Der Senator für Inneres, Freie Kultur und Sport Hansestadt Bremen VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2002 Herausgeber: Senator für Inneres, Kultur und Sport Contrescarpe 22-24, 28203 Bremen www.bremen.de/innensenator Bremen, im März 2003 ... VORWORT Mit dem 11. September 2001, dem Tag der furchtbaren Terroranschläge in den USA, ist eine neue Qualität der Bedrohung und der Angst auch in unserem Land entstanden. Den Bürgern unseres Landes wurde durch die menschenverachtenden Angriffe islamistischer Terroristen vor Augen geführt, wie brüchig und gefährdet unsere vermeintliche Sicherheit ist. Die Erkenntnis, dass einige der Terroristen zuvor jahrelang unauffällig in Deutschland gelebt haben, belegt, dass Deutschland nicht nur als Ruhe-, sondern auch als Vorbereitungsraum für terroristische Anschläge diente. Als Folge dieser Erkenntnis wurden in zahlreichen Bundesund Ländergesetzen Vorkehrungen getroffen, die nicht nur ermöglichen sollten, gegen terroristische Anschläge besser gewappnet zu sein, sondern auch um grundlegend die Beobachtung und Erkenntnisgewinnung im Bereich des Internationalen Terrorismus zu verbessern. Vor diesem Hintergrund war es auch in Bremen dringend notwendig, die Handlungsfähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz im Bereich der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus durch eine umfassende Personalaufstockung und eine verbesserte technische Ausstattung deutlich zu stärken. Dieser Maßnahme kommt umso größere Bedeutung zu, als das Landesamt für Verfassungsschutz in früheren Jahren - und in völliger Verkennung der Bedeutung der von diesem Amt zu erfüllenden Aufgaben - einen Personalabbau in erheblichem Umfang hinnehmen musste. Bund und Länder haben mit den Verfassungsschutzbehörden wirksame Einrichtungen geschaffen, um verfassungsfeindliche Bestrebungen jeglicher Art frühzeitig zu erkennen und ihre weitere Entwicklung zu beobachten. Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation Anfang ... der 90er Jahre haben sich die Bedrohungslagen dramatisch verändert. Die bereits beschriebenen Entwicklungen auf dem Gebiet des Internationalen Terrorismus machen dies deutlich, sind aber nur ein Beispiel für diese Veränderungen. Geblieben aber ist der Auftrag an die Verfassungsschutzbehörden, unseren demokratischen Rechtsstaat zu schützen. Dies ist aber nicht nur die Aufgabe staatlicher Behörden. Jeder einzelne Bürger ist bei der geistigpolitischen Auseinandersetzung mit den Gegnern der Demokratie gefordert. Der vorliegende Verfassungsschutzbericht soll zur Information interessierter Bürger über die politischen Ziele und Aktivitäten extremistischer Gruppierungen dienen, aber auch die Gefahren darstellen, die zum Beispiel durch Spionage ausländischer Nachrichtendienste oder Aktivitäten der Scientology-Organisation drohen. Der Bremer Verfassungsschutzbericht 2002 , der in dieser Form und in diesem Umfang zum ersten Mal vorgelegt wird, enthält Aussagen zum gesamten Aufgabenspektrum des Landesamtes für Verfassungsschutz. Es darf auch im Zusammenhang mit einzelnen spektakulären Themen nicht aus den Augen verloren werden, dass alle Extremismusbereiche mit den gebotenen und zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden müssen. Von allen Extremismusbereichen gehen in gleichem Maße Gefahren für den Staat oder seine Interessen aus. Der Verfassungsschutz leistet mit seinen Erkenntnissen einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung des Extremismus. Das extremistische Spektrum im Land Bremen weist weitgehend dieselben Schwerpunkte auf, die sich auch aus dem bundesweiten Lagebild ergeben. Einzelne regionale Ausprägungen entsprechen dem Stadtstaatenstatus Bremens sowie dem Funktionsdualismus der Städte Bremen und Bremerhaven. Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz, die mit ihrer engagierten Arbeit einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Demokratie leisten. Bremen, im März 2003 Dr. Kuno Böse - Senator - ... 5 Inhaltsverzeichnis Seite Verfassungsschutz im Lande Bremen 7 I. Rechtsextremismus 12 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 13 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) 20 3. "Die Republikaner" (REP) 25 4. Neonazistische "Kameradschaft Bremen" 28 5. Bewertung der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Bremen 31 II. Linksextremismus 33 1. "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 33 2. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 37 3. "Autonome" 40 4. "Sozialistische Alternative Voran" (SAV) 45 5. "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union" (FAU) 46 6. "Rote Hilfe e. V." (RH) 48 7. Sonstige linksextremistische Parteien und Gruppen 49 8. Bewertung der aktuellen Situation des Linksextremismus in Bremen 50 III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von 52 Ausländern 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) / "Freiheitsund Demokratiekongress 52 Kurdistans" (KADEK) 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 60 3. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) 63 4. Iranische Gruppierungen 68 5. Terroristisch ausgerichtete islamistische Gruppierungen 69 6. Bewertung der aktuellen Situation sicherheitsgefährdender und 70 extremistischer Bestrebungen von Ausländern IV. Spionageabwehr 72 1. Wirtschaftsspionage 73 2. Proliferation 73 V. Scientology-Organisation (SO) 77 VI. Geheimschutz 81 Anhang 84 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender extremistischer Motivation ... 6 ... 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Bremen 2002 Verfassungsschutz im Lande Bremen Den Verfassungsschutzbehörden ist durch das Grundgesetz und die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder die Aufgabe zugewiesen worden, verfassungsfeindliche sowie sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu beobachten. Über die Ergebnisse dieser Arbeit werden die politisch Verantwortlichen, aber auch die Öffentlichkeit unterrichtet, um einen Überblick über den realen Stand der Gefahren zu erhalten, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, dem Kernbereich unserer Verfassung, von ihren Gegnern droht. Der institutionelle Verfassungsschutz dient insofern als "Frühwarnsystem". Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen: * das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, * die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, * das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, * die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, * die Unabhängigkeit der Gerichte, ... 8 * der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und * die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Bremen ist nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz verpflichtet, im Nachrichtenverbund mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zusammen zu arbeiten, denn verfassungsfeindliche Organisationen und Personen berücksichtigen bei ihren demokratiefeindlichen Aktivitäten innerhalb der Bundesrepublik keine Ländergrenzen. Demzufolge werden die grundlegenden Arbeitsergebnisse auch im föderativen Ämterverbund analysiert und einer gemeinsamen Bewertung zugeführt. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen es den zuständigen Stellen ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu treffen. Dies kann primär durch eine geistig-politische Auseinandersetzung mit den Zielen oder dem Verhalten extremistischer Gruppierungen geschehen. Aber auch das Verbot eines Vereins durch den zuständigen Innenminister/senator oder einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht kann als Folge des von den Verfassungsschutzbehörden gelieferten Beweismaterials in Betracht kommen. Erkenntnisse des Verfassungsschutzes aus dem militant-extremistischen oder gar terroristischen Bereich bilden nicht selten die Basis für staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Das LfV Bremen ist wie alle Verfassungsschutzbehörden nur beobachtend und unterrichtend tätig. Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse ... 9 nicht zu. Es darf mit Polizeidienststellen organisatorisch nicht verbunden werden und diese auch im Wege der Amtshilfe nicht um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. Andererseits darf auch die Polizei in extremistischen Zusammenhängen nicht nachrichtendienstlich tätig werden. Die nachrichtendienstliche Ausprägung der Verfassungsschutzbehörden ergibt sich vorrangig aus dem Umstand, dass sie nicht dem Strafverfolgungszwang (Legalitätsprinzip) unterliegen, sondern nach dem Opportunitätsprinzip handeln. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben dürfen sie Mittel und Instrumente einsetzen, die der geheimen, von Betroffenen nicht wahrnehmbaren, Nachrichtenbeschaffung dienen. Beispiele für diese "nachrichtendienstlichen Mittel" sind: * Einsatz von Vertrauensleuten (VM) * die Observation * geheimes Fotografieren sowie * Tarnmaßnahmen, mit denen verdeckt werden soll, dass der Verfassungsschutz tätig ist. Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz im Einzelfall unter engen, gesetzlich normierten Voraussetzungen den Briefund Fernmeldeverkehr überwachen. Gleichwohl werden die meisten Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen (Parteiprogramme, Flugblätter, Publikationen, öffentliche Veranstaltungen) gewonnen. Im gesamten Spektrum seiner Aufgabenerfüllung bewegt sich der Verfassungsschutz keinesfalls in einer rechtlichen Grauzone. Sein Handeln ist an die Gesetze und an rechtsstaatliche Maßstäbe gebunden. Das LfV Bremen unterliegt in seiner Arbeit der Aufsicht durch den politisch ver... 10 antwortlichen Senator, der sich der parlamentarischen Kontrolle stellen muss, die im Falle des LfV von einer speziell für diesen Zweck konstituierten parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) ausgeübt wird. Maßnahmen im Postund Fernmeldeverkehr sind an die Genehmigung und Überwachung durch eine von der Bürgerschaft eingesetzte G10-Kommission gebunden. Unberührt davon bleiben die Kontrollen durch den Datenschutzbeauftragten und den Rechnungshof sowie die Nachprüfung durch die Gerichte. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist zu erreichen unter Anschrift: Flughafenallee 23 28199 Bremen Telefon: 0421/5377-0 Fax: 0421/5377-195 E-Mail: office@lfv.bremen.de Internet: http://www.bremen.de/innensenator/ Beobachtungsschwerpunkte im Jahre 2002 Die Aufklärungsprioritäten des LfV Bremen wurden im Einklang mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bestimmt. Die extremistischen und sicherheitsgefährdenden Komplexe weisen bundesweit nur minimale, meist regional bedingte Abweichungen auf. Die Welle weltweiter Terroranschläge mit islamistischem Täterhintergrund haben die Aufklärung fundamentalistischer Organisationen des Islam und die Beobach... 11 tung von Einzelpersonen dieses Spektrums weiterhin in die vorderste Linie gerückt. Auch die gegen den Kernbereich des Grundgesetzes gerichteten Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen sowie die Aktionen linksextremistischer autonomer Gruppen, die nicht selten in Konfrontationen bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gegen Rechtsextremisten mündeten, erfordern eine stetige, hohe Beobachtungsintensität. Demgegenüber waren sicherheitsgefährdende Aktivitäten der sich in KADEK umbenannten ehemaligen "Kurdischen Arbeiterpartei" (PKK) in Folge des proklamierten "Friedenskurses" nicht zu verzeichnen. ... 12 I. Rechtsextremismus Rechtsextremisten aller Schattierungen verfechten die "Ideologie der Ungleichheit". Sie stellen ihre Nation, ihre Rasse und ihre Volksgemeinschaft über andere Nationen, andere Rassen und über die Rechte des Individuums. Folglich wenden sie sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und propagieren bzw. praktizieren eine aggressive, menschenverachtende, rassistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit. Gleichwohl verfügen sie über keine gefestigte ideologische Struktur. Die den deutschen Rechtsextremismus prägende Haltung ist seine, die geschichtlichen Tatsachen leugnende Einstellung zum "Dritten Reich" und die Verharmlosung, Rechtfertigung oder gar Verherrlichung nationalsozialistischer Untaten. In diesem Rahmen wird auch der Antisemitismus beständig genährt. Der Rechtsextremismus in Deutschland stellt somit kein einheitliches Gefüge dar. Das Spektrum umfasst rechtsextremistische Skinheads mit einem diffusen Weltbild, geprägt von fremdenfeindlichen Ressentiments. Sie treten durch spontane Gewalttaten und ihre aggressive, volksverhetzende Musik in Erscheinung. Von dieser Skinheadszene heben sich die Neonazis durch eine stärker ausgeprägte zielgerichtete politische Aktivität ab, obwohl die Grenzen teilweise fließend sind. Eindeutig ist die Orientierung der Neonazis an nationalsozialistischen Vorstellungen eines "Führerstaates" auf rassistischer Grundlage. Die rechtsextremistischen Parteien vertreten dagegen Positionen, die den nationalsozialistischen Staat unter Abwendung von Menschenund Bürgerrechten zum obersten Prinzip erheben. ... 