAN gegenüber dem kurdischen Bevölkerungsteil betrachtet der Kongra Gel als Erfolg. Die abermalige Umbenennung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), erst in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK), dann in "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gel) wird an der Grundausrichtung der Organisation wenig ändern. Sie erhält weiterhin ihre Weisungen von ihrem "Führer" Abdullah ÖCALAN. Die Zahl der Straftaten mit ausländerextremistischer Motivation nahm zu (siehe Anhang). - 94 - V. Scientology-Organisation" (SO) Gegründet: 1954 in den USA Gründer: L. Ron HUBBARD (1911 - 1986) Erste Niederlassung in Deutschland 1970 Erste Niederlassung in Bremen 1981 Mitglieder: Deutschland: ca. 5.000-6.000 Land Bremen: ca. 100 Organisation/ Los Angeles ("Church of Scientology International" CSI) Struktur: Mission in Bremen: Stolzenauer Str. 36 Bremen-Hastedt Publikationen: Freiheit, Impact, Scientology-News, Source, Diverse Internetadressen. Entwicklung und Tendenz: Die Programmatik der SO beruht nach wie vor auf den Schriften von L. Ron HUBBARD, die nach eigenen Aussagen der SO für sie unverändert Gültigkeit haben und den Mitarbeitern und Mitgliedern von SO-Einrichtungen als Arbeitsanweisungen dienen. In so genannten "policy letters" (Richtlinienbriefe) werden ihnen verbindliche Orientierungen vorgegeben. Eine von der Innenministerkonferenz (IMK) eingesetzte Arbeitsgruppe hat festgestellt, dass Ziele und Verhaltensweisen der SO der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehen. Das kollektive Verhalten der Organisation lässt Anzeichen für eine politische Zielsetzung erkennen, die letztlich darauf ausgerichtet ist, unsere verfassungsmäßige Ordnung zu verändern bzw. zu beseitigen. Dies ergibt sich aus dem von Hubbard verfassten Grundlagenwerk der SO "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" und vielen Aussteigerberichten. Die SO will eine scientologische Gesellschaft etablieren, in der eigene "Verwaltungs-, Technologieund Gerechtigkeitsverfahren" ohne Rechtsweggarantie, ohne Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, ohne - 95 - Anspruch auf einen gesetzlichen und unabhängigen Richter und ohne eine gesetzmäßige Verwaltung existieren. Die programmatischen Äußerungen HUBBARDs sind für Scientologen, die Scientology-Organisation und insbesondere auch für ihre Teilorganisationen, die einzelnen "Kirchen" und "Missionen" in Deutschland oder die "International Association of Scientology" (IAS) unabänderlich und dauerhaft gültig. Die Scientology-Organisation in Deutschland bekennt sich in ihren Veröffentlichungen ausdrücklich zur Person und politischen Programmatik ihres Gründers. Wesentliche Elemente der scientologischen "Technik" bestehen darin, alle Aktivitäten auf Expansion der Organisation auszulegen. Das dokumentiert sich in der Anweisung: "make money - make more money - make other people produce so as to make money" Die "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD) und die "Scientology Kirche Berlin e.V." (SKB) hatten mit Schriftsatz vom 27. März 2003 Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit dem Ziel erhoben, die Beobachtung der Kläger mit offenen und nachrichtendienstlichen Mitteln untersagen zu lassen. Die 20. Kammer des Verwaltungsgerichtes (VG) in Köln hat am 11. November 2004 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht aus, es sei zu der Überzeugung gelangt, die Beobachtung der SKD und der SKB durch das BfV sowohl mit offenen als auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln sei rechtmäßig. Es lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kläger Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen. Aus einer Vielzahl, teilweise auch nicht öffentlich zugänglichen Quellen, ergebe sich, dass die Kläger Bestrebungen verfolgen, die gegen die Menschenrechte sowie gegen das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben, gerichtet seien. Die Beobachtung der Kläger sei daher erforderlich, angemessen und damit insgesamt verhältnismäßig, heißt es in der Urteilsbegründung. - 96 - Die Scientology-Mission Bremen bietet in ihren Geschäftsräumen in der Stolzenauer Straße diverse Kurse an. Auch im Jahre 2006 trat das Dianetik-Zentrum der Scientology-Mission Bremen e.V. als Anmelder von mehreren Informationsständen in verschiedenen Bremer Stadtteilen auf, u.a. im Bereich des Bremer Hauptbahnhofes, der Obernstraße und in der Vahr. Die Genehmigungen wurden unter der Auflage erteilt, dass Bücher und Broschüren nicht verkauft und Werbematerialien nicht verteilt werden durften. Eine Mitgliederwerbung war ebenfalls untersagt. Die Aktionen der SO stießen in Bremen auf wenig Interesse bei den Passanten. - 97 - VI. Geheimschutz Ziel des Geheimschutzes ist der Schutz staatlicher Verschlusssachen. Er soll die Kenntnisnahme durch Unbefugte verhindern, um dadurch eine Gefährdung des Bestandes, der Sicherheit oder sonstiger Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder auszuschließen. Die Sicherheit des demokratischen Rechtsstaates und die seiner Bürger sind aber unverzichtbare Verfassungswerte. Unabhängig von ihrer Darstellungsform sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die geheim zu halten sind, Verschlusssachen (VS). Sie werden je nach dem Schutz, dessen sie bedürfen, nach SS 5 Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BremSÜG) in die vier folgenden Geheimhaltungsgrade eingestuft: STRENG GEHEIM GEHEIM VS-VERTRAULICH VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH Der Schutz der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen (Verschlusssachen) wird durch Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. Beim personellen Geheimschutz sollen Sicherheitsüberprüfungen verhindern, dass Personen mit Sicherheitsrisiken sicherheitsempfindliche Tätigkeiten ausüben. Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. Sie sind in der Verschlusssachenanweisung (VSA) des Landes Bremen vom 05. Januar 1996 sowie ergänzenden Richtlinien zusammengefasst. Die Pflichten und Befugnisse der an einer Sicherheitsüberprüfung Beteiligten sind im Gesetz über die Vorraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Landes Bremen (Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - BremSÜG) geregelt. Das am 30. Juni 1998 - 98 - von der Bremischen Bürgerschaft verabschiedete Gesetz lehnt sich an das auf Bundesebene geltende SÜG an und löste die bis dahin geltenden Sicherheitsrichtlinien des Landes Bremen von 1961 ab. Die Verantwortung für den personellen und materiellen Geheimschutz in den einzelnen Dienststellen trägt der Leiter der jeweiligen Dienststelle, der diese Aufgaben weitgehend auf einen Geheimschutzbeauftragten übertragen kann. Dieser arbeitet bei der Erfüllung seiner Aufgaben eng mit den Verfassungsschutzbehörden zusammen, denen der Gesetzgeber Mitwirkungspflichten beim Geheimschutz übertragen hat (SS 3 Abs. 2 Bremisches Verfassungsschutzgesetz). Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Das SÜG sieht für Sicherheitsüberprüfungen drei Überprüfungsarten vor: * (Ü1) - einfache Sicherheitsüberprüfung * (Ü2) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung * (Ü3) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen. Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Verschlusssachengrades, zu dem der/die Betroffene Zugang erhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Ehegatte / Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personen auf den Betroffenen auswirken können. Die Sicherheitsüberprüfung wird mit dem Ziel durchgeführt, mögliche sicherheitserhebliche Erkenntnisse bei dem Betroffenen festzustellen, aus denen sich Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben. Sicherheitsrisiken sind gegeben, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen oder an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder Erpressbarkeit bzw. Anfälligkeit für Anbahnungsund Werbungsversuche durch fremde Nachrichtendienste für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland vorliegen. - 99 - In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass eine Sicherheitsüberprüfung nur mit vorheriger Zustimmung des Betroffenen erfolgen darf. Das LfV gibt gegenüber den für die Sicherheitsüberprüfung zuständigen Stellen ein so genanntes Sicherheitsvotum ab. Das Votum ist eine Entscheidungshilfe, auf deren Grundlage die zuständige Stelle (Beschäftigungsbehörde) über die Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entscheidet. Das Ende der Ost-West-Konfrontation und die Intention des im Jahre 1998 in Kraft getretenen Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, den Kreis der staatlichen Geheimnisträger auf den notwendigen Kernbestand zu beschränken, hatte zur Folge, dass das Antragsaufkommen bei den Sicherheitsüberprüfungen im Laufe der letzten Jahre stark zurückgegangen ist. Dagegen haben die anderen Überprüfungsarten deutlich zugenommen. Dies betrifft speziell die beim Einbürgerungsverfahren angestiegenen Anfragen und die Regelanfragen nach dem Aufenthaltsgesetz. Ebenfalls stark angestiegen sind die Überprüfungen von Personen, die Zugang zu den sicherheitskritischen Bereichen des Flughafens haben. Diese Personenüberprüfungen nach dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG) sind auch deswegen stark angestiegen, weil der Überprüfungszeitraum bei den Wiederholungsüberprüfungen von fünf Jahren auf ein Jahr verkürzt wurde. Weiter ist das LfV Bremen für die Überprüfung von Personen nach dem "Bremischen Hafensicherheitsgesetz" zuständig. Das Gesetz ist am 01. Juli 2004 in Kraft getreten. Danach werden im Rahmen der Gefahrenabwehr und als vorbeugende Maßnahme zum Schutz des Seeverkehrs und von Hafenanlagen Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchgeführt. Neu hinzugekommen ist für das LfV Bremen die Überprüfung von Personen nach dem "Sprengstoffgesetz". Das Gesetz ist entsprechend geändert worden; danach ist der Verfassungsschutz seit dem 01. September 2005 als mitwirkende Behörde bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung mit eingebunden. - 100 - Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2006 folgendes Bild: Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 29 a LuftVG pro Jahr: 2005 2006 1907 Personen 2048 Personen Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 13 Hafensicherheitsgesetz: 2005 2006 15 Personen 21 Personen Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 8 Sprengstoffgesetz: 2005 2006 17 Personen 34 Personen Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungen: 2005 2006 2653 Personen 2926 Personen Regelanfragen vor Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung: 2005 2006 2058 Personen 2491 Personen - 101 - VII. Rechtsvorschriften 1. Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen (Bremisches Verfassungsschutzgesetz - BremVerfSchG) Vom 28. Februar 2006 Inhaltsübersicht Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften SS 1 Zweck und Auftrag des Verfassungsschutzes SS 2 Zuständigkeit SS 3 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 4 Aufklärung der Öffentlichkeit SS 5 Begriffsbestimmungen Abschnitt 2 Befugnisse, nachrichtendienstliche Mittel, Datenverarbeitung SS 6 Allgemeine Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 7 Besondere Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 8 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS 9 Einsatz technischer Mittel im Schutzbereich von Artikel 13 Grundgesetz SS 10 Weiterverarbeitung; Mitteilung an Betroffene SS 11 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 13 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien SS 14 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Akten SS 15 Verfahrensbeschreibungen Abschnitt 3 Auskunft SS 16 Auskunft an Betroffene - 102 - Abschnitt 4 Informationsübermittlung SS 17 Grenzen der Übermittlung personenbezogener Daten SS 18 Übermittlung von Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz SS 19 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 20 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 21 Übermittlung von Informationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit SS 23 Übermittlungsverbote, Minderjährigenschutz SS 24 Pflichten der empfangenden Stelle SS 25 Nachberichtspflicht Abschnitt 5 Parlamentarische Kontrolle SS 26 Parlamentarische Kontrollkommission SS 27 Zusammensetzung, Wahl der Mitglieder SS 28 Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission SS 29 Geschäftsordnung, Geheimhaltung SS 30 Eingaben Abschnitt 6 Schlussvorschriften SS 31 Geltung des Bremischen Datenschutzgesetzes SS 32 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten - 103 - Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften SS1 Zweck und Auftrag des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. Er erfüllt diesen Auftrag durch 1. die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1, 2. die Unterrichtung der Landesregierung und die Mitwirkung an der Aufklärung der Öffentlichkeit über diese Bestrebungen und Tätigkeiten, 3. die Wahrnehmung der in diesem Gesetz geregelten sonstigen Mitwirkungsaufgaben sowie 4. den in diesem Gesetz oder in anderen Rechtsvorschriften vorgesehenen Informationsaustausch mit anderen Stellen. SS2 Zuständigkeit (1) Verfassungsschutzbehörde ist das Landesamt für Verfassungsschutz im Geschäftsbereich des Senators für Inneres und Sport. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz und polizeiliche Dienststellen dürfen einander nicht angegliedert werden. (3) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Lande Bremen nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Ihre Befugnisse bestimmen sich dabei nach den Vorschriften dieses Gesetzes. (4) Hat sich das Bundesamt für Verfassungsschutz wegen beabsichtigter eigener Maßnahmen im Lande Bremen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz ins Benehmen gesetzt (SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes), so unterrichtet das Landesamt für Verfassungsschutz den Senator für Inneres und Sport über die Herstellung des Benehmens. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf andere Verfassungsschutzbehörden nicht um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. - 104 - SS3 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. Die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder die Vertreterin oder der Vertreter bestimmt die Objekte, die zur Erfüllung der Aufgaben nach Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 planmäßig zu beobachten und aufzuklären sind (Beobachtungsobjekte). SS 6 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend. Die Bestimmung eines Beobachtungsobjektes ist regelmäßig zu überprüfen. Sie ist aufzuheben, wenn die Voraussetzung des SS 6 Abs. 1 Satz 3 entfallen ist. Die Bestimmung eines Beobachtungsobjektes bedarf der persönlichen Zustimmung des Senators für Inneres und Sport oder seiner Vertreterin oder seines Vertreters. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet den Senator für Inneres und Sport regelmäßig und umfassend über die Wahrnehmung seiner Aufgaben und seine Auswertungsergebnisse. Die Unterrichtung soll die zuständigen Stellen in die Lage versetzen, Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach Absatz 1 zu beurteilen und die erforderlichen Abwehrmaßnahmen zu treffen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen - 105 - Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. SS4 Aufklärung der Öffentlichkeit (1) Der Senator für Inneres und Sport klärt die Öffentlichkeit auf der Grundlage der Auswertungsergebnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz durch zusammenfassende Berichte über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 auf. Hierzu gehört ein regelmäßiger Verfassungsschutzbericht, in dem auch die Summe der Haushaltsmittel für das Landesamt für Verfassungsschutz sowie die Gesamtzahl seiner Bediensteten nach Stellen und Beschäftigungsvolumen darzustellen sind. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt ergänzend durch eigene Maßnahmen an der Aufklärung der Öffentlichkeit mit; es kann dabei zugleich über die Wahrnehmung seiner Aufgaben unterrichten. SS5 Begriffsbestimmungen (1) Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 sind politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 oder 4, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes: solche, die darauf gerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes: solche, die darauf gerichtet sind, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung: solche, die darauf gerichtet sind, einen der in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. - 106 - (3) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz und in der Landesverfassung konkretisierten Menschenrechte. (4) Eine Gefährdung auswärtiger Belange im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 liegt nur dann vor, wenn die Gewalt innerhalb der Bundesrepublik Deutschland angewendet oder vorbereitet wird und sie sich gegen die politische Ordnung oder Einrichtungen anderer Staaten richtet oder richten soll. (5) Gewalt im Sinne dieses Gesetzes ist die Anwendung körperlichen Zwanges gegen Personen und die gewalttätige Einwirkung auf Sachen. (6) Sammlung von personenbezogenen Daten ist das Erheben im Sinne des Bremischen Datenschutzgesetzes. Abschnitt 2 Befugnisse, nachrichtendienstliche Mittel, Datenverarbeitung SS6 Allgemeine Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten sowie besonderer Arten personenbezogener Daten nach SS 2 Abs. 6 des Bremischen Datenschutzgesetzes erheben und weiter verarbeiten, soweit dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften nicht besondere Regelungen treffen. Regelungen dieses Gesetzes über die Verarbeitung personenbezogener Daten gelten für die Verarbeitung besonderer Arten personenbezogener Daten gleichermaßen. Voraussetzung für die Sammlung von Informationen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 - 107 - ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die, insgesamt betrachtet und unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Erfahrungen, den Verdacht einer der in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten rechtfertigen. (2) Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit deren Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben, es sei denn, dass die Erhebung für Zwecke des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht bekannt werden darf. Die Betroffenen sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (3) Ist zum Zwecke der Sammlung von Informationen die Weitergabe personenbezogener Daten unerlässlich, so dürfen schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nur im unvermeidbaren Umfang beeinträchtigt werden. (4) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (5) Bei der Sammlung und Verarbeitung von Informationen hat das Landesamt für Verfassungsschutz von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS7 Besondere Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen. Absatz 1 Halbsatz 2 gilt entsprechend. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, - 108 - unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die Auskunft kann auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und die zukünftige Nutzung von Telediensten eingeholt werden. Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten sind 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennungen sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der von der Kundin oder dem Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund Teledienst-Dienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (5) Über das Einholen von Auskünften nach den Absätzen 1 bis 4 entscheidet der Senator für Inneres und Sport auf Antrag des Landesamtes für Verfassungsschutz. Der Antrag ist zu begründen und von der Leiterin oder dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder der Vertreterin oder dem Vertreter zu unterzeichnen. Die Entscheidung des Senators für Inneres und Sport bedarf der Zustimmung der nach SS 1 Abs. 3 des Bremischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes bestehenden Kommission (G-10-Kommission). Bei Gefahr im Verzuge kann der Senator für Inneres und Sport anordnen, dass die Entscheidung bereits vor der Zustimmung der G-10-Kommission vollzogen wird. In diesem Fall ist die nachträgliche Zustimmung unverzüglich einzuholen. (6) Die G-10-Kommission prüft im Rahmen der Erteilung der Zustimmung gemäß Absatz 5 Satz 3 sowie aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften nach den Absätzen 1 bis 4. SS 3 Abs. 1 des Bremischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes ist entsprechend anzuwenden. Entscheidungen über Auskünfte, die die G-10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat der Senator für Inneres und Sport unverzüglich aufzuheben. Wird die nachträgliche Zustimmung im Fall des Absatzes 5 Satz 4 versagt, so ist die Anordnung aufzuheben und die aufgrund der Anordnung erhobenen Daten sind unverzüglich zu löschen. Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen weder den Betroffenen noch Dritten vom Auskunftsgeber mitgeteilt werden. (7) Der Senator für Inneres und Sport unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über die Durchführung der Absätze 1 bis 4; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet der Bürgerschaft jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4. (8) Der Senator für Inneres und Sport unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes jährlich über die nach den Absätzen 1 bis 4 - 109 - durchgeführten Maßnahmen; dabei ist ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. (9) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6 eingeschränkt. SS8 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur heimlichen Informationsbeschaffung, einschließlich der heimlichen Erhebung personenbezogener Daten, nur folgende nachrichtendienstliche Mittel anwenden: 1. Inanspruchnahme von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informantinnen und Informanten und Gewährspersonen; 2. Einsatz von verdeckt ermittelnden Beamtinnen und Beamten; 3. Observationen und für besondere Observationszwecke bestimmte technische Mittel; 4. heimliche Bildaufzeichnungen; 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen; 6. heimliches Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel; 7. heimliches Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel; 8. Beobachtung des Funkverkehrs auf nicht für den allgemeinen Empfang bestimmten Kanälen; 9. fingierte biographische, berufliche oder gewerbliche Angaben (Legenden); 10. Tarnpapiere und Tarnkennzeichen; 11. Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel-10-Gesetzes; 12. Technische Mittel, mit denen zur Ermittlung des Standortes und zur Ermittlung der Geräteund der Kartennummern aktiv geschaltete Mobilfunkendeinrichtungen zur Datenabsendung an eine Stelle außerhalb des Telekommunikationsnetzes veranlasst werden. (2) Die Mittel nach Absatz 1 dürfen nur angewendet werden, wenn 1. sich ihr Einsatz gegen Personenzusammenschlüsse, in ihnen oder für sie tätige Personen oder gegen Einzelpersonen richtet, bei denen tatsächliche - 110 - Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 vorliegen; 2. sich ihr Einsatz gegen Personen richtet, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für eine der in Nummer 1 genannten Personen bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben; 3. ihr Einsatz gegen andere als die in den Nummern 1 und 2 genannten Personen unumgänglich ist, um Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder über Bestrebungen zu gewinnen, die sich unter Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter wenden; 4. durch sie die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlichen Quellen in den in Nummer 1 genannten Personenzusammenschlüssen gewonnen oder überprüft werden können oder 5. dies zum Schutz der Bediensteten, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz vor Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht erforderlich ist. (3) In den Fällen des SS 53 der Strafprozessordnung ist die Informationsbeschaffung mit den Mitteln nach Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 7 unzulässig; ergibt sich während oder nach Durchführung der Maßnahme, dass ein Fall des SS 53 der Strafprozessordnung vorliegt, dürfen die Erkenntnisse nicht verwendet werden. In den Fällen des SS 53 a der Strafprozessordnung gilt SS 9 Abs. 4 Satz 2 entsprechend. (4) Technische Mittel gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 12 darf das Landesamt für Verfassungsschutz zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Personenbezogene Daten Dritter dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen. SS 7 Abs. 5 bis 7 gilt entsprechend. Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (5) Eine Informationsbeschaffung mit den Mitteln nach Absatz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, die Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch ein Ersuchen nach SS 18 Abs. 3 gewonnen werden kann. Die Anwendung eines Mittels nach Absatz 1 darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen, insbesondere nicht außer Verhältnis zu der Gefahr, die von der jeweiligen Bestrebung oder Tätigkeit nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 ausgeht oder ausgehen kann. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich - 111 - Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (6) Von einem Einsatz eines nachrichtendienstlichen Mittels nach Absatz 1, das in seiner Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommt, ist die Parlamentarische Kontrollkommission in der nächsten nach der Anordnung stattfindenden Sitzung zu unterrichten. (7) Die Behörden des Landes und der Gemeinden sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz technische Hilfe für Tarnmaßnahmen (Absatz 1 Satz 1 Nr. 10) zu leisten. (8) Die näheren Voraussetzungen für die Anwendung der Mittel nach Absatz 1 und die Zuständigkeit für ihre Anordnung sind in Dienstvorschriften durch den Senator für Inneres und Sport umfassend zu regeln. Für die Anordnung des Einsatzes eines Mittels nach Absatz 1 Nr. 2 im Schutzbereich des Artikel 13 des Grundgesetzes ist die Zuständigkeit der Leiterin oder des Leiters des Landesamtes für Verfassungsschutz oder der Vertreterin oder des Vertreters vorzusehen. Vor Erlass solcher Dienstvorschriften ist die Parlamentarische Kontrollkommission rechtzeitig zu unterrichten. SS9 Einsatz technischer Mittel im Schutzbereich von Artikel 13 Grundgesetz (1) Der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung und Informationsaufzeichnung im Schutzbereich des Artikel 13 des Grundgesetzes ist zulässig, wenn die Voraussetzungen nach SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes vorliegen und die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert ist. Er darf nur in Wohnungen der verdächtigen Person erfolgen. In Wohnungen anderer Personen ist der Einsatz von Mitteln nach Satz 1 nur zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die verdächtige Person sich darin aufhält. (2) Die Maßnahme ist nur zulässig, soweit nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass dadurch Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Gespräche in Betriebsoder Geschäftsräumen sind in der Regel nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen. Das Gleiche gilt für Gespräche über Straftaten. (3) Die Maßnahme ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Erkenntnisse über solche Äußerungen dürfen nicht verwendet werden, Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. Ist eine Maßnahme nach Satz 1 unterbrochen, so darf sie unter den in Absatz 2 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Im Zweifel ist über die Unterbrechung oder Fortführung der Maßnahme unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen; SS 100 d Abs. 4 der Strafprozessordnung gilt entsprechend. - 112 - (4) In den Fällen des SS 53 der Strafprozessordnung ist die Maßnahme unzulässig; ergibt sich während oder nach Durchführung der Maßnahme, dass ein Fall des SS 53 der Strafprozessordnung vorliegt, gilt Absatz 3 Satz 2 und 3 entsprechend. In den Fällen der SSSS 52 und 53 a der Strafprozessordnung dürfen aus der Maßnahme gewonnene Erkenntnisse nur verwertet werden, wenn dies unter Berücksichtigung des zugrundeliegenden Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Erforschung des Sachverhalts steht. (5) Die Maßnahmen bedürfen der richterlichen Anordnung. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Landesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz hat. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Verlängerungen um jeweils höchstens drei weitere Monate sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen für die Anordnung fortbestehen. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Gegen eine Entscheidung, durch welche der Antrag des Landesamtes für Verfassungsschutz abgelehnt wird, steht diesem die Beschwerde zu. Bei Gefahr im Verzuge kann die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder die Vertreterin oder der Vertreter die Anordnung treffen; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Der Vollzug der Anordnung erfolgt unter der Aufsicht einer oder eines Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz, die oder der die Befähigung zum Richteramt hat. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. (6) Der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Artikel 13 des Grundgesetzes ist auch zulässig, soweit dieser Einsatz zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen unerlässlich ist. Verdeckte Einsätze nach Satz 1 bedürfen der Anordnung durch die Leiterin oder den Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder durch die Vertreterin oder den Vertreter. (7) Von einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 6 ist die Parlamentarische Kontrollkommission in der nächsten nach der Anordnung stattfindenden Sitzung zu unterrichten. (8) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 1 bis 6 eingeschränkt. SS 10 Weiterverarbeitung; Mitteilung an Betroffene (1) Die durch Maßnahmen nach den SSSS 7 und 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur nach Maßgabe des SS 4 des Artikel-10Gesetzes weiterverarbeitet werden. (2) Die mit Mitteln nach SS 8 Abs. 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck weiterverarbeitet werden, zu dem sie erhoben worden sind. Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist nur zulässig, wenn das zur Erhebung verwendete Mittel auch für den anderen Zweck hätte angewendet werden dürfen. - 113 - Für personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach SS 9 Abs. 1 erhoben wurden, gilt SS 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie Abs. 5 und 6 des Artikel-10Gesetzes entsprechend. Die Daten dürfen außer zu den in SS 9 Abs. 1 genannten Zwecken nur zur Verfolgung der in SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung genannten Straftaten, sofern die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt, und zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person übermittelt werden. Für personenbezogene Daten, die durch solche Maßnahmen nach SS 8 Abs. 1 erhoben wurden, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, gilt SS 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie Abs. 4 bis 6 des Artikel-10-Gesetzes entsprechend. (3) Die durch Maßnahmen nach SS 9 Abs. 6 erhobenen Daten dürfen außer zu den dort genannten Zwecken nur zu den in Absatz 2 Satz 4 genannten Zwecken verwertet werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Die Verwertung bedarf der richterlichen Feststellung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme. SS 9 Abs. 5 Satz 2 und 5 bis 7 gilt entsprechend. Wird die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht nachträglich richterlich bestätigt, so sind die erhobenen Daten unverzüglich zu löschen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in den Absätzen 1, 2 Satz 3 und Absatz 3 bezeichneten Maßnahmen den Betroffenen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Kann eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, so ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald diese Voraussetzung gegeben ist. Wurden personenbezogene Daten übermittelt, so erfolgt die Mitteilung im Benehmen mit der empfangenden Stelle. Einer Mitteilung bedarf es endgültig nicht, wenn 1. die Voraussetzung aus Satz 1 auch fünf Jahre nach Einstellung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, 2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden als auch bei der empfangenden Stelle vorliegen. Bei den in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen stellt die G-10-Kommission das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 4 fest; SS 3 Abs. 1 und 2 des Bremischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes findet entsprechende Anwendung. Bei den übrigen Maßnahmen unterrichtet der Senator für Inneres und Sport die Parlamentarische Kontrollkommission innerhalb von sechs Monaten nach Einstellung über die Mitteilung an die Betroffenen oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Die Parlamentarische Kontrollkommission ist auch über die nach Satz 4 unterbliebenen Mitteilungen zu unterrichten. SS 11 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn - 114 - 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 beteiligt ist, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 2. dies für die Erforschung und Bewertung gewalttätiger Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 oder von Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erforderlich ist oder 3. dies zur Schaffung nachrichtendienstlicher Zugänge zu Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlich ist. In Akten dürfen über Satz 1 Nr. 2 hinaus personenbezogene Daten auch gespeichert, verändert und genutzt werden, wenn dies sonst zur Erforschung und Bewertung von Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 erforderlich ist. In Akten dürfen über Satz 1 Nr. 2 hinaus personenbezogene Daten auch gespeichert, verändert und genutzt werden, wenn dies sonst zur Erforschung und Bewertung von Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 13 und 4 erforderlich ist. (2) Personenbezogene Daten dürfen nur dann in Dateien gespeichert werden, wenn sie aus Akten ersichtlich sind. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. SS 12 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 11 Daten über das Verhalten Minderjähriger aus der Zeit vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, nur speichern, verändern oder nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person eine der in SS 3 Abs. 1 des Artikel-10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In automatisierten Dateien ist eine Speicherung von Daten oder über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. (2) Die nach Absatz 1 über Personen vor Vollendung des 16. Lebensjahres gespeicherten Daten sind zwei Jahre nach der Speicherung zu löschen, es sei denn, dass weitere Informationen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 hinzugekommen sind. Die nach Absatz 1 über Personen nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres gespeicherten Daten sind zwei Jahre nach der Speicherung auf die Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung zu überprüfen. Sie sind spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Informationen über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 hinzugekommen sind. - 115 - SS 13 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; es hat sie zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt sein können. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn 1. ihre Speicherung unzulässig war oder 2. ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der Betroffenen weiter verarbeitet werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu ergänzen, zu löschen oder zu sperren sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind spätestens zehn Jahre, über Bestrebungen nach Nr. 3 oder 4 spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten Speicherung einer Information über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 zu löschen. (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nach dem Bremischen Datenschutzgesetz weiter verarbeitet werden. SS 14 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Akten (1) Stellt das Landesamt für Verfassungsschutz fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, berichtigt es diese; sofern die Daten durch die Berichtigung unverständlich würden, ist die Berichtigung mittels eines ergänzenden Vermerks vorzunehmen. Wird die Richtigkeit personenbezogener Daten von Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken. (2) Für Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, gilt SS 13 Abs. 2 und 3 entsprechend. Im Übrigen hat das Landesamt für Verfassungsschutz personenbezogene Daten zu sperren, wenn es bei der Einzelfallbearbeitung - 116 - feststellt, dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden, und die Daten für die künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr weiter verarbeitet werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen. SS 15 Verfahrensbeschreibungen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, in einer Beschreibung für jedes automatisierte Verfahren, mit dem personenbezogene Daten verarbeitet werden, festzulegen: 1. die Bezeichnung des Verfahrens und die Zweckbestimmung der Verarbeitung, 2. die Art der verarbeiteten Daten sowie die Rechtsgrundlage ihrer Verarbeitung, 3. den Kreis der Betroffenen, 4. die Empfänger oder den Kreis von Empfängern, denen Daten mitgeteilt werden können, 5. Fristen für das Sperren und Löschen der Daten, 6. die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach SS 7 BremDSG, 7. eine geplante Datenübermittlung in Staaten außerhalb der Europäischen Union. Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die Angaben nach Satz 1 für mehrere gleichartige Verfahren in einer Verfahrensbeschreibung zusammenfassen. Satz 1 gilt nicht für Dateien, die ausschließlich aus verarbeitungstechnischen Gründen vorübergehend vorgehalten werden. (2) Verfahrensbeschreibungen bedürfen der vorherigen Zustimmung des Senators für Inneres und Sport. Vor ihrem Erlass ist die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz anzuhören. (3) Die Speicherung personenbezogener Daten ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. In angemessenen Abständen ist die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung der Dateien zu überprüfen. (4) In der Verfahrensbeschreibung über personenbezogene Textdateien ist die Zugriffsberechtigung auf Personen zu beschränken, die unmittelbar mit Arbeiten in dem Gebiet betraut sind, dem die Textdateien zugeordnet sind; Auszüge aus Textdateien dürfen nicht ohne die dazugehörenden erläuternden Unterlagen übermittelt werden. - 117 - Abschnitt 3 Auskunft SS 16 Auskunft an Betroffene (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt Betroffenen auf schriftlichen Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf Angaben zur Herkunft der Daten sowie im Falle von Übermittlungen auf Angaben zu den empfangenden Stellen. Über Daten aus Akten, die nicht zur Person der Betroffenen geführt werden, wird Auskunft nur erteilt, soweit die Daten, namentlich aufgrund von Angaben der Betroffenen, mit angemessenem Aufwand auffindbar sind. Das Landesamt für Verfassungsschutz bestimmt Verfahren und Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen. (2) Die Auskunftserteilung kann nur abgelehnt werden, soweit 1. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, 2. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der berechtigten Interessen von Dritten geheimgehalten werden müssen oder 3. durch die Auskunftserteilung Informationsquellen gefährdet würden oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz unter Abwägung der in Satz 1 Nrn. 1 bis 3 genannten Interessen mit dem Interesse der antragstellenden Person an der Auskunftserteilung. Die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz kann eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter damit beauftragen, ebenfalls Entscheidungen nach Satz 1 zu treffen. (3) Die Ablehnung einer Auskunft bedarf keiner Begründung, soweit durch die Begründung der Zweck der Ablehnung gefährdet würde. Die Gründe der Ablehnung sind aktenkundig zu machen. Wird der antragstellenden Person keine Begründung für die Ablehnung der Auskunft gegeben, so ist ihr die Rechtsgrundlage dafür zu nennen. Ferner ist sie darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Der oder dem Landesbeauftragten ist auf Verlangen Auskunft zu erteilen. Stellt der Senator für Inneres und Sport fest, dass durch die Erteilung der Auskunft nach Satz 5 die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde, so darf die Auskunft nur der Landesbeauftragten oder dem Landesbeauftragten persönlich erteilt werden. Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten an die antragstellende Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des Landesamtes für - 118 - Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht einer weitergehenden Mitteilung zustimmt. (4) Auskunftsrechte, die in anderen Rechtsvorschriften geregelt sind, finden auf dieses Gesetz keine Anwendung. Abschnitt 4 Informationsübermittlung SS 17 Grenzen der Übermittlung personenbezogener Daten Wird nach den Bestimmungen dieses Abschnitts um die Übermittlung personenbezogener Daten ersucht, so dürfen nur solche Daten übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde oder Stelle bereits bekannt sind oder von ihr aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. SS 18 Übermittlung von Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes und der Gemeinden, insbesondere die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Behörden des Polizeivollzugsdienstes, sowie die sonstigen der ausschließlichen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unterrichten von sich aus das Landesamt für Verfassungsschutz über die ihnen bekannt gewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland erkennen lassen, die sich unter Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 genannten Schutzgüter wenden. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Behörden des Polizeivollzugsdienstes sowie die Ausländerbehörden übermitteln darüber hinaus von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die in Absatz 1 genannten Stellen um Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen, wenn diese nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Die Ersuchen sind aktenkundig zu machen. - 119 - (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nach den Absätzen 1 bis 3 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel-10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Satz 1 übermittelten personenbezogenen Daten findet SS 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 sowie Abs. 4 bis 6 des Artikel-10-Gesetzes entsprechende Anwendung. (5) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen (SSSS 94 bis 100, 100 c bis 111 p, 163 e und 163 f der Strafprozessordnung) bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 oder 4 oder von Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bestehen. Die nach Satz 1 übermittelten personenbezogenen Daten dürfen nur zur Erforschung solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten genutzt werden. SS 19 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Gewinnung von Informationen über gewalttätige Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 oder 4 oder über Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 die von öffentlichen Stellen geführten Register, insbesondere Grundbücher, Personenstandsbücher, Melderegister, Personalausweisregister, Passregister, Führerscheinkartei, Waffenerlaubnisregister, einsehen. (2) Die Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle den Zweck der Maßnahme gefährden würde oder 2. die betroffene Person durch eine anderweitige Informationsgewinnung unverhältnismäßig beeinträchtigt würde. Die Einsichtnahme ist unzulässig, wenn ihr eine gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder eine Pflicht zur Wahrung von Berufsgeheimnissen entgegensteht. (3) Die Einsichtnahme ordnet die Leiterin oder der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, im Falle der Verhinderung die Vertreterin oder der Vertreter, an. (4) Die durch Einsichtnahme in Register gewonnenen Informationen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. Gespeicherte Informationen sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich sind. (5) Über jede Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, das eingesehene Register und die registerführende Stelle sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen, deren Daten für eine weitere Verarbeitung erforderlich sind. Diese Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff - 120 - zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Anfertigung folgt, zu vernichten. SS 20 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an inländische Behörden übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder die empfangende Stelle die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit oder der Strafverfolgung benötigt. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck weiterverarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt wurden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Dienststellen der alliierten Streitkräfte übermitteln, soweit dies im Rahmen der Zusammenarbeit nach Artikel 3 des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) erforderlich ist. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, soweit die Übermittlung in einem Gesetz, einem Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften oder einer internationalen Vereinbarung geregelt ist. Eine Übermittlung darf auch erfolgen, wenn sie 1. zum Schutz von Leib oder Leben erforderlich ist oder 2. zur Erfüllung eigener Aufgaben, insbesondere in Fällen grenzüberschreitender Tätigkeiten des Landesamtes, unumgänglich ist und im Empfängerland gleichwertige Datenschutzregelungen gelten. Die Übermittlung unterbleibt, wenn ihr auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen, insbesondere deren Schutz vor einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. Die Übermittlung der von einer Ausländerbehörde empfangenen personenbezogenen Daten unterbleibt, es sei denn, die Übermittlung ist völkerrechtlich geboten. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten nur für den Zweck weiter verarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt wurden. Sie ist auf die Verarbeitungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass sich das Landesamt für Verfassungsschutz vorbehält, Auskunft über die Verarbeitung der Daten zu verlangen. - 121 - (4) Personenbezogene Daten dürfen an einzelne Personen oder an andere als die in den Absätzen 1 bis 3 genannten Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 oder zur Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen erforderlich ist und der Senator für Inneres und Sport der Übermittlung zugestimmt hat. Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über jede Übermittlung personenbezogener Daten nach Satz 1 einen gesonderten Nachweis, aus dem der Zweck der Übermittlung, ihre Veranlassung, die Aktenfundstelle und die empfangende Stelle hervorgehen. Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Anfertigung folgt, zu vernichten. Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten nur für den Zweck weiterverarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt wurden. Sie ist auf die Verarbeitungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass sich das Landesamt für Verfassungsschutz vorbehält, Auskunft über die Verarbeitung der Daten zu verlangen. Die Übermittlung der personenbezogenen Daten ist der betroffenen Person durch das Landesamt für Verfassungsschutz mitzuteilen, sobald eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Mitteilung nicht mehr zu besorgen ist. Die Zustimmung nach Satz 1 und das Führen eines Nachweises nach Satz 2 sind nicht erforderlich, wenn personenbezogene Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz zum Zweck von Datenerhebungen an andere Stellen übermittelt werden. SS 21 Übermittlung von Informationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Behörden des Polizeivollzugsdienstes von sich aus die ihm bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von folgenden Straftaten erforderlich ist: 1. die in SS 74 a Abs. 1 und SS 120 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, 2. sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielrichtung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation anzunehmen ist, dass sie sich gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genannten Schutzgüter wenden. (2) Die Polizeibehörden dürfen zur Verhinderung von Straftaten nach Absatz 1 das Landesamt für Verfassungsschutz um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit Bei der Aufklärung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien dürfen personenbezogene Daten nur bekannt gegeben werden, wenn die Veröffentlichung - 122 - für die Aufklärung über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlich ist und das Interesse der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. SS 23 Übermittlungsverbote, Minderjährigenschutz (1) Die Übermittlung von Informationen nach den Vorschriften dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 1. die Informationen zu löschen sind, 2. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass die Informationen für die empfangende Stelle nicht erforderlich sind, 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen, insbesondere ihres Bezuges zu der engeren Persönlichkeitssphäre der betroffenen Person, und der Umstände ihrer Erhebung das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person das Interesse der Allgemeinheit an der Übermittlung überwiegt, 4. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 5. besondere Regelungen in Rechtsvorschriften, in Standesrichtlinien oder Verpflichtungen zur Wahrung besonderer Amtsgeheimnisse der Übermittlung entgegenstehen. (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger über ihr Verhalten vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder an überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. Dasselbe gilt für Informationen über Personenzusammenschlüsse, deren Mitglieder überwiegend Minderjährige sind, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. SS 24 Pflichten der empfangenden Stelle Die empfangende Stelle prüft, ob die ihr nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass dies nicht der Fall ist, so hat sie die entsprechenden Unterlagen zu vernichten und gespeicherte Daten zu löschen. Die Vernichtung und die Löschung können unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. - 123 - SS 25 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung als unvollständig oder unrichtig, so sind sie gegenüber der empfangenden Stelle unverzüglich zu ergänzen oder zu berichtigen, es sei denn, dass der Mangel für die Beurteilung des Sachverhalts offensichtlich ohne Bedeutung ist. Werden personenbezogene Daten wegen ihrer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nach ihrer Übermittlung gelöscht oder gesperrt, so ist dies der empfangenden Stelle unter Angabe der Gründe, die zu der Löschung oder Sperrung geführt haben, unverzüglich mitzuteilen. Abschnitt 5 Parlamentarische Kontrolle SS 26 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes übt unbeschadet der Rechte der Bürgerschaft und ihrer sonstigen Ausschüsse eine besondere, von der Bürgerschaft gebildete Parlamentarische Kontrollkommission aus. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende einer Wahlperiode der Bürgerschaft hinaus aus, bis die nachfolgende Bürgerschaft eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. SS 27 Zusammensetzung, Wahl der Mitglieder (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern. Die Bürgerschaft wählt sie zu Beginn jeder Wahlperiode aus ihrer Mitte. (2) Scheidet ein Mitglied oder stellvertretendes Mitglied aus der Bürgerschaft oder aus seiner Fraktion aus, verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission; es ist unverzüglich ein neues Mitglied oder stellvertretendes Mitglied zu wählen. Das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. SS 28 Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Der Senator für Inneres und Sport ist verpflichtet, die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz im Allgemeinen sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. - 124 - (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission hat das Recht, Auskünfte des Senators für Inneres und Sport einzuholen, von diesem Einsicht in Akten und andere Unterlagen sowie Zugang zu Einrichtungen des Landesamtes für Verfassungsschutz zu verlangen und Auskunftspersonen anzuhören. Sie übt diese Rechte auf Antrag mindestens eines ihrer Mitglieder aus. (3) Das Kontrollbegehren ist an den Senator für Inneres und Sport zu richten; dieser kann widersprechen, wenn es die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz gefährden würde; dies hat er vor der Parlamentarischen Kontrollkommission zu begründen. (4) Die Parlamentarische Kontrollkommission kann feststellen, dass der Unterrichtungsanspruch nicht oder nicht hinreichend erfüllt und eine weitergehende Unterrichtung erforderlich ist; hiervon kann sie der Bürgerschaft Mitteilung machen. SS 29 Geschäftsordnung, Geheimhaltung (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt eine Person, die den Vorsitz ausübt und gibt sich eine Geschäftsordnung. Diese regelt auch, unter welchen Voraussetzungen Sitzungsunterlagen und -protokolle von den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission oder ihren stellvertretenden Mitgliedern eingesehen werden können. Beschlüsse der Parlamentarischen Kontrollkommission bedürfen der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Person, die den Vorsitz ausübt. (2) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind; dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. SS 30 Eingaben Eingaben von Personen über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz sind der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Kenntnis zu geben. Abschnitt 6 Schlussvorschriften SS 31 Geltung des Bremischen Datenschutzgesetzes Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, finden die Vorschriften des Bremischen Datenschutzgesetzes Anwendung. - 125 - SS 32 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1982 (Brem.GBl. S. 91 - 12-b-1) außer Kraft. (2) SS 7, SS 8 Abs. 1 Nr. 12 und SS 9 treten mit Ablauf des 10. Januar 2007 außer Kraft. Sie sind vorher zu evaluieren. Bremen, den 28. Februar 2006 Der Senat - 126 - 2. Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Landes Bremen (Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - BremSÜG) Vom 30. Juni 1998 Inhaltsverzeichnis Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften SS 1 Anwendungsbereich und Zweck des Gesetzes SS 2 Sicherheitsempfindliche Tätigkeiten SS 3 Betroffener Personenkreis SS 4 Zuständigkeit SS 5 Verschlußsachen SS 6 Sicherheitsrisiken, sicherheitserhebliche Erkenntnisse SS 7 Rechte und Pflichten der betroffenen und der einbezogenen Person Abschnitt 2 Überprüfungsarten und Durchführungsmaßnahmen SS 8 Arten der Sicherheitsüberprüfung SS 9 Einfache Sicherheitsüberprüfung SS 10 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung SS 11 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen SS 12 Datenerhebung SS 13 Maßnahmen bei den einzelnen Überprüfungsarten Abschnitt 3 Verfahren SS 14 Sicherheitserklärung SS 15 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung SS 16 Vorläufige Zuweisung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit SS 17 Sicherheitserhebliche Erkenntnisse nach Abschluß der Sicherheitsüberprüfung SS 18 Ergänzung der Sicherheitserklärung und Wiederholungsüberprüfung Abschnitt 4 Akten über die Sicherheitsüberprüfung; Datenverarbeitung SS 19 Sicherheitsakte und Sicherheitsüberprüfungsakte SS 20 Aufbewahrung und Vernichtung der Unterlagen SS 21 Speichern, Verändern und Nutzen personenbezogener Daten in Dateien SS 22 Übermittlung und Zweckbindung SS 23 Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten SS 24 Auskunft, Akteneinsicht - 127 - Abschnitt 5 Sonderregelungen bei Sicherheitsüberprüfungen für nichtöffentliche Stellen SS 25 Anwendungsbereich SS 26 Zuständigkeit SS 27 Sicherheitserklärung SS 28 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung, Weitergabe sicherheitserheblicher Erkenntnisse SS 29 Aktualisierung der Sicherheitserklärung SS 30 Übermittlung von Informationen über persönliche und arbeitsrechtliche Verhältnisse SS 31 Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle SS 32 Datenverarbeitung, -nutzung und -berichtigung in automatisierten Dateien Abschnitt 6 Reisebeschränkungen und Schlußvorschriften SS 33 Reisebeschränkungen SS 34 Allgemeine Verwaltungsvorschriften SS 35 Inkrafttreten Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften SS1 Anwendungsbereich und Zweck des Gesetzes (1) Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Überprüfung einer Person, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (Sicherheitsüberprüfung) oder bereits betraut worden ist (Wiederholungsüberprüfung). (2) Zweck der Überprüfung ist es, im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse vor dem Zugang von Personen zu schützen, bei denen ein Sicherheitsrisiko vorliegt (personeller Geheimschutz). (3) Dieses Gesetz gilt für Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Landes, der Gemeinden und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Es gilt zudem für politische Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes, soweit sie ihren Sitz im Land haben oder es sich um eine auf das Land beschränkte Untergliederung von Parteien handelt. Für nicht-öffentliche Stellen gilt dieses Gesetz nach Maßgabe des Abschnitts 5. - 128 - SS2 Sicherheitsempfindliche Tätigkeiten Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt aus, wer 1. Zugang zu Verschlußsachen hat oder ihn sich verschaffen kann, die STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VS-VERTRAULICH eingestuft sind, 2. Zugang zu Verschlußsachen ausländischer, überoder zwischenstaatlicher Stellen hat oder ihn sich verschaffen kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland, die Freie Hansestadt Bremen oder ein anderes Land verpflichtet ist, nur sicherheitsüberprüfte Personen hierzu zuzulassen, 3. in einer in SS 1 Abs. 3 Satz 1 genannten Stelle oder in einem Teil von ihr tätig ist, die aufgrund des Umfangs und der Bedeutung dort anfallender Verschlußsachen von der jeweils