Senatsverwaltung für Inneres 1 Senatsverwaltung für Inneres Abteilung Verfassungsschutz 1 Verfassungsschutzbericht 2001 Herausgeber: Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Verfassungsschutz Redaktion: Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit Anschrift: Postfach 62 05 60, 10795 Berlin Tel.: 030 / 90129-0 Internet: www.berlin.de/verfassungsschutz E-Mail: verfassungsschutz@berlin.de Druck: Verwaltungsdruckerei Berlin Redaktionsschluss: April 2002 Abdruck gegen Quellenangabe gestattet, Belegexemplar erbeten. Vorwort 5 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Auch mehrere Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington erleben wir in Deutschland die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieses erschütternden Tages. Auf weltpolitischer Ebene hat sich eine Anti-Terror-Koalition gebildet, innenpolitisch wurden Sicherheitspakete geschnürt und bundesweit entwickelte sich eine Debatte über die Grundwerte in der Politik. Wir haben erneut lernen müssen, dass unsere Freiheit eine zarte Pflanze ist, die nur in Sicherheit gedeiht. Der Terror des 11. September war nicht nur gegen die Vereinigten Staaten gerichtet, es war ein Anschlag auf die gesamte zivilisierte Welt. Er hat den Willen der Demokratien zur Verteidigung ihrer rechtsstaatlich gesicherten Freiheiten nicht brechen können, sondern die Partnerschaft zur Wahrung von Demokratie und Recht weltweit gestärkt. In Deutschland schützt die freiheitliche demokratische Grundordnung den Einzelnen - unabhängig von Herkunft, Religion und Weltanschauung. Den wenigen, die Freiheit ausnutzen, um Freiheit abzuschaffen, müssen und werden wir weiterhin ebenso entschieden wie rechtsstaatlich entgegen treten. Die Anschläge stellen alle anderen Erscheinungsformen des politischen Extremismus in den Schatten. So bilden die Auswirkungen dieses Tages ebenso wie die Reaktionen von extremistischen Ausländerorganisationen, Rechtsund Linksextremisten in Berlin einen Themenschwerpunkt dieses nunmehr neu konzipierten Berliner Verfassungsschutzberichtes. Ein zweiter Schwerpunkt sind die Auswirkungen des NPDVerbotsverfahrens. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat reichten zu Beginn des Jahres 2001 einen Antrag auf Fest- 6 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 stellung der Verfassungswidrigkeit der NPD beim Bundesverfassungsgericht ein. Die Reaktionen der Partei auf das Verfahren haben sich im vergangenen Jahr deutlich gegenüber dem Vorjahr verändert: Während sich die Partei in 2000 noch uneinheitlich und unsicher zeigte, versuchte sie im vergangenen Jahr mit provokativen öffentlichen Veranstaltungen, verstärkt Aufmerksamkeit zu erzielen und innere Stabilität zu signalisieren. Im Bereich des Linksextremismus ging - wie bereits in den Vorjahren - auch 2001 die größte Gefahr für die innere Sicherheit Berlins von den gewaltbereiten Autonomen aus. Sie benutzen unterdessen auch nicht-extremistische Protestformen und Kampagnen für ihre politischen Zwecke. Die Aktivitäten zu einzelnen Themen wie beispielsweise "Antifaschismus", "Neoliberalismus" und "Antiglobalisierung" erzielten jedoch in Berlin nicht immer eine solche Resonanz, wie sie nach den Protesten gegen die Gipfeltreffen in Göteborg und Genua im Sommer zu erwarten gewesen wäre. An den gewalttätigen Demonstrationen in Schweden und Italien hatten sich auch Personen aus der Berliner autonomen Szene beteiligt. "Antiglobalisierung" ist also eine verschiedene Gruppen einigende Thematik, die auch von gewalttätigen Linksextremisten besetzt wird. Das Jahr 2001 war für den Berliner Verfassungsschutz wesentlich von der personellen Umstrukturierung geprägt, so dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonderen Arbeitsbelastungen ausgesetzt waren. Inzwischen ist die Erneuerung der Abteilung nahezu abgeschlossen: Erfahrene Nachrichtendienstler arbeiten nun mit neuen Fachleuten aus der Politologie und Islamwissenschaft zusammen, um den Herausforderungen an einen modernen Verfassungsschutz gerecht zu werden. Die herausragende Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Früherkennung von Gefahren für den Bestand unserer freiheitlichen Staatsordnung. Hierzu ist eine umfassende Analyse 7 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 politischer Strömungen auf wissenschaftlicher Grundlage erforderlich. Nur so ist eine hochwertige Politikberatung im Interesse des Gemeinwohls möglich. Dr. Ehrhart Körting Senator für Inneres 8 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Editorial Der Aufbau des vorliegenden Jahresberichtes unterscheidet sich wesentlich von den vorherigen Berichten. Ziel war es, ihn zum einen durch das Herausheben von besonderen Themenfeldern interessanter und damit leserfreundlicher zu gestalten. Zum anderen soll er als ein Nachschlagewerk dienen. Bislang begannen die Kapitel zu den einzelnen Extremismusbereichen mit grundsätzlichen Informationen über Ideologie und Phänomenologie. Der Verfassungsschutzbericht 2001 stellt nun die herausragenden Entwicklungen in den Beobachtungsfeldern während des vergangenen Jahres in den Vordergrund. Dies ist der erste von insgesamt fünf Abschnitten. Der zweite Abschnitt Statistik erklärt die neue Zählweise der politisch motivierten Straftaten und gibt eine Übersicht über das extremistische Personenpotenzial. Grundlage für die Straftatenzahlen ist der Bericht der Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Öffentliche Sicherheit. Der dritte Abschnitt Hintergrundinformationen bringt Details über Organisationen, Ideologien und Kommunikationsmittel. Dieses Kapitel ist nach Rechts-, Linksund Ausländerextremismus gegliedert und dient - alphabetisch sortiert - als eine Art Lexikon. Im vierten Teil finden sich grundlegende Informationen über den Verfassungsschutz Berlin. Aufbau und Organisation werden ebenso erklärt wie Aufgaben, Befugnisse und Kontrollinstanzen. Im Anhang sind schließlich das Verfassungsschutzgesetz und das Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz aufgeführt. 9 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................................................................... 5 Editorial............................................................................................................... 8 I Entwicklungen in den Beobachtungsfeldern ..............................14 1 Der 11. September und die Folgen ............................................................ 14 1.1 Ausländerextremismus ............................................................................... 18 1.2 Rechtsextremismus.................................................................................... 22 1.3 Linksextremismus....................................................................................... 30 2 Rechtsextremismus ................................................................................. 32 2.1 Überblick .................................................................................................... 32 2.2 NPD-Verbotsverfahren .............................................................................. 34 2.3 Beteiligung rechtsextremistischer Parteien an den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus ................................................................ 40 2.4 Musik-Szene .............................................................................................. 43 2.5 Neonazistische Kameradschaften ............................................................. 46 3 Linksextremismus .................................................................................... 49 3.1 Überblick .................................................................................................... 49 3.2 Autonome................................................................................................... 51 3.3. Sonstige militante Linksextremisten ........................................................... 53 3.4 Aktionsfelder .............................................................................................. 55 3.4.1 1. Mai ......................................................................................................... 55 3.4.2 Kampf gegen Globalisierung und Neoliberalismus..................................... 58 3.4.3 "Anti-Atom-Kampagne " ............................................................................. 62 3.4.4 "Antifaschistischer Kampf"......................................................................... 64 3.4.5 "Antirassismus" .......................................................................................... 67 3.5 Neue Medien.............................................................................................. 70 4 Ausländerextremismus ............................................................................ 74 4.1 Überblick .................................................................................................... 74 4.2 Verbot der Vereinigung "Der Kalifatsstaat" ................................................ 79 4.3 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) .............................................................. 82 4.4 Reaktionen arabischer extremistischer Organisationen auf die Entwicklung des Nahost-Konflikts................................................... 90 4.5 Aktionen linksextremistischer türkischer Organisationen im Zusammenhang mit dem Hungerstreik in türkischen Gefängnissen............................................................................................. 93 4.6 Iranische Oppositionelle ............................................................................. 94 4.7 "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG)................................ 96 10 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 5 Spionageabwehr .......................................................................................... 98 5.1 Überblick........................................................................................................ 98 5.2 Politische Spionage ....................................................................................... 100 5.3 Wirtschaftsspionage ...................................................................................... 101 5.4 Methodische Aspekte .................................................................................... 102 5.5 Spionageabwehr als Gemeinschaftsaufgabe................................................. 103 6 Geheimund Sabotageschutz..................................................................... 105 6.1 Personeller und materieller Geheimschutz im öffentlichen Bereich........................................................................................................... 105 6.2 Geheimschutz in der Wirtschaft ..................................................................... 108 6.3 Sabotageschutz ............................................................................................. 110 6.4 Mitwirkung bei Einbürgerungsverfahren und sonstigen gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen.................................................................. 111 7 "Scientology"-Organisation (SO)................................................................ 115 II Statistik.......................................................................................... 118 1 Politisch motivierte Straftaten..................................................................... 118 2 Personenpotenziale ..................................................................................... 137 III Hintergrundinformationen: ............................................................ 142 Organisationen Ideologien Kommunikationsmittel 1 Rechtsextremismus ..................................................................................... 144 2 Linksextremismus........................................................................................ 165 3 Ausländerextremismus................................................................................ 178 4 "Scientology"-Organisation (SO)................................................................ 189 IV Verfassungsschutz Berlin ............................................................. 194 1 Aufbau und Organisation............................................................................. 194 11 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 2 Aufgaben, Befugnisse, Kontrollinstanzen.............................................. 195 3 Öffentlichkeitsarbeit: Verfassungsschutz durch Aufklärung.................................................... 199 V Anhang .......................................................................................204 1 Verfassungsschutzgesetz (VSG Bln) ..................................................... 204 2 Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BSÜG).................................. 218 Personenund Sachregister ............................................................................. 233 12 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 13 14 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 I ENTWICKLUNGEN IN DEN BEOBACHTUNGSFELDERN 1 Der 11. September und die Folgen "Ein Tag, der die Welt veränderte", "Der Tag, an dem die Erde still stand", "Die Welt ist gelähmt" - so die Schlagzeilen der Weltpresse am Tag danach, nach dem 11. September. Dieser Tag ist ein Wendepunkt, dessen politische und gesellschaftliche Konsequenzen erst in Umrissen erkennbar werden. Auf weltpolitischer Ebene hat der 11. September eine AntiTerror-Koalition hervorgebracht, die bestehende Gegensätze zu überwinden scheint. Innenpolitisch wurden Sicherheitspakete auf den Weg gebracht, die die Wirksamkeit der Sicherheitsbehörden merklich verbessern sollen. Gesellschaftspolitisch reifte die Einsicht, dass es notwendig sein kann, Frieden durch den Einsatz militärischer Gewalt herzustellen. Darüber hinaus wurde in den gesellschaftlichen Debatten in Deutschland verstärkt das Bedürfnis erkennbar, sich Klarheit zu verschaffen über die eigene Position gegenüber Religion, Werten, Grenzen von Toleranz und Beliebigkeit. Wie kann ein solcher Hass entstehen, der in die Ausführung dieser bis dahin unvorstellbaren Taten mündete - diese Frage stellt sich immer wieder im Zusammenhang mit dem 11. September. Die Erklärungsversuche reichen von den ungelösten weltpolitischen Konflikten, insbesondere dem Nahostkonflikt, Judenhass, wirtschaftlicher Unterentwicklung vieler Länder im Zeichen der Globalisierung bis hin zu psychologischen Analysen von Persönlichkeitsmerkmalen der Attentäter 15 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 und religiösem Wahn. Vermutlich spielten alle diese Aspekte in nicht zu definierenden Anteilen eine Rolle bei der Herausbildung von Wut und Hass auf die bestehenden weltpolitischen Verhältnisse. Zur Ausführung der Taten hätte dies aber kaum gereicht. Hinzukommen muss eine extreme politische Ideologie, die den Rechtfertigungsgrund für die Anschläge und eine persönliche Motivation für die Attentäter liefert. Eine persönliche Motivation in den Märtyrertod zu gehen, findet sich schließlich in dem Heilsversprechen, direkt ins Paradies zu gelangen. Dies belegt auch ein Brief, der im Gepäck eines der Attentäter, Mohammed ATTA, aufgefunden wurde. Weiterhin bedarf es einer Organisation mit einer ideologischen Führungsfigur sowie einer finanziellen und logistischen Struktur. Diese Organisation und ihre Logistik können dabei durch moderne Kommunikationstechnologie und engmaschige Vernetzung der Transportwege weltweit verzweigt sein. Alle vorliegenden Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Anhänger der Organisation "al-Qaida" (Die Basis) um Osama BIN LADEN für die Anschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington sowie den geplanten Anschlag auf das Capitol durch die ebenfalls entführte und in Pennsylvania abgestürzte Maschine verantwortlich sind. Frühere Anschläge, die ihm und seinem Netzwerk zugeschrieben werden, sind die Sprengstoffattentate auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania im August 1998 mit 224 Toten sowie auf das US-Marineschiff USS Cole im Jemen im Oktober 2000 mit 17 Toten und 38 Verletzten. 16 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Osama BIN LADEN und "al-Qaida " Osama BIN LADEN (geb. 1957 in Saudi-Arabien) gilt bereits seit den Anschlägen von Nairobi im Jahre 1998 als der weltweit meistgesuchte Terrorist. Bis zu seiner Ausbürgerung 1994 wegen staatsgefährdenden Aktivitäten war er saudiarabischer Staatsangehöriger und lebte als Geschäftsmann in gut situierten Verhältnissen. Seine Familie stammt aus dem Jemen. Nach seinem angeblichen aktiven Kampf gegen sowjetische Truppen bereits im Afghanistan-Krieg, auf den sich sein späterer Nimbus bei den islamistischen Mujahedin begründet, geriet BIN LADEN mit der Stationierung von US-Soldaten in Saudi-Arabien während des 2. Golf-Krieges (ab 1990) jedoch zunehmend in einen ideologisch-religiösen Konflikt mit dem saudischen Herrscherhaus. In den 90er Jahren lebte er zunächst im Sudan und seit 1996 unter dem Schutz der Talibanherrschaft in Afghanistan. Aus diesen Ländern agierte BIN LADEN weiterhin. Insbesondere in Afghanistan bildete er in Lagern wohl einige tausend Rekruten, vor allem aus arabischen und nordafrikanischen Staaten, für die weitverzweigte und international operierende Terrororganisation "al-Qaida" aus. Zusammen mit anderen Organisationen gründete Osama BIN LADEN im Januar 1998 die "Internationale Islamische Front für den Djihad gegen Juden und Kreuzfahrer". Wichtigster Partner in dieser Front dürfte der ägyptische "Jihad Islami" mit seinem Führer, Ayman AL-ZAWAHIRI, sein, der auch als rechte Hand Osama BIN LADENs gilt. Eine weitere Gruppe, die "al-Qaida" mehr oder weniger eng verbunden ist, bilden die "non-aligned Mujahedin". Diese häufig ebenfalls in den Lagern in Afghanistan ausgebildeten Kämpfer rekrutieren sich meist aus Islamisten nordafrikanischer Herkunft. 17 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Sie bilden kleinere Netzwerke in Europa, die zum Teil unabhängig voneinander agieren. Typischerweise begehen sie Delikte der allgemeinen Kriminalität, wie Passund Dokumentenfälschung, die die Logistik für terroristische Aktivitäten unterstützen. Bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit dem im Juni in Spanien festgenommenen BENSAKHRIA alias "MELIANI", der sich vorher zeitweise in Berlin aufhielt, gab es Hinweise darauf, dass auch Berlin in das Netzwerk der arabischen Mujahedin eingebunden ist. Ideologisch ist BIN LADEN von der Mutterorganisation aller sunnitischen Islamisten, der "Muslimbruderschaft" (MB) inspiriert, die 1928 von Hassan AL-BANNA in Ägypten gegründet wurde. In den ideologischen Schriften des 1966 hingerichteten Ägypters Sayyid QUTB findet sich das grundlegende Gedankengut, das bis heute das Rüstzeug für sunnitische Islamisten ist. Hierzu gehören das Konzept der Gottesherrschaft sowie ein Verständnis des Jihad als "Heiligen Krieg" gegen so genannte "Ungläubige". Die Gedankenwelt Osama BIN LADENs ist einerseits von den Ideen der "Muslimbruderschaft" beeinflusst. Andererseits ist er unter den strengen, oftmals als "puritanisch" beschriebenen Regeln des saudi-arabischen Islamverständnisses aufgewachsen. Davon geprägt, wirft BIN LADEN dem saudischen Königshaus seit Jahren vor, den Islam nur auf heuchlerische und opportunistische Weise zu praktizieren. So habe es beispielsweise zugelassen, dass "ungläubige" amerikanische Soldaten und insbesondere auch Soldatinnen ins Land kamen, während in Saudi-Arabien nach dem Gesetz Frauen nicht einmal Auto fahren dürften. Der Gegensatz zwischen "Gläubigen und Ungläubigen" und das extreme Feindbild "Amerika" werden in den Folgejahren die begrifflichen Eckpunkte der von Osama BIN LADEN inspirierten Bewegung. Dieser fühlen sich auch Angehörige anderer terroristisch operierender Organisationen verbunden in der Absicht, den Jihad zu internationalisieren. 18 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Ein Beispiel ist die algerisch-islamistische "Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf" (GSPC), nachdem deren Kampf in Algerien selbst nicht zum Durchbruch führte. Allen Gruppen gemeinsam ist der panislamistische Ansatz. Ziel des Jihad, wie er von ihnen verstanden wird, ist nicht nur der Kampf um die Errichtung eines islamistischen Staates in den jeweiligen Herkunftsländern, sondern überall, wo Muslime Konfliktbeteiligte sind, z. B. auch Kaschmir, Tschetschenien, Usbekistan oder vorher Bosnien. Die Feindbilder USA und Israel sind ebenfalls Allgemeingut. Anschläge gegen die USA selbst und gezielt gegen amerikanische Zivilisten sind in dieser Intensität allerdings bisher ein ausschließliches Kennzeichen der Vorgehensweise und Propaganda Osama BIN LADENs. Dessen Verbleib nach den massiven internationalen militärischen Aktionen in Afghanistan ab Oktober ist ebenso unbekannt wie die noch verbliebene Operationsfähigkeit der "al-Qaida" und ihrer international verzweigten Zellen. 1.1 Ausländerextremismus Reaktionen Unter dem unmittelbaren Eindruck der Bilder von den Anschlägen in New York und Washington zeigte sich der überwiegende Teil der Mitglieder und Anhänger extremistischer, insbesondere islamistischer Ausländerorganisationen schockiert. In ersten Reaktionen wurde bestritten, dass Muslime für derartige Taten verantwortlich sein könnten. Gelegentlich wurde sogar unterstellt, dass in Wahrheit Israel hinter diesen Anschlägen stecke, um damit den Islam als gewaltbereite Religion zu diskreditieren. Eine kleine Zahl von Anhängern extremistischer AusländerOrganisationen bedauerte zwar die zivilen Opfer der Anschläge, rechtfertigte sie aber gleichwohl als Folge der us-amerikanischen Weltmachtpolitik und der pro-israelischen Haltung der USA. In diesem Zusammenhang wurden die Anschläge als verdiente Strafe gewertet. Lediglich von Einzelnen wurden die Anschläge ausdrücklich begrüßt. 19 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Ein Beispiel für die ablehnende Reaktion auf die Anschläge ist die bereits am 12. September veröffentlichte Presseerklärung des "Islamischen Kulturund Erziehungszentrums e. V." in Berlin. Diese ideologisch der "Muslimbruderschaft" (MB) nahestehende und vorwiegend von Palästinensern besuchte Einrichtung verurteilte "den feigen Terroranschlag" und zwar "mit aller Schärfe: Diese abscheuliche kaltblütige Untat erfüllte uns mit erschütterndem Entsetzen und Trauer". Die türkisch-islamistische "Islamische Gemeinschaft-Milli Görüs IGMG 1 e.V." (IGMG) wies in einer Presserklärung darauf hin, dass man Terrorismus und Islam nicht gleichsetzen dürfe. So wie die IRA in Irland nicht für das Christentum stehe, so stehe Osama BIN LADEN nicht für den Islam. Anstelle von Vergeltungsschlägen müsse man sich jetzt um einen Dialog bemühen. Einen neuen "Kalten Krieg" zu beginnen bedeute "globalen Wahnsinn". Der Angriff auf die USA dürfe nicht zu einer antiislamischen Haltung führen. Die IGMG sei immer auf Seiten des Friedens und der 2 Ruhe . Die libanesische schiitisch-islamistische "Hizb Allah" (Partei "Hizb Allah" Gottes) bedauerte in einer im Internet veröffentlichten Erklärung die Toten des Anschlags, warnte aber die USA zugleich vor einer Fortführung ihrer "ungerechten Politik", die zu diesem Ausmaß von Hass gegen die USA geführt habe. Die Anschläge verunsicherten die türkisch-extremistische, insbeVerunsicherung sondere die arabisch-extremistische Szene in Berlin und ließen für letztere die Ereignisse in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten in den Hintergrund treten. Den hier ansässigen Organisationen wurde klar, dass ein völlig verändertes Sicherheitsbewusstsein in Deutschland negative Auswirkungen auf die eigene Situation haben könnte. Es ist daher zu vermuten, dass die Erklärungen auch taktisch bedingt im Hinblick auf die Reaktionen der Sicherheitsbehörden abgegeben wurden. 1 siehe S. 96 f., S. 182 f. 2 "Milli Gazete" vom 15./16. September 2001 20 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Die vom Außenministerium der USA veröffentlichte Liste, auf der 22 ausländische Terrororganisationen, darunter auch die palästinensische "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS), die libanesische "Hizb Allah" sowie die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) verzeichnet sind, stiftete erhebliche Unruhe unter den in Berlin lebenden Anhängern der betreffenden Organisationen. Auf Grund des Terrorismusbekäm- 3 pfungsgesetzes gehen viele Organisationen davon aus, dass ihre Aktivitäten nunmehr intensiver von den deutschen Sicherheitsbehörden beobachtet werden. Einige rechnen nach der Änderung des Vereinsgesetzes (Aufhebung des Religionsprivi- 4 legs) auch mit dem Verbot ihrer Vereinigungen . Einige Vereinigungen und islamistische Zentren vermieden nach Zurückhaltung den Anschlägen nahezu sämtliche Aktivitäten mit Außenwirkung. Geplante Veranstaltungen und öffentliche Aktionen wurden bis auf weiteres verschoben oder abgesagt, um die eigene Anhängerschaft vor der Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden zu schützen. Gleichzeitig sollte dadurch verhindert werden, den Unmut der durch die Anschläge in den USA emotional betroffenen deutschen Bevölkerung zu provozieren. Zudem schien aufgrund der verstärkten Berichterstattung über das in der Bundesrepublik Deutschland vorhandene islamistische Gefahrenpotenzial eine öffentliche Darstellung der eigenen politischen Zielsetzungen, beispielsweise die Unterstützung der palästinensischen Intifada gegen Israel, wenig erfolgversprechend. Das hohe Medieninteresse bot gleichwohl auch islamistisch Selbstdarstellung orientierten Vereinen Gelegenheit, den Terrorismusvorwurf zurückzuweisen und sich als friedliebende Muslime, die ausschließlich religiösen Aktivitäten nachgingen, zu präsentieren. Es entstand ein öffentliches Forum, auf dem sich ausgewählte Sprecher einzelner islamistisch ausgerichteter Moscheen als kommunikativ, integrationsbereit und um eine friedliche Koexistenz aller Religionen bemüht darstellen konnten. Auch die 3 Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002, BGBl. Teil I S. 361 4 siehe auch S. 79 ff. 21 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Bereitschaft zur Teilnahme an Begegnungsveranstaltungen von Muslimen und Nichtmuslimen wurde nicht nur anlässlich des "Tags der offenen Moschee" am 3. Oktober betont. Die Aufnahme der Angriffe der USA und Großbritanniens gegen das Taliban-Regime und die "al-Qaida"-Strukturen in Afghanistan am 7. Oktober führte in Berlin nicht zu öffentlichen Reaktionen islamistischer Organisationen. Gelegentlich wurde in einigen islamistisch ausgerichteten Moscheen im Rahmen der Freitagsgebete zu Spenden für die notleidende afghanische Zivilbevölkerung aufgerufen. Vereinzelt beteiligten sich Anhänger palästinensischer linksextremistischer Gruppen an von deutschen Kriegsgegnern organisierten Demonstrationen. Die schiitisch-islamistische "Hizb Allah" befürchtete, dass der Terrorismus von den USA ausgerufene "Krieg gegen den Terror" sich nicht oder nur auf Afghanistan und die Verfolgung des Osama Bin LADEN Widerstand? beschränken werde. Der Generalsekretär der "Hizb Allah", Hassan NASRALLAH, warnte laut Presseberichten bereits am 2. Oktober vor der Gefahr einer Internationalisierung des AntiTerror-Krieges durch die USA und forderte eine eindeutige Definition des Begriffs "Terror", um den auch von ihnen in Anspruch genommenen Begriff des "legitimen Widerstandes" abgrenzen zu können. Die Aufforderung der USA an die libanesische Regierung, die Konten der auf der "Terrorliste" aufgeführten "Hizb Allah" zu sperren, wurde vom Libanon mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass es sich bei der "Hizb Allah" um eine Widerstandsbewegung handele. NASRALLAH selbst erklärte dazu am 4. November, dass man stolz sei, von dem "großen Satan" (USA), der an der Spitze der "größten Pyramide von Tyrannei, Repression und Arroganz" stehe, als Feind angesehen zu werden und verbot jegliche Form der Unterstützung für die amerikanische Operation in Afghanistan, die er "als Krieg gegen jeden Muslim" 5 bezeichnete . NASRALLAHs Äußerungen zeigen, wie 5 Im Internet nach AP/ MSNBC News/ Mideast NewsLine-Informationen zitiert. 