Der Senator Freie für Inneres und Sport Hansestadt Bremen VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2005 -2Herausgeber: Senator für Inneres und Sport Contrescarpe 22 - 24, 28203 Bremen www.bremen.de/innensenator Bremen, im Juni 2006 -3Vorwort Dieser Verfassungsschutzbericht soll zur Information interessierter Bürgerinnen und Bürger über die politischen Ziele und Aktivitäten extremistischer Gruppierungen dienen, aber auch andere Gefahren darstellen, die zum Beispiel durch Spionage ausländischer Nachrichtendienste drohen. Unseren demokratischen Rechtsstaat zu schützen ist aber nicht nur die Aufgabe staatlicher Behörden - jeder einzelne Bürger ist bei der geistig-politischen Auseinandersetzung mit den Gegnern der Demokratie gefordert! Im März 2006 ist die Novelle des Bremischen Verfassungsschutzgesetzes in Kraft getreten, um politischen Extremismus konsequenter bekämpfen zu können. Die Neufassung trägt der erforderlichen Anpassung an Bundesgesetze (Bundesverfassungsschutzgesetz sowie Terrorismusbekämpfungsgesetz) sowie den Bestimmungen des Datenschutzes Rechnung. Der Verfassungsschutz erhält künftig besondere Befugnisse, um sich über mutmaßlich verfassungsfeindlich agierende Personen beispielsweise bei Banken, Fluggesellschaften, Post und Telekommunikationsunternehmen über Kontound Reisebewegungen oder HandyGesprächsdaten zu erkundigen. Außerdem wird die Überwachung der Wohnung mit technischen Mitteln erlaubt, dabei wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 2004 berücksichtigt. -4Der islamistisch motivierte Extremismus und Terrorismus stellt nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden in Bremen, in Deutschland und in der Welt dar. Auch wenn die Bedrohungslage gegenwärtig eher abstrakt ist, sind wir uns stets bewusst: Das Bundesland Bremen ist kein "weißer Fleck" auf der Landkarte des internationalen Terrorismus und Extremismus. Ein Beispiel ist das gegen den Imam einer Bremer Moschee wegen fortdauernder Hasspredigten unter anderem auf der Grundlage der vom LfV gesammelten und ausgewerteten Erkenntnisse eingeleitete ausländerrechtliche Verfahren. Wir können den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus nur gewinnen, wenn wir die politische Auseinandersetzung mit islamistischen und fundamentalistischen Ideologien aufnehmen und erfolgreich führen. Der Dialog unterschiedlicher Kulturen und Religionen, der insbesondere in Bremen seit Jahren intensiv gepflegt wird, muss auf dem Wertefundament unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. Es wäre das Gegenteil von Integration, wenn dieser interkulturelle Dialog auf der Verharmlosung von Extremisten fußt. Daneben fordert die jüngste Entwicklung des Rechtsextremismus unsere volle Aufmerksamkeit. Das Bremer LfV wird die Gefahren des Rechtsextremismus auch künftig weder verharmlosen noch überbewerten, sondern bewahrt einen realistischen Blick. Bislang erlangten Neonazis im Land Bremen eine kaum nennenswerte Bedeutung. Damit dies so bleibt, gilt es wachsam zu sein - beispielsweise dann, wenn rechtsextremistische Gruppen versuchen, ausländerfeindliche oder antisemitische Propaganda zu verbreiten. Insbesondere müssen wir unsere Kinder und Jugendlichen vor den Einflüssen sog. Skinheadund Rechtsrock-Musik schützen. In diesem Zusammenhang ist die gezielten Beschlagnahmeaktion in einer Bremer Privatwohnung mit über 300 Compactdiscs des Titels "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" im August 2005 hervorzuheben. Der spektakuläre Fund unterstreicht, dass die rechtsextremistische Szene auch im Land Bremen verstärkt versucht, Jugendliche mit Musik als Einstiegsdroge dauerhaft zu ködern. Die Beschlagnahmeaktion hat gezeigt, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz, aber auch Schulen und Jugendeinrichtungen, bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sensibilisiert sind. -5Es darf auch im Zusammenhang mit einzelnen spektakulären Themen nicht aus den Augen verloren werden, dass alle Extremismusbereiche mit den gebotenen und zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden müssen. Auch von Linksextremisten gehen nach wie vor Gefahren für den Staat oder die Freiheit seiner Bürgerinnen und Bürger aus. So versuchen Linksextremisten und sog. Autonome immer wieder, Gewalt als Mittel der Politik einzusetzen, oder mit ihrer Agitation das öffentliche Meinungsbild zu beeinflussen. Zu beobachten ist hierbei, dass die Aktivität aus dem linksextremistischen Spektrum in der Öffentlichkeit leider nicht auf die gleiche Ablehnung stößt wie rechtsextreme Umtriebe. Dieser Jahresbericht stellt wie stets einen Ausschnitt aus der Arbeit des LfV dar; aus vielerlei Gründen können nicht alle Erkenntnisse und Beobachtungsobjekte dargestellt werden. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden im Lande Bremen, insbesondere des Landesamtes für Verfassungsschutz und des polizeilichen Staatsschutzes, gilt mein besonderer Dank. Sie alle leisten mit ihrer engagierten Arbeit einen unverzichtbaren Beitrag zur Bekämpfung des politischen Extremismus und für unsere freiheitliche Demokratie. Bremen, im Juni 2005 Bürgermeister Thomas Röwekamp Senator für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen -6- -7Inhaltsverzeichnis Seite I. Verfassungsschutz im Lande Bremen 9 II. Rechtsextremismus 15 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 16 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) 21 3. Neonazistische "Kameradschaften" 25 4. "Kameradschaft Bremen" 27 5. Bewertung der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Bremen 30 III. Linksextremismus 32 1. "Die Linkspartei.PDS" / Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 33 2. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 36 3. "Autonome" 38 4. "Sozialistische Alternative" (SAV) 48 5. "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union" (FAU) 49 6. "Rote Hilfe e.V." (RH) 50 7. "GegenStandpunkt" / früher Marxistische Gruppe (MG) 51 8. Sonstige linksextremistische Parteien und Gruppen 52 9. Bewertung der aktuellen Situation des Linksextremismus in Bremen 54 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 55 1. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 57 2. "Partei Gottes" (Hizb Allah) 64 3. "Partei der Befreiung" (Hizb ut-Tahrir / HuT) 65 4. "Islamisches Kulturzentrum Bremen" / "Marokkanischer Verein 68 Abu Bakr Moschee" 5. "Bremer Hilfswerk" 71 6. "Gemeinschaft für Verkündung und Mission" (Tabligh-i Jamaat) 72 7. "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL), vormals "Freiheits74 und Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) bzw. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 8. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 81 9. "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) 84 10. "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (Liberation Tigers of Tamil Eelam / 86 LTTE) 11. Bewertung der aktuellen Situation sicherheitsgefährdender und 88 extremistischer Bestrebungen von Ausländern V. Scientology-Organisation (SO) 89 VI. Geheimschutz 92 Anhang 96 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender extremistischer Motivation -8- -9Verfassungsschutzbericht des Landes Bremen 2005 I. Verfassungsschutz im Lande Bremen Den Verfassungsschutzbehörden ist durch das Grundgesetz und die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder die Aufgabe zugewiesen, verfassungsfeindliche sowie sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu beobachten. Über die Ergebnisse der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden werden politisch Verantwortliche, aber auch die Öffentlichkeit unterrichtet, um einen Überblick über die tatsächliche Bedrohung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch ihre Gegner zu erhalten. Der institutionelle Verfassungsschutz dient insofern als "Frühwarnsystem". Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen: * das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, * die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, * das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, * die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, * die Unabhängigkeit der Gerichte, * der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und * die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Bremen ist nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes verpflichtet, im Nachrichtenverbund mit den - 10 - Verfassungsschutzbehörden der Länder und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zusammenzuarbeiten, denn verfassungsfeindliche Organisationen und Personen beachten bei ihren demokratiefeindlichen Aktivitäten innerhalb der Bundesrepublik keine Ländergrenzen. Demzufolge werden die grundlegenden Arbeitsergebnisse auch im föderativen Ämterverbund analysiert und einer gemeinsamen Bewertung zugeführt. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen es den zuständigen Stellen ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu treffen. Dies kann primär durch eine geistigpolitische Auseinandersetzung mit den Zielen oder dem Verhalten extremistischer Gruppierungen geschehen. Aber auch das Verbot eines Vereins durch den zuständigen Innenminister/senator oder einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht kann als Folge des von den Verfassungsschutzbehörden gelieferten Beweismaterials in Betracht kommen. Erkenntnisse des Verfassungsschutzes aus den militant-extremistischen oder gar terroristischen Bereichen sowie der Spionageabwehr bilden nicht selten die Basis für staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Das LfV Bremen ist wie alle Verfassungsschutzbehörden nur beobachtend und unterrichtend tätig. Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse nicht zu. Es darf mit Polizeidienststellen organisatorisch nicht verbunden werden und diese auch im Wege der Amtshilfe nicht um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. Die nachrichtendienstliche Ausprägung der Verfassungsschutzbehörden ergibt sich vorrangig aus dem Umstand, dass sie nicht dem Strafverfolgungszwang (Legalitätsprinzip) unterliegen, sondern nach dem Opportunitätsprinzip handeln. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben dürfen sie Mittel und Instrumente einsetzen, die der geheimen, von Betroffenen nicht wahrnehmbaren, Nachrichtenbeschaffung dienen. Beispiele für diese "nachrichtendienstlichen Mittel" sind: - Einsatz von Vertrauensleuten (VM) - Observation - geheimes Fotografieren sowie - 11 - - Tarnmaßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, dass der Verfassungsschutz tätig ist. Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz im Einzelfall unter engen, gesetzlich normierten Voraussetzungen den Briefund Fernmeldeverkehr überwachen. Gleichwohl werden die meisten Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen (Parteiprogramme, Flugblätter, Publikationen, öffentliche Veranstaltungen) gewonnen. Neben der Bewertung extremistischer und terroristischer Bestrebungen ist auch die Spionageabwehr, d.h. das Erkennen und Verhindern geheimdienstlicher Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste, eine originäre Aufgabe des Verfassungsschutzes. Obwohl sich ehemals gegenüberstehende Staaten einander angenähert haben, stellt Deutschland nach wie vor ein Aufklärungsziel für eine Vielzahl von Nachrichtendiensten fremder Staaten dar. Dafür spricht der hohe Anteil von Mitarbeitern ausländischer Nachrichtendienste, die an halbstaatlichen oder staatlichen Vertretungen (Legalresidenturen) der jeweiligen Länder in Deutschland eingesetzt sind. Die nachrichtendienstlichen Aktivitäten, die sich gegen die Interessen Deutschlands richten, umfassen neben den "klassischen" Gebieten der Spionage, d.h. Informationsbeschaffung aus den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, auch die Ausspähung und Unterwanderung von Personen und Gruppen, die in Deutschland leben und in Opposition zur Regierung ihres Heimatlandes stehen. Daneben gilt es Beschaffungsaktivitäten der um Proliferation bemühten Staaten zu verhindern. Proliferation bedeutet die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen. Bremen als ein bedeutender Standort für Luftund Raumfahrtindustrie, für Wissenschaft, Forschung und Militärtechnologie sowie seine beiden Seehäfen in Bremen und Bremerhaven sind vor geheimdienstlicher Ausforschung besonders zu schützen. - 12 - Zunehmende Bedeutung nach dem 11. September 2001 haben die Mitwirkungsaufgaben. So hat die Anzahl der Personenüberprüfungen durch die Einführung der Regelanfrage bei Einbürgerungen und Gewährung von Aufenthaltsgenehmigungen erheblich zugenommen. Die entsprechenden Vergleichszahlen sind im Abschnitt V "Geheimschutz" nachzulesen. Im gesamten Spektrum seiner Aufgabenerfüllung bewegt sich der Verfassungsschutz keinesfalls in einer rechtlichen Grauzone. Sein Handeln ist an die Gesetze und an rechtsstaatliche Maßstäbe gebunden. Als Rechtsgrundlage kommen hier insbesondere das Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen sowie das Bundesverfassungsschutzgesetz zum Tragen. Das LfV Bremen unterliegt in seiner Arbeit der Aufsicht durch den Senator für Inneres und Sport, der der Bremischen Bürgerschaft politisch verantwortlich ist. Die parlamentarische Kontrolle des LfV wird von einer speziell für diesen Zweck konstituierten parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) ausgeübt. Beschäftigte und Haushalt des Landesamtes für Verfassungsschutz Bremen Beschäftigte Das Beschäftigungsvolumen umfasste 2005 43,5 Vollzeiteinheiten (2004: 46). Haushalt Im Haushaltsjahr 2005 wurden für Personal 1.894.718 Euro (2004: 1.917.539 Euro) und für Sachmittel 486.297 Euro (2004: 454.280 Euro) ausgegeben. Das Gesamtausgabevolumen lag 2005 bei 2.381.015 Euro (2004: 2.371.819 Euro). Das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen ist zu erreichen unter: Anschrift: Flughafenallee 23 28199 Bremen Postadresse: Postfach 286157 28361 Bremen - 13 - Telefon: 0421/5377-0 Fax: 0421/5377-195 E-Mail: office@lfv.bremen.de Internet: http://www.bremen.de/innensenator - 14 - Beobachtungsschwerpunkte im Jahre 2005 Die Aufklärungsprioritäten des LfV Bremen wurden im Einklang mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bestimmt. Die extremistischen und sicherheitsgefährdenden Komplexe weisen bundesweit nur minimale, meist regional bedingte Abweichungen auf. Der vorliegende Bericht erwähnt nicht alle Beobachtungsobjekte des LfV Bremen und auch nicht alle Ereignisse des Jahres 2005. Die Welle weltweiter Terroranschläge mit islamistischem Täterhintergrund haben die Aufklärung und die Beobachtung von Organisationen und Einzelpersonen dieses Spektrums weiterhin in die vorderste Linie gerückt. Auch die gegen den Kernbereich des Grundgesetzes gerichteten Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen sowie die Aktionen linksextremistischer autonomer Gruppen erfordern eine stetige und hohe Beobachtungsintensität. - 15 - II. Rechtsextremismus Rechtsextremisten aller Schattierungen propagieren eine "Ideologie der Ungleichheit". Sie stellen ihre Nation, ihre Rasse und ihre Volksgemeinschaft über andere Nationen, andere Rassen und über die Rechte des Individuums. Folglich wenden sie sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und propagieren bzw. praktizieren eine aggressive, menschenverachtende, rassistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit. Gleichwohl verfügen sie über keine gefestigte ideologische Struktur. Die den deutschen Rechtsextremismus prägende Haltung ist seine, die geschichtlichen Tatsachen leugnende, Einstellung zum "Dritten Reich" und die Verharmlosung, Rechtfertigung oder gar Verherrlichung nationalsozialistischer Untaten. In diesem Rahmen wird auch der Antisemitismus beständig genährt. Der Rechtsextremismus in Deutschland stellt kein einheitliches Gefüge dar: Das Spektrum umfasst rechtsextremistische Skinheads mit einem diffusen Weltbild, geprägt von fremdenfeindlichen Ressentiments. Sie treten durch spontane Gewalttaten und ihre aggressive, volksverhetzende Musik in Erscheinung. Von dieser Skinheadszene heben sich die Neonazis durch eine stärker ausgeprägte, zielgerichtete politische Aktivität ab, obwohl die Grenzen teilweise fließend sind. Eindeutig ist die Orientierung der Neonazis an nationalsozialistischen Vorstellungen eines "Führerstaates" auf rassistischer Grundlage. Die rechtsextremistischen Parteien vertreten dagegen Positionen, die den nationalsozialistischen Staat unter Abwendung von Menschenund Bürgerrechten zum obersten Prinzip erheben. Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung werden in unterschiedlicher Intensität von allen rechtsextremistischen Bestrebungen missachtet. Im Jahre 2005 gab es in Deutschland mehr als 180 rechtsextremistische Organisationen und Personenzusammenschlüsse. Vor diesem Hintergrund wurden 2005 im Land Bremen u.a. folgende Parteien und Gruppierungen beobachtet: - 16 - 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gegründet: 1964 Mitglieder: Deutschland: ca. 6.000 (2004: ca. 5.300) Land Bremen: ca. 60 (2004: ca. 50) Organisation/ Der NPD-Landesverband besteht aus den Kreisverbänden Struktur: Bremen und Bremerhaven. Der Kreisverband Bremen-Stadt ist in Ortsverbände untergliedert. Publikationen: "Deutsche Stimme" (Monatsschrift), Die Kreisverbände haben eigene Internetseiten. Politische Die NPD versteht sich als "sozialrevolutionäre Ziele/ Erneuerungsbewegung", als "Partei der neuen Ordnung" und Agitations"nationale Alternative für ein besseres Deutschland". Sie will schwerpunkte: "auf den Trümmern des Liberalkapitalismus ein neues Deutschland errichten". Einher damit geht eine Polemik gegen das Demokratieprinzip und eine Diffamierung des parlamentarischen Systems und seiner Repräsentanten. Mit der Zielsetzung, alle "nationalen Kräfte" durch Kooperation zu konzentrieren, ruft sie zur Bildung einer "Volksfront von rechts" auf. Aktuelle Werbung für das "Volksfront"-Konzept, Themen: Überfremdung und Einreise stoppen, Arbeit, Familie, Vaterland, "Sozialabbau, Rentenklau, Korruption - nicht mit uns", Wiedereinführung der Todesstrafe. Letztes Europawahl 2004 zum Vergleich 1999 Wahlergebnis: Land Bremen: 0,83% (1.483 Stimmen) 0,43% (923) Stadt Bremen: 0,67% (1.003 Stimmen) 0,39% (700) Stadt Bremerhaven: 1.70% (480 Stimmen) 0,62% (223) Bundestagswahl 2005 zum Vergleich 2002 Land Bremen: 1,48% (5.341 Stimmen) 0,48% (1.801) Stadt Bremen: 1,37% (4.121 Stimmen) 0,44% (1.372) Stadt Bremerhaven: 2,01% (1.220 Stimmen) 0,66% (429) An der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft 2003 und der Wahl zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung 2003 hat die NPD nicht teilgenommen. - 17 - Entwicklung und Tendenz: Die 1964 gegründete NPD war über viele Jahre die einzige rechtsextremistische Partei. Nach ihren beachtlichen Wahlerfolgen in den Jahren 1967 - 1969 (in der Bremischen Bürgerschaft war sie von 1967 - 1971 vertreten; Wahlergebnis: 8,84 %) wurde sie in den folgenden Jahrzehnten weitgehend bedeutungslos. Ihre Mitgliederzahl reduzierte sich bundesweit von 28.000 auf ca. 4.000. Erst nach der Beendigung der deutschen Teilung vermochte es die NPD, ihre Mitgliederzahlen wieder auf 6.500 zu steigern. Nach den Vereinsverboten von neonazistischen Gruppen in den Jahren 1992/93 traten eine beachtliche Zahl dieser neonazistischen Aktivisten in die NPD ein. Dadurch erlangte die Partei eine Kampagnenfähigkeit, die sich in der Folgezeit in bundesweiten Großdemonstrationen, vornehmlich gegen die "Wehrmachtsausstellung", ausprägte. Das in dieser Phase vom Bundesvorstand ausgegebene "Drei-Säulen-Konzept": "Kampf um die Straße / Kampf um die Köpfe / Kampf um die Stimmen", machte die NPD zu der aktivsten Bewegung im rechtsextremistischen Spektrum. Vor allem die "aggressiv-kämpferische" Ausrichtung aufgrund dieser Entwicklung führte 2001 zu den Verbotsanträgen von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht. Nicht zuletzt als Folge der Verbotsanträge ging danach bundesweit die Zahl der Mitglieder auf 5.000 zurück. In der Einstellung des Verbotsverfahrens im Jahr 2003 sah die NPD ein "Aufbruchsignal für Deutschland" und bot sich selbst als