Verfassungsschutz Berlin Bericht 2018 Verfassungsschutzbericht 2018 Erreichbarkeit Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung Verfassungsschutz Klosterstraße 47, 10179 Berlin Telefon 030 90129-440 Fax 030 90129-844 info@verfassungsschutz-berlin.de www.verfassungsschutz-berlin.de Vertrauliches Telefon 030 20054-507 Deutsch/Englisch 030 20054-532 Türkisch 030 20054-553 Arabisch Herausgeber Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung Verfassungsschutz Redaktionsschluss März 2019 Abdruck gegen Quellenangabe gestattet, Belegexemplar erbeten. Hinweis Dieser Verfassungsschutzbericht erwähnt nicht alle Beobachtungsobjekte des Berliner Verfassungsschutzes. Alle Datumsangaben ohne Nennung von Jahreszahlen beziehen sich auf das Berichtsjahr. 4 Vorwort Vorwort Die Erscheinungsformen des Extremismus sind vielfältig und sie verändern sich. In Berlin gibt es alle Formen des politischen Extremismus. Die Stadt ist darüber hinaus auch das Experimentierfeld, auf dem Extremisten neue Themen und Strategien ausprobieren. Dies zu erkennen und öffentlich zu machen gehört zu den zentralen Aufgaben eines modernen Verfassungsschutzes. Er ist für uns alle ein notwendiger Alarmgeber und damit eine unverzichtbare Säule unserer wehrhaften Demokratie. Das Bedrohungspotenzial, mit dem wir in Berlin konfrontiert sind, bleibt unverändert hoch. Besonders die Frage nach dem Umgang mit Personen, die sich der Terrormiliz IS angeschlossen haben und nun zurückkehren könnten, wird die Sicherheitsbehörden intensiv beschäftigen. Der islamistische Terrorismus bleibt ein Schwerpunkt des Verfassungsschutzes. Unsere Demokratie wird aber nicht nur durch terroristische Gewalttäter gefährdet. Stärker als zuvor sind in allen extremistischen Phänomenbereichen Gruppierungen aktiv, die mit ihren demokratiefeindlichen Zielen Anschluss an nicht-extremistische Kreise suchen. Beispielhaft steht dafür die Entwicklung im rechtsextremistischen Spektrum. Seit einigen Jahren hat sich eine Szene entwickelt, deren vorrangiges Ziel es ist, in weite Gesellschaftskreise hineinzuwirken. Rechtsextremistische - insbe- 5 sondere rassistische und demokratiefeindliche - Positionen werden als "legitime Kritik" einer vermeintlich "schweigenden Mehrheit" vorgetragen. Auf diese Weise wird massiv Stimmung gegen Andersdenkende und Menschen mit Migrationshintergrund gemacht. Mit Meinungsmache, Halbund Unwahrheiten wird vor allem im Internet versucht, politische und gesellschaftliche Diskurse zu manipulieren. Diese "neuen" Rechtsextremisten greifen zentrale Elemente unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Wer andere Meinungen nicht mehr akzeptiert, wer Medien und Medienvertreter pauschal als "Lügenpresse" diffamiert oder vermeintliche "kulturelle Unverträglichkeiten" bestimmter Völker und Religionen konstruiert, untergräbt die Werte unseres Grundgesetzes. Auch Linksextremisten versuchen in die Mehrheitsgesellschaft hineinzuwirken. Sie schließen sich zivilgesellschaftlichen Bündnissen an und versuchen, soziale Probleme zu Grundsatzfragen unseres politischen und wirtschaftlichen Systems umzudeuten. Protest, Engagement und auch politischer Streit sind unabdingbar für eine funktionierende Demokratie. Wenn dies allerdings für den Kampf gegen die freiheitlichen demokratische Grundordnung instrumentalisiert wird, verliert der Protest seine Legitimität. Auch diese Entwicklungen müssen wir klar benennen. Wir sind hier als gesamte Gesellschaft gefordert, uns nicht von demokratiefeindlichen Kräften vereinnahmen zu lassen. Andreas Geisel Senator für Inneres und Sport 6 Vorwort 7 Inhaltsverzeichnis I Verfassungsschutz Berlin 13 Struktur 14 Gesetzliche Grundlagen 15 Aufgaben 15 Arbeitsweise 18 Kontrolle 20 Zusammenarbeit 23 Für Bürger und Politik: Die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes 25 8 Inhaltsverzeichnis II Aktuelle Entwicklungen in den Beobachtungsfeldern 29 1 Islamismus 32 1.1 Ideologie 32 1.2 Personenpotenziale 36 1.3 Salafistische Bestrebungen 38 1.3.1 Al-Nur-Moschee 39 1.3.2 Ibrahim al-Khalil-Moschee 40 1.3.3 As-Sahaba-Moschee 42 1.3.4 Info-Stand "We love Muhammad" 45 1.4 Islamistischer Terrorismus 47 1.4.1 Die Gefährdungslage in Deutschland 47 1.4.2 Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat und das al-Qaida-Netzwerk hält an 47 1.4.3 Al-Qaida-Netzwerk 50 1.4.4 Terroristische Strategien 51 1.4.5 Ausreisen in Jihad-Gebiete und Rückkehrer 52 1.4.6 Radikalisierung im Strafvollzug 56 1.4.7 Fazit und Ausblick 57 1.5 Regional gewaltausübende islamistische Gruppen 58 1.5.1 HAMAS 58 1.5.2 Hizb Allah 60 1.6 Legalistischer Islamismus 62 1.6.1 Muslimbruderschaft 63 1.6.2 Milli Görüs-Bewegung 64 1.7 Der al-Quds-Tag 67 9 2 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen (ohne Islamismus) 72 2.1 Begriffsklärung 72 2.2 Personenpotenziale 72 2.3 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 73 2.3.1 "Fight4afrin" 74 2.3.2 Solidarisierung zwischen der PKK und deutschen Linksextremisten 77 2.3.3 "Erdogan not Welcome"-Aktionen 77 2.3.4 PKK-Veranstaltung 79 2.3.5 Durchsuchungen im Berliner Verein NAV-DEM Berlin e. V. 80 2.3.6 Fazit 80 2.4 Ülkücü-Bewegung 81 3 Rechtsextremismus 86 3.1 Ideologien 86 3.1.1 Traditioneller Rechtsextremismus 86 3.1.2 Muslimenfeindlichkeit 88 3.2 Personenpotenziale 91 3.3 Muslimenfeindlicher Rechtsextremismus 93 3.3.1 Netzwerk der muslimenund fremdenfeindlichen Rechtsextremisten 93 3.3.2 Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg 97 3.4 Traditioneller Rechtsextremismus 106 3.4.1 NPD 106 3.4.2 Netzwerk Rechtsextremistische Musik 112 3.4.3 Netzwerk Freie Kräfte 117 3.4.4 Der III. Weg 122 3.5 Fazit und Ausblick 124 10 Inhaltsverzeichnis 4 Reichsbürger und Selbstverwalter 128 5 Linksextremismus 134 5.1 Ideologie und Historie 134 5.2 Personenpotenziale 137 5.3 Aktuelle Entwicklungen 140 5.3.1 "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" 141 5.3.2 "Kurdistansolidarität" 143 5.3.3 Rigaer94 148 5.3.4 Anti-Gentrifizierung 152 5.3.5 Kampf gegen den technologischen Wandel 161 5.3.6 Kampagne gegen die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) 165 5.3.7 Jugendwiderstand 168 5.4 Fazit und Ausblick 171 6 Scientology Organisation 174 7 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 178 7.1 Spionageabwehr 178 7.2 Wirtschaftsschutz 179 7.3 Abwehr von Cyberspionage 181 8 Geheimschutz 184 8.1 Geheimschutz in der Wirtschaft 185 8.2 Mitwirkung bei Einbürgerungsverfahren und sonstigen gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen 186 11 III Anhang 191 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin 192 Extremistische Organisationen und Gruppierungen 207 Personenund Sachregister 211 Bildnachweis 220 Publikationsübersicht 222 12 I Verfassungsschutz Berlin 13 Struktur Verfassungsschutzbehörde für das Land Berlin ist die Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden durch eine gesonderte Abteilung wahrgenommen, die Abteilung II. Diese gliedert sich in sieben Referate: Abteilung II Verfassungsschutz Abteilungsleiter Geheimschutz/ Mitwirkung Referat II A Referat II B Referat II C Referat II D Referat II E Referat II F Referat II G Grundsatz RechtsSalafistische SpionageBeschaffung LinksIslamismus / Recht extremismus und abwehr extremismus AusländerVerwaltung IslamistischWirtschaftsextremismus / Öffentlichterroristische schutz Prävention keitsarbeit Bestrebungen Gremien IT Im Grundsatzreferat (II A) sind interne Querschnittsund Kontrollfunktionen gebündelt, etwa der behördliche Datenschutz, die Fachprüfgruppe, die Öffentlichkeitsarbeit, die Verwaltung, die Informationstechnik und die Rechtsberatung. In den Auswertungsreferaten (II B, II C, II D, II F, II G) werden die eingehenden Informationen verarbeitet, analysiert und bewertet. Das Beschaffungsreferat (II E) führt Ermittlungen durch und beschafft im Auftrag der Auswertungsreferate Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Für die Aufgaben des Verfassungsschutzes standen 2018 Haushaltsmittel in Höhe von 15,83 Mio. Euro und 257 Stellen zur Verfügung. 14 Verfassungsschutz Berlin Gesetzliche Grundlagen Die Arbeit des Verfassungsschutzes ist hinsichtlich der Aufgabenstellungen, seiner Befugnisse und der Kontrollverfahren gesetzlich festgelegt. Von Bedeutung sind neben dem Grundgesetz (Art. 73 und 87 GG) und der Verfassung von Berlin insbesondere das Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin (VSG Bln), das Bundesverfassungsschutzgesetz1 (BVerfSchG), das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (G10) sowie das Gesetz zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes (AG G10) und das Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BSÜG). Aufgaben Der Verfassungsschutz ist ein Frühwarnsystem, um Gefährdungen unserer Demokratie rechtzeitig zu erkennen. Die Freiheit, die unsere Verfassung allen Bürgerinnen und Bürgern garantiert, ist ein hohes Schutzgut. Im verfassungsrechtlichen Rahmen der Bundesrepublik haben auch radikale politische Ansichten ihren Platz. Die Grenzen der Freiheit werden allerdings überschritten, wenn Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auf deren Beseitigung hinarbeiten oder Grundwerte unserer Verfassung antasten wollen. Ein Baustein der wehrhaften Demokratie, die sich die Abwehr solcher Aktivitäten zum Ziel gesetzt hat, ist der Verfassungsschutz. Aufgabe des Berliner Verfassungsschutzes ist es "den Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin, andere zuständige staatliche Stellen und die Öffentlichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung [...] zu 1 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz. 15 unterrichten. Dadurch soll es den staatlichen Stellen insbesondere ermöglicht werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen" (SS 5 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin). Zu diesem Zweck sammelt und analysiert der Verfassungsschutz Informationen über extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen * gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, * gegen den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, * die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Die freiheitliche demokratische Grundordnung wurde durch das Bundesverfassungsgericht definiert als "...eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und der Gleichheit darstellt." Zu den wichtigsten Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören: * die Wahrung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte * die Volkssouveränität * die Gewaltenteilung * die Verantwortlichkeit der Regierung * die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung * die Unabhängigkeit der Gerichte * das Mehrparteienprinzip * die Chancengleichheit für alle politischen Parteien 16 Verfassungsschutz Berlin * das Recht auf die verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Außerdem ist der Verfassungsschutz für die Spionageabwehr zuständig. Um möglichen Spionageaktivitäten auch präventiv zu begegnen, übernimmt der Verfassungsschutz Aufgaben des sogenannten Geheimschutzes. In diesem Zusammenhang berät und unterstützt der Verfassungsschutz Verantwortliche in öffentlichen Stellen und sensiblen Wirtschaftsbereichen. Er führt die gesetzlich vorgesehenen Sicherheitsüberprüfungen von Mitarbeitern durch, die an sicherheitsempfindlichen Stellen eingesetzt werden bzw. die Zugriff auf staatliche Verschlusssachen erhalten sollen (personeller Geheimschutz). Zudem zeigt er Möglichkeiten auf, wie Informationen und Vorgänge geschützt werden können, deren Bekanntwerden die Sicherheit oder Interessen des Bundes oder eines seiner Länder gefährden können (materieller Geheimschutz). Der materielle Geheimschutz umfasst technische und organisatorische Sicherungsmaßnahmen, damit geheim zu haltende Informationen nicht Unbefugten in die Hände fallen. Von besonderer Bedeutung ist der Schutz von Informationen, die in Datenverarbeitungssystemen gespeichert sind. Der Verfassungsschutz wirkt ferner bei zahlreichen gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen (z. B. bei Einbürgerungen, der Erteilung von Visa und Aufenthaltserlaubnissen oder dem Zutritt zu sicherheitssensiblen Bereichen an Flughäfen) mit. Im Rahmen dieser Mitwirkungsersuchen fließen die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes in den Entscheidungsprozess der anfragenden Behörden ein und leisten so einen direkten Beitrag zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 17 Arbeitsweise Der Verfassungsschutz erhält einen großen Anteil seiner Informationen aus allgemein zugänglichen Veröffentlichungen und Veranstaltungen. Zur zentralen Informationsquelle bei der offenen Informationsgewinnung hat sich das Internet entwickelt, das von extremistischen Organisationen für Propaganda-, Vernetzungsund Rekrutierungszwecke genutzt wird. Neben der Auswertung des Internets gewinnt der Verfassungsschutz seine Informationen aus Zeitungen, Flugblättern, Parteiprogrammen oder anderen Publikationen. Die Informationsgewinnung aus offenen Quellen stößt jedoch an Grenzen, wenn verfassungsfeindliche Bestrebungen konspirativ agieren und ihre wahren Absichten nicht nach außen treten lassen. Daher räumt das Gesetz dem Verfassungsschutz in begründeten Fällen die Möglichkeit ein, Informationen verdeckt mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu gewinnen. Voraussetzung ist, dass die Erforschung des Sachverhalts auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise nicht möglich ist und die Anwendung des Mittels im Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht. Nachrichtendienstliche Mittel sind z. B. Observationen, verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen und sonstige verdeckte Ermittlungen und Befragungen. Unter engen Voraussetzungen ist auch eine Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs nach dem Artikel-10-Gesetz zulässig. Die Überwachung darf nur erfolgen, wenn sie erforderlich ist, um drohende Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand bzw. die Sicherheit des Bundes oder eines Landes abzuwehren, und tatsächliche Anhaltspunkte für bestimmte, schwerwiegende Straftaten vorliegen und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert ist. Die Überwachung wird vom Senator für Inneres und Sport angeordnet und bedarf der Genehmigung der sogenannten G10-Kommission. 18 Verfassungsschutz Berlin Zur Aufklärung gewalttätiger, insbesondere terroristischer Bestrebungen dürfen Anfragen an Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikationsanbieter und Kreditinstitute gestellt werden. Gerade bei der Beobachtung islamistischer terroristischer Netzwerke kann es wesentlich auf die Aufklärung von Reiserouten, Finanzierungsströmen, Kontakten und Kommunikationsverbindungen ankommen. Wegen der Eingriffstiefe dieser Befugnisse kommt ebenfalls das Genehmigungsverfahren des Artikel-10-Gesetzes zur Anwendung. Ein oftmals kontrovers diskutiertes nachrichtendienstliches Mittel ist der Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen). Diese sind keine Angehörigen des Verfassungsschutzes; sie bewegen sich i. d. R. in verfassungsfeindlichen Gruppierungen oder ihrem ideologischen Umfeld und sind aus unterschiedlichen Gründen bereit, den Verfassungsschutz über verfassungsfeindliche Aktivitäten und Pläne zu informieren. Die Informationsgewinnung mittels V-Personen bewegt sich in einem Spannungsfeld, macht sich doch der Verfassungsschutz das Insiderwissen von Extremisten zunutze und muss dabei stets darauf achten, dass extremistische Bestrebungen durch diese Zusammenarbeit nicht mittelbar gestärkt werden. Gleichwohl ist der Einsatz menschlicher Quellen in vielen Fällen unverzichtbar, um Einblicke insbesondere in klandestin operierende Kleingruppen zu gewinnen. Dies dient auch dazu, das Bedrohungspotenzial dieser Extremisten zutreffend einschätzen zu können. In den letzten Jahren wurden die internen Regularien und Standards für die Anwerbung und Führung von V-Personen bundesweit überprüft, neu gestaltet und vereinheitlicht. Eine zwingende Rahmenbedingung für den Einsatz von V-Personen ist, dass ihre Identität und ihre Verbindung zum Verfassungsschutz besonders geschützt sind. Ohne diese Vertraulichkeit wäre es nicht mehr möglich, künftige V-Personen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Die durch die Informationsbeschaffung gesammelten Rohdaten müssen gefiltert, systematisiert und analysiert werden. Dabei ist das Arbeitsaufkommen durch die Internetauswertung in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Bestandteil des Prozesses ist auch die Bewertung der Glaubhaftigkeit der er19 hobenen Informationen. Der Informationstechnik kommt für die Verarbeitung großer Datenmengen eine wichtige Rolle zu. Als bundesweite Verbunddatei verfügen die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder über das "Nachrichtendienstliche Informationssystem" (NADIS). Die Speichervoraussetzungen richten sich nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz.2 Der weit überwiegende Anteil der im NADIS gespeicherten Datensätze entfällt auf die Sicherheitsund Zuverlässigkeitsüberprüfungen, die nur mit Zustimmung der betroffenen Person erfolgen. Die übrigen verteilen sich auf die Phänomenbereiche Rechtsund Linksextremismus, Spionageabwehr, Islamismus und sonstiger Extremismus mit Auslandsbezug. Kontrolle Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes unterliegt einer vielfältigen Kontrolle auf unterschiedlichen Ebenen. Neben dem Senator für Inneres und Sport als dem politisch Verantwortlichen, der durch eine besondere Organisationseinheit für die Kontrolle des Verfassungsschutzes, die beim Staatssekretär für Inneres angesiedelt ist, unterstützt wird, finden Kontrollen durch den behördlichen Datenschutzbeauftragten und die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit statt. Für die parlamentarische Kontrolle sieht die Verfassung von Berlin (Art. 46a VvB) einen besonderen Ausschuss des Abgeordnetenhauses vor. Dieser tagt grundsätzlich öffentlich, für Erörterung geheimhaltungsbedürftiger Angelegenheiten kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Der Senat ist verpflichtet, den Ausschuss umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Der Ausschuss hat das Recht auf 2 SS 6 Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG in Verbindung mit SSSS 10 und 11 BVerfSchG. 20 Verfassungsschutz Berlin Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von deren Dienstkräften. Gemäß SS 36 VSG Bln hat der Ausschuss auch die Möglichkeit, eine Vertrauensperson zu beauftragen. Die Vertrauensperson kann Untersuchungen durchführen und dem Ausschuss über das Ergebnis in nicht öffentlicher Sitzung berichten. Bislang wurde dieses Instrument noch nicht angewendet. Kommunikationsüberwachungen nach dem Artikel-10-Gesetz und Anfragen an Finanz- , Flugund Telekommunikationsunternehmen unterliegen einer speziellen Kontrolle durch die G10-Kommission. 21 Aufgaben einer Kontrolle auf mehreren Ebenen: Rechnungshof Öffentliche Kontrolle von Berlin durch Bürger und Medien Datenschutz Kontrolle Beauftragte für Verfassungsschutz Datenschutz und Arbeitsgruppe der Informationsfreiheit Leitung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung II Verfassungsschutz Kontrolle des Gerichtliche Abgeordnetenhauses Kontrolle Debatten, Aktuelle u.a. durch VerwalStunden, Parlamentungsund Verfastarische Anfragen, sungsgerichte Petitionen, Untersuchungsausschuss G10-Kommission Kontrolle durch Kontrolle von EingrifAusschuss des fen in das Postund Abgeordnetenhauses Fernmeldegeheimnis Ausschuss für nach Art. 10 GG Verfassungsschutz, Vertrauenspersonen 22 Verfassungsschutz Berlin Zusammenarbeit Der Berliner Verfassungsschutz ist Teil der deutschen Sicherheitsarchitektur. Die Aufgaben des Inlandsnachrichtendienstes werden in der föderalen Struktur Deutschlands vom Bundesamt für Verfassungsschutz und den 16 Landesbehörden gemeinsam wahrgenommen. Der Vorteil liegt darin, dass die eigentliche Beobachtung abgestimmt auf die jeweiligen Extremismusschwerpunkte auf Landesebene erfolgen kann, wo ein guter Einblick in die regionale extremistische Szene und eine eingespielte Zusammenarbeit mit den übrigen Landesbehörden besteht, die Beratung der Politik stattfindet und lokale Netzwerke für Deradikalisierung und Prävention ins Leben gerufen werden. Es besteht keine Überordnung oder Weisungsbefugnis des Bundesamtes gegenüber den Landesbehörden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat jedoch als Zentralstelle die Aufgabe, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zu koordinieren. Von der Polizei unterscheidet sich der Verfassungsschutz dadurch, dass er nicht für die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr zuständig ist, sondern im Rahmen seiner Strukturaufklärung im Vorfeld konkreter Gefahren und Straftaten tätig ist, und nicht über polizeiliche Zwangsbefugnisse verfügt. Auch organisatorisch müssen Verfassungsschutz und Polizei getrennt sein (Trennungsgebot). Darüber hinaus muss der Datenaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei den Anforderungen des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten informationellen Trennungsprinzips genügen. Dementsprechend ist die Informationsübermittlung für ein mögliches operatives polizeiliches Tätigwerden nur zum Schutz eines herausragenden öffentlichen Interesses zulässig. Ein solches Interesse ist beispielsweise die Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder die Verhinderung oder Verfolgung extremistischer Straftaten. 23 Angesichts der anhaltenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus haben die Innenminister die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren ausgebaut. 2004 hat das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow seine Arbeit aufgenommen. Neben Vertretern des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), des Bundeskriminalamtes (BKA), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Generalbundesanwalts (GBA) ist auch der Berliner Verfassungsschutz neben allen weiteren Landesbehörden für Verfassungsschutz dort vertreten. Das GTAZ ermöglicht, Informationen zum islamistischen Terrorismus umgehend gemeinsam zu analysieren und die operativen Maßnahmen abzustimmen. Gerade bei der Bewältigung besonderer Gefährdungslagen hat sich diese Kooperationsund Informationsanbahnungsplattform als nützlich erwiesen. Nach der Aufdeckung der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) und ihrer Mordserie wurde analog zum Bereich des islamistischen Terrorismus auch bei der Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf den Weg gebracht. Im Dezember 2011 wurde das "Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus" (GAR) eingerichtet. Es dient der engeren Koordination und Kooperation zwischen den Nachrichtendiensten und den Polizeibehörden von Bund und Ländern und wurde im Herbst 2012 in das neue "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) für alle Phänomenbereiche (außer Islamismus) eingegliedert. Auch der Berliner Verfassungsschutz ist dort mit einem Verbindungsbeamten vertreten. 24 Verfassungsschutz Berlin Für Bürger und Politik: Die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Die Information von Politik und Öffentlichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ist die zentrale Aufgabe des Berliner Verfassungsschutzes.3 Er informiert Senat, Parlament und die Öffentlichkeit über aktuelle Entwicklungen in den Beobachtungsfeldern - so weitgehend und intensiv wie möglich. Dem Verfassungsschutz sind selbstverständlich in der Art und im Umfang seiner offenen Informationen Grenzen gesetzt. Oftmals werden die politische Leitung und die parlamentarischen Kontrollgremien in vertraulicher oder nicht öffentlicher Sitzung über gravierende Ereignisse und Entwicklungen informiert. Gleichwohl ist der Verfassungsschutz bestrebt, relevante und bemerkenswerte Aktivitäten und Veränderungen in den Extremismusspektren auch der Öffentlichkeit mitzuteilen. Sei es in wissenschaftlichen Analysen oder anlassbezogenen Lageanalysen im Internet - dem Thema angemessen informiert der Verfassungsschutz präzise und informativ. Weil er dazu beiträgt, die gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus zu führen, leistet er einen aktiven Beitrag zur Prävention. Der Verfassungsschutz informiert aber nicht nur in unterschiedlichen Publikationen und über das Internet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten auch Vorträge für Bildungseinrichtungen und interessierte Organisationen. Zudem veranstaltet der Berliner Verfassungsschutz Symposien zu seinen Themenfeldern. 3 SS 5 Abs. 1 VSG Berlin. 25 Publikationen Der Berliner Verfassungsschutz hat mehrere Publikationsreihen entwickelt, um dem unterschiedlichen Informationsbedarf gerecht zu werden. Alle Publikationen können schriftlich bestellt werden und sind im Internet abrufbar.4 * Verfassungsschutzbericht: Den umfassendsten Überblick über die einzelnen Beobachtungsfelder geben die jährlichen Verfassungsschutzberichte. Sie informieren über das aktuelle Geschehen im extremistischen Spektrum, über die ideologischen Grundlagen des Islamismus, Rechts-, Linksund Ausländerextremismus sowie über die wichtigsten in Berlin vertretenen extremistischen Gruppierungen. * "IM FOKUS": Die Reihe behandelt einzelne Themenkomplexe des Extremismus wie rechte oder linke Gewalttaten oder Phänomene des Islamismus. Auch eine Broschüre zu Scientology liegt vor. Stärker als im Verfassungsschutzbericht steht die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Forschung im Vordergrund. * "INFO": Die "INFO"-Reihe bietet praxisnahe kompakte Informationen über Erscheinungsformen des Extremismus. * "Infoflyer": Die Reihe "Infoflyer" klärt in kompakter Form über extremistische Aktivitäten auf, warnt vor Entwicklungen und Gefahren und bietet Hilfestellung bei praktischen Problemen an. * Lageund Wahlanalysen: Diese Reihe bietet kurze Analysen zu Detailthemen. * "Verfassungsschutz Berlin. Sicherheit, Aufklärung, Transparenz": Die Broschüre gibt Basisinformationen über Aufgaben und Befugnisse, Arbeitsfelder und Vorgehensweisen des Verfassungsschutzes. 4 Siehe www.berlin.de/sen/inneres/verfassungsschutz/publikationen. 26 Verfassungsschutz Berlin Informationsfilme Die Informationsfilme geben anschaulich und kompakt Auskunft über die Arbeit des Verfassungsschutzes und seiner Beobachtungsfelder. Veranstaltungsarbeit Wegen der großen Nachfrage wiederholte der Berliner Verfassungsschutz in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung im Mai die Informationsveranstaltung zum Thema "Reichsbürger und Selbstverwalter" vom November 2017. In Vorträgen und Workshops diskutierten Fachleute mit Vertreterinnen und Vertretern aus Sicherheitsbehörden, Justiz, Verwaltung und der Zivilgesellschaft die Entwicklung der Szene sowie Handlungsund Verhaltensempfehlungen. Darüber hinaus hat der Berliner Verfassungsschutz zahlreiche Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Dabei wurde sowohl über die Extremismusfelder, die der Verfassungsschutz beobachtet, als auch über die Arbeitsweise des Nachrichtendienstes informiert. Die Vortragsveranstaltungen wurden insbesondere von Polizei und Justiz sowie von schulischen und außerschulischen Bildungsträgern angefragt. Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen Der Berliner Verfassungsschutz beteiligt sich am Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen. Er arbeitet regelmäßig mit anderen Akteuren im "Berliner Beratungsnetzwerk" gegen Rechtsextremismus zusammen. Zudem gibt es eine Kooperation mit der "Beratungsstelle Kompass" (Deradikalisierungsnetzwerk gegen Salafismus), die mit Mitteln der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom "Violence Prevention Network" betrieben wird. Darüber hinaus steht der Berliner Verfassungsschutz im Austausch mit Organisationen aus Wissenschaft und Gesellschaft, mit denen er je nach Bedarf und Möglichkeit den Aufbau weiterer Kooperationen anstrebt. 27 Internet Über den Internetauftritt unter www.verfassungsschutz-berlin.de können Informationen über die Grundlagen der Verfassungsschutzarbeit sowie die Veranstaltungen des Verfassungsschutzes Berlin, die Publikationen und die Kurzfilme abgerufen werden. Bürgerund Hinweistelefon Das Bürgertelefon als Teil der Öffentlichkeitsarbeit nimmt Ihre Hinweise oder Fragen gerne entgegen. Zu erreichen sind wir unter der Telefonnummer 030 90129-440 oder unter der E Mail-Adresse info@verfassungsschutz-berlin.de. Daneben hat der Verfassungsschutz ein vertrauliches Telefon für Hinweise, z. B. zur Aufklärung des islamistischen Terrorismus, eingerichtet: - 030 20054507 (in deutscher Sprache) - 030 20054532 (in türkischer Sprache) - 030 20054553 (in arabischer Sprache) Die eingehenden Nachrichten werden von sprachkundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bearbeitet. Darüber hinaus können auch vertrauliche E-Mails an die Adressen vertrauliches-telefon@verfassungsschutz-berlin.de oder aman@verfassungsschutz-berlin.de gesendet werden. 28 II Aktuelle Entwicklungen in den Beobachtungsfeldern 29 30 1 Islamismus 31 1 Islamismus 1.1 Ideologie Islamismus Der Islamismus ist eine politische Ideologie und steht für die Ideologisierung des Islam. Er erhebt den Anspruch, der Islam sei nicht nur Religion, sondern auch Herrschaftsideologie und Gesellschaftsordnung. Daraus resultiert die Forderung nach Anwendung der islamischen Rechtsund Werteordnung Scharia als umfassendes politisches und soziales Ordnungsprinzip. Trotz ideologischer Gemeinsamkeiten der islamistischen Strömungen existieren verschiedene, teils konkurrierende Konzepte, die von einer Ablehnung der Demokratie bis zur Beteiligung an Wahlen reichen. Erhebliche Unterschiede bestehen im Bereich der Gewaltorientierung. Während "legalistische" Islamisten nicht gewaltorientiert sind, gibt es Gruppen, die zur Durchsetzung ihrer Ziele Gewalt befürworten oder anwenden. Zum Islamismus gehört auch der Salafismus in seiner politischen und jihadistischen Ausprägung. Islamismus lässt sich als Bestreben politischer Bewegungen des 20. Jahrhunderts definieren, den Islam zu ideologisieren und dort, wo es möglich ist, entweder eine islamistische Herrschaft zu errichten, die Gesellschaft zu islamisieren oder mit islamistischen Auffassungen die Deutungshoheit über die Form des gelebten Islam zu erringen. Islamisten begreifen den Islam nicht allein als Religion, sondern als Herrschaftsideologie und als umfassendes Gesellschaftssystem. 32 Islamismus Die zentrale Botschaft des Islamismus ist die Behauptung, dass der Islam eine unteilbare Einheit von "Religion" und "Politik" bilde. Dem hieraus abgeleiteten politischen Anspruch versuchen Islamisten mit dem Slogan, der Islam sei "Religion und Staat" (arab.: al-islam din wa-daula), Nachdruck zu geben. Kennzeichnend für einige islamistische Gruppen ist die Favorisierung frühislamischer und mittelalterlicher Herrschaftskonzepte - etwa die Vorstellung eines globalen Kalifats, in dem die Führungsperson (Kalif) zugleich die weltliche und die religiöse Herrschaft ausübt. Darüber hinaus begreifen Islamisten die islamische Rechtsund Werteordnung Scharia nicht allein als Recht, sondern als absolutes politisches und gesellschaftliches Ordnungsprinzip. So werben sie mit dem Schlagwort der "Anwendung der Scharia" meist für eine vollständige Umsetzung ihrer Bestimmungen. Schließlich versuchen insbesondere gewaltorientierte islamistische Gruppen, Gewalt durch Bezüge auf die Religion zu legitimieren. Hierbei reduzieren sie den Begriff des Jihad (wörtl. Bemühung) vorrangig auf die Bedeutung von Kampf und Krieg und verstehen ihn nicht - wie im islamischen Recht fixiert - als eine vorrangig zum Zwecke der Verteidigung muslimischer Gebiete zulässige Methode. Zudem wird dieses Verständnis des Jihad zu einer individuellen Pflicht jedes Muslims erklärt. Trotz gemeinsamer ideologischer Merkmale folgen die islamistischen Gruppen keinem einheitlichen Konzept. Der Islamismus umfasst vielmehr unterschiedliche bis konkurrierende Handlungskonzepte, die meist von den differierenden politischen und sozialen Bedingungen der Herkunftsländer bestimmt werden. Einige Islamisten verketzern etwa Demokratie als vermeintlich unislamisch, während andere sich an Wahlen beteiligen. Kategorisierung nach Gewaltorientierung In der Frage des Einsatzes von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele bestehen zwischen den Organisationen erhebliche Unterschiede. Das Spektrum reicht von der Ablehnung jeglicher Gewaltanwendung bis zur vermeintlich religiös begründeten Rechtfertigung von Terrorismus. Zwei Hauptgruppen sind 33 zu unterscheiden: Die erste Kategorie bilden die nicht-gewaltorientierten Islamisten, die auch als "legalistische" Islamisten bezeichnet werden. Hierzu gehören Gruppen, die entweder nie gewaltorientiert ausgerichtet gewesen sind (etwa die Anhänger der türkischen "Milli Görüs"-Ideologie) oder die - häufig nach langen Phasen des Terrorismus - der Gewalt inzwischen abgeschworen haben (etwa die arabische "Muslimbruderschaft"). Das Fehlen der Gewaltorientierung gilt vor allem für die deutschen Ableger der "legalistischen Islamisten". Die zweite Kategorie bilden die gewaltorientierten Islamisten, die sich in drei Unterkategorien einteilen lassen. Zur ersten Unterkategorie gehören Gruppen, die Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele zwar befürworten, selbst aber vorrangig keine Gewalt ausüben. Dies betrifft etwa die in Deutschland seit Januar 2003 verbotene "Hizb ut-Tahrir" ("Partei der Befreiung", HuT). Zur zweiten Unterkategorie gehören Gruppen, die ihre terroristischen Aktivitäten vorrangig auf den Nahen Osten beschränken. Dies gilt etwa für die libanesische "Hizb Allah" ("Partei Gottes") und die palästinensische HAMAS ("Bewegung des Islamischen Widerstands"). Die dritte Unterkategorie gewaltorientierter Islamisten bilden schließlich transnational agierende Terrornetzwerke. Hierzu gehört in erster Linie das Netzwerk "al-Qaida" ("die Basis"), von dem inzwischen mehrere regionale Zweige existieren. Zu den transnationalen Terrornetzwerken zählt auch der "Islamische Staat" (IS) in seinem Kernraum in Teilen Syriens und des Iraks. Ideologisch hebt sich der IS durch die exzessive Anwendung der "Verketzerung" (arab.: "Takfir") Andersgläubiger von "al-Qaida" ab, womit Verbrechen gegen Zivilisten und nicht dem IS folgende Muslime gerechtfertigt werden. Salafismus Innerhalb des islamistischen Spektrums erweist sich der Salafismus in seiner politischen und jihadistischen Ausprägung als die seit Jahren dynamischste Bewegung - sowohl in Deutschland als auch international. Salafismus be34 Islamismus zeichnet eine unbedingte Orientierung an der muslimischen Urgesellschaft, wie sie im siebten Jahrhundert auf der Arabischen Halbinsel bestand. Salafisten glauben, in den religiösen Quellen des Islam ein genaues Abbild dieser idealisierten Frühzeit gefunden zu haben und versuchen, die Gebote Gottes wortgetreu umzusetzen. Dies führt häufig zu einer wörtlichen Auslegung des Koran sowie der Sunna (wörtl.: Brauch), der Tradition des Propheten und Religionsstifters Muhammad (570 - 632 n. Chr.). Das zumeist wortgetreue Verständnis religiöser Texte kann dazu führen, dass von ihnen frühislamische Herrschaftsund Rechtsformen befürwortet werden. Diese sind mit den Werten unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. Im Gegensatz zu den übrigen islamistischen Gruppen und Ideologien in Deutschland, die - wie die "Milli Görüs"-Bewegung, "Muslimbruderschaft", "Hizb Allah", HAMAS und "Hizb ut-Tahrir" - mehrheitlich nicht salafistisch ausgerichtet sind, verkörpert der Salafismus eine besonders rigide Islamismus-Variante. Hierzu gehört neben der strikten Orientierung an der Gesellschaftsform des ersten muslimischen Gemeinwesens in Medina (gegr. 622 n. Chr.) auch ein Exklusivanspruch des eigenen Islam-Verständnisses gegenüber jeglichen anderen Islam-Interpretationen. So versuchen Salafisten, die Scharia meist in ihrer ursprünglichen Form durchzusetzen und beharren darauf, dass ihre Bestimmungen zeitlos seien und keinesfalls angepasst werden dürften. Insbesondere Muslime werden von Salafisten aufgefordert, salafistische Islam-Interpretationen zu übernehmen und Vorschriften zu befolgen. Hierzu gehört vor allem die - von den meisten anderen islamistischen Gruppen so nicht praktizierte - Diffamierung als "Ungläubige" (arab.: kuffar). Diese zielt bei Salafisten nicht allein auf Juden und Christen, sondern auch auf jene Muslime, die ihre Auffassungen nicht teilen. Entsprechend fordern sie zur Kontaktvermeidung und zum Abbruch der Beziehungen zu sogenannten "Ungläubigen" auf. Darüber hinaus weisen sie jegliche Integrationskonzepte zurück. 35 1.2 Personenpotenziale Transnationale terroristische Netzwerke wie "al-Qaida" und die "MujahidinNetzwerke", zu denen auch der "Islamische Staat" und die "Islamistische nordkaukasische Szene" zählen, agieren zumeist im Verborgenen, haben unterschiedliche Strukturen und sind teils miteinander vernetzt. Das Personenpotenzial terroristischer Netzwerke in Deutschland ist quantitativ kaum zu erfassen. Im salafistischen Spektrum Berlins ist bis Ende 2018 eine Zunahme von 950 auf 1 020 Salafisten zu verzeichnen, von denen 460 als gewaltorientiert gelten. Damit entspricht Berlin dem bundesweiten Trend. Regional gewaltausübende Organisationen agieren vor allem im Nahen Osten terroristisch. Sie verhalten sich in Deutschland in der Regel zurückhaltend und meist gewaltfrei. Daneben existieren islamistische Gruppen, die Gewalt befürworten, selbst aber kaum Gewalt ausüben. Sowohl das Personenpotenzial der regional gewaltausübenden Islamisten als auch das der gewaltbefürwortenden islamistischen Gruppen ist gleich geblieben. Das Personenpotenzial legalistischer islamistischer Gruppierungen ist in Berlin 2018 leicht gesunken. Von den 600 legalistischen Islamisten in Berlin sind 500 der "Milli Görüs"-Bewegung (MGB) zuzurechnen. Die übrigen 100 Personen entfallen auf die "Muslimbruderschaft" sowie auf weitere Einzelpersonen der "Deutschen Muslimischen Gemeinschaft" (DMG), die noch bis September als "Islamische Gemeinschaft in Deutschland" (IGD) firmierte. 36 Islamismus Personenpotenziale Berlin 2017 2018 Transnationaler islamistischer Terrorismus / Islamindestens 20 mindestens 20 mistisch-terroristisches Personenpotenzial, davon: Mujahidin-Netzwerke keine gesicherten keine gesicherten (z.B. al-Qaida / Islamischer Staat) Zahlen Zahlen Islamistische nordkaukasische Szene 20 20 Salafistische Bestrebungen 950 1 020 Regional gewaltausübende und gewaltbefürworten355 355 de islamistische Gruppen, davon: Regional gewaltausübende Gruppen, davon: 320 320 Hizb Allah 250 250 HAMAS 70 70 Gewaltbefürwortende Gruppen, davon: 35 35 Hizb ut-Tahrir (HuT) 35 35 Sonstige EP EP Legalistischer Islamismus, davon: 620 600 Muslimbruderschaft (MB) 120 100 Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) / EP EP Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) "Milli Görüs"-Bewegung (MGB) 500 500 Gesamt 1 945 1 995 EP = Einzelpersonen 37 1.3 Salafistische Bestrebungen Salafismus Mitglieder: Berlin: 1 020, davon gewaltorientiert: 460 (2017: 950, davon gewaltorientiert: 420) Der Begriff "Salafismus" bezeichnet eine auf wahhabitischem Gedankengut basierende Bewegung, die aus unterschiedlichen Strömungen besteht. Der Verfassungsschutz beobachtet den politischen und den jihadistischen Salafismus. Beide Strömungen gelten als Formen des Islamismus, weil sie eine verfassungsfeindliche Ideologie darstellen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist.5 Salafisten fordern eine Gesellschafts-, Rechts-, und Herrschaftsordnung, die sich ausschließlich an einer wortgetreuen Auslegung von Koran und Sunna sowie an den sogenannten "rechtschaffenen Altvorderen" (arab.: al-salaf al-salih) orientiert. Die Absolutsetzung frühislamischer Herrschaftsund Rechtsformen hat zur Folge, dass jedes Abweichen von dieser Norm, die als "wahrer Islam" propagiert wird, als verbotene Verfälschung bzw. "Neuerung" (arab.: bid'a) abgelehnt wird. Politischer und jihadistischer Salafismus unterscheiden sich prinzipiell in der Wahl der Mittel. Der politische Salafismus stützt sich auf Propaganda zur Verbreitung seiner Ideologie. Der jihadistische 1 5 Zu weiteren Hintergrundinformationen vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Salafismus als politische Ideologie. Berlin 2014. 38 Islamismus Salafismus setzt hingegen auf eine Strategie der Gewaltanwendung. Er interpretiert den Jihad ausschließlich in seiner militanten Deutung und erklärt ihn im Widerspruch zu allen religiösen Traditionen sogar zur individuellen Glaubenspflicht eines jeden Muslim. Die Übergänge zwischen beiden Strömungen sind fließend. In Berlin hat sich in den vergangenen Jahren eine salafistische Infrastruktur herausgebildet, die vielfältige Aktivitäten entfaltet. Hierzu gehören Moscheevereine, Vorträge einschlägiger Prediger, Islamunterricht und Islamseminare, aber auch die Verteilung bzw. der Verkauf des Koran oder entsprechender Literatur an Info-Ständen sowie ein umfangreiches, auch deutschsprachiges Angebot auf zahlreichen Internetseiten und in den sozialen Netzwerken. Zu den Treffpunkten von Salafisten in Berlin zählen die "Al-Nur-Moschee", die "as-Sahaba-Moschee" und die "Ibrahim al-Khalil-Moschee", darüber hinaus veranstalteten sie aber auch Info-Stände unter dem Motto "We love Muhammad". 1.3.1 Al-Nur-Moschee Die "Al-Nur-Moschee" in Neukölln wurde im November 1986 gegründet. Es handelt sich bei ihr um eine von Salafisten dominierte Einrichtung. Sowohl der Vorstand als auch die als Hauptakteure bekannten Personen sind dem politischen Salafismus zuzuordnen. Auch die Inhalte der Freitagspredigten und des Islamunterrichts belegen die salafistische Ausrichtung der Moschee. Allerdings wird seit der zweiten Jahreshälfte 2017 verstärkt darauf 39 geachtet, dass ein moderates Bild in die Öffentlichkeit transportiert wird. Ausschlaggebend hierfür ist die Sorge vor einem Vereinsverbot. Die "Al-Nur-Moschee" wird überwiegend von Personen besucht, die nicht dem salafistischen Spektrum zuzurechnen sind. Das Besucherspektrum umfasst hauptsächlich Personen aus dem arabischen Raum, insbesondere der Levante. Auf rund ein Viertel der Moscheebesucher beläuft sich das salafistische Personenpotenzial. An den Freitagspredigten nehmen durchschnittlich 600 bis 800, vereinzelt auch bis zu 1 000 Besucher teil. Seit einigen Jahren ist ein hoher Anteil an syrischen Flüchtlingen festzustellen. 