er TANDBRANDENBURG Ministerium des Innern Verfassungsschutzbericht 1997 Verfassungsschutz durch Aufklärung Das Ministerium des Innern ist die Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg. In Erfüllung des gesetzlichen Auftrages wird mit dem vorliegenden Jahresbericht 1997 die Öffentlichkeit über die Arbeitsergebnisse unterrichtet. 1 997 Verfassungsschutzbericht Land Brandenburg Herausgeber: Henning-von-Tresckow-Straße 9-13, 14467 Potsdam und Layout: 'Abteilung Verfassungsschutz, Referat V/2 Telefon: (0331) 866 2567 Auflage: 7500 Druck: Druckerei Wolfgang Gfeschow, Welzow Den Textfinden Sie im internetunter www.brandenburg.de/land/mi Juni 1998 VORWORT Bereits seit Jahren ist die Beobachtung des Rechtsextremismus Arbeitsschwerpunkt der Verfassungsschutzbehörde, so auch 1997. Zwar sind 1997 die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten und auch die Zahl der militanten Angehörigen rechtsextremistischer Cliquen gegenüber dem Vorjahr -- anders als im Bundestrend, wo jeweils erhebliche Steigerungsraten zu verzeichnen sind -- ungefähr konstant geblieben. Doch diese Zahlen befinden sich weiterhin auf viel zu hohem Niveau. Überdies erfüllt mich mit großer Sorge die ungeheure Intensität, mit der aus solchen Jugendcliquen heraus die Gewalttaten verübt wurden. Nicht erst seit dem Einzug der DVU in den Landtag von Sachsen-Anhalt bedürfen die rechtsextremistischen Parteien eingehender Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Anlaß zur Besorgnis bietet insbesondere auch die NPD, obwohl sie bundesweit die wenigsten Mitglieder unter den rechten Parteien hat: Ihre Bemühungen um sogenannte Aktionsbündnisse mit dem gesamten erreichbaren rechtsextremistischen Spektrum einschließlich der gewaltbereiten Skinheads bergen die Gefahr, daß rechte Schläger so eine Art ideologischer Rechtfertigung erfahren. Unzureichende Maßnahmen gegen die hohe Arbeitslosigkeit und eine zunehmende Zahl von Jugendlichen ohne Perspektive haben dazu geführt, daß rechtsextremistische Parteien bundesweit Ängste schüren können. Sie haben in ihrer Agitation einen Themenwechsel vollzogen: weg vonrevisionistischer Propaganda, hin zu aktuellen sozialpolitischen Problemen. Auf diese Weise wollen sie eine breitere Akzeptanz in der Öffentlichkeit gewinnen. Esist zu befürchten, daß sich die rechten Parteien in den bevorstehenden Wahlkämpfen gegenseitig mit Hetzparolen übertrumpfen undso das innenpolitische Klimazu ften suchen. Sie bieten aber nur Scheinlösungen und wollen die sozialen Probleme für ihre verfassungsfeindlichen Zwecke geradezu ausbeuten. Verfassungsschutzbericht 1997 Bislang sind rechtsextremistische Parteien in Brandenburg immerauf deutliche Ablehnung der Wähler gestoßen: Bei keiner Wahl (Kommunal-, Landtags-, Bundestags-, Europaparlamentswahlen) erreichten sie zusammengezählt jemals mehr als 2,5 %. Daßdies sobleibt, ist aber kein Naturgesetz. Wer den Rechtsextremismus bekämpfen will, muß insbesondere seine Ursachen angehen. Den Rechtsextremismus werden wir nur dann dauerhaft zurückdrängen, wenn es uns gelingt, Weltoffenheit und Toleranz mit sozialer Stabilität, mit Perspektiven und mit Entwicklungschancen für den einzelnen zu verbinden. Über die Probleme des Rechtsextremismus darf aber nicht die Gefährdung durch Linksextremisten, hier insbesondere die sogenannten Autonomen, in Vergessenheit geraten. Jedwede Gewaltanwendung muß aufallgemeine gesellschaftliche Ablehnung und Ächtung stoßen. Alwin ZIEL Minister des Innern des Landes Brandenburg Potsdam, im Juni 1998 Verfassungsschutz durch Aufklärung Inhaltsverzeichnis Seite Verfassungsschutz und Demokratie 7 Das Grundgesetz - eine wehrhafte Verfassung 7 Die brandenburgische Verfassungsschutzbehörde - Auftrag, Aufgaben und Befugnisse 8 Die Kontrolle über de brandenburgische Verfassungsschutzbehörde 9 Organisationsstruktur und Haushaltsmittel der brandenburgischen Verfassungsschutzbehörde 10 Verfassungsschutz durch Aufklärung 11 Offentlichkeitsarbeit 12 Aufklärungsarbeit 12 Broschüren und Vorträge 14 Politischer Extremismus 15 1. Rechtsextremismus 15 Rechtsextremistische Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland 15 Rechtsextremistisch orientierte Jugendszene 18 Neonazis 17 Rechtsextremistische Parteien und hre Nebenorganisationen 22 Weltanschauungsgemeinschaften, Verlage und Vertriebsdienste, "Neue Rechte" 24 Neuere Trends in der rechtsextremistischen Agtation und Propaganda 26 Nutzung moderner Kommunikationstechniken durch Rechtsextremisten 30 Rechtsextremismus im Land Brandenburg 33 Rechtsextremistisch orientierte Jugendszene 36 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten 41 Neonazis 46 - Die Nationalen e.V. und sog. unabhängige Kameradschaften 46 - Gefangenenhilfsorganisationen 56 - Sonstige 57 Rechtsextremistische Parteien und hre Nebenorganisationen 60 - Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 60 - Junge Nationaldemokraten (JN) 63 - Deutsche Volksunion (DVU) 65 - Die Republikaner (REP) 67 Verfassungsschutzbericht 1997 Vereine und Weltanschauungsgemeinschaften 70 - Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 70 Ausblick 72 Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Gruppierungen 74 Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 75 2. Linksextremismus 76 Linksextremistische Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland 76 Linksextremismus im Land Brandenburg 81 Linksextremistisch orientierte Jugendszene 82 Anarchisten 88 Gefangenenhilfsorganisationen 89 - Rote Hilfe e.V. Linksextremistisch motivierte Gewalttaten 90 Marxistisch-leninistische Parteien und Organisationen 96 - Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 96 - Kommunistische Parte Deutschlands (KPD) 97 - Marxistisch-Leninistische Parte Deutschlands (MLPD) 98 Ausblick 99 Mitgliederzahlen linksextremistischer Gruppierungen 100 Linksextremistisch motivierte Straftaten 101 3. Ausländerextremismus 102 Scherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland 102 Sicherheitslage im Land Brandenburg 105 - Arbeiterpartei Kurdstans (PKK) 107 - Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 107 Ausblick 108 4. Beobachtung der Scientology-Organisation 109 Rechtliche Zulässigkeit der Beobachtung 109 Beobachtung im Land Brandenburg 110 "Vertrauliches Telefon" 110 Broschüre zur SO 110 Spionageabwehr 111 Arbeitsweise der Spionageabwehr 112 Arbeitsweise fremder Nachrichtendienste 112 Wesentliche fremde Nachrichtendienste 113 - Russische Föderation 113 - Sog. Krisenländer des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens 114 Ausblick 114 Geheimschutz 116 Anhang (Abkürzungsverzeichnis, Sachwortregister, Begriffserläauterungen, Gesetzestexte) Verfassungsschutz durch Aufklärung VERFASSUNGSSCHUTZ UND DEMOKRATIE Das Grundgesetz - eine wehrhafte Verfassung Die erste demokratische Verfassung in Deutschland, die Weimarer Reichsverfassung von 1919, stand den Angriffen ihrer Gegner von rechts und links ohne verfassungsrechtlichen Schutz gegenüber; sie wurde von den Nationalsozialisten schließlich ausgeschaltet. Unter dem Eindruck dieser Erfahrungen wurde 1949 in die neue Verfassung, das komplexes Grundgesetz (GG), ein komplexes Schutzsystem zur Verteidigung der Schutzsystem freiheitlichen demokratischen Grundordnung -- der obersten Wertprinzipien unserer Verfassung -- eingefügt: - die Unabänderbarkeit wesentlicher Grundsätze der Verfassung selbst durch den Gesetzgeber (Art. 79 Abs. 3 GG): - die Verwirkung bestimmter Grundrechte (zum Beispiel Versammlungsund Vereinigungsfreiheit), wenn diese zum Kampf gegendie freiheitliche demokratische Grundordnung miß-braucht werden (Art. 18 GG): - das Recht, Parteien und sonstige Vereinigungen zu verbieten, wenn sig darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zubeseitigen (Art. 9 Abs. 2,21 Abs.2 GG). Darüber hinaus ermächtigt das Grundgesetz den Bundzur Einrichtung einer Zentralstelle zur Sammlung von Unterlagen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit von Bund und Ländern (Art.73 Nr.10b, 87 Abs.1 S.2 GG). 1950 wurde das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheitendes Verfassungsschutzes erlassen, das den Bund und Bundesjedes Land zur Errichtung von Verfassungsschutzbehörden verpflichverfassungstet; dieses Gesetz wurde 1990 durch ein neues Bundesverschutzgesetz fassungsschutzgesetz abgelöst. Am 5. April 1993 hat der Landtag das Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg (Brandenburgisches Verfassungsschutzgesetz -- BbgVerfSchG) beschlossen. Verfassungsschutzbericht 1997 Die brandenburgische Verfassungsschutzbehörde - Auftrag, Aufgaben und Befugnisse Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg ist das Ministerium des Innern. Ihr Auftrag ist nach $ I Abs. 2 BbgVerfSchG die Unterrichtung der Landesregierung und anderer zuständiger Stellen über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den BeUnterrichtung stand und die Sicherheit des Bundes und der Länder. Dadurch soll die über Gefahren Möglichkeit geschaffen werden, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr für die freiheitliche dieser Gefahren zuergreifen. demokratische Grundordnung Gemäß $ 3 BbgVerfSchG sammelt die Verfassungsschutzbehörde zur Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrags Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen, über - Bestrebungen, die gegendie freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben; - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht: - Bestrebungenin der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Solche Informationen wertet die Verfassungsschutzbehörde aus. Sie darf jedoch nur dann tätig werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine der genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Ferner wirkt die Verfassungsschutzbehörde auf Ersuchen der zuständigenStellen beimpersonellen und materiellen Geheimschutz mit; es handelt sich dabei um die Sicherheitsüberprüfung von bestimmten PersoBindung nen und um technische Sicherheitsmaßnahmen. an Recht Grundlegendes Prinzip der Verfassungsschutztätigkeit ist die Bindung und Gesetz an Recht und Gesetz gemäß $ 6 Abs. | BbgVerfSchG, womit der bereits nach Art. 20 Abs. 3 GG füralles staatliche Handeln geltende Grundsatz bekräftigt wird. Daraus folgt unter anderem, daß im Rahmen der Verfassungsschutzarbeit keine Straftaten begangen werden dürfen. Verfassungsschutz durch Aufklärung Den ganz überwiegendenTeil seiner Informationen erhält der Verfassungsschutz aus offenen, oft jedermann zugänglichen Quellen, wie Zeitungen und weiteren Medien, Büchern, Flugblättern und anderen Publikationen sowie aus Öffentlichen Veranstaltungen, ferner durch Mitteilungen von Behörden. Dajedoch eine offene Informationserhebung nicht immer möglich oder effektiv ist, darf die Verfassungsschutzbehörde in bestimmten Fällen die in $ 6 Abs. 3 BbgVerfSchG abschließend aufgezählten sogenannten nachrichtendienstlichen Mittel einsetzen. Hierzu gehören unter andenachrichtenremder Einsatz von geheimen Informanten und verdeckten Ermittlern, dienstliche Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen außerhalb des SchutzMittel bereichs der Wohnung im Sinnedes Art. 13 GG sowie die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Gesetzes zu Art. 10 GG und des dazu ergangenen Ausführungsgesetzes für das Land Brandenburg (G 10 AG Bbg). Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Deshalb ist er gemäß $ 7 BbgVerfSchG nurunter bestimmten Voraussetzungen zulässig und wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise unmöglich ist. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel muß immer dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen. Dem Verfassungsschutz stehen keine polizeilichen Befugnisse zu: er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen erselbst nicht befugt ist (Art. 11 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg). Die Kontrolle über die brandenburgische Verfassungsschutzbehörde Die Brandenburger Verfassungsschutzbehörde unterliegt einer mehrmehrfache fachen Kontrolle. Kontrolle Zum einenbesteht die besondere parlamentarische Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages. Sie hat einen Landtag Anspruch darauf, von der Landesregierung unter anderem umfassend überdie allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde, das Lagebild und Vorgänge von besonderer Bedeutung sowie auf Verlangen auch über Einzelfälle unterrichtet zu werden ($$ 23, 25 BbgVerfSchG). Unbeschadet dieser besonderen Kontrolle besteht noch die allgemeine Kontrolle der Landesregierung durch den Landtag. Verfassungsschutzbericht 1997 Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Gesetzes zu Art. 10 GG werden durch eine vom Landtag G 10gewählte unabhängige Kommission (G 10-Kommission) auf Zuläss Kommission keit und Notwendigkeit überprüft, und zwargrundsätzlich vor demVollzug ($$ 2,3 G 10 AG Bbeg). Auch einzelne Bürgerinnen und Bürger können eine mittelbare Kontrolle des Verfassungsschutzes ausüben, indem sie sich an die ParlaParlamentarische mentarische Kontrollkommission wenden. Darüber hinaus hat jeder das KontrollRecht, Auskunft und Akteneinsicht von der Verfassungs-schutzbehörde kommission zuverlangen ($ 12 BbgVerfSchG). Sie erteilt grundsätzlich jedem unentgeltlich Auskunft überdie zu seiner Person gespeicherten Daten sowie den Zweck und die Rechtsgrundlage ihrer Speicherung; auf Antrag kann auch Akteneinsicht gewährt werden. Auskunftserteilung und Akteneinsicht dürfen nur dann versagt werden, wenn das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung der Erkenntnisse sowie der nachrichtendienstlichen Arbeitsmethoden und Mittel der Verfassungsschutzbehörde gegenüber demInteresse der Person überwiegt. Im Jahre 1997 haben 13 Bürger Auskunfterhalten. Selbstverständlich unterliegen die Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörde auch der gerichtlichen Kontrolle. Eine Kontrollfunk-tion hat auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz. Er hat Zugang zu Datenschutz allen Unterlagen, die personenbezogene Daten enthalten. Seine Kontrolle kann auch von einem Bürger ausgelöst werden. Der Datenschutzbeauftragte überprüft auf der Grundlage der geltenden Vorschriften des Datenschutzgesetzes die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch die Verfassungsschutzbehörde. Organisationsstruktur und Haushaltsmittel der brandenburgischen Verfassungsschutzbehörde Das Ministerium des Innern unterhält für seine Aufgabe als Verfassungsschutzbehörde des Landes eine besondere Abteilung. Diesegliedert sich in sieben Referate (Zentrale Dienste, Rechtsund Grundsatzangelegenheiten; Verfassungsschutz durch Aufklärung; Auswertung politischer Extremismus; Beschaffung politischer Extremismus; Spionageabwehr; Geheimschutz; Observation und nachrichtendienstliche Technik). Im Haushaltsjahr 1997 waren für die Verfassungsschutzabteilung 109 Planstellen vorgesehen; am 31. Dezember 1997 waren 97 besetzt. Die Personalkosten, errechnet unter Zugrundelegung von Durch10 schnittswerten, beliefen sich auf rund 6.230.000 DM. Verfassungsschutz durch Aufkl An Haushaltssachmitteln standen 1.537.000 DM zur Verfügung; davon wurden1.176.920,76 DM ausgegeben. VERFASSUNGSSCHUTZ DURCH ÄUFKLÄRUNG Der demokratische Rechtsstaat kann nicht allein von staatlichen Behörden geschützt und bewahrt werden. Dies ist auch Aufgabe aller Bürgerinnen und Bürger. Denn der beste Verfassungsschutz ist der kritische, engagierte und demokratische Bürger selbst. politische Die Bedeutung der politischen Auseinandersetzung mit verfassungsAuseinanderfeindlichen Bestrebungenerfordert eine intensive Aufklärung über Art setzung mit und Umfang der Gefahren, die durch politischen Extremismus drohen. verfassungsfeindlichen Nur aufgeklärte Bürger sindin der Lage, die wahren Absichten extremiBestrebungen stischer Bestrebungen zuerkennen, sie kritisch zu bewerten undihnen letztlich nicht zuerliegen. Auch wenn unsere Demokratie gefestigt ist, müssen aktuelle undlatente Risiken und Gefährdungenbeachtet werden: Gewalt und Extremismus, Intoleranz und Ausländerhaß, übersteigerter Nationalismus und Fundamentalismus. Die Landesregierung mißt der präventiven und offensiven Auseinandersetzung mit diesen Erscheinungen besondere Bedeutung zu. Sie gibt deshalb der geistig-politischen Auseinandersetzung hohePriorität. Obwohl die Verfassungsschutzbehörden Nachrichtendienste sind, nimmt die Aufgabe "Verfassungsschutz durch Aufklärung" einen breiten Raumein. Der brandenburgische Verfassungsschutz bekennt sich zumoffenen gesellschaftlichen Dialog. Im Widerspruch zu manchem offener Vorurteil sucht er bewußt und braucht er die Öffentlichkeit. Er benötigt geselldie Hilfe der Bürger, sich demokratiefeindlichen Bestrebungen engaschaftlicher giert entgegenzustellen. Fremdenfeindlich und überhaupt extremistisch Dialog motivierte Straftaten müssenaufallgemeine gesellschaftliche Ächtung stoßen. ' Die brandenburgische Verfassungsschutzbehörde fühlt sich in besonderem Maße dem Grundsatz der Bürgernähe und auch der Präventionsarbeit verpflichtet. 11 Verfassungsschutzbericht 1997 Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes informiert über - die zuverteidigende freiheitliche demokratische Grundordnung; - die offen verwertbaren Ergebnisse der nachrichtendienstlichen Facharbeit: - die Institution des Verfassungsschutzes. Vielfache Medienkontakte haben auch 1997 die Öffentlichkeitsarbeit Medienbestimmt, sei es durch Interviews, Redaktionsbesuche oder Hinterkontakte grundgespräche. Der Verfassungsschutzbericht 1996 mußte als erster Verfassungsschutzbericht des Landes nachgedruckt werden, weil die Nachfrage die erste Auflage bei weitem überstieg. Wie in den Jahren zuvor wurde er an Behörden, Schulen, Verbände und Parteien sowie an interessierte Bürger versandt, wobei die Nachfrage von privaten Abnehmernweiter stieg. Neben demJahresbericht verteilte die Behörde umfangreiches Material über Rechts-, Linksund Ausländerextremismus, zur Spionageabwehr sowie zum Thema Extremisten und Informationstechnik. In einer Auflagenhöhe von 7 500 Exemplaren veröffentlichte sie eine Broschüre mit Broschüren demTitel "Scientology -- Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes". Mitarbeiter des brandenburgischen Verfassungsschutzes nahmen 1997, dem "Europäischen Jahr gegen Rassismus", an Diskussionen im Rahmen von Aktionswochen oder-tagen gegen Extremismus und Gewalt Diskussionen teil, die u. a. in Templin, Schwedt und Nauen stattfanden. Außerdem waren sie, nun schon zum dritten Mal, mit einem Informationsstand bei der Auftaktveranstaltung zur "Woche des ausländischen Mitbürgers" in Brandenburg a.d.H. vertreten. Aufklärungsarbeit Die Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes wendet sich an die Bürgerdes Landes, um Wesenund Inhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu verdeutlichen sowie über das komplexe Schutzsystem unserer Verfassung zur Bewahrung dieser Wertordnung und über Aufgaben und Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden zu informieren. In besonderer Weise wird dabei die geistig-politische Auseinandersetzung mit Themen insbesondere des politischen Extremismus gefördert. 12 Verfassungsschutz durch Aufklärung Hauptzielgruppe der Aufklärungsarbeit ist die Jugend unseres Bundeslandes, die durch Vorträge an Schulen, in Vereinen und durch andere Veranstaltungenerreicht wird. Darüber hinaus wendet sich der Verfassungsschutz an Multiplikatoren, zum Beispiel Pädagogen, in Vorträge der Sozialarbeit tätige, engagierte Bürger in Vereinen und anderen an Schulen demokratischen Organisationen, um die gesellschaftlichen Probleme in der Auseinandersetzung mit Verfassungsfeinden deutlich zu machen und die Bevölkerung zusensibilisieren. Selbstverständlichist Verfassungsschutz all geht alle an . KaTe eZ SCHATTEN [Er Verfassungsse 'hutzbericht 1997 unten ver " " durch Aufkärung Verfassungsschutzbericht 1997 dabei, daß die Institution Verfassungsschutz stets als solche erkennbar ist. Seit Ende 1994 ist die gemeinsame Wanderausstellung der Verfassungsschutzbehörden aller neuen Bundesländer "Demokratie -- aber Wandersicher!" ein zentrales Element der Aufklärungsarbeit. Die ständig von ausstellung Mitarbeitern begleitete Ausstellung, in der einzelne Grundrechte erläu"Demokratie -- tert, die politischen Bedrohungspotentiale der demokratischen Ordnung aber sicher!" durch verfassungsfeindliche Aktivitäten benannt und auch die damit verbundenen Aufgaben des Verfassungsschutzes erklärt werden, richtet sich gerade an Jugendliche. Umsie zu erreichen, wird die Ausstellung bei ihrem Umlauf in Brandenburg überwiegend in Schulen der Sekundarstufe I und II gezeigt, aber auch in Jugendeinrichtungen. Eine Beteiligung der Ausstellungsbetreuer am Unterrichtsfach Politische Bildung ergänzt das Angebot. Bis Ende 1997 wurde die Ausstellung in 22 Städten und Gemeinden des Landes Brandenburg gezeigt; etwa 9 200 Besucher, überwiegend im Alter zwischen 14 und 20 Jahren, informierten sich. Zur Ausstellung gehörenseit ihrer Eröffnung immer wieder aktualisierte Compu-terspiele, Videos, Faltblätter, Broschüren sowie ein die Jugendlichen direkt an"Fairständnis -- sprechendes Begleitheft. Menschenwürde In die Ausstellung integriert ist die seit 1993 bundesweit laufende Aufachten -- klärungskampagne "Fairständnis -- Menschenwürde achten -- Gegen Gegen Fremdenhaß". Fremdenhaß" Broschüren und Vorträge Die von der brandenburgischen Verfassungsschutzbehörde herausgegebenen Broschüren und Jahresberichte werden kostenlos abgegeben. Außerdem werden Fachleute des Verfassungsschutzes zu Vorträgen und Diskussionen vermittelt. Interessenten wenden sich bitte an: Ministerium des Innern Referat V/2 Henning-von-Tresckow-Straße 9 - 13 14467 Potsdam Telefon: (0331) 866 2567 Telefax: (0331) 866 2585 14 Verfassungsschutz durch Aufklärung POLITISCHER EXTREMISMUS l. RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland Die meisten Rechtsextremisten in der Bundesrepublik Deutschland lassen sich einer derfolgenden vier Kategorien zuordnen: - Angehörige rechtsextremistisch orientierter Jugendcliquen mit oft hoher Gewaltbereitschaft; - Anhängereines "erneuerten" Nationalsozialismus (Neonazis); - Mitglieder rechtsextremistischer Parteien und Vereinigungen; Kategorien - Mitglieder rechtsextremistischer Weltanschauungsgemeindes Rechtsschaften, Inhaber und Betreiber einschlägiger Verlage und extremismus Vertriebsdienste, einzelne Ideologender sog. "Neuen Rechten" und deren Anhänger. Zwischendiesen einzelnen Trägergruppen des Rechtsextremismus gibt es selbstverständlich vielfache Berührungspunkte und Überschneidungen. Rechtsextremistisch orientierte Jugendszene Die rechtsextremistisch orientierte Jugendszene ist ein diffuses, von anderen Jugendmilieus nicht immer eindeutig abgrenzbares Gebilde. Sie unterliegt einer hohen personellen Fluktuation, ist in ihrem Gesamtbestand aber annähernd konstant. Viele der einschlägigen Jugendcliquen werden von Skinheads gebildet. Seit einigen Jahren hat das "Lebensgefühl" der Skinheadszene weitere Skinheads Bereiche der Jugendsubkultur so sehr beeinflußt, daß die für sie typischen Attribute und Einstellungen auch auf zahlreiche andere Jugendliche abfärben. Umgekehrtlegten viele Skinheads -- ohne sich aus der Szene zu lösen - ihr "Outfit" ab, um sich äußerlich den Konventionen anzupassen oder Nachstellungen durch Angehörige linksextremistisch orientierter Szenen zu entgehen. 15 Verfassungsschutzbericht 1997 Mit der steigenden Zahl von Skinhead-Konzerten erfährt die Skinheadbewegung seit etwa 1995 einen erneuten Auftrieb. Größere Skinhead-Konzerte, die auch erheblichen Zulauf durch sonstige rechtsexKonzerte tremistisch orientierte Jugendliche finden, werdenseitdem im Inund Ausland zunehmend konspirativ vorbereitet und durchgeführt. Konzerte im benachbarten Ausland werden oft auch von Skinheads aus Deutschland besucht, während umgekehrt ausländische Skinheads an Konzerten in der Bundesrepublik teilnehmen. Neben besonders geschätzten Kultbands aus Großbritannien und den USA treten auch Bands aus Polen und Ungarn mitunter gemeinsammit deutschen Bands auf. Entsprechende Kontakte werden auch genutzt, um CDs einschläg CD-Cover ger Bands wegen der konsequentenStrafverfolgung in der Bundesreder rechtspublik Deutschland von ausländischen Firmen produzieren und verextremistischen breiten zu lassen. Eine führende Stellung nimmt dabei der dänische Skinhead-Band Vertrieb "NS 88" ein. "Senfheads" aus DerHandel mit Tonträgernrechtsextremistischer Skinhead-Bands - zum Senftenberg. Beispiel mit der inzwischen nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften indizierten CD "12 Doitsche Stimmungshits" der "Zillertaler Türkenjäger" -- weitet sich auch in Deutschland aus. Die Polizei durchsuchte am 6. August Wohnungen und Geschäftsräume in zehn Bundesländern, darunter in Brandenburg. Die Aktion richtete sich gegen 16 Vertriebe und 24 Einzelpersonen. Sichergestellt wurden u.a. Tonträger mit rechtsextremistischen Inhalten, Hakenkreuzfahnen, Propagandamaterial und sogar Kriegswaffen. International formiert sich ein Teil der Skinheadbewegung in den -- gelegentlich miteinander konkurrierenden -- Zusammenschlüssen "Blood & Honour" ("Blut und Ehre") und "Hammerskins". Viele Skinheads lehnen allerdings beide Bewegungen wegenihres Eliteanspruchs ab. 16 Neonazistische Aktivisten finden nur vereinzelt in der Skinheadszene Verfassungsschutz durch Aufklärung Akzeptanz, beispielsweise dann, wenn sie die Organisation von Skinhead-Konzerten und den Vertrieb von zumTeil indizierten Ton! gern übernehmenoder ihre Publikationen nach Art von "Fanzines gestalten (Beispiel: "Hamburger Sturm"). Die Neonazis selbst verfolgen dabei verschiedene Absichten: Sie wollen ihren politisch-ideologischen Einfluß ausdehnen und neue Kader anwerben oder aber rein kommerzielle Interessen befriedigen. Die Mehrzahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten -- ganz überwiegend sind es sog. Propagandadelikte -- wird von Angehörigen rechtsextremistisch orientierter Jugendcliquen begangen. Sofern es sich dabei um Gewalttaten handelt, kommen die Täter fast ausschließlich aus dieser Szene. Bundesweit wird von ca. 7600 unorganisierten militanten Rechtsextremisten ausgegangen. Bezogenauf die Einwohnerzahl, ereigneten sich auch 1997 überproportional viele Gewalttaten in den ostdeutschen Ländern. Brandenburgist davon besonders betroffen. Allerdings haben einschlägige Gewalttaten in Brandenburg 1997, entgegen dem Trend in manchen anderen Bundesländern, zahlenmäßig nicht wesentlich zugenommen. Eine einfache, schlüssige Erklärung für die Gewaltexzesse undihre Ursachenläßt sich nicht finden. Unter den Tätern überwiegen männliche Jugendliche und Jungerwachsene, die häufig nur über ein niedriges rechtsSchulbildungsniveau verfügen und teils noch in der Ausbildung, teils extremistisch schon im Berufsleben stehen oder - seltener - arbeitslos sind. Sie leben motivierte aggressive Antriebe, zumal wenn der Alkohol sie enthemmt, rücksichtsGewalttaten los aus. Moralische oder emotionale Barrieren, die sie daran hindern könnten, werden dabei vom Drang nach Gewalt hinweggerissen oder existieren schon gar nicht mehr. Anden rechtsextremistisch motivierten Straftaten beteiligen sich immer öfter ganz junge Menschen, selbst Kinder. Auch Mädchen sind jetzt häufiger darunter. Neonazis Die Neonazis gewinnenihre ideologischen und programmatischen Vorstellungen aus dem Nationalsozialismus (NS). Ihre nationalistischen Traditionslinien und rassistischen politischen Forderungen entsprechen in wesentlides Nationalchen Elementen dem Parteiprogramm der "Nationalsozialistischen Deutsozialismus schen Arbeiterpartei" (NSDAP) von 1920. Innerhalb der Neonaziszene knüpft man an verschiedene Traditionslinien des Nationalsozialismus an. Während manche die Person, die politischen Vorstellungen und das RegimeHitlers als Vorbild ansehen, 17 orientieren sich andere an der "antikapitalistischen" und "sozial- ! Fan-Magazine der Skinheads Verfassungsschutzbericht 1997 revolutionären" Tradition seiner ehemaligen "Sturmabteilung" (SA). Darüber hinaus gibt es Bestrebungen, den Neonazismus zu modernisieren und zugunsten einer bei den Problemen der Gegenwart ansetzenden Agitation die Verherrlichung des NS-Regimes in den Hintergrund treten zu lassen. Die seit 1992 gegen Neonazis ausgesprochenen Organisationsund Veranstaltungsverbote, die häufige Beschlagnahme von Propagandamaterialien und andere staatliche Sanktionen haben die Neonaziszene Verbote und verunsichert. Nachdem der Minister des Innern des Landes BrandenBeschlagburg 1995 bereits die "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) verbonahmen ten hatte, traf diese Maßnahme des demokratischen Rechtsstaats am 15. August 1997 nunmehr die "Kameradschaft Oberhavel". Die Reaktionen der Neonazis auf Organisationsverbote sind unterschiedlich. Einzelne Aktivisten verbotener Organisationen erklären ihren Rückzug aus dempolitischen Kampf, gelegentlich geschieht dies nur aus taktischen Gründen, um bei anstehenden Prozessen Vorteile zu erlangen. Andere wiederum wendensich legalen rechtsextremistischen Organisationen zu, umsie in ihrem Sinne zu dominieren. Auch gibt es Versuche, verbotene Organisationen unter anderem Namen weiterzuführen. Die unter Strafe stehende Fortführung verbotener Vereinigungen in Nachfolgeoder Ersatzorganisationen ist nicht immereindeutig zu belegen. In dem von September 1995 bis Juli 1997 vor dem Landgericht Koblenz geführten Prozeß wegen Fortführung der verbotenen "Deutschen Alternative" (DA) wurden von den 16 Angeklagten zwölf mangels Beweisen freigesprochen, bei zwei Angeklagten wurde das Verfahren eingestellt und lediglich zwei Angeklagte erhielten eine Geldstrafe bzw. Haftstrafe auf Bewährung. Unter dem Druck von Organisationsverboten und sonstigen staatliReaktionen chen Maßnahmen sahen sich die Neonazis veranlaßt, ihre Aktionsund Organisationsformendiesen Erschwernissen anzupassen. Sie verfolgen dabei verschiedene Ansätze. -- Einer besteht in der Unterwanderung legaler Organisationen. Hierfür wirbt u. a. das von der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) herausgegebene Hetzblatt "NS-Kampfruf". Von ihmerschienen 1997 weitere in den USA hergestellte Ausgaben, obwohl sein Initiator, der deutsch-amerikanische Neonazi Gerhard LAUCK, weiterhin die vom Landgericht Hamburg verhängte Freiheitsstrafe von 4 Jahren 18 verbüßt. Zum Thema ist in der 118. Ausgabe vom August 1997 Verfassungsschutz durch Aufklärung unter der Überschrift "Nationalsozialistisches Strategiepapier der NSDAP/AO -Für die kämpfende Minderheit! Teil 2: Möglichkeiten des Widerstandes!" unter anderem zu lesen: "Um am Tag X nicht mit leeren Händen dazustehen und die revolutionären Veränderungen für uns kalkulierbarer zu machen, sollte(n) eine massive Unterwanderung durch nationalsozialistische Kräfte bei der jeweils hoffnungsvollsten nationalistischen oder konservaniven Partei erfolgen und entsprechende Schlüsselpositionen besetzt werden. Dasheißt in der Konsequenz, daß eslegitim erscheint, bestehende Parteien und Institutionen -- Unterwanderung wenn wir selbst keine eigenen gründen können -- so zu unterwandern, daß man sie benutzt(,) um eigene Ideen zu transportieren. (...) Essollte unser Ziel sein, jeden Bereich nach und nach mit Nationalsozialisten/innen zu besetzen(,) um somit flächendeckend bei einer späteren Verteilung der Macht die entscheidende(n) Positionen einzunehmen und somit unserer Idee zum Siege zu verhelfen." --AmVorbild der Autonomenorientiert ist hingegen das Konzept der "unabhängigen Kameradschaften". Diese jeweils an einem Ort oder in einer Region konspirativ agierenden Personenzusammenschlüsse ohneformelle Mitgliedschaft sind selbständig und durch informel"unabhängige le Kontakte ihrer Führungspersonen miteinander verbunden. Die KameradVernetzung erfolgt mit Hilfe von Mobiltelefonen, Infotelefonen, schaften" Mailboxen und zunehmend des Internets. Für die Selbstbestätigung und das Zusammengehörigkeitsgefühl der zersplitterten Szene sind Aktionen unverzichtbar, bei denen Neonazis in größerer Zahl gemeinsamin der Öffentlichkeit auftreten. Dafür stellen sie kontroverse Auffassungen und persönliche Differenzen, die sie sonst trennen, zeitweilig zurück. Die "Rudolf-Heß-Aktionswoche" hatte für die Neonaziszene im zehnten Todesjahr von Heß eine herausgehobene Bedeutung. Das "Ru"Rudolf-Heßdolf-Heß-Aktionskomitee", in dem 1997 ausschließlich Neonazis mitMarsch" wirkten, verkündete im Juni 1997, es werde auch in diesem Jahr einen zentralen "Rudolf-Heß-Marsch" geben. Das geplante medienwirksame Auftreten blieb den Neonazis aber versagt. Bereits ihre Vorbereitungen waren unzureichend, während die Sicherheitsbehörden sich auf verschiedene Eventualfälle eingestellt hatten. Am 16. August mißlang den Neonazis angesichts starker Polizeipräsenz der Versuch, einen zentralen Aufmarsch in Wolfenbüttel zu veranstalten; anschließend verhinderte die Polizei eine Kundgebung in Braunschweig. Danach kam es in Königslutter zu Auseinandersetzungen 19 Verfassungsschutzbericht 1997 zwischen Linksextremisten und etwa 120 Neonazis; die Polizei nahm 100 Personen, unter ihnen 15 Gegendemonstranten, vorübergehend in Gewahrsam. In Halle (Saale) kames gleichfalls zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten, als etwa 40 Neonazis eine "Heß-Kundgebung" durchzuführen versuchten. Auf Helgolanderhielten 14 Personen aus einer Gruppe von über 30 Neonazis, die Flugblätter verteilen und ein Transparent entrollen wollten, polizeirechtliche Platzverweise. Auch Rechtsextremisten aus Brandenburg waren an diesem Tag unterwegs: Im hessischen Melsungen wurde eine Personengruppe aus Fürstenwalde von der Polizei festgenommen, die sich unterwegs zur beabsichtigten Teilnahme an einemzentralen "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" befand. Es handelte es sich umMitglieder der den "Nationalen" nahestehenden Kameradschaft Fürstenwalde, die sich "Nationalistische Widerstandsgruppe Fürstenwalde/Spree" nennt. In vielen Orten wurde im August Heß-Propagandamaterial verteilt und geklebt. Wie in den Vorjahren suchten deutsche Rechtsextremisten Gelegenheit, zum "Heß-Gedenken" wenigstens im Ausland zu demonstrieren. Etwa zehn Deutsche waren unter den 130 Personen, die im dänischen Köge aneiner von der "Dänischen NationalsozialistiNational [144 uf) erstand schen Bewegung" (DNSB) veranstalteten "Heß-Kundgebung" teilnahmen. Weiteren 35 deutschen Rechtsextremisten war die Einreise nach Dänemark verwehrt worden. Unter den Neonazis bleibt weiterhin umstritten, ob man, um den deutschen Sicherheitsbehörden auszuweichen, "Heß-Kundgebungen" im 20 Ausland für einen Auftritt nutzen solle. Verfassungsschutz durch Aufklärung Auch amVolkstrauertag -- den Rechtsextremisten, der NS-Terminologie folgend, als "Heldengedenktag" reklamieren -- gelangen ihnen keine Aktionen von überregionaler Bedeutung. Der Soldatenfriedhof in Halbe war in den Jahren 1991 und 1992 Ort Kundgebungen größerer neonazistischer Kundgebungen; in den Folgejahren waren weitere Aufmärsche geplant, die aber jeweils verboten und wirksam verhindert wurden. 1997 erfolgte erstmals keine Anmeldung für eine solche Veranstaltung mehr. Die in Brandenburg für die Orte Seelow, Lietzen und Gorgast von der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) angemeldeten Kundgebungen wurdenverboten undfanden nicht statt. Erwähnenswertist eine Kundgebung am 24. Mai in Bad Segeberg, wo etwa200 Neonazis unter der Losung "Gegenden Euro, die EG-Mißwirtschaft und den Sozialabbau" demonstrierten. Als großer Erfolg für den "nationalen Widerstand" wurde die Demonstration am I. März in München gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg -- Verbrechen der Wehrmacht" gefeiert. Für diese von der NPD angemeldete Kundgebung hatten auch zahlreiche neonazistische Gruppierungen ihre Anhänger mobilisiert. Unter den rund 4 300 Teilnehmern befanden sich aber nicht nur Extremisten. Seit 1927 treffen sich im belgischen Diksmuide flämische Gruppierungen, um der gefallenen Flamendes 1. Weltkrieges zu gedenken. Am Vorabenddieser traditionellen Gedenkfeier, der "Ijzerbedevaart", findet alljährlich ein internationales "Kameradschaftstreffen" statt, zu dem auch Rechtsextremistenanreisen. Die Beteiligung deutscher RechtsextremiGedenkfeiern sten verringerte sich 1997 gegenüber den Vorjahren nochmals auf nunmehr ca. 80 Personen. Zum Andenken an die Gefallenen beider Weltkriege findet jährlich in Österreich nahe Klagenfurt das "Ulrichbergtreffen" statt. Seit ehemalige Angehörige der "Waffen-SS" auf die Feier Einfluß nehmen, ist sie auch zum Treffpunkt von Rechtsextremisten verschiedener Länder geworden. Am 5. Oktober wurden unter den rund 5 000 Teilnehmern ca. 70 ausländische Rechtsextremisten, davon 30 aus Deutschland, festgestellt. An den Gedenkfeiern zum Todestag des spanischen Diktators General Franco vom 21, bis 23. November im Raum Madrid nahmen 1997 an die 5.000 Personen teil. Zu ihnen zählten rund 100 deutsche Rechtsextremisten. Derzeit gibt es keine terroristische Vereinigung von Rechtsextremisten, die mit der linksterroristischen "Rote Armee Fraktion" (RAF) 21 Verfassungsschutzbericht 1997 vergleichbar wäre. Dazufehlt es u. a. an der Logistik und insbesondere an dem für das Operieren im Untergrund erforderlichen Unterstützerumfeld. Ideologisch verblendete Einzelgänger, zumal solche mit psychopathologi-schen Zügen, sind aber durchaus zu Terroranschlägen mit politischer Zielrichtung imstande. Zunennen ist hier der Berliner Kay DIESNER. Seinen Taten ging folgendes voraus: Am 15. Februar kam es bei einem von den "Jungen Einzeltäter Nationaldemokraten" (JN) angekündigten Aufmarschin Berlin-HellersDiesner dorf zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Linksextremisten(s. dazu S. 64). In der neonazistischen Szene wurden dafür letztlich Politiker der PDS verantwortlich gemacht. Aus Haßaufdiese für ihn "extrem deutschfeindliche Partei" schoß DIESNER am 19. Februar im Haus der PDS-Bezirksgeschäftstelle einen Buchhändler mit einer Schrotflinte nieder und verletzte ihn lebensgefährlich. Dannverließ er Berlin. Am 23. Februar schoß DIESNER auf einem Autobahnparkplatz in Schleswig-Holstein auf zwei Polizeibeamte, die ihn kontrollieren wollten; den Polizeiobermeister Stefan Gragetötete er, dessen Kollegen verletzte er schwer. Bei der Vernehmung behauptete DIESNER, Mitglied des "Weißen Arischen Widerstands" zu sein, und nahmfür sich die Rolle eines "politischen Soldaten und Freiheitskämpfers für die weiße Rasse" in Anspruch. Am 1. Dezember verurteilte das Lübecker Landgericht DIESNER zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Während die Verbrechen DIESNERS in der Öffentlichkeit Entsetzen und Abscheu hervorriefen, solidarisierte sich ein Teil der Neonazis mit ihm. In der "Freien Stimme", dem Organ der "Sauerländer Aktionsfront", Nr. 13, wurdeer als "Kriegsgefangener des Systems" bezeichnet. Weiter heißt es: "Wir sind Revolutionäre. Das Systemführt Krieg gegen uns(...) Kamerad Diesner hatte die Kriegserklärung unserer Feinde anund den bewaffneten Kampf aufgenommen." Diese "Rechtfertigung" beweist, daß einzelne Neonazis selbst die Ermordung des politischen Gegnersfür legitim halten. Rechtsextremistische Parteien und ihre Nebenorganisationen Den zahlenmäßig größten Anteil am rechtsextremistischen Spektrum stellen nach wie vor Parteien: die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) samt ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), die "national-freiheitliche" Partei "Deutsche Volksunion" (DVU) oderdie sich als "sozialpatriotisch" verstehenden "Republikaner" (REP). 22 Verfassungsschutz durch Aufklärung Diese Parteien waren 1997 allesamt nicht in der Lage, die Wählererfolgreich vonihrer Programmatik zu überzeugen. Das beweisen ihre jeweiligen Wahlergebnisse beider Kommunalwahl am2. März in Hessen und Wahlergebnisse der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 21. September (s. dazu Seiten 62,66, 67). Die DVU scheiterte in Hamburg mit 4,9 Prozentallerdings nur denkbar knapp an der 5 %-Hürde. Die wiederholten Wahlniederlagen bewogen diese Parteien aber nicht dazu, miteinander Wahlbündnisse einzugehen odersich gar längerfristig zusammenzuschließen, um so das Wählerpotential zu bündeln. "Die Republikaner" bestehen weiterhin auf ihrem Abgrenzungskurs gegenüber anderen rechtsextremistischen Parteien. DVU und NPD sind zur Zeit nicht in der Lage, von ihrem jeweiligen Führungsanspruch abzurücken und sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Entsprechend erfolglos waren auch die im vergangenen Jahr hauptsächlich von der NPD, von ehemaligen Mitgliedern der "Republikaner" Bündnisund der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) initiierten bestrebungen Bündnisbestrebungen, die unter Namen wie "Vereinte Rechte", "Runde Tische" oder "Bündnis für Deutschland" verfolgt werden. Die Mitgliederentwickläng bei den rechtsextremistischen Parteien -- ausgenommen die NPD stagnierte. Nach eigenen Angaben hat die NPD über 1 000 neue, zumeist junge, Mitglieder dazugewonnen. Auch die Großkundgebung am1. März in München (s. dazu Seiten 21, 26, 62, 63, 73) unter dem Motto "Unsere Großväter waren keine Verbrecher" hält sich die NPD zugute. Die NPD, ebenso wie ihre Jugendorganisation JN, nutzte hierbei und auch sonst ohne " Scheu das Mobilisierungspotential neonazistischer GrupPa) pierungen. i La} N 0) NE er > Verfassungsschutzbericht 1997 Weltanschauungsgemeinschaften, Verlage und Vertriebsdienste, "Neue Rechte" Bei den rechtsextremistischen Weltanschauungsund Kulturgemeinschaften handelt es sich fast durchweg umKleinstgruppen. Viele dieser Vereinigungen gebensich einer bornierten Deutschtümelei Deutschtümelei hin. Anderen, wie dem Verein "Die Artgemeinschaft -- Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.", geht es darum, aus rassistischem Dünkel heidnische Kulte und nordische Brauchtumsbzw. germanische Bräuche und Traditionen wiederaufleben zulassen. Daneben sind Gruppen entstanden, deren Mitglieder für sich in Anpflege spruch nehmen, Vordenker in der Theorieund Strategiediskussion der Rechtsextremisten zu sein. Aufgrund der Entstehungsgeschichte dieser Gruppierungen -- viele wurden in den 50er Jahren in der Bundesrepublik gegründet - bleiben ihre Aktivitäten im wesentlichen auf die westdeutschen Bundesländer beschränkt. Das Durchschnittsalter der Mitglieder ist sehr hoch. Im vergangenen Jahr versuchte der mit 400 Mitgliedern größte rechtsextremistische Kulturverein, die "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP), diesen Trend zu stoppen. Deshalb bemühteer sich um die Kooperation mit Organisationen wie der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), deren Mitglieder durchschnittlich jünger sind. Der jährlich veranstaltete "Gesamtdeutsche Kongreß" der GFP fand vom 25. bis 27. Gesellschaft für April in Ostdeutschland statt -- offenbar auch in der Hoffnung, hier Freie Publizistik verstärkt Mitglieder anzusprechen. Die GFP propagiert den Revisionismus und polemisiert gegen die angeblich fortwirkende "Umerziehung" der Deutschen durch die Siegermächte. Intellektuelle der "Neuen Rechten" haben von dem italienischen Kommunisten Gramsci das Theorem übernommen, daß vor einem politischen Umbruch zunächst die kulturelle Hegemonie errungen werden müsse. Entsprechend verstehensie sich nicht als Politiker oder gar aktionsorientierte Widerstandskämpfer, sondern als metapolitische Denker. Sofern sie Solidarität mit rechtsextremistischen Parteien oder Diskussionszirkel gar neonazistischen Vereinen üben, beschränkt sich diese zumeist auf Spendengelder. Diskussionszirkel der "Neuen Rechten" sind häufig im Umkreis von studentischen Korporationen, weltanschaulichen Vereinen und Stiftungen sowie landsmannschaftlichen Verbänden zu finden. Den Begriff "Neue Rechte" ohne weiteres als Kennzeichnung für eine 24 neue rechtsextremistische Strömung zu verwendenist nicht unprobleVerfassungsschutz durch Aufklärung matisch, da bei weitem nicht alle, die sich der "Neuen Rechten" zugehörig fühlen, zweifelsfrei als Rechtsextremisten einzustufen sind. Zu den intellektuellen Zirkeln undPublikationen, auf die heute der Begriff "Neue Rechte" angewandt wird, zählen sowohl solche, die dem nationalkonservativen oder dem rechtsradikalen (also dem nichtextremistischen) Spektrum zuzurechnen sind, als auch eindeutig rechtsextremistisch geprägte, als auch schließlich manche, die sich dazwischenin einer "Grauzone" bewegen. Einige hier anzutreffende Intellektuelle meinen, fraglos auf dem Boden der Verfassung zu stehen. Andere verwischen absichtsvoll = und mit Bedacht die Grenze, die den b dr T demokratischen Grundkonsensder N Ay R Ay Bundesrepublik Deutschland von anar a tidemokratischen OrdnungsvorDEUTSCHE MONATSHEFTE stellungen scheidet. Schließlich gibt es Orga-nisationsgebilde und Medien in diesem Bereich, die ganz unverhohlen verfassungsfeindliche Ideen propagieren. Zu letzteren zählen beispielsweise Verlage wie der "Nation Europa Verae" mit lag" i dem = TheorieStrateoieTheorieund Strategie " Kpei we em, organ "Nation & Europa" und der "Ver- a lag der Freunde" mit der Zeitschrift van Kapron. vi "Sleipnir" oder unabhängige Publikationen wie "Staatsbriefe" und "Europa vorn". Die "Neue Rechte" wird von den Verfassungschutzbehörden nur insoweit beobachtet, als sie rechtsextremistisch oder rechtsextremistisch beeinflußt ist. Unter den unabhängigen rechtsextremistischen Verlagen und Vertriebsdiensten wollen nur einige wenige einemintellektuellen Anspruch genügen. Viele verfolgen hauptsächlich kommerzielle Interessen. Manche habensich auf Schriften, Erinnerungsstücke und "Devotionalien" aus derZeit des nationalsozialistischen Regimes spezialisiert. Andere bieten ihre bevorzugten Produkte -- Tonträger mit Skinheadmusik, Fahnen, Poster, szenetypische Kleidung, Aufnäher und weitere einschlägige Accessoires -- gerade auch im unorganisierten rechtsextremistisch orientierten Jugendmilieu an. 2 sungsschutzbericht 1997 Neuere Trends in der rechtsextremistischen Agitation und Propaganda Die thematische Modernisierung des Rechtsextremismus ist 1997 nicht vorangekommen. Obwohl Rechtsextremisten die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in der Bundesrepublik Deutschlandfür Propagandazwecke auszubeuten versuchen, ist es ihnen bisher nicht gelungen, sich im politischen und gesellschaftlichen Diskurs Gehör zu verschaffen; inwieweit sie bei Menschen, die ihren sozialen Status gefährdet vergangenheitssehen, mit Losungen wie "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" insgebezogene heim Zustimmung finden, läßt sich noch nicht sicher abschätzen. Die Themen B Demonstration gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg -- Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" am 1. März in München (s. dazu S. 21, 23,62, 63, 73) hat gezeigt, daß vergangenheitsbezogene Themen in der rechtsextremistischen Szene nach wie vor eine größere Mobilisierungschance bieten als gegenwartsund zukunftsbezogene Themen. Durch Verharmlosung oder Rechtfertigung des Nationalsozialismus Verharmlosung versuchen seine Verfechter weiterhin, den Rechtsextremismus vom des NationalMakel seiner verbrecherischen Geschichte reinzuwaschen. Der harte sozialismus rechtsextremistische Revisionismus -- die Leugnung des Völkermordes an den europäischen Juden -- stößt aber auf breite gesellschaftliche Ablehnung. Angesichts der ökonomischen Globalisierung und der Folgeprobleme für den Arbeitsmarkt propagieren Rechtsextremisten nationalistische Lösungen wie eine protektionistisch abgeschottete Volkswirtschaft. Verbreitete Vorbehalte gegen den "Maastrichter Vertrag" undspeziell die europäische Währungsunion werden insbesondere von rechtsexER Arbeitsplätz zuerst für Rettet.dieD-Mark N Deutsche! = g en NPD Partei Deutschla Verfassungsschutz durch Aufklärung tremistischen Parteien propagandistisch aufgegriffen. Die bevorstehende Währungsumstellung auf den Euro, aber auch die künftige Erweiterung der Europäischen Union um osteuropäische Staaten liefern den rechtsextremistischen Parteien Wahlkampfthemen, von denen sie sich größeren Stimmenzuwachs erhoffen. Dem Ruf nach außenwirtschaftlichem Protektionismus entspricht die Forderung nach "nationaler Präferenz" bei der Verteilung knappersozialer Ressourcen wie Arbeitsund Ausbildungsplätzen, Wohnraum, sozialer Absicherung oder bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Öffentliche Mittel sollen nur oder bevorzugt Deutschen zugute kommen. Mit derartigen Parolensollen Sozialneid und Wohlstandschauvinismus geschürt werden. So fordert der NPD-Landesverband Berlin - Brandenburg in seinem Faltblatt "Erst der Euro, dann die Pleite": "Deursche Unternehmen ha"Arbeitsplätze ben zuerst deutsche Arbeitnehmer zu beschäftigen! Arbeit zuerst für zuerst für Deutsche! Für die Betriebe, die ausländische Arbeitnehmer beschäftiDeutsche" gen, ist eine Sonderrückführungssteuer einzuführen! Für die in Deutschland beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer ist eine eigenständige Sozialkasse einzuführen!" Im Informationsblatt "Der Cottbuser REPUBLIKANER" heißt es: "Es kann nicht sein, daß Millionen Einwanderer in harte Konkurrenz mit der einheimischen Bevölkerung um Arbetsplätze treten. Wir fordern, daß deutsche Staatsbürger Vorrang bei der Vergabe von Arbeitsplätzen haben, da ihnen dieses Land gehört." Ähnliche Argumentationen werden von rechtsextremistischen Parteien über Diskussionszirkel der "Neuen Rechten" bis zur neonazistischen Szene, ohne daß es zwischen ihnen Absprachen gäbe, mit mehr oder weniger aggressiven Tönenvertreten. 27 Verfassungsschutzbericht 1997 Nachdemder "Staatskapitalismus" -- gemeint ist der Sozialismus -- untergegangenist, richtet sich die Stoßrichtung rechtsextremistischer Propagandaverstärkt gegen den "Endsieg des Wolfskapitalismus", womit der Kapitalismus als solcher gemeint ist (so in: "Nation & Europa", Nr. 11-12/1996). Die Kritik am "Liberalextremismus" trägt oft stark antisemitische und antiamerikanische Untertöne. Neonazis greifen dabei unverhohlen auf nationalsozialistisches Vokabular zurück, insbesondere aufdie Unterscheidung von "raffendem" und "schaffendem Kapital" sowie auf den "Kampf gegen die Zinsknechtschaft". Rechtsextremisten suggerieren, sämtliche sozialen Probleme, einschließlich Kriminalität und Drogensucht, erledigten sich mit der Lösung der "Ausländerfrage" vonselbst. Diese offensichtlich falsche Darstellung der oft sehr komplexensozialen ZusammenHaß gegen Fremde -- formuliert als hänge macht deutlich, daß Parteienmeinung Rechtsextremisten kaum und als Wandwirklich an der Lösung der schmiererei. Gegen Scheinasylantentum sozialen Probleme interesund Überfremdung siert sind. Sie nutzen sie vielmehr, um die Demokratie und ihre politischen ReEEENEN) präsentanten zu schmähen; _ daneben dienen soziale Probleme als Vehikel für fremdenfeindliche und antisemitische Propaganda. Dabei spielt das tatsächliche Ausmaßder Einwanderung nur eine untergeordnete Rolle. Obwohl die Zahl neuer Asylbewerberseit dem parteiübergreifenden sog. Asylkompromiß Jahr für Jahrstark rückläufig ist. wird inzwischen wieder heftiger gegen Asylbewerber, aber auch gegen Zuwanderergruppen allgemein agitiert. 28 Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Polemik gegen "Überfremdung" wird teilweise rassistisch (Fremde seien eine Bedrohung der biologischen Substanz des deutschen Volkes), teilweise kulturell begründet (eine multikulturelle Gesellschaft gefährde die kulturelle Eigenart des deutschen Volkes). Zuweilen werPolemik den beide Spielarten fremdenfeindlicher Propagandamiteinander verknüpft. Unter dem Begriff "Nationaler Widerstand" rief die NPD zu einer themenund aktionsgebundenen Zusammenarbeit zwischen NPD, ihrer Jugendorganisation JN, Neonazis, Skinheads und sonstigen Rechtsextremisten auf. Während sich die NPD davoneine Einflußnahme auf das gesamte rechtsextremistische Spektrumverspricht, sind Neonazis am Schutz ihrer Aktivitäten durchdas Parteienprivileg der NPDinteressiert. Ideologische Differenzen sollen angesichts des gemeinsamen Ziels, der Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, vertagt werden. Der Begriff "Nationaler Widerstand" bezeichnet somit keine Vereinigung, sondernsoll als Selbstbezeichnung einer angestrebtenrechtsextremistischen Bewegung bzw. von Aktionsbündnissen fungieren. Mit Propagandamaterial des "Nationalen Widerstandes" wurde für die "Rudolf-Heß-Aktionswoche" geworben. Die Weigerung der JN, sich an dieser "Aktionswoche" unmittelbar zu "Nationaler beteiligen, beweist jedoch, wie brüchig der Zusammenhalt im "NatioWiderstand" nalen Widerstand" ist. Gegen gesetzeswidrige rechtsextremistische Umtriebesetzt sich derfreiheitliche demokratische Rechtsstaat mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln zur Wehr -- darauf reagieren Rechtsextremisten, indemsie ihn als "Unrechtsstaat" diffamieren. Rechtsextremisten stellen sich als Opfer von "Polizeiterror" und "Gesinnungsjustiz" dar. In rechtsextremistischen Kommunikationsnetzen werden militante Formen des Widerstands diskutiert. Zu dessen Legitimation wird die grundgesetzlich verankerte Widerstandsklausel mißbräuchlich herangezogen. 1997 haben Rechtsextremisten das bereits 1991 für Ostdeutschland entwickelte strategische Konzept der "befreiten Zonen" wiederentdeckt (s. dazu S. 35). Dieses Konzept ist deshalb gefährlich, weil es auf die Gleichgültigkeit oder gar heimliche Zustimmung von Spießbürgern und Mitläufern sowie die Angst und Resignation der schweigenden Mehrheit zählt. Bestrebungenzur Etablierung "befreiter Zonen" werden immer dann wirkungslos, wenn die Bürgerinnen und Bürger einer betroffenen Kommune so früh wie möglich demonstrativ klarstellen, daß sie nersnne. eine "Kontrollmacht" von Rechtsextremisten über öffentliche Räume unter keinen Umständen dulden. 29 Verfassungsschutzbericht 1997 Nutzung moderner Kommunikationstechniken durch Rechtsextremisten Schonseit einigen Jahren nutzen auch Rechtsextremisten die modernen Kommunikationsmittel. Die Vernetzungsstrategie von Neonazis (s. dazu S. 59) setzt zwangsläufig gut funktionierende Kommunikationsstrukturen voraus, weil anders der Informationsaustausch untereinander und gegebenenfalls eine rasche Mobilisierung zu geInternet, meinsamen Aktionen nicht gewährleistet werden könnte. Aber auch Mailboxen, rechtsextremistische Parteien haben inzwischen den Nutzen etwa von Info-Telefone Internet, Mailboxen und Info-Telefonen für sich entdeckt. Seit 1993 existiert das "Thule-Netz" als ein organisationsunabhängiges Mailbox-Verbundsystem. Die Nutzer der Mailboxen erhalten nach bestimmten Kriterien abgestufte Zugangsberechtigungen und damit die Möglichkeit, an Informationen in den Mailboxenzu gelangenoder selbst solche einzustellen. Um ein bundesweit einheitliches Informationsbild anzubieten, tauschen die Mailboxen des "Thule-Netzes" täglich ihre Nachrichten aus. Seit 1996 ist das "Thule-Netz" auch unter eigenem Namen im Internet vertreten. Thule-Netz In den letzten Jahren gehörten dem "Thule-Netz" in wechselnder Besetzung insgesamt etwa 30 Boxen an; der Betrieb einiger Boxenist aus unterschiedlichen Gründen(persönliche Differenzen, Strafverfahren u. a.) inzwischen wieder eingestellt worden. Das "Thule-Netz" wurde von einer Spaltung betroffen: Nach vielen netzinternen Diskussionen wurde im Februar 1997 bei einem Treffen von Systemoperatoren der Ausschluß des "Elias.BBS" und des "Asgard.BBS" aus dem "Thule-Mailboxverbund" beschlossen. Im März 1997 gab "Thule-Netz"-Gründer ThomasH. in einer Netzmitteilung allen "Thule"-Teilnehmern den Ausschluß der beiden Boxen bekannt und vollzog die Trennung. Die ausgeschlossenen Boxen sowie eine weitere Box ("Störtebeker.BBS") etablierten ein eigenes Netz undeinigten sich hierfür im Juni 1997 auf den Namen "Nordland-Netz". Einige Zeit lang arbeiteten beide Mailboxnetze partiell zusammen. So wurden im "Thule-Netz" Nachrichten des "Nordland-Netzes" angeboten und umgekehrt. Die "Berlin-Brandenburger. Zeitung der nationalen Erneuerung" (BBZ) (s. dazu S. 50 f.), die beide Netze nutzt, forderte im "Interesse des gesamten nationalen Medienverbundes" eine Wiedervereinigung beider Mailbox-Verbundsysteme., Neben dem "Thule-Netz" und dem "Nordland-Netz" existiert seit 1996 das "WNet". Die Nutzer des "WNets" betrachten sich als geschlosse30 Verfassungsschutz durch Aufklärung ne Gruppe, in die man nur auf besondere Empfehlung oder auf Grund persönlicher Bekanntschaft Zugang erhält. es en "Die Republikaner" (REP) habensich ein eigenes Mailboxnetz geschaffen. Die Aktivitäten im "REP-Netz" beschränken sich hauptsächlich auf die Verbreitung von Pressemitteilungender Partei. Gegenüber demInternet bieten die Mailboxen den Nutzernfinanzielle Vorteile, da die Nachrichtenmittels spezieller Software über eine Telefonleitung abgerufen undoffline bearbeitet werden können. Die zeitund kostenaufwendige online-Suche (wie im Internet) entfällt damit. Außerdem ist der Kreis der Nutzer von Mailboxsystemen überschaubar. Die Mailboxen werden deshalb auch künftig eine Ergänzung zum Internet darstellen. Die Expansiondes Internet scheint aber unaufhaltsam. Als weltweitem Verbundsystem von Computern und Computernetzen unterschiedlichster Ausprägung sind ihmbislang über 50 Millionen Geräte angeschlossen. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gewinnt das Internet zunehmend an Bedeutung für den nationalen und internationalen Informationsaustausch unter Extremisten. Das Internet wird im Ausland -- vor allem in den USA, Skandinavien und in den Niederlanden -- schon seit Jahren als Kommunikationsund Informationsmedium von Extremisten genutzt. Nunmehr wachsen auch InternetZahl und Umfang der deutschsprachigen Internet-Angebote von ExAngebote von tremisten ständig. Sowohl größere, bundesweit verbreitete Parteien und Extremisten Organisationen wie REP, NPD oder JN als auch Kleinstgruppen und Einzelpersonen nutzen die Möglichkeiten dieses neuen Mediums -- Kommunikation und Selbstdarstellung (und damit Werbung) mit ungeheurer Geschwindigkeit und geringstem technischen Aufwand - in zunehmendem Maße. Diese Entwicklung geht auch am Land Brandenburg nicht vorbei. So waren die inzwischen aufgelösten "Nationalen" mit ihrer eigenen Homepage (Eingangsseite) im Internet vertreten (s. dazu S. 52). Seit Herbst 1997 hat die ""BBZ" eine Homepage imInternet eingerichtet (s. dazu Seiten 50, 52). Auch die rechtsextremistische Musikszene nutzt zunehmend die Möglichkeit des Datenaustausches über Computer. Insbesondere über das Internet können Interpreten und Verteiler eine größere Öffentlichkeitswirkung erreichen und auch Außenstehende für rechtsextremistische Ideen interessieren. So bietet der Liedermacher Frank RENNICKE im Internet eine eigene Homepage an. RENNICKE stellt sich dortals "nationaler Barde, Systemverfolgter und volkstreuer Liedermacher" vor. 31 Verfassungsschutzbericht 1997 Frank RENNICKESs Produktionen werden auch in Brandenburg von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen geschätzt. Mit seinen Liedern verbreitet er fremdenfeindliche undrassistische Einstellungen. Homepages lassen sich bei unterschiedlichen Providern (Anbietern) einrichten. Aufdiese Weise können Rechtsextremisten ihre Präsenz im Internet auch dann sichern, wenn ihre Homepages von einzelnen Providern gesperrt werden. So wurde im Januar 1997 ein Vertrag überdie Einrichtung derInternetHomepage der NPD von einemin den USA ansässigen Provider gekündigt. Die NPD reagierte aber schnell auf diesen Sperrungsversuch und richtete bereits im Februar 1997 eine eigene Adresse mit ihrem Namen (NPD.net) im Internet ein. Sie hat jetzt also selbst die Funktion eines Internetproviders und bietet einen eigenen Zugangsservice an. Das NPD.net versteht sich dabei als der "Nationale Provider Deutschlands". Nunmehr kann dort jede rechtsextremistisch orientierte Gruppierung die Möglichkeit bekommen, eine eigeneSeite zuerstellen, ohne daß sie eine Sperrung befürchten müßte. Die NPD übernimmt aufdiesemFelde also eine Vorreiterrolle in der rechtsextremistischen Szene der Bundesrepublik Deutschland. In der Bundesrepublik Deutschland strafrechtlich zu ahnende Texte von Extremisten werden in der Regel von ausländischen Providern in das Netz eingespeist und unterliegen somit nicht dem Zugriff deutscher Behörden. Bekanntlich sind in vielen Ländern, andersals in der Bundesrepublik Deutschland, die Verbreitung von NS-Symbolen und bestimmte andere Propagandadelikte nicht unter Strafe gestellt. Eine wichtige Funktion bei der Vernetzung von Rechtsextremisten erfüllen die "Nationalen Info-Telefone" (NIT). Sie berichten jedem AnNationale rufer überpolitische Ereignisse und Entwicklungen aus rechtsextremiInfo-Telefone stischer Sicht und übernehmen oftmals gängige rechtsextremistische Argumentationen. Sie werden aber auch zur Mobilisierung der Szene für Kundgebungen u. a. genutzt. Auf der technischen Basis eines Anrufbeantworters werden in der Regel wöchentlich einbis zweimal aktuelle Ansagetexte zusammengestellt. Zu besonderen Anlässen, wie etwa zur "Rudolf-Heß-Aktionswoche", erfolgen meist Sondersendungen. Einige NIT-Ansagetexte werden auch in das Internet sowie in die Mailbox-Systeme eingestellt. Auch 1997 waren Info-Telefone wie "Berlin-Brandenburg", "Hamburg", "Schleswig-Holstein", "Rheinland", "Mitteldeutschland" und "Deutschlandsturm" aktiv. Am 19. Dezemberhat das "NIT Bayern" seinen Betrieb aufgenommen. 32 Verfassungsschutz durch Aufklärung Seit dem 30. Oktober ist ein weiteres Info-Telefon, das "NIT Preußen", geschaltet. Sein Betreiber ist Mike P., ehemaliges Vorstandsmitglied der "Nationalen" und Mitarbeiter der "BBZ". Eine im "Nordland-Netz" von der "BBZ"-Redaktion verbreitete Meldung kündigte an, das "NIT Preußen" wolle "seine Berichterstattung von den anderen Einrichtungen vor allem dadurch unterscheiden, daß es gezielt Nachrichten über regionale Projekte und Aktivitäten von Gruppen bringt, die von parteinahen NITsnicht gebracht werden". Neben dem "REP-Info-Telefon" und dem zur Zeit nicht aktiven "NIT Berlin-Brandenburg" ist dies also das dritte NIT für den Raum Berlin und Brandenburg. Im Land Brandenburg selbst würde bisher kein "Nationales Info-Telefon" eingerichtet. Immer wieder versuchen Neonazis, auch Radiosendungen überoffene Kanäle auszustrahlen - in Berlin beispielsweise über den "Offenen Kanal Berlin". Sie hatten damit immer nur kurzzeitig Erfolg, da die zuständige Medienanstalt dagegeneinschritt (s. dazu S. 45). Rechtsextremismus im Land Brandenburg Der Rechtsextremismus in Brandenburg hat unübersehbar eine Problemspitze: die brutale Gewalt, die von rechtsextremistisch orientierten Jugendcliquen, insbesondere Skinheads, ausgeht. Angehörige solcher Cliquen müssensich für die weitaus meisten Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund, die in Brandenburg begangen werden, verantworten. Einige besonders menschenverachtende Angriffe auf Ausländer erweckten in einer breiteren Öffentlichkeit die Besorgnis, daß sich Jugendgewalt in Brandenburg fast unaufhaltsam ein Jugendmilieu von rassistischen Schlägernausbreite. Das hat der notwendigen Diskussion um geeignete Gegenmaßnahmen wieder neuen Anstoß verliehen. Dem Phänomen der Jugendgewalt, das so kraß nicht nur in Brandenburg, sondern auch in den anderen ostdeutschen Ländern zutagetritt, liegen allerdings tiefergreifende soziale Ursachen zugrunde. Deshalb kann der Verfassungsschutz hiergegen mit seinen Mitteln -- Beobachtung und Analyse -- nur bedingt wirksam werden, zumal er Minderjährige von Rechts wegen gar nicht oder nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen beobachten darf. Die Motivlage bei Überfällen militanter Jugendlicher auf Ausländer oder ihnen sonst mißliebige Personen ist oft nicht eindeutig. Schläger basteln sich aus ideologischen Versatzstücken des Rechtsextremismus, 33 Verfassungsschutzbericht 1997 aber auch aus unreflektierten dummen Sprüchen an Küchenund Stammtischen -- was geistiger Brandstiftung nahe kommt -- eine Art Rechtfertigung für die Gewalt, die sie aus unbeherrschten aggressiven Antrieben, nicht etwa auf Grund einer wirklich verinnerlichten eindeutigen politischen Überzeugung, ausüben. Deshalb sind sie auch bei anderen Gelegenheiten schnell zum Zuschlagen bereit. Die meisten Gewalttaten werden spontan und in alkoholisertem Zustand begangen und sind insoweit nicht vorhersehbar. Allerdings besteht eine unverkennbare Affinität zwischen rassistischem Dünkel, Kult der Stärke, brutaler Rücksichtslosigkeit einerseits und rechtsextremistischen, insbesondere neonazistischen, Denkmustern und Einstellungen andererseits. Konzerte von Skinhead-Bands mit aufputschender Musik und volksverhetzenden Texten, SkinheadFanzines, aber auch neonazistisches Propagandamaterial steigern die Aggressivität ohnehin gewaltbereiter Jugendlicher noch. Rechtsextremistisch orientierte Cliquen haben weiterhin die Auseinandersetzung mit "politischen Gegnern", d.h. Autonomen oder auch Punks, gesucht. Dengrößten Teil der rechtsextremistisch motivierten Straftaten bildeten auch 1997 wieder sog. Propagandade-likte: Verbreiten von Propagandamit-teln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ($$ 86, 86a StGB), z. B. Hakenkreuzschmierereien, Nazi-Parolen, Verwenden von verbotenen NS-Symbolen auf Kleidungsstücken usw. bis zur Verbreitung von Aufklebern und Flugschriften mit strafbaren rechtsextremistischen Inhalten. 34 Verfassungsschutz durch Aufklärung Zur Verbreitung rechtsextremistischer Symbolik tragen diverse Versandhandelsunternehmen für NS-Devotionalien und SkinheadBedarf bei. Die -- oftmals indizierte -- Musik von Skinhead-Bands wird über Verlage und Händler, auch im Ausland ansässige, vertrieben. Gerade auch aus den zwar rechtsextremistisch orientierten, aber ideologisch nicht gefestigten Jugendgruppen rekrutiert sich der Nachwuchs für eindeutig rechtsextremistische Vereinigungen. In Brandenburg, wie auch in anderen Bundesländern, hat insbesondere die Zahl "unabhängige neonazistischer "unabhängiger Kameradschaften" zugenommen. DieKameradse Form des Zusammenschlusses wird hauptsächlich gewählt, um schaften" behördlichen Maßnahmen wie Vereinsverboten bzw. der Strafbarkeit wegen Fortführung einer verbotenen Vereinigung zu entgehen oder zuvorzukommen. Aus solchen neonazistischen Zusammenschlüssen stammt auch der Rufnach "national befreiten Zonen". Ähnlich wie die linksextremistischen Autonomen dies in von ihnen als "herrschaftsfreie Räume" bezeichneten Wohnund Treffobjekten praktizieren, will auch die rechtsextremistische Szene möglichst ungestört und gar mit Unterstützung durch öffentliche Mittel ihre Subkultur pflegen. Insbesondere "Die Nationalen" und die mit ihnen verzahnten "unabhängigen Kameradschaften" rühmten sich, auch in Brandenburg nationale Jugendclubs und Schulungszentren als Anlaufpunkte zu etablieren. Es trifft zwar zu, daß in vereinzelten Jugendclubs, in dieser oder jener Gaststätte oder an bestimmten Straßenecken rechtsextremistisch orientierte Jugendliche den Ton angeben: deshalb meiden z. B. Ausländer in manchenStädten solche Treffpunkte. Ansonsten ist das strategische Konzept der "national befreiten Zonen" jedoch Wunschdenken. Rechtsextremistische Parteien spielen im öffentlichen Leben Brandenrechtsburgs keine Rolle. Ihre Anhängerschaft ist marginal und im politischen extremistische Raum nahezu ohne Bedeutung. Zwar konnte die "NationaldemokratiParteien sche Partei Deutschlands" (NPD) durch Zulauf u. a. aus dem aufgelösten Verein "Die Nationalen" neue Mitglieder gewinnen, sie bleibt aber in Brandenburg weiterhin schwach. Die Mitgliederzahlen wie auchdie Aktivitäten der Parteien "Die Republikaner" (REP) und "Deutsche Volksunion" (DVU) stagnierten. Publikationen von Verlagen und Vertriebsdiensten, die vergangenheitsPublikationen fixierte rechtsextremistische Literatur verbreiten, finden in Brandenburg nur wenige Abnehmer. 35 Verfassungsschutzbericht 1997 Rechtsextremistisch orientierte Jugendszene Gewaltbereite Jugendcliquen mit rechtsextremistischer Orientierung existieren in den meisten Städten Brandenburgs -- beispielsweise in Belzig, Cottbus, Eberswalde, Frankfurt (Oder), Fürstenwalde, Guben, Königs Wusterhausen, Neuruppin, Oranienburg, Potsdam, Prenzlau, Spremberg und Schwedt. Die Zahl der militanten Personen in dieser Szeneliegt bei 550,ist also zahlenmäßig unverändert gegenüber 1996. In einigen wenigen Fällen bezeugen aufgefundene Handund Programmzettel sowie Schmierereien die Absicht einzelner Aktivisten, ihrer Clique einen möglichst martialisch klingenden Namen zu geben. Mitunter stecken auch neonazistische Stichwortgeber hinter solchen Versuchen. So tauchten in Potsdam Handzettel einer "Völkischen Bewegung" auf, während "Anonyme Nationalsozialisten Mahlow" einen Forderungskatalog an eine Zeitungsredaktion übersandten. Formierungsansätze solcher Art waren bisher immer nur von kurzer Dauer. Ernsthafte Bestrebungen militanter Jugendcliquen, aus sich Schwerpunkte gewaltbereiter Jugendcliguen mit rechts- . extremistischer Orientierung im Land Brandenburg 36 Verfassungsschutz durch Aufklärung heraus verbindlichere Organisationsformen zu finden oder sich überregional zusammenzuschließen, waren nicht feststellbar. Ein Teil der rechtsextremistisch orientierten Jugendszene zeigt sich allerdings bereit, Organisationsansätze der Skinheadbewegung aus dem Auslandauch in der Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen. Seit "Hammerskinetwa Ende 1993/Anfang 1994 existiert in Brandenburg eine Sektion" "Hammerskin-Sektion", seit etwa 1994 eine Sektion der "Blood & Honour"-Bewegung. Die Aktivisten unterhalten Kontakte vorrangig "Blood & zu den entsprechenden Sektionen in Berlin und Sachsen. Honour"Für Skinhead-Konzerte lassensich Jugendliche aus der Szene außerorBewegung dentlichleicht begeistern. Nicht nur die aufpeitschende Musik mit krassen, oft rechtsextremistischen Texten zieht sie an, sondern auch die Gelegenheit, Cliquen aus anderen Regionen zu treffen. Man tauscht Informationsund Propagandamaterialien aus und verabredet künftige Treffen. Hier tauchen mitunter auch Neonazis auf, um nach ansprechbaren Interessenten Ausschau zu halten. Auch in Brandenburg wurden 1997 einschlägige Skinhead-Konzerte Skinheadveranstaltet, unter anderem in Spremberg, Wollschow (bei Prenzlau) Konzerte und Krausnick (Unterspreewald). Daes im Zusammenhang mit Skinhead-Konzerten in der Vergangenheit mehrfach zu Propagandadelikten und anderenstrafbaren Handlungen kam, sind die Sicherheitsund Ordnungsbehörden des Landes Brandenburg bemüht, Skinhead-Konzerte, auf denen neonazistisch orientierte Bands auftreten sollen, bereits im Vorfeld zu unterbinden. Deshalb werden derartige Vorhaben von den Organisatoren in zunehmendem Maße als Geburtstagsfeier oder ähnlich getarnt und meist konspirativ vorbereitet. Am 15. November fand in Schlunkendorf bei Beelitz ein SkinheadKonzert statt. Die Veranstaltung mit den brandenburgischen Bands "Senfheads", "Volkstror" und anderen war als Geburtstagsfeier mit 70 bis 100 Personen angemeldet worden. Während des Konzerts wurde von den Anwesenden mehrmals "Sieg Heil" gegrölt. Die von einer Bürgerin herbeigerufene Polizei räumte den Saal. Währenddessen wurde von den Konzertbesuchern weiterhin "Sieg Heil" und "Wir sind der nationale Widerstand" gerufen. Im Zuge der anschließenden Personenkontrollen stellte die Polizei bei mehreren Personen Propagandamittel mit rechtsextremistischem Inhalt wie Fanzines, Liederbücher und Versandkataloge fest. Die Besucher waren aus mehreren Bundes dern und aus Skandinavien gekommen. Verfassungsschutzbericht 1997 In Brandenburg sind mehrere rechtsextremistische Skinhead-Bands zu Hause: "Proissenheads" (Potsdam), "Thorshammer" (Brandenburg a. d. H.), "Senfheads" (Senftenberg), "Volkstroi" (Fürstenwalde) u. a. Sie traten 1997 mehrfach auf, hauptsächlich in Sachsen und Brandenburg. Die Band "Thorshammer" kooperiert mit der "Blood & Honour"rechtsBewegung. Die "Proissenheads" spielen unter anderem Titel, die die extremistische "weiße Rasse" glorifizieren. In einem Interview erklärten sie, daß "Blood Skinhead- & Honour" und "Hammerskins" für den Zusammenhalt aller stolzen Bands weißen Skinheads auf diesem Erdball stünden und aus diesem Grund unterstützt werden müßten. Versuche neonazistischer Kleingruppen, in der rechtsextremistischorientierten Jugendszene Anhänger zu werben, hatten auch 1997 kaum Erfolg. Schulungsabende, überregionale Vereinsstrukturen, überhaupt jegliche Disziplinierungsformen finden bei den meisten Mitgliedern lokaler Jugendszenen kaum Anklang, ihre "Interessen" reduzieren sich mehr oder minder auf ausschweifenden Alkoholkonsum und Krawalle. Die Straftaten, derer sich die Angehörigen der rechtsextremistisch orientierten Jugendszene schuldig machen, sind überwiegend Schmierereien mit zumeist neonazistischem Inhalt sowie "Sieg-Heil"-Rufe und provokatives Zeigen des "Hitlergrußes". Die Täter sind nicht selten irregeleitete Kinder oder Jugendliche, die nicht imstande sind, die rechtsextremistische Bedeutung ihres Tuns erkennen oder ganz er38 messen zu können, sondern angeberisch provozieren wollen oder die Verfassungsschutz durch Aufklärung Tat unter dem enthemmenden :influß von Alkohol begehen. Andere Täter bekennen sich aber ungerührt zu ihrer " chten" Gesinnung. Schmierereien Schmierereien und Plakatierungen werden fast immer in der Anonymiund tät der Dunkelheit, meist an verborgenen Stellen, manchmal auch unter Plakatierungen Einsatz eines Warnpostens vorgenommen. Am 19. Mai wurden an mehreren Garagen und Schuppen in Gulow (bei Perleberg) etwa 25 Hakenkreuze, Runen sowie Parolen wie "Mit Gott und Volk für Vaterland, Odins Reich, Deutschland erwache" festgestellt. Zwei l6jährig Tatverdächtige konnten ermittelt werden, einer von ihnen war der Polizei bereits wegen ähnlicher Vorfälle bekannt. Am 1. Oktober wurden vor dem Haupteingang der Europa-Universität "Viadrina" in Frankfurt (Oder) polnische Studenten zum Semesteranfang von etwa 15 Jugendlichen provokatorisch "empfangen". Einige der Jugendlichen riefen dabei mehrfach "Sieg Heil" und zeigten den "Hitlergruß". Schmierereien in den Gästebüchern und auf Ausstellungstafeln brandenburgischer Gedenkstätten wurden 1997 in geringerer Zahl registriert. Antisemitische Propagandadelikte haben 1997 zahlenmäßig zugenommen. Nicht immer sind sie Ausdruck einer schon verfestigten neonazistischen Überzeugung. ! Anfang des Jahres 1997 erstellte ein 16jähriger Schüler in Cottbus auf seinem Computer ein menschenverachtendes antisemitisches Spiel: Als Nachfolger Adolf Hitlers hat der Spieler de Aufgabe, die komplette Vergasung aller Judenzu organisieren. Eine Diskette mit diesem Spiel gaber in seiner Schule weiter: eine Empfängerin legte sie derPolizei vor. Der Täter, zu dem es keine weiteren Hinweise auf eine rechtsextremistische Einstellung gibt, nannte als Gründe für sein Handeln Langeweile und den Wunsch, das Graphikprogramm seines Computers ausprobieren zu wollen. Verfassungsschutzbericht 1997 Angehörige der unorganisierten rechtsextremistischen Szene wirken bewußt oder unbewußt als Multiplikatoren für die Propaganda rechtsextremistischer, insbesondere neonazistischer Organisationen. Ist entsprechendes Material einmal in ihre Hände gelangt, gebensie es spontan weiter; gelegentlich lassensie sich auch von bestimmten Organisationen für Verteilaktionen gewinnen. In Fürstenwalde wurden 1997 wieder zahlreiche rechtsextremistische Schmierereien sowie Plakate mit fremdenfeindlichen und revisionistischen Parolenfestgestellt. allein am 2 Juni wurden 104 Hakenkreuze. Plakate der 23 SS-Runen und Schmierereien we "Sieg Heil" oder "Ausländer raus" entdeckt. Am selben Tage beschmierten unbekannte Täter de Mauer "Nationalistischen des Jüdischen Friedhofs und den Fürstenwalder Dom mit neonazistiWiderstandsschen Parolen. Erneut wurden auch Plakate der "Nationalistischen gruppe FürstenWiderstandsgruppe Fürstenwalde/Spree" mit fremdenfeindlichen und walde/Spree" revisionistischen Parolenfestgestellt. 40 Verfassungsschutz durch Aufklärung Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten Folgenschwerer und gewichtiger als die bisher genanntenrechtsextremistisch motivierten Delikte sind die Gewalttaten, die von Mitgliedern rechtsextremistisch orientierter Jugendcliquen begangen werden. Ihre Zahl ist gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich gestiegen. Bei derartigen Gewaltakten entladen sich oft Roheit, ZerMenschenstörungswut, kriminelle Energie und Menschenverachtung in erverachtung schreckendem Maße. 1997 wurde in Fredersdorfein Vietnamese getötet. Während die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage wegen Mordes von Ausländerhaß als Beweggrund ausging, hielt das Gericht dieses nicht für erwiesen (Anm.: In der Polizeistatistik wird der Fall deshalb nicht mehr in der Rubrik für fremdenfeindliche Straftaten registriert). Am 31. Januar entspannsich in Fredersdorfeine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen einem Vietnamesen und einem 36jährigen Deutschen, dem vorgeworfen wurde, unverzollte Zigaretten aus einem Ve steck gestohlen zu haben. Als die Ehefrau des Vietnamesen unterstützendeingriff, rief der Deutsche einen Bekannten zu Hilfe. Für den bereits stark alkoholisierten hinzugerufenen 30jährigen war dies eine eirndestenir e willkommene Gelegenheit, seinemlatenten Ausländerhaß Luft zu machen. Nach anfänglichen Faustschlägen faßte er plötzlich das Opfer, drehte es in der Luft und stauchte es mit dem Kopf auf den Betonboden. Querschnittsgelähmt starb der Vietnamese drei Monate später an den Folgen seiner schweren Wirbelverletzungen. Der 30jährige Hauptangeklagte wurde wegen Totschlags zu neuneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ein weiteres Tötungsdelikt, für das eine fremdenfeindliche Motivation nahelag, erwies sich in der gerichtlichen Hauptverhandlung als Mord, mit dem eine vorausgegangene Körperverletzung verdeckt werdensollte. In der Nacht zum 13. Februarschlugen undtraten in Caputh zwei junge Männerbrutal aufeinenItaliener ein, durch dessen Äußerungen sie sich gekränkt fühlten; beide Täter standen unter Alkoholeinfluß. Aus Angst, die Körperverletzung könne entdeckt werden, ertränkten sie den Bewußtlosen in der Havel. Die Täter sind inzwischen rechtskräftig zu 13 Jahren Freiheitsstrafe bzw. 9 Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. 41 Verfassungsschutzbericht 1997 Dasfolgende Beispiel zeigt, daß eine Straftat nicht zwangsläufig rechtsextremistisch motiviert sein muß, wenn der Täter Rechtsextremist ist. Zwei Morde und eine Brandstiftung wurden am23. bzw. 27. September in Cottbus begangen. Der Tatverdächtige war ein in keine Gruppe integrierter, extrem aggressiver Einzelgänger, der seine rechtsextremistischen Ansichten offen kundtat und bereits durch die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung auffällig geworden war. Als Motiv für den ersten Mord gab er an, das Opfer habe ihn wegen seiner augenscheinlichen Zugehörigkeit zur"rechten Szene" beleidigt. Der zweite Mord geschah, weil das Opfer ihm einen geringfügigen Geldbetrag schuldete. Anschließend setzte der Tatverdächtige die Wohnung in Brand, um eventuelle Spuren zubeseitigen. Angriffe Nachdem imVorjahr kein vergleichbarer Vorfall registriert wurde, kam es auf Leben und 1997 wieder zu einem Angriff auf ein Aussiedlerheim. Gesundheit von Ausländern: in Vier Flaschen mit einer brennbarenFlüssigkeit wurden am 12. Dezem- \ einem Aussiedlerber auf ein Aussiedlerheim in Schönerlinde geworfen. Dabei durchheim,... schlug eine Brandflasche ein Fenster des Heimes. Der sich entwickelnde Brand konnte von einem Heimbewohner gelöscht werden. Sofortige Ermittlungen der Polizei führten zur Feststellung von vier Tatverdächtigen (je zwei aus Brandenburg und Berlin). Angestiegen ist 1997 die Zahl der Angriffe auf Leben und Gesundheit von Ausländern, die außerhalb ihrer Unterkünfte -- auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Gaststätten und anderswo -- attackiert wurden. In einigen Fällen "begründeten" dies die Täter damit, daß "Ausländer Arbeit wegnehmen". In Spremberg wurden am 25. September auf dem Wegzu ihrem Heim zwei Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien bzw. aus Ecuador von vier Jugendlichen verfolgt. Dabei riefen sie: "Kakerlakenraus aus unserem Land! Wennihr nicht geht, werdet ihr sterben!" Einer der Tatverdächtigen trat einem der Asylbewerber in den Rücken, en anderer stach mit dem Messer nach ihm. Der andere Asylbewerber wurde geschlagen. Außerdem wurden Schüsse aus einer Schreckschußpistole aufbeide abgegeben. 42 Verfassungsschutz durch Aufklärung ner der Tatverdächtigen, ein Minderjähriger, war in diesem Jahr an weiteren rechtsextremistisch motivierten Delikten beteiligt. Ein 35jähriger Angolaner wurde am 22. Oktober in Eberswalde aus einer Gruppe heraus angegriffen. Die jungen Männer, die der rechtsextremistischorientierten Szene zugeordnet werden, beleidigten den Afrkaner, schlugen und traten ihn. Zwe der Tatverdächtigen hetzten ihre Kampfhunde auf das Opfer, das eine tiefe Bißwunde erlitt. Am 7. Februar stiegen fünf Heranwachsendein Nauenin den Regionalexpreß. Sie begaben sich in ein Abteil. in dem ein Libanese saß, und begannendamit, ihn zu treten und zuschlagen. Dabei riefen sie: "Ausländer raus, ihr nehmt uns bloß die Arbeitsplätze weg" und "Dich stechen wir ab, Schwein". Der Zugbegleiter informierte die Polizei. Zwei der Tatverdächtigen konnten auf dem nächsten Bahnhof festgenommen werden. Der Angegriffene stellte später fest, daß er außerdem auch beraubt worden war. Am22. November kamen im Regionalzug Wannsee -- Belzig fünf auf der Straße, 17und1 Sjährige zu einem Ghanaerins Abteil. Siebeleid gten ihn und in öffentlichen sangen "Deutschland für die Deutschen, Neger raus". Außerdem wurde . Verkehrsmitteln, er von einem der Jugendlichen bespuckt und mit der Faust ins Gesicht i geschlagen. Daraufhin schoß der Ghanaer demAngreifer mit einer Gasin Gaststätten. pistole ins Gesicht. Der Ghanaer war 1994 im Bereich Hohen Neuendorf schwer verletzt neben dem Bahngleis gefunden worden und hatte angegeben, von Skinheads aus dem Zug gestoßen worden zusein. Ein Inder wurde am 29. September in Pritzwalk in der Bahnhofshalle von einem22jährigen aus einer größeren Gruppe heraus mit den Worten "Neger raus" beschimpft und zu Boden geprügelt. Nachdem der Täter dem Opfer mit seinen Springerstiefeln noch mindestens zweimal ins Gesicht getreten hatte, floh er. Bevordie Polizei den alkoholisierten Tatverdächtigenein paar Stunden später festnehmen konnte, hatte er noch einen Türken beschimpft und mit einem Springmesser bedroht. Auch in mehreren anderen Fällen wurden hier lebende Türken von rechtsextremistisch orientierten Gewalttätern angegriffen. Eine etwa zehnköpfige Gruppe von Jugendlichen warf am 31. Dezember in Eberswalde einen Knallkörper in das Lokal eines türkischen Inhabers und beleidigte die Angestellten mit Worten wie "Türkenschlampe" und "Ausländer raus". Die Betreiber des Lokals wollten die Jugendlichen zur Rede stellen, sie wurden weiter beschimpft und mit Steinen und Flaschen beworfen. Als einem Angestellten der Gaststätte dann eine Schreckschußpistole an den Kopfgehalten wurde, wehrte er die Bedrohung mit seinem Dönermesser ab und verletzte den Angreifer schwer. 43 Verfassungsschutzbericht 1997 Bürger aus Polen wurden -- verglichen mit 1996 -- wieder häufiger Opfer ausländerfeindlicher Übergriffe. Zu einemoffensichtlich ausländerfeindlich motivierten Überfall kames am 9. Februarin Frankfurt (Oder). Polnische Bürger wurden während derFahrt mit ihrem PKW von zwei Fahrzeugen verfolgt und eingekeilt. Die Täterstiegen aus, beschädigten denpolnischen PKW undversuchten, ihn umzukippen. Den Polen gelang es, mit ihrem Fahrzeug zu flüchten, sie wurden aber weiter von den Tätern verfolgt. Dabei kames zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Pkw. Daraufhin verließen die Verfolger den Unfallort fluchtartig. Die Polizei konnte drei Tatverdächtige aus der rechtsextremistisch orientierten Szene ermitteln. Zwei polnische Studenten der Europa-Universität "Viadrina" wurden am 31. Oktober in Frankfurt (Oder) von vier jugendlichen Tätern als "Zecken" und "Ausländer" beschimpft. Einer der Studenten erhielt einen Schlag mit einem Gegenstand auf den Kopf. Die noch unbekannten Täter werden in der rechtsextremistisch orientierten Szene vermutet. Bei Auseinandersetzungen zwischen Jugendcliquen, die sich selbst und ihre Gegnerals "rechts" bzw. "links" definieren, ist eine extremistiAuseinandersche Motivation nicht immer zweifelsfrei. Bisweilen handelt es sich um setzungen lokale Revierkämpfe zwischen gewaltbereiten Cliquen, wobei manche zwischen "rechten' von ihnen Symbole und Parolen des Rechtsextremismus vor allem dazu und "linken" verwenden, um sich gegen die Rivalen abzugrenzen. Zumeist entwikJugendcliquen keln sich auch solche Auseinandersetzungen spontan und ungeplant. Manchmal werden sie jedoch nachhaltig und erbittert ausgetragen. Seltener liegt ihnen eine verfestigte neonazistische Einstellung oderein vorab gefaßter Plan zugrunde. Am 18. September reisten Jugendliche und Heranwachsende aus dem Potsdamer und Belziger Raum mit zwei PKW nach Pritzwalk, um dort zusammen mit etwa 15 Pritzwalker Jugendlichen eine Auseinandersetzung mit der "linken Szene" zu führen. Sie suchten, teilweise mit Baseballschlägern bewaffnet, den Probenräum einer Band auf. Dann drangen so viele von ihnen, wie der Raumfaßte, hinein, beschimpften die acht Musikerals "linke Zecken" und schlugen blindlings auf sie ein. Zwei der Opfer wurden dabei schwerverletzt. Von den Tatverdächtigen, die im übrigen unterschiedliche Tatmotivationen einräumen, sind zwei im beschleunigten Verfahren verurteilt worden. Gegen den mutmaßlichen Haupttäter ist Anklage wegen versuchten Mordes, gegen drei Beschuldigte wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung erhoben worden; gegen weitere Tatverdächtige wird noch ermittelt. Verfassungsschutz durch Aufklärung Übergriffe gegen Behinderte, Homosexuelle und andere Personen, denen Rechtsextremistenin ihrem"Weltbild" keinenPlatz einräumen, sind 1997 nicht bekannt geworden. In vergangenen Jahren kam es nur ausnahmsweise vor, daß allein Übergriffe weibliche Personen gewalttätig gegen andere vorgingen; inzwischen gegen "Andere" sind solche Fälle nicht mehr soselten. Am20. Oktober wurde eine dunkelhaarige Reisende in der S-Bahn von zwei etwa 14und l6jahrigen Mädchen, die sich ihrer fremdenfeindlichen Taten rühmten, bespuckt und als "Türkn" und "Itaker-weib" beschimpft. In Oranienburg verließ die Geschädigte den Zug, um zu ihrem Auto zu gehen. Die beiden verfolgten sie, preßten sie an einen Zaun undtraten sie. Beim Einsteigen quetschten sie ihr ein Bein, traten gegen die Autotür und brachen einen Außenspiegel ab. Gelegentlich werden beliebige Personen Opfer schwerer Gewalttaten von Extremisten, ohne daß das Motiv sofort klar erkennbar ist. Erst im Laufe des Ermittlungsoder Strafverfahrens kannsich dann erweisen, ob rechtsextremistische Gesinnung als Tatmotiv bestimmend war. Ohne erkennbaren Grund griffen fünf Personen am 11. Dezember in Eberswalde zwei Ehepaare an. Die Täter stiegen aus ihrem Pkw aus und schlugen auf die ahnungslosen Passantenein. Anschließend setzten die Tatverdächtigen ihre Fahrt fort, um weitere Körperverletzungen zu begehen. Diesmal wurde ein türkischer Bürger mit einem Baseballschläger undeiner Eisenstange brutal zusammengeschlagen. Das Opfer erlitt schwere Kopfverletzungen. Es erging Haftbefehl wegen versuchten Mordes. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten zum Schaden der brandenSachburgischen Gedenkstätten sind 1997 nicht registriert worden. Allerdings beschädigungen wurden aufeinigen Friedhöfen Sachbeschädigungen mit rechtsextreauf Friedhöfen mistischem Hintergrund verübt. In der Nacht zum 1. Oktober sprühte ein 20jähriger in Jüterbog unter anderem SS-Runen an einen Jugendclub. Später stieß er auf dem Friedhof St. Jakobi 36 Grabsteine um, sprühte auf zwei Kirchenfenster, einen Schaukasten und einen Grabstein ebenfalls SS-Runen, auf einen anderen Grabstein das Wort "Jude". Außerdem besprühte er die Kirche und einen Abfallcontainer mit mehreren Hakenkreuzen. Als Motiv gab er Frust und seine Einstellung gegenüber Juden, Ausländern und "Bon45 zen" an. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben. Verfassungsschutzbericht 1997 Neonazis "Die Nationalen e.V." und sog. unabhängige Kameradschaften "Die Nationalen e.V." Die Nationalen Landesverband Berlin-Brandenburg 7 Gründungsjahr: 191 Sitz: Berlin in Brandenburg aktiv seit: 1993 Jugendorganisation: "Jungnationale" (JNA) (früher: "Junges Nationales Spektrum" (INS) Mitglieder? bundesweit: 150 Brandenburg: 110 für Brandenburg relevante Publikation: "Berlin-Brandenburger. Zeitung der nationalen Erneuerung" (BBZ) Selbstauflösung: 1997 Sechs Jahre nach seiner Gründung am3. September 1991 als "Freie Wählergemeinschaft -- Wirsind das Volk" hatsich der Verein "Die Nationalen e.V" laut Eintrag im Vereinsregister beim Amtsgericht BerlinCharlottenburg durch Beschluß der Mitgliederversammlung vom10. Oktober selbst aufgelöst. Die Internet-Homepage der "Nationalen" gab dazu eine Pressemitteilung des Vereins wieder: "Die Aufgaben der "Nationalen e.V." (...) sind weitestgehenderfüllt. Die Mitglieder werden ihre politische Tä46 > einschließlich JNA und sog. unabhängiger Kameradschaften Verfassungsschutz durch Aufklärung tigkeit in anderen, befreundeten Gruppierungen fortse tionalen" verstehen ihre Auflösung auch als einen Beitrag zum Zusammenrücken der verschiedenen nationalen Gruppierungen." In einem Kommentar zu dieser Meldung am 17. November im "Nordland-Netz" nennt Christian WENDT, ehemals Vorstandsmitglied und Selbstauflösung Pressesprecher der "Nationalen", unumwunden den eigentlichen Grund der Selbstauflösung: "Es gibt keine Begründung mehr dafür, dem System hier einen Ansatzpunkt zur Fortsetzung seines Verbotsterrors z geben. Alle Projekte, die einst von den 'Nationalen' ins Leben gerufen wurden, arbeiten längst selbständig, so auch der 'Arbeitskreis Vernetzte Medien'". Nach dem Verbot der von den "Nationalen" mitgegründeten und mit ihnen kooperierenden "Kameradschaft Oberhavel" am 14. August durch den Minister des Innern des Landes Brandenburg befürchteten "Die Nationalen e.V." offenbar, ebenfalls verboten zu werden. Die Selbstauflösung der "Nationalen" bedeutet nicht, daß die früheren Vereinsmitglieder alle Aktivitäten eingestellt hätten. Vielmehr werden sie vom ehemaligen Vereinsvorsitzenden Frank SCHWERDT dazu animiert, seinem Beispiel zu folgen und in die NPD einzutreten oder ihre Aktivitäten in den "freien Kameradschaften" fortzusetzen. Die Kontrolle über das informelle Netzwerk der "freien Kameradschaften" möchte sich SCHWERDTvorbehalten. Er hatte schon in der Vergangenheit viel Energie darauf verwandt, Jugendgruppenin "Die Nationalen" oder in das Netzwerk, dessen Aktivitäten zentral in einem "Koordinationsrat" zusammenlaufen, einzubinden. Das Land Brandenburg warseit Jahren das Hauptaktionsfeld der "Nationalen", daneben verfügten sie aber auch in Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen über Teilstrukturen. SCHWERDTwar es 1997 erneut gelungen, neue Lokalverbände der neue "Nationalen" bzw. sog. unabhängige Kameradschaften im Land Branlokale denburg aufzubauen. Dennoch blieb die Zahl der Mitglieder und AnVerbände hänger des Vereins bzw. der angeschlossenen Kameradschaften auch 1997 konstant, da andere Teilstrukturen oder Kameradschaften entweder SCHWERDTSKontrolle entglitten oder zerfielen. Aktivitäten der von den "Nationalen" betreuten Teilverbände bzw. Kameradschaften wurden 1997 hauptsächlich in Guben, Fürstenwalde, Eisenhüttenstadt, im Raum Hennigsdorf/Oranienburg und in der Ukkermark entfaltet. 47 Verfassungsschutzbericht 1997 Im "Koordinationsrat" vertreten sind derzeit, nach der Auflösung des Vereins "Die Nationalen", der ehemalige Vereinsvorsitzende, Vertreter der einzelnen Kameradschaften und Arbeitsgemeinschaften wie der "Arbeitskreis vernetzte Medien". Der "Koordinationsrat", der regelmäBig in Berlin tagt, ist ein informelles Gremiumund hat keine Weisungskompetenz gegenüber den einzelnen Kameradschaften. Über dieses Gremium kann SCHWERDTseine ideologischen undstrategischen Ziele propagieren, die Kameradschaften mit rechtsextremistischem Propagandamaterial versorgen, ideologische Schulungen anbieten, Redner für Kameradschaftsabende vermitteln, die Organisation "nationaler Liederabende" planen, für Aktionen mobilisieren, Ratschläge zur Kameradschaftsarbeit erteilen und bei Konflikten zwischen den Kameradschaften als Schlichterfungieren. Der "Koor-dinationsrat" dient den Kameradschaften aber auch als Ideenund Nachrichtenbörse und als Richtmaß für die politische und ideologische Orientierung. Seit 1994 verfügten "Die Nationalen e.V." - die ohnedies in der Jugendarbeit ihr eigentliches Betätigungsfeld sahen -- über eine eigene JuJugendarbeit gendorganisation. Ursprünglich hieß sie "Junges Nationales Spektrum" (INS). Als Ende 1996 der Verdacht aufkam, daß sie sich an der "Hitlerjugend" orientiere, wurde sie in "Jungnationale" (JNA) umbenannt. Seither verlagerten sich die jugendpolitischen Aktivitäten mehr und mehr von den offiziellen Untergliederungen der "Nationalen" zu den loser strukturierten Kameradschaften. Im Sinnedieser jugendpolitischen Ambitionen vertreibt SCHWERDT über die Vortrag-Buch-Reise-(VBR-)Verlags GmbH nunmehr auch Tonträger, "T-Hemden" usw. Über ein Postfach der "Nationalen" in Berlin läuft ein "fröhlicher Tonträgerversand". UmJugendliche zu ködern, warb man für ein vielfältiges Angebot an Veranstaltungen. WENDTerklärte dies zum Programm: "Gerade im Bereich der Jugendarbeit gibt es für die Nationalen ein breites Feld von Möglichkeiten, ihre Anschauungen in die Tat umzusetzen. Sei es durch Organisation vonalternativen Freizeitangeboten wie Sportveranstaltungen, Turnieren, Liederabenden, Konzerten, Zeltlagern, Schiffsfahrten, der Aufbau der Jugendclubs oder der Unterstützung nationaler Musikgruppen" ("BBZ", Nr. 24 von Aügust/September 1997). Solche Aktivitäten konnten in den vergangenen Jahren zuhauf festgestellt werden. Eigentlicher Sinn und Zweck der Jugendarbeit war aber die Indoktrination der Jugendlichen mit neonazistischer Propaganda. Dies mögen folgende Beispiele belegen: 48 Verfassungsschutz durch Aufklärung Am 14. Februar fand in Guben, Gaststätte "Junge Welt", ein Kameradschaftsabend der Ortsgruppe der "Jungnationalen" unter dem Motto "Neue Wege des nationalen Widerstands" statt, an dem sich 40 Personenbeteiligten. Die anwesenden Personen wurden polizeilichenIdentitätskontrollen und Durchsuchungsmaßnahmen unterzogen. Bei 17 Teilnehmern wurde umfängliches Propagandamaterial beschlagnahmt. Eine Person aus Fürstenwalde führte eine große Menge verschiedener Aufkleber der "Nationalistischen Widerstandsgruppe Fürstenwalde/Spree" mit. Daraufhin wurde die Versammlung aufgelöst. Am9. August wurde die von den "Nationalen" in Rauen organisierte Konzertveranstaltung mit dem Sänger Veit K. auf der Grundlage einer Verbotsverfügung vonder Polizei aufgelöst. DerPolizeip: ent Frankfurt (Oder) hatte am 7. August alle Veranstaltungen zur "Rudolf-HeßAktionswoche" verboten. Den knapp 100 Teilnehmern wurden polizeiliche Platzverweise erteilt. SCHWERDT kam dem Platzverweis nicht nach und wurde vorläufig festgenommen. In den Medien der "Nationalen" wurde immer wieder berichtet, daß es in vielen Städten Bemühungen gäbe, nationale Jugendclubs und SchuAnlaufpunkte lungszentren als Anlaufpunkte einzurichten. Auf diese Weise würden "sogenannte befreite Zonen geschaffen, in denen die Kameradschaften souverän agieren können... (...) Seit Jahren bemüht sich der Jugendverband der Nationalen e.V. darum, Jugendelubs und Tagungsstätten in Eigenregie zu verwalten. Einigen Stadtverwaltungen konnten in zähen Verhandlungen Zugeständnisse abgerungen werden". Genannt wurdenin vergleichbarem Zusammenhang vorallem Guben, Hennigsdorf und Eisenhüttenstadt. Allerdings wurden die tatsächlichen Vorgänge hierbei stark verzerrt oder wahrheitswidrig dargestellt. Es ist bislang kein Fall bekannt geworden, daß es rechtsextremistischen Kameradschaften gelungen wäre, sich mit derlei Forderungen gegenüber einer Stadtverwaltung durchzusetzen. In den sog. unabhängigen Kameradschaften, die mit den "Nationalen" kooperierten, wird durch ideologische Indoktrination eine menschenverachtende Gewaltbereitschaft geschürt. Dies ist belegt nicht zuletzt durch einen Doppelmord in der Nacht zum 18. April in Berlin, dessen Anlaßein nichtiger interner Streit zwischen Neonazis war: | Auf dem Heimweg von einer privaten Feier beim Vorsitzenden der { Berliner "Kameradschaft Beusselkiez" nahmen Mitglieder und Sym- | pathisanten der "Kameradschaft Wittenberg" zwei Mitglieder der Ber- i liner "Kameradschaft Treptow", darunter deren Vorsitzenden, in ihrem 49 Auto mit. Es kam zu einem Streit über das Verbotsdatum der "Freiheit- i f " ! Verfassungsschutzbericht 1997 1 lichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Aus diesem Grunde wurden der Vorsitzende und ein weiteres Mitglied der "Kameradschaft Wittenberg" von einem Berliner aus der "Kameradschaft Treptow" erstochen: deren Vorsitzenderleistete Beihilfe. Alle drei genannten Kameradschaften zählen zum Netzwerk der sog. unabhängigen Kameradschaften. Auf der Beerdigung am 17. Mai in Prettin wurde wieder Einigkeit beschworen. Es waren auch Angehörige von Kameradschaften aus dem Land Brandenburg anwesend. Am 11. August veröffentlichte WENDT im "Nordland-Netz" einen Artikel, der sich mit militantem Widerstand befaßt. In ihm fordert WENDTSolidarität mit dem wegen Mordes verurteilten Kay DIESNER (s. dazu S. 22), der als politischer Gefangener des Systems anerkannt werden müsse. DIESNER habe folgerichtig gehandelt und seine Pflicht erfüllt. Die Lebensinteressen des deutschen Volkes legitimierten gemäßArt. 20 Grundgesetz auch den militanten Widerstand gegen das Regime. "Die Nationalen e.V." sahen das maßgeblich von ihnen aufgebaute "Nationale Medienprojekt" wegen seiner engen Anbindung an den "Nationales Verein durch ein mögliches'Vereinsverbot gefährdet. Durch die SelbstMedienprojekt" auflösung der "Nationalen" sollte es prophylaktisch gesichert werden. Mit diesem Medienprojekt strebt der ehemalige Vorsitzende der"Nationalen" weiterhin den Aufbau einer "Gegenöffentlichkeit" zu den verhaßten "Systemmedien" an. Das "Nationale Medienprojekt" umfaßt nunmehr: - das "Nationale Zeitungsprojekt"; - Zugänge zu den Mailbox-Verbundsystemen "Nordland-Netz" und "Thule-Netz"; - eine Internet-Homepage der ""BBZ"; - das "Nationale Info-Telefon Preußen"; - "Radio Germania" bzw. dessen Nachfolger. Flaggschiff des "Nationalen Zeitungsprojektes" ist die "Berlin-Brandenburger. Zeitung der nationalen Erneuerung" (BBZ). Ihre derzeit fünf regionalen Ableger sind die Blätter "Junges Franken", "Neue Thüringer Zeitung", "Süddeutsche Allgemeine", "Westdeutsche Volkszeitung", "Mitteldeutsche Rundschau" mit den Ausgaben "Sachsen" und "Sachsen-Anhalt". Eine "Norddeutsche Zeitung - Hanse-Kurier" ist in Planung. Zuletzt kamdas Zeitungsprojekt nach eigenen Angaben auf eine Gesamtauflage von 22 000 Exemplaren. Da das Zeitungsprojekt weder über offene Vertriebswege noch über einen hinreichend großen Abonnentenstamm verfügt, ist es weit da50 vonentfernt, sich wirtschaftlich selbst zu tragen. Die Zeitungen werVerfassungsschutz durch Aufklärung den von führenden Funktionären und vom Unterstützerumfeld der "Nationalen" produziert und finanziert; Anhänger, Sympathisanten und Kameradschaftsmitglieder liefern Beiträge, verteilen und lesendie Zeitungen. 1997 kam nur eine Nummer der "BBZ" heraus. Ihr inhaltlicher Schwerpunkt lag erneut aufsozialund wirtschaftspolitischen Themen, die mit aggressiver Fremdenfeindlichkeit aufgeladen wurden. Die ""BBZ" schürt gezielt sozialchauvinistische Ressentiments mit der Hennigsdorf: 330.000 Mark für das Sowjetdenkmal? / Bericht auf seite 12 ZEITUNG DER NATIONALEN ERNEUERUNG EEE (c)" exe, Zahl der Arbeitslosen in Deutschland vezendich Hintergründe | die Machtfrage Da liegt bei knapp sechs Millionen! N stellen! || Benchaf Sue 12 Die Regierenden haben vollkommen versagt - Vergleiche mit der Situation von 1932 | TeintsansZupumdenm Serbeck een air a | Was zählt ein Sana mr u mm| Ma von ee ee Menschenleben m nn VEmmE Forderung nach "nationaler Präferenz", etwa "Arbeit zuerst für Deutsche!". Sie schreibt: "Millionen von Arbeitsplätzen sind mit Ausländern besetzt, die für die eigene Bevölkerung jetzt dringend gebraucht Bezüge zur würden. (...) Künftig müßten Arbeitsplätze vorrangig an Deutschevernationalgeben werden". Die 1997 erschienene Ausgabe weist im übrigen unsozialistischen verhohlen Bezüge zur nationalsozialistischen Propaganda auf undist Propaganda durch und durchantisemitisch geprägt. Die "BBZ"-Redaktion und der "Arbeitskreis Vernetzte Medien" kündigten am 14. November im "Nordland-Netz" die Reorganisation des gesamten "Nationalen Medienprojektes" an. Danach wird das Zeitungsprojekt künftig seine Erscheinungsweise und sein Informationsangebot ausdifferenzieren. Gleichzeitig ist eine Schwerpunktverlagerung weg vonden Printmedien hin zu digitalen Formen der Nachrichtenübermittlung geplant. Die Zeitungensollen nur noch quartalsmäßig erscheinen und ihre Berichterstattung auf "die Aufbereitung weltanschaulicher Hintergründe" konzentrieren, Aktuelle Meldungen, Nachrichten, Termine will die "BBZ"-Redaktion sofort über ihre Pointadresse in das "Nordland"und das "Thule-Netz" einspeisen und auf diesem Wege mit ihrer Leserschaft in Diskussioneneintreten. 5l Verfassungsschutzbericht 1997 "Die Nationalen e.V." hatten vom März 1997 bis zur Bekanntgabe ihrer Selbstauflösung am 14. November eine eigene Homepage im Internet. Nunmehr soll diese Homepage als Seite der "freien Kameradschaften" mit derselben Web-Adresse unter anderem Namen, etwa als "Die nationale Seite", fortgesetzt werden. Bereits am 26. Oktober richtete die "BBZ"-Redaktion eine eigene Internet-Homepageein, die mit mindestens einmal wöchentlich aktualisierten Nachrichten aufwarten soll. Diese unterschieden sich bisher kaum von den zuvor im "Nordland-Netz" veröffentlichten Texten. Der wöchentlich erscheinende sechsseitige Presseund Nachrichtendienst "BBZ-Aktuell", der an die Abonnenten der "BBZ" verschickt werden soll, bildet einen. Auszug aus der Homepage. "Nationales Das "Nationale Info-Telefon Preußen" hat am 30. Oktober, dem 100. GeInfo-Telefon burtstag von Joseph Goebbels, in Berlin seinen Betrieb aufgenommen. Preußen" Es legt seinen Schwerpunkt auf Nachrichten über regionale Projekte und Aktivitäten und soll die Arbeit der "unabhängigen Kameradschaften" beleuchten. Die Texte deckensich weitestgehend mit den Meldungen, die die "BBZ"-Redaktion in die Mailbox-Verbundsystemeeinspeist. Das "Nationale Medienprojekt" soll, so plant man, auch regelmäßige Radiound Fernsehsendungeneinschließen. Bisher scheiterte dieses Vorhaben daran, daß einzelne Sendungen immer wieder Sanktionen nach sich zogen. Das den "Nationalen" nahestehende "Radio Germania -- das Radiofür nationale Interessen" konnte 1997 nicht auf Sendung gehen. Die für Radio Germania = das Nadio für nationale den 30. Januar 1997, zum Jahrestag der "Machtergreifung" Hitlers, vorInrereilen = 4 gesehene Sendung wurde wegen ihrer jugendgefährdenden Gesamtdramaturgie von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg abgesetzt. Der senderechtlich Verantwortliche wurde von der Nutzung des "offenen Kanals" für ein Jahr ausgeschlossen. "Radio Z -- Z wie Zirkus, Z wie Zensur" trat die Nachfolge an und strahlte am 14. August eine Sendung zum zehnten Todestag von Rudolf Heß aus. Als weitere Sendungen verboten wurden, ging "Radio knorke!" am 22. Oktober auf Sendung. Sendung vom 08.01.1997 Die Ausstrahlung einer Gedenksendung am 30. Oktober zum 100. Geburtstag von Goebbels wurde wiederum von der Medienanstalt untersagt. Die Inhalte der Sendungen setzen sich aus Ansagetexten der "Nationalen Info-Telefone" und dem Abspielen von Tonträgern rechtsextremistischer Liedermacher und Skinheadbands zusammen. In Planung ist außerdem die Ausstrahlung einer Nachrichtensendung "Thule-TV" über den "Offenen Kanal Berlin". 52 Verfassungsschutz durch Aufklärung Verbotene) "Kameradschaft Oberhavel" LEE A EN Gründungsjahr: 1996 Sitz: Hennigsdorf Mitglieder: 25 Publikation: "Modernes Denken" Verbot: 1997 Am 14. August hat der Innenminister des Landes Brandenburg die "Kameradschaft Oberhavel" mit Sitz in Hennigsdorf gem. $ 3 VereinsVereinsgesetz verboten, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung verbot und den Gedankender Völkerverständigung richtete. Die "Kameradschaft Oberhavel" wurde am 14. April 1996 in Hennigsdorf unter Federführung des Vereins "Die Nationalen e.V." gegründet. An der Gründungsversammlung nahmen u.a. SCHWERDTund WENDTteil. Zum Vereinsvorsitzenden wurde en Vorstandsmitglied der "Nationalen" gewählt. Die verbotene "Kameradschaft Oberhavel" unterschied sich in ihrer ideologischen Ausrichtung nicht von den "Nationalen", von denen sie nur formal unabhängig war. Um jedoch ihre vorgebliche Eigenständigkeit nach außen hin zu dokumentieren, konstituierte sie sich als selbständiger Verein und betrieb -- wenn auch erfolglos -- ihren Eintrag in das Vereinsregister beim Amtsgericht Oranienburg. Gemäß Satzung gehörten zu den Aufgaben des Vereins "diepolitische und allgemeine Bildung der Mitglieder, die Auseinandersetzung mit dem aktuellen Geschehen und die Stellungnahme zu altgemein interessierenden Fragen. Die 'Kameradschaft Oberhavel e.V.' will Jugendzentren einrichten, die von den Mitgliedern selbst verwaltet werden. (...) Die historische und politische Bildung soll durch Seminare vermittelt werden, welche entweder von kompetenten Mitgliedern selbst oder geeigneten Gästen durchgeführt werden sollen." Bis zum Verbot der "Kameradschaft Oberhavel" erschien die Vereinszeitung "Modernes Denken. Gestalt und Ausdruck volkstreuer Jugend -- Zeitung der Kameradschaft Oberhavel e. V." in vier Ausgaben. Die Publikation diente der Kameradschaft als "Informationsund Schulungsblatt" zur Festigung dereigenen Ideologie. 33 Verfassungsschutzbericht 1997 Welche Ideologie die Zeitschrift pflegte, geht aus denin ihr abgedruckten Texten unzweideutig hervor: Hier wurden in aggressiv-kämpferiverfassungsscher Weise verfassungsfeindliche Bestrebungen propagiert. Kennfeindliche zeichnend für Geist und Inhalt der Beiträge waren völkischer KollektiBestrebungen vismus, revanchistisch ausgerichteter Nationalismus, rassistisch fundierte Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Revanchismus. Worauf der Vereinszweck, "politische und historische Bildung" zu vermitteln, hinauslief, zeigt beispielsweise ein Artikel in der 3. Ausgabe von "Modernes Denken". Ein charakteristischer Auszug: "30. Januar 1933 -- Tag der nationalen Erhebung -- An diesem denkwürdigen Tag vor genau 64 Jahren ernannte der damalige Feldmarschall Hindenburg Adolf Hitler zum Kanzler des Deutschen Reiches und beauftragte 3. Ausgabe Jan. / Febr.97 Modernes Denken Gestalt und Ausdruck. volkstreuer Jugend ZeitungderKameradschaftOberhavele V. 1 ö ihn mit der Bildung eines neuen Kabinertts. Eine große Entscheidung war nach l4jährigem Kampf gefallen, und ein in Millionen von Herzen schlummernder Wunsch erfüllt. Die politische Grundlagefür die Erfüllung der alten deutschen Sehnsucht nach einem freien Volk in einem starken Reich war offensichtlich geschaffen. (...) Die Zeit des friedlichen Aufbaus sollte jedoch nur 6 Jahre dauern. Mit der englisch-französischen Kriegserklärung an Deutschland am 3. September 1939 entbrannte der 2. Weltkrieg. Durch Verrat, Sabotage und Widerstand in den eigenen Reihen ging dieser Krieg jedoch für uns Deutsche verloren. Dennoch: Der 30. Januar 1933ist für uns wie die 12 Jahre danachsteter Antrieb für unsere Kraft." Im Vorwort derselben Ausgabe von "Modernes Denken" prophezeite der Vereinsvorsitzende: "Gerade jetzt müssen wir wachsambleiben, um unser Restdeutschland nach dem 8. Mai 1945 nun doch noch tatsächlich zu befreien. Dieses System neigt sich dem Ende." Die "Kameradschaft Oberhavel" wollte die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen. Ihre Einzelaktivitäten entsprachen diesem 54 Verfassungsschutz durch Aufklärung Zweck. Sie organisierte Liederabende mit rechtsextremistischen Sängern, veranstaltete Sonnenwendf eiern und Geschichtsseminare, umnationalsozialistische Ideenin die Köp fe ihrer Mitglieder einzupflanzen, Her provokante Nach außen hintrat sie mit provokanten Propagandaaktionen in ErPropagandascheinung. aktionen In der Nacht zum18. Juli wurden in Hennigsdorf, Velten und Oranienburg Flugblätter der "Kameradschaft Oberhavel" festgestellt, in denen der Abriß des Hennigsdorfer Ehrenma ls für im 2. Weltkrieg gefallene Sowjetsoldaten gefordert wurde. In diesemText kündigt die "Kam eradschaft Oberhavel" für den 26. Juli "phantasievolle Aktionen rund um das Schandmal" an. Bei der gleichen Verteilaktion wurden auch Flugblätter des "Nationalen Widerstandes" verbreitet, die zu einem Gedenkmarschfür Rudolf Heß im August 1997 aufriefen. Die für den26. Juli angekündigten Aktionen unterblieben angesichts des breiten öffentlichenProtestes undpolizeilicher Schu tzmaßnahmen Das Verbot der "Kameradschaft Obe rhavel" verfehlte seine Wirkung nicht. Einige ehemalige Mitglieder habe n sich aus der organisierten rechtsextremistischen Szene zurü ckgezogen, andere suchenbei ande - ren Organisationen Anschluß. Das Verbot hat aber auch bei anderen Kameradschaften Wirkung gezeigt. Sie agier en nunmehr wese ntlich zurückhaltender. Schließlich war dies es Verbot der eigentliche Grund für die Selbstauflösung der "Nationalen " (s. dazu S. 46 f.). WIR WEHRENUNS) KAMERADSCHAFTLICH en NATIONALISTISCH LESUrSG I nel Tau er] ' VOLKSTREU IM DiEUEZUR NATION ! Verfassungsschutzbericht 1997 Gefangenenhilfsorganisationen Die Gefangenenhilfe von Neonazis zielt darauf ab, inhaftierte Rechtsextremisten materiell und ideell zu unterstützen: Ihnen werden Kontakte zu Gesinnungskameraden "draußen" vermittelt. Außerdemsollen sie nach der Haftentlassung Hilfe erhalten und wieder in die neonazistischen Strukturen eingegliedert werden. In der Gefangenenbetreuung arbeiten Mitglieder verschiedener neonazistischer Vereinigungen zusammen und stellen dabei Konkurrenzen und Rivalitäten hintan. Deshalb hat die Gefangenenhilfe innerhalb des neonazistischen Spektrums eine gewisse integrative Funktion. Vor allem die "Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangengund deren Angehörige e. V." (HNG) versucht, Neutralität gegenüberdenStreitigkeiten innerhalb der Neonaziszene zu wahren. "Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Gründungsjahr: 1979 Sitz: Frankfurt/Main in Brandenburg aktiv seit: 1990 Mitglieder bundesweit: 350 Brandenburg: 10 für Brandenburg relevante überregionale Publikation: "Nachrichten der HNG" Gegründet wurde die HNG durch den Frankfurter Neonazi Henry BEYER. Seit März 1991 ist Ursula MÜLLER aus Mainz Vorsitzende. Die HNGist die bedeutendste Gefangenenhilfsorganisation und zugleich der mitgliederstärkste neonazistische Personenzusammenschluß in der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings gelang es ihr bisher nicht, in den ostdeutschen Bundesländern stabile Strukturen aufzubauen. Durch Zuzug von HNG-Mitgliedern aus anderen Bundesländern, darunter auch Aktivisten der Gefangenenbetreuung, stieg die Mitgliederzahl in Brandenburg 1997 leicht an, blieb aber insgesamt gering. 56 Verfassungsschutz durch Aufklärung Sogenannte "Gebietsbeauftragte" -- ein solcher arbeitet auch in Brandenburg -- organisieren und koordinieren die Gefangenenbetreuung. Unterden 150 Teilnehmern der HNG-Jahreshauptversammlung im März befanden sich auch Brandenburger. Die "Nachrichten der HNG" enthalten vor allem Informationen über "Nachrichten Prozesse gegen Rechtsextremisten und deren Haftbedingungen, Brieder HNG" fe aus der Haft und Ratschläge in Rechtsfragen. Jede Ausgabe führt in einer "Gefangenenliste" die Namen inhaftierter Rechtsextremisten aus dem Inund Ausland auf, die Kontakt zu Kameraden suchen. Darunter sind auch regelmäßig inhaftierte Rechtsextremistenaus Brandenburg. Internationales Das 1987 von Ernst TAG gegründete "Internationale Hilfskomitee für Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) isteine nationale Konkurrenzorganisation zur HNG undhat die gleiche Zielstellung wie politische diese. Die Zahl der Anhänger blieb immer sehr gering. Nach dem RückVerfolgte und deren zug TAGs aus dem IHV kamdessenTätigkeit fast vollständig zumErlieAngehörige e.V gen. Neben den Gefangenenorganisationen, die ihre inhaftierten Gesinnungskameraden von außen unterstützen, bauten seit 1995 inhaftierte Rechtsextremisten eigene Zusammenschlüsse in der Form von Selbsthilfegruppenauf, die sie "Knast-" bzw. "Kerkerkameradschaften" nennen. Ihre Mitglieder informieren sich gegenseitig über den Stand des jewei"Knast-" bzw. ligen Strafverfahrens und die Haftbedingungen. Sie wollen auf diese "KerkerkameradWeiseihren "politischen Kampf" auch im Gefängnis koordinieren. Auschaften" ßerdem suchen sie die Verbindung zu den Kameraden "draußen" zu halten. In Brandenburg inhaftierte Rechtsextremisten waren an der Gründung solcher "Kerkerkameradschaften" beteiligt. Einige von ihnen geben die Schrift "Der weiße Wolf. Rundbrief inhaftierter Kameraden der "Justizvollzugsanstalt' Brandenburg" heraus. Von ihr sind 1997 weitere Ausgabenerschienen. Der Themenkreis reicht über Häftlingsprobleme hinaus und erstreckt sich auch auf Nachrichten aus der Neonaziund der Skinhead-Musikszene. Sonstige Nachdemder Innenminister des Landes Brandenburg 1995 die bis dahin mitgliederstärkste und aktivste neonazistische Vereinigung in Brandenburg, die "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF), verboten hatte, sind die Aktivitäten der ehemaligen Mitglieder kontinuierlich zurückge57 Verfassungsschutzbericht 1997 gangen. Vor dem Landgericht Potsdamhatte sich im Sommer ein Angeklagter zu verantworten, weil er nach dem Verbot der JF noch einige Monate deren Postfach in Potsdam weiterbetrieb und darüber Briefverkehr für die JF führte. Dadurch versuchte er, diese verbotene Vereinigung fortzuführen und ihren organisatorischen Zusammenhang aufrechtzuerhalten. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Produktion Ehemalige Führungspersonen aus dem Kreis der verbotenen JF widund Vertrieb men sich inzwischen der Produktion von Heavy-Metal-Musik, da ihnen rechts-- nach der Beschlagnahme von mehrals 3000 CDs der Nazi-Skinheadextremistischer Band "Landser" mit dem Titel "Republik der Strolche" im Frühjahr 1996 Musiktitel -- die Produktion und der Vertrieb von eindeutig rechtsextremistischen Musiktiteln zu gefährlich erscheint. Der ehemals führende Kopf der verbotenen JF hat unter dem Pseudonym "kommando F/UV" in "Der weiße Wolf" (s. dazu S. 57), Nr. 3, einen Artikel "Vom Kampfe = oder warum kämpfenwi eröffentlicht. Die von ihm bereits früher vertretene nationalbolschewistische Linie verficht er hier mit der Aufforderung, "die Grabenkämpfe endlich einzustellen und zueiner Einheitsfront aller Unterdrückten zu gelangen". Die Hauptaufgabe der Kader sei es, "Propagandamittel, Tonträger, Zeitschriften und anderen Szenebedarfherzustellen sowie die Vernetzung der Szene voranzutreiben und ideologische Sperrlinien zu durchschreiten und hinter sich zu lassen". Die Aktivisten hätten die Aufgabe, "Konzepte in die Tat umzusetzen, Aktionen zu planen und durchzuführen, neue Leute für den Kampf zu gewinnen, Kameradschaften, Zellen und Kampfbündnisse aufzubauen", das Umfeld hingegensolle "die Aktivisten und Kader durch Geld, Sachspenden oder den Kauf von z.B. CD's, Hemden usw. unterstützen". Bislang ist nicht erkennbar, daß -- abgesehen von der Erwirtschaftung finanzieller Mittel -- diese Zielstellung verwirklicht wird. Im Raum Cottbus hat sich um Personen, die ehemals verbotenen neonazistischen Organisationen, darunter der "Freiheitlichen Deutschen Wandergruppe Arbeiterpartei" (FAP) und der "Deutschen Alternative" (DA), angeGibor hörten, die "Wandergruppe Gibor" gebildet, die sich als unabhängig bezeichnet und sich harmlos gibt. Die von dieser Gruppe bereits in mehreren Nummernherausgegebene Schrift "echt knorke!" bemüht sich umein eher unpolitisches Erscheinungsbild. Die "Wandergruppe Gibor" präsentiert sich darin als ein Zusammenschluß von Naturfreunden, die sich Wanderungen, Lagerfeuerabenden, Umweltaktionen, Lesungen und Kulturveran58 staltungen widmen. Der Blick geht rückwärts aufgermanisches HeidenVerfassungsschutz durch Aufklärung tumund altdeutsche Lebensart. Es gibt aber Anhaltspunkte dafür, daß sich hinter der Verkündung eines vormodernen, völkischen Weltbildes eine kalkulierte neonazistische Werbestrategie verbirgt. Bereits seit 1993 besteht in Frankurt (Oder) das von einem jungen Neonazi betriebene "Nationale Pressearchiv" (N.P.A.). Es tritt nach auBen in Erscheinung durch die Herausgabe des "Nationalen Beobachters" und durch die Beteiligung an "Anti-Antifa"-Aktivitäten. Nationales . . une 1 Pressearchiv Das N.P.A. bezeichnet sich selbst als "überparteilich". Es unterhält Kontakte zu einer Vielzahl von rechtsextremistischen und neonazistischen Organisationen und Gruppierungen, deren Schriften und Propagandamaterialien es sammelt, um sie "allen nationalen Menschen" zur Verfügung stellen zu können. Seit 1995 erscheint in unregelmäßigem Abstand der "Nationale Beobachter", anfangs als "Rundbrief des Nationalen Pressearchivs", nun als "Zeitschrift des nationalen Widerstandes" untertitelt. 1997 sind weitere Nummern verbreitet worden. Dem "Nationalen Beobachter" ist die Aufgabe zugedacht, "Informationen und Berichte aus aller Welt zuliefern und damit zur Vernetzung der nationalen Szene beizutragen" (Nr.1, i (c) S. 2). Neben Erklärungen in e 2.Jahrgan ' ng x 0 RE Nr.05,.%% : . . eigenerSachedruckter inanRN t l N3 b bh ga deren Publikationen bereits a 10na et ed ac ter veröffentlichte Texte nach Zeitschrift des nationalen Widerstandes). . \.. und stellt eine Vielzahl neonazistischer Publikationen mit Angabe der Bezugsadressen vor. Daß als Zielgruppe vor allem junge Menschen erreicht werden sollen, zeigt der breite Raum, den das Thema Skinhead-Musik (Tonträger, Fanzines, Bands, Sänger und Konzerte) einnimmt. Ein Werbezettel für den "Nationalen Beobachter", Nr. 6, bezeichnet diesen daher als "Politund Musikzine". Regelmäßig erscheinenArtikel zum Thema "Anti-Antifa". So verkündet eine Gruppe aus Naumburg/Saale in Nr. 5 unter dem Titel "FRONT 88 -- Abwehrverband des nationalen Widerstandes", sie wolle "eine zentrale Erfassungsstelle für linke Gewalt und deren Hintermänner einrichten". Das Postfach des "Nationalen Pressearchivs" wird regelmäBig in neonazistischen Schriften, darunter im "NS-Kampfruf" (s. dazu S. 18), als eine Kontaktadresse der "Anti-Antifa"-Kampagne genannt. 59 Verfassungsschutzbericht 1997 Rechtsextremistische Parteien und ihre Nebenorganisationen "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründungsjahr: 1964 Sitz: Stuttgart in Brandenburg aktiv seit: 1990 Jugendorganisation: - "Junge National demokraten" (JN) Mitglieder bundesweit: 4300 Brandenburg: 60 für Brandenburg relevante überregionale und regionale Publikationen: "Deutsche Stimme" "Zündstoff -- Deutsche Stimme für BerlinBrandenburg" DasJahr 1997 markiert möglicherweise eine Trendwende für die NPD im Land Brandenburg. Zwar verfügt sie hier Ende 1997 mit ca. 60 Personen mögliche immer noch über relativ wenig Mitglieder, im Jahr zuvor waren es aber Trendwende nur ca. 20 Mitglieder gewesen. Dieser Zuwachs in Brandenburg entspricht der Entwicklung, die die NPD im vergangenenJahr bundesweit genommenhat. Nach eigenen Aussagen gewann die Partei über 1 000 neue, zumeist junge, Mitglieder hinzu. Nebeneiner intensivierten Mitgliederwerbung zahlt sich offenbar auch die Strategie desseit 1996 amtierenden -- und auf dem Bundesparteitag am 10./11. Januar 1998 in Stavenhagen bestätigten -- Bundesvorsitzenden Udo VOIGT aus. Einer ihrer Bestandteile ist das wieder engere Zusammenwirken mit der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN). Die JN verzichten darauf, sich gegen neonazistische Gruppierungen und ehemalige Mitglieder verbotener Organisationen strikt abzugrenzen, und ernten dafür schonseit 1996 einen gewissen Zulauf, der nunmehr auch der NPD zugute kommt. Danebenhat die NPD in ihrer Agitation einen Themenwechsel vollzo60 gen: weg von revisionistischer Propaganda, hin zu aktuellen soVerfassungsschutz durch Aufklärung zialpolitischen Problemen. Allerdings gibt sie damit keineswegs die bekannten rechtsextremistischen Argumentationsmusterpreis. Aufdiese Weise will die Partei eine breitere Akzeptanz in der Öffentlichkeit gewinnen. Weiterhin nimmt die NPD fü sich in Anspruch, als einzige Partei eine "grundsätzliche Alternative zum gegenwä igen Parteienspektrum" darPropaganda zustellen. Die antipluralistische, völkisch-kollektivistische und fremdenfeindliche Haltung der NPD wirdin ihrer Propaganda überdeutlich. Sie behauptet, "Volksherrschaft setzt die Volksgemeinschaft" voraus. Zur Erhaltung der "deutschen Volkssubstanz" müsse die "menschenfeindliche Inte"grationspolitik" ein Ende haben. Konkret wird z. B. vorgeschlagen, Ausländer aus dem Sozialversicherungswesen auszugliedern. Festgehalten sind diese und andere Forderungen in der im Dezember 1996 beschlossenen Neufassung des NPD-Parteiprogramms. Der NPDgelang es 1997, sich mit spektakulären Aktionen auch einer breiteren Öffentlichkeit wiederin Erinnerung zu bringen. Den größten Erfolg konnte sie dabei am I. März verbuchen, als sie gemeinsam mit den JN mehrere tausend Menschen -- darunter auch zahlreiche Neonazis und 61 Verfassungsschutzbericht 1997 Skinheads, aber auch Wehrmachtsveteranen -- für eine Demonstration gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg -- Die Verbrechen der Wehrmacht" in München (s. dazu Seiten 21, 23, 26, 63, 73) zu mobilisieren vermochte. Wenig erfolgreich gestaltete sich dagegen das Bemühen, am 1. Mai in Kundgebungen Leipzig eine Demonstration unter dem Motto"1. Mai -- Tag der nationalen Arbeit - Arbeit zuerst für Deutsche! - Die Wut auf die Straße tragen!" zu veranstalten. Die Kundgebung wurde verboten, und die NPD zeigte sich außerstande, das von ihr auf 10 000 Personen geschätzte Teilnehmerpotential kurzfristig zu einervergleichbaren Demonstration an einen anderen Ort zu lenken. Stattdessen kam es an vier Orten zu kleineren spontanen Kundgebungenmit insgesamt ca. 750 Teilnehmern, darunter auchzahlreiche Neonazis und Skin-heads. Diese Versammlungen wurden von der Polizei aufgelöst. Zwei kurzfristig für den I. Mai angemeldete Veranstaltungen in Cottbus und Potsdam wurden verboten und fanden nicht statt. Auchüber Medien versucht die NPD, ihre Position m rechtsextremistischen Spektrum zu stärken. So betreibt sie über die "DS-Verlagsgesellschaft mbH" inzwischen einen umfassenden Versandhandel u. a. mit Büchern, Videos und Tonträgern. Außerdemverfügt sie nunmehr über eine eigene Adresse im Internet (s. dazu 8. 28). Wahlergebnisse Trotz aller dieser Bemühungengelang es der NPD nicht, mit ihrem neuen Profil für die Wähler attraktiv zu werden. Die Partei trat 1997 sowohl bei den Kommunalwahlen am 2. März in Hessen als auch bei den Wahlen zur Bürgerschaft und zu den Bezirksversammlungen in Hamburg am 21. September an. Während sie in Hamburg nur0,1 Prozent der Stimmen erlangte undin keineder sieben Bezirksversammlungen einzog, konnte sie in Hessen Mandate in mehreren Kommunalparlamenten erringen. Insgesamt aber blieb ihr Stimmenanteil hier mit 0,6 Prozent noch unter dem der letzten Kommunalwahlen 1993. In Brandenburg geht die NPD nunmehr daran, landeseigene ParteiParteistrukturen strukturen zu etablieren. Zu diesem Zweck wurde im November 1997, noch innerhalb des gemeinsamen Landesverbandes Berlin-Brandenburg, ein eigener Bezirksverband für das Land Brandenburg gegründet. Dies soll eine Etappe auf dem Wegzu jeweils eigenständigen NPD-Landesverbänden in Berlin und Brandenburg sein. Außerdem wurde ein neuer Kreisverband Spreewald ins Leben gerufen; die Gründung weiterer neuer Kreisverbände wurde angekündigt. 62 Verfassungsschutz durch Aufklärung T eh "Junge Nationaldemokraten" (JN Gründungsjahr: 1969 Sitz: Bochum in Brandenburgaktiv seit: 190 . Mitglieder bundesweit: 350 Brandenburg: Einzelmitglieder für Brandenburg relevante überregionale und regionale Publikationen: "Der Aktivist", "JN-Intern" DemLandesverband Berlin-Brandenburg steht in der NPD-Zeitschrift "Zündstoff -- Deutsche Stimme für Berlin-Brandenburg" eine Seite, genannt "Denkzettel", zur Verfügung. Auch 1997 nahm der Mitgliederbestand der JN zu. MitgliederNach dem Verbot verschiedenerneonazistischer Vereinigungenist die Bestand Attraktivität der JN für Personen aus diesem Spektrumerheblich gestiegen. Inzwischen habensich die JN zueiner Nahtstelle zwischen NPD, Neonazis und anderen rechtsextremistischen Gruppierungen entwikkelt. Freilich ist das Verhältnis zwischen NPD und JN einerseits und den neonazistischen Gruppierungen andererseits nicht unproblematisch. Denn obwohl letztere die JN, z. T. auch die NPD als Resonanzboden und Plattform nutzen, sind sie nicht ohne weiteres bereit, ihnen eine Führungsrolle in der rechtsextremistischen Szene einzuräumen. Augenblicklich bilden beide Seiten eine "Zweckgemeinschaft". Die JN betrachten sich als "nationale Gesinnungsund Kampfgemeinschaft", die nicht Bestandteil des Systems sein will, sondern gegen das System kämpft. Als "nationalrevolutionäre Kaderorga"nationale nisation" stehen sie in fundamentaler Opposition zum demokratischen GesinnungsVerfassungsstaat. Ebenso wie ihre Mutterpartei versuchendie JN, verund Kampfstärkt sozialpolitische Fragen für ihre Agitation zu nutzen. gemeinschaft Neben der NPD waren die JN ander organisatorischen Vorbereitung der Demonstration am 1. März in Münchenund der für den 1. Mai in Leipzig geplanten Kundgebung beteiligt (s. dazu S. 62). 63 Verfassungsschutzbericht 1997 Am18. Oktober fand in Fürth der "4. Europäische Kongreß der Jugend" statt, zu dem die JN traditionell Vertreter verschiedener rechtsextremi4. Europäischer stischer Gruppierungen und Jugendorganisationen aus ganz Europa Kongreß einladen. Die Teilnehmerzahl hat sich mit 500 bis 600 Personen gegender Jugend über dem Vorjahrfast verdoppelt. Ander "Rudolf-Heß-Aktionswoche" im August 1997 habensich die JN offiziell nicht beteiligt. Offenbar paßt die vergangenheitsfixierte Thematik nicht mehr in das neue propagandistische Konzept der "Jungen Nationaldemokraten". AuseinanderBei eigenen Kundgebungen mußten die JN 1997, verglichen mit 1996, setzungen mit zurückstecken. Eine ganze Reihe von Veranstaltungen wurde schon im linksVorfeld verboten, außerdem nahmen Auseinandersetzungenmit linksextremistischen extremistischen Gruppierungen am Rande von JN-Veranstaltungen zu. Gruppierungen Der gemeinsame Landesverband Berlin-Brandenburg der JN meldete für den 15. Februar eine Kundgebung in Berlin-Hellersdorf unter dem Motto "Arbeit zuerst für Deutsche" an. Schon im Vorfeld waren die Proteste in der Öffentlichkeit so heftig, daß sich die JN genötigt sahen, die Kundgebung kurzfristig abzusagen und stattdessen eine geschlossene Versammlung in einer geheimgehaltenen Gaststatte anzusetzen. An dem vereinbarten Treffpunkt am S-Bahnhof Wuhletal wurden 30 Rechtsextremisten von 350 militanten Linksextremisten mit Steinen und Flaschen attackiert und mußten flüchten. Auch in Brandenburg wardie JN Zielscheibe von Gegenaktionen linksextremistischer Kreise (s. dazu S. 91). Sie richteten sich gegen den Stützpunkt der brandenburgischen JN in Frankfurt (Oder). Sämtliche aus dem NPDund JNUmfeld der Oderstadt angemeldeten Veranstaltungen wurden 1997 verboten. Für den 28. März meldete ein JN-Funktionär eine Demonstration unter dem Motto "Gegenlinke Gewalt" an. Trotz des von der Polizei verhängten Verbotes versammelten sich am 28. März 50 bis 60 Personen in Frankfurt (Oder). Die Veranstaltung wurde von derPolizei aufgelöst. Angemeldet wurden für den 9. Augustin Fürstenwalde und in Frankfurt (Oder) zwei Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Todestag von Rudolf Heß sowie drei Kranzniederlegungen anläßlich des "Heldengedenktages" am 16. November auf den Soldatenfriedhöfen n Lietzen und Seelow und der Gedenkstätte im Gutspark Gorgast. Die Verbote aller dieser Veranstaltungen wurdenbefolgt. Verfassungsschutz durch Aufklärung . gs . . INFORMATIONSBLATT DER JUNGEN Das seit 1996 existierende MitteiNATIONALDEMOKTRATEN lungsblatt des Landesverbandes Berlin-BrandenburgderJN,"JN-InWw, tern", ist 1997 nur ein einziges Mal ara | erschienen. Das für die JN betriebeDESVERBANDana ne "Nationale Info-Telefon Berlin'Ausgabe Nr. 1/ 1997 Brandenburg" ist seit Mitte 1997 nicht mehr aktiv. "Deutsche Volksunion" (DVU Gründungsjahr: 1987 Sitz: München in Brandenburg aktiv seit: 190 Mitglieder bundesweit: 15 000deg Brandenburg: 40deg für Brandenburg relevante "Deutsche Wochenzeitung/ überregionale Publikationen: Deutscher Anzeiger" (DWZ/DA), "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) Die Aktivitäten der DVU stagnierten 1997 bundesweit auf niedrigem Niveau. Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern bleibt die Partei schwach. Dies gilt auch für das Land Brandenburg. Der seit 1995 existierende gemeinsame Landesverband Berlin-Brandenburg verharrte 1997 in InAktivitäten aktivität. Die DVU ist in Brandenburg nochnie zu Wahlen angetreten. stagnierten Der Führungsstil des Parteivorsitzenden Dr. Gerhard FREY läßt es kaum zu, daß sich selbstbewußte und eigenverantwortliche DVU-Untergliederungen bilden. Auf Grundseiner einträglichen T igkeit als Verleger verfügt FREY über genügend Geldmittel, um die Politikinhalte, die Personalfragen und das Finanzleben der DVU nachBelieben bestimmenzu können. Die Dominanz FREYSs stößt bei DVU-Mitgliedern allerdings immerwieder aufKritik, dasie ihre "politische" Funktion aufdie Abnahme der von ihm herausgegebenen Publikationen beschränkt sehen. ' Die DVU selbst gibt höhere Zahlenan . Verfassungsschutzbericht 1997 Abgesehen von dertraditionellen Großkundgebung in Passau am 27. Septemberund vonParteitagen, konzentrierten sich die Aktivitäten der DVU auch 1997 im wesentlichenauf die publizistischen Unternehmungen FREYs und aufdie Wahlkampagne in Hamburg. Denn 1997 nahm die DVU nur an den Wahlen am 21. September zur Bürgerschaft und zu den Bezirksversammlungen in Hamburgteil. Beim Wahlkampagne Wahlgang für die Bürgerschaft scheiterte sie trotz des großzügigen, vomBundesvorsitzenden zur Verfügung gestellten, Wahlkampfbudgets mit 4,9 Prozent knapp an der 5 %-Hürde. Bei den letzten Wahlen 1993 hatte sie allerdings nur 2,8 Prozent der Stimmen erhalten. Bei den Bezirksversammlungswahlen gelang der DVU mit insgesamt 13 Abgeordneten der Einzug in vier von sieben Vertretungen. 1993 warihr nur " . = der Einzug in eine Wie Netanjahu abkassiert Sein Besuch bei Kohlem Bezirksversammlung geglückt. National"z "2# ung lativenWahlerGrundfür den refolg war ein agAuschwitz= ewig DeutschlandsSchicksal? gressiv geführter Wie Blüm die Rentner ruiniert Wie ein a Wahlkampf, der verflucht vor allem Vorurje teile gegen Ausländer und Asylbewerber schürte. Die von FREY herausgegebenen Wochenzeitungen "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und "Deutsche Wochen- | eier Anzeiger"(DWZ/DA)sind alsSprachrohr der DVU anzusehen. Sie gehören zu den auflagenstärksten rechtsextremistischen Publikationen in Deutschland. Beide Publikationenpflegen mit Hilfe aggressiver, tendenziöser Artikel die traditionellen rechtsextremistischen Feindbilder. So werden Ressentiments gegen Ausländergeschürt. Gezielt wird der Eindruck erweckt, daß in Deutschland lebende Ausländer generell eine Bedrohung für die Sicherheit der Bun- ' desrepublik darstellten. Des weiteren zielen diese Wochenblätter darauf ab, das Bild von der deutschen Geschichte zu revidieren. Die natioFeindbilder nalsozialistischen Verbrechen werden permanent verharmlost und gegen von anderen Völkern begangenes Unrecht aufgerechnet. Zugleich belegen die zahlreichen, durchweg negativ geprägten Artikel zu den Themen "Juden" und "Israel" den kaum verhohlenen Antisemitismus der Partei. 66 Verfassungsschutz durch Aufklärung "Die Republikaner" (REP) Gründungsjahr: 1983 Sitz: Berlin in Brandenburg aktiv seit: 190 Mitglieder bundesweit: 15500 Brandenburg: 330 Teil-/Nebenorganisationen: "Arbeitskreise Republikanischer Jugend" (RJ) "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF) "Republikanischer Bund der öffentlichen Bediensteten" (RepBB) für Brandenburg relevante überregionale Publikation: "Der Republikaner" "Die Republikaner" mußten sowohl bei den Kommunalwahlen am 2. März in Hessen als auch bei den Wahlen zur Bürgerschaft und zu den BeWahlergebnisse zirksversammlungen in Hamburg am 21. September Verluste hinnehmen. In Hessen verloren sie gegenüber den letzten Kommunalwahlen 1993 1,7 Prozent der Stimmen -- hauptsächlich in den Großstädten -- und kamen landesweit auf 6,6 Prozent. In Hamburg waren die Verluste größer: Hier erhielten sie nur noch 1,9 Prozent der Stimmen. 1993 warensie mit 4,8 Prozent noch knappan der 5 %-Hürde gescheitert. Auch der Einzug in eine der sieben Bezirksversammlungengelang der Partei nicht mehr. Die erhoffte dauerhafte Konsolidierung der REP nach demErfolg bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 1996 -- dort waren sie zum zweitenmal in das Landesparlament eingezogen - blieb damit aus. Gleichzeitig stagnierte die Mitgliederentwicklung der Partei. Auch ansonsten waren kaum öffentlichkeitswirksame Aktionen der "Republikaner" wahrzunehmen. Eine im Oktober 1996 beschlossene bundesweite "Anti-Maastricht-Kampagne" fand 1997 in der Öffentlichkeit wenig Resonanz. 67 Verfassungsschutzbericht 1997 Die Kontinuität der parteispezifischen Themen und Argumentationsschemata blieb 1997 ungebrochen: Polemik gegendas angebliche VerThemen sagender sog. "Altparteien" und der Repräsentanten der parlamentarischen Demokratie, Beschwörung der völkischen Kollektivgemeinschaft, Stigmatisierung von Asylbewerbern und Einwanderernals Urheberaller sozialen Probleme in der Bundesrepublik, Ablehnung der europäischen Einigung aus nationalistischen Motiven. Seit seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden 1994 versucht Dr. Rolf SCHLIERER - im Gegensatz zu seineminzwischen aus der Partei ausgetretenen Vorgänger Franz SCHÖNHUBER - offene rechtsextremistische Kurs Agitation zu vermeiden. Wenn Kontakte von Parteimitgliedern zu Anhängern anderer rechtsextremistischer Organisationen öffentlich bekannt werden, läßt er sie, mit Hinweis auf den "Unvereinbarkeitsbeschluß" des Ruhstorfer Bundesparteitages von 1990, häufig mit einem Parteiausschluß ahnden. Gegen diesen Kurs des Parteivorsitzenden regte sich von Anfang an Widerstand, insbesondere in den ostdeutschen Landesverbänden, die einer Kooperation mit anderen rechtsextremistischen Gruppierungen oft positiv gegenüberstehen. Aber auch innerhalb der westdeutschen Führungsebene der Partei kames 1997 zu Kontakten mit eindeutig rechtsKontakte extremistischen Organisationen. So veröffentlichten z. B. führende "Republikaner" Beiträge in der rechtsextremistischen Monatszeitschrift "Nation & Europa", an deren Herausgabe Aktivisten der "Deutschen Ligafür Volk und Heimat" (DLVH) beteiligt sind. Gleichwohl behauptete SCHLIERER bislang seine Stellung, zumal es augenblicklich an einer alternativen Führungsfigur fehlt. Wahrscheinlich wird aber erst das Wahljahr 1998 entscheiden, inwieweit SCHLIERER seinen Kurs, "Die Republikaner" als Wahlpartei rechts von der politischen Mitte zu etablieren, durchhalten kann. Im brandenburgischen Landesverband sieht man in dem Richtungsstreit zwischen dem SCHLIERER-Flügel und seineninnerparteilichen Gegnern vorallem ein politisches Intrigenspiel der westdeutschen Landesverbände, hauptsächlich zum Schaden der politischen Aufbauarbeit in Ostdeutschland. Die Aktivitäten des in Kreisund Ortsverbände gegliederten Landesverbandes Brandenburg der "Republikaner" waren auch 1997 unbedeutend. Von den inzwischen nur noch ca. 330 Mitgliedern beteiligen sich die wenigsten aktiv an der Parteiarbeit. Die meisten gehören dem Landesverband nur nominell an. Schwerpunkt der politischen Betätigungder "Republikaner" im Land Brandenburg war weiterhin die Regi68 on Barnim. Verfassungsschutz durch Aufklärung Publikationen oderFlugschriften wurden 1997 in nicht nennenswertem Umfang verbreitet. Bekannt wurden hier zwei Flugschriften: "Der Cottbuser REPUBLIKANER", das offizielle Organdes Kreisverbandes Cottbus/Spree-Neiße, und "Barnimer Blätter", eine Publikation des KreisPublikationen verbandes Barnim. Der Cottbuser REPUBLIKANER / Offizielles Organ des Kreisverbandes Cottbus Spree-Neiße Thematisch entsprechendie beiden Publikationen dem oben beschriebenen Argumentationsmuster der Partei. So wird im "Cottbuser REPUBLIKANER" unterstellt, daß die "etablierten Parteien" Zustände wie Massenarbeitslosigkeit, Drogenkonsum, Ausländerkriminalität bewußt herbeigeführt hätten. Die "Barnimer Blätter" propagieren eine Unterscheidung von Kunstwerken, die die einen als "undeutsch" und somit als "billige Machwerke" qualifiziert, die anderen als förderungswürdig. Die Aktivitäten der "Republikaner" im Land Brandenburg sind auch 1997 insgesamt als rechtsextremistisch zu bewerten, wenn auch nicht jedemeinzelnen Mitglied eine rechtsextremistische Haltung unterstellt werden kann. Laut Satzung der REP sollen zwar auf jeder Parteiebene weisungsgebundene "Arbeitskreise Republikanischer Jugend" für Mitglieder im Alter zwischen 18 und 30 Jahren gebildet werden. Ihr Aufbau, obwohl seit 1996 verstärkt betrieben, geht im gesamten Bundesgebiet aber nur schleppend voran. 1996 wurde der auf Bundesebene agierende "Republikanische Bund der Frauen" ins Leben gerufen. Ersoll sich vor allem mit familienpolitischen Themenbefassen. Der "Republikanische Bund der öffentlichen Bediensteten" wurde 1993 gegründet. Seine politischen Ziele unterscheiden sich nicht von denen der "Republikaner". In Brandenburg sind alle diese Nebenorganisationen der REP bisher nicht hervorgetreten. 69 Verfassungsschutzbericht 1997 Vereine und Weltanschauungsgemeinschaften "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH d DEuTscHeE Lica rör VoL" uno Hemar G ründungsjahr (als Partei): 1991 Neugründungals Verein: \ 1996 Sitz: Berlin in Brandenburg aktiv seit: 1992 Mitglieder bundesweit: 700 Brandenburg: 60 für Brandenburg relevante überregionale Publikation: "Nation & Europa -- Deutsche Rundschau" (der DLVH nahestehend) Die 1991 als Sammlungsbewegung "aller nationalen Kräfte" gegründeVereinste DLVH hat, weil sie entgegen ihrer erklärten Absicht zur weiteren neugründung Zerklüftung der rechtsextremistischen Parteienlandschaft beitrug, 1996 ihren Parteienstatus aufgegeben undsich als Verein neugegründet. Sie wollte mit diesem Schritt die Konkurrenz unter den sich voneinander abgrenzenden rechtsextremistischen Parteien abbauen und ihren Mitgliedern die Möglichkeit eröffnen, bei anderen rechtsextremistischen Parteien Aufnahme zu finden. Damit versprach sich die bei Wahlen erfolglose DLVH einen Glaubwürdigkeitgewinn und eine Vorbildwirkung bei den Bemühungen, das rechtsextremistische Parteienspektrum zu bündeln. Eine Reihe von Vereinsmitgliedern sind inzwischen der NPD beigetreten, so auch einer der drei Bundesvorstandssprecher. Danebenrichtete Bündnisdie DLVH 1997 ihre Bündnisbemühungen verstärkt auf rechtsextremibemühungen stische Kulturvereine wie die "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP) (s. dazu S. 24). Führende Mitglieder der DLVH nahmen am"Gesamtdeutschen Kongreß" vom 25. bis 27. April 1997 teil, ein Bundesvorstandssprecher der DLVH wurde in den GFP-Vorstand gewählt. 70 Verfassungsschutz durch Aufklärung Ein früherer Bundesvorstandssprecher gab sein Amt auf, umsich auf seine Aufgaben als Herausgeberdes mit einer Auflage von 15 000 Exemplaren wichtigsten rechtsextremistischen Theorieorgans "Nation & Europa" zu konzentrieren. Als sein Nachfolger wurde auf der Bundesmitgliederversammlung am 12. Oktober 1997 in Höchstadt a.d. Aisch (Bayern) der brandenburgische Landesvorstandssprecher Andre BEIERSDORF in dendreiköpfigen Bundessprecherrat gewählt. Die maßgeblich von der DLVH initiierte Einigungsbewegung der "Runden Tische", an denen Mitglieder aller rechtsextremistischer EinigungsParteien über Abgrenzungsbeschlüsse hinweg zusammenfinden sollbewegung ten, hat 1997 merklich an Schwung verloren. Der "Kongreßdes gemeinsamen Neubeginns demokratischer Sozialpatrioten" am 2. November in Kösching (Bayern), den die DLVH zusammen mit dem rechtsextremistischen Verein "Nation-Europa-Freunde e.V." veranstaltete, hatte mit 700 bis 800 Teilnehmern hingegeneine beachtliche Resonanz. Das "Manifest" der DLVH liegt mit dem Bekenntnis zu einer "Wirtschaftsund Sozialordnung der nationalen Präferenz" im Trend rechtsextremistischer Propaganda. Der Landesverband Berlin-Brandenburg hat nach wie vor im Barnim und in der Uckermark seinen Schwerpunkt. Werbungserfolge auch in anderen Landesregionen habeneinen leichten Anstieg der Mitgliederzahl bewirkt. In Potsdam wurden wiederholt Aufkleber der DLVH angebracht. In Fürstenwalde hingegen hat die DLVH ihre Aktivitäten fast eingestellt. Die Kontakte des Landesverbandes zur NPD und zu den "Republikanern" im Rahmen der "Initiative Pro Deutschland" erbrachten 1997 keine öffentlich wirksamenErgebnisse. Im Dezember tauchten auchin Brandenburg bundesweit verteilte Flugblätter des "Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V." (BfG) auf. Bund für Der BfG ist eine bereits 1937 gegründete WeltanschauungsgemeinGotterkenntnis schaft, die, getreu der Lehre Mathilde Ludendorffs, der Witwe des (Ludendorff) e.V. preußischen Generals Erich Ludendorff, eine antipluralistische, rassistische und insbesondere antisemitische Weltanschauung propagiert. In dem als Hauswurfsendung verschickten Flugblatt wird mit antikirchlicher Polemik gegen das Unterrichtsfach Religion an den Schulen agitiert. In Brandenburg verfügt der BfG bisher überkeine Strukturen. Die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußene.V." (BKP) hat als Sammelbecken von Rechtsextremistenfür die Region eine gewisse Bedeutung. 71 Verfassungsschutzbericht 1997 Ihre Hauptaktivität besteht darin, Vortragsveranstaltungen mit szenebekannten Rednernzu organisieren. Bis einschließlich 1996 meldete sie für den Volkstrauertag in Halbe "Heldengedenkfeiern" an, die seit 1992 regelmäßig verboten wurden. Die 1996 eingereichte Anmeldung zog sie zurück, 1997 verzichtete sie von vornherein aufeinen neuerlichen Versuch dieser Art. Ausblick Die militanten Jugendceliquen, aus denen heraus die Mehrzahl dereinmilitante schlägigen Straftaten begangen wird, bestehen fort -- mit den bisher Jugendcliquen angewandten, immer wieder verbesserten Mitteln der Prävention und der Repression konnte dieses Milieu noch nicht wesentlich entschärft werden. Zur Bewältigung dieser Aufgabe bedarf es weiterer energischer Anstrengungen aller gesellschaftlichen Kräfte und auch eines langen Atems, da mit sofortigen Erfolgen auch künftig nicht gerechnet werdendarf. Deshalb bleibt es ungewiß, ob schon in nächster Zukunft einsignifikanter Rückgang rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten eintreten wird. Zwar zerfallen gewaltbereite Cliquenrechtextremistisch orientierter Jugendlicher immer wieder, weil aus ihren Reihen Straftäter, oftmals die Rädelsführer, ermittelt und verurteilt werden und Mitläufer -- nicht zuletzt durch die schnelle und strenge Ahndung entsprechenderDelikte -- sich von weiteren Straftaten abschrecken lassen, aber auch, weil viele aus der Szene "herauswachsen". Da aber immer wieder neue Gruppierungen gleichen Charakters entstehen, ändert sich bislang wenig am Gesamtpotential. Obdie fortschreitende Kommerzialisierung der Skinhead-"Kultur" dazu Kommerführt, daß aus wirtschaftlichen Interessen die "geschäftsschädigende" zialisierung der rechtsextremistische Komponente mehr und mehrin den Hintergrund Skinheadgedrängt wird, ist noch nicht auszumachen. Jedenfalls muß auch in "Kultur" Brandenburg weiterhin damit gerechnet werden, daß Skinhead-Aktivisten versuchen, Konzerte mit gewaltverherr-lichenden Darbietungen konspirativ zu planen und abzuhalten. Fürideologisch verfestigte Neonazikreise entfaltet gegenwärtig die NPD eine gewisse Anziehungskraft; denn nicht wenige hoffen nach den Verboten einschlägiger Organisationen, unter den Fittichen dieser Partei ihr Treiben -- vielleicht etwas gedämpfter -- fortsetzen zu können. Andere, de nicht bereit sind, sich ener Partei anzuschließen, werden weiterhin auf "autonome Kameradschaften" setzen. Viele Rechtsextremisten träumen davon, die "Kraft und Einheit der Be72 wegung" immer wieder einmal öffentlich darstellen zu können. SämtliVerfassungsschutz durch Aufklärung che Bemühungen, den "Erfolg" vom 1. März in München(s. dazu Seiten 21, 23,26, 62,63) im weiteren Verlauf des Jahres 1997 zu wiederholen, sind jedochgescheitert -- alle "Großveranstaltungen" anläßlich der bekannten Gedenktage bzw. zu aktuellen Anlässen sind entwedererfolgreich unterbunden worden oder erhielten einen sehr viel geringeren Zulauf, als von den Organisatoren erhofft. Terroranschläge insbesondere durch pathologische Einzeltäter können niemals gänzlich ausgeschlossen werden. Eine "Braune Armee Fraktion" nach Art deralten "Rote Armee Fraktion" (RAF) ist aber weiterhin nicht in Sicht; nicht ausgeschlossen erscheinen dagegen Strukturen nach dem Modell derlinksterroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ), die nicht im Untergrund lebten und regional operierten. 1998, im Jahr der Bundestagswahl, werden sich einzelne rechtsextremistische Parteien insbesondere aufihre Wahlkampfpropaganda konzenWahlkampftrieren. Nachbisheriger Erfahrung wird diese aberin Brandenburg weitpropaganda gehend ins Leere laufen -- jedenfalls gemessen an den tatsächlichen Stimmenanteilen. Dem möglicherweise unterschwelligen Einsickern völkischer und fremdenfeindlicher Klischeevorstellungen muß jedoch von allen Demokraten entschieden entgegengewirkt werden. Verfassungsschutzbericht 1997 Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Gruppierungen (z. T. geschätzt) Bundesrepublik Deutschland Brandenburg 1996 1997 1996 1997 militante Angehörige rechtsextremistischer Cliquen* 6400deg 7.600 550 550 Die Nationalen e.V. 150 0 110 0 einschl. JNA und (bis zur Auf(bis zur Aufangeschlossene sog. lösung: 150) lösung: 110) unabhängige Kameradschaften HNG 350 350 Einzelpers. 10 unorganisierte Neonazis** keine Angaben 80 120 NPD 3500 4300 % (c) JN 200 Bauer Einzelpers. Einzelpers. DVU 15000 15000 40 40 REP 15000 15 500 350 330 DLVH 800 70 & & = Die Zahl der Angehörigen dieser Cliquen wird unter Berücksichtigung von Dunkelziffern und möglichen Doppelzählungen aus folgenden Teilgrößen errechnet: a) namentlich bekannte extremistisch motivierte Gewalttäter, die im Berichtsjahr straff 'eworden sind; b) bezifferbare Gruppen extremistisch motivierter, namentlich nicht bekannter ( täter, die im betrachteten Jahr straffällig geworden sind; c) namentlich bekannte extremistisch motivierte Gewalttäter, die in vergangenen Jahren straffällig geworden und bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine fortdauernde Gewaltbereitschaft g. ben sind; d) extremistisch orientierte Personen, denen keine einschlägigen Gewalttaten nachzuweisen sind, die aber auf Grund konkreter Einzelerkenntnisse (mutmaßliche Beteiligung an Gewalttaten, Verhalten, Außerungen usw.) als gewaltbereit gelten müssen ** Mitgezählt sind für Ende 1997 die Mitglieder der sog. unabhäi Kameradschaften, da sie nicht mehr an den - inzwischen aufgelösten -- Verein "Die Nationalen e. geschlossen sind. *** Mitgezählt sind für das Jahr 1997 auch JN-Anwärter (ca. 100), d. h. solche Personen, die erst nach einer "Bewährungszeit" aufgenommen werden **** Es kann nicht unterstellt werden, daß jedes einzelne Mitglied der REP rechtsextremistische Ziele verfolgt und unterstützt. 74 Verfassungsschutz durch Aufklärung Rechtsextremistisch motivierte Straftaten im Land Brandenburg 1995 1996 1997 vollendete Tötungsdelikte 0 0 1: versuchte Tötungsdelikte 4 2 3 Körperverletzung 50 52 83 Brandstiftung 3 3 0 Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch 9 15 10 Sachbeschädigung ; 21 26 38 Volksverhetzung 34 2" 4 Propagandadelikte 291 292 344 sonstige 39 36 44 gesamt 451 479 570 davon: fremdenfeindlich 1) 115 153 antisemitisch 21 35 2 Gewaltstraftaten ** 74 96 %8 Die vorgelegte Statistik beruht auf Zahlenangaben des Landeskriminalamtes (LKA): die Ve sungsschutzabteilung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg führt keine gene Straftatenstatistik. In den vergangenen Jahren wurden die len der Polizeilichen Kriminalstatistik vom LKA übernommen. Sie erfassen die im Berichtszeitraum polizeilich abgeschlossenen Fälle. In diesem Jahr werden erstmals (wie auch vom Bundesamt für Verfassungsschutz) die sog. Lagezahlen übernommen, die sich auf die im Berichtszeitraum registrierten Fälle beziehen. Die Zahlen für 1995 und 1996 wurden entsprechend bereinigt, was die Abweichung von den Vorjahresberichten erklärt. Zur Tatschilderung (Vorfall vom 31.01.1997 in Fredersdorf) siehe Seite 41 ** Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung und Störungen der Totenruhe sind nicht als Gewaltstraftaten mitgezählt. 75 Verfassungsschutzbericht 1997 2. LINKSEXTREMISMUS Linksextremistische Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland Gewaltbereite Linksextremisten sind ganz überwiegendbei den Autonomen zu finden. Auch im Jahre 1997 wurden die meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten und Gesetzesverletzungen von militanAutonome ten Autonomenbegangen. Deren Zahl ist im Vergleich zu den Vorjahren etwa konstant geblieben. Die eher ideologiefernen oder gar -feindlichen Autonomen verbindet die gemeinsame Überzeugung, daß staatliche und gesellschaftliche Normen zu verwerfen seien. Insbesonderedas staatliche Gewaltmonopol lehnen sie strikt ab und widersetzensich ihm. So eint der Kampf gegen das von ihnen so bezeichnete "Schweinesystem" das breitgefächerte Protestpotential der anarchistisch, z. T. anarcho-kommunistisch orientierten Autonomen. Ihr utopisches Gegenbild: ein freies, selbstbestimmtes Leben innerhalb "herrschaftsfreier Räume". Bei der Vielzahl heterogener "alternativer" und "selbstbestimmter" Gruppen und Zirkel, die sich selbst als "autonom" bezeichnen, sind die Übergänge zwischen Gruppen, die Gewalt ablehnen, und solchen, die Gewalt befürworten, fließend. Vom Verfassungsschutz als Extremisten beobachtet werden nur solche Gruppen und Personen, die auf Grund ihrer verfestigten Einstellung an gewalttätigen Aktionen mitgewirkt oder diese vorbereitet haben oder doch mindestens Gewalt befürworten. Die Gewalt der Autonomenzielt in erster Linie gegen Sachen. Von Teilen der autonomen Szene wird allerdings Gewalt gegen Personen, insbesondere im Rahmen des sog. "antifaschistischen Kampfes", mehr und mehr akzeptiert und angewandt. Überwiegend rekrutieren sich die Angehörigen der autonomen Szene aus Schülern, Auszubildenden oder Studenten der Altersgruppe zwischen 18 und 28 Jahren. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie häufig durch Gelegenheitsjobs oder durch den Empfang von "Staatsknete" (staatliche Sozialleistungen). Die Fluktuation innerhalb der Szene ist relativ hoch, da sich viele schon nach wenigen Jahren desillusioniert zurückziehen. Autonome sind von ihrem Selbstverständnis her prinzipiell hierarchie76 feindlich und lehnen deshalb feste Organisationsstrukturen ab. Eine Verfassungsschutz durch Aufklärung wachsende Minderheit innerhalb der Szene kritisiert allerdings die Unverbindlichkeit der autonomen Strukturen sowie deren Fixierung auf -- durch aktuelle Anlässe vorgegebene -- Kampagnen. Die seit Beginn der 90er Jahre festzustellenden Organisationsansätze haben sich verfestigt. In der militanten "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) haben sich Gruppen zusammengeschlossen, die bemüht sind, zum Zwecke des "antifaschistischen Kampfes" festere Strukturen aufzubauen. Abweichend vom herkömmlichen Selbstverständnis der Autonomen gehen die Mitgliedsgruppen der AA/BO darauf aus, unter Schülern und anderen Jugendlichen neue Anhänger zu werben. Weniger verbindliche Strukturen streben die im "Bundesweiten Antifa Treffen" (B.A.T.) organisierten autonomen Gruppenan. Ziel ist der überregionale Informationsund Erfahrungsaustausch sowie eine bessere Koordinierung der Aktivitäten. Die Autonomen wählenihre Agitationsthemen oftmals in Abhängigkeit von aktuellen politischen Ereignissen und orientieren sich dabei an der "Vermittelbarkeit" innerhalb der Szene. Immer wieder, wenn auch mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung undIntensität, werden gewissermaßen "klassische" Themen aufgegriffen, die Anlässe für druckvolle Aktionen hergeben. Häufig nehmen Autonome zudem Anliegen von bürgerlichen Protestbewegungen auf, um dadurcheine breitere Akzeptanz zu erreichen. Die Aktionsformen reichen von publizistischen Aktivitäten über Demonstrationen bis hin zu Brandanschlägen. Der "antifaschistische Kampf" stellt ein zentrales Agitationsund Akautonomer tionsfeld der Autonomen dar und bildet zugleich den ideologischen "Antifaschismus" Minimalkonsens für die autonome Szene. Autonomer "Antifaschismus" meint nicht nur das militante Vorgehen gegen vermeintliche odertatsächliche "faschistische" Personen, Institutionen und Tendenzen, sondern auch den Kampf gegen die "Ursachen des Faschismus", die man in der Wirtschaftsordnung und denInstitutionen der freiheitlichen Demokratie zu finden glaubt. Diese Thematik hat einen hohen Mobilisierungsund Politisierungseffekt. Erstmalig sind in der Taterklärung der Gruppierung "Autonome Antifaschistische AtomkraftgegnerInnen" -- sie wurde nach dem GefährlichenEingriff in den Bahnverkehr mittels Hakenkrallen am 1. Mai in 77 Berlin abgegeben -- die Themenfelder "Antifaschismus" und "AntiVerfassungsschutzbericht 1997 Castor" verquickt worden. Die Verfasser begründen ihren Anschlag damit, daß sie "dem Naziaufmarsch in Leipzig etwas entgegensetzen" wollten, indem sie für "bahnreisende Faschisten den reibungslosen Ablauf" zu stören unternahmen. Zugleichsei ihre Aktion "Teil des AntiAnti-AKWAKW-Widerstandes". Die Autoren sprechen sich gegen die Fixierung Bewegung der Anti-AKW-Bewegung auf die Castor-Transporte aus und fordern, "in Zukunft an von uns bestimmten Orten und Zeiten Aktionen gegen die Bahn auszuführen". Die Kampagne gegen Kernenergie und Atommüilltransporte entwickelte sich zu einem herausragenden Aktionsfeld militanter Autonomer. Sie begreifen den "Kampf gegen die Atommafia" zugleich als "Kampf gegen das kapitalistische System". Über das Vehikel "Castor" versuchen sie, Einfluß innerhalb breiterer Protestbewegungen zu erlangenund sie für ihre Ziele zu instrumentalisieren. Der Widerstand gegen die Nutzung der Kernenergie solle in ein allgemeines Widerstandspotential gegen das "System" transformiert werden. Zunächst seien Protestaktionen aufdie gesamte Struktur der Atomwirtschaft auszudehnen: auf das Unternehmen Siemens, die großen Energieversorgungsunternehmen, Banken und Versicherungen. Seit Jahren engagieren sich Autonome im Bereich "Antirassismus". Sie agitieren gegen die angeblich rassistische deutsche Asylund FlüchtAntirassismus lingspolitik, die "rassistischen Sondergesetze" sowie gegen die vermeintlich rassistische Einstellung großer Teile der Bevölkerung. Antirassistische Aktionen richten sich gegen Personen und Institutionen, die an der Gestaltung und Umsetzung der Asylpolitik beteiligt sind, gegen vermeintliche "Profiteure" der "Abschiebemaschinerie" und der Asylbewerberleistungsgesetze sowie gegen Abschiebehaft-anstalten und -flughäfen. Auch der "Kampf gegen Umstrukturierung" wird von militanten Auto"Kampf nomenfortgesetzt. "Umstrukturierungen" nach ihrem Verständnis sind gegen UmstrukMaßnahmenzur Stadtsanierung und innerstädtischen Strukturverbesturierung" serung. Durch diese "Yuppisierung und Milieuzerstörung" würden sozial Schwache und gesellschaftliche Randgruppenaus ihren angestammten Wohngebieten verdrängt. Die Kampagne gegendie angebliche "Großmachtrolle" bzw. "Großmachtgegen politik" der Bundesrepublik Deutschland manifestiert sich insbesonde"Großmachtre in Aktionen gegen die Feiern zum "Tag der deutschen Einheit" am politik" 3. Oktober, gegen militärische Veranstaltungen (öffentliche Gelöbnisse, Vereidigungen, Großer Zapfenstreich, NATO-Tagungen) sowie gegen Veranstaltungen von Vertriebenenverbänden, die als Träger einer Expansionspolitik nach Osten angesehen werden. 78 Verfassungsschutz durch Aufklärung Im Rahmen ihres "internationalistischen" Engagements unterstützen Autonome linke, teils auch linksextremistische Gruppierungen in anderen Ländernbei ihrempolitischen Kampf. Besondere Bedeutung kommt dabei der Unterstützung der in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) im Rahmen der "Kurdistan-Solidarität" zu. Anders als früher haben sich 1997 im Untergrund lebende Angehörige von ehemals aktiven terroristischen Vereinigungen nicht zu Wort gemeldet (wenn man von einemInterview absieht, das ein abgetauchter früherer Angehöriger der aufgelösten Gruppe "Das K.O.M.I.T.E.E." der linksextremistischen Szeneschrift "INTERIM", Nr. 432 vom 18. September 1997, gegebenhat). 1977 ist als Jahr von Mord und Entführung in Erinnerung geblieben. RAF 1997 jährte sich zum 20. Mal die Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback undseiner beiden Begleiter Wolfgang Göbel und Georg Wurster, des Vorstandssprechers der Dresdner Bank Jürgen Ponto, des Präsidenten der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände Hanns-Martin Schleyer undseiner Begleiter Heinz Marcisz, Helmut Ulmer, RolandPieler und Reinhold Brändle; die Entführung einer Lufthansa-Maschine mit dem Ziel, inhaftierte RAF-Terroristen freizupressen, sowie der Selbstmord von drei Angehörigen der sog. "ersten RAFGeneration". 20 Jahre danach sind diese terroristischen Anschläge erneut thematisiert worden. In der Schweiz trafen sich im Frühsommer 1997 ehemalige Terroristen, um sich rückblickend über die Erfahrungen des in der Szene häufig so genannten "bewaffneten Kampfes" auszutauschen. Sie sind, obwohl meist ohne Reue und Schuldbewußtsein, immerhinzu der Einsicht gelangt, daß das Projekt des bewaffneten Kampfes der RAFgescheitert sei. "Wir haben eine umfassende Niederlage erlitten", erklärte z. B. Karl-Heinz Dellwo (zit. nach: "Berliner Zeitung" vom 20. Mai 1997). Auchdie inhaftierte RAF-Terroristin Birgit HOGEFELD räumt ein Scheitern der RAFein und empfiehlt erneut, wie andere frühere RAF-Mitglieder, die Selbstauflösung der RAF (vgl. hierzu Interview mit Birgit HOGEFELD in: "Der Spiegel", Nr. 42/97 vom13. Oktober 1997, S. 173). Bis zum heutigen Tagist ein derartiger Schritt seitens der abgetauchten Illegalen jedochnicht erfolgt. Von der "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ) wurden weder Anschläge noch Thesenpapiere bekannt, seit Michael STEINAU und Bernhard FALK zu Beginn des Jahres 1996 in Witzhave bei Hamburg festgenommen wurden. Diese beiden Tatverdächtigen sind inzwischen zumIslam übergetreten und bezeichnen sich als "muslimische 7a Verfassungsschutzbericht 1997 Gefangene". Sie sind in der linksextremistischen Szeneisoliert, zumal STEINAU den mit ihm in Lübeck einsitzenden Rechtsextremisten Kay DIESNER (s. dazu S. 22) als "besten Freund hier in Lübeck" bezeichnet hat. Es wäre allerdings voreilig, den Linksterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland für erledigt zu erklären. Immerhin haben z. B. die Anschläge auf den Bahnverkehr im Zusammenhang mit den Castor"AntiTransporten eine terroristische Qualität. Beachtung erfordern auch jene Gruppen, die sich unter der Bezeichnung "Antiimperialistischer imperialistischer Widerstand" zusammenfassen lassen. Sie diskutieren mindestens Widerstand" auf theoretischer Ebene über Sinn und Zweck terroristischer Gewalttaten. Die kommunistischen Parteien und Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland habenihre Sinnund Glaubwürdigkeitskrise nunmehr leidlich überstandenund sich auf einem bescheidenen personellen und kommunistische organisatorischen Niveau stabilisiert. Sie kreisen aber nach wie vor Parteien und hauptsächlich um sich selbst.und sind damit beschäftigt, die komplexe Vereinigungen gesellschaftliche Realität in ihre engen Deutungsmuster hineinzupressen. Die Aktionsfähigkeit dieser Parteien ist nach wie vor begrenzt, zumal keine von ihnen mehrdurch finanzkräftige "Bruderparteien" unterstützt und ausgehalten wird. Der Kooperation marxistisch-leninistischer Parteien und Gruppierungen untereinander sind vielfältige ideologische Grenzen gesetzt. Die Vorstellung, man könne breite linke "Bündnisse" entsprechend der kommunistischen Volksfront-Strategie zimmern, ist auch 1997 Wunschdenken geblieben. Obwohl kadermäßig organisiert und ideologisch gefestigt, bleiben trotzkistische Organisationen in der Bundesrepublik chronisch erfolglos. Sie haben bundesweit nur wenige hundert Mitglieder. Einen neuen Anlauf hat der "BundSozialistischer Arbeiter" (BSA) zugleich mit seiner Umbenennung in "Partei für Soziale Gleichheit" (PSG) unternommen. Die PSG wirbt auch in Brandenburg. Erfolgreich sind Trotzkisten allenfalls ansatzweise mit dem Bemühen, nach der Methode des Entrismus andere -- extremistische und auch demokratische -- Organisationen und Bewegungen zu unterwandern oder Tarnorganisationen ins Leben zu rufen. Aber auch daist der Erfolg gefährdet, sobald der trotzkistische Hintergrund bekannt wird. So hatte die "Sozialistische Alternative VORAN" (SAV) eine Vorfeldorganisation "Jugend gegen Rassismus in Europa" (JRE), die dann in "Jugendoffensive/JRE" (JO/JRE) umbenannt wurde, ins Leben geru80 fen. Als deren trotzkistischer Hintergrund bekannt wurde, zogen sich Verfassungsschutz durch Aufklärung die meisten jugendlichen "Antifaschisten" aus ihr recht schnell wieder zurück. Die JO/JRE ist heute bedeutungslos. Früher noch als im rechtsextremistischen Spektrum haben Linksextremisten den Nutzen neuer Informationstechniken erkannt. Infound Kontakttelefone (auch Telefonketten) spielten lange Zeit in der Autonomen-Szene eine wichtige Rolle im Hinblick auf eine bessere neue Mobilisierbarkeit. Zu Beginn der neunziger Jahre haben verschiedeInformationsne linksextremistische Gruppierungen dann mehr und mehr informatechniken tionelle Vernetzungen mittels Computermailboxen aufgebaut. Sie nutzen zwar nach wie vor die klassischen Formen der Informationsverbreitung, so durch Publikationen, bedienen sich jedoch zunehmend auch neuerInformationssysteme bzw. -techniken wie Internet, Infound Notruftelefone, Mobiltelefone sowie der Infoweitergabe per Disketten. Vor allemdas Internet wird von linksextremistischen Parteien, Gruppierungen und Einzelpersonen immer stärker zur Selbstdarstellung, zur Verbreitung von Schriften und für sonstige Propagandazwecke sowie zur internen Kommunikation genutzt. Damit verlieren MailboxSysteme relativ an Bedeutung. Ihnen gegenüber bietet das Internet deutliche Vorteile: Denn auf schnelle und preiswerte Art könnenInformationen an ein großes Publikum weitergeleitet werden(zur entsprechenden Internet-Nutzung durch Rechtsextremisten s. ausführlicher $. 30 ff.). Linksextremismus im Land Brandenburg Fast alle der in Brandenburg agierenden gewaltbereiten Linksextremisten sind Autonome. An verschiedenen Orten hat sich die autonome Szene als Kern eines linksextremistisch orientierten Jugendmilieus weiter verfestigt: Durch immer entschiedenere Gegnerschaft zur bürgerlichen Rechtsund Wirtschaftsordnung hat sie krassere Konturen bekommen. Die Autonomen wappnensich geistig und praktisch -- durch zunehmende Militanz -- "gegen noch härtere Zeiten" (vgl. den gleichnamigenSzeneblattitel S. 83). Umihre Gruppenidentität zu stärken und ihre Feindbilder deutlich zu umreißen, greifen sie verstärkt auch auf einzelne Elemente verschiedener linksextremistischer Traditionen zurück. Alle Kampagnenthemen, die für die Autonomen bundesweit eine Rolle spielten, wurden auch in Brandenburg aufgegriffen und zum Anlaß für z. T. militante Aktionen genommen. Vor allem die mehrfachen 8 Verfassungsschutzbericht 1997 Serien von gezielten Hakenkrallenanschlägen gegen Bahnanlagenbeweisen, daß hierfür auch in Brandenburg oder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft die nötige Logistik bereits konspirativ aufgebaut worden ist. Es erscheint nicht übertrieben, darin zumindest Ansätze terroristischer Bestrebungen zu erblicken. abgerissener Stromabnehmer einer E-Lok nach inem Anschlag auf einen Zug In der linksextremistisch orientierten Jugendszene finden sich aber -- analog zurrechtsextremistisch ausgerichteten -- auch junge Menschen, die ihren schlichten Aggressionsdrang nur durch einige ideologische Versatzstücke vor sich und anderen zulegitimieren suchen. Ihre Bereitschaft, sich an Aktionen wie den oben genannten, aber auch an Hausbesetzerkrawallen zu beteiligen, ist hoch. Linksextremistische Parteien und Vereine haben für Brandenburg weiterhin nur eine geringe Bedeutung. Linksextremistisch orientierte Jugendszene Die Anzahl der den gewaltbereiten Autonomen zuzurechnenden Personenist im Vergleich zum Vorjahr fast gleichgeblieben und lag im Berichtszeitraum bei 340. Autonome Personenzusammenschlüsse gibt es u.a. in den Städten Brandenburga. d. H., Cottbus, Eberswalde, Frank82 furt (Oder), Potsdam und Rathenow. Verfassungsschutz durch Aufklärung Für Veranstaltungen der linksextremistischen Szene wird unter anderem durch den Aushang von Plakaten in Infoläden und Szenetreffpunkten sowie durch Aufrufe in Szenepublikationen geworben. Infoläden exiKontaktstieren 7. B. in Potsdam, Cottbus und Guben. Sie dienen als Kontaktzentralen zentralen für die autonomen Gruppen aus den verschiedenen Städten. Außerdem vertreiben sie Szenepublikationen. Folgende Szeneblätter erscheinen regelmäßig in Brandenburg: - "hinter den Kulissen" (gemeinsam von Berliner und BrandenSzeneblätter burger Autonomen herausgegeben) - "buratino" (Potsdam) - "Noch härtere Zeiten" (Cottbus). Publikationen spielen für die Kommunikation der Szeneangehörigen untereinander eine wichtige Rolle. Die Zeitschriften verstehensich selbst als Sprachrohr der Szene und wollen die Möglichkeit zu Meinungsund Gedankenaustauschbieten: "Wir werden weiterhin für eine konsequente, undogmatische linke Politik stehen und über alles berichten, waswir in diesem ZusammenNoch Härtiere Zeiten IMMER UNABHÄNGIG, NIE NEUTRAL Oktober 97 ESTER GELESSTTTE TAT STETTEN I Zeitung aus P September, De zember 1997 otsdam % I Nr.8/8 Doppela usga be 4,00 DM hang für nötig halten. Dazu gehören genauso friedliche wie militante Aktionen, wie Hintergründe zur Situation im Widerstand regional, überregional und vor allem international. Auf unseren Seiten sollen alle Gehörfinden, die ihrer linken Politik Öffentlichkeit verschaffen wollen" (in: "buratino", Nr. 7 vom Juni 1997). 83 Verfassungsschutzbericht 1997 Nebenden regionalen Zeitschriften werden in der Szene auch Publikationen aus anderen Bundesländern gelesen, vor allem "radikal" und "INTERIM". In der Berliner Zeitschrift "INTERIM" finden sich auch Hinweise auf Termine der Brandenburger autonomen Szene oder Textbeiträge von Gruppen aus Brandenburg. Brandenburgische Autonome verfügen über gute Kontakte zu Linksextremisten in anderen Regionen Deutschlands und im Ausland. Verbindungen bestehen zur "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) und zum "Bundesweiten Antifa Treffen" (B.A.T.). überregionale Entsprechend beteiligen sich Brandenburger Autonome auch an überAktionen regionalen Aktionen. So unterstützten sie durch "Soli-Konzerte" eine unter dem Motto "Ein Radio für MRTA. Das Schweigen brechen" stehende bundesweite Spendenkampagne für die peruanische Guerillabewegung "Movi-miento Revolucionario Tupac Amarü" (MRTA). Diese Aktion war von der militanten Gruppe "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen im Namen der AA/BO initiiert worden. Teilgenommen haben Autonome aus Brandenburg auch an bundesweiten Demonstrationen und Protestaktionen, z. B. an der verbotenen "Antifaschistischen Demonstration" am I 1. Oktober in Saalfeld, in deren Zusammenhang es zeitweise zur Blockade der Bundesautobahn A 9 kam. Auch zu Veranstaltungen im Auslandreisten Brandenburger Autonome an, so u. a. zu einer Demonstration am 14. Juni in Am-sterdam gegen den dort am 16./17. Juni stattfindenden EU-Gipfel. Die Proteste waren von gewalttätigen Ausschreitungenbegleitet. Besonders nachhaltig beeinflußt werden die Autonomen im Land Brandenburg vonder Berliner autonomen Szene, die sich wegen ihrer Größe und Militanz bundesweit heraushebt. Zum Teil werden Aktionen von Autonomen aus beiden Bundesländern gemeinsam geplant und durchgeführt. Insbesondere engagiert sich die "Antifaschistische Aktion Berlin", eine Mitgliedsgruppe der AA/BO, im Land Brandenburg. Beispielsweise warb sie mit einemFlugblatt, das auf der antifaschistischen Demonstration am 6. Dezember in Frankfurt (Oder) verteilt wurde, für die Bildung von Antifa-Gruppen in Brandenburg. Dort heißt es: "Die antifaschistische Selbsthilfe organisieren! Schließt euch mit Freunden und Freundinnen zusammen und überlegt, was ihr gegen die Faschos machen könnt. Schaut, wie ihr die Nazis bei euch in der 84 Schule oder im Betrieb isolieren könnt. Helft denen, die von Nazis Verfassungsschutz durch Aufklärung angemacht werden, oder versucht, die Nazisbei ihren Schweinereien zu behindern. Auf die Bullen können wir uns dabei natürlich nicht verlassen. (...) Wenn Ihr Interesse an Antifa-Arbeit habt, aber allein seid oder nicht so recht wißt, wie ihr anfangen sollt, schreibt uns!" Autonome in Brandenburg engagieren sich aber auch von sich aus im "antifaschistischen Kampf". Einerseits reagieren sie damit -- obwohl mit zumeist untauglichen oder unzulässigen Mitteln -- auf den weiterhin virulenten Rechtsextremismus. Andererseits Fr suchen die AutonomennachGelegenheiten,politisch RUPPE interessierte Jugendliche, die verständlicherweise ihren Protest gegen rechtsextremistische GewalttaLAND ten zum Ausdruck bringen wollen, in autonomeJuBRAN NBYR gend-Antifa-Gruppen einzubinden und aufdiese Weise für die eigenen Absichten zu vereinnahmen. So gründeten 1997 Angehörige der linksextremistischen Szene in Potsdam die "Antifa Jugend-Aktion Potsdam" und in \ . \ autonome Eberswalde die srswalde die" "Antifa-Jugend Eberswalde a-Jusend Eberswalde". Jugend-Antifa- 2 Darüber hinaus suchten die Autonomen aber auch weitere Anlässe für Gruppen militante Aktionen. ann E Nas Castor Alarm 3 | akle Zeichnung aus: ; "interim" Nr. 405 v. 23.01.1997 1997 standen dabei vor allem die Proteste gegen die Castor-Transporte und die Nutzung der Gentechnik sowie der Kampf gegen Umstruktuierung vornean. 85 Verfassungsschutzbericht 1997 Insbesondere im März, im Vorfeld des Castor-Transportes ins atomare Zwischenlager nach Gorleben, kames auch in Brandenburg zu vielfältigen Protestaktionen, an denen sich auch Linksextremisten beteiligBahnten. Sie verübten Anschläge auf Einrichtungen der Deutschen Bahn anschläge AG undverbreiteten Plakate und Flugblätter gegen den Castor-Transport. An den zum Teil unfriedlich verlaufenen Protesten im Wendland beteiligten sich Autonome aus verschiedenen Teilen der Bundesrepublik Deutschland. In der Potsdamer Szenezeitschrift "buratino", Nr. 7 vom Juni 1997, befürwortet unter dem Pseudonym "klandestin" einer der Demonstranten von Gorleben "die Vielfalt des Widerstandes" und das "Zusammenspiel aller Widerstandsformen" und spricht sich gegen die Ausgrenzung der autonomen Atomkraftgegner aus, die "einen für sich effektiveren Weg des Widerstandes" gewählt hätten. Ausdrücklich wird die Legitimität des "militanten Widerstandes" im "Kampfgegen das vorherrschende Unrechtssystem" hervorgehoben. In einem weiteren, mit "böse" gezeichneten Artikel des "buratino" fordert der Autor die "Akzeptanz für militanten Widerstand" ein. Seit mindestens zwei Jahren wird in autonomenSzenepublikationen das Thema "Gentechnik" verstärkt diskutiert. Das "Theorieorgan" der autonomen Szene, das Berliner Blatt "INTERIM", hat in einer Nachbetrachtung zu den militanten Aktionen im Rahmen des dritten CastorTransportes nach Gorleben die Diskussion übereine "thematische Ausweitung" der von den Autonomenzu besetzenden Kampagnenthemen angeregt. Genannt wird u.a. das "Unkrautjäten auf Gentech-Feldern" (in: "INTERIM", Nr. 412 vom 13. März). Unter der Überschrift "Widerstand gegen die "Gene der Hoffnung'" erschien in "INTERIM", Nr. 427 vom 10. Juli, der erste Beitrag einer mehrteiligen Artikelserie. Darin konstatieren die unbekannten Verfasser: "Die Autonomen haben dazu bisher wenig zu sagen, waren allerdings an der Zerstörung einiger Freilandversuche im letzten Jahr beteiligt." Den "Kampf gegen Umstruktrurierung" hat vor allem die autonome Ausschreitungen Szene in Potsdam vorangetrieben. Nachdem mehrere besetzte Häuser im Sommer geräumt worden waren, befürchteten einige Autonome, daß ihre "befreiten Räume" unwiderbringlich verlorengehen könnten. Daher kam es zu schweren Ausschreitungen von Szeneangehö-rigen in der Potsdamer Innenstadt. Gegen Ende des Jahres trat wieder eine Beruhigung der Situation ein. Jedoch muß weiterhin mit militanten Aktionen der autonomen Szene gerechnet werden. So versuchte sie im Dezember,die Studentenproteste in Potsdam für eigene Ziele zu mißbrauchen. Währendeiner Studenten86 Verfassungsschutz durch Aufklärung versammlung mit dem Minister des Innern Alwin Ziel wurde ein Flugblatt mit folgendemInhalt verteilt: "Unser Ziel: Einer muß der Bluthund sein (SPD)! Innenminister Brandenburgs ist verantwortlich f -- illegale Räumung des Archivs -- Buga 2001 und dem damit verbundenen 'Säubern' des Potsdamer Stadtbildes -- Platzverweise gegen nicht ins Stadtbild passende Menschen und ist unser Gesprächspartner?" Von den Studenten wurde dieser Versuch einer Vereinnahmung überwiegend abgelehnt. Auch in der brandenburgischen Szene gab es ein gewisses Interesse, den RAF-Terror von 1977 aufzuarbeiten. So wurden in Potsdam Plakate mit folgender Aufschrift festgestellt: "Selbst MORDist ihnen recht! 20 Jahre "Deutscher Herbst' 1977-1997 man muß diese versteinerten verhältnisse dadurch zum tanzen zwingen, daß manihnen ihre eigene melodie vorsingt! freiheit aller revolutionären gefangenen! bedingungslose freilassung der geFfangenen aus der raf!" Diese Plakate spielen deutlich auf die von Linksextremisten weiterhin -- selbst nach den eindeutigen Aussagen damaliger RAF-Mitglieder -- verbreitete These an, die inhaftierten RAF-Terroristen Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Jan Carl RASPE hätten in derJustizvollzugsanstalt Stammheim im Oktober 1977 nicht Selbstmord begangen, sondern seien ermordet worden. Außerdem wurde auf den oben beschriebenen Plakaten zu entsprechenden Diskussionsveranstaltungen im benachbarten Berlin eingeladen. Im Zusammenhang mit der Räumung besetzter Häuser in Potsdam wurde ein Flugblatt mit folgendem Text bekannt: "Remember Alfred Herrhausen Heißer Herbst 97". Alfred Herrhausen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, wurde am 30. November 1989 in Bad Homburg durch die RAF ermordet. 87 Verfassungsschutzbericht 1997 Anarchisten Traditionell anarchistisch orientierte Gruppensind weiterhin ohneerkennbaren Einfluß. Sie gewinnen aber dadurch an Bedeutung, daß sie mit ihren Themen und Thesen auch bei Personen n der linksextremistisch orientierten Jugendszene Interesse finden. Daszeigt sich gerade bei Kampagnen, die von unorganisierten Autonomen getragen, von Anarchisten aber theoretisch und propagandistisch unterstützt werden. In der "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FÖGA) sind anarchiGraswurzelstische Gruppen und Einzelpersonenaus der "Graswurzelbewe-gung" bewegung zusammengeschlossen, deren publizistisches Organ die monatlich erscheinende "graswurzelrevolution" ist. Kontaktadressen gewaltfreier Anarchisten gibt es auch im Land Brandenburg. "Graswurzler" erstreben eine föderalistische, basisdemokratische Gesellschaft mit einersozialistischen Wirtschaftsordnung, in der alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschafft sein sollen. Dieses Ziel soll durch eine "gewaltfreie Revolution" erreicht werden. In Selbstdarstellungen wird stets "Gewaltfreiheit" propagiert. Dieser Begrifferfährt hier jedoch eine sinnentstellende Verzerrung dadurch, daß ausdrücklich Gewalt gegen Sachen in Form von Sachbeschädigungen, Sabotagehandlungen und Zerstörungenin die Konzeption gewaltfreien Handelns einbezogenwird. In "gewaltfreien Aktionsgruppen" und "Trainingskollektiven" werden Formendes "zivilen Ungehorsams" bzw. gewaltfreie Widerstandsformen wie Blockaden, massenhafter Bruch von Gesetzen, Sabotagehandlungen eingeübt. Wesentliches Aktionsfeld der sog. gewaltfreien Anarchisten sind, neben dem Antimilitarismus, die Kampagnengegen die Nutzung der Kernkraft und gegen die Gentechnik. Im Rahmen der bundesweiten Anti-Castor-Proteste initiierte die FOGA "NiX mehr" die Kampagne "X-tausendmal quer". Durchsie wurde der dritten CastorTransport vom 3. bis 5. März massiv behindert. Unter der Parole "NiX mehr" wird eine Nachfolgekampagne betrieben. Sie soll die gesamte Atomenergiepolitik ins Visier nehmen und die Kampagne gegen Atomtransporte mit einer Offensive in Krümmel, Ahaus und Neckarwestheim fortführen. In der publizistischen Nachbereitung des Widerstandes gegen den dritten Castor-Transport haben Anhänger des "gewaltfreien" Widerstandes und Autonome zum Teil massive Vorwürfe gegeneinander erhoben, da die letzteren theoretisch wie praktisch unbedingt auf 88 Militanz setzen. Hieran wird deutlich, daß beide linksextremistische Verfassungsschutz durch Aufklärung Strömungentrotz partieller Übereinstimmung unterschiedlichen Konzepten folgen. Die von der FöGA bereits 1996 initiierte Ant-Gentechnik-Kampagne wurde im Jahre 1997 durch den Abdruck themenbezogener Artikel in Anti-Gentechnikder "graswurzelrevolution" fortgesetzt. In ihnen wird unverhohlen zu Kampagne weiteren Zerstörungen gentechnischer Versuchsanlagen aufgefordert. Die anarcho-syndikalistische Kleinstorganisation "Freie ArbeiterInnen Union" (FAU-IAA) konnte in Brandenburg eine geringe Anzahl von Mitgliedern und Sympathisanten gewinnen und verfügt über Ortsbzw. Kontaktgruppen imLand. Die FAU-IAA will eine staatsund klassenlose Ordnung erreichen: durch revolutionäre Gewerkschaftsund Betriebsarbeit sowie durch "direkte Freie Aktionen", zum Beispiel Besetzungen, Boykotts und Streiks. ArbeiterInnen Union In einem besetzten Haus in Potsdam wurde im Juli die FAU-IAA-Ausstellung "Gesichter der Anarchie" gezeigt. Gefangenenhilfsorganisationen "Rote Hilfe e.V." Gründungsjahr: 1975 Sitz: Kiel in Brandenburg aktiv seit: 1993 Mitglieder bundesweit: 3000 Brandenburg: 40 für Brandenburg relevante überregionale Publikation: "Die Rote Hilfe" Auf Initiative der damaligen pro-albanischen "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) wurde am26. Januar 1975 in Dortmund die "Rote Hilfe Deutschlands e.V." (RHD) gegründet. Damit wurde an die Tradition einer 1924 entstandenen Hilfs89 organisation gleichen Namens angeknüpft, die sich als eine "revoluVerfassungsschutzbericht 1997 tionäre Kampforganisation zur Erhaltung, Stärkung, Steigerung und Mehrung der Kräfte der proletarischen Weltrevolution durch brüderlichen Beistand" verstand. Am26. April 1986 hatsich der Verein in "Rote Hilfe e.V." (RH) umbenannt. Er fungiert als eine Rechtsund Hafthilfeorganisation von Linksextremisten. Sein Selbstverständnis formuliert er in einem 1995 in Brandenburg bekannt gewordenen Flugblatt "Solidarität ist eine Waffe!" folgendermaßen: "Die Rote Hilfe ist eine parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Selbsthilfeorganisation". Dementsprechend unterstützt die RH von ihrso bezeichnete "politisch Verfolgte" aus demlinksextremistischen Spektrumdurch Übernahme von Prozeßkosten. In der Quartalsschrift "Die Rote Hilfe" werden Kontaktadressen der RH auch in Brandenburg genannt. Ihre Anhänger hier - in Potsdam, Rathenowund andernorts - kommen zueinem großen Teil aus der autonomen Szene. "Angehörige, Freunde und Freundinnen politischer Gefangener in der BRD" geben das "Angehörigen Info" heraus. Diese Monatsschrift wurde zur Unterstützung des kollektiven RAF-Hungerstreiks im Frühjahr 1989 ins Leben gerufen. Heute dient sie nicht nur denInhaftierten der RAF und den mit ihnen solidarischen Gruppen und Personen als Mitteilungsblatt, sondern sie berichtet auch übersonstige sog. "politische Gefangene" im Inund Ausland. Das "Angehörigen Info" wird auch in Brandenburg, vornehmlich in der autonomenSzene, gelesen. Linksextremistisch motivierte Gewalttaten Dermilitante "antifaschistische Kampf" der Autonomenkennt verschiedene Formen. Autonome versuchen, auch über Bündnisse mit demokratischen Gruppen für ihre Aktionen Akzeptanzin der Öffentlichkeit zu gewinnen. Das Zusammenwirken mit Demokraten -- die auflegitime Weise beispielsBündnisse weise gegen das Wirken von Neonaziorganisationen protestieren wollen -- und die dabei nach außen gezeigte Friedfertigkeit dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Autonomen an ihrem Ziel festhalten, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung als vermeintliche Wurzel des Faschismus zu beseitigen. In der Nacht zum 13. Februar beschmierten Unbekannte die Fassade einer Filiale der Deutschen Bank in Kyritz mit den Parolen "Hinter dem Faschismus steht das Kapital! An diesem klebt das Blut". Verfassungsschutz durch Aufklärung Außerdem wurde ein Autonomenzeichen angebracht. Nach demVerständnis der Autonomen sind Banken Teil des "faschistischen Staates". Angriffe gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten werdenals "antifaschistische Selbsthilfe" hingestellt. Zu ihr gehört, daß in Flugblättern, die einem Steckbrief ähneln, Personen mit Wohn-anschrift und Foto dargestellt werden. Damit wird, mindestens indirekt, zu Ge"antiwalttaten gegen die Dargestellten aufgefordert. Weil das meist mit Befaschistische griffen wie "Demonstration" verbrämt wird, greift der Straftatbestand Selbsthilfe" deröffentlichen Aufforderung zu Straftaten nicht. Ein "Bündnis gegen die Jungen Nationaldemokraten" aus autonomen Personenzusammenhängen, kommunistischen Parteien, aber auch demokratischen Gruppen rief zu einer Demonstration "Den rechten -- Konsens durchbrechen!! Nein zu den Neofaschisten der JN" am 6. Dezembern Frankfurt (Oder) auf. Die beteiligten Antifa-Gruppierungen aus Brandenburg und die "Antifaschistische Aktion Berdem Nazi-Terror st Im Anschluß an die oem: Antifa-Party k SER BR} Frankfurt/Oder - 14 Uhr - Bahnhof lin" mobilisierten hierfür überregional. Ein JN-Funktionär in Frankfurt (Oder) wurde auf Flugblättern, Handzetteln und in "INTERIM", Nr. 438 vom 27. November, mit Wohnanschrift und Foto dargestellt. In Flugblättern und Plakaten mit Demonstrationsaufrufen hieß es unter anderem: "Nazi-Terror stoppen! Junge Nationaldemokraten zerschla91 Verfassungsschutzbericht 1997 gen! Es wird Zeit zu handeln! Antifa heißt Angriff!". An der Demonstration beteiligten sich etwa 400 Personen. Angriffe auf den betreffenden JN-Funktionär wurden durch Auflagen und Vorkehrungen der Polizei verhindert. Versucheeiniger Teilnehmer, sich zu Beginn des Marsches zu vermummen, wurden von der Polizei unterbunden. Im Anschluß an die Demonstration kam es zu Ausschreitungen. Mehrere Personen wurden festgenommen. Durch die "antifaschistische Selbsthilfe" sollen auch Öffentliche Auftritte von "Rechten" unterbunden und Veranstaltungen verhindert werden. Am 14. Dezember überfielen mindestens sechs mit Baseballschlägern bewaffnete Vermummte eine Veranstaltung des Landesverbandes Brandenburg der Partei "Die Republikaner" in Luckenwalde. Da die Gaststätte, in der "Die Republikaner" tagten, verschlossen war, konnten die Angreifer dort nicht eindringen: stattdessen schlugen sie sechs Fensterscheiben ein. Ferner beschädigten sie das vor dem Gebäudeparkende Kraftfahrzeug des Veranstaltungsleiters. Fünf Tatverdächtige. die der autonomen Szene in Potsdam angehören, wurden festgenommen. n(r) 10-m_Bertin/Brandenburg Wenn FaschoAufmarsch Am 17. August.2997 jährt sich Zum zehnten Mal ser Todestag des Hitler-Stellvertreters dann verhindern" Rudolf Hess. Wie jedes Jahr werden organisierte Neonazis an diesem Tag versuchen Aufmärsche durchzuführen. Plakat Das Ziel der Faschisten wird es sein, an gem für sie aymbolträchtigen Tag, einen graßlen der Antizentralen Aufmarsch durchzuführen und dam überregional (In Erscheinung zu treten. Jaschistischen Bekanntlich mobilisieren die Nazis zu Sirsem Anlaß nur in Ihren eigenen Strukturen und Aktion ersuchen Ort und Zeitpunkt des Aufmarschs bis zuletzt nicht bekannt werden zu lassen. um antifaschistische Gegenaktionen zu planen und koordinieren zu können sind wir also auf kurzfristige Informationen und entschlossones, schnelles Handeln angewiesen. Ab Samstag, den 9. August richten wir unser Infotelefon ein, auf dem.die aktuellsten, uns bekannten Informationen abgehört werden können. Auch wenn Ihr darüberhinaus Informationen über mögliche Treffpunkte und Aufmärsche der Nazis habt, meldet Euch! , Infotelefon: Verfassungsschutz durch Aufklärung 1997 suchten Autonome wieder zunehmend die Konfrontation mit rechtsextremistisch orientierten Jugendcliquen. Am 20. Februar überfiel eine Gruppe von ca. 20 vermummten Personendie Karnevalsveranstaltung eines Gymnasiums in Elsterwerda. Die "Tatverdächtigen begabensich zielgerichtet in de Ecke des Saales, in der sich erfahrungsgemäßdie "Rechten" aufhielten. Aufein Zeichenschlugen die vermummten Täter auf die dortigen Personen brutal mit Holzknüppeln und Baseballschlägern ein. Mehrere Personen erlitten zum Teil erhebliche Verletzungen. Einige der Geschädigtenbezeichneten sich selbst als "Rechte". Die Angreifer verließen den Saal weder we aufein Kommando. Im Rahmeneiner Aktion gegen "Haßund Gleichgültigkeit" gingen Mitglieder der "Antifa-Jugend Eberswalde" am 22. Oktober daran, "rechte" Losungen an Häuserwänden mit Farbe zu überstreichen. Als sich ihnen eine Person aus der rechtsextremistisch orientierten Jugendszene n den Weg stellte, wurde sie mit Reizgas und vermutlich Baseballschlägerntätlich angegriffen und am Kopfverletzt. Autonome verunglimpfen seit Jahren die deutsche Asylund Flüchtlingspolitik als "staatlichen Rassismus". Aus Sicht der Autonomen sind Asylbewerber Opfer der Verelendung in ihren Heimatländern, Opfer also der Ausbeutung durch den Kapitalismus -- in ihm und in "antidem von ihm bestimmtenpolitischen Systems sehen sie aber ihren rassistische Hauptfeind. Anknüpfungspunkt für "antirassistische Aktionen" war Aktionen" das Sachleistungsprinzip bei der Versorgung von Flüchtlingen, das schonseit längerer Zeit von Teilen der linksextremistischen Szene thematisiert wird. Den an der Versorgung beteiligten Firmen wird vorgeworfen, sie profitierten von r scher Unterdrückung und Ausbeutung. Unbekannte Täter setzten am 10. August auf dem Betriebsgelände der Firma SPARin Mittenwalde eine größere Anzahl von Lastkraftwagen und zwei Sattelzüge in Brand. Ferner wurden von 25 Fahr-zeugen die Frontscheiben zerstört und ca. 50 Reifen zerstochen. An die Lagerhalle wurde "Offene Grenzen für alle - Kein Sparen an Flüchtlingen -- Sparenist rass h" gesprüht. In demSelbstbezichtigungsschreiben heißt es, SPARsei rassistisch, "weil es als alleiniger Lieferant für Flüchtlingslager profitiert". Das Schreiben endet mit der Forderung: "Abschaffung der rassistischen Gutscheinund Sammelmagazinpolitik! Kein SPARenan Flüchtlingen! Offene Grenzen und Bleiberecht für alle!" Unterzeichnet ist das Schreiben mit "Autonome Gruppen Sparflamme", 93 Verfassungsschutzbericht 1997 Seit 1995 gab es im Rahmen der bundesweiten "Anti-Castor-Kampa"Anti-Castorgne" auch im Land Brandenburgzahlreiche militante Aktionen: AnKampagne" schläge auf Hochspannungsmasten, Gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr mittels Wurfankern oder durch Sprengung eines Telefonkastens sowie Bombendrohungen bzw. weitere Androhungen von Straftaten. Anläßlich des dritten Transportes abgebrannter Brennelemente in das Zwischenlager Gorleben vom3. bis 5. März häuften sich bundesweit und auch in Brandenburg solche Straftaten. In der Nacht zum 23. Februarsabotierten Unbekannte den Zugverkehr, indem sie einen Wurfanker in die Oberleitung der Bahnstrecke zwischen Belzig und Borne hängten. Die Oberleitung sowie der Stromabnehmer der Lok wurden beschädigt. Am Tatort hnterließen sie Flugzettel mit der Aufschrift "Castor-Alarm 3". Wie schon in der Nacht zum 7. Oktober 1996 wurde Brandenburg erneut am 25. Februar in eine bundesweite Anschlagsserie einbezogen. Militante Kernkraftgegner hängten Wurfanker an nsgesamt acht Tatorten, davon zwei in Brandenburg, in die Oberleitungen. In Schreiben an verschiedene Printmedien bezichtigten sich "AUTONOME GRUPPEN" der Taten. Ihre Absicht sei es, "den politischen Preis für die Staatsmacht weiter [zu] erhöhen. Der Kampf gegen das Atomprogramm" sei ein "Teil des Kampfes gegen alle Formen von Herrschaft und Ausbeutung". Das Endziel: "völlige Zerschlagung sämtlicher Strukturen von Macht, Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrükkung." 'Am 5. März beschädigte eine zwischen den Bahnhöfen Nassenheide und Fichtengrund eingehängte Hakenkralle die Fahrleitung. In "INTERIM", Nr. 412 vom 13. März, erschien eine nicht unterzeichnete fünfzeilige Bekennung, in der auf diesen Anschlag hingewiesen wurde. Im Land Brandenburg wurde bereits im Jahr 1996 mit zum Teil militanten Aktionen gegen Freilandversuche mit genmanipulierten Pflanzen proAnschläge auf testiert. 1997 wurden diese Proteste fortgeführt und intensiviert. Neben Versuchsfelder friedlichen Demonstrationen und "Protest-Spazier-gängen" kames in diesem Zusammenhang auch zu erheblichen Sachbeschädigungen: In Schönfeld und Dahnsdorf wurden Anschläge auf -- tatsächliche oder vermeintliche -- Versuchsfelder mit gentechnisch erzeugten Pflanzen verübt. 94 Verfassungsschutz durch Aufklärung Im Juni zerstörten militante Gentechnikgegner zwei Probeflächen für Herbizidtests In einem Selbstbezichtigungsschreiben bekennt eine Gruppe "Brandenburgische Erntehelfer", "das Versuchsfeld in Dahnsdorf be Belzig verwüstet" zu haben, da durch die Versuche "auf gefährlichste Art und Weise in die Tierund Pflanzenproduktioneingegriffen" werde. Sie legitimiert ihre Aktion mit der vorgeblichen "Menschenfeindlichkeit der Politik" und nimmt für sich n Anspruch, "mit allen Mitteln diesen Wahnsinn zu stoppen". Die Hausbesetzerszene ist nicht insgesamt als extremistisch anzusehen, bietet aber einen Rückhalt und Aktionsraum für autonome Gruppen. Deshalb sorgen die Autonomen dafür, daß Auseinandersetzungen um besetzte Häusernicht friedlich beendet werden, sondern eskalieren. Bevorzugte Angriffsziele bei militanten Aktionen sind Maschinen und Fahrzeuge von Bauunternehmen oder Gebäude von "Spekulanten". Am9./10. August fand in der Potsdamer Innenstadt ein nicht genehmigtes Straßenfest statt, mit dem eine Gruppe von etwa 100 Personen auf die Situation der Hausbesetzerszene aufmerksam machen wollte. Mehrere Anwohner beschwerten sich telefonisch über ruhestörenden Lärm. Zunächst konnten Polizeibeamte durch Gespräche auf ein Ende der Ruhestörung hinwirken. Bei der Abfahrt des Streifenwagens wurden die Beamten jedoch plötzlich aus der Gruppe heraus mit einem Stein beworfen, der u. a. die Heckscheibe des Polizeifahrzeuges zerstörte. Alsbald wurden die Polizeibeamten selbst mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständenattackiert. Nachdem sich die Randalierer zerstreut h: ten, verübten sie in kleineren Gruppen Sachbeschädigungenin der Innenstadt: Scheiben von Banken und Geschäften wurden zerstört, mehrere geparkte Fahrzeuge und Mülltonnen beschädigt. Vier Polizeibeamte wurden durch Steinwürfe bzw. Schläge verletzt. Die Polizei nahm acht Personen fest. An weiteren Tagen wurden zum Teil gerade erst restaurierte Kulturdenkmäler Potsdams mit Farbe beschmiert. 95 Verfassungsschutzbericht 1997 Marxistisch-leninistische Parteien und Organisationen "Deutsche Kommunistische Pa! DKP Gründungsjahr: 1968 Sitz: Essen in Brandenburg aktiv seit: 19% Jugendorganisation: "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Mitglieder bundesweit: 6200 Brandenburg: 60 für Brandenburg relevante überregionale Publikation: "Unsere Zeit" Brandenburger Publikationen: "Der Rote Brandenburger" "Das kleine Blatt" (Zeitung der DKP Niederlausitz) Die Attraktivität der DKPist in Brandenburg nach wie vorgering. In der alten Bundesrepublik wurde sie von der SED ausgehalten; nunmehr hat sie, auf sich gestellt und mit sehrviel bescheideneren Mitteln ausgestattet, auch Verbände in den ostdeutschen Bundesländern gebildet. Die Bezirksorganisation Berlin-Brandenburg war 1993 wegeninnerparteilicher Differenzen in drei Fraktionenzerfallen. Eine gewisse Tendenz zur Konsolidierung ist mittlerweile bemerkbar; die Differenzen scheinen Landesverband zumindest einstweilen überbrückt worden zu sein. So wurde Anfang Brandenburg November ein eigenständiger Landesverbandes Brandenburg gegründet. In ihmist die DKP-Gruppe Niederlausitz besonders aktiv. Der brandenburgische Mitgliederbestand hatsich aber im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert. Über eine punktuelle Zusammenarbeit mit anderen kommunistischen Gruppen, darunter der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD), versucht die DKP, ihr politisches Gewicht zu erhöhen. 96 Verfassungsschutz durch Aufklärung Die wahrnehmbare Resonanz auf die DKP-Propaganda zu den Themen "Sozialabbau" und "Siegerjustiz" sowie aufihre Beschönigung der DDRSozialistische Realität ist äußerst gering. Deutsche Im Land Brandenburg sind auch 1997 keine Aktivitäten der "SozialistiArbeiterjugend schen Deutschen Arbeiterjugend" bekannt geworden. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Gründungsjahr: 190 Sitz: Berlin in Brandenburg aktiv seit: 1990 Mitglieder bundesweit: 200 Brandenburg: 20 für Brandenburg relevante überregionale Publikation: "Trotz alledem" Die KPD ist 1990 noch in der DDR als selbständige kommunistische Formation entstanden. Ihre orthodox-kommunistische Ideologie fußt in erster Linie auf Theorien von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Ernst Thälmann. Die KPD hält weiterhin an ihrer revolutionären Programmatik fest. Auch im Parteiprogrammvon 1993 paßtesie ihre Ideologie nicht an die Gegenwartslage an; gleichwohl hat selbst in der KPD die Einsicht Raumgegriffen, daß in der Bundesrepublik Deutschland auf absehbare Zeit keine "revolutionäre Situation" eintreten wird. Den Bemühungen der KPD, die Einheit aller kommunistischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, war auch 1997 kein Erfolg beschieden. Denn die ideologischen Differenzen zu anderen komideologische munistischen Organisationen (so gegenüber der DKP und dem Differenzen "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB)) dauernfort. Außerdem leidet die KPD aninternen Streitigkeiten. Die KPDist Mitglied in der "Neuen Kommunistischen Internationale" (NKI), die Ende 1995 in Sofia gegründet wurde. In ihr fandensich kommunistische, auch stalinistische Kleinstparteien zusammen. 97 Verfassungsschutzbericht 1997 Ihren Schwerpunkt hat die brandenburgische KPD in Frankfurt (Oder). Dort zeigte sie auf einer "Antifa"-Demonstration am 6. Dezember, an der sie zusammen mit anderen linksextremistischen, aber auch demokratischen Gruppenteilnahm, Flagge (s. dazu Seiten 84,91). MLPD Marsihurb-Lmenninche parte Orehtanc "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründungsjahr: 1982 Sitz: Essen in Brandenburg aktiv seit: 190 Jugendorganisation: "Rebell" Frauenorganisation: "Courage" Mitglieder bundesweit: 23500 Brandenburg: 50 für Brandenburg relevante überregionale Publikation: "Rote Fahne" Mitte des Jahres wurde die Organisationsstruktur die MLPD im gesamten Bundesgebiet geändert -- offenbar ein Krisenzeichen. Auch einen OrganisationsVerlust von Mitgliedern mußte die MLPD hinnehmen. Eine struktur "Säuberungswelle" wurde vomParteivorsitzenden Stefan ENGEL allerdings dementiert. Nunmehr ist die Partei in 25 Kreise gegliedert, unter denen es 58 Aufbaugruppen gebensoll. Die vormals vorhandene Ortsgruppen-Ebene wurde aufgelöst. Die Bemühungen der MLPD, in Brandenburg Einfluß zu gewinnen, waren auch 1997 wenig erfolgreich. Unterder "Patenschaft" von MLPD-Gruppen aus dem Westen der Bundesrepublik Deutschland habensich nur wenige Ortsgruppen in Brandenburg gebildet. Kreisverbände sieht die neue Organisationsstruktur für die ostdeutschen Bundesländer nicht Vor. Die publizistische Thematik der MLPD reduziert sich im wesentlichen auf die Beschwörung der "kämpfenden Arbeiterklasse". In die98 sem Sinne unterstützt sie mit agitatorischer Begleitmusik ForderunVerfassungsschutz durch Aufklärung gen von Belegschaften industrieller Betriebe, daß ihre von Stillegungen bedrohten Arbeitsplätze erhalten bleiben. Die MLPDstrebt eine "sozialistische Republik" anstelle der ""Großmacht Deutschland" an. In ihrer Ideologie gründet sie sich nicht allein auf Marx, Engels und Lenin, sondern auch auf Stalin und Mao Zedong. Ideologie Obwohl die MLPD damit unter den marxistisch-leninistischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschlandisoliert ist, folgt auch sie der kommunistischen Bündnisstrategie, indemsie nach dem "Volksfront"-Konzept Partner für Aktionen imlinksextremistischen Spektrum und darüber hinaus zu finden sucht. Mitunter tauchen Plakate der MLPD auch in Brandenburg auf. Die Jugendorganisation "Rebell" hat im Lande einzelne Mitglieder gewonnen; ebenso nun auch die Frauenorganisation "Courage". Ausblick Da die autonome Szene Brandenburgs -- gerade auch im Zusammenspiel mit Autonomenin Berlin und anderen Bundesländern - sich voraussichtlich weiter verfestigen wird, ist mit einer Minderung ihrer Gewaltautonome bereitschaft nicht zu rechnen. Militante Aktionen werden mit Szene Kampagnenthemen verknüpft bleiben: mit "Antifa" und "Antirassismus"; mit dem Thema"Flucht und Migration", das wegen der gemeinsamen Grenze Brandenburgs und Polens hier besonders virulent ist; mit dem Protest gegen Castor-Transporte, womöglich begleitet von weiteren Hakenkrallenanschlägen; mit Protesten gegen gentechnische Freilandversuche. Mit dem Umzug von Bundestag und Bundesregierung wird Berlins branUmzug von denburgisches Umlandals Sammlungs-, Rückzugsund Ruheraumfür Bundestag solche Linksextremisten attraktiv werden können, die der Hauptstadtund Bundesrolle Berlins und der von Berlin ausgehenden Regierungspolitik miliregierung tanten Widerstand entgegensetzen wollen. Die linksextremistischen Parteien in Brandenburg werden mit ihren propagandistischen Bemühungenweiterhin auf äußerst geringe Resonanz stoßen. Ihre starre marxistisch-leninistische Dogmatik macht sie unfähig, dentatsächlichen politischen, sozialen und gesellschaftlichen Wandel zu begreifen. Aber selbst sie haben erkannt, daß die sozialistische Revolution, auf die sie warten, in überschaubaren Zeitläuften nicht stattfinden wird: Zufrisch ist füralle die Erinnerung an die von einer überwältigenden Mehrheit bejahte Revolution, die den "real existierenden Sozialismus auf deutschem Boden" gerade erst beseitigt hat. 99 Verfassungsschutzbericht 1997 gliederzahlen linksextremistischer Gruppierungen (z. T. geschätzt) Bundesrepublik Deutschland Brandenburg 1996 1997 1996 1997 Autonome* mehr als 6 000 mehrals 6 000 350 340 Anarchisten wenige Hundert wenige Hundert 30 30 DKP mehrals 6 200 6 200 60 60 KPD 200 200 40 20 MLPD 2 700 2 500 50 50 * Die Zahl der Angehörigen autonomer Gruppen wird unter Berücksichtigung von Dunkelziffern und möglichen Doppelzählungen aus folgenden Teilgrößen errechnet: a) namentlich bekannte extremistisch motivierte Gewalttäter, die im Berichtsjahr straffällig geworden sind; b) bezifferbare Gruppen extremistisch motivierter, namentlich nicht bekannter Gewalttäter, die im betrachteten Jahr straffällig geworden sind; ce) namentlich bekannte extremistisch motivierte Gewalttäter, die in vergangenen Jahren straffällig geworden und bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine fortdauernde Gewaltbereitschaft gegeben sind; d) extremistisch orientierte Personen, denen keine einschlägigen Gewalttaten nachzuweisen sind, die aber auf Grund konkreter Einzelerkenntnisse (mutmaßliche Beteiligung an Gewalttaten, Verhalten, Außerungen usw.) als gewaltbereit gelten müssen. 100 (r) Verfassungsschutz durch Aufklärung Linksextremistisch motivierte Straftaten im Land Brandenburg 1995 1996 1997 Körperverletzung 5 10 20 Brandstiftung 4 0 1 Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch 10 12 17 Sachbeschädigung 8 13 21 sonstige 23 33 22 gesamt 52 68 81 davon Gewaltstraftaten* 21 36 u Die vorgelegte Statistik beruht auf Zahlenangaben des LKA; die Verfassungsschutzabteilung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg führt keine eigene Straftatenstatistik. In den vergangenen Jahren wurden die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik vom LKA ubernommen. Sie erfassen die im Berichtszeitraum polizeilich abgeschlossenen Fälle. In diesem Jahr werden erstmals (wie auch vom Bundesamt für Verfassungsschutz) die sog. Lagezahlen übernommen, de sich auf die im Berichtszeitraum registrierten Fälle beziehen. Die Zahlen für 1995 und 1996 wurden entsprechend bereinigt, was die Abweichung von den Vorjahresberichten erklärt. 101 * Sachbeschädigungen mt Gewaltanwendung sind ncht als Gewaltstraftaten mitgezählt. Verfassungsschutzbericht 1997 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland Die in der Bundesrepublik Deutschland tätigen extremistischen Ausländergruppierungen spiegeln ein breites Spektrum politischer Orientierungen wider: Es gibt linksextremistische, islamistische und extremnationalistische Organisationen. Die mitgliederstärkste unter den linksextremistischen AusländerArbeiterpartei gruppierungen ist die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Sie ist von Kurdistans ihrer ursprünglichen Zielsetzung her marxistisch-leninistisch ausgerichtet, propagiert aber immer nachdrücklicher nationalistische Vorstellungen, um ihren Alleinvertretungsanspruch bei der Lösung des Kurdenproblems in der Türkei zu untermauern. Weil sie mit terroristischen Aktivitäten versuchte, Druck auf die Bundesrepublik Deutschland auszuüben und damit eine Änderung dertürkischen Haltung zum Kurdenkonflikt zu erreichen, wurdeihr im November 1993 auf der Grundlage des Vereinsgesetzes jede weitere Betätigung in der Bundesrepublik Deutschlandverboten. Inzwischenhat der PKK-Generalsekretär Abdullah ÖCALAN solche Terrorakte als "Fehler" bedauert. Seit 1996 sind Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland, die der PKK zugerechnet werden, erheblich zurückgegangen. Ob diese sich 1997 bestätigende Tendenz langfristig Bestand hat, hängt jedoch in hohem Maße von der politischen Entwicklung in der Türkei ab. Seit rund zwei Jahren beteuert ÖCALAN öffentlich die Friedfertigkeit seiner Partei, um diese als gemäßigte "Befreiungsbewegung" des kurdischen Volkes und als Partner für politische Gespräche zu empfehlen. DiesemZiel sollten insbesondere großangelegte Propagandaaktionen dienen; so der "Musa-Anter-Friedenszug" Brüssel-Diyarbakir (Türkei) Ende August/Anfang September, der jedoch in der geplanten Form verhindert wurde, da er nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden Werbung für die verbotene PKK betreiben sollte; so auch eine im November organisierte Busfahrt durch die Bundesrepublik Deutschland mit -- zum Teil untersagten -- Kundgebungen gegen das PKK-Verbot an den einzelnen Stationen. Unter den türkischen linksextremistischen Gruppierungentat sich Anfang des Jahres die revolutionär-marxistische "Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (DIDF) hervor. Sie organisierte Demonstrationen in 102 mehreren deutschen Städten gegen die seit 15. Januar geltende Verfassungsschutz durch Aufklärung Visumspflicht für Kinder aus der Türkei. Marokko, Tunesien und ExJugoslawien. SchwereStraftaten waren im Zusammenhang mit Kämpfen zwischen den beiden verfeindeten Flügeln der linksextremistischen "Devrimei Devrimci Sol Sol" - sie unterliegt seit 1983 in Deutschland einemBetätigungsverbot -- zu verzeichnen. Die Spaltung war das Ergebnis ener erbitterten Auseinandersetzung um die Person des damaligen "Devrimci Sol"Führers Dursun KARATAS, der jetzt der "Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C), dem größeren und aktiveren der beiden Flügel, vorsteht. Auseinandersetzungen werden selbst mit Waffengewalt ausgetragen. 1997 wurden mehrere Schußwaffenanschläge bekannt. Einenicht geringe Zahl extremistischer Ausländergruppierungen gründet ihre politische Verbandsideologie auf den - einseitig interpretierten -- Islam. Diese "Islamisten" greifen aus der weltanschaulich-religiösen Tradition des Islam Teilelemente heraus und entwickeln aus ihnen ein Islamisten Konzept des sog. islamischen Gottesstaates. Damit propagierensie eine Gesellschaftsordnung, die, vorgeblich auf der wahrenislamischen Tradition beruhend, Menschenrechte sowie demokratische Bürgerrechte undInstitutionen mindestens teilweise negiert. Die meisten islamistischen Gruppierungenerheben einen Absolutheitsanspruch und üben Intoleranz oder sogar Gewalt gegenüber allen aus, die der eigenen Normnicht entsprechen. Einige Gruppierungen gehen daraufaus, terroristische Aktionen zu unternehmen, bei denen eine Vielzahl von Opfern ohne Bedenkenin Kauf genommenwird; auch die Attentäter selbst sind oftmals bereit, sich zu "opfern" (SelbstmordAnschläge mit dem Ruhm des Martyriums). In der Bundesrepublik Deutschland lehnen alle islamistischen Gruppierungeneine vollständige Integration von Muslimenin die zivile Gesellschaft ab und stellen somit letztlich das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher sozialer Gruppenin der Bundesrepublik Deutschland in Frage. 1928 in Ägyptengegründet, stellt die "Muslim-Bruderschaft" (MB) die Keimzelle aller islamistischen Gruppen dar; sie hat sich in nahezualle Muslimarabischen Staaten und Länder verbreitet und agiert mittlerweile weltBruderschaft weit. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist sie mit zwei Gruppen aktiv; mit der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V." und den "Islamischen Avantgarden". Die 1982 gegründete HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") ist der palästinensische Zweig der "Muslim-Bruderschaft" und in das regionale und weltweite Unterstützernetz der MB eingebunden. 103 Verfassungsschutzbericht 1997 HAMAS lehnt den Friedensprozeßin Israel entschieden ab und strebt als erstes politisches Ziel die "Befreiung" Palästinas, letztlich aber die HAMAS Errichtung eines globalen islamischen Staates an. Die Organisa-tionist für eine Vielzahl von Terroranschlägen in Israel und den von Israel besetzten Gebieten verantwortlich. Der 1982 von Angehörigen der MB gegründete "Islamische BundPaläIslamischer stina" (IBP) sieht sich als Vertreter von HAMAS in der Bundesrepublik Bund Deutschland. Die im IBP organisierten HAMAS-Anhänger betreiben Palästina im Bundesgebieteine intensive Öffentlichkeitsarbeit durch Verbreitung von Publikationsmaterial. Ein regionaler Zweig der MB ist die algerische "Islamische Heilsfront" (Front Islamique du Salut -- FIS). Die FIS unddie aus ihr hervorgeganIslamische gene, in sich mehrfach gespaltene "Islamische Bewaffnete Gruppe" Heilsfront (Groupe Islamique Armee -- GIA) wollendie Regierung in Algerien stürzen und einen islamischen Staat errichten. Seit der Annullierung der algerischen Parlamentswahlen vom Dezember 1991 - bei denen die FIS einen großen Sieg errungenhatte - und dem Verbot der FIS führendie Guerilla-Armee der FIS (Armee Islamique du Salut -- AIS) undinsbesondere die Gruppender GIA einen Bürgerkrieg gegen dasalgerische Regime und zunehmend gegen die algerische Bevölkerung. Ihm sind seit 1992 mehrere zehntausend Menschen zum Opfer gefallen. Während die AIS derzeit einen Waffenstillstand einhält, werden die Massaker der GIA-Gruppen immer brutaler. Gründer und Präsident der FIS ist der Universitätsprofessor Abbassi MADANI, dessen Söhne Salim und Ikbal ABBASSI vom Oberlandesgericht Düsseldorf im Juni 1997 rechtskräftig zu 2 Jahren und 8 Monaten bzw. 2 Jahren und 4 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Ihnen konnte nachgewiesen werden, daßsie bis zu ihrer Festnahme im Jahre 1995 einer kriminellen Vereinigung angehörten, die islamistischen Gruppierungen in Algerien, insbesondere der FIS, durch die Beschaffung falscher Ausweispapiere half. Andere der sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden FIS-Aktivisten konzentrieren sich auf die politisch-propagandistische Unterstützung der FIS in Algerien. Hizb-Allah Die schiitische "Hizb-Allah" ("Partei Gottes") wurde 1982 mit iranischer Unterstützung im Libanon gegründet. Sie agiert unter verschiedenen Organisationsbezeichnungen, in der Bundesrepublik Deutschland vor allem unter dem Namen "Islamischer Widerstand". Die "HizbAllah" will im Libanoneine islamische Republik nachiranischem Vorbild errichten sowie gegen den Staat Israel bis zu seinervölligen Vernichtung kämpfen. Seit 1983 ist die "Hizb-Allah" für zahlreiche Verfassungsschutz durch Aufklärung Terroranschläge im Libanon undin den arabischen Golfstaaten verantwortlich. Aktivitäten der "Hizb-Allah" in der Bundesrepublik Deutschland beschränken sich bisher vorallem aufinterne, zumeist regionale Treffen und Diskussionsveranstaltungen. In einer türkischen islamistischen Organisation, dem "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB), sind nach dem Tod Verband des langjährigen Leiters Cemaleddin KAPLAN erbitterte Nachfolgeder kämpfe ausgebrochen. Am8. Mai erschossen bsher unbekannte Perislamischen sonen in Berlin den Anführer eines Flügels. Der Ermordete hatte Vereine und KAPLANs Sohn Metin KAPLAN nicht als neuen Leiter anerkannt, Gemeinden eine eigene Gruppe umsich geschart und sich selbst zum "Kalifen" e.V. ernannt. Metin KAPLAN trat auch als Hauptredner bei einer von 2500 Personen besuchten Kundgebung am 22. Februar in Bonn-Bad Godesberg auf; sie wandte sich gegen Bestrebungen, den vom damaligen türkischen Ministerpräsidenten ERBAKAN betriebenen Islam2,sierungskurs 0% zu stoppen. In Nordirland ist der Friedensprozeß wieder in Gang gekommen: desProvisional halb ist es möglich, daß z. B. die "Provisional Irish Republican Army" Irish (PIRA) und noch militantere Extremistengruppen ihn durch Aktionen -- Republican womöglich auch in der Bundesrepublik Deutschland -- erneut zustören Army versuchen. Die aufgeführten Beispiele zeigen, daß extremistische Gruppierungen von Ausländern ihre Vorstellungen von politischen Veränderungen in ihren Herkunftsländern mit Intoleranz und Aggressivität durchzusetzen suchen, wobei sie oft auch zum Mittel der Gewalt und sogar des Terrors greifen. Aus ihren in der Regel autoritären Machtstrukturen undihrer starren Ideologie erklärt es sich, daß gerade auch Dissidenten unnachgiebig verfolgt werden. Sicherh ge im Land Brandenburg Extremistische Ausländerorganisationen haben bisher keine festen und dauerhaften Strukturen im Land Brandenburg aufbauen können. Versuche, wenigstens Anlaufstellen als Kristallisationspunkte künftiger systematischer Aktivitäten zu schaffen, sind offensichtlich im Sande verlaufen. Noch immer sind in Brandenburg nureinige wenige dieser Organi tionenlediglich mit Einzelmitgliedern präsent, die allenfalls in Aktivitäten, die außerhalb des Landesgebietes organisiert und durchgeVerfassungsschutzbericht 1997 UND UNSERE BEFREIUNG! Plakat der "Devrimci Sol", deren Betätigung in Deutschland seit 1983 verboten ist WARNT) führt werden, eingebunden sind. 1997 hat es aber keine bundesweiten Aktionen gegeben, an denen sich in Brandenburg wohnende Anhänger oder Aktivisten solcher Gruppen nennenswert beteiligt haben. Esist jedoch mit Sicherheit anzunehmen, daß solche Organisationen weiterhin in der ausländischen Wohnbevölkerung nach einer tragfähigen Basis und den für Strukturen nötigen Rückhalt suchen. Dies dürfte zumal für die größeren Gruppierungen wie die in den westdeutschen Bundesländern straff durchorganisierte PKK gelten. Versuche, Spendengelder selbst mit Gewalt oder deren Androhung einzutreiben, hat es auch 1997 gegeben. Diese bundesweit gängige Praxis der kriminellen Finanzmittelbeschaffung ist vor allem von der PKK und der "Devrimei Sol" bzw. ihren beiden Flügeln bekannt. Die tatsächliche Zahl solcher Fälle ist wegen der hohen Dunkelziffer schwer einschätzbar, denn Angst vor Repressalien läßt die Opfer meist von einer Anzeige absehen. Der Verdacht, daß bestimmte Einzelpersonen in Brandenburg für islamistische Gruppierungen tätig geworden sein könnten, hat sich bislang nicht erhärten lassen. Verf: ungsschutz durch Aufklärung "Arbeiterpartei Kurdistans" PKK Gründung: 1978 Sitz: Damaskus (Exil) in Brandenburg aktiv seit: 1993 Anhänger bundesweit: 10000 internationale Teilorganisation: "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) Publikation: "Serxwebun" (Unabhängigkeit) Verbot der Betätigung für PKK und ERNK in Deutschland: seit 1993 "Devrimei Sol" Revolutionäre Linke Gründung: 1978 . . DEVRIMCI SOL Sitz: Türkei in Brandenburg aktiv seit: 1993 Anhänger bundesweit: 1200 Publikation: "Devrimei Sol-Haber Bülteni" (Devrimei Sol-Nachrichtenbulletin) Verbot der Betätigung in Deutschland: seit 1983 Spaltung 1994 in: "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und "Türkische VolksbefreiungsparteiFront -- Revolutionäre Linke" (THKP-C - Devrimei Sol) 107 Verfassungsschutzbericht 1997 Ausblick DaAktionen ausländischer Extremisten häufig vonder politischen Entwicklung in den Herkunftsländer abhängen, kann sich die Gefährdungslage in der Bundesrepublik Deutschland -- und damit auch im Land Brandenburg -- schnell ändern. Insbesondere die politische Lagein den Kurdengebieten und der schwierige israelisch-palästinensische Friedensprozeß bergen entsprechende Risiken. Solange aber extremistische Ausländerorganisationen im Land Brandenburg noch keine festgefügten Struktureinheiten besitzen, werden sie hierallenfalls nur zu Einzelaktionen fähig sein. Die Anzeichen, daß das Landesgebiet in die Planungenausländischer Extremisten einbezogenwird, haben sich in der letzten Zeit aber erkennbar vermehrt. Insbesondere bei bundesweit angelegten Kampagnen wird Brandenburg von Übergriffen nicht unbedingt verschont bleiben. len Is Namen Alla, des Aulerburmers und Allbsennberzigen u "Ps 15 Der Kalifatsstaat lie ul) - Das Präsidium " 11.Schanwal1d17 use Wyss errang ojle : (18. Febnar 9 ge EINLADUNG | ZUM VERKÜNDUNGSMARSCH EULEN _ _ | Verehrter Musiimi Deralam ist eine gölliche Ordnung. die mit dem Prophetan Adam ihren Anfang halte. und die durch die Gesamihei von Propheten unentwegt verkündet wurde, und weiche m sem erschwert, deine Frotagsgebate das du nicht mehr uvarhindet verrichten! Dein Bartwuchs wurde ebenfalls veraehtet. dein Kopftuch angegrfkan Die Ehrenhuftan wurten zucn Schweigen getracht _ letzten Prophaten Munammeg Mustata (Alat segne Ihmund und dis Unehrenhaften kamen andie Macht gebe hm Halt) Ira Volkommenheit erreicht hat, und die der O du hiffsloser Musllem! Kortroie eines Buches wie Ges Korans unlermorfen wurde. Du darfst mm Angesicht dieser verbiulensen Wunden in deiner Telanvar | Derialambestehlaus Hama, ie ein Gaschenk deiner Ahnen et. niemals sommer | "läubensiehte,-Anduchtsibungen,-Zivirscht (Staste_genund ungesiät zuchnuen, Flugblatt ! Yommakung)Strafrscht. u dark nachtdaranvorbeigehenwieeinBänderund nicht Dieae Tale nennt man auch di Schar behaupte, so sta gehe dh überhaupt nents a Dam _ des ICCB | DieSerarisunddi Reigen aid zweiynonymeWärter.dh. da HerrwirdSehdarüberzuRechenachatzanen. \ || rtesennahen maerde ade nmenvandeWäter Dein Prophet wid ma dr ken Wort men redenwalen, ae 1 Die Scharia die Relgion. derlalam".er Guubsundder _gafkenen Ahnen werten Bich über dich beschweren: din mit einer | Korn. isaiges Leben wid ir zum Kummer und dein Jermata zur n: || Sieosamenit vor ZDie@ueamaneit vorrigläsen milgläsen undundweitiehen wahren Bas 0duuMänymekindi Einladung zum | AnubgenweicheAlakderälmschige. Sein Done Vetlc Inch un or au ak And ein. Ve .n | vomeschrieben nat" Hocher in solenerdichdavonabbringenwolen. andinser die Zueiörter. murden; Verkündungs|| verachtat Das wort "das Kalitar" Sachs ekzunenmen.er wrddabeinkerleAuslüchtevorrubringen versuchen Nach der Beschreibung des Korans is! ar -h" | DasWar.ie Benensei Sechs Tau, mögeer uch an Geier sen. Ano marsc | DiesebaidanWörter wrden se über waig Jaranständs er "ch Wr er Kaas, sende fr as Regime.Er ei | yerchet und zwar Nuke mechinjenerm Land Jeräryrer nt tar fer Qerechtigka, ae rer der ingeren- | Weonen nur das wär In deinem eigenem Land, In dinar Hgka | Heim weiche unzähfge Märtyrer Sonate, wrs run Gelee Laie St du zum Sehwsigen sufardem und sie | verachtat una als einen Fremden ernpfunden, so dafs du nichts von dir strikt abweisen! _ mehr zu sagen hasl und wiral Dehandelt mie ein An diesem 'VERKÜNDUNASMARSCH" sohas du midi " Getangenart DM Frau und dee Kindern isnehman | Dein neiiges Buch Koran wurde zum Schweigen gebracht, Bringe dadurch deine Einnatzbernäschaft für den GLAUBEN _ | und Scherlaabpeschuft. Und gen IQLAM user Beweis, Jan au wc uner dm Satan DRaan m wrlwengegengpel 0 Siwerkrei Ah wu: und Feiglingeeingegliedertwirst. {88 angetastet, de Verrichtung deimer Gebele murde Friede selmi } PATE SAMSTAG | r Kali tout : EEK PE ET a1 1417| 11.00 Der kalifatss 108 eTZeNe 7) (22.02.1997) | KOTITS - organisationskomitee - Verfassungsschutz durch Aufklärung 4. BEOBACHTUNG DER SCIENTOLOGYORGANISATION Rechtliche Zulässigkeit der Beobachtung In der Sitzung derStändigen Konferenz der Innenminister und - Bestrebungen senatoren der Länder (IMK) vom 5./6. Juni 1997 wurdefestgestellt, daß gegen die bei der Scientology-Organisation (SO) tatsächliche Anhaltspunkte für freiheitliche Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung demokratische vorliegen und damit die gesetzlichen Voraussetzungen (Ausnahme: Grundordnung Schleswig-Holstein) für eine Beobachtung der Organisation durch den Verfassungsschutz gegebensind. Der IMK-Beschluß basiert auf einem umfangreichen, voneiner Arbeitsgruppe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder erstellten Bericht. Tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von verfassungsfeindlichen Bestrebungen ergeben sich vor allem aus den Schriften und Handlungsanweisungen der SO, insbesondere aus den Werken ihres Gründers, des Science-FictionAutors Lafayette Ronald HUBBARD (1911-1986). Eine Vielzahl von dortigen Aussagen deutet daraufhin, daß die Organisation eine scientologisch geprägte Gesellschaftsordnung anstrebt, die mit den elementaren Verfassungsprinzipien nicht in Einklang gebracht werden kann und die mit dem Menschenbild des Grundgesetzes unvereinbar ist. Auch eine ganze Reihe von SO-"Aussteiger"-Berichten bestätigen oder verstärken dies. Die SO mißachtet Verfassungsgrundsätze, z.B. Art. 5 GG (Meinungsfreiheit), wenn es einem Kritiker nach einer SO-Handlungsanweisung so ergehenkann, daß er "in der Dunkelheit dumpfauf's Straßenpflaster klatscht oderdas ganzefeindliche Lager... in riesigen Flammen aufgeht"*. Art. 3 GG (Gleichheit vor dem Gesetz) wird mißachtet, wenn nur Scientologen Bürgerrechte verliehen bekommen sollen. Auch wird deutlich, daß sich die Programmatik der SO keinesfalls nur aufdie "geistige Befreiung" des Einzelnen bezieht, sondern auf konkrete, politisch bestimmte und von der SOauchso verstandene Ziele gerichtet ist, die die Gesellschaft insgesamt betreffen. So heißt es in einer politischen Anweisung "Ziel... istes, die Regierung undfeindliche Philosophien oder Gesellschaften in einen Zustand völliger Gefügigkeit mit den Zielen der Scientology zu bringen" . * Ron Hubbard, Einführung in die Ethik der Scientology, S. 270f. 109 5 Ron Hubbard, Policyletter v. 15.08.1960 Verfassungsschutzbericht 1997 Beobachtung im Land Brandenburg Seit dem IMK-Beschluß vom Juni 1997 wird die SO von der Verfassungsschutzbehörde Brandenburg auf Grundlage und nach Maßgabe des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes beobachtet. Dabei überprüft die Behörde, beispielweise anhand eingehender Hinweise, ob sich die vorliegenden Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der SO weiter bestätigen lassen oder aber entkräftet werden können. Dazu gehören auch Gespräche mit SO-"Aussteigern", bei denen u.a. Erkenntnisse über das Wirken der Organisation und die Umsetzung der scientologischen Ziele nach eigenen Erlebnissen in Erfahrung gebracht und bewertet werden können. Nach bisheriger Erkenntnislageist das Land Brandenburg kein SchwerSO-Aktivitäten punkt für SO-Aktivitäten. Für das Jahr 1997 konnten keine Informationen gewonnen werden, die eine Existenz feststrukturierter Organisationseinheiten in Brandenburg - etwaeiner "Scientology-Kirche" -- belegen könnten. "Vertrauliches Telefon" Umdie Erfahrungen von Betroffenen überdie von der SO ausgehenden Gefahren in ihre Arbeit miteinzubeziehen, hat die Verfassungsschutzbehörde Brandenburg im Juli 1997 ein "Vertrauliches Telefon" unter der Telefonund Faxnummer (0331) 2700230 für SO-Betroffene eingerichtet. Opfer und deren Angehörige, Aussteiger und andere Personen, die zur SO Hinweise geben wollen, können darüber Verbindung mit dem Verfassungsschutz aufnehmen. Durch das "Vertrauliche Telefon" haben sie die Möglichkeit, ohne Furcht vor Racheaktionen Erkenntnisse weiterzugeben oder über ihre Erfahrungen zuberichten. Broschüre zur SO Ferner wurde im Oktober 1997 die Broschüre "Scientology -- Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes" herausgegeben. Diese will den interessierten Leser aktuell über die Thematik SO informieren und nichtzuletzt einen Beitrag mit präventivem Charakter im Sinne von "Verfassungsschutz durch Aufklärung" geben. Die Beobachtung der SO durch den Verfassungsschutz macht weiteres politisches Handeln gegenüber dieser Organisation keineswegs ent110 behrlich. Der öffentlichen Informationsund Aufklärungsarbeit kommt dabei besondere Bedeutung zu. Verfassungsschutz durch Aufklärung SPIONAGEABWEHR Die Spionageabwehr beobachtet seit dem Zusammenbruch des sog. Ostblocks, daß die Nachrichtendienste insgesamt den Versuch unternehmen, sich durch Umstrukturierung den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Ihre eigentliche Zielstellung, Erkenntnisse, Tatsachen oder Zielstellung auch Gegenstände vor allem aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Militär zu erlangen, ist jedoch nach wie vorexistent. Daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern. Im Vordergrund der Spionage stehen heute nicht mehr ideologische Auseinandersetzungen. Es geht vielmehr um das Erlangeneiner günstigeren Ausgangsposition eines Staates im internationalen Wettbewerb auf den Gebieten Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Weiterhin versuchenStaaten, insbesondere die sog. "Schwellenländer", durch ihre Nachrichtendienste an Wissen und Material zur Herstellung von Kriegswaffen zu gelangen. Hierzu zählen auch Güter, die sowohl ' einermilitärischen als aucheiner zivilen Nutzung zugeführt werden können. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß das Gelingen solcher Bemühungen vor Ort zu einer Eskalation von militärischen Auseinandersetzungen führen kann und gleichzeitig das internationale Ansehen der Bundesrepublik geschädigt wird. Auch für 1997 kann festgestellt werden, daß die Bundesrepublik Deutschland bevorzugtes Ziel von Nachrichtendienstenist. Ursache sind neben der wirtschaftlichen Stärke und dempolitischen Gewicht Zunahme der insbesondere der Standard der Bundesrepublik in Wissenschaft und Aktivitäten Forschung. Dabei spielt auch Brandenburg aufgrund seiner Nähe zur Bundeshauptstadt Berlin und den traditionellen Beziehungen nach Osteuropa eine nicht unerhebliche Rolle. Soist in demBereich Berlin/Brandenburg eine Zunahme nachrichtendienstlich relevanter Aktivitäten zu verzeichnen. Ein gewichtiger Grund dafür ist der Umzug von Regierungsstellen, Botschaften und Wirtschaftsunternehmen nach Berlin. Aufgabe der Spionageabwehr ist es, die oben beschriebenen Bemühungen von der Bundesrepublik Deutschland und ihren Ländern fernzuhalten. Strafbar ist die Spionage durch bzw.für den "Geheimdienst einer fremden Macht", also einer ausländischen Regierung (88 94 ff. StGB). Im Hinblick aufdenausländischen Träger der Spionageaktivitäten unterscheidet das Strafgesetz nicht, d. h. "fremde Macht" sind auch befreundete oder neutrale Staaten. Bei der Wirtschaftspionage muß aber strikt zwischen der sog. Konkurrenzspionage(strafbar gem. $$ 17 ff. Gesetz gegen den unlauteall Verfassungsschutzbericht 1997 ren Wettbewerb) und der gem. $$ 94 ff. StGB strafbaren Spionage unterschieden werden. Nurder letztere Bereich ist Aufgabe der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes, wobei die Grenzziehung im Einzelfall durchaus schwierig sein kann. Arbeitsweise der Spionageabwehr Die Spionageabwehr wertet zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages Informationen aus offen zugänglichen Quellen aus. Daneben werden Erkenntnisse durch den Einsatz sog. nachrichtendienstlicher Mittel beschafft. Die "Einzelverdachtsfallbearbeitung" hat zumZiel, einen Spionageverdacht zu bestätigen oder auszuräumen. Mit "methodischen Suchoperationen" wird gezielt nach Mitarbeitern fremder Nachrichtendienste geforscht. Bei einer "Gegenoperation" wird der Mitarbeiter des fremden Geheimdienstes von der Spionageabwehrals deren geheimer Mitarbeiter geführt. Die insgesamt gewonnenen Erkenntnisse werden methodisch ausgewertet. Sie führen in Zusammenarbeit mit der Polizei * zur Enttarnung von Agenten, fließen in die Beratung von gefährdeten Unternehmen und Behörden ein und werden benutzt, um die Vorgehensweise der Spionageabwehr ständig der aktuellen Lage anzupassen. Arbeitsweise fremder Nachrichtendienste Oberstes Ziel der fremden Nachrichtendienste ist die Verschleierung ihrer Aktivitäten. Bedingt durch den technischen Fortschritt des Informationszeitalters klassische und der Änderung politischer Rahmenbedingungen unterliegt die ArMethoden beit fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland und in Brandenburg dem ständigen Wandel. Es ist zu beobachten, daß die zunächst geübte Zurückhaltung bei der Informationsbeschaffung wieder durch eine offensivere Vorgehensweise abgelöst wurde. So kommen neben der sog. Gesprächsabschöpfung, bei der der jeweilige Gesprächspartner über die tatsächlichen Absichten und Ziele im unklaren gelassen wird, zunehmend die klassischen Arten der nachrichtendienstlichen Erlangung von Information zum Tragen. Zu den klassischen Methoden zählen Agentenfunk, das Anlegen "toter Briefkästen", der Einsatz von Geheimschreibverfahren und Treffs zwischen Führungsoffizier und Agent (häufig im Ausland). Die Nachrichtendienste setzen bei der Anwerbung insbesondere auf die Faktoren Zeit und Geld. Zunächst versuchen sie, für sie interessan112 te Personen freiwillig zu einer Mitarbeit zu gewinnen. Natürlich spielt Verfassungsschutz durch Aufklärung Geld als Motiv für die Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Aber auch vor Nötigungen schrecken fremde Nachrichtendienste nicht zurück. Bemerkenswert ist, mit welch großem Aufwand Informationen über "Zielpersonen" gesammelt werden. Bedenklich stimmt die abnehmende Vorsicht bei der Herausgabe von internen Informationen sowohl in der Wirtschaft als auch in Behörden. "offene Hier liegt ein wichtiger Bereich, den die fremden Nachrichtendienste im Gesprächsgroßen Stil zur "offenen Gesprächsabschöpfung" nutzen. Diese Meabschöpfung" thode schützt insbesondere vor politischen Komplikationen bei Bekanntwerden unverblümter nachrichtendienstlicher Aktivitäten. Nachrichtendienste führen ihre verdeckten Operationen vom Herkunftsstaat oder aus offiziellen Vertretungen ihrer Staaten, z. B. Botschaften und Konsulaten (sog. Legalresidenturen). Aber auch Firmen, die mit Beteiligung von hauptoder nebenamtlichemPersonal des Nachrichtendienstes gegründet wurden, dienen als Ausgangsbasis der Aktivitäten. Mit Hilfe solcher Firmen können auch Aufenthaltserlaubnisse für nachrichtendienstliches Personal in der Bundesrepublik Deutschland erlangt werden. Schließlich kannauch der erzielte Gewinnfür nachrichtendienstliche Operationen eingesetzt werden. Mit Selbstverständlichkeit bedienen sich fremde Nachrichtendienste aller zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten. Gerade die "heimliche Entwicklung und der Fortschritt auf dem Gebiet der KommunikaInformationstionstechnik bieten dabei ungeahnte Möglichkeiten einer "heimlichen abschöpfung" Informationsabschöpfung". Aneiner Tatsache wird jedoch auch der technische Fortschritt nichts ändern: Im Mittelpunkt der Bemühungen fremder Nachrichtendienste steht weiterhin die "menschliche Quelle". Wesentliche fremde Nachrichtendienste Russische Föderation Die sten Aufklärungsbemühungen unter den osteuropäischen Nachrichtendiensten sind 1996 wiederum von denen der Russischen Föderation ausgegangen, die sich wie folgt gliedern lassen: SWR Die "Zivile Auslandsnachrichtendienst" (SWR) ist in allen klassischen Spionagefeldern aktiv und befaßt sich vorrangig mit der Auslandsaufklärung. GRU Primär für die Informationsbeschaffung aus dem militärischen Bereich ist der "Auslandsaufklärungsdienst des Generalstabes beim Verteidigungsministerium der Russischen Föderation" (GRU) zuständig. 113 Verfassungsschutzbericht 1997 Als sog. Inlandsdienst fungiert der "Föderale Sicherheitsdienst" FSB. FSB Der Dienst hat u.a. die Aufgabe, ausländische Geschäftsleute "abzuschöpfen" und nachrichtendienstlich interessante Personen zu überwachen. Es kann davon ausgegangen werden, daß bei Geschäftsverhandlungen mit ausländischen Firmen ein Angehöriger dieses Dienstes eingebun den ist. Der vierte Dienst, die "Föderale Agentur für Regierungsfernmelde-wesen und Information beim Präsidenten der Russischen Föderation" (FAPSI), FAPSI befaßt sich mit der strategischen Funkund Fernmeldeaufklärung. Er erlangt seine Informationen durch die aktive Erfassung ausländischer Fernmeldeund Datennetze sowie durch das Eindringenin sicherheitsempfindliche Bereiche geschützter Objekte. Darüber hinaus tritt FAPSI auf dem russischen Inlandsmarkt als Anbieter von Kommunikationsstrukturen auf und sucht den Kontakt zu ausländischen Firmenniederlassungen. Den westlichen Kunden wird dabei selten deutlich, daß sie Vertragspartner eines Nachrichtendienstes sind. Sog. Krisenländer des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens Eine der wesentlichen Aufgabender Dienste dieser Länder ist der illeillegaler gale Güterund Technologietransfer, um Produkte und Wissen für Güterund Rüstungsprogramme einschließlich sogenannter MassenvernichtungsTechnologiemittel zu erlangen. transfer Konkrete Beschaffungsbemühungen der nordkoreanischen Nachrichtendienste sind in der Region Berlin-Brandenburg zu verzeichnen, die zum größten Teil von diplomatischen Vertretern des bei der chinesischen Botschaft angesiedelten "Büros für den Schutz der Interessen der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik" ausgehen. Ausblick Spionageist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Sie ist in hohem Maße sozialschädlich. Wirtschaftsspionage hat nicht nur Auftragsverluste zur Folge. Wenn andere Staaten durch Spionage Entwicklungskosten sparen und so zu billigeren Angeboten in der Lage snd, bedeutet das immer auch einen Verlust an Arbeitsplätzen. Und letzteres hat auch Bedeutung für die Stabilität des Staates. 114 Verfassungsschutz durch Aufklärung DerErfolg der Spionageabwehr bemißt sich insoweit nicht so sehr an der Anzahl der enttarnten Agenten, sondern vielmehr an demfrühzeitigen Erkennenvon Arbeitsmethoden und Zielfeldern fremder Nachrichfrühzeitiges tendienste und dem wirksamen Umsetzen dieser Erkenntnisse für die Erkennen Politik und Wirtschaft unseres Landes. Im Zusammenhang mit dem unmittelbar bevorstehenden Umzug der Bundesregierung, aber auch der Botschaften, Verbände und Interessenvertretungen nach Berlin werden die Spionagetätigkeiten fremder Nachrichtendienste auch in Brandenburg zunehmen. Spionageläßt sich wirksam nur im engen Zusammenhang von Verfassungsschutz und Polizei sowie unter Mithilfe der Betroffenen, insbesondere im Bereich der Wirtschaft, bekämpfen. Auch für denjenigen, der sich in Spionage verstrickt hat, lohnt der Kontakt mit dem Verfassungsschutz: Freiwillige Offenbarung ist immer der beste Weg. Dann kommt sogar ein gänzliches Absehen von Bestrafung in Betracht. Die Spionageabwehr versteht sich sowohl für den Schutz gegen Spionage als auch im Falle der Verstrickung als Ansprechpartner und bietet dazu das (vertrauliche) Gespräch unter der Telefonnummer (0331) 866 2582 an. 115 Verfassungsschutzbericht 1997 GEHEIMSCHUTZ Auchim Jahr 1997 hat die brandenburgische Verfassungsschutzbehörde an Sicherheitsüberprüfungen mitgewirkt. Sicherheitsüberprüfungen Derartige Überprüfungen sind dann erforderlich, wenn zum Beispiel einem Behördenangehörigen ein Aufgabengebiet übertragen werden soll, in dem im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Informationen -- sog. Verschlußsachen -- zu bearbeiten sind. Welche Aufgabengebiete in den einzelnen Behörden in Betracht kommen, stellt der vom Behördenleiter bestellte Geheimschutzbeauftragte fest, der für die Sicherheitsüberprüfung originärzuständig ist. In seiner Verantwortung liegt, wer zu überprüfen ist und welche Überprüfungsart erforderlich ist. Es gibt drei Überprüfungsarten: - die "einfache Sicherheitsüberprüfung" gilt für Verschlußsachen bis zum Geheimhaltungsgrad VS-VERTRAULICH; - die "erweiterte Sicherheitsüberprüfung" für Verschlußsachen bis GEHEIM; - die "erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen" für Verschlußsachen bis STRENG GEHEIM. Die Sicherheitsüberprüfung findet nicht etwa hinter dem Rücken des Bedienstetenstatt. Sie darf vielmehr nur mit Zustimmung des Betroffenen und gegebenenfalls in die Überprüfung einzubeziehender Personen erfolgen. Wird nicht zugestimmt, ist das Verfahren beendet. Dem Bediensteten darf dann aber die vorgesehene sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht zugewiesen werden. Die von dem Bediensteten ausgefüllte Sicherheitserklärung leitet der SicherheitsGeheimschutzbeauftragte an die Verfassungsschutzbehörde weiter, die erklärung erst dann tätig wird. Die Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörde bei der Sicherheitsüberprüfung sind in den am 16. April 1991 von der Landesregierung beschlossenen "Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Personen im Rahmen des Geheimschutzes -- Sicherheitsrichtlinien/SiR -- Brandenburg" geregelt und dem zu Überprüfenden bekannt. Geprüft wird, ob - z. B. wegen Zweifeln an der persönlichen Zuverlässigkeit oder der Gefahr der Anwerbung für fremde Nachrichtendienste - ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das eine Beschäftigung im sicherheitsempfindlichen Bereich ausschließt. Ergeben sich solche Zweifel, werden diese mit dem Überprüften besprochen. Könnensie nicht ausge116 Verfassungsschutz durch Aufklärung Nichts als Luft? Auch drahtlose KSRDNT Hm EN ne pn * Plakat des schützt nicht vor Bundesamtes unerwünschten für VerfassungsMithörern. schutz räumt werden, kann der Bedienstete letztlich nicht auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz eingesetzt werden. Die Entscheidung unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung. 117 . Verfassungsschutzbericht 1997 Abkürzungsverzeichnis AA/BO Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation AB Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD AIS Islamische Heilsarmee (Armee Islamique duSalut) AIZ Antiimperialistische Zelle B.ATT. Bundesweite Antifa Treffen BBS Bulletin Board System BBZ Berlin-Brandenburger. Zeitung der nationalen Erneuerung ' BKP Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V. BSA Bund Sozialistischer Arbeiter DA Deutsche Alternative DHKP-C Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front DIDF Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V. DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DNSB Dänische Nationalsozialistische Bewegung DNZ Deutsche National-Zeitung DVU Deutsche Volksunion DWZ/DA Deutsche Wochen-Zeitung/Deutscher Anzeiger Nationale Befreiungsfront Kurdistans FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei FAPSI Föderale Agentur für Regierungsfernmeldewesen und Information beim Präsidenten der Russischen Föderation FAU-IAA Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union FIS Islamische Heilsfront (Front Islamique du Salut) FöGA Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen 118 FSB Ziviler Inlandsnachrichtendienst Rußlands Verfassungsschutz durch Aufklärung GP Gesellschaft für freie Publizistik GIA Islamische Bewaffnete Gruppe (GroupeIslamique Armee) GRU Militärischer Auslandsnachrichtendienst Rußlands HAMAS Islamische Widerstandsbewegung HNG Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. IBP Islamischer Bund Palästina ICCB Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. IHV Internationales Hilfskomitee fürnationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V. Kürzel für: Direkte Aktion/Mitteldeutschland, bedeutet wahrscheinlich: Jugendfront IN Junge Nationaldemokraten JNA Jungnationale (früher: INS) INS Junges Nationales Spektrum (jetzt: INA) JRE Jugend gegen Rassismus in Europa (jetzt: JO/JRE) JO/NRE Jugendoffensive/JRE KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPD/ML Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten MB Muslim-Bruderschaft MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands MLKP Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei MRTA Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru (Movimiento Revolucionario Tupac Amaru) NIT Nationales Info-Telefon NKI Neue Kommunistische Internationale N.P.A. Nationales Pressearchiv NPD Nationaldemokratische Parte Deutschlands NS Nationalsozialismus NSDAP/AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei -- Auslandsund Aufbauorganisation 119 Verfassungsschutzbericht 1997 PIRA Provisional Irish Republican Army Partei für Soziale Gleichheit PKK Arbeiterpartei Kurdistans RAF Rote Armee Fraktion REP Die Republikaner RepBB Republikanischer Bund deröffentlichen Bediensteten RBF Republikanischer Bundder Frauen Rote Hilfe e. V. RHD Rote Hilfe Deutschlands e. V. RJ Arbeitskreise Republikanischer Jugend Revolutionäre Zellen SA Sturmabteilung, uniformierte und bewaffnete Kampftruppe der NSDAP SAV Sozialistische Alternative VORAN SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend so Scientology-Organisation SWR Ziviler Auslandsnachrichtendienst Rußlands THKP-CDevrimci Sol Türkische Befreiungspartei-Front -- Revolutionäre Linke 120 Verfassungsschutz durch Aufklärung Sachwortregister Seite "Anti-Antifa" 59, 128 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation 77,84, 129 Antiimperialistische Zelle (AIZ) 79 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 97 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 79,102, 106, 107 Berlin-Brandenburger. Zeitung der nationalen Erneuerung 30,31, 33,46, 48,50,51,52 Berliner Kulturgemeinschaft Preußene.V. (BKP) 71 "Blood & Honour"-Bewegung 16,37, 141 Bulletin Board System 30 Bundfür Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V. (BfG) 7 Bundesweite Antifa Treffen (B.A.T.) 77,84 Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) 80 "buratino" 83 Dänische Nationalsozialistische Bewegung (DNSB) 20 "Das kleine Blatt" 96 "Der Aktivist" 63 "Der Republikaner" 67 "Der Rote Brandenburger" 96 "Der weiße Wolf" 57,58 Deutsche Alternative (DA) 58,143 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 23, 24,68, 70 ff.,74 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 96, 100 "Deutsche Nationalzeitung" 65,66 "Deutsche Stimme" 60 Deutsche Volksunion (DVU) 22,23,35,65f.,74 "Deutsche Wochen-Zeitung/Deutscher Anzeiger" 65,66 Devrimei Sol 103 ff. Die Nationalen e. V. 35,46 ff.,53,55, 74 121 Verfassungsschutzbericht 1997 Die Republikaner (REP) 22,31, 35, 67-69, 74 Direkte Aktion/Mitteldeutschland (JF) 18,58 FAIRSTÄNDNIS-Kampagne 14 Fanzines 17, 34, 37,59 Föderale Agentur für Regierungsfernmeldewesen und Information beim Präsidenten der russischen Föderation (FAPSI) 113 Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschlande.V. (DIDF) 102 Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FOGA) 88,89 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union (FAU-IAA) 89 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 50,58 Gesellschaft für freie Publizistik (GFP) 24,70 HAMAS 103 PS. Hammerskins 38, 139 Hilfsgemeinschaft fürnationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) 56.,74 "..hinter den Kulissen" 83 Hizb-Allah 104 f. Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V. (IHV) 57 Islamische Bewaffnete Gruppe (GIA) 104 Islamische Heilsarmee (AIS) 104 Islamische Heilsfront (FIS) 104 Islamischer Bund Palästina (IBP) 104 "JN-Intern" 63,65 Jungnationale (JNA, früher JNS) 46,48,74 Junge Nationaldemokraten (JN) 22,23,29, 31,60-65, 74,91 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 107 Junges Franken 50 Jugendoffensive/JRE (JO/JRE) Sof. Kameradschaft Oberhavel 18,47,53 ff. 122 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 97 Verfassungsschutz durch Aufklärung Militärischer Auslandsnachrichtendienst Rußlands (GRU) 113 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) _98f., 100 "Mitteldeutsche Rundschau" 57 Muslim-Bruderschaft 103 Nation EuropaVerlag 25 "Nation & Europa -- Deutsche Rundschau" 70 Nationale Info-Telefone (NIT) 32f. "Nationales Medienprojekt" sof. Neue Kommunistische Internationale (NKI) 97 "Neue Thüringer Zeitung" 50 "Noch härtere Zeiten" 83 "Norddeutsche Zeitung -- Hanse-Kurier" 50 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 107 Nationales Pressearchiv (N.P.A.) 59 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 22f.,27,29, '47, 60-65, 70 f., Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei -- Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) ISf. Partei für soziale Gleichheit (PSG) 80 Provisional Irish Republican Army (PIRA) 105 Rote Armee Fraktion (RAF) 21,73,79,87 "Runde Tische" 23 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) 107 Revolutionäre Zellen (RZ) 73 Sozialistische Alternative VORAN (SAV) 80 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 96 "Süddeutsche Allgemeine" 50 Türkische Volksbefreiungspartei-Front --Revolutionäre Linke (IHKPC-Devrimci Sol) 107 Thule - Netz 30,50,51 "Unsere Zeit" 96 123 Verfassungsschutzbericht 1997 Verlag der Freunde Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V. (ICCB) 105 "Westdeutsche Volkszeitung" 50 Wandergruppe Gibor 58 Ziviler Auslandsnachrichtendienst Rußlands (SWR) 113 Ziviler Inlandsnachrichtendienst Rußlands (FSB) 113 "Zündstoff --Deutsche Stimme für Berlin-Brandenburg" & 124 Verfassungsschutz durch Aufklärung Begriffserläuterungen Anarchisten Die Anhänger anarchistischer Theorien erhoffen eine "herrschaftsfreie" Gesellschaft (anarchia |[griech.]: herrschaftsloser Zustand) ohne den Zwang gesellschaftlicher Normen. In Deutschland gibt es eine Anzahl anarchistischer Kleinparteien und -gruppen, die sich zumTeil auf klassische Theoretiker wie Bakunin berufen, oft aber auch je eigene Vorstellungen entwickeln. Sie haben jedoch im Gesamtspektrum des Linksextremismus nur eine periphere Bedeutung. Die> Autonomen sind als Anarchisten im weiteren Sinne anzusehen, da auch sie ein "herrschaftsfreies" Leben anstreben. Sie lehnen jedoch die festen Organisationsformen der "klassischen" Anarchisten ab. ""Anti-Antifa" Die "Anti-Antifa" ist eine überwiegend von Neonazis (7 Neonazismus) betriebene "Kampagne", deren Intention es ist, dem sog. "nationalen Lager" unter Zurückstellung internerDifferenzen eine neue organisationsübergreifende Plattform zu verschaffen. Als geistiger Urheber dieses Konzepts kann der Neonazi Christian Worch angesehen werden. Unmittelbarer Zweck der "Anti-Antifa"-Arbeit ist die "Feindaufklärung", also die Ermittlung und Verbreitung von Daten zu politischen Gegnern, als welche sowohl "Linke" als auch Angehörige der Sicherheitsbehördengelten. Rechtsextremisten kopieren damit gewissermaßenspiegelbildlich die "Antifa"-Arbeit militanter Linksextremisten (> Antifa", autonome). Denbisherigen Höhepunkt der "Anti-Antifa"-Kampagne bildete 1993 die Veröffentlichung des "Einblick", einer Sammlung von Personenadressen aus der gesamten Bundesrepublik. Danach waren die Aktivitäten der "Anti-Antifa" -- die nur in wenigenFällen als Vorbereitung von Gewalttaten dienten -- merklich zurückgegangen; erst in jüngster Zeit sind sie wieder aufgelebt. Sie beschränken sich weiterhin auf lokale oder regionale Aktionen von Personen, die in der Regel zugleich in weiteren neonazistischen Gruppierungen zusammengeschlossen sind. 125 Verfassungsschutzbericht 1997 "Antifa", autonome Ein Hauptagitationsfeld der ? Autonomenist der "antifaschistische Kampf". Denn die Autonomenbehaupten, daß derkapitalistische Staat um seiner Selbsterhaltung willen den Faschismus begünstige, zumindest abertoleriere: "Gerade die Grundpfeiler der bürgerlichen Herrschaft - -- ökonomische Ausbeutung, Rassismus und Patriarchat müssenals Ursachen des Faschismus bekämpft werden" (aus: "Kampf der FAP", Broschüre der AA/BO, Oktober 1994). Deshalb ist es aus Sicht der Autonomengeboten, den Kampf gegen Faschisten und Rassisten in die eigenen Hände zu nehmen. Im Rahmen der sogenannten "antifaschistischen Selbsthilfe" richten sich militante Aktionen in erster Linie gegen den politischen Gegner, also tatsächliche oder vermeintliche "Nazis". Diese Auseinandersetzungen werden unter dem Motto "Schlagt die Faschisten, wo ihrsie trefft!"" gesucht und oft mit großer Brutalität ausgetragen. In autonomen Publikationen werden häufig Adressen und "Steckbriefe" des politischen Gegeners veröffentlicht, nicht selten mit der Aufforderung verbunden, die bezeichneten Personen anzugreifen. "Antifa"-Gruppen, die sich extremistischer Betätigungen enthalten und mit den legitimen Mitteln politischer Auseinandersetzung den Rechtsextremismus bekämpfen, gehören nicht zum Beobachtungsfeld des Verfassungsschutzes. Antisemitismus Der Antisemitismus tritt als eine spezielle Form des 7 Rassismus auf und ist als solcher ideologischer Bestandteil zahlreicher Ausprägungen des > Rechtsextremismus. Als ressentimentgeladenes Vorurteil gegen die Juden schreibter ihnen stereotyp verschiedenerlei negative Wesensmerkmale und Charaktereigenschaften zu und behauptet von ihnen, daß sie weltweit Politik und Wirtschaft zu dominieren suchten und schließlich eine zionistische Weltherrschaft anstrebten. Das NS-Regime hat sich beim Genozid an den europäischen Juden (Holocaust) auf solche antisemitischen Klischees berufen. Heute liefert der Antisemitismus auch, in Form revisionistischer Geschichtsverfälschung (> Revisionismus), Rechtfertigungsstrategien für diesen Völkermord (Leugnung, Verharmlosung, Aufrechnung, Schuldverschiebung). Außerdemzeigt er sich vor allem in Beleidigungen und verbalen Attacken gegen jüdische oder vermeintlich jüdische Bürger 126 Deutschlands und anderer Länder,insbesondere auch gegen RepräsenVerfassungsschutz durch Aufklärung tanten des Staates Israel, in Schmieraktionen vornehmlich an Gedenkstätten und Synagogen, in Schändungen jüdischer Grabstätten u. ä.. Ausländerextremismus Extremisten ausländischer Herkunft verfechten in Deutschland Anliegen, die ihren Ursprung in den politischen undreligiösen Konflikten der jeweiligen Herkunftsländer haben, und gehen mit aggressiv-kämpferischer Propaganda und auch unter Anwendung von Gewalt gegen ihre Gegner vor. Nicht alle Organisationen ausländischer Extremisten in Deutschland sind hier neu gegründet worden. Vielfach agierensie als Vertreter von extremistischen Vereinigungenund Parteien ihrer Heimatländer, die dort zum Teil verboten sind. (3 Aus änderorganisationen, extremistische) Ausländerorganisationen, extremistische Organisationen ausländischer Extremisten in Deutschland lassen sich grob wie folgt klassifizieren: = linksextremistische Organisationen, die die bestehende soziale und politische Ordnung in ihren Heimatländern gewaltsam beseitigen und durch einen sozialistischen Staat marxistischer Prägung ersetzen wollen - extrem-nationalistische Vereinigungen, die Machtbzw. Gebietszuwachs für die eigene Nation und die Abschaffung oder Nichtgewährung von Minderheitenrechten aggressiv propagieren - islamistische Gruppierungen, die die Trennung von Religion und Staat zugunsten eines autoritären theokratischen Systems aufheben wollen - Gruppierungen, die in Verbindung mit Regierungsstellen ihrer Länder gegen Landsleute im Ausland, insbesondere Regimegegner, repressiv oder sogar terroristisch vorgehen. Autonome Die Ursprünge der Autonomenreichen bis in die Anfänge der studentischen Protestbewegung der 60er Jahre zurück. Die Bezeichnung "Autonome" (autonomos [griech.]: nach eigenen Gesetzen lebend) ist zugleich Programm, denn kennzeichnend für Autonome sind folgende Einstellungsmuster: 127 Verfassungsschutzbericht 1997 - Ablehnung gesellschaftlicher Normen und Zwänge - Suche nach einemfreien, selbstbestimmten Leben in herrschaftsfreien Räumen - gewalttätiger Widerstand gegen den demokratischen Staat und seine Institutionen. Autonome besitzen in der Regel kein einheitliches, verbindliches Weltbild, sondern folgen oft verschwommenenanarchistischen und anarchokommunistischen Vorstellungen und spontanen aktionistischen Antrieben. Sie gehen darauf aus, das demokratisch verfaßte Gemeinwesen zu bekämpfen und, wenn möglich, zu zerschlagen, dader Staat und sein "Repressionsapparat" sie an der Verwirklichung ihrer (oben genannten) Absichten hindere. Autonome werden als Extremisten vom Verfassungsschutz beobachtet, weil und insoweit sie gewalttätig agieren, gewaltbereit sind oder Gewalt befürworten. (3 auch: Jugendszene, linksextremistisch orientierte) Entrismus Entrismus ist eine von Anhängern des Trotzkismus praktizierte Methode, andere Parteien und Vereinigungengezielt zu unterwandern, umin ihnen zu Einfluß zu gelangen, die eigene Ideologie zu verbreiten und schließlich die betroffene Organisation für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Entristischen Bestrebungen ausgesetzt sind sowohl nicht-trotzkistisch geprägte linksextremistische als auch demokratische, dem linken Spektrum zugehörige Parteien und Vereinigungen. EEE Etatismus Die Anhängerdes Etatismus überhöhen den Staat(frz.: Etat) in seiner Funktion als Ordnungsmacht und Zwangsinstitut und befürworten deshalb eine Ausweitung zentralstaatlicher Gewalt gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft und gegebenfalls einem föderativ verfaßten Gemeinwesen. Sie stellen die Staatsraison über die individuellen Freiheitsrechte. Der Etatismus ist Bestandteil bestimmter ideologischer Spielarten des > Rechtsextremismus. Propagiert wird er insbesondere von einzelnen Vertretern der ? "Neuen Rechten". 128 i j Verfassungsschutz durch Aufklärung | Extremismus Als extremistisch bezeichnen die Verfassungsschutzbehörden solche Bestrebungen, die sich in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner fundamentalen Werte, seiner Normen und Regeln artikulieren und die darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen und durch eine nach denjeweiligen Vorstellungen der extremistischen Minderheit formierte Ordnung zu ersetzen. Gewalt wird dabei häufig als ein geeignetes Mittel zur Durchsetzung der eigenen Ziele gutgeheißen, propagiert oder sogar praktiziert. Extremisten wenden sich damit unmittelbar oder mittelbar gegen: die im Grundgesetz konkretisierten Grundbzw. Menschenrechte wie insbesondere die - freie Entfaltung der Persönlichkeit - Glaubens-, Gewissensund Bekenntnisfreiheit - Meinungsund Pressefreiheit - Versammlungsund Vereinigungsfreiheit; das Rechtsstaatsprinzip, beruhend auf der = Gewaltenteilung - Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz - Unabhängigkeit der Gerichte; weitere grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie - die Volkssouveränität, ausgeübt durch die parlamentarische Demokratie - die Verantwortlichkeit der Regierung - das Mehrparteienprinzip - das Recht auf die Bildung und Ausübung einer Opposition. Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden terminologisch zwischen dem Begriff "Extremismus" und dem Begriff "Radikalismus", obwohl beide anderweitig oft synonym gebraucht werden. Radikal ist eine Bestrebung, die gesellschaftliche Probleme und Konflikte bereits "von der Wurzel (lat. radix) her" anpacken will, nicht jedoch den demokratischen Verfassungsstaat ganz oder teilweise zu beseitigen beabsichtigt. (> auch: Ausländerextremismus; Linksextremismus; Rechtsextremismus; Terrorismus) 129 Verfassungsschutzbericht 1997 Fremdenfeindlichkeit Dieser Begriffbezeichnet ein Ressentiment, das sich -- oft unterschiedslos -- gegen alle Menschen richtet, die in Deutschland "fremd" sind oder, wegen ihrer Nationalität, Rasse, Hautfarbe, Religion, Herkunft usw., "fremd" wirken: also gegen Ausländer, die sich als Touristen, geschäftlich, mit Arbeitserlaubnis oder auch illegal in Deutschland aufhalten, gegen Asylbewerber, gegen deutsche Staatsbürger ausländischer Herkunft, gegen Aussiedler u. a.. Den "Fremden" wird nämlich unterstellt, daß überwiegend gerade sie an zahlreichen gesellschaftlichen und sozialen Problemen in Deutschland (Arbeitslosigkeit, Kriminalitätsrate, Belastung der Sozialsysteme, kulturelle Desintegration usw.) schuld seien. Solange Fremdenfeindlichkeit "nur" als dumpfe Stimmung oderals verbal bekundete Einstellung in Erscheinung tritt, bietet sie zwar einen Ansatzpunkt und einen Nährboden für den 7 Rechtsextremismus, ist aber noch nicht unbedingt als Kundgabe einer eigentlichen rechtsextremistischen Bestrebung zu betrachten. Sobald Fremdenfeindlichkeit sich jedoch in Straftaten, erst recht Gewaltdelikten, manifestiert, wird erkennbar, daß die Täter ihren Opfern allein wegen ihres "Fremdseins" die Menschenwürde und die Menschenrechte streitig machen und sie hierin verletzen wollen. Damit verhalten sie sich rechtsextremistisch. (> auch: Rassismus) Jugendszene, linksextremistisch orientierte Die Ablösung Jugendlicher vomElternhaus geht bisweilen einher mit der Ablehnung des "bürgerlichen" Milieus und gesellschaftlicher Konventionen überhaupt. Auf der Suche nach "alternativen" Lebensformenlassen sich manche Jugendliche vonlinksextremistischen Ideologien und den aus ihnen abgeleiteten Verhaltensmustern beeinflussen. Das Wohnen in besetzten Häusern in der Gemeinschaft Gleichgesinnter, das Ausleben eigener Vorstellungen von Kunst und Kultur, die Teilnahme an "Demos" oder sonstige Bekundungen -- nicht in jedem Falle von vornherein unberechtigten -- öffentlichen Protestes gegen vorgegebene Verhältnisse werden oftmals untersetzt von unreflektierten linksextremistischen Parolen. Mit tatsächlichen oder vermeintlichen "politischen" Gegnern, in der Regel rechtsextremistisch orientierten Jugendeliquen, wird die Konfrontation gesucht. Aus der Szene heraus kommt es durch erwerbslose Mitglieder auch zu Eigentumsdelikten. Sie werden zuweilen ideologisch gerechtfer130 Verfassungsschutz durch Aufklärung tigt. Auch der Gebrauch von Drogen ist in der Szene keine Seltenheit. Einige Angehörige dieser Szene treten auch als Punker oder 7 Skinheads unübersehbar in Erscheinung. Eine verfestigte linksextremistische Einstellung, die sich auch und vor allem in entsprechender Gewaltbereitschaft niederschlägt, findet sich bei jenen Angehörigen der linksextremistisch orientierten Jugendszene, die wegenihrer Militanz als (r) Autonome einzustufen sind. Viele Szeneangehörige fassen den Begriff "Autonome" allerdings weiter und wenden ihn auf sich selbst an, auch wenn sie nicht militant auftreten, während die Verfassungsschutzbehörden nur gewaltgeneigte Personen aus dieser Szene als Autonome bezeichnen. Jugendszene, rechtsextremistisch orientierte Unter Jugendlichen ist das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe verbreitet. Die meisten Gruppen oder Cliquen suchen ihre Identität in einer bestimmten Musik-, "Lifestyle"oder Moderichtung, die sie untereinander verbindet und gegen andere Gruppen abgrenzt. Ein kleiner Teil der Jugendlichen verwendet aberbereits politische Schlagworte, um sich von anderen Jugendlichen oder von ihremElternhaus abzusetzen. Rechtsextremistische, vor allem neonazistische (> Neonazismus), Symbole haben für Jugendliche den Nimbus des Tabubruchs. Außerdem liefert ihnen der Rechtsextremismus mit seinen klaren Feindbildern eine "einfache" Orientierungshilfe. In vielen Städten Deutschlands existieren Jugendcliquen, die in dieser Weise rechtsextremistische Verhaltensmuster aufgreifen. Die meisten dieser Jugendlichen bekennen sich zu einer von hnen oft unreflektierten "rechten" Gesinnung, die sie selbst, über ein paar Schlagworte hinaus, nicht zu artikulieren vermögen. Auffällig werden die Mitglieder dieser Cliquen vor allem durch die vonihnen in provozierender Absicht verwendetennazistischen Kennzeichen und durch Gewalttaten, denen nicht selten übermäßiger Alkoholgenuß ("Kampftrinken") vorangeht. Opfer dieser Gewaltausbrüche sind häufig Auslander oder von Ausländern besuchte Einrichtungen, aber auch andere Gruppen und Personen, die in das rechtsextremistisch geprägte Feindbild dieses Personenkreises passen(z. B. "Linke", Homosexuelle, Behinderte, Obdachlose). Bisweilen sind die Grenzen dieser Subkultur zu rein kriminellen Banden und zum Rotlicht-Milieu fließend. Viele Mitglieder rechtsextremistisch orientierter Jugendcliquen sind $ Skinheads. w Verfassungsschutzbericht 1997 Kommunikationstechnik, von Extremisten genutzte moderne Die neuesten Errungenschaften der Kommunikationstechnik werden auch von Extremisten genutzt. Mailboxen, Mobiltelefone, Faxgeräte und "Infotelefone" gehören mittlerweile zum Handwerkszeug. Während "Infotelefone" lediglich über Öffentlich erreichbare Anrufbeantworter Informationen für die Szene jederzeit abrufbar bereithalten, bieten per Modem vernetzte Mailboxen mit Verschlüsselungssoftware Extremisten die Möglichkeit, schnell, preiswert und teilweise von den Sicherheitsbehörden unbehelligt zu kommunizieren und Aktionen zu planen. Auch das weltumspannende "Internet", der derzeit größte Datenverbund, wird mehr und mehr von Extremisten zur internationalen Vernetzung verwendet. Mobiltelefone kommen als flexibles Kommunikationsmittel vor allem während der Durchführung von konspirativ geplanten Aktionen zum Einsatz. Linksextremisten, vor allem > Autonomg, haben in der Nutzung dieser Techniken schon einen bemerkenswerten Standard erreicht. Rechtsextremisten, vor allem Neonazis (> Neonazismus), eifern ihnen darin immer stärker nach. Linksextremismus Mit diesem Begriff werden Bestrebungen von Parteien, Vereinigungen und Einzelpersonen bezeichnet, für die alle oder einige derfolgenden Merkmale charakteristisch sind: - Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als "wissenschaftlicher" Anleitung zum Handeln; daneben, je nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin, Trotzki, Mao Zedong, Bakunin und andere - Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen _ Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft I | I - Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugter oder, je nach den konkreten Bedingungen, taktisch einzusetzender Kampfform. 132 Verfassungsschutz durch Aufklärung Linksextremistische Parteien und Gruppierungen lassen sich grob in zwei Hauptströmungen einteilen: - Dogmatische Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten; in Parteien oder anderen festgefügten Vereinigungen organisiert, verfolgen sie die erklärte Absicht, eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten. - Autonome, Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre; in losen Zusammenhängen, seltener in Parteien oder formalen Vereinigungen agierend, streben sie ein herrschaftsfreies, selbstbestimmtes Leben unter Ablehnung jeglicher gesellschaftlicher Normen an. (> auch: Anarchisten; Autonome; "Antifa", autonome; Parteien, linksextremistische) Neonazismus Neonazis bekennensich offen zur Ideologie und Weltanschauung des deutschen Nationalsozialismus. Sie erstreben einen nach dem "Führerprinzip" formierten totalitären Staat und eine "rassereine Volksgemeinschaft". Die Verbrechen, die vom NS-Regime begangen worden sind, werden -- je nach Charakter der Gruppierung -- verharmlost, geleugnet oder gar verherrlicht. Innerhalb des neonazistischen Spektrums bestehen Kontroversen über den "richtigen" Nationalsozialismus. Während die Mehrheit Adolf Hitler als die prägende Identifikationsfigur anerkennt, orientieren sich bestimmte neonazistische Gruppen am nationalrevolutionären Sozialismus der "linken" Nationalsozialisten, also an den Anschauungen etwa der Gebrüder Otto und Gregor Strasser oder des SA-Stabschefs Ernst Röhm. Kleine Teile des neonazistischen Spektrums knüpfen andie Ideologie des "Nationalbolschewismus" an und suchen deshalb zum Teil den Schulterschluß mit linksextremistischen Gruppierungen. Unabhängig vondiesen Richtungsstreitigkeiten wird Rudolf Heß, dem "Stellvertreter des Führers", eine überragende Rolle im Neonazismus zuerkannt. Heß wird wegenseiner langen Haftzeit und der von Teilen der rechtsextremistischen Presse als mysteriös beschriebenen Umstände seines Todes als Märtyrer verehrt. Bei "Rudolf-Heß-Gedenkwochen" (die aber in den letzten Jahren beinahe vollständig von den Sicherheits133 Verfassungsschutzbericht 1997 behörden unterbunden werden konnten) findet das neonazistische Spektrum alljährlich zu gemeinsamen Aktionen zusammen. Einige Neonazis versuchen jetzt, sich von der starren Fixierung aufdas NS-Regime zu lösen, und stellen gegenwartsbezogene Themen in den Mittelpunkt ihrer völkischen undrassistischen Agitation. "Neue Rechte" Der Begriff "Neue Rechte" -- über dessen Umfang kein allgemeiner Konsens besteht und der deshalb mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird -- bezieht sich, wenn man ihn weit faßt, auf verschiedenartige Varianten rechter Theoriebildung. Den meisten von ihnen gemeinsam ist ein unmittelbarer oder auch nurvermittelter Bezug auf die Tradition der "Konservativen Revolution" (Sammelbegriff für eine antiliberale Richtung in den geistigen Auseinandersetzungen vornehmlich der 20er Jahre) und/oder die seit den 60er Jahren in Frankreich publizistisch hervortretende "Nouvelle Droite" ("Neue Rechte") mit ihrem Wortführer de Benoist. Zu den intellektuellen Zirkeln und Publikationen, auf die heute der Begriff "Neue Rechte" angewandt wird, zählen sowohl solche, die dem nationalkonservativen oder dem rechtsradikalen (also dem nichtextremistischen) Spektrumzuzurechnen sind, als auch eindeutig rechtsextremistisch (? Rechtsextremismus) geprägte, als auch schließlich manche, die sich dazwischen in einer "Grauzone" bewegen. Einige Ideologen der "Neuen Rechten" sind etatistisch ($Etatismus) auf den "starken Nationalstaat" fixiert. Andere betonen die "Volksgemeinschaft", die sie für biologisch determiniert halten und zu einem Wert an sich verklären. Die "nationalrevolutionären" Theoretiker propagieren einen antiimperialistischen und antikapitalistischen "Befreiungsnationalismus" und suchen für den revolutionären Kampf Verbündete auch unter den Linksextremisten. Maßgebliche Vordenker der "Neuen Rechten" verfolgendie Strategie, vor der politischen die kulturelle Hegemonie zu erringen. Deshalb streben sie danach, im weltanschaulichen und politischen Diskurs der Gegenwart nach und nach die Meinungsführerschaft zu gewinnen. Der tatsächliche Einfluß der "Neuen Rechten" ist aber bis heute nicht sehr erheblich, zumal sie überkeinen organisatorischen Bezugsrahmen verfügt. 134 Verfassungsschutz durch Aufklärung Parteien, linksextrem! che Linksextremistische Parteien bezeichnen sich in der Regel selbst als marxistisch nach ihrem Theorieansatz und als kommunistisch oder sozialistisch vonihrer Zielstellung her. Je nach Ausrichtung derjeweiltgen Partei werden auch Lenin, Stalin, Trotzki oder Mao Zedongals ideologische Leitfiguren anerkannt. Alle treten mehr oder weniger offen gegen diefreiheitliche demokratische Grundordnung auf. Eine innerparteiliche Demokratie ist bei ihnen bestenfalls formal gewährleistet, vielmehr herrschen festgefügte zentralistische, auf Disziplinierung durch die Führungskader beruhende Strukturen vor. Eine Ausnahme hiervon bilden allenfalls die anarchistisch geprägtenParteien. Dajede der linksextremistischen Parteien von sich behauptet, die einzig wahre Lehre zu vertreten, kommen Bündnisse zwischen ihnen nur schwer zustande und beruhenoft nur auf pragmatischen, z. B. wahltaktischen, Erwägungen. Häufig hingegen bilden sich in diesen Parteien miteinander verfeindete Fraktionen, oder es spalten sich von ihnen Splittergruppenab, die sich dann häufig zusammen mit anderen Kleingruppen wiederum neu formieren. Parteien, rechtsextremistische Rechtsextremistische Parteien, die sich als "nationaldemokratisch" oder "nationalfreiheitlich" oder ähnlich bezeichnen, betrachten das nationalsozialistische Regime nicht als ihr Leitbild und grenzensich soinhaltlich von neonazistischen (? Neonazismus) Gruppierungen ab. Ideologischorientieren sich diese Parteien vornehmlich an völkisch-kollektivistischen Vorstellungen und fordern im Sinne ihres übertriebenen > Etatismus einen"starken Staat". Obwohl sie nicht selten Lippenbekenntnisse zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abliefern, stellen sie durch ihre Forderungen wesentliche Grundprinzipien der Demokratie in Frage. Ideologische Differenzen zwischen denverschiedenen rechtsextremistischen Parteien und persönliche Animositäten ihrer Führungspersonen standen bisher einer auf Dauer angelegten Kooperation entgegen. Radikalismus > Extremismus 135 Verfassungsschutzbericht 1997 Rassismus Zahlreiche Ausprägungen des 2 Rechtsextremismus enthalten als ein ideologisches Element den Rassismus. Nach ras scher "Leh-re" bestehen biologisch begründete, also unabänderliche, Wesensund Qualitätsunterschiede zwischen den Menschenrassen. Die Zugehörigkeit zu einer von ihnen entscheide also von vornherein über den höheren oder minderen Wert sowohl des Individuums als auch eines Volkes. Gewöhnlich wird von Rassisten der "weißen" oder "nordischen" oder "germanischen" Rasse eine naturgegebene Überlegenheit gegenüberallen anderen Rassen zugeschrieben und ausihr ein "natürlicher" Herrschaftsanspruch dieser Rasse hergeleitet. Der Rassismus wird als eine scheinrationale Begründung für ? Fremdenfeindlichkeit benutzt. Eine spezielle Form des Rassismus ist der > Antisemitismus. Rechtsextremismus Mit diesem Begriff werden Bestrebungen von Parteien, Gruppierungen, Cliquen und Einzelpersonen bezeichnet, deren Anschauungen -- bei zahlreichen Unterschieden im einzelnen -- durch folgende Einstellungen bestimmt sind: - Ablehnung der für die freiheitliche demokratische Grundordnung fundamentalen Gleichheit aller Menschen _ Verachtung des auf dem Prinzip gleicher Rechte beruhenden demokratischen Verfassungsstaates - übersteigerter, oft aggressiver Nationalismus, verbunden mit einer Feindschaft gegen Fremde oder fremd Aussehende, gegen Minderheiten, fremde Völker und Staaten - Verschweigen, Verharmlosung oder Leugnung der Verbrechen, die von Deutschen unter nationalsozialistischer Herrschaft verübt worden sind (als Kampagne namentlich zur Bestreitung des Holocausts unter dem Stichwort ? "Revisionismus" bekannt), Betonungangeblich positiver Leistungen des "Dritten Reiches". In unterschiedlicher Gewichtung und Ausprägung lassen sich in den einzelnen rechtsextremistischen Strömungen noch folgende ideologische Bestandteile ausmachen: - Rassismus, ausgedrückt etwa in der Warnung vor einer "Rassenmischung" als Gefährdung des "Deutschtums" und in 136 Verfassungsschutz durch Aufklärung derbiologistisch begründeten Forderung nach mehr "Lebensraum" für die Deutschen -- > Antisemitismus, einschließlich der Behauptung, daß Juden dem deutschen Staatsvolk weder national noch kulturell zugehören könnten = völkischer Kollektivismus, also pauschale Überbewertung einer meist rassistisch definierten "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Rechte und Interessen des Individuums _ Militarismus samt dem Bestreben, auchzivile Bereiche des gesellschaftlichen Lebens nachhierarchischen Prinzipien ("Führer" und "Gefolgschaft") zu ordnen, verbunden mit der Propagierung einer autoritären oder diktatorischen staatlichen Ordnung - > Etatismus - übersteigertes Sendungsbewußtsein, aus dem heraus das Recht der eigenen Gruppe absolut gesetzt wird und Andersdenkende und vorallem auchdie Repräsentanten der Demokratie verleumdet und verächtlich gemacht werden. (> auch: "Anti-Antifa"; Fremdenfeindlichkeit; Neonazismus; Parteien, rechtsextremistische; Revisionismus; Skinheads; Wehrsport) Revisio! mus Als Revisionismus bezeichnet man den politisch motivierten Versuch, die deutschen Verbrechen unter nationalsozialistischer Herrschaft zu relativieren oderzu leugnen. Insbesondere im Rahmeneiner gezielten "Revisionismus-Kampagne" versuchen Rechtsextremisten aus aller Welt seit Jahren, den millionenfachen Mord an den europäischen Juden zu bestreiten oder zumindest die Zahl der Opfer zu verkleinern. Zu diesem Zweck berufensich Revisionisten in ihren Publikationen auf -- häufig von ihnen selbst in Auftrag gegebene -- "Gutachten" ("Leuchter-Report", "Rudolf-Gutachten"), in denen mit pseudowissenschaftlichen Methoden versucht wird, die Massenvernichtung in den Konzentrationslagernals technisch unmöglich darzustellen. Als Revisionisten sind in den letzten Jahren besonders der in Kana-da lebende Deutsche Ernst Zündel ("Germania-Rundbrief"), die aus dem europäischen Ausland heraus agierenden Altnazis Otto-Ernst Remer ("Deutschland-Report", früher auch "Remer-Depesche") und der 1997 verstorbene Thies Christophersen ("Die Bauernschaft") sowie derbritische Schriftsteller David Irving hervorgetreten. 137 Verfassungsschutzbericht 1997 Skinheads Die Wurzeln der Skinheadbewegung liegen im Großbritanniender 60er Jahre. Sie war ursprünglich eher unpolitischer Natur. Auch heute interessiert sich ein großer Teil der Skinheadszene nicht fürpolitische Themen, sondern fühlt sich lediglich einer von einschlägiger Musik und Mode geprägten Subkultur zugehörig. Die Öffentlichkeit nimmtallerdings vonder vielschichtigen Skinheadszene hauptsächlich den rechtsextremistischen Flügel ("Boneheads", "White-Power-Skins", "Fascho-Skins" und Teile der überwiegend unpolitischen "Oi!-Skins") wahr, der sich nicht nur über eine bestimmte Mode und Musik definiert, sondern auch über eine von neonazistischen Ideologieelementen durchsetzte Weltanschauung. Diese wird aber nicht in argumentativer Auseinandersetzung angeeignet und verbreitet; sie bekundet sich vielmehr in gewalttätigen Aktionen gegenals feindlich eingestufte Personengruppen, darunter vor allem Ausländer und "Linke". Mancherechtsextremistische Skinheads gehören den Zusammenschlüssen "Hammerskins" oder "Blood & Honour" ("Blut und Ehre") an. Die Skinhead-Bewegung "Hammerskins", Mitte der achtziger Jahre in den USA entstanden, gliedert sich in nationale "Divisionen", die mittlerweile in zahlreichen Ländern bestehen, und regionale "Sektionen". Sie vertritt ein rassistisches, teilweise auch nationalsozialistisches Weltbild. Ihr erklärtes Ziel ist die "Vereinigung aller weißen NS-Skins". Die Skinhead-Bewegung "Blood & Honour" kam Ende der achtziger Jahre in Großbritannien auf. "Blood & Honour" ist in verschiedenen Ländern, auch in Deutschland, vor allem damit befaßt, Konzerte rechtsextremistischer Bands, z. T. unter dem Motto "Rock against Communism", zu organisieren. Wichtige Bindeglieder der international verbreiteten rechtsextremistischen Skinheadszene, die auch in andere Milieus ausstrahlen, sind: - die Skinhead-Musik, die auf Tonträgern und bei Konzerten mit oft aggressiven, z. T. neonazistischen Texten verbreitet wird: _ das Outfit (Glatze, Doc-Martens-Stiefel, Bomberjacke usw.), für das Modeartikel von zahlreichen Vertriebsdiensten im Versandhandel angeboten werden; - die Vielzahl internationaler und lokaler Skin-Magazine (Fanzines), die regelmäßig über Neuigkeiten in der Szene informie138 Verfassungsschutz durch Aufklärung ren, dabei aber auch rechtsextremistisches Gedankengut verbreiten. Eine Minderheit in der Skinheadszene ist dem "linken" Spektrum zuzuordnen. "Red Skins", "SHARPS" ("Skinheads Against Racial Prejudice") oder "R.A.S.H.s" ("Red and Anachist Skinheads") definieren sich überihre Gegnerschaft zu "Faschos" und grenzensich energisch gegen "Nazis und Rassismus" ab. Ein kleiner Teil dieses Personenkreises vertritt linksextremistische Vorstellungen. Linksextremistische Skinheads finden sich auch in der autonomen Szene (? Autonome) und engagieren sich z. T. in der autonomen > Antifa". Staatsterrorismus Dieser Begriff bezeichnet terroristische Aktionen ( Terrorismus), die im Auftrag von Regierungsorganen eines Staates im Inoder Ausland unternommen werden. Solche Aktionen dienen dazu, ein bestimmtes Regime nach innen oder außen mit illegitimen Gewaltmitteln --z. B. Einschüchterung und Bedrohung bis hin zu Bombenanschlägen, Flugzeugentführungen, Morden -- abzusichern. Sie richten sich vor allem gegen Oppositionelle, aber auch gegen andere Staaten und deren Einrichtungen. Dabei bedient sich derterroristisch agierende Staat eigener Geheimdienste oder von ihm abhängiger Terrorgruppen. Gegenüberder Öffentlichkeit pflegt er aber die Anwendung terroristischer Mittel zu leugnen. Terror! us Terrorismus (terror [lat.]: Schrecken) ist das ideologisch-strategisch begründete, planmäßige Bestreben, mit zielgerichteter Gewalt die freiheitliche demokratische Grundordnung zudestabilisieren und schließlich zugunsten einer anderen Gesellschaftsordnung oder eines anarchischen Zustandes zu beseitigen. Zu diesem Zweck verüben Terroristen Anschläge auf Leib und Leben anderer Menschen sowie gemeingefährliche Straftaten. Terroristischer Methoden bedienen sich einzelne Gruppen sowohl von Linksund Rechtsextremisten als auch von ausländischen Extremisten. Trotzkismus Der Trotzkismus ist eine politisch-ideologische Richtung, die auf Leo Trotzki 'einen der Hauptakteure der russischen Oktoberrevolution 1917, zurückgeht. Der Trotzkismus unterscheidet sich von anderen marxistisch-leninistischen Richtungen, insbesondere auch vomStalinismus, 139 Verfassungsschutzbericht 1997 dadurch, daß er einen konsequenten Internationalismus, das Prinzip der "permanenten Revolution" -- also den unablässigen Kampf für eine alle Länder ergreifende Weltrevolution -- und eine "Arbeiterdemokratie" Ser verficht. Die trotzkistischen Parteien stehen wegen dieser grundlegenden Differenzen abseits von den übrigen kommunistischen Parteien. Umdennoch über ihre engenZirkel hinaus Einfluß zu gewinnen, bedienen sie sich der Methode des $ Entrismus. een men Verbote extremistischer Organisationen Das Vereinsrecht eröffnet den Innenministern des Bundes und der Länder das Mittel des Verbots, wennsich eine Vereinigung, die keine politische Partei oder Religionsbzw. Weltanschauungsgemeinschaftist, nachweislich "gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet" ($ 3 Vereinsgesetz). Von dieser Möglichkeit der rechtsstaatlichen Abwehr extremistischer Bestrebungen ist in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland mehrfach Gebrauch gemacht worden. Zum Beispiel sind seit 1992 zwölf rechtsextremistische Vereinigungen verboten worden. Zu den bekanntesten unter ihnen gehören die "Deutsche Alternative" (DA, verboten 1992) und die "Wiking-Jugend" (W]J, verboten 1994). Vereinsverbote können bei den Verwaltungsgerichten angefochten werden. Das Verbot einer Partei kann allein das Bundesverfassungsgericht auf Antrag dazu befugter Verfassungsorgane aussprechen(Artikel 21 Abs. 2 Grundgesetz; $$ 13 Nr. 2, 43 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Ein solches Verbot ist unanfechtbar. Voraussetzung dafür ist, daß eine Partei darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden unddiese Ziele aufaktiv kämpferische, aggressive Weise verfolgt. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sindbislang lediglich zwei Parteien verboten worden("Sozialistische Reichspartei" [SRP], 1952; "Kommunistische Partei Deutschland" [KPD], 1956). Mit einem rechtskräftigen Verbotist festgestellt, daß die betreffende extremistische Organisation "verfassungswidrig" ist und deshalb ihre Tätigkeit einstellen muß. Als "verfassungsfeindlich" stufen die Verfassungsschutzbehördensolche Organisationen ein, die erkennbar extremistische Bestrebungen 140 Verfassungsschutz durch Aufklärung verfolgen (> Extremismus). Solange "verfassungsfeindliche" Organisationen (noch) nicht verboten sind, können sie sich im Rahmen der geltenden Gesetze frei betätigen. Wehrsport Unter "Wehrsport" versteht man Aktivitäten, die der paramilitärischen Ausbildung in "Wehrsportgruppen" dienen sollen. Bei solchen "Wehrsportübungen" befassen sich mehrere Personen im Gelände - Übungsorte sind meist Waldgebiete, Steinbrüche oder ehemalige Truppenübungsplätze - mit militärischen Übungsinhalten wie Formalausbildung, Marschformationen, Häuserund Nahkampf oder Schießausbildung: dazugehören können auch ein "Überlebenstraining" (Orientierung, Ernährung und längerer Aufenthalt in der Natur) und Tarnübungen oder das Erlernen von Kampfsportarten sowie die Ausbildung im Umgang mit Sprengstoff. In vielen Fällen befriedigen jüngere Männer mit solchen Aktivitäten vornehmlich militaristische Neigungen, vor allem dann, wenn von solchen Gruppen keine politischen Bestrebungen ausgehen. Wehrsportübungen könnenjedoch auch als Vorbereitung zu rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten dienen. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn die Wehrsportaktivitäten im Rahmen einer rechtsextremistischen Organisation unternommen werden. 141 Verfassungsschutzbericht 1997 Fotonachweis: Innenministerium des Landes Brandenburg(S. 3. S. 82), MAZ/Hübner (S. 34), Schramm (S. 28, S. 34, S. 38, S. 40, S. 42), ZB/Settnik (S. 95) Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung Brandenburg unentgeltlich herausgegeben. Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dasgilt für Landtags-, Bundestagsund Kommunalwahlen sowie für die Wahl der Mitglieder des europäischen Parlaments. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. 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