die "nationale Alternative, auf die das Land wartet" an. Die Parole "Kampf um die Parlamente" gewann für die Partei eine noch größere Bedeutung. Mit dem Einzug in den Landtag von Sachsen 2004 und dem von der NPD propagierten Konzept der Sammlung aller "nationalen Kräfte" zu einer "Volksfront von rechts" im selben Jahr, stieg die Zahl der Mitglieder bis auf ca. 6.000 wieder an. Das "Drei-Säulen-Konzept" wurde um die Säule "Kampf um den organisierten Willen" ergänzt. Als Teil des "Volksfront"-Konzeptes - Bündelung aller "nationalen Kräfte" einschließlich der neonazistischen Szene - stellt sich auch der "DeutschlandPakt" zwischen der NPD und der "Deutschen Volksunion" (DVU) dar. Darin haben am 15. Januar 2005 der NPD-Vorsitzende Udo VOIGT und der Vorsitzende der DVU, Dr. Gerhard FREY, eine zunächst bis zum Jahr 2009 - 18 - geltende Kooperation beider Parteien festgeschrieben und die Absprachen für anstehende Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene konkretisiert. Für die NPD war demnach eine Kandidatur bei den Landtagswahlen in SchleswigHolstein und Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005 sowie zur nächsten Bundestagswahl vorgesehen. Die Ergebnisse der Landtagswahl am 20. Februar 2005 in Schleswig-Holstein mit 1,9 % und am 22. Mai 2005 in Nordrhein-Westfalen mit 0,9 % der Zweitstimmen belegten aber deutlich, dass sich der Erfolg der NPD bei der Landtagswahl 2004 in Sachsen (9,2 %) nicht automatisch in anderen Regionen wiederholen lässt. Zwar konnte die Partei bei beiden Kandidaturen ihren Stimmenanteil gegenüber den vorangegangenen Wahlen steigern, sie blieb aber deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurück. Zur vorgezogenen Bundestagswahl am 18. September 2005 trat die NPD bundesweit mit Landeslisten an. Sie erhielt knapp 750.000 Zweitstimmen (1,6 %). Gegenüber der Bundestagswahl von 2002 (0,5 %) bedeutete dies einen Zuwachs von mehr als 530.000 Stimmen. Auf mehreren Landeslisten kandidierten auch Mitglieder der DVU und Neonazis. Die von der NPD gehegte Hoffnung, mit einem Direktkandidaten den Einzug in den Bundestag zu erreichen, erfüllte sich nicht. Ein Hauptaugenmerk bei der Gewinnung von Wählerstimmen richtete die NPD auf Jungund Erstwähler. Als Werbemittel verteilte sie hierfür die eigens für den Bundestagswahlkampf erstellte "SchulhofCD - Hier kommt der Schrecken aller linken Spießer und Pauker" mit 14 Titeln rechtsextremistischer Bands und Liedermacher, darunter auch ein Titel der Bremer Gruppe "Nahkampf". Die CD enthält nach Überprüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen keine strafrechtlich relevanten Inhalte. Neben der Konzentration auf die Wahlen im Jahr 2005 nahm weiterhin der Ausbau einer "Volksfront von rechts" einen breiten Rahmen in den Aktivitäten der NPD ein. Dabei bildeten die Ausrichtung von Demonstrationen mit - 19 - bundesweiter Ausstrahlung wie auch Aufzüge auf regionaler Ebene unter Beteiligung anderer rechtsextremistischer Gruppen einen Schwerpunkt. Die Fortdauer und der Ausbau der "Volksfront" wird u.a. stark von Erfolgen bei den anstehenden Wahlen abhängig sein. Der Bremer NPD-Landesverband unterstützt das von der Parteiführung initiierte "Volksfront"-Konzept. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite hieß es dazu: "Zusammenarbeit aller rechten Kräfte in Bremen. Bremens Rechte formiert sich in der Volksfront! Der Bruderkrieg ist vorbei!". Mit der Beteiligung an einer gemeinsamen Informationsveranstaltung von NPD, DVU und Neonazis aus Bremen und dem niedersächsischen Umland im März 2005 in einer Gaststätte in Syke-Heiligenfelde (Niedersachsen) unterstrich der Bremer Landesverband seinen Willen zur Umsetzung des "Volksfront"Konzeptes. Wiederholt wurden Vertreter anderer rechtsextremistischer Parteien und Gruppen in Bremen zu internen Versammlungen eingeladen. Insbesondere durch den Eintritt einzelner Neonazis und bisheriger Mitglieder anderer rechtsextremistischer Parteien konnte der Bremer Landesverband seine Mitgliederzahl auf ca. 60 erhöhen. Zwischenzeitlich inaktive Funktionsträger bringen sich wieder in die Parteiarbeit ein. Mit dem Zuwachs geht aber bislang keine Steigerung der Aktionsfähigkeit einher. Eigenständige öffentlichkeitswirksame Auftritte - mit Ausnahme von Informationsständen zur Bundestagswahl 2005 - fanden in Bremen nicht statt. Die geplante Gründung neuer Kreisverbände konnte nicht realisiert werden. Es wurde lediglich der Kreisverband Bremen-Stadt in die Ortsverbände BremenNord und Bremen-Ost untergliedert. Zur Schulung und zur Förderung des Zusammenhaltes richtet der Landesverband interne Informationsveranstaltungen aus. Der Bremer Kreisverband steht in enger Zusammenarbeit mit Kreisverbänden im niedersächsischen Umland und bringt sich insbesondere in die Aktivitäten des NPD-Kreisverbandes Rotenburg/Verden ein. Der angestrebte Aufbau eines Jugendverbandes "Junge Nationaldemokraten" (JN) konnte noch nicht realisiert werden. Bremer NPD-Mitglieder beteiligten sich im Jahr 2005 insbesondere an regionalen und bundesweiten Demonstrationen, bei denen jeweils der - 20 - "Volksfront"-Charakter der Kundgebung deutlich wurde. So lobte der Bremer Landesverband auf seiner Internetseite eine Kundgebung des NPDLandesverbandes Niedersachsen am 02. April 2005 in Verden, die unter dem Motto "Sozialabbau, Rentenklau, Korruption - nicht mit uns!" stand, als "vollen Erfolg für die Volksfront". An dem Aufzug waren sowohl Mitglieder der NPD als auch Neonazis beteiligt. Der Bremer NPD-Landesverband wird seit der Neubesetzung des Landesvorstandes im Juni 2005 von Mitgliedern des Kreisverbandes Bremerhaven dominiert. Diese Dominanz spiegelte sich auch bei der Aufstellung der NPD-Landesliste für die Bundestagswahl am 18. September 2005 wider: Fünf der sechs Kandidaten gehörten dem Kreisverband Bremerhaven an. Die NPD war die einzige rechtsextremistische Partei, die in Bremen zur Wahl angetreten ist. Mitglieder der DVU kandidierten nicht auf der NPD-Landesliste. Der Wahlkampf beschränkte sich auf Plakatierungen, Flugblattverteilungen und vereinzelte Informationsstände in Bremen und Bremerhaven. Die "Schulhof-CD" (Hier kommt der Schrecken aller linken Spießer und Pauker) wurde vor mehreren Bremer Schulen kostenlos angeboten. Die Resonanz darauf musste die NPD enttäuschen: In vielen Fällen wurde die Annahme verweigert oder die ausgehändigten Exemplare wurden der Schulleitung übergeben. Mit 1,48 % (5.341 Stimmen) der Zweitstimmen konnte die NPD im Land Bremen ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 (0,48 % = 1.801 Stimmen) etwa verdreifachen. Der Bremer Landesverband bedauert in einer Stellungnahme auf seiner Internetseite, einen größeren Stimmenanteil verfehlt zu haben, sieht aber in der Verdreifachung der Stimmen eine "gute Grundlage für den Einstieg in einen nationalen Bremer Bürgerschaftswahlkampf 2007". Mit der Einrichtung eines offenen Internet-Diskussionsforums - "bremerforum - Stimme der NPD Wähler" - geriet im Herbst 2005 der Bremer Landesverband in Konfrontation zur Parteiführung. In den veröffentlichten Beiträgen wurde u. a. oftmals harsche Kritik an Personalentscheidungen des Bundesvorstandes - 21 - geübt. Der Bremer Landesverband legte die Leitung dieses Forums zum Jahresbeginn 2006 nieder. In einer Erklärung dazu heißt es: "Admins und Moderatoren der Bremer NPD haben sich entschieden, dieses Forum nicht weiterzuführen, um sich effektiver der Bekämpfung der Korruption in den eigenen Reihen zu widmen.....Zahlreiche Bremer NPD-Mitglieder werden sich auch weiterhin in diesem Forum zum Nutzen unserer Partei betätigen und schonungslos die dreckigen Geschäfte der Führungsriege aufdecken....In der Hoffnung, schon bald eine saubere NPD zu schaffen, bedanken sich die Organisatoren des bremerforums bei allen usern.(...)". Einer Internetmeldung vom 09. Januar 2006 zufolge hat der Hamburger Neonazi Christian WORCH die Leitung des "bremerforum" übernommen. 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) Gegründet: 1971 als Verein DVU e.V. 1987 als DVU - Liste D 1991 in DVU umbenannt Mitglieder: Deutschland: ca. 9.000 (2004: ca. 11.000) Land Bremen: ca. 170 (2004: ca. 200) Organisation/ Der DVU-Landesverband besteht aus den Kreisverbänden Struktur: Bremen und Bremerhaven. Publikationen: "Nationalzeitung" (erscheint bundesweit wöchentlich). Der Bremer Landesverband unterhält eine Internetseite. Mandate: 1 Mandat in der Bremischen Bürgerschaft, 4 Mandate in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven, 4 Mandate in den Beiräten in Bremer Stadtteilen. - 22 - Politische Laut Parteiprogramm ist es das Hauptziel der DVU, Ziele/ "dass deutsche Politik in Deutschland endlich wieder Agitationsgem. Art. 56 des Grundgesetzes (Amtseid) betrieben schwerpunkte: wird", Widerstand gegen die Errichtung von NS-Mahnmalen, Herstellung von Deutschland in den Grenzen von 1937, Verteidigung der "Ehre der ehemaligen deutschen Wehrmacht", Antisemitismus / Propaganda gegen Israel, Keine Zuwanderung / Drohende "Umvolkung" der Deutschen, Abschiebung krimineller Ausländer, Arbeit für Deutsche. Aktuelle Gegen Sozialabbau und Sparkurs, Themen: Umsetzung des "Volksfront"-Kurses" mit der NPD, Gegen den EU-Beitritt der Türkei, Polemik gegen Israel ist ein durchgängiges Thema. Letztes Bürgerschaftswahl 2003 zum Vergleich 1999 Wahlergebnis: Land Bremen: 2,28% (6.642 Stimmen) 3,03% (8.823) Stadt Bremen: 1,37% (3.376 Stimmen) 2,48% (6.076) Stadt Bremerhaven: 7,10% (3.266 Stimmen) 5,99% (2.747) Wahl zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung 2003 zum Vergleich 1999 8,08 % (3.564 Stimmen) 5,2 % (2.415) An den Bundestagswahlen 2005, 2002 und 1998 sowie an der Europawahl 2004 hat die DVU nicht teilgenommen. Entwicklung und Tendenz: Der Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY, der seit vielen Jahren im Rechtsextremismus in unterschiedlichen Organisationen eine maßgebliche Rolle gespielt hatte, überführte 1987 die Abonnenten seiner Wochenschrift "Deutsche National-Zeitung" in die Mitgliedschaft der von ihm als Partei etablierten "Deutschen Volksunion". Die im Verlag des Bundesvorsitzenden erscheinende "National-Zeitung" ist das Sprachrohr der Partei. In der Berichterstattung werden die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert sowie unterschwellig eine antisemitische und - 23 - ausländerfeindliche Stimmung geschürt. Beispielhaft hierfür sind Artikelüberschriften wie: * "Ist Deutschlands Zukunft türkisch? Was EU-Bonzen mit uns vorhaben" * "Wenn die Türken kommen Was bleibt von Deutschland?" * "Kommen Millionen Afrikaner zu uns? Vor Völkerwanderung nach Deutschland" * "Erste Schule ohne Deutsche! Werden wir Minderheit im eigenen Land?" * "Wird Deutschland zweites Israel? Hintergründe der jüdischen Masseneinwanderung" * "Auschwitz - was stimmt? Tatsachen, die vertuscht werden sollen" Ein durchgehendes Thema der DVU bleibt die "Umvolkung der Deutschen". Damit wird suggeriert, dass durch eine gezielte und geplante Zuwanderung in Deutschland ein "Volksaustausch" vorgenommen wird. Dabei wird eine fremdenfeindliche Tendenz erkennbar, die darauf gerichtet ist, Ängste vor Massenzuwanderung und einer - angeblich damit einhergehenden - Steigerung der Kriminalität hervorzurufen. Die Bremerhavener "DVU-Fraktionszeitung" merkt in ihrer Ausgabe vom 05. Februar 2005 dazu an: "...dass die von Überfremdungspropagandisten bejubelte Multikulti-Gesellschaft bereits gänzlich gescheitert ist, was nicht zuletzt durch die erschreckend um sich greifende Kriminalität deutlich wird, die sich als Ergebnis des Wirkens volksferner "Integrations"-Utopisten als große Gefahr für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger ausbreitet." Das zentrale Ideologieelement der DVU ist ihr tiefgreifender "völkisch" geprägter Nationalismus. Die bestimmenden Identifikationsmerkmale der Partei sind die Begriffe "Deutschland" und die "deutsche Nation". Die DVU bleibt, trotz eines erneuten Mitgliederrückganges, die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie wird von ihrem Vorsitzenden zentralistisch und autokratisch geführt. Den 16 Landesverbänden bleibt daher - 24 - kaum Raum für selbständige politische Arbeit. Gegenwärtig ist die DVU im Landesparlament von Brandenburg mit sechs Sitzen und in Bremen mit einem Abgeordneten vertreten. Die Wahlerfolge der DVU seit 1987 resultieren u.a. auch aus den Wahlabsprachen mit anderen rechtsextremistischen Parteien. So war bei ihrem ersten Wahlantritt 1987 in Bremen der DVU im Zweckbündnis mit der NPD über die Bremerhavener Wahlliste der Einzug in die Bremische Bürgerschaft mit einem Mandat gelungen. Der Bundesvorsitzende FREY betrachtet seither den Wahlbereich Bremerhaven als "seine Bastion". DVU und NPD hatten zuletzt 1991 für die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft ein Wahlbündnis auf Landesebene geschlossen, wobei die NPD bei eigenem Wahlverzicht die DVU unterstützte. Die DVU-Liste erreichte einen Stimmenanteil von 6,2 %. Zwei der sechs auf die Liste entfallenden Mandate wurden von NPD-Funktionären wahrgenommen. Aus diesen Erfahrungen heraus und dem erfolgreichen Abschneiden der DVU und der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) bei den Landtagswahlen 2004 in Brandenburg und Sachsen schlossen die Parteivorsitzenden FREY und VOIGT am 15. Januar 2005 eine als "Deutschland-Pakt" bezeichnete Vereinbarung, in der sie festlegten, bei kommenden Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene bis zum 31. Dezember 2009 nicht gegeneinander anzutreten. Damit hat sich die DVU gleichzeitig formell in die von der NPD initiierte "Volksfront von rechts" eingebunden. Die programmatische Klammer des "Deutschland-Paktes" bildet dabei die Ablehnung der Sozialund Arbeitsmarktreformen (Hartz-IV-Gesetze) und die gemeinsame Gegnerschaft zum angestrebten EU-Beitritt der Türkei. Gemäß dieser Absprache wird die DVU bei den Landtagswahlen in SachsenAnhalt (2006), Bremen (2007), Hamburg (2008), Thüringen, Brandenburg und der Europawahl (2009) kandidieren. Der Vorstand des Bremer DVU-Landesverbandes begrüßt die eingegangene Bündnispolitik mit der NPD und bekundet seinen Willen zur Zusammenarbeit u.a. durch wiederholte Teilnahme einzelner Funktionäre an internen Treffen des Bremer NPD-Landesverbandes. In der "DVU-Fraktionszeitung" vom 05. Februar 2005 heißt es dazu: "Als großer Hoffnungsträger hat sich nunmehr die demokratische Rechte formiert: Der Deutschland-Pakt von DVU - 25 - und NPD, der am 15. Januar 2005 auf dem Bundesparteitag der DVU bereits einen Sturm der Begeisterung unter deutschen Patrioten auslöste, wird die Kräfte bündeln und zur machtvollen Stimme auf parlamentarischer Ebene für alle Deutschen werden, die noch Deutsche sein wollen. Der Bruderkampf beider Parteien, der die Herrschaft der Herrschenden bislang zementierte, soll und muss der Vergangenheit angehören. Nun wird ausschließlich gegen die wirklichen Gegner gefochten! Ein zwingendes Gebot der Vernunft. Denn es geht um uns, um unser Volk und um unser geliebtes deutsches Vaterland." Ein großer Teil der Bremer Parteibasis indes betrachtet das KooperationsKonzept wegen der Nähe der NPD zur Neonazi-Szene skeptisch. Unter anderem daraus resultierten weitere Mitgliederverluste. Zur Bundestagswahl am 18. September 2005 unterstützte der Bremer DVULandesverband den NPD-Wahlkampf im Land Bremen. Eine mögliche Nominierung von DVU-Mitgliedern auf der Bremer NPD-Landesliste erfolgte nicht. Hingegen kandidierten der Bremer DVU-Bürgerschaftsabgeordnete und stellvertretende Bundesvorsitzende Siegfried TITTMANN auf der NPDLandesliste Niedersachsen an zweiter Stelle und der stellvertretende Bremer Landesvorsitzende Hans-Otto WEIDENBACH in Sachsen auf der NPDLandesliste an fünfter Stelle. Die Partei führt in Bremen wegen ihrer organisatorischen Schwäche und aus Furcht vor Gegenaktionen keine öffentlichen Veranstaltungen durch. Turnusmäßige Mitgliedertreffen werden in Form von "Politischen Stammtischen" in Gaststätten durchgeführt. Satzungsobligatorische Mitgliederversammlungen werden auch weiterhin unter konspirativen Modalitäten im niedersächsischen Umland abgehalten. 3. Neonazistische "Kameradschaften" Nach den Vereinsverboten von 1992/93 verzichtet die Neonaziszene im Gegensatz zu den rechtsextremistischen Parteien auf Organisationsstrukturen. Sie ist gekennzeichnet durch eine weitgehend undifferenzierte Übernahme des - 26 - Gedankengutes der ehemaligen NSDAP. Insbesondere die Verherrlichung dieses dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte und die kultische Verehrung führender Personen der NS-Ära prägen die Ausrichtung dieser Szene und sind für ihre terminologische Festlegung maßgebend. Auf dieser Grundlage haben sich in verschiedenen Regionen der Bundesrepublik lose strukturierte "Kameradschaften" gebildet, die sich zur Verwirklichung ihrer neonazistischen Ziele häufig aber einer gemeinsamen Willensbildung unterwerfen. Unter der Bezeichnung "Projekt Schulhof" planten Neonazis seit Anfang 2004 die kostenlose Verteilung einer CD (Gesamtauflage: 50.000) mit 19 Liedern rechtsextremistischer Bands und Liedermacher an Jugendliche und Kinder. Mit dieser Propagandaaktion setzten die Initiatoren auf die Wirkung der Musik, um das Interesse junger Menschen auf subtile Weise für die rechtsextremistische Ideologie zu wecken und neue Anhänger zu gewinnen. Seit August 2004 besteht für die CD ein allgemeiner Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Halle (Sachsen-Anhalt). Anfang August 2005 wurden die ersten CDs "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" in mehreren Städten Thüringens und Sachsens verteilt. Am 12. August 2005 beschlagnahmte die Bremer Polizei bei einem Bremer Rechtsextremisten 320 Exemplare dieses Samplers. Eine Einzelverteilung ist in Bremen nicht bekannt geworden. In Deutschland tauchte die CD bisher in zwölf Bundesländern auf. Die Polizei stellte insgesamt über 3.800 Exemplare sicher. - 27 - 4. "Kameradschaft Bremen" Gesamtpotenzial: Deutschland: ca. 4.100 (2004: ca. 3.800) (organisiert in ca. 160 Kameradschaften) Land Bremen: 10-15 unverändert, wie 2004 Organisation/ Unregelmäßige Treffen, meist in Wohnungen Struktur: oder Gaststätten, auch im niedersächsischen Umland. Daneben lose kommunikative Vernetzung über Telefon und elektronische Medien. Publikationen: Keine Politische Ziele/ Errichtung eines nationalsozialistischen Systems Agitationsschwerpunkte: Verehrung des Dritten Reiches und seiner Repräsentanten, insbesondere Rudolf Heß Anti-Amerikanismus Fremdenhass Aktuelle Themen: Deutsch bleibt das Land - Für Volksgemeinschaft und Sozialstaat Unterstützung der NPD-Kampagne "Heimreise statt Einwanderung" Weg mit "Hartz IV" - Weg mit dem System Entwicklung und Tendenz: Die 10 bis 15 Personen zählende "Kameradschaft Bremen" (auch: "Freie Nationalisten Bremen") bildete sich 1992/93 aus einem Personenkreis, der vorher in der nach dem Vereinsgesetz verbotenen "Deutschen Alternative" (DA) organisiert war. Mit wechselnden informellen Anführern vermeidet sie nach wie vor eine feste organisatorische Struktur. Es bestehen weder ein Büro noch ein Vereinslokal. Gelegentliche interne Zusammenkünfte finden in Wohnungen von Anhängern, Gaststätten oder auf Campingplätzen und Parzellen statt. Mobilisiert wird die Anhängerschaft überwiegend über elektronische Kommunikationsmittel. Die "Kameradschaft Bremen" versteht sich als "elitäre Kaderschmiede", die auch Kontakte zu Skinheads unterhält. Das Verhältnis der "Kameradschaft Bremen" zur "Nationaldemokratischen Partei Deutschland" (NPD) blieb, ungeachtet des Aufrufs zur "Bildung einer Volksfront von rechts", distanziert. - 28 - Deutlich wurde aber eine verstärkte aktionistische Zusammenarbeit, die sich in Beteiligungen an Demonstrationen der NPD ausdrückte. So nahmen Bremer Neonazis u.a. an Aufzügen des NPD-Landesverbandes Niedersachsen am 02. April in Verden, am 18. Juni in Braunschweig und am 03. September 2005 in Oldenburg teil, die unter dem Motto "Sozialabbau, Rentenklau, Korruption - nicht mit uns!" standen. Mit eigenen öffentlichkeitswirksamen Aktionen trat die "Kameradschaft" in Bremen im Jahr 2005 nicht in Erscheinung. Ihre intensiven Kontakte zu der sehr agilen rechtsextremistischen Szene im niedersächsischen Umland (Syke / Weyhe und Verden / Rotenburg) bestehen weiterhin. Der "Heisenhof"1 in Dörverden hat für die regionale rechtsextremistische Szene zwischenzeitlich an Bedeutung verloren. Durch behördliche Verfügungen wurden die Wohnnutzung und Umbauten untersagt. Zwar halten sich weiterhin vereinzelt Rechtsextremisten aus der örtlichen Szene auf dem Areal auf, gleichwohl strahlt das Objekt für Rechtsextremisten nicht mehr die Attraktivität des Vorjahres aus. Erkennbar ist die Verbindung der "Kameradschaft Bremen" zu anderen "Freien Nationalisten" im norddeutschen Raum, insbesondere Kontakte und Treffen mit Angehörigen des "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnisses Norddeutschland" (Hamburg). Durch gemeinsame ideologische Schulungsveranstaltungen wird versucht, eine einheitliche "Marschrichtung" sicherzustellen. Neonazis, die sich in lose strukturierten Kameradschaften zusammenfinden, verfügen oft nur über ein formal geringes Bildungsniveau. Die Entwicklung und kontinuierliche Verfolgung eines Programms fällt ihnen schwer. Auch haben sie Probleme, ihre politischen Positionen zu vermitteln. Die Schulungsveranstaltungen sollen dieses Defizit beseitigen und sie befähigen, populistische Techniken und entsprechende Agitationsmethoden zu beherrschen. 