zuständigen obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Senator für Inneres zum Sicherheitsbereich erklärt worden ist. SS3 Betroffener Personenkreis (1) Eine Person, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (betroffene Person), ist vorher einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit darf erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres übertragen werden. Auf eine Sicherheitsüberprüfung nach diesem Gesetz kann verzichtet werden, wenn für die betroffene Person vor weniger als fünf Jahren eine gleichoder höherwertige Sicherheitsüberprüfung durchgeführt worden ist und die Unterlagen verfügbar sind. (2) Wer mit der betroffenen Person verheiratet ist oder mit ihr in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft lebt (Lebenspartnerin oder Lebenspartner) und volljährig ist, soll in die Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 10 und 11 einbezogen werden (einbezogene Person). Über Ausnahmen entscheidet die zuständige Stelle. Geht die betroffene Person die Ehe, die eheähnliche oder gleichgeschlechtliche Gemeinschaft während oder erst nach erfolgter Sicherheitsüberprüfung ein, so ist die zuständige Stelle zu unterrichten, um sie in die Lage zu versetzen, die Einbeziehung der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners in die Sicherheitsüberprüfung nachzuholen. Das gleiche gilt bei später eintretender Volljährigkeit der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners. (3) Dieses Gesetz gilt nicht für: 1. die Mitglieder der Bürgerschaft (Landtag) und des Senats, - 129 - 2. Richterinnen und Richter, soweit sie Aufgaben der Rechtsprechung wahrnehmen, 3. ausländische Staatsangehörige, die in der Bundesrepublik Deutschland im Interesse überoder zwischenstaatlicher Stellen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach SS 2 Nr. 2 ausüben sollen. SS4 Zuständigkeit (1) Zuständige Stelle für die Sicherheitsüberprüfung ist 1. diejenige in SS 1 Abs., 3 Satz 1 genannten Stelle, die einer Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zuweisen, übertragen oder sie dazu ermächtigen will, es sei denn, die jeweilige oberste Landesbehörde übernimmt die Aufgaben der zuständigen Stelle, 2. bei politischen Parteien nach Artikel 21 des Grundgesetzes sowie deren Stiftungen die Partei selbst. (2) Die Aufgaben der zuständigen Stelle nach diesem Gesetz sind von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit wahrzunehmen. (3) Mitwirkende Behörde bei der Sicherheitsüberprüfung ist das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Bremen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz führt Sicherheitsüberprüfungen für Bewerberinnen und Bewerber sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des eigenen Dienstes nach den Vorschriften dieses Gesetzes selbst durch. SS5 Verschlußsachen (1) Verschlußsachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. Sie werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung eingestuft. (2) Eine Verschlußsache ist 1. STRENG GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann, - 130 - 2. GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann, 3. VS-VERTRAULICH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann, 4. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. SS6 Sicherheitsrisiken, sicherheitserhebliche Erkenntnisse (1) Ein Sicherheitsrisiko im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen, 2. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsund Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpreßbarkeit, begründen oder 3. erhebliche Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Ein Sicherheitsrisiko kann auch aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Person der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners vorliegen. (2) Eine Erkenntnis ist sicherheitserheblich, wenn sich aus ihr ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt. SS7 Rechte und Pflichten der betroffenen oder der einbezogenen Person (1) Die betroffene Person ist über den Zweck und die Art der beabsichtigten Sicherheitsüberprüfung von der zuständigen Stelle zu unterrichten. Wird eine Sicherheitsüberprüfung der nächsthöheren Art notwendig, so ist auch für diese eine entsprechende Unterrichtung erforderlich. (2) Die Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9, 10 oder 11 bedarf der Zustimmung der betroffenen Person. Besteht für die betroffene Person eine - 131 - dienstoder arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Pflicht, die Zustimmung zu erteilen, so ist sie darauf hinzuweisen. (3) Hat die betroffene Person in die Sicherheitsüberprüfung eingewilligt, so ist sie verpflichtet, die zur Sicherheitsüberprüfung erforderlichen Angaben vollständig und wahrheitsgemäß zu machen. Sie kann Angaben verweigern, die für sie, einen nahen Angehörigen im Sinne von SS 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung oder die Lebenspartnern oder den Lebenspartner die Gefahr strafoder disziplinarrechtlicher Verfolgung, der Entlassung oder Kündigung begründen könnten. Über das Verweigerungsrecht ist die betroffene Person zu belehren. (4) Sind zur Ehefrau oder zum Ehemann, zur Lebenspartnern oder zum Lebenspartner Angaben zu erheben oder sollen sie in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden, gelten die Absätze 1 bis 3 mit Ausnahme von Absatz 2 Satz 2 entsprechend. (5) Vor Ablehnung der Zulassung zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ist der betroffenen Person Gelegenheit zu geben, sich persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die betroffene Person kann zur Anhörung mit einem Rechtsbeistand erscheinen. Die Anhörung erfolgt in einer Weise, die den Quellenschutz gewährleistet und den schutzwürdigen Interessen von Personen, die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung befragt wurden, Rechnung trägt. Sie unterbleibt, wenn sie einen erheblichen Nachteil für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zur Folge hätte, insbesondere bei Sicherheitsüberprüfungen der Bewerberinnen und Bewerber beim Landesamt für Verfassungsschutz. (6) Liegen in der Person der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners Anhaltspunkte vor, die ein Sicherheitsrisiko begründen, ist ihnen Gelegenheit zu geben, sich vor der Ablehnung der Zulassung der betroffenen Person zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Absatz 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. (7) Die Absätze 5 und 6 sind auch im Falle der Ablehnung einer Weiterbeschäftigung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit anzuwenden. Abschnitt 2 Überprüfungsarten und Durchführungsmaßnahmen SS8 Arten der Sicherheitsüberprüfung (1) Entsprechend der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit wird entweder eine 1. einfache Sicherheitsüberprüfung, 2. erweiterte Sicherheitsüberprüfung oder - 132 - 3. erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen durchgeführt. (2) Ergeben sich bei der Sicherheitsüberprüfung sicherheitserhebliche Erkenntnisse, die nur durch Maßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung geklärt werden können, kann die zuständige Stelle die nächsthöhere Art der Sicherheitsüberprüfung anordnen. SS 13 Abs. 6 bleibt unberührt. SS9 Einfache Sicherheitsüberprüfung (1) Die einfache Sicherheitsüberprüfung ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Tätigkeiten in Bereichen nach SS 2 Nr. 3 wahrnehmen sollen. (2) In den Fällen von Absatz 1 Nr. 2 kann die zuständige Stelle von der Sicherheitsüberprüfung absehen, wenn Art oder Dauer der Tätigkeit dies zulassen. SS 10 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Zugang zu einer hohen Anzahl VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 9 für ausreichend hält. SS 11 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen ist für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu STRENG GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, - 133 - 2. Zugang zu einer hohen Anzahl GEHEIM eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 3. beim Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden sollen oder sind, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 9 oder 10 für ausreichend hält. SS 12 Datenerhebung (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde dürfen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlichen Daten erheben. Soweit Referenzund Auskunftspersonen sowie nicht-öffentliche Stellen befragt werden sollen, sind diese auf den Zweck der Erhebung und die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 4 Abs. 4 genannten Personen kann die Angabe der erhebenden Stelle gegenüber den sonstigen zu befragenden Personen oder nicht-öffentlichen Stellen unterbleiben, wenn dies zum Schutz der betroffenen Person oder des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. (2) Die zuständige Stelle erhebt die personenbezogenen Daten bei der betroffenen oder der einbezogenen Person. Reicht diese Erhebung nicht aus oder stehen ihr schutzwürdige Interessen der betroffenen oder der einbezogenen Person entgegen, können andere geeignete Personen oder Stellen befragt werden. SS 13 Maßnahmen bei den einzelnen Überprüfungsarten (1) Die mitwirkende Behörde wird nur auf Antrag der zuständigen Stelle tätig. (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 9 trifft die mitwirkende Behörde folgende Maßnahmen: 1. sicherheitsmäßige Bewertung der Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, 2. Einholung einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister, 3. Anfragen unter Beteiligung der Landeskriminalämter an die Polizeidienststellen der Wohnsitze der betroffenen Person, in der Regel beschränkt auf die letzten fünf Jahre. (3) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 trifft die mitwirkende Behörde zusätzlich folgende Maßnahmen: - 134 - 1. Prüfung der Identität der betroffenen Person, 2. Anfragen an das Bundeskriminalamt, die Grenzschutzdirektion und Nachrichtendienste des Bundes. Absatz 2 und Satz 1 finden auf die einbezogene Person entsprechende Anwendung. (4) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 11 befragt die mitwirkende Behörde zusätzlich von der betroffenen Person in ihrer Sicherheitserklärung angegebene Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen, um zu prüfen, ob die Angaben der betroffenen Person zutreffen und ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein Sicherheitsrisiko schließen lassen. (5) Die zuständige Stelle fragt zur Feststellung einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit der betroffenen oder der einbezogenen Person für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik an, wenn die betroffene oder die einbezogene Person vor dem 1. Januar 1970 geboren wurde und in dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wohnhaft war oder Anhaltspunkte für eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorliegen. Ergibt die Anfrage sicherheitserhebliche Erkenntnisse, übermittelt die zuständige Stelle diese zur Bewertung an die mitwirkende Behörde. (6) Soweit es eine sicherheitserhebliche Erkenntnis erfordert und die Befragung der betroffenen oder der einbezogenen Person nicht ausreicht oder ihr schutzwürdige Interessen entgegenstehen, kann die mitwirkende Behörde neben den Maßnahmen nach den Absätzen 2 bis 4 weitere geeignete Auskunftspersonen oder andere geeignete Stellen, insbesondere Staatsanwaltschalten oder Gerichte, befragen oder Einzelmaßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung durchführen. Abschnitt 3 Verfahren SS 14 Sicherheitserklärung (1) In der Sicherheitserklärung sind von der betroffenen Person anzugeben: 1. Namen, auch frühere, Vornamen, 2. Geburtsdatum, -ort, 3. Staatsangehörigkeit, auch frühere und doppelte Staatsangehörigkeiten, 4. Familienstand - 135 - 5. Wohnsitze und Aufenthalte von längerer Dauer als zwei Monate, und zwar im Inland in den vergangenen fünf Jahren, im Ausland ab dem 18. Lebensjahr, 6. ausgeübter Beruf, 7. Arbeitgeber und dessen Anschrift, 8. Anzahl der Kinder, 9. im Haushalt lebende Personen über 18 Jahre (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Verhältnis zu dieser Person), 10. Eltern, Stiefoder Pflegeeltern (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz), 11. Ausbildungsund Beschäftigungszeiten, Wehroder Zivildienstzeiten mit Angabe der Ausbildungsstätten, Beschäftigungsstellen sowie deren Anschriften, 12. Nummer des Personalausweises oder Reisepasses, 13. Angaben über in den vergangenen fünf Jahren durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, und ob zur Zeit die finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden können, 14. Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die auf einen Anbahnungsund Werbungsversuch hindeuten können, 15. Beziehungen zu verlassungsfeindlichen Organisationen, 16. anhängige Strafund Disziplinarverfahren, 17. Angaben zu Wohnsitzen, Aufenthalten, Reisen, nahen Angehörigen und sonstigen Beziehungen in und zu Staaten, in denen nach Feststellung des Senators für Inneres besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befaßten Personen zu besorgen sind, 18. zwei Auskunftspersonen zur Identitätsprüfung der betroffenen Person nur bei der Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 10 und 11 (Namen, Vornamen, Anschrift, Rufnummer und Verhältnis zur Person), - 136 - 19. drei Referenzpersonen nur bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 11 (Namen, Vornamen, Beruf, berufliche und private Anschrift und Rufnummern sowie zeitlicher Beginn der Bekanntschaft), 20. Angaben zu früheren Sicherheitsüberprüfungen. Der Erklärung sind zwei aktuelle Lichtbilder mit der Angabe des Jahres der Aufnahme beizufügen. (2) Bei der Sicherheilsüberprüfung nach SS 9 entfallen die Angaben zu Absatz 1 Nrn. 8, 11 und 12 sowie die Pflicht, Lichtbilder beizubringen; Absatz 1 Nr. 10 entfällt, soweit die dort genannten Personen nicht in einem Haushalt mit der betroffenen Person leben. 2m Person der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnern oder des Lebenspartners sind die in Absatz 1 Nm. 1 bis 4, 14 und 15 genannten Daten anzugeben. Ergeben sich aus der Sicherheitserklärung oder aufgrund der Abfrage aus einer der in SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes genannten Verbunddateien sicherheitserhebliche Erkenntnisse über die Ehefrau oder den Ehemann, die Lebenspartnern oder den Lebenspartner der betroffenen Person, sind weitere Überprüfungsmaßnahmen nur zulässig, wenn die Ehefrau oder der Ehemann, die Lebenspartnern oder der Lebenspartner gemäß SS 3 Abs. 2 in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen wird. (3) Wird die Ehefrau oder der Ehemann, die Lebenspartnern oder der Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, so sind zusätzlich die in Absatz 1 Nrn. 5 bis 7,12,13, 16, 17 und 18 genannten Daten anzugeben. (4) Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 4 Abs. 4 genannten Personen sind zusätzlich die Wohnsitze seit der Geburt, die Geschwister und abgeschlossene Strafund Disziplinarverfahren sowie alle Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik anzugeben. (5) Die Sicherheitserklärung ist von der betroffenen Person der zuständigen Stelle zuzuleiten. Sie prüft die Angaben auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit. Zu diesem Zweck können die Personalakten eingesehen werden. Die zuständige Stelle leitet die Sicherheitserklärung an die mitwirkende Behörde weiter und beauftragt diese, eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen, es sei denn, die zuständige Stelle hat bereits bei der Prüfung der Sicherheitserklärung festgestellt, daß ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Die mitwirkende Behörde kann mit Zustimmung der zuständigen Stelle und der betroffenen Person in die Personalakte Einsicht nehmen, wenn dies zur Klärung oder Beurteilung sicherheitserheblicher Erkenntnisse unerläßlich ist. SS 15 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung (1) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, daß kein Sicherheitsrisiko vorliegt, so teilt sie dies der zuständigen Stelle mit. Fallen - 137 - Erkenntnisse an, die kein Sicherheitsrisiko begründen, aber weiterhin sicherheitserheblich sind, so werden diese mitgeteilt. (2) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, daß ein Sicherheitsrisiko vorliegt, unterrichtet sie schriftlich unter Darlegung der Gründe und ihrer Bewertung die zuständige Stelle. Bei nachgeordneten Stellen erfolgt die Unterrichtung über deren oberste Landesbehörde. (3) Die zuständige Stelle entscheidet, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Im Zweifel hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen. (4) liegt ein Sicherheitsrisiko vor, hat die zuständige Stelle die Betrauung mit der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit abzulehnen und dies der betroffenen Person mitzuteilen. SS 16 Vorläufige Zuweisung einer Sicherheitsempfindlichen Tätigkeit Die zuständige Stelle kann in Ausnahmefällen abweichend von SS 3 Abs. 1 die sicherheitsempfindliche Tätigkeit der betroffenen Person vor Abschluß der Sicherheitsüberprüfung erlauben, wenn die mitwirkende Behörde 1. bei der einfachen Sicherheitsüberprüfung die Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der eigenen Erkenntnisse bewertet hat oder 2. bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung und bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen die Maßnahmen der nächst niederen Art der Sicherheitsüberprüfung abgeschlossen hat und sich daraus keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben haben. SS 17 Sicherheitserhebliche Erkenntnisse nach Abschluß der Sicherheitsüberprüfung (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben sich unverzüglich gegenseitig zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über die betroffene oder die einbezogene Person bekannt werden oder sich mitgeteilte Erkenntnisse als unrichtig erweisen. (2) Die mitwirkende Behörde prüft die sicherheitserheblichen Erkenntnisse, stellt fest, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, und unterrichtet die zuständige Stelle über das Ergebnis der Prüfung. Im übrigen ist SS 15 Abs. 2 bis 4 entsprechend anzuwenden. - 138 - SS 18 Ergänzung der Sicherheitserklärung und Wiederholungsüberprüfung (1) Die Sicherheitserklärung ist der betroffenen Person, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, in der Regel alle fünf Jahre erneut zur Abfrage von Veränderungen zuzuleiten. Unabhängig hiervon hat die betroffene Person der zuständigen Stelle von sich aus Änderungen von Familienstand, Namen, Wohnsitz und Staatsangehörigkeit mitzuteilen. (2) Die zuständige Stelle kann eine Wiederholungsüberprüfung einleiten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse anfallen. Bei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 11 ist in der Regel im Abstand von zehn Jahren eine Wiederholungsüberprüfung einzuleiten. Auf die Wiederholungsüberprüfung finden die Vorschriften über die Erstüberprüfung Anwendung. Sie Ist jedoch nur soweit durchzuführen, wie der Überprüfungszweck dies erfordert. Abschnitt 4 Akten über die Sicherheitsüberprüfung; Datenverarbeitung SS 19 Sicherheitsakte und Sicherheitsüberprüfungsakte (1) Die zuständige Stelle führt über die betroffene Person eine Sicherheitsakte, in die alle die Sicherheitsüberprüfung betreffenden Informationen aufzunehmen sind. (2) Informationen über die persönlichen, dienstlichen und arbeitsrechtlichen Verhältnisse der Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit befaßt sind, sind zur Sicherheitsakte zu nehmen, soweit sie für die sicherheitsmäßige Beurteilung erheblich sind. Dazu zählen insbesondere: 1. Zuweisung, Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, die dazu erteilte Ermächtigung sowie deren Änderungen und Beendigung, 2. Umsetzung, Abordnung, Versetzung und Ausscheiden, 3. Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit, 4. Anhaltspunkte für Überschuldung, insbesondere Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse, 5. Anhaltspunkte für geistige oder seelische Störungen sowie für Alkohol-, Drogenoder Tablettenmißbrauch, 6. Strafund Disziplinarsachen sowie dienstund arbeitsrechtliche Maßnahmen. - 139 - (3) Die Sicherheitsakte Ist keine Personalakte. Sie ist gesondert zu führen und darf weder der personalverwaltenden Stelle noch der betroffenen Person zugänglich gemacht werden. SS 24 bleibt unberührt. Im Falle des Wechsels der Dienststelle oder des Dienstherrn ist die Sicherheitsakte nach dorthin abzugeben, wenn auch dort eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt werden soll. (4) Die mitwirkende Behörde führt über die betroffene Person eine Sicherheitsüberprüfungsakte, in die aufzunehmen sind: 1. Informationen, die die Sicherheitsüberprüfung, die durchgeführten Maßnahmen und das Ergebnis betreffen, 2. das Ausscheiden aus oder die Nichtaufnahme der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, 3. Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit. Die in Absatz 2 Nrn. 4 bis 6 genannten Daten sind zur Sicherheitsüberprüfungsakte zu nehmen, wenn sie sicherheitserheblich sind. (5) Die zuständige Stelle ist verpflichtet, die in Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 genannten Daten unverzüglich der mitwirkenden Behörde zu übermitteln. Die Übermittlung der in Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 genannten Daten erfolgt nach den in SS 23 Abs. 2 Nr. 1 festgelegten Fristen. SS 20 Aufbewahrung und Vernichtung der Unterlagen (1) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung sind gesondert aufzubewahren und gegen unbefugten Zugriff zu schützen. (2) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung sind bei der zuständigen Stelle innerhalb eines Jahres zu vernichten, wenn die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Aufbewahrung ein. Im übrigen sind die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung bei der zuständigen Stelle fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu vernichten, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Aufbewahrung ein oder es ist beabsichtigt, die betroffene Person in absehbarer Zeit erneut mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu betrauen. Die Aufbewahrungszeit soll insgesamt 10 Jahre nicht überschreiten, sofern die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufgenommen hat. (3) Die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung bei der mitwirkenden Behörde sind nach den in SS 23 Abs. 2 Nr. 2 genannten Fristen zu vernichten. Gleiches gilt bezüglich der Unterlagen zu den in SS 4 Abs. 4 genannten Personen. - 140 - SS 21 Speichern, Verändern und Nutzen personenbezogener Daten in Dateien (1) Die zuständige Stelle darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz 1. die in SS 14 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 genannten personenbezogenen Daten, ihre Aktenfundstelle und die der mitwirkenden Behörde, 2. die Beschäftigungsstelle, 3. Verfügung zur Bearbeitung des Vorganges sowie 4. beteiligte Behörden in Dateien speichern, verändern und nutzen. (2) Die mitwirkende Behörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben 1. die in SS 14 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 genannten personenbezogenen Daten der betroffenen und der einbezogenen Person und die Aktenfundstelle, 2. Verfügungen zur Bearbeitung des Vorgangs sowie 3. sicherheitserhebliche Erkenntnisse und Erkenntnisse, die ein Sicherheitsrisiko begründen, in Dateien speichern, verändern und nutzen. Die Daten nach Nummer 1 dürfen auch in den nach SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässigen Verbunddateien gespeichert werden. SS 22 Übermittlung und Zweckbindung (1) Die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen von der zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde nur für 1. die mit der Sicherheitsüberprüfung verfolgten Zwecke, 2. Zwecke der Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, 3. Zwecke parlamentarischer Untersuchungsausschüsse genutzt und übermittelt werden. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen die ihnen nach Satz 1 Nr. 2 übermittelten Daten für Zwecke eines Strafverfahrens nur verwenden, wenn die Strafverfolgung auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Die zuständige Stelle - 141 - darf die gespeicherten personenbezogenen Daten darüber hinaus für Zwecke der disziplinarrechtlichen Verfolgung sowie dienstoder arbeitsrechtlicher Maßnahmen nutzen und übermitteln, wenn dies zur Gewährleistung des Verschlußsachenschutzes erforderlich ist. Die mitwirkende Behörde darf die gespeicherten personenbezogenen Daten im Rahmen des erforderlichen Umfangs nutzen und übermitteln zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten oder zur Aufklärung sonstiger Bestrebungen von erheblicher Bedeutung. (2) Die Übermittlung der nach SS 21 in Dateien gespeicherten Daten ist nur zulässig, soweit sie für die Erfüllung der in Absatz 1 genannten Zwecke erforderlich ist. Die nach SS 21 Abs. 2 Nr. 1 gespeicherten Daten dürfen zur Erfüllung aller Zwecke des Verfassungsschutzes genutzt und übermittelt werden. (3) Die mitwirkende Behörde darf personenbezogene Daten nach den Absätzen 1 und 2 nur an öffentliche Stellen übermitteln, (4) Die Nutzung oder Übermittlung unterbleibt, soweit gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. (5) Die Empfangsstellen dürfen die übermittelten Daten nur für Zwecke verarbeiten und nutzen, zu dessen Erfüllung sie ihnen übermittelt werden. Eine nicht-öffentliche Stelle ist darauf hinzuweisen. SS 23 Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Wird festgestellt, daß personenbezogene Daten unrichtig sind oder wird ihre Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten, so ist dies, soweit sich die personenbezogenen Daten in Akten befinden, dort zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. Zuständige Stelle und mitwirkende Behörde haben sich jeweils gegenseitig zu unterrichten. (2) In Dateien gespeicherte personenbezogene Daten sind zu löschen 1. von der zuständigen Stelle a) innerhalb eines Jahres, wenn die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Speicherung ein, b) nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden der betroffenen Person aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, es sei denn, die betroffene Person willigt in die weitere Speicherung ein oder es ist beabsichtigt, die betroffene Person in absehbarer Zeit mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu betrauen. - 142 - Die Speicherung soll insgesamt zehn Jahre nicht überschreiten, sofern die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufgenommen hat. 2. von der mitwirkenden Behörde a) bei einfachen Sicherheitsüberprüfungen nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden der betroffenen Person aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, b) bei den übrigen Überprüfungsakten nach Ablauf von zehn Jahren, c) die nach SS 21 Abs. 2 Nr. 3 gespeicherten Daten, wenn feststeht, daß die betroffene Person keine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aufnimmt oder aus ihr ausgeschieden ist. Im übrigen sind in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. (3) Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person verarbeitet und genutzt werden. SS 24 Auskunft, Akteneinsicht (1) Auf Antrag ist von der zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde unentgeltlich Auskunft zu erteilen, welche Daten über die anfragende Person im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeichert wurden. (2) Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfangsstellen von Übermittlungen. Bezieht sich die Auskunftserteilung auf die Übermittlung personenbezogener Daten an die mitwirkende Behörde, ist sie nur mit deren Zustimmung zulässig; entsprechendes gilt für die Auskunftserteilung durch die zuständige Stelle hinsichtlich solcher Daten, die ihr von der mitwirkenden Behörde übermittelt wurden. (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde, 2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 3. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen - 143 - und deswegen das Interesse des Anfragenden an der Auskunftserteilung zurücktreten muß. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall sind die Gründe der Auskunftsverweigerung aktenkundig zu machen. Die anfragende Person ist auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß sie sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. (5) Wird der anfragenden Person keine Auskunft erteilt, so ist sie auf ihr Verlangen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu erteilen. Soweit der jeweils zuständige Senator im Einzelfall feststellt, daß die Sicherheit des Bundes oder eines Landes es gebietet, ist Auskunft nur dem Landesbeauftragten selbst oder seinem Vertreter nach SS 24 Abs. 2 BrDSG zu gewähren. Die Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der speichernden Stelle zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. (6) Die zuständige Stelle gewährt der anfragenden Person Einsicht in die Sicherheitsakte, soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen nicht ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist. Die Regelung der Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend. Abschnitt 5 Sonderregelungen bei Sicherheitsüberprüfungen für nicht-öffentliche Stellen SS 25 Anwendungsbereich Bei Sicherheitsüberprüfungen von betroffenen Personen, die von der zuständigen Stelle zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bei einer nichtöffentlichen Stelle ermächtigt werden sollen, gelten folgende Sonderregelungen. SS 26 Zuständigkeit Die Aufgaben der zuständigen Stelle werden wahrgenommen von derjenigen In SS 1 Abs. 3 Satz 1 genannten Stelle, die eine Verschlußsache an eine nicht-öffentliche Stelle weitergeben will, es sei denn, die jeweilige oberste Landesbehörde übernimmt die Aufgaben der zuständigen Stelle. - 144 - SS 27 Sicherheitserklärung Die betroffene Person leitet ihre Sicherheitserklärung der zuständigen Stelle zu. Außerdem legt sie der nicht-öffentlichen Stelle, in der sie beschäftigt ist, ihre Angaben zu SS 14 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 7 vor. Die nicht-öffentliche Stelle prüft die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben und darf, soweit dies erforderlich ist, die Personalunterlagen beiziehen. Sie gibt die Angaben nach Überprüfung an die zuständige Stelle weiter und teilt dieser vorhandene sicherheitserhebliche Erkenntnisse mit. Im Falle der Einbeziehung der Ehefrau oder des Ehemannes, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners fügt die betroffene Person deren Zustimmung bei. SS 28 Abschluß der Sicherheitsüberprüfung, Weitergabe sicherheitserheblicher Erkenntnisse Die zuständige Stelle unterrichtet die nicht-öffentliche Stelle nur darüber, daß die betroffene Person zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ermächtigt oder nicht ermächtigt werden kann. Erkenntnisse, die die Ablehnung der Ermächtigung zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betreffen, dürfen nicht mitgeteilt werden. Zur Gewährleistung des Geheimschutzes können sicherheitserhebliche Erkenntnisse an die nicht-öffentliche Stelle übermittelt werden und dürfen von ihr ausschließlich zu diesem Zweck genutzt werden. Die nicht-öffentliche Stelle hat die zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über die betroffene oder die einbezogene Person bekannt werden. SS 29 Aktualisierung der Sicherheitserklärung (1) Die nicht-öffentliche Stelle leitet der betroffenen Person, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, auf Anforderung der zuständigen Stelle die Sicherheitserklärung in der Regel alle fünf Jahre erneut zu. Unabhängig hiervon hat die betroffene Person der zuständigen Stelle von sich aus Änderungen von Familienstand, Namen, Wohnsitz und Staatsangehörigkeit mitzuteilen. (2) Die betroffene Person hat die in der Sicherheitserklärung angegebenen Daten im Falle eingetretener Veränderungen zu ergänzen. Die zuständige Stelle beauftragt die mitwirkende Behörde, die Maßnahmen nach SS 13 Abs. 2 Nrn. 2 und 3, Abs. 3 Nr. 1 erneut durchzuführen und zu bewerten. - 145 - SS 30 Übermittlung von Informationen über persönliche und arbeitsrechtliche Verhältnisse Die nicht-öffentliche Stelle hat der zuständigen Stelle das Ausscheiden aus sicherheitsempfindlicher Tätigkeit, Änderungen des Familienstandes, des Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit unverzüglich mitzuteilen. SS 31 Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle Für die Sicherheitsakte in der nicht -öffentlichen Stelle gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über die Sicherheitsakte entsprechend mit der Maßgabe, daß die Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht abgegeben wird. SS 32 Datenverarbeitung, -nutzung und -berichtigung in automatisierten Dateien Die nicht-öffentliche Stelle darf die nach diesem Gesetz zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten der betroffenen Person in automatisierten Dateien speichern, verändern und nutzen. Die für die zuständige Stelle geltenden Vorschriften zur Berichtigung, Löschung und Sperrung finden Anwendung. Abschnitt 6 Reisebeschränkungen und Schlußvorschriften SS 33 Reisebeschränkungen (1) Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben, die eine Sicherheitsüberprüfung nach den SSSS 10 und 11 erfordert, können verpflichtet werden, Dienstund Privatreisen in und durch Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten, der zuständigen Stelle oder der nichtöffentlichen Stelle rechtzeitig vorher anzuzeigen. Die Verpflichtung kann auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit angeordnet werden. (2) Die Reise kann von der zuständigen Stelle untersagt werden, wenn Anhaltspunkte zur Person oder eine besonders sicherheitsempfindliche Tätigkeit vorliegen, die eine erhebliche Gefährdung durch fremde Nachrichtendienste erwarten lassen. (3) Ergeben sich bei einer Reise in und durch Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten, Anhaltspunkte, die auf einen Anbahnungs- - 146 - und Werbungsversuch fremder Nachrichtendienste hindeuten können, so ist die zuständige Stelle nach Abschluß der Reise unverzüglich zu unterrichten. SS 34 Allgemeine Verwaltungsvorschriften Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes erläßt der Senator für Inneres. SS 35 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Bremen, den 30. Juni 1998 Der Senat - 147 - Anhang Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender extremistischer Motivation Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation insgesamt17 2003 73 2004 86 2005 121 2006 138 Davon Propagandadelikte 2003 48 2004 48 2005 72 2006 95 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Motivation 2003 36 2004 18 2005 44 2006 80 Straftaten im Zusammenhang mit erwiesener oder zu vermutender politisch motivierter Ausländerkriminalität 2003 63 2004 30 2005 14 2006 40 17 Zur Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen Erfassung und Bewertung politisch motivierter Straftaten wurde ein neues Definitionsund Erfassungssystem erarbeitet, dass mit Wirkung vom 01.01.2001 eingeführt wurde. Seit Einführung des neuen Definitionsund Erfassungssystems werden rechtsextremistische Straftaten und Propagandadelikte nach kriminalistischen Aspekten erfasst.