1.3.2 Ibrahim al-Khalil-Moschee Nach ihrer Gründung im Juni 2013 entwickelte sich die "Ibrahim al-Khalil-Moschee" in Tempelhof rasch zu einem wichtigen Anlaufpunkt und Treffort von Salafisten in Berlin, darunter auch von jihadistischen Salafisten. Seit der Einsetzung eines neuen Imams 2016 bemühen sich die Verantwortlichen in der Öffentlichkeit jedoch um eine moderatere Linie. Die Besucherzahl der Freitagsgebete in der "Ibrahim al-Khalil-Moschee" variiert zwischen 300 und 400 Personen, vereinzelt haben aber auch schon zwischen 700 und 1 000 Personen an den Freitagsgebeten teilgenommen. Der Moscheeverein bietet diverse Unterrichte für Männer und Frauen an. In der Schule der Moschee können Kinder ab dem Vorschulalter angemeldet werden. 40 Islamismus Vom Besucherspektrum her ist die Moschee arabisch dominiert, darüber hinaus sind aber auch Personen mit türkischem Hintergrund zahlreich vertreten. Das salafistische Personenpotenzial liegt bei rund 40 Prozent. Vom 21. bis zum 23. Dezember fand in der "Ibrahim al-Khalil-Moschee" ein salafistisches "Islamseminar" statt. Einige der dort aufgetretenen Referenten sind dem salafistischen Spektrum zuzurechnen.6 Salafistische "Islamseminare" Wichtiges Strukturelement salafistischer Aktivitäten in Deutschland sind deutschsprachige "Islamseminare", seltener auch "Islamkurse" genannt. Es handelt sich um teils mehrtägige Veranstaltungen, die auch überregional Besucher anziehen. "Islamseminare" dienen der Vermittlung eines salafistischen Islamverständnisses und salafistischer Ideologie, der Werbung neuer Anhänger sowie der Kontaktpflege in den informell organisierten Netzwerken. Salafistische "Islamseminare" haben seit 2004 in allen Berliner Moscheen stattgefunden, die dem Salafismus nahestehen. Problematisch sind diese salafistischen Seminare auch wegen ihrer radikalisierungsfördernden Wirkung, da sie zumeist junge Menschen mit extremistischer Ideologie in Kontakt bringen. 6 Facebook-Profil der "Ibrahim al-Khalil-Moschee" (arabischsprachig). Veröffentlicht am 10.12.2018. Abgerufen am 13.12.2018. 41 1.3.3 As-Sahaba-Moschee Die "as-Sahaba-Moschee" in Wedding wurde im Juni 2010 eröffnet, der gleichnamige Trägerverein der Moschee war bereits im Januar 2008 gegründet worden. Die "as-SahabaMoschee" zählt nach wie vor zu den wichtigsten Trefforten der salafistischen Szene in Berlin. Das Besucherspektrum ist türkischer, somalischer, kaukasischer, irakischer und ägyptischer Herkunft. An den Freitagspredigten nehmen bis zu 250 Personen teil. Bei rund der Hälfte der Moscheebesucher handelt es sich um Salafisten. Wie in den Jahren zuvor fanden wieder mehrere salafistische "Islamseminare" in der "as-Sahaba-Moschee" statt - so etwa vom 9. bis zum 11. Februar,7 vom 30. März bis zum 2. April8 oder vom 19. bis zum 21. Oktober.9 Auch wenn die Veranstaltungen diesmal nicht explizit als solche bezeichnet wurden, so wiesen sie dennoch das typische Format von "Islamseminaren" oder "Islamkursen" auf. Die Mitwirkung der bundesweit bekannten salafistischen Prediger Mohamed Benhsain (alias "Abu Jamal") aus Bonn sowie Hassan Dabbagh (alias "Abulhussain") aus Leipzig bei diesen "Islamseminaren", unterstreicht die überregionale Bedeutung der "as-Sahaba-Moschee" bei der Verbreitung der salafistischen Ideologie. Der Imam der Moschee, "Abul Baraa", unternimmt mehrmals im Jahr sogenannte Deutschlandtouren, d. h. er besucht andere Moscheegemeinden im Bundesgebiet, um dort salafistische Vorträge zu halten.10 7 Facebook-Profil eines Verantwortlichen der "as-Sahaba-Moschee". Veröffentlicht am 8.2.2018. Abgerufen am 15.2.2018. 8 Ebd. Veröffentlicht am 29.3.2018. Abgerufen am 21.11.2018. 9 Ebd. Veröffentlicht am 18.10.2018, Abgerufen am 19.10.2018. 10 Exemplarisch können hier etwa seine Vorträge in Dortmund am 9.11.2018, in Dormagen am 10.11.2018 sowie in Wuppertal am 11.11.2018 genannt werden. Vgl. Facebook-Profil von "Abul Baraa". Veröffentlicht am 3.11.2018. Abgerufen am 5.11.2018. 42 Islamismus Die Predigten von "Abul Baraa" sind stellenweise gewaltbefürwortend. Diese Gewaltbefürwortung bezieht sich vor allem auf den militanten Jihad in den islamischen Kernländern, wenn diese angegriffen werden. So betont er etwa: "Leute kommen in Dein Land herein, Kuffar, und sie wollen Dein Land einnehmen, Deine Religion zerstören, Deine Religion vernichten, sie wollen [...] Frauen vergewaltigen. [....] Und wir sagen ganz klar, es ist das größte Recht und die größte Pflicht von einem jeden Muslim, diese Kuffar, die reinkommen in sein Land, zu töten. [...] Und wir reden über einen Zustand, wo die Kuffar hereinkommen in die Länder der Muslime, so dürfen die Muslime sie bekämpfen. Und das ist ihr Recht, liebe Geschwister." 11 In "Abul Baraas" Predigten fallen Aussagen auf, die klassische Elemente salafistischer Ideologie enthalten. Dazu zählt etwa der Glaube an eine globale Verschwörung, die das Ziel verfolge, den Islam zu erniedrigen und zu vernichten. So warnt er eindringlich vor einem "zweiten Holocaust", der diesmal angeblich den Muslimen drohe: "Das Problem ist, dass die Leute hier in Deutschland speziell eine große Kampagne [...] gegen den Islam gestartet haben [...]. [...] Und wir sagen, [...] wir sind Muslime, die bereit sind, für diese Religion zu leben und zu sterben, selbst wenn sie uns töten sollten in diesem Land. [...] Wenn man sieht, wie sie gegen den Islam extrem hetzen und schon viele Muslime auf den Straßen täglich angegriffen werden. [...] Wie lange wird es dauern, bis vielleicht Deutschland den zweiten Holocaust diesmal nur nicht mit den Juden schreibt, sondern mit den Muslimen?" 12 11 Videobotschaft von "Abul Baraa": "Das Übel des Extremismus (Teil 2)". Veröffentlicht auf "YouTube" am 30.9.2017. 12 Videobotschaft von "Abul Baraa": "Sie wollen unsere Moschee schließen". Veröffentlicht auf "YouTube" am 4.5.2018. Abgerufen am 18.9.2018. 43 Darüber hinaus propagiert er das Primat der Scharia - der islamischen Rechtsund Werteordnung - gegenüber "von Menschen gemachter" Gesetzgebung: "Und wenn Du eine Wahlmöglichkeit hast zwischen den Menschen und den Gesetzen Allahs und seines Gesandten, dann musst Du Dich immer für Allah und seinen Gesandten entscheiden." 13 In einer anderen Videobotschaft betonte er: "Ich mache keine Gesetze, Du machst keine Gesetze. Der Einzige, der Gesetze machen darf, ist Allah [...]".14 Aus Äußerungen wie diesen wird deutlich, dass er die Gesetzgebungshoheit des Parlaments als eine Verletzung der Souveränität Gottes ablehnt und damit in klarem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht. Auch antisemitisches Gedankengut verbreitet er wiederholt in seinen Predigten, wobei er sogar so weit geht, die Vernichtung der "zionistischen Presse" zu propagieren: "Die Deutschen hier werden gefüttert von der zionistischen Presse, die über uns lügt Tag und Nacht. [...] Aber sie haben es geschafft mit ihrer hinterhältigen Masche, möge Allah [...] sie vernichten, dass sie Menschen, die vielleicht eigentlich ein offenes Herz für den Islam hätten, dass sie diese Leute so verderben, dass diese Leute nur noch schlecht über uns denken." 15 13 Videobotschaft von "Abul Baraa": "Das Übel der falschen Traditionen". Veröffentlicht auf "YouTube" am 8.4.2018. Abgerufen am 18.9.2018. Der im Video eingeblendete Titel lautet hiervon abweichend: "Das Übel der Traditionen". 14 Videobotschaft von "Abul Baraa": "Wie verhalte ich mich wenn Allah zornig ist auf mich (Teil 1)." Veröffentlicht auf "YouTube" am 23.3.2018. Abgerufen am 25.9.2018. 15 Videobotschaft von "Abul Baraa": "Schluss mit der Jahiliyyah. Wie verbessere ich meinen schlechten Charakter?" Veröffentlicht auf "YouTube" am 18.3.2018. Abgerufen am 26.9.2018. 44 Islamismus Wegen des Verdachts der Terrorismusfinanzierung fanden am 18. Dezember Durchsuchungsmaßnahmen u. a. in der "as-Sahaba-Moschee" sowie der Wohnung von "Abul Baraa" statt.16 Der Imam der "as-Sahaba-Moschee" ist verdächtig, einem jihadistischen Kämpfer in Syrien Geld für den Erwerb von Ausrüstungsgegenständen zur Begehung terroristischer Straftaten zur Verfügung gestellt zu haben. Im Rahmen der Durchsuchungen wurden diverse elektronische Datenträger, schriftliche Unterlagen sowie ein Bargeldbetrag in Höhe von 16 000 Euro beschlagnahmt. Die Auswertung der Beweismittel dauert an. Da Mitte 2018 der Mietvertrag der Moschee auslief, suchten die Verantwortlichen mehrere Monate lang nach neuen Räumlichkeiten - allerdings ohne Erfolg. Nachdem der Vermieter sich schließlich bereit erklärte, den Mietvertrag zu verlängern, wird die "as-Sahaba-Moschee" nun zumindest vorerst doch nicht umziehen. 1.3.4 Info-Stand "We love Muhammad" Das 2016 initiierte Da'wa 17-Projekt "We love Muhammad" findet in Berlin weiterhin statt. Dabei handelt es sich um ein Projekt zur Verbreitung der salafistischen Ideologie. An den entsprechenden Info-Ständen werden neben der Biografie des Gesandten Muhammad ("Sira"), einem arabischsprachigen Werk über einen bekannten salafistischen Vordenker sowie zahlreichen weiteren Büchern und Broschüren seit September 2017 auch eine deutsche Übersetzung des Koran verteilt bzw. verkauft. 16 Vgl. Generalstaatsanwaltschaft Berlin: Az.173 Js 43/18. 17 Vgl. S. 46. 45 Die Verteilung des Koran im Rahmen des Projekts "We love Muhammad" ist grundsätzlich durch das Recht auf Religionsfreiheit im Grundgesetz gedeckt. Dennoch ist die Aktion problematisch. Ziel der Initiatoren der Kampagne ist es, Interessierte in Kontakt mit der salafistischen Szene zu bringen und sie so im Sinne ihrer extremistischen Ideologie zu beeinflussen. Die meisten dieser Info-Stände fanden bislang in den Bezirken Neukölln und Mitte statt. "Da'wa": Missionierung für die salafistische Ideologie Das Projekt "We love Muhammad" ist ein aktuelles Beispiel für die zahlreichen "Da'wa"-Aktiväten von Salafisten. Unter dem Begriff "Da'wa" verstehen sie eine Missionierung für das nach ihrer Auffassung einzig "wahre" und authentische Verständnis des Islam: die salafistische Ideologie. Die Methoden der "Da'wa" reichen von Propaganda - durch Literatur, Übersetzungen aus dem Arabischen, umfangreiche Internetangebote oder Info-Stände - bis hin zu intensiver Lehrund Bildungstätigkeit durch Vorträge, regelmäßigen "Islamunterricht" oder "Islamseminare". Das bis dato größte "Da'wa"-Projekt der salafistischen Szene war die Koranverteilungsaktion "LIES!" des Vereins "Die wahre Religion" (DWR). Vordergründig nur missionierend, leitete sie bei zahlreichen Aktivisten eine zunehmende Radikalisierung bis hin zur Beteiligung am bewaffneten Jihad in Syrien oder dem Irak ein. Aus diesem Grund erließ das Bundesministerium des Innern am 15. November 2016 ein deutschlandweites Verbot des Vereins DWR und der "LIES!"-Koranverteilungen. 46 Islamismus 1.4 Islamistischer Terrorismus 1.4.1 Die Gefährdungslage in Deutschland Der Anschlag auf dem Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016, bei dem zwölf Menschen getötet und mehr als 60 verletzt wurden,18 hat auf dramatische Weise verdeutlicht, dass Deutschland im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer Terroristen steht und Berlin dabei aufgrund seiner herausgehobenen Rolle als Hauptstadt ein symbolträchtiges Anschlagsziel darstellt. An dieser Gefährdungsbewertung hat sich auch aktuell nichts verändert. Deutschland wird von islamistisch-terroristischen Gruppierungen als eine der führenden Nationen innerhalb der vermeintlichen "kreuzzüglerischen Allianz" gegen die muslimische Welt wahrgenommen. Das deutsche militärische und zivile Engagement in Konfliktregionen wie Syrien und Irak, Afghanistan oder Mali dient diesen Gruppierungen als Rechtfertigung für die Anwendung von Gewalt sowohl im Bundesgebiet als auch gegen deutsche Interessen im Ausland. Für die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie für Berlin besteht daher nach wie vor eine anhaltend hohe Gefährdung aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus, die sich in Form von Gewalttaten gegen staatliche und zivile Ziele konkretisieren kann. 1.4.2 Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat und das al-Qaida-Netzwerk hält an Die militärische Niederlage der terroristischen Organisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und Irak führte dazu, dass er dort nun nicht mehr über ein "staatliches Gebilde" verfügt. Gleichwohl existiert er als terroristisches Netzwerk weiter und ist zu einer asymmetrischen Kriegsführung - gekennzeichnet durch Guerillataktik kleiner beweglicher Kampfverbände - übergegangen. 18 Vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Verfassungsschutzbericht 2016. Berlin 2017, S. 33 f. 47 "Islamischer Staat" (IS) Die transnationale jihadistische Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) wurde Ende Juni 2014 im nordirakischen Mossul gegründet, als ein Gelehrtenrat (Schura) ihren Führer Abu Bakr al-Baghdadi zum vorgeblichen "Kalifen" aller Muslime ernannte. Nach den Eroberungen des IS von Teilen des Iraks und Syriens war es 2014 erstmals einer jihadistischen Organisation gelungen, zusammenhängende Gebiete zu kontrollieren, in denen sie zeitweise staatsähnliche Strukturen etablieren konnte. Der IS hat seinen Ursprung im jihadistischen Widerstand gegen die US-Invasion im Irak 2003, dessen Organisationen zunächst dem Terrornetzwerk "al-Qaida" angehörten. Zum Bruch mit der "alQaida" kam es 2013, als al-Baghdadi den Führungsanspruch im Irak auch nach Syrien ausweiten wollte, wo sich der Widerstand gegen das Assad-Regime jihadistisch radikalisiert hatte. Mit der Ausrufung des "Kalifats" und der Bezeichnung als "Islamischer Staat" unterstrich der IS seinen globalen Anspruch, alle Muslime zu vertreten. In der Folge schworen zahlreiche jihadistische Organisationen dem "Kalifen" des IS die Treue und gründeten "Provinzen des IS", darunter in Libyen, dem Sinai und im Jemen. Ideologisch vertritt der IS eine besonders rigide Form des jihadistischen Salafismus, bei dem alle Andersgläubigen und -denkenden für ungläubig erklärt werden (Takfir). Dies legitimiere nach Auffassung des IS deren Tötung, auch wenn es sich um Muslime oder Zivilisten handelt. Die Verwirklichung der "Staatsidee" und die Territorialverteidigung haben das Handeln des IS lange bestimmt. Der zunehmende mili48 Islamismus tärische Druck der Anti-IS-Koalition,19 großräumige Gebietsverluste und ein nachlassender Zustrom von Jihadisten haben im Jahresverlauf 2017 die staatsähnlichen Strukturen des IS in Syrien und Irak kollabieren lassen. Die Vereinten Nationen, die USA, Deutschland und weitere Staaten haben den IS als Terrororganisation eingestuft. Als Kompensation für die militärischen Rückschläge wird der IS voraussichtlich verstärkt auf zwei Strategien setzen. Dabei handelt es sich zum einen um terroristische Anschläge im Westen, um gegenüber seinen Anhängern weiterhin Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Zum anderen soll die Propagandatätigkeit - zumindest mittelfristig - einen noch höheren Stellenwert erhalten. Die Logistik für die Online-Propaganda scheint allerdings so stark beeinträchtigt zu sein, dass hier seit Mitte 2017 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen ist. Hinzu kommen erhebliche personelle Verluste unter den Internet-Aktivisten des IS, so dass Qualität und Quantität der Veröffentlichungen im Vergleich zu 2015 und 2016 stark nachgelassen haben. Dies äußert sich etwa in schlechterer Bildqualität der Videos oder der häufigeren Verwendung von altem Videomaterial. Auch die Übersetzungskapazitäten sind erheblich zurückgegangen. Die Folge ist zum einen, dass der 19 Die offizielle Bezeichnung für dieses 2014 ins Leben gerufene Militärbündnis unter Führung der USA lautet "Internationale Allianz gegen den Islamischen Staat". Ihm gehören zahlreiche westliche, aber auch arabische Staaten sowie die Türkei an. Deutschland beteiligt sich ebenfalls an dieser Allianz, etwa durch Waffenlieferungen und Ausbildung kurdischer Sicherheitskräfte im Irak. 49 IS sein bekanntes, in elf Sprachen veröffentlichtes Magazin "Rumiyah" (zumindest vorläufig) einstellen musste. Die bislang letzte Ausgabe erschien im September 2017. Mittelfristig ist zu erwarten, dass der IS seine Propaganda-Aktivitäten sukzessive wieder verstärken wird. Dies bietet ihm die Möglichkeit, sich mit vergleichsweise einfachen Mitteln öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen. Einstweilen kann von dem angestrebten "virtuellen Kalifat" aber keine Rede sein. Auch wenn im August 2018 der selbsternannte "Kalif" al-Baghdadi nach fast einem Jahr mit einer Audiobotschaft erstmals wieder ein Lebenszeichen sendete, bleibt abzuwarten, ob diese Verlautbarung20 tatsächlich einen Wendepunkt zu einer (Wieder-)Belebung des "virtuellen Jihad" bedeutet. 1.4.3 Al-Qaida-Netzwerk Neben dem IS verfolgt auch das "al-Qaida"-Netzwerk unverändert die Absicht, terroristische Anschläge gegen westliche Ziele - darunter auch in Deutschland - zu verüben. Vom Niedergang des IS konnte das "al-Qaida"-Netzwerk bislang allerdings nicht profitieren. Das engere Netzwerk um den Anführer "al-Qaidas", Ayman al-Zawahiri, (Kern"al-Qaida") ist aufgrund des hohen Verfolgungsdrucks in Afghanistan und Pakistan personell und militärisch so geschwächt, dass eine Umsetzung von Anschlägen im Westen derzeit kaum möglich erscheint. Eine größere terroristische Bedrohung für Deutschland geht hingegen von anderen Gruppierungen des "al-Qaida"-Netzwerks, wie der "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) oder der "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) aus, auch wenn diese sich aktuell eher auf regionale Ziele konzentrieren. 20 Vgl. Audiobotschaft Abu Bakr al-Baghdadi: "Wa-bashiri l-sabirina" ["Bringt den Geduldigen die frohe Botschaft"]. Veröffentlicht am 22.8.2018. Abgerufen am 15.11.2018. 50 Islamismus 1.4.4 Terroristische Strategien Im Spektrum des islamistischen Terrorismus gewinnen (selbst-)radikalisierte Einzelpersonen oder autonom handelnde Kleinstgruppen immer mehr an Bedeutung.21 Sie planen und begehen eigenständig terroristische Gewalttaten, ohne eine direkte Anbindung an eine Terrororganisation zu haben. Sie sind für terroristische Gruppierungen nicht zuletzt deshalb so attraktiv, weil ihre Radikalisierung zumeist unbemerkt von der Außenwelt in kurzer Zeit erfolgt und die Aufdeckung von Tatplanungen durch die Sicherheitsbehörden äußerst schwierig ist. Beim Modus Operandi setzen terroristische Gruppierungen auf leicht zu beschaffende, zu lagernde und einzusetzende Tatmittel. Dementsprechend ist eine Zunahme von Angriffen mit Hiebund Stichwaffen, aber auch mit Fahrzeugen zu verzeichnen. Auch Schusswaffen oder Sprengstoff sind von islamistischen Terroristen häufig verwendete Tatmittel. Die Angriffe werden dabei überwiegend auf "weiche Ziele", wie etwa Fußgängerzonen, Sehenswürdigkeiten, Großveranstaltungen oder öffentliche Verkehrsmittel ausgeführt. Auch Repräsentanten des Staates, Polizisten und andere Sicherheitskräfte sind Ziele. Wesentliches Motiv der Attentäter bleibt es aber, maximale Opferzahlen zu erreichen. Darüber hinaus hoffen sie, nicht nur Angst und Verunsicherung in der Bevölkerung zu verbreiten, sondern auch eine möglichst hohe mediale Aufmerksamkeit zu erreichen. Auffällig ist, dass fast alle islamistisch motivierten Terroristen mit Bezug zu Deutschland von der salafistischen Ideologie geprägt bzw. radikalisiert worden sind. Das Gefährdungspotenzial des Salafismus besteht also darin, dass er Radikalisierungsprozesse bis hin zur Ausübung terroristischer Aktivitäten fördern kann.22 In diesem Zusammenhang stellen Ausreisende und Rückkeh21 Das Phänomen von Einzeltätern ist nicht auf den Bereich des islamistischen Terrorismus begrenzt. 22 Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesbehörden für Verfassungsschutz: "Salafistische Bestrebungen in Deutschland". Köln 2012, S. 9 f. 51 rer aus Jihad-Gebieten wie schon in den Jahren zuvor besondere Risikogruppen dar. Mittlerweile rücken aber auch salafistische Frauen, Minderjährige und Personen im Strafvollzug zunehmend in den Fokus der Sicherheitsbehörden. 1.4.5 Ausreisen in Jihad-Gebiete und Rückkehrer Die Dynamik der Ausreisen von Salafisten aus Deutschland hat seit 2016 sukzessive abgenommen. Derzeit werden Ausreisesachverhalte nur noch vereinzelt nachträglich bekannt. Neue Ausreisen in Richtung Syrien oder Irak sind aktuell nicht bekannt und nur noch in Einzelfällen zu erwarten. Den deutschen Sicherheitsbehörden liegen Erkenntnisse zu inzwischen mehr als 1 050 Personen aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien oder Irak gereist sind. Der überwiegende Teil von ihnen ist unter 30-jährig. Zu etwa der Hälfte der gereisten Personen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass sie auf Seiten des IS oder anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilgenommen oder diese in sonstiger Weise unterstützt haben. Zu ca. 200 Personen liegen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak mutmaßlich ums Leben gekommen sind. Aus Berlin sind nach derzeitigem Erkenntnisstand über 130 Personen in diese Region ausgereist, etwa 20 von ihnen sind dort mutmaßlich verstorben. Die Rückkehrer aus den Jihad-Gebieten nach Deutschland stellen ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Es besteht die Gefahr, dass zumindest einige von ihnen nicht nur über die notwendigen Kenntnisse verfügen, sondern auch die Bereitschaft haben, Anschläge auf deutschem Boden zu begehen. In manchen Fällen haben die Erfahrungen aus dem bewaffneten Kampf zu einer Brutalisierung dieser Personen geführt, wodurch ihre Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt erheblich gesunken sein dürfte. Als Jihad-Veteranen besitzen viele Rückkehrer ein beträchtliches Maß an Glaubwürdigkeit, Prestige und Autorität in der Szene. Hierdurch besteht die Gefahr, dass sie Anhänger in Deutschland mit jihad-salafistischer Ideologie radikalisieren oder bereits radikalisierte 52 Islamismus Personen zu Gewaltanwendung aufstacheln - sei es in Form von Anschlägen oder Beteiligung an Kampfhandlungen. Durch ihre internationalen Kontakte tragen sie zudem zu einer weiteren Vernetzung der Szene mit Salafisten im Ausland bei. Etwa ein Drittel der ausgereisten Personen befindet sich momentan wieder in Deutschland. Zu über 110 der bislang zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben. Diese Personen stehen unverändert im Fokus polizeilicher und justizieller Ermittlungen. Die Zahl bisheriger rechtskräftiger Verurteilungen von aus Syrien und dem Irak zurückgekehrten Personen bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich. Im Zusammenhang mit den fortschreitenden Gebietsverlusten des IS liegen Erkenntnisse zu Personen vor, die aktuell aus Syrien und dem Irak ausreisen möchten oder sich dort in Haft befinden. Bei einem Großteil dieser Personen dürfte sich eine Rückreisetendenz abzeichnen. Gleichwohl ist eine erhöhte Rückkehrbewegung nach Deutschland bislang nicht zu beobachten. Derzeit sind über 60 Rückkehrer nach Berlin zu verzeichnen. Frauen und Minderjährige Mehr als ein Fünftel der aus Deutschland ausgereisten Personen sind Frauen. In vielen Fällen wurden sie durch jihad-salafistische Gruppierungen radikalisiert, die eine geschlechtsspezifische Propaganda entwickelt haben, mit der sie ganz gezielt Frauen ansprechen. So veröffentlichen sie etwa Blogs zum vermeintlich erfüllenden Leben in den Jihad-Gebieten, Anleitungen zur Ausreise oder betreiben "virtuelle Heiratsmärkte", durch die sie Mädchen und Frauen an einen Jihad-Kämpfer vermitteln wollen. In der salafistischen Ideologie wird die Rolle der Frau primär als Ehefrau, Mutter und Unterstützerin des Ehemannes propagiert. Sie sind verantwortlich für 53 das Heranziehen einer neuen Generation von Salafisten. Darüber hinaus sind sie jedoch zunehmend bei der Verbreitung der salafistischen Ideologie und der Rekrutierung einer weiblichen Anhängerschaft aktiv - vor allem in sozialen Netzwerken und Messengerdiensten. Auf diese Weise leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Missionierung. So bieten Frauen religiöse Schulungen oder Kurse zum Erlernen der arabischen Sprache an. Auch bei Spendensammlungen, logistischer Unterstützung oder der Propagierung eines nach ihrem Verständnis moralisch einwandfreien und erstrebenswerten Lebens sind sie von großer Bedeutung. Über ihre Rolle als Ehefrau und Mutter hinaus halfen sie auch beim Aufbau des "Kalifats" auf dem Territorium des sogenannten "Islamischen Staats" - etwa als Lehrerinnen, Ärztinnen oder "Sittenwächterinnen".23 In Einzelfällen wurden Frauen auch an Waffen ausgebildet oder begingen Anschläge. In Berlin beträgt der Anteil der Frauen unter den Salafisten derzeit knapp zwölf Prozent und spiegelt damit den bundesweiten Trend wider. Neben Frauen sind inzwischen auch Minderjährige in das Blickfeld der Sicherheitsbehörden geraten. Unter ihnen sind auch einzelne Berliner. Gerade auf Jugendliche kann der Salafismus eine hohe Attraktivität ausüben. Für manche von ihnen verkörpert er eine Protestbewegung gegen die Herkunftskultur der Eltern, gegen die Moderne und gegen eine materialistische Konsumgesellschaft. Durch eine Vielzahl von eindeutigen Geboten und Verboten werden die Jugendlichen von individuellen Entscheidungen und persönlicher Verantwortung entlastet. Zudem wirkt die salafistische Ideologie für die häufig orientie23 Eine Reihe von Frauen waren in der sogenannten "Al-Khansaa-Brigade" des IS aktiv, in der sie als eine Art "Religionspolizei" eingesetzt wurden und Verstöße gegen Sitten und Moral bei der weiblichen Bevölkerung des "Kalifats" ahndeten. 54 Islamismus rungslosen Minderjährigen identitätsstiftend, vermittelt ihnen Selbstbewusstsein und auch ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Außenstehenden. Nach vorliegenden Erkenntnissen sind mindestens 300 Kinder und Jugendliche in Richtung Syrien und Irak ausgereist oder dort geboren worden. Manche Jugendliche haben sich selbst für eine Ausreise entschieden, die meisten Minderjährigen wurden jedoch von ihren radikalisierten Eltern mit in die Region genommen. Der Großteil der Kinder befindet sich im Babyund Kleinkindalter. Rund die Hälfte der Kinder wurde im Kampfgebiet geboren. Derzeit hält sich eine dreistellige Anzahl Minderjähriger in Syrien, dem Irak oder in der Türkei auf. Eine geringe Zahl von Kindern und Jugendlichen ist - fast ausschließlich gemeinsam mit ihren Eltern bzw. der Mutter - nach Deutschland zurückgekehrt. Auch wenn bislang keine konkreten Informationen vorliegen, dass sich einzelne dieser Kinder und Jugendlichen an Kampfhandlungen beteiligt haben, so stellt die von ihnen in den Jihad-Gebieten erfahrene salafistische Indoktrination und militärische Ausbildung eine Gefahr dar. Kinder und Jugendliche werden dort von jihadistischen Gruppierungen systematisch zu Kämpfern herangezogen und teilweise auch als Selbstmordattentäter oder Henker eingesetzt.24 Ein Gefährdungspotenzial geht aber nicht nur von zurückgekehrten Minderjährigen aus, sondern auch von Kindern und Jugendlichen, die in jihad-salafistisch geprägten Familien in Deutschland aufwachsen. Für eine solche Radikalisierung ist keine Ausreise in ein Kampfgebiet erforderlich. Oftmals genügt die Erziehung der Eltern oder eine speziell auf Kinder zugeschnittene Propaganda, etwa durch Kriegsspielzeug, Videospiele oder Puppen, die den salafistischen Bekleidungsvorschriften entsprechen. Aufgrund des gegenwärtig noch geringen Alters der meisten Kinder aus diesem Personenkreis werden die von außen 24 Vgl. Bundesamtes für Verfassungsschutz: "Neue Jihad-Generation? Dynamiken in der jihadistischen Sozialisation in Deutschland". Veröffentlicht am 30.5.2018 unter: verfassungsschutz.de/ de/aktuelles/schlaglicht/schlaglicht-2018-04-neue-jihad-generation. Abgerufen am 20.12.2018. 55 sichtbaren Auswirkungen einer jihadistischen Sozialisation erst mittelfristig erkennbar sein. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere bei Kindern und Jugendlichen Maßnahmen der Deradikalisierung und Prävention von besonderer Bedeutung. Dies muss in enger Zusammenarbeit z. B. mit Jugend-, Sozialund Gesundheitsbehörden in Berlin erfolgen, um Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten oder Sportvereinen im Fall eines jihadistisch sozialisierten Minderjährigen entsprechende Hilfestellungen bieten zu können.25 1.4.6 Radikalisierung im Strafvollzug Auch in Justizvollzugsanstalten rekrutieren und radikalisieren Salafisten. Derzeit befinden sich etwa 40 Gefangene in Berliner Justizvollzugsanstalten, bei denen Bezüge zum Salafismus oder islamistischen Terrorismus feststellbar sind. Insbesondere wegen ihres ausgeprägten missionarischen Charakters birgt die salafistische Ideologie die Gefahr, Strafgefangene auch in der Haft zu erreichen. Tatsächlich ist zu beobachten, dass einige Personen sich erst während ihrer Inhaftierung radikalisiert haben und im Laufe der Haftzeit selbst als Radikalisierer tätig wurden. Von radikalisierten Kriminellen geht ein erhebliches Risiko aus, da einerseits ihre Hemmschwelle zur Gewaltausübung in der Regel niedrig ist und sie andererseits über Fertigkeiten für die Planung und Durchführung von Anschlägen verfügen können. Angesichts dieses zunehmenden Gefährdungspotenzials wurde seit 2015 die Zusammenarbeit mit dem Strafvollzug intensiviert. Die Sicherheitsbehörden unterstützen dabei die Justiz auf unterschiedliche Arten, wie etwa durch Schulungen für das Vollzugspersonal, durch Analyse salafistischer Literatur und 25 Vgl. ebd.: "Jihadistische Sozialisation - Was passiert in jihadistischen Familien in Deutschland?". Veröffentlicht am 5.8.2018 unter: verfassungsschutz.de/de/aktuelles/schlaglicht/schlaglicht2018-06-jihadistische-sozialisation. Abgerufen am 20.12.2018. 56 Islamismus Propaganda oder durch Informationsaustausch zu bekannten Radikalisierern. Wichtigste Ziele hierbei sind, salafistische Radikalisierungstendenzen frühzeitig zu erkennen und die Bildung (jihad-)salafistischer Netzwerke im Strafvollzug zu verhindern. 1.4.7 Fazit und Ausblick Das Personenpotenzial im Salafismus ist in Berlin erneut angewachsen. Die salafistische Ideologie mit ihren vermeintlich klaren Regeln und ihrem einfachen "Freund / Feind"-Weltbild hat weiterhin eine hohe Attraktivität insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene und entfernt sie von den Werten und Normen des demokratischen Rechtsstaats. In Berlin ist ein Trend zum Rückzug der salafistischen Szene in den privaten Raum festzustellen. Zwar bilden Moscheen immer noch Anlaufpunkte, die Vermittlung ideologischer Inhalte findet inzwischen aber zunehmend unabhängig davon statt. Salafistische Agitatoren und deren Anhänger ziehen sich bevorzugt in kleine private, teilweise konspirativ agierende Zirkel zurück, wo salafistisches Gedankengut unter Ausschluss der Öffentlichkeit, z. B. in Privatwohnungen, "in ungefilterter Form" vermittelt werden kann. Weiterhin spielt auch die Radikalisierung durch salafistische Auftritte in den sozialen Medien eine große Rolle. Da'wa-Arbeit Auffällig ist, dass die Straßenmissionierung in Berlin rückläufig ist. Die 2016 erfolgte Verbotsmaßnahme gegen die "LIES!"-Koranverteilungsaktion dürfte in dieser Hinsicht eine nachhaltige Wirkung auf die salafistische Szene gehabt haben. Ein Bezug des "Da'wa"-Projekts "We love Muhammad" zur ehemaligen "LIES!"-Kampagne ist bislang nicht ersichtlich. Sowohl die öffentliche Präsenz der Betreiber von "We love Muhammad" als auch die Resonanz der Bevölkerung auf dieses Projekt fällt im Vergleich zur "LIES!"-Aktion deutlich geringer aus. 57 Rückreisen Es wird weiterhin auch Rückreisen salafistischer Akteure und ihrer Familienangehörigen aus Syrien und dem Irak nach Berlin geben. Einige Rückkehrer sind von den realen Bedingungen im ehemaligen IS-Gebiet enttäuscht, vielleicht auch desillusioniert. Gleichwohl steht zu befürchten, dass sie weiterhin an der gewaltorientierten Ideologie des IS festhalten. Das gilt auch für Frauen und in einer Reihe von Fällen für deren - durch ideologische Indoktrination radikalisierte - Kinder. Es ist zu erwarten, dass Frauen in der salafistischen Szene künftig eine stärkere Rolle - etwa als "Ideologie-Produzentinnen" - spielen werden als früher. 1.5 Regional gewaltausübende islamistische Gruppen Neben den salafistischen Bestrebungen, deren jihadistischer Anteil von terroristischen Netzwerken dominiert wird, existieren weitere islamistische Organisationen, deren Agenden Bezüge zur Gewalt aufweisen. Dazu gehören auch regional gewaltausübende Islamisten. Zu ihnen zählen in Deutschland insbesondere die palästinensische HAMAS und die schiitisch-libanesische "Hizb Allah". Beide Organisationen agieren vor allem im Nahen Osten terroristisch und verhalten sich in Deutschland in der Regel zurückhaltend und gewaltfrei. 1.5.1 HAMAS HAMAS ("Bewegung des Islamischen Widerstands") Gründung: 1987 Mitglieder: Berlin: 70 (2017: 70) 58 Islamismus Die HAMAS, 1987 im Gaza-Streifen gegründet, hat ihre Wurzeln in der "Muslimbruderschaft". In ihrer Charta von 1988 verneint die HAMAS das Existenzrecht Israels und strebt die "Befreiung ganz Palästinas" durch bewaffneten Kampf sowie die Errichtung eines islamischen Staates an. Durch ihre Kritik an den Friedensverhandlungen der palästinensischen Autonomiebehörde sowie durch ihr Netzwerk sozialer und karitativer Einrichtungen entwickelte sich die HAMAS zu einem politischen und gesellschaftlichen Faktor. Seit Juni 2007 übt sie im Gaza-Streifen die alleinige Kontrolle aus. Die HAMAS wird seit 2003 auf der Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union geführt. In Deutschland tritt die HAMAS nicht offen auf. Ihre Anhänger treffen sich in Moscheen und islamischen Zentren. Für die HAMAS-Strukturen in Berlin ist die politische Arbeit, das Netzwerken sowie die Spendenakquise von wesentlicher Bedeutung. Hiesige HAMAS-Veranstaltungen und Demonstrationen richten sich im Wesentlichen nach dem Geschehen im Nahen Osten und verlaufen weitgehend störungsfrei. Am 29. April nahmen Berliner HAMAS-Anhänger in Mailand an der diesjährigen "Konferenz der Palästinenser in Europa" teil. Die seit 2003 jährlich in unterschiedlichen europäischen Ländern stattfindende Konferenz gilt als wichtigste Propagandaveranstaltung der HAMAS in Europa. Sie wird u. a. organisiert vom "Palestine Return Centre" (PRC), das als zentrale Propagandaorganisation der HAMAS in Europa gilt. Aus Berlin kam die größte Teilnehmergruppe mit rund 250 Personen. 59 1.5.2 Hizb Allah "Hizb Allah" ("Partei Gottes") Gründung: 1982 Mitgliederzahl: Berlin: 250 (2017: 250) Die schiitisch-islamistische "Hizb Allah" ("Partei Gottes") entstand 1982 als paramilitärische Bewegung, die aus ideologischen, regionalpolitischen und konfessionellen Motiven von Iran und Syrien unterstützt wird. Als ehemalige Kriegsmiliz im Libanon unterhält die "Hizb Allah" einen militärischen Flügel, bekannt als "Islamischer Widerstand" (arab.: "Al-Muqawama al-Islamiya").26 Die "Hizb Allah" negiert das Existenzrecht Israels und propagiert den bewaffneten Kampf gegen Israel. Aufgrund ihres sozialpolitischen Engagements verfügt die "Hizb Allah" unter den libanesischen Schiiten über eine große Anhängerschaft und ist seit 1992 im Parlament vertreten. Seit Oktober 2016 hat der Libanon mit Michel Aoun wieder einen Staatspräsidenten, der als maronitischer Christ ein Verbündeter der "Hizb Allah" ist. Wegen antisemitischer Propaganda sowie gegen Israel gerichteter Gewaltaufrufe wurde in Deutschland 2004 die Ausstrahlung des "Hizb Allah"-eigenen TV-Senders "al-Manar" ("Der Leuchtturm") 26 Der UN-Sicherheitsrat forderte in zwei Resolutionen die Entwaffnung der "Hizb Allah", so 2004 mit Resolution 1 559 und 2006 mit Resolution 1701. 60 Islamismus unterbunden. 2008 erließ der Bundesminister des Innern zudem ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot gegen "Al-Manar". Die "Hizb Allah" ist von den USA, Kanada und Israel als Terrororganisation eingestuft. Als Reaktion auf einen Anschlag in Bulgarien im Juli 2012, bei dem fünf Menschen starben, beschlossen die EUAußenminister im Juli 2013, den militärischen Flügel der "Hizb Allah" in die "EU-Terrorliste" aufzunehmen. Im Mai 2018 verschärften die USA erneut ihre Sanktionen gegen Führungspersonen der Organisation. Anhänger und Sympathisanten der "Hizb Allah" treten in Berlin nicht offen in Erscheinung. Sie beteiligen sich allerdings am "al-Quds-Tag"27. Darüber hinaus ist die Jahresfeier zur Befreiung des Südlibanon am 25. Mai das wichtigste politische Ereignis des "Hizb Allah"-nahen Spektrums in Berlin. 27 Vgl. S. 67 ff. 61 1.6 Legalistischer Islamismus In der Agenda legalistischer Islamisten spielt Gewalt keine Rolle. Zur Durchsetzung ihrer islamistischen Vorstellungen, die sie in der Regel vor der Öffentlichkeit verbergen, versuchen sie, alle rechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen. Dabei sind sie bestrebt, als vermeintliche Interessenvertreter der gesamten muslimischen Glaubensgemeinschaft aufzutreten. Innerhalb dieser Gemeinde machen sie verstärkt Werbung für eigene politische Interessen, um diese auf legalem Weg durchzusetzen. Offen geäußerte extremistische Positionen sind bei legalistischen Islamisten nur selten festzustellen. Ihre Organisationsstrukturen dienen ihnen als Mittel, die Deutungshoheit über den gelebten Islam in Deutschland zu erlangen und dabei auch islamistische Positionen im gesellschaftlichen Diskurs zu verankern. Damit versuchen sie zugleich, öffentliche Debatten zur Integration und zum interreligiösen Dialog in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die freiheitliche demokratische Grundordnung wird indessen nicht vorbehaltslos mitgetragen. Legalistische Islamisten nehmen vielmehr eine opportunistische Position zum deutschen Recht ein. Einige legalistische Islamisten vertreten zudem offen Positionen, etwa zur Gleichbehandlung der Geschlechter oder zum Staatsmodell demokratischer Staaten, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht im Einklang stehen, und treten damit für deren Abschaffung ein. Dies zeigte sich z. B. als ein US-amerikanischer Gastprediger bei Jugendveranstaltungen einer legalistisch-islamistischen Organisation in Berlin auftreten durfte. Von diesem Prediger ist bekannt, dass er islamistische Positionen propagiert und sogar die Anwendung von Gewalt legitimiert. Zu den legalistischen Islamisten in Deutschland zählen die "Muslimbruderschaft" und die türkische "Milli Görüs"-Bewegung. 62 Islamismus 1.6.1 Muslimbruderschaft "Muslimbruderschaft" (MB) Gründung: 1928 Mitglieder: Berlin: 100 (2017: 120) Die von Hassan al-Banna 1928 in Ägypten gegründete "Muslimbruderschaft" (MB) ist die älteste arabische islamistische Gruppierung. Die pan-islamistische MB ist heute, teils unter anderen Namen, in vielen Ländern des Nahen Ostens vertreten, die dort sehr verschiedene Entwicklungen durchlaufen haben. Die ägyptische MB agierte von den 1940er bis zu den 1960er Jahren phasenweise auch militant. Als nicht mehr gewaltorientiert gilt sie seit der Abspaltung ihrer militanten Flügel in den späten 1970er Jahren. Die MB definiert den Islam als ein "System", das "zu jeder Zeit und an jedem Ort" anwendbar sei und erhebt Koran und Sunna zur Richtschnur des politischen Handelns. Hieraus leitet sie ihre Forderung nach einer umfassenden Anwendung der Scharia und nach Schaffung eines islamischen Staates ab. Ideologisch verkörpert die MB jedoch ein breites Spektrum, das bis zu der Forderung nach Schaffung eines "zivilen Staates mit islamischem Referenzrahmen" bzw. einer "islamischen Demokratie" reicht. Die mitgliederstärkste Organisation von MB-Anhängern in Deutschland ist die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V." (IGD). Der IGD stehen in Deutschland und in Berlin eine Reihe von Vereinen nahe. Diese 63 sind Teil eines europaweiten Geflechts von Institutionen, das die Strukturen der MB außerhalb ihres Kernraumes prägen. Am 9. September fand in Hagen die 36. Jahreskonferenz der IGD statt, deren Höhepunkt die offizielle Verkündung der Umbenennung in "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V." (DMG) war. Mit dieser Namensänderung wird offenbar das Ziel verfolgt, die durch Gerichtsurteile wiederholt festgestellte und damit auch öffentlich bekannt gewordene Anbindung des Vereins zur MB zu verschleiern und sich unter neuem Namen als unbelasteter Ansprechpartner zu präsentieren. Ziel der IGD/DMG ist es so, bei Politik, Behörden und Sozialverbänden wieder als Ansprechpartner anerkannt zu werden. 1.6.2 Milli Görüs-Bewegung "Milli Görüs"-Bewegung (MGB) Mitglieder: Berlin: 500 (2017: 500) Die Ideologie der "Milli Görüs"-Bewegung beruht auf den politischen Konzepten von Necmettin Erbakan, die von ihm mit den Begriffen "Milli Görüs" (Nationale Sicht) und "Adil Düzen" (Gerechte Ordnung) charakterisiert wurden. Erbakan wollte die türkischen Bürger unter dem Dach von Nationalismus und Islamismus vereinen, die bestehende "nichtige" bzw. "falsche Ordnung" (batil düzen) überwinden und sie durch eine "gerechten Ordnung" - mit letztlich globalen Anspruch - ersetzen, die auf der göttlichen Offenbarung begründet ist bzw. sich an den Prinzipien von Koran und Sunna orientiert. 64 Islamismus Erbakan lehnte mit seiner Ideologie wesentliche demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wie Volkssouveränität oder Parteienpluralismus als unvereinbar mit der "gerechten Ordnung" ab und propagierte die Überwindung des Laizismus, die Schaffung einer "neuen, großen Türkei" sowie die Errichtung einer "gerechten Wirtschaftsordnung" auf autoritär-korporatistischer Basis. In diesem Zusammenhang vertrat er auch offen antisemitische Stereotype. Auch nach Erbakans Tod im Jahr 2011 wird das von ihm propagierte Gesellschaftsmodell von der "Milli Görüs"-Bewegung (MGB) propagiert. In der politischen Landschaft der Türkei ist die "Milli Görüs"-Bewegung seit Jahrzehnten durch mehrere islamistische Parteien vertreten, die zum größten Teil von Erbakan gegründet und geführt wurden. Diese erzielten in der Vergangenheit bei den Parlamentswahlen beachtliche Erfolge und sicherten Erbakan von 1996 bis 1997 das Amt des Ministerpräsidenten, bevor ihn das Militär zum Rücktritt drängte. Trotz mehrmaliger Parteiverbote und anschließender Neugründungen gelang es Erbakan, seine Position als Führer der "Milli Görüs"-Bewegung über Jahrzehnte zu behaupten und eine Spaltung seiner Anhängerschaft zu verhindern. Erst nach dem Verbot der "Fazilet Partisi" ("Partei der Tugend", FP) im Jahr 2000 kam es zu einer Spaltung der "Milli Görüs"-Bewegung. Das Lager der "Erneuerer" löste sich unter der Führung des jetzigen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan sowohl organisatorisch als auch ideologisch von Erbakan und ging in der - "Adalet ve Kalkinma Partisi" ("Partei der Gerechtigkeit und Entwicklung", AKP) auf. 65 Die "Traditionalisten", die sich bis heute zur "Milli Görüs"-Ideologie und deren Begründer Erbakan bekennen, gründeten im Juli 2001 unter der Führung des ehemaligen FP-Vorsitzenden Recai Kutan die "Saadet Partisi" ("Partei der Glückseligkeit", SP). U. a. folgende Organisationen werden der MGB in Berlin zugerechnet: * "Saadet Deutschland Regionalverein Berlin e. V." * "Erbakan Stiftung" Saadet Deutschland Regionalverein Berlin e. V. Die "Saadet Partisi" in Berlin ist eng an die von Necmettin Erbakan geprägte "Milli Görüs"-Ideologie angebunden. Im Zentrum der Aktivitäten stehen dessen Glorifizierung und das Bestreben, die "Milli Görüs"-Idee in Deutschland zu verbreiten. Die offizielle Gründungsveranstaltung der "Deutschlandvertretung der Saadet Deutschland" fand am 27. Dezember 2013 in Köln statt. Am 19. Mai 2016 wurde der "Saadet Deutschland Regionalverein Berlin e. V." gegründet, der inzwischen umfangreiche Strukturen in Berlin aufgebaut hat. Folgende Untergruppierungen sind nach Angaben des Regionalvereins aktiv: * "Saadet Berlin Bölge Temsilciligi" (Genc Kollari - Jugendgruppe Berlin) * "Saadet Berlin Bölge Temsilciligi" (Kadin Kollari - Frauengruppe Berlin) Breite Öffentlichkeitswirkung erreicht die "Saadet Partisi" nur selten. Allerdings veranstaltete sie in Berlin vom 11. bis zum 18. März 2018 eine Gedenkfeier für Erbakan. 