1 Im April 2004 kaufte der Hamburger Rechtsextremist und Rechtsanwalt Jürgen Rieger eine große ehemalige Bundeswehrliegenschaft mit mehreren Gebäuden ("Heisenhof") in Dörverden, Landkreis Verden (Niedersachsen), um dort, nach eigenen Angaben, "Fruchtbarkeitsforschung" zu betreiben. Die bisherigen Aktivitäten Riegers ließen befürchten, dass sich der "Heisenhof" mit Unterstützung Bremer Rechtsextremisten und der sehr regen lokalen rechtsextremistischen Szene zu einer überregionalen Anlaufstelle für Rechtsextremisten entwickeln könnte. - 29 - Die Teilnahme an gemeinsamen Demonstrationen ist das Ergebnis dieser Kontakte. Einen hohen Mobilisierungsgrad erreichte dabei seit 2001 die jährliche zentrale "Rudolf Heß - Gedenkveranstaltung" in Wunsiedel (Bayern). Die Kundgebungen in Wunsiedel hatten sich zu einem festen Treffpunkt mit stetig wachsender Beteiligung europäischer Rechtsextremisten entwickelt, nachdem sich die Veranstalter durch entsprechende Gerichtsentscheide auf eine höhere Planungsund Rechtssicherheit stützen können. Die Verbotsverfügung des Landratsamtes Wunsiedel für den am 20. August 2005 geplanten Aufzug hatte aber Bestand. Sie stützte sich auf die seit März 2005 geltende Strafvorschrift des SS 130 Abs. 4 StGB. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, "wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt." Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am 18. August 2005 das Verbot. Die rechtsextremistische Szene in Deutschland zeigte sich teils überrascht, teils gefasst. Die Mitinitiatoren der Wunsiedeler Veranstaltung hatten aber offenbar ein Verbot einkalkuliert und bundesweit schon im Vorfeld bzw. als Reaktion auf eine Verbotsbestätigung Ausweichveranstaltungen - die keinen direkten Bezug zu Rudolf Heß aufwiesen - in mehreren Städten angemeldet. Die durchgeführten Aufzüge wurden zum Teil von massiven Gegendemonstrationen begleitet, an denen sich auch gewaltbereite Linksextremisten beteiligten. Der ehemalige Hitler-Stellvertreter Heß wird in der rechtsextremistischen Szene, besonders von den Neonazis, als "Märtyrer des Friedens" verehrt. Die jährlichen Gedenkveranstaltungen haben auch bei Bremer Rechtsextremisten einen festen Platz im Terminkalender. Kontakte zur regionalen und überregionalen Skinhead-Musikszene, zu Personen der am 14. September 2000 verbotenen Skinhead-Gruppe "Blood & Honour" und zu den "Hammerskins Bremen" vervollständigen das Kommunikationsgeflecht der "Kameradschaft Bremen". Die "Hammerskins Bremen", eine unstrukturierte Kleingruppe, existiert in Bremen nur formal, und - 30 - tritt öffentlich nicht in Erscheinung. Skinkonzerte, die meist konspirativ organisiert und als private Feiern deklariert werden, bilden eine Art "Klammerfunktion" zwischen der subkulturellen Skin-Szene und Teilen des rechtsextremistischen Lagers. Die überregional bekannten Bremer Skinhead-Bands "Nahkampf", "Endlöser" (früher: "Schlachtruf") und "Rufmord" traten in den zurückliegenden Jahren bundesweit sporadisch bei Skin-Konzerten auf. Ihre "Musik" ist vornehmlich durch Texte mit rassistischer und volksverhetzender Tendenz geprägt. Mehrere CDs dieser Gruppen wurden indiziert. Wiederholt wurden Konzerte mit diesen Bands verboten bzw. von der Polizei aufgelöst. Ein Bremer Rechtsextemist, Betreiber eines Internet-Versandhandels mit u.a. Rechtsrock-Musik, versuchte im April 2005 in einer Gaststätte im niedersächsischen Umland ein Skin-Konzert mit auswärtigen RechtsrockGruppen auszurichten. Die Veranstaltung wurde im Vorfeld von der Polizei unterbunden. In Bremen finden seit Jahren keine Skinhead-Konzerte statt. Neben der neonazistischen "Kameradschaft Bremen" sind - durch Anleitung "erfahrener" Bremer Rechtsextremisten - Sammlungsbemühungen unorganisierter Neonazis und Skins, unter Einbeziehung einzelner gewaltbereiter Hooligans, feststellbar. Verfestigte Strukturen haben sich bislang noch nicht herausgebildet. Gemeinsame Teilnahmen an rechtsextremistischen Musikveranstaltungen und Demonstrationen sind das bisherige Ergebnis. 5. Bewertung der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Bremen Bundesweit hatten die rechtsextremistischen Parteien - bis auf die NPD - erneut einen leichten Rückgang der Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Der NPDLandesverband Bremen konnte neue Mitglieder gewinnen und begann die Umstrukturierung des Landesverbandes. Bei der Bundestagswahl 2005 konnte die NPD - auch in Bremen - ihren Stimmenanteil erhöhen. Die im Januar 2005 im "Deutschlandpakt" festgeschriebene Zusammenarbeit für kommende Wahlen zwischen der DVU und der NPD sowie der Aufruf der - 31 - NPD an "alle nationalen Kräfte" zur "Bildung einer Volksfront von rechts" hat nach wie vor Bestand. Der Bremer Landesverband der "Deutschen Partei" (DP) zerbrach an innerparteilichen Kontroversen über eine Beteiligung an einer "Volksfront von rechts". Die neonazistische "Kameradschaft Bremen" steht, trotz der Einbindung einzelner Wortführer des neonazistischen Lagers, dem "Volksfrontkurs" abwartend gegenüber. Zustimmung erfährt aber eine verstärkte aktionistische Zusammenarbeit mit der NPD, die durch Beteiligungen an Demonstrationen der Partei deutlich wird. Eigenständige öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entwickelt sie nicht. Sie ist aktionistisch an Veranstaltungen des übrigen rechtsextremistischen Spektrums ausgerichtet. Kontakte zu Neonazis mit subkulturellem Einschlag, insbesondere zu Personen aus der Skinheadszene, werden zwar gepflegt, auf eine deutliche Abgrenzung wird jedoch Wert gelegt, vor allem, um mit Straftaten aus diesem Bereich nicht in Zusammenhang gebracht zu werden. Bislang unorganisierte Bremer Neonazis und Skins versuchen, unter Einbeziehung einzelner gewaltbereiter Hooligans, sich zu sammeln. Feste Strukturen haben sich bislang aber nicht gebildet. In Bremen gibt es derzeit weder Anhaltspunkte für Anschlagplanungen von Rechtsextremisten noch Anzeichen für die Existenz oder Gründung rechtsextremistischer terroristischer Strukturen. Ein bedeutender Identifikationsfaktor der gesamten Szene ist nach wie vor die rechtsextremistische Skinheadmusik. Einschlägige Konzerte wurden wiederholt unter Beteiligung Bremer Neonazis im niedersächsischen Umland veranstaltet. Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund sind gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Die Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation stiegen gegenüber dem Vorjahr an (siehe Anhang). - 32 - III. Linksextremismus Orthodoxe Linksextremisten streben auf der Grundlage einer ökonomisch begründeten Klassentheorie eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse an. In der Bundesrepublik Deutschland zielen sie auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie bekennen sich überwiegend zu "revolutionärer Gewalt". Ihre teilweise differierenden ideologischen Ausrichtungen basieren auf marxistisch-leninistischen oder trotzkistischen Elementen. Sie propagieren die "Herrschaft der Arbeiterklasse" ("Diktatur des Proletariats") oder die Einführung einer "Räterepublik". Autonome Linksextremisten wollen eine "herrschaftsfreie Gesellschaft", die sie auch unter Anwendung von Gewalt zu erreichen versuchen. Sie verfolgen kein einheitliches ideologisches Konzept. Durch eine fehlende Strategie nehmen sie die Ineffektivität ihrer Aktionen in Kauf. Die anarchistische Szene lehnt jede institutionalisierte Form von Macht ab. Anarchisten verfolgen die Utopie eines auf freier Selbstentscheidung beruhenden Zusammenlebens, das in der Regel ohne Anwendung von Gewalt propagiert und realisiert werden soll. - 33 - 1. "Die Linkspartei.PDS" / vormals "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Erstmalig in 1946 in der sowjetisch besetzten Zone. ZwangsErscheinung zusammenlegung von SPD und KPD zur SED, der späteren getreten Staatspartei der DDR (1949-1990). Umbenennung im Februar 1990 zur "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Im Dezember 1994 hat sich der PDS-Landesverband Bremen konstituiert. Am 31. Juli 2005 Umbenennung in "Die Linkspartei.PDS" Landesverband Bremen. Mitglieder: Deutschland: ca. 62.000 (2004: ca. 66.000) Land Bremen: ca. 170 (2004: ca. 160) Organisation/ Landesverband Bremen. Ziel ist das zügige Struktur: Zusammenwachsen von "Linkspartei. PDS" und "Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit" (WASG). Publikationen: "Disput", monatlich, "DIE LINKE. PDS Pressedienst", wöchentlich, (Auswahl) "PDS International", vierteljährlich, "Marxistisches Forum", unregelmäßig, "stimmt!", Ein anderes Bremen ist nötig - Ein anderes Bremen ist möglich!, monatlich. Politische Ziele/ Widerstand gegen die "Militarisierung" der Politik, AgitationsSoziale Grundsicherung, schwerpunkte: Gegen Sozialabbau, Zusammenschluss mit der WASG. Aktuelle Themen: "Widerstand gegen soziale Raubzüge", Steuerpolitik, Bildungspolitik, Haushaltspolitik und Sanierungsmöglichkeiten in Bremen. Letztes Europawahl 2004 zum Vergleich 1999 Wahlergebnis: Land Bremen: 3,71% (6.627 Stimmen) 2,60% (5.576) Stadt Bremen: 3,87% (5.816 Stimmen) 2,78% (4.954) Stadt Bremerhaven: 2,88% (811 Stimmen) 1,73% (622) Bürgerschaftswahl 2003: zum Vergleich: 1999 Land Bremen: 1,67% (4.885 Stimmen) 2,89% (8.418) Stadt Bremen: 1,78% (4.386 Stimmen) 3,13% (7.678) Stadt Bremerhaven: 1,08% (499 Stimmen) 1,61% (740) - 34 - Bundestagswahl 2005 zum Vergleich: 2002 Land Bremen: 8,45% (30.570 Stimmen) 2,24% (8.443) Stadt Bremen: 8,62% (25.959 Stimmen) 2.39% (7.464) Stadt Bremerhaven: 7,58% ( 4.611 Stimmen) 1,51% (979) 6 Mandate in den Beiräten bei Ortsämtern in Bremen. Entwicklung und Tendenz: Die in der ehemaligen DDR herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hat sich nach dem Zusammenbruch ihres Unrechtsystems nicht aufgelöst. Sie beschloss zunächst auf ihrem Sonderparteitag am 16./17. Dezember 1989 die Umbenennung in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED - PDS)". Der Parteivorstand änderte am 04. Februar 1990 den Parteinamen endgültig in "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Diese Namensänderung wurde vom 1. Parteitag der PDS am 24. / 25. Februar 1990 bestätigt. Die PDS ist somit Rechtsnachfolgerin der SED der DDR-Diktatur. Das Bekenntnis zu ihrer Tradition bleibt auch nach der 1. Tagung des 8. Bundesparteitages am 12. / 13. Oktober 2002 in Gera ein wesentlicher Faktor der Identität der PDS. Obwohl sie sich programmatisch von den Prinzipien des Marxismus - Leninismus (Diktatur des Proletariats) losgesagt hat und diese Ideologie nicht mehr zur Staatsdoktrin erhebt, hat sie bei ihrer Gründung am 04. Februar 1990 in den neuen Ländern die bestehenden Strukturen, Logistik und den Mitgliederstamm sowie die Finanzmittel der ehemaligen SED behalten. Semantische Anleihen bei demokratischen Parteien und den Interessenvertretungen gesellschaftlicher Minderheiten rundeten diesen Anpassungskurs an die Realitäten im vereinigten Deutschland ab. Im Dezember 1994 hat sich der Landesverband Bremen konstituiert. Das Parteiprogramm der PDS aus dem Jahre 1993 wurde nach einer breiten, durchaus kontroversen parteiinternen Diskussion am 25./26. Oktober 2003 auf der 2. Tagung des 8. Parteitages der PDS in Chemnitz (Sachsen) erneuert. In dem neuen Parteiprogramm richtet man sich nicht im Kapitalismus ein, sondern zielt auf dessen schrittweise Überwindung. Es wird auch weiterhin das gesellschaftliche Endziel des Sozialismus angestrebt. Es heißt dort weiterhin: - 35 - "In der PDS wirken unterschiedliche, linke demokratische Kräfte zusammen. In ihr haben sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen und die die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden." Das Ziel des neuen Programms ist nach wie vor eine über die Grenzen der bestehenden Gesellschaftsform hinausgehende sozialistische Ordnung. Nach dem Chemnitzer Parteitag erklärten 16 Mitglieder des Landesverbandes Bremen ihren Austritt aus der Partei. Begründet wurde der Austritt mit der Annahme des neuen Parteiprogramms in Chemnitz. In einer Erklärung hieß es u.a. dazu: "Mit der Annahme des neuen Parteiprogramms in Chemnitz ist ein gravierender Vollzug der Anpassung der PDS an die tragenden Kräfte der herrschenden Gesellschaftsordnung vollzogen worden." Die PDS richtet ein Hauptaugenmerk auf die Beteiligung an Wahlen. Der im Hinblick auf den ursprünglichen Bundestagswahlkampf 2006 gefasste Beschluss des PDS-Landesverbandes Bremen im Dezember 2004: "In Bremen in die Politik einmischen - 2006 in den Bundestag einziehen" bekam im Jahre 2005 durch die Aktivitäten zur Vereinigung von der PDS und der WSAG eine ungeahnte Dynamik. Auf einem Landesparteitag der PDS am 31. Juli 2005 in Bremen wurden die Vorgaben der PDS auf Bundesebene für Bremen sanktioniert. Das kurzfristige Ziel der Zusammenarbeit von PDS und WASG ist durch die für WASG - Mitglieder offene Liste und das erfolgreiche Abschneiden bei den vorgezogenen Wahlen zum Deutschen Bundestag am 18. September 2005 erreicht worden. Die Verschmelzung der beiden Parteien wird bis zum 30. Juni 2007 angestrebt. Durch die Aufhebung des Verbots der Doppelmitgliedschaft hat die "Linkspartei.PDS" am 10. Dezember 2005 auf ihrem Parteitag in Dresden den Mitgliedern der WASG die Möglichkeit eröffnet, gleichzeitig Mitglied der "Linkspartei.PDS" zu sein. In Bremen ist die "Linkspartei. PDS" weiterhin bestrebt, durch bürgernahe Politik den Erfolg bei den Bundestagswahlen 2005 auszubauen. Auf die - 36 - politische Arbeit in den Ortsbeiräten wird besonderes Gewicht gelegt. Die PDS ist in Bremen in sechs Beiräten vertreten. Der PDS-nahe Jugendverband "['solid] - die sozialistische Jugend", der sich als "Teil der undogmatischen radikalen Linken" versteht, hat im Rahmen der langfristig anlegten Kampagne "Aufmucken gegen Rechts" eine Tauschaktion für die "Schulhof-CD" der NPD ins Leben gerufen. Im Rahmen der Kampagne wurde Schülern und Interessierten die Möglichkeit eröffnet, jede "Schulhof-CD" der NPD gegen ein antifaschistisches Aktionspaket zu tauschen, bestehend aus der "aufmucken gegen rechts"-CD sowie aus Broschüren und Aufklebern. 50.000 dieser CDs wurden bundesweit verteilt oder getauscht, davon auch ein Teil in Bremen. Neben der Produktion und der Verteilung der CDs wurden bundesweit 100 Informationsveranstaltungen über Rechtsextremismus und eine Vielzahl von Konzerten gegen "Rechts" durchgeführt, u.a. auch in Bremen. Der Jugendverband ['solid] will versuchen, Jugendlichen Unterstützung und Hilfestellung anzubieten, um den Herausforderungen der Rechtsextremisten begegnen zu können. Er schreibt in einer Erklärung vom November 2005: "Behandeln wir Nationalismus und Kapitalismus doch einfach wie unsere schlimmsten Feinde. Meckern wir nicht über sie, sondern versuchen wir sie abzuschaffen." 2. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung 1968 Mitglieder: Deutschland: ca. 4.500 unverändert, wie 2004 Land Bremen ca. 70 unverändert, wie 2004 Organisation / Parteivorstand auf Bundesebene. In Bremen besteht die DKP Struktur: aus dem Bezirk Land Bremen. Der Bezirk wird von einem Landesvorstand geleitet. Publikationen: "Unsere Zeit" (UZ), wöchentlich, "Bremer Rundschau", unregelmäßig. - 37 - Politische Ziele/ Die DKP befasst sich mit den Theorien von Marx, Engels und AgitationsLenin und deren Bedeutung für die heutigen Bedingungen Schwerpunkte: des Klassenkampfes. Sie beteiligt sich an Aktivitäten anderer - auch demokratischer - Gruppen, soweit die Thematik ihrem Konzept entspricht. Ein Einfluss der DKP auf Aktivitäten der linksextremistischen Szene in Bremen ist nicht feststellbar. Aktuelle Auflösung der NATO, gegen Krieg und "Rüstungswahn", Themen: Ablehnung der EU, Gegen "Hartz IV". Letztes Europawahl 2004 Wahlergebnis: Land Bremen 0,23 % (415 Stimmen) Stadt Bremen 0,25 % (374 Stimmen) Stadt Bremerhaven 0,15 % ( 41 Stimmen) Die DKP hat sich in Bremen weder an der Bürgerschaftswahl 2003 noch an der Bundestagswahl 2005 beteiligt. Entwicklung und Tendenz: Die orthodox-kommunistische DKP war von ihrer Gründung im Jahre 1968 an, de facto als Nachfolgeorganisation der 1952 verbotenen KPD, das "Trojanische Pferd" der SED in der Bundesrepublik Deutschland. Ausgestattet mit jährlich zweistelligen Millionenbeträgen aus der DDR war sie bis zur Wiedervereinigung ein durchaus potenter außerparlamentarischer Faktor, insbesondere durch Unterwanderung und Beeinflussung gesellschaftlicher Protestbewegungen wie z.B. Friedensund Anti-Atom-Bewegung. Bei ihren Teilnahmen an Wahlen blieb sie in der Bundesrepublik jedoch, abgesehen von Einzelergebnissen auf kommunaler Ebene, völlig bedeutungslos. Nach der Auflösung der DDR und infolge der nunmehr ausbleibenden ideologischen und vor allem finanziellen Unterstützung begann ein rasanter Niedergang der DKP. Von ehemals etwa 50.000 Mitgliedern in der Bundesrepublik sank sie auf den gegenwärtigen Stand von höchstens 4.500 Mitgliedern. Auch im Jahre 2005 entfaltete der DKP-Bezirk Land Bremen mit seiner überalterten Mitgliederstruktur kaum öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten. - 38 - 3. Autonome Mobilisierbares Deutschland: ca. 5.000 unverändert, wie 2004 Potenzial: Land Bremen: ca. 250 unverändert, wie 2004 Organisation/Struktur: Kein ideologisches Konzept, verschwommene anarcho-kommunistische Vorstellungen. Publikationen: "Interim" (bundesweit), wöchentlich, "Bremer Kassiber", unregelmäßig Politische Ziele/ Hass auf Staat und Gesellschaft, Agitationsschwerpunkte Bereitschaft zur Gewaltanwendung, Die Aktionsfelder "Antifaschismus", "Antiimperialismus" und "Antirassismus" dominieren, Leitmotiv: "Propaganda der Tat", Interaktionen mit Globalisierungsgegnern, Kriegsgegnern und der Anti-Atom-Bewegung. Aktuelle Themen: Widerstand gegen Atomtransporte, Das "Outen" von Rechtsextremisten. a) Entwicklung und Tendenz: Die autonomen Linksextremisten sind aus der Konkursmasse der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO) Anfang der 70er Jahre entstanden. Diese undogmatische linksextremistische Bewegung hat die aus der gleichen Politisierungsphase resultierenden kommunistischen Splittergruppen (sog. "K-Gruppen") zeitlich weit überdauert und für die - 39 - Sicherheitslage der Bundesrepublik ein weitaus größeres Gefahrenpotenzial heraufbeschworen. Die nicht homogene autonome Szene verfügt über keine geschlossene Ideologie. Ein "Vulgärmarxismus" als Analyse des kapitalistischen Systems ("Schweinesystem"), gepaart mit einer strikten Ablehnung leninistischer Kaderorganisierung, bestimmen diese weitgehend regionale und basisorientierte Bewegung. Sie agiert überwiegend spontan und reflexartig auf ihre Feindbilder, ist jedoch infolge der fehlenden Strukturen meist nur zu kurzfristigen Aktionsformen fähig. Charakteristisch für die autonomen Linksextremisten ist ihre Spontaneität, mit der ad hoc Initiativen, "Büros", Bündnisse etc. gebildet werden, die sich