13 Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung werden in durchaus differierender Intensität von allen Ausprägungen des Rechtsextremismus missachtet. Annähernd 150 rechtsextremistische Organisationen und Personenzusammenschlüsse in Deutschland, die sich weitgehend heftig konkurrierend gegenüberstehen, machen das Entstehen einer einheitlichen rechtsextremistischen Organisation weiterhin unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund wurden 2002 in Bremen folgende Parteien und Gruppierungen beobachtet: 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 6.100 Land Bremen: ca. 50 Publikationen: "Deutsche Stimme" "Bremer Nationalistische Zeitung" Der Landesverband Bremen der NPD hat eine "Homepage" in das Internet eingestellt. Organisation/ Der NPD-Landesverband Bremen besteht aus den KreisverStruktur: bänden Bremen und Bremerhaven. Die Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) ist mit einem "Stützpunkt Bremen" vertreten. ... 14 Politische Ziele/ Die NPD versteht sich als "sozialrevolutionäre ErneuerungsAgitationsbewegung", als "Partei der neuen Ordnung" und "nationale schwerpunkte: Alternative für ein besseres Deutschland". Sie will "auf den Trümmern des Liberalkapitalismus ein neues Deutschland errichten". Einher damit geht eine Polemik gegen das Demokratieprinzip und eine Diffamierung des parlamentarischen Systems und seiner Repräsentanten. Sie erhebt einen Führungsanspruch im "nationalen Lager". Letztes WahlBundestagswahl 2002 zum Vergleich: 1998 Ergebnis: Land Bremen: 0,48% (1801 Stimmen) 0,28% (1134) Stadt Bremen: 0,44% (1372 Stimmen) 0,27% ( 882) Stadt Bremerhaven: 0,66% ( 429 Stimmen) 0,35% ( 252) Bürgerschaftswahl 1999 Land Bremen: 0,28% (= 817 Stimmen) Stadt Bremen: 0,26% (= 651 Stimmen) Stadt Bremerhaven: 0,36% (= 166 Stimmen) ... 15 Aktuelle Anti-Verbotskampagne: "Argumente statt Verbot" Themen: "Rückführungsprogramm statt Zuwanderungsgesetz" "Keine deutschen Soldaten für fremde Interessen" "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" "Gegen Globalisierungswahn" "Stoppt die Anti-Wehrmachtsausstellung" Entwicklung und Tendenz: Die 1964 gegründete NPD war über viele Jahre die einzige rechtsextremistische Partei. Nach ihren beachtlichen Wahlerfolgen in den Jahre 1967 - 1969 (in der Bremischen Bürgerschaft war sie von 1967 - 1971 vertreten; Wahlergebnis: 8,84%) wurde sie in den folgenden Jahrzehnten weitgehend bedeutungslos. Es gelang ihr nie mehr bei Wahlen auch nur annähernd an die 5-Prozent-Marke heranzukommen. Ihre Mitgliederzahl reduzierte sich bundesweit von 28.000 auf ca. 4.000. Erst nach der Beendigung der deutschen Teilung vermochte es die NPD, ihre Mitgliederzahlen wieder auf 6500 zu steigern. Nicht zuletzt als Folge der lang anhaltenden Verbotsdiskussion ist im Jahr 2002 bundesweit ein Rückgang auf 6100 zu konstatieren. Auch im Land Bremen ging die Mitgliederzahl im Vergleich zum Vorjahr von ca. 60 auf ca. 50 zurück. Nur etwa 25 von ihnen beteiligten sich im Jahr 2002 an den festgestellten Aktivitäten. Nach den Vereinsverboten von neonazistischen Gruppen in den Jahren 1992/93 traten eine beachtliche Zahl dieser neonazistischen Aktivisten in die NPD ein. Dadurch erlangte die Partei eine Kampagnefähigkeit, die sich in der Folgezeit in ... 16 bundesweiten Großdemonstrationen vornehmlich gegen die "Wehrmachtsausstellung" ausprägte. Das in dieser Phase vom Bundesvorstand ausgegebene Konzept: "Kampf um die Straße / Kampf um die Köpfe / Kampf um die Stimmen" machte die NPD zu der aktivsten Bewegung im rechtsextremistischen Spektrum. Vor allem die "aggressiv-kämpferische" Ausrichtung aufgrund dieser Entwicklung führte zu den Verbotsanträgen von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht. Am 22. Januar 2002 wurde vom Zweiten Senat des höchsten deutschen Gerichts einstimmig beschlossen, die für Februar 2002 vorgesehenen Termine zur mündlichen Verhandlung des NPD-Verbotsverfahrens aufzuheben, weil eine der geladenen Anhörungspersonen die Aussagegenehmigung einer Verfassungsschutzbehörde vorlegen werde. Es handele sich um ein langjähriges Mitglied des Bundesvorstandes der NPD. Äußerungen dieser Anhörungsperson seien von den Antragstellern mehrfach als Beleg für die Verfassungswidrigkeit der Partei angeführt worden. Die damit aufgeworfenen prozessualen und materiellen Rechtsfragen seien, so erklärte das Bundesverfassungsgericht, bis zum Verhandlungstermin nicht zu klären. Nach Auffassung der NPD bestehe "Grund zu der Annahme, dass von interessierter Seite der Versuch unternommen wurde, das Verfahren schon vor Eröffnung zum Scheitern zu bringen, um die Erörterung der Rolle der Geheimdienste in einer öffentlichen Verhandlung zu vermeiden". Am 8. Oktober führte das Bundesverfassungsgericht eine Anhörung von Klägern und Beklagter durch. Der Weitergang des Verfahrens ist noch nicht terminiert. Unter dem Motto "Deutschland wir kommen" richtete die NPD am 16. / 17. März in Königslutter (Niedersachsen) ihren 29. ordentlichen Parteitag aus. Im Mittelpunkt ... 17 standen dabei die Neuwahl des Parteivorstandes, der Bericht des Parteivorsitzenden zur Lage der Partei, die Teilnahme an der Bundestagswahl 2002 sowie das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Der bisherige Parteivorsitzende Udo VOIGT wurde in seinem Amt bestätigt. Nach einer Pressemitteilung der NPD wählten 155 der anwesenden 207 Delegierten VOIGT erneut zum Parteivorsitzenden. Auf seinen Gegenkandidaten, den früheren Parteivorsitzenden Günter Deckert, entfielen lediglich 42 Stimmen Die Zusammensetzung des neugewählten Parteivorstandes lässt keine Zunahme eines neonazistischen Einflusses innerhalb der Parteiführung erkennen. Bremer NPD-Funktionäre sind im Bundesvorstand nicht vertreten. In einer auf der NPD-Internetseite verbreiteten "Parteitagsnachlese" werden die "mit der Führungsübernahme der Mannschaft VOIGT vor zwei Jahren begonnenen Erfolge im Kampf um die Straße, Achtungserfolge bei Wahlen und der beachtliche Erfolg im Kampf um die Köpfe" gefeiert. Durch das eingeleitete Verbotsverfahren habe die Partei eine noch nie da gewesene öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Der Parteivorstand kündigte auf dem Parteitag die Teilnahme der NPD an der Bundestagswahl im September 2002 an. Für alle 16 Bundesländer wurden Landeslisten aufgestellt. Als Schwerpunktthemen wurden für den Wahlkampf die Agitation gegen die Globalisierung und die Einwanderung proklamiert. An vorderster Stelle im Wahlkampf der NPD stand jedoch die propagandistische Ausschlachtung des gegen sie anhängigen Verbotsverfahrens mit der Parole "Deutschland kann man nicht verbieten". Mit dem Stimmenanteil von 0,4% konnte die NPD gegenüber der Bundestagswahl 1998 einen Stimmengewinn von 0,2% erzielen. In einer über das Internet verbreiteten NPD-Pressemitteilung zeigte sich der Parteivorsitzende VOIGT zufrieden ... 18 über den Stimmenzuwachs. Als Wermutstropfen bezeichnete es das Parteipräsidium, dass die NPD die für die weitere Parteifinanzierung erforderlichen 0,5% Wählerstimmen knapp verpasste. Neben einer Landesliste hatte der Bremer NPD-Landesverband für die Bundestagswahl mit dem NPD-Landesvorsitzenden Jörg-Hendrik WRIEDEN einen Direktkandidaten im Wahlkreis 55 Bremen II - Bremerhaven aufgestellt. Den geplanten Schwerpunkt seiner Wahlwerbung, sich mit provokanten Aufzügen und Kundgebungen öffentlich darzustellen, konnte der Bremer Landesverband nicht durchhalten, nachdem bereits die Auftaktveranstaltung am 10. August durch massive "antifaschistische" Gegenaktionen behindert wurde. Aufzug am 10. August 2002 in Bremen-Findorff ... 19 Die Wahlpropaganda beschränkte sich danach auf Informationsstände und Flugblattverteilungen. Im September wurden in der 9. Ausgabe des Landesverbandorgans "Bremer Nationalistische Zeitung" unter der Überschrift "Bundestagswahl 2002: Nationale Deutsche statt korrupte Internationalisten" die Bremer NPD-Kandidaten vorgestellt. Auch die Bremer NPD wertete das erzielte Wahlergebnis als Erfolg. Das mit fast 0,5% überproportional gute Ergebnis im Lande Bremen wurde besonders hervorgehoben. Die Aktionsfähigkeit des Bremer Landesverbandes ist gegenüber den beiden Vorjahren weiterhin rückläufig. Öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen mit überregionaler Beteiligung blieben aus. Eine Beteiligung an überregionalen Veranstaltungen der Bundespartei oder anderer Landesverbände fand nur durch Einzelpersonen statt. Der Bremer NPD-Landesvorstand hat sich im Berichtsjahr der Gewinnung junger Mitglieder gewidmet, um seinen Jugendverband "Junge Nationaldemokraten - Stützpunkt Bremen" zu aktivieren, der in den zurückliegenden Jahren lediglich durch eine Internetseite präsent war. Gleichwohl sind die JN in Bremen wie auch bundesweit zu einem Anhängsel der NPD verkümmert und werden öffentlich kaum wahrgenommen. ... 20 Eine allerdings wegen persönlicher Differenzen reduzierte Interaktion mit der neonazistischen "Kameradschaft Bremen" besteht fort. Der NPD-Landesvorsitzende WRIEDEN war im April 2002 vom Amtsgericht Bremen-Blumenthal wegen Volksverhetzung sowie wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Volksverhetzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Landgericht Bremen wies im Oktober 2002 die Berufung WRIEDENs zurück. Im Juli 2000 hatte WRIEDEN über sein FaxGerät eine Presseerklärung der -mittlerweile verbotenenSkinhead-Gruppierung "Blood&Honour" an die Bremer Redaktion der Tageszeitung "taz" verschickt, in der es unter anderem hieß, dass es "absolut unverständlich ist, dass sich einige Beamte der Polizei immer noch fragen, warum Menschen wie Kai DIESNER auf Polizisten schießen. Bei diesem Verhalten sollten sie sich besser fragen, warum die anderen dies nicht tun". Der Berliner Neonazi Kai DIESNER hatte im Jahre 1997 auf einem Autobahnrastplatz einen Polizisten erschossen und einen weiteren schwer verletzt. 2. "Deutsche Volksunion" (DVU) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 13.500 Land Bremen: ca. 230 Publikationen: "National-Zeitung" (NZ), (erscheint bundesweit mit einer wöchentlichen Auflage von 45.000 Exemplaren) ... 21 Mandate: 1 Mandat in der Bremischen Bürgerschaft 3 Mandate in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven 5 Mandate in den Beiräten Organisation/Struktur: Der DVU-Landesverband Bremen besteht aus den Kreisverbänden Bremen und Bremerhaven Aktuelle Themen: Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr. Polemik gegen Israel: In der National-Zeitung der DVU sind im Laufe des Jahres 2002 mehrfach Artikel mit - zumindest unterschwelliger - antiisraelischer/antisemitischer Tendenz erschienen. Nachstehende Überschriften werden hiefür beispielhaft aufgeführt: * Warum sich Israel soviel erlauben darf * Wieviel Macht hat Israel über uns? * Kann man Michael Friedmann trauen? * Ist die FDP antisemitisch? * Wachsender Judenhass in Holland * Israel Kritik: Maulkorb für Möllemann * Die Antisemitismus-Lüge ... 22 Politische Ziele/ Lt. Parteiprogramm ist es Hauptziel der DVU, "dass Agitationsschwerpunkte: deutsche Politik in Deutschland endlich wieder gem. Artikel 56 des Grundgesetzes (Amtseid) betrieben wird". Widerstand gegen die Errichtung von NS-Mahnmalen. Wiedervereinigung Deutschlands in den Grenzen von 1937. Verteidigung der "Ehre der ehemaligen deutschen Wehrmacht". Antisemitismus / Propaganda gegen Israel. Keine Zuwanderung / Drohende "Umvolkung" der Deutschen. Abschiebung krimineller Ausländer. Arbeit für Deutsche. Letztes Wahlergebnis: Bürgerschaftswahl 1999 Land Bremen: 3,03% (= 8823 Stimmen) Stadt Bremen: 2,48% (= 6076 Stimmen) Stadt Bremerhaven: 5,99% (= 2747 Stimmen) An den Bundestagswahlen 1998 und 2002 hat die DVU nicht teilgenommen. ... 23 Entwicklung und Tendenz: Der Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY, der seit vielen Jahren im Rechtsextremismus in unterschiedlichen Organisationen eine maßgebliche Rolle gespielt hatte, überführte 1987 die Abonnenten seiner Wochenschrift "Deutsche NationalZeitung" in die Mitgliedschaft der von ihm als Partei etablierten "Deutschen Volksunion". Die im Verlag des Bundesvorsitzenden erscheinende "Nationalzeitung" ist das Sprachrohr der Partei. In der Berichterstattung werden die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert und eine antisemitische Stimmung geschürt. Die aktuelle Entwicklung im Nahen Osten führte zu verstärkten Solidaritätsbekundungen mit den Palästinensern. Eine klare Schuldzuweisung für die Eskalation des Konfliktes wird an die Adressen der USA und Israels gerichtet. Ein durchgehendes Thema der DVU ist die "Umvolkung der Deutschen". Es wird damit unterstellt, dass durch eine gezielte und geplante Zuwanderung in Deutschland ein "Volksaustausch" vorgenommen wird. Dabei wird eine fremdenfeindliche Tendenz erkennbar, die darauf gerichtet ist, Ängste vor Massenzuwanderung hervorzurufen. Der Partei, die von FREY zentralistisch und autoritär geführt wird, gelang es bei ihrem ersten Wahlantritt 1987 in Bremen (damals noch in einem Zweckbündnis mit der NPD) über die Bremerhavener Wahlliste ein Mandat in der Bremer Bürgerschaft zu erringen. Bei den folgenden Wahlen in Bremen konnte dieser Trend ... 24 bestätigt und zeitweilig sogar ausgebaut werden. Insbesondere den Wahlbereich Bremerhaven betrachtet der Parteibeherrscher FREY seither als "seine Bastion". Auf ihrem Parteitag am 12. Januar 2002 in München wurden der stellvertretende Bremer Landesvorsitzende Hans-Otto WEIDENBACH (49) als Beisitzer im Bundesvorstand bestätigt und der einzige DVU-Abgeordnete in der Bremer Bürgerschaft, Siegfried TITTMANN (47), neu als Beisitzer in dieses Gremium gewählt. Die Mitgliederzahlen der DVU sind in Bremen seit ihrer Gründung rückläufig, nicht zuletzt wegen des hohen Durchschnittsalters. In Bremen sind sie seit Ende der 80'er Jahre von ca. 800 auf ca. 230 im Jahre 2001 kontinuierlich zurückgegangen. Um diese Entwicklung zu stoppen, versuchte die Partei im Jahr 2001 und auch 2002 unter den Aussiedlern aus Russland neue Mitglieder zu gewinnen. Diese Versuche waren offenbar erfolgreich, denn entgegen dem Bundestrend konnte der Mitgliederstand des Vorjahres gehalten werden. Öffentliche Veranstaltungen führt die Partei in Bremen aus Furcht vor Gegenaktionen nicht durch. Satzungsobligatorische Mitgliederversammlungen werden weiterhin unter konspirativen Modalitäten außerhalb Bremens im niedersächsischen Umland durchgeführt. Die gesamte Organisationsund Finanzkraft lenkt der Bundesvorsitzende vorzugsweise auf die Teilnahme an Wahlen im Lande Bremen. Um seine Ressourcen zu schonen, hat er die Partei daher nicht zur Bundestagswahl 2002 antreten lassen. Die DVU will künftig nur noch dort bei Wahlen kandidieren, wo eine erfolgreiche Basis vorhanden ist. Diese Situation wird von FREY im Land Bremen gesehen. Eine Teilnahme an den Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft im Mai 2003 kann daher als sicher angesehen werden. ... 25 3. "Die Republikaner" (REP) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 9.000 Land Bremen: ca. 15 Publikationen: "Der neue Republikaner" Organisation/ Landesverband Bremen Struktur: Politische Ziele/ Diffamierung des demokratischen Rechtsstaates sowie seiner AgitationsInstitutionen und Repräsentanten. Verharmlosung und Relaschwerpunkte: tivierung der NS-Verbrechen. Schüren von fremdenfeindlichen Ressentiments. Letztes WahlBundestagswahl 2002 zum Vergleich: 1998 Ergebnis: Land Bremen: 0,25% (940 Stimmen) 0,68% (2721) Stadt Bremen: 0,26% (801 Stimmen) 0,75% (2467) Stadt Bremerhaven: 0,21% (139 Stimmen) 0,36% ( 254) Bürgerschaftswahl 1999 Nicht teilgenommen. Aktuelle Themen: "Bildung fördern - Schule ist keine Multikulti-Spielwiese" "Rückführung statt Zuwanderung" ... 26 Entwicklung und Tendenz: Erst seit 1992 wird die 1983 gegründete Partei einheitlich von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Davor war es ihr gelungen, ihre rechtsextremistische Ausrichtung "rechtskonservativ" zu kaschieren. Bis 1994 wurden die REP durch die Popularität ihres Vorsitzenden Franz SCHÖNHUBER zur politisch stärksten Kraft unter den rechtsextremistischen Parteien. Sie errang Mandate im Europaparlament und in verschiedenen Länderparlamenten. Dem Bremer Landesverband gelang es jedoch zu keiner Zeit an diesen Erfolgen zu partizipieren. Nachdem SCHÖNHUBER aufgrund langwieriger Querelen aus der Partei ausgetreten war, vermochte es sein stets umstrittener Nachfolger Dr. Rolf SCHLIERER nicht, die Partei auf Erfolgskurs zu halten. Die enormen Stimmenverluste bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hamburg im Vorjahr setzten sich 2002 bei der Bundestagswahl (von 1,8% auf 0,6%) und der zeitgleichen Landtagswahl in MecklenburgVorpommern (von 0,5% auf 0,3%) fort. In Bremen erzielte die Partei bei der Bundestagswahl nur noch einen Stimmenanteil von 0,25% gegenüber 0,6% bei der Bundestagswahl im Jahre 1998 und blieb damit noch deutlich unter dem aktuellen Bundesergebnis. In einer über das Internet verbreiteten Pressemitteilung vom 23. September 2002 äußerten sich die REP enttäuscht über das schlechte Abschneiden bei der Wahl zum Deutschen Bundestag. Diese Negativentwicklung führte zu einer anhaltenden personellen und programmatischen Krise. Die Partei ist in keinem Landesparlament mehr vertreten. Unter der Führung ihres Bundesvorsitzenden SCHLIERER versucht sich die Partei im rechtskonservativen Lager zu etablieren und gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen abzugrenzen. Dieser Kurs ist in der Partei äußerst umstrit... 27 ten und führte zu vermehrten Austritten. Erkennbar wird in diesem Zusammenhang die Hinwendung enttäuschter REP-Mitglieder zur "Deutschen Partei" (DP). Die DP, 1933 zwangsaufgelöst und 1947 neu gegründet, gibt sich als "patriotische Alternative" aus und versucht sich als Sendungsbewegung des rechten Spektrums zu etablieren. In Bremen wurde am 19. Juli 2002 ein Landesverband gegründet. Auf dem Bundesparteitag der REP am 2./3. November in Deggendorf (Bayern) bestätigten über 70% der 262 Delegierten den Bundesvorsitzenden SCHLIERER im Amt. Ein Gegenkandidat war nicht angetreten. Mit der - trotz starker Unzufriedenheit mit seinem Kurs - erfolgten Wiederwahl SCHLIERERs werden die fehlenden personellen Alternativen deutlich. Als Schwerpunkte seiner nächsten Amtsperiode gab der Parteivorsitzende die "Straffung und Reform der Parteistrukturen sowie die eingehende Schulung der kommunalen Mandatsträger" aus. Der Bremer Landesverband, der über viele Jahre von Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Polizei / Bundeswehr) geleitet wurde, spiegelt die desolate Situation anderer Landesverbände wieder. Die Mitgliederzahl stagniert bei ca. 15 Personen. Die angestrebte Gewinnung neuer Mitglieder, um aus der totalen Bedeutungslosigkeit herauszutreten, konnte nicht realisiert werden. Zur Bundestagswahl war es dem Bremer Landesverband gelungen, eine Landesliste aufzustellen. Auf seiner Internetseite hatte er ein Formular für Unterstützungsunterschriften angeboten. Ein öffentlichkeitswirksamer Wahlkampf fand nicht statt, weil neben den eigenen beschränkten Möglichkeiten auch kaum Unterstützung durch die Bundespartei erfolgte. An der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtagswahl) im Mai 2003 will der Bremer Landesverband trotzdem teilnehmen. ... 28 4. Neonazistische "Kameradschaft Bremen" Gesamtpotenzial: Bundesrepublik: ca. 2.600 Personen (organisiert in ca. 160 Kameradschaften) Land Bremen: ca. 30 Personen Publikationen: Keine Organisation/Struktur: Keine. Lediglich lose kommunikative Vernetzung über Telefon und elektronische Medien. Politische Ziele/ Agitationsschwerpunkte: Errichtung eines nationalsozialistischen Systems Verehrung des Dritten Reiches und seiner Repräsentanten, insbesondere Rudolf Heß Anti-Amerikanismus Fremdenhass Aktuelles Thema: Aktionen gegen die neugestaltete "Wehrmachtsausstellung" Proteste gegen einen Krieg gegen den Irak Entwicklung und Tendenz: Die Neonaziszene verzichtet im Gegensatz zu den rechtsextremistischen Parteien auf Organisationsstrukturen (nach den Vereinsverboten von 1992/93) und durch eine weitgehend undifferenzierte Übernahme des Gedankengutes der ehemaligen ... 29 NSDAP. Insbesondere die Verherrlichung dieses dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte und die kultische Verehrung führender Personen der NS-Ära prägen die Ausrichtung dieser Szene und sind für ihre terminologische Festlegung maßgebend. Auf dieser Grundlage haben sich in verschiedenen Regionen der Bundesrepublik lose strukturierte "Kameradschaften" gebildet, die sich zur Verwirklichung ihrer neonazistischen Ziele häufig aber einer gemeinsamen Willensbildung unterwerfen. Die ca. 30 Personen zählende "Kameradschaft Bremen" (auch: "Freie Nationalisten Bremen") bildete sich 1992/93 aus einem Personenkreis, der vorher in der nach dem Vereinsgesetz verbotenen "Deutschen Alternative" (DA) organisiert war. Mit wechselnden informellen Anführern vermeidet sie nach wie vor jegliche organisatorische Struktur. Es bestehen weder ein Büro noch ein festes Vereinslokal. Gelegentliche interne Zusammenkünfte finden in Wohnungen von Anhängern, wechselnden Gaststätten oder auf Campingplätzen und Parzellen statt. Mobilisiert wird die einer starken Fluktuation unterliegende Anhängerschaft zunehmend über elektronische Kommunikationsmittel. Die eigene Internetseite wird nur sporadisch aktualisiert .Die "Kameradschaft Bremen" versteht sich als "elitäre Kaderschmiede", die sich anlassbezogen der Zusammenschlüsse junger Männer mit Skinhead-Vorlauf, die sich neonazistisch gerieren, als Mobilisierungspotenzial bedient. Geografisch sind diese losen - kaum quantifizierbaren - Gruppierungen an der Bremer Peripherie mit engen Verbindungen zum Umland (Schwanewede, Brinkum, Seckenhausen, Achim, Oyten, Weyhe-Leeste und Lilienthal) auszumachen. Daneben haben im Verlaufe des Jahres zwei Gruppierungen in BremenNord und im Stadtteil Horn-Lehe mit rechtsextremistischen Verhaltensweisen verstärkt auf sich aufmerksam gemacht. Über einzelne Aktivisten dieser beiden ... 30 jugendlichen "Mischszenen" werden Kontakte zur "Kameradschaft Bremen" und den "Jungen Nationaldemokraten" gehalten. Das Verhältnis der "Kameradschaft Bremen zur "Nationaldemokratischen Partei Deutschland" (NPD) blieb zwiespältig. Mit eigenen öffentlichkeitswirksamen Aktionen trat die "Kameradschaft" in Bremen nicht in Erscheinung. Erkennbar ist die Verbindung der "Kameradschaft Bremen" zu anderen "Freien Nationalisten" im norddeutschen Raum, insbesondere Kontakte und Treffen mit Angehörigen des "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnisses Norddeutschland" (Hamburg). Durch gemeinsame ideologische Schulungsveranstaltungen wird versucht, eine einheitliche "Marschrichtung" sicherzustellen. Neonazis, die sich in lose strukturierten Kameradschaften zusammenfinden, verfügen meist nur über ein formal geringes Bildungsniveau. Die Entwicklung und kontinuierliche Verfolgung eines Programms fällt ihnen schwer. Auch haben sie Probleme, ihre politischen Positionen zu vermitteln. Die Schulungsveranstaltungen sollen dieses Defizit beseitigen und sie befähigen, populistische Techniken und entsprechende Agitationsmethoden zu beherrschen. Die Teilnahme an gemeinsamen Demonstrationen sind das Ergebnis dieser Kontakte. Einen hohen Mobilisierungsgrad erreichen dabei die derzeitigen Protestaktionen gegen die neugestaltete "Wehrmachtsausstellung" und die jährliche zentrale "Rudolf Heß - Gedenkveranstaltung" in Wunsiedel (Bayern). Die Kundgebungen in Wunsiedel könnten sich zu einem festen Treffpunkt europäischer Rechtsextremisten entwickeln, nachdem sich die Veranstalter durch entsprechende Gerichtsentscheide auf eine höhere Planungsund Rechtssicherheit stützen ... 31 können. Der ehemalige Hitler-Stellvertreter Heß wird in der rechtsextremistischen Szene besonders von den Neonazis als "Märtyrer des Friedens" verehrt. Kontakte zur überregionalen Skinhead-Musikszene, zu Personen der am 14. September 2000 verbotenen Skinhead-Gruppe "Blood & Honour" und zu den "Hammerskins Bremen" vervollständigen das Kommunikationsgeflecht der "Kameradschaft Bremen". Die "Hammerskins Bremen", eine unstrukturierte Kleingruppe, existiert in Bremen zwar formal, tritt jedoch eigenständig - mit Ausnahme des Zeigens einer eigenen Fahne bei Skinkonzerten - öffentlich nicht in Erscheinung. Skinkonzerte bilden eine Art "Klammerfunktion" zwischen der subkulturellen SkinSzene und Teilen des rechtsextremistischen Lagers. Die auch überregional bekannten Bremer Skinhead-Bands "Nahkampf", "Endlöser" (früher: "Schlachtruf") und "Rufmord" treten sporadisch bei SkinKonzerten auf, die im Jahre 2002 außerhalb des Landes Bremen stattfanden. Die von ihnen präsentierte "Musik" ist vornehmlich durch Texte mit rassistischer und volksverhetzender Tendenz geprägt. Entsprechende Veranstaltungen mussten wiederholt verboten, bzw. von der Polizei aufgelöst werden. 5. Bewertung der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Bremen Bundesweit hatten die rechtsextremistischen Parteien im Jahre 2002 einen deutlichen Bedeutungsverlust hinzunehmen. Mitgliederzahlen sind rückläufig, bei Wahlen spielen sie eine unbedeutende Rolle. Das Fehlen einer charismatischen Integrationsfigur und die dadurch anhaltende Zersplitterung des "nationalen Lagers" verhindern auch weiterhin das Entstehen einer breiten rechtsextremistischen Bewegungspartei. Vor allem auch durch diesen Umstand sind die rechtsextremistischen Parteien unfähig, das ihnen von Demoskopen zugesprochene Wählerpotenzial auszuschöpfen. ... 32 Bei der Bundestagswahl 2002 konnten die NPD und die REP ganz offensichtlich auch nicht von dem Kandidaturverzicht der seit mehr als einem Jahrzehnt in Bremen relativ starken DVU profitieren. Gleichwohl hat das schwebende Verbotsverfahren aber auch zu keiner Wählerabkehr von der NPD geführt. Dagegen schlägt sich der bundesweite Niedergang der REP deutlich in dem von ihr erzielten Wahlergebnis nieder. Im Lande Bremen waren Aktivitäten der drei rechtsextremistischen Parteien mit einer nennenswerten Außenwirkung, abgesehen von rudimentären Wahlkampfauftritten weniger NPD-Anhänger, nicht zu konstatieren. Die neo-nationalsozalistische "Kameradschaft Bremen" hat sich personell gefestigt. Sie ist innerhalb der bundesweit führungslosen und weitgehend konzeptlosen Szene auf den einigermaßen strukturierten Kreis des "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnisses Norddeutschland" ausgerichtet. Kontakte zu Neonazis mit subkulturellem Einschlag, insbesondere zu Personen aus der Skinhead-Szene werden zwar gepflegt, auf eine deutliche Abgrenzung wird jedoch Wert gelegt, vor allem, um mit Straftaten aus diesem Bereich nicht in Zusammenhang gebracht zu werden. Straftaten, insbesondere Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund sind gegenüber dem Vorjahr rückläufig (siehe Anhang). Ein bedeutender Identifikationsfaktor der gesamten Szene ist nach wie vor die rechtsextremistische Skinhead-Musik. Einschlägige Konzerte wurden wiederholt unter maßgeblicher Beteiligung Bremer Neonazis im niedersächsischen Umland veranstaltet. ... 33 II. Linksextremismus Orthodoxe Linksextremisten streben auf der Grundlage einer ökonomisch begründeten Klassentheorie eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse an. In der Bundesrepublik Deutschland zielen sie auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie bekennen sich überwiegend zu "revolutionärer Gewalt". Ihre teilweise differierenden ideologischen Ausrichtungen basieren auf marxistisch-leninistischen oder trotzkistischen Elementen. Sie propagieren die "Herrschaft der Arbeiterklasse" ("Diktatur des Proletariats") oder die Einführung einer "Räterepublik". Autonome Linksextremisten wollen eine "herrschaftsfreie Gesellschaft", die sie auch unter Anwendung von Gewalt zu erreichen trachten. Die anarchistische Szene lehnt jede institutionalisierte Form von Macht ab. Anarchisten verfolgen die Utopie eines auf freier Selbstentscheidung beruhenden Zusammenlebens, das in der Regel ohne Anwendung von Gewalt propagiert und realisiert werden soll. 1. "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 78.000 (davon in den alten Ländern ca.4.000) Land Bremen: ca. 200 ... 34 Publikationen: "Disput", monatlich "PDS Pressedienst", wöchentlich "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS", monatlich "PDS International", vierteljährlich "Marxistisches Forum", unregelmäßig Infobriefe der PDS Bremen Organisation/ Landesverband Bremen Struktur: 16 Arbeitskreise in Bremen und Bremerhaven Es wurde ein Bremer "Regionalbüro" mit dem Ziel eingerichtet, die eigenen politischen Themen transparent zu machen und auf eine breitere Basis zu stellen. Politische Ziele/ Widerstand gegen die "Militarisierung" der Politik AgitationsSoziale Grundsicherung , Mindestlöhne schwerpunkte: Letztes WahlerBundestagswahl 2002 zum Vergleich: 1998 gebnis: Land Bremen: 2,24% (8443 Stimmen) 2,44% (9815) Stadt Bremen: 2,39% (7464 Stimmen) 2,56% (8457) Stadt Bremerhaven: 1,51% ( 979 Stimmen) 1,91% (1358) ... 35 Bürgerschaftswahl 1999: Land Bremen: = 2,89 % Stadt Bremen: = 3,13 % Stadt Bremerhaven: = 1,61 % (Bei den Wahlen zu den Ortsbeiräten erzielte die PDS 8 Mandate) Aktuelle Antifaschismus Themen: Beseitigung der Arbeitslosigkeit Antiglobalisierung Proteste gegen einen Krieg gegen den Irak Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr Entwicklung und Tendenz: Die in der ehemaligen DDR herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hat sich nach dem Zusammenbruch ihres Unrechtsystems nicht aufgelöst. Sie beschloss zunächst auf ihrem Sonderparteitag am 16. / 17. Dezember 1989 die Umbenennung in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED - PDS)". Der Parteivorstand änderte am 04. Februar 1990 den Parteinamen endgültig in "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Diese Namensänderung wurde vom 1. Parteitag der PDS am 24. / 25. Februar 1990 bestätigt. Die PDS ist somit Rechtsnachfolgerin der SED der ehemaligen DDR. Das Bekenntnis zu ihrer Tradition bleibt auch nach dem 8. Bundesparteitag in Gera ein wesent... 36 licher Faktor der Identität der PDS. Obwohl sie sich programmatisch von den Prinzipien des Marxismus - Leninismus (Diktatur des Proletariats) losgesagt hat und diese Ideologie nicht mehr zur Staatsdoktrin erhebt, hat sie bei ihrer Gründung am 04. Februar 1990 in den neuen Ländern die bestehenden Strukturen, Logistik und den Mitgliederstamm sowie die Finanzmittel der ehemaligen SED behalten. Semantische Anleihen bei demokratischen Parteien und die Interessenvertretungen gesellschaftlicher Minderheiten rundeten diesen Anpassungskurs an die Realitäten im vereinigten Deutschland ab. Im Dezember 1994 hat sich der Landesverband Bremen konstituiert. Das Parteiprogramm der PDS aus dem Jahre 1993 befindet sich in einer breiten, durchaus kontroversen parteiinternen Diskussion. Es fordert noch immer die Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums zu überwinden und bekennt sich zum außerparlamentarischen Kampf und zum Widerstand gegen die "Herrschenden" und die "gegebenen Verhältnisse. Über ein reformiertes Programm soll ein Bundesparteitag im Jahre 2003 befinden. Im Ergebnis wird von der Parteiführung ein Spagat angestrebt, der die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland akzeptieren und gleichzeitig eine sozialistische Ausprägung deutlich machen soll. In diesem Jahr beteiligte sich die PDS an Aktionen gegen die "Militarisierung" der Politik. Der Wahlkampf der PDS zur Bundestagswahl 2002 wurde intensiv mit Beteiligung bundespolitischer Parteiprominenz geführt. Das für die Partei enttäuschende Wahlergebnis auf Bundesebene spiegelt sich auch in einer gedrückten Stimmung im Bremer Landesverband wider, der das Ergebnis der Bundestagswahl von 1998 verfehlte. Gleichwohl besteht die Absicht, bei der Bürgerschaftswahl im Jahre 2003 in Bremen zu kandidieren. ... 37 Die innerparteiliche Gruppierung "Kommunistische Plattform" (KPF), der ca. 10 Personen zuzurechnen sind, verfügt über eine eigene Homepage im Internet. Ihr Einfluss auf die Willensbildung der PDS-Landesorganisation ist auch im Jahre 2002 nicht erkennbar. Selbst eigenständige innerparteiliche Aktivitäten sind nicht bekannt geworden. Die Jugendorganisation "Solid" trat lediglich durch Störungen von Wahlkampfveranstaltungen demokratischer Parteien in Erscheinung. Die Informationsblätter "Infobrief" konnten offensichtlich aus finanziellen Gründen nicht mehr erscheinen. 2. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 4.700 Land Bremen: ca. 70 Publikationen: "Unsere Zeit" (UZ), wöchentlich "Bremer Rundschau", unregelmäßig Organisation/Struktur: Parteivorstand auf Bundesebene. Landesverbände In Bremen besteht ein Landesverband. ... 38 Politische Ziele/ Befassung mit den Theorien von Marx, Engels und AgitationsschwerLenin und ihre Bedeutung für die heutigen Bedingungen punkte: des Klassenkampfes. Auflösung der NATO und Ablehnung der EU. "Trittbrettfahrer" bei Veranstaltungen anderer, auch demokratischer Organisationen, soweit diese Thematik im Vordergrund steht. Ein Einfluss der DKP auf Aktivitäten der linksextremistischen Szene in Bremen ist nicht erkennbar. Letztes Wahlergebnis: Europawahl 1988: Land Bremen: 0,42% Stadt Bremen: 0,44% Stadt Bremerhaven: 0,31% Bürgerschaftswahl 1987: Land Bremen: 0,55% Stadt Bremen: 0,59% Stadt Bremerhaven: 0,38% Die DKP hat sich an der Bundestagswahl 2002 im Lande Bremen nicht beteiligt. Aktuelle Themen: Antifaschismus, Gegen den Krieg Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Reform des Bildungswesens. (Keine öffentlichen Veranstaltungen, lediglich interne Diskussionen). ... 39 Entwicklung und Tendenz: Die orthodox-kommunistische DKP war von ihrer Gründung im Jahre 1968 an, de facto als Nachfolgeorganisation der 1952 verbotenen KPD, das "Trojanische Pferd" der SED in der Bundesrepublik Deutschland. Ausgestattet mit jährlich zweistelligen Millionenbeträgen aus der DDR war sie bis zur Wiedervereinigung ein durchaus potenter außerparlamentarischer Faktor, insbesondere durch Unterwanderung und Beeinflussung gesellschaftlicher Protestbewegungen wie z. B. Friedensund Anti-Atom-Bewegung. Bei ihren Teilnahmen an Wahlen blieb sie in der Bundesrepublik jedoch, abgesehen von Einzelergebnissen auf kommunaler Ebene, völlig bedeutungslos. Nach der Auflösung der DDR und die nunmehr ausbleibende ideologische und vor allem finanzielle Unterstützung begann ein rasanter Niedergang der DKP. Von früher etwa 50.000 Mitgliedern in der Bundesrepublik sank sie auf den gegenwärtigen Stand von höchstens 4.500 Mitgliedern. Auch im Jahre 2002 entfaltete der DKP-Landesverband Bremen mit seinen ca. 70 überwiegend lebensälteren Mitgliedern keine öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten. ... 40 3. Autonome Mobilisierbares Potenzial: Bundesrepublik: ca. 5.000 Land Bremen: ca. 200 Publikationen: "Interim" (bundesweit), wöchentlich "Bremer Kassiber", zweimonatlich "Kick it" (Bremen), unregelmäßig Organisation/Struktur: Keine strukturierten Organisationen Ablehnung hierarchischer Formen Spontane Kleingruppenaktivitäten. ... 41 Politische Ziele/ Kein ideologisches Konzept, sondern verschwommeAgitationsschwerpunkte: ne anarcho-kommunistische Vorstellungen. Hass auf Staat und Gesellschaft. Bereitschaft zur Gewaltanwendung. Die Aktionsfelder Antifaschismus, Antiimperialismus, Antirassismus dominieren. Leitmotiv: "Propaganda der Tat" Interaktion mit Globalisierungsgegnern Aktuelle Themen: Antifaschismus, Antirassismus Widerstand gegen Atomtransporte Aktionen gegen die Abschiebung nicht aufenthaltsberechtigter Ausländer Entwicklung und Tendenz: Entstanden aus der "Konkursmasse der APO", Anfang der 70er Jahre, hat diese undogmatische linksextremistische Bewegung die aus der gleichen Politisierungsphase resultierenden K-Gruppen zeitlich weit überdauert und für die Sicherheitslage der Bundesrepublik ein weitaus größeres Gefahrenpotenzial heraufbeschworen. Die nicht homogene autonome Szene verfügt über keine geschlossene Ideologie. Ein Vulgärmarxismus als Analyse des kapitalistischen Systems, ("Schweinesystem"), gepaart mit einer strikten Ablehnung leninistischer Kaderorganisie... 42 rung, bestimmen diese weitgehend regionale und basisorientierte Bewegung. Sie agiert überwiegend spontan und reflexhaft auf ihre Feindbilder, ist jedoch infolge der fehlenden Strukturen meist nur zu kurzfristigen Aktionsformen fähig. Charakteristisch für die autonomen Linksextremisten ist ihre Spontaneität, mit der ad hoc Initiativen, "Büros", Ausschüsse etc. gebildet werden, die sich tagesaktuellen Themen widmen. Stets greifen sie jedoch über den konkreten Anlass hinaus das parlamentarische System der Bundesrepublik, das sich für sie als Verschleierung eines industriell-militärischen Machtkartells darstellt, als "Kern allen Übels" an. Der autonome Linksextremismus war auch stets Rekrutierungsund Unterstützerfeld für alle terroristischen Konzepte der vergangenen Jahrzehnte (RAF, "Bewegung 2. Juni", RZ). Mit Schwerpunkt in Berlin haben in der jüngsten Zeit terroristisch operierende Kleingruppen ("Militante Gruppe" - MG -) Anschläge mit "sozialrevolutionärem" Hintergrund insbesondere gegen Luxusautomobile durchgeführt. In Bremen ist eine solche militante Ausprägung der autonomen linksextremistischen Szene nicht zu verzeichnen. Die aktuellen Aktionsfelder der militanten Autonomen in Bremen erstrecken sich primär auf Aktionen gegen den "Faschismus", der sich vordergründig in Angriffen auf Personen des rechtsextremistischen Bereichs ausdrückt. Die Intensität der "Antifaschismusarbeit" der Autonomen wird auf der Internetseite www.antifabremen.de nachdrücklich dokumentiert. ... 43 Der "Antifaschismus" linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen geht jedoch in seiner Ausrichtung über ein moralisch-ethisches Antifaschismusverständnis des demokratischen gesellschaftlichen Spektrums hinaus. Er hat eine mobilisierende Funktion im eigenen Umfeld und dient als "Totschlagargument" der Diffamierung politischer Gegner jeder Provenienz. Selbst militante Aktionen werden mit "antifaschistischer Motivation" zu rechtfertigen versucht. Mit einer solchen Antifaschismusstrategie versuchen autonome Linksextremisten ihre auf eine Systemüberwindung zielenden Absichten zu verschleiern. Ein weiterer Schwerpunkt der Aktivitäten der Autonomen Szene in Bremen ist die sog. "Antirassismusarbeit". Darunter fallen insbesondere Aktionen gegen die Abschiebung von nicht aufenthaltsberechtigten Personen. Gemeinsame Aktionen mit demokratischen Gruppierungen wurden in diesem Kontext angestrebt. Wie schon im Sommer 1998 wurde auch im Jahre 2002 eine Karawane-Tour am 17. August in Bremen gestartet. Rund 400 Personen beteiligten sich in Bremen an dem Demonstrationszug. Thematisiert wurden dabei die negativen Auswirkungen des neuen Zuwanderungsgesetzes und der "Sicherheitsgesetze" des Bundes auf die ... 44 in Deutschland aufhältlichen Migranten. Protestveranstaltungen mit dieser Thematik wurden gegen die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 5. Dezember 2002 in Bremen gewaltfrei durchgeführt. Demonstration am 5. Dezember 2002 Im Januar 2002 wurde in Bremen die internationale "Crossover Conference" durchgeführt. Die Konferenz ging davon aus, dass sämtliche Machtund Herrschaftsverhältnisse auf's Engste miteinander verzahnt sind. Aus diesem Grunde wurden u.a. Nation, Patriarchat, Kapitalismus, Heterosexismus, Antisemitismus und Rassismus zum Thema gemacht. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 6oo Personen, die aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Polen, Holland und England angereist waren. Personen aus der autonomen linksextremistischen Szene nahmen wiederholt an Protestaktionen gegen die sog. Castor-Transporte teil, ohne diese Bewegung zu dominieren. ... 45 Unter den Besetzern von leerstehenden Wohnund Geschäftsräumen in Bremen waren auch Einzelpersonen aus der autonomen Szene anzutreffen, die jedoch keine Militanz in die Aktionen hineintrugen. 4. "Sozialistische Alternative Voran" (SAV) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 350 Bremen:. Ca. 10 Publikationen: "VORAN" Zeitung der "Sozialistischen Alternative Voran" (SAV) überregionale marxistische Monatszeitung. Ab April 2002 erscheint monatlich die "Solidarität" als Nachfolgezeitung der "Voran". Organisation/Struktur: Trotzkistische Kernorganisation mit Sitz in Berlin. Letztes Wahlergebnis Bundestagswahl 2002 Im Wahlkreis 54, Bremen 1, erreichte der Direktkandidat Jens FERTSCH 405 Stimmen = 0,2% Aktuelle Themen: Antiglobalisierungskampagnen Proteste gegen Krieg und Unterdrückung ... 46 Entwicklung und Tendenz: Die trotzkistische "Sozialistische Alternative Voran" (SAV) , Teil des "Komitees für eine Arbeiter-internationale", hat ihre Aktivitäten bundesweit, besonders im Rahmen der Antiglobalisierungskampagnen, verstärkt. Sie versteht sich als eine "revolutionäre, sozialistische Partei". Ihre Versuche, über eine Beteiligung an gemeinsamen politischen Kampagnen Einfluss auf demokratische Organisationen zu gewinnen, bzw. dadurch ihren Mitgliederkreis zu erweitern, verlaufen erkennbar erfolglos. Durch eigenständige, öffentlichkeitswirksame Initiativen ist die SAV nicht auffällig geworden. 5. "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 250 Bremen: ca. 15 Publikationen: "Direkte Aktion" (Bund), zweimonatlich "Bremer Aktion" (erscheint unregelmäßig) Organisation/Struktur: Lokalförderation Bremen gleichzeitig Sitz der "Regionalkoordination Nord" und des "Internationalen Sekretariats". Angliederung an die "Internationale ArbeiterAssociation" (IAA). Die FAU-Bremen soll nach den Branchenstrukturen der FAU bundesweit für die Bildung als "Bildungssyndikat" zuständig sein. ... 47 Politische Ziele/ Arbeitern, Erwerbslosen und Schülern sollen Hilfen bei Agitationsschwerpunkte: der "Durchsetzung ihrer Interessen" angeboten werden. Informationsstände und Agitation auf anarchosyndikalistischer Basis, für eine "herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft". Antifaschismus und Antirassismus. Aktuelle Themen: Beteiligung an Aktionen gegen die Globalisierung und an Antikriegskampagnen. Entwicklung und Tendenz: Die FAU betreibt in Bremen ein Lokal, in dem sie auch ihre Zusammenkünfte durchführt. Jeden 1. Montag im Monat werden sogenannte offene Treffen angeboten. Daneben gibt es vereinzelt Veranstaltungen zu ausgesuchten Themen. Sie beteiligte sich an Antiglobalisierungskampagnen sowie an Protestveranstaltungen gegen Kriegsvorbereitungen. ... 48 6. "Rote Hilfe e. V" (RH) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 4.300 Bremen: ca. 110 Publikationen: "Die Rote Hilfe" (vierteljährlich) Organisation/Struktur Bundesweite Organisation seit 1975 Landesverband Bremen Politische Ziele/ Unterstützung straffällig gewordener deutscher Agitationsschwerpunkte: und ausländischer Linksextremisten. Solidarität mit terroristischen Tätern. Forderungen nach "Freiheit für alle politischen Gefangenen", Abschaffung des SS 129a StGB. Aktuelle Themen: Freilassung der inhaftierten RAF-Häftlinge. Endwicklung und Tendenz: Der Hauptzweck der RH besteht darin, Geld für die Unterstützung inhaftierter "Genossen" und für Prozesskostenhilfe zu sammeln. In Bremen ist sie letztmalig im Oktober 1999 mit der Durchführung eines "Antirepressionskongresses" in Erscheinung getreten. Öffentliche Veranstaltungen wurden auch im Jahre 2002 in Bremen nicht durchgeführt. Bundesweit ist die RH mit Solidaritätsinitiativen für Inhaftierte aus dem terroristischen Komplex "Revolutionäre Zellen/Rote Zora" in die Öffentlichkeit getreten. ... 49 7. Sonstige linksextremistische Parteien und Gruppen "Gegenstandpunkt" (früher "Marxistische Gruppe" (MG)) Nachdem sich die MG im Jahre 1991 offiziell aufgelöst hatte, wird von dem ehemaligen Führungszirkel dieser sektenähnlichen Organisation die Vierteljahreszeitschrift "Gegenstandpunkt" weiter herausgegeben. Die vor ihrer Auflösung personell starke (ca. 500) und sehr veranstaltungsfreudige MG-Bremen, die vorrangig universitär verankert war, und als potenter Störfaktor in öffentlichen Veranstaltungen demokratischer Organisationen auffiel, ist seitdem als MG öffentlich nicht mehr präsent. In unregelmäßigen Abständen werden im Bürgerhaus Weserterrassen Diskussionsveranstaltungen unter der Bezeichnung "Gegenstandpunkt" durchgeführt, an denen bis zu 250 Personen teilnehmen. Es handelt sich überwiegend um ehemalige MG'ler, die politische Problembereiche unter Anlegung ihrer marxistischen Exegese analysieren. Im Jahre 2002 wurden folgende Themen behandelt: * Ideologie/Buchbesprechungen * Presse als 4. Gewalt * Die Krise der Weltwirtschaft * Israel-/ Palästinakonflikt * Staatliche Krisenbewältigung * Hartz-Kommission Der MG werden bundesweit bis zu 10.000 Mitglieder zugeschrieben. ... 50 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der AB mit Sitz in München verfügt in einigen Bundesländern über Ortsgruppen. Der Ortsgruppe Bremen gehören rund 10 Mitglieder an. Bundesweit verfügt der AB über rund 200 Mitglieder. Die AB-Ortsgruppe Bremen trat 2002 mit Flugblättern und Veranstaltungen zum 1. Mai in Erscheinung. Darüber hinaus erschöpften sich die Aktivitäten des AB in einer "Unterstützungsaktion" sowohl für die SPD als auch für die PDS anlässlich der Bundestagswahl im September. Personen des AB fuhren mit drei LkwPritschenwagen, ausgestattet mit diversen roten Fahnen, durch die Bremer Innenstadt. Auf montierten großformatigen Stelltafeln riefen sie dazu auf, im Osten die PDS und im Westen die SPD zu wählen. 8. Bewertung der aktuellen Situation des Linksextremismus Bremen Der PDS gelang es bei der Bundestagswahl 2002 nicht, wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. Auch im Lande Bremen fiel ihr Wahlergebnis schwächer aus als bei der Wahl vor vier Jahren. Die linksextremistisch ausgerichtete autonome Szene Bremens hatte ihre Hauptaktionsfelder in der Störung von Wahlkampfaktivitäten insbesondere der rechtsextremistischen NPD und im Protest gegen ausländerrechtliche Maßnahmen der Exekutive. Straftaten mit linksextremistischer Motivation waren gegenüber dem Vorjahr rückläufig (siehe Anhang). ... 51 Ansätze für linksextremistisch motivierte terroristische Aktivitäten waren im Lande Bremen nicht erkennbar. ... 52 III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Von den ca. 79 000 im Lande Bremen gemeldeten Ausländern sind ca. 1.500 in extremistischen Zusammenhängen - jedoch in sehr unterschiedlicher Intensität - zu sehen. Ausländische Organisationen werden vom Verfassungsschutz beobachtet, wenn ihre Ausrichtung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist oder wenn sie Bestrebungen verfolgen, durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen die politischen Verhältnisse in den Herkunftsländern umzustürzen. Die verfassungsfeindliche Ausrichtung dieser Gruppierungen basiert sowohl auf linksextremistischen oder nationalistischen Ideologien als auch auf dem Postulat, einen "Gottesstaat" zu errichten. 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) / "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) Der Bundesminister des Inneren untersagte am 26. November 1993 die Tätigkeit des gesamten Organisationsgeflechts der PKK in der Bundesrepublik. Anhänger / Aktivisten: Bundesrepublik: ca. 11.500 Mobilisierungspotenzial: ca. 70.000 Land Bremen: ca. 300 Mobilisierungspotenzial: ca. 600 ... 53 Publikationen: "Serxwebun" ("Unabhängigkeit") Organisation/Struktur: Streng hierarchisch geleitete Kaderpartei sozialistischen Zuschnitts. Europäische Aktivitäten werden von einem mit hochrangigen PKK/KADEK-Kadern besetzten sog. "Einheitsparlament" aus dem westeuropäischen Raum geleitet. Die Bundesrepublik ist in 20 "Gebiete" gegliedert, die von häufig wechselnden konspirativ agierenden Funktionären angeleitet werden. Daneben auf scheinlegaler Ebene diverse Kulturvereine. Politische Ziele:/ Seit der Inhaftierung ihres Gründers Abdullah Agitationsschwerpunkte: ÖCALAN in der Türkei verfolgt die PKK/der KADEK europaweit die sogenannte Friedensoffensive mit dem Ziel, ein Einlenken des türkischen Staates auf ihre Forderungen und eine Unterstützung der Bundesregierung zu forcieren. Aktuelle Themen: Aufhebung der Betätigungsverbote in der Bundesrepublik; "Freiheit für ÖCALAN", Streichung der PKK auf der "EU-Terrorliste" ... 54 Entwicklung und Tendenz: Die PKK wurde am 27. November 1978 von einer kurdischen Gruppierung um den damaligen Politologiestudenten Abdullah ÖCALAN ("Apo") gegründet. Bis zu seiner Inhaftierung im Februar 1999 leitete ÖCALAN die Organisation direkt. Danach übernahm ein im kurdischen Siedlungsgebiet agierender "Präsidialrat" die Führung, der aber indirekt den Weisungen des Gründers aus dem Gefängnis Folge leistet. Das Programm der PKK war eine Mischung aus sozialistischem und nationalistischem Gedankengut. Im Zentrum stand über zwei Jahrzehnte der aktive "revolutionäre Kampf" für ein freies und unabhängiges Kurdistan. Mit Hilfe ihres militärischen Arms, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) führte sie seit dem 15. August 1984 einen Guerillakrieg im Südosten der Türkei. Im Herbst 1999 leitete die PKK mit der Einstellung des "bewaffneten Kampfes" einen neuen Kurs ein. Auf dem 7. Parteikongress (im Frühjahr 2000) wurde die Strategiewandlung, vom "bewaffneten Kampf" zu einem "demokratisch-politischen Kampf", auch programmatisch vollzogen. Die "Volksbefreiungsarmee" wurde in "Volksverteidigungskräfte" (HPG) umbenannt, die nur noch zum Zweck der Selbstverteidigung bereitgehalten wird. Diesem Weg folgend, wurde die 1985 für öffentliche Parteiarbeit gegründete Europaorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) in "Kurdische Demokratische Volksunion" (YDK) umbenannt. Am 16.04.02 verkündete die PKK auf einer Pressekonferenz in Brüssel, alle Aktivitäten unter dem Namen PKK seien durch Beschluss des "8. Parteikongresses" - vom 04. - 10.04.02 im Nordirak - eingestellt. Zukünftig strebe eine sog. Koordinierungsorganisation unter dem Namen "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" ... 55 (KADEK) auf Grundlage einer "kulturellen Autonomie" ein Einvernehmen mit der Türkei an. Die Vorgaben dafür wurden von dem auf der türkischen Insel Imrali inhaftierten Vorsitzenden der PKK/KADEK, Abdullah ÖCALAN, in seiner Verteidigungsschrift für das noch lfd. Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgelegt. An den bisherigen Strukturen und Führungspersonen ändert sich damit nichts. Eine innerparteiliche Demokratisierung ist bestenfalls ansatzweise feststellbar. Bewaffnete Kräfte - jetzt nicht mehr als Werkzeug des revolutionären Kampfes, sondern zur "legalen Verteidigung" - werden weiterhin vorgehalten. Programmatisch rückt der KADEK von dem Ziel nach Errichtung eines unabhängigen kurdischen Staates ab. An Stelle des "revolutionären Kampfes" nach marxistischleninistischen Revolutionstheorien, soll der bereits unter dem Namen PKK begonnene Demokratisierungsprozess - über die "Politik einer demokratischen Lösung" (KADEK-Programm) - zu einem "demokratischen Befreiungsprozess", der als Vorstufe eines "demokratischen Sozialismus" verstanden wird, führen. Durch Kaderschulungen und Volksversammlungen ist der KADEK (die YDK in Europa) um Umsetzung der "Friedensund Demokratiestrategie" in der Anhängerschaft bemüht. Seit Ende 1999 versuchen "Oppositionelle" (auch in Europa) diese Linie zu konterkarieren, konnten aber bisher weder organisatorische Strukturen, noch programmatische Grundlagen schaffen. Grund dafür dürften einerseits fehlende finanzielle Mittel sein, zum anderen aber auch die Angst vor der Umsetzung verbaler Drohungen der PKK bzw. KADEK an die sog. "Oppositionsbanden". In Europa versucht der KADEK, verlorene Mitglieder mit einer "Amnestie" in die Organisation zurückzuholen. ... 56 Am 02. Mai beschloss der Rat der EU, die PKK auf die Liste der terroristischen Organisationen zu setzen. Der KADEK und nahestehende Organisationen reagierten empört, zumal sie die Umbenennung von PKK in KADEK als einen eindeutigen zusätzlichen Schritt in Richtung Demokratisierung gewertet wissen wollen. Als Protest startete der KADEK europaweit die Aktion "Wir fordern Gerechtigkeit". Die Beteiligung der Anhängerschaft blieb hinter den Erwartungen des KADEK zurück und wurde in der Öffentlichkeit nur wenig beachtet. Das türkische Staatssicherheitsgericht wandelte am 03. Oktober das verhängte Todesurteil gegen ÖCALAN in eine lebenslange Haft um. Hintergrund dafür sind am 02. August beschlossene Reformgesetze der Türkei im Hinblick auf den Eintritt in die EU. Vom KADEK und ihm nahestehende Organisationen wurden die neuen Gesetze begrüßt und vorwiegend als Erfolg der Politik des Generalvorsitzenden ÖCALAN gewertet. Eine Entscheidung der von ÖCALAN vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg eingereichte Klage gegen die "unrechtmäßige Verschleppung" durch die Türkei sowie das "rechtswidrige Verhalten" (Hilfeleistung) weiterer Staaten (von der PKK als "internationales Komplott" bezeichnet), wird für 2003 erwartet. Das sog. Komplott (09.10.98) wird alljährlich als Anlass für demonstrative Aktionen genutzt. Am 03. November 2002 fanden in der Türkei vorgezogene Parlamentswahlen statt. Der KADEK unterstützte dabei ein linksgerichtetes Wahlbündnis ("Block für Arbeit, Frieden und Demokratie") unter dem Namen DEHAP. In diesem Bündnis arbeitete auch die kurdische Partei HADEP mit, die in engem Konsens mit PKK/KADEK steht. Im Vorfeld initiierte der KADEK neben der Türkei auch in Europa Wahlveranstaltun... 57 gen, so auch in Bremen. Mitglieder wurden zur Stimmabgabe in der Türkei aufgefordert, da mit dem Bündnis kurdische Ziele auf demokratischen Wege erreichbar seien. Ein Einzug der pro-kurdisch ausgerichteten DEHAP ins Parlament - wohl auch, um die Euphorie der Anhängerschaft zu steigern, - wurde von KADEK-Funktionären im Vorfeld der Wahl als sicher angesehen. Obwohl die Partei im kurdisch besiedelten Südosten der Türkei teilweise Ergebnisse von über 50% erreichte, scheiterte sie landesweit mit ca. 6% an der 10% Sperrklausel. Das Abschneiden der DEHAP stellt eine herbe Enttäuschung für den KADEK und seine Anhänger dar, weil das erzielte Ergebnis trotz einer großangelegten europaweiten Mobilisierungsund Unterstützungskampagne weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Dass mit der "Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei" (AKP) eine islamistische Partei als Siegerin aus den Wahl hervorgegangen ist, wurde vom KADEK mit Zurückhaltung aufgenommen. Die dem KADEK nahestehende türkische Tageszeitung "Özgür Politika" zitierte am 19. November das Mitglied des Präsidialrates des KADEK, Osman ÖCALAN, mit den Worten "Will die AKP erfolgreich sein, muss sie zunächst das Kurdenproblem lösen". Hierfür wolle man der neuen Regierung eine Frist von sechs Monaten einräumen. Als Informationsund Kommunikationszentren für PKK/KADEK-Anhänger im Lande Bremen sind folgende Einrichtungen (Vereine) bekannt: "Mesopotamischer Kulturverein Bremen e. V." gegründet: 07. Juni 1987 - verboten: 26. November 1993 durch den Bundesminister des Innern "Kurdisch-Deutscher Verein für Völkerfreundschaft e. V."-HEVALTIgegründet: 06. Dezember 1993 - verboten: 14. November 1995 durch den Senator für Inneres ... 58 "Kurdisch-Deutscher Solidaritätsverein e. V." gegründet: 15. Dezember 1995 - verboten: 27. April 1998 durch den Senator für Inneres Als YDK-Basisvereine existieren in Bremen, Westerstr. 16/18 nebeneinander das "Mesopotamische Volkshaus e. V" gegründet: 26. Juni 1998 und das "MED-Kulturzentrum e. V" gegründet: 24. November 1999 und in Bremerhaven der "Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein Bremerhaven e. V." gegründet: 10. Dezember 1993. Bremer Basisorganisationen von PKK/KADEK heben sich in Zielen und Aktionismus nicht von der Gesamtorganisation ab. Sie unterstützten mit demonstrativen Aktionen die Themenschwerpunkte der Organisation. Dabei nahmen an einem am 04.05.02 veranstalteten Protestmarsch gegen die Aufnahme der PKK in die EUTerrorliste in der Bremer Innenstadt - entgegen dem sonstigen Bundestrend - mehr Personen teil, als erwartet. Wie schon im Vorjahr wird der Aktionismus in der Öffentlichkeit besonders von Jugendlichen ("Apo's Falken") und Familienmitgliedern getragen. Außer zu Verstößen gegen das Vereinsgesetz (Zeigen von ÖCALAN-Bildnissen bzw. skandieren von Parolen) kam es - entgegen dem Vorjahr - jedoch nicht zu Störungen. Eine Umkehr des Friedenskurses ist in der Bundesrepublik gegenwärtig nicht erkennbar. Anlassbezogene (ideologische/ taktische) Strategien haben die PKK jedoch in der Vergangenheit mehrmals zu einem Wechsel im Aktionsverhalten veranlasst. Somit ist auch der heutige Kurs noch ... 59 nicht als gesichert anzusehen. Mit der Aufhebung der Todesstrafe für den Generalvorsitzenden ÖCALAN sowie die teilweise Zulassung der kurdischen Sprache in der Türkei, sind allerdings wesentliche Optionen für eine Rückkehr zu einem "bewaffneten Kampf" entfallen. Mitentscheidend für eine "aktionistische Zurückhaltung" - auch in Westeuropa - werden die Haftund Besuchsbedingungen des auf der Insel Imrali einsitzenden Abdullah ÖCALAN sein. Einen mit dem Friedenskurs einhergehenden Mitgliederverlust konnte die Bremer Organisation durch Neumitglieder ausgleichen. In der (alljährlichen) Spendenkampagne 2001/2002 konnten im Gebiet Bremen die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr erheblich gesteigert werden. Bei der "Sammlung" setzten "Frontarbeiter" auf Überzeugungsarbeit. Gewaltanwendung wurde nicht bekannt. Neben der 2001 geführten "Identitätskampagne" ("Auch ich bin PKK-ler") - im Rahmen der "Friedensoffensive" - gilt die Spendenkampagne als einer der wichtigsten Prüfsteine für die Verbundenheit der Anhängerschaft mit der Organisation. Als größte Veranstaltung des Jahres 2002 führte das MED-Kulturzentrum am 28.Juli im "Pier 2" eine "Gedenkveranstaltung" zur Ehren des kurdischen Sängers Ahmet KAYA (verstorben) durch. Redner würdigten das Wirken des Sängers für die "kurdische Sache". Gleichzeitig wurde auch der kurdischen Märtyrer gedacht. Es nahmen ca. 1500 Personen aus dem gesamten norddeutschen Raum teil. Bei der Veranstaltung wurden "Apo-Rufe" laut und Bildnisse von ÖCALAN gezeigt. ... 60 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) (Seit dem 13. August 1998 durch den Bundesminister des Innern verboten) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 750 Land Bremen: ca. 30 Publikationen: "Emek ve Adelet" / "Devrimci Sol" Organisation/ Gewalttätige revolutionäre Kaderpartei. Struktur: Konspirativ agierende Funktionärsgruppe. Kommunikation über "Kulturzentren". Politische Ziele/ Zerschlagung des türkischen Staates. Agitationsschwerpunkte: Errichtung einer Gesellschaft auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus. Agitationen gegen die USA und die Bundesrepublik als Unterstützer des "türkischen Terrorismus". Aktuelle Themen: Kampagne gegen die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen / Unterstützung des Hungerstreiks gegen die Gefängnisreform in der Türkei. ... 61 Entwicklung und Tendenz: Die DHKP-C ist im März 1994 aus der türkischen Vereinigung "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervorgegangen, die in der Türkei verboten ist und dort eine Untergrundstruktur aufrechterhält. In Deutschland ist die "Devrimci Sol" seit dem 9. Februar 1983 durch Verfügung des Bundesminister des Innern (BMI) verboten. Die DHKP-C wurde am 13. August 1998 als Ersatzorganisation der "Devrimci Sol" durch den BMI verboten. Zwischen der DHKP-C und der konkurrierenden, ebenfalls aus der "Devrimci-Sol" hervorgegangenen "Türkischen Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol), gegen die ebenfalls am 13. August 1998 durch das BMI ein Betätigungsverbot ausgesprochen wurde, kam es zwischen 1997 und 1998 zu massiven Gewalttaten mit schweren Körperverletzungen und Mordanschlägen. Gegen zahlreiche Mitglieder und Funktionäre der DHKP-C wurden zwischenzeitlich eine Vielzahl von Strafverfahren eingeleitet. Mehrere ranghohe Funktionäre wurden zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt. Unter diesem Verfolgungsdruck ist die Mitgliederzahl der Organisation - u. a. auch in Bremen - in den letzten Jahren zurückgegangen. Die daraus resultierende schlechte Finanzsituation zwingt auch die Bremer Teilorganisation zu Einschränkungen. So wurde im Januar 2001 der Treffpunkt "IMECE-Kulturzentrum" geschlossen. Zurzeit verfügt die Bremer Organisationsgliederung über keinen festen "Vereinsstützpunkt". Die Aktivitäten in der Bundesrepublik stehen ausschließlich mit den Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen im Zusammenhang und verlaufen bislang friedlich. Dabei kam es vereinzelt auch zu Kooperationen mit deutschen Gruppierungen. So ist in Bremen eine Zusammenarbeit mit dem "Internationaler Menschen... 62 rechtsverein" (IMRV) zu konstatieren. Frühere gemeinsame Protestaktionen mit der PKK/KADEK werden nach Einleitung des Friedenskurses durch Abdullah ÖCALAN strikt abgelehnt. Der KADEK hat nach Auffassung der DHKP-C die revolutionäre Linie aufgegeben. Mitglieder und Sympathisanten der DHKP-C werden zu Spenden für die Gefangene und deren Angehörige in der Türkei aufgefordert. Bei "Saalveranstaltungen" in Europa zeigen sich Mitglieder und Sympathisanten zunehmend mehr an Folklore und Musikdarbietungen interessiert, als an aggressiver politischer Agitation gegen den "faschistischen türkischen Staat" und die "amerikanischen Imperialisten" sowie deren Helfer. Es spiegelt den zurzeit desolaten Zustand der Organisation wider. Die Bremer Teilorganisation beteiligte sich vielfach an Protesten und Veranstaltungen, organisierte solche aber nicht in Bremen. Am 28. Mai erklärten - neben weiteren - die an der Protestform des "Todesfastens" in der Türkei teilhabenden türkischen linken Organisationen "MarxistischLeninistische Kommunistische Partei"-MLKP und die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten"-TKP/ML ihre Teilnahme als beendet. Die mit dem "Todesfasten" verbundenen ideologischen und moralischen Ziele seien erreicht. Seither führt die DHKP-C diese Protestform alleine weiter. Bis Jahresende sind seit Beginn der Aktion am 20. Oktober 2000 nach Presseberichten über 100 Personen im Zusammenhang mit dem "Todesfasten" verstorben. Die Mehrzahl gehörte der DHKP-C an. Um die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu forcieren, beschloss "DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION" am 02. Mai u. a. die Aufnahme der DHKP-C in die sog. "EU-Terrorliste". Zunächst geplante Protestaktionen der ... 63 DHKP-C blieben aus. Offensichtlich soll damit der in Europa deklarierte gewaltfreie Kurs untermauert werden. Dagegen wird an militanten Aktionen in der Türkei festgehalten. Zunehmend zeigt die DHKP-C propagandistische Solidarität mit den Palästinensern. Z. B. heißt es in der neuen DHKP-C-Publikation "Emek ve Adelet" (Brot und Gerechtigkeit) vom 08. April "Schluss mit der Besetzung Palästinas! Die USA und Israel sind die Terroristen." Obwohl im Vorfeld der türkischen Parlamentswahlen am 03. November in der Bundesrepublik vereinzelt Kontakte zwischen der DHKP-C und Vertretern des prokurdischen Wahlbündnisses DEHAP bekannt wurden, rief die DHKP-C Anfang Oktober in einer Presseerklärung zum Wahlboykott auf. U. a. heißt es darin: "Die Revolution ist der einzige Weg der Befreiung!" Von der nun regierenden islamistischen AKP fordert sie eine Änderung der Haftbedingungen, da es sonst weitere Todesfälle unter den Hungerstreikenden gäbe. 3. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Mitglieder: Bundesrepublik: ca. 26.500 Land Bremen: ca. 800 Publikationen: Zeitungen: "Milli Görüs & Perspektive", sowie als "Sprachrohr" die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung). In der "Milli Gazete" werden antisemitische und islamistische Positionen vertreten. ... 64 Organisation/Struktur: Bisher ausgerichtet auf die islamistische "Fazilet-Partei" (FP). Die FP wurde am 22.06.2001 in der Türkei verboten. Als Nachfolgeparteien wurden am 20.07.2001 die "Saadet-Partisi" (SP - Partei der Glückseligkeit) von Traditionalisten der FP und am 16.08.2001 die "Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei" (AKP) von "Erneuerern" der FP gegründet. Politische Ziele / Die islamistische Organisation kämpft für die AbschafAgitationsschwerpunkte: fung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und Einführung eines auf Koran und Scharia basierenden Gesellschaftssystems. Die IGMG-Ideologie ist durch Ablehnung des Wertekanons und des Demokratieverständnisses der westlichen Zivilisation sowie einen religiös begründeten türkischen Nationalismus geprägt. Aktuelle Themen: Befürchtetes Verbot der IGMG nach Aufhebung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz. Parlamentswahl am 3. November 2002 in der Türkei. Bemühungen um eine Anerkennung als weltoffene Organisation im gesellschaftlichen Raum. Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. ... 65 Entwicklung und Tendenz: Die IGMG trat bis 1995 unter dem Namen "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) auf. 1995 teilte sich die Organisation in zwei unabhängige juristische Personen. Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) übernahm die kulturellen, sozialen und religiösen Aufgaben der AMGT, während die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) für die Verwaltung des Immobilienbesitzes der ehemaligen AMGT zuständig wurde. Die IGMG gilt sowohl im Bundesgebiet als auch in Bremen als die größte extremistische Ausländerorganisation. Europaweit verfügt die IGMG über mehr als 500 Moscheen. In der Bundesrepublik existieren über 300, in Bremen 7 Moscheen. In den Bremer Moscheen bietet die IGMG den hier lebenden Muslimen Beistand und Betreuung in religiösen und sozialen Fragen an. Nach wie vor bildet die islamische Erziehungsund Bildungsarbeit einen Schwerpunkt der Aktivitäten der Organisation. In sogenannten "Sommerschulen" oder "Ferienkursen" wird neben Allgemeinwissen insbesondere "Islamkunde" von speziell geschulten "Hocas" vermittelt. Hiervon will die IGMG auch nach der angestrebten Einführung islamischen Religionsunterrichtes an deutschen Schulen nicht abweichen. Daneben bietet die IGMG Jugendlichen ein breit gefächertes Freizeitund Weiterbildungsangebot. Damit wird das Ziel verfolgt, Kinder und Jugendliche vom "Einfluss der westlichen Gesellschaft" ("der Ungläubigen" / "der Gottlosen" / der "Unmoral") fernzuhalten. Die IGMG verhält sich damit in ihren Grundzügen integrationsfeindlich. Sie ist jedoch bestrebt, diese Ausrichtung in ihren offiziellen Darstellungen genauso zu ... 66 verschleiern, wie ihre in der Vergangenheit deutlich gewordene antiisraelische und antisemitische Einstellung. Zur Stärkung ihres Einflusses im gesellschaftspolitischen Raum fordert die IGMG bundesweit ihre Mitglieder dazu auf, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Damit soll Einfluss auf die bestehenden Parteien und deren Politik genommen werden. Die Empfehlungen für die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft zielen auf den Erwerb von Rechten und nicht auf die Akzeptanz des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Werteordnung sowie auf uneingeschränkte Anerkennung seines Rechtssystems, da die Integrationsbereitschaft der türkischen Muslime nach Auffassung der IGMG dort ihre Grenzen finden soll, wo ihre Religion, Kultur und nationale Identität berührt werden. Aus der am 22.06.01 in der Türkei verbotenen und von der IGMG unterstützten "Fazilet-Partei" (FP) entwickelten sich zwei Nachfolgeparteien. Am 20. 07. 01 wurde die "Saadet Partisi" (SP, "Partei der Glückseligkeit") unter dem Vorsitz Recai KUTANS gegründet. Die SP verfolgt den traditionelle Kurs des IGMG-Gründers Necmettin ERBAKAN. Die rivalisierende Gruppe der "Erneuerer" unter Recep Tayyip ERDOGAN als zweite Nachfolgepartei unter dem Namen "Adalet ve Kalkinma Partisi" (AKP, "Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei", gegründet am 16. 08. 01) verfolgt dagegen einen auf mehr Demokratie ausgerichteten Kurs. Der Aufbau von AKP-Strukturen ist auch in Deutschland zu erwarten. Dies könnte dann in Form eines eingetragenen Vereins erfolgen, da nach türkischem Recht den türkischen Parteien der Aufbau von Auslandsorganisationen verboten ist. ... 67 Die Flügelkämpfe der türkischen Nachfolgeparteien der FP spiegeln sich auch in der europäischen Mitgliedschaft der IGMG wieder. Im Vorfeld der türkischen Parlamentswahlen vom 03. November warben IGMG-Funktionäre bei Versammlungen in Deutschland nachdrücklich dafür, die SP zu wählen. Jeder gläubige Muslim, der türkischer Staatsangehöriger sei, solle in die Türkei reisen um dort seine Stimme abzugeben. Für die Stimmabgabe in der Türkei organisierte die IGMG Flüge und Busreisen für die Mitgliedschaft. Zugleich wurde klar gegen die "Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei" (AKP) Stellung bezogen. Eine geforderte finanzielle Unterstützung der SP stieß bei der Mitgliedschaft jedoch auf breite Ablehnung. Es ist daher zu vermuten, dass eine Mehrheit der IGMG-Mitglieder den Reformkurs der AKP befürwortet, was sich auch für Bremen konstatieren lässt. Zu den türkischen Parlamentswahlen traten beide Nachfolgeparteien an. Während die SP mit ca. 2,5% deutlich an der 10%-Klausel scheiterte, konnte die AKP mit ca. 34% für sich einen überwältigenden Erfolg erzielen. Sie erreichte die absolute Mehrheit der Sitze im türkischen Parlament und stellt die Regierung. Bremer IGMG-Funktionäre nahmen den Wahlausgang freudig auf. Die Teilnahme an den Freitagsgebeten ging nach dem 11. September 2001 deutlich zurück. Damit war auch ein erheblicher Spendenrückgang für die Organisation verbunden. Bundesweit ist nach einer türkischen Pressemeldung die Beteiligung am Lastschriftverfahren (Mitgliedsbeiträge) auf unter 10.000 gesunken. Auch das Spendenaufkommen ist weiterhin rückläufig. ... 68 Der Beteiligung der Mitglieder am Lastschriftverfahren wird seitens der IGMGFührung seit Jahren besondere Bedeutung beigemessen, weil dies die einzige berechenbare Einnahmequelle ist. Nach wie vor beherrschen Befürchtungen eines Verbotes nach dem Vereinsgesetz die Funktionäre der IGMG. Vor diesem Hintergrund hat die IGMG eine Wendung zu einer scheinbar demokratischen Ausrichtung vollzogen. Es gibt zentrale Weisungen, wonach sich "Hocas" mit radikalen, d.h. extremistischen politischen Äußerungen nicht mehr in den Moscheen betätigen dürfen. Durch die IGMG-Zentrale in Kerpen (NordrheinWestfalen) gibt es inhaltliche Vorgaben für die Freitagspredigten, sich angreifbarer Aussagen zu enthalten, sowie in Moscheen kein Schriftmaterial mit fundamentalistischen Inhalten auszulegen. Weiterhin sollen keine öffentlichen Veranstaltungen in Form von Konferenzen, Seminaren, usw. abgehalten werden, sofern sie einen politischen Hintergrund aufweisen. 4. Iranische Gruppierungen Vereinzelt traten in Bremen die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) und ihre Frontorganisation "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) auf. Die Aktivitäten beschränkten sich auf Infostände und gelegentliche Vortragsveranstaltungen. Ihr Ziel ist der Sturz des iranischen Regimes. Europaweit sind Propagandaaktivitäten und Geldbeschaffungsmaßnahmen, insbesondere Spendenkampagnen zu vermeintlich humanitären Zwecken, tatsächlich aber für den Guerillakampf der "Nationalen Befreiungsarmee" im Iran zu verzeichnen. ... 69 Der Rat der Europäischen Union hat die MEK in die Liste der Terrororganisationen aufgenommen. Bei der "Arbeiterkommunistischen Partei Iran" (API) und ihrer Nebenorganisation "Internationale Föderation der iranischen Flüchtlingsund Immigrantenräte" (IFIR) sind in Bremen ebenfalls nur vereinzelt Aktivitäten festgestellt worden. Eindeutige extremistische oder sicherheitsgefährdende Bestrebungen iranischer Gruppen konnten im Berichtszeitraum nicht festgestellt werden. 5. Terroristisch ausgerichtete islamistische Gruppierungen Personen, die Kontakte zu den im Nahen Osten operierenden - aber auch in Bremen vertretenen - terroristischen Bewegungen "Hizb Allah", "AMAL", "Hamas", der "Muslimbruderschaft" und der "Tabligh-I Jamaat" (auch "Jama'at al Tabligh wa'I-Da'wah") haben, werden beobachtet. Sicherheitsgefährdende oder extremistisch relevante Aktivitäten dieser Personen ließen sich nicht feststellen. Angehörige der pakistanischen "Missionsbewegung" "Tabligh-I Jamaat" (TJ), die u.a. in der Bremer Abu Bakr Moschee e. V., Breitenweg 59, 28195 Bremen, agieren, ermuntern offensichtlich Bremer Muslime, sich zumindest zum weitergehenden Studium des Koran nach Pakistan zu begeben. Die TJ ist eine Bewegung, die im mystischen Islam verhaftet ist. Sie vertritt eine Art Apartheidspolitik gegenüber Nicht-Muslimen. In den letzten Jahren wird erkennbar, dass sich die TJ von einer missionarischen zu einer politischen Bewe... 70 gung entwickelt. So soll es Anhaltspunkte dafür geben, dass militante Muslime bei der Ausbildung für den bewaffneten Kampf von der TJ unterstützt und dem "Al-Qaida" - Netzwerk zugeführt worden sind. 6. Bewertung der aktuellen Situation sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen von Ausländern Die mitgliederstärkste extremistische Ausländerorganisation im Lande Bremen, die islamisch-fundamentalistische IGMG hat sich nach der weltweiten Welle islamistischer Terroranschläge in ihrer antisemitischen, vor allem israelfeindlichen Propaganda stark zurückgenommen. Sie befolgt strikt die von ihrer Zentrale erteilten Weisungen, sich jeglicher politisch-agitatorischer Aktivitäten zu enthalten. Unter ihren Mitgliedern ist eine Präferenz für die neue islamistische türkische Partei AKP, die als klarer Sieger aus den Wahlen zum türkischen Parlament hervorgegangen ist, zu bemerken. Die AKP strebt, soweit bislang erkennbar, eine Abkehr von der Beseitigung des laizistischen Systems in der Türkei an. Damit müsste eine Absage an die Einführung eines auf dem Koran basierenden Herrschaftssystems (Gottesstaat) einhergehen. Die durch die Ereignisse der zurückliegenden Monate verstärkte Beobachtung des Islamismus und die in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen über das Verhältnis des Islam zur Demokratie haben die IGMG stark verunsichert, offensichtlich die Anhängerschaft reduziert und zu einem Rückgang finanzieller Zuwendungen geführt. ... 71 Die in der Bundesrepublik verbotene kurdische PKK hat ihren sogenannten Friedenskurs fortgeführt. Zur Bekräftigung dieser Linie wurde von ihr die Umbenennung in KADEK vorgenommen. Die Organisation ist weiterhin streng auf ihren in der Türkei inhaftierten Führer ausgerichtet. Einzelne Lockerungen der türkischen Regierung gegenüber dem kurdischen Bevölkerungsteil in der Türkei betrachtet der KADEK als Erfolg seines Kurses. Gewalttaten mit ausländerextremistischer Motivation blieben im Jahre 2002 in Bremen gänzlich aus (siehe Anhang). Gruppierungen oder Einzelpersonen mit anschlagsrelevantem Hintergrund oder Kontakten sind im extremistischen bzw. sicherheitsgefährdenden Ausländerbereich im Jahre 2002 im Lande Bremen nicht festgestellt worden. ... 72 IV. Spionageabwehr Der gesetzliche Auftrag zur Spionageabwehr ergibt sich für das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen aus SS 3 Abs.1 Nr.2 Verfassungsschutzgesetz des Landes Bremen. Danach obliegt der Verfassungsschutzbehörde die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht. Überblick Spionage! Ein Wort, dass für viele an Bedeutung verloren hat und heute nicht mehr in die politische Landschaft passen mag. Trotz Veränderung der weltpolitischen Lage und der Annäherung ehemals feindlich gesinnter Staaten unterhalten die meisten Länder der Erde Auslandsnachrichtendienste. Ihr Aufklärungsziel gilt nach wie vor den klassischen Feldern der Spionage, Politik, Militär, Wissenschaft und Technik. Bei einigen nahund mittelöstlichen Staaten gehören auch die Unterwanderung und Ausspähung von in Deutschland ansässigen Organisationen, bzw. Personen, die in Opposition zur Regierung ihres Heimatlandes stehen, zu den Aufgaben der Nachrichtendienste. ... 73 Ein weiterer Schwerpunkt der Spionagetätigkeit fremder Nachrichtendienste ist die 1. Wirtschaftsspionage Unter Wirtschaftsspionage ist die staatlich gelenkte oder geschützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Unternehmen zu verstehen. Sie unterscheidet sich von der "Konkurrenzausspähung" (umgangssprachlich: Industriespionage), die konkurrierende Betriebe gegeneinander betreiben. Im Hinblick auf eine präventive Spionageabwehr wendet sich das Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen an Firmen/Unternehmen und informiert über Aktivitäten fremder Nachrichtendienste im wirtschaftlichen Bereich. Die Abwehr von Wirtschaftsspionage ist zwar schwieriger geworden, doch sie ist nicht aussichtslos. Voraussetzung einer erfolgreichen Abwehr sind: Sensibilität gegenüber den Angriffsgefahren, Kenntnisse über die Methoden und Ziele der Nachrichtendienste, der Einsatz geeigneter Schutzmaßnahmen und die Einsicht in deren Notwendigkeit. Sie sind unverzichtbar, denn sie helfen, erhebliche wirtschaftliche Schäden zu vermeiden. 2. Proliferation Nach dem Ende des Kalten Krieges und insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11.Sepember 2001 hat sich die sicherheitspolitische Lage der Welt verändert. Verschiedene Länder, vorwiegend des nahen und mittleren Ostens, bemühen sich aus unterschiedlichsten Gründen und Motiven ihre Streitkräfte mit atomaren, ... 74 biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen sowie den erforderlichen weitreichenden Raketensystemen auszurüsten. Da sie zur eigenen Entwicklung und Herstellung häufig nicht in der Lage sind, versuchen sie, sich notwendiges Wissen, Ausgangsprodukte und Güter illegal zu beschaffen. Die Verbreitung derartiger Technologien und Mittel stellt weltweit eines der größten Sicherheitsrisiken dar. Proliferation Weitergabe atomare biologische chemische Mittel u. Materialien Know - how an Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus diese Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchführung politischer Ziele angedroht wird. zur Herstellung von Waffen und Trägersysteme Raketen oder Teilen hiervon ... 75 Die Bundesrepublik Deutschland ist als eine der führenden Industrienationen ein bevorzugtes Ziel der an Proliferation interessierten Länder. Da diese die gesetzlichen Ausfuhrbestimmungen umgehen müssen, bedienen sie sich ihrer Nachrichtendienste oder anderer Beschaffungsorgane, wie z.B. Tarnfirmen, um in den Besitz der erforderlichen Mittel oder der Güter zu kommen. Als Folge von Proliferation besteht die Gefahr der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die eine Bedrohung des Weltfriedens bedeuten könnten und die Gefahr eines militärischen Flächenbrandes, der regional nicht mehr kontrollierbar ist. Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen sind für die Erhaltung der Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts immer selbst verantwortlich. Diese können die wahren Absichten ihrer "Partner" aus den proliferationsrelevanten Ländern häufig nicht erkennen und laufen Gefahr, sich strafbar zu machen oder unbewusst eine nachrichtendienstliche Verbindung einzugehen. Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Länder unterstützen die zuständigen Stellen wie z.B. den Zoll, Proliferation zu erkennen und zu verhindern. Proliferationsabsichten, die häufig konspirative, also geheimdienstliche Züge aufweisen, sollen möglichst früh erkannt und aufgeklärt werden. Da für die Verfassungsschutzbehörden das Opportunitätsprinzip gilt, ist es im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zulässig, Hinweise und Fragen der gewerblichen Wirtschaft und der Wissenschaft absolut vertraulich zu behandeln. Für Aufklärung und Sensibilisierung steht das Landesamt für Verfassungsschutz mit verschiedenen Unternehmen in Verbindung, wobei in eingehenden Gesprä... 76 chen auf die äußerst konspirativen Beschaffungsaktivitäten der um Proliferation bemühten Staaten hingewiesen wird. ... 77 V. Scientology-Organisation (SO) Gründung: 1954 in den USA erste Niederlassung in Deutschland 1970 erste Niederlassung in Bremen 1981 Gründer: L.Ron HUBBARD (1911 - 1986 ) Sitz: Los Angeles ("Church of Scientology International" CSI) Mission in Bremen: Stolzenauer Str.36 Bremen-Hastedt Mitglieder: Bundesweit ca. 5000 - 6000 Bremen ca. 100 Publikationen: Freiheit Impact Scientology-News Source Diverse Internetadressen Die Programmatik der SO beruht nach wie vor auf den Schriften von L.Ron HUBBARD, die nach eigenen Aussagen der SO für sie unverändert ... 78 Gültigkeit haben und den Mitarbeitern und Mitgliedern von SO-Einrichtungen als Arbeitsanweisungen dienen. In sogenannten "policy letters" (Richtlinienbriefe) werden ihnen verbindliche Orientierungen vorgegeben. Eine von der Innenministerkonferenz (IMK) eingesetzte Arbeitsgruppe hat festgestellt, dass Ziele und Verhaltensweisen der SO der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehen. Das kollektive Verhalten der Organisation lässt Anzeichen für eine politische Zielsetzung erkennen, die letztlich darauf ausgerichtet ist, unsere verfassungsmäßige Ordnung zu verändern bzw. zu beseitigen. Dies ergibt sich aus dem von HUBBARD verfassten Grundlagenwerk der SO "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" und vielen Aussteigerberichten. Die SO will eine scientologische Gesellschaft etablieren, in der eigene "Verwaltungs-, Technologieund Gerechtigkeitsverfahren" ohne Rechtsweggarantie, ohne Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, ohne Anspruch auf einen gesetzlichen und unabhängigen Richter und ohne eine gesetzmäßige Verwaltung existieren. ... 79 Die programmatischen Äußerungen HUBBARDs sind für Scientologen, die Scientology-Organisation und insbesondere auch für ihre Teilorganisationen, die einzelnen "Kirchen" und "Missionen" in Deutschland oder die "International Association of Scientology" (IAS) unabänderlich und dauerhaft gültig In einer Werbebroschüre aus dem Jahre 1998 bezeichnet die IAS es als ihren Organisationszweck, "... die Scientology-Religion und Scientologen in aller Welt zu vereinigen, zu fördern, zu unterstützen und zu schützen, damit die Ziele der Scientology, wie HUBBARD sie aufgestellt hat, erreicht werden". Die Scientology-Organisation in Deutschland bekennt sich in ihren neueren Veröffentlichungen dieser Regelung ausdrücklich zur Person und politischen Programmatik ihres Gründers. Sie hat seit dem Beschluss der IMK, die Organisation zu beobachten, weiterhin neuere Auflagen seiner Bücher vertrieben oder druckt seine Aufsätze ohne Einschränkungen in ihren aktuellen Schriften ab. Daneben wurden auch ältere Schriften mit programmatischen Äußerungen HUBBARDs bekannt, die anscheinend noch immer in Teilen der deutschen SO verwendet werden. Ein Schwerpunkt der SO-Tätigkeiten liegt auf dem Gebiet der Lebenshilfe. Sogenannte kirchlich-religiöse-therapeutische Elemente der scientologischen "Technik" täuschen nicht über die vorwiegend kommerziellen Ziele hinweg, da alle Aktivitäten auf Expansion der Organisation ausgelegt sind. Das unbedingte Streben nach Gewinn dokumentiert sich in der Anweisung: "make money - make more money - make other people produce so as to make money" ... 80 Die Scientology-Mission Bremen bietet in ihren Geschäftsräumen in der Stolzenauer Straße diverse Kurse an. Die SO betreibt stadtteilbezogen Werbung, indem sie sog. "Flyers" in die Briefkästen von Häusern verteilt. Dabei wird mit dem Bildnis Einsteins geworben, geistige und körperliche Fitness versprochen, sowie auf Angebote wie z.B. den "Oxford-Persönlichkeitstest" hingewiesen. Seit dem 11.September 2001 wirbt die SO auf ihren Wurfsendungen u.a. für das "Dianetik" - Buch mit der Überschrift - Verbrechen - Krieg - Terrorismus. In Fußgängerzonen oder an belebten Plätzen werden gelegentlich Passanten angesprochen und zu einem Besuch in die "Mission" Bremen eingeladen. Zuweilen wird auch das "Dianetik"-Buch zum Kauf angeboten. ... 81 VI. Geheimschutz Ziel des Geheimschutzes ist der Schutz staatlicher Verschlusssachen. Er soll die Kenntnisnahme durch Unbefugte verhindern, wenn dadurch der Bestand, die Sicherheit oder sonstige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würden. Die Sicherheit des demokratischen Rechtsstaates und die seiner Bürger sind aber unverzichtbare Verfassungswerte. Unabhängig von ihrer Darstellungsform sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die geheim zu halten sind, Verschlusssachen (VS). Sie werden je nach dem Schutz, dessen sie bedürfen, nach SS 5 Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz ( BremSÜG ) in die vier folgenden Geheimhaltungsgrade eingestuft: STRENG GEHEIM GEHEIM VS-VERTRAULICH VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH Der Schutz der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen (Verschlusssachen) wird durch Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes verwirklicht. Beim personellen Geheimschutz sollen Sicherheitsüberprüfungen verhindern, dass Personen mit Sicherheitsrisiken sicherheitsempfindliche Tätigkeiten ausüben. Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. Sie sind in der Verschlusssachenanweisung (VSA) des ... 82 Landes Bremen vom 05. Januar 1996 sowie ergänzenden Richtlinien zusammengefasst. Die Pflichten und Befugnisse der an einer Sicherheitsüberprüfung Beteiligten sind im Gesetz über die Vorraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Landes Bremen (Bremisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - BremSÜG) geregelt. Das am 30. Juni 1998 von der Bremischen Bürgerschaft verabschiedete Gesetz lehnt sich an das auf Bundesebene geltende SÜG an und löste die bis dahin geltenden Sicherheitsrichtlinien des Landes Bremen von 1961 ab. Die Verantwortung für den personellen und materiellen Geheimschutz in den einzelnen Dienststellen trägt der Leiter der jeweiligen Dienststelle, der diese Aufgaben weitgehend auf einen Geheimschutzbeauftragten übertragen kann. Dieser arbeitet bei der Erfüllung seiner Aufgaben eng mit den Verfassungsschutzbehörden zusammen, denen der Gesetzgeber Mitwirkungspflichten beim Geheimschutz übertragen hat ( SS 3 Abs. 2 Bremisches Verfassungsschutzgesetz). Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Das SÜG sieht für Sicherheitsüberprüfungen drei Überprüfungsarten vor: * (Ü1) - einfache Sicherheitsüberprüfung * (Ü2) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung * (Ü3) - erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen. ... 83 Die Stufe der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Höhe des Verschlusssachengrades, zu dem der/die Betroffene Zugang erhalten soll. Bei den Überprüfungsarten Ü2 und Ü3 werden Ehegatte / Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, weil sich Sicherheitsrisiken bei diesen Personen auf den Betroffenen auswirken können. Die Sicherheitsüberprüfung wird mit dem Ziel durchgeführt, mögliche sicherheitserhebliche Erkenntnisse bei dem Betroffenen festzustellen, aus denen sich Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben. Sicherheitsrisiken sind gegeben, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen oder an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder Erpressbarkeit bzw. Anfälligkeit für Anbahnungsund Werbungsversuche durch fremde Nachrichtendienste für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland vorliegen. Das LfV gibt gegenüber den für die Sicherheitsüberprüfung zuständigen Stellen ein so genanntes Sicherheitsvotum ab. Das Votum ist eine Entscheidungshilfe, auf deren Grundlage die zuständige Stelle (Beschäftigungsbehörde) über die Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entscheidet. Das Ende der Ost-West-Konfrontation und die Intention des im Jahre 1998 in Kraft getretenen Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, den Kreis der staatlichen Geheimnisträger auf den notwendigen Kernbestand zu beschränken, hatte zur Folge, dass das Antragsaufkommen bei den Sicherheitsüberprüfungen im Laufe der letzten Jahre stark zurückgegangen ist. ... 84 Dagegen haben die anderen Überprüfungsarten deutlich zugenommen. Dies betrifft speziell die beim Einbürgerungsverfahren angestiegenen Anfragen sowie die Überprüfung von Personen, die Zugang zu den sicherheitskritischen Bereichen des Flughafens haben. Die Eingangszahlen sind infolge von Sondermaßnahmen nach den Ereignissen vom 11. September 2001 noch weiter angestiegen. ... 85 Anhang Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender extremistischer Motivation Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation insgesamt1 1999 79 2000 207 2001 183 2002 132 Davon Propagandadelikte2 1999 40 2000 107 2001 123 2002 82 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Motivation 1999 104 2000 51 2001 101 2002 60 Straftaten im Zusammenhang mit erwiesener oder zu vermutender politisch motivierter Ausländerkriminalität 1999 73 2000 9 2001 33 2002 20 1 Zur Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen Erfassung und Bewertung politisch motivierter Straftaten wurde ein neues Definitionsund Erfassungssystem erarbeitet, dass mit Wirkung vom 01.01.2001 eingeführt wurde. Seit Einführung des neuen Definitionsund Erfassungssystems werden rechtsextremistische Straftaten und Propagandadelikte nach kriminalistischen Aspekten erfasst.. 2 Die Propagandadelikte für 1999 und 2000 wurden anhand des Zähldeliktes SS 86a StGB nachermittelt. ...