22 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 ausgeprägt der Hass auf die USA und deren "Politik der Einmischung" in diesen Kreisen ist. Die Situation in Berlin ähnelt der im übrigen Bundesgebiet Zusammenfassung festgestellten Tendenz: Verurteilung der Anschläge durch die Funktionäre oder Sprecher islamistischer Organisationen, Zurückhaltung der Anhänger und nur vereinzelte Rechtfertigung oder gar Zustimmung zu den Anschlägen. Auf Deutschland bezogen überwog die Furcht vor verstärkten Überwachungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden. 1.2 Rechtsextremismus Die Reaktionen der rechtsextremistischen Szene auf den 11. September waren widersprüchlich. AusländerZum überwiegenden Teil sah sie sich durch die Terrorakte in feindlichkeit ihrer Warnung vor den Gefahren einer offenen Ausländerpolitik bestätigt. Dass auch Deutschland offensichtlich als Ruheraum zur Vorbereitung der Anschläge gedient hatte, nutzten rechtsextremistische Wortführer für eine pauschalisierende Kriminalisierung von Ausländern - insbesondere Arabern - aus und forderten deutliche Verschärfungen des Ausländerrechts. Antiamerikanismus Demgegenüber wurden aber auch die Anschläge aus einer antiAntisemitismus amerikanischen und antisemitischen Sicht heraus begrüßt und die arabischen Terroristen für ihre Taten bewundert. So gab es im Internet anonyme Aufrufe, sich mit Islamisten im gemeinsamen Kampf gegen "Judentum, Kapital und USA" zu solidarisieren. Am 22. September erschien als Gästebucheintrag in der Homepage des rechtsextremistischen "Nationalen und sozialen Aktionsbündnisses Thüringen" ein Aufruf zum Kampf gegen den "us-imperialismus, auch hier in deutschland & weltweit!!!!". Weiter hieß es dort, die Islamisten der "hamas u. des dschijhad" seien natürliche Verbündete im Kampf gegen die "us-terroristen" und ihre "befehlsgeber in israel", die "geheimen weltherrscher". 23 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Gemeinsam müsse man gegen die "zionistischen one-worldextremisten" vorgehen. (Schreibweise des Originals) Derartige Äußerungen sind als Absichtserklärungen zu werten. Es besteht weder ein verzweigtes Kontaktnetz zwischen deutschen Rechtsextremisten und islamischen Extremisten, noch erscheinen die grundsätzlichen inhaltlichen Gegensätze überbrückbar. Bemerkenswert ist, dass in diesem Zusammenhang Themen und Parallelen zu Begründungszusammenhänge aufgegriffen wurden, die bis hin linksextremistizur Wortwahl den Parolen der linksextremistischen Szene schen Parolen gleichen. So wurden der "US-Imperialismus" und die "weltweite Vormachtstellung" der USA für die Anschläge verantwortlich gemacht. Maßgeblich unter dem Einfluss von Horst MAHLER, Prozessvertreter der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) im Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, wurde auch das dem linken politischen Spektrum zuzurechnende Thema "Antiglobalisierung" aufgegriffen. Im Unterschied zur Antiglobalisierungsbewegung ist diese politische Position jedoch in einem völkisch antisemitischen Weltbild begründet: Der tatsächliche wirtschaftliche Einfluss der USA stehe der in der Szene gebräuchlichen Vorstellung einer "autarken völkischen Herrschaft" entgegen. Zudem sei diesem Weltbild zufolge die Weltwirtschaftspolitik der USA ausschließlich von jüdischen Interessen bestimmt. Einer kruden Verschwörungstheorie nach sollen sich insbesondere im amerikanischen Finanzzentrum New Verschwörungstheorie York einflussreiche jüdische Banker, Finanziers und Spekulanten 6 ein als "Ost-Küsten-Mafia" bezeichnetes Netz gesponnen haben, das die Weltwirtschaftspolitik bestimme. 6 Die hier zugespitzte Formulierung "Ost-Küsten-Mafia", gebraucht von Rechtsextremisten auf deren Flugblättern und Homepages, aber auch der häufiger verwendete Begriff "amerikanische Ostküste" verweisen auf eine unter Rechtsextremisten weit verbreitete antisemitische aber auch antiliberalistische Verschwörungstheorie. Nach dieser Theorie hat sich ein weltweit agierendes "Weltjudentum" gebildet, dass eine "zionistische Weltherrschaft" anstrebe. Die internationale Finanzmetropole New York werde angeblich von einer jüdischen Finanzmacht dominiert, die von dort aus weltweit das wirtschaftliche und politische Geschehen kontrolliere, bzw. auch die entsprechenden Entwicklungen in einzelnen Ländern im Sinne des Judentums beeinflusse. Ihr Einfluss solle 24 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Art und Ausmaß der Terroranschläge haben viele wegen der weit verbreiteten Gewaltaffinität der rechtsextremistischen Szene fasziniert. Neonazis Tradierte Weite Teile der Neonazis sehen in dem Terroranschlag ihre Feindbilder tradierten Feindbilder bestätigt: "USA", "Juden" und "westliche Wertegemeinschaft". Das World Trade Center sei das "passende" Angriffsziel gewesen, denn es symbolisiere alles, was auch sie ablehnen: "Kapitalismus", "Multikultur", "Oneworld", "jüdisch dominierte Hochfinanz". Aus den neonazistischen Stellungnahmen spricht kein aufrichtiges uneingeschränktes Bedauern über die tausenden Toten. Bekundete Anteilnahme für die Opfer wird oftmals mit dem Hinweis auf "zahlreiche Kriegsopfer des US-Imperialismus" relativiert. Auffallend ist zudem, dass Neonazis zunehmend eine Rhetorik und Begrifflichkeit verwenden, die bislang aus dem linksextremistischen Bereich bekannt ist und sich gegen den erklärten Hauptfeind USA und die Globalisierung richtet. So erklärte das "Aktionsbüro Norddeutschland", das als Sprachrohr der neonazistischen Szene Deutschlands anzusehen ist und eine Meinungsführerschaft inne hat, in einer über das Internet verbreiteten Stellungnahme: schon so hoch sein, dass die vom Volk gewählten Regierungen, auch in den USA, in ihren Entscheidungen nur noch scheinbar unabhängig seien. In Wahrheit agierten sie als Befehlsempfänger einer angeblichen jüdischen Weltmacht. Besonders die enge Verbundenheit der USA zum Staat Israel wird als Abhängigkeit der USA von jüdischen Interessengruppen wider dem eigenen Interesse gewertet. Die Grundlage für diese Verschwörungstheorie wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelegt. Ein vom zaristischen Geheimdienst verfasstes Schriftstück, die so genannten "Protokolle der Weisen von Zion" von 1905, sollte den schwelenden Antisemitismus in eine entsprechende Richtung lenken. Auch die Nationalsozialisten begründeten ihren Antisemitismus mit der angeblichen jüdischen Weltverschwörung. 25 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Schon seit Jahren macht die Nationale Opposition immer wieder auf die Gefahren der Globalisierung aufmerksam. Wir haben erkannt, dass die Feinde der Völker in den Chefetagen der westlichen Metropolen sitzen und die Freiheit der Völker unumkehrbar abschaffen wollen. Wir haben dieses Weltherrschaftsstreben frühzeitig mit dem Begriff ,Oneworld' gebrandmarkt. Dahinter verbergen sich die Macher von Weltbank, IWF, Multikultur und EU! Die USA sind die treibende Kraft in diesem Spiel." Weiter heißt es: "Das Terrorismus-Geschwätz ist nur ein Vorwand. Es geht nur um die Machtinteressen der Oneworld-Strategen! Die Feinde der Völker sitzen in den Machtzentralen der westlichen Metropolen und wollen die Freiheit der Völker mit Stumpf und Stiel ausrotten." (Homepage "Aktionsbüro Norddeutschland") Slogans wie "Solidarität mit allen politisch Verfolgten des USRegimes!", "Dem US-Imperialismus auch in der BRD friedlich 7 entgegentreten" und "USA - internationale Völkermordzentrale" sind mit denen des Linksextremismus identisch. Rechtsextremistische Parteien Die rechtsextremistischen Parteien haben auf die Anschläge in den USA überwiegend mit massiven rassistischen und antiamerikanischen Parolen reagiert. Die Äußerungen der NPD Rassismus Antiamerikanismus belegen, dass die USA und die angeblich "jüdisch dominierte Antisemitismus Finanzwelt" nach wie vor ein Hauptfeindbild der Partei sind. Die Terroranschläge wurden als "Befreiungstat unterdrückter Völker" und somit als gerechtfertigt angesehen. Der Tod unschuldiger Opfer wurde zwar meist bedauert, andererseits wurden die Anschläge aber als Folge des "US-Imperialismus" angesehen, der sich weltweit in die Belange anderer Völker einmische. Mit einer vierseitigen "Sonderveröffentlichung" der Parteizeitung "Deutsche Stimme" legte die NPD ihre Position zu den NPD Terroranschlägen in den USA dar. Tenor war dabei die Schuldzuweisung an die USA. Die USA betrieben seit je her 7 jeweils Homepage "Aktionsbüro Norddeutschland" 26 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Kriegstreiberei und Volksunterdrückung", weshalb fraglich sei, ob die USA das Recht hätten, "den Terrorismus als interHorst MAHLER nationales Unrecht anzuklagen". Rechtsanwalt Horst MAHLER, Deutsches Kolleg der die Partei im Verbotsverfahren vertritt, rechtfertigte in einem Beitrag auf seiner Homepage mit dem Titel "Independence day live", den er zuvor bereits im Namen des rechtsextremistischen 8 "Deutschen Kollegs" (DK) im Internet veröffentlicht hatte, die Terrorattacke: "In unserem Mitgefühl für die Toten von Manhattan und ihre Angehörigen schwingt der fortwährende Schmerz und die Trauer der Deutschen über die Opfer des anglo-amerikanischen Bombenterrors gegen die deutschen Großstädte mit. Die Bilder des Grauens wecken Erinnerungen an das Inferno von Dresden und Hiroshima. (...) Der Luftschlag der noch unbekannten Todeskommandos hat das Herz dieses Ungeheuers getroffen und für einen Tag gelähmt. Die Symbolkraft dieser militärischen Operation zerschmettert die Selbstgefälligkeit der auf Heuchelei gegründeten westlichen Zivilisation. (...) Die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft sind (...) eminent wirksam und deshalb rechtens." Der in Berlin ansässige NPD-Bundesvorstand reagierte mit unterschiedlichen Erklärungen auf die Terrorakte. In einer Presseerklärung vom 13. September lehnte die Partei Gewalt als Mittel der Politik grundsätzlich ab, behauptete aber gleichzeitig, die USA selber seien Auslöser der Anschläge: "Der NPD-Parteivorstand verurteilt den Terroranschlag in den USA und stellt fest, daß Gewalt kein Mittel der Politik sein darf. Allerdings befindet sich Amerika seit Jahrzehnten im Krieg und mußte immer mit entsprechenden Gegenmaßnahmen rechnen. Erstmals wurden die Amerikaner auf ihrem eigenen Territorium empfindlich getroffen. Doch, was muß alles an Ungerechtigkeit und Unterdrückung geschehen sein, wenn Menschen ihr eigenes Leben opfern, um in offensichtlich auswegloser Situation solch grauenvolle Anschläge zu begehen?" In einer weiteren Presseerklärung vom 14. September rief der NPD-Bundesvorsitzende Udo VOIGT zum Widerstand gegen 8 siehe S. 148 27 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 erwartete Einsatzbefehle der Bundeswehr auf. Kriegsdienstverweigerung werde in diesem Fall zur soldatischen Pflicht. "Deutsches Blut" dürfe nicht für fremde Interessen geopfert werden. In einer Pressemitteilung vom 25. September veröffentlichte der Junge NationalBundesvorstand der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten demokraten" (JN) die Erklärung des 30. Ordentlichen Bundeskongresses der JN vom 22. September zu den Anschlägen in den USA. Darin stimmen die JN mit der offiziellen Stellungnahme der Mutterpartei überein, dass zwar einerseits die Anschläge zu verurteilen seien, andererseits aber die Schuld bei den USA selbst zu suchen sei: "Ungeachtet der Tatsache, daß Geschehenes (...) durch nichts zu rechtfertigen ist, stellen die Jungen Nationaldemokraten fest, daß die völkerverachtende Kriegstreiberei und die imperialistische Hegemonialpolitik einer im Globalisierungswahn befindlichen USA als Ursachen herangeführt werden müssen, die einen militante Formen annehmenden Kulturkampf und seine Eskalation provozieren." Die Partei "Die Republikaner" (REP) und die "Deutsche Volksunion" (DVU) verurteilten die Anschläge, verknüpften ihre Stellungnahmen jedoch gleichzeitig mit fremdenfeindlichen Bekundungen und Attacken auf die Ausländerpolitik. Die REP warnten in einer Pressemitteilung vom 18. September Die Republikaner vor einer Gefährdung der inneren Sicherheit durch den Zuzug von Ausländern: "... nur wenn die Bundesregierung sich vom Ziel der multikulturellen Gesellschaft löst und die Zuwanderer einem strengen Wertekanon unterwirft, sind kulturelle Konflikte in Deutschland zu verhindern." In diesem Zusammenhang forderten sie die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und ein Verbot der politischen Betätigung für Asylbewerber. Der REP-Bundesvorsitzende Rolf SCHLIERER erklärte: 28 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Die Terroristen, die das World Trade Center und das Pentagon angegriffen haben, sind keine isolierten Spinner, sondern agieren vor dem Hintergrund einer weitverbreiteten Ablehnung westlicher Kultur und Lebensart in der islamischen Welt. Diese Erkenntnis kann nicht ohne Konsequenzen auch für die Zuwanderungspolitik bleiben." In einer Pressemitteilung vom 19. September lehnte SCHLIERER für seine Partei eine deutsche Beteiligung an Militäraktionen ab. Deutsche Auch die DVU plädierte auf ihrer Internetseite ab dem Volksunion 18. September für eine radikale Änderung der Ausländerpolitik: Durch eine "irrsinnige" Einwanderungspolitik mit "unkontrolliertem Ausländerzustrom" seien deutsche Städte zu "Stützpunkten ausländischer Fanatiker" geworden. Der DVU-Bundesvorsitzende Dr. FREY lehnte in einer Rede auf dem traditionellen Jahrestreffen seiner Partei in Passau am 29. September einen "Bundeswehreinsatz für fremde Interessen" ab und sprach von der Gefahr eines Dritten Weltkriegs. Das DVU-Organ "National-Zeitung / Deutsche Wochenzeitung" (NZ) verurteilte in seiner Ausgabe vom 12. Oktober die Angriffe der USA auf Afghanistan als völkerrechtswidrig: "Der Angriff ist vom Völkerrecht so wenig gedeckt wie fast alle militärischen Operationen der USA seit ihrer Gründung". In diesem Zusammenhang spricht die NZ von "Terrorakten z. B. gegen den Irak". Weiter heißt es: "In seiner totalen Parteilichkeit für Israel entflammt Washington die mohammedanische Welt, die sich nicht für alle Zeit durch Geheimdienstaktivitäten und Korruption gegeneinander hetzen lässt." Des Weiteren machte das Blatt mit Schlagzeilen wie "Sterben für Amerika?", "Deutschland bezahlt US-Krieg" und "Sonderrechte für Israel und die USA?" auf. In Reaktion auf die Anschläge und mit Beginn der militärischen NPDDemonstrationen Aktionen in Afghanistan meldete die NPD mehrere Demonstrationen an. Bis zu 1 000 Personen nahmen an der gemeinsam von der NPD und dem neonazistischen "Bündnis Rechts" aus Lübeck veranstalteten Demonstration am 3. Oktober in Berlin teil. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Deutsch- 29 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 land ist mehr als die Bundesrepublik - Keine Stimme den Kriegsparteien ... in Berlin und anderswo!". Der aufgrund seiner rechtfertigenden Äußerungen der Anschläge von der Versammlungsbehörde mit einem Redeverbot belegte Rechtsanwalt Horst MAHLER trug bei der Abschlusskundgebung ein rotes Tuch vor dem Mund mit der Aufschrift 9 "BRD-Maulkorb" . Am 7. Oktober führte der NPD-Landesverband Berlin-Brandenburg in Reaktion auf die amerikanischen Luftangriffe einen Aufzug mit etwa 100 Teilnehmern durch und am 8. Oktober demonstrierten etwa 45 Personen unter dem Motto "Frieden und Freiheit für die Völker - Hände weg von Afghanistan". Die Versammlungsteilnehmer zeigten Transparente mit den Aufschriften "Los von Amerika - NPD" und "NATO auflösen - NPD". Am 13. Oktober versuchten mutmaßliche Anhänger der NPD, eine Kundgebung politisch linksstehender Demonstranten in Berlin für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Beim Sternmarsch zum Thema "Kein Krieg - Aufstehen für den Frieden - wir sagen nein zur Vergeltung, zu Krieg und Militarismus" (ca. 15 000 Teilnehmer) entrollten Unbekannte auf dem Dach des Französischen Doms ein Transparent mit der Aufschrift "Lösen von Amerika, raus aus der NATO - NPD". Das Transparent wurde wenig später ebenfalls von unbekannt gebliebenen Personen entfernt. Vereinzelt gab es Bemühungen, sich den Protesten gegen Krieg und Globalisierung des linken politischen Spektrums anzuschließen. In diesem Zusammenhang kam es zu gleichlautenden Parolen, wie das oben genannte Beispiel zeigt. Zu einer 9 siehe Seite 26 30 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Teilnahme von Rechtsextremisten an diesen Veranstaltungen kam es aber nicht. 1.3 Linksextremismus Reaktionen Die linksextremistische Szene reagierte auf die terroristischen Anschläge des 11. September mit Antiamerikanismus ("Wer 10 Wind sät, wird Sturm ernten" ) und Verständnis für die vermeintlichen Beweggründe der Attentäter. Allerdings war auch das Erschrecken über das Ausmaß der Terrorakte und das Mitgefühl für die Opfer und deren Angehörige groß. Unmittelbar nach dem 11. September war, offenbar wegen der verheerenden Folgen der Attentate, zunächst eine gewisse Sprachlosigkeit zu verzeichnen. Einschlägige Erklärungsmuster kategorisierten die Ereignisse jedoch bald darauf als Folge eines "us-amerikanischen Imperialismus", der seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als 40 Ländern Tod und Verwüstung gebracht habe. Nicht ein einziger dieser Kriege habe einer gerechteren Welt gedient. Andererseits wurde auch problematisiert, dass der Begriff "Antiimperialismus" als politische Kritik und als "Kampfinstrument" durch militante islamistische Fundamentalisten ebenso wie durch Rechtsextremisten jeglicher Couleur "enteignet" worden sei und dringend einer inhaltlichen Überprüfung und Novellierung bedürfe. Der nicht hinzunehmende Grundgedanke beider politischer Orientierungen sei der Antisemitismus. "Die Anschläge vom 11. September waren antisemitisch motiviert, sie entstammen zutiefst patriarchalem und unterdrückerischem Denken. Sie haben mit linker, emanzipatorischer Politik nichts, aber auch gar nichts zu tun." 11 Einschlägige Internetseiten wie der "Streßfaktor", "Die Linke Seite" oder "Indymedia", hinter denen jeweils unterschiedliche Teile des linksextremistischen Spektrums stehen, verurteilten 10 "Wer Wind sät...", in: "Unsere Zeit" vom 14. September 2001, S. 2 11 "Liebe GenossInnen", in: "INTERIM" Nr. 538, 15. November 2001, S. 3 und 4 31 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 unisono sowohl die Intervention der USA in Afghanistan als auch Internetdiskussion eine deutsche Beteiligung an diesem Krieg auf das Schärfste. "INTERIM" bezeichnete sich im Untertitel als "Berlin-Info gegen 12 KriegstreiberInnen" . Besonders heftig reagierte die linksextremistische Szene nach dem 11. September auf polizeiliche Maßnahmen sowie das geplante und inzwischen verabschiedete Terrorismusbekäm13 pfungsgesetz . Der Bundesinnenminister wurde nicht nur als 14 "Preisträger des Big-Brother-Awards" bezeichnet, sondern auf15 grund des geplanten "Anti-Terror-Pakets" des "Hirnbrands" verdächtigt. Die "Linke Seite" setzte einen "dauerhaften Frieden" im 16 Verständnis der Bundesregierung mit "Überwachungsstaat" synonym und verbreitete eine "Resolution gegen Rasterfahn17 dung und Rassismus!" . Der "Streßfaktor" forderte unter dem 18 Motto "Deutschland halt's Maul" zu Aktionen "Gegen Krieg, deutsches Machtstreben und Repression" auf. Die "INTERIM" sprach von einer Welle der Militarisierung und Nationalisierung der Innenund Außenpolitik, in der "Hardliner" eine Verschärfung der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse als zwingende Folge 19 propagierten. 12 "INTERIM" Nr. 538 vom 15. November 2001, S. 1 13 Kritisiert werden "Rasterfahndung, Regelanfrage beim Verfassungsschutz für MigrantInnen, Fingerabdruck im Ausweis", "Einschränkung des Demonstrationsrechts" sowie die "Verhängung eines Quasi-Ausnahmezustands mit verdachtsunabhängigen Kontrollen an wechselnden Standorten", vgl. u. a. "INTERIM" Nr. 536 vom 18. Oktober 2001, S. 2. 14 In Anlehnung an die in George ORWELLs Roman "1984" dargestellte Überwachungsgesellschaft, vgl. "Bedrohlich: Spuren von Hirnbrand im Innenministerium", Indymedia Startseite u. a. vom 31. Oktober 2001. 15 ebenda 16 "Der 'dauerhafte Friede' - willkommen im Überwachungsstaat", Website "Die Linke Seite" vom 9. Oktober 2001 17 Website "Die Linke Seite" vom 3. Oktober 2001 18 Website "Streßfaktor", Startseite vom 22. November 2001 19 "INTERIM" Nr. 534 vom 20. September 2001, S. 2 32 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 2 Rechtsextremismus 2.1 Überblick 20 Personenpotenziale Gemessen an den Personenpotenzialen zeigt das Lagebild nahezu konstant des rechtsextremistischen Spektrums in Berlin im Jahr 2001 gegenüber dem Vorjahr eine marginale Veränderung des Gesamtpotenzials (2 640 Personen im Jahr 2001 gegenüber 2 680 im Jahr 2000). Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten ist von 830 auf 640 Personen gesunken. Dies liegt am Rückgang der Zahl der registrierten Skinheads von 550 auf 370 Personen. Er erklärt sich dadurch, dass nach Ablauf der Erfassungsfristen (aufgrund ständiger Bereinigung der Dateien) eine Vielzahl von Personendaten gelöscht wurde. SkinheadKonzerte, bei denen relevante Personen in größerer Zahl festgestellt werden können, haben in Berlin in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden. Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttäter ist mit 270 nahezu unverändert geblieben. Gesamtpotenzial: ca. 2 695 Personen* (*einschl. Mehrfachmitgliedschaften) Skinheads Sonstige 370 135 Gewalttäter 270 RechtsextreDVU (600) mistische Neonazis REP (600) Parteien 440 NPD (250) 1485 JN (35) Die zu beobachtenden Phänomene und Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Berlin müssen vor dem Hintergrund 20 siehe S. 137 33 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 der geopolitischen Lage bewertet werden. Im Ballungsraum Berlin mit 3,4 Millionen Einwohnern finden Rechtsextremisten wenig Möglichkeiten, das öffentliche Bild zu dominieren. Urbane Lebensformen und hohe Polizeidichte wirken einer Atmosphäre, die rechtsextremistische Gewalttaten begünstigt, weitgehend entgegen. Berlin als neue mediale und politische Bezugsgröße der Bundesrepublik und ehemalige Reichshauptstadt kann aber für die Vermittlung rechtsextremistischer Ideologie auf ganz andere Weise instrumentalisiert werden. Dies verdeutlichten die DemonProvokationen der NPD strationen der NPD im vergangenen Jahr, die ganz bewusst und in provokativer Absicht vor symbolträchtigen Orten der historischen Kulisse angemeldet wurden. Berlin wird von der NPD als Projektionsfläche mit bundesweiter Medienaufmerksamkeit genutzt. Beispielhaft hat dies die von der NPD durchgeführte Demonstration gegen die vom Hamburger Sozialforschungsinstitut veranstaltete so genannte "Wehrmachtsausstellung" in Berlin am 1. Dezember gezeigt. Im Zusammenspiel von thematischer Zielsetzung und dem für die Demonstration beabsichtigten Ort, dem ehemaligen jüdischen Scheunenviertel um die Berliner Synagoge, hat diese Demonstration bereits im Vorfeld höchste Aufmerksamkeit in den Medien und heftige Reaktionen bei allen politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen ausgelöst. Die beiden anderen rechtsextremistischen Parteien "Deutsche Volksunion" (DVU) und "Die Republikaner" (REP) traten hinsichtDVU lich der Bedeutung und ihrer Auswirkungen deutlich gegenüber REP der NPD in den Hintergrund. Das unorganisierte Feld des rechtsextremistischen Spektrums, die Skinheads und Neonazis, stellt sich in der Großstadt grundSkinheads, Neonazis sätzlich anders dar als in einem Flächenstaat. Skinhead-Konund ihre zerte finden - wie schon erwähnt - in der Großstadt kaum statt. Musik-Szene Es fehlt an den für derartige Veranstaltungen benötigten Rückzugsflächen. Gleichwohl sind dem rechtsextremistischen Spektrum Berlins Skinhead-Bands zuzurechnen, die für die bun- 34 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 desweite Szene von Bedeutung sind. Die CDs der im Berichtsjahr verhafteten Mitglieder der Skinhead-Band "Landser" haben in der Szene Kult-Charakter. Auch andere rechtsextremistische Musikprojekte haben über Berlin hinaus Verbreitung gefunden. Daran zeigt sich die besondere Gefahr, die von der rechtsextremistischen Skinhead-Musikszene ausgeht: Über ein in Teilen professionell organisiertes Verteilungsnetz finden Lieder und CDs mit volksverhetzendem Charakter Verbreitung und erreichen ein Publikum weit über Berlin hinaus. Der Nimbus indizierter Musiktitel und die Möglichkeit, über das Internet problemlos und weitgehend unbemerkt rechtsextremistische Musik zu verbreiten, führt Jugendliche leicht an die neonazistische Ideologie heran. 2.2 NPD-Verbotsverfahren Im ersten Quartal 2001 reichten die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat jeweils einen eigenen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Grundlage dafür war der im November des Jahres 2000 dem Bundesminister für Inneres vorgelegte Bericht der Bund/Länder-Arbeitsgruppe zur Frage der Verfassungsfeindlichkeit der NPD. Im Sommer 2000 hatten aufeinander folgende und Aufsehen erregende antisemitische Anschläge eine öffentliche Debatte über Rechtsextremismus in der Bundesrepublik ausgelöst und es war die politische Forde21 rung nach einem Verbot der NPD aufgekommen. Die drei Anträge sind nicht wortgleich und betonen in ihrer Darstellung und Begründung jeweils andere Aspekte. Der Verbotsantrag der Bundesregierung stellt beispielsweise vor allem auf das so genannte "aggressiv-kämpferische" Element ab, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes für ein Parteiverbot vorliegen muss. Demgegenüber betont der Antrag des Bundestages die Wesensverwandtschaft 21 Nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes können Parteien auf Antrag durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden. 35 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 der NPD mit der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) und dem deutschen Nationalsozialismus. Der Antrag des Bundesrates belegt anhand zahlreicher NPDPublikationen deren verfassungsfeindliche Ziele: Demokratieund Rechtsstaatsfeindlichkeit, rassistisch motivierte Ablehnung von Menschenwürde, Friedensfeindlichkeit. Darüber hinaus wird besonders die enge Verbindung der gewaltbereiten Neonaziund Skinheadszene in die NPD nachgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den zwei bislang einzigen Parteiverbotsverfahren in den 50er Jahren genügt es nicht allein, dass eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Vielmehr muss die Erreichung dieser Ziele in aggressiv-kämpferischer Weise erfolgen. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung auf den politischen Stil der Partei an. Damit ist der Gesamteindruck gemeint, den eine Partei in der Öffentlichkeit durch Auftreten ihrer Repräsentanten erzeugt, durch die Sprache, mit der sie sich vermittelt sowie durch die 22 tatsächliche Anhängerschaft und das angestrebte Klientel . Die Verbotsanträge führen in diesem Zusammenhang vor allem den von der NPD propagierten so genannten "Kampf um die Straße" an. Danach soll durch vehementes und lautstarkes Auftreten im öffentlichen Raum ein Klima erzeugt werden, das Widerspruch und Kritik erschwert. In den Verbotsanträgen wird damit eine Parallelität der NPD-Demonstrationen zu den Aufmärschen der SS und SA in der Weimarer Republik hergestellt. Ob das Verfassungsgericht den Anträgen auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit statt gibt und damit den Weg für ein Verbot der NPD eröffnet, wird auch von der Frage der Verhältnismäßigkeit abhängen. Das Verbot einer Partei stellt einen massiven staatlichen Eingriff in grundlegende demokratische Freiheitsrechte dar und kann aus diesem Grund nur ultima ratio sein. Das bedeutet, den von der NPD für unsere Gesellschaft ausgehenden Gefahren kann nur durch ein Verbot und durch keine andere, weniger repressive Maßnahme begegnet werden. 