tagesaktuellen Themen widmen. Stets greifen sie jedoch über den konkreten Anlass hinaus das parlamentarische System der Bundesrepublik Deutschland an, das sich für sie als Verschleierung eines industriell-militärischen Machtkartells darstellt, als "Kern allen Übels". Der autonome Linksextremismus war auch Rekrutierungsund Unterstützerfeld für alle terroristischen Konzepte der vergangenen Jahrzehnte (RAF, "Bewegung 2. Juni", RZ). Mit Schwerpunkt in Berlin haben auch im Jahre 2005 terroristisch operierende Kleingruppen ("Militante Gruppe" / MG) Anschläge mit "sozialrevolutionärem" Hintergrund, insbesondere gegen Luxusautomobile und Institutionen, die den "Sozialabbau" betreiben, durchgeführt. In Bremen ist eine solche militante Ausprägung der autonomen linksextremistischen Szene bisher nicht erkennbar. Die aktuellen Aktionsfelder der linksextremistischen Autonomen in Bremen erstrecken sich primär auf Aktionen gegen den "Faschismus", der sich vordergründig in Angriffen auf Personen des rechtsextremistischen Bereichs ausdrückt. Der "Antifaschismus" linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen geht jedoch in seiner Ausrichtung über ein moralisch-ethisches Antifaschismusverständnis des demokratischen gesellschaftlichen Spektrums hinaus. Er hat eine mobilisierende Funktion im eigenen Umfeld und dient als "Totschlagargument" der Diffamierung politischer Gegner jeglicher Provenienz. Selbst militante Aktionen werden mit "antifaschistischer Motivation" zu - 40 - rechtfertigen versucht. Mit einer solchen Antifaschismusstrategie versuchen autonome Linksextremisten, ihre auf eine Systemüberwindung zielenden Absichten zu verschleiern. Ein Schwerpunkt der "Antifaschismusarbeit" ist das Beobachten und "Outen" der Aktivitäten von Rechtsextremisten in Bremen und im niedersächsischen Umland. Im April gestaltete sich das "Outen" von Rechtsextremisten in einer Aktion, die unter dem Motto stand: "Keine Wohnung, keine Straßen, kein Bremen für Neonazis! Nazis bekämpfen! Jetzt sind Sie gefragt. Vie[l]fältige Aktionen sind machbar Herr und Frau Nachbar." Im Rahmen einer "antifaschistischen Fahrradtour" mit fast 40 "Antifas" aus Bremen wurden dabei ca. 1.000 Flugblätter in Briefkästen der Nachbarschaft von Personen des rechtsextremistischen Spektrums verteilt und Dutzende Plakate geklebt. Über eine eigens eingerichtete Internetseite werden die Beobachtungen der linksextremistischen "Aufklärungsarbeit" veröffentlicht: Laut einer Selbstdarstellung soll diese Internetseite ein "antifaschistisches Webprojekt" für Bremen und das niedersächsische Umland sein. Hier werden Hinweise und Beiträge zu rechtsextremistischen Veranstaltungen in Bremen und dem niedersächsischen Umland sowie über Aktionen des autonomen Spektrums veröffentlicht. Ein weiterer Schwerpunkt der Seite ist die Veröffentlichung von Fotos von Personen, die an rechtsextremistischen Demonstrationen / Aufmärschen teilgenommen haben. Anlässlich der Bundestagswahlen 2005 wurde auf der oben genannten Homepage die Kandidatenliste der Bremer und der niedersächsischen NPD veröffentlicht. Die Teilnahme der NPD an den Bundestagswahlen 2005 wurde von dem Internetprojekt zum Anlass genommen, einen Artikel unter der Überschrift "Aktuell: Bremer Nazis und die Bundestagswahl" zu veröffentlichen. Dieser Artikel endete mit der Aussage: - 41 - "In Wahlkampfzeiten - wo Rechte verstärkt versuchen in die Öffentlichkeit zu treten - heißt es außerdem, rassistische Hetze nicht zu ignorieren (...), sondern ihr entschieden zu widersprechen, sie zu verhindern und sie, wenn es nicht anders möglich ist, abzureißen, überzumalen oder kaputtzumachen." Die Formulierung lässt darauf schließen, dass Gewalt gegen Sachen für die Bremer autonomen "Antifaschisten" als legitim erachtet wird. Dieses zeigte sich in der Beteiligung Bremer Personen bei der Beschädigung von Wahlplakaten. Weitere Veröffentlichungen wurden von Bremer Antifagruppen herausgegeben, z.B. mehrere Ausgaben des "Antifaschistischen Informationsdienstes". Im Begleitheft dieser Publikation zur Kampagne "Heisenhof dichtmachen!" sind unter der Überschrift "What can you do?" nachfolgende Aussagen zu finden, die verdeutlichen, dass sich die linksextremistische "Antifaschismusarbeit" nicht nur auf Aktionen / Demonstrationen gegen Rechtsextremisten beschränkt, sondern sich gegen das geltende Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland richtet: "Als linke, autonome Antifas sagen wir aber auch, dass nicht nur der Faschismus bekämpft, sondern auch der Kapitalismus abgeschafft gehört, der die Menschen nur nach ihrer Verwertbarkeit betrachtet, der Kriege, Armut und Verelendung einkalkuliert und braucht. Eine Gesellschaft auf der Basis von Selbstverwaltungsstrukturen, Gleichberechtigung und Solidarität muss her!". Der Kauf des "Heisenhofes" in Dörverden (Niedersachsen) durch den Hamburger Rechtsextremisten Jürgen RIEGER im April 2004 bot der linksextremistischen Bremer "Antifaschismusarbeit" weiterhin einen Aktionsschwerpunkt. Bremer autonome Linksextremisten beteiligten sich an Protestveranstaltungen wie den drei demokratisch geprägten "Sonntagsspaziergängen" im Januar, Juni und November 2005 sowie an einer - 42 - überregionalen Demonstration gegen den "Heisenhof" am 02. April 2005 in Verden. Auch nahmen - wie im Vorjahr - Bremer Linksextremisten an der Demonstration und Kundgebung gegen eine Veranstaltung des "Verbandes der Freunde der Gebirgsjäger" in Mittenwald (Bayern) teil. Diese regelmäßig stattfindenden Protestaktionen gegen Gebirgsjägertreffen finden bei Bremer Linksextremisten eine konstante Resonanz. Aktionistisch suchten die autonomen linksextremistischen "Antifaschisten" die Konfrontation mit dem rechtsextremistischen Gegner auf der Straße und versuchten, dessen Aufmärsche zu verhindern. Dabei stehen sie in reger Kooperation mit autonomen Antifagruppen des niedersächsischen Umlandes. So beteiligten sich Bremer Linksextremisten im Jahre 2005 vorrangig mit Gegendemonstrationen bzw. -aktionen zu regionalen und überregionalen rechtsextremistischen Veranstaltungen wie in Verden, Langwedel, Oldenburg, Braunschweig, Göttingen, Hamburg und Kiel. Bei diesen zum Teil militanten Protestveranstaltungen wurde Gewalt nicht nur gegen Sachen, sondern immer häufiger gegen Rechtsextremisten oder Polizeikräfte eingesetzt. Im Anschluss an eine Gegendemonstration in Oldenburg im September wurden elf Rechtsextremisten auf ihrem Heimweg von 15 schwarz gekleideten und vermummten Personen attackiert. Durch den Angriff, an dem auch in Bremen wohnende Personen beteiligt waren, wurden drei Menschen verletzt. Seit Anfang 2005 ist ein Anstieg von Straftaten mit linksextremistischer Motivation im Land Bremen zu verzeichnen. Der Deliktsschwerpunkt der - 43 - linksextremistisch motivierten Straftaten lag im Jahr 2005 in Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. Die Bereitschaft, Gewalt gegen den "politischen Gegner" einzusetzen, wird immer häufiger umgesetzt. Einen weiteren Schwerpunkt der autonomen Szene in Bremen bildet die sog. "Antirassismusarbeit". Hierunter fielen im Jahr 2005 in Bremen insbesondere Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Vergabe von Brechmitteln an Rauschgifthändler sowie Aktionen gegen die Unterbringungsund Abschiebepraxis von nicht aufenthaltsberechtigten Personen. Gemeinsame Aktivitäten mit demokratischen Gruppierungen wurden in dem jeweiligen Zusammenhang angestrebt. Im vorgenannten Kontext beteiligten sich Bremer autonome Linksextremisten neben Mitgliedern demokratischer Gruppierungen an Aktivitäten gegen die zwangsmäßige Verabreichung von Brechmitteln. Hintergrund war eine im Dezember 2004 in Bremen durchgeführte Zwangsmedikation an einen Drogendealer mit Todesfolge. Bei verschiedenen, auch spontanen, Protestaktionen, an denen sich bis zu 150 Personen beteiligten, kam es teilweise zu gewalttätigen Ausschreitungen. Eine Veranstaltung mit höherem Mobilisierungsgrad wurde z. B. am 15. Januar durchgeführt. Da überregional zur Teilnahme aufgerufen wurde, beteiligten sich ebenfalls autonome Linksextremisten aus Hamburg und Niedersachsen an der Kundgebung. Insgesamt belief sich die Teilnehmerzahl auf 800-1.000 Personen, wovon ca. 150 dem linksextremistischen Spektrum zugeordnet werden konnten. Ebenfalls bedeutsam für die "linksextremistisch beeinflusste AntirassismusBewegung Bremen" im Jahr 2005 waren Aktivitäten gegen die Unterbringungsund Abschiebepraxis von nicht aufenthaltsberechtigten Personen. Neben Beeinflussung verschiedener Demonstrationen überwiegend demokratischer Gruppierungen gab es eine linksextremistische Beteiligung auch bei regionalen sowie bundesweiten Veranstaltungen der "Anti-LagerTour"2-Struktur. 2 Die "Anti-Lager-Bewegung" hat die Nachfolge der vorangegangenen "Antirassistischen Grenzcamps" angetreten. Das zuletzt durchgeführte "Grenzcamp" wurde im Jahr 2003 nach militanten Ausschreitungen autonomer Linksextremisten durch die Polizei aufgelöst. - 44 - Ein Aktionsschwerpunkt der "Anti-Lager-Tour"-Bewegung waren u. a. die im September in Bramsche und Schwerin durchgeführten "Anti-Lager-Tage", die unter dem Motto "Aktionstour gegen das europäische Lagersystem" standen. Bei einer Gesamtteilnehmerzahl von ca. 250 Personen gab es einen verhältnismäßig geringen Anteil von autonomen Linksextremisten, u. a. auch aus Bremen. Vereinzelt kam es zu Ausschreitungen, wobei sowohl Polizeibeamte als auch Demonstrationsteilnehmer leicht verletzt wurden. Der Zuspruch bei den Teilnehmern und die Resonanz in der Öffentlichkeit in Bezug auf Aktivitäten der "Anti-Lager-Bewegung" waren im Jahr 2005 geringer als in den Vorjahren, auch wenn die Aktionen von Seiten der Veranstalter als "erfolgreich" bewertet wurden. Eine Teilnahme von Bremer Linksextremisten an bundesweit durchgeführten Protestaktivitäten gegen "Castortransporte" war auch im Jahr 2005 wieder zu verzeichnen. Die Anti-Atom-Bewegung wird nicht von Linksextremisten dominiert. Im Zusammenhang mit einem für den Zeitraum 19. bis 22. November 2005 vorgesehenen Castortransport von der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) La Hague in das Zwischenlager Gorleben wurde die Szene bereits im Vorfeld mobilisiert. Hierzu wurden verschiedene Informationsveranstaltungen, Publikationen und andere Medien wie Internet, Flugblätter, Plakate und szenetypischen Zeitschriften sowohl überregional als auch in Bremen eingesetzt. Vereinzelt gab es auch Aufrufe zu militanten oder SabotageAktionen. In einem in Bremen, und dem übrigen Bundesgebiet in Umlauf gebrachten Faltblatt hieß es dazu u.a.: "Eine Gesellschaft, die den Betrieb von Atomanlagen akzeptiert, muss weiterhin mit unserem Widerstand rechnen. (...) Jeder einzelne muss für sich entscheiden, was er gegen den Betrieb von Atomanlagen tun will, wo er in den gesellschaftlichen Normalbetrieb eingreifen will. (...) Bildet euch und bildet Banden. (...) Blockiert und sabotiert Atomtransporte. Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit." Auf der Internetseite der "Castorgruppe Bremen" unter dem Titel "Castor ins Wendland stoppen" war u. a. die Rede davon, - 45 - "(...) dass der politische Wille zum Betrieb der Atomkraft (...) bei vielen Verantwortlichen ungebrochen (ist). Dies wird sich nur ändern, wenn wir ihnen weiterhin Druck machen - auf den Wegen, die wir für gut und richtig halten und mit uns vereinbaren können. (...) Wenn wir etwas gegen Atomkraft tun wollen, sollten wir diesen Widerstand verstärkt unterstützen. Denn wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht." Am 19. November wurde in Dannenberg die reguläre Auftaktdemonstration zu dem am selben Tag in Frankreich gestarteten Castortransport durchgeführt. Teilgenommen haben ca. 3.100 Personen aus ganz Deutschland, darunter ca. 100 autonome Linksextremisten. Die Bremer Beteiligung lag bei etwa 100 Personen, u. a. aus dem autonomen linksextremistischen Spektrum. Diese Kundgebung wurde von Widerstandscamps und verschiedenen Aktionen begleitet und verlief überwiegend friedlich. Trotz der offenkundigen Militanz beispielsweise bei Brandanschlägen auf Wohncontainer und bei verschiedenen gefährlichen Eingriffen in den Bahnverkehr, wurde eine Radikalisierung des Anti-Atom-Widerstandes, anders als von einigen Linksextremisten prognostiziert, nicht erreicht. Der Zuspruch von ca. 3.500 Atomkraftgegnern ist vergleichbar mit dem des Vorjahres, obwohl die Anti-Atom-Initiativen im Jahr 2005 ein deutliches Signal für den Atomausstieg setzen und eine höhere Mobilisierung erreichen wollten. Die Teilnahmefrequenz von Bremer Linksextremisten entsprach ebenfalls weitestgehend dem Vorjahresniveau. Bei den nicht extremistischen Atomkraftgegnern stößt die zum Teil gewalttätige oder militante Ausrichtung vereinzelter Linksextremisten generell auf Ablehnung. Die linksextremistische Einflussnahme hatte daher kaum Resonanz bei der von nicht extremistischen Bürgerund Umweltinitiativen getragenen "Anti-Atom-Bewegung". b) Sonstige Projekte und Aktionen Die Gruppe "andiamo! Projekt Linke Basis" setzte sich auch im Jahre 2005 mit der gegenwärtigen Sozialund Bildungspolitik auseinander. Die Gruppe hat sich im universitären Bereich entwickelt und wird von anderen - 46 - linksextremistischen Gruppen als "halbautonome" Gruppierung eingeordnet. Die Gruppierung folgt ihrer eigenen Ansicht nach einem "links-undogmatischen" Organisationsansatz. Inhaltlich eint sie der Gedanke an eine grundlegende Gesellschaftsveränderung jenseits von "kapitalistischer Verwertungslogik" sowie "patriarchalen und rassistischen" Strukturen. In Ausführungen der Gruppierung zu "Herrschaftsverhältnissen" wird abschließend angemerkt: "Um es noch ein Mal klarzustellen: Es geht uns nicht um Machtübernahme, sondern um die grundsätzliche Zerschlagung und Überwindung der Herrschaft". Mit einem Flugblatt "Rassismus und Dealerparanoia", in dem die aktuelle Drogenpolitik und Rassismus thematisiert wird, trat die "Antinationale Gruppe Bremen" (ANG) im Jahr 2005 in die Öffentlichkeit. Das Flugblatt endet mit dem Aufruf: "Tretet der wahnhaften Dealerhatz entgegen! Widerstand den rassistischen Lebensstilterror der 1/4 -Spießer! Abschaffung aller Drogenverbote! Gegen Staat, Nation und Kapital! Für den Kommunismus". Die "Antinationalen" zeichnen sich durch eine Ablehnung von Nation und Nationalstaatlichkeit und eine unkritische Solidarität mit Israel aus. Die auf regionaler Basis entstandene Gruppierung "Knastkampagne Bremen" ist erstmalig im Jahr 2004 in Bremen in Erscheinung getreten. U.a. aus dem autonomen linksextremistischen Spektrum, hatten sich Personen zusammengefunden, um sich mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen auseinander zu setzen und "zum Widerstand gegen den Staat als Kontrollund Überwachungsorgan" aufzurufen. Ihrer Auffassung nach sollten "gesellschaftliche Konflikte ausgetragen und diskutiert und nicht mit staatlicher Gewalt unterdrückt werden". Im Vordergrund stand die Forderung nach einer Gesellschaft ohne Gefängnisse ("Knäste"). Zum Ausdruck gebracht wurden diese Bestrebungen durch verschiedene im Jahr 2004 durchgeführte Veranstaltungen und Aktionen. Obwohl die Beteiligten ihr Engagement als einen "offenen Prozess mit Entwicklungspotenzial" darstellten und behaupteten, angetreten zu sein, "um zu - 47 - einer Repolitisierung der gesellschaftlichen Konflikte beizutragen", waren Aktivitäten der "Knastkampagne Bremen" im Jahr 2005 kaum wahrnehmbar. Die Aktivitäten der "Hausbesetzerszene" in Bremen beschränkten sich am 02. Juni auf eine spontane, nicht angemeldete Demonstration von 20 bis 30 Personen anlässlich der geplanten Räumung des Berliner Hausprojektes "Yorckstr. 59". Zum Teil können diese dem autonomen linksextremistischen Spektrum zugerechnet werden. Kundgebungsort waren Grundstück und Eingangsbereich des bewohnten Hauses in der Bremer "Yorckstr. 59", um eine symbolische Hausbesetzung und Solidarität zu dem Hausprojekt "Yorckstr. 59" in Berlin zu demonstrieren. Die Aktivisten kamen teilweise vermummt oder verkleidet und trugen Transparente sowie Schilder mit Aufschriften wie: "Bremen goes Berlin: Yorckstr. 59 verteidigen" oder "Yorckstr. bleibt! In Bremen und überall sonst". Bei dem Objekt "Yorckstr. 59" in Bremen handelt(e) es sich nicht um ein besetztes Haus. Das Projekt "Yorckstr. 59" in Berlin-Kreuzberg hatte in der Berliner autonomen Szene einen hohen Symbolund Stellenwert. Im Jahr 2005 wurde die Bremer Zeitung "Kassiber", in der regionale Bezüge wie "Antifa-Arbeit" und "Internationalismus" dargestellt werden, nur unregelmäßig herausgegeben. Der "Kassiber" sieht sich selbst als "Zeitung der linksradikalen Szene" und will radikale Inhalte und Positionen in der Öffentlichkeit bekannt bzw. verständlich machen und so Rückhalt schaffen für eine "gesellschaftliche Wurzelbehandlung, die den Herren noch einige Zahnschmerzen verursachen wird." Andere Bremer Publikationen aus den Vorjahren wie die "RedFireBurning" wurden nicht mehr herausgegeben. - 48 - 4. "Sozialistische Alternative" (SAV) Mitglieder: Deutschland: ca. 400 unverändert, wie 2004 Land Bremen: ca. 20 unverändert, wie 2004 Organisation/Struktur: Trotzkistische Kernorganisation mit Sitz in Berlin. Die SAV Ortsgruppe Bremen trifft sich regelmäßig in einem Jugendfreizeitheim in Bremen sowie in Gaststätten und Wohnungen von Aktivisten. Enge personelle Verflechtungen bestehen zur Ortsgruppe Hamburg. Publikationen: Seit April 2002 erscheint monatlich die "Solidarität" als Nachfolgezeitung der "Voran". Die SAV verfügt über eine eigene Homepage. Politische Ziele/ Aufbau einer neuen Arbeiterpartei gegen Agitationsschwerpunkte "Sozialkahlschlag" und "Bildungsreform". Thematisierung des Spanischen Bürgerkrieges und die Rolle des Staates in der kapitalistischen Gesellschaft. Aktuelle Themen: Sozialkahlschlag / "Hartz IV", Mitarbeit im "Bündnis gegen Sozialkahlschlag", Antiglobalisierungskampagnen, "Antifaschismus", Mitarbeit bei der "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG). Letztes Wahlergebnis Bürgerschaftswahl 2003 0,2 % (557 Stimmen), Spitzenkandidat Hendrik JÄGER. Die SAV beteiligte sich nicht an der Bundestagswahl im September 2005. Entwicklung und Tendenz: Die trotzkistische "Sozialistische Alternative" (SAV), Teil des "Komitees für eine Arbeiter-internationale", hat ihre Aktivitäten bundesweit, besonders im Rahmen der auch in Bremen durchgeführten Proteste gegen "Hartz IV" und Sozialabbau, verstärkt. Sie versteht sich als eine "revolutionäre, sozialistische Partei". Die SAV versucht nach wie vor, über eine Beteiligung an gemeinsamen politischen Kampagnen Einfluss auf demokratische Organisationen zu gewinnen. So arbeitet die SAV in der WASG mit und hat sich dort eigenen Angaben zufolge am Aufbau einer Jugend-AG beteiligt. - 49 - 5. "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU) Mitglieder: Deutschland: ca. 300 unverändert, wie 2004 Land Bremen: ca. 10 unverändert, wie 2004 Organisation/Struktur: Lokalförderation Bremen. Gleichzeitig Sitz der "Regionalkoordination Nord" und des "Internationalen Sekretariats". Angliederung an die "Internationale Arbeiter-Association" (IAA). Die FAU-Bremen soll nach den Branchenstrukturen der FAU bundesweit für die Bildung als "Bildungssyndikat" zuständig sein. Publikationen: "Direkte Aktion" (Bund), zweimonatlich, "Bremer Aktion" (erscheint unregelmäßig), Die FAU Bremen verfügt über eine eigene Homepage. Politische Ziele/ Arbeitern, Erwerbslosen und Schülern sollen Hilfen Agitationsschwerpunkte: bei der "Durchsetzung ihrer Interessen" angeboten werden. Veranstaltungen und Agitationen auf anarcho-syndikalistischer Basis, für eine "herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft" sowie "Antifaschismusund Antirassismusarbeit". Die FAU Bremen beteiligt sich gezielt auch an Veranstaltungen sowohl anderer linksextremistischer Organisationen als auch demokratischer Organisationen. Aktuelle Themen: Beteiligung an Aktionen gegen die Globalisierung und an Antikriegskampagnen, Revolution in Spanien, Arbeiterbewegung in der Ukraine, Gegen Bildungsund Sozialabbau. Entwicklung und Tendenz: Die FAU betreibt in Bremen ein Lokal, in dem sie auch ihre Zusammenkünfte durchführt. Jeden 1. Montag im Monat