66 Islamismus Erbakan-Stiftung Im Sommer 2013 wurde die "Erbakan-Stiftung"28 in der Türkei gegründet. Treibende Kraft bei der Gründung der Stiftung war der Sohn Necmettin Erbakans, Fatih Erbakan. Ihm zufolge habe die Stiftung das Ziel, die Ideologie seines Vaters wiederzubeleben und die "Milli Görüs"Bewegung wieder enger auf dessen Ideen zu verpflichten. Damit werden wesentliche demokratische Prinzipien wie Volkssouveränität und Parteienpluralismus abgelehnt. Die "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" unter der Leitung von Fatih Erbakan wurde 2015 in Solingen gegründet. Seit Anfang 2015 gibt es ein Facebook-Profil der "Erbakan-Stiftung Berlin". Bisher informiert die Seite über Veranstaltungen von Fatih Erbakan im Bundesgebiet und in der Türkei und zeigt ältere Videos und Zitate von dessen 2011 verstorbenem Vater. Bei den von der Stiftung durchgeführten Veranstaltungen handelt es sich größtenteils um Zusammenkünfte zu Ehren des Begründers der "Milli Görüs"-Bewegung. Sie belegen die Anbindung der "Erbakan-Stiftung" in Berlin an Erbakan und die von ihm geprägte "Milli Görüs"Ideologie. Zentral sind die Glorifizierung Erbakans und der Versuch, die "Milli Görüs"-Weltsicht in Deutschland zu verbreiten. 1.7 Der al-Quds-Tag Zu den jährlich wiederkehrenden Ereignissen in Berlin, in denen Bezüge zum Islamismus und zum Antisemitismus öffentlich sichtbar werden, zählt die Demonstration zum "al-Quds-Tag". Der "al-Quds-Tag" (nach dem arabischen Namen für Jerusalem "Quds") ist ein Gedenktag, der im Jahre 1979 vom damaligen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini ausgerufen wurde und an die aus Sicht des iranischen Regimes "zionistische Besatzung" Jerusa28 Es handelt sich nicht um eine Stiftung nach deutscher Rechtsform. Vielmehr ist es eine Übersetzung des Organisationsnamens "Erbakan Vakfi". 67 lems erinnern und Solidarität mit dem "Befreiungskampf" der Palästinenser bekunden soll. Der "al-Quds-Tag", an dem weltweit bei Demonstrationen die Zerstörung Israels propagiert wird, findet üblicherweise am letzten Freitag des Monats Ramadan statt. Zu den in der Verfassung des Iran verankerten Staatszielen zählt der "Export" der iranischen Revolution in andere Länder. Kennzeichen des iranischen Regimes ist die Einrichtung einer Gottesherrschaft, die mit den Grundzügen einer parlamentarischen Demokratie in einer freiheitlichen Grundordnung unvereinbar ist. Es wird vielmehr eine Einheit von Religion und Politik auf der Grundlage des islamischen Rechts propagiert. Daneben verneint der Iran das Existenzrecht des israelischen Staates. Dass der "al-Quds-Tag" untrennbar eingebettet ist in die Vernichtungsdoktrin des Iran gegen Israel, belegt das folgende Zitat des einstigen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vom 3. September 2010: "Der Al-Quds-Tag muss eine Arena für den Kampf gegen den Teufel und ebenfalls der Tag der Säuberung der menschlichen Gemeinschaft von Zionisten sein." 29 Trotz der im Gegensatz zum Vorjahr verdreifachten Teilnehmerzahl von ca. 1 600 Personen verlief die diesjährige "al-Quds-Demonstration" am 9. Juni weitgehend ruhig. Auch in den vergangenen Jahren fand die Demonstration in der Regel ohne größere Zwischenfälle statt, auch wenn einige der Teilnehmenden in erheblichem Maße emotionalisiert 29 Zitiert nach: Antisemitismus in Deutschland. Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, Berlin, 2011, S. 48. 68 Islamismus waren. Gelegentlich kam es in der Vergangenheit zu wechselseitigen Provokationen und kleineren Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmenden des "al-Quds-Tages" und Demonstranten der zeitgleich stattfindenden pro-israelischen Gegenveranstaltungen. Die Veranstalter hatten bereits am 8. Juni auf einer Videoplattform einen "Leitfaden" zur Demonstration eingestellt, der dazu aufrief, sich an die polizeilichen Auflagen und Anweisungen zu halten. Demnach sollten keine eigenen Transparente und Plakate mitgebracht werden. Weiterhin sollten Parolen ausschließlich auf Deutsch gerufen werden. Die hohe Teilnehmerzahl, den Parolen nach offenkundig aus dem palästinensischen Spektrum, erklärt sich mutmaßlich durch die politischen Ereignisse in Israel, den Palästinensischen Autonomiegebieten und im Gaza-Streifen. Die Teilnehmenden skandierten Parolen gegen die "Apartheid in Israel" und verurteilten den Zionismus. Besucher und Funktionäre des "Islamischen Zentrums Hamburg e. V." (IZH), einer der wichtigsten Vertretungen des schiitischen Islamismus in Deutschland, nahmen an der "al-Quds-Demonstration" in Berlin in großer Zahl teil, darunter auch der Vizedirektor des IZH. 69 70 2 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen (ohne Islamismus) 71 2 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen (ohne Islamismus) 2.1 Begriffsklärung Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen Unter dem Begriff der extremistischen Bestrebungen ausländischer Organisationen bearbeitet der Verfassungsschutz sämtliche verfassungsfeindliche Bestrebungen, die zwar nicht im Inland entstanden sind, jedoch gleichwohl in Deutschland wirksam werden und nicht dem Bereich des Islamismus zugeordnet werden können. Diese Bestrebungen können dabei klassisch rechtsoder linksextremistisch geprägt sein. Der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes ist aber auch dann eröffnet, wenn diese Bestrebungen gegen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben der Völker im Sinne von Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes gerichtet sind. 2.2 Personenpotenziale Das Personenpotenzial linksextremistischer ausländischer Organisationen ist in den letzten Jahren insgesamt leicht gesunken. Die in der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) organisierten kurdischen Linksextremisten stellen weiterhin das einzige zahlenmäßig relevante Personenpotenzial in Berlin dar. Es beläuft sich auf rund 1 120 Personen (2017: 1 100) und ist im Gegensatz zu den 72 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen anderen linksextremistischen ausländischen Organisationen leicht gestiegen. Unter diesen linksextremistischen ausländischen Organisationen dominieren türkische Zusammenschlüsse. Im Bereich der extremistisch-nationalistischen Organisationen ist in Berlin das Personenpotenzial gleichgeblieben, das von der türkischen "Ülkücü"-Bewegung bestimmt wird. Ihr werden aktuell etwa 400 Personen zugerechnet. Personenpotenziale Berlin 2017 2018 Linksextremisten, davon: 1 340 1 360 PKK 1 100 1 120 Sonstige 240 240 Rechtsextremisten, davon: 400 400 Ülkücü-Bewegung 400 400 Gesamt 1 740 1 760 2.3 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gründung: 1978 Mitglieder: Berlin: 1 120 (2017: 1 100) Die 1978 gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, PKK) kämpft seit 1984 für einen unabhängigen kurdi73 schen Nationalstaat im Ländereck Türkei, Iran, Irak und Syrien. Die Gründe für die Entstehung der PKK lagen auch im nationalen Selbstverständnis der Türkei, die eine Anerkennung kurdischer Interessen verweigerte. Nach der Festnahme ihres Führers Abdullah Öcalan 1999 änderte die PKK ihre strategische Ausrichtung: Sie verkündete einen "einseitigen Waffenstillstand". Die PKK beschränkte sich seither auf Forderungen nach autonomer Selbstverwaltung der mehrheitlich kurdischen Gebiete innerhalb der Türkei. Die Partei ist eine hierarchisch organisierte Kaderpartei mit strikter Parteidisziplin, einem ausgeprägten Märtyrerkult, bei dem verstorbene PKK-Kämpfer verehrt und zu Vorbildern erhoben werden, sowie einem extremen Personenkult um ihren Führer Öcalan. Sie unterhält zahlreiche Unterorganisationen. Die PKK ist auf der europäischen Liste der terroristischen Organisationen verzeichnet und in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt. 2.3.1 "Fight4afrin" Stand im letzten Berichtsjahr die Forderung "Freiheit für Öcalan" im Vordergrund der PKK, begann das Jahr 2018 mit Reaktionen auf die türkische Militäroffensive in Afrin. Am 20. Januar führte die türkische Armee im Rahmen der sogenannten "Operation Olivenzweig" eine Militäroffensive auf die vorwiegend von Kurden bewohnte Stadt Afrin (auch Efrin) in Syrien. Bis April gab es nahezu täglich bundesweite Aktionen hiergegen. In Berlin fanden in dem Zusammenhang weit über 60 Demonstrationen bzw. Aktionen statt, mit einer Teilnehmerzahl von sieben bis ca. 7 600 Personen. 74 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen Die größte dieser "Afrin-Demonstrationen" fand am 3. März in Berlin statt. Daran beteiligten sich unter dem Motto "Gemeinsam gegen die türkischen Angriffe auf Afrin" ca. 7 600 Personen. Der Aufruf hierzu erfolgte bundesweit sowohl in deutschen linksextremistischen als auch in PKK-Kreisen. Während der Protestaktion wurden Fahnen der YPG30, der YPJ31 sowie Abbildungen des PKKFührers Abdullah Öcalan gezeigt. Seit Beginn der türkischen Militäroffensive in Afrin gab es eine Reihe von militanten Aktionen in Deutschland, wie z. B. eingeschlagene Fensterscheiben, Brandstiftungen und Farbschmierereien. Ziele waren Objekte, denen die Täter entweder eine Nähe zu türkischen Regierungskreisen unterstellten oder Büros deutscher Parteien, denen vorgeworfen wurde, sich nicht ausreichend gegen die türkische Militäroffensive zu engagieren. Einer der schwersten Vorfälle im Zusammenhang mit diesen Protesten ereignete sich in der Nacht vom 10. auf den 11. März, als ein Brandanschlag auf eine DITIB-Moschee in Reinickendorf verübt wurde. In der "Sterka Ciwan" hieß es dazu: "11. März [...] *Es wurde ein Molotowcocktail auf das DITIB-Zentrum verübt, weil sich herausstellte, dass sie in Berlin AKP 32-Spionage betreibt und seit längerem mit ihr zusammenarbeitet." 33 30 Militärischer Arm des syrischen PKK-Ablegers PYD (Volksverteidigungseinheiten). 31 Frauenverteidigungseinheiten der PYD. 32 "Adalet ve Kalkinma Partisi" ("Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" - Regierungspartei der Türkei). 33 Sterka Ciwan, April 2018, S. 32 ff., Übersetzung aus dem Türkischen. 75 Die PKK in Deutschland und Europa Nach zahlreichen Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen in Deutschland 1992 und 1993 und der Geiselnahme von 20 Personen im türkischen Generalkonsulat in München erfolgte am 22. November 1993 ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot der PKK in Deutschland, das sich auch auf die Nachfolgeorganisationen erstreckt. Da die PKK einen Alleinvertretungsanspruch für alle Kurden erhebt, schuf sie bereits in den 1990er Jahren "Massenorganisationen" für Angehörige einzelner Interessen-, Berufsoder Religionsgruppen, um auf diese Weise Einfluss auf alle wichtigen Bereiche kurdischer Aktivitäten in Deutschland zu gewinnen. Hierzu zählen u. a. der Jugendverband "Komalen Civan", die "Kurdische Frauenbewegung in Europa" (TJKE), der "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (YXK), die "Union kurdischer Familien" (YEK-MAL) sowie die "Islamische Gemeinschaft Kurdistans" (CIK). Die Anhänger in Deutschland sind nicht nur in den genannten "Massenorganisationen", sondern vor allem in örtlichen Vereinen aktiv. Deren Dachverband, die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V." (YEK-KOM), wurde anlässlich der Neustrukturierung im Juni 2014 in das "Zentrum der demokratischen Gesellschaft der Kurden in Deutschland e. V." (NAV-DEM) umbenannt. Auch der umbenannte Verband unterliegt der Weisung des politischen Arms der PKK in Europa. 76 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen 2.3.2 Solidarisierung zwischen der PKK und deutschen Linksextremisten Nicht nur im Zusammenhang mit den Afrin-Protesten, sondern auch bei zahlreichen anderen Aktionen solidarisieren sich deutsche Linksextremisten mit der PKK. So stand die traditionelle "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" 2018 im Zeichen der "Kurdistansolidarität": "Wir werden das Verbot am 1. Mai massenhaft unterlaufen und dabei Fahnen der kurdischen Bewegungen mit uns tragen. Wir rufen euch dazu auf, euch an dieser Aktion des Zivilen Ungehorsams zu beteiligen."34 Die PKK-nahe Nachrichtenagentur "Firat Agency News" warb für eine Beteiligung an der Demonstration. Trotz zahlreicher Ankündigungen und Mobilisierung in deutschen und ausländischen linksextremistischen Organisationen blieb das Ergebnis des "PKK-Fahnenmeeres" während der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Es wurden bei weitem nicht so viele Fahnen und Symbole der PKK gezeigt, wie es von den Organisationen zuvor gewünscht war. Auch die Teilnahme von PKK-Anhängern an dieser Aktion war überschaubar. 2.3.3 "Erdogan not Welcome"-Aktionen Auch am Protestgeschehen gegen den Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beteiligten sich sowohl deutsche Linksextremisten als auch PKK-Anhänger. Unter dem Dach der Internetplattform "Erdogan not Welcome" schloss sich ein Großteil der Erdogan-Gegner zusammen. 34 #Fahnenmeer auf der Internetpräsenz "indymedia.org" vom 6.4.2018. 77 Als Erdogan am 28. September nach Berlin kam, gab es neben einigen kleineren Protestkundgebungen eine große Demonstration mit bis zu 6 000 Teilnehmern, die am Potsdamer Platz begann. Während des Aufzuges wurde u. a. eine große Fahne der "CDK"35 über den Köpfen von Demonstranten entrollt, die in Deutschland verboten ist. Bereits vor Erdogans Aufenthalt in Berlin gab es eine Reihe von Straftaten, die in Bezug zu dem Staatsbesuch gesetzt wurden: Am 6. September wurde in Neukölln ein Fahrzeug angezündet, bei dem sich ein Aufkleber mit der türkischen Flagge auf dem Kofferraum befand. Auf dem Gehweg wurde neben dem Fahrzeug der Schriftzug "Wenn Erdogan kommt" gesprüht. Am 17. September wurde ein Artikel auf einer PKK-nahen Internetseite veröffentlicht, wonach ein Wettbüro am Gesundbrunnen angezündet wurde, weil es eine Nähe "zum faschistischen Regime Erdogans" habe. Bei den Tätern handele es sich demnach um die "Sehit Atakan Mahir Racheeinheit". "Atakan Mahir" war der Deckname eines HPG-Kämpfers (PKK-Guerillaeinheit), der am 11. August im Kampf gefallen sein soll und nun in PKK-Kreisen als "Märtyrer" verehrt wird. Am 20. September wurde ein Brandanschlag mit mehreren Molotowcocktails auf die Räumlichkeiten eines türkischen Bildungsvereins in Neukölln verübt und Pflastersteine gegen die Fensterscheibe geworfen. Auf dem Bürgersteig vor dem Gebäude wurden die Worte "Für AFRIN Seri Hilde" ("Für AFRIN Erhebe dich") gesprüht. Schließlich wurde am 27. September in Kreuzberg ein Spontanaufzug mit bis zu 150 Teilnehmenden 35 "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa": PKK in Europa. 78 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen durchgeführt, wobei Pyrotechnik gezündet und Parolen wie "Biji Serok Apo" 36 gerufen wurde. Zudem kamen die Scheiben einer Bushaltestelle und einer Sparkassenfiliale zu Bruch und Hausfassaden wurden besprüht. 2.3.4 PKK-Veranstaltung Regelmäßig gedenken PKK-Anhänger mit Feierlichkeiten bestimmter für die PKK bedeutsamer Ereignisse. So begann am 15. August 1984 der Guerillakrieg der PKK im Ländereck Türkei, Iran, Irak und Syrien. Aus diesem Anlass gratulierte der PKK-nahe Verein "NAV-DEM Berlin" in den sozialen Medien "unserem gesamten Volk zum [Feier-]Tag der Auferstehung am 15. August" und lud wenig später mit dem "Frauenrat DEST DAN" zu einer Versammlung ein. Diese Feier wurde aufgrund ihrer Bezüge zur PKK verboten. Der Stellenwert der Feierlichkeiten zum 15. August für die PKK-Anhänger wird durch den Aufruf des Oberkommandeurs der "Volksverteidigungskräfte" (HPG), Murat Karayilan, in der PKK-Zeitung "Yeni Özgür Politika" vom 14. August deutlich: "Wir wenden uns an die Jugendlichen aller Völker, die in diesen Gebieten leben: Kommt und tretet den Reihen bei! Kommt und nehmt am Tanz des Sieges teil! Lasst uns gemeinsam die Demokratie und die Freiheit der Völker hervorbringen! Lasst uns den Unterdrückern, dem Faschismus und den Diktatoren mit dem Willen des Volkes die passende Antwort geben! Wenn jeder diese Phase mit Verantwortung begegnet, die erforderlichen Aufgaben übernimmt und die Verteidigungskräfte Kurdistans auf professionelle Art in allen Teilen Kurdistans vertritt, gebührt der Sieg unserem Volk und allen anderen Völkern." 36 "Es lebe der Führer Apo". "Apo" ist die Kurzbezeichnung für Abdullah Öcalan. 79 2.3.5 Durchsuchungen im Berliner Verein NAV-DEM Berlin e. V. Vor dem Hintergrund des wiederholten Engagements des PKK-nahen Vereins "NAV-DEM Berlin" wurden die Räumlichkeiten des Vereins sowie die Privatwohnungen von vier Vereinsfunktionären im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Berlin am 13. Juni durchsucht. Den Funktionären wird vorgeworfen, als Verantwortliche des Vereins eine Versammlung anlässlich des Jahrestages der Gründung der in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geplant zu haben.37 2.3.6 Fazit Mit den Militäraktionen in Syrien und dem Nordirak hat sich seit spätestens 2015 ein neues öffentlichkeitswirksames Betätigungsfeld für PKK-Anhänger in Deutschland ergeben. Mit dem Kampf um die kurdischen Gebiete in Nordsyrien ("Rojava") eröffnet sich für die PKK in Deutschland grundsätzlich eine weitere Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit deutschen Linksextremisten und - in Teilen - mit nicht-extremistischen Kräften. Bisher konnte eine verstetigte Zusammenarbeit jedoch nicht erfolgreich hergestellt werden. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass PKK-Anhänger und deutsche Linksextremisten tatsächlich nur in begrenztem Maße gemeinsame Interessen verfolgen. 37 Polizeimeldung vom 13.6.2018. 80 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen 2.4 Ülkücü-Bewegung "Ülkücü"-Bewegung Dachverband in Deutschland: ADÜTDF (Föderation der Türkischen Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V., Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu) Gründung: 1978 Mitglieder: Berlin: 400 (2017: 400) Die Bewegung der türkischen Nationalisten entstand Anfang des 20. Jahrhunderts kurz vor dem Ende des Osmanischen Reiches und basiert auf einer nationalistischen und rassistischen Ideologie, die in ihrer Hochphase die Vereinigung aller Turkvölker unter Führung des Osmanischen Sultans als Ziel postulierte. Die türkische Nation wird ethnisch und kulturell als Ideal überhöht dargestellt. Hieraus begründet sich ein entsprechendes politisches und territoriales Anspruchsdenken. Der Islam ergänzt die Ideologie als prägnanter Teil erst seit den siebziger Jahren. Die vermeintliche Überlegenheit der türkischen Identität implementiert eine Abwertung von anderen Ethnien und Religionsgemeinschaften. Andere Volksgruppen und Religionsgemeinschaften werden zu Feinden des Türkentums erklärt, insbesondere Kurden, Armenier, Griechen, Juden und Christen. Die Bewegung richtet sich gegen den Gleichheitsgrundsatz und den Gedanken der Völkerverständigung. Der "Nationalismus" überwiegt zwar in der Ideologie, Rassismus und 81 Antisemitismus sind der Bewegung jedoch immanent. Der Begriff "Rechtsextremisten" deckt diese Ideologieelemente mit ab. Die Anhänger der Bewegung bezeichnen sich selbst als Idealisten ("Ülkücü"). Ihre bekanntesten Symbole und Erkennungszeichen sind der "Graue Wolf" ("Bozkurt") und der sogenannte Wolfsgruß (Finger der rechten Hand des ausgestreckten Arms formen den Kopf eines Wolfes). In Berlin tritt die ADÜTDF vor allem mit der Durchführung von kulturellen und religiösen Veranstaltungen in Erscheinung. Von ihr veranstaltete Kundgebungen oder Demonstrationen konnten 2018 nicht festgestellt werden. Im Frühjahr hat die türkische Militäroffensive "Operation Olivenzweig" zu einer Vielzahl von Demonstrationen ihrer Gegner geführt.38 In diesem Rahmen kam es am 26. Januar am Rande einer Kundgebung von Gegnern der Militäroffensive vor der Botschaft der Republik Türkei in Berlin zu Auseinandersetzungen. Gegenseitige Provokationen führten bei dem Aufeinandertreffen von Demonstranten und protürkischen Personen sowohl zu verbalen Attacken, als auch zu Würfen von Gegenständen in Richtung der protürkischen Anhänger. Diese zeigten vereinzelt das Erkennungszeichen der "Ülkücü"-Bewegung, den sogenannten Wolfsgruß. Größere öffentliche Veranstaltungen der Berliner 38 Vgl. S. 74 f. 82 Extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen "Ülkücü"-Anhänger als Reaktion auf die Militäroffensive und die Gegendemonstrationen blieben aus. 83 84 3 Rechtsextremismus 85 3 Rechtsextremismus 3.1 Ideologien 3.1.1 Traditioneller Rechtsextremismus Traditioneller Rechtsextremismus Mit der Bezeichnung traditioneller Rechtsextremismus verbindet sich keine geschlossene politische Ideologie. Der Begriff umschreibt vielmehr eine vielschichtige politische und soziale Gedankenwelt, die sich in ihrer Gesamtheit auf die Beseitigung oder nachhaltige Beeinträchtigung demokratischer Rechte, Strukturen und Prozesse richtet. Folgende Inhalte finden sich dabei in allen traditionellen rechtsextremistischen Strömungen. * Ablehnung des Gleichheitsprinzips * Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit * Antipluralismus * Autoritarismus Im Kern handelt es sich beim traditionellen Rechtsextremismus - in all seinen Facetten - um eine autoritäre Ideologie der Ungleichheit. Kriterien für diese Ungleichheit, mit der Rechtsextremisten eine Ungleichwertigkeit verbinden, können u. a. die Ethnie, Kultur, Äußerlichkeiten oder politische Einstellungen sein. Hieraus resultiert auch die Legitimation von Gewalt, die dem traditionellen Rechtsextremismus immanent ist und sich gegen als "minderwertig" definierte "Fremde" richtet. 86 Rechtsextremismus Es gibt keine einheitliche Definition des traditionellen RechtsextremismusBegriffs. In der Öffentlichkeit werden rechtsextremistische Personen nicht selten synonym als "Rechtsradikale" oder "Neonazis" bezeichnet. Die Begriffsvielfalt dokumentiert nicht nur eine definitorische Unschärfe, sie spiegelt zugleich auch die Heterogenität einer Szene wider, die verschiedene ideologische, strategische und organisatorische Konzepte verwendet. Hinter dem Begriff Rechtsextremismus verbergen sich verschiedene Einstellungen und Aktivitätsschwerpunkte. Allerdings eint ein ideologischer gemeinsamer Nenner aller rechtsextremistischen Personen, der sich in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität innerhalb der verschiedenen rechtsextremistischen Strömungen wiederfindet: Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten lehnen das Gleichheitsprinzip ab. Sie rechtfertigen mit einer verschiedenartigen Wertigkeit der Menschen politische, soziale und gesellschaftliche Diskriminierung bestimmter Personen und Gruppen. Diese Ungleichheit wird mit ethnischen, kulturellen, geistigen, körperlichen oder politischen Aspekten begründet. Im Ergebnis werden einzelnen als "fremd" definierten Personen oder Gruppen weniger Rechte zugestanden. Der Überbewertung der eigenen Ethnie fällt dabei eine Schlüsselrolle zu. Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten erheben die eigene Nation oder "Rasse" - zu der ein Mensch "naturgegeben" und damit ausschließlich durch seine biologische Abstammung gehört - zum obersten Kriterium der Identität. Damit einher gehen Rassismus und ein übersteigerter Nationalismus, auf deren Grundlage die eigene Nation oder "Rasse" überhöht und als überlegen definiert wird.39 Rechtsextremistische Personen fordern einen ethnisch homogenen "Volkskörper" und propagieren eine "Volksgemeinschaft". In dieser Gemeinschaft 39 Neue rechtsextremistische Ideologieansätze argumentieren anstatt mit Begriffen wie Nation oder "Rasse" mit der "Höherwertigkeit" der eigenen Kultur. 87 sind individuelle Interessen und Meinungspluralismus dem völkischen Gedanken untergeordnet. Beides wird unter Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten als "schädlich" und die Gemeinschaft "zersetzend" bewertet. Dieser Antipluralismus trifft auch den Rechtsstaat, die politische Opposition oder den Parlamentarismus, die von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten abgelehnt, delegitimiert und bekämpft werden. 3.1.2 Muslimenfeindlichkeit Muslimenfeindlichkeit Muslimenfeindlichkeit ist die extremistische Ausprägung der Islamkritik. In der Muslimenfeindlichkeit werden "rigoros ablehnende Auffassungen zum Islam" verbreitet.40 Muslimenfeinde lehnen den Islam als Religion und die Zuwanderung von Menschen aus den islamisch geprägten Kulturkreisen ab. Im muslimenfeindlichen Spektrum werden Muslime pauschal als Angehörige einer archaischen Religion mit Neigung zu gewaltsamer Missionierung bis hin zum Terrorismus diffamiert. Regelmäßig wird dort nicht zwischen Islam, Islamismus und islamistischem Terrorismus differenziert, vielmehr wird unterstellt, dass Gewalt und Terror gegen Nicht-Muslime von Muslimen gutgeheißen würden. Gruppen des muslimenfeindlichen Spektrums wollen das Recht auf freie Religionsausübung für Muslime einschränken bzw. teilweise - z. B. mit der Forderung nach einem Verbot des Baus von Moscheen - ganz versagen und verstoßen damit gegen Art. 4 Abs. 2 des Grundgesetzes, in dem der ungestörten Religionsausübung Verfassungsrang eingeräumt wird. 40 Pfahl-Traughber, Armin: Islamfeindlichkeit, Islamophobie - ein Wegweiser durch den Begriffsdschungel. 2014. Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung, Aufruf am 16.1.2019. 88 Rechtsextremismus Ebenso wie im traditionellen Rechtsextremismus fehlt eine einheitliche Definition des Begriffs muslimenfeindlicher Rechtsextremismus. Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen traditionellem und muslimenfeindlichem Rechtsextremismus besteht darin, dass muslimenfeindliche Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten ihre Argumente nach außen nicht in klassische rechtsextremistische Ideologien einbetten. In ihrer öffentlichen Argumentation fehlen Aspekte wie biologischer Rassismus, Antisemitismus, Autoritarismus oder Geschichtsrevisionismus. Sie überbetonen stattdessen die Bedeutung identitätsstiftender kultureller und gesellschaftlicher Unterschiede, etwa mit Verweis auf die Errungenschaften und Werte einer christlich-abendländischen Kultur, die mit einem vom Islam geprägten religiösen Weltbild und damit verbundenen Traditionen und Moralvorstellungen unvereinbar seien. Dieses Konzept des "Ethnopluralismus" ist das moderne Pendant zu Rassismus-Konzepten traditioneller Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten. Der Ethnopluralismus attestiert eine Ungleichheit zwischen Ethnien auf Grund von Kollektivmerkmalen wie Kultur oder Herkunft. Ethnopluralismus Wie klassische Rassisten behaupten auch Ethnopluralisten, es gäbe grundsätzliche und unveränderliche Eigenschaften von Menschengruppen, und jede Gruppe sei umso besser und stärker, je ähnlicher sich ihre jeweiligen Angehörigen seien. Dabei vermeiden Ethnopluralisten aber biologistische Argumentationen, eine Abstammungsgemeinschaft oder genetische Homogenität wird von ihnen nicht mehr offen gefordert. Stattdessen behaupten sie, Völker besäßen unveränderliche kulturelle Identitäten, die vor fremden Einflüssen zu schützen seien. 89 Dass sämtliche menschliche Kulturen das Ergebnis gegenseitiger Beeinflussung sind, wird dabei völlig ausgeblendet. Auch der Ethnopluralismus ist also ein ausgrenzender Nationalismus. Allerdings propagiert er nicht mehr ausdrücklich eine Höherwertigkeit der eigenen Nation oder der eigenen Kultur. Stattdessen betont er lediglich, jede einzelne solle sich getrennt von der anderen halten. (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung41) Der muslimenfeindliche Rechtsextremismus besteht in Berlin aus zwei Lagern: Die "Identitäre Bewegung" und das "Netzwerk muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten". Muslimenfeindliche Rechtsextremisten Identitäre Netzwerk muslimenund Bewegung fremdenfeindlicher Rechtsextremisten: Wir für Deutschland Bärdiga Hand in Hand 41 Glossar der Bundeszentrale für politische Bildung: "Ethnopluralismus", www.bpb.de/politik/ extremismus/rechtsextremismus/173908/glossar. Abgerufen am 16.1.2019. 90 Rechtsextremismus 3.2 Personenpotenziale Personenpotenziale Berlin 2017 2018 in Parteien, davon: 250 230 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 230 210 "Der III. Weg" 20 20 "DIE RECHTE" EP EP in parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen 370 490 weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial 910 800 Mehrfachmitgliedschaften gesamt 100 110 Gesamt (nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften) 1 430 1 410 davon: gewaltorientierte Rechtsextremisten 700 700 EP = Einzelpersonen In den vergangenen Jahren wurde in Berlin die sinkende Zahl traditioneller Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten durch das Aufkommen des muslimenfeindlichen Rechtsextremismus weitestgehend kompensiert. Trotz Mitgliederverlusten auf der Seite der traditionellen Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten blieb die Anzahl der rechtsextremistischen Personen insgesamt gegenüber dem Vorjahr relativ stabil. Auch 2018 gab es eine überwiegend ausgeglichene Bilanz von Zuund Abgängen in der rechtsextremistischen Szene Berlins. Wegen des Rückgangs (z. B. wegen Wegzugs) bei den traditionellen Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten sank die Gesamtzahl leicht. Die wichtigsten Beobachtungsobjekte in der Kategorie "parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen" sind das "Netzwerk Freie Kräfte" mit ca. 140 Personen (2017: 150), die "Identitäre Bewegung Berlin Brandenburg" (IB BB) mit ca. 40 Mitgliedern (2017: 40), die rechtsextremistischen "Reichsbür91 ger" (150; 2017: 110)42 und das "Netzwerk muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten", dem ca. 100 Personen zugerechnet werden.43 Die Veränderungen gegenüber 2017 ergeben sich insbesondere durch das "Netzwerk muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten", das mit ca. 100 Personen erstmals in der Kategorie "parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen" gezählt wurde, nachdem sich aus vielen Einzelpersonen im Jahr 2018 ein mobilisierungsfähiges Netzwerk entwickelt hatte. Im Vorjahr wurden diese Einzelpersonen als "weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial" erfasst. Ebenso sorgte der Anstieg bei den rechtsextremistischen "Reichsbürgern" zu einer im Gegensatz zum Vorjahr erhöhten Anzahl in der Kategorie "parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen". Nach wie vor bietet die gesamte rechtsextremistische Szene mit muslimenfeindlichen und traditionellen (neonazistischen) Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten ein uneinheitliches Bild: Abgänge hatten Akteure im traditionellen Rechtsextremismus wie die NPD und das mit ihr eng verknüpfte "Netzwerk Freie Kräfte" zu verkraften. Die Gesamtzahl der muslimenfeindlichen Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten blieb dagegen weiterhin auf einem stabil hohen Niveau. Zwar ist deren Anteil an der Gesamtzahl der rechtsextremistischen Personen mit ca. zwölf Prozent immer noch vergleichsweise gering, allerdings sind sie trotz des Rückgangs medientauglicher Aktionen im Jahr 2018 deutlich kampagnenfähiger als die meisten Teile des traditionellen Rechtsextremismus. Durch eine effektivere Öffentlichkeitsarbeit und offenbar anschlussfähigere Themen (z. B. Migrationspolitik) gelang es den Muslimenfeinden, Mitglieder fester an die Szene zu binden. 42 Von 670 Reichsbürgern in Berlin waren 2018 150 Rechtsextremisten, im Jahr 2017 waren von 500 Reichsbürgern 110 Rechtsextremisten. 43 Wegen der Aufnahme der Beobachtung dieses Netzwerks im Jahr 2018 keine Vergleichszahlen zu 2017. 92 Rechtsextremismus 3.3 Muslimenfeindlicher Rechtsextremismus 3.3.1 Netzwerk der muslimenund fremdenfeindlichen Rechtsextremisten Bevor sich das "Netzwerk der muslimenund fremdenfeindlichen Rechtsextremisten" bildete, bestand die Szene ursprünglich aus wenigen Gruppen und vielen Einzelpersonen, die nur lose über soziale Netzwerke miteinander verbunden waren. Wichtigster Akteur war ein Netzwerk, das sich zuerst unter der Bezeichnung "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) bei einer gewalttätigen Demonstration in Köln formiert hatte und sich in Berlin u. a. "Bündnis Deutscher Hools" (BDH) nannte. "Merkel muss weg"-Demonstrationen - Anfang der Vernetzung von muslimenund fremdenfeindlichen Rechtsextremisten Aus diesem Spektrum gründete sich nach langen Aktivitäten ausschließlich in sozialen Netzwerken am 15. Oktober 2017 der Verein "Wir für Deutschland" (WfD). WfD organisierte im März 2016 in Berlin die erste Demonstration gegen die Flüchtlingspolitik der damaligen Bundesregierung unter dem Leitsatz "Merkel-muss-weg". Nachdem sich der ersten "Merkel-muss-weg"Demonstration unerwartet viele Teilnehmer (2 000 bis 3 000) angeschlossen hatten, wurde sie regelmäßig wiederholt. "Merkel-muss-weg" sollte anfangs ein breites gesellschaftliches Spektrum ansprechen, allerdings wurde es im Laufe der Jahre 2016/2017 zu einem rein rechtsextremistischen Ereignis mit unterschiedlichen extremistischen Positionen und deutlich geringeren Teilnehmerzahlen als zu Beginn. Die von WfD organisierte "Merkel-muss-weg"-Demonstration entwickelte sich bundesweit zur einer wichtigen Vernetzungsplattform für ein neues muslimenfeindliches Netzwerk innerhalb des Rechtsextremismus. Die Anhängerinnen und Anhänger dieses Netzwerks hatten mit dem Slogan der Demonstration "Merkel-muss-weg" jenseits der Vernetzung im Internet eine Treffmöglichkeit in der Realwelt gefunden. Mit dem Grad der Vernetzung 93 stieg auch deren Mobilität. Üblicherweise fanden die Demonstrationen in Berlin oder dem Berliner Umland statt, aber bisweilen trafen sich die Anhängerinnen und Anhänger auch andernorts. Es haben sich so persönliche Kontakte und Netzwerkstrukturen entwickelt und darüber hinaus auch Szenegrößen etabliert, die z. B. als Rednerinnen und Redner auf allen wichtigen Demonstrationen sprachen. Inzwischen bestehen Bezüge in die Schweiz, nach Österreich und zu osteuropäischen Nachbarstaaten. Die Anhängerinnen und Anhänger des "Netzwerks muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten" haben die Bemühungen um Anschluss an nichtextremistische Kreise weitgehend eingestellt. Stattdessen bemühen sie sich nun um Kooperationen mit Angehörigen der traditionellen rechtsextremistischen Szene. Am 3. März fand unter der organisatorischen Leitung von WfD die erste Demonstration des Netzwerks statt. Sie rückten dort von ihrem ursprünglichen "Merkel-muss-weg"-Slogan ab und demonstrierten unter der Losung "Gegen den Terror" mit ca. 350 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet. Auch der in Berlin "Bärgida" ("Berliner Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes") genannte Ableger der Dresdener Pegida-Bewegung entwickelte sich 2018 zur reinen Darstellungsplattform muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten und ist ebenfalls Teil deren Netzwerks. Die Zahl der "Bärgida"-Sympathisanten, die an der wöchentlichen Kundgebung durch Mitte teilnehmen, stagnierte im unteren zweistelligen Bereich. In Anknüpfung an die Ursprünge der Gruppierung veranstaltete WfD zusätzlich im März und April parallel zu den "Bärgida"-Demonstrationen Kundgebungen unter dem Motto "Merkel-muss-Weg-Montag" in Mitte. Diese Daueranmeldung war eine Reaktion auf das erhebliche Medienecho der "Merkel-muss-weg-Montagsdemonstrationen" in Hamburg und anderen Städten im Bundesgebiet. Allerdings war der Mobilisierungserfolg in Berlin bescheiden. Der Versuch der Berliner Rechtsextremisten, dieses Konzept für Berlin zu 94 Rechtsextremismus übernehmen, blieb letztendlich sowohl in der eigenen Szene als auch in der Berichterstattung erfolglos. "Tag der Nation" am 3. Oktober Zu den Feiern zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober versammelte sich das bundesweite Netzwerk zu einer WfD-Demonstration ("Tag der Nation") in Berlin. Dabei ging es ihnen um mehr als nur die Darstellung von Stärke und rechtsextremistischer Propaganda. Am Rande der zentralen Feierlichkeiten zum Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung übte WfD erneut den Schulterschluss mit den traditionellen bzw. neonazistischen Rechtsextremisten. Nach den Ereignissen in Chemnitz und Köthen, wo es nach Gewalttaten, für die Geflüchtete verantwortlich gemacht worden waren, mehrere Kundgebungen44 gab, herrschte auch auf der Demonstration am 3. Oktober eine aggressive Grundstimmung. Unter den 1 900 Teilnehmenden befanden sich viele Neonazis. Der Berliner Rechtsextremist und NPD-Bundesorganisationsleiter, Sebastian Schmidtke, hielt eine Rede, in der er die deutsche Einheit als "Teileinheit" bezeichnete und damit Anspruch auf ehemals deutsche Gebiete in Osteuropa und Frankreich artikulierte. Zudem kündigte er an, demokratisch legitimierte Volksvertreter aus den Parlamenten jagen und vor Gericht stellen zu wollen. 44 An diesen Kundgebungen nahmen auch gewaltorientierte Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten teil. 95 Weitere Rednerinnen und Redner der Abschlusskundgebung kamen aus dem gesamten Bundesgebiet, der Schweiz, Österreich und Tschechien. Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer skandierten rechtsextremistische Parolen wie "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen", "Heimat, Freiheit, Tradition", "heute seid ihr tolerant, morgen seid ihr fremd im Land", "Nationaler Sozialismus jetzt" oder sogar "rein in die Gaskammer".45 NPD-Angehörige waren als Ordner vor Ort. Die rechtsextremistische Veranstaltung am 3. Oktober belegt, dass die ideologischen Unterschiede zwischen den Akteuren des muslimenund fremdenfeindlichen Netzwerks und den traditionellen nationalsozialistischen Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten zunehmend schwinden und Anhängerinnen und Anhänger beider rechtsextremistischer Phänomene im jeweils anderen einen gleichgelagerten und zuverlässigen Partner sehen. Anfängliche Abgrenzungen des "Netzwerks muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten" zu Teilen des traditionellen Rechtsextremismus waren taktischer Natur. Schon der erhebliche Anteil traditioneller Rechtsextremisten an den ersten "Merkel-muss-weg"-Demonstrationen zeigte die Kompatibilität von Thesen und Themen der muslimenund fremdenfeindlichen Rechtsextremisten. "Trauermarsch für die Toten von Politik" Einem weiteren Demonstrationsaufruf von WfD zum 9. November folgten ca. 150 Personen und somit deutlich weniger als zum "Tag der Nation" am 3. Oktober. Mit dem Thema "Trauermarsch für die Toten von Politik" missbrauchten die Rechtsextremisten den Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938 und vergli45 Diesbezüglich sind Strafermittlungsverfahren anhängig. 96 Rechtsextremismus chen Opfer der organisierten Judenverfolgung mit heutigen Opfern von Strafund Gewalttaten, die tatsächlich oder mutmaßlich von Migranten begangen wurden. Zwar sollte diese Intention verschleiert werden, in dem man offiziell den Fokus auf den Jahrestag der Maueröffnung von 1989 richtete und der Mauertoten gedachte. Allerdings machte man bereits mit dem Leittransparent deutlich, worum es eigentlich ging. Über im Bundestag vertretene Parteien, Gewerkschaften und antifaschistische Gruppen hieß es dort: "Sie brachten uns den Terror". Muslimenund fremdenfeindliche Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten machten damit Politik und andere politische Akteure (z. B. NGOs) für Terror und Kriminalität von Migranten verantwortlich. An der Demonstration am 9. November nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter von NPD, "Bärgida", dem "Netzwerk Freie Kräfte" und "Hooligans gegen Salafisten" teil. 3.3.2 Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg "Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg" Gründung: 2012 (im Internet aktiv) seit 2014 Vereinsstatus Mitglieder: Berlin: 40 (2017: 40) Die "Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg" (IB BB) entfaltete ab 2012 zuerst ihre Aktivitäten über zahlreiche Websites, Blogs und Profile in sozialen Netzwerken und in den darauffolgenden Jahren zunehmend in der Realwelt. 97 Bei ihrem Kampf gegen die vermeintliche "Überfremdung" der Gesellschaft inszeniert sie sich als jugendlich und aktivistisch-rebellisch. Dies zeigt auch die Bildsprache der "Identitären Bewegung". Sie nutzt als Logo den griechischen Buchstaben Lambda, der auf den Schilden der Hopliten (schwer bewaffnete Soldaten) des Spartanischen Heeres als Symbol aufgebracht war. Einen größeren Bekanntheitsgrad erlangte das Lambda in diesem Zusammenhang durch den Hollywoodfilm "300", in dem sich eine kleine Gruppe von Spartanern dem Kampf gegen eine Übermacht des persischen Heeres stellt. Die IB BB versucht sich über zwei eigene Modelabel ideologisch zu vermarkten und Einnahmen zu generieren. Sie vertuscht ihre extremistische Ausrichtung mit dem Konzept des Ethnopluralismus.46 Keine Großaktion in Berlin - weniger öffentliche Aufmerksamkeit Die IB BB war innerhalb des muslimenfeindlichen Rechtsextremismus die Gruppierung mit der größten öffentlichen Aufmerksamkeit. Durch teilweise waghalsige Aktionen wie der kurzzeitigen Besetzung des Brandenburger Tors im August 2016 war sie zwischenzeitlich der in den Medien präsenteste rechtsextremistische Akteur in Berlin. 2018 ging mit der Anzahl ihrer Aktionen auch die öffentliche Wahrnehmung der IB zurück. Hauptthema der IB BB sind "Ausländer" bzw. "Migranten", insbesondere muslimischen Glaubens, die sie pauschal mit Kriminalität, Terrorismus und Integrationsproblemen in Verbindung bringt. Mit der Einteilung der Gesellschaft in "bildungsferne" und "kriminelle Ausländer" bzw. "linke Eliten" auf der einen 46 Vgl. S. 89 f. 98 Rechtsextremismus und der angestammten Bevölkerung auf der anderen Seite, basiert das Weltbild der IB auf einer simplen Zweiteilung, die zu einer kollektiven Ausgrenzung von bestimmten Bevölkerungsgruppen führt. Die Bewegung sieht europäische Identität durch Masseneinwanderung gefährdet, spricht von einem "Großen Austausch" der europäischen Bevölkerung durch meist muslimische Zuwanderer. Mit ihren Aktionsformen wie z. B. Störungen von öffentlichen Veranstaltungen bedient sie sich eines Instrumentariums, das in der Bundesrepublik bereits in den 1960er Jahren durch die damaligen Gegner des sogenannten Establishments etabliert wurde. Die IB gibt vor, heute in der gleichen Rolle wie seinerzeit die Nachkriegsgeneration zu sein, die sich u. a. gegen überkommene gesellschaftliche Normen ihrer Elterngeneration aufgelehnt hatte. Heute gilt der Kampf der IB dem "linken Establishment", das große Teile von Staat und Medien unterwandert habe. Als programmatisches Schlagwort verwendet die IB den Begriff "Remigration". Damit meint sie die Rückführung hier lebender Ausländer und Muslime in ihre Herkunftsländer. Diese solle zwar eine staatlich gelenkte, "friedliche Rückkehr in die eigene Heimat"47 sein, allerdings schweigt sich die Bewegung darüber aus, ob diese Rückkehr freiwillig erfolgen solle. Dass diese "Remigration" im großen 47 "Remigration - die einzige Lösung". Grundlagentext eingestellt auf der Homepage der "Identitären Bewegung", Aufruf am 15.9.2017. 99 Stil auch gegen Widerstand durchzuführen ist, wird dabei mindestens nicht ausgeschlossen und beträfe nur Menschen, die ausschließlich aufgrund ihrer ethnischen Herkunft gesellschaftlich nicht integrationsfähig seien. Inhaltlich knüpft die IB hier an das Konzept des Ethnopluralismus an. Mit dem Konzept der Remigration liefert die IB eine im Duktus seriösere Variante der "Ausländer raus"-Kampagnen traditioneller Rechtsextremisten. Die Folgen von Migration beschreibt die IB als Schreckensszenario aus steigenden Sozialkosten und anwachsender Kriminalität. Die IB sucht bereits seit ihrer Gründung als Ableger des rechtsextremistischen französischen "Generation identitaire" mit kurzen Aktionen die Öffentlichkeit, indem diese im Internet verbreitet werden. Auch nach der Vereinsgründung im Jahr 2014 blieb ihr wichtigster Vereinszweck politische Öffentlichkeitsarbeit. Die IB BB konnte in den letzten Jahren mit einer Mischung aus Aktion und Theorie und einem bislang gewaltfreien Aktionismus in Berlin junge und aktionsorientierte Mitglieder gewinnen. #120dB In der extremistischen Agitation gegen Muslime und andere Zugewanderte werden sexualisierte Gewalt und Übergriffe gegen Frauen ausschließlich Migranten zugeschrieben. Zudem wird der Eindruck vermittelt, dass diese Form der Straffälligkeit von Migranten in der Öffentlichkeit bewusst totgeschwiegen würde. In diesem Zusammenhang steuerte die IB zu der internationalen Diskussion um Frauenrechte [#metoo] im Januar ihre eigene Kampagne "#120dB" [#120Dezibel] bei. Unter der Legende einer von Frauen initiierten Kampagne ("Wir sind ein Kollektiv von Frauen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum [...].") rief die IB Frauen dazu auf, ihre Erfahrungen mit "Überfremdung, Gewalt und Missbrauch" in Text-, Bildund Videobeiträgen zu schildern und online zu verbreiten.48 "#120dB" sei eine überparteiliche Kampagne, die auf 48 Internetpräsenz von "120dB", Aufruf am 20.11.2018. 100 Rechtsextremismus "Erfahrungen von Frauen mit importierter Kriminalität" aufmerksam machen wolle. Mit "#120dB" wurde auf die Lautstärke von handelsüblichen Taschenalarmen Bezug genommen, mit denen Opfer von Straftaten auf sich aufmerksam machen können. Vor allem weibliche Vertreterinnen der IB machten auf die Kampagne aufmerksam. Am 19. Februar störten Aktivistinnen der IB BB eine "#Metoo"Podiumsdiskussion auf der Berlinale, in dem sie während der Veranstaltung ein Banner ("Die Stimme der vergessenen Frauen - 120dB") entrollten. Zum Schluss der Störaktion aktivierten sie Taschenalarme. Dass die Kampagne nicht von einer Frauengruppe, sondern von der deutschsprachigen und stark maskulin geprägten IB initiiert wurde, war allerdings offensichtlich. Der Leiter der IB-Österreich hatte die "#120dB"-Seite registriert und sich darüber hinaus aktiv für diese Kampagne eingesetzt. Im Impressum der Homepage war der Leiter der IB Deutschland als Verantwortlicher genannt. Gezielte Provokationen Die IB BB verfolgt weiterhin das Konzept der gezielten Provokation, nachdem sie damit in den letzten Jahren stark im Fokus der Öffentlichkeit stand. Ihre Feinbilder, unter anderem Nichtregierungsorganisationen und Stiftungen, deren Aktivitäten und Ideologie nicht dem Weltbild der IB entsprechen, werden bisweilen direkt von IB-Aktivisten aufgesucht und bedrängt. Im Februar waren Angehörige der IB BB an einer Aktion in der Universität Rostock beteiligt, bei der sie eine Veranstaltung eines Künstlerkollektivs störten, das für provokative politische Aktionen bekannt ist. Die Gruppe sei Ziel dieser Attacke gewesen, weil sie "stellvertretend für ein linkes Establishment [steht], welches mit moralischer Erpressung eine Agenda von Masseneinwanderung und Multikulti forciert und zugleich patriotische Politiker und Akteure 101 bespitzelt."49 Die IB-Mitglieder traten dort in Uniformen der DDR-Staatssicherheit auf. Ziel war die Gleichsetzung der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation mit der der DDR-Diktatur. Am 18. April wurden an mehreren Stellen Straßenschilder mit zusammengenähtem schwarzen Stoff verdeckt und Plakate mit "Die neue Vielfalt: Dieses Straßenschild trägt jetzt Burka" angehängt. Unter dem Hashtag "#NichtOhneMeinKopftuch" wurde die Aktion auf dem Facebookprofil der IB veröffentlicht. Für eine größere Aktion innerhalb der aktuellen IB-Kampagne "Migrationspakt stoppen" hoben IB BB-Aktivisten am 22. November mit einem Bagger auf der Wiese vor dem Reichstag eine Grube aus, in die sie später während einer inszenierten Beerdigung einen Sarg einließen. Auf dem symbolischen Grab stellten sie Kreuze mit Namen von Todesopfern auf, die durch nichtdeutsche Täter ihr Leben verloren ("Merkels Tote"). Weniger Öffentlichkeitswirksamkeit Insgesamt gab es 2018 bei der IB BB weniger personalund materialaufwendige Aktionen mit einem großen publizistischen Echo. Neue, durch die IB bundesweit organisierte Kampagnen waren 2018 "#120dB" und "Migrationspakt stoppen". Die jährliche IB-Großdemonstration, zu der am 17. Juni 2017 noch 800 Personen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland anreisten, fiel 2018 aus. Als Alternative organisierte die IB am 25. August das Festival "Europa Nostra" in Dresden. Allerdings fiel die Publikumsresonanz geringer aus als erwartet. Eine ungepflegte Wiese als Ausrichtungsort und eine geringe Anzahl an Ausstellern (z. B. Verlage/Modelabel) vermittelten das für IB-Verhältnisse an sich untypische Bild eines laienhaften Veranstaltungsmanagements. 49 Bericht über die Aktion auf der Homepage der IB ("Identitäre intervenieren beim Institut für politische Schönheit"), Aufruf am 30.11.2018. 102 Rechtsextremismus Nach dem Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes50 im Oktober 2017 wurden Anfang 2018 die meisten IB-Profile, so auch das der "Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg", aus den großen sozialen Netzwerken (Facebook, Instagram) entfernt. Dies erschwert der IB seither die propagandistische Breitenwirkung, weil einerseits Äußerungen außerhalb sozialer Netzwerke wenig wahrgenommen werden, zum anderen ist dort eine Vernetzung nicht möglich, da Funktionen wie Verbindungen über Freundschaftsanfragen, liken und teilen mit einer Homepage nicht bzw. nur eingeschränkt möglich sind. Damit büßte die IB die wichtigsten Online-Instrumente zur Propagandaverbreitung, Mobilisierung und Vernetzung ein. Kurzaktionen, die eigens für die Verbreitung in den sozialen Netzwerken inszeniert wurden (z. B. Flugblattverteilung in Einkaufszentren) verlieren ohne Profile in sozialen Netzwerken deutlich an Reichweite. Der IB ist es noch nicht gelungen, Alternativen für ihre Profile in den sozialen Netzwerken zu finden. Den Aufruf der IB Deutschland, das russische Netzwerk vk.com zu nutzen, setzten nur wenige IB-Landesgruppen um. Ein vk.com-Profil der IB BB wurde zwar eingerichtet, ist allerdings inaktiv. Es verbleiben der IB BB nur noch ihr Youtube-Account und zur Mitnutzung der Twitter-Account der IB Deutschland. 50 Das "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) verpflichtet die Betreiber sozialer Netzwerke unter Androhung von Bußgeldern u. a., binnen 24 Stunden nach Bekanntwerden offensichtlich rechtswidrige Inhalte (z. B. Beleidigung oder Volksverhetzung) zu löschen. 103 Entgrenzung des Rechtsextremismus Mit dem Begriff der Entgrenzung des Rechtsextremismus beschreiben die Verfassungsschutzbehörden eine Entwicklung, die darauf gerichtet ist, rechtsextremistische Positionen in breiten Teilen der Gesellschaft anschlussfähig zu machen. Innerhalb des Rechtsextremismus haben sich neue Formen herausgebildet. So versuchen einige Akteure mit einem moderneren Erscheinungsbild, insbesondere mit bestimmten rechtsextremistischen Positionen in einem zeitgemäßen Gewand, in die Mehrheitsgesellschaft hineinzuwirken. Sie verzichten dabei allerdings auf die bei traditionellen Rechtsextremisten zu beobachtende Verherrlichung des Nationalsozialismus und einen allzu offen zur Schau gestellten Antisemitismus. Gemeinsam mit dem traditionellen Rechtsextremismus bleibt ein rassistisches und völkisches Weltbild. Ein zentrales ideologisches Konzept der "Entgrenzung des Rechtsextremismus" ist der Ethnopluralismus. Hier wird auf eine Ungleichheit, bzw. Verschiedenheit der Ethnien aufgrund von Merkmalen wie Kultur oder Herkunft verwiesen. Demzufolge zeichnen sich Ethnien durch die ihnen eigenen kulturellen Identitäten aus, die es voneinander abzugrenzen und vor Fremdeinflüssen zu schützen gilt. Das von Ethnopluralisten geforderte Recht jedes Volkes auf Bewahrung seiner Identität soll nach innen schützend und nach außen abwehrend wirken. In diesem Sinn entspricht das Ideal der völkischen Homogenität einer modernen Form des Rassismus, bei der die Argumentation an Hand von Rassenunterschieden auf kulturelle Aspekte verlagert wird. 104 Rechtsextremismus Im Zentrum der Strategien dieser Szene steht das Konzept der "Metapolitik", welches von der "Identitären Bewegung" sinngemäß als Agieren im "vorpolitischen Raum" beschrieben wird.51 Hier soll die Auseinandersetzung über politische Ideen und gesellschaftliche Prozesse auf einer Ebene jenseits von parteipolitischen Akteuren stattfinden. Unter der Zielsetzung, den Konsens der Zivilgesellschaft zur politischen Meinungsbildung dahingehend zu verändern, dass etwa öffentliche Debatten schrittweise "enttabuisiert" werden oder die Bewertung bestimmter Begriffe umgedeutet wird, soll sich eine allmähliche "Kulturrevolution" vollziehen. Hierfür werden kommunikative Strategien angewandt, die darauf abzielen, durch eine Erweiterung der Grenzen des Sagbaren Begriffe neu zu bewerten. Ein Beispiel bildet das nationalsozialistisch konnotierte Wort "Überfremdung", welches zunächst durch gezieltes, provokantes Wiederholen als Schlagwort in rechten bis rechtsextremistischen Kreisen genutzt wurde und nun teilweise auch im politischen Diskurs jenseits extremistischer Bestrebungen Eingang gefunden hat. Letztlich soll auf diese Weise die pluralistische Demokratie demontiert werden. 51 Internetseite der "Identitären Bewegung": "Metapolitik", Aufgerufen am 28.11.2018. 105 3.4 Traditioneller Rechtsextremismus 3.4.1 NPD "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Mitglieder: Berlin: 210 (2017: 230) Die aus der rechtsextremistischen "Deutschen Reichspartei" hervorgegangene NPD ist die älteste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie verfügt mit den "Jungen Nationalisten" (JN; vormals "Junge Nationaldemokraten") über eine Jugendund mit dem "Ring Nationaler Frauen" (RNF) über eine Frauen-Organisation. Die NPD, deren Bundesgeschäftsstelle sich seit 2000 in Berlin befindet, vertritt rassistische und antisemitische Positionen sowie das Konzept einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" und lehnt die freiheitliche demokratische Grundordnung ab. Aufgrund ihrer verfassungsfeindlichen Ideologie hatte der Bundesrat ein Parteiverbotsverfahren gegen die NPD eingeleitet. Am 17. Januar 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht, die NPD nicht zu verbieten, da sie zwar verfassungsfeindlich, aber zu unbedeutend sei, um ihre verfassungsfeindlichen Ziele tatsächlich erreichen zu können. Im Nachgang des Urteils wurde das Grundgesetz allerdings dahingehend geändert, dass extremistische Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung (u. a. Wahlkampfkostenerstattung) ausgeschlossen werden können. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung haben 2018 beschlossen, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag zu stellen, die NPD von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. 106 Rechtsextremismus Die NPD verzeichnete keine nennenswerten Wahlerfolge mehr wie in den 2000er Jahren, in denen sie in Fraktionsstärke in mehreren ostdeutschen Landtagen vertreten war. Zuletzt erreichte sie in Bund und Ländern Wahlergebnisse, die unterhalb der Schwelle für die staatliche Parteienfinanzierung lagen. Auch in Berlin hatte die NPD in den vergangenen Jahren keine politischen Erfolge vorweisen können. Mehrere Versuche, mit verschiedenen Strategien Anschluss an nichtextremistische Kreise zu finden, scheiterten. Grund dafür war die offen neonazistische Ausrichtung der Berliner NPD. Während der NPD-Bundesvorsitzende zumindest phasenweise versuchte, den Fokus der Bundespartei auf neonationalsozialistische Positionen und NS-Ideologie zu verschleiern, war das für den durch Angehörige des "Netzwerk Freie Kräfte" dominierten Berliner Landesverband keine Option. Mehrere Personalwechsel an dessen Spitze seit 201252 waren kein Ausdruck des Bemühens um eine neue ideologische und strategische Ausrichtung der Partei. Es waren vielmehr Versuche, den Rechtsextremismus und die aktionistische Ausrichtung der Partei lediglich in Nuancen zu modifizieren. Ideologischer Kernbestand der Berliner NPD ist weiterhin ein Rechtsextremismus neonazistischer Ausprägung. Diese personellen Rotationen, innerparteilichen Querelen und insbesondere das schlechte Abschneiden bei Wahlen haben in Berlin zu Frustration unter den Mitgliedern und Funktionären der Partei geführt. Wie seine Vorgänger konnte der aktuelle Landesvorsitzende die Lethargie und Erosion der Mitgliederschaft nicht überwinden und für neue Motivation sorgen. Migration als Dauerthema der Rechtsextremisten Die NPD in Berlin setzt in ihrer Außendarstellung weiterhin verstärkt auf das Thema Migration, da sie dort aktuell Anschlussmöglichkeiten innerhalb aber auch außerhalb der rechtsextremistischen Szene sieht. 52 Sebastian Schmidtke: 2012 bis 2016, Uwe Meenen: 2016 bis 2017 und Andreas Käfer: seit 2017. 107 Am 19. Januar veröffentlichte sie eine Berlinkarte mit den Standorten von Flüchtlingsunterkünften mit den Adressen und den Daten der Betreiberfirmen. Diese Aufstellung diente der NPD als Beleg für ihre These von der "Überfremdung" der Stadt. Im Text forderte die NPD dazu auf, Kontakt mit den Betreibern aufzunehmen: "Durch die neue Karte mit allen Berliner Asylheimen können Sie sich mit Hilfe der NPD bequem am heimischen Bildschirm informieren, welche interessanten ungebetenen Gäste sich in Ihrer Nachbarschaft tummeln, wer für die Überfremdung unserer Heimat verantwortlich ist und wer finanziell von den hunderttausenden Migranten Profit erzielt und an wen Sie sich wenden können, wenn Sie eine Beschwerde direkt vor Ort entrichten wollen."53 Obwohl alle Daten offen recherchierbar waren und es die NPD vermied, offen oder verschleiert zu Aktionen gegen die Heime aufzurufen, können solche Aufstellungen zu Straftaten animieren. Die diffuse Gefährdungslage in Bezug auf Flüchtlingsheime dürfte sich durch diese Informationssammlung nicht konkret verschärft haben, allerdings spekulieren Akteure bei Veröffentlichungen von Namen und Adressen auf einen "Droh-Effekt", der sich in diesem Fall gegen Betreiber und möglicherweise auch Bewohner von Flüchtlingseinrichtungen richten soll. Bereits im Jahr 2015 sorgte eine ähnliche bundesweite Aktion der Partei "Der III. Weg" für öffentliche Aufmerksamkeit. 53 Internetpräsenz der NPD, abgerufen am 6.2.2018. 108 Rechtsextremismus Schafft-Schutzzonen-Kampagne Mitte des Jahres gelang es der Bundes-NPD durch die "Schafft-Schutzzonen"Kampagne54 mediale Aufmerksamkeit zu erreichen. Ihren Anfang nahm die Kampagne mit der Veröffentlichung eines knapp dreiminütigen Videos auf Facebook-Profilen und Twitter-Kanälen der NPD am 7. Juni. NPD-Funktionäre erklären in dem Video, dass "Massenschlägereien, Messerstechereien und sexuelle Übergriffe in Berlin an der Tagesordnung" und zudem oft Frauen Opfer von diesen Angriffen seien. Die Täter hätten "immer wieder in den meisten Fällen einen Migrationshintergrund".55 Die NPD suggeriert, mit Patrouillen der "Schafft-Schutzzonen"-Kampagne im öffentlichen Raum für mehr Sicherheit zu sorgen. Organisiert wurde die "Schafft-Schutzzonen"-Kampagne vom Bundesverband der NPD, die in Berlin durch einige Berliner NPD-Mitglieder und Funktionäre unterstützt wurde. Die NPD berichtete über weitere derartige Aktionen in Salzgitter (NI), Cottbus (BB), Dresden (SN), Worms (RP), Bernau und Barnim (BB). Regionaler Schwerpunkt war jedoch Berlin. "Schafft Schutzzonen" sei eine Kampagne, an der sich jeder beteiligen könne. Um den Kreis der Interessenten auf das bürgerliche Milieu zu erweitern, gibt sich die extremistische NPD hier vermeintlich verfassungstreu. Sie wolle das staatliche Gewaltmonopol nicht in Frage stellen. Es gehe einzig um Räume, die Schutz vor Gewalt, Bedrohung und Verfolgung bieten. Es fänden sich zu den Schutzzonenstreifen Bürger zusammen, denen ihre Nachbarschaft oder ihre Stadt nicht egal seien, die vom Staat und seinen Organen im Stich gelassen würden und nun selber handeln, bis sich die Situation gebessert habe. Es sei sogar eigens ein speziell ausgerüstetes Fahrzeug angeschafft worden.56 54 Bemerkenswert ist die Buchstabenfolge, die als SS ("Schafft Schutzzonen") - eine Anspielung auf die Schutzstaffel der NSDAP - verstanden werden kann. Die SS war u. a. an der Planung und Durchführung des Holocausts beteiligt. 55 Vgl. u. a. "S-Bahn-Streife: Berliner NPD schafft Schutzzonen"; Videobeitrag der NPD bei Youtube vom 7.6.2018. 56 Informationsflyer der NPD zu der "Schafft-Schutzzonen-Kampagne" vom 30.11.2018. 109 Mit der sogenannten "Schafft-Schutzzonen"-Kampagne bediente sich die Partei des in der rechtsextremistischen Szene populären und immer wieder verwendeten Konzepts einer "Bürgerwehr". Im Kern bedeutet dies, den Staat und seine Institutionen als wehrlos und nicht funktionsfähig darzustellen. Die NPD behauptet, dass staatliche Stellen bei der Eindämmung von Kriminalität und Gewalt durch Migranten versagt hätten und transportiert darüber hinaus das rechtsextremistische Feindbild von Migranten als Kriminelle und Straftäter. Dabei geht es nur vordergründig um die tatsächliche Durchführung von "Patrouillen" zum "Schutz von Recht und Ordnung". Vielmehr dient die Kampagne vor allem der Verbreitung von Propaganda über "Ausländergewalt", "No-GoAreas" und "Staatsversagen". Berichte über die Abläufe der Kampagne lieferte die NPD über ihren YoutubeKanal "Deutsche Stimme TV" (ds-tv) oder einige ihrer Facebook-Profile selbst. In einem Flyer erläutert sie, welche Aktionsformen in Frage kämen, um auf verschiedene Bedrohungslagen zu reagieren: Telefonketten, Bürgerwehren, Schaffung von Rückzugsraum und Schulwegwachen. An den Aktivitäten, die im Rahmen dieser Kampagne bislang in Berlin stattfanden, beteiligten sich ausschließlich NPD-Aktivisten, darunter auch der Bundesvorsitzende der Partei. Allerdings waren augenscheinlich nie mehr als zwei bis vier NPD-Aktivisten an den auf Video festgehaltenen "Streifen" beteiligt. Erkenntnisse über die Beteiligung von Personen ohne Bezug zur rechtsextremistischen Szene liegen nicht vor. Bislang wurden ähnliche Aktionen der Partei wie zuletzt der Aufruf zur Bildung sogenannter "Kiezstreifen" Anfang 2016 nach einer kurzen Zeitspanne wieder beendet. Die aktuelle Kampagne wurde wegen der öffentlichen Berichterstattung parteiintern als Erfolg gewertet. Deswegen steigerte die NPD im Laufe des Jahres 110 Rechtsextremismus sukzessive ihr Aktivitätsniveau, das deutlich über dem von vorherigen Bürgerwehr-Kampagnen lag. Allerdings blieb die Personalstärke der Streifen offensichtlich durchgängig gering. Zudem stieß diese Kampagne außerhalb der rechtsextremistischen Szene nicht auf größeres Interesse oder Sympathie. Um das öffentliche Echo ihrer Aktion zu verstärken, berichtete die NPD auf ihren Profilen in sozialen Netzwerken, dass NPD-Mitglieder - unter ihnen auch der Bundesvorsitzende - vor Grundschulen sogenannte Schutzzonen in Form von Schulwegwachen durchgeführt hätten. Die Schulen seien "bereits öfters durch Gewaltund Mobbing-Delikte" in den Schlagzeilen gewesen. Vor Unterrichtsbeginn seien Flugblätter und Taschenalarme an Kinder und Eltern verteilt worden. Der NPD gelang es 2018 in Berlin, ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wieder zu steigern. Allerdings reichten dafür die Aktivitäten einiger weniger Mitglieder und Funktionäre aus. Der überwiegende Teil der Mitgliederschaft verhielt sich wegen ausbleibender dauerhafter Erfolge der Partei passiv, einige verließen sogar die Partei und festigten damit den Trend der letzten Jahre. Die Berliner NPD musste seit 2015 einen Mitgliederschwund hinnehmen. Wegen der Aussichtslosigkeit, in absehbarer Zeit wieder bei Wahlen erhebliche Stimmengewinne zu erzielen, gerierte sich die NPD wieder mehr als gesamtrechtsextremistische Sammelbewegung. Trotz einer verstärkten Zusammenarbeit mit dem Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" blieben die Erfolge bei der Mitgliederakquise allerdings aus. 111 3.4.2 Netzwerk Rechtsextremistische Musik Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" Musik bildet einen wichtigen Bestandteil der rechtsextremistischen Erlebniswelt, in der die Grenzen zwischen politischen Zielen, Identitätsstiftung, Kommerz und Unterhaltung verschwimmen. Durch die Vermittlung von Feindbildern sowie Ideologiefragmenten in Liedtexten ist rechtsextremistische Musik ein verbindendes Element und für die Szene von enormer Bedeutung. Das Gemeinschaftserlebnis bei Konzerten wirkt identitätsstiftend und sorgt in Teilen für eine Verfestigung der Szenebindung. Das Berliner Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" tritt nicht als eigenständiges Netzwerk nach außen in Erscheinung. Mit dem Begriff bezeichnet der Berliner Verfassungsschutz die in diesem Netzwerk aktiven Musiker, Vertriebe und Unterstützer, zu denen insgesamt 180 Personen gehören. Die Bezeichnung als Netzwerkstruktur weist auf die Gemeinsamkeiten in Bezug auf Ideologie und Aktivitäten der Netzwerkangehörigen hin. Die Akteure veröffentlichen Tonträger, veranstalten Konzerte und Festivals oder beteiligen sich an sonstigen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene. Den Kern dieser konspirativ organisierten Szene bilden die seit Jahren aktiven Bands "Deutsch, Stolz, Treue" (D.S.T.), auch "X.x.X." genannt, "Die "Lunikoff-Verschwörung", "Legion of Thor" und seit 2016 wieder "Macht & Ehre". Der "Rapper" "Villain 051" kündigte an, nach der Auflösung des Gesangsduos unter dem Namen "A3stus" auch unter diesem Namen weiter Musik zu produzieren und aufzutreten. 112 Rechtsextremismus Das Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" ist weiterhin der aktivste Bereich des traditionellen Rechtsextremismus. Durch Modifizierung und Ausweitung seiner Angebote konnte er in den letzten Jahren Rechtsextremisten und Interessenten für Veranstaltungen in entlegenen Gegenden mobilisieren. Großereignisse, die in Teilen inzwischen mehr den Charakter rechtsextremistischer Jahrmärkte als Konzertveranstaltungen haben, führen die durch anhaltende Mobilisierungsschwäche und Frustration gekennzeichnete traditionelle rechtsextremistische Szene zusammen, sorgen für Vernetzung, Nachwuchsrekrutierung und Motivation. Sie bilden somit einen wesentlichen Szene-Schmelztiegel und Aktionskatalysator und haben sich so zu einem erfolgreichen Konzept der rechtsextremistischen Szene entwickelt. Die NPD war schon in den letzten Jahren ein wichtiger Kooperationspartner des Netzwerks "Rechtsextremistische Musik". Diese Zusammenarbeit hat sich 2018 jedoch deutlich verstärkt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen wertet die NPD unter den Konzertbesuchern und Musikern ihr Image auf und bietet sich Interessenten als rechtsextremistischer Akteur und Agitationsrahmen an. Zum anderen ist die Veranstaltungsorganisation für Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten auch unter anderen Gesichtspunkten interessant. So profitieren Musiker und Bands durch die Einbettung von Konzerten in angemeldete Demonstrationen vom grundgesetzlich geschützten Versammlungsprivileg. Teilweise stellt die NPD für Liederabende oder sonstige Musikveranstaltungen auch Räumlichkeiten in ihrer Bundeszentrale in Köpenick zur Verfügung. Nachdem zu einem rechtsextremistischen Konzert im Oktober 2016 in der Schweiz ("Rocktoberfest") 5 000 Besucher aus ganz Europa angereist waren, ging der Trend im Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" zu größeren Veranstaltungen. Auch hat die Anzahl der bundesweiten Musikveranstaltungen seit 2014 wieder deutlich zugenommen. Dabei handelt es sich längst nicht 113 mehr nur um reine Musikveranstaltungen. Hinzu kommen etwa Tattoo-Conventions, Kampfsportturniere, Auftritte von Volkstanzgruppen sowie Reden von rechtsextremistischen Politikerinnen und Politikern. Während reine Szene-Konzerte bisher meist wenige hundert Rechtsextremisten anzogen, sind die Teilnehmerzahlen bei rechtsextremistischen Großveranstaltungen inzwischen nicht selten vierstellig. In der jüngsten Vergangenheit gab es in Berlin zwar Liederabende, aber keine rechtsextremistischen Konzerte mehr. Es fehlt in Ballungsräumen einerseits ein entsprechendes Angebot an für die Szene geeigneten Freiflächen, andererseits ist zivilgesellschaftlicher Gegenprotest dort leichter zu organisieren als in ländlichen Gebieten. Nachdem es dem Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" im Juli 2017 auch in Deutschland gelang, für eine Konzertveranstaltung ("Rock gegen Überfremdung II") in Themar (Thüringen) ca. 6 000 Konzertbesucher zu mobilisieren, wollten weitere Akteure von dem sich abzeichnenden Boom rechtsextremistischer Großveranstaltungen profitieren. Dabei spielten im Jahr 2018 Funktionäre der NPD eine zunehmend wichtigere Rolle bei der Organisation und Durchführung dieser Großveranstaltungen. Berliner Rechtsextremisten verstärkten bundesweit ihren Einfluss in der rechtsextremistischen Musikszene. Besonders im Fokus stand 2018 der Bundesorganisationsleiter und ehemalige Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke. Er organisierte 2017/2018 wieder mehrere Veranstaltungen mit rechtsextremistischen Liedermachern in der Berliner NPD-Parteizentrale. Zudem wertete er mit Auftritten rechtsextremistischer Musiker Infobzw. Schulungsabende auf, da diese üblicherweise mehr Zuspruch erhalten als reine Vortragsabende. 2018 meldete er den "Tag der nationalen Bewegung" am 8. / 9. Juni 2018 in Themar (Thüringen) mit mehreren rechtsextremistischen 114 Rechtsextremismus Bands wie "Die Lunikoff-Verschwörung" aus Berlin an, zu der bis zu 2 000 Besucher anreisten. Schmidtke ist nicht nur in die Organisation rechtsextremistischer Konzerte eingebunden, sondern führt dort auch durch das Programm. Bei dem Veranstaltungstag "Rock gegen Überfremdung III" am 6. Oktober im thüringischen Apolda kam es zu Gewalttätigkeiten von Besuchern. Einer Auflösung durch die Polizei kamen die Veranstalter mit einer Beendigung der Versammlung zuvor. Statt jedoch zu deeskalieren, heizte Schmidtke die Stimmung an, als er der Polizei über eine Lautsprecheranlage drohte: "Irgendwann werdet ihr euch wünschen, wir hätten nur Musik gemacht!". Bereits am 20. / 21. April spielte die Berliner Band "Die Lunikoff-Verschwörung" in Ostritz (Sachsen) beim ersten "Schild und Schwert"-Festival mit bis zu 1 300 Besuchern. Angemeldet wurde es vom stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden. Deutlich weniger Zuspruch gab es trotz des Auftritts der in der Szene populären Berliner Band "Die Lunikoff-Verschwörung" für das zweite "Schildund Schwert"-Festival am 2. und 3. November ebenfalls in Ostritz mit 800 Teilnehmern. Schmidtke war an der Gestaltung des Rahmenprogramms bei beiden "Schild-und-Schwert"-Festivals beteiligt und jeweils als Redner vor Ort. Von Schmidtkes verstärkter Kooperation mit dem Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" profitieren beide Akteure. Zum einen hat er die Verankerung der NPD in der rechtsextremistischen Musikszene gefestigt und sogar ausbauen können. Zum anderen erschloss er dem Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" eine neue rechtsextremistische Zuhörerschaft und Veranstaltungs-KnowHow. 115 Grundsätzlich hat das Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" in den letzten Jahren in Bezug auf ihre Veranstaltungen eine Trendwende vollzogen. Einerseits gab es seit 2014 eine gestiegene Anzahl rechtsextremistischer Musikveranstaltungen, und zudem wurden aus vormals reinen Konzerten größere Events mit erweiterten Angeboten, internationaler Bandbeteiligung und einem Massenpublikum im teilweise mittleren vierstelligen Bereich. Die Musikszene hat sich wegen ihres inzwischen ungewohnt hohen Zuspruchs zu einem zentralen Akteur des traditionellen Rechtsextremismus entwickelt. Das Netzwerk "Rechtsextremistische Musik" und die NPD sind derzeit die wichtigsten, wenn auch nicht ausschließlichen Akteure, die die traditionelle rechtsextremistische Szene zusammenhalten. Neue CDs Eine weitere Einnahmequelle rechtsextremistischer Bands ist neben dem Veranstaltungsgeschäft die Veröffentlichung von Musik-CDs. Seit Dezember 2017 wurden von Berliner Rechtsextremisten vier neue CDs veröffentlicht. Nach einigen Strafverfahren und teilweisen Haftstrafen u. a. wegen Volksverhetzung in der Vergangenheit, verschleiern die Bands und Musiker mit rechtsextremistischen Codes ihre Intentionen und verbreiten so weiterhin rechtsextremistische und antisemitische Ideologie. Dennoch wurden 2018 eine CD der Band "Macht & Ehre" und eine CD des Rappers "Villain 051" aufgrund ihres jugendgefährdenden Inhalts von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert, letztere aufgrund eines Gutachtens des Berliner Verfassungsschutzes.57 Strafverfahren und Indizierungen haben auch dazu geführt, dass einer der bekanntesten Protagonisten des Netzwerks "Rechtsextremistische Musik", Michael Regener, alias "Lunikoff", in seinen Texten grundsätzlich allzu offene Anspielungen auf NS-Ideologie vermeidet. Dessen ungeachtet veröffentlicht er 57 Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, Entscheidung Nr. 13658 (V) vom 4.12.2018. 116 Rechtsextremismus Lieder, in denen auf die Leugnung des Holocaust angespielt wird und rassistische Stereotype bedient werden. 3.4.3 Netzwerk Freie Kräfte "Netzwerk Freie Kräfte" Das "Netzwerk Freie Kräfte" hat seine Ursprünge in der Kameradschaftsszene, die Anfang der 2000er Jahre auf staatliche Repression in Form von Vereinsund Kameradschaftsverboten reagierte und sich überwiegend nur noch als Netzwerk organisierte. Dieses zeichnete sich meist durch lockere, z. T. konspirative und bezirksübergreifende Organisationsstrukturen aus. Darüber hinaus bilden der niedrigschwellige Zugang durch das Prinzip "Mitgliedschaft durch Mitmachen" sowie die "Anti-AntifaArbeit"58 zentrale Säulen im Selbstverständnis des "Netzwerks Freie Kräfte". Inzwischen dominieren Straftaten wie z. B. Sachbeschädigung, Bedrohung und Körperverletzung das Aktionsrepertoire des "Netzwerks Freie Kräfte". Die Organisation von Demonstrationen, Schulungen oder Trainingsveranstaltungen ging aufgrund fehlender Trefforte massiv zurück. Wegen der starken Verschmelzung zwischen dem "Netzwerk Freie Kräfte" und der NPD in Berlin verlaufen Entwicklungen in der Partei wie auch dem in Teilen 58 Die "Anti-Antifa-Arbeit" bezeichnet die organisierte Agitation gegen politische Gegner und beinhaltet Aktivitäten wie "Outing" (das Ausforschen und Veröffentlichen privater Daten), Beleidigung sowie Bedrohung, etwa in Form sogenannter "Feindeslisten", aber auch körperliche Angriffe. 117 losen Netzwerk in den letzten Jahren parallel. Auch im "Netzwerk Freie Kräfte" ging die Zahl der Anhänger 2018 zurück. Gründe dafür waren Wegzüge aus Berlin oder der Rückzug aus der Szene. Da das "Netzwerk Freie Kräfte" nur noch wenige gemeinschaftsstiftende Aktivitäten anbietet, die Strukturen festigen könnten, ist die Bindung der einzelnen Neonazis an das "Netzwerk Freie Kräfte" in den letzten Jahren nicht mehr stark ausgeprägt. Durch diese fehlenden Anreize geht auch das individuelle Engagement im Netzwerk zurück. Neben dem Rückzug einiger ehemaligen Führungspersonen aus dem Berliner "Netzwerk Freie Kräfte", deren Engagement zumindest lokal für stabile Strukturen gesorgt haben, sind inzwischen alle Trefforte, die Rechtsextremisten aus dem Netzwerk genutzt haben, geschlossen. Darunter waren von Rechtsextremisten als "Nationale Jugendzentren" bezeichnete Anlaufstellen, die mit wenigen Ausnahmen nur lokale Bedeutung hatten und zumeist ausschließlich von Szeneangehörigen aus den jeweiligen Kiezen besucht wurden. Das letzte rechtsextremistische Jugendzentrum in Pankow musste 2018 schließen. Seit dem Verbot der letzten Kameradschaft "Frontbann24" im Jahr 2009 schrumpfte die Anzahl der im Netzwerk verbliebenen Gruppen drastisch. Die meisten von ihnen hatten ohnehin nur noch eine kiezweite Ausbreitung, gründeten sich meist über soziale Netzwerke und verbreiteten dort überwiegend rechtsextremistische Propaganda. Wegen einer neuen Löschpraxis der Betreiber sozialer Netzwerke fehlt den Rechtsextremisten des Netzwerks inzwischen weitgehend die virtuelle Infrastruktur. Die Alternativangebote ausländischer Provider, die Profile nicht sperren, etablierten sich in Deutschland bisher nicht als Propagandaund Kommunikationsplattformen mit Breitenwirkung. Viele Rechtsextremisten nutzen inzwischen das russische soziale Netzwerk vk.com, ohne dort nennenswert wahrgenommen zu werden. Eine deutsche rechtsextremistische Internet-Plattform gibt es derzeit nicht. Das letzte Angebot ("Altermedia") wurde 2016 vom Bundesinnenminister verboten. 118 Rechtsextremismus NS-Themen als Mobilisierungsfaktor Schon zur Hochphase der Kameradschaften in den 1990erund 2000er Jahren war die Szene mehr aktionsals theorieorientiert. Tiefgründige Ausführungen zu ideologischer Standortbestimmung oder Außendarstellung gibt es in dem aktuellen "Netzwerk Freie Kräfte" oder dessen Vorgängerszene nicht. Die ehemalige Themenbreite im "Netzwerk Freie Kräfte", mit denen dieses vor einigen Jahren noch versuchte, Außenwirkung über die eigene Szene hinaus zu erzielen (z. B. Flüchtlingsheime), schrumpfte auf Angebote, die sich nur noch an die eigene Klientel mit ausschließlich neonazistischen Themen richten. Im Bereich Migration und Flüchtlingsunterbringung haben traditionelle Rechtsextremisten inzwischen ihren Kampf um Meinungsführerschaft an Aktivisten der muslimenfeindlichen rechtsextremistischen Szene und rechtspopulistische Akteure verloren. Danach fokussierte sich das "Netzwerk Freie Kräfte", ähnlich wie die NPD, auf NS-Themen, die bei der eigenen Klientel noch Mobilisierungspotenzial bieten. Straftatenserie in Neukölln Gewaltbereitschaft ist der traditionellen rechtsextremistischen Szene immanent. Häufig geschieht rechtsextremistische Gewalt spontan und ungeplant. Im Bezirk Neukölln ist in den letzten Jahren jedoch eine Zunahme zielgerichteter Gewaltbereitschaft zu verzeichnen. Dies liegt vor allem an der dortigen rechtsextremistischen Szene, die überschaubar, aber traditionell hochradikalisiert und gewaltbereit auftritt. Bereits 2011 wurde das Haus der Jugendorganisation "Die Falken" angezündet und bei einem weiteren Brandanschlag komplett zerstört. Nach einigen Jahren relativer Ruhe zündeten Unbekannte ab Juni 2016 im Neuköllner Süden mehrere Fahrzeuge von Personen an, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Danach kam es in regelmäßigen Abständen immer wieder zu Straftaten wie Brandstiftung an einem Wohngebäude, Brandstiftungen an Fahrzeugen sowie Sachbeschädigungen, teilweise als Droh-Graffiti an Wänden von Wohnhäusern. 119 2018 ging diese Serie von rechtsextremistisch motivierten Straftaten zunächst unvermindert weiter. Im Februar wurde sowohl das Fahrzeug eines Buchhändlers in Neukölln Ziel eines Anschlags als auch das Auto eines Politikers an dessen Wohnanschrift angezündet. Beim zweiten Brandanschlag verhinderte die Feuerwehr ein Übergreifen des Feuers auf das angrenzende Wohngebäude. Im April wurde eine Bronzeskulptur an der Rudower Straße in Neukölln, die an den bislang nicht aufgeklärten gewaltsamen Tod eines jungen Mannes mit Migrationshintergrund erinnert, mit einer unbekannten Flüssigkeit übergossen und verunstaltet. Rechtsextremistisches Heß-Gedenken Berlin wurde nach 2017 im Jahr 2018 zum zweiten Mal Schauplatz eines neonazistischen Demonstrationsereignisses mit überregionaler Bedeutung. Für derart große Mobilisierungen eignen sich im "Netzwerk Freie Kräfte" zuvorderst NS-Themen und die Verherrlichung von NS-Größen wie dem Stellvertreter Hitlers, Rudolf Heß, der sich bis zu seinem Tod 1987 nicht vom Nationalsozialismus lossagte. Rechtsextremisten zweifeln die offizielle Darstellung von seinem Suizid an und fordern Aufklärung über die Todesumstände. Zu Heß' 30. Todestag im Jahr 2017 organisierten auswärtige Rechtsextremisten erstmals eine Heß-Demonstration "Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei - Recht statt Rache!" in Spandau in der Nähe des ehemaligen Kriegsverbrechergefängnisses, in dem er bis zuletzt einsaß. Sie erreichten in Spandau mit 1 000 Teilnehmern zwar nicht mehr die Zahl vergangener Großdemonstrationen, intern wurde allerdings diese bundesweite Mobilisierung als Erfolg gewertet. 120 Rechtsextremismus 2018 sollte die Demonstration unter dem gleichen Motto wiederholt werden. Allerdings mussten diesmal die Rechtsextremisten wegen angemeldeter Gegenproteste auf eine Strecke in Friedrichshain/Lichtenberg ausweichen. Viele der ca. 680 Teilnehmer folgten dem Aufruf zum szenetypischen Dresscode, einheitlich helle Oberbekleidung zu tragen und den optischen Eindruck einer Uniformierung zu erwecken. Unter den Teilnehmern waren Rechtsextremisten aus fast allen Teilen Deutschlands, Kleingruppen aus dem europäischen Ausland und ca. 150 Rechtsextremisten aus Berlin und Brandenburg. Der Einschätzung der Szene nach sei die Demonstration grundsätzlich ein Erfolg gewesen, obwohl die Teilnehmerzahl deutlich hinter der des Vorjahres zurückgeblieben war und man nicht die ursprünglich geplante Wegstrecke in Spandau nehmen konnte. Es sei aber gelungen, das Thema Rudolf Heß erneut in die Öffentlichkeit zu bringen, viele Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten nach Berlin kommen zu lassen und eine vergleichsweise lange Wegstrecke ohne Störungen zurückzulegen. Für Neonazis sind die wenigen überregionalen Demonstrationen mit NS-Bezug Gelegenheiten, sich zu vernetzen. Für das "Netzwerk Freie Kräfte" in Berlin war der "HeßGedenkmarsch" neben einzelnen Kleinstdemonstrationen u. a. mit der Forderung nach Freilassung einer inhaftierten Holocaustleugnerin die einzige öffentliche Veranstaltung im Jahr 2018. Auch wenn diese Demonstration überwiegend von auswärtigen Neonazis organisiert wurde, war die Beteiligung von Berliner Rechtsextremisten durchaus ein Signal der Vitalität des Netzwerks, auch wenn es nach außen derzeit kaum Akzente setzt. 121 3.4.4 Der III. Weg "Der III. Weg" Gründung: 2015 Mitglieder: Berlin: unter 20 (2017: unter 20) Seit März 2015 ist die Partei "Der III. Weg" mit einem Stützpunkt in Berlin aktiv. Die Parteigründung im September 2013 fiel in den Zeitraum des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens und der Verbotsüberlegungen gegen das neonazistische Netzwerk "Freies Netz Süd" in Bayern und war ein weiterer Versuch von Rechtsextremisten, Strukturen zu schaffen, für die deutlich höhere Verbotshürden gelten als für Vereine und andere Organisationsformen. Die Aktivisten versuchen, mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Kampagnen, die sich insbesondere gegen Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik richten, in die Gesellschaft hineinzuwirken. Ideologisch vertritt die Partei "Der III. Weg" offen neonazistische und fremdenfeindliche Positionen, weshalb der Berliner Ableger insbesondere für Aktivisten des "Netzwerks Freie Kräfte", denen die NPD zu moderat agiert, attraktiv ist. "Der III. Weg" hält Distanz zu anderen rechtsextremistischen Parteien oder Organisationen und bietet sich als vermeintlich "exklusive" Alternative zur NPD an. Er gibt sich offen rechtsextremistisch und versteht sich weiterhin als elitärer Gegenentwurf zur NPD. Regionale Schwerpunkte der Parteistrukturen sind inzwischen Teile Sachsens, Ostthüringen und das südliche Sachsen-Anhalt. Der Berliner "Stützpunkt" ist zwar aktiv, aber in der Öffentlichkeit wenig 122 Rechtsextremismus präsent. Demonstrationen der Partei, zu denen "Der III. Weg" meist Mitglieder aus ganz Deutschland mobilisiert, finden überwiegend nicht in Berlin statt. Stattdessen setzen Berliner Funktionäre auf Mitgliederwerbung durch geschlossene Veranstaltungen. Dazu zählen auch neue parteiinterne Angebote: Eine 2018 gegründete AG "Körper und Geist" dient der Vermittlung von Selbstverteidigungstechniken. Bei einer Foto-AG lernen Mitglieder, bei Demonstrationen politische Gegner abzulichten. Mit dem Hinweis auf eine Frauengruppe in der Partei wirbt "Der III. Weg" um Rechtsextremistinnen, um die, zumindest in Berlin, überwiegend männliche Mitgliederschaft zu erweitern. Der Berliner Stützpunkt organisierte im Berichtsjahr keine eigenen öffentlichen Veranstaltungen, allerdings nahmen Berliner Parteimitglieder an einer Demonstration am 1. September in Plauen (Sachsen) mit 1 000 Personen teil. Unter diesen waren viele Personen ohne Bezug zur rechtsextremistischen Szene. Bei einer öffentlichen Veranstaltung zum 100. Jahrestags des Beginns des Frauenwahlrechts am 30. November im Rathaus Spandau warfen "III.-Weg"-Aktivisten Flugblätter von einer Balustrade in den Zuschauerraum. Bezüge zwischen den Inhalten der Flugblätter (u. a. "Schaffung eines deutschen Sozialismus") und der Diskussionsveranstaltung gab es keine. Grund für die Aktion sei gewesen, dass es sich um eine mit "linken Floskeln eingeschränkte Geschichtsanalyse"59 gehandelt habe. 59 Internetpräsenz des "III. Wegs", Aufruf am 30.11.2018. 123 Mit dem "III. Weg" hat sich in Berlin eine weitere rechtsextremistische Partei neben der NPD etabliert. "Der III. Weg" bleibt weiterhin Spartenangebot für besonders systemferne Rechtsextremisten. Mitglieder des "III. Wegs" nehmen üblicherweise nur an eigenen Veranstaltungen teil und bleiben in der Szene weitgehend gewollt isoliert. Dies bedeutet auch eine stärkere Mitgliederbindung als in anderen Parteien. Somit ist "Der III. Weg" nicht von einem Mitgliederschwund betroffen wie andere Teile des traditionellen Rechtsextremismus und konnte über Jahre eine konstante, wenngleich geringe Mitgliederzahl halten. 3.5 Fazit und Ausblick Im Jahr 2018 haben sich die unterschiedlichen Strategien der beiden Phänomenbereiche des traditionellen und muslimenfeindlichen Rechtsextremismus verfestigt: Traditionelle Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten haben ihren Anspruch auf breite Akzeptanz und gesellschaftlichen Anschluss insgesamt aufgegeben. Sie fokussieren sich mit einer offen neonazistischen Ausrichtung auf die eigene Szene. Mit der Verherrlichung der NS-Diktatur und deren Repräsentanten versuchen sie, für Neonationalsozialisten attraktiv zu bleiben. Im Gegenzug verzichten sie bei ihrer Außendarstellung auf anschlussfähige Themen und Thesen. Selbst die NPD sieht trotz drohenden Wegfalls der staatlichen Parteienfinanzierung keine Veranlassung, ihren programmatischen Extremismus zumindest öffentlich weich zu zeichnen. Zwar versucht sie, mit Kampagnen wie "Schafft-Schutzzonen" ihre gesellschaftliche Isolation zu durchbrechen, scheiterte 2018 damit aber erneut. Mehr als öffentliche Resonanz auf ihre Aktionen ist derzeit für traditionelle Rechtsextremisten als Nahziel unrealistisch. Die bundesweit vernetzte traditionelle rechtsextremistische Szene mobilisiert trotz ihrer Krise zu Musikveranstaltungen inzwischen mehrmals im Jahr mehrere tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch zu zentralen Demonstra124 Rechtsextremismus tionsereignissen können Rechtsextremisten weiterhin nahezu vierstellige Teilnehmerzahlen aufbieten. Netzwerkstrukturen bieten Interessenten weiterhin einen niedrigschwelligen Einstieg in die Szene. Trotz oder sogar wegen einer aktuellen Schwächephase wird die rechtsextremistische Szene zumindest in Teilen aggressiver und geht mit verschärfter Gewalt gegen diejenigen vor, die sich gegen sie engagieren. Im muslimenfeindlichen Rechtsextremismus werden die "Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg" (IB BB) und auch das "Netzwerk muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten" weiterhin darum bemüht sein, Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum und in den Medien zu erlangen. Sie werden trotz der derzeitigen Stagnationsphase in Bezug auf Aktivität und Präsenz nicht nachlassen, die öffentlichen Debatten über die Themen Zuwanderung und Islam zu emotionalisieren und negativ zu beeinflussen. Auf diese Weise werden sie auch weiterhin versuchen, zu einer Spaltung der Gesellschaft beizutragen. Muslimenfeindliche Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten profitieren dabei von der aktuellen Hochphase des Rechtspopulismus und decken ideologisch eine offene Flanke zwischen Neonazismus und Rechtspopulismus ab. Folgerichtig vernetzen sie sich auch mit Gruppen außerhalb des muslimenfeindlichen Rechtsextremismus. Das "Netzwerk muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten" sucht sich verstärkt Kooperationspartner wie die NPD oder das "Netzwerk Freie Kräfte". Dessen Demonstrationen haben überregionale Bedeutung. Hiervon geht weiterhin mindestens eine abstrakte, bisweilen aber auch eine hohe konkrete Gefahr aus. Trotz der Entwicklungen und der Erfolge bei der Bekämpfung insbesondere des traditionellen Rechtsextremismus der letzten Jahre sind weiterhin in Berlin viele Anhänger dieser menschenverachtenden Ideologie aktiv, einige sogar mit schweren Straftaten gegen Andersdenkende. Daher ist es wichtig, dass die Si125 cherheitsbehörden diese Szene weiter mit hoher Intensität im Blick haben und insbesondere die Öffentlichkeit über die Gefahren des Rechtsextremismus in Berlin aufklären. Nur so kann verhindert werden, dass bei veränderten wirtschaftlichen oder politischen Rahmenbedingungen die rechtsextremistische Ideologie mit ihren simplen Lösungsansätzen für komplexe Problemlagen für einen größeren Personenkreis anschlussfähig wird. 126 4 Reichsbürger und Selbstverwalter 127 4 Reichsbürger und Selbstverwalter "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" Mitglieder: Berlin: 670, davon 150 Rechtsextremisten (2017: 500, davon 110 Rechtsextremisten) Die Bewegung der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" besteht aus Gruppierungen und Einzelpersonen, die unter anderem unter Berufung auf den vermeintlichen Fortbestand des historischen Deutschen Reichs, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Die Anhänger der "Reichsbürgerszene" teilen die Vorstellung, Deutschland würde von einer "BRD GmbH" verwaltet oder sei weiterhin von den Alliierten besetzt. Ideologisch vertreten rechtsextremistische "Reichsbürger" neben Verschwörungstheorien z. T. revisionistische, antisemitische und den Nationalsozialismus verherrlichende Positionen. Für die Verwirklichung ihrer Ziele treten sie aktiv ein, wie beispielsweise mit aggressiven Verhaltensweisen gegenüber Vertretern von Gerichten und Behörden. Die sogenannte Reichsbürgerszene bewegt sich in einem extremistischen, aber nicht notwendigerweise klassisch rechtsextremistischen Spektrum. "Reichbürger" bilden daher einen eigenen extremistischen Phänomenbereich. Aus ihrer Vorstellungswelt heraus gründen "Reichsbürger" "kommissarische Reichsregierungen" oder "provisorische Regierungssitze", um vermeintliche 128 Reichsbürger und Selbstverwalter Regierungsund Amtsgeschäfte zu führen. Sie sind bemüht, als selbsternannte Repräsentanten von vermeintlich anerkannten Staaten beispielsweise Kontakte zu ausländischen Botschaften oder der UNO herzustellen. Ein großer Teil der Anhänger versucht, die aus ihrer Sicht fehlende Legitimität der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten sowie Pseudorechtsgutachten zu belegen und so zu bekämpfen. Dies machen "Reichsbürger" bevorzugt in umfangreichen Schreiben üblicherweise an Behörden, Politiker und Gerichte. Darüber hinaus bringen die Aktivisten - überwiegend gegen Bezahlung - Phantasieausweise in Umlauf, die deren Inhaber als "Bürger", "Mitglied" oder auch "Diplomat" der jeweiligen Gruppierung ausweisen. Rechtsextremistische "Reichsbürger" Die meisten "Reichsbürger" haben kein geschlossenes ideologisches Weltbild. Ihre Argumentationen kreisen häufig in pseudojuristischer Diktion um den Versuch, eine vermeintlichen Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland zu belegen. In Verbindung damit wird z. B. auf das deutsche Kaiserreich, die preußische Verfassung, die Weimarer Reichsverfassung oder auf Fantasiereiche Bezug genommen, in deren Rechtstradition sich diese "Reichsbürger" sehen. Rechtsextremistischen "Reichsbürger" dagegen verbinden häufig die Behauptung, dass die Bundesrepublik Deutschland kein souveräner Staat sei, mit fremdenfeindlichen Einstellungen oder einem ausgepräg129 ten Antisemitismus. In ihrer Vorstellung wurden historische Ereignisse, wie z. B. der Zweite Weltkrieg oder die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, von einer imaginierten jüdischen Weltverschwörung ausgelöst. Einige der rechtsextremistischen "Reichsbürger" leugnen den nationalsozialistischen Völkermord an den europäischen Juden. "Reichsbürger" sind in der Masse keiner Gruppierung zuzurechnen. Sie halten teilweise in sozialen Netzwerken, mit eigenen Videokanälen oder Internetpräsenzen zueinander Kontakt. Seit einigen Jahren werden zunehmend Aktivitäten der "Reichsbürger" in der Öffentlichkeit bekannt. Dabei geht es z. B. um veröffentlichte Krönungszeremonien von selbsternannten Königen, Demonstrationen vor dem Reichstagsgebäude oder Störungen von Gerichtsverhandlungen und Behinderungen von Vollzugsmaßnahmen. Trotz der querulatorischen Auffälligkeiten verhielt sich die "Reichsbürgerszene" in Berlin bislang fast nur verbal aggressiv. Ihre Drohungen in Schreiben hatten für die Adressaten bislang üblicherweise keine weiteren Folgen. Eine der Berliner Gruppen, die "Geeinten deutschen Völker und Stämme", fiel allerdings in der Vergangenheit mehrfach durch Aktionen wie die beabsichtigte "Übernahme" des Rathauses Zehlendorf oder die Verteilung von Broschüren an Bedienstete des öffentlichen Dienstes auf. Auch 2018 verschickte sie meist aggressive Schreiben an staatliche und private Stellen. Die Absender geben sich in diesen Schreiben als angebliche Hoheitsträger wie z. B. als "Stellvertretender Magistrat von Berlin" aus oder operieren mit Phantasiebezeichnungen wie "Juristikarin" des "Höchsten Gerichts der Geeinten deutschen Völker und Stämme". Der "Stellvertretende Magistrat" der "Geeinten deutschen Völker und Stämme" forderte im Oktober in einem Schreiben das Amtsgericht Mitte auf, per Grundbucheintrag Liegenschaften und Immobilien auf eine Privatperson zu übertragen. 130 Reichsbürger und Selbstverwalter Hauptziel der Gruppierung ist eine "Reaktivierung" staatlicher Hoheitsgebiete und deren "Rückübertragung" unter die Verwaltung der "Geeinten Völker und Stämme". Mit solchen Aktionen demonstriert die Gruppierung unmissverständlich, dass sie Personen und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland für illegitim hält und deren Handeln nicht anerkennt. Eine Denkweise, die typisch ist für die Bewegung der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". Neben den "Geeinten deutschen Völkern und Stämmen" waren auch andere "Reichsbürgergruppierungen" in Berlin aktiv. So wurden am 11. April die Geschäftsräume des Leiters von "Die Exilregierung Deutsches Reich" durchsucht. Hintergrund war ein Ermittlungsverfahren wegen des Vertriebs von Fantasiedokumenten Die "Stiftung 36 Grad" versandte "kommerzielle Pfandrechte" an staatliche, aber auch private Institutionen in verschiedenen Bundesländern. In diesen Schreiben wurden von den Adressaten Zahlungen in bisweilen absurder Höhe gefordert.60 Bei Nichtzahlung wurde eine Veröffentlichung von Personendaten im US-Schuldnerverzeichnis UCC angedroht. Bislang konnten "Reichsbürger" jedoch in keinem Fall ihre Fantasieforderungen durchsetzen. Der "Reichsbürgerszene" zugerechnet werden auch sogenannte Selbstverwalter, die auf eigenen Liegenschaften ein imaginiertes staatsähnliches Gebilde gründen und sich dort auf außerbundesrepublikanischem Gelände wähnen. In Berlin sind "Selbstverwalter" in der "Reichsbürgerszene" nur Ausnahmeerscheinungen. 60 Z. B. in einem Schreiben der "Stiftung 36 Grad" an das Amtsgericht Tiergarten vom 20.3.2018 eine Summe von 511.111.000.000.000.000,00 US-Dollar. 131 132 5 Linksextremismus 133 5 Linksextremismus 5.1 Ideologie und Historie Der Begriff Linksextremismus erhält seinen Gehalt in der Verabsolutierung der aufklärerischen Ziele von Freiheit und Gleichheit, wie sie sich insbesondere in den Ideen von Kommunismus und Anarchismus ausdrücken. Versuche, diese Konzepte in die Realität umzusetzen, scheiterten bisher sämtlich. Die Idee des Kommunismus setzt das Ziel der Gleichheit absolut und macht die kapitalistische Eigentumsordnung für die immensen sozialen Ungleichheiten am Beginn des Industriezeitalters verantwortlich. Marx und Engels unterscheiden in Besitzer ("Bourgeoisie") und Nicht-Besitzer ("Proletariat") von Produktionsmitteln, die ihre gegensätzlichen Interessen nach einem historischen Gesetz ("Historischer Materialismus") im Klassenkampf austragen. Durch den Sieg des Proletariats über die Bourgeoisie sollten mit den Produktionsverhältnissen ("Basis") schrittweise auch die Herrschaftsverhältnisse ("Überbau") überwunden werden. Über den Sozialismus und die "Diktatur des Proletariats" führe der Weg in den vollständig egalitären Kommunismus. In der Praxis fand die Arbeiterklasse jedoch nicht über ihr "Sein" selbständig zum revolutionären "Bewusstsein". Lenin ergänzte die Theorie daher um eine "Partei neuen Typs" als revolutionäre Avantgarde der Arbeiterklasse. Stalin erweiterte den Führungsanspruch der Partei zu einem quasi-religiösen Kult um seine eigene Person. Und Mao Zedong schließlich versuchte nach Ausschaltung der Feinde innerhalb und außerhalb des Apparats mit gewaltigen Umerziehungsprogrammen auch die innere Opposition der Menschen zu brechen. Am Ende stand bzw. steht in allen Fällen des "real existierenden Sozialismus" nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur über das Proletariat. Der sogenannte "Marxismus-Leninismus" ist gleichwohl bis heute die programmatische Grundlage kommunistischer Parteien. 134 Linksextremismus Linksextremismus Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für alle gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen, die auf einer Verabsolutierung der aufklärerischen Werte von Freiheit und Gleichheit beruhen, wie sie sich insbesondere in den Ideen von Kommunismus und Anarchismus ausdrücken. Neben der Abschaffung der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung, die allein keinen Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen begründet, streben Linksextremisten auch die Abschaffung der repräsentativen Demokratie an. Dieses, meist auf den Begriff des Kapitalismus reduzierte "System", soll entweder durch die Herrschaft einer zentralistischen Partei, durch dezentrale Selbstverwaltungen oder die Eliminierung jeglicher Regierungsstrukturen ersetzt werden. Verfechter solcher Ideen gründen Parteien und Organisationen, um bei Wahlen anzutreten oder für ihre Ziele öffentlich zu werben. Andere versuchen, zivilgesellschaftliche Initiativen zu unterwandern, um diese in ihrem Sinne zu beeinflussen. Organisationsund theorieferne "Autonome", die herrschaftsfreie Räume anstreben, setzen eher auf demonstrative bis militante Ausdrucksformen, um damit Signalwirkung zu erzielen - und missachten dabei bewusst das staatliche Gewaltmonopol. Gemeinsam ist ihnen die Neigung, soziale Problemlagen politisch zu instrumentalisieren und vordergründig im Gewand legitimer Gesellschaftskritik zu verschleiern. Anders als der Kommunismus verabsolutiert der Anarchismus nicht die Idee der Gleichheit, sondern die der Freiheit. In diesem Sinne gilt es zunächst nicht, das Eigentum abzuschaffen, sondern den Staat. Das Ziel ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft ohne jegliche "Fremdbestimmung". Dennoch lehnen auch Anarchisten das Privateigentum als Herrschaftsform der Besitzenden über die Nicht-Besitzenden ab. Der Anarchismus verfügt über kein stringentes und 135 vermeintlich wissenschaftliches Theoriegerüst, wodurch er sich vom Kommunismus unterscheidet. Es existieren hierzu eine Reihe von Auslegungen unterschiedlicher Vordenker. Überwiegend gemeinsam ist ihnen die Erwartung, dass die Menschen sich mit der Abschaffung hierarchischer Strukturen selbst organisieren, z. B. in dezentralen Räten. Der Weg dorthin muss auch nicht zwingend gewaltsam sein, sondern setzt z. B. auch bei gewerkschaftlicher Organisierung an (z. B. nach sogenannten syndikalistischen Konzepten). Mit dem Anarchismus historisch verbunden bleiben jedoch die als "Propaganda der Tat" gedachten Attentate auf zahlreiche Staatsoberhäupter an der Wende zum 20. Jahrhundert. Die erhoffte Signalwirkung für einen "Aufstand der Massen" hatten diese jedoch nicht, und so blieb die Idee des Anarchismus im Hinblick auf ihre Umsetzung nach anfänglich großer Resonanz eine Fußnote der Geschichte. Seit den 1980er Jahren wird das Bild vom Linksextremismus in Deutschland vor allem von den sogenannten "Autonomen" geprägt, die mit ihrem martialischen Auftreten in "Schwarzen Blöcken" und oftmals krawallartigem Aktionismus manchmal den Eindruck eines eher unpolitischen Vandalismus erwecken. Doch diese Einschätzung bliebe vordergründig. Autonome grenzen sich vom strengen Dogmatismus und der kaderartigen Organisation kommunistischer Parteien wie auch von Linksterroristen ab. Wie Anarchisten besitzen sie kein geschlossenes Theoriegebäude. Die Unterwerfung unter einen organisierten Willen lehnen sie kategorisch ab. Diese Theorieund Organisationsferne ist wesentlicher Teil ihrer Ideologie, die das Individuum und seine Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt stellt. Das Prinzip der sogenannten "Politik der ersten Person" beruht auf dem souveränen Handeln aufgrund individuellen Betroffenseins. Entscheidungen über das eigene Leben sollen nicht von Dritten stellvertretend getroffen werden. Dieses selbstermächtigende Politikverständnis manifestiert sich praktisch u. a. im militanten Widerstand gegen alles, was subjektiv als Missstand empfunden wird - nach dem Credo "Macht kaputt, was euch kaputt macht". Aus dieser Haltung heraus 136 Linksextremismus lehnen Autonome sowohl das Repräsentationsprinzip wie auch das staatliche Gewaltmonopol ab. Im historischen Rückblick sind für Berlin drei Strömungen von Autonomen zu unterscheiden: Die Hausbesetzer-Szene Anfang der 1980er Jahre als Reaktion auf zunehmende Wohnraumspekulation, zweitens die "Antifa" Anfang der 1990er Jahre in Folge einer Welle fremdenfeindlicher Übergriffe sowie drittens und aktuell die (re)organisierten Postautonomen, die vor allem im Zuge von Globalisierungskritik und Finanzkrise Aufwind erhalten. Letztere sind nicht mehr als Autonome im ursprünglichen Sinne zu bezeichnen. Sie verstehen sich als deren organisatorische und strategische Weiterentwicklung. Postautonome kennzeichnet eine größere Theoriebezogenheit, eine deutlich strategisch-taktische Ausrichtung und der erklärte Wille, sich zu organisieren. Im politischen Protest u. a. gegen Kapitalismus, Gentrifizierung, Repression, Faschismus und Rassismus suchen und finden diese Strömungen in unterschiedlichem Ausmaß Anschluss an subkulturell verwandte oder ideologisch nahestehende Milieus. Das macht die Unterscheidung zwischen dem Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und für ein legitimes gesellschaftliches Anliegen erheblich schwieriger als in anderen Phänomenbereichen des politischen Extremismus. 5.2 Personenpotenziale Linksextremisten gründen Parteien und Vereine, führen öffentliche Veranstaltungen durch und erstellen Publikationen zur Verbreitung ihrer politischen Ideen. Hierfür nutzen sie intensiv Kommunikationsmöglichkeiten des Internets. Unter anderem dadurch, dass sie aktuelle Themen aufgreifen, die viele Menschen bewegen, sind sie bemüht, sich weit über ihr eigenes Spektrum hinaus zu vernetzen. Zu diesem Zweck versuchen sie außerdem, andere Organisationen und Zusammenschlüsse zu unterwandern. Manchmal treten sie zu Wahlen an. Primäres Ziel ist es, Menschen für ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu gewinnen. 137 Personenpotenziale Berlin 2017 2018 Gewaltbereite Linksextremisten, davon: 980 970 Autonome 640 610 Postautonome 340 360 Nicht-gewaltbereite Linksextremisten, davon: 1 800 2 020 "Rote Hilfe e.V." 1 450 1 650 Sonstige61 350 370 Linksextremistische Parteien 170 150 Gesamt 2 950 3 140 Die Entwicklung des linksextremistischen Personenpotenzials in Berlin verläuft seit Jahren in die tendenziell gleiche Richtung. Wie seit 2012 zu beobachten, beruht der Anstieg auf einem Mitgliederzuwachs bei den eher unterstützend und propagandistisch wirkenden Organisationen. Dem Verein "Rote Hilfe e. V." gelang es erneut, Mitglieder zu rekrutieren. Die Verschiebung zwischen den klassischen Autonomen und den moderneren Postautonomen zugunsten Letzterer hat sich ebenfalls fortgesetzt. Die quantitative Schwäche des autonomen Spektrums spiegelt sich u. a. am 1. Mai wider, wo es in den vergangenen Jahren kaum Akzente setzen konnte. Dagegen wächst die postautonome "Interventionistische Linke" (IL) beständig weiter. 61 Überwiegend orthodoxe Linksextremisten. 138 Linksextremismus "Rote Hilfe e.V." (Ortsgruppe Berlin) Gründung: 1995 Mitglieder: Berlin: 1 650 (2017: 1 450) Die "Rote Hilfe" wurde unter historischer Bezugnahme auf einen von 1924 bis 1936 bestehenden gleichnamigen Vorläufer 1975 als eingetragener Verein neu gegründet. 1995 entstand die Ortsgruppe Berlin, die sich mittlerweile zur mit Abstand größten linksextremistischen Organisation der Stadt entwickelt hat. Die "Rote Hilfe" versteht sich gemäß Satzung als "linke Schutzund Solidaritätsorganisation" für alle, die aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt würden. Sie unterstützt von Strafermittlungen Betroffene materiell und politisch. Ausschlaggebend ist allein die politisch linke Motivation der Tat.62 Die "Rote Hilfe" versteht sich als Gegengewicht zu den "staatlichen Repressionsorganen", welche die bestehenden "Ausbeutungsund Unterdrückungsverhältnisse" verteidigen würden. Trotz der eindeutigen Ausrichtung verfolgen nicht alle Mitglieder des Vereins selbst verfassungsfeindliche Zielsetzungen. Die an Statuten und Aktivitäten erkennbaren Bestrebungen der Organisation und ihrer Entscheidungsträger führen jedoch zu ihrer Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Da alle Mitglieder Beiträge zahlen und zudem Spenden akquiriert werden, verfügt die "Rote Hilfe" über erhebliche finanzielle Mittel. 62 Vgl. hierzu u. a. "Wer ist die Rote Hilfe?" auf der Internetpräsenz "rote-hilfe". Ohne Datum. 139 5.3 Aktuelle Entwicklungen Entgegen in der Szene zahlreich geäußerter Hoffnungen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen von Hamburg (G20-Gipfel 2017), diese könnten über das Ereignis hinaus katalysatorisch wirken und die linksextremistische Szene zusammenführen, war das Jahr 2018 gekennzeichnet von vielfältigen und z. T. kleinteiligen Kämpfen gegen das verhasste "System". Im Vordergrund standen dabei die kapitalismuskritischen Themen AntiGentrifizierung in vielfältigen Facetten, ein vermeintlicher gesellschaftlicher "Rechtsruck" sowie die "Kurdistansolidarität". Anti-Kapitalismus Anti-Kapitalismus in linksextremistischem Verständnis bezieht sich auf Karl Marx, nach dessen Theorie durch die Produktionsauch die Herrschaftsverhältnisse überwunden werden sollen. Der Kampf gegen das "kapitalistische System" hat für Linksextremisten deshalb nicht nur die Abschaffung der marktwirtschaftlichen Ordnung, sondern auch der parlamentarischen Demokratie zum Ziel. Im Kapitalismus sehen sie u. a. die Ursache für Kriege (Imperialismustheorie) und Faschismus (Dimitroff-These).63 Und selbst Autonome finden im - von ihnen so bezeichneten - "Schweinesystem" Erklärungen für vermeintlich staatliche Repression sowie die Verdrängung aus "Freiräumen". Durch weltweite Wirtschaftsund Finanzkrisen am Beginn des neuen Jahrtausends hat die Marxsche Kapitalismusanalyse und damit 63 Georgi Dimitroff (1882-1949) war ein bulgarischer Politiker (Kommunistische Partei), der die - später nach ihm benannte - These entwickelte, die "bürgerliche Demokratie" und der Faschismus seien zwei verschiedene Ausprägungen des Kapitalismus. Wenn der Kapitalismus bedroht sei, wandele sich die "bürgerliche Demokratie" in eine faschistische Diktatur, die darauf ziele, den Kapitalismus abzusichern. 140 Linksextremismus der "klassische" Anti-Kapitalismus eine Renaissance erlebt. Viele Menschen fühlen sich zudem dem ökonomischen, politischen, sozialen und auch kulturellen Veränderungsdruck einer "entfesselten" Globalisierung nicht gewachsen. In per se nicht-extremistischen, aber globalisierungskritischen Bewegungen hoffen Linksextremisten daher Bündnispartner für ihre systemüberwindenden Ziele zu finden. 5.3.1 "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" Der "Revolutionäre 1. Mai" hat noch immer eine hohe symbolische Bedeutung für die linksextremistische Szene Berlins. Nachdem 2017 ein Streit über die Nichtanmeldung zu einer Fragmentierung der Veranstaltungslage geführt hatte, gelang es den Organisatoren der traditionellen "18 Uhr-Demo" - allen voran "radikale linke | berlin" - die Szene zu einen und auf dieses Ereignis zu fokussieren. Ziel war es, die erfolgreiche "Befriedung" des 1. Mai durch polizeiliche Taktiken und Maßnahmen des Bezirks zu durchbrechen. Wie schon 2016 teilweise und 2017 gänzlich startete die "18-Uhr-Demo" unangemeldet, aber mit einer angekündigten Route. Die Atmosphäre war zum Teil aggressiv, der Demonstrationszug verlief jedoch ohne größere Zwischenfälle. Insgesamt beteiligten sich bis zu 6 500 Personen an der Demonstration und damit deutlich weniger als in den vergangenen Jahren (2017: 10 200, 2016: 13 000). Letztlich gelang es der autonomen Szene Berlins nicht, am 1. Mai die gewünschten militanten Akzente zu setzen. Es bleibt abzuwarten, welche Schlüsse sie daraus zieht und ob 2018 eine Zäsur darstellen könnte. 141 Auswirkungen dürften die Entwicklungen auf die szeneinterne Stellung der federführend organisierenden Gruppierung "radikale linke | berlin" haben, der es auch in anderen Themenzusammenhängen nicht gelang, ihrem Anspruch gerecht zu werden. "radikale linke | berlin" Gründung: 2014 Mitglieder: 40 (2017: 50) Die "radikale linke | berlin" wurde Ende 2014 gegründet, nach eigenen Aussagen von "Menschen mit politischer Praxis aus verschiedenen Strömungen, von ML64 bis autonomer Kleingruppe, von Antifa bis Anarchismus". Sie versteht sich nach wie vor als "Gruppe im Aufbau". Es handelt sich somit um ein Sammelbecken, in dem sich u. a. Mitglieder der ehemaligen "Antifaschistische Linke Berlin" (ALB), der "Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin" (ARAB) sowie anderer autonomer Gruppierungen neu organisieren mit dem Ziel, die Kleingruppenisolation zu überwinden und in größerem Verbund politisch handlungsfähiger zu werden. Bemerkenswert und ein Bruch mit traditionellen Gewohnheiten ist hierbei, dass ideologische und strategische Differenzen zugunsten einer Kooperation offensichtlich zurückgestellt werden. Die Erklärung der Gruppe, Militanz sei nicht das einigende Element der Mitglieder, ist nicht gleichzusetzen mit einer tatsächlichen Abkehr von Gewalt 64 Marxismus-Leninismus. 142 Linksextremismus als Mittel zur Erreichung politischer Ziele. Anders als die IL Berlin oder TOP B3rlin ist die "radikale linke | berlin" eine "klassische" autonome Gruppierung. 5.3.2 "Kurdistansolidarität" Die türkische Militäroffensive auf kurdische Autonomiegebiete in Nordsyrien führte zu breiten Solidaritätsbekundungen der Berliner linksextremistischen Szene. Aus ihrer Sicht standen bei der sogenannten Operation Olivenzweig nicht türkische Sicherheitsinteressen im Vordergrund, sondern die Absicht, Autonomiebestrebungen in Nordsyrien ("Rojava") und dem Nordirak einzugrenzen. Traditionell gibt es eine starke Affinität linksextremistischer Gruppierungen zum sogenannten kurdischen Befreiungskampf, der auf zwei Säulen basiert. Zum einen steht die Region "Rojava" stellvertretend für vielfältige "Emanzipationsbestrebungen" im gesamten Nahen Osten gegen "koloniale Fremdbestimmung, Imperialismus und reaktionäre Gegenbewegungen wie dem politisch geprägten Islam". Dieser Kampf wird von Linksextremistinnen und Linksextremisten insofern als symbolisch betrachtet, weil der Aufbau einer "emanzipatorischen gesellschaftlichen Alternative", deren Grundlagen Selbstorganisation, Basisdemokratie, Frauenemanzipation sowie die Überwindung ethnischer und konfessioneller Spaltungen seien, zeige, dass eine "andere Welt" möglich sei. Er stelle somit für die weltweite Linke eine ernstzunehmende Option dar.65 65 "Informationen für Antifaschist*innen die sich dem Widerstand in Rojava und Sengal anschließen wollen" auf der Internetpräsenz "linksunten.indymedia". Veröffentlicht am 20.2.2015. 143 Zum anderen wird der militärische Kampf kurdischer Verbände gegen die Organisation "Islamischer Staat" (IS) heroisiert als Befreiungsund Stellvertreterkrieg gegen "faschistische Gegner", als welche der IS ebenso wie Syrien (und die das Regime unterstützenden Staaten) sowie in diesem Kontext zuletzt insbesondere die Türkei angesehen werden. In den vergangenen Jahren sind diverse linksextremistische Aktivisten in kurdische Kampfgebiete gereist, um sich ein Bild von den Ereignissen vor Ort zu machen, über die Ereignisse zu berichten, sich an humanitären bzw. an Wiederaufbauaktivitäten oder sogar an Kampfhandlungen zu beteiligen. Anlässlich des Besuchs des türkischen Staatspräsidenten Erdogan Ende September in Deutschland riefen zahlreiche linksextremistische Gruppierungen zu Protesten auf. Im Mittelpunkt der Kampagne stand zum einen eine vermeintliche "Kumpanei" des deutschen Staates mit einem "Despoten" und dessen Politik.66 Die Türkei sei ein wichtiger Partner in der "Abschottungspolitik" ("Flüchtlingsdeal") und einer der relevantesten Abnehmer deutscher Rüstungsgüter.67 Zum anderen wird die türkische Außenund Innenpolitik angeprangert.68 Die linksextremistische Szene initiierte reaktiv eine militante Kampagne in Deutschland und Europa gegen die türkische Invasion in Nordsyrien sowie gegen deutsche Rüstungsexporte und die Hersteller von Rüstungsgütern, ihre Zulieferer, Kooperationspartner und Finanziers. Das Engagement in diesem Themenfeld geht quer durch die linksextremistische Szene Berlins. Beteiligt sind sowohl führende autonome Gruppierungen wie die "Rigaer94", die "Antifaschistische Koordination 36" (AK36) und die "ra66 "Dem deutsch-türkischen Staatsterror das Handwerk legen!" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht und abgerufen am 21.8.2018. 67 "Erdogan vertreiben, Liebig34 verteidigen!" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht am 25.8.2018. Abgerufen am 27.8.2018. 68 "Dem deutsch-türkischen Staatsterror das Handwerk legen!". A.a.O. 144 Linksextremismus dikale linke | berlin" als auch bundesweit vernetzte postautonome Zusammenschlüsse wie IL oder "TOP B3rlin", außerdem Antiimperialisten, Anarchisten und orthodoxe Gruppierungen bzw. Parteien. "Antifaschistische Koordination 36" (AK36) Gründung: 2015 Mitglieder: 20 (2017: 20) Die "Antifaschistische Koordination 36" wurde im August 2015 gegründet - vordergründig mit dem Ziel, die aus ihrer Sicht verkrusteten "Antifa"-Strukturen in Berlin aufzubrechen, um wieder "Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen" zu gewinnen. In ihrer Gründungserklärung69 bezeichnet sie den Kapitalismus als "wichtigste Grundlage für das Bestehen neonazistischer Strukturen" und bezieht sich damit auf das linksextremistische Antifaschismusverständnis, nach dem der Faschismus dem Kapitalismus implizit ist. Der Staat sei "nicht nur deswegen von Grund auf abzulehnen". Darüber hinaus bezieht sich AK36 auf weltweite "Befreiungskämpfe", insbesondere den kurdischen Kampf im Nahen Osten, der ein "emanzipiertes und selbstverwaltetes Gesellschafts-Modell" anstrebe. 69 "Gründungserklärung der 'Antifaschistischen Koordination 36'" auf der Internetpräsenz der AK36. Veröffentlicht am 6.8.2015. Abgerufen am 20.11.2017. 145 In der Praxis ist sie jedoch eher als Teil des autonomen "Anarcho"Spektrums wahrzunehmen. Ihre Mitglieder sind als hoch gewaltbereit einzuschätzen und verfügen über gute Kontakte in die "Rigaer94". AK36 agiert konspirativer als die "radikale linke | berlin". 2018 trat sie offener auf als zuvor. AK36 rief bereits im März zu einem "TagX" auf.70 Es gelte, den Staatsbesuch "zu stören, zu sabotieren, zu blockieren, anzugreifen". Die "radikale Linke" sei aufgefordert, den Kampf mit "unberechenbaren Interventionen" zu intensivieren.71 Die "Rigaer94" folgte mit dem nicht minder martialischen Aufruf, "Staatsbesuche zum Desaster (zu) machen". Straßenschlachten seien "wichtige Zeichen in alle Welt", dass "Gräueltaten von Despoten nicht mit Gleichgültigkeit betrachtet werden".72 Insgesamt blieb die Versammlungslage während des Staatsbesuchs trotz dieser Drohungen weitgehend ruhig. Eine Großdemonstration unter dem Motto "Erdogan not welcome" mit 6 000 Teilnehmenden verlief ebenso störungsfrei wie diverse Kleinkundgebungen mit bis zu 350 Teilnehmenden. 70 "Berlin: Aufruf zum Tag X - des Besuchs von Erdogan" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht am 20.3.2018. Abgerufen am 22.3.2018 bzw. "Update zum TagX - Erdogan kommt am 28. September". Ebd. veröffentlicht am 8.8.2018. Abgerufen am 22.8.2018. 71 "Berlin: Aufruf zum Tag X - des Besuchs von Erdogan" . A.a.O. 72 "Staatsbesuche zum Desaster machen!" auf der Internetpräsenz "Rigaer94". Veröffentlicht und abgerufen am 22.8.2018. 146 Linksextremismus Es gelang der autonomen Szene lediglich, einige kleinere Akzente durch dezentrale Aktionen zu setzen. So kam es im Rahmen eines unangemeldeten Aufzugs zu Beginn des Staatsbesuchs, an der bis zu 150 zumeist vermummte Personen teilnahmen, zu Steinwürfen auf Polizeibeamte und Einsatzfahrzeuge sowie diversen Sachbeschädigungen. Spektakulär wirken sollte die Platzierung von brennenden Autoreifen auf Autobahnbrücken sowie auf einer Hauptverkehrsstraße. Eine militante Begleitkampagne richtete sich u. a. gegen (Partei-)Büros, Firmensitze und -wagen, staatliche Institutionen (Bundeswehr/Polizei) sowie DITIB73-Gebäude, deutsch-türkische Unternehmensverbände und Firmen, die "offen die AKP-MHP74-Koalition hofieren".75 "Radikale Zellen im Herzen der Bestie" riefen u. a. zu "brennenden türkischen Botschaften" auf.76 In einem linksextremistischen Blog wurde eine Liste vermeintlich beteiligter (Rüstungs-)Unternehmen und "Profiteure" sowie Finanziers veröffentlicht. Eine Chronik erfasste Aktionen, darunter einen Brandanschlag auf einen türkischen Kulturverein ("DITIB-Propagandazentrum") sowie diverse Sachbeschädigungen bei den genannten Firmen bzw. Banken. "Zwischenziel" der europaweiten Kampagne seien "100 Millionen Euro als wirtschaftlicher Schaden" und damit die "Hälfte des Jahresgewinns" eines Rüstungsunternehmens.77 73 Deutsch: "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.". Der Vorsitzende ist in Personalunion Botschaftsrat der Türkei für religiöse und soziale Angelegenheiten. 74 Adalet ve Kalkinma Partisi/Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung bzw. Milliyetci Hareket Partisi/Partei der Nationalistischen Bewegung; aktuelle Regierungskoalition in der Türkei. 75 "Afrin ist Überall, Überall ist Widerstand" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht und abgerufen am 8.3.2018. Schreibweise im Original. 76 "Wenn Afrin fällt... wird es zu spät gewesen sein!" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht am 10.3.2018. Abgerufen am 13.3.2018. 77 "Herz des Krieges: Neuer Blog zu beteiligten (Rüstungs) Firmen am Krieg in Rojava" auf der Internetpräsenz "de.indymedia".Veröffentlicht und abgerufen am 13.3.2018. Schreibweise im Original. 147 Trotz vermeintlich ähnlicher Ziele scheint der von der deutschen linksextremistischen Szene angestrebte Schulterschluss mit kurdischen Aktivistinnen und Aktivisten in Berlin nur punktuell bzw. anlassbezogen zu gelingen - und selbst dann nicht im gewünschten Ausmaß. Dabei streben Linksextremistinnen und Linksextremisten - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Wunsches nach einem "Revival des linken Internationalismus"78 - seit längerem eine vertiefte Kooperation mit kurdischen Akteuren an. Sie beklagt jedoch immer wieder, dass diese (bislang) nicht an einer umfassenderen, nicht rein ereignisbzw. anlassbezogenen Zusammenarbeit interessiert seien. 5.3.3 Rigaer94 "Rigaer94" Gründung: 1990 Mitglieder: 30-40 (2017: 30-40) Bei der "Rigaer94" handelt es sich um einen Personenzusammenschluss, der sich aus Teilen der Bewohner und Besucher eines Wohnprojekts sowie der darin befindlichen Veranstaltungsstätte "Kadterschmiede" in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain zusammensetzt. Dieser ist zum Kern der autonomen "Anarcho"Szene zu rechnen. Haus und Veranstaltungsräume gehören nach 78 "Kampf um Kurdistan. Der Aufstieg des 'Islamischen Staates' und das Revival des linken Internationalismus" in "analyse und kritik" (ak) (Print-)Sonderbeilage Winter 2014. Vgl. hierzu auch "Linker Internationalismus in unübersichtlicher Lage" auf der Internetpräsenz von ak. Veröffentlicht am 20.1.2015, abgerufen am 22.11.2018. 148 Linksextremismus eigenen Angaben "zu den letzten offen (teil-)besetzten Räumen Berlins" und haben für die Szene eine hohe symbolische wie auch praktische Bedeutung. Sie sind Ausgangspunkt und Rückzugsort von bzw. nach militanten Aktionen zur Erkämpfung bzw. Verteidigung "Autonomer Freiräume". In Selbstdarstellungen bekennen sich die Protagonisten zum Anarchismus sowie zum Hass auf "Bullen, Staat und Repression". Im Zusammenhang mit einer vermeintlich drohenden Räumung des Objekts 2016, aber auch im Zuge einer gezielten Eskalationsstrategie der "Rigaer94" seit 2016 kam und kommt es immer wieder zu zahlreichen, teils schweren Strafund Gewalttaten. Die Gewalteskalation, die sich 2017 im Zusammenhang mit Protesten gegen den Gipfel der 20 wichtigsten Industrieund Schwellenländer (G20) in Hamburg manifestierte, führte im linksextremistischen Spektrum zu z. T. euphorisch geäußerten Hoffnungen, diese in "Alltagskämpfe" übertragen zu können. Tatsächlich gab es auch 2018 zahlreiche Manifestationen einer seit Jahren zu beobachtenden sinkenden Hemmschwelle im Hinblick auf die Anwendung bzw. Androhung verbaler, psychischer und physischer Gewalt. Trotzdem ist es linksextremistischen Akteuren in der Gesamtschau nicht gelungen, das "Potenzial" von Hamburg (gemeint ist ein gewalttätiger - und möglichst andauernder-"Massenaufstand")79 zu nutzen. 79 Vgl. "[Rigaer] Die Revolte aus Hamburg zurück in die Kieze tragen" auf der Internetpräsenz "linksunten". Veröffentlicht am 4.8.2017, abgerufen am 22.11.2018. 149 Gleichwohl bemühen sich die Aktivisten der "Rigaer94" gemeinsam mit ihrem unterstützenden Umfeld auch weiterhin um mindestens situative Eskalation. Sie suchen die Konfrontation mit dem Rechtsstaat, um ihrem Anspruch auf "Herrschaftsfreiheit" Nachdruck zu verleihen und diesen als "repressiv" zu diskreditieren. Dabei sind seit 2011 verschiedene Vorgehensweisen in unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zu beobachten, wie z. B. im Mai die Ausrufung sogenannter Diskussionsund Chaostage, bei denen es darum gehen sollte, "Widerstand zu organisieren und dezentral Chaos" zu stiften. Im Ergebnis gelang es jedoch erneut nicht, die beabsichtigten gewalttätigen Akzente zu setzen. In diversen Texten wird dafür immer wieder eine vermeintlich fehlende Unterstützung verantwortlich gemacht. Dieser Anspruch verdeutlicht, wie stark die Akteure unausgesprochen von der Tragfähigkeit der symbolischen Relevanz der "Rigaer94" für die gesamte linksextremistische Szene Berlins und bundesweit ausgehen. Zugleich verkennen oder verleugnen sie, dass sie sich mit andauerndem martialischen und tyrannischen Vorgehen ihres eigenen Mobilisierungspotenzials beraubt haben. Nicht mehr vermittelbar ist u. a. offensichtlich, dass die Akteure ihre Auseinandersetzungen zunehmend personalisieren. Anwohnerinnen und Anwohner, Polizistinnen und Polizisten und sogar Justizangestellte werden nicht nur namentlich und z. T. mit Fotos öffentlich gebrandmarkt, sondern zudem indirekt und direkt bedroht. So standen Zeugen einer durch Angehörige der "Rigaer94" begangenen unpolitischen Körperverletzung aus der Nachbarschaft unter Polizeischutz, weil 150 Linksextremismus sie massiv bedroht wurden. Das Privatfahrzeug einer unbeteiligten Justizmitarbeiterin wurde in Brand gesetzt, die Tat in den Kontext der Inhaftierung von Angehörigen der "Rigaer94" gestellt.80 Im Rahmen eines "Go-Ins" bei der Senatsverwaltung für Justiz im August wurde ein Mitarbeiter bedroht, der für vermeintliche "Missstände" in der JVA Tegel - in der Angehörige der "Rigaer94" eingesessen haben bzw. einsitzen - verantwortlich sei.81 Nicht zuletzt diese Aktion wurde öffentlich stark kritisiert. Dass dies die einschlägigen Protagonisten nicht unbeeindruckt ließ, zeigen diverse Veröffentlichungen, in denen sie dazu Stellung nahmen und die Aktion zu rechtfertigen versuchten.82 Unter dem Eindruck dieser Geschehnisse und angesichts zunehmender Isolierung innerhalb der linksextremistischen Szene Berlins änderten die Akteure schließlich ihre Strategie. Gegen Jahresende beschworen sie eine Solidargemeinschaft mit von Räumung bedrohten Szeneobjekten, darunter eines benachbarten Hausprojektes. In pathetischem Tonfall fordert die "Rigaer94" militanten Druck von der Straße ein, wie er sich bei den Räumungen der "Liebig14"83 im Jahr 2011 oder der "Kadterschmiede" 2016 manifestiert habe.84 Auch diese Aufforderung stand im Kontext eigener Betroffenheit - im Rahmen eines Polizeieinsatzes im November 80 Vgl. "Linksextremisten drohen Zeugen einer Gewalttat: "Wir wissen, wo ihr wohnt, wenn ihr mit der Polizei redet" auf der Internetpräsenz "epochtimes". Veröffentlicht am 11.10.2018, abgerufen am 15.11.2018. 81 "Go-In bei Senatsverwaltung für Justiz" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht und abgerufen am 28.8.2018. 82 Vgl. z. B. "Richtigstellung über den Besuch bei der Senatsverwaltung für Justiz" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht und abgerufen am 1.9.2018. 83 Vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Verfassungsschutzbericht 2011. Berlin 2012, S. 161. 84 Vgl. "Für einen chaotischen Winter!" auf der Internetpräsenz der "Rigaer 94". Veröffentlicht am 31.10.2018, abgerufen 7.11.2018. Vgl. auch Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Verfassungsschutzbericht 2016. Berlin 2017, S. 175 ff. 151 wurden u. a. Räumlichkeiten in der Rigaer Straße 94 durchsucht. Dies erfolgte im Zusammenhang mit einem Angriff auf einen "Späti" am 29. Mai, in dessen Folge Personen aus der "Rigaer94" der gefährlichen Körperverletzung und Sachbeschädigung als Tatverdächtige ermittelt wurden. Die Akteure befürchteten zudem, die "Kadterschmiede" könne erneut geräumt werden.85 Unter der Überschrift "Und täglich grüßt das Schweingetier..." drohen sie: "Uns ist egal ob sie [...] oder [...] oder Schwein [...] heißen! Sie alle sollten sich demnächst zweimal umdrehen!" 86 und geben vor, sich über eigene Interessen hinaus auch für andere Betroffene einzusetzen: "Uns ist auch egal ob Rigaer, Grünberger, Reichenberger Straße oder Maybachufer! Wir sind noch lange nicht alle aber wir stehen hier alle zusammen."87 5.3.4 Anti-Gentrifizierung Die besonderen Rahmenbedingungen in Berlin im Hinblick auf eine in den letzten Jahren deutlich gewachsene Betroffenheit breiter Bevölkerungskreise von steigenden Mietund Immobilienpreisen, Wohnraumknappheit und Verdrängungsprozessen hat Gentrifizierung zu dem aktuell bedeutendsten Themenfeld der linksextremistischen Szene werden lassen. Per se ist der Protest gegen Gentrifizierung ein legitimes gesellschaftliches Engagement. Linksextremistische Gruppierungen jedoch instrumentalisieren das Thema und greifen es aus unterschiedlichen Perspektiven auf. Dabei unterscheiden sie sich in ihren Zielen und ihren Protestformen z. T. erheblich. 85 Vgl. "Die Kadterschmiede bald wieder vor Gericht" auf der Internetpräsenz der "Rigaer94". Veröffentlicht und abgerufen am 29.11.2018. 86 "Und täglich grüßt das Schweingetier..." auf der Internetpräsenz der "Rigaer94". Veröffentlicht am 20.11.2018, abgerufen am 21.11.2018. 87 Ebd. Schreibweise im Original. 152 Linksextremismus Anti-Gentrifizierung Der Kampf gegen städtebauliche Umstrukturierungen mit der Folge einer Aufwertung von Kiezen - auch "Gentrifizierung" genannt - ist ebenso wie der Widerstand gegen vermeintliche Repression eng mit der Genese der Autonomen als politischer Bestrebung verbunden. Im Gegensatz zu vielen Stadtteilund Mieterinitiativen geht es ihnen jedoch nicht allein um den Erhalt sozialund wohnräumlich gewachsener Strukturen, sondern um die Etablierung sogenannter Autonomer Freiräume, die dem Zugriff des Staates entzogen und in denen rechtsstaatliche Normen außer Kraft gesetzt werden sollen. Als "Freiraum" deklarierte Gebiete oder Gebäude werden gegen rechtmäßige Räumungen gewaltsam "verteidigt" und noch nach erfolgten Sanierungen immer wieder angegriffen. Nicht selten mündet dies in schweren Sachbeschädigungen und mehr oder weniger spontanen Landfriedensbrüchen. Auch Neumieter und Eigentümer sowie ihre vermeintlichen "Erfüllungsgehilfen" in Senatsverwaltungen, Polizei und Justiz sowie Hausverwaltungen und Einrichtungen des Quartiersmanagements geraten in den Fokus ihrer Aktionen. Dabei entstehende Drohkulissen sind gewollt und zielen auf Machtausübung in Teilen des öffentlichen Raums. Zum einen geht es um die Sicherung sogenannter Autonomer Freiräume und damit von linksextremistischer Infrastruktur. Zum anderen bieten die Entwicklungen der letzten Jahre aus Szenesicht vielfältige "Anknüpfungspunkte", über die eine weit über das konkrete Thema hinausreichende grundlegende "Systemkritik" konstruiert wird und möglichst tief in die Zivilgesellschaft hinein vermittelt werden soll. 153 Verteidigung "Autonomer Freiräume" Damit bezeichnet man Objekte (in der Regel ehemals - ganz oder teilweise - besetzte Häuser), in denen die Bewohner/Nutzer in plakativer Abgrenzung zu geltenden sozialen, gesellschaftlichen und juristischen Normen ihre eigenen politischen und Lebens-Vorstellungen zu realisieren versuchen. Sie sind zumeist nach außen hin abgeschottet - zum einen, um sich vor staatlichen Eingriffen ("Repression") zu schützen. Zum anderen manifestiert sich darin sinnbildlich die Abgrenzung gegenüber dem Rechtsstaat und der parlamentarischen Demokratie. Anti-Repression Der Kampf gegen vermeintliche staatliche Kontrolle und Repression ist konstitutiv für das Selbstverständnis von Autonomen und zugleich Ausdruck ihrer ideologischen Verwurzelung im Anarchismus. Die damit verbundene Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols ist das zentrale verbindende Element innerhalb der in Kleingruppen zersplitterten Szene. Repression bezeichnet in ihrem Verständnis alle Institutionen, die der Aufrechterhaltung von innerer Sicherheit und öffentlicher Ordnung dienen, neben der Polizei insbesondere Gerichte, Gefängnisse und Ämter. Staatliche Repräsentanten aus Polizei und Justiz werden als Vertreter eines "Repressionsapparats" wahrgenommen, der nur dazu diene, das "herrschende System" in seinem Bestehen zu sichern. Um die angeblich strukturelle Gewalt des Staates zu entlarven, wird bei Demonstrationen die Konfrontation mit der Polizei gesucht. Mit Plakaten wie "Hass auf Schweine" und Parolen wie "Ganz Berlin hasst die Polizei!" sollen andere Teilnehmer aufgewiegelt und zu Straftaten angestiftet werden. 154 Linksextremismus In Berlin gehören dazu neben der "Rigaer94" weitere Szeneobjekte, darunter ein Hausprojekt in der Nähe der Rigaer Straße, das zum Ende des Jahres räumungsbedroht war. Der Eigentümer, eine Immobilienfirma, die im Fokus der linksextremistischen Szene steht, hatte den auslaufenden Duldungsvertrag nicht verlängert. Unter den Themen "Freiräume, Repression und Soziale Kämpfe" veröffentlichten Unbekannte ein Video, in dem gewalttätige Ausschreitungen in Barcelona anlässlich einer dortigen Räumung dokumentiert werden. In einem Begleittext heißt es: "Wer die Liebig 34 oder ein anderes Projekt in Berlin räumen möchte, kann sich auf etwas gefasst machen. [...] Bei Räumung in Berlin laden wir unsere Freund*innen weltweit ein!" 88 Diese Drohungen dürften nicht zuletzt der Selbstermutigung bzw. Mobilisierung von Unterstützung dienen. Sie können aber auch als Versuch gedeutet werden, staatliche Akteure zum Einschreiten zu bewegen. Paradox erscheint hierbei, dass insbesondere "Autonome Freiräume" zum einen die manifeste Abgrenzung zu und Konfrontation mit Staat und Gesellschaft suchen, sich zum anderen aber - wenn auch durch Drohung - genau an diese wenden, in der Hoffnung, eine Räumung abwenden zu können. Auch diverse andere Objekte der von der linksextremistischen Szene genutzten Infrastruktur waren zum Jahresende bzw. zu Beginn des neuen Jahres von Räumung bedroht. Dieser Um88 "Video für Stadtplaner*innen und Politiker*innen, die an Räumung der Liebig 34 denken" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht am 12.11.2018, abgerufen am 14.11.2018. 155 stand wurde u. a. von Akteuren wie der "Rigaer94" dazu genutzt, eine vermeintliche Solidargemeinschaft zu beschwören - nicht zuletzt, um sich auf diese Weise aus der eigenen Isolation zu befreien und Unterstützung zu generieren. So veröffentlichte die "Rigaer94" Ende Oktober einen Aufruf, in dem sie zunächst allgemein Gentrifizierungsentwicklungen im "Kiez" beklagt, die eine grundlegende Bedrohung "linksradikaler Infrastruktur" bzw. "Autonomer Freiräume" darstellten, um anschließend an andere Betroffene zu appellieren: "Wir verstehen die Situation als einen Angriff auf unsere Orte und Ideen einer von Staat, Patriarchat, Rassismus und Ausbeutung befreiten Gesellschaft, die das Potenzial hat uns zusammen zu bringen" 89 Letztlich geht es diesen Akteuren nicht um den grundlegenden Kampf gegen die Folgen von Stadtumstrukturierung. Sie grenzen sich, wie beschrieben, gegenüber Staat und Gesellschaft ab. Ihr Engagement zielt in erster Linie auf die Erhaltung der eigenen Lebensräume. Dies belegt nicht zuletzt ein Solidaritätsaufruf aus Hamburg, in dem zwar zum Kampf gegen "die Stadt der Reichen" aufgerufen wird, konkret aber lediglich Szeneobjekte wie die "Rigaer94" benannt werden.90 Aktionen gegen Hausverwaltungen und Immobilienbesitzer Die linksextremistische Szene Berlins agitiert auch gegen einzelne Immobilieneigentümer und Hausverwaltungen. Dabei bedienen sich Akteure verschiedener Spektren unterschiedlicher Aktionsformen. 89 "Für einen chaotischen Winter!" auf den Internetpräsenzen der "Rigaer94" bzw. "de.indymedia". Veröffentlicht und abgerufen am 31.10.2018. 90 "(HH) - Gegen die Stadt der Reichen! fight the rich! - Die Projekte in der Liebig 34 und der Rigaer 94 in Berlin durchsetzen! Rebellion in jedem Kiez!" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht am 17.12.2018, abgerufen am 18.12.2018. Schreibweise im Original. 156 Linksextremismus So finden sich in einem Blog zahlreiche Informationen zu einer Immobilienfirma, darunter auch eine Übersichtskarte zu den Liegenschaften sowie ein Foto von Familienmitgliedern, die namentlich benannt werden. Die einzelnen Gesellschaften des Firmengeflechts sind mit Informationen zu Geschäftsführung und Teilhabern ebenso aufgelistet wie für das Unternehmen tätige Hausverwaltungen, Maklerund Baufirmen sowie Anwaltskanzleien, sämtlich mit Adressen. Dass es sich dabei nicht nur um ein Informationsbedürfnis betroffener Mietparteien handelt, sondern linksextremistische Akteure legitimen zivilgesellschaftlichem Protest für eigene Zwecke instrumentalisieren, zeigt nicht zuletzt eine Aktion am 29. September, bei der ein leerstehendes Wohnhaus der Firma besetzt sowie zwei mit dem Unternehmen kooperierende Hausverwaltungen mit Steinen bzw. Farbe angegriffen wurden.91 Sie stand unter dem Motto "One Struggle, One Fight" im Zusammenhang mit einer Demonstration gegen die bevorstehende Räumung eines Szeneprojektes. In einer Erklärung dazu heißt es, die Akteure seien "wütend über Eigentumsverhältnisse, über Spekulation mit Wohnraum, über das System, den Staat [...]. Staatliche Strukturen stellen für uns keine Lösung dar, sie sind Teil des Systems und des Problems, das wir bekämpfen." 92 Ein anderes großes Immobilienunternehmen, das ebenfalls in der Kritik steht, erhielt im Herbst Drohbriefe, in denen Anschläge auf Vorstandsmitglieder, Aufsichtsräte und Geschäftsführer angedroht wurden. 91 "(B) Glasbruch bei [P...]-Hausverwaltungen" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht am 30.9.2018. Abgerufen am 2.10.2018. 92 "One Struggle, One Fight - #Weide63, Liebig34 Bleibt!" auf einer linksextremistischen Internetpräsenz. Veröffentlicht am 30.9.2018, abgerufen am 27.11.2018. 157 Neben sogenannten Outings und der Brandmarkung von Unternehmen und deren Kooperationspartnern gehören Sachbeschädigungen an Neubauprojekten zu den häufigsten Aktionsformen, zumeist durch Glasbruch und mit Farbe. So brachen Unbekannte im Juli in die Räume des ehemaligen Kiezladens "Friedel 54"93 ein und zerstörten Fenster und Türen, um das Objekt "vorübergehend unbewohnbar" zu machen. Im Zusammenhang mit einem Angriff mit Steinen auf das Büro einer Immobilienfirma hieß es, der Unternehmer könne "sich niemals in frieden wähnen", sein Name sei "eng verzahnt mit dem betontod der städte". Die "schraube der gentrifizierung" drehe sich permanent weiter, damit erhöhe sich jedoch auch die Zahl derer, "die nichts mehr zu verlieren haben", die in den Städten "keinen platz mehr finden außer den des angriffs".94 Diese beispielhaft aufgeführten Aktionen verdeutlichen, dass linksextremistische Akteure eine doppelte Strategie verfolgen: Zum einen begehen - insbesondere dem autonomen Spektrum zuzuordnende Akteure - Sachbeschädigungen und bedrohen Unternehmen, aber auch potenzielle Einzeleigentümerinnen und -eigentümer. Zum anderen agitieren sie gegen Immobilienfirmen und deren Kooperationspartner - aber auch den vermeintlich untätigen Staat - und brandmarken deren Vorgehensweisen. Sie gerieren sich nicht zuletzt gegenüber Betroffenen als kompetente Partner, die ein vermeintlich gemeinsames Ziel verfolgen. Dabei suchen sie den Schulterschluss tief in die Zivilgesellschaft hinein. Diese Aktionsformen sind vor allem postautonomen Gruppierungen wie der IL zuzuordnen. 93 Siehe Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Verfassungsschutzbericht 2017. Berlin 2018, S. 141 f. 94 "Steine gegen Büro [...]" auf einer linksextremistischen Internetpräsenz. Veröffentlicht am 6.7.2018, abgerufen am 15.11.2018. Schreibweise im Original. 158 Linksextremismus Kampagne "Das Rote Berlin - Strategien für eine sozialistische Stadt" Die von der IL initiierte Kampagne setzt sich nach eigenen Aussagen mit "verschiedenen Politikund Protestformen" gegen Mietsteigerungen, Verdrängung und Gentrifizierung ein.95 Unter Bezugnahme auf den "Mietenvolksentscheid" und Enteignungskampagnen gegen Wohnungsbaugesellschaften formuliert die IL auch hier das Ziel einer Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen und konkretisiert dies als "Einheit von öffentlichem Eigentum und demokratischer Selbstverwaltung".96 Wohnraum müsse - auch gegen den Willen der Eigentümer - nahezu vollständig in öffentliches Eigentum überführt werden. Dabei gehe es jedoch nicht um "reine Verstaatlichung", da auch der Staat als Gegner einer solchen "Demokratisierung" des Wohnungsmarktes anzusehen sei. Interventionistische Linke (IL) Gründung: 1999 Mitglieder: Berlin: 260-280 (2016: 250-270) Die "Interventionistische Linke" ist ein bundesweiter Zusammenschluss überwiegend postautonomer Gruppierungen, der 1999 bzw. 2005 mit dem Ziel gegründet wurde, die gesellschaftliche (und politische) Isolation "klassischer" Autonomer zu überwinden. Der 95 "Das Rote Berlin - Strategien für eine sozialistische Stadt" auf der Internetpräsenz der IL. Veröffentlicht am 24.1.2018, abgerufen am 14.11.2018. 96 Ebd. S. 4. 159 Aufbau überregionaler Strukturen, die Besetzung gesellschaftlich relevanter Themen sowie ein gemäßigteres Auftreten sollen eine Anschlussfähigkeit an breite Bevölkerungskreise ermöglichen. In der IL sind inzwischen zahlreiche relevante postautonome Gruppierungen organisiert. Ein Ziel des Prozesses hin zu einer "Organisationswerdung" ist, dass diese Gruppierungen ihre Autonomie aufgeben und sich in die IL hinein auflösen. Durch gemeinsame politische Arbeit soll innerhalb des "Systems" Akzeptanz für eine mehrheitsfähige revolutionäre Organisation als Alternative zu den bestehenden Verhältnissen geschaffen werden. Revolutionäre Zielsetzungen müssten deshalb mit nachvollziehbaren und erreichbaren Tagesforderungen verbunden werden. In der Berliner IL engagieren sich neben ehemaligen Autonomen zunehmend hochschulgebildete, ehemals unpolitische junge Menschen. Die IL formuliert vordergründig klare Ziele zum vermeintlichen Wohl der Allgemeinheit und geriert sich als Anwältin von Gentrifizierungsopfern. Sie arbeitet dabei mit diffusen, auf den ersten Blick unverfänglichen bzw. unklar definierten Begriffen wie "Demokratisierung". Ein Blick in Grundsatzpapiere der IL verdeutlicht, was hinter dieser Terminologie steckt.97 Fernziel sei eine Revolution in Form einer Transformation des 97 Vgl. "Heinz Schenk-Debatte; Vergesellschaftung. Eine Broschüre der Interventionistischen Linken" auf einer linksextremistischen Internetpräsenz (ohne Datum), "Für eine linke Strömung. Selbstverständnis" auf einer linksextremistischen Internetpräsenz (ohne Datum) sowie "Macht mit, macht's nach, macht's besser! Eine militante Untersuchung am Jobcenter Neukölln" auf einer linksextremistischen Internetpräsenz. Veröffentlicht am 12.12.2011, abgerufen am 13.11.2018. 160 Linksextremismus bestehenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Systems mit dem inhaltlichen Ziel einer "Vergesellschaftung" und "Demokratisierung". Strategisch soll dieses Ziel nicht durch einen einmaligen revolutionären Akt, sondern in einem langfristigen, kleinteiligen und komplexen Prozess erreicht werden. Als Initiatoren dieses Prozesses sind Organisationen (IL) bzw. Bündnisse vorgesehen, die sich breit zur Bevölkerung hin öffnen und versuchen, möglichst viele Menschen einzubeziehen und zum Mitmachen zu bewegen. Strategisch gehe es in einem fortlaufenden Prozess darum, zunächst "mit staatlichen Methoden und innerhalb staatlicher Apparate" für progressive Veränderungen zu kämpfen und damit zunächst die Kräfteverhältnisse zu verschieben. Als "best practice"-Beispiel wird hierbei die Beteiligung am "Berliner Energietisch" angeführt. Dort sei es gelungen, "durch verbindliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit Entscheidungen des Bündnisses nach links zu verschieben".98 Auch wenn die Kampagne "Das Rote Berlin" sich letztlich als nicht schlagkräftig erwiesen hat - möglicherweise, weil sie zu abstrakt bzw. theorielastig und im Kanon der Kampagnen zum Thema aus diesem Grund nicht breit anschlussfähig war - wird auch zukünftig aufmerksam zu beobachten sein, in welche "Kämpfe" sich die IL einbringt. 5.3.5 Kampf gegen den technologischen Wandel Neben den städtebaulichen Veränderungen und damit verbundenen sozialen Verdrängungsprozessen thematisiert die linksextremistische Szene die z. T. weitreichenden Folgen wirtschaftlicher Umbrüche. Unternehmen der sogenannten "Industrie 4.0" stünden für eine zunehmende Durchökonomisierung aller Lebensbereiche und die Konzentration immer größerer wirtschaftlicher und damit politischer Macht in den Händen weniger - nichtstaatlicher - Akteu98 Vergesellschaftung. Eine Broschüre der Interventionistischen Linken" auf einer linksextremistischen Internetpräsenz. Veröffentlicht am 17.4.2012, abgerufen am 13.11.2018. S. 29. 161 re.99 Auch hier kritisieren Linksextremistinnen und Linksextremisten zudem die Folgen einer Ansiedlung der Unternehmen in Innenstädten (Stadtumstrukturierung) und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Der Kampf gegen den in Kreuzberg geplanten "Google Startup-Campus" war insofern von hoher symbolischer Bedeutung für die hiesige Szene. Sie reklamierte den - vorläufigen - Rückzug des Unternehmens als Erfolg für sich. Die Vernetzung von Anwohnerinnen und Anwohnern, stadtpolitischen Initiativen und "radikale(r) Linke" zeige, dass Protest wirke. Gleichwohl sei es notwendig, soziale, stadtpolitische und technologiekritische Kämpfe zusammenzuführen. Genannt werden u. a. Projekte des "digitalen Kapitalismus" (Startups), CoWorkingbzw. CoLiving-Spaces, die Situation am Wohnungsmarkt und die bevorstehende Räumung von Szeneobjekten. Fernziel sei eine "Stadt von unten".100 Aus Sicht der postautonomen Gruppierung "Theorie.Organisation.Praxis" ("Top B3rlin") sei es notwendig, "das ganze städtische Leben" zu revolutionieren, privaten Grundbesitz abzuschaffen und den Staat zu zerstören. 99 Vgl. "Do the Red Thing. Eine Broschüre gegen Google Campus & Co." auf der Internetpräsenz von "Top B3rlin". Veröffentlicht am 19.6.2018, abgerufen am 20.6.2018. Vgl. auch die Broschüre "Keine guten Nachbarn. Google, Factory & Co." auf einer linksextremistisch beeinflussten Internetpräsenz. Veröffentlicht am 9.5.2018, abgerufen am 16.5.2018. 100 "From Berlin with Love: Warum die Absage des Google Campus ein Erfolg ist" auf einer linksextremistisch beeinflussten Internetpräsenz. Veröffentlicht und abgerufen am 15.11.2018. 162 Linksextremismus Theorie Organisation Praxis TOP B3rlin Gründung: 2006 Mitglieder: Berlin: 50-60 (2017: 60-70) "TOP B3rlin" ist eine aus der ehemaligen "Antifaschistischen Aktion Berlin" (AAB) durch Abspaltung hervorgegangene antideutsche Gruppierung, die sich zunächst "Kritik & Praxis" nannte und in der linksextremistischen Szene Berlins weitgehend isoliert war. Nach einer sukzessiven Öffnung und Abwendung von antideutschen Haltungen entwickelte sich die Gruppierung in den letzten Jahren zu einem ernstzunehmenden postautonomen Akteur - mit nach wie vor deutlich erkennbaren Wurzeln in der autonomen Szene. Nicht zuletzt aus diesem Spektrum rekrutierte sie auch personellen Zuwachs. Sie ist in ihren Äußerungen und ihrem Auftreten gewaltbereiter einzuschätzen als die IL, mit der sie jedoch anlassbezogen kooperiert. Ideologisch ist sie dogmatischer und stärker im Marxismus verwurzelt als die IL. Sie ist ein tragender Akteur des bundesweiten postautonomen "...um's Ganze! Kommunistisches Bündnis". "TOP B3rlin" verfügt über internationale Kontakte und beteiligt sich auch an Veranstaltungen außerhalb Deutschlands. Nicht zuletzt diese Forderung verdeutlicht, dass der Widerstand gegen den geplanten "Google Campus" und grundsätzlich die Ansiedelung von Unternehmen der "Industrie 4.0" multidimensional ausgerichtet ist. Die in den Vordergrund gestellten - breit anschlussfähigen - damit vermeintlich einhergehenden Gentrifizierungsentwicklungen sind nur ein Begründungsstrang. 163 Die aus ihrer Sicht letztlich erfolgreichen Proteste gegen den "Google Campus" zeigen einmal mehr, wie taktisch geschickt Linksextremistinnen und Linksextremisten gesellschaftlich relevante Fragestellungen aufgreifen und damit einen "Nerv" tief in der Zivilgesellschaft treffen können. Es geht ihnen darum, in eine Bresche vermeintlichen Politikversagens zu springen und sich als kompetenter Akteur zu gerieren. Neben postautonomen Gruppierungen agieren in diesem Themenfeld - mit ähnlichen Begründungsmustern, aber anderen Aktionsformen - auch autonome Zusammenschlüsse. Dabei wird ein größerer Schaden bzw. die Betroffenheit Unbeteiligter in Kauf genommen. In der Folge des Brandanschlags einer "Vulkangruppe NetzHerrschaft zerreißen" auf die Mörschbrücke im März waren mehrere tausend Haushalte in Charlottenburg ohne Strom. In einer Erklärung hieß es, der Angriff ziele auf die Kommunikationsinfrastruktur. Es gehe um Herrschaft, Überwachung, Steuerung und darum, "einen Moment unkontrollierten Lebens zu schaffen."101 Im Juni beschädigten Unbekannte den Sendemast des Telekommunikationsunternehmens "Vodafone" - der bereits 2015 Ziel einer Sachbeschädigung war - und setzten diverse Fahrzeuge der "Deutsche Telekom AG" sowie der "Deutsche Bahn AG" in Brand. Alle drei Unternehmen standen bereits mehrfach im Fokus militanter Aktionen. "Netzbeschmutzer*Innen" kritisierten in einer Erklärung zu den Taten eine vermeintliche "Smartifizierung" der Stadt und des Lebens. Die drei angegriffenen Unternehmen arbeiteten aktiv daran, das "Netz der Herrschaft und Kontrolle" weiter auszubauen. "Momente des Gegenangriffs" trügen dazu bei, "die 101 "Herrschaftsnetze sind angreifbar" auf der Internetpräsenz "pb.nwsec". Veröffentlicht am 26.3.2018. Abgerufen am 11.4.2018 sowie "Neuer Anschlag einer Vulkangruppe in Berlin!" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht am 26.3.2018, abgerufen am 12.4.2018. Vgl. auch "Informationspolitik beim Brandanschlag der "Vulkangruppe NetzHerrschaft zerreißen" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht am 6.4.2018, abgerufen am 10.4.2018. 164 Linksextremismus Ohnmacht, die sich angesichts der aktuellen Entwicklungen breit mach(e), zurück zu weisen".102 5.3.6 Kampagne gegen die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) In den vergangenen Jahren ist die Partei "Alternative für Deutschland" durch den Einzug in den Deutschen Bundestag und zahlreiche Landesparlamente zu einem "Hauptfeind" der autonomen "Antifa" avanciert. Aus ihrer Sicht stehen die Wahlerfolge symptomatisch für einen "Rassismus der gesellschaftlichen Mitte". So heißt es z. B. anlässlich einer von Seiten der AfD organisierten Demonstration, dadurch "soll der bereits in weiten Teilen der Gesellschaft vorhandene Rassismus weiter salonfähig gemacht werden." 103 Spätestens im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 rückten öffentlich zugängliche Versammlungsorte der Partei in den Fokus linksextremistischer Agitation. Jegliche Veranstaltungen der AfD, insbesondere Stammtische, Mitgliedertreffen oder Parteitage gelte es zu verhindern. Unter dem Motto "Kein Raum der AfD! Faschist*innen aus der Deckung holen"104 agitierten Gruppierungen wie "North East Antifascists" gegen die Vermietung von Räumen an die Partei. Die Außenwirkung der Partei sei ihre "Achillesferse". Vielfältige Aktionen wie das Verteilen von Info-Flyern, Kundgebungen oder Sachbeschädigungen, aber auch die Veröffentlichung der Namen und Kontaktdaten der Betreiber von Veranstaltungsorten sollten nachhaltigen Druck erzeugen und möglichst 102 "(B) Das Netz der Herrschaft und Kontrolle angreifen - Feuer für Vodafone, Deutsche Bahn und Telekom" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht und abgerufen am 20.6.2018. Schreibweise im Original. 103 "AfD-Demo zum Desaster machen - Antifeminismus und Rassismus bekämpfen!" auf einer linksextremistischen Internetpräsenz. Veröffentlicht und abgerufen am 11.2.2018. 104 Aufruf auf einer linksextremistischen Internetpräsenz. Veröffentlicht und abgerufen am 27.5.2018. Vgl. auch "Die AfD aus der Deckung holen! Keine Räume für die AfD" auf einer linksextremistischen Internetpräsenz. Ohne Datum. 165 dazu führen, dass Veranstaltungen abgesagt oder sogar Veranstaltungsorte geschlossen werden. Um die Auswahl potenzieller Ziele zu erleichtern, wurde eine Übersichtskarte mit Veranstaltungsorten erstellt.105 "North East Antifascists" (NEA) Gründung: 2007 Mitglieder: 20 (2017: 20) Die NEA sind eine autonome Antifa-Gruppierung, die neben der "radikale linke | berlin" und AK36 eine führende Rolle in der linksextremistischen Szene Berlins einnimmt. 2007 gegründet, zeichnet sie, dem Namen gemäß, für antifaschistische Aktionen im Nordosten der Stadt verantwortlich, beteiligt sich aber auch an berlinweiten und überregionalen Aktivitäten und kooperiert anlassbezogen mit anderen autonomen Gruppen. Um sie herum und aus ihr heraus sind eine Reihe anderer autonomer Gruppierungen entstanden. Mit diesen gemeinsam war sie in den letzten Jahren eine der federführenden Organisatorinnen der "Antikapitalistischen Walpurgisnacht". Breiteren Anschluss sucht sie vor allem über die Themen Anti-Gentrifizierung und Flüchtlingsunterstützung. Die NEA treten nach außen vergleichsweise gemäßigt auf und verzichten darauf, ihre Gewaltbereitschaft allzu plakativ zur Schau zu stellen. Offensiv betreiben sie "Outings" von vermeintlichen und tatsächlichen Rechtsextremisten. 105 Linksextremistische Internetpräsenz. Abgerufen am 11.12.2018. 166 Linksextremismus Ende 2018 verstärkte die linksextremistische Szene ihre Aktivitäten. Das führte u. a. dazu, dass diverse Weihnachtsfeiern von AfD-Untergliederungen abgesagt oder verlegt werden mussten, weil die Betreiber der ursprünglich vorgesehenen Lokale Veranstaltungen in ihrem Haus absagten. Nach diesen "Erfolgen" forderte die linksextremistische Szene zusätzlich eine "offizielle Distanzierung" von der Partei.106 Zuvor war bereits der Pachtvertrag eines Lokals nicht verlängert worden. Die Betreiber hatten ihre Räumlichkeiten wiederholt dem AfD-Landesverband zur Verfügung gestellt. Auch wenn das zuständige Bezirksamt das Auslaufen des Vertrages anders begründete, feierte die linksextremistische Szene die Entwicklung als Erfolg der eigenen Kampagne.107 Sie hatte die Pächter seit 2016 immer wieder öffentlich diffamiert, in einem öffentlichen Brief Gäste "informiert" und im Frühjahr schließlich Scheiben eingeworfen und das Lokal mit Farbe angegriffen. Auch andere Veranstaltungsorte - u. a. in Reinickendorf, Spandau und Zehlendorf - stehen seit längerem im Fokus der linksextremistischen Szene. Die Akteure dürften sich hierbei nicht unwesentlich von der gesellschaftlich anschlussfähigen Kritik an der AfD bestärkt fühlen. 106 Vgl. "(B) Demonstration gegen das AfD-Weihnachtsfest in Blankenburg (Bericht)" auf der Internetpräsenz "de.indymedia". Veröffentlicht und abgerufen am 11.12.2018. 107 Vgl. "Kündigungsstreit um Ratskeller Charlottenburg" auf der Internetpräsenz "morgenpost". Veröffentlicht und abgerufen am 1.9.2018. 167 "Anti-Fra" (Anti-Faschismus und Anti-Rassismus) Bei dem Begriff "Anti-Fra" handelt es sich um ein Kompositum aus den Begriffen "Anti-Faschismus" und "Anti-Rassismus", das szeneintern zunehmend die traditionellen Begriffe ersetzt. Ursächlich hierfür dürfte neben sprachökonomischen Aspekten u. a. sein, dass sich der Begriff "Anti-Faschismus" aus linksextremistischer Sicht aus dem Kapitalismus ableitet und somit politisch eindeutig konnotiert ist. Klassische "Antifa"-Gruppierungen sahen sich in den vergangenen Jahren zudem zunehmend durch zivilgesellschaftliches Engagement im Zusammenhang mit den Themen Flucht und Migration in einer Identitätskrise. Der Begriff "Anti-Rassismus" erscheint dagegen deutlich unverfänglicher. Er bietet aus linksextremistischer Sicht vielfältige Anknüpfungspunkte an die Zivilgesellschaft mit dem Ziel, diese für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, ein hohes Potenzial breiter öffentlicher Wahrnehmung und nicht zuletzt vielfältige Angriffsflächen für "Systemkritik". Damit verweist er wiederum auf den Anti-Faschismus. 5.3.7 Jugendwiderstand Die linksextremistische Gruppierung "Jugendwiderstand" ist nicht zuletzt auf Grund ihrer aggressiven Terminologie, physischer Attacken auf vermeintlich Andersdenkende (darunter nicht zuletzt auch linksextremistische Akteure) sowie der Leugnung des Existenzrechts Israels in der linksextremistischen Szene Berlins weitgehend isoliert. Unter Berufung auf Mao Zedong fordert sie dazu auf, gegen "dieses menschheitsfeindliche und völkermörderische System" - gemeint ist die freiheitliche demokratische Grundordnung - zu kämpfen und einen "dringend notwendigen Wiederaufbau der revolutionären Kommunistischen Partei Deutschlands" 168 Linksextremismus zu unterstützen.108 Diese müsse auf der "Grundlage der wissenschaftlichen Weltanschauung des Marxismus-Leninismus-Maoismus" stehen. "Jugendwiderstand" (JW) Gründung: 2015 Mitglieder: Berlin 20-25 (2017: 15-20) Die aus dem Umfeld der "Revolutionären Aktionszellen" (RAZ)109 hervorgegangene Gruppe "Jugendwiderstand" gibt sich streng dogmatisch, ist kaderartig organisiert und beschreibt sich selbst als "proletarische, revolutionäre und antiimperialistische Jugendorganisation", die "gegen dieses System, für den Sozialismus und die freie Zukunft des Kommunismus" kämpfe.110 In Berlin verortet sie sich im "Arbeiterviertel Neukölln". Sie ruft Jugendliche unter dem Motto "wehrt euch und kämpft" dazu auf, sich der Gruppierung anzuschließen und gemeinsam gegen Imperialismus, Revisionismus und Reaktion sowie für eine Revolution durch bewaffnete Machtergreifung einzusetzen. Über Graffitis, die sie als Fotos auf ihren Social Media-Repräsentanzen veröffentlicht, offenbart sie eine Verehrung für Mao und Stalin und ruft zum Boykott von Wahlen auf. Das Parlament sei "eine Laberbude und ein Schweinestall, voll von Verbrechern, Heuchlern und Lügnern". Im Zu108 Vgl. Internetpräsenz des "Jugendwiderstands". Abgerufen am 17.12.2018. 109 Zu weiteren Informationen zur RAZ vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Verfassungsschutzbericht 2011. Berlin 2012, S. 127. 110 Zu sämtlichen Zitaten in diesem Absatz vgl. die Internetpräsenz des "Jugendwiderstand". Abgerufen am 20.12.2017. 169 sammenhang mit dem G20-Gipfel Hamburg spricht "Jugendwiderstand" in pathetischer Diktion von erfolgreichen "Kämpfen in Volksvierteln", bei denen jedoch der "Schutz der Massen" zu gewährleisten sei, um "solche Kämpfe perspektivisch in Siege zu verwandeln und (...) Vertrauen der Massen in die Revolutionäre aufzubauen und ihre Mobilisierung und Politisierung zu stärken." Die Gruppierung ist als gewaltbereit einzustufen. Seit seiner Gründung 2015 tritt "Jugendwiderstand" regelmäßig als eigenständiger Block mit Fahnen und Transparenten bei Demonstrationen auf. Am 1. Mai führte er zudem eine eigene Demonstration durch das "Arbeiterviertel Neukölln" durch, an der im Berichtsjahr 180 Personen teilnahmen, darunter insbesondere Angehörige israelfeindlicher und pro-palästinensischer Gruppierungen. "Jugendwiderstand" äußert sich demonstrativ antizionistisch und leugnet nachdrücklich das Existenzrecht Israels. So sollen Mitglieder der Gruppierung im Rahmen der "Revolutionäre(n) 1. Mai-Demonstration" mit Gewalt versucht haben, ein Transparent gegen Antisemitismus und mit durchgestrichenem Symbol einer pro-palästinensischen Gruppierung wegzureißen. "Jugendwiderstand" agitiert schwerpunktmäßig in den "traditionellen Arbeiterbezirken" (Nord-) Neukölln und Wedding. Hier und im erweiterten Umfeld finden sich regelmäßig Schmierereien und Plakatierungen, die die Präsenz der Gruppie170 Linksextremismus rung im öffentlichen Raum symbolisieren sollen. Dabei werden Parolen verbreitet, politische Gegner direkt oder indirekt bedroht bzw. zum Beitritt zum "Jugendwiderstand" aufgerufen. So hinterließen mehrere Personen Ende Juni an mehreren Hauswänden Schriftzüge wie "Nazis vorn Schädel treten!" oder "9mm für Zionisten"111 verbunden mit dem Logo der Gruppierung sowie Hammer und Sichel. Die z. T. massiven Provokationen in Wort und Tat sind letztlich ein Ringen um öffentliche Aufmerksamkeit. 5.4 Fazit und Ausblick Die immer wieder beschworene und gewünschte Initiierung von Massenmilitanz, wie sie 2017 anlässlich der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg gefeiert wurde, konnte im Berichtszeitraum nicht umgesetzt werden. Dafür fehlt es der linksextremistischen Szene Berlins zum einen an "Schlagkraft", zum anderen bot das Jahr keinen vergleichbar mobilisierungsintensiven Anlass. Der Kampf gegen Gentrifizierung, "Repression" und gegen die sogenannte Industrie 4.0 bietet grundsätzlich auch weiterhin einen vermittelbaren Kontext für gewalttätige Aktionen - insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Situation in der Hauptstadt auf absehbare Zeit nicht spürbar entspannen dürfte. Dabei sind Sachbeschädigungen an Gebäuden, Brandanschläge auf Fahrzeuge sowie Angriffe auf technische Infrastruktur denkbare Szenarien. Besonders aufmerksam muss beobachtet werden, wie sich die kontinuierlich gesunkene Hemmschwelle im Hinblick auf Angriffe auf Leib und Leben von Polizeibediensteten und anderen im Fokus der linksextremistischen Szene stehenden Personenkreisen auswirkt. 111 Vgl. hierzu u. a. "9 Millimeter für Zionisten. Antisemitisch, aggressiv und linksextrem - wie der 'Jugendwiderstand' Teile von Berlin terrorisiert" auf der Internetpräsenz "huffingtonpost". Veröffentlicht am 2.4.2018. Abgerufen am 14.11.2018. Bzw. "Die Debatte über linken Antisemitismus bleibt notwendig. '9 Millimeter für Zionisten'" auf der Internetpräsenz "jungle.world". Ohne Datum (9/2018). Abgerufen am 21.1.2019. 171 Postautonomen Gruppierungen gelingt es nach wie vor, in die Zivilgesellschaft hinein zu wirken und dabei die eigenen, weit über tagesaktuelle Forderungen hinausreichenden Ziele zu verbergen. Sie "intervenieren" dabei nicht nur effektiv in Konflikte und steuern Auseinandersetzungen. Durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit beeinflussen sie zudem den gesellschaftlichen Diskurs und die öffentliche Meinung. 172 6 Scientology Organisation 173 6 Scientology Organisation "Scientology Organisation" Mitglieder: Berlin: 130 (2017: 130) Die "Scientology Organisation" (SO) wurde 1954 in den USA gegründet. Der deutsche Ableger entstand 1971. Sie geht auf den amerikanischen Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard zurück, welcher behauptete, die Welt von Armut, Krieg, Verbrechen, Krankheit und anderen Übeln befreien zu können. Seitdem verbreitet die SO ihre Ideologie weltweit im Rahmen von Publikationen, Kurssystemen, Veranstaltungen und im Internet mit dem Ziel, eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien funktionierende Welt zu schaffen. Durch die Anwendung scientologischer Ideologie und Techniken soll ein perfekt funktionierender Mensch, der sogenannte "Clear", erzeugt werden, der sich zum "operierenden Thetan" weiterentwickeln kann. Nur diesen Menschen sollen Bürgerrechte zugestanden werden, um mit ihnen eine scientologische Gesellschaftsordnung zu errichten. Außerhalb dieser Gesellschaft stehenden oder der SO gegenüber kritisch eingestellten Personen wird jeglicher Wert abgesprochen. Gegner und Kritiker werden von "Scientology" verfolgt und bedroht. Der Einstieg in die Organisation erfolgt in der Regel durch einen kostenfreien "Persönlichkeitsoder Stresstest", der als vermeint174 Scientology lich individuelle Lebenshilfe angeboten wird. Seine Auswertung durch einen speziell geschulten Scientologen wird immer Defizite aufzeigen, welche durch - dann kostenpflichtige - Seminare korrigiert werden sollen. "Scientology" manipuliert ihre Anhänger, unterwirft sie einer ständigen Kontrolle und beutet sie finanziell aus. Die Entwicklung der SO in Berlin ist wenig dynamisch. Bis auf eine Teilnahme von Berliner SO-Mitgliedern an der "Nationalen-Anti-Drogen"-Konferenz in Hamburg sind für Berlin keine weiteren Aktivitäten mit nennenswerter Außenwirkung bekannt geworden. Auf dieser jährlichen Konferenz werden die Anti-Drogen-Kampagnen der "Scientology Organisation" in Deutschland ausgewertet und koordiniert. Ebenfalls kaum aktiv waren andere SO-Tarnorganisationen wie z. B. der Verein "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e. V.". Üblicherweise klären diese Vereine vordergründig über bestimmte Themen auf, allerdings geht es "Scientology" dabei weniger um seriöse Darstellungen als vielmehr um Mitgliederakquise. Zudem betreibt "Scientology" Mitgliederwerbung durch kostenlose "Persönlichkeitstests", Filmvorführungen und Besichtigungen der Organisationszentrale in Charlottenburg. Die Mitgliederzahlen der SO stagnieren in Berlin unverändert auf niedrigem Niveau. 175 176 7 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 177 7 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 7.1 Spionageabwehr In der Bundeshauptstadt Berlin gibt es über 150 diplomatischen Vertretungen. Entsprechend hoch ist auch die Präsenz anderer Nachrichtendienste. Ihre jeweiligen operativen Schwerpunkte orientieren sich in der Regel an aktuellen politischen Vorgaben, wirtschaftlichen und technologischen Prioritäten sowie militärtaktischen und -strategischen Interessen. Angesichts dieser Aufgaben reichen die Ziele anderer Nachrichtendienste von der offenen und konspirativen Beschaffung von Informationen aus relevanten Objekten bis hin zur Ausspähung von Personen, die in Opposition zu ihren Regierungen im Heimatland stehen. Offenkundiges Interesse an oppositionellen, auch in Berlin lebenden türkischen Staatsbürgern zeigte der türkische Nachrichtendienst MIT. Auch im Laufe des Jahres 2018 - wie schon seit Sommer 2016 - forderte er dazu auf, gegen Anhänger des Geistlichen Fetullah Gülen vorzugehen. Insbesondere die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V." (DITIB) wurde in der öffentlichen Diskussion mit entsprechenden Informationsweitergaben in Verbindung gebracht. In den vergangenen Jahren standen für den MIT verstärkt die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sowie andere systemoppositionelle Gruppierungen wie etwa die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) im Fokus. Einige Länder sind darüber hinaus bemüht, in den Besitz atomarer, biologischer oder chemischer Waffen zu gelangen sowie die zu deren Herstellung erforderlichen Güter und Know-how zu erlangen. Dies ist meist mit dem Versuch verbunden, durch Lieferungen an Drittländer und die Beschaffung von doppelt verwendungsfähigen Gütern ("dual use"-Güter) Kontrollmaßnahmen zu umgehen. 178 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz Der Berliner Verfassungsschutz kooperiert bei seiner Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Spionageabwehr eng mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das bei der Aufklärung aller nachrichtendienstlichen Aktivitäten federführend ist. 7.2 Wirtschaftsschutz Wirtschaftsspionage hat sich als gängige Bezeichnung für die Absicht anderer Nachrichtendienste etabliert, aus den Bereichen Wissenschaft und Technologie in der Bundesrepublik Deutschland Informationen zu beschaffen, um Unternehmen anderer Staaten einen Vorteil zu verschaffen. Im Gegensatz zu dieser staatlich organisierten Wirtschaftsspionage gibt es die Industriespionage, die zumeist von Unternehmen im Kontext der Konkurrenzausspähung ausgeht. Wirtschaftsspionage durch andere Staaten wird wesentlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Durch präventiven Wirtschaftsschutz sollen Forschungsund Technologieentwicklungen an Hochschulen und Wirtschaft vor Wirtschaftsspionage und Wettbewerbsnachteilen schützen. In Berlin sind rund 180 000 Betriebe unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche als Arbeitgeber mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ansässig (Stand: 2018). Informationsund Kommunikationstechnologie, Medizintechnik, Biotechnologie, optische Technologien und Verkehrstechnik sowie kreative Dienstleistungen haben sich als Branchen mit Zukunftsperspektive in Berlin etabliert. Darüber hinaus gehört die Stadt zu den größten und vielfältigsten Wissenschaftsregionen in Europa. An vier Universitäten, an der Charite-Universitätsmedizin Berlin, sechs Fachhochschulen, vier Kunsthochschulen, 27 privaten Hochschulen sowie über 60 Forschungsstätten studieren, lehren, forschen und arbeiten rund 200 000 Menschen aus aller Welt. 179 Die Erfolge der Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind Ergebnis nicht nur von Entwicklungskosten, sondern von langjähriger Forschung und kreativen Ideen. Ein solches Know-how ist stets mit dem Risiko verbunden, durch Wissenschaftsund Technikspionage verloren zu gehen. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport arbeitet mit der Industrieund Handelskammer und dem Verband für Sicherheit in der Wirtschaft BerlinBrandenburg zusammen. Im Rahmen dieser Sicherheitspartnerschaft berichtet die Wirtschaft über gegen sie gerichtete Spionageaktivitäten, während die Sicherheitsbehörden zur IT-Sicherheit, den Schutz vor Wirtschaftsspionage und über politischen Extremismus informieren. Die Kooperation besteht seit 2010. Wenn Unternehmen von Wirtschaftsspionage betroffen sind oder Anhaltspunkte für entsprechende Aktivitäten haben, können sie den Kontakt zum Verfassungsschutz suchen, der Vertraulichkeit garantiert; zumal er nicht - wie Strafermittlungsbehörden - dem Strafverfolgungszwang unterliegt. Der Verfassungsschutz unterliegt dem Opportunitätsprinzip, in dem er nur ausnahmsweise Sachverhalte zur Strafverfolgung an Polizei und Staatsanwaltschaft weiterleitet. Auch der Berliner Verfassungsschutz ist für die Beobachtung von Wirtschaftsspionage zuständig. Er unterstützt das Bundesamt für Verfassungsschutz bei der Erfüllung des nun im dortigen Gesetz verankerten Auftrages des präventiven Wirtschaftsschutzes bei seiner Beratung. Er sensibilisiert regelmäßig durch Vorträge auf Fachtagungen und Besuchen bei Firmen für die Thematik. 180 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 7.3 Abwehr von Cyberspionage Cyberspionage Stille Angriffe über die IT-Infrastruktur sind mittlerweile weit verbreitet. Neben der Informationsbeschaffung fallen darunter auch Aktivitäten, die zur Schädigung bzw. Sabotage dieser Systeme geeignet sind. Elektronische Angriffe haben sich zu einer wichtigen Methode der Informationsgewinnung für andere Nachrichtendienste entwickelt und ergänzen als zusätzliche Informationsquelle die nachrichtendienstliche Ausforschung mit menschlichen Quellen. Cyberspionage ist ein zunehmend häufiger eingesetztes Mittel der Nachrichtengewinnung mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit. Einen beachtlichen Stellenwert bei der Beschaffung von Informationen nimmt die elektronische Aufklärung ein. Dabei steht das Bemühen im Mittelpunkt, in Infrastrukturen der Informationstechnologie einzudringen, um Informationen zu beschaffen oder um das IT-System zu beschädigen oder zu sabotieren. Angesichts der zunehmenden IT-Vernetzung in Wissenschaft und Technik sowie von Parlamenten und Verwaltungen ist dies ein bedeutsames Instrument nachrichtendienstlicher Arbeit, zumal der personelle Aufwand - und damit das Risiko einer Enttarnung - eher gering ist. Cyberspionage schließt Betrug, Fälschungen und unerlaubte Zugriffe auf IT-Systeme ein. Angriffe werden mit E-Mails mit spezifischen Anhängen, präparierten Websites oder USB-Sticks durchgeführt. Angesichts der Komplexität dieser Aktivitäten nahm im April 2011 ein "Nationales Cyber-Abwehrzentrum" seine Arbeit auf, in dem das Bundesamt für Verfassungsschutz vertreten ist. 181 Die Eintrittswahrscheinlichkeit von Cyberangriffen nimmt offenkundig zu. Nach einer Wirtschaftsschutz-Studie des Bundesverbands der Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. aus dem Jahr 2017 teilten die befragten Unternehmen für die Jahre 2016/17 mit, dass mehr als die Hälfte (53 Prozent) Opfer von Wirtschaftsspionage, Sabotage oder Datendiebstahl geworden sind.112 Demnach wird ein jährlicher Schaden von rund 55 Milliarden Euro angenommen. Erfolgreiche Cyberangriffe können folglich immense finanzielle, volkswirtschaftliche und politische Schäden hervorrufen. Ein unkontrollierter Abfluss von Informationen mit innenoder außenpolitischer Bedeutung bzw. Informationen zur politischen Ausrichtung der Bundesrepublik Deutschland wäre in seinen Konsequenzen fatal. In diesem Zusammenhang nimmt auch "soziale Manipulation", auch als "Social Engineering" bekannt, einigen Stellenwert ein. Bei ihrer Anwendung werden Menschen beeinflusst, bestimmte Verhaltensweisen hervorzurufen, um etwa vertrauliche Informationen preiszugeben. Hierzu gehören Versuche, Mitarbeiter von Unternehmen im privaten Umfeld dazu zu verleiten, vertrauliche Informationen preiszugeben. Auch das Vortäuschen von Firmenund Branchenzugehörigkeit, etwa als Vorgesetzter oder Journalist, zählt zu den Strategien des "Social Engineering". Anknüpfungspunkte für andere Nachrichtendienste bieten dabei insbesondere die Informationen und Interessen, die Personen in sozialen Netzwerken veröffentlichen. Liegt der Verdacht eines Cyberangriffs vor, bietet der Berliner Verfassungsschutz seine Beratung an, um die Hintergründe aufzuklären. Gerade im Bereich der Abwehr von Cyberspionage, in dem Angriffe nicht einzelnen Bundesländern zugeordnet werden können, ist die Zusammenarbeit von Bund und Ländern unerlässlich. Entsprechend gib es auch eine enge Kooperation zwischen dem Berliner Verfassungsschutz und dem Bundesamt für Verfassungsschutz. 112 Vgl. Bundesverband der Informationswissenschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Hrsg.): Wirtschaftsschutz in der digitalen Welt. Berlin 2017. 182 8 Geheimschutz 183 8 Geheimschutz Unverzichtbar ist der Schutz von Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen, die Sicherheit und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Bundesländer gefährden kann. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Antrag der zuständigen öffentlichen Stelle daran mit, durch personelle, technische und organisatorische Vorkehrungen Ausforschungen durch Unbefugte in sicherheitsempfindlichen Bereichen zu verhindern.113 Ferner sind sicherheitsempfindliche Stellen bei lebensund verteidigungswichtigen öffentlichen Einrichtungen zu schützen, deren Ausfall oder Zerstörung eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit und das Leben zahlreicher Menschen verursachen könnte oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat diese Einrichtungen durch Rechtsverordnung festgelegt.114 Dazu zählen u. a. die Behörden zum Schutz der inneren Sicherheit und die Lagezentren und Leitstellen von Polizei und Feuerwehr. Die Verfassungsschutzbehörde überprüft bei öffentlichen Stellen und Wirtschaftsunternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und trifft selbst oder veranlasst Maßnahmen zum materiellen Geheimschutz.115 Zum Zweck des personellen Sabotageschutzes sind Sicherheitsüberprüfungen ebenfalls gesetzlich vorgesehen. 113 SS 5 Abs. 3 Nr. 1 u. Nr. 3 VSG Bln, Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BSÜG) vom 2.3.1998 (GVBl. S. 26) in der Fassung vom 25.6.2001 (GVBl. S. 243), zuletzt geändert durch Art. XV des Gesetzes vom 17.12.2003 (GVBl. S. 617). 114 Verordnung zur Festlegung der Arten lebenswichtiger Einrichtungen im Land Berlin vom 2.9.2003 (GVBl. S. 316). 115 Der materielle Geheimschutz schafft die organisatorischen und technischen Vorkehrungen zum Schutz von Verschlusssachen. Er beinhaltet Regelungen zum Umgang mit Verschlusssachen, z. B. zur Herstellung, besonderen Kennzeichnung, Transport, Weitergabe und Aufbewahrung (Tresore, elektronische Sicherungen). 184 Geheimschutz Die Verfassungsschutzbehörde wird nicht von sich aus tätig, sondern nur auf Antrag des Geheimschutzbeauftragten der Behörde, bei der die zu überprüfende Person beschäftigt ist. Im Jahr 2018 führte der Berliner Verfassungsschutz 983 Überprüfungen durch (2017: 686). 8.1 Geheimschutz in der Wirtschaft Wirtschaftsunternehmen, die geheimschutzbedürftige Aufträge von Bundesund Landesbehörden ausführen, müssen vor Ausspähung fremder Nachrichtendienste geschützt und deshalb in das Geheimschutzverfahren von Bund oder Ländern aufgenommen werden. Es sollen Sicherheitsstandards geschaffen und eingehalten werden, um zu verhindern, dass Unbefugte Kenntnis von den im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen (Verschlusssachen) erhalten. Ein Unternehmen kann die Aufnahme in die Geheimschutzbetreuung grundsätzlich nicht für sich selbst beantragen. Voraussetzung für die Aufnahme eines Unternehmens in das Geheimschutzverfahren des Bundes oder eines Landes ist die öffentliche Ausschreibung eines Auftrags mit Verschlusssachen. Berliner Behörden schreiben geheimschutzbedürftige Aufträge im Amtsblatt für Berlin aus. Wesentlich für die Ausschreibung bei vertraulichen Staatsaufträgen ist die Formulierung: "Es können sich geeignete Firmen bewerben, die bereits dem Geheimschutz in der Wirtschaft unterliegen, bzw. die sich dem Geheimschutzverfahren in der Wirtschaft unterziehen wollen." Vor Auftragserteilung sind mindestens ein gesetzlicher Vertreter des Unternehmens, ein Sicherheitsbevollmächtigter und auch die Firmenmitarbeiter, die von staatlicher Seite aus mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen, einer freiwilligen Sicherheitsüberprüfung nach den Bestimmungen des BSÜG zu unterziehen. Mitwirkende Behörde bei der Sicherheits185 überprüfung ist die Verfassungsschutzbehörde.116 2018 wurden 170 Sicherheitsüberprüfungen für Angehörige Berliner Unternehmen durchgeführt (2017: 200). Um die vertrauensvolle Kooperation der betroffenen Unternehmen mit den Sicherheitsbehörden zu vertiefen, unterstützt der Berliner Verfassungsschutz den Länderarbeitskreis der Sicherheitsbevollmächtigten Berlin-Brandenburg (SIBE-AK BR-BB) durch fachkundige Referenten und die Bereitstellung von Informationsmaterialien bei Seminaren und Tagungen. Dieser Arbeitskreis soll den in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätigen Berliner Unternehmen ein Austauschforum bieten. 8.2 Mitwirkung bei Einbürgerungsverfahren und sonstigen gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen Der Verfassungsschutz wirkt bei Überprüfungen in Einbürgerungsverfahren mit.117 Auf Antrag der Einbürgerungsbehörde wird geprüft, ob über Personen, die einen Antrag auf Einbürgerung gestellt haben, Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden der Länder oder des Bundes vorliegen. Eine Einbürgerung ist ausgeschlossen,118 wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder 116 SS 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 des VSG Bln. 117 SS 5 Abs. 3 Nr. 4 VSG Bln. 118 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG), vom 22.7.1913 in der im BGBl. Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 11.10.2016 (BGBl. I S. 2 218). 186 Geheimschutz die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder 2. nach SS 54 Absatz 1 Nummer 2 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt. Im Januar 2001 legte die Senatsverwaltung für Inneres fest, dass bei Einbürgerungsbewerbern aus bestimmten Herkunftsländern stets eine Anfrage beim Verfassungsschutz zu erfolgen hat. Unabhängig von der Herkunft ist eine Anfrage auch immer dann zu stellen, wenn Anhaltspunkte für eine extremistische Haltung oder sicherheitsgefährdende Tätigkeiten vorliegen. 2018 wurden 9 810 Anfragen bearbeitet (2017: 9 252). Vergleichbare Sicherheitsanforderungen gelten auch für das Aufenthaltsrecht von Ausländern.119 Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet hat oder sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewaltdelikten beteiligt.120 Zur Feststellung von Versagungsgründen können die Ausländerbehörden den Verfassungsschutzbehörden der Länder und weiteren Sicherheitsbehörden die von ihnen erhobenen Personalien übermitteln. Die angefragten Behörden teilen der Ausländerbehörde dann mit, ob aus ihrer Sicht Versagungsgründe oder Sicherheitsbedenken vorliegen.121 2018 gingen 12 037 Anfragen bei der Verfassungsschutzbehörde ein (2017: 9 916). 119 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet i.d.F. vom 25.2.2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4.11.2016 (BGBl. I S. 2 460) (AufenthG). 120 SS 54 Abs. 1 Nrn. 2 oder 4 AufenthG. 121 SS 73 Abs. 2 u. 3 AufenthG. 187 Bei Flughäfen und kerntechnischen Anlagen handelt es sich um besonders schützenswerte Objekte. Unbefugte Handlungen durch Beschäftigte können Gefahren für das Objekt und für Leib und Leben anderer Menschen zur Folge haben. Aus diesen Gründen werden gem. SS 7 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) und SS 12 b Atomgesetz (AtomG) Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchgeführt, an denen der Verfassungsschutz mitwirkt. Im Jahre 2018 wurden nach dem LuftSiG 1 909 Anfragen durch den Verfassungsschutz bearbeitet (2017: 2 649), nach dem AtomG 193 (2017: 217). Seit dem Jahr 2005 gibt es gesetzliche Regelungen über die Beteiligung der Verfassungsschutzbehörden bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Waffengesetz, dem Sprengstoffgesetz und der Bewachungsverordnung. Seit dem 1. September 2005 sind die Verfassungsschutzbehörden der Länder an der Überprüfung von Personen beteiligt, die gewerbsmäßig mit explosionsgefährlichen Stoffen umgehen oder den Verkehr mit solchen Stoffen betreiben wollen.122 Zuständige Behörde für die Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung in Berlin ist das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheit und technische Sicherheit. 2018 erfolgten 467 Anfragen (2017: 417). Wer gewerbsmäßig Leben und Eigentum fremder Personen bewachen will, bedarf einer Erlaubnis auf der Grundlage der Bewachungsverordnung durch die Gewerbeämter der Berliner Bezirke. In begründeten Einzelfällen können diese bei der örtlich zuständigen Verfassungsschutzbehörde anfragen ob Erkenntnisse vorliegen, die für die Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit der Antragsteller von Bedeutung sind.123 Im Jahr 2018 wurden auf dieser Basis 1 184 Anfragen durch den Verfassungsschutz bearbeitet (2017: 586). 122 SSSS 7 u. 8a Abs. 5 Nr. 4 Sprengstoffgesetz (SprengG), BGBl. I S. 3 518, zuletzt geändert durch Art. 1 des dritten ÄnderungsG vom 15.6.2005 (BGBl. I S. 1 676) Art. 35 des Gesetzes zur Umbenennung des BGS in Bundespolizei vom 21.7.2005 (BGBl. I S. 1 818). 123 SS 9 Abs. 2 Nr. 2 BewachV. 188 Geheimschutz Ebenfalls zu den Mitwirkungsangelegenheiten gehören auf Grund des 7. Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) vom 16. Mai 2007124 seit dem 24. Mai 2007 auch Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem BVFG.125 Durch die Überprüfung soll sichergestellt werden, dass Schwerkriminelle, gewaltbereite Extremisten und Terroristen nicht auf dem Weg des Verfahrens zur Aufnahme von Spätaussiedlern nach Deutschland kommen können. 124 BGBl. I S. 748. 125 Neufassung des BVFG vom 10.8.2007; BGBl. I S. 1 902. 189 190 III Anhang 191 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin (Verfassungsschutzgesetz Berlin - VSG Bln) SS 3 Dienstkräfte in der Fassung vom 25. Juni 2001, geändert durch (1) Die Dienstkräfte der Verfassungsschutzabteilung Art. V des Gesetzes vom 30. Juli 2001 (GVBl. S. haben neben den allgemeinen Pflichten die sich 305), geändert durch Art. II des Gesetzes vom 5. aus dem Wesen des Verfassungsschutzes und Dezember 2003 (GVBl. S. 571), geändert durch Art. I ihrer dienstlichen Stellung ergebenden besonderen des Gesetzes vom 6. Juli 2006 (GVBl. Nr. 26, S. 712), Pflichten. Sie haben sich jederzeit für den Schutz geändert durch Gesetz vom 1. Dezember 2010 (GVBl. der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im S. 534), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von vom 13. Juni 2018 (GVBl. S. 418). Berlin einzusetzen. Die Funktion des Leiters der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung soll nur einer Person übertragen werden, die die Befähigung zum Richteramt besitzt. Erster Abschnitt (2) Der Senat von Berlin kann jährlich bestimmen, Aufgaben und Befugnisse der in welchem Umfang Dienstkräften der Verfassungsschutzabteilung freie, frei werdende und neu Verfassungsschutzbehörde geschaffene Stellen in der Hauptverwaltung für Zwecke der Personalentwicklung vorbehalten werden. SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 4 Zusammenarbeit Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheit(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, lichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die und ihrer Länder. Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und Information sowie in der SS 2 Organisation Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen (wie z. B. (1) Verfassungsschutzbehörde ist die Senatsverwaldas nachrichtendienstliche Informationssystem des tung für Inneres. Die für den Verfassungsschutz zuBundes und der Länder [NADIS] und die Schule für ständige Abteilung nimmt ihre Aufgaben gesondert Verfassungsschutz). von der für die Polizei zuständigen Abteilung wahr. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder (2) Die für den Verfassungsschutz zuständige dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Abteilung ist Verantwortlicher im Sinne des SS 31 Einvernehmen, das Bundesamt für VerfassungsNummer 7 des Berliner Datenschutzgesetzes vom schutz nur im Benehmen mit der Verfassungs13. Juni 2018 (GVBl. S. 418). Die Übermittlung an schutzbehörde tätig werden. andere Organisationseinheiten der Senatsverwaltung für Inneres ist ungeachtet der fachund dienstaufSS 5 Aufgaben der sichtlichen Befugnisse zulässig, wenn dies für die Verfassungsschutzbehörde Aufgabenerfüllung nach SS 5 Abs. 1 erforderlich ist. (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Aufgabe, (3) Bei der Leitung der Senatsverwaltung für Inneres den Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin, wird eine Revision eingerichtet. Die Revision ist unbeandere zuständige staatliche Stellen und die Öffentschadet ihrer Verantwortung gegenüber dem Senator lichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokraim Übrigen in der Durchführung von Prüfungen und tische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit der Beurteilung von Prüfungsvorgängen unabhängig. des Bundes und der Länder zu unterrichten. Dadurch 192 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin soll es den staatlichen Stellen insbesondere ermögInneres im Benehmen mit dem Berliner Beauftragten licht werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahfür Datenschutz und Informationsfreiheit bestimmt. men zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen. Die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde bei der (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt und Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 1 und 2 sind im Berliner wertet die Verfassungsschutzbehörde Informationen, Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 2. März 1998 insbesondere sachund personenbezogene Daten, (GVBl. S. 26) geregelt. Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen aus über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche deSS 6 Begriffsbestimmungen mokratische Grundordnung, den Bestand oder die (1) Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind politisch motivierte, zielund zweckgerichtete sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Verhaltensweisen oder Betätigungen von OrganisatiAmtsführung der Verfassungsorgane des Bundes onen, Personenzusammenschlüssen ohne feste hieoder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele rarchische Organisationsstrukturen (unorganisierte haben, Gruppen) oder Einzelpersonen gegen die in SS 5 Abs. 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche 2 bezeichneten Schutzgüter. Für eine Organisation Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder eine unorganisierte Gruppe handelt, wer sie in für eine fremde Macht, ihren Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Ver3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgehaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einer setzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf oder für eine Organisation oder in einer oder für eine gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige unorganisierte Gruppe handeln, sind Bestrebungen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses (3) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Ersuchen Gesetzes erheblich zu beschädigen. der zuständigen öffentlichen Stellen mit (2) Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, die 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbegerichtet sind, sind solche, die auf die Beseitigung dürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse oder Außerkraftsetzung wesentlicher Verfassungsanvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen grundsätze abzielen. Hierzu gehören: oder ihn sich verschaffen können, 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die und Abstimmungen und durch besondere Organe an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung sind oder werden sollen, in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum geheimer Wahl zu wählen, Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhal2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungstungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder mäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, Unbefugte, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parla4. bei aufenthaltsrechtlichen Verfahren, Einbürmentarischen Opposition, gerungsverfahren, jagdund waffenrechtlichen 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre VerantVerfahren sowie bei sonstigen gesetzlich vorgewortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, schriebenen Überprüfungen; die Mitwirkung ist nur 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, zulässig, wenn diese zum Schutz der freiheitlichen 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft demokratischen Grundordnung oder für Zwecke und der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist; Näheres 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenwird in einer Verwaltungsvorschrift des Senators für 193 rechte. geeigneten Maßnahmen hat sie diejenige auszu(3) Im Sinne dieses Gesetzes sind wählen, die den Einzelnen, insbesondere in seinen 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder Grundrechten, und die Allgemeinheit voraussichtlich eines Landes solche, die darauf gerichtet sind, die am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme hat Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder zu unterbleiben, wenn sie einen Nachteil herbeiführt, Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichzu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet tigten Erfolg steht. Sie ist nur solange zulässig, bis abzutrennen, ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes erreicht werden kann. oder eines Landes solche, die darauf gerichtet sind, (4) Soweit in diesem Gesetz besondere Eingriffsbeden Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihfugnisse das Vorliegen gewalttätiger Bestrebungen rer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen (4) Auswärtige Belange im Sinne des SS 5 Abs. 2 Nr. 3 voraussetzen, ist Gewalt die Anwendung körperlichen werden nur gefährdet, wenn innerhalb des GeltungsZwanges gegen Personen oder eine nicht unerhebbereichs des Grundgesetzes Gewalt ausgeübt oder liche Einwirkung auf Sachen. durch Handlungen vorbereitet wird und diese sich gegen die politische Ordnung oder Einrichtungen SS 8 Befugnisse der anderer Staaten richten. Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf die zur ErfülSS 7 Voraussetzung und Rahmen für die lung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten (1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, und bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen, darf die Verfassungsschutzbehörde bei der Wahrnehinsbesondere bei Privatpersonen, erheben, soweit mung ihrer Aufgaben nach SS 5 Abs. 2 nur tätig wernicht die anzuwendenden Bestimmungen des Berliden, wenn im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte ner Datenschutzgesetzes oder besondere Regelungen für den Verdacht der dort genannten Bestrebungen in diesem Gesetz entgegenstehen; dies gilt auch oder Tätigkeiten vorliegen. dann, wenn die betroffene Person in eine Überprü(2) Die Verfassungsschutzbehörde darf für die fung im Rahmen eines Akkreditierungsverfahrens Prüfung, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 voreingewilligt hat. liegen, die dazu erforderlichen personenbezogenen (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur heimDaten aus allgemein zugänglichen Quellen erheben, lichen Informationsbeschaffung, insbesondere speichern und nutzen. Eine Speicherung dieser Daten zur Erhebung personenbezogener Daten, nur in im nachrichtendienstlichen Informationssystem begründeten Fällen folgende nachrichtendienstliche (NADIS) oder in anderen Verbunddateien ist nicht Mittel anwenden: zulässig. Eine Speicherung der nach Satz 1 erhobe1. Einsatz von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen nen personenbezogenen Daten in Akten und Dateien Informanten, zum Zweck der Spionageabwehr über den Ablauf eines Jahres seit der Speicherung überworbenen Agenten, Gewährspersonen und hinaus ist nur zulässig, wenn spätestens von diesem verdeckten Ermittlern, Zeitpunkt an die Voraussetzungen des Absatzes 1 2. Observation, vorliegen. Dasselbe gilt für das Anlegen personenbe3. Bildaufzeichnungen (Fotografieren, Videografieren zogener Akten. und Filmen), (3) Zur Erfüllung ihrer Aufgaben darf die Verfas4. verdeckte Ermittlungen und Befragungen, sungsschutzbehörde nur die dazu erforderlichen 5. Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Maßnahmen ergreifen; dies gilt insbesondere für Mittel, die Erhebung und Verarbeitung personenbezoge6. Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gener Informationen. Von mehreren möglichen und sprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel, 194 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin 7. Beobachtungen des Funkverkehrs auf nicht für den Gegenstände und Quellen der Verfassungsallgemeinen Empfang bestimmten Kanälen sowie die schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder Sichtbarmachung, Beobachtung, Aufzeichnung und geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Entschlüsselung von Signalen in KommunikationsDatenerhebungen nach Satz 1 Nr. 2 dürfen sich gesystemen, gen andere als die in SS 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 genann8. Verwendung fingierter biografischer, beruflicher ten Personen nur richten, soweit dies zur Gewinnung oder gewerblicher Angaben (Legenden), von Erkenntnissen unerlässlich ist. 9. Beschaffung, Erstellung und Verwendung von (4) Die Erhebung nach Absatz 2 ist unzulässig, wenn Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, die Erforschung des Sachverhalts auf andere, die 10. Überwachung des Brief-, Post-, und Fernmeldebetroffene Person weniger beeinträchtigende Weise verkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes vom möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298; 2007 I S. 154), der Regel anzunehmen, wenn die Informationen das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 14. aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch August 2017 (BGBl. I S. 3202) geändert worden ist, eine Auskunft nach SS 27 gewonnen werden können. 11. Einsatz von weiteren vergleichbaren Methoden, Die Anwendung eines Mittels gemäß Absatz 2 soll Gegenständen und Instrumenten zur heimlichen erkennbar im Verhältnis zur Bedeutung des aufzuInformationsbeschaffung, insbesondere das sonstige klärenden Sachverhalts stehen. Der Einsatz nachrichEindringen in technische Kommunikationsbezietendienstlicher Mittel nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 6 und hungen durch Bild-, Ton-, und Datenaufzeichnungen; 7 ist grundsätzlich nur zur Informationsbeschaffung dem Einsatz derartiger Methoden, Gegenstände und über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokraInstrumente hat der Ausschuss für Verfassungstische Grundordnung zulässig, wenn diese Bestreschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin vorab bungen die Anwendung von Gewalt billigen oder sich seine Zustimmung zu erteilen. in aktiv kämpferischer, aggressiver Weise betätigen. Personen, die berechtigt sind, in Strafsachen aus beDie Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ruflichen Gründen das Zeugnis zu verweigern (SSSS 53 ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür und 53 a der Strafprozessordnung), darf die Verfasergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise sungsschutzbehörde nicht von sich aus nach Satz 1 erreicht werden kann. Daten, die für das Verständnis Nr. 1 zur Beschaffung von Informationen in Anspruch der zu speichernden Informationen nicht erforderlich nehmen, auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht sind, sind unverzüglich zu löschen. Die Löschung bezieht. Die Behörden des Landes Berlin sind verkann unterbleiben, wenn die Informationen von pflichtet, der Verfassungsschutzbehörde technische anderen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu geben. sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf Informatiogetrennt werden können; in diesem Fall dürfen die nen einschließlich personenbezogener Daten mit den Daten nicht verwertet werden. Mitteln gemäß Absatz 2 erheben, wenn (5) Die näheren Voraussetzungen für die Anwendung 1. sich ihr Einsatz gegen Organisationen, unorgader Mittel nach Absatz 2 sind in einer Verwaltungsnisierte Gruppen, in ihnen oder einzeln tätige Pervorschrift des Senators für Inneres zu regeln, die sonen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher für den Verdacht der Bestrebungen oder Tätigkeiten Informationsbeschaffung regelt. Die Verwaltungsvornach SS 5 Abs. 2 bestehen, schrift ist dem Ausschuss für Verfassungsschutz des 2. auf diese Weise Erkenntnisse über gewalttätige Abgeordnetenhauses von Berlin vorab zur Kenntnis Bestrebungen oder geheimdienstliche Tätigkeiten zu geben. gewonnen werden können, (6) Für die Speicherung und Löschung der durch 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Maßnahmen nach Absatz 2 erlangten personenbeBestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforzogenen Daten gilt SS 4 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes derlichen Quellen erschlossen werden können oder entsprechend 4. dies zum Schutz der Dienstkräfte, Einrichtungen, (7) Polizeiliche Befugnisse stehen der Verfassungs195 schutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuPersonen vorgesehen, kann die Maßnahme durch chen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. den Senator für Inneres, der im Verhinderungsfall (8) Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgedurch den zuständigen Staatssekretär vertreten wird, meinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung Grundgesetzes). der hierbei erlangten Erkenntnisse zum Zwecke der Gefahrenabwehr ist nur zulässig, wenn zuvor SS 9 Einsatz technischer Mittel die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt worden ist; bei Gefahr im Verzuge ist die zur Überwachung von Wohnungen richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (1) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gespro(4) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach chene Wort darf mit technischen Mitteln ausschließden Absätzen 1 und 3 ist das Amtsgericht Tiergarten. lich bei der Wahrnehmung der Aufgaben auf dem Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gebiet der Spionageabwehr und des gewaltbereiten Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen politischen Extremismus heimlich mitgehört oder Gerichtsbarkeit entsprechend. aufgezeichnet werden. Eine solche Maßnahme ist (5) Der Senat unterrichtet die Kommission nach SS 2 nur zulässig, wenn sie im Einzelfall zur Abwehr einer des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, in der Fassung vom 25. Juni 2001 (GVBl. S. 251), das insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer zuletzt durch Artikel I des Gesetzes vom 5. Dezember Lebensgefahr für einzelne Personen, unerlässlich ist, 2003 (GVBl. S. 571) geändert worden ist, unverein konkreter Verdacht in Bezug auf eine Gefährdung züglich, möglichst vorab, und umfassend über den der vorstehenden Rechtsgüter besteht und der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 und, soweit Einsatz anderer Methoden und Mittel zur heimlichen richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 3. Informationsbeschaffung keine Aussicht auf Erfolg SS 3 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu bietet. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für eiArtikel 10 Grundgesetz gilt entsprechend. nen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfer(6) Eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 3 tigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen ist nach ihrer Beendigung der betroffenen Person in Wohnungen. Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der 3 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung Maßnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr getroffen werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die zu erwarten ist. Die durch Maßnahmen im Sinne des Maßnahme auch durch den Senator für Inneres, Satzes 1 erhobenen Informationen dürfen nur nach der im Verhinderungsfall durch den zuständigen Maßgabe des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes verwendet Staatssekretär vertreten wird, angeordnet werden; werden. eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. (2) Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu SS 9a Eingriffe, die in ihrer Art befristen. Verlängerungen um jeweils nicht mehr als und Schwere einer Beschränkung des drei weitere Monate sind auf Antrag zulässig, soweit Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisdie Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht ses gleichkommen (1) Ein Eingriff, der in seiner Art und Schwere einer mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Beschränkung des Brief-, Postund FernmeldegeMittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforheimnisses gleichkommt und nicht den Regelungen derlich, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. des SS 9 unterliegt, wozu insbesondere das Abhören Der Vollzug der Anordnung erfolgt unter Aufsicht und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen eines Bediensteten der Verfassungsschutzbehörde, Wortes mit dem verdeckten Einsatz technischer Mitder die Befähigung zum Richteramt hat. tel gehört, bedarf der Anordnung durch den Senator (3) Sind technische Mittel ausschließlich zum 196 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin für Inneres, der im Verhinderungsfall durch den weis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch zuständigen Staatssekretär vertreten wird. genommene Stelle, die Namen der Betroffenen, (2) Die SSSS 2 und 3 des Gesetzes zur Ausführung des deren Daten für eine weitere Verwendung erforderGesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz gelten entsprelich sind, sowie der Zeitpunkt der Einsichtnahme chend. hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert (3) SS 9 Abs. 6 gilt entsprechend. aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern und, soweit sie für die SS 10 Registereinsicht durch die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde nach SS 5 Abs. 2 nicht mehr benötigt werden, am Verfassungsschutzbehörde Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Erstellung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Aufkläfolgt, zu vernichten. rung - von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder - von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete VorbereitungshandZweiter Abschnitt lungen gegen die freiheitliche demokratische GrundDatenverarbeitung ordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder - von Bestrebungen, die durch Anwendung von SS 11 Speicherung, Veränderung und Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Nutzung personenbezogener Daten Deutschland gefährden, (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung von öffentlichen Stellen geführte Register, z. B. ihrer Aufgaben rechtmäßig erhobene persoMelderegister, Personalausweisregister, Passregisnenbezogene Informationen speichern, verändern ter, Führerscheinkarteien, Waffenscheinkarteien, und nutzen, wenn einsehen. 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder (2) Eine solche Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 vorliegen oder 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich 2. dies für die Erforschung oder Bewertung von erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der gewalttätigen Bestrebungen oder geheimdienstlichen Daten durch die registerführende Stelle der Zweck Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforderlich ist oder der Maßnahme gefährdet würde, und 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrich2. die betroffene Person durch eine anderweitige tendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würde, Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforderlich ist oder und 4. dies zum Schutz der Dienstkräfte, Einrichtungen, 3. eine besondere gesetzliche GeheimhaltungsvorGegenstände und Quellen der Verfassungsschrift oder ein Berufsgeheimnis der Einsichtnahme schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder nicht entgegensteht. geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder (3) Die Anordnung für die Maßnahme nach Absatz 1 5. sie auf Ersuchen der zuständigen Stelle nach trifft der Leiter der Verfassungsschutzabteilung, im SS 5 Abs. 3 tätig wird. Falle der Verhinderung der Vertreter. In Akten dürfen über Satz 1 Nr. 2 hinaus personen(4) Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse bezogene Daten auch gespeichert, verändert und dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken genutzt werden, wenn dies sonst zur Erforschung verwendet werden. Gespeicherte Informationen sind und Bewertung von Bestrebungen nach SS 5 Abs. 2 zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie zwingend erforderlich ist. für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (2) In Dateien gespeicherte Informationen müssen (5) Über die Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachdurch Aktenrückhalt belegbar sein. 197 (3) In Dateien ist die Speicherung von Informationen war, unzulässig war oder ihre Kenntnis für die aus der Intimsphäre der betroffenen Person unzuAufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist und lässig. schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht beeinträchtigt werden. SS 12 Speicherung, Veränderung und (3) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Verarbeitung von in Dateien gespeicherten personenbeNutzung personenbezogener Daten von zogenen Daten einzuschränken, wenn die Löschung Minderjährigen unterbleibt, weil Grund zur Annahme besteht, dass Die Speicherung personenbezogener Informationen durch die Löschung schutzwürdige Interessen der über Minderjährige, die das 14. Lebensjahr nicht betroffenen Personen beeinträchtigt würden. In der vollendet haben, ist unzulässig. Verarbeitung eingeschränkte Daten sind entsprechend zu kennzeichnen und dürfen nur mit EinwilliSS 13 Speicherungsdauer gung der betroffenen Person verwendet werden. (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Spei(4) Die Verarbeitung von in Dateien gelöschten cherungsdauer auf das für ihre Aufgabenerfüllung Informationen ist eingeschränkt. Unterlagen sind erforderliche Maß zu beschränken. Die in Dateien zu vernichten, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben gespeicherten Informationen sind bei der Einnach SS 5 nicht oder nicht mehr erforderlich sind, zelfallbearbeitung, spätestens aber fünf Jahre nach es sei denn, dass ihre Aufbewahrung zur Wahrung Speicherung der letzten Information, auf ihre Erforschutzwürdiger Interessen der betroffenen Person derlichkeit zu überprüfen. Sofern die Informationen notwendig ist. Die Vernichtung unterbleibt, wenn Bestrebungen nach SS 5 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 betreffen, die Unterlagen von anderen, die zur Erfüllung der sind sie spätestens zehn Jahre nach der zuletzt Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvergespeicherten relevanten Information zu löschen. tretbarem Aufwand getrennt werden können. (2) Sind Informationen über Minderjährige in Dateien (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich oder in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datengespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit sicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsder Speicherung zu überprüfen und spätestens gemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es sei gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere und zur Verfolgung der in der jeweiligen Fassung des Erkenntnisse nach SS 5 Abs. 2 angefallen sind, die zur Berliner Datenschutzgesetzes als Straftaten bezeichErfüllung der Aufgaben im Sinne dieses Gesetzes eine neten Handlungen verwendet werden. Fortdauer der Speicherung rechtfertigen. SS 15 Berichtigung und Einschränkung SS 14 Berichtigung, Löschung und der Verarbeitung personenbezogener Einschränkung der Verarbeitung persoDaten in Akten nenbezogener Daten in Dateien (1) Stellt die Verfassungsschutzbehörde fest, dass (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in in Akten gespeicherte personenbezogene Daten Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten unrichtig sind, oder wird ihre Richtigkeit von dem zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. schutzwürdige Interessen der betroffenen Person (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Verarbeeinträchtigt sein können. beitung von personenbezogenen Daten in Akten (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien einzuschränken, wenn sie im Einzelfall feststellt, dass gespeicherten personenbezogenen Informationen ohne die Einschränkung schutzwürdige Interessen zu löschen, wenn ihre Speicherung irrtümlich erfolgt von betroffenen Personen beeinträchtigt würden und die Daten für ihre Aufgabenerfüllung nicht mehr 198 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin erforderlich sind. In der Verarbeitung eingeschränkte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu Dritter Abschnitt versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder überInformationsübermittlung mittelt werden. Eine Aufhebung der Einschränkung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen. SS 18 Grundsätze bei der Informationsübermittlung durch die VerfassungsSS 16 Dateianordnungen (1) Für jede automatisierte Datei der Verfassungsschutzbehörde Die Übermittlung von personenbezogenen Daten ist schutzbehörde sind in einer Dateianordnung im Beaktenkundig zu machen. In der entsprechenden Datei nehmen mit der oder dem Berliner Beauftragten für ist die Informationsübermittlung zu vermerken. Vor Datenschutz und Informationsfreiheit festzulegen: der Informationsübermittlung ist der Akteninhalt im 1. Bezeichnung der Datei, Hinblick auf den Übermittlungszweck zu würdigen 2. Zweck der Datei, und der Informationsübermittlung zugrunde zu 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen der Speichelegen. Erkennbar unvollständige Informationen sind rungen, Übermittlung und Nutzung (betroffener vor der Übermittlung im Rahmen der VerhältnismäPersonenkreis, Arten der Daten), ßigkeit durch Einholung zusätzlicher Auskünfte zu 4. Eingabeberechtigung, vervollständigen. 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, 7. Protokollierung, SS 19 Informationsübermittlung 8. Datenverarbeitungsgeräte und Betriebssystem, zwischen den Verfassungsschutz9. Inhalt und Umfang von Textzusätzen, die der behörden Erschließung von Akten dienen. Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet Die Verfassungsschutzbehörde führt ein Verzeichnis das Bundesamt für Verfassungsschutz und die der geltenden Dateianordnungen. Verfassungsschutzbehörden der Länder über alle (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in angemesAngelegenheiten, deren Kenntnis zur Erfüllung der senen Abständen die Notwendigkeit der WeiterAufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. führung oder Änderung ihrer Dateien zu prüfen. SS 20 Informationsübermittlung an SS 17 Gemeinsame Dateien Bundesgesetzliche Vorschriften über die Datenden Bundesnachrichtendienst und den verarbeitung in gemeinsamen Dateien der VerfasMilitärischen Abschirmdienst sungsschutzbehörden des Bundes und der Länder Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem bleiben unberührt. Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. Handelt die Verfassungsschutzbehörde auf Ersuchen, so ist sie zur Übermittlung nur verpflichtet und berechtigt, wenn sich die Voraussetzungen aus den Angaben der ersuchenden Behörde ergeben. 199 SS 21 Informationsübermittlung an zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit Strafverfolgungsbehörden in Angeledes Bundes oder eines Landes erforderlich ist und genheiten des Staatsund Verfassungsder Senator für Inneres, der im Verhinderungsfall schutzes durch den zuständigen Staatssekretär vertreten Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt den wird, im Einzelfall seine Zustimmung erteilt hat. Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der Verfassungsschutzbehörde führt über die Auskunft staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis, den Polinach Satz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck zeibehörden des Landes die ihr bekannt gewordenen der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der EmpInformationen einschließlich personenbezogener fänger hervorgehen; die Nachweise sind gesondert Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür beaufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu stehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Verfolgung von Straftaten, die im Zusammenhang Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten. Der Empmit Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 fänger darf die übermittelten personenbezogenen stehen, erforderlich ist. Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die SS 22 Übermittlung von Informationen Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, an den öffentlichen Bereich um Auskunft über die vorgenommene Verwendung (1) Die im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerder Daten zu bitten. füllung gewonnenen, nicht personenbezogenen Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde können an andere Behörden und Stellen, insbesondere an SS 24 Übermittlung von Informationen die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermittelt an die Stationierungsstreitkräfte werden, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbeempfangenden Stellen erforderlich sein können. zogene Daten an Dienststellen der Stationierungs(2) Die Verfassungsschutzbehörde darf persostreitkräfte übermitteln, soweit die Bundesrepublik nenbezogene Daten an inländische Behörden Deutschland dazu im Rahmen von Artikel 3 des und juristische Personen des öffentlichen Rechts Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben den Parteien des Nordatlantikpaktes über die erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach der Bundesrepublik Deutschland stationierten SS 5 Abs. 2 oder zur Strafverfolgung benötigt oder ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl. nach SS 5 Abs. 3 tätig wird. 1961 II S. 1183) verpflichtet ist. Die Übermittlung ist (3) Die empfangende Stelle von Daten nach Absatz aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf 2 ist darauf hinzuweisen, dass sie die übermittelten hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck verdem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie wenden darf, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt ihm übermittelt wurden. wurden. SS 25 Übermittlung von Informationen SS 23 Übermittlung von Informationen an öffentliche Stellen außerhalb des an Personen und Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes öffentlichen Bereichs Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezoPersonenbezogene Daten dürfen an Personen gene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben 200 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen derlichen Informationen einschließlich personenbedes Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung zogener Daten übermittelt, wenn die Informationen unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesnicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur republik Deutschland oder überwiegende schutzmit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur durch würdige Interessen der betroffenen Person entgegeneine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme stehen. Die Übermittlung ist nur im Einvernehmen erhoben werden können. Es dürfen nur die Informit dem Bundesamt für Verfassungsschutz zulässig. mationen übermittelt werden, die bei der ersuchten Sie ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist Behörde bereits bekannt sind. darauf hinzuweisen, dass die übermittelten perso(3) Die Verfassungsschutzbehörde braucht Ersuchen nenbezogenen Daten nur zu dem Zweck verwendet nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden, betroffenen Person dient oder eine Begründung den und die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Zweck der Maßnahme gefährden würde. um Auskunft über die vorgenommene Verwendung (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, der Informationen zu bitten. die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist SS 26 Unterrichtung der Öffentlichkeit nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich über Be10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder strebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2. Dabei ist begangen hat. Auf die der Verfassungsschutzbehörde die Übermittlung von personenbezogenen Daten nur nach Satz 1 übermittelten Informationen findet zulässig, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis SS 4 Abs. 6, auf die dazugehörenden Unterlagen findet des Zusammenhanges oder der Darstellung von SS 4 Abs. 1 Satz 2 des Artikel 10-Gesetzes entspreOrganisationen oder unorganisierten Gruppierungen chende Anwendung. erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit (5) Vorschriften zur Informationsübermittlung an die an sachgemäßen Informationen das schutzwürdige Verfassungsschutzbehörde nach anderen Gesetzen Interesse des Betroffenen überwiegen. bleiben unberührt. (6) Die Verfassungsschutzbehörde hat die übermittelten Informationen nach ihrem Eingang unverSS 27 Übermittlung von Informationen züglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung an die Verfassungsschutzbehörde ihrer in SS 5 genannten Aufgaben erforderlich sind. (1) Die Behörden des Landes und die sonstigen der Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die Personen des öffentlichen Rechts übermitteln von Vernichtung unterbleibt, wenn die Trennung von ansich aus der Verfassungsschutzbehörde die ihnen deren Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben bekannt gewordenen Informationen, insbesondere erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem personenbezogene Daten, über Bestrebungen nach Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall ist die VerarSS 5 Abs. 2, die durch Anwendung von Gewalt oder beitung solcher Informationen eingeschränkt und darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt entsprechend zu kennzeichnen. werden, und über geheimdienstliche Tätigkeiten. (7) Soweit andere gesetzliche Vorschriften nicht Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der besondere Regelungen über die Dokumentation staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei treffen, haben die Verfassungsschutzbehörde und die übermitteln darüber hinaus auch andere im Rahmen übermittelnde Stelle die Informationsübermittlung ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Inforaktenkundig zu machen. mationen über Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 2. (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann von jeder der in Absatz 1 genannten öffentlichen Stellen verlangen, dass sie ihr die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erfor201 SS 27a Übermittlung von Informationen 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung durch nicht öffentliche Stellen an die des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder Verfassungsschutzbehörde der Endeinrichtung, (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten Uhrzeit, und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten genommenen Telekommunikationsund Teledienstsowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und Dienstleistungen, zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr dies zur Beobachtung gewalttätiger Bestrebungen Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. nach SS 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 erforderlich ist und (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen nur tatsächliche Anhaltspunkte für Gefahren für Leib und auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist von der Leben vorliegen. Leitung der Verfassungsschutzabteilung, im Falle (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall ihrer Verhinderung von ihrem Vertreter schriftlich zu zur Beobachtung gewalttätiger Bestrebungen nach stellen und zu begründen. Über den Antrag entscheiSS 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 und wenn tatsächliche Anhaltsdet der Senator für Inneres, im Falle seiner Verhinpunkte für Gefahren für Leib und Leben vorliegen derung der Staatssekretär. Die Senatsverwaltung für unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel Inneres unterrichtet die Kommission nach SS 2 des Ge10-Gesetzes bei Personen und Unternehmen, die setzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes über geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gesowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser fahr im Verzug kann der Senator für Inneres, im Fall Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte seiner Verhinderung der Staatssekretär den Vollzug zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung Umständen des Postverkehrs einholen. der Kommission anordnen. Die Kommission prüft von (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden die bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme Auskünften. SS 15 Abs. 5 des Artikel 10-Gesetzes ist von Transportleistungen und sonstigen Umständen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Beobachdie Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die getung gewalttätiger Bestrebungen nach SS 5 Abs. 2 samte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Nr. 2 und 3 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltsden Absätzen 1 bis 4 erlangten personenbezogenen punkte für Gefahren für Leib und Leben vorliegen. Daten erstreckt. Entscheidungen über Auskünfte, die (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall die Kommission für unzulässig oder nicht notwendig zur Beobachtung gewalttätiger Bestrebungen nach erklärt, hat die Senatsverwaltung für Inneres SS 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 und wenn tatsächliche Anhaltsunverzüglich aufzuheben. Für die Verarbeitung der punkte für Gefahren für Leib und Leben vorliegen nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen Daten ist SS 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsmäßig TeDas Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten lekommunikationsdienste und Teledienste erbringen dürfen dem Betroffenen oder Dritten nicht mitgeteilt oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über werden. SS 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes Telekommunikationsverbindungsdaten und Telefindet entsprechende Anwendung. dienstnutzungsdaten einholen. Die Auskunft kann (6) Die Senatsverwaltung für Inneres unterrichtet auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation im Abstand von höchstens sechs Monaten den und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt Ausschuss für Verfassungsschutz des Abgeordwerden. Telekommunikationsverbindungsdaten und netenhauses über die Durchführung der Absätze Teledienstnutzungsdaten sind: 1 bis 5; dabei ist insbesondere ein Überblick über 202 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im SS 30 Nachberichtspflicht Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach Erweisen sich Informationen nach ihrer Übermittlung den Absätzen 1 bis 4 zu geben. nach den Vorschriften dieses Gesetzes als unvoll(7) Die Senatsverwaltung für Inneres unterrichtet ständig oder unrichtig, so hat die übermittelnde das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes Stelle ihre Informationen unverzüglich gegenüber jährlich über die nach den Absätzen 1 bis 5 durchgeder empfangenden Stelle zu ergänzen oder zu führten Maßnahmen; Absatz 6 gilt entsprechend. berichtigen, wenn dies zu einer anderen Bewertung (8) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldeder Informationen führen könnte oder zur Wahrung geheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes, Artikel schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person 16 der Verfassung von Berlin) wird nach Maßgabe erforderlich ist. Die Ergänzung oder Berichtigung ist der Absätze 2, 4 und 5 eingeschränkt. aktenkundig zu machen und in den entsprechenden Dateien zu vermerken. SS 28 Übermittlungsverbote Die Übermittlung von Informationen nach den VorVierter Abschnitt schriften dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, Auskunftserteilung dass die Informationen zu löschen oder für die empfangende Stelle nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erforSS 31 Auskunft an den Betroffenen dern, (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt einer 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass natürlichen Person über die zu ihr gespeicherten unter Berücksichtigung der Art der Informationen Informationen auf Antrag unentgeltlich Auskunft. und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf der betroffenen Personen das Allgemeininteresse an Informationen, die nicht der alleinigen Verfügungsder Übermittlung überwiegen oder berechtigung der Verfassungsschutzbehörde unter4. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen liegen, sowie auf die Herkunft der Informationen und entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gedie Empfänger von Übermittlungen. setzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs(2) Die Verfassungsschutzbehörde darf den Antrag oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf ablehnen, wenn das öffentliche Interesse an der gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. Geheimhaltung ihrer Tätigkeit oder ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse Dritter gegenüber dem Interesse der antragstellenden Person an der SS 29 Minderjährigenschutz Auskunftserteilung überwiegt. In einem solchen Fall (1) Informationen einschließlich personenbezogener hat die Verfassungsschutzbehörde zu prüfen, ob und Daten über das Verhalten Minderjähriger dürfen inwieweit eine Teilauskunft möglich ist. Ein Geheimnach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt haltungsinteresse liegt vor, wenn werden, solange die Voraussetzungen der Speiche1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die rung nach SS 13 Abs. 2 erfüllt sind. Auskunftserteilung zu besorgen ist, (2) Informationen einschließlich personenbezogener 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet Daten über das Verhalten Minderjähriger vor sein können oder die Ausforschung des ErkenntnisVollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den standes oder der Arbeitsweisen der VerfassungsVorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische schutzbehörde zu befürchten ist, oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermit3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden telt werden. oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 203 4. die Informationen oder die Tatsache der SpeicheOktober 1999 (GVBl. S. 561) findet auf die von der rung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen Verfassungsschutzabteilung der Senatsverwaltung nach, insbesondere wegen der überwiegenden für Inneres geführten Akten keine Anwendung. berechtigten Interessen Dritter, geheimgehalten werden müssen. SS 32a Unabhängige DatenschutzDie Entscheidung nach den Sätzen 1 und 2 trifft der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder ein von kontrolle (1) Jede Person kann sich an die Berliner Beauftragte ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. oder den Berliner Beauftragten für Datenschutz und (3) Die Ablehnung einer Auskunft ist zumindest insoInformationsfreiheit wenden, wenn sie der Ansicht weit zu begründen, dass eine verwaltungsgerichtliche ist, bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Nachprüfung der Verweigerungsgründe gewährleiDaten durch die Verfassungsschutzbehörde in ihren stet wird, ohne dabei den Zweck der AuskunftsverRechten verletzt worden zu sein. weigerung zu gefährden. Die Gründe der Ablehnung (2) Die oder der Berliner Beauftragte für Datenschutz sind in jedem Fall aktenkundig zu machen. und Informationsfreiheit kontrolliert bei der Verfas(4) Wird die Auskunftserteilung ganz oder teilweise sungsschutzbehörde die Einhaltung der Vorschriften abgelehnt, ist die betroffene Person darauf hinzuüber den Datenschutz. Soweit die Einhaltung von weisen, dass sie sich an die Berliner Beauftragte Vorschriften der Kontrolle durch die Kommission oder den Berliner Beauftragten für Datenschutz und nach SS 2 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel Informationsfreiheit wenden kann. Der oder dem 10-Gesetzes unterliegt, unterliegt sie nicht der Berliner Beauftragten für Datenschutz und InformaKontrolle durch die Berliner Beauftragte oder den tionsfreiheit ist auf ihr oder sein Verlangen Auskunft Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informazu erteilen, soweit nicht der Senator für Inneres im tionsfreiheit, es sei denn, die Kommission ersucht die Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Berliner Beauftragte oder den Berliner Beauftragten Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteifür Datenschutz und Informationsfreiheit, die lungen der oder des Berliner Beauftragten für DatenEinhaltung der Vorschriften über den Datenschutz schutz und Informationsfreiheit an den Betroffenen bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand Bereichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr der Verfassungsschutzbehörde zulassen, soweit sie darüber zu berichten. nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. (3) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, die Berliner Beauftragte oder den Berliner Beauftragten SS 32 Akteneinsicht für Datenschutz und Informationsfreiheit und ihre (1) Sind personenbezogene Daten in Akten oder seine schriftlich besonders Beauftragten bei gespeichert, so kann dem Betroffenen auf Antrag der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben zu unterAkteneinsicht gewährt werden, soweit Geheimhalstützen. Den in Satz 1 genannten Personen ist dabei tungsinteressen oder schutzwürdige Belange Dritter insbesondere nicht entgegenstehen. SS 31 gilt entsprechend. 1. Auskunft zu ihren Fragen sowie Einsicht in alle (2) Die Einsichtnahme in Akten oder Aktenteile ist Unterlagen, insbesondere in die gespeicherten insbesondere dann zu versagen, wenn die Daten Daten und in die Datenverarbeitungsprogramme, zu des Betroffenen mit Daten Dritter oder geheimhalgewähren, die im Zusammenhang mit der Kontrolle tungsbedürftigen sonstigen Informationen derart nach Absatz 2 stehen, verbunden sind, dass ihre Trennung auch durch 2. jederzeit Zutritt zu allen Diensträumen zu Vervielfältigung und Unkenntlichmachung nicht oder gewähren. nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich Dies gilt nicht, soweit das für Inneres zuständige Mitist. In diesem Fall ist dem Betroffenen zusammenfasglied des Senats im Einzelfall feststellt, dass durch sende Auskunft über den Akteninhalt zu erteilen. die Auskunft oder Einsicht die Sicherheit des Bundes (3) Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz vom 15. oder eines Landes gefährdet würde. 204 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten ohne Beschränkung auf SS 34 Geheimhaltung die Erfüllung der Aufgaben nach SS 5. Sie gelten ent(1) Die Öffentlichkeit wird durch einen Beschluss des sprechend für die Verarbeitung personenbezogener Ausschusses ausgeschlossen, wenn das öffentliche Daten durch andere Stellen, wenn diese der Erfüllung Interesse oder berechtigte Interessen eines Einzelnen der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde dies gebieten. Sofern die Öffentlichkeit ausgeschlosnach SS 5 dient. SS 13 Absatz 1 und 4 des Berliner sen ist, sind die Mitglieder des Ausschusses zur Datenschutzgesetzes findet in diesen Fällen keine Verschwiegenheit über Angelegenheiten verpflichtet, Anwendung. die ihnen dabei bekannt geworden sind. Das gleiche gilt auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Ausschuss. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit kann von dem Ausschuss aufgehoben werden, soweit Fünfter Abschnitt nicht berechtigte Interessen eines Einzelnen entgeParlamentarische Kontrolle genstehen oder der Senat widerspricht; in diesem Fall legt der Senat dem Ausschuss seine Gründe dar. (2) Die Vorschriften des Absatzes 1 gelten für stellvertretende Mitglieder des Ausschusses entspreSS 33 Ausschuss für Verfassungsschutz chend. (1) In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes unterliegt der Senat von Berlin der Kontrolle durch den Ausschuss für Verfassungsschutz des SS 35 Aufgaben und Befugnisse Abgeordnetenhauses von Berlin. Die Rechte des des Ausschusses Abgeordnetenhauses und seiner anderen Ausschüsse (1) Der Senat hat den Ausschuss umfassend über die bleiben unberührt. allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde (2) Der Ausschuss für Verfassungsschutz besteht und über Vorgänge von besonderer Bedeutung in der Regel aus höchstens zehn Mitgliedern. Das zu unterrichten; er berichtet auch über den Erlass Vorschlagsrecht der Fraktionen für die Wahl der Mitvon Verwaltungsvorschriften. Der Ausschuss hat glieder richtet sich nach der Stärke der Fraktionen, Anspruch auf Unterrichtung. wobei jede Fraktion mindestens durch ein Mitglied (2) Der Ausschuss hat auf Antrag mindestens vertreten sein muss. Eine Erhöhung der im Satz 1 eines seiner Mitglieder das Recht auf Erteilung bestimmten Mitgliederzahl ist nur zulässig, soweit von Auskünften, Einsicht in Akten und andere sie zur Beteiligung aller Fraktionen notwendig ist. Es Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfaswerden stellvertretende Mitglieder gewählt, die im sungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von deren Fall der Verhinderung eines ordentlichen Mitglieds Dienstkräften. Die Befugnisse des Ausschusses nach dessen Rechte und Pflichten wahrnehmen. Die Satz 1 erstrecken sich nur auf Gegenstände, die der Anzahl der stellvertretenden Mitglieder entspricht alleinigen Verfügungsberechtigung der Verfassungsder Anzahl der ordentlichen Mitglieder. Kann das schutzbehörde unterliegen. ordentliche Mitglied seine Rechte und Pflichten nicht (3) Der Senat kann die Unterrichtung über einzelne wahrnehmen, so wird es durch ein stellvertretendes Vorgänge verweigern und bestimmten KontrollbeMitglied derselben Fraktion vertreten. gehren widersprechen, wenn dies erforderlich ist, (3) Scheidet ein Mitglied aus dem Abgeordnetenhaus um vom Bund oder einem deutschen Land Nachteile oder seiner Fraktion aus, so verliert es die Mitgliedabzuwenden; er hat dies vor dem Ausschuss zu schaft im Ausschuss für Verfassungsschutz. Für begründen. dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu (4) Das Abgeordnetenhaus kann den Ausschuss für wählen; das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem einen bestimmten Untersuchungsgegenstand als Ausschuss ausscheidet. Für stellvertretende MitglieUntersuchungsausschuss (Artikel 48 der Verfassung der des Ausschusses gelten die Vorgaben der Sätze 1 von Berlin) einsetzen. SS 3 des Gesetzes über die und 2 entsprechend. Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses 205 von Berlin vom 22. Juni 1970 (GVBl. S. 925), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juni 1991 (GVBl. S. Sechster Abschnitt 154), findet keine Anwendung. Schlussvorschriften (5) Für den Ausschuss gelten im Übrigen die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin. SS 37 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf SS 36 Vertrauensperson des Ausschusses Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des für Verfassungsschutz Grundgesetzes eingeschränkt werden. Der Ausschuss für Verfassungsschutz kann zur Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben im Einzelfall SS 38 Anwendbarkeit des Berliner nach Anhörung des Senats mit der Mehrheit seiner Datenschutzgesetzes Mitglieder eine Vertrauensperson beauftragen, Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 durch die Untersuchungen durchzuführen und dem Ausschuss Verfassungsschutzbehörde finden die Bestimmungen über das Ergebnis in nicht öffentlicher Sitzung zu des Berliner Datenschutzgesetzes mit Ausnahme berichten. Die Vertrauensperson soll die Befähigung der SSSS 2 Absatz 9 und SS 13 Absatz 1 und 4 sowie der zum Richteramt besitzen und wird für die Dauer der Bestimmungen der Teile 2 und 3 Anwendung. Die jeweils laufenden Wahlperiode vom Ausschuss für SSSS 31 und 36 Absatz 1 bis 4 und die SSSS 37 bis 39, 48, Verfassungsschutz mit der Mehrheit von zwei Drit50, 69 und 70 des Berliner Datenschutzgesetzes sind teln seiner Mitglieder gewählt. Die Vertrauensperson entsprechend anzuwenden. erhält für ihre Dienstleistungen im Einzelfall auf Antrag eine Vergütung entsprechend den SSSS 8, 9 des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes vom SS 39 Inkrafttreten, Außerkrafttreten 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung Artikel 7 Absatz 3 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 im Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. (BGBl. I S. 2449) geändert worden ist, in der jeweils SS 27a tritt außer Kraft, sobald das Bundesverfasgeltenden Fassung. Die Höhe des Honorars richtet sungsschutzgesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. sich nach der Honorargruppe M 3. I S. 2954, 2970), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097) geändert worden ist, wieder in seiner am 31. Dezember 2001 maßgeblichen Fassung gilt. Der Tag des Außerkrafttretens ist im Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin bekannt zu machen. 206 Extremistische Organisationen und Gruppierungen Extremistische Organisationen und Gruppierungen Islamismus / islamistischer Terrorismus Organisation / Gruppierung Seite Mujahidin-Netzwerke 37 Islamistische nordkaukasische Szene 37 Salafistische Bestrebungen 38f As-Sahaba / Die Gefährten e.V. 42ff Die Islamische Gemeinschaft in BerlinAl-Nur-Moschee e.V. (IGB) 39f Ibrahim Alkhalil-Moschee - Islamische Gemeinschaft Ibrahim 40f Alkhalil Moschee e.V. "We love Muhammad" 45f Hizb ut-Tahrir (HuT) 37 Hizb Allah (Partei Gottes) 60 HAMAS (Bewegung des Islamischen Widerstands) 58f Muslimbruderschaft (MB) 63 Milli Görüs - Bewegung (MGB) 64f 207 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Organisation / Gruppierung Seite Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Partiya Karkeren Kurdistan 73f Partei der demokratischen Union (PYD) 75 Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK) 76 Volksverteidigungseinheiten (YPG) 75 Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) 75 Komalen Ciwan (KC) 76 Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJKE) 76 Union kurdischer Familien (YEK-MAL) 76 Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen in Deutsch76 land e.V. (NAV-DEM), lokaler Ableger: "NAV-DEM Berlin e.V." Frauenrat DEST DAN e.V. 79 Islamische Gemeinschaft Kurdistans (CIK) 76 Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) 76 Volksverteidigungskräfte (HPG) 79 Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft 78 in Europa (CDK) Ülkücü-Bewegung, Dachverband: ADÜTDF 81f 208 Extremistische Organisationen und Gruppierungen Rechtsextremismus Organisation / Gruppierung Seite Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) / 106 Junge Nationaldemokraten (JN) Der III. Weg 122 Die Rechte 91 Wir für Deutschland 93 Netzwerk Freie Kräfte 117 Netzwerk Rechtsextremistische Musik 112 Identitäre Bewegung 97f Netzwerk muslimenund fremdenfeindlicher Rechtsextremisten 93ff "Berliner Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes" 94 (Bärgida) 209 Linksextremismus Organisation / Gruppierung Seite Antifaschistische Koordination 36 (AK36) 145f Interventionistische Linke (IL) 159f Jugendwiderstand (JW) 169f North East Antifascists (NEA) 166 radikale linke | berlin 142f Rigaer94 148f Rote Hilfe e.V. 139 Theorie Organisation Praxis (TOP B3rlin) 163 Sonstige Organisationen / Gruppierungen Organisation / Gruppierung Seite Scientology Organisation 174f Reichsbürger und Selbstverwalter 128 Es wird darauf hingewiesen, dass nicht alle Beobachtungsobjekte des Berliner Verfassungsschutzes namentlich im Verfassungsschutzbericht und in der Auflistung aufgeführt werden. 210 Personenund Sachregister Personenund Sachregister #120dB 100 ff al-Zawahiri, Ayman 50 ...um's Ganze! Kommunistisches Anarchismus 134 ff, 142, 149, 154 Bündnis 163 Anarcho 146, 148 Anti-Antifa-Arbeit 117 A Antifa 137, 142, 145, 165 f, 168 A3stus 112 Anti-Faschismus 145, 168 AAB 163 Antifaschistische Aktion Berlin Abul Baraa 42 ff siehe AAB Adil Düzen 64 Antifaschistische Koordination 36 ADÜTDF 81 f, 208 siehe AK36 AG G10 15 Antifaschistische Linke Berlin AK36 144 ff, 166, 210, 221 siehe ALB ALB 142 Antifaschistische Revolutionäre Aktion al-Baghdadi, Abu Bakr 48, 50 Berlin siehe ARAB al-Banna, Hassan 63 Anti-Fra 168 al-Manar siehe Der Leuchtturm Anti-Gentrifizierung 140, 152 f, 166 al-Manar-TV 60 f Antiimperialisten 145, 169 Al-Muqawama al-Islamiya 60 Anti-Kapitalismus 140 f Al-Nur-Moschee 39 f, 207, 220 Antikapitalistische Walpurgisnacht al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel 166 siehe AQAH Anti-Rassismus 168 al-Qaida im islamischen Maghreb Anti-Repression 154 siehe AQM Antisemitismus 67 f, 82, 89, 104, 130, al-Qaida 34, 36 f, 47 f, 50 170 f al-Quds-Demonstration 67 ff AQAH 50 al-Quds-Tag 61, 67 ff AQM 50 Altermedia 118 ARAB 142 211 Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya BSÜG 15, 184 f, 193 Karkeren Kurdistan) siehe PKK Bundesamt für Verfassungsschutz as-Sahaba / Die Gefährten e.V. 207 siehe BfV as-Sahaba-Moschee 39, 42, 45, 207, Bundeskriminalamt siehe BKA 220 Bundesnachrichtendienst siehe BND Atomgesetz 188 Bundesverfassungsgericht 16, 23, 106 Aufenthaltsgesetz 187 Bundesverfassungsschutzgesetz Ausreisende 51 siehe BVerfSchG Autonome Freiräume 149, 153 ff Bundesvertriebenengesetz siehe BVFG Autonome 135 ff, 153 f, 159 f Bündnis Deutscher Hools siehe BDH Bürgerwehr 110 f B BVerfSchG 15, 20, 206 Bärgida 94, 97, 209 BVFG 189 batil düzen 64 BDH 93 C Benhsain, Mohamed 42 CDK 78, 208 Berliner Patrioten gegen die CIK 76, 208 Islamisierung des Abendlandes Clear 174 siehe Bärgida Cyberangriffe 182 Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz Cyberspionage 181 f siehe BSÜG Bewachungsverordnung 188 D Bewegung des Islamischen Widerstands D.S.T. / X.x.X. 112 siehe HAMAS Da'wa 45 f, 57 BfV 15, 23 f, 51, 55, 179 ff, 192, 199, Dabbagh, Hassan 42 201 Der III. Weg 91, 108, 122 ff, 209, 221 BKA 24 Der Leuchtturm 60 BND 24, 199 Deutsch, Stolz, Treue siehe D.S.T. / Bozkurt 82 X.x.X. BRD GmbH 128 212 Personenund Sachregister Deutsche Muslimische Gemeinschaft Föderation der Türkischen siehe DMG Demokratischen Idealistenvereine in Deutsche Reichspartei 106 Deutschland e.V. (Almanya DemoDeutsche Stimme TV siehe ds-tv kratik Ülkücü Türk Dernekleri DHKP-C 178 Federasyonu) 81 Die Exilregierung Deutsches Reich 131 Föderation kurdischer Vereine in Die Lunikoff-Verschwörung 112, 115 Deutschland e.V. siehe YEK-KOM Die Rechte 91, 209 FP 65 f Die wahre Religion siehe DWR FrauenRat Dest-Dan 79, 208 Diktatur des Proletariats 134 Frauenverteidigungseinheiten Dimitroff-These 140 siehe PYD DITIB 75, 147, 178 Freies Netz Süd 122 DMG 36 f, 64 Friedel 54, 158 ds-tv 110 Frontbann24 118 dual use-Güter 178 DWR 46 G G10 15, 18 f, 21 f, 195 ff E G10-Kommission 18, 21 f Einbürgerungsverfahren 186, 193 G20-Gipfel 2017 140, 149, 170 f Erbakan, Fatih 67 GAR 24 Erbakan, Necmettin 64 ff GBA 24 Erbakan-Stiftung Berlin 67 Geeinte deutsche Völker und Stämme Erbakan-Stiftung 66 f 130 f Erdogan not Welcome 77 f Geheimschutz 14, 17, 183 ff Ethnopluralismus 89 f, 98, 100, 104 Geheimschutzbeauftragter 185 Geheimschutzverfahren 185 F Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Fazilet Partisi (Partei der Tugend) Rechtsextremismus siehe GAR siehe FP Firat Agency News 77 213 Gemeinsames Extremismusund Hizb Allah (Partei Gottes) 34 f, 37, 58, Terrorismusabwehrzentrum 60 f, 207, 220 siehe GETZ HoGeSa 93 Gemeinsames TerrorismusabwehrHooligans gegen Salafisten zentrum siehe GTAZ siehe HoGeSa Generalbundesanwalt siehe GBA Hooligans-gegen-Salafisten - Netzwerk Generation identitaire 100 93, 97 Gesetz über den Verfassungsschutz in HPG 78 f, 208 Berlin siehe VSG Bln Hubbard, L. Ron 174 Gesetz zur Ausführung des Artikel-10HuT 34 f, 37, 207 Gesetzes siehe AG G10 Gesetz zur Beschränkung des Postund I Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu IB BB 91, 97 f, 100 ff, 125 Artikel 10 Grundgesetz) siehe G10 IB 90 f, 97 ff, 125, 209, 220 GETZ 24 Ibrahim al-Khalil-Moschee 39 ff, 220 Grauer Wolf 82 Identitäre Bewegung Berlin Großer Austausch 99 Brandenburg siehe IB BB Grundgesetz 6, 15 f, 46, 72, 88, 106, Identitäre Bewegung siehe IB 192 ff IGD 36 f, 63 f GTAZ 24 IL 138, 143, 145, 158 ff, 163, 210, 221 Gülen, Fethullah 178 Imperialismustheorie 140 Industrie 4.0 161, 163, 171 H Industriespionage 179 f HAMAS 34 f, 37, 58 f, 207, 220 Interventionistische Linke siehe IL Heß, Rudolf 120 f IS 5, 34, 36 f, 47 ff, 144, 148 Heß-Demonstration 120 f Islamische Gemeinschaft in Deutschland Historischer Materialismus 134 siehe IGD Hizb ut-Tahrir Partei der Befreiung Islamische Gemeinschaft Kurdistans siehe HuT siehe CIK Islamischer Staat siehe IS 214 Personenund Sachregister Islamischer Widerstand ("Al-Muqawama Konferenz der Palästinenser in Europa al-islamiya") 60 59 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. Koordination der kurdisch siehe IZH demokratischen Gesellschaft in Islamistische nordkaukasische Szene Europa (PKK in Europa) siehe CDK 36 f, 207 Kritik & Praxis 163 Islamkurse 41 f Kurdische Frauenbewegung in Europa Islamseminare 39, 41 f, 46 siehe TJKE IZH 69 Kurdistansolidarität 77, 140, 143 Kutan, Recai 66 J Jihadistischer Salafismus 38, 40, 48 L JN 106, 209 Länderarbeitskreis der Jugendwiderstand siehe JW Sicherheitsbevollmächtigten Berlin Junge Nationalisten siehe JN Brandenburg siehe SIBE-AK BR-BB JW 168 ff, 210, 221 Legalistische Islamisten 32, 34, 36 f, 62 Legion of Thor 112 K Liebig14 151 Kadterschmiede 148, 151 f LIES! 46, 57 Käfer, Andreas 107 linksunten.indymedia 143, 149 Kameradschaft Frontbann24 118 Luftsicherheitsgesetz siehe LuftSiG Kampagne "Das Rote Berlin - Strategien LuftSiG 188 für eine sozialistische Stadt" 159, 161 Lunikoff 112, 115 f Karayilan, Murat 79 Lunikoff-Verschwörung 112, 115 Kern-al-Qaida 50 Komalen Civan 76, 208 M Kommission für Verstöße der Macht & Ehre 112, 116 Psychiatrie gegen Menschenrechte Marx, Karl 134, 140 Deutschland e. V. 175 Marxismus-Leninismus 134, 142, 169 Kommunismus 134 ff, 169 MB 34 ff, 59, 62 ff, 207, 220 215 Meenen, Uwe 107 Netzwerk Freie Kräfte 91 f, 97, 107, Merkel muss weg - Demonstrationen 117 ff, 125, 209 93 ff Netzwerk muslimenund MGB 34 ff, 62, 64 ff, 207 fremdenfeindlicher Rechtsextremisten Milli Görüs - Bewegung siehe MGB 90, 92 ff, 96 f, 125, 209 Milli Görüs 34 ff, 62, 64 ff, 207 Netzwerk Rechtsextremistische Musik Milli Görüs-Ideologie 34, 66 f 111 ff, 124, 209, 215 MIT 178 North East Antifascists siehe NEA Mitwirkungsersuchen 17 NPD 91 f, 95 ff, 106 ff, 209, 221 Mujahidin-Netzwerke 36 f, 207 NSU 24 Muslimbruderschaft siehe MB Muslimenfeindlichkeit 88 ff, 98, 119, O 124 f Öcalan, Abdullah 74 f, 79 Operation Olivenzweig 74, 82, 143 N Operierender Thetan 174 Nachrichtendienstliches Informationssystem siehe NADIS P NADIS 20, 192, 194 Palestine Return Center siehe PRC Nationaldemokratische Partei Partei Gottes 34, 60, 207 Deutschlands siehe NPD Parteiverbotsverfahren 106 Nationale Jugendzentren 118 PKK in Europa 76, 78 Nationale-Anti-Drogen-Konferenz 175 PKK 72 ff, 178, 208, 220 Nationales Cyber-Abwehrzentrum 181 PKK-Guerillaeinheit 78 Nationalsozialismus 104 f, 120, 128 Politik der ersten Person 136 Nationalsozialistischer Untergrund Politischer Salafismus 32, 34, 38 f siehe NSU Postautonome 137 f, 145, 158 ff, 172 NAV-DEM Berlin 79 f, 208 PRC 59 NAV-DEM 76, 79 f, 208 PYD 75, 208 NEA 166, 210, 221 216 Personenund Sachregister R Saadet Deutschland Regionalverein radikale linke | berlin 141 ff, 146, 162, Berlin e.V. 66 166, 210 Saadet Partisi (Partei der Glückseligkeit) RAZ 169 siehe SP Rechtsextremistische Konzerte 112 ff Sabotageschutz 184 Regener, Michael siehe Lunikoff Salafismus 27, 32, 34 f, 38 f, 41, 48, 51, Reichsbürger 27, 92, 127 ff, 210 54, 56 f Reichsbürgerbewegung 128, 131 Schafft-Schutzzonen-Kampagne 109 f, Reichsbürgerszene 128, 130 f 124 Remigration 99 f Schmidtke, Sebastian 95, 107, 114 f Repression 117, 137, 139 f, 149, 153 ff, Schwarze Blöcke 136 171 Scientology Organisation siehe SO Revolutionäre 1. Mai-Demonstration Sehit Atakan Mahir Racheeinheit 78 77, 141, 170 Selbstverwalter 27, 127 f, 131, 210 Revolutionäre Aktionszellen siehe RAZ SIBE-AK BR-BB 186 Revolutionäre Volksbefreiungspartei Sicherheitsüberprüfungen 17, 184 ff, Front siehe DHKP-C 193 Rigaer94 144, 146, 148 ff, 155 f, 210, SO 26, 173 ff, 210, 221 221 Social Engineering 182 Ring Nationaler Frauen siehe RNF Sozialismus 96, 123, 134, 169 RNF 106 SP 66 Rote Hilfe e.V. 138 f, 210, 221 Spionageabwehr 14, 17, 20, 177 ff, 181, Rückkehrer 52 f, 58 194, 196 Rumiyah 50 Sprengstoffgesetz 188 Sterka Ciwan 75 S Stiftung 36 Grad 131 Saadet Berlin Bölge Temsilciligi (Genc Kollari - Jugendgruppe Berlin) 66 Saadet Berlin Bölge Temsilciligi" (Genc Kollari - Frauengruppe Berlin) 66 217 T Vulkangruppe NetzHerrschaft zerreißen Theorie.Organisation.Praxis siehe TOP 164 B3rlin TJKE 76, 208 W TOP B3rlin 143, 145, 162 f, 210, 221 Waffengesetz 188 Traditioneller Rechtsextremismus We love Muhammad 39, 45 ff 86 f, 89, 91 f, 94, 96, 100, 104, 106, WfD 90, 93 ff, 209 113, 116, 119, 124 f Wir für Deutschland siehe WfD Trennungsgebot 23 Wirtschaftsschutz 14, 177 ff Türkisch-Islamische Union der Anstalt Wirtschaftsspionage 179 f, 182 für Religion e. V. siehe DITIB Wolfsgruß 82 U Y Ülkücü-Bewegung 73, 81 ff, 208 YEK-KOM 76, 208 Unabhängiger Expertenkreis YEK-MAL 76, 208 Antisemitismus 68 Yeni Özgür Politika 79 Union kurdischer Familien siehe YEKYPG/YPJ 75, 208 MAL YXK 76, 208 V Z Verband der Studierenden aus Zentrum der demokratischen Kurdistan siehe YXK Gesellschaft der Kurden in Verfassung von Berlin 15, 20, 192, 203, Deutschland e.V. siehe NAV-DEM 205 Verschlusssachen 17, 184 f Villain 051 112, 116 Virtuelles Kalifat 50 Volksverteidigungseinheiten siehe PYD Volksverteidigungskräfte siehe HPG VSG Bln 15, 21, 25, 184, 186, 192 218 219 Bildnachweis Seite 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Seite 39 Logo Al-Nur-Moschee Seite 40 picture-alliance Seite 40 unten: Logo Ibrahim al-Khalil-Moschee Seite 42 Logo As-Sahaba-Moschee Seite 45 picture-alliance Seite 45 unten: Senatsverwaltung für Inneres und Sport Seite 49 picture-alliance Seite 54 picture-alliance Seite 58 Logo HAMAS Seite 60 Logo "Hizb Allah" Seite 61 picture-alliance Seite 63 Logo "Muslimbruderschaft" Seite 66 Logo "Saadet e. V." Seite 67 Logo "Erbakan-Vakfi" Seite 68 picture-alliance Seite 73 Logo PKK Seite 75 picture-alliance Seite 77 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Seite 78 picture-alliance Seite 81 Logo Ülkücü Seite 82 picture-alliance Seite 95 picture-alliance Seite 96 picture-alliance Seite 97 Logo "Identitäre Bewegung" Seite 99 picture-alliance Seite 99 unten: picture-alliance 220 Bildnachweis Seite 106 Logo NPD Seite 114 picture-alliance Seite 115 picture-alliance Seite 120 picture-alliance Seite 121 picture-alliance Seite 122 Logo "Der III. Weg" Seite 123 picture-alliance Seite 129 picture-alliance Seite 139 Logo "Rote Hilfe" Seite 141 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Seite 142 Logo rlb Seite 145 Logo AK36 Seite 146 Abbildung Sticker Seite 148 Logo "Rigaer94" Seite 150 Abbildung Sticker Seite 151 Abbildung Sticker Seite 155 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Seite 159 Logo IL Seite 162 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Seite 163 Logo TOP B3rlin Seite 166 Logo NEA Seite 169 Logo Jugendwiderstand Seite 170 Abbildung Plakat Seite 174 Logo "Scientology Organisation" Seite 175 picture-alliance 221 Publikationsübersicht IM FOKUS IM FOKUS Zerrbilder von Islam und Demokratie Linke Gewalt in Berlin 2009 - 2013 2. Auflage, Berlin 2016. 156 Seiten. 1. Auflage, Berlin 2015. 70 Seiten. IM FOKUS IM FOKUS Rechte Gewalt in Berlin 2003 - 2012 Scientology - Eine kritische 1. Auflage, Berlin 2014 (im Internet Bestandsaufnahme abrufbar). 66 Seiten. 1. Auflage, 2011 (im Internet abrufbar). 83 Seiten. 222 Publikationsübersicht INFO INFO Islamismus Rechtsextremistische Musik 4. Auflage, Berlin 2018. 78 Seiten. 4. überarbeitete Auflage, Berlin 2016. 70 Seiten. INFO INFO Symbole und Kennzeichen Linksextremismus des Rechtsextremismus 1. Auflage, Berlin 2015. 66 Seiten. 9. überarbeitete Auflage, Berlin 2015. 42 Seiten. 223 INFO INFO Salafismus als politische Ideologie Rechtsextremismus in Berlin 2. Auflage, Berlin 2014 (im Internet 2. Auflage, Berlin 2014. 58 Seiten. abrufbar). 66 Seiten. 224 Publikationsübersicht GRUNDSATZ-BROSCHÜRE DVD Verfassungsschutz Berlin Islamismus: Prävention Sicherheit Aufklärung Transparenz und Deradikalisierung Überarbeitete Neuauflage, Berlin 2017. 1. Auflage, Berlin 2011. 59 min. 52 Seiten. Diese sowie weitere Publikationen des Berliner Verfassungsschutzes können Sie unter der rückseitig angegebenen Adresse sowie telefonisch unter (030) 90 129-440 bestellen oder aber im Internet unter www.verfassungsschutz-berlin.de abrufen. 225 Die Verfassungsschutzbehörde hat die Aufgabe, den Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin, andere zuständige staatliche Stellen und die Öffentlichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu unterrichten. SS5 Abs. 1 Satz 1 VSG Bln Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung Verfassungsschutz Klosterstraße 47, 10179 Berlin Telefon 030 90129 - 440 www.verfassungsschutz-berlin.de info@verfassungsschutz-berlin.de