22 BVerfGE 5, 85 36 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Reaktion der NPD Die öffentliche Diskussion über ein NPD-Verbot bestimmte seit Mitte 2000 die Aktivitäten der Partei. Zunächst hatte die NPD im Herbst des Jahres 2000 auf die Kampagne "Argumente statt öffentliche Forderung nach einem Verbot uneinheitlich und Verbote" verunsichert reagiert. Nach einer kurzen Phase der Gelassenheit der Führungsebene bei gleichzeitiger Verunsicherung der Basis versuchte die Partei mit der Kampagne "Argumente statt Verbote" Geschlossenheit zu demonstrieren. Teile der Führungsebene verlangten eine gemäßigte Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, andere forderten ein vehementes und provokatives Auftreten. Der NPD-Bundesvorstand legte der Partei einen intern umstrittenen Demonstrationsverzicht auf, der später wieder aufgehoben wurde. Zahlreiche Kündigungen von Parteikonten infolge der Verbotsdiskussion schwächten die finanzielle Handlungsfähigkeit. Dennoch erlebte die Partei bundesweit im Jahr 2000 einen Mitgliederzuwachs um etwa 500 Personen. Das Erscheinungsbild der Partei sowie ihr öffentliches Auftreten wandelten sich im Verlauf des Jahres 2001 deutlich gegenüber dem Vorjahr. Parteiinterne Beschlüsse sowie provokative öffentliche Veranstaltungen machten deutlich, dass die NPD nicht gewillt war, sich durch das Parteiverbotsverfahren beeindrucken zu lassen. Bereits zu Beginn des Jahres gelang es maßgeblich auf BeReintegration der RPF treiben Horst MAHLERs, die innerparteiliche Opposition - na23 mentlich die "Revolutionäre Plattform" (RPF) in die Partei zu reintegrieren. Dem Parteiorgan "Deutsche Stimme" (Ausgabe Februar 2001) zufolge, verzichtete die RPF auf die "eigen23 In der "Revolutionären Plattform - Aufbruch 2000" (RPF) hatten sich revolutionäre Nationalisten zu einer innerparteilichen Opposition zusammengefunden. Ziel war ein gegenüber der offiziellen Parteilinie kompromissloser Politikansatz, der im Sinne eines revolutionär-kämpferischen Nationalismus eine Anbindung unorganisierter Neonazis an die NPD anstrebte. Daher war die RPF auch für Nichtmitglieder offen. Höhepunkt der Auseinandersetzung bildete der Unvereinbarkeitsbeschluss des Bundesvorstandes der NPD im Dezember 2000. Danach schlossen sich Mitgliedschaft in der NPD und Zugehörigkeit zur RPF aus. 37 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 ständige Form der Organisation". Im Gegenzug hob der Parteivorstand den Unvereinbarkeitsbeschluss auf. Dadurch erreichte die Parteiführung ein höheres Maß an innerer Stabilität. Im Jahr 2001 gelang es der NPD mit zahlreichen DemonstraSechs tionen, eine breite Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Demonstrationen in Berlin Wie bereits im Vorjahr führte die NPD in Berlin sechs Demonstrationen durch, die in der Mehrzahl (1. Mai, 3. Oktober, 1. Dezember sowie die Reaktionen auf die amerikanischen Angriffe auf Afghanistan) für erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit sorgten. Anlässlich der Wahlen zum Abgeordnetenhaus kamen zahlreiche Kundgebungen und Infostände hinzu. Als Anmelder traten dabei sowohl der Bundesvorstand als auch der Landesvorstand Berlin-Brandenburg auf. Zur Mobilisierung nutzte die Partei aktuelle politische Themen. So griff sie die Kritik an der Globalisierung und ihren Folgen auf und verband sie mit fremdenfeindlichen Forderungen und völkischen Positionen. Der NPD-Parteivorstand verabschiedete auf einer Sitzung AnFünf-Punktefang September ein "Fünf-Punkte-Rückführungsprogramm" für Programm die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer. In dem Beschluss wird ausgeführt: 38 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "1. Nationales Arbeitsplatzschutzsicherungsgesetz (Arbeitsvermittlungsstellen dürfen nur dann Arbeit für eine begrenzte Zeit an Ausländer vergeben, wenn keine gleichqualifizierte deutsche Arbeitskraft zur Verfügung steht). 2. Sofortige Ausgliederung der in Deutschland lebenden und beschäftigten Ausländer aus dem deutschen Sozialund Rentenversicherungssystem. 3. Strikte Anwendung des Ausländergesetzes, welches dafür Sorge trägt, daß Ausländer ohne Arbeit Deutschland nach längstens drei Monaten verlassen müssen. 4. Ausländer dürfen kein Eigentum an Grund und Boden in Deutschland erwerben, bereits erworbenes Grundund Wohneigentum ist rückzuübertragen. 5. Ersatzlose Streichung der sogenannten "Asylparagraphen" SS 16a GG und unverzügliche Ausweisung aller 'Scheinasylanten'." Das NPD-Bundesvorstandsmitglied Frank SCHWERDT verlas auf der gemeinsamen Demonstration der NPD und des neonazistischen "Bündnis Rechts" am 3. Oktober in Berlin eine von Vertretern neonazistischer Gruppen und der NPD ausgearbeitete Erklärung unter dem Titel "Den Völkern Freiheit. Den Globalisten ihr globales Vietnam", in der es u. a. heißt: "Der Luftschlag vom 11. September 2001 ist die Markierung der Globalisten als Aggressoren durch die geschundenen und abgeweideten Völker. (...) Das ist das Ende der Globalmacht USA (...). Wir haben jetzt das Urteil auszusprechen, das die Geschichte über die eine Weltmacht gefällt hat, und es dadurch kämpfend zu vollstrecken. (...) in diesem politischen Kampf, der seine Energie aus dem deutschen Idealismus schöpft, erweist sich die Berufung der Deutschen zum welthistorischen Volk." Auf dieser Veranstaltung wurden Plakate u. a. mit folgenden Losungen gezeigt: - "Für Deutschland! - Keine Stimme den Kriegsparteien" - "Kampf, Aktion, Widerstand - Deutschland den Deutschen", - "Los von Amerika" und - "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche (...)" In der Absicht gezielter Provokation wählte die NPD für Aufzüge Gezielte und Kundgebungen bevorzugt Orte, denen vor dem Hintergrund Provokation der deutschen Geschichte besondere symbolische Bedeutung 39 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 beigemessen wird. So demonstrierte sie beispielsweise vor dem Brandenburger Tor und in der Nähe der jüdischen Synagoge in Berlin sowie vor dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Besonderes Aufsehen in der Öffentlichkeit sowie heftige Reaktionen nahezu aller politischer Parteien und gesellschaftlicher Gruppen erregte die Demonstration der NPD gegen die so genannte Wehrmachtsausstellung am 1. Dezember in direkter Nähe zum ehemals jüdischen Scheunenviertel in Berlin-Mitte. Unter dem Motto "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht" hatte die NPD ca. 3 500 Personen zu einer Demonstration gegen die vom Hamburger Institut für Sozialforschung überarbeitete Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 44" auf die Straße gebracht. Die gezielt provokative Anknüpfung der NPD an ihre sehr erfolgreiche Kampagne gegen die erste Wehrmachtsausstellung mit der stärksten Gegendemonstration in München mit ca. 5 000 Personen im Jahr 1997 ist ein deutliches Beispiel dafür, dass die NPD durch die Verbotsanträge nicht eingeschüchtert ist. Soweit die jeweiligen Versammlungsbehörden ein Verbot derartiger Demonstrationen erließen, ging die NPD vor die Gerichte und konnte die Verbote mit Erfolg anfechten. Ihr gelang es hierdurch, eine breite Beachtung in der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Die Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht haben keine dauerhaften Veränderungen bei der themenund aktionsZusammenarbeit mit Neonazis bezogenen Zusammenarbeit mit Neonazis bewirkt. An Großdemonstrationen der NPD sind weiterhin neonazistische Kameradschaften sowie Personen aus dem Spektrum der unorganisierten Neonazis beteiligt, die sich selbst als "freie Kräfte" oder "Nationaler Widerstand" bezeichnen. Die Organisatoren meldeten führende, zum Teil auch ausländische Rechtsextremisten als Redner bei Demonstrationen an. In einigen Fällen verhängte jedoch die Versammlungsbehörde Redeverbote. 2.3 Beteiligung rechtsextremistischer Parteien an den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 40 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 An den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zu den Keine Beteiligung der DVU Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) am 21. Oktober beteiligten sich die NPD und die REP. Die DVU nahm an den Wahlen nicht teil, da der Bundesvorsitzende der Partei, Dr. Gerhard FREY, der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 23. September Priorität eingeräumt hatte. Bei der Entscheidung der DVU über die Teilnahme an Wahlen spielen finanzielle Aspekte eine entscheidende Rolle: Sie beteiligt sich vor allem dann an Wahlen, wenn sie damit rechnet, die 1 %-Hürde zu erreichen und damit die Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Angeführt von ihrem Bundesvorsitzenden Udo VOIGT kandidierte die NPD mit einer 14 Personen umfassenden Landesliste sowie einem Direktkandidaten im Bezirk Marzahn-Hellersdorf für das Abgeordnetenhaus. In sechs Bezirken (Mitte, Lichtenberg, Pankow, Marzahn-Hellersdorf, Spandau und Treptow-Köpenick) hatte die Partei 20 Bewerber für die Bezirksverordnetenversammlungen nominiert. Nach dem amtlichen Endergebnis entfielen bei der Wahl zum Wahlergebnis Abgeordnetenhaus auf die NPD berlinweit 0,9 % (1999: 0,8 %) 24 der abgegebenen gültigen Zweitstimmen . Damit verfehlte sie die 5 %-Marke als Voraussetzung für den Einzug in das Abgeordnetenhaus erneut deutlich. Kennzeichnend für das Resultat der Nationaldemokraten ist, ähnlich wie bei der Abgeordnetenhauswahl im Jahre 1999, ein steiles Ost-West-Gefälle. Während 25 in den östlichen Bezirken Berlins 1,6 % der Wähler für die Partei stimmten, erhielt sie in den westlichen Bezirken lediglich 26 0,5 % . Die NPD ist wiederum in keiner der zwölf BVV vertreten. Sie scheiterte an der hier geltenden 3 %-Klausel. Den Höchstwert 24 absolut 15 352 (1999: 13 038) 25 absolut 10 133 26 absolut 5 219 41 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 erzielte die Partei im Bezirk Marzahn-Hellersdorf (2,6 %). Den schlechtesten Wert erhielt sie in Spandau mit 0,6 %. Insgesamt entfielen auf die Bezirkswahlvorschläge der NPD 0,8 % der Stimmen. Das Wahlergebnis der NPD lässt sie nicht an der staatlichen Parteienfinanzierung teilhaben. Trotz des vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen VerWahlziel nicht botsverfahrens konnte die NPD also ihre Wahlergebnisse leicht erreicht verbessern. Dennoch sind sie für die NPD enttäuschend, denn sie konnte ihr Ziel, von dem gesteigerten Bekanntheitsgrad zu profitieren und Protestwähler zu gewinnen, nicht erreichen. Ebenso wenig konnte sie in ihrer Darstellung als nationale Friedenspartei überzeugen. Hierzu instrumentalisierte sie die erschütternden Bilder der Terroranschläge vom 11. September in einem Wahlplakat. In den letzten Wochen vor dem Wahltag verstärkte die NPD ihre Aktivitäten deutlich. Zwei Wochen lang warb sie mit Kundgebungen an zentralen Orten, auf denen prominente Parteifunktionäre Reden hielten und der rechtsextremistische Liedermacher Frank RENNICKE für Aufmerksamkeit sorgte. Bei den Wahlkampfständen fungierten Neonazis als Ordner und Schutztruppe. Es kam zu vereinzelten Auseinandersetzungen mit Passanten aber auch einigen wenigen Störungen, die vom linksextremistischen Spektrum ausgingen. "Die Republikaner" (REP) Auf der Landesliste der REP für die Wahl zum Abgeordnetenhaus bewarben sich 22 Kandidaten um ein Mandat, darunter auf Platz 1 der Berliner REP-Landesvorsitzende Dr. Konrad VOIGT. In zwei Wahlkreisen traten Direktbewerber der Partei an. 42 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Zur Wahl der BVV hatten die REP für zehn Berliner Bezirke 27 Wahlvorschläge mit insgesamt 65 Kandidaten eingereicht. Nach amtlichem Endergebnis konnten die REP bei der AbgeWahlergebnis 28 ordnetenhauswahl nur 1,3 % (1999: 2,7 %) der Zweitstimmen auf sich vereinigen. Im Vergleich zum Jahr 1999 verloren sie damit etwa die Hälfte ihrer Wählerschaft. Das von der REPFührung avisierte Ziel, mindestens 5 % der Stimmen in Berlin zu erreichen und damit in das Abgeordnetenhaus einzuziehen, blieb erneut unerreichbar fern. Allerdings konnten die REP die für die staatliche Parteienfinanzierung maßgebliche Hürde von 1 % überspringen. Im Gegensatz zu der NPD verteilt sich der Stimmenanteil der REP etwa gleich stark über beide Stadthälften. Von den Zweit29 30 stimmen entfielen auf die REP 1,4 % im Westteil und 1,2 % im Ostteil Berlins. Anders als bei den vorherigen BVV-Wahlen misslang den REP diesmal mit einem Stimmenergebnis zwischen 1,2 % in Charlottenburg-Wilmersdorf und 2,95 % sehr knapp in Neukölln auch der Einzug in eine der BVV. Insgesamt votierten zugunsten der REP-Bezirkswahlvorschläge 1,5 % der Wähler. In einer Pressemitteilung vom 22. Oktober bezeichnete der stellvertretende Bundesvorsitzende und langjährige Berliner Landesvorsitzende der REP, Dr. Werner MÜLLER, das Wahlergebnis seiner Partei als eine herbe Niederlage. Dennoch wertete er den extremen Stimmenrückgang von über 50 % bzw. den Verlust sämtlicher BVV-Mandate nicht als existenzielle Bedrohung für die REP: "Der Kampf um mehr Demokratie in Deutschland geht weiter. Gerade jetzt kommt es in Berlin auf den Widerstand gegen eine linke Hegemonie an." 27 Mitte, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Neukölln, Pankow, Spandau, SteglitzZehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick und Tiergarten 28 absolut 21 817 (1999: 41 814) 29 absolut 14 275 absolut 30 absolut 7 542 43 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 2.4 Musik-Szene Die Skinhead-Musik ist ein wichtiges Kommunikationsund Werbemittel für die Verbreitung rassistischen und neonazistischen Gedankenguts. Sie erleichtert den Einstieg in die rechtsextremistische Szene. Die von dumpfen Melodien, schneller Rhythmik und aufhetzenden Texten geprägte Musik transportiert nicht nur eine aggressive Stimmung, sondern auch eine fremdenfeindliche und den Nationalsozialismus verherrlichende Weltanschauung. Förderlich wirkt dabei, dass Jugendliche bei den konspirativen Konzerten an abgelegenen Orten von dem empfundenen Gemeinschaftsgefühl und der vermittelten Gruppenstärke angezogen werden können. Am Rande der Konzerte werden zusätzlich Propagandamittel wie beispielsweise CDs anderer Bands, T-Shirts oder Mützen verkauft. Jugendliche werden an die Skinhead-Musik über persönliche Einstieg Kontakte herangeführt. In Cliquen und auf Parties hören sie die Musik in kleinerem, überschaubaren Rahmen. Über Musikkassetten und CD-Kopien wird die Musik dann weiter gegeben. Wer so interessiert wurde, kann sich die Musik auch aus dem Internet auf den PC laden und CDs brennen oder Tonträger in SzeneLäden und über (szeneeigene) Versandunternehmen erwerben. Auch der Zugang zu den Skinhead-Konzerten ist nur über persönliche Kontakte möglich. Die Organisatoren werben und mobilisieren für Skinhead-Konzerte ohne Nennung genauer 44 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Ortsangaben. Erst wenige Stunden vor Beginn eines Konzertes wird in der Szene im so genannten "Schneeballsystem" über Mobilfunk-Kurznachrichten (SMS), die nur zuverlässige SzeneAngehörige erhalten, ein Sammelpunkt in der Nähe des Veranstaltungsortes bekannt gegeben. Von dort werden die Besucher zum Konzert geleitet. Die Veranstalter nutzen dabei Grenzen von Bundesländern mit ihren unterschiedlichen polizeilichen Zuständigkeiten, um einen Zugriff zu erschweren. Die Polizei hat aber zunehmend Erfolg bei ihren Bemühungen, die Konzerte im Vorfeld zu verhindern oder laufende Veranstaltungen aufzulösen. Bei letzterem zeigte sich die gesteigerte Gewaltbereitschaft dieser Szene, teilweise kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Rückgang Die Zahl der Skinhead-Konzerte im gesamten Bundesgebiet ist von in den 90er Jahren zunächst angestiegen. Nach dem Höhepunkt Skinhead1998 mit bundesweit 128 Konzerten ist seit 1999 der Trend Konzerten deutlich rückläufig. Diese bundesweiten Entwicklungen haben sich auch im Land Berlin abgebildet. Während im Jahr 2000 nur ein SkinheadKonzert stattfand und ein weiteres geplantes Live-Konzert im Vorfeld von der Polizei unterbunden wurde, wurden im Jahr 2001 in Berlin keine Konzerte geplant oder ausgerichtet. Im städtischen Raum des Stadtstaates herrscht eine intensive Sozialkontrolle und hohe Polizeidichte. Für die Szene besteht ein hohes Entdeckungsrisiko. Aus diesem Grund bevorzugen die Veranstalter von Skinhead-Konzerten, auf denen regelmäßig indizierte Musik mit strafbaren Texten zur Aufführung kommt, den ländlichen Raum und meiden ganz offensichtlich Berlin. Auch wenn in Berlin Skinhead-Konzerte über Jahre nur sporadisch stattgefunden haben, existiert doch eine aktive SkinheadMusikszene. Von den bundesweit ca. 100 Bands setzen sich einige überregional bedeutende aus Berlinern zusammen. Dazu 31 gehören "Spreegeschwader", "Deutsch, Stolz, Treue (DST)" und "Legion of Thor (LOT)", vor allem aber "Landser". 31 Der Name der Band "DST" wurde oft auch mit "Doktor Sommer Team" übersetzt. Davon hat sich die Band allerdings öffentlich distanziert. SkinheadBands 45 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Die vier Mitglieder der Band "Landser" wurden Ende September Ermittlungsverhaftet. Der Generalbundesanwalt hatte ein Verfahren wegen verfahren des Verdachts der Volksverhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Die Skinhead-Band "Landser" hat bisher sieben CDs veröffentlicht, die ausnahmslos auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften stehen. Noch im Jahr 2001 erschienen zwei CDs von Landser. "The Best of" enthält Titel, die bereits auf anderen CDs der Band erschienen sind. Dagegen sind auf der anderen CD mit dem Titel "Guess Who's Coming For Seconds" Stücke anderer Skinhead-Bands aus der Bundesrepublik Deutschland aber auch Großbritannien, Russland und den USA zusammengestellt. Landser hat bei dieser CD als Herausgeber fungiert. Die Verhaftung hat in dem rechtsextremistischen Spektrum zu Verunsicherung einer erheblichen Verunsicherung geführt. Vor allen anderen Gruppen genießt "Landser" Kultstatus und wird auch "Reichsmusikkapelle" genannt. Seitdem werden Solidaraktionen organisiert. Im Internet wurde ein Konto für die Anwaltskosten und Gefangenenunterstützung der im "Landser"-Verfahren Beteiligten bekannt gegeben. Es kursierten immer wieder Gerüchte von so genannten "Landser-Soli-Konzerten", deren Erlös den ehemaligen Mitgliedern zu Gute kommen soll. Zu den derzeit aktiven Bands in Berlin gehört auch die Musikgruppe "White Aryan Rebels" (WAR). Sie ist bisher nur durch die Herausgabe einer CD mit dem Titel "Noten des Hasses" in Erscheinung getreten, deren Texte rechtsextremistisches Gedankengut propagieren und Straftatbestände erfüllen. Die CD hat in der Berliner rechtsextremistischen Szene starken Anklang gefunden. Nicht zuletzt hat auch die wiederholte Erwähnung der CD in der Berliner Tagespresse zu einer Art Mythenbildung innerhalb der rechtsextremistischen Musik-Szene geführt. Neben den Skinhead-Bands treten in der rechtsextremistischen edermacher Szene auch Liedermacher durch die Organisation von Musikveranstaltungen in Erscheinung. Ihr Vorbild ist der seit 1989 aktive Liedermacher Frank RENNICKE. Derartige Liederabende 46 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 sprechen neben den Skinheads ein breiteres Publikum an, das sich im Sozialverhalten und in der Altersstruktur von der Skinhead-Szene unterscheidet. Im Jahr 2001 fanden bundesweit über 30 derartige Veranstaltungen rechtsextremistischer Liedermacher statt. Sieben entfielen auf Berlin. Die NPD hatte Frank RENNICKE für ihre Wahlkampfveranstaltungen zum Abgeordnetenhaus im Oktober 32 2001 gewonnen. In den vorhergehenden Jahren blieben derartige Auftritte vereinzelt. 2.5 Neonazistische Kameradschaften In der ersten Hälfte des Jahres 2001 fanden die Kameradschaften Zulauf, in der zweiten Jahreshälfte dagegen war diese Entwicklung wieder rückläufig. Zu Beginn des Jahres existierten in Berlin sechs Kameradschaften: 33 - "Kameradschaft Adlershof" , - Kameradschaftskreis um den Berliner Neonazi Lars Burmeister, 34 - "Kameradschaft Germania" , - "Kameradschaft Mahlsdorf", - "Kameradschaft Prenzlauer Berg", 35 - "Kameradschaft Tor Berlin" . Im Verlauf des Jahres bildeten sich um einzelne FührungsNeugründun personen der rechtsextremistischen Szene neue Kameradschaften. Die Ursachen dafür und Beweggründe der Mitglieder bei der Bildung einer Kameradschaft sind unterschiedlich und lassen sich kaum verallgemeinern. Aufgrund der geringen Mitgliederzahl und der strengen Ausrichtung auf eine Führungs32 siehe S. 40 f. 33 siehe S. 154 34 siehe S. 154 f. 35 siehe S. 155 47 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 person sind Struktur und Entwicklung einer Kameradschaft entscheidend geprägt durch die persönlichen und quasi-freundschaftlichen Kontakte der Mitglieder untereinander sowie durch die Persönlichkeit des Anführers. In den neu hinzugekommenen Kameradschaften wurden Jugendliche ausschließlich aus den östlichen Stadtbezirken überwiegend zwischen 16 und 20 Jahren an die rechtsextremistische Szene gebunden. Neu gegründet wurden: 36 - "Kameradschaft 1375" , - "Kameradschaft Hohenschönhausen", - "Kameradschaft Pankow", - "Kameradschaft Preußen". Mit dem personellen Zulauf ging auch der Versuch einher, in KameradschaftsKameradschaftsbünden eine organisatorische Verfestigung zu bund Germania bewirken. Unter Führung der "Kameradschaft Germania" gründete sich der "Kameradschaftsbund Germania". Ihm gehörten die Kameradschaften "Hohenschönhausen", "Pankow", "Preußen" sowie "Tor Berlin" an. Ziel dieses Kameradschaftsnetzwerkes war es, Kräfte innerhalb der Berliner Neonazi-Szene zu bündeln und Aktivitäten zu koordinieren. Die Protagonisten dieses Bündnisses beteiligten sich rege an regionalen und überregionalen Demonstrationen. Aufgrund interner Querelen war allerdings die Existenz des Kameradschaftsbundes nur von kurzer Dauer. Im Sommer zerbrach der Bund im Streit. In Reaktion gründeten ehemalige Mitglieder unverzüglich als Nachfolgeorganisation den "Kameradschaftsbund Berlin". Hintergrund Kameradschaftsbund Berlin für diese Entwicklungen waren Querelen um den Führungsanspruch, wie der Ausschluss der Mitglieder der ehemals führenden "Kameradschaft Germania" zeigt. Das angestrebte Ziel einer schlagkräftigen und stabilen Organisation ohne hierarchische Strukturen konnte nicht verwirklicht werden. Folgerichtig löste sich auch dieser Kameradschaftsbund zum Ende des Jahres auf. 36 siehe S. 153 f. 48 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Die zur Mitte des Jahres einsetzende rückläufige Entwicklung ist vielfach in persönlichen Konflikten der die Führerschaft beanspruchenden Protagonisten der Szene untereinander begründet. Auch gelang es nicht allen Kameradschaftsführern, die erforderliche Gefolgschaft und Bindung an die Gruppe einzufordern und aufzubauen. Im Rahmen dieser gegenläufigen Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte zerbrachen neben den Bünden auch folgende einzelne Kameradschaften: - Kameradschaftskreis um Lars Burmeister, - "Kameradschaft Mahlsdorf", - "Kameradschaft Prenzlauer Berg". Personenpotenzial Zum Ende des Jahres 2001 existierten in Berlin sieben Kameradschaften mit einem Potenzial von ungefähr 60 Personen: - "Kameradschaft 1375", - "Kameradschaft Adlershof", - "Kameradschaft Germania", - "Kameradschaft Hohenschönhausen", - "Kameradschaft Pankow", - "Kameradschaft Preußen", - "Kameradschaft Tor Berlin". Die Zahl der Kameradschaften befand sich somit zum Jahresende 2001 nahezu wieder auf dem Stand von Ende 2000. Die Berliner Kameradschaftsszene zeigte sich zuletzt völlig zerstritten und antriebslos. Politische Arbeit wurde durch persönliche Animositäten und Streitereien untereinander verdrängt. 49 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 3 Linksextremismus 3.1 Überblick Das Gefüge des organisierten Linksextremismus in Berlin hat sich mit ca. 2 520 Personen gegenüber den Vorjahren nicht Personenpotenzial wesentlich verändert. Das Gesamtpotenzial ist im Vergleich mit dem Vorjahr in etwa konstant geblieben; Verluste durch "Rückzug ins Private" werden weitgehend ausgeglichen. Die Autonomen stellen mit etwa 1 200 Personen den weitaus größten Anteil des gewaltbereiten Potenzials. Gesamtpotenzial: ca. 2 520 Personen Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre sonstige militante Marxisten einschl. Trotzkisten Linksextremisten 1070 250 1200 Autonome So gingen die meisten militanten Aktionen - darunter Körperverletzungen und konspirativ vorbereitete Brandanschläge - wie Autonome in den Vorjahren von der autonomen Szene aus, die sich auch in nicht-extremistische Protestformen und Kampagnen einbrachte. Die Aktivitäten zu einzelnen Themen wie z. B. Antifaschismus, Antiglobalisierung oder Neoliberalismus erzielten jedoch nicht immer die erwartete Resonanz und Mobilisierung. 50 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Die traditionell revolutionär-marxistischen Organisationen wie Revolutionärmarxistische die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und die "MarxiOrganisationen stisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) setzen - trotz strukturbedingter Probleme - weiter auf kontinuierlich betriebenen Klassenkampf bis zum "revolutionären Bruch" mit den bestehenden Verhältnissen. Sie verfügen aber, wie die Ergebnisse der Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zu den Bezirksverordnetenversammlungen zeigen, kaum noch über öffentliche Ausstrahlung. Das trotzkistische "Linksruck-Netzwerk" dagegen trat bei vielen Protestaktionen zumindest optisch massiv in Erscheinung. Im Berichtszeitraum wurde die Beobachtung des "Marxistischen Forums", eines Zusammenschlusses kommunistisch orientierter Mitglieder und Sympathisanten der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), eingestellt. Eine weitere extremistische Strömung in der PDS, die "Kommunistische Plattform" (KPF), wird hingegen - ohne Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel - weiter beobachtet. Hinsichtlich der Aktivitäten waren im vergangenen Jahr drei Punkte von herausragender Bedeutung: Die gewalttätigen Ausschreitungen am 1. Mai, starke Mobilisierung und Beteiligung an den Protesten gegen die internationalen Gipfeltreffen in Göteborg und Genua sowie erfolgreicher Aufbau des InternetKommunikationsforums "Indymedia". 1. Mai Das herausragende Ereignis im ersten Halbjahr war der 1. Mai. Im 15. Jahr in Folge kam es im Zusammenhang mit den "Revolutionären 1. Mai-Demonstrationen" zu gewalttätigen Ausschreitungen und heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dabei hat sich die Entwicklung der vergangenen Jahre fortgesetzt, dass an den Unruhen in erheblichem Umfang unpolitische Krawallmacher beteiligt sind. Krawalle bei Das zweite Halbjahr war geprägt von den gewalttätigen AusGipfeltreffen schreitungen gegen die internationalen Gipfeltreffen in Göteborg, Genua, für die bereits im Vorfeld stark mobilisiert wurde. Das Thema Antiglobalisierung hat die vielfältigen Berliner linksextremistischen Gruppen und Lager vereint. 51 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Seit April ist im Internet das Nachrichtenund Kommunikationsforum "Indymedia" installiert. "Indymedia Deutschland" ist Teil Indymedia des weltweiten Netzwerkes "Indymedia, International Media Center, IMC". Auf diesen Seiten werden Nachrichten kommentiert und wird auf Veranstaltungen hingewiesen. Das Konzept dieser Seiten ist die freie und unzensierte Beteiligung eines jeden Internet-Nutzers. Indymedia avancierte innerhalb weniger Monate zum zentralen Kommunikationsund Agitationsmedium im Internet und entwickelte sich aufgrund der breiten Resonanz zu einem entscheidenden und effektiven Mittel der Mobilisierung für Aktionen. 3.2 Autonome Berlin bildet seit Jahren mit etwa 1 200 Szene-Angehörigen (bundesweit etwa 6 000) einen regionalen Schwerpunkt der autonomen "Bewegung" in Deutschland. Die Mehrzahl der Autonomen sind deutsche, zum geringen Teil ausländische Jugendliche bzw. jüngere Erwachsene. Der Zulauf zu autonomen Strukturen hält unvermindert an. Verluste durch "Rückzug ins Private" gleichen sich so stetig aus. Der Einsatz von Gewalt stellt für die autonome Szene nach wie Einsatz von vor ein unverzichtbares Element ihrer "revolutionären Politik" Gewalt dar. Umstritten ist, inwieweit Gewalt sich auch gegen Personen richten kann oder ob sie sich auf Gewalt gegen Sachen begrenzt. Von Teilen der Szene wird im Extremfall auch der Tod von Personen in Kauf genommen. In ihrem Streben, das ihnen verhasste System durch "Widerstand von unten" zu brechen, werden aber auch andere Aktionsformen gewählt. Die Bandbreite reicht von Demonstrationen, Informationsbzw. Diskussionsveranstaltungen, Vorträgen, Ausstellungen, der Herausgabe von Steckbriefen, Flugblättern und Broschüren über Störaktionen, Blockaden und Sachbeschädigungen bis hin zu körperlichen Angriffen auf tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten. 52 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Terroristische Aktionsformen Seit Beginn der 90er Jahre ist zu beobachten, dass die autonome Szene sich zunehmend terroristischen Aktionsformen zugewandt hat. Übten Autonome früher Gewalt überwiegend offen "auf der Straße", meist im Rahmen von Demonstrationen aus, so werden heute zunehmend die Modelle des "Guerillakampfes" der terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) propagiert und praktiziert. Danach gilt es, nicht in die Illegalität abzutauchen, sondern im Rahmen von streng abgeschotteten, hochkonspirativ arbeitenden Kleingruppen Anschläge zu begehen und "tagsüber" ein weitgehend "normales" Leben zu führen. Bei derartigen Anschlägen werden in der Regel keine auswertbaren Spuren hinterlassen. Darüber hinaus geben sich diese Gruppen in ihren Tatbekennungen oft wechselnde Gruppenbezeichnungen, um sich damit besser gegen Strafverfolgung zu schützen. Daher können nur selten Täter ermittelt werden. Durch Gewalttaten autonomer Gruppen, die nach terroristischem Muster operieren, sind in den letzten Jahren Sachund Folgeschäden in vielfacher Millionenhöhe entstanden. Unabhängig von Art und Ausmaß der Gewaltanwendung, ist ein Grundprinzip der Autonomen, ihr Handeln der Öffentlichkeit z. B. in Selbstbezichtigungen zu vermitteln und moralisch zu begründen. Brandanschläge Am 15. Mai verübten unbekannte Täter im Bezirk Mitte Brandanschläge auf drei Firmenwagen der Deutschen Telekom AG mit einem Brandsatz, wie er in der autonomen Szene gebräuchlich ist. Eine "gruppe für unabhörbare und unüberhörbare buschtrommeln" bekannte sich in einer Selbstbezichtigung an den "Berliner Verlag GmbH" zu dem Anschlag. Die Tatbekennung bezieht sich auf das Treffen der Arbeitsgemeinschaft "Lawful Interception (sec-li)", das unter der Schirmherrschaft der Deutschen Telekom AG vom 15. bis zum 17. Mai in Hamburg mit Teilnehmern der Telekommunikationswirtschaft sowie Polizei und Nachrichtendiensten mehrerer Staaten stattgefunden hat. Die Täter begründeten den Anschlag mit der "Standardisierung von Überwachungsschnittstellen", an deren Entwicklung die Deutsche Telekom maßgeblich beteiligt sei. 53 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Die auch in der "INTERIM" vom 31. Mai veröffentlichte Selbstbezichtigung endet mit dem Aufruf: "Lasst euch von der immer stärker werdenden Überwachung nicht einschüchtern! Entwickelt neue Ansätze für eine linksradikale militante Politik: Für eine revolutionäre, antipatriarchale Perspektive." 