werden so genannte offene Treffen angeboten. Daneben gibt es vereinzelt Veranstaltungen zu ausgesuchten Themen. Sie beteiligte sich an Antiglobalisierungskampagnen sowie an Veranstaltungen gegen den "Sozialkahlschlag". - 50 - 6. "Rote Hilfe e.V." (RH) Mitglieder: Deutschland: ca. 4.600 unverändert, wie 2004 Land Bremen: ca. 110 unverändert, wie 2004 Organisation/Struktur: Bundesweite Organisation seit 1975, Ortsgruppe Bremen. Publikationen: "Die Rote Hilfe" (vierteljährlich), Newsletter für Mitglieder. Unterstützung straffällig gewordener deutscher und Politische Ziele / ausländischer Linksextremisten, Agitationsschwerpunkte: Forderungen nach "Freiheit für alle politischen Gefangenen", Abschaffung des SS 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen). Aktuelle Themen: Rechtshilfe, Solidarität mit "politischen Gefangenen". Entwicklung und Tendenz: Die "Rote Hilfe e.V." ist eine stabile und funktionsfähige Organisation, die in ca. 40 Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet agiert. Der Hauptzweck der RH besteht darin, Geld für die Unterstützung inhaftierter "Genossen" und für Prozesskostenhilfe zu sammeln. Die RH-Ortsgruppe Bremen engagierte sich im Jahr 2005 in Bremen im Rahmen von Solidaritätskonzerten für verschiedene Projekte und trat als Mitveranstalter von Buchlesungen auf. Diese Ortsgruppe gehörte zu den Unterstützern eines Solidaritätsaufrufes für Daniel W., der sich im Oktober vor dem Oberlandesgericht Naumburg wegen des Vorwurfes verantworten musste, gemeinsam mit anderen Mitgliedern des "Autonomen Zusammenschlusses Magdeburg" Brandanschläge u.a. auf das Landeskriminalamt Sachen-Anhalt und ein Einsatzfahrzeug der Bundespolizei verübt zu haben. Im Rahmen ihrer "Antirepressionsarbeit" wurden in Bremen von der "Ortsgruppe" diverse Broschüren mit Rechtshilfetipps gegen den "Repressionsapparat" in Umlauf gebracht. - 51 - 7. "GegenStandpunkt" (früher "Marxistische Gruppe" / MG) Mitglieder: Deutschland: ca. 10.000 unverändert, wie 2004 Land Bremen: ca. 250 unverändert, wie 2004 Organisation / Struktur: Konspirativ tätige sektenartige Organisation mit Sitz in München und Gruppierungen in mehr als 20 Städten, unter anderen in Bremen mit der Bezeichnung "GegenStandpunkt". Publikationen: "GegenStandpunkt" (vierteljährlich / bundesweit), "GegenStand & Diskussion", Zeitung für Bremen, Eigene Internetseite. Politische Ziele/ Eine Veränderung der Gesellschaftsordnung wird Agitationsschwerpunkte: angestrebt. Die Gruppe "GegenStandpunkt" vertritt einen modifizierten und elitären Marxismus und will einer angestrebten Revolution, durch radikal destruktive Kritik der Verhältnisse, den Boden bereiten. Dabei wird dem "Proletariat" in jüngster Zeit die Rolle als potenziellem Träger der Revolution abgesprochen. Aktuelle Themen: Tsunami, Rechtsextremismus, Reformen der Bundesregierung, Tod des Papstes, "Imperialismus", "Klassengesellschaft". Entwicklung und Tendenz: 1991 löste sich die in Bremen ca. 500 Personen starke "Marxistische Gruppe" (MG) offiziell auf. Personell existiert die MG jedoch bundesweit unter verschiedenen Bezeichnungen weiter. Die Gruppe "GegenStandpunkt Bremen" setzt sich überwiegend aus Hochschulabsolventen zusammen. Es handelt sich um einen weitgehend geschlossenen Personenkreis, dessen polemische Exegese der kapitalistischen Wirtschaftsordnung pseudo-marxistische Ansätze in den Vordergrund rückt. Der parlamentarische, demokratische Rechtsstaat wird auf den "GegenStandpunkt" - Veranstaltungen in destruktiver Weise kritisiert. - 52 - Im Bremer "Bürgerhaus Weserterrassen" werden fast monatlich Diskussionsveranstaltungen (jour fixe) vor 150 bis 250 Personen durchgeführt. Die Referenten waren schon vor der Auflösung der MG Mitglieder und Funktionäre. Im Internet ist die Gruppe "GegenStandpunkt" mit einer eigenen Seite vertreten, auf der vor den Veranstaltungen die Zusammenfassung des Vortragsthemas nachzulesen ist. Bremer Funktionäre beschränkten ihre Vortragstätigkeit nicht nur auf den Bremer Raum, sondern referierten auch in anderen Städten. 8. Sonstige linksextremistische Parteien und Gruppen a) "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) mit Sitz in München verfügt in verschiedenen Bundesländern über einzelne Ortsgruppen. Bundesweit wird die Mitgliederzahl des Arbeiterbundes auf ca. 120 Personen geschätzt. Der Ortsgruppe Bremen können ca. 10 Mitglieder zugerechnet werden. Im April 2005 rief der AB mittels Internet, Plakaten und Flugblättern zur Teilnahme an der "1. Mai-Kundgebung" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) als "Kampftag der Arbeiterklasse" auf, mit dem Slogan: "Auch 60 Jahre danach - vom Kapitalismus uns zu befrei'n, müssen wir selber tun". In den o.g. Publikationen heißt es u.a.: "Außer Krieg, Verwüstung, Elend, Erwerbslosigkeit und Wohnungsnot ist vom Kapitalismus nichts mehr zu erwarten. (...) Die Kapitalisten haben ausgedient, sie müssen enteignet werden. (...) Daran rütteln kann nur der Kampf, der Streik". Ein Einfluss des AB auf andere linksextremistische Strömungen in Bremen ist weiterhin nicht erkennbar. - 53 - b) "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) mit ihren ca. 2.000 Mitgliedern wird bundesweit von einem Zentralkomitee mit Sitz in Gelsenkirchen geführt. Das Ziel der 1982 gegründeten Partei ist der "revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals". Die Bremer Ortsgruppe umfasst ca. 10 Mitglieder. In Bremen veranstalteten Mitglieder der MLPD im August und September 2005 anlässlich des Bundestagswahlkampfes Kundgebungen sowohl vor den Toren des ansässigen Daimler-Chrysler-Werkes als auch in der Bremer Innenstadt. Auf der "Wahlkampfwebsite der MLPD/Offene Liste - Bundestagswahl 2005" wurden die Kandidaten vorgestellt. Laut Aussage des Spitzenkandidaten für Bremen ging es der MLPD nicht nur um "echten" Sozialismus, sondern generell um "die Opposition gegen das herrschende System". Ein Wahlziel sei "(...) die Isolierung der MLPD nachhaltig zu durchbrechen". Von der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" wurden bei der Bundestagswahl 2005 folgende Ergebnisse erzielt: Land Bremen Stadt Bremen Stadt Bremerhaven %-Anteil - Stimmen %-Anteil - Stimmen %-Anteil - Stimmen 0,08 283 0,08 246 0,06 37 Des Weiteren beteiligte sich die MLPD im Namen der Initiative "Bremer Montagsdemonstrationen" erneut an Protesten gegen die "Hartz IV"-Reform und die "Agenda 2010" und stellte Aufrufe zur Teilnahme an den Montagsdemonstrationen sowie Redebeiträge auf eine eigene Internetseite. Die Resonanz der "Montagsdemonstrationen" in der Bevölkerung war im Jahr 2005 im Vergleich zum Vorjahr eher als gering einzustufen. - 54 - 9. Bewertung der aktuellen Situation des Linksextremismus in Bremen Die "Linkspartei.PDS" hat sich nach dem gemeinsamen Vorgehen mit der WASG bei den Bundestagswahlen im September 2005 und der Öffnung der Partei für WASG-Mitglieder personell und programmatisch verstärkt. Die übrigen linksextremistischen Gruppierungen haben sich lediglich an Protestkundgebungen demokratischer Organisationen gegen Sozialabbau und Globalisierung beteiligt, ohne diese dominieren zu können. Für die linksextremistisch ausgerichtete autonome Szene Bremens hat weiterhin die "Antifaschismusarbeit" Priorität. Ihre Hauptaktionsfelder lagen neben der Teilnahme an regionalen und überregionalen Gegendemonstrationen zu rechtsextremistischen Aufmärschen und Veranstaltungen auch in der "Antifarecherche", dem Beobachten und dem "Outen" von Rechtsextremisten. Die Proteste gegen die Castortransporte bewegen sich seit einigen Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau und sind somit ein fester Bestandteil der Aktivitäten eines Teils der autonomen linksextremistischen Szene. Ansätze für linksextremistisch motivierte terroristische Aktivitäten waren im Lande Bremen nicht feststellbar. Die Zahl der Straftaten mit linksextremistischer Motivation zeigte gegenüber dem Vorjahr eine zunehmende Tendenz. Der Schwerpunkt der Straftaten lag dabei in den Deliktsbereichen Sachbeschädigung und Körperverletzung, die zumeist im Rahmen "antifaschistischer" Aktionen begangen wurden (siehe Anhang). - 55 - IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Von den rund 84.000 ausländischen Staatsangehörigen, die im Lande Bremen (Gesamtbevölkerung ca. 663.000) gemeldet sind, betätigen sich rund 1.900 (ca. 2 %) in unterschiedlichen extremistischen Zusammenhängen. Ausländische Staatsbürger oder ausländische Organisationen werden vom Verfassungsschutz nur dann beobachtet, wenn ihre Ausrichtung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist oder wenn sie Bestrebungen verfolgen, die darauf gerichtet sind, durch Gewalt die politischen Verhältnisse in den jeweiligen Herkunftsländern zu verändern. Die verfassungsfeindliche Orientierung dieser Gruppierungen basiert sowohl auf linksextremistischen als auch auf nationalistischen und religiös überhöhten Ideologien. Islamistische Bestrebungen gehören zu den Beobachtungsschwerpunkten der Verfassungsschutzbehörden. Der Islamismus ist eine politische Bewegung, die von einer Minderheit der Muslime unterstützt wird. Die Islamisten fordern unter Berufung auf die Scharia3, deren Grundlage in erster Linie der Koran ist, die Wiederherstellung einer so genannten islamischen Ordnung. In dieser "Ordnung" sollen alle Lebensbereiche so gestaltet sein, wie es nach ihrer Auslegung von Gott verbindlich vorgegeben ist - unabhängig von den Regeln eines demokratischen Rechtsstaates. Zur herausragenden Bedrohung für die internationale Staatengemeinschaft hat sich der islamistische Terrorismus entwickelt. Seit dem 11. September 2001 ist das durch den islamistischen Terrorismus verursachte Bedrohungspotenzial um ein Vielfaches gestiegen. Die von Usama Bin LADEN4 Mitte der 80er Jahre gegründete "Al Qaida" (die Basis) hat sich zum bekanntesten und auch gefährlichsten islamistischterroristischen Phänomen entwickelt. Der Jihad5 als bewaffneter Kampf gegen 3 Die Scharia umfasst die das Leben eines Gläubigen bestimmenden Gesetze und Regelungen. Sie beinhaltet die Glaubenspraxis ebenso wie u.a. das Familien-, Erbschafts-, Strafoder Prozessrecht. 4 Der in Saudi-Arabien geborene Usama Bin LADEN kämpfte gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans und gilt heute als weltweit meistgesuchter Terrorist, insbesondere wegen der ihm zugeschriebenen Anschläge am 11. September 2001. 5 Es wird zwischen dem großen und dem kleinen Jihad unterschieden. Der "große Jihad" ist der Kampf gegen das niedere Selbst. Es wird u.a. vollzogen durch das Gebet bzw. das Streben nach Wissen. Der "kleine Jihad" besteht in der Ausbreitung und Verteidigung des Islam. In islamistischen Kreisen wird Jihad als der nach außen gerichtete Kampf gegen die "Ungläubigen" interpretiert. - 56 - "Kreuzzügler" und "Zionisten" verbreitete sich weit über die Grenzen von Krisengebieten mit muslimischer Bevölkerung und wurde zur weltweiten Bedrohung. Besonders die westlichen Staaten und ihre Bürger sehen sich einer unmittelbaren, globalen terroristischen Bedrohung ausgesetzt. Durch diesen weltweiten Kampf der "Al Qaida" gegen die "Ungläubigen" kamen auch Deutsche zu Tode. Der islamistische Terrorismus bleibt nach wie vor Hauptthema im Bereich Ausländerextremismus. - 57 - 1. "Islamische Gemeinschaft Milli Görü e.V." (IGMG) Gegründet. 1985 als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) gegründet. Mitgliederpotenzial: Deutschland: ca. 26.500 unverändert, wie 2004 Land Bremen: ca. 1.200 unverändert, wie 2004 Organisation/Struktur: Die Europazentrale befindet sich in Kerpen (NRW). Ihr sind Gebietsleitungen nachgeordnet, die Weisungen an Ortsvereine weitergeben. Die FatihMoschee ist Zentrum der IGMG in Bremen mit überregionaler Bedeutung und eine der größten Norddeutschlands. Ideologisch eng verbunden ist die IGMG mit der türkischen "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi, SP), vormals "Tugendpartei" (Fazilet Partisi, FP) sowie "Wohlfahrtspartei" (Refah Partisi, RP). Die beiden letzteren wurden durch das türkische Verfassungsgericht, aufgrund des Verstoßes gegen das Prinzip der strikten Trennung von Religion und Staat, verboten. Publikationen: Seit Januar 2005 "IGMG Perspektive" - als Plattform wird auch die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung) genutzt. In ihr werden u.a. islamistische und antiisraelische Positionen vertreten, die unterschwellig auf eine antijüdische Gesinnung hindeuten. Politische Ziele / Die IGMG verfolgt islamistische Ziele, die den von Agitationsschwerpunkte: ihr propagierten Islam als Gesellschaftssystem vorsehen. Dazu gehört u.a. die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei. Die IGMG-Ideologie ist durch Ablehnung des - 58 - Wertekanons und des Demokratieverständnisses der westlichen Welt geprägt. Die IGMG bemüht sich um Anerkennung als legitime Vertretung der (türkischen) Muslime im politischen wie religiösen Leben in der Bundesrepublik und ist bestrebt, einen Alleinvertretungsanspruch zu reklamieren. Aktuelle Themen: Schaffung eines eigenständigen Profils, Kopftuchdebatte in Deutschland und Europa, Bundestagswahlen 2005 So genannter Gesinnungstest für muslimische Einbürgerungsbewerber Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes. Entwicklung und Tendenz: Die IGMG trat bis 1995 unter dem Namen "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) auf. 1995 teilte sich die Organisation in zwei unabhängige juristische Personen. Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) übernahm die kulturellen, sozialen und religiösen Aufgaben der AMGT, während die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) für die Verwaltung des Immobilienbesitzes der ehemaligen AMGT zuständig wurde. Unter den islamistischen Organisationen in Deutschland nimmt die IGMG eine besondere Stellung ein. Die IGMG gilt sowohl im Bundesgebiet als auch in Bremen als größte extremistische Ausländerorganisation. Die Ideologie der "Milli Görüs" (Nationale Weltsicht) basiert auf dem 1975 veröffentlichten gleichnamigen Werk ihres geistigen Führers, Necmettin ERBAKAN, in dem dieser seine Vision zur Lösung der politischen und gesellschaftlichen Probleme der Türkei darlegt. Die von ERBAKAN ebenfalls im Rahmen der "Milli Görüs" entwickelte "Gerechte Ordnung" (Adil Düzen) verurteilt "die Ausbeutung der Menschheit, insbesondere der islamischen Länder, durch Imperialismus und Zionismus". Die IGMG sieht ihre Aufgabe in der Verbreitung der islamistischen "Milli Görüs"Ideologie unter den türkischen Migranten in Deutschland. Die Organisation stellte sich nach dem Verbot der "Tugendpartei" (Fazilet Partisi, FP) in der Türkei eindeutig an die Seite der im Juni 2001 gegründeten - 59 - "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi, SP), für die die "Milli Görüs"-Ideologie unverändert verbindlich geblieben ist. In der der IGMG nahestehenden "Milli Gazete" vom 28. September 2005 beschreibt Recai KUTAN, Vorsitzender der "Glückseligkeitspartei", die allgemeine politische Lage wie folgt: Aufgrund der falschen Politik der Regierung sei die Türkei in eine politische, wirtschaftliche und soziale Depression geraten. Während die Welt neue Wege gehe und die Türkei mit ihren nationalen Werten eine aktive Führungsrolle übernehmen könne, sei das Land zur Marionette imperialistischer Kräfte verkommen. Für das Land gebe es nur eine Lösung. Und dies sei die "Milli Görüs"-Bewegung. Milli Görüs habe drei Ziele, die parallel umgesetzt werden sollten: Eine lebenswerte Türkei, eine neue Großtürkei und das Projekt "neue Welt". Necmettin ERBAKAN wird seit der Gründung der IGMG als geistiger Vater und Führer der "Milli Görüs"-Bewegung verehrt. Insbesondere die traditionalistischen Anhänger unter den IGMG-Mitgliedern sehen in ERBAKAN trotz seines ihm einst auferlegten Politikverbotes die eigentliche Führungspersönlichkeit. Neben führenden Abgeordneten der SP trat ERBAKAN immer wieder als Gastredner bei Veranstaltungen der IGMG auf oder wurde per Telefon zugeschaltet. In einem Artikel der "Milli Gazete" vom 13. Oktober 2005 wird von einer Rede Necmettin ERBAKANs berichtet, die er anlässlich einer Einladung des Vorsitzenden der "Glückseligkeitspartei" zu einem Fastenbrechen hielt. In seiner Rede sagte ERBAKAN, dass die Sehnsucht der Menschen nach Frieden nur mit einer islamischen Zivilisation gewährleistet werden könne. Die Boshaftigkeiten und die Massenmorde auf der Welt ereigneten sich nicht zufällig. Nachdem die Ungläubigen die materielle Macht an sich gerissen hätten, sei kein Land mehr vor ihnen sicher. Mit der Machtübernahme der Ungläubigen habe die Menschheit auch ihren Frieden und ihre Freiheit verloren. Aus diesem Grunde sei Frieden und Freiheit nur mit dem Islam gewährleistet. - 60 - Die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung), formal unabhängig, spielt eine bedeutende Rolle für die Positionen der "Milli-GörüsBewegung". Eine Zusammenarbeit zwischen der IGMG und der "Milli Gazete" wird zwar offiziell bestritten, durch zahlreiche Publikationen in der "Milli Gazete" aber belegt. Berichterstattung mit Milli-Görüs-Bezug genießt Priorität; auf Veranstaltungen der IGMG wird regelmäßig hingewiesen. Auch für Pilgerfahrten, die von der IGMG organisiert werden, und Bestattungsfonds der Organisation wird geworben. Außerdem werden in der "Milli Gazete" antizionistische und antilaizistische Positionen vertreten sowie Israel und die USA betreffende Verschwörungstheorien verbreitet. Europaweit verfügt die IGMG über weit gestreute Einrichtungen. In der Bundesrepublik und in Europa existieren mehr als 500 Beträume und Moscheen. Im Land Bremen sind 7 Moscheen der IGMG zuzurechnen. Mit ca. 1.200 Mitgliedern stellt die IGMG in Bremen die mitgliederstärkste Organisation unter den mehr als 30.000 hier lebenden Muslimen dar. In den Bremer Moscheen bietet die IGMG den Muslimen Beistand und Betreuung in religiösen und sozialen Fragen an. Nach wie vor bildet die islamische Erziehungsund Bildungsarbeit einen Schwerpunkt der Aktivitäten der Organisation. Die Jugend bildet die Basis der Organisation. Die türkischen Jugendlichen sollen für den Islam sensibilisiert werden. In so genannten Sommerschulen oder Ferienkursen soll diese Zielsetzung verwirklicht werden. In den Kursen wird von Religionslehrern (Hodschas), die aus der Türkei eingeladen werden und oft kein Deutsch sprechen, neben Allgemeinwissen insbesondere "Islamkunde" vermittelt. Daneben werden aber auch Fächer wie Benimmregeln, Sittenlehre, Koranrezitation und Türkisch gelehrt. Die IGMG verfolgt in dieser Hinsicht ein wesentliches, allen islamistischen Kräften gemeinsames Ziel: die Stärkung des Gefühls, Teil der einzigartigen Gemeinschaft aller Muslime zu sein und sich damit gleichzeitig von der "westlichen Welt" abzugrenzen. - 61 - Das besondere Augenmerk der IGMG auf die Jugend spiegelt sich auch in einem Artikel in der "Milli Gazete" vom 02. Dezember 2005 wider: In einer Freitagspredigt wird die Verantwortung der muslimischen Gemeinschaft gegenüber der Jugend angesprochen. Diese wird als "Garant der Zukunft" bezeichnet. Die Muslime seien verpflichtet, der jungen Generation ihre Religion zu lehren. In diesem Zusammenhang werden die Leser aufgefordert, ihre Kinder in die Moscheen und Korankurse zu schicken. Durch das breit gefächerte Freizeitund Weiterbildungsangebot der Organisation wird das Ziel verfolgt, Kinder und Jugendliche vom "Einfluss der westlichen Gesellschaft" fernzuhalten, wodurch sich die IGMG in ihren Grundzügen integrationsfeindlich verhält. Sie ist jedoch bestrebt, diese Ausrichtung in ihren offiziellen Darstellungen zu verschleiern. Am 09. April feierte der IGMG-Jugendverband im belgischen Genk sein zehnjähriges Bestehen. An der Veranstaltung nahmen über 8.000 Jugendliche aus ganz Europa teil, auch Mitglieder der IGMG-Jugendorganisation Bremen waren in Genk vertreten. Eine Ansprache von Necmettin ERBAKAN, der telefonisch zugeschaltet war, wurde auf einer Videoleinwand eingespielt. Er forderte die Jugendlichen auf, mehr für ihre Bildung zu tun und in der IGMG aktiv zu sein. Durch die intensive organisatorische Anbindung, insbesondere der Jugendlichen, und der Schaffung einer eigenen Infrastruktur in fast allen Bereichen des täglichen Lebens, schafft die IGMG alle Voraussetzungen für den Aufbau einer Parallelgesellschaft. Die Ziele der Organisation liegen insbesondere in: - der Anerkennung als Religionsgemeinschaft, - der Erlangung von Sonderregelungen für den Schwimmund Sportunterricht für muslimische Mädchen, - der Durchsetzung eines von der Organisation beeinflussten islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen. - 62 - In der programmatischen Entwicklung lässt sich auf Bremer Ebene keine Unterscheidung zum Bundestrend feststellen. Nach außen demonstriert die Bremer IGMG stets demokratische Verhaltensweisen, Integrationsbereitschaft und Offenheit. Verdeutlicht wird dies insbesondere durch die jährliche Teilnahme am "Tag der offenen Moschee" (jeweils zum 03. Oktober), wodurch laut eigener Darstellung der IGMG in Bremen die Verbundenheit der 3,5 Millionen Muslime in Deutschland mit der Gesellschaft zum Ausdruck gebracht werden soll. Zu diesem Zwecke des "gegenseitigen Kennenlernens" öffnen die Moscheen Fatih, Hicret, Kuba und Aksa regelmäßig für Interessierte ihre Türen. Neben den aktuellen Zielen der IGMG, wie der Anerkennung als Religionsgemeinschaft sowie der Durchsetzung eines von der Organisation beeinflussten islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen, wird auch das Thema der "Kopftuchfrage" in den Reihen der "Milli Görüs"Organisation fortlaufend diskutiert. Nicht nur die Zentrale in Kerpen greift auf ihrer Homepage regelmäßig das Thema auf, sondern auch auf Gebietsebene versuchen IGMG-Funktionäre, in Gesprächskreisen mit Politik und Gesellschaft auf die Kopftuchproblematik aufmerksam zu machen. Einem in der "Milli Gazete" vom 11. August 2005 erschienen Artikel zufolge, ist die: "(...) Bedeckung der Frau einer der heiligsten Werte". Die Verhüllung der Frau ist ein Ausdruck für eine höhere Zivilisation und bedeutet Freiheit. Die Verhüllung ist so natürlich, wie die Frau eine Frau ist. Nacktheit ist Sklaverei und kein Mensch hat das Recht, diese Sklaverei für sich zu beanspruchen (...)". Das vorherrschende Frauenbild spiegelt sich auch in der Rede eines bremischen IGMG-Funktionärs wider: Am 25. Januar 2005 führte ein muslimischer Jugendverein aus Bremen anlässlich des Opferfestes6 in der "Delmehalle" in Delmenhorst eine Veranstaltung mit ca. 300 Personen durch. Im Laufe der Veranstaltung hielt der Bremer Funktionär eine Rede. Der türkischen Tageszeitung "Hürriyet" vom 25. Januar 2005 zufolge erklärte er 6 Das Operfest wird zum Höhepunkt der Hadsch gefeiert, der Wallfahrt nach Mekka. Es ist für alle gläubigen Muslime Pflicht, zur Feier des Opferfestes ein Tier - meistens ein Schaf - zu schlachten, wenn sie es sich finanziell leisten können. Das Fleisch wird an die Armen verteilt. - 63 - dabei, dass sich die Muslime in Europa in letzter Zeit von den Gebräuchen des islamischen Glaubens entfernt hätten: "Früher gingen unsere kopftuchtragenden Frauen nicht alleine auf die Straße. Jetzt sehen wir sie alleine Einkaufen. Das ist falsch. Diese Art ist gegen den Islam. Unsere muslimischen Frauen sollen nicht alleine einkaufen gehen. Sie sollen zu Ärztinnen gehen. Bei Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten sollen Frauen und Männer getrennt sitzen. Wir sollten nur bei Muslimen einkaufen. Unsere Kinder sollten wir nach den Gesetzen der Religion verheiraten und danach ihre Ehepartner aussuchen (...)". Nach wie vor ist die IGMG bemüht, zur Stärkung ihres Einflusses im gesellschaftspolitischen Raum ihre Mitglieder zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aufzufordern. Die Empfehlungen für die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit zielen jedoch auf den Erwerb von Rechten und nicht auf Akzeptanz des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Werteordnung sowie auf uneingeschränkte Anerkennung seines Rechtssystems ab. Am 07. November 2005 erschien ein "Brief" des Pressekoordinators Necdet KUTSAL in der "Milli Gazete" aus Anlass des Ramadan-Festes7: "Wir beglückwünschen Sie alle nochmals zum soeben beendeten Ramadan-Fest. Möge Gott uns beistehen, die Tyrannei, die sich über die islamische Umma [Gemeinschaft] herabgesenkt hat, zu beseitigen. Möge er uns nicht den Beistand dafür versagen, dass das kapitalistische System, das die Menschheit erwürgt, zerschlagen und die Gerechte Ordnung [Adil Düzen], welche die gesamte Menschheit verdient hat, 7 Das Fest ist zusammen mit dem Opferfest eines der bedeutendsten Feste des islamischen Kalenders. Das so genannte Fastenbrechen wird mit dem Morgengebet in der Moschee eingeleitet. Oft wird anschließend ein besonderes Mahl eingenommen; danach besuchen sich Verwandte, Nachbarn und Freunde gegenseitig. Darüber hinaus wird eine "Almosensteuer" entrichtet, die den Bedürftigen zugute kommt. - 64 - errichtet wird. Wir wissen, dass das Gebet die Waffe des Gläubigen ist (...)". 2. "Partei Gottes" (Hizb Allah) Gegründet: 1982 im Libanon. Anhänger / Aktivisten: Deutschland: ca. 900 (2004 ca. 850) Land Bremen: ca. 50 (2004 ca. 30) (Die Anhängerzahlen der Vorjahre in Bremen wurden aufgrund konkreter Erkenntnisse revidiert). Organisation / Struktur: Funktionärsgruppe im Verein "Al Mustafa Gemeinschaft e.V." Bremen organisiert. Publikationen: "Al Ahd" (Die Verpflichtung) Politische Ziele/ Agitationsschwerpunkte: Der Kampf gegen Israel und jüdisch-israelische Einrichtungen weltweit, Die Errichtung einer islamischen Republik nach iranischem Vorbild. Aktuelle Themen: Finanzielle und moralische Unterstützung der "Mutterpartei" im Libanon, Aktivierung von Mitgliedern. Entwicklung und Tendenz: Die extremistisch-schiitische8 "Hizb Allah" (Partei Gottes) wurde 1982 auf iranische Initiative im Libanon gegründet. Die im Wesentlichen aus radikalen Splittereinheiten der "Gruppe des libanesischen Widerstandes" (AMAL) bestehende Organisation entwickelte sich schnell zu einer militanten Sammlungsbewegung von Schiiten. In Deutschland besteht die "Hizb Allah" seit etwa 1986. Sie tritt hier auch unter der Bezeichnung "Islamischer Widerstand" auf. Die Anhänger der "Hizb Allah" 8 Schiiten sind neben den Sunniten die kleinere der beiden Hauptgruppen des Islam, die etwa ein Zehntel aller Muslime ausmacht. Beide Gruppen unterscheiden sich weniger durch ihre Riten und Gesetze als vielmehr aufgrund ihres Ethos, ihrer Theologie sowie in der Frage der Rechtmäßigkeit des Imams (Imam, Vorbeter in einer Moschee. Imam kann auch das Oberhaupt einer Gemeinschaft oder Gruppe sein). - 65 - in Bremen beschränken sich auf gelegentliche Treffen und auf das Sammeln von Spenden. In Deutschland werden z.B. Spenden für das "Waisenkinderprojekt Libanon" (WKP) gesammelt. Das "WKP" existiert seit 1993 in Deutschland und kooperiert eng mit der "Hizb Allah"-Stiftung "Ashahid Association" (Vereinigung der Märtyrer). Sie ist eine soziale Hilfsorganisation im Geflecht der "Hizb Allah", dessen Aufgaben die Betreuung der Angehörigen von Gefallenen, Kriegsverletzten und -gefangenen und Vermittlung von Patenschaften für Märtyrerwaisenkinder umfasst. In Bremen besteht innerhalb der "Hizb Allah"-Anhänger nur geringes Interesse an der Vereinsarbeit. Lediglich zu Feiertagen und religiösen Festen werden die Vereine / Moscheen von einer größeren Besucheranzahl aufgesucht. Dieses Verhalten ist auch auf Bundesebene zu beobachten. 3. "Partei der Befreiung" (Hizb ut-Tahrir / HuT) Gegründet: 1953 in Jordanien. Mitglieder: Deutschland: ca. 300 (2004 ca. 200) Land Bremen: Einzelpersonen Organisation/Struktur: Konspirativ agierende Organisation Publikationen: "Explizit" im Januar 2003 eingestellt, "Hilafet" (Das Kalifat). Politische Ziele / Errichtung eines Kalifats, Agitationsschwerpunkte: Re-Islamisierung der Gesellschaft. Aktuelle Themen: Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen zur Verbreitung ihrer islamistischen Ideologie, Flugblattund Zeitschriftenverteilung. Entwicklung und Tendenzen: Die Hizb ut-Tahrir wurde 1953 von Taqi ad-Din AN-NABHANI (1909-1977) in Jordanien gegründet. AN-NABHANIs Buch "Nizam-ul Islam" (Die Ordnung des Islam) dient bis heute als ideologische Grundlage für die Organisation. - 66 - Die HuT versteht den Islam als ein geistiges System, das alle Lebensbereiche der Menschen, insbesondere auch politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen, abschließend regelt. Unter Ablehnung nationalstaatlicher Strukturen und jedweder Staatsgewalt wird die Einigung der islamischen Gemeinschaft in einem weltweiten islamischen Staat unter der Führung eines Kalifen angestrebt. Die Aufgabe des Kalifen sei u.a., den Islam durch Missionierung und Jihad in die Welt zu tragen. Die HuT spricht dem Staat Israel das Existenzrecht ab und verbreitet antizionistische Propaganda, die auf eine antijüdische Gesinnung hindeutet. In hetzerischer Weise agiert die HuT nicht nur gegen die USA, sondern lehnt auch Staaten der islamischen Welt mit westlicher oder weltlicher Orientierung ab. Gewaltanwendung wird als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange befürwortet. Im Bundesgebiet ist die HuT bisher schwerpunktmäßig durch die Verteilung von Flugblättern und Broschüren an die Öffentlichkeit getreten. Es wurden auch öffentliche Veranstaltungen organisiert, u.a. in der Technischen Universität Berlin. Im Internet ist die HuT mit einer Homepage vertreten. Auf einer dieser Seiten bezeichnet sich Dipl.-Ing. Shaker ASSEM als repräsentatives Mitglied der Hizb ut-Tahrir. In einer Sendung des MDR im November 2003 wird folgender O-Ton Shaker ASSEMs wiedergegeben: "Wir müssen also mit den Herrschern - egal wo sie sind - in gleicher Weise vorgehen; sie müssen beseitigt werden. Aber damit sie beseitigt werden können, brauchen wir eine Basis im Volk und wir brauchen eine Basis in der Armee". Entgegen der o.g. Aussage ist auf der Homepage der HuT folgende Erklärung Shaker ASSEMs zu lesen: "Die HuT strebt die Gründung eines Kalifats in einem Land der islamischen Welt an und nicht in Deutschland oder Europa." Diese Aussage steht konträr zu den internen Verlautbarungen der HuT, wonach sehr wohl ein weltweiter Kalifatsstaat angestrebt wird. - 67 - Im Rahmen des Vollzugs des HuT-Betätigungsverbotes vom 15. Januar 2003 durch das Bundesministerium des Inneren fanden in mehreren deutschen Städten Durchsuchungen statt. Bei dieser Maßnahme wurden in Bremen bei einer Person zahlreiche Flugblätter der HuT aus verschiedenen Ländern - politische Broschüren und Hetzschriften gegen die USA - sichergestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 08. August 2005 die Klage der islamistischen "Hizb ut-Tahrir" gegen das vom Bundesinnenministerium verhängte Betätigungsverbot abgewiesen. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass sich die Tätigkeit der HuT gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die HuT hat am 15. September die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt. Der Gerichtsbescheid gilt damit als nicht ergangen und entfaltet keine Bindungswirkung hinsichtlich einer weiteren Entscheidung des Senats. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf den 25. Januar 2006 festgesetzt.9 Die Zahl der Anhänger in Bremen beschränkt sich nach bisherigen Erkenntnissen auf Einzelpersonen. In der Vergangenheit wurde bekannt, dass ein Mitglied der HuT in der "AbuBakr-Moschee" in Bremen eine Hetzrede vor der Gemeinde gehalten hat. Er beschimpfte in seiner Rede die Israelis und forderte die Muslime auf, aktiv am Jihad teilzunehmen. 9 Nach dem Berichtszeitraum hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 25. Januar 2006 das vom Bundesinnenministerium mit Wirkung vom 15. Januar 2003 erlassene Betätigungsverbot bestätigt. - 68 - 4. "Islamisches Kulturzentrum Bremen" / "Marokkanischer Verein Abu Bakr Moschee" Gegründet: 2003 "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V.". und 2004 "Marokkanischer Verein Abu Bakr Moschee e.V.". Besucherstand: "Islamisches Kulturzentrum": 100-150 und "Marokkanischer Verein": ca. 100 Organisation: Beide Vereine verfügen u.a. über Gebetsräume. Entwicklung und Tendenz: Das "Islamische Kulturzentrum Abu Bakr Moschee" wurde 1986 von einer Gruppe Marokkaner gegründet und im März 2001 ins Vereinsregister eingetragen. Die Vereinsund Gebetsräume befanden sich anfangs am Breitenweg 50, seit Mai 2001 am Breitenweg 59 in Bremen. Im Juni 2003 wurde durch Beschluss einer Mitgliederversammlung das "Islamische Kulturzentrum Abu Bakr Moschee" in "Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V." (IKZ) umbenannt. Der Verein hat nach eigenen Angaben etwa 50 zahlende Mitglieder. Nachrichtendienstlichen Informationen zufolge besuchen dort nach wie vor 100 bis 150 Gläubige, die überwiegend libanesischer, ägyptischer und sudanesischer Herkunft sind, die Vereinsräumlichkeiten. Da sich Mitglieder des ehemaligen "Islamischen Kulturzentrums Abu Bakr Moschee" durch die Berichterstattung in den Medien zu sehr im Licht der Öffentlichkeit sahen, haben überwiegend marokkanische Gemeindemitglieder neue Versammlungsräume in der Duckwitzstraße 23 in Bremen angemietet. Die neu eröffnete Moschee wurde als "Marokkanischer Verein Abu BakrMoschee e.V." im Februar 2004 in das Vereinsregister eingetragen. - 69 - Im Umfeld des heutigen "Islamischen Kulturzentrums Bremen e.V." gab es Einzelpersonen mit Verbindungen zu islamistischen Gruppierungen. Beispielsweise zur "Tabligh-i Jammat" (TJ), einer pakistanischen "Missionsbewegung", die für eine sunnitisch-orthodoxe Auslegung des Islam eintritt. Angehörige der TJ hatten in der Vergangenheit versucht, vereinzelt Personen extremistisch zu beeinflussen. Zumindest einige Hinweise sprechen dafür, dass junge Bremer ausländischer Herkunft von Personen aus dem Umfeld des ehemaligen "Islamischen Kulturzentrums Abu Bakr Moschee" islamistisch beeinflusst wurden. Einer entführte am 25. April 2003 einen Linienbus, ein anderer, der türkische Staatsbürger K., wurde nach seiner Festnahme im Januar 2002 in Pakistan US-Ermittlern übergeben, die ihn nach Guantanamo verbrachten, wo er bis heute inhaftiert ist. Es hat sich herausgestellt, dass neben den personellen Verflechtungen zwischen den Vorstandsmitgliedern beider Moscheen, auch Kontakte unter den Gemeindemitgliedern bestanden bzw. weiterbestehen. Im Umfeld beider Moscheen sind weiterhin Personen mit Verbindungen zu islamistischen Gruppierungen zu finden. Es wurden in beiden Moscheen sowohl im Breitenweg als auch in der Duckwitzstraße "Hetzpredigten" gehalten. In diesen Reden wurde u.a. der "Religionskrieg der Amerikaner" im Irak sowie der "Verfolgungswahn der Juden in Palästina" verurteilt. In den Predigten wurden Gemeindemitglieder aufgefordert, den Jihad sowohl persönlich als auch materiell zu unterstützen. In einer dieser "Hetzpredigten" hieß es beispielsweise: "Wir dürfen nie vergessen, dass täglich in Palästina viele unserer Glaubensbrüder dem Terror der Juden zum Opfer fallen. Wir müssen kämpfen im Namen Gottes um den Erhalt unseres religiösen Lebensmittelpunktes in Palästina, der ElKuds-Moschee. Sollten die jüdischen Kriegstreiber die El-KudsMoschee zerstören, wird die gesamte islamische Welt sich erheben. Im Namen Gottes lieben wir den Tod. Wir werden bis - 70 - zum letzten Blutstropfen uns der Zerstörungspolitik der Juden mit aller Härte widersetzen." Ferner hieß es: "Nicht nur im Irak, in Palästina oder Afghanistan, sondern weltweit, befinden wir uns als Muslime in einem religiösen Verteidigungskampf gegen die Bösen des Imperialismus." In diesem Zusammenhang wurde ein ehemaliger Imam des "Marokkanischen Vereins Abu Bakr Moschee" im Februar 2005 durch die Ausländerbehörde ausgewiesen und ihm die Wiedereinreise verboten, weil er während der Freitagsgebete zur Gewalt aufgerufen und Hass gegen die USA und Israel gepredigt hatte. Mit Beschluss vom 20. Juni 2005 hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass der "Hassprediger" nicht mehr einreisen darf. Eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus, aber im Ergebnis wird verhindert, dass der Imam weiterhin in Bremen zu Hass und Gewalt aufruft. Seit August 2005 führt ein neuer Imam die Freitagsgebete im "Marokkanischen Verein Abu Bakr-Moschee". Dieser war zuvor u.a. als Imam in einer Erfurter Moschee in Thüringen beschäftigt. - 71 - 5. "Bremer Hilfswerk" Gegründet: 2003 (2005 aufgelöst) Anhänger / Aktivisten: Deutschland: unbekannt Land Bremen: ca. 15 Organisation / Struktur: Funktionärsgruppe in Bremen, vereinsrechtlich organisiert. Politische Ziele / Agitationsschwerpunkte: Unterstützung der palästinensischen Bewegung im Kampf gegen Israel. Aktuelle Themen: Das Sammeln von Spenden, u.a. für die Unterstützung von "Märtyrerfamilien". Entwicklung und Tendenz: Das "Bremer Hilfswerk" wurde am 16. Februar 2003 gegründet und übernahm schon in der Vorbereitungsphase ab August 2002 die Funktion des verbotenen Spendenvereins "Al Aqsa e.V." (Aachen). Am 31. Juli 2002 hat das Bundesministerium des Inneren den Verein verboten, weil er u.a. Spendengelder an Einrichtungen, die der HAMAS zugerechnet werden, im Westjordanland bzw. Gaza-Streifen, weitergeleitet hat. Das Verbot wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 03. Dezember 2004 bestätigt. Nach dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wurden in Bremen Exekutivmaßnahmen gegen das "Bremer Hilfswerk" durchgeführt. Ebenso wie "Al Aqsa" ist das "Bremer Hilfswerk" in das Finanzierungsnetzwerk der HAMAS eingebunden. Es unterstützt mit seinen Spendensammlungen u.a. Märtyrerfamilien. Mit Hilfe von Flyern wurden hierfür in ganz Deutschland Spenden gesammelt. Gesammelte Gelder leitete das "Bremer Hilfswerk" an Organisationen weiter, die wiederum der HAMAS zuzurechnen sind. Der Verein "Bremer Hilfswerk e.V." hat am 15. Januar 2005 in einer außerordentlichen Sitzung einstimmig seine Auflösung beschlossen. Das Vereinsvermögen fällt bei einer Auflösung dem Verein "Muslime Helfen e.V." (Internationale Hilfsorganisation) mit Sitz in München zu. - 72 - Nach der Veröffentlichung eines Artikels am 12. Juni 2005 im "Kurier am Sonntag" mit der Überschrift: "Schily will Bremer Verein verbieten" hat der Rechtsbeistand des "Bremer Hilfswerks" beim Amtsgericht Bremen - Vereinsregister - um eine kurzfristige Eintragung der Auflösung in das Vereinsregister gebeten. Zu vermuten ist, dass durch diese Maßnahme das drohende Verbotsverfahren und die damit eventuell verbundene Beschlagnahmung des Vereinsvermögens abgewendet werden sollte. Am 29. Juni wurde die Auflösung des "Bremer Hilfswerkes" in das Vereinsregister eingetragen. 6. "Gemeinschaft für Verkündung und Mission" ("Tabligh-i Jamaat / TJ") Gegründet: Mitte der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gegründet. Anhänger / Aktivisten: Deutschland: ca. 500 (2004 ca. 450) Land Bremen: ca. 12 (2004 ca. 10) Organisation / Struktur: Internationale Missionsbewegung. Politische Ziele/ Agitationsschwerpunkte: Ziel ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Ihre Anhänger vertreten eine wortgetreue Auslegung des Korans und der Sunna. Aktuelle Themen: Ausübung ihrer Missionstätigkeit und das Organisieren und Durchführen von Missionsreisen. Entwicklung und Tendenz: Die "Tabligh-i Jamaat" wurde um 1926 von dem Religionsgelehrten Maulawi Muhammad ILYAS als eine Wiedererweckungsund Missionsbewegung gegründet. Die Ursprünge liegen in Indien in der Region um Dehli. Das heutige - 73 - Zentrum der "Tabligh-i Jamaat" befindet sich in Lahore / Pakistan. Das Zentrum für Europa ist in Dewsbury / Großbritannien angesiedelt worden. Die Anhänger dieser Wiedererweckungsund Missionsbewegung distanzierten sich damals sowohl von der englischen Kolonialmacht als auch von den Hindus. Sie predigten gruppenweise und verkündeten ihren Glauben auf Reisen. Hieraus entstand eine islamische Massenbewegung, die auch heute noch ihren Schwerpunkt in der Missionstätigkeit sieht. Bei ihren missionarischen Reisetätigkeiten werden u.a. Moscheen in ganz Europa aufgesucht. Ziel der Gemeinschaft ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Ihre Anhänger sollen ein Leben gemäß dem Koran und der Sunna - die vom Propheten Mohammed überlieferte Lebensform - führen. Sie fordern die strikte Einhaltung des muslimischen Familienrechts, die Trennung von Geschlechtern und eine Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen. Die Organisation behauptet, dass sie Gewalt ablehnt. Im Umfeld der "Tabligh-i Jamaat" wurden aber in der Vergangenheit immer wieder Personen mit extremistischem Gedankengut festgestellt. Es besteht die Gefahr, dass Terrororganisationen die Strukturen der TJ als Rekrutierungsquelle für potenzielle Terroristen nutzen. Das Verwaltungsgericht Bayreuth kommt in einem Beschluss vom 24. November 2005 (Az: B 1 S 05.763) zu der Überzeugung, dass die "Tabligh-i Jamaat" den internationalen Terrorismus unterstützt. Auch Bremer Anhänger nehmen aktiv an den Missionsreisen teil. Auf dem diesjährigen Deutschlandtreffen der "Tabligh-i Jamaat" in Hamburg vom 15. bis 17. April nahmen ca. 1.000 Anhänger teil, darunter auch Bremer. Die "Tabligh-i Jamaat" hat auf dieser Veranstaltung die Ziele für die weitere Missionsarbeit vorgegeben. Ein Redner erklärte u.a., dass "(...) kein Mensch, kein Haus und keine Moschee "unerleuchtet" bleiben (...)" dürften. Die Missionsarbeit sei noch wichtiger als die Familie. Weiter wurden die Anhänger darauf eingeschworen, Menschen zum Islam zu bekehren, um dessen Einfluss zu vergrößern. - 74 - Die praktische Missionierungsarbeit gestaltete sich in der Vergangenheit schwierig, da Medien und Sicherheitsbehörden vermehrt über die "Tabligh-i Jamaat" berichteten. 7. "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) / vormals "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) bzw. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gegründet: 1978 als "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in der Türkei gegründet. Anhänger/Aktivisten: Deutschland: ca. 11.500 unverändert, wie 2004 Mobilisierungspotenzial: ca. 35.000 (2004: ca. 50.000) Anhänger/Aktivisten: Land Bremen: ca. 300 unverändert, wie 2004 Mobilisierungspotenzial: ca. 400 (2004: ca. 500) Organisation/Struktur: Der KONGRA-GEL ist eine straff organisierte und zentralistisch geführte Kaderpartei. Die Bundesrepublik ist in 26 "Gebiete" unterteilt. Daneben existieren diverse Kulturvereine. Publikationen: "Serxwebun" (Unabhängigkeit). Politische Ziele / Durch bewaffnete Aktivitäten in der Türkei sowie Agitationsschwerpunkte demonstrative Aktionen sowohl in Europa als auch in der Türkei, versucht der KONGRA-GEL, die Türkei in der Kurden-Frage zum Einlenken zu zwingen. Aktuelle Themen: Aufhebung der Betätigungsverbote in Deutschland, Streichung des KONGRA-GEL von der EUTerrorliste, Aufhebung der "Isolationshaft" Abdullah ÖCALANs, Fortführung des bewaffneten Kampfes in der - 75 - Türkei nach kurzzeitiger "Aktionslosigkeit", Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei. Entwicklung und Tendenz: Die PKK wurde am 27. November 1978 von einer kurdischen Gruppierung um den damaligen Politik-Studenten Abdullah ÖCALAN ("APO") gegründet. Während ÖCALAN bis zu seiner Inhaftierung im Jahr 1999 die Organisation direkt leitete, übernahm im Februar 1999 ein sog. Präsidialrat die Führung, der aber indirekt den Weisungen des Gründers aus dem Gefängnis folgte. Das Programm der PKK war eine Mischung aus sozialistischem und nationalistischem Gedankengut. Im Zentrum stand über zwei Jahrzehnte der aktive "revolutionäre Kampf" für ein freies und unabhängiges Kurdistan. Mit Hilfe ihres militärischen Arms, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), führt(e) sie seit dem 15. August 1984 einen Guerillakrieg im Südosten der Türkei. Im Bundesgebiet ist die PKK seit Anfang der achtziger Jahre aktiv. Um die Kurden-Problematik ins Bewusstsein der Allgemeinheit zu bringen, entfalteten Anhänger der PKK in Deutschland vielfältige Aktivitäten, teilweise auch äußerst gewalttätige. So gab es insbesondere im Jahr 1993 zwei gewaltsame Aktionswellen mit zahlreichen Brandanschlägen und Sachbeschädigungen auf türkische Einrichtungen. Daraufhin untersagte das Bundesministerium des Innern (BMI) am 26. November 1993 die Tätigkeit des gesamten Organisationsgeflechts der PKK in der Bundesrepublik. Trotz des Betätigungsverbots kam es bis Anfang 1996 wiederholt zu schweren Ausschreitungen und Serien von Brandanschlägen. Auf Weisung ÖCALANs wurden die Gewaltaktionen ab Mai 1996 in Deutschland eingestellt. Nach der Festnahme und dem Todesurteil gegen ÖCALAN kam es 1999 bundesweit kurzfristig zu erneuten Brandanschlägen. Im Juli 2004 erklärte das Bundesministerium des Innern, dass sich das gegen die PKK verhängte vereinsrechtliche Betätigungsverbot vom 22. November 1993 auch auf den KONGRA-GEL erstreckt. - 76 - Im Herbst 1999 leitete die PKK mit der Einstellung des "bewaffneten Kampfes" einen neuen Kurs ein. Auf dem 7. Parteikongress im Frühjahr 2000 wurde die Strategiewandlung vom "bewaffneten Kampf" zu einem "demokratischpolitischen Kampf" auch programmatisch vollzogen. Die "Volksbefreiungsarmee" wurde in "Volksverteidigungskräfte" (HPG) umbenannt. Diesem Weg folgend, wurde die 1985 für öffentliche Parteiarbeit gegründete Europaorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) in "Kurdische Demokratische Volksunion" (YDK) umbenannt. Einen weiteren Wandel vollzog die PKK im Frühjahr 2002 aufgrund der vom inhaftierten Führer Abdullah ÖCALAN entwickelten Verteidigungsschrift für sein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Mit Beschluss des 8. Parteikongresses im April 2002 im Nord-Irak wurde die Umsetzung manifestiert. Die "Partei" soll fortan nur noch als eine Art Koordinierungseinheit fungieren, unter der sich weitere Parteien / Organisationen in den Ländern Irak, Iran, Syrien und der Türkei gruppieren sollen. Die Forderung nach einem eigenständigen kurdischen Staat wurde aufgegeben. Ziel sei nunmehr, im Einvernehmen mit der Türkei, eine "kulturelle Autonomie" zu verwirklichen. Diese propagierten Demokratisierungsbemühungen gingen jedoch nicht einher mit nennenswerten Veränderungen in der Organisationsstruktur, wie die Nachfolgeorganisation der PKK, "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK), selbst eingestand. Folglich konnte der KADEK den Makel der terroristischen PKK nicht ablegen. Vor dem Hintergrund der sich verändernden politischen Verhältnisse im Irak, beschloss die Organisation deshalb auf einem Parteikongress Ende Oktober 2003 die Auflösung des KADEK. Damit sollte nach eigenen Verlautbarungen "der Weg für eine neue, demokratische Organisationsstruktur" freigemacht werden. Mitte November 2003 wurde in KADEK-nahen Medien die Gründung des "Volkskongresses Kurdistans" (KONGRA-GEL) verkündet. Dabei ging sie eine noch engere Verknüpfung mit dem von Brüssel aus agierenden und von der "Partei" dominierten "Kurdischen Nationalkongress" (KNK) ein. Bisherige Unterorganisationen des KADEK siedelten sich als selbständige Einheiten unter dem Dach des KONGRA-GEL an. Gleiches erfolgte mit dem - 77 - europäischen Arm der "Partei", die YDK, welche sich in "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) umbenannte. Alle angekündigten und programmatischen Veränderungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die "Partei" weiterhin nach dem Kaderprinzip geführt wird. Die angekündigten Einführungen demokratischer Strukturen bleiben somit weitgehend Lippenbekenntnisse. Am 02. Mai 2002 beschloss der Rat der Europäischen Union - als Folge der Geschehnisse des 11. September 2001 - u.a. die PKK in die Liste der terroristischen Organisationen aufzunehmen. Anfang April 2004 setzte die Europäische Union auch den KONGRA-GEL auf die so genannte EUTerrorliste, worauf eine europaweite Protestwelle der KONGRA-GEL-Anhänger erfolgte. Zum 01. Juni 2004 erklärte der Kommandorat der "Volksverteidigungskräfte" den "einseitigen" fünfjährigen Waffenstillstand in der Türkei für beendet. Er habe angesichts der "Vernichtungsoperationen des türkischen Staates" seinen Sinn verloren, hieß es in einer Erklärung. Im Herbst 2004 drohte Abdullah ÖCALAN, sollte es in der Kurdenfrage nicht zu einem Dialog zwischen der Türkei und den Kurden kommen, werde er der Guerilla freien Lauf lassen. Damit signalisierte der KONGRA-GEL zwar grundsätzlich die Bereitschaft zur Fortsetzung des "Friedenskurses", setzte aber parallel - wie zuvor die PKK / der KADEK - Gewalt bzw. Androhung von Gewalt als Druckmittel zur Durchsetzung seiner Ziele ein. Ab Frühjahr 2005 drohte der KONGRA-GEL mit der Ausweitung der Kampfhandlungen auf türkische Metropolen. Im Juli verübten die dem KONGRA-GEL nahestehenden "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) in türkischen Ferienorten Bombenanschläge. Dabei wurden etliche Menschen getötet oder verletzt. Nachdem im August der türkische Ministerpräsident ERDOGAN erstmals von einem Kurdenproblem sprach, verkündete als Gegenleistung der KONGRAGEL eine begrenzte "Aktionslosigkeit". Einzelne Bremer Anhänger lehnten den Waffenstillstand ab. In der Kurdenfrage bestimme maßgeblich das türkische - 78 - Militär die Vorgehensweise und nicht die Regierung. Ab Oktober, nach dem Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, nahm die "HPG" ihre Angriffe gegen staatliche Ziele wieder auf. Der KONGRA-Gel führt unter dem Motto: "Lasst uns Öcalan unterstützen" bzw. "Ich akzeptiere ÖCALAN als politischen Willen des kurdischen Volkes" eine Unterschriftenkampagne durch. In Europa wird die Kampagne von der dem KONGRA-GEL nahestehenden "Konföderation der kurdischen Vereine in Europa" (KON-KURD) geleitet. Im Frühjahr 2005 wurde dann eine "neue PKK" gegründet. Diese von Abdullah ÖCALAN ins Leben gerufene Kernorganisation des KONGRA-GEL soll aufgetretene Missstände10 beseitigen und die Gesamtorganisation ideologisch straffen. Am 05. September 2005 wurde ein durch das BMI verhängtes Verbot gegen die in Neu-Isenburg ansässige "E.Xani Presseund Verlags-GmbH", die die PKK-nahe Zeitung "Özgür Politika" (ÖP) herausgab, vollzogen. Die Folge war eine europaweite Protestwelle der Anhängerschaft. Diese türkischsprachige Zeitung verbreitete in Europa Nachrichten und Propaganda der "PKK" und mobilisierte die Anhängerschaft. In diesem Zusammenhang wurden auch die Privaträume eines in Bremen wohnenden Journalisten der ÖP durchsucht und Materialien beschlagnahmt. KONGRAGEL-Kreise unterstellen der Bundesrepublik, sie habe gemeinsam mit der Türkei gegen die Kurden ein Komplott inszeniert. Der Eingriff wird als massiver Verstoß gegen die Presseund Meinungsfreiheit gerügt. Der Verleger der ÖP kündigte eine neue Zeitung für die Kurden an. Am 18. Oktober setzte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem Eilverfahren den sofortigen Vollzug des gegen den Verlag der "Özgür Politika" ausgesprochenen Verbotes außer Kraft. Mit Entscheidung vom 20. Dezember hat das Bundesverwaltungsgericht u.a. die Verbotsverfügung gegen die "E.Xani Presseund Verlags-GmbH" aufgehoben, da das Verbot sich auf das Vereinsgesetz stützte, aber diese Vorschrift auf eine GmbH keine Anwendung - 79 - finde. Seit Anfang des Jahres 2006 erscheint anstelle der ÖP die Tageszeitung "Yeni Özgür Politika". Im Lande Bremen sind als Informationsund Kommunikationszentren für Anhänger der PKK-, des KADEKund des KONGRA-GEL folgende Einrichtungen bekannt: "Mesopotamischer Kulturverein Bremen e.V." gegründet: 07. Juni 1987 - verboten: 26. November 1993 durch das Bundesministerium des Innern. "Kurdisch-Deutscher Verein für Völkerfreundschaft e.V. -HEVALTI-" gegründet: 06. Dezember 1993 - verboten: 14. November 1995 durch den Senator für Inneres. "Kurdisch-Deutscher Solidaritätsverein e.V." gegründet: 15. Dezember 1995 - verboten: 27. April 1998 durch den Senator für Inneres. Als zentraler CDK-Basisverein existiert in Bremen, An der Weide 27, das "MED-Kulturzentrum e.V." gegründet: 24. November 1999 - angeblich am 22. Mai 2005 umbenannt in "Demokratischer Gesellschaftsverein Kurdistan" (BIRATI)11 sowie in Bremerhaven der "Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein Bremerhaven e.V." gegründet: 10. Dezember 1993. Während einer Mitgliederversammlung im Mai erfolgte nach Berichten "PKK"naher Medien eine Umbenennung des "MED-Kulturzentrums e.V." in "Demokratischer Gesellschaftsverein Kurdistans" (BIRATI). Damit soll für die Öffentlichkeit eine Distanz zu dem mit dem "PKK"-Makel behafteten Namen "MED-Kulturzentrum" hergestellt werden. Neben politischen Aktivitäten erhoffte sich die Vereinsleitung und Bremer "PKK"-Sektion durch ein erweitertes Freizeitund Kulturangebot in den Vereinsräumen wieder ein steigendes 10 Z. B. Machtkämpfe in der Führungsriege der "PKK", die letztlich 2004 zur Abspaltung einer Gruppe um Osman ÖCALAN, dem Bruder Abdullahs, führten. 11 Innerhalb des Berichtszeitraumes ist eine Eintragung / Umbenennung beim Amtsgericht Bremen nicht erfolgt. - 80 - Interesse unter Bremer Kurden. Im vergangenen Jahr wurde deutlich, dass immer weniger Kurden die Hilfe der "PKK" bei Behördengängen nutzten. Einher ging damit eine Abnahme des Bremer Mobilisierungspotenzials. Vorgaben übergeordneter KONGRA-GEL-Ebenen wurden nach der Umbenennung vom BIRATI ebenso umgesetzt, wie zuvor vom "MEDKulturzentrum". Dabei erreichte das "MED-Kulturzentrum" bzw. "BIRATI" die größte Beteiligung bei Demonstrationen mit jeweils ca. 300 Teilnehmern bei dem Newrozfest im März sowie im September anlässlich der Forderungen nach besseren Haftbedingungen für ÖCALAN. Die letztgenannte Kundgebung war kombiniert mit Protesten gegen das Verbot der "E.Xani Presseund VerlagsGmbH". Tragende Säulen des Demonstrationsgeschehens sind nach wie vor Frauen und Jugendliche. Wie eng der neue Verein BIRATI an die "PKK" angelehnt ist, beweist eine - nicht nur in Bremen - veranstaltete Feier am 27. November zum Gründungstag der PKK am 27. November 1978 in den Vereinsräumen. Für mehr als 100 Teilnehmer war dieser Tag Anlass zum Feiern. Die alljährliche Spendenkampagne im Herbst/Winter stellt weiterhin die wichtigste Einnahmequelle der Organisation dar. 2005 wurden weniger Fälle von Gewalttaten bzw. Gewaltandrohungen bekannt. - 81 - 8. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gegründet: 1994 in Syrien. Mitglieder /Aktivisten: Deutschland: ca. 650 unverändert, wie 2004 Land Bremen: ca. 40 unverändert, wie 2004 Organisation/ Gewalttätige revolutionäre Kaderpartei, Struktur: Konspirativ agierende Funktionärsgruppe, Guerillaeinheiten in der Türkei. Publikationen: "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) sowie bis Mai 2005 "Ekmek ve Adalet" (Brot und Gerechtigkeit), danach "Yürüyüs" (Marsch). Politische Ziele/ Zerschlagung des türkischen Staates, Agitationsschwerpunkte: Errichtung einer Gesellschaft auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus, Agitationen gegen die USA und die Bundesrepublik als Unterstützer des "türkischen Faschismus/Terrorismus". Aktuelle Themen: Kampagne gegen die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen, Wiederbelebung terroristischer Aktionen in der Türkei, Proteste gegen "Hartz IV". Entwicklung und Tendenz: Die DHKP-C ist im März 1994 aus der türkischen Vereinigung "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervorgegangen, die in der Türkei verboten ist und dort eine Untergrundstruktur aufrechterhält. In Deutschland ist die "Devrimci Sol" seit dem 9. Februar 1983 durch Verfügung des Bundesministers des Innern (BMI) verboten. Die DHKP-C wurde am 13. August 1998 als Ersatzorganisation der "Devrimci Sol" durch den BMI verboten. Zwischen der DHKP-C und der konkurrierenden, ebenfalls aus der "DevrimciSol" hervorgegangenen und ebenfalls 1998 verbotenen "Türkischen Volksbefreiungspartei-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) kam es zwischen 1997 und 1998 zu massiven Gewalttaten mit schweren Körperverletzungen und Mordanschlägen. Gegen zahlreiche Mitglieder und Funktionäre der DHKP-C wurden eine Vielzahl von Strafverfahren geführt. - 82 - Mehrere ranghohe Funktionäre wurden zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt. Daraus resultierte in Deutschland ein Mitgliederverlust, dessen Folge geringere Mitgliedsbeiträge und Spenden waren. Die DHKP-C wurde im Mai 2002 in die von der Europäischen Union geführte Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. Nachdem bereits 2002 verschiedene linksextremistische türkische Gruppierungen das "Todesfasten" als Kampfform um eine Verbesserung der Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen für beendet erklärten, führt die DHKP-C dieses im Berichtszeitraum in der Türkei fort. Nach Presseveröffentlichungen sollen dabei insgesamt mehr als hundert Menschen, meist Angehörige der DHKP-C, gestorben sein. Eine unter dem Namen "TAYAD-Komitee" ("Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei") auftretende Organisation, welche stark von der DHKP-C beeinflusst wird, erweist sich auf europäischer Ebene als Initiator von Veranstaltungen zugunsten der Gefangenen. Diese "Kultur/Musikveranstaltungen", vorwiegend von Anhängern der DHKP-C besucht, dienen Parteifunktionären als Agitationsfeld gegen die mit der "imperialistischen" USA kooperierende "faschistische" türkische Regierung. Eintrittsund Spendengelder fließen außer an Gefangene und deren Familien auch an die DHKP-C. Seit Anfang 2004 besuchten Bremer Funktionäre und Aktivisten der DHKP-C vermehrt Veranstaltungen der "Anatolischen Föderation" (Anadolu Federasyonu e.V.) in Köln und Hamburg. Auch bei diesen Veranstaltungen handelt es sich überwiegend um Folkloredarbietungen und politische Diskussionen. Die DHKP-C verfolgt das Ziel, durch die Gründung neuer Vereine, wie der "Anatolischen Föderation", eine legale Plattform zu schaffen. Zu einer Gründung eines "TAYAD-Komitees" oder einer "Anatolischen Föderation" in Bremen ist es bis jetzt noch nicht gekommen. - 83 - Die Musikveranstaltung der DHKP-C anlässlich der Gründung der Organisation, die dieses Jahr am 09. April in Rotterdam stattfinden sollte, wurde durch niederländische Behörden verboten. Die Organisation wich daraufhin am 23. April nach 's-Hertogenbosch aus. Aufgrund des Verbotes der Veranstaltung und der Verlegung war die Beteiligung mit 1.500-2.000 Personen eher gering. Auch Bremer Funktionäre und Sympathisanten der Organisation beteiligten sich an dieser Veranstaltung. Es traten bekannte Musikund Folkloregruppen auf. In Redebeiträgen ist zur Bündelung der "revolutionären Kräfte in eine "Volksfront" und zum "Kampf gegen Imperialismus und Faschismus" in der Türkei aufgerufen worden. Auf der Veranstaltung wurde den "gefallenen Märtyrern" der wiederholten Hungerstreiks der DHKP-C-Angehörigen gedacht und betont, den Hungerstreik in den türkischen Haftanstalten fortzusetzen. Die der DHKP-C nahestehende Zeitschrift "Ekmek ve Adalet" (Brot und Gerechtigkeit) wurde am 15. Mai durch die Nachfolgepublikation "Yürüyüs" (Marsch) abgelöst. Gedruckt und verlegt wird die neue Zeitschrift in der Türkei. Inhaltlich und auch stilistisch unterscheiden sich beide Zeitschriften kaum. Wichtigste Finanzquelle der Organisation ist und bleibt die alljährliche Spendensammlung. Im bremer Bereich ist eine zeitliche Begrenzung auf einen bestimmten Jahresabschnitt kaum noch erkennbar. Die Sammlung selber erfolgt äußert konspirativ. Eine Konfrontation mit der Polizei wird vermieden. Neben bisherigen Anhängern / Sympathisanten erweisen sich Bremer Asylbewerberunterkünfte offensichtlich als erfolgreiches Werbungsund Sammelterrain der Funktionäre. Einzelne geschäftliche Aktivitäten von Mitgliedern lassen den Schluss zu, dass Teile des Gewinns an die Organisation fließen bzw. solcherlei Aktivitäten gezielt von der Organisation über Strohmänner als Einnahmequelle betrieben werden. Als weitere Einnahmequelle der DHKP-C kristallisierten sich in Bremen organisierte Kulturveranstaltungen für die hier lebenden Anhänger heraus. Die DHKP-C tritt bei solchen Veranstaltungen sehr konspirativ auf und nutzt auch Veranstaltungen anderer Organisationen. Obwohl die DHKP-C nach außen einen gewaltfreien Kurs in Europa vertritt, dienen hier durchgeführte Protestveranstaltungen und Spendensammlungen - 84 - der moralischen und finanziellen Unterstützung terroristischer Aktionen von Genossen in der Türkei. 9. "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Mitglieder/Aktivisten: Deutschland: ca. 900 Land Bremen: ca. 50 Mobilisierungspotenzial: Land Bremen: ca. 100 Erstmalig in Erscheinung Unter diesem Namen seit 1981 getreten: Publikationen: "Mojahed" (Glaubenskämpfer) Organisation/ Gewalttätige revolutionäre Kaderpartei, Struktur: Konspirativ agierende Funktionärsgruppe, Guerillaeinheiten im Iran (NLA). Politische Ziele/ Geldbeschaffungsaktionen für den Agitationsschwerpunkte: bewaffneten Kampf im Iran, Politischer Umsturz im Iran. Aktuelle Themen: Menschenrechtsverletzungen im Iran, Streichung von der sog. EU-Terrorliste. Entwicklung und Tendenz: Der "Nationale Widerstandsrat Iran" ist ein im Jahre 1981 gegründeter Zusammenschluss zahlreicher Oppositionsgruppen und Einzelpersonen der von der "Volksmodjahedin Iran-Organisation"(MEK) dominiert wird. Faktisch handelt es sich um den politischen Arm der "MEK". Die weltweit operierende Organisation verfolgt seit Jahren eine Doppelstrategie: So führen bewaffnete Kräfte der "Nationalen Befreiungsarmee" (NLA), dem militanten Arm der Bewegung, einen Guerillakampf auf iranischem Boden gegen das dortige islamische Regime mit dem Ziel des gewaltsamen Umsturzes. In Europa und der restlichen Welt tritt die Organisation durch umfangreiche Propaganda und Geldbeschaffungsaktionen in Erscheinung. Die Deutschlandzentrale der Organisation ist in diesem Jahr von Köln nach Berlin - 85 - umgezogen. Der NWRI ist in der Lage, anlassbezogen 2.000-3.000 Personen zu mobilisieren. Hauptagitationsschwerpunkte des NWRI im Jahre 2005 waren die iranische Politik, die Streichung des NWRI von der so genannten Terrorliste der Europäischen Union und die durch den iranischen Staat missachteten Menschenrechte. Aufgrund der Thematik der Menschenrechtsverletzungen im Iran gibt es innerhalb Deutschlands auch Kontakte zu Menschenrechtsvereinen und politisch aktiven Einzelpersonen. Bremer Aktivisten der Organisation beteiligten sich ganzjährig an Aktionen, die durch den NWRI organisiert wurden. Auch Veranstaltungen im europäischen Ausland, wie zum Beispiel den Paris-Besuch des iranischen Staatspräsidenten KHATAMI am 05. April und eine Großveranstaltung am 18. Juni in Paris, nutzten Aktivisten des NWRI für ihre Agitation. Die zentrale und wichtigste Veranstaltung des NWRI in Deutschland fand am 09. Mai in Berlin statt. Auf dieser Veranstaltung wurde die neue Doktrin des NWRI vorgestellt. Diese sieht vor, keinen militärischen Widerstand zu leisten, sondern einen gesellschaftlichen Umbruch im Iran von innen heraus durch die Unterstützung des NWRI zu erreichen. Die Aktivitäten der Organisation in Bremen beschränken sich zurzeit noch auf das Organisieren von Demonstrationen innerhalb Bremens und das Werben neuer Mitglieder. Die Organisation nutzt für ihre Werbungszwecke und Propaganda die in Bremen eingerichteten Asylbewerberunterkünfte. Bei einer Kundgebung am 09. Juli auf dem Bremer Marktplatz zum Jahrestag eines im Iran 1999 blutig niedergeschlagenen Studentenprotestes versammelten sich ca. 100 Personen. Anmelder war ein Bremer Funktionär des NWRI. Die Anzahl der Teilnehmer spiegelt das ungefähre Mobilisierungspotenzial der NWRI in Bremen wider. - 86 - 10. "Befreiungstiger von Tamil Eelam" ("Liberation Tigers of Tamil Eelam" LTTE) Gegründet: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger: Deutschland: ca. 800 Land Bremen: ca. 20 Mobilisierungspotenzial: Land Bremen: ca. 150 Organisation/Struktur: Streng hierarchisch gegliederte Kadergruppe, Konspirative Arbeitsweise. Publikationen: "Viduthalai Puligal", vierzehntäglich. Politische Ziele / Sammeln von Geldern zur Unterstützung und Agitationsschwerpunkte: Finanzierung des bewaffneten Kampfes im Heimatland. Gründung eines eigenen unabhängigen Tamilenstaates "Tamil Eelam". Aktuelle Themen: Wiederaufnahme des Dialoges zwischen EU und LTTE Kulturelle Veranstaltungen Spendensammlungen Entwicklungen und Tendenzen: Bei den Tamilen handelt es sich um eine Volksgruppe, die den Nordosten Sri Lankas bewohnt. Der Bürgerkrieg zwischen den hinduistischen Tamilen und den buddhistischen Singhalesen um die Aufteilung der Insel schwelt seit langem. Die "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) (Befreiungstiger von Tamil Eelam) gründeten sich 1972 und fordern einen unabhängigen sozialistischen Tamilenstaat "Tamil Eelam". Zur Durchsetzung ihrer Ziele führt die Organisation seit Jahren einen Guerillakrieg gegen die von den Singhalesen dominierte Zentralregierung Sri Lankas. Im Verlauf der seit September 2002 andauernden Friedensverhandlungen zwischen der Zentralregierung und der LTTE ist die Organisation von ihrer Forderung eines eigenen Tamilenstaates abgerückt, fordert aber eine Teilautonomie innerhalb des Staatsgefüges Sri Lankas. - 87 - Die LTTE verübte in der Vergangenheit eine Vielzahl von Terroranschlägen gegen srilankische und indische Ziele. Die Aktivitäten der LTTE in Deutschland beschränkten sich auf das Sammeln von Geldern für die Finanzierung des bewaffneten Kampfes auf Sri Lanka. Die Spenden wurden in der Vergangenheit auch teilweise mit Gewalt eingefordert. Die LTTE steuert und nutzt unterschiedliche tamilische Vereine in ganz Deutschland, um so ihr Spendenaufkommen zu erhöhen. Vereinstrukturen sind derzeit im Land Bremen nicht bekannt. Bei den Bremer Anhängern handelt es sich um eine Personengruppe, die imstande ist, anlassbezogen eine große Anzahl an Aktivisten zu mobilisieren. Auch in Bremen fanden innerhalb des letzten Jahres mehrere Veranstaltungen der LTTE statt. Die Veranstaltungen der LTTE und ihrer Organisationen wurden im letzten Jahr mehrfach als Spendenveranstaltung für die Betroffenen der "Tsunami"-Katastrophe im Dezember 2004 getarnt. Die Friedensverhandlungen der LTTE mit der Regierung von Sri Lanka, die seit 2002 andauern, wurden 2005 durch die Ermordung des Außenministers Sri Lankas erschüttert. Die Europäische Union reagierte umgehend auf die Zuspitzung der Gewalt indem sie bekannt gab, keine offizielle Delegation der LTTE mehr in EU-Gremien zu empfangen. Außerdem prüft die EU, die LTTE in die Liste der terroristischen Organisation aufzunehmen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, das Finanzgebaren und die Propagandamöglichkeiten der Organisation in Europa einzudämmen. An der daraufhin durchgeführten Großdemonstration der LTTE am 24. Oktober in Brüssel nahmen ca. 10.000 Tamilen teil. Auch eine Bremer Delegation beteiligte sich an dieser Demonstration. Die Forderung der Demonstranten war u.a. die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen. In der Schlussrede sprach der stellvertretende LTTE-Deutschlandführer folgende Warnung aus: "Dies ist der letzte Versuch, lasst mich nicht die Entscheidung treffen, den 'Vierten Krieg' zu beginnen! Wir können GHANDIs - 88 - Weg des ewigen Zuhörens und Redens nicht immer weiter gehen!". An den am 17. November durchgeführten Parlamentswahlen in Sri Lanka beteiligten sich nur 5 % der Tamilen und folgten damit der Aufforderung der LTTE, an dieser Wahl nicht teilzunehmen. 11. Bewertung der aktuellen Situation sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen von Ausländern Die mitgliederstärkste extremistische Ausländerorganisation im Lande Bremen, die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG), nimmt sich nach wie vor nach der weltweiten Welle islamistischer Terroranschläge in ihrer antisemitischen, vor allem aber israelfeindlichen Rhetorik stark zurück. Sie befolgt strikt die von ihrer Zentrale in Kerpen (NRW) erteilten Weisungen, sich jeglicher politisch-agitatorischer Aktivitäten zu enthalten. Bei der IGMG sind jedoch auch Tendenzen zur Eigenständigkeit gegenüber der türkischen "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi) und eine Distanzierung von ihrem geistigen Führer Necmettin ERBAKAN zu bemerken. Der ungebrochene Führungsanspruch ERBAKANs setzt diesen Bestrebungen jedoch weiterhin deutliche Grenzen. Die von der Europäischen Union geforderte Einhaltung der Menschenrechte durch die türkische Regierung unter der Führung ERDOGAN gegenüber dem kurdischen Bevölkerungsteil betrachtet der KONGRA-GEL als Erfolg. Die abermalige Umbenennung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), erst in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK), dann in "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) wird an der Grundausrichtung der Organisation wenig ändern. Sie erhält weiterhin ihre Weisungen von ihrem "Führer" Abdullah ÖCALAN. Die Zahl der Straftaten mit ausländerextremistischer Motivation nahm ab (siehe Anhang). - 89 - V. "Scientology-Organisation" (SO) Gegründet: 1954 in den USA Gründer: L. Ron HUBBARD (1911 - 1986) Erste Niederlassung in Deutschland 1970 Erste Niederlassung in Bremen 1981 Mitglieder: Deutschland: ca. 5.000-6.000 Land Bremen: ca. 100 Organisation: Los Angeles ("Church of Scientology International" CSI) Mission in Bremen: Stolzenauer Str. 36 Bremen-Hastedt Publikationen: Freiheit, Impact, Scientology-News, Source, Diverse Internetadressen. Entwicklung und Tendenz: Die Programmatik der SO beruht nach wie vor auf den Schriften von L. Ron HUBBARD, die nach eigenen Aussagen der SO für sie unverändert Gültigkeit haben und den Mitarbeitern und Mitgliedern von SO-Einrichtungen als Arbeitsanweisungen dienen. In so genannten "policy letters" (Richtlinienbriefe) werden ihnen verbindliche Orientierungen vorgegeben. Eine von der Innenministerkonferenz (IMK) eingesetzte Arbeitsgruppe hat festgestellt, dass Ziele und Verhaltensweisen der SO der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehen. Das kollektive Verhalten der Organisation lässt Anzeichen für eine politische Zielsetzung erkennen, die letztlich darauf ausgerichtet ist, unsere verfassungsmäßige Ordnung zu verändern bzw. zu beseitigen. Dies ergibt sich aus dem von Hubbard verfassten Grundlagenwerk der SO "Dianetik" - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" und vielen Aussteigerberichten. - 90 - Die SO will eine scientologische Gesellschaft etablieren, in der eigene "Verwaltungs-, Technologieund Gerechtigkeitsverfahren" ohne Rechtsweggarantie, ohne Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, ohne Anspruch auf einen gesetzlichen und unabhängigen Richter und ohne eine gesetzmäßige Verwaltung existieren. Die programmatischen Äußerungen HUBBARDs sind für Scientologen, die Scientology-Organisation und insbesondere auch für ihre Teilorganisationen, die einzelnen "Kirchen" und "Missionen" in Deutschland oder die "International Association of Scientology" (IAS) unabänderlich und dauerhaft gültig. Die Scientology-Organisation in Deutschland bekennt sich in ihren Veröffentlichungen ausdrücklich zur Person und politischen Programmatik ihres Gründers. Wesentliche Elemente der scientologischen "Technik" bestehen darin, alle Aktivitäten auf Expansion der Organisation auszulegen. Das dokumentiert sich in der Anweisung: "make money - make more money - make other people produce so as to make money" Die "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD) und die "Scientology Kirche Berlin e.V." (SKB) hatten mit Schriftsatz vom 27. März 2003 Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit dem Ziel erhoben, die Beobachtung der Kläger mit offenen und nachrichtendienstlichen Mitteln untersagen zu lassen. Die 20. Kammer des Verwaltungsgerichtes (VG) in Köln hat am 11. November 2004 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht aus, "es sei zu der Überzeugung gelangt, die Beobachtung der SKD und der SKB durch das BfV sowohl mit offenen als auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln sei rechtmäßig. Es lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kläger Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen. Aus einer Vielzahl, teilweise auch nicht öffentlich zugänglichen Quellen, ergebe sich, dass die Kläger Bestrebungen verfolgen, die gegen die Menschenrechte sowie gegen das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und - 91 - Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben, gerichtet seien." Die Beobachtung der Kläger sei daher erforderlich, angemessen und damit insgesamt verhältnismäßig, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Scientology-Mission Bremen bietet in ihren Geschäftsräumen in der Stolzenauer Straße diverse Kurse an. Die Unterorganisation der SO, die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (KVPM) Hamburg - Ortsgruppe Bremen - hatte im Juni 2005 die Genehmigung für eine Versammlung vor dem Haupteingang der Universität Bremen beantragt. Sie hatte dort drei Stellwände mit Abbildungen von "Verstößen der Psychiatrie" aufgestellt. Die Aktion wurde jedoch kaum wahrgenommen. Flugblätter und Informationsbroschüren wurden nicht verteilt. Das Dianetik-Zentrum der Scientology-Mission Bremen e.V. hatte im Oktober und November für je einen Tag die Genehmigung für die Aufstellung von Informationsständen auf dem Bahnhofsvorplatz beantragt. Die Genehmigung wurde unter der Auflage erteilt, dass Bücher und Broschüren nicht verkauft und Werbematerialien nicht verteilt werden durften. Mitgliederwerbung war ebenfalls untersagt. An beiden Veranstaltungstagen waren von der SO auf dem Bahnhofsvorplatz einige Tische und Stühle sowie mehrere Geräte zur Durchführung eines so genannten Persönlichkeitstestes unter dem Motto "Kostenloser Stresstest" aufgebaut worden. Stieß die Aktion im Oktober kaum auf Interesse bei den Passanten, fand sie im November wesentlich mehr Beachtung. - 92 - VI. Geheimschutz Ziel des Geheimschutzes ist der Schutz staatlicher Verschlusssachen. Er soll die Kenntnisnahme durch Unbefugte verhindern, um dadurch eine Gefährdung des Bestandes, der Sicherheit oder sonstiger Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder auszuschließen. Die Sicherheit des demokratischen Rechtsstaates und die seiner Bürger sind aber unverzichtbare Verfassungswerte. Unabhängig von ihrer Darstellungsform sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die geheim zu halten sind, Verschlusssachen (VS). Sie werden je nach dem Schutz, dessen sie bedürfen, nach SS 5 Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BremSÜG) in die vier folgenden Geheimhaltungsgrade eingestuft: STRENG GEHEIM GEHEIM VS-VERTRAULICH VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH Der Schutz der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen (Verschlusssachen) wird durch Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. Beim personellen Geheimschutz sollen Sicherheitsüberprüfungen verhindern, dass Personen mit Sicherheitsrisiken sicherheitsempfindliche Tätigkeiten ausüben. Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. Sie sind in der Verschlusssachenanweisung (VSA) des Landes Bremen vom 05. Januar 1996 sowie ergänzenden Richtlinien zusammengefasst. Die Pflichten und Befugnisse der an einer Sicherheitsüberprüfung Beteiligten sind im Gesetz über die Vorraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Landes Bremen (Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - BremSÜG) geregelt. Das am 30. Juni 1998 - 93 - von der Bremischen Bürgerschaft verabschiedete Gesetz lehnt sich an das auf Bundesebene geltende SÜG an und löste die bis dahin geltenden Sicherheitsrichtlinien des Landes Bremen von 1961 ab. Die Verantwortung für den personellen und materiellen Geheimschutz in den einzelnen Dienststellen trägt der Leiter der jeweiligen Dienststelle, der diese Aufgaben weitgehend auf einen Geheimschutzbeauftragten übertragen kann. Dieser arbeitet bei der Erfüllung seiner Aufgaben eng mit den Verfassungsschutzbehörden zusammen, denen der Gesetzgeber Mitwirkungspflichten beim Geheimschutz übertragen hat (SS 3 Abs. 2 Bremisches Verfassungsschutzgesetz). Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Das SÜG sieht für Sicherheitsüberprüfungen drei Überprüfungsarten vor: * (Ü1) - einfache Sicherheitsüberprüfung * (Ü2) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung * (Ü3) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen. Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Verschlusssachengrades, zu dem der/die Betroffene Zugang erhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Ehegatte / Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personen auf den Betroffenen auswirken können. Die Sicherheitsüberprüfung wird mit dem Ziel durchgeführt, mögliche sicherheitserhebliche Erkenntnisse bei dem Betroffenen festzustellen, aus denen sich Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben. Sicherheitsrisiken sind gegeben, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen oder an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder Erpressbarkeit bzw. Anfälligkeit für Anbahnungsund Werbungsversuche durch fremde Nachrichtendienste für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland vorliegen. - 94 - In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass eine Sicherheitsüberprüfung nur mit vorheriger Zustimmung des Betroffenen erfolgen darf. Das LfV gibt gegenüber den für die Sicherheitsüberprüfung zuständigen Stellen ein so genanntes Sicherheitsvotum ab. Das Votum ist eine Entscheidungshilfe, auf deren Grundlage die zuständige Stelle (Beschäftigungsbehörde) über die Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entscheidet. Das Ende der Ost-West-Konfrontation und die Intention des im Jahre 1998 in Kraft getretenen Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, den Kreis der staatlichen Geheimnisträger auf den notwendigen Kernbestand zu beschränken, hatte zur Folge, dass das Antragsaufkommen bei den Sicherheitsüberprüfungen im Laufe der letzten Jahre stark zurückgegangen ist. Dagegen haben die anderen Überprüfungsarten deutlich zugenommen. Dies betrifft speziell die beim Einbürgerungsverfahren angestiegenen Anfragen und die Regelanfragen nach dem Aufenthaltsgesetz. Ebenfalls stark angestiegen sind die Überprüfungen von Personen, die Zugang zu den sicherheitskritischen Bereichen des Flughafens haben. Diese Personenüberprüfungen nach dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG) sind auch deswegen stark angestiegen, weil der Überprüfungszeitraum bei den Wiederholungsüberprüfungen von fünf Jahren auf ein Jahr verkürzt wurde. Weiter ist das LfV Bremen für die Überprüfung von Personen nach dem "Bremischen Hafensicherheitsgesetz" zuständig. Das Gesetz ist am 01. Juli 2004 in Kraft getreten. Danach werden im Rahmen der Gefahrenabwehr und als vorbeugende Maßnahme zum Schutz des Seeverkehrs und von Hafenanlagen Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchgeführt. Neu hinzugekommen ist für das LfV Bremen die Überprüfung von Personen nach dem "Sprengstoffgesetz". Das Gesetz ist entsprechend geändert worden; danach ist der Verfassungsschutz seit dem 01. September 2005 als mitwirkende Behörde bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung mit eingebunden. - 95 - Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2005 folgendes Bild: Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 29 a LuftVG pro Jahr: 2004 2005 1872 Personen 1907 Personen Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 13 Hafensicherheitsgesetz: 2004 2005 82 Personen 15 Personen Zuverlässigkeitsüberprüfungen gem. SS 8 Sprengstoffgesetz ab 2005: 2005 17 Personen Regelanfragen im Rahmen von Einbürgerungen: 2004 2005 3120 Personen 2653 Personen Regelanfragen vor Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung: 2004 2005 2395 Personen 2058 Personen - 96 - Anhang Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender extremistischer Motivation Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation insgesamt12 2002 132 2003 73 2004 86 2005 121 Davon Propagandadelikte 2002 82 2003 48 2004 48 2005 72 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Motivation 2002 60 2003 36 2004 18 2005 44 Straftaten im Zusammenhang mit erwiesener oder zu vermutender politisch motivierter Ausländerkriminalität 2002 20 2003 63 2004 30 2005 14 12 Zur Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen Erfassung und Bewertung politisch motivierter Straftaten wurde ein neues Definitionsund Erfassungssystem erarbeitet, dass mit Wirkung vom 01.01.2001 eingeführt wurde. Seit Einführung des neuen Definitionsund Erfassungssystems werden rechtsextremistische Straftaten und Propagandadelikte nach kriminalistischen Aspekten erfasst.