37 3.3 Sonstige militante Linksextremisten Hierzu zählen in Berlin etwa 150 Personen. Diese Gruppen des antiimperialistischen/autonomen Spektrums entstanden Mitte der 80er Jahre aus RAF-nahen Strukturen. Dazu stießen im Laufe der Jahre Personen aus anderen linksextremistischen Bereichen. Sie fordern eine "Neuorientierung antiimperialistischer revolutionärer Politik" bei grundsätzlicher Akzeptanz des "bewaffneten Kampfes". Dieser Kampf soll so lange wie möglich aus der Legalität heraus geführt werden. Daneben hat sich im Berichtszeitraum eine neue Organisation mit Aktionen und Erklärungen zu Wort gemeldet. Am 14. Juni ging dem Bonner Büro des Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter Otto Graf LAMBSDORFF ein Drohschreiben mit der Überschrift "Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich..." zu, dem eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt war. Am 20. und 21. Juni erhielten zwei Mitgliedern der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft identische Schreiben. Eine "militante gruppe" bezichtigte sich in militante einer Erklärung öffentlich der Aktion. In dem Selbstbezichtigruppe (mg) gungsschreiben heißt es: "Wenn die korrupte Regierungsbande Diepgen, Landowsky und Konsorten mal eben konsequenzenlos 6 Mrd. DM veruntreuen kann und andererseits 1,2 Mio. ehemalige ZwangsarbeiterInnen für das Ihnen zugefügte Unrecht jenseits der tatsächlichen Lohnansprüche mit 10 Mrd. DM abgespeist werden sollen, und den Profiteuren der Wirtschaft dies noch mit Steuererleichterung schmackhaft gemacht wird, so halten 37 "Erklärung zum Anschlag auf die Deutsche Telekom AG", in: "INTERIM" Nr. 527 vom 31. Mai 2001 54 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 wir eine Diskussion um geeignete Sanktionen derartiger Handlungsweisen längst überfällig. Als Diskussionsanregung legen wir diesem Schreiben an die oben abgebildeten Repräsentanten der Stiftungsinitiative eine scharfe Patrone bei. Kein Schluss-Strich unter Nazi-Verbrechen! 180 Mrd. für ehemalige ZwangsarbeiterInnen sofort und bedingungslos! Täter von gestern und heute zur Rechenschaft ziehen!" In den frühen Morgenstunden des 22. Juni ereignete sich ein Anschlag gegen die DaimlerChrysler-Niederlassung im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Mit einem zündzeitverzögerten Brandsatz wurde ein Pkw zerstört. In einer der Berliner Tageszeitung "Der Tagesspiegel" zugegangenen Selbstbezichtigung, die ebenfalls mit "militante gruppe" unterzeichnet ist, beziehen sich die Täter ausdrücklich auf ihre Drohschreiben gegen die Vertreter der Stiftungsinitiative. Mit dem neuerlichen Anschlag, so heißt es darin, setzten sie den Angriff gegen den "juristisch fixierten Schlussstrich unter das nazistische Vernichtungsprogramm der Zwangsarbeit" fort. DaimlerChrysler sei treibende Kraft in dem "zynischen Entschädigungsspektakel": "Für uns Anlass genug, diesen Konzern für seine exponierte Rolle im NS-Regime und in der Stiftungsinitiative zur Rechenschaft zu ziehen und militant anzugreifen." Die "militante gruppe (mg)" veröffentlichte in der Ausgabe des autonomen Szeneblatts "INTERIM" vom 29. November ein mit "DEBATTENVERSUCH" überschriebenes sechsseitiges Papier. Mit dieser Positionsbestimmung will die Gruppe die Diskussion über die Erweiterung militanter Aktionsformen offenbar zielstrebig vorantreiben. Anknüpfungspunkt ist dabei die Selbstbezichtigung einer anderen Gruppe zu Brandanschlägen im Juli und September in Berlin, die in der "INTERIM" vom 1. November abgedruckt war. Darin hatten die Täter - wie zuvor schon die "militante gruppe (mg)" - signalisiert, zu einer Steigerung militanter Aktionen - über Sachbeschädigung durch Brandstiftung hinaus - bereit zu sein. Dies hänge davon ab, "ob wir damit völlig isoliert wären oder nicht". 55 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 In ihrem "DEBATTENVERSUCH" begründet die "militante grupDebattenversuch pe (mg)" erneut das Verschicken von scharfen Patronen an Personen und verteidigt die damit transportierte "immanente Drohung der Liquidation": "Wir können gesellschaftliche Zustände, die wir aus ganzem Herzen bekämpfen wollen, nicht allein an anonymen Strukturen festmachen, wir müssen die maßgeblichen AkteurInnen identifizierbar und angreifbar machen. (...) Unsere Praxismittel sind mit dem 'ständigen Abfackeln von Autos' tatsächlich nicht an ihr Ende gekommen und können es auch nicht sein, wenn wir eine Perspektive eines umfassenden revolutionären Prozesses für uns in Anspruch nehmen. (...) Es ist eine Diskussion, wie wir in Etappen von dem Angriff auf materielle Objekte zum Angriff auf verantwortliche Subjekte kommen. Dabei liegt im Zusammenhang mit der Aufbereitung der rzPolitik einiges an Material vor (Stichwort: Knieschüsse) und auch im Antifa-Bereich sind Angriffe auf Personen durchaus akzeptiert." 38 Die Debatte um eine "Erweiterung der Interventionsmittel" sei in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Sie führe zur Beschäftigung mit Organisationen, die "bewaffnete Politik" praktizierten oder praktiziert hätten. Die "militante gruppe (mg)" befürwortet zwar personenbezogene Straftaten ausdrücklich, macht ihr weiteres Vorgehen jedoch offenbar abhängig vom Ergebnis der angestrebten Debatte über die "Notwendigkeit von direkten Angriffen auf Personen". 3.4 Aktionsfelder 3.4.1 1. Mai Der so genannte "Revolutionäre 1. Mai" hatte wie seit vielen Jahren auch 2001 eine herausragende Position im Ereigniskalender der linksextremistischen Szene Berlins. Die Ausgangssituation war im Vergleich zu den vergangenen Jahren 38 "INTERIM" Nr. 537 vom 1. November 2001 56 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 eine andere: Die Versammlungsbehörde hatte erstmals die für den Abend des 1. Mai traditionell von der militanten "AntifaVerbot der AABschistischen Aktion Berlin" (AAB) angemeldete Demonstration Demo verboten. So sollten die sich seit 1987 jährlich wiederholenden Ausschreitungen verhindert werden. Dieses Verbot wurde vom 39 Verwaltungsgericht Berlin bestätigt. Hingegen wurde eine NPD-Demonstration im Bezirk Hohenschönhausen aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts unter strengen Auf40 lagen erlaubt . Zur Verhinderung eventueller Ausschreitungen war eine erhöhte Polizeipräsenz vorgesehen. Im Laufe des Tages fanden mehrere Demonstrationen statt, die NPD-Demo im Wesentlichen friedlich verliefen. In Hohenschönhausen demonstrierten in den Mittagsstunden mehrere hundert Personen, darunter auch gewaltbereite antifaschistische Gruppierungen sowie so genannte Alt-Autonome gegen den Aufmarsch der NPD. Ein massives Polizeiaufgebot trennte NPD-Angehörige und Gegendemonstranten, so dass es zu keinen größeren Zwischenfällen kam. Zur traditionellen "Internationalistischen 13.00 Uhr-Demo" stali"13.00 Uhr"-Demo nistisch-maoistisch orientierter Gruppierungen durch den Bezirk 41 Friedrichshain-Kreuzberg konnten etwa 2 500 Personen mobilisiert werden. Die Veranstaltung, an der auch zahlreiche ausländische Linksextremisten teilnahmen, war von einem Angehörigen der maoistisch orientierten "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) angemeldet worden. PDS gegen Zeitgleich zu dieser Veranstaltung hatte eine BundestagsabDemo-Verbot geordnete der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) einen Aufzug "Gegen das Demonstrationsverbot für Linke am 1. Mai" angemeldet. Die rund 4 700 Teilnehmer, darunter zahlreiche Autonome, militante "Antifas" sowie Angehörige revolutio39 Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. April 2001 - VG 1 A 134.01 - 40 Die NPD-Demonstration war von der Versammlungsbehörde mit Auflagen (Wegstrecke, Fackeln etc.) belegt worden. Diese wurden später vom Verwaltungsgericht bestätigt. 41 2000: 2 000 Personen 57 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 när-marxistischer Gruppen, wollten ihren Protest gegen das Verbot der ursprünglich für den Abend geplanten AAB-Demonstration zum Ausdruck bringen. Krawalle und schwere Ausschreitungen entwickelten sich im Anschluss an diese Demonstration im Schutz eines zunächst Ausschreitungen friedlich verlaufenen Straßenfestes am Mariannenplatz in Friedrichshain-Kreuzberg. Bis zu 1 000 gewaltbereite Personen hatten sich unter die Feiernden gemischt und aus dieser Deckung heraus Pflastersteine und Flaschen auf Polizeibeamte geworfen, Autos angezündet sowie brennende Barrikaden errichtet. Dabei ging mit hoher Wahrscheinlichkeit von Autonomen und Angehörigen des militanten "Antifa"-Spektrums ein zündender Funke aus. 58 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Insgesamt hat sich der Trend der vergangenen Jahre auch 2001 Keine politische fortgesetzt: Die schon fast als traditionell zu bezeichnenden Motivation Ausschreitungen werden nicht mehr in erster Linie von politischen Gewalttätern getragen, sondern finden breite Unterstützung unter zum Teil alkoholisierten Jugendlichen, die meist in der Nähe wohnen und ihre Aggressionen ausleben. Sie nutzen die Situation zu einem "Kräftemessen" mit der Polizei als Repräsentant der Staatsgewalt. Ihre hohe Militanzbereitschaft trägt maßgeblich zu einer Eskalation der Situation bei. Ungeachtet dessen feierte die linksextremistische Szene auch im vergangenen Jahr die Aktivitäten zum "Revolutionären 1. Mai" als herausragenden Erfolg. Dabei spielte eine nicht unbedeutende Rolle, dass die Ausschreitungen in der Presse als 42 die "schwersten Krawalle seit zehn Jahren" bezeichnet wurden. Aus ihrer Sicht war es der Szene erneut gelungen, den 1. Mai zu einem Symbol für eine gewalttätige Konfrontation mit der Staatsmacht zu stilisieren. 3.4.2 Kampf gegen Globalisierung und Neoliberalismus Der Begriff "Globalisierung" beschreibt die zunehmend verflochtene und durch multinationale Konzerne geprägte Weltwirtschaft sowie die sich daraus ergebenden politischen, sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Folgen. Abhängig vom politischen Standpunkt ist dieser Begriff unterschiedlich besetzt. AntiDie Forderungen der Globalisierungsgegner reichen je nach poglobalisierungslitischer Verortung von mehr demokratischer Mitbestimmung und kampagnen Kontrolle der Bürger bei Entscheidungen supranationaler Organe bis hin zu marxistisch oder anarchistisch orientierten Vorstellungen. Antiglobalisierungskampagnen wenden sich gegen eine "Herrschaft des Kapitals", gegen die "Steuerung gesellschaftlicher Prozesse durch Profit" und gegen eine "Entfremdung wirtschaftlich leistungsschwacher Völker oder Staaten 42 "Der Tagesspiegel" vom 2. Mai 2001 59 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 durch Ausbeutung". Sie streben eine "Demokratisierung wirtschaftlicher Machtverhältnisse", insbesondere auf internationaler Ebene, und eine "radikale Umverteilung wirtschaftlicher Erlöse" an. Der Rückgriff einzelner Gruppen auf das Vokabular und die Gedankenwelt des Marxismus-Leninismus wird insofern allerdings modifiziert, als unter "Ausgebeuteten" nicht mehr nur die "Arbeiterklasse" zu verstehen ist. Der Begriff umfasst in 43 diesem Zusammenhang vielmehr die Dritte Welt. Die Verfassungsschutzbehörden interessieren sich dabei ausschließlich für jene Gruppierungen, die einen (gewaltsamen) Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung anstreben. Die Protestbewegung gegen Globalisierung und "Neoliberalis44 mus" hat sich in den letzten Jahren breit und vielschichtig entwickelt. Erstmals trat sie in Zusammenhang mit der 3. Jahrestagung der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle/USA im Seattle 1999 November 1999 massiv öffentlich in Erscheinung. Die dortigen Ausschreitungen, die zur Verhängung des Ausnahmezustands führten, kreierten den Mythos der "Battle of Seattle". Er diente militanten Globalisierungsgegnern seitdem weltweit als Vorbild. Ziele verbaler und tätlicher Angriffe sind vorwiegend die "Architekten" vermeintlich neoliberaler Konzepte wie die Regierungen der führenden Industrienationen, supranationale Institutionen wie Internationaler Währungsfonds (IWF), Weltbank, Welthandelsorganisation (WTO) und das Weltwirtschaftsforum (WEF) sowie multinationale Konzerne. Aktionsschwerpunkte sind jeweils Tagungen und Konferenzen dieser Gremien, wie beispielsweise die G7/G8 genannten Gipfeltagungen. 43 "Das Gewaltpotenzial in der Antiglobalisierungsbewegung". Eidgenössisches Justizund Polizeidepartment, Bundesamt für Polizei, Dienst für Analyse und Prävention, Bern, Juli 2001 44 Der Begriff Neoliberalismus steht für eine Wirtschaftsordnung, die durch die Steuerung aller ökonomischen Prozesse über den Markt (d. h. durch freien Wettbewerb) und die Ablehnung jeglicher staatlicher Intervention gekennzeichnet ist. 60 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Zu Protesten kommt es in der Regel nicht nur an den jeweiligen 45 Tagungsorten. Im Sinne der Devise "Think global! Act local!" 46 werden zeitgleich sogenannte "Global Action Days" mit dezentralen Protestaktionen durchgeführt. Zweckorientierte Einige dieser Personenkreise sehen Gewalt als legitimes Mittel Provokation zur Revolution an, um die Bevölkerung aufzurütteln und so das System zu schwächen. Als zweckorientierte Provokation soll sie u. a. die Medienberichterstattung dominieren und damit letztlich zur Herstellung einer breiteren Öffentlichkeit dienen. Insofern ist davon auszugehen, dass eine Militanz, wie sie zuletzt im Rahmen des von Globalisierungsgegnern ausgerufenen "Summer of 47 Resistance" beim EU-Sommergipfel in Göteborg im Juni und der G8-Tagung in Genua im Juli manifest wurde, keineswegs spontan entsteht. 45 "Denke global! Handle lokal!" 46 "Weltweite Aktionstage". Sie wurden ursprünglich initiiert durch die Bewegung "Peoples Global Action" (PGA) und stehen jeweils unter einem bestimmten Motto bzw. sind thematisch gebunden. Ihre Ausrufung - zumeist via Internet - soll gleichzeitiges und inhaltlich konformes Protestverhalten international bündeln. Siehe auch S. 175. 47 "Sommer des Widerstands". International verwendete Bezeichnung für die AntiGlobalisierungs-Protestaktionen des Jahres 2001. 61 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Unter den gewalttätigen deutschen Protestteilnehmern konnte sowohl in Göteborg als auch in Genua ein relativ hoher Anteil von Personen festgestellt werden, die der Berliner autonomen Szene zuzurechnen sind. Von den zehn in Göteborg festgenommenen deutschen Staatsbürgern hatten sechs ihren Wohnsitz in Berlin. Diese gehörten zur so genannten "Köpi"-Gruppe. "Köpi"-Gruppe Im Berliner Szenetreffpunkt "Köpi" trafen sich im Rahmen des "Summer of Resistance" regelmäßig militante Autonome zur Vorbereitung und Koordinierung von Anti-Globalisierungsaktionen. In Genua, wo ein gewalttätiger italienischer Demonstrant von der Polizei erschossen wurde, kam es zu zahlreichen Festnahmen auch von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Umstände des polizeilichen Vorgehens und der Festnahmen werden von italienischer Staatsanwaltschaft noch untersucht. Zahlreiche aus Berlin stammende so genannte "Alt-Autonome" Funktion der "Altvermieden es, sich in nachweisbarer Weise selbst an AusAutonomen" schreitungen zu beteiligen. Sie übernahmen organisatorische Funktionen, versuchten durch Vorträge die inhaltliche Ausgestaltung von Protesten zu beeinflussen und kümmerten sich um eine internationale Kooperation von Aktionsgruppen. Durch solche gemeinsamen Protestvorbereitungen entstehen Gruppenund Personenkontakte, welche die Szene insbesondere vor dem Hintergrund einer seit langem angestrebten Vernetzung auch für zukünftige Aktivitäten als sehr relevant beurteilt. Für das letzte politische Großereignis des Jahres 2001, den EUGipfel im Dezember in Brüssel, wurde in Berlin im Vergleich zum Brüssel Sommer deutlich weniger mobilisiert. Gleichwohl ist es auch in Brüssel zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen, an denen erneut in nicht unerheblichem Ausmaß Deutsche beteiligt waren. Die belgischen Behörden stellten insgesamt ca. 100 deutsche Gewalttäter fest; unter ihnen befanden sich zehn Berliner. Bei Parallelveranstaltungen in Berlin konnte jedoch nur durch die thematische Verknüpfung der Antiglobalisierungsproblematik mit 62 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 dem Thema Weltfrieden ein nennenswertes Protestpotenzial 48 mobilisiert werden . Diese Entwicklung hängt vermutlich zum einen mit der Häufigkeit politischer Großereignisse in den vergangenen Monaten 49 zusammen. Zum anderen haben die Ereignisse von Genua innerhalb der linksextremistischen Szene zu einer umfassenden Diskussion über den Einsatz von Gewalt bei derartigen Aktionen geführt. 3.4.3 "Anti-Atom-Kampagne" Die "Anti-Atom-Kampagne" unterliegt nicht einer gezielten Beobachtung. An ihr beteiligen sich jedoch auch Gruppen und Personen, die die bestehende staatliche Ordnung ablehnen. So bleibt der Widerstand gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie ein relevantes Aktionsfeld von Linksextremisten, die den "Kampf gegen die Atommafia" auch stellvertretend als Kampf gegen die bestehende staatliche Ordnung führen. Diese ermögliche nach ihrem Verständnis erst die Nutzung der "menschenfeindlichen Technologie". InstrumentaliAuch im vergangenen Jahr versuchte die militante Anti-Atomsierung der Bewegung, die bürgerliche Anti-Atom-Bewegung für ihre eigebürgerlichen nen politischen Ziele zu instrumentalisieren. Die massive BehinBewegung derung von "CASTOR"-Transporten wurde medienwirksam dazu genutzt, das Gewaltmonopol des Staates in Frage zu stellen. Wie bereits 1997 war auch im Frühjahr 2001, vor und während der ersten Atommülltransporte unter einer rot-grünen Bundesregierung, eine Intensivierung der Propaganda feststellbar. Das Thema Anti-Atom wurde dabei mit anderen ideologisch begründeten Konfliktfeldern verknüpft, nicht zuletzt, um neue Mitstreiter zu gewinnen. 48 z. B. bei einer Demonstration am 15. Dezember bis zu 1 000 Personen 49 u. a. Tagung des "World Economic Forum" in Davos, Weltbanktreffen in Barcelona (wurde abgesagt, eine Mobilisierung fand trotzdem statt), DeutschFranzösischer Gipfel in Freiburg, EU-Sommergipfel in Göteborg, G8-Tagung in Genua 63 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Berlin ist seit vielen Jahren ein regionaler Schwerpunkt der "Anti-Atommilitanten "Anti-Atom-Bewegung". Führender Zusammenschluss Plenum" (AAP) ist hier das Berliner "Anti-Atom-Plenum" (AAP), das dem gewaltbereiten autonomen Spektrum zuzurechnen und in die bundesweiten Widerstandsstrukturen eingebunden ist. Neben der Schwerpunktausrichtung Anti-Atom-Arbeit werden hier aus den oben genannten Gründen auch andere einschlägige Themen der linksextremistischen autonomen Bewegung behandelt. Vor und während der "CASTOR"-Transporte kam es auch in Berlin zu einer Vielzahl von Anschlägen, zu denen sich auto50 nome Gruppierungen bekannten . Neben Farbschmierereien kam es zu Sachbeschädigungen, Brandanschlägen und zu Störungen des Eisenbahnverkehrs durch Einhängen von so genannten Hakenkrallen in die Oberleitung und durch Aussägen von Schienenstücken. Angriffsziele waren wie in den Vorjahren auch Firmen, die von Linksextremisten als "Handlanger der Angriffsziele Atommafia" bezeichnet werden. Dazu zählt die Deutsche Bahn AG, die "CASTOR"-Behälter aus deutschen Kernkraftwerken in die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague befördert und die bearbeiteten Brennelementereste in das Zwischenlager Gorleben im niedersächsischen Wendland transportiert. Auch die Siemens AG ist Angriffsziel, weil sie führend im schlüsselfertigen Bau von Kernkraftwerken ist und sich früher in der Herstellung von Brennelementen, vor allem für deutsche Kernkraftwerke, engagiert hat. Die im November in Leipzig veranstaltete "Anti-AKW-Herbst"Anti-AKWkonferenz", an der auch militante Kernkraftgegner aus dem Herbstkonferenz" gesamten Bundesgebiet teilnahmen, konstatierte für die zweite Jahreshälfte eine Mobilisierungsschwäche bei Protesten gegen 50 In Berlin erfolgten im Zusammenhang mit "CASTOR"-Transporten eine Sachbeschädigung an einem LKW der Deutschen Bahn AG am 2. Februar, ein Brandanschlag auf zwei Firmenfahrzeuge und Einwerfen von Scheiben eines Gebäudes der Deutschen Bahn AG am 27. Februar und 20. März, Brandanschläge auf Fahrzeuge der SIEMENS AG am 4. und 18. März, 20. September und 18. November, sowie ein Anschlag auf die elektrische Oberleitung der Bahn am 23. Oktober. Ein weiteres Ziel war u. a. die S-Bahn Berlin GmbH als Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG, bei der am 5. März auf den Bahnhöfen Großgörschenstraße und Hermannstraße die Fahrscheinautomaten verklebt wurden. 64 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 durchgeführte "CASTOR"-Transporte nach Gorleben und diskutierte Perspektiven zukünftiger Anti-Atom-Arbeit. Diese sei unter dem Eindruck der Ereignisse des 11. September und vor dem Hintergrund der Erfolge der Anti-Globalisierungsbewegung ins Hintertreffen geraten. Insofern sei perspektivisch eine Vernetzung insbesondere mit der Bewegung gegen "neoliberale Globalisierung" anzustreben. Folgerichtig rief die "HerbstKonferenz" zur Teilnahme an Protesten u. a. gegen den EU-Gipfel in Brüssel im Dezember sowie die für Februar 2002 geplante Sicherheitskonferenz in München auf. Nicht zuletzt diese Entwicklungen zeigen, dass der Anti-AtomProtest nur ein Betätigungsfeld der hier involvierten militanten Szene ist und dass der "Kampf gegen die Atommafia" letztlich stellvertretend als "Kampf gegen das kapitalistische System" geführt wird. 3.4.4 "Antifaschistischer Kampf" Der "Antifaschistische Kampf" von Linksextremisten richtet sich nur vordergründig gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Er zielt letztlich darauf ab, die freiheitlich verfasste Demokratie, bezeichnet als "kapitalistisches System", und damit die angeblichen Wurzeln des Faschismus zu beseitigen. Den Politikern der demokratischen Parteien wird vorgeworfen, sich an die Spitze eines staatlichen "Antifaschismus" gesetzt zu haben, um diesen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Tatsächlich bekämpfen könnten sie ihn nicht. "Ein bürgerlicher Staat kann tatsächlich weder Rassismus noch 'Rechtsextremismus' wirkungsvoll bekämpfen, sondern bringt beide selbst mit hervor. Sich gegen die Nazis als Erscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft zu richten ist nur als Widerstand gegen den Staat möglich. Nur der Kampf gegen die Wurzeln, aus denen nicht nur die braune Brut erwächst, bietet eine tatsächliche Perspektive auf Befreiung - nicht nur von den Nazis" 51. 51 "kein antifaschismus ohne revolutionäre perspektive", in: Homepage der AAB 65 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Auch im vergangenen Jahr blieb die direkte Bekämpfung rechtsextremistischer Parteien, Gruppierungen und Unterstützer im Vordergrund "revolutionärer Antifapolitik". Bevorzugte Angriffsziele waren dabei Fahrzeuge und Versammlungsstätten von Rechtsextremiste Rechtsextremisten sowie so genannte "Faschokneipen" und "Na- n als Angriffsziel zi-Läden". Die Bandbreite der Aktionen reichte von Farbschmierereien über Sachbeschädigungen bis hin zu direkten Angriffen auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Eine bedeutsame Rolle spielen Veröffentlichungen von Namen, Anschriften, Telefonnummern oder anderen Daten in Publikationen der autonomen Szene. Sie sind als kaum verhohlene Aufforderung zu verstehen, gegen die "geouteten" Personen, Firmen oder Einrichtungen aktiv zu werden. So veröffentlichte die Berliner Szenepublikation "INTERIM" am 11. Januar die Firmenanschriften und Telefon-/Fax-Nummern von Busunternehmen, die am Transport von Rechtsextremisten am 25. Mai 2000 zum "2. Tag des Nationalen Widerstandes" der NPD in Passau beteiligt gewesen sein sollen. Die bundesweite Liste enthält auch Angaben über zwei Berliner Busunternehmen. Am 17. und 19. Januar sowie am 5. Februar kam es zu SachbeSachbeschäschädigungen gegen ein offenbar irrtümlich aufgeführtes Unterdigungen nehmen in Berlin, das nicht von Rechtsextremen in Anspruch genommen worden war. Unbekannte Täter hatten Parolen wie "Keine Busse für NPD" und "Nazis raus" hinterlassen. In diesem Zusammenhang veröffentlichte "INTERIM" in ihrer Ausgabe vom 8. Februar Anmerkungen eines "Antifas": "Von daher ist Genauigkeit bereits beim Notieren der Busse bzw. sind vor einer Veröffentlichung weitere Rechercheschritte vonnöten, zumal eine INTERIM-Veröffentlichung in diesem Zusammenhang häufig als Aufforderung zum Handeln begriffen wird." 52 Am 17. März bewarfen etwa 50 militante "Antifas" eine als Treffpunkt von Rechtsextremisten bekannte Gaststätte im Ortsteil 52 "INTERIM" Nr. 519 vom 8. Februar 2001, S.20 66 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Lichtenberg, in der eine Veranstaltung der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) stattfand, mit Steinen und beschädigten davor abgestellte Fahrzeuge. In der Folge kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gästen des Lokals und den Angreifern. Auch die körperlichen Angriffe auf tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten hielten an. So wurden in den Nachtstunden des 4. August im Ortsteil Friedrichshain zwei Männer, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet worden waren, von einer fünfköpfigen Personengruppe beschimpft und geschlagen. Beide erlitten erhebliche Verletzungen. Bereits am 27. Januar wurde im Ortsteil Hellersdorf aus einer Gruppe von 14 teilweise vermummten Personen heraus ein vermeintlich der rechten Szene zuzurechnender Jugendlicher attackiert. Anti-Nazi-LadenIm Sommer entfaltete die autonome "Antifa" vorrangig in Kampagne Pankow und Prenzlauer Berg eine so genannte Anti-Nazi-LadenKampagne. Ziel dieser Aktion war die Offenlegung von "Nazistrukturen", hier insbesondere das Vorhandensein von Läden, in denen sich die rechtsextremistische Szene mit entsprechenden Materialien versorgt. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Kleidungsstücke, einschlägige Aufnäher und Tonträger mit rechtsextremistischer Musik. Wie schon im Jahr 2000 gab es auch 2001 eine regelmäßige Abfolge von rechtsextremistischen Demonstrationen und Reaktionen der Autonomen. Reaktionen auf Das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen politischen Lager rechtsoder Angriffsversuche konnten jedoch alle durch die Polizei extremistische Demonstrationen unterbunden werden. Dies betrifft auch Aktionen gegen den Aufzug der NPD am 3. Oktober. Da die Versammlungsbehörde die angemeldete Wegstrecke geändert und ein massives Polizeiaufgebot Angriffe auf die Demonstranten verhindert hatte, waren konzentrierte militante Aktionen nicht mehr möglich. Die linksextremistische Szene bewertete den Verlauf des Tages als schwere Niederlage. 67 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Bei einer von der NPD angemeldeten Demonstration des bundesweiten rechtsextremistischen Spektrums am 1. Dezember gegen die so genannte Wehrmachtsausstellung in Mitte versuchten Autonome mehrmals am Endplatz einer Gegendemonstration, zu der zahlreiche gesellschaftliche Gruppen aufgerufen hatten, die polizeilichen Absperrungen zu durchbrechen. Dabei warfen sie Steine und Feuerwerkskörper auf Polizeibeamte, die daraufhin Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstöcke einsetzten und 37 Personen festnahm. Im Ergebnis erreichte die militante autonome Szene erneut nicht ihr Ziel, den NPD-Aufzug zum Abbruch zu bringen. 3.4.5 "Antirassismus" Ein weiteres thematisch relevantes Aktionsfeld militanter Linksextremisten war auch 2001 der Themenbereich "Antirassismus". Mit Demonstrationen, Veranstaltungen und anderen öffentlich wirksamen, teilweise militanten Aktionen gegen den vermeintlich "systemimmanenten Rassismus" sollten Entscheidungen staatlicher Einrichtungen verhindert oder unterlaufen werden. Auch Firmen, die als "Profiteure des Rassismus" bezeichnet werden, waren betroffen. Linksextremisten nutzten das Themen- 68 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 feld "Antirassismus" teilweise gemeinsam mit demokratischbürgerlichen Organisationen und Personen, um öffentlich wirksame Aktionen durchzuführen. Dabei versuchten sie nach Möglichkeit, Zielrichtung und Argumentation der Veranstaltungen zu bestimmen. Die der antiimperialistischen Szene zuzurechnende bundesweite Initiative "Libertad!" und das linksextremistisch beeinflusste Netzwerk "kein mensch ist illegal" riefen im März über das Kampagne gegen Lufthansa Internet zu einer Blockade der Lufthansa-Homepage auf. Die Aktion stand unter dem Motto "Deportation Class: InternetDemo gegen das Abschiebegeschäft". "Wenn Konzerne, die an Abschiebungen Geld verdienen, ihre größten Filialen im Internet aufbauen, muss man genau dort demonstrieren." 53 Wie bei einer Sitzblockade sollte der Zugang zur Homepage der Lufthansa durch Tausende Internetbenutzer zeitweise überlastet und so blockiert werden. Dem Internet (Indymedia) und verschiedenen Pressemeldungen war zu entnehmen, dass die Aktion offenbar nur geringe Auswirkungen hatte. Die Web-Site war demnach nur für etwa zehn Minuten schwer erreichbar gewesen. Zu einem technischen Versagen ist es nicht gekommen. Aus Sicht der Veranstalter wurde die Online-Demonstration dennoch als Erfolg gewertet, da man durch das enorme Medieninteresse die Ziele der Kampagne wirksam darstellen und verbreiten konnte. Im Rahmen der gegen die Lufthansa gerichteten Kampagne fanden außerdem Aktionen an verschiedenen Flughäfen, u. a. Frankfurt / Main und Berlin-Schönefeld sowie an Einrichtungen der Lufthansa AG und in Reisebüros statt, an denen sich auch linksextremistische Gruppen beteiligten. Die öffentliche Wirkung war jedoch nur mäßig. 53 "E-Protest", in: "deportation class", Gemeinsame taz-Beilage von "kein mensch ist illegal" und "Libertad!", Juni 2001 69 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Auch andere Firmen waren Ziele von Anschlägen. So zerstachen unbekannte Täter im April die LKW-Reifen einer Gerüstbaufirma, die an der Errichtung des Abschiebegewahrsams in Berlin-Grünau beteiligt gewesen sein soll. Ebenfalls im April wurde ein Brandanschlag auf ein Reinigungsfahrzeug einer von Brandanschlag der "Berliner Verkehrsbetriebe" (BVG) beauftragten Firma gegen BVG verübt. Die Täter forderten: "Freie Fahrt für alle - schluss mit dem rassistischen Kontrollsystem". Sie begründeten ihren Anschlag damit, dass angeblich ausländische Fahrgäste gezielt kontrolliert würden und bei der Feststellung von Personalien ausländischer Schwarzfahrer gleichzeitig auch deren Aufenthaltsgenehmigung geprüft würde. Mehrere in Berlin unter dem Motto "Nieder mit der Residenzpflicht" durchgeführte Kampagnen richteten sich gegen die räumlichen Aufenthaltsbeschränkungen, denen Asylbewerber in Deutschland unterliegen. Der Berliner Dom wurde im Mai spontan besetzt und auch bei einer Demonstration zur gleichen Zeit vor der Ausländerbehörde gelang es, im Innern der Dienststelle Flugblätter zu verteilen. Die meisten der an diesen Aktionen beteiligten Personen (darunter auch welche aus Brandenburg) sind den Verfassungsschutzbehörden als Angehörige des autonomen linksextremistischen Spektrums bekannt. Über den gesamten Berichtszeitraum organisierten antirassistiProtest gegen sche Gruppen gegen das so genannte Chipkarten-System ge"Chipkartenrichtete "Gemeinsam einkaufen" - Aktionen oder "AntirassistiSystem" 54 sche Einkäufe" mit Asylbewerbern und Flüchtlingen . Vor und in Supermärkten verschiedener Einkaufsketten, die sich an diesem Verfahren beteiligen, wurden Protestkundgebungen abgehalten. Szeneangehörige kauften mit Chipkarten ein und händigten Asylbewerbern anschließend den entsprechenden Bargeldbetrag aus. In der Szenepublikation "INTERIM" hieß es zudem: 54 In Berlin aufhältliche Asylbewerber oder Kriegsflüchtlinge bekommen zum Lebensunterhalt in einigen Bezirken statt Bargeld eine Chipkarte mit einem bestimmten Geldbetrag ausgehändigt, mit deren Hilfe in bestimmten Supermärkten eingekauft werden kann. Diese Regelung wurde per Gesetz 1998 in Deutschland eingeführt, um einem möglichen Missbrauch von Sozialleistungen vorzubeugen. 70 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Einkaufen mit Flüchtlingen ist cool, Plündern für Flüchtlinge ist besser. Wir fordern alle auf, sich offensiv und kreativ mit verschiedenen Aktionen an der sofortigen Abschaffung des Chipkartensystems zu beteiligen. Zuerst müssen diese Läden schließen, und zwar alle und möglichst schnell. Um dies zu realisieren, gibt es verschiedene Wege, Steine fliegen in Scheiben, Läden lassen sich plündern, Buttersäure macht Einkaufen zur Qual. Seit kreativ und lasst euch was einfallen." 55 Brandanschlag Am 25. Oktober wurde auf einen Supermarkt in Berlin-Lichtenauf Supermarkt berg ein Brandanschlag verübt, bei dem der Kassenbereich völlig ausbrannte. Vor dem Geschäft wurden so genannte Krähenfüße ausgestreut, um mögliche Verfolger zu behindern. Obwohl zahlreiche Einzelaktionen zum Thema "Antirassismus" durchgeführt wurden, konnten diese jedoch kaum Öffentlichkeitswirksamkeit entfalten. Die Mobilisierung blieb weit hinter der des Themenbereichs "Anti-Globalisierung" zurück. Dies führte zu Überlegungen innerhalb der Szene, zukünftig eine engere Verzahnung mit Globalisierungsgegnern und Antifaschismusgruppen anzustreben. 3.5 Neue Medien Linksextremisten nutzen verstärkt neue Medien, insbesondere das Internet. Über Homepages veröffentlichen verschiedene Gruppen Selbstdarstellungen, Informationen zu aktuellen Geschehnissen und Kampagnen sowie Aufrufe zu Demonstrationen und Veranstaltungen. Für Kampagnen mit meist überregionaler Bedeutung werden zusätzliche Homepages eingerichtet. Über ihre Homepages und E-Mail-Adressen sind selbst konspirativ arbeitende Gruppen ansprechbar. Zum Austausch von Nachrichten werden jedoch meistens Verschlüsselungsprogramme benutzt. 55 "Schon wieder Reichelt", in: "INTERIM" Nr. 535 vom 4. Oktober 2001, S. 19 71 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 In Berlin verfügt beispielsweise die militante "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) über eine eigene, professionell gestaltete Homepage, die in der Regel einmal wöchentlich aktualisiert wird. Die gesteigerte Bedeutung des Internets für Linksextremisten basiert nicht zuletzt auf dem im Frühjahr 2001 gegründeten Internetportal "Indymedia Deutschland". Dieses ist als deutscher Indymedia 56 Ableger von "Indymedia International" im Internet vertreten. "Indymedia ist unabhängige nichtkommerzielle Berichterstattung von unten über wichtige soziale und politische Themen vor Ort und weltweit. Hunderte von Medieninitiativen und AktivistInnen sind daran beteiligt. Indymedia ist ein internationales hierarchiefreies Netzwerk und versteht sich als Teil des weltweiten Widerstands gegen die kapitalistische Globalisierung." Technisch funktioniert "Indymedia" so, dass "AktivistInnen" vor Open Posting Ort jederzeit z. B. via Computer, Handy, digitale Kameras Informationen, Eindrücke, Bewertungen, Bilder, Aufrufe usw. unter der Webadresse von "Indymedia" ins Netz einstellen können ("Open Posting"). Der deutsche Ableger des Netzwerks diskutiert das Modell einer "moderierten Redaktion", die übermitteltes Material grob sichten, sortieren und ggf. auch ablehnen soll, um zu vermeiden, dass Inhalte, die als rassistisch, faschistisch, sexistisch oder "sonst wie autoritär und diskriminierend" eingestuft werden, unter dem Logo von "Indymedia" Verbreitung finden. "Indymedia International" entstand im Rahmen der Proteste gegen die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO Ende November 1999 in Seattle/USA und sieht sich nicht nur aus diesem Grund als "Bestandteil des Widerstands gegen die 56 Homepage "Indymedia" 72 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 kapitalistische Globalisierung". "Indymedia" leitet sich ab von der englischen Bezeichnung "Independent Media" (Unabhängige Medien); Ende 2001 soll es weltweit über 70 "Independent Media Centres" (IMC) gegeben haben, darunter allein 17 in Europa. Berliner "Indymedia Deutschland" setzt sich in erster Linie zusammen Aktivitäten aus Berliner Aktivisten und Angehörigen des linksextremistischen "nadir"-Info-Systems aus Hamburg. "Indymedia Deutschland" 57 verfügt über ein Büro im "Mehringhof" . In Berlin sollen nach eigenen Aussagen etwa 15 Personen in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften wie Geld AG, Propaganda bzw. Public AG, Technik AG, Print AG (verantwortlich für die Erstellung von gedruckten Ausgaben zu bestimmten, aktuellen Themen) und AG Redaktion, die sich u. a. um bevorstehende Ereignisse kümmert, tätig sein. Darüber hinaus veranstaltet "Indymedia" wöchentlich so genannte Hauptplena, die öffentlich und für jeden zugänglich sind. Anonymität Der Personenkreis, der "Indymedia Deutschland" zuzurechnen ist, ist nicht genau eingrenzbar, weil "AktivistInnen" aufgefordert sind, nicht mit Klarnamen aufzutreten, um eventuell strafrechtlich relevante Aussagen oder Sachverhalte nicht zum Verursacher zurückverfolgen zu können. "Indymedia Deutschland" wird von Berliner Linksextremisten aus unterschiedlichen Zusammenhängen und von "momentanen AktivistInnen vor Ort" als Forum genutzt. Ideologisch sieht sich "Indymedia" in der 58 anarchistischen "Graswurzelbewegung" verankert und arbeitet dementsprechend nach eigenem Bekunden an einer "Mobilisierung der Massen für eine gerechtere Welt". Nach wie vor überwiegen jedoch die "traditionellen" Kommunikationsmittel wie Szenepublikationen, Handzettel und Klebezettel ("Spuckis"). Auch findet die Berliner Szenepublikation "INTERIM" nach wie vor eine weite Verbreitung. 57 Dabei handelt es sich um ein Szeneobjekt in Friedrichshain-Kreuzberg, das u. a. als zentraler Anlaufpunkt für die autonome Szene dient. 58 Anarchistische Bewegung, die sich seit Ende der neunziger Jahre international vernetzt und zahlreiche neue Aktionsformen wie z. B. die "Global Action Days" entwickelt hat. Bezeichnung von engl. "grassroots": (Fuß-)Volk, Basis abgeleitet. 73 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 74 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 4 Ausländerextremismus 4.1 Überblick Der Anteil der in Berlin Ende 2001 melderechtlich erfassten 436 182 Ausländer (2000: 435 117), die extremistischen oder extremistisch beeinflussten Ausländerorganisationen zuzurechPotenziale nen sind, lag 2001 bei 1,5 % und ist damit gegenüber 2000 konstant konstant geblieben. Auch in absoluten Zahlen ergaben sich in Berlin wie auf der Bundesebene gegenüber dem Vorjahr keine wesentlichen Veränderungen der ausländerextremistischen Personenpotenziale. (Während für das Jahr 2001 von 6 500 Personen ausgegangen wird, waren es 6 475 Personen im Jahr 2000.) Von den 126 050 türkischen Staatsangehörigen (ca. 28,9 % der ausländischen Wohnbevölkerung) werden 3 920 Personen (ca. 3,1 %) den in Berlin aktiven verschiedenen türkischen linksextremistischen, extrem-nationalistischen und islamistischen Organisationen zugerechnet. Sowohl in Berlin wie bundesweit lässt sich ein Rückgang der Anhängerschaft linksextremistischer türkischer Organisationen verzeichnen, während das islamistische und extrem-nationalistische türkische Potenzial bundesweit einen leichten Zuwachs erfuhr. Unter den rund 50 000 Personen kurdischer Volkszugehörigkeit in Berlin verfügt die Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 59 über etwa 1 100 Anhänger . 59 9,2 % des bundesweiten Gesamtpotenzials der PKK von etwa 12 000 Anhängern 75 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Gesamtpotenzial: ca. 6 500 Personen Islamistische Türken 3050 Islamistische 1200 Araber/Palästinenser Kurden 1110 Extrem-nationalistische 600 Türken Linksextremistische 270 Türken Linksextremistische 170 Araber/Palästinenser Organisierte 30 oppositionelle Iraner Organisierte regimetreue 20 Iraner Sonstige 50 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 Das entscheidende Ereignis in der Entwicklung des Ausländerextremismus in Berlin im Jahr 2001 waren die Terroranschläge 60 des 11. September und ihre Folgen . Dieses beispiellose Ereignis stellte alle anderen Erscheinungsformen des politischen Extremismus in den Schatten und wirkte sich auch unmittelbar auf die Aktivitäten aller ausländischen extremistischen Organisationen vor allem islamistischer Prägung sowie arabischer Provenienz aus. 60 siehe S. 14 ff. 76 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Islamismus Auch wenn nicht zu übersehen ist, dass der sunnitische Islamismus des 20. Jahrhunderts seine Wurzeln in den schriftlich fixierten religiösen Grundlagen des Islam, des Koran und der Sunna hat, muss um der Klarheit willen scharf getrennt werden: Der Islamismus ist keine Religion und kein religiöser Wahn. Er ist eine extremistische politische Ideologie der Neuzeit. Sie präsentiert sich zwar im religiösen Gewand, das aus den jeweils passenden Versatzstücken des Islam zusammengesetzt ist, doch kennzeichnet sie, was sie mit anderen linken und rechten Extremismen gemein hat: Das Ziel der Errichtung eines universalen totalitären Herrschaftssystems, in dem Freiheit und Menschenrechte unterdrückt werden. Islamisten lehnen sowohl den gescheiterten Kommunismus als auch den als dekadent und unmoralisch beschriebenen Kapitalismus ab, um das Wohlergehen der Menschheit zu gewährleisten. Nur eine "Islamische Ordnung" bzw. ein "Islamisches System" entspreche vollständig der "menschlichen Natur". Staatliche Herrschaft stehe nur Gott zu und nicht den Menschen, die nur willkürlich handeln könnten. Eine "Islamische Ordnung" steht damit im Widerspruch zu wesentlichen Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie dem Gleichheitsgrundsatz, dem Prinzip der Volkssouveränität, dem Mehrheitsprinzip oder dem Recht auf eine parlamentarische Opposition. Dennoch sind in einer Gesamtschau auf das Jahr 2001 auch die weniger im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehenden Entwicklungslinien in den verschiedenen Feldern des Ausländerextremismus darzustellen. Dass der demokratische Rechtsstaat gegenüber dem MissVerbot brauch der in unserer Verfassungsordnung garantierten Möglich"Kalifatsstaat" keiten der freien politischen Betätigung durch ausländische Extremisten nicht wehrlos ist, bewies der Bundesinnenminister mit dem Verbot des islamistischen Verbandes "Der Kalifatsstaat" am 12. Dezember. 77 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Das durch die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz ermöglichte Verbot des "Kalifatsstaats" wurde ausgesprochen, weil der Verband sich offen gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik sowie den Gedanken der Völkerverständigung richtete und die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdete. Die PKK trat im Rahmen des von ihr seit 1999 proklamierten PKK Umwandlungsprozesses als eine ausschließlich politisch agierenden Organisation mit verschiedenen Kampagnen in Erscheinung, deren Ziel die Anerkennung der kurdischen Identität und die Eröffnung von Handlungsspielräumen zur Lösung der kurdischen Frage ist. In diesem Zusammenhang erklärte die Parteiführung Anfang 2002 sogar, künftig ihre Aktivitäten unter der Bezeichnung PKK in der Türkei und Europa einstellen zu wollen. Allerdings kann von einer Auflösung der Partei nicht die Rede sein. Vielmehr soll offensichtlich der nicht nur aus türkischer Sicht belastete Name PKK einer erhofften politischen Lösung nicht weiter im Wege stehen. Ob die PKK-Basis auf längere Sicht bereit ist, den von 61 ÖCALAN und der Parteiführung propagierten Kurs der Gewaltfreiheit ohne Anzeichen einer grundlegenden Verbesserung der Lage der kurdischen Bevölkerung in der Türkei mitzutragen, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Bislang ist die Partei trotz der Bildung mehrerer oppositioneller Gruppen ehemaliger Funktionäre der PKK von Geschlossenheit gekennzeichnet. Die im Herbst 2000 durch das Wiederaufleben der "Intifada" Araber ("Zweite" bzw. "al-Aqsa-Intifada") festzustellende große Mobilisierung unter den in Berlin lebenden Arabern, die zu mehreren Großdemonstrationen im Berliner Stadtgebiet geführt hatte, setzte sich 2001 in Berlin trotz einer Zuspitzung der Lage in den Autonomiegebieten nicht fort. War ein deutlicher Rückgang 61 Abdullah ÖCALAN amtierte seit der offiziellen Gründung der PKK am 27. November 1978 als Generalsekretär und unumschränkter Führer des die Partei leitenden Zentralkomitees (ZK). Seit der Verhaftung ÖCALANs am 15. Februar 1999 führt ein "Präsidialrat", dessen Mitglieder vom ZK gewählt und von ÖCALAN bestätigt wurden, die Partei im Sinne der von ÖCALAN aus der Haft heraus abgegebenen Erklärungen. 78 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 öffentlichkeitswirksamer Proteste im Zusammenhang mit der Nahostkrise bereits vor dem 11. September zu beobachten, so hielten sich viele extremistische palästinensische und andere extremistische arabische Organisationen nach den Anschlägen in den USA noch stärker zurück, um nicht in das Visier deutscher Sicherheitsbehörden zu geraten. Doch trotz dieser - zumindest nach dem 11. September - taktisch bedingten Zurückhaltung können die Auswirkungen des ungelösten israelisch-palästinensischen Konflikts jederzeit auch in Berlin spürbar sein, zumal alle relevanten islamistischen wie laizistischen extremistischen Organisationen hier über Strukturen verfügen. Politische Entwicklungen und aktuelle Ereignisse in den Heimatländern prägten die Aktivitäten auch anderer hier aktiver ausländerextremistischer Organisationen. So stellte das Schicksal der politischen Gefangenen in der türkische Linksextremisten Türkei wie bereits im Vorjahr auch im Jahr 2001 einen Agitationsschwerpunkt linksextremistischer türkischen Organisationen dar. Verliefen die europaweiten Protestaktionen auch weitgehend friedlich, so ist doch nicht zu verkennen, dass diese Zurückhaltung eher taktischer Natur ist und situationsbedingt auch wieder in zielgerichtete Gewalthandlungen umschlagen kann. Darauf deuten einzelne sehr militant formulierte Erklärungen linksextremistischer türkischer Organisationen hin. Iraner Die Protestkundgebungen iranischer Oppositioneller, u. a. "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK), aus Anlass der Besuche hochrangiger iranischer Politiker, die im Vorjahr besonders spektakulär den Deutschland-Besuch des iranischen Präsidenten KHATAMI begleitet hatten, setzten sich auch 2001 fort. Wiederum blieb es nicht bei friedlichen Protestdemonstrationen, sondern wie bereits im Vorjahr kam es auch zu militanten Störaktionen durch z. T aus anderen europäischen Staaten angereiste MEK-Anhänger. 79 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 4.2 Verbot der Vereinigung "Der Kalifatsstaat" Am 12. Dezember hat der Bundesinnenminister den islamistischen Verband "Der Kalifatsstaat" (Hilafet devleti) verboten. bundesweiter Dem Verbandsvorsitzenden des "Kalifatsstaates", Metin KAPVollzug LAN, wurde die Verbotsverfügung in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf zugestellt, in der er seit seiner Verurteilung am 15. November 2000 eine dreijährige Haftstrafe wegen öffentlicher 62 Aufforderung zu Straftaten verbüßt . Das Verbot umfasst neben dem Gesamtverband auch die zum Verband gehörende, in den Niederlanden registrierte Stiftung "Diener des Islam" sowie 19 Teilorganisationen. In Vollzug des Verbots durchsuchte die Polizei in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen und Berlin rund 200 Moscheeräumlichkeiten und Wohnungen von Verbandsfunktionären. In Berlin waren von den Maßnahmen die "Muhacirin-Moschee" in Friedrichshain-Kreuzberg, sowie Wohnungen von zwei Berliner Verbandsfunktionären betroffen. Dabei stellte die Polizei umfangreiche Unterlagen wie Namenslisten, Spendenquittungen und Propagandamaterial sicher. Das Verbot des Verbandes wurde erst durch die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz möglich. Das Verbot ist begründet, da sich der "Kalifatsstaat" offen gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie den Gedanken der Völkerverständigung richtete und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepu63 blik Deutschland gefährdete . Nach der Verbotsbegründung zielte der Verband auf die Weltherrschaft des Islams und - als ersten Schritt in diese Richtung - 62 KAPLAN hatte zur Ermordung des Berliner "Gegenkalifen" Dr. Halil Ibrahim SOFU aufgerufen. Dieser wurde 1997 in seiner Berliner Wohnung erschossen. 63 Im Februar 2002 hat der "Kalifatsstaat" gegen sein Verbot Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. 80 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 64 auf die Beseitigung des gegenwärtigen, laizistisch ausgerichteten Staatssystems in der Türkei. Für Anhänger KAPLANs Demokratiestellt die Demokratie "eine Ordnung des Unglaubens", eine dem feindlichkeit Wesen des Islam fremde und "von Juden erdachte Intrige" dar, die nur Uneinigkeit und Zersplitterung herbeiführe. KAPLAN hatte den Anspruch, als Kalif - Statthalter des Propheten - die Führung der islamischen Welt zu übernehmen. Die Glaubensgrundsätze sollten in dem zu schaffenden Staatssystem auch die Staatsform bestimmen. Seine Weltanschauung verbreitete der "Kalifatsstaat" in seiner wöchentlich erscheinenden Zeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" (Die Gemeinde Mohammeds), in der per Satellit bis in die Türkei ausgestrahlten Fernsehsendung "HAKK-TV" und über das Internet. In zahlreichen Artikeln der "ÜMMET-I MUHAMMED" wurde die strikte Ablehnung der Demokratie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, was auch einen wesentlichen Bestandteil der Verbotsbegründung darstellt. So wird dort z. B. zitiert: "Der Islam ist sowohl eine Religion als auch ein Staat [...]. Der Islam ist niemals mit der Demokratie vereinbar! Kurzum läuft das demokratische Regime im Kern, im Grunde und Endergebnis dem Islam zuwider, sogar im höchsten Maße." 65 Die Muslime werden vor der Demokratie gewarnt: "Die schlimmste Krankheit unserer Zeit ist die Demokratie! Sie ist gefährlicher und tückischer als Krebs, Aids, als die Pest und vergleichbare Krankheiten. Die Demokratie ist die größte Krankheit." 66 Auch in welcher Weise der "Kalifatsstaat" in der Türkei mit den Vertretern des verhassten laizistischen Systems umgehen wollte, wurde in der Verbandszeitung publiziert: Wenn der "Kali64 Laizismus: strikte Trennung von Religion und Staat, durch Mustafa Kemal ATATÜRK als Grundprinzip für die türkische Republik durchgesetzt. 65 "ÜMMET-I MUHAMMED" Nr. 314 vom 17. Februar 2000 66 "ÜMMET-I MUHAMMED" Nr. 381 vom 31. Mai 2001 81 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 fatsstaat" das gesamte Land Anatolien beherrsche, werde man nach der Gründung der Gerichte einzeln mit den Glaubensabtrünnigen abrechnen und sie hinrichten.67 Der Antisemitismus bildete seit der Verbandsgründung eine Antisemitismus Konstante der Propaganda des "Kalifatsstaats". So heißt es hierzu in der "ÜMMET-I MUHAMMED": "Wenn wir Juden sagen, dann werden alle Muslime von einem Schauer erfasst [...]. Die jüdische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die die Propheten ermordete, sich gegenüber den Gottesgaben undankbar zeigte und Hinterhältigkeit und Gewalttätigkeit zu ihrer Parole machte." 68 Die Berliner Gliederung des "Kalifatsstaats" hatte ihren Sitz zuletzt in der Kreuzberger "Muhacirin-Moschee" und umfasste ca. 50 Personen. Die Eröffnungsfeier fand 1996 in Anwesenheit des als "Emir der Gläubigen" bezeichneten Metin KAPLAN statt. Die Moschee diente im Selbstverständnis der Anhänger des "Kalifatsstaates" mehreren Funktionen, wie aus der vom Berliner 69 "Gebietsemir" gehalten Eröffnungsrede deutlich wurde : "Die in Berlin eröffnete und dem Kalifatsstaat angeschlossene Muhacirin Moschee wird aus wissenschaftlicher Sicht als Medrese (Koranschule), aus der Sicht des islamischen Ordenswesens als ein Derwischkloster und aus militärischer 70 Sicht als eine Kaserne dienen". 67 "ÜMMET-I MUHAMMED" Nr. 179 vom 17. Juli 1997 68 "ÜMMET-I MUHAMMED" Nr. 171 vom 22. Mai.1997 69 "ÜMMET-I MUHAMMED" vom 12. Dezember 1996 70 Die Rede des Gebietsemirs ist inhaltlich angelehnt an Äußerungen des 1995 verstorbenen Gründers des Kalifatsstaats, Cemaleddin Kaplan. 1989 hatte er in einem Interview für die Zeitschrift "Girisim" erklärt, dass die Religions-StaatsEinheit Islam sowohl Religion wie auch Staat sei, Gebet wie auch Politik sei. Auf dem Zweig der Derwischklöster liege die Einheit und die gemeinsame Durchführung der Rezitation religiöser Formeln. Die Formel dazu würde heißen: Medrese - Derwischklöster - Kaserne. 82 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 4.3 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) "Friedenskurs" der PKK Laut ihrer Selbstdarstellung befindet sich die PKK bereits seit Umwandlung 1999 in einem Umwandlungsprozess von einer auf den bewaffneten Kampf ausgerichteten Organisation zu einer politisch agierenden Partei. Die organisatorischen Veränderungen waren jedoch bis zum Ende des Jahres auf Umbenennungen ihrer Teilorganisationen beschränkt. Die bisherigen Hierarchieund Befehlsstrukturen - das Festhalten am Führerkult, am Prinzip des demokratischen Zentralismus und an konspirativ agierenden Kadern - sind dagegen unverändert geblieben. Im Zuge der proklamierten "Umwandlung" änderte die Partei ihre Veränderte Zielsetzung Ziele: Die PKK fordert nunmehr die Anerkennung der kurdischen Identität, d. h. der kurdischen Sprache und Kultur, Amnestien für PKK-Aktivisten und insbesondere auch die Aufhebung der gegen Abdullah ÖCALAN verhängten Todesstrafe. Von ihren früheren Autonomiebestrebungen ist die PKK abgerückt und strebt für die kurdischen Volkszugehörigen einen Platz in einer Türkei an, die sie nun als "demokratische Republik" beschreibt. Als Beweis für die friedliche Linie führt die Organisation die Einstellung des bewaffneten Kampfes und den Abzug ihrer Kämpfer aus dem türkischen Territorium an. Auch in Westeuropa hat die PKK ihrem neuen Kurs entsprechend weitgehend gewaltfrei agiert. In der Bundesrepublik Deutschland setzt sich die PKK für die Aufhebung des Betätigungsverbots ein. Anfang Februar 2002 berichteten deutsche Tageszeitungen fälschlicherweise, dass die PKK beabsichtige, sich aufzulösen. Anders lautendenden Berichten der PKK-orientierten türkischVermeidung der 71 Bezeichnung PKK sprachigen Tageszeitung "Özgür Politika" sowie des in Berlin 72 ansässigen "Kurdistan Informations-Zentrums" (KIZ) zufolge habe der Parteirat der PKK Ende Januar 2002 seine 5. Generalversammlung beendet und im Rahmen der von der Parteiführung 71 "Özgür Politika" vom 6. Februar 2002 72 Presseerklärung des KIZ vom 6. Februar 2002 zur Veröffentlichung des Abschlusskommuniques der Parteiratsversammlung am 5. Februar 2002 83 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 beabsichtigen "Neustrukturierung und Strategie der Veränderung und des Wandels" beschlossen, die politische, organisatorische und praktische Arbeit unter dem Namen PKK innerhalb der Grenzen der EU und der Türkei einzustellen. Stattdessen wolle man künftige Aktivitäten im Namen der "Kurdischen Demokratischen Volksunion" (YDK) und des "Kurdischen Nationalkongresses" (KNK) organisieren. Entgegen dem vielfach von den Medien angekündigten "Ende der PKK" handelt es sich hierbei lediglich um eine Umbenennung, die nach eigenem Bekunden der Partei einen weiteren historischen Schritt im Rahmen des Umwandlungsprozesses 73 darstellt . In der Bundesrepublik Deutschland trat die Partei bislang ohnehin nicht unter ihrer originären Bezeichnung "PKK", sondern als "YDK" in Erscheinung. Da nach den Verlautbarungen des Parteirates die für die Arbeit der YDK in Europa entscheidenden Strukturen keiner Veränderung unterliegen, kann davon ausgegangen werden, dass auch diese angekündigte Umbenennung - wie die organisatorischen Änderungen in der Vergangenheit - ohne Auswirkungen auf die tatsächliche Hierarchieund Befehlsstruktur bleibt und die Partei auch weiterhin ihre Aktivitäten nicht einschränken wird. Unabhängig von dem eingeschlagenen "Friedenskurs" bzw. von Vorwurf der beabsichtigten "Neustrukturierung" der Partei sind die Anmangelnder zeichen nicht zu übersehen, dass die aus Sicht der PKK Dialogmangelnde Dialogbereitschaft der türkischen Seite die Fortbereitschaft führung dieser friedlichen Linie sowohl in der Führung als auch an der Basis zunehmend in Frage stellt. Vor allem an der PKK-Basis wächst die Unzufriedenheit über die - trotz des von ÖCALAN und der Parteiführung propagierten Gewaltverzichts - ausbleibenden Verbesserungen der Lage der kurdischen Bevölkerung in der Türkei. Besonders bei den Anhängern der PKK-Nebenorganisation Militante "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) mehren sich Aktionen zumindest in Berlin die Anzeichen für eine wachsende Gewaltbereitschaft, die von der Partei immer schwerer unter Kontrolle 73 ebenda 84 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 zu halten ist. Ausdruck dafür sind folgende Aktionen, die jugendlichen Anhängern der Organisation zuzuordnen waren: * In den Abendstunden des 15. Februar zündeten jugendliche Kurden auf einer Kreuzung in der Nähe des Hermannplatzes in Berlin-Neukölln Autoreifen an. 74 In einem Artikel der "Özgür Politika" wurde diese Aktion einer Gruppe zugeschrieben, die sich "Serhildan-Jugend Kurdistans" nenne und mit dieser Aktion ihren "Protest gegen das internationale Komplott gegen die Auslieferung ÖCALANs in die Türkei" zum Ausdruck gebracht habe. Die kurdi75 schen Jugendlichen hätten u. a. "Biji APO " (Es lebe APO) gerufen und Informationsblätter verteilt, in denen der 15. Februar als "Tag des Aufstandes und Widerstandes" bezeichnet worden sei. Falls erforderlich, werde man nicht zögern, "berechtigte Aktionen auf höchster Ebene auszutragen". * Am 21. März zündeten etwa 15 Personen in Berlin-Mitte, Ortsteil Wedding, fünf Autoreifen an. Während der Aktion wurde auf Kurdisch u. a. "Es lebe APO" gerufen. 76 Die "Özgür Politika" berichtete hierzu, dass die YCK mit der durchgeführten Aktion vor dem Hintergrund eines angeblich gegen ÖCALAN geplanten "Anschlages" eine "Warnung" aus77 sprechen wollte . * Im August entzündeten mehrere Personen vermutlich kurdischer Herkunft in Bremen, Hamburg und Celle brennbare Flüssigkeiten auf der Straße. Sie skandierten Parolen mit Bezug zur PKK wie "APO, APO" und "PKK" und zeigten Spruchbänder, aus denen sich die Verantwortlichkeit der YCK für diese Aktionen ergibt. 74 "Özgür Politika" vom 17. Februar 2001 75 "APO" (deutsch: Onkel) ist der Spitzname Abdullah ÖCALANs. 76 "Özgür Politika" vom 23. März 2001 77 Zu dieser Zeit kursierte in Kreisen der PKK dieses Gerücht, ausgelöst durch eine Äußerung des Mitglieds des Präsidialrats Osman ÖCALAN im PKK-orientierten Fernsehsender MEDYA-TV. 85 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Derartige Aktionen jugendlicher PKK-Anhänger wurden von der Führung zwar stillschweigend übergangen, sie sind jedoch noch nicht als Zeichen für eine grundlegende Abkehr vom propagierten "Friedenskurs" der PKK zu werten. "Zweite Friedensinitiative" der PKK Nach Beendigung des bewaffneten Kampfes und Rückzug der Großdemonbewaffneten Einheiten aus der Türkei im Jahr 2000 hatte der strationen Präsidialrat der PKK Anfang Mai den Beginn einer "Zweiten Friedensinitiative" der PKK angekündigt. In dieser Phase des Befreiungskampfes sollte sich das gesamte kurdische Volk zu seiner Identität und zu "seiner Partei" bekennen. Während einer Großdemonstration am 8. Mai in London trugen zahlreiche Demonstranten Plakate mit der Aufschrift "I am the PKK". Der Präsidialrat forderte bereits im Vorfeld der von der PKKNebenorganisation "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) organisierten Demonstration am 12. Mai in Dortmund auf, dort in gleicher Weise auf die Existenz des kurdischen Volkes aufmerksam zu machen und durch eine massenhafte Provokation die Behörden auf ihre "Ohnmacht" 78 hinzuweisen . Zu den etwa 35 000 Teilnehmern dieser unter dem Motto Beteiligung "Frieden in Kurdistan! Dialog jetzt!" stehenden Demonstration türkischer Linkszählten neben Anhängern der PKK auch Anhänger linksexextremisten tremistischer türkischer Organisationen, u. a. der "Türkischen Kommunistischen Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) und der "Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei" (MLKP). Die Berliner PKK-Anhängerschaft beteiligte sich mit etwa 1 000 Personen. Obwohl das massenhafte Bekenntnis zur PKK in Dortmund nicht praktiziert wurde, stellte der Präsidialrat diese Demonstration als "Erfolg" dar. Das kurdische Volk habe 79 gezeigt, dass es Verbote nicht akzeptiere . 78 "Özgür Politika" vom 9. Mai 2001 79 "Özgür Politika" vom 13., 14. und 15. Mai 2001 86 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Im Zusammenhang mit der Fortsetzung des vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anhängigen Verfahrens gegen ÖCALAN demonstrierten am 31. Mai in Mitte etwa 500 Menschen zum Thema: "Freiheit für ÖCALAN - Frieden in Kurdistan". Diese zeigten Plakate mit dem Bildnis von ÖCALAN und dem Aufruf "Freiheit für Abdullah ÖCALAN". Sie forderten die Anerkennung der "politischen Identität der Kurden" sowie die Aufhebung des PKK-Verbotes. 80 In einem Vorbericht der Tageszeitung "Özgür Politika" wurde diese vom PKK-orientierten Fernsehsender MEDYA-TV auch live übertragene Veranstaltung als "Startschuss" der "Zweiten Friedensinitiative" der PKK angekündigt. Vor dem Hintergrund der "Identitätskampagne" der PKK fand am Solidaritäts30. Juni zum Thema "Freiheit für ÖCALAN, Frieden in kampagne Kurdistan" und "Für die Anerkennung der kurdischen Identität" eine Kundgebung statt. Es beteiligten sich etwa 750 Personen. Der Veranstalter forderte die Demonstrationsteilnehmer wiederholt auf, keine verbotenen Symbole zu zeigen bzw. Parolen zu skandieren. Dennoch kam es zu einzelnen Verstößen gegen das Vereinsgesetz durch das Zeigen von Bildern ÖCALANs und das Skandieren von Parolen mit PKK-Bezug. Im Juli wurden in Berlin vier Kundgebungen vor den Dienstgebäuden der Senatsverwaltungen für Justiz und für Inneres, vor dem Landgericht Berlin sowie vor dem Kammergericht angemeldet. Sie standen unter dem Thema "Freiheit für ÖCALAN - Frieden in Kurdistan" und bezogen sich insbesondere auf die von der PKK zur "Anerkennung der kurdischen Identität" durchgeführte "Offenlegungskampagne". Bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin wurden tauErmittlungsverfahren sende Unterschriften mit so genannten "Identitätsbekennungen" ("Ich bin PKK") abgegeben. Derzeit sind 4 175 Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Vereinsgesetz gegen die Unterzeichner dieser "Identitätsbekennungen" anhängig. 80 "Özgür Politika" vom 29. Mai 2001 87 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Auf Grund von Beschlüssen des Amtsgerichts Tiergarten kam es am 30. August im Zusammenhang mit der "Identitätskampagne" zu zeitgleich durchgeführten Durchsuchungen in zwölf verschiedenen Berliner Objekten, wovon auch die Räum81 lichkeiten des Vereins MALA KURDA betroffen waren. Ein PKK-Funktionär wurde festgenommen. Das KIZ nahm in einer Presseerklärung vom 26. Oktober zur Forderung nach "Identitätskampagne" der PKK Stellung. Darin heißt es, DeutschAufhebung des land sei das einzige Land, in dem diese Kampagne kriminalisiert Betätigungsverbots werde. Kurden, die sich an der Kampagne beteiligten, würden willkürlich von deutschen Behörden vorgeladen. Dort werde den Betroffenen das Selbstanzeigeformular mit ihrer Unterschrift und der Empfehlung vorgelegt, sich davon zu distanzieren. Für den Weigerungsfall würden den Betroffenen Konsequenzen angedroht. Es gehe den Behörden nicht um die Prüfung der Unterschriften, sondern darum, Druck auf die Beteiligten auszuüben, um die Wirkungskraft der Kampagne zu schwächen. Die deutsche Regierung wurde aufgerufen, die Bemühungen der PKK um eine friedliche Lösung der kurdischen Frage anzuerkennen und das Verbot der PKK aufzuheben. "Dritte Friedensinitiative" Im August entschied der Präsidialrat den Beginn einer "Dritten Weitere Friedensinitiative" als politische Massenaktion auch in der Türkei Mobilisierung und den kurdischen Siedlungsgebieten in anderen Staaten der Region. "Özgür Politika"82 berichtete, dass mit der 6. Nationalkonferenz der PKK vom 5. bis 22. August die "Dritte Friedensinitiative" der PKK eingeläutet worden sei. In dieser Phase, die am 1. September beginne, müsse jeder Kurde ein Friedensaktivist werden. Man beabsichtigte, nationale und politische Identitätserklärungen abzugeben. 81 siehe S. 89 f. 82 "Özgür Politika" vom 30. August 2001 88 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 In der gleichen Ausgabe der "Özgür Politika" wird das "kurdische Volk" aufgefordert: "Marschiert für den Frieden, ohne irgendein Hindernis anzuerkennen. Falls ihr dafür den Märtyrertod erleiden müsst, so akzeptiert auch das." In diesem Zusammenhang konnten allerdings bis zum Jahresende keine herausragenden Aktivitäten der PKK in Berlin festgestellt werden. Oppositionelle Gruppen Die Diskrepanz zwischen den an die Türkei gerichteten Forderungen nach Demokratisierung und der mangelnden Umsetzung nach innen führten zur Bildung mehrerer oppositioneller Gruppen ehemaliger Funktionäre der PKK. Diese Gruppen griffen den politischen Kurs des Präsidialrates Verratsvorwurf an ÖCALAN an. Abdullah ÖCALAN wurde beschuldigt, zur Rettung seines Lebens die Forderungen der Kurden nach weitestgehender Eigenständigkeit verraten zu haben und nunmehr dem türkischen Staat zu dienen. Die Oppositionsgruppen verfügten in der Vergangenheit weder über eine größere Akzeptanz innerhalb der PKK-Anhängerschaft noch über eine mit Abdullah ÖCALAN vergleichbare Führungsperson. Allerdings mehren sich - auch im Zusammenhang mit der "Dritten Friedensinitiative" der PKK - die Anzeichen dafür, dass den "Dissidenten" bzw. den "Abtrünnigen" von der PKK eine zunehmend größere Bedeutung beigemessen wird. Abdullah ÖCALAN soll die von einigen PKK-Funktionären im Aufruf zur Liquidierung Mai 2000 gegenüber seiner Person und am "Friedenskurs" der von Dissidenten PKK geäußerte Kritik zum Anlass genommen haben, die Verhängung der höchsten Strafe für die Personen auszusprechen, die sich inzwischen in die von der "Patriotischen Union Kurdistans" (PUK) beherrschten Regionen des Nord-Iraks abgesetzt hatten. Dieser Aufruf, bei dem es sich letztlich um eine Aufforderung zur Liquidierung der betreffenden PKK-Dissidenten gehandelt haben dürfte, wurde von den sich in der Bundes- 89 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 republik Deutschland aufhaltenden PKK-Kritikern öffentlich kritisiert. Eine Ausführung dieser angeordneten höchsten Strafe in Europa wäre mit dem propagierten "Friedenskurs" der PKK jedoch nicht in Einklang zu bringen und eher im überwiegend von Kurden besiedelten Südosten der Türkei oder im Irak zu befürchten gewesen. Mit einer neuerlichen Komplott-Theorie83 unterstellt die PKKKomplott-Theorie Führung, dass eine gezielte Kooperation westeuropäischer bzw. deutscher Nachrichtendienste mit PKK-Dissidenten stattfinde. Sie versucht damit, der Bundesrepublik Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten die "Schuld" an einem möglichen Misslingen des Demokratisierungsprozesses innerhalb der PKK anzulasten. Vereinsneugründung in Berlin Am 6. Mai fand in Kreuzberg unter Beteiligung von etwa 600 Mitgliedern und Sympathisanten der PKK ein "Gründungskongress" für den Verein "Kurdisches Haus Berlin-Brandenburg e.V." (MALA KURDA) statt. Eigenen Bekundungen zufolge die"MALA KURDA" ne der Verein dem Zweck, dass die in Berlin lebenden Kurden nunmehr "legal für ihre Rechte in der Öffentlichkeit eintreten könnten". Die Gründung von "MALA KURDA" sei auch eine Folge der demokratischen und friedlichen Linie der Partei in den letzten zwei Jahren. Zunächst existiert auch der bisher als Stützpunkt der Berliner PKK-Anhängerschaft geltende Verein "Demokratische Emigranten Union in Berlin e.V." (KOC-DEM) weiter. Es konnte wiederholt festgestellt werden, dass der PKK zuzurechnende Aktivitäten beispielsweise im Namen des Vereins KOC-DEM angemeldet wurden, jedoch in Veröffentlichungen "MALA KURDA" als Veranstalter genannt wurde. Die Stimmung in der Berliner Gliederung der PKK war nach der Reaktion auf 84 rchsuchung Durchsuchung der Räumlichkeiten von MALA KURDA als 83 "Özgür Politika" vom 15. Juli 2001 84 siehe S. 87 90 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "gelassen" zu bezeichnen. Die Durchsuchungsaktion wurde innerhalb der Berliner Gliederung der PKK als Schikane der Polizei gewertet. Man solle sich nicht einschüchtern lassen und wie bisher mit dem "Friedenskurs" fortfahren. Obwohl sich die PKK zunehmend mit Legitimationsproblemen und einer wachsenden Unzufriedenheit ihrer Anhänger konfrontiert sah, zeichnete sich eine grundsätzliche Abkehr der PKK vom Kurs des Gewaltverzichts nicht ab. Die Absichtsbekundung der PKK, sich umzubenennen, verdeutWeiterhin Gewaltverzicht licht die Hoffnung der Partei, die "belastete" Bezeichnung "PKK" abzustreifen und unter dem Deckmantel der Legalität ihre Interessen weiterverfolgen zu können. Zwar lassen sich zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses aus den Anfang des Jahres 2002 vom Parteirat gefassten Beschlüssen noch keine unmittelbaren Auswirkungen für die PKK in der Bundesrepublik Deutschland ableiten, jedoch ist eine Abkehr von der eingeschlagenen friedlichen Linie der Partei auch weiterhin nicht zu erkennen. 4.4 Reaktionen arabischer extremistischer Organisationen auf die Entwicklung des Nahost-Konflikts Die "al-Aqsa-Intifada", die im Herbst 2000 eine große AnteilZurückhaltung nahme unter den in Berlin lebenden Arabern hervorgerufen und zu mehreren Großdemonstrationen im Berliner Stadtgebiet geführt hatte, wirkte sich 2001 in Berlin trotz einer Zuspitzung der Lage in den Autonomiegebieten nicht in gleichem Maße aus. Dies war schon vor dem 11. September zu beobachten. Nach den Anschlägen in den USA hielten sich viele Organisationen strikt zurück, um nicht ins Visier deutscher Sicherheitsbehörden zu geraten. Weder die Wahl Ariel SHARONs zum israelischen Ministerpräsidenten am 6. Februar, noch dessen Berlin-Besuch am 5. Juli führten zu erkennbaren Reaktionen bei den Anhängern extremistischer palästinensischer Organisationen. Auch die 91 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 gezielte Tötung von Aktivisten der "Islamischen Widerstands85 bewegung" (HAMAS) und anderer palästinensischer Terrorgruppen sowie der punktuelle Einmarsch in palästinensische Ortschaften in den Autonomiegebieten bzw. deren Abriegelung durch die israelische Armee blieben in Berlin ohne sichtbare Resonanz. Im Lauf des Jahres boten die aktuellen Ereignisse im Nahen Aktionen in Berlin Osten jedoch auch in Berlin Anlass für verschiedene Aktionen: Am 24. März führten Vertreter verschiedener islamistischer und anderer extremistischer Organisationen eine größere, friedlich verlaufene Demonstration mit ca. 500 Teilnehmenden zum Thema "Frieden, Demokratie, Menschenrechte - gegen Zionismus und Krieg" durch. Teilnehmer waren Anhänger islamistischer arabischer Gruppen, wie der palästinensischen HAMAS und der libanesischen "Partei Gottes" ("Hizb Allah") sowie linksextremistischer palästinensischer Organisationen, z. B. der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP). Anlass war die Gipfelkonferenz der "Arabischen Liga" in Amman (Jordanien) am 27./28. März. Die "Arabische Liga", deren Berliner Büro in Berlin-Kreuzberg Ziel des Aufzugs war, zählt die Palästinafrage zu ihren zentralen Anliegen. Zum Abschluss wurde dem Leiter des Berliner Büros der "Arabischen Liga" eine Petition überreicht. Vor dem "Axel-Springer-Haus" hatte man zuvor über einen Lautsprecherwagen Kritik an der pro-israelischen Berichterstattung der so genannten "Springer-Presse" geübt. Aus demselben Anlass wurden unter Beteiligung extremistischer arabischer Gruppierungen in Berlin noch eine Reihe weiterer Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Politik Israels organisiert. Deren Teilnehmerzahlen lagen jedoch deutlich unter denen des Vorjahres. unehmende Weitere Ereignisse im Nahen Osten, wie die als Provokation chärfung im empfundene symbolische Grundsteinlegung durch ultra-orthoahen Osten doxe Juden auf dem Jerusalemer Tempelberg am 29. Juli und die Tötung des Generalsekretärs der linksextremistischen PFLP, 85 In Deutschland auch als "Islamischer Bund Palästina" (IBP) organisiert, siehe S. 180 f. 92 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Abu Ali MUSTAFA durch einen Angriff der israelischen Luftwaffe am 27. August, führten zu Demonstrationen extremistischer Palästinenserorganisationen mit geringer Beteiligung. Als am 17. Oktober der israelische Tourismusminister Rechavam SEEVI getötet wurde, wirkte sich das von der PFLP ausgeführte und als Vergeltung für die Ermordung Abu Ali MUSTAFAs gerechtfertigte Attentat noch einmal verschärfend auf die dortige Konfliktlage aus. Trotzdem verhielten sich die hiesigen extremistischen arabischen Organisationen zurückhaltend. Es überwog nach den Anschlägen vom 11. September die Befürchtung, intensiv von den deutschen Sicherheitsbehörden beobachtet zu werden. So thematisierten sie auch den Ersten Jahrestag der "al-Aqsa-Intifada" am 30. September nicht 86 öffentlichkeitswirksam . ZusammenZusammenfassend ist festzustellen, dass die Ereignisse in Israel fassung und den palästinensischen Autonomiegebieten zwar einen Widerhall in Berlin fanden, jedoch die Reaktionen von Zurückhaltung geprägt waren. 86 siehe S. 18 ff. 93 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 4.5 Aktionen linksextremistischer türkischer Organisationen im Zusammenhang mit dem Hungerstreik in türkischen Gefängnissen Auch im Jahr 2001 stellten die bereits Ende 2000 begonnenen Hungerstreik in Aktionen linksextremistischer türkischen Organisationen zur türkischen Unterstützung der Revolte ihrer Gesinnungsgenossen in den Haftanstalten türkischen Gefängnissen einen Agitationsschwerpunkt dar. Dies betraf insbesondere die "Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront" (DHKP-C), die "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) und die türkische "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP). Die Zerschlagung der Häftlingsrevolte durch türkische Sicherheitskräfte kostete bislang mehr als 30 Menschenleben. Hinzu kommen über 40 Personen - Häftlinge im Hungerstreik sowie Sympathisanten oder Angehörige, die sich dem Hungerstreik aus Solidarität in Freiheit angeschlossen haben -, die bis zum Ende des Jahres 2001 an den direkten Folgen des Hunger87 streiks verstorben sind . Seit Beginn des Hungerstreiks finden europaweit Protestaktionen statt. Getragen werden diese mehrheitlich vom in SolidaritätsDeutschland gegründeten Zweckbündnis "Solidaritätskomitee komitee mit den revolutionären Gefangenen" (DETUDAK), das anlässlich der Einführung der Zellen des "Typs F" für maximal vier Häftlinge ins Leben gerufen wurde. In der DETUDAK haben sich TKP/ML, DHKP-C und die MLKP zusammengeschlossen, wobei die MLKP eine dominierende Rolle einnimmt. In einem vom "Pressebüro" der TKP/ML im Januar veröffentKampf gegen lichten Flugblatt wird der Hungerstreik als Mittel zur Erlangung den Faschismus der "nötigen Kraft" im Kampf gegen den Faschismus dargestellt. Man müsse von den "revolutionären Inhaftierten" lernen, "Widerstand bis zuletzt zu leisten und für den Sieg zu sterben". Es sei eine Verpflichtung, gegen die Ausbeuter zu kämpfen und dem Willen des Volkes Geltung zu verschaffen. Hierzu sei 87 siehe Verfassungsschutzbericht Berlin 2000, S. 153 ff. 94 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Gewalt unvermeidbar. Wo Krieg herrsche, sei auch der Tod unvermeidbar, und davor schrecke man nicht zurück; "Für Gleichheit und Freiheit ist die Revolution und für die Revolution ist die Gewalt zwingend erforderlich". Protestaktionen Auch in Berlin führten linksextremistische türkische Organisain Berlin tionen seit Beginn des Hungerstreiks zahlreiche Protestaktionen durch, die friedlich verliefen. Am 11. April wurden die Redaktionsräume der türkischen Tageszeitung "Star International" besetzt. Die Besetzer hängten ein Transparent aus dem Fenster und nutzten Kommunikationsmittel der Zeitung zur Übermittlung von Presseerklärungen an weitere Zeitungsredaktionen. Nach etwa zwei Stunden wurde die Besetzung beendet, ohne dass es zu Gewalttaten kam. 4.6 Iranische Oppositionelle Neben der linksextremistischen "Volksmodjahedin Iran-OrganiMEK, sation" (MEK), der wichtigsten iranischen Exilopposition in API Deutschland, haben insbesondere in Berlin die "Arbeiterkommunistische Partei Iran" (API) und ihre Nebenorganisationen durch Kundgebungen und teilweise militante Protestaktionen ihre Kritik an der iranischen Regierung und an der Iran-Politik der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck gebracht. Vor allem die Auslandsaufenthalte hochrangiger iranischer Politiker nehmen Oppositionelle zum Anlass, um medienwirksam zu demonstrieren. Darüber hinaus gaben auch Prozesse gegen Reformpolitiker, liberale Publizisten und Intellektuelle sowie die Verbote zahlreicher reformorientierter Zeitungen im Iran Anlass zu Protestkundgebungen in Berlin. Der Arbeitsbesuch des iranischen Außenministers, Dr. Kamal Störaktionen in Berlin KHARRAZI, am 8./9. Februar in Berlin wurde von überwiegend friedlichen Protestkundgebungen iranischer Oppositioneller begleitet. Wie bei früheren Besuchen kam es jedoch auch zu 95 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 militanten Störaktionen durch MEK-Anhänger: Am Nachmittag des 8. Februar wurde eine Scheinkolonne mit Farbeiern beworfen. Der Täter konnte unerkannt entkommen. Am Abend desselben Tages war eine Fahrzeugkolonne der iranischen Delegation auf ihrer Fahrt zum Auswärtigen Amt Ziel von Farbbeutelattacken. Die Meldeadressen der festgenommenen Täter im Ausland deuten auf eine europaweite Mobilisierung hin. Anlässlich der Teilnahme des iranischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen, Dr. Hossein NAMAZI, vom 8. bis 11. April an einer Konferenz der deutsch-iranischen Wirtschaftskommission erfolgten mehrere Eierwürfe durch MEK-Anhänger. Anlässlich der Präsidentschaftswahl am 8. Juni im Iran kam es am Wahltag zu mehreren Protestkundgebungen oppositioneller Gruppen vor den diplomatischen Vertretungen des Iran in Berlin, Hamburg und Frankfurt/Main. In Berlin demonstrierten etwa 100 Anhänger der linksextremistischen, der API zuzurechnenden "Internationalen Föderation Iranischer Flüchtlingsund Immigrantenräte" (IFIR) vor der iranischen Botschaft. In den iranischen Vertretungen waren Wahlbüros eingerichtet worden, in denen die im Ausland lebenden Iraner ihrem Wahlrecht nachkommen konnten. Es kam zu verbalen Auseinandersetzungen; Gewalttätigkeiten blieben allerdings auf Grund starker Polizeipräsenz aus. Anhänger der MEK nahmen den EU-Gipfel in Göteborg zum GroßAnlass für Protestkundgebungen. Den Höhepunkt bildete eine demonstration friedliche Großdemonstration am 14. Juni, an der insgesamt in Göteborg rund 2 000 Mitglieder und Sympathisanten der Organisation teilnahmen. Die Führung der Organisation zeigte im Vorfeld der Aktion ihre Fähigkeit, ihre Anhängerschaft europaweit für eine Teilnahme an der Kundgebung in Göteborg zu mobilisieren. So waren aus Deutschland etwa 600 Angehörige der MEK nach Schweden gereist. 4.7 "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) 96 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Islamismus Die "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) ist die größte Organisation der in Deutschland lebenden Türken. Der Begriff "Milli Görüs" (Nationale Weltsicht) geht auf ein 1973 veröffentlichtes gleichnamiges Buch des türkischen Islamistenführers Necmettin ERBAKAN zurück, in dem er sein Konzept der so genannten "gerechten Ordnung" (Adil Düzen) zur Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei darlegt. Adil Düzen ist ein auf Koran und Sunna basierendes Gesellschaftsmodell, das in wesentlichen Punkten mit der Ideologie der Nationalismus arabischen Muslimbruderschaft (MB) identisch, aber um die nationalistische Komponente der Rückbesinnung und Verklärung des Osmanischen Reichs ergänzt ist. Am 20. Juli 2001 gab der ehemalige Vorsitzende der "Fazilet 88 Partisi - Partei der Tugend" (FP) , Recai KUTAN; die Parteispaltung Gründung einer neuen Partei, der "Partei der Glückseligkeit" in der Türkei (Saadet Partisi - SP) in der Türkei bekannt. Dies führte zu einer Trennung zwischen "Traditionalisten" und "Erneuerern" in der FP. In der neu gegründeten Partei finden sich vor allem die "Traditionalisten" wieder, die sich offen zu der Milli-Görüs-Ideologie und zu der Führungsfigur ERBAKAN bekennen. Die so genannten "Erneuerer" der FP vereinigten sich in der im August 2001 gegründeten "Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei" (Adalet ve Kalkinma Partisi - AKP). 51 der 102 FP-Politiker des türkischen Abgeordnetenhauses schlossen sich der AKP an. Der ehemalige Istanbuler Oberbürgermeister Recep Tayyip ERDOGAN wurde auf der ersten Parteitagung zum Vorsitzenden der neugegründeten Partei gewählt. Entgegen den Behauptungen der FP-Funktionäre, dass eine Spaltung der Anhängerschaft trotz aller innerparteilichen Auseinandersetzungen nicht zu erwarten sei, hatte sich nunmehr die Trennung vollzogen. 88 Als Nachfolgegründung der 1998 in der Türkei verbotenen islamistischen "Wohlfahrtspartei" ERBAKANs ("Refah Partisi", RP) stand die "Tugendpartei" ("Fazilet Partisi", FP) in weitgehender personeller und programmatischer Kontinuität. Sie wurde im Juni 2001 ebenfalls verboten. 97 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Eigenen Verlautbarungen zufolge soll die AKP keine islamiPolitisches stische Partei sein, sondern eine konservative Partei mit religiöBetätigungsverbot für ser Orientierung darstellen. Das Programm der AKP sei proERDOGAN europäisch und vertrete das Konzept einer sozialen Marktwirtschaft. Gegenwärtig macht die Partei nur Schlagzeilen mit der Diskussion in der türkischen Öffentlichkeit, ob das gegen den Parteivorsitzenden Recep Tayyip ERDOGAN im Zusammenhang mit einer 1998 verhängten Verurteilung einhergehende Verbot der politischen Betätigung aufrechterhalten werden muss. Der Verurteilung wegen des "Aufrufs zum islamischen Aufstand" lag eine Rede ERDOGANs zugrunde, in der er die Verse des Dichters Ziya GÖKALP, "die Minarette werden unsere Bajonette sein und die Kuppeln unsere Helme", zitiert hatte. Sollte das Verbot der politischen Betätigung Bestand haben, könnte dies nach dem geltenden türkischen Recht auch ein Verbot der AKP zufolge haben, da ERDOGAN zu den Gründungsmitgliedern der Partei gehört. Die Richtungskämpfe in der ehemaligen FP wirkten sich zuAuswirkungen mindest intern auch auf die IGMG in Deutschland aus. Unter den auf IGMG langjährigen Funktionären der IGMG gelten viele als Anhänger der "Traditionalisten", wohingegen die "Erneuerer" ihre Anhängerschaft eher unter den in Deutschland aufgewachsenen Muslimen finden. Die IGMG-Führung ist bemüht, die Flügelkämpfe aus der IGMG herauszuhalten und somit eine Spaltung des Verbandes zu verhindern. Der bislang fortwährende Zusammenhalt der Anhänger dürfte damit begründet sein, dass sie noch keine Alternative zur IGMG gefunden haben. 98 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 5 Spionageabwehr 5.1 Überblick Aufgaben Im Bereich Spionageabwehr werden Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten gesammelt und ausgewertet. Ziel ist nicht nur, gegnerische Agenten zu überführen, sondern generell Strukturen, Methoden und Zielsetzungen in Berlin tätiger fremder Nachrichtendienste systematisch aufzuklären. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben kooperieren die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder untereinander sowie mit anderen inund ausländischen Partnerdiensten. Besonders eng gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Berliner Außenstelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). In seiner Funktion als Bundeshauptstadt ist Berlin mit den hier angesiedelten Institutionen von Regierung, Parlament und NichtRegierungsorganisationen sowie den Botschaften und konsularischen Einrichtungen einer Vielzahl von Ländern bevorzugtes Aufklärungsziel von fremden Nachrichtendiensten. Sie betreiben in unterschiedlicher Art und Intensität illegale Informationsgewinnung und gefährden deutsche Interessen, zielen aber auch auf Repräsentanten oder Institutionen anderer Länder ab. Solche Aktivitäten waren auch im Jahr 2001 festzustellen. Unter dem diplomatischen Schutz ausländischer Vertretungen etablieren sich die dort abgetarnten, so genannten LegalresiLegalresidenturen denturen als Berliner "Filialen" der jeweiligen ausländischen Dienste. Beim Rückblick auf Erkenntnisse der letzten fünf Jahre wird deutlich, dass in drei Viertel der Fälle nachrichtendienstliche Aktivitäten aus den örtlichen Residenturen gesteuert werden, während nur knapp ein Viertel der Operationen direkt aus der Zentrale im jeweiligen Führungsland gelenkt wird. Die Legalresidenturen bieten den Nachrichtendienstmitarbeitern günstige Rahmenbedingungen, die ihnen ihre Aufklärungsaktivitäten wesentlich erleichtern. Als Diplomaten getarnt können 99 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 die Residenturangehörigen gegenüber Außenstehenden ihr Interesse an bestimmten Informationen mit ihrer angeblichen Funktion erklären. Im Fall ihrer Enttarnung schützt der diplomatische Status vor strafrechtlicher Verfolgung. Bei erkannten Agenten unter diplomatischer Abtarnung führt eine Intervention des Bundes auf zwischenstaatlicher Ebene nicht selten zu einem Abzug des vorgeblichen Diplomaten ohne Strafverfolgung oder öffentliche Berichterstattung ("Stille Lösung"). Auch viele halbamtliche Vertretungen anderer Staaten wie PresHalbamtliche seagenturen, Handelsvertretungen, AuslandskorrespondentenVertretungen oder Reisebüros werden für nachrichtendienstliche Zwecke genutzt. Damit verstärken sich die nachrichtendienstlichen Potenziale und in der Folge die von ihnen ausgehenden Aktivitäten in der Hauptstadt und im nahen Umland. Die jüngsten weltpolitischen Entwicklungen, nicht zuletzt die internationale Reaktion auf die Anschläge vom 11. September, haben die politische Position der Bundesrepublik Deutschland und ihren Einfluss unter den Bündnispartnern auch in internationalen Gremien erweitert. Ihre jeweilige politische Position auf nachrichtendienstlichem Weg vorab zu ermitteln, liegt damit im Interesse anderer, insbesondere der von Maßnahmen potenziell betroffenen Staaten. Dies dürfte dazu beitragen, dass der politischen Spionage in Berlin eine größere Bedeutung zukommt. Auch der hohe Ausländeranteil in Berlin bringt verstärkte BeAusspähung von mühungen fremder Nachrichtendienste mit sich. Letztere versuOppositionellen chen zum einen oppositionelle Vereinigungen, bzw. Regimegegner auszuspähen und zu unterwandern. Zum anderen sind sie daran interessiert, sich unter Anhängern und Sympathisanten eine logistische Basis für illegale Aktivitäten aufzubauen. Erfahrungsgemäß setzen die in Berlin operierenden fremden Nachrichtendienste ihre Schwerpunkte in den "klassischen Bereichen" der Spionage. Danach entfallen auf die politische Spionage etwa zwei Drittel der erkannten nachrichtendienstlichen 100 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Angriffe, nicht ganz ein Drittel auf die Wirtschaftsspionage und 89 nur ein geringer Teil auf die militärische Spionage . 5.2 Politische Spionage Spionage-Ziele Die Bilanz des Jahres 2001 zeigt kaum Veränderungen in der Zielsetzung der gegnerischen Nachrichtendienste in Berlin. Das Hauptinteresse lag in der Gewinnung von Beurteilungen und Einschätzungen zu aktuellen Fragen der nationalen und internationalen Politik sowie im Entwurf von Zukunftsszenarien. Wie schon in den Vorjahren wurden wichtige Entscheidungsgremien auf Bundesund Landesebene anvisiert. Zudem sind gegnerische Dienste nach wie vor bemüht, "Vertrauliche Verbindungen" zu Berliner Experten in Politik und Wissenschaft aufzubauen und diese Zielpersonen nachrichtendienstlich "abzuschöpfen". Zunehmend an Gewicht gewann die Ausforschung bzw. Abschöpfung von Mitarbeitern politikwissenschaftlicher Institutionen ("Denkschmieden"). Fremde Nachrichtendienste haben den hohen Stellenwert von "Think Tanks" als Quellen politischer Informationen, Einschätzungen und Hintergrundwissen erkannt. Für die Dienste einiger nahund mittelöstlicher sowie nordafrikanischer Staaten hatte auch im Jahr 2001 die Beobachtung, Ausforschung sowie Überwachung ihrer jeweiligen oppositionellen Vereinigungen und Regimekritiker Priorität bei ihren Aktivitäten in Berlin. Ebenso standen ausländische Kulturund Berufsvereinigungen im Blickfeld ihres Heimatlandes. Die Geheimdienste aus dem Mutterland verfolgen das Ziel, unter dem kulturellen und beruflichen Deckmantel regimefreundliche Propaganda in der Bundesrepublik zu lancieren. Für die oben genannten Aufklärungsbereiche werben diese Dienste aktive oder ehemalige 89 Die Aufklärung der militärischen Spionage obliegt im internen Bereich der Bundeswehr dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), darüber hinaus dem Verfassungsschutz. 101 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Mitglieder dieser Organisationen an oder schleusen eigene geheime Mitarbeiter unter der Legende politischer Verfolgung als Asylsuchende in diese Gruppierungen ein. Zu den bedeutenden Zielen gegnerischer Nachrichtendienste schließlich gehören seit jeher die Sicherheitsbehörden. Ausländische Geheimdienste erhoffen sich dabei grundlegende Erkenntnisse über vorhandene Sicherheitsstrategien und Entscheidungen. 5.3 Wirtschaftsspionage Unter Wirtschaftsspionage wird die staatlich gesteuerte nachrichtendienstliche Beschaffung von Wirtschaftsgeheimnissen verstanden. Sie ist deutlich von der privatwirtschaftlichen Konkurrenzoder Industriespionage abzugrenzen. Die Wirtschaftsspionage stellt in Berlin einen weiteren Beobachtungsschwerpunkt dar. Dies ergibt sich vor allem aus der wachsenden Bedeutung der Stadt als Wissenschaftsund Hochtechnologiestandort. Während Bereiche der Entwicklung und Produktion unter anderem auch in das nahe Umland abgewandert sind, siedelten sich dafür im Gefolge des Regierungsumzuges zentrale Wirtschaftsinstitutionen, Spitzenorganisationen und Dachverbände in Berlin an. In der Konsequenz hat sich auch die Methode der gegnerischen Methodik der Aufklärung verändert und mehr und mehr den Verfahren der Ausspähung politischen Aufklärung angeglichen. Von Interesse waren in erster Linie Informationen über wirtschaftspolitische Strukturen sowie vertrauliche Daten zu Marktund Wettbewerbsstrategien. Dabei spielten im Jahr 2001 auch kleinund mittelständische Firmen aus der Hochtechnologiebranche eine Rolle. Der Verfassungsschutz wird seine Kontakte zu Wirtschaftsunternehmen daher mit dem Ziel einer Sensibilisierung und Beratung weiter intensivieren und ausbauen. 102 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 5.4 Methodische Aspekte Quellen Die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung durch fremde Staaten vollzieht sich nicht ausschließlich auf geheimem Weg: eine Vielzahl von Informationen stammen aus offen zugänglichen Quellen, wie z. B. der Abschöpfung gutgläubiger Gesprächspartner. Trotz vielfältiger Möglichkeiten zur offenen Informationsgewinnung (mittels Telefon, Internet, computergestützten Datenbanken) sowie den Möglichkeiten zur spurenund somit gefahrenlosen geheimen Überwachung des internationalen Telefonund Faxverkehrs aus dem Auftragsland heraus, bleibt die menschliche Quelle als Träger oder Beschaffer von Informationen unersetzlich. Ein operativer Schwerpunkt ist in diesem Zusammenhang die Forschung und Werbung geeigneter Personen als "Quellen im oder mit Zugang zum Objekt", mit aller Wahrscheinlichkeit künftige "Objektagenten". Nur sie können ihren Auftraggebern aufgrund ihrer Zugangsmöglichkeiten authentisch und aktuell berichten und eine fachlich fundierte Bewertung der gewonnenen Informationen vornehmen. Anwerbung Die Methoden fremder Nachrichtendienste zur Werbung von menschlichen Quellen haben sich nicht verändert: materielles Gewinnstreben, Karrieredenken und menschliche Eitelkeit, aber auch die vermeintliche gemeinsame Ideologie oder dieselbe Religion bieten Ansatzpunkte für erfolgreiche Operationen. Neben einer verschwindend kleinen Zahl von Selbstanbietern haben ca. zwei Drittel der Quellen auf der Basis persönlicher oder materieller Vorteile für einen fremden Dienst gearbeitet. Nur rund ein Fünftel der Betroffenen wiesen eine gemeinsame Ideologie oder einen verbindenden ethnischen Hintergrund als Motiv der Zusammenarbeit auf. Eine kleine Minderheit wurde unter Druck gesetzt. Letztere Methode (zur Quellenwerbung) wird vornehmlich von den nahund mittelöstlichen Nachrichtendiensten angewandt. Die gängigen Praktiken der Repression - angewandt bei Heim- 103 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 reisen - reichen von einfacher Aufforderung zur Kooperation bis hin zur Inhaftierung mit intensiven Verhören und wochenlanger Hinderung an der Ausreise. In vielen Fällen werden auch familiäre Bindungen zu dort lebenden nahen Angehörigen als Mittel für eine nachrichtendienstliche Erpressung genutzt. Werbungsbasis Ideologie, ethnische Verbundenheit 19% Persönliche Selbstanbieter Vorteile 3% (Karriere, Geld etc.) 64% Erpressung 14% 5.5 Spionageabwehr als Gemeinschaftsaufgabe Die bisherige Erkenntnislage unterstreicht die Notwendigkeit einer Spionageabwehr durch den Verfassungsschutz des Landes Berlin. Ziel der Spionageabwehr ist es, das Risiko und den Aufwand Ziel gegnerischer Spionageaktivitäten in Berlin so hoch wie möglich zu treiben und den Bewegungsspielraum fremder Nachrichtendienste so weit wie möglich einzuengen. Das geschieht im Wesentlichen durch die nachhaltige Anstrengung der Spionageabwehr zur Enttarnung von Agenten fremder Dienste, ihren Führungsoffizieren und die Neutralisierung ihrer Operationen. Hierzu ist - wie eingangs schon betont - eine intensive, sich ergänzende Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst notwendig. 104 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Wichtig ist aber auch, Hinweise und Meldungen aus dem Kreis der Betroffenen und aus der Öffentlichkeit zu erhalten. Vertraulichkeit Personen, die von einem nachrichtendienstlichen Sachverhalt Kenntnis erlangt haben, werden von kompetenten Ansprechpartnern unter Wahrung der Vertraulichkeit und des Quellenschutzes beraten. Derjenige, der sich bereits nachrichtendienstlich verstrickt hat, kann sicher sein, dass ihm durch den Verfassungsschutz geholfen wird, sich aus der nachrichtendienstlichen Umklammerung zu befreien. Die Erfahrung zeigt, dass nur die Offenlegung von Anbahnungsversuchen bzw. von bereits entstandenen Verbindungen die geheimdienstliche Beziehung beenden kann. Strafbarkeit Strafbar macht sich nach dem Strafgesetzbuch (SS 99 StGB - "Geheimdienstliche Agententätigkeit") nicht nur derjenige, der für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, sondern auch derjenige, der sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt. Eine mündliche Erklärung, z. B. gegenüber einem Angehörigen eines fremden Nachrichtendienstes, ist für eine Bestrafung ausreichend. Unerheblich ist es dabei, ob der Täter die nachrichtendienstliche Tätigkeit tatsächlich aufgenommen hat. Offenbart sich ein Betroffener, ist der Verfassungsschutz nicht in jedem Fall verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten. In der Beurteilung, ob und wann ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt weiterzuleiten ist, steht ihm ein Ermessensspielraum zu. 105 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 6 Geheimund Sabotageschutz Der Schutz von Informationen, deren Kenntnisnahme durch Geheimschutz Unbefugte den Bestand, die Sicherheit oder lebenswichtige Interessen, der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann, ist unverzichtbar. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Antrag der zuständigen öffentlichen Stellen daran mit, durch personelle, technische und organisatorische Vorkehrungen Ausforschungen durch Unbefugte zu 90 verhindern . Die Bestimmung der sicherheitsempfindlichen Bereiche nach dem Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BSÜG) wird in einer Verordnung geregelt. Die Verfassungsschutzbehörde überprüft bei öffentlichen Stellen Sicherheitsund Wirtschaftsunternehmen Mitarbeiter (so genannte überprüfungen Sicherheitsüberprüfungen) und trifft selbst oder veranlasst Maßnahmen zum materiellen Geheimschutz. Zum Zweck des so genannten personellen Sabotageschutzes ist die Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen gesetzlich vorgesehen. 6.1 Personeller und materieller Geheimschutz im öffentlichen Bereich Der personelle Geheimschutz soll den Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen (so genannte Verschlusssachen) gewährleisten. Verschlusssachen sind je nach dem Schutz, dessen sie beVerschlusssachen dürfen, nach SS 6 BSÜG in folgende Geheimhaltungsgrade einzustufen: 1. STRENG GEHEIM 2. GEHEIM 3. VS-VERTRAULICH 90 SS 5 Abs. 3 Nr. 1 VSG Bln, Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BSÜG) vom 2. März 1998 (GVBl S. 26) i.d.F. vom 25. Juni 2001 (GVBl S. 243) 106 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 4. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH Um Sicherheitsrisiken auszuschließen, werden Personen, denen Verschlusssachen mit dem Geheimhaltungsgrad VS-VERTRAULICH und höher anvertraut werden sollen, vorher einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. BSÜG Alle Details zum Verfahren, zur Definition eines Sicherheitsrisikos und zu den Folgen für den Betroffenen sind im BSÜG geregelt. Dabei berücksichtigt das BSÜG die Mindestanforderungen an Sicherheitsüberprüfungen, zu denen sich die Bundesrepublik Deutschland gegenüber ausländischen Staaten und als Mitglied zwischenstaatlicher Einrichtungen (z. B. NATO, WEU, EU) vertraglich verpflichtet hat, damit die Sicherheitsmaßnahmen einen möglichst einheitlichen Standard haben. Freiwilligkeit Um den Grundrechten der Betroffenen Rechnung zu tragen, wird im BSÜG kein Zwang zur Sicherheitsüberprüfung festgelegt. 91 Dieser Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht wird nur mit Zustimmung des Betroffenen durchgeführt. Auch beim Ehegatten oder Lebenspartner, der bei bestimmten Überprüfungsarten in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen wird, geschieht dies nur, wenn dieser zustimmt. Der Umfang der Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der Sicherheitsrisiken Höhe des Verschlusssachengrades, zu dem der Betroffene Zugang erhalten soll oder sich verschaffen kann. Ein Sicherheitsrisiko ist nach SS 7 Abs. 2 BSÜG dann als gegeben anzusehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, - die Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung begründen, - die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen begründen, - welche die Besorgnis der Erpressbarkeit und damit die Anwerbungsmöglichkeit für eine gegen die Bundesrepublik 91 BVerfGE 65, 1 107 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Deutschland gerichtete nachrichtendienstliche Tätigkeit begründen. Die Verfassungsschutzbehörde wird nicht von sich aus tätig, Zuständige Stelle sondern führt Sicherheitsüberprüfungen nur auf Antrag des Geheimschutzbeauftragten der Behörde durch, bei der die zu überprüfende Person beschäftigt ist (so genannte zuständige Stelle). Im Jahr 2001 führte die Verfassungsschutzbehörde Berlin 425 Überprüfungen durch (2000: 584). Der personelle Geheimschutz wird durch den materiellen Materieller Geheimschutz ergänzt, der technische und organisatorische Geheimschutz Maßnahmen gegen die unbefugte Kenntnisnahme von Verschlusssachen zum Inhalt hat. Der Verfassungsschutz berät die öffentlichen Stellen des Landes Berlin bei der Planung und Durchführung technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen. Er informiert z. B. über Verschlusssysteme wie den Einbau von Sicherheitstüren und die Installierung von Alarmsystemen. Er berät über die Datensicherheit bei der Verarbeitung von Verschlusssachen in Datenverarbeitungssystemen und begleitet die Planung und Durchführung der Maßnahmen. Zum materiellen Geheimschutz gehört auch die Information über die Vorgaben der Verschlusssachenanweisung für das Land Berlin vom 1. Dezember 1992, welche die Bearbeitung, Verwahrung und Verwaltung von Verschlusssachen regelt, und die Kontrolle der Einhaltung dieser Anweisung. Diese Aufgabe obliegt den Geheimschutzbeauftragten, die in jeder Behörde, die Verschlusssachen bearbeitet und verwaltet, eingesetzt sind. Der wichtigste Grundsatz der Verschlusssachenanweisung lau"Kenntnis nur wenn nötig!" tet: "Kenntnis nur wenn nötig!" Nur die Personen, die mit einer bestimmten Verschlusssache befasst sind, sollen Kenntnis erlangen. Deshalb ist es Mitarbeitern, die Verschlusssachen bearbeiten oder sich Zugang verschaffen können, nicht erlaubt, z. B. mit Kollegen oder nach 108 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Feierabend mit Familienangehörigen über die zu erledigenden Aufgaben zu sprechen. Jede technische Sicherheitsmaßnahme ist sinnlos, wenn die Verschwiegenheit der Mitarbeiter nicht gegeben ist. 6.2 Geheimschutz in der Wirtschaft Wirtschaftsunternehmen, die geheimschutzbedürftige Aufträge von Bundesund Landesbehörden ausführen, müssen vor Ausspähung gegnerischer Nachrichtendienste geschützt und deshalb in das Geheimschutzverfahren von Bund und Ländern aufgenommen werden. Es sollen Sicherheitsstandards geschaffen und eingehalten werden, um zu verhindern, dass Unbefugte Kenntnis von den im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen (Verschlusssachen) erhalten. Ein Unternehmen kann die Aufnahme in die GeheimschutzGeheimschutzbetreuung betreuung grundsätzlich nicht für sich selbst beantragen. Lediglich Firmen, die sich an NATO-Infrastruktur-Ausschreibungen beteiligen wollen, sind zur Antragstellung in eigener Sache befugt. Voraussetzung für die Aufnahme eines Unternehmens in das Geheimschutzverfahren des Bundes ist die öffentliche Ausschreibung eines Auftrages mit Verschlusssachen im Bundesausschreibungsblatt. Öffentliche Auftraggeber können z. B. der Bundesminister für Verteidigung bzw. das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung sein. Bei derartigen Verschlusssachen-Aufträgen beantragt der Auftraggeber die Aufnahme des Unternehmens in das amtliche Geheimschutzverfahren beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen führt das Geheimschutzverfahren durch. Ausschreibungen Berliner Behörden schreiben geheimschutzbedürftige Aufträge im Amtsblatt im Amtsblatt für Berlin aus. Wesentlich für die Ausschreibung bei vertraulichen Staatsaufträgen ist die Formulierung: 109 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Es können sich geeignete Firmen bewerben, die bereits dem Geheimschutz in der Wirtschaft unterliegen, bzw. die sich dem Geheimschutzverfahren in der Wirtschaft unterziehen wollen." Vor Auftragserteilung sind mindestens ein gesetzlicher Vertreter des Unternehmens, ein Sicherheitsbevollmächtigter und die beteiligten Firmenmitarbeiter einer freiwilligen Sicherheitsüberprüfung nach den Bestimmungen des BSÜG zu unterziehen. Mitwirkende Behörde bei der Sicherheitsüberprüfung ist nach SS 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin (VSG Bln) die Verfassungsschutzbehörde. Im Jahr 2001 wurden 82 Sicherheitsüberprüfungen für Angehörige Berliner Unternehmen durchgeführt (2000: 15). Eine weitere grundlegende Voraussetzung für die Aufnahme in den amtlichen Geheimschutz bei Landesaufträgen ist der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen und der Unternehmensleitung. Dies bedeutet die rechtsverbindliche Anerkennung der Bestimmungen der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie verfassten Sicherheitsanleitung "Handbuch für den Geheimschutz in der Wirtschaft" (GHB). Der Sicherheitsbevollmächtigte des Unternehmens ist in AngeSicherheitslegenheiten des Geheimschutzes für die ordnungsgemäße bevollmächtigte Durchführung der Sicherheitsüberprüfungen verantwortlich. Nach SS 28 Abs. 4 BSÜG wird der Sicherheitsbevollmächtigte für den personellen Geheimschutz von der Verfassungsschutzbehörde in seine Aufgaben eingeführt. Nach Überprüfung der erforderlichen Geheimschutzmaßnahmen erteilt die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen dem staatlichen Auftraggeber einen Sicherheitsbescheid und dem Unternehmen eine abschließende Feststellung. Die Firma kann nunmehr an geheimhaltungsbedürftigen Auftragsverhandlungen beteiligt werden. Fast alle Berliner Firmen, die von staatlichen Auftraggebern einen Verschlusssachen-Auftrag erhalten haben, bearbeiten keine Verschlusssachen. Sie sind vielmehr mit der Durchführung 110 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 und Abwicklung von Lieferungen und Leistungen beauftragt worden, bei denen sie Zugang zu Verschlusssachen haben bzw. sich verschaffen können, die VS-VERTRAULICH und höher eingestuft sind. Dazu zählen u. a. Montageund Wartungsarbeiten sowie Instandsetzungen in sicherheitsempfindlichen Bereichen. Aufklärungsund Seit Inkrafttreten des Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetzes Sensibilisierungsim Jahre 1998 und mit der damit verbundenen Regelung des gespräche Geheimschutzverfahrens fanden mit den Sicherheitsbevollmächtigten und Vertretern von Unternehmen 150 Aufklärungsund Sensibilisierungsgespräche statt, davon 48 im Jahr 2001. Durch diese Partnerschaft von Wirtschaft und Sicherheitsbehörden soll auch weiterhin ein Beitrag für einen effektiven Wirtschaftsund Informationsschutz erreicht werden. Ziel der Betreuung ist es, die Verantwortlichen in den Wirtschaftsunternehmen zu unterstützen, um Wirtschaftsspionage zu verhindern. 6.3 Sabotageschutz Ziel des Sabotageschutzes ist es, die Beschäftigung von Personen, bei denen Sicherheitsrisiken vorliegen, an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen öffentlichen Einrichtungen zu verhindern. Auch zu diesem Zweck ist die Durchführung von Sicherheits92 überprüfungen gesetzlich vorgesehen . Regelungen zum Sabotageschutz sind erforderlich, weil Sabotageakte gegen lebensund verteidigungswichtige Einrichtungen erhebliche Risiken für die Gesundheit oder das Leben zahlreicher Menschen zur Folge haben oder das Funktionieren des Gemeinwesens gefährden können. Die Festlegung der lebensund verteidigungswichtigen öffentlichen Einrichtungen oder Teile solcher Einrichtungen erfolgt in einer Verordnung. 92 SSSS 1 Nr. 2, 2 Nr. 4 BSÜG 111 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 6.4 Mitwirkung bei Einbürgerungsverfahren und sonstigen gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen Eine weitere Mitwirkungsangelegenheit des Verfassungsschutzes sind nach SS 5 Abs. 3 Nr. 4 VSG Bln Überprüfungen in Einbürgerungsverfahren. Dabei prüft der Verfassungsschutz auf Antrag der Einbürgerungsbehörde, ob über Personen, die einen Antrag auf Einbürgerung gestellt haben, Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden der Länder oder des Bundes vorliegen. Seit dem 1. Januar 2000 ist eine Einbürgerung für Personen Ausschließungs93 zwingend ausgeschlossen , welche gründe - die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden, - sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligen, - öffentlich zur Gewaltanwendung aufrufen, - mit Gewaltanwendung drohen. Für die Versagung eines Einbürgerungsantrages reicht es aus, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber verfassungsfeindliche Bestre94 bungen unterstützt oder verfolgt . Im Januar 2001 legte die Senatsverwaltung für Inneres fest, Regelanfrage dass bei Einbürgerungsbewerbern aus bestimmten Herkunftsländern stets eine Anfrage beim Verfassungsschutz zu erfolgen hat. Unabhängig von der Herkunft der Einbürgerungsbewerber ist eine Anfrage auch immer dann zu stellen, wenn Anhaltspunkte für eine extremistische Haltung oder sicherheitsgefährdende Tätigkeiten vorliegen. Die Zahl der Anfragen stieg daraufhin im Jahr 2001 auf rund 12 000 (2000: 7 000) an. 93 SS 46 Nr. 1 Ausländergesetz (AuslG) 94 SS 86 Abs. 2 AuslG 112 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 95 Aufgrund der Anschläge des 11. September richtete die Senatsverwaltung für Inneres an die Einbürgerungsbehörden die Weisung, zusätzlich Einbürgerungsbewerber aus den Herkunftsländern Afghanistan, Ägypten, Algerien, Bangladesch, Indien, Kuwait, Pakistan, Saudi-Arabien, Tunesien und Vereinigte Arabische Emirate in die Überprüfung durch den Verfassungsschutz einzubeziehen. Dies führte im letzten Quartal des Jahres nicht zu einer erheblichen Steigerung der Fallzahlen gegenüber den Vormonaten. Grund dafür ist, dass Personen aus diesen Ländern nur einen geringen Anteil der Einbürgerungsbewerber stellten. Auswirkungen auf die Arbeit der Verfassungsschutzbehörde dürften sich aus dem Gesetz zur Bekämpfung des internatio96 nalen Terrorismus vom 9. Januar 2002 ergeben. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes ergeben sich Änderungen im Ausländerrecht: Änderungen im Personen, die gewaltbereit sind, terroristische Aktivitäten begeAusländerrecht hen oder unterstützen, erhalten keine Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen und unterliegen einem Einreiseund Aufenthaltsverbot in Deutschland. Zur Versagung der Einreise genügt die Feststellung einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Aus rechtsstaatlichen Gründen reichen Vermutun97 gen nicht aus . Um terroristischen oder gewaltbereiten Ausländern keinen Ruheraum in Deutschland zu gewähren, wurden ferner die Regelausweisungstatbestände des SS 47 Abs. 2 Ausländergesetz (AuslG) erweitert. Im Regelfall wird ausgewiesen, wer nach dem 98 neuen Versagungsgrund nicht hätte einreisen dürfen . Zur Feststellung von Versagungsgründen nach SS 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG können die Ausländerbehörden den Verfassungsschutzbehörden der Länder und weiteren Sicherheitsbehörden die personenbezogenen Daten der betroffenen Personen übermitteln. 95 siehe S. 14 ff. 96 Terrorismusbekämpfungsgesetz, BGBl. Teil I, S. 361 97 Art. 11 Nr. 3 TerrorismusbekämpfungsG; SS 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG 98 Art. 11 Nr. 8 TerrorismusbekämpfungsG 113 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Die angefragten Behörden teilen der Ausländerbehörde unver99 züglich mit, ob Versagungsgründe vorliegen . Zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes zählt nach SS 5 ZuverlässigkeitsAbs. 3 Nr. 4 VSG Bln auch die Mitwirkung bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen 100 überprüfungen nach SS 29d Luftverkehrsgesetz (LuftVG) . Die Luftfahrtbehörde Berlin, organisatorisch angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, führt danach Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen durch, die Zutritt zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen der Flughäfen Tegel und Tempelhof haben sollen. Zum Zweck der Überprüfung kann sich die Luftfahrtbehörde vorhandene, für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutsame Informationen von der Polizei, aus dem Bundeszentralregister und vom Verfassungsschutz übermitteln lassen. Liegen dem Verfassungsschutz Erkenntnisse vor, sind diese der Luftfahrtbehörde mitzuteilen. Über die Verwendung im Bereich der Flughäfen entscheidet die Behörde selbst. Im Jahr 2001 wurden durch den Verfassungsschutz gemäß Luftverkehr SS 29d LuftVG 2 954 Überprüfungen durchgeführt (2000: 2 912), wobei rund die Hälfte auf das letzte Quartal des Jahres entfiel. Der Anstieg der Überprüfungen im letzten Quartal des Jahres 2001 ist auf die Änderung der Luftverkehrs-Zuverlässigkeits101 überprüfungsverordnung mit Wirkung vom 8. Oktober 2001 zurückzuführen. Zuvor wurde auf der Grundlage dieser Verordnung eine Wiederholungsüberprüfung der nach SS 29d LuftVG überprüften Personen alle fünf Jahre durchgeführt. Die Anschläge des 11. September führten dazu, dass die Frist der Wiederholungsüberprüfung auf nunmehr ein Jahr verkürzt wurde. Damit soll sichergestellt werden, dass bedeutsame Erkenntnisse, die bei den angefragten Behörden, also auch beim Verfassungsschutz, zwischenzeitlich über eine Person anfallen, der Luftverkehrsbehörde zeitnah zur Kenntnis gelangen. 99 Art. 11 Nr. 12 TerrorismusbekämpfungsG; SS 64 a AuslG 100 BGBl. Teil I, S. 549 101 BGBl. Teil I, Nr. 51, S. 2625 114 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 102 Auch das Atomgesetz (AtomG) sieht Zuverlässigkeitsüberprüfungen vor, an denen der Verfassungsschutz gemäß SS 5 Abs. 3 Nr. 4 VSG Bln mitwirkt. Kerntechnische Da kerntechnische Anlagen im Hinblick auf mögliche unbefugte Anlagen Handlungen besonders zu schützende Objekte darstellen, sind Sicherungsmaßnahmen auch in Form der Überprüfung von Personen erforderlich, die Zutritt zu den kerntechnischen Anlagen erhalten sollen. Im Land Berlin werden die Personen überprüft, denen der Zutritt zum Forschungsreaktor des HahnMeitner-Instituts gewährt werden soll. Weitere kerntechnische Anlagen sind im Land Berlin nicht vorhanden. Die Überprüfung gemäß SS 12 b AtomG wird ebenfalls von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als zuständige atomrechtliche Behörde durchgeführt. Für die Prüfung der Zuverlässigkeit werden auch hier Auskünfte von der Polizei, Informationen aus dem Bundeszentralregister und der Verfassungsschutzbehörde eingeholt. Eine Bewertung der übermittelten Erkenntnisse hinsichtlich der Zuverlässigkeit der überprüften Person unterbleibt, diese obliegt der zuständigen atomrechtlichen Behörde. Im Jahr 2001 wurden durch den Verfassungsschutz 176 Personen überprüft (2000: 185). 102 BGBl. Teil I, S. 1565 mit letzten Änderungen v. 27.7.2001 (BGBL. Teil I, S. 1950) 115 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 7 "Scientology"-Organisation (SO) Die "Scientology"-Organisation verfügt bundesweit über ca. 5 000 bis 6 000 Mitglieder, die überwiegend in den insgesamt 10 103 "Kirchen" und bzw. oder in einer der 11 "Missionen" aktiv sind. In Berlin besteht weiterhin eine "Kirche", die im Berichtsjahr keine wesentliche Öffentlichkeitswirksamkeit entfaltet hat. Hier gehören derzeit etwa 200 Personen der Organisation an. Die Programmatik der SO ist unverändert und die Mitarbeiter Programmatik haben sich danach zu richten. Da sich aus der unveränderten Programmatik die nach dem VSG Berlin erforderlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung herleiten, liegen die Voraussetzungen für die Beobachtung der SO weiterhin vor. Dies hat das Ver104 waltungsgericht Berlin bestätigt. In dieser Entscheidung wird - abweichend von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts des Saarlandes, das die Beobachtung der SO ohne 105 Einschränkung für zulässig erklärt hat - jedoch der Einsatz von V-Leuten untersagt, weil die tatsächliche Ausbreitung von Scientologen im staatlichen Bereich nicht als ausreichend dargelegt angesehen wurde. Der politisch ausgerichtete Teil der Programmatik wird von den Aktivitäten zur "Lebensbewältigungshilfe" durch pseudotherapeutische und religiöse Einflussnahme, die insbesondere psychisch labile Menschen in zum Teil ruinöser Weise vereinnahmt, überlagert. Der Verfassungsschutz bemüht sich mit anderen gesellschaftlichen Institutionen, wie Sektenbeauftragten des Staates und der Kirche, über diese gefährliche Heilslehre zu berichten und durch Aufklärung und Sensibilisierung zu verhindern, dass Menschen in ihren Einflussbereich geraten. 103 SO verwendet gelegentlich abweichende Zahlen hinsichtlich ihrer Einrichtungen. 104 Urteil vom 13. Dezember 2001, Aktenzeichen VG 27 A 260.98 105 Entscheidung des VG Saarland vom 29. März 2001, Aktenzeichen 6 K 149/00 116 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 117 118 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 II STATISTIK 1 Politisch motivierte Straftaten Auszüge aus dem Bericht der Senatsverwaltung für Inneres, 106 Abteilung Öffentliche Sicherheit Entwicklung und Implementierung eines neuen Definitionsund Meldesystems Aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen extremistischen Straftaten einerseits und der durch die Öffentlichkeit als solcher wahrgenommenen und durch den Polizeilichen Staatsschutz bearbeiteten Kriminalität andererseits ist nach einer breiten fachlichen wie öffentlichen Debatte seit dem Sommer 2000 durch Entscheidung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) im Mai 2001 ein veränderter Kriminalpolizeilicher Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) zur Bewertung und Erfassung sämtlicher politisch motivierter Straftaten rückwirkend ab 1. Januar 2001 eingeführt worden. Auf dieser Basis soll eine differenzierte, über den Bereich des politischen Extremismus hinausreichende und an dem "tatauslösenden politischen Element" anknüpfende Darstellung unter den Gesichtspunkten * Deliktsqualität, * Themenfeld, * Phänomenbereich, * internationale Bezüge und * extremistische Kriminalität gewährleistet werden, die Grundlage für effektive präventive und repressive Maßnahmen bilden soll. 106 Die Zahlen beruhen auf Angaben des Polizeipräsidenten in Berlin - Landeskriminalamt (LKA) - vom 18. März 2002. 119 Eine neue Dimension bei der Betrachtung der Politisch motivierten Kriminalität sind die bundeseinheitlich vereinbarten Themenfelder wie z. B. Hasskriminalität, Kernenergie, Politischer Kalender/1. Mai. Ausgehend von den Umständen der Tat wird diese zunächst einem Themenfeld zugeordnet. Danach erfolgt eine phänomenologische Zuordnung aufgrund weiterer Informationen zur Tat und/oder zum Täter. Innerhalb der Themenfelder kann ggf. noch weiter differenziert werden; so stellen antisemitische bzw. fremdenfeindliche Straftaten beim KPMD-PMK Unterthemen des Oberbegriffes Hasskriminalität dar. Für die politisch motivierte Gewaltkriminalität ist eine katalogmäßige Festlegung getroffen worden. Es handelt sich dabei um die Teilmenge der Politisch motivierten Kriminalität, die eine besondere Gewaltbereitschaft der Straftäter erkennen lässt. Die übrigen Delikte, die für einzelne Phänomenbereiche oder Themenfelder besonders häufig zu verzeichnen sind, werden statistisch gesondert abgebildet (z. B. Propagandadelikte, Sachbeschädigungen, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz). Die bisherigen Erfahrungen nach der bundesweiten Einführung des neuen Definitionssystems haben bereits erhebliche Schwierigkeiten bei der nach wie vor erforderlichen Bewertung und systematischen Zuordnung sowie der teilweise abweichenden Einschätzung extremistisch motivierter Straftaten durch Polizei und Verfassungsschutz erkennen lassen. Diese Problematik wirkt sich insbesondere bei den so genannten Propagandadelikten aus, die im Jahr 2002 in Berlin 55,4 % der erfassten Straftaten (1 417 von insgesamt 2 558) nach KPMD-PMK ausmachen. Gleichwohl ermöglicht die differenzierte Darstellung eine weitgehende Vergleichbarkeit der aktuellen Fallzahlen mit denen des Jahres 2000, die auf Grundlage des damaligen Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Staatsschutzsachen (KPMD-S) erhoben worden waren. Die Darstellungsgröße "Fallzahlen" bedeutet, dass jede Straftat mit Übereinstimmung von Tatort, Tatzeit und Tatentschluss - unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen - nur als jeweils ein "Fall" gewertet wird. Wurde dabei gegen mehrere Straf- 120 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 tatbestände verstoßen, wird grundsätzlich nur die schwerer wiegende Straftat gezählt. So sind etwa Landfriedensbrüche bei unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang und unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen als ein Fall zu zählen. Dabei kann sich der räumliche Zusammenhang z. B. auf einen Platz oder eine Straße nebst benachbarter Nebenstraßen beziehen. Die Bewertung und Erfassung der Straftaten erfolgt grundsätzlich nach Abschluss der kriminalpolizeilichen Bearbeitung, so dass z. T. auch Straftaten des Jahres 2000 noch Eingang in die Zahlen für 2001 gefunden haben (und entsprechende Taten aus 2001 für 2002 berücksichtigt werden). 121 Übersicht über die Fallzahlen nach KPMD-PMK für Politisch motivierte Kriminalität in Berlin gesamt Gewaltdelikte 2001 Tötungsdelikte SSSS 211 - 221 StGB 0 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 68 Brandstiftung SSSS 306 - 306 f StGB 27 Sprengstoffexplosion SS 308 StGB 0 Bildung terroristischer Vereinigungen SS 129 a StGB 1 Landfriedensbruch SSSS 125, 125 a StGB 169 gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr SSSS 315 - 316 StGB 7 Freiheitsberaubung SSSS 234 - 239 b StGB 1 Raub SSSS 249 - 255 StGB 1 Erpressung SS 253 StGB 2 Widerstandsdelikte SSSS 113 - 121 StGB 68 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 25 Summe Gewaltdelikte 369 Andere Straftaten Volksverhetzung SS 130 StGB 162 Propagandadelikte SSSS 86, 86 a StGB 1 417 Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 222 Verunglimpfungen gemäß SSSS 90 - 90 b StGB 4 Straftaten gegen ausländische Staaten SSSS 102 - 104 StGB 12 Straftaten bei Wahlen und Abstimmungen SSSS 107 - 108 e StGB 1 Straftaten gegen die Landesverteidigung SSSS 109 - 109 h StGB 1 öffentliche Aufforderung zu Straftaten SSSS 111 StGB 11 Störung des öffentlichen Friedens SS 126 StGB 55 Hausfriedensbruch SSSS 123, 124 StGB 7 Bildung bewaffneter Gruppen SS 127 StGB 0 Amtsanmaßung / Missbrauch von Titeln SSSS 132, 132 a StGB 2 Belohnung / Billigung von Straftaten SS 140 StGB 7 Beleidigung/üble Nachrede/Verleumdung SSSS 185 - 189 StGB 82 Diebstahl SS 242 StGB 2 Urkundenfälschung SS 267 StGB 2 Versammlungsgesetz 130 Waffengesetz 4 Vereinsgesetz 43 Kunsturheberrechtsgesetz 22 Pressegesetz 3 Summe andere Straftaten 2 189 gesamt 2 558 122 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Politisch motivierte Kriminalität - links Fallzahlen KPMD-PMK für Politisch motivierte Kriminalität - links Gewaltdelikte 2000 2001 Tötungsdelikte SSSS 211 - 221 StGB 0 0 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 65 32 Brandstiftung SSSS 306 - 306 f StGB 23 27 Sprengstoffexplosion SS 308 StGB 0 0 Landfriedensbruch SSSS 125, 125 a StGB 223 155 gefährlicher Eingriff in den StraßenSSSS 315 - 316 StGB 2 5 verkehr Widerstandsdelikte SSSS 113 - 121 StGB 85 59 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 7 4 Summe Gewaltdelikte 405 282 Andere Straftaten Volksverhetzung SS 130 StGB + 6 Propagandadelikte SS 86 a StGB + 13 Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 161 191 Verunglimpfungen gemäß SSSS 90 - 90 b StGB 0 2 Straftaten gegen ausländische SSSS 102 - 104 StGB + 2 Staaten Straftaten gegen die LandesSSSS 109 - 109 h StGB + 1 verteidigung öffentliche Aufforderung zu Straftaten SS 111 StGB 24 9 Störung des öffentlichen Friedens SS 126 StGB + 1 Hausfriedensbruch SSSS 123, 124 StGB + 6 Amtsanmaßung / Missbrauch von SSSS 132, 132 a StGB + 2 Titeln Belohnung / Billigung von Straftaten SS 140 StGB + 5 Beleidigung/üble Nachrede/ SSSS 185 - 189 StGB 31 30 Verleumdung Diebstahl SS 242 StGB + 2 Versammlungsgesetz 159 109 Waffengesetz + 1 Kunsturheberrechtsgesetz + 20 Pressegesetz + 3 Summe andere Straftaten 443 403 gesamt 848 685 +) im Jahr 2000 keine gesonderte Erfassung 123 Der Politisch motivierten Kriminalität - links werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und / oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung (etwa nach Art der Themenfelder) einer politisch linken Orientierung zuzurechnen sind, insbesondere wenn Bezüge zu * Anarchismus, * Kommunismus (einschließlich Marxismus) ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. Von 685 Straftaten waren nach polizeilicher Einschätzung 403 als extremistische Kriminalität einzuordnen. Ein Vergleich zum Jahr 2000 ist aufgrund der durch den KPMDPMK veränderten polizeilichen Bewertungskriterien nicht uneingeschränkt möglich. Politisch motivierte Brandanschläge Im Jahr 2001 waren 27 Brandanschläge mit politischer Motivation zu verzeichnen. Diese Größenordnung bewegt sich im Rahmen der Entwicklung der Vorjahre (1996 = 23 Fälle, 1997 = 33 Fälle, 1998 = 16 Fälle, 1999 = 36 Fälle, 2000 = 23 Fälle). Ein besonderer Höhepunkt war Ende Dezember 1999 zu verzeichnen, als sich im Vorfeld der "Millenniums-Problematik" eine zusammenhängende Brandanschlagsserie auf 15 hochwertige Kraftfahrzeuge ereignete. Die Tatmittel entsprachen jenen, die nur geringfügig modifiziert seit Jahren immer wieder Verwendung finden. In 23 Fällen richteten sich die Taten gegen Kraftfahrzeuge, in vier Fällen gegen Gebäude (u. a. gegen die Forschungseinrichtung BESSY, ein Dienstgebäude der Polizei und einen Supermarkt der Filialkette EXTRA). Der entstandene Sachschaden belief sich insgesamt auf über eine Mio. Euro. 124 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Bei acht Anschlägen auf Kraftfahrzeuge spielten Person und Status des Fahrzeughalters offensichtlich keine Rolle: Sie richteten sich gegen hochwertige Pkw ("Nobelkarossen") als Symbole für "Bonzentum" und "ungerechtfertigte Bereicherung", die sich nach Auffassung der Szene selbst erklären, so dass dazu keine Tatbekennungen eingegangen sind. Zu insgesamt elf Brandanschlägen liegen dagegen Tatbekennungen vor. "Revolutionärer 1. Mai" Gewaltdelikte 2001 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 10 Landfriedensbruch SSSS 125, 125 a StGB 114 gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr SSSS 315 - 316 StGB 1 Widerstandsdelikte SSSS 113 - 121 StGB 23 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 1 Summe Gewaltdelikte 149 Andere Straftaten Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 30 Beleidigung/üble Nachrede/Verleumdung SSSS 185 - 189 StGB 7 Versammlungsgesetz 8 Waffengesetz 1 Summe andere Straftaten 46 gesamt 195 Der so genannte "Revolutionäre 1. Mai" 2001 führte erneut zu zahlreichen Landfriedensbrüchen, Widerstandshandlungen, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen, in deren Zusammenhang 152 Straftäter festzustellen waren (2000 = 154). Die Mehrzahl der aufgeklärten Straftaten ist dabei wiederum durch "erlebnisorientierte" Jugendliche und Heranwachsende, nicht durch linksextremistisch motivierte Täter begangen worden. Durch Öffentlichkeitsfahndungen zur Namhaftmachung von 86 Straftätern konnten bislang 32 Tatverdächtige identifiziert werden. 125 Kernenergie Gewaltdelikte 2001 Brandstiftung SSSS 306 - 306 f StGB 8 Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr SSSS 315 - 316 StGB 5 Summe Gewaltdelikte 13 Andere Straftaten Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 19 Störung des öffentlichen Friedens SSSS 126 StGB 1 Versammlungsgesetz 2 Pressegesetz 1 Summe andere Straftaten 23 gesamt 36 Die Wiederaufnahme der CASTOR-Transporte löste vier eindeutig der Kernenergie-Thematik zuzuordnende Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge der Deutschen Bahn AG sowie der Firma Siemens aus, zu denen sich "Autonome Gruppen" (27. Februar 2001), die "Autonome Miliz" (4. März 2001), die "Autonome Stiftung Warentest - Abteilung Anleitungen" (18. März 2001) sowie eine namenlose Gruppierung (20. September 2001) bekannten. Darüber hinaus versuchte eine "AUTONOME GRUPPE Mähdorn" den Anbau eines ehemaligen Bürogebäudes der Deutschen Bahn AG in Treptow in Brand zu setzen (4. November 2001). Vermutlich derselbe Tathintergrund dürfte für drei Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge der Deutschen Bahn AG am 28. März, 30. April und 18. November 2001 und einen Brandanschlag auf das Forschungslabor der Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung mbH (BESSY) am 7. Juli 2001 maßgeblich gewesen sein, wenngleich dazu keine Tatbekennungen vorliegen. In der Nacht zum 21. März 2001 zerstörten ca. 15 - 20 unbekannte Täter mit Hämmern insgesamt 74 Fensterscheiben eines von der "DB Cargo AG" genutzten Gebäudes in Treptow. Anschließend schleuderten sie Nebelwurfkörper und Buttersäure in die Räumlichkeiten. Zeitgleich wurde an die Hauswand der Schriftzug "OHNE BAHN KEIN CASTOR" aufgesprüht; 126 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "autonome gruppen" bekannten sich zu der Tat. Der entstandene Sachschaden war auf 130 000 DM zu beziffern. Am 23. Oktober 2001 verübten unbekannte Täter gegen 5.00 Uhr - nahezu zeitgleich - drei Anschläge auf Oberleitungen der Deutschen Bahn AG. Statt der bislang verwendeten Hakenkrallen verwendeten die Täter eine Stahlseilkonstruktion mit Metallketten, durch die u. a. die Stromabnehmer zweier durchfahrender Züge irreparabel beschädigt wurden. In textidentischen, bei verschiedenen Tageszeitungen eingegangenen Selbstbezichtigungen bekannten sich "autonome gruppen" zu den Taten, die sie u. a. mit der "Fortführung der Kampagne gegen die Atomindustrie und die involvierten Konzerne" begründeten. 127 Politisch motivierte Ausländerkriminalität Fallzahlen KPMD - PMK für Politisch motivierte Ausländerkriminalität Gewaltdelikte 2000 2001 Tötungsdelikte SSSS 211 - 221 StGB 0 0 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 5 11 Bildung terroristischer SS 129 a StGB + 1 Vereinigungen Landfriedensbruch SSSS 125, 125 a StGB 17 10 gefährlicher Eingriff in den SSSS 315 - 316 StGB + 2 Straßenverkehr Freiheitsberaubung SSSS 234 - 239 b StGB + 1 Raub SSSS 249 - 255 StGB 3 0 Erpressung SS 253 StGB 3 2 Widerstandsdelikte SSSS 113 - 121 StGB 20 9 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 5 10 Summe Gewaltdelikte 53 46 Andere Straftaten Volksverhetzung SS 130 StGB 4 28 Propagandadelikte SSSS 86, 86 a StGB + 13 Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 18 21 Verunglimpfungen gemäß SSSS 90 - 90 b StGB + 1 Straftaten gg. ausl. Staaten SSSS 102 - 104 StGB + 8 Störung des öffentlichen Friedens SS 126 StGB + 21 Hausfriedensbruch SSSS 123, 124 StGB + 1 Belohnung / Billigung von Straftaten SS 140 StGB + 2 Beleidigung/üble Nachrede/ SSSS 185 - 189 StGB + 10 Verleumdung Versammlungsgesetz 40 8 Waffengesetz + 1 Vereinsgesetz 19 40 Summe andere Straftaten 135 154 gesamt 188 200 +) im Jahr 2000 keine gesonderte Erfassung 128 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Der Politisch motivierten Ausländerkriminalität werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung * der Umstände der Tat und / oder * der Erkenntnisse über den Täter Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die durch eine nichtdeutsche Herkunft geprägte Einstellung des Täters entscheidend für die Tatbegehung war, insbesondere wenn sie darauf ausgerichtet sind * Verhältnisse und Entwicklungen im Ausland oder * aus dem Ausland Verhältnisse und Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen. 136 der insgesamt 200 Straftaten sind nach polizeilicher Bewertung der extremistisch motivierten Kriminalität zuzurechnen. Ein Vergleich zum Jahr 2000 ist aufgrund der durch den KPMDPMK veränderten polizeilichen Bewertungskriterien nicht uneingeschränkt möglich. Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen gingen beim Polizeilichen Staatsschutz bis zum Jahresende 2001 insgesamt 991 Hinweise ein, die zur Einleitung mehrerer Ermittlungsverfahren führten, die durchweg jedoch nicht in Verbindung mit den Ereignissen des 11. September 2001 standen. Die allgemein hohe Emotionalisierung führte im Herbst 2001 zu 242 Anthrax-/Milzbrand-Verdachtsfällen, von denen 128 Strafanzeigen wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten zur Folge hatten. 16 Tatverdächtige konnten als sog. "Trittbrettfahrer" ermittelt werden. Tatsächliche Milzbrandfälle waren nicht zu verzeichnen. Die Anschläge in den USA sowie ihre verschiedenen Folgen (z. B. Protestkundgebungen gegen den Krieg in Afghanistan) hatten auf die Entwicklung der Berliner Fallzahlen KPMD-PMK eine nur sehr geringe Auswirkung. 129 Islamismus / Fundamentalismus Gewaltdelikte 2001 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 1 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 1 Summe Gewaltdelikte 2 Andere Straftaten Volksverhetzung SS 130 StGB 6 Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 1 Störung des öffentlichen Friedens SS 126 StGB 11 Belohnung / Billigung von Straftaten SS 140 StGB 2 Beleidigung / üble SS 185 - 189 StGB 1 Nachrede / Verleumdung Waffengesetz 1 Summe andere Straftaten 22 gesamt 24 PKK / Kurdenproblematik Gewaltdelikte 2001 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 4 Bildung terroristischer Vereinigungen SS 129 a StGB 1 Landfriedensbruch SSSS 125, 125 a StGB 1 gefährlicher Eingriff in den SSSS 315 - 316 StGB 2 Straßenverkehr Freiheitsberaubung SSSS 234 - 239 b StGB 1 Erpressung SS 253 StGB 1 Widerstandsdelikte SSSS 113 - 121 StGB 2 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 1 Summe Gewaltdelikte 13 Andere Straftaten Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 2 Vereinsgesetz 40 Versammlungsgesetz 1 Summe andere Straftaten 43 gesamt 56 130 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Politisch motivierte Kriminalität - rechts Fallzahlen KPMD-PMK für Politisch motivierte Kriminalität - rechts (einschließlich antisemitischer und fremdenfeindlicher Straftaten) Gewaltdelikte 2000 2001 Tötungsdelikte SSSS 211 - 221 StGB 0 0 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 31 24 Brandstiftung SSSS 306 - 306 f StGB 1 0 Sprengstoffexplosion SS 308 StGB 1 0 Landfriedensbruch SSSS 125, 125 a StGB 6 3 Raub SSSS 249 - 255 StGB 0 1 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 16 7 Summe Gewaltdelikte 55 35 Andere Straftaten Volksverhetzung SS 130 StGB 80++) 124 Propagandadelikte SSSS 86, 86 a StGB 148 238 Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 6 2 + Verunglimpfungen gemäß SSSS 90 - 90 b StGB 1 + Straftaten gegen ausländische SSSS 102 - 104 StGB 1 Staaten + Störung des öffentlichen Friedens SS 126 StGB 1 Beleidigung / üble SSSS 185 - 189 StGB 35 Nachrede / Verleumdung 8++) + Versammlungsgesetz 11 Waffengesetz 3 2 + Vereinsgesetz 3 + Kunsturheberrechtsgesetz 2 Summe andere Straftaten 278 420 gesamt 333 455 +) im Jahr 2000 keine gesonderte Erfassung ++) im Jahr 2000 teilweise gemeinsame Erfassung für Volksverhetzung/Beleidigung 131 Langfristige Entwicklung der Fallzahlen Fallzahlen PMK - rechts - 1997 1998 1999 2000 2001 Antisemitisch 96 106 59 56 106 Fremdenfeindlich 97 89 68 70 84 Sonstige PMK - rechts 359 315 111 207 265 gesamt 552 510 238 333 455 Der Politisch motivierten Kriminalität - rechts werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung (etwa nach Art der Themenfelder) einer politisch rechten Orientierung zuzurechnen sind, insbesondere wenn Bezüge zu * völkischem Nationalismus, * Rassismus, * Sozialdarwinismus, * Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. Von 455 Straftaten insgesamt waren 240 als extremistisch zu bewerten. Ein Vergleich zum Jahr 2000 ist aufgrund der durch den KPMDPMK veränderten polizeilichen Bewertungskriterien nicht uneingeschränkt möglich. Besonderheiten der Fallentwicklung / Schwerpunkte Der auffallende Anstieg im Bereich der Volksverhetzung ist durch die erhebliche Zunahme von Internet-Delikten zu erklären. Die zunehmende Nutzung dieses Mediums führt zu immer häufigerer Feststellung und Mitteilung von und auch der Suche nach rechten Webseiten mit strafbaren Inhalten. 132 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Rechtsextremistische Straftaten (ohne Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit) Im vergangenen Jahr konnte - nicht zuletzt als Folge der öffentlichen Debatte über ein Verbot der NPD - ein verstärktes Anzeigeverhalten der Bevölkerung beobachtet werden, das sich insbesondere bei den Propagandadelikten unter Verwendung des Internets auswirkte. Ein weiterer Grund für den Anstieg der festgestellten Straftaten liegt im konsequenten polizeilichen Vorgehen bei Versammlungen und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktionen der rechten Szene und damit einer Aufhellung des statistischen Dunkelfeldes. Dazu gehörte auch die Aufklärung der im Vorfeld zur Wahl zum Berliner Abgeordnetenhauses durchgeführten zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen der NPD. Hervorzuheben ist, dass die Zahl der Gewaltdelikte im Bereich des Rechtsextremismus trotz des zunehmend aggressiven Verhaltens von Teilnehmern rechter Veranstaltungen rückläufig ist. Hasskriminalität (einschließlich antisemitischer und fremdenfeindlicher Straftaten) Der Begriff "Hasskriminalität" ist an den international eingeführten Begriff "Hate-Crime" angelehnt. Antisemitische und fremdenfeindliche Straftaten sind Teilmengen der Hasskriminalität, werden aber wegen ihrer Bedeutung und der bisherigen Erfassungspraxis gesondert ausgeworfen. 133 Gewaltdelikte 2001 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 15 Raub SSSS 249 - 255 StGB 1 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 5 Summe Gewaltdelikte 21 Andere Straftaten Volksverhetzung 130 StGB 113 Propagandadelikte SSSS 86, 86 a StGB 18 Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 1 Straftaten gegen ausländische Staaten SSSS 102 - 104 StGB 1 Beleidigung/üble Nachrede/Verleumdung SSSS 185 - 189 StGB 24 Summe andere Straftaten 157 gesamt 178 Hasskriminalität bezeichnet politisch motivierte Straftaten, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen ihrer/ihres politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Herkunft, äußeren Erscheinungsbildes, Behinderung, sexuellen Orientierung oder gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. 134 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Antisemitische Straftaten (alle Straftaten als rechtsextremistische Kriminalität bewertet) Gewaltdelikte 2000 2001 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 0 0 Brandstiftung SSSS 306 - 306 f StGB 0 0 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 0 1 Summe Gewaltdelikte 0 1 Andere Straftaten Volksverhetzung SS 130 StGB 40 77 Propagandadelikte SSSS 86, 86 a StGB 7 16 Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 5 1 Beleidigung / üble Nachrede / SSSS 185 - 189 StGB 3 10 Verleumdung Pressegesetz 1 Summe andere Straftaten 56 105 gesamt 56 106 Antisemitische Straftaten sind insbesondere gekennzeichnet durch: * Diffamierung jüdischer Institutionen und ihrer Vertreter durch Telefonanrufe, anonyme Briefsendungen bzw. E-Mails; * Propagieren der Auschwitzlüge; * Schmierereien oder andere Beschädigungen an jüdischen Mahnmalen / Gedenkstätten / Gräbern. Ein wesentlicher Umstand beim Anstieg der antisemitischen Straftaten ist die Nutzung des Internets. Auf den entsprechenden Web-Seiten werden u. a. der Holocaust geleugnet oder ausländische Bevölkerungsgruppen diffamiert. Darüber hinaus haben medienwirksame Ereignisse wie die Eröffnung des Jüdischen Museums, der Bau des HolocaustMahnmals und die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis in Nahost verstärkt anonyme Briefeschreiber zum Handeln veranlasst. Dabei wurde die Mehrzahl der strafrechtlich relevanten Schreiben an den Zentralrat der 135 Juden in Deutschland (seit März 2000 in Berlin angesiedelt) sowie an die Jüdische Gemeinde zu Berlin gesandt. Fremdenfeindliche Straftaten (alle Straftaten als rechtsextremistische Kriminalität bewertet) Gewaltdelikte 2000 2001 Körperverletzung SSSS 223 - 231 StGB 23 15 Landfriedensbruch SSSS 125, 125 a StGB 2 0 Nötigung / Bedrohung SSSS 240, 241 StGB 9 4 Summe Gewaltdelikte 34 19 Andere Straftaten Volksverhetzung SS 130 StGB 26+) 38 Propagandadelikte SSSS 86, 86 a StGB 10 12 Sachbeschädigung SSSS 303 - 305 a StGB 0 0 Straftaten gegen ausländische SSSS 102 - 104 StGB 0 1 Staaten +) Beleidigung / üble SSSS 185 - 189 StGB 14 Nachrede / Verleumdung Summe andere Straftaten 36 65 gesamt 70 84 +) im Jahr 2000 gemeinsame Erfassung von Volksverhetzung und Beleidigung Fremdenfeindlich ist der Teil der Hasskriminalität, der aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion bzw. Herkunft des Opfers verübt wird. Wenngleich ein Anstieg der Fallzahlen verzeichnet werden musste, ist die Anzahl der fremdenfeindlichen Gewaltdelikte weiter rückläufig. 136 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Propagandadelikte Vorgänge 1997 1998 1999 2000 2001 Propagandadelikte Antisemitisch 1 12 9 7 16 Fremdenfeindlich 6 2 11 10 12 Sonstige PMK -rechts 177 178 83 131 210 Politisch motiviert gesamt 184 192 103 148 238 Straftaten SSSS 86, 86 a 1 260 1 259 1 144 1 631 1 417+) gesamt +) davon 27 Straftaten offensichtlich nicht PMK -rechtszuzuordnen Bei diesen Straftaten handelt es sich überwiegend um so genannte "Hakenkreuz-Schmierereien" im öffentlichen Raum, zu denen im Regelfall keine Hinweise auf den Täter und dessen Motivation vorliegen. Des Öfteren besteht auch eine örtliche Nähe zu Graffiti oder anderen Beschmutzungen. Anhaltspunkte für eine politische Motivation müssten sich aus Äußerungen des Täters bzw. staatsschutzrelevanten Erkenntnissen über sie ergeben. Gründe für die Annahme eines politischen Motivs bilden aber auch besondere Tatörtlichkeiten (z. B. Straftaten gegen jüdische Einrichtungen oder Mahnmale), zeitliche oder örtliche Nähe zu Treffpunkten der rechten Szene bzw. deren Veranstaltungen oder Aufzügen. 137 2 Personenpotenziale Rechtsextremismus Berlin1 Bund2 2000 2001 2000 2001 Gesamt 2 915 2 695 52 600 50 500 ./. Mehrfachmitgliedschaften 240 55 1 700 800 Tatsächliches Personenpotenzial 2 675 2 640 50 900 49 700 3 3 Gewaltbereite Rechtsextremisten, davon 830 640 9 700 10 400 Gewalttäter 280 270 k.A. k.A. Skinheads 550 370 k.A. k.A. Neonazis, davon 440 435 2 200 2 800 Neonazistische Kameradschaften 75 60 k.A. 4 k.A. 4 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 50 45 550 k.A. "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) EM5 EM5 k.A. 6 k.A. 6 "Neonazikreis um Frank Schwerdt" EM5 EM5 k.A. 6 k.A. 6 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 15 15 - - Unorganisierte Neonazis 280 300 k.A. 6 k.A. 6 Rechtsextremistische Parteien, davon 1 500 1 485 36 500 33 000 "Deutsche Volksunion" (DVU) 630 600 17 000 15 000 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 240 250 6 500 6 500 (NPD) "Junge Nationaldemokraten" (JN) 30 35 k.A. 7 k.A. 7 "Die Republikaner" (REP) 600 600 14 000 11 500 Sonstige rechtsextremistische Organisationen (insgesamt 8 Vereinigungen in Berlin) 145 135 4 200 4 300 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3 Das BfV erfasst unter dieser Rubrik neben Skinheads auch gewaltbereite Rechtsextremisten anderer subkultureller Prägung (Gewalttäter ohne Organisationszugehörigkeit). 4 Bundesweit existieren zahlreiche vergleichbare Gruppierungen unter vielfältigen Bezeichnungen. Angaben zur Gesamtzahl der Mitglieder liegen jedoch nicht vor. 5 EM = Einzelmitglieder (pauschal mit jeweils 10 Personen gerechnet). 6 Zahl wird vom BfV nicht gesondert ausgewiesen. 7 Das BfV erfasst die JN-Mitgliederzahlen unter der Rubrik "Sonstige rechtsextremistische Organisationen" (2001: bis zu 500, 2000: bis zu 500 Personen). 138 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Linksextremismus Berlin1 Bund2 2000 2001 2000 2001 Gesamt 2 520 2 520 34 000 33 300 ./. Mehrfachmitgliedschaften 0 0 500 400 Tatsächliches Personenpotenzial 2 520 2 520 33 500 32 900 Gewaltbereite Linksextremisten einschließlich Anarchisten3, davon 1 450 1 450 7 000 7 000 Autonome 1 200 1 200 6 000 6 000 Sonstige 250 250 1 000 1 000 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten einschließlich 1 070 1 070 27 000 26 300 Trotzkisten 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3 Das Mobilisierungspotenzial der "Szene" umfasst zusätzlich mehrere hundert Personen. 139 Ausländerextremismus Berlin1 Bund2 2000 2001 2000 2001 Gesamt 6 475 6 500 58 800 59 100 Islamisch-extremistischeTürken 3 050 3 050 28 150 28 650 Linksextremistische Türken 300 270 4 250 3 950 Extrem-nationalistische Türken 600 600 7 800 8 000 Islamisch-extremistische Araber / Palästinenser 1 145 1 200 3 100 3 100 Linksextremistische Araber / Palästinenser 170 170 150 150 Organisierte regimetreue Iraner 30 30 100 100 Organisierte oppositionelle Iraner 20 20 900 900 Kurden (PKK und sonstige) 1 110 1 110 12 400 12 350 Sonstige 50 50 1 950 1 900 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet Verteilung in Berlin nach ideologischer Ausrichtung 2000 2000 2001 2001 absolut % absolut % Islamisch-extremistische Organisationen 4 245 65,6 4 280 65,8 Linksextremistische Organisationen 1 580 24,4 1 570 24,1 Extrem-nationalistische Organisationen 600 9,3 600 9,2 Sonstige 50 0,8 50 0,8 Verteilung in Berlin nach Nationalitäten 2000 2000 2001 2001 absolut % absolut % Kurden 1 110 17,1 1 100 17,1 Türken 3 950 61,0 3 920 60,3 Araber / Palästinenser 1 315 20,3 1 370 21,1 Iraner 50 0,8 50 0,8 Sonstige 50 0,8 50 0,8 140 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 141 142 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 III HINTERGRUNDINFORMATIONEN ORGANISATIONEN IDEOLOGIEN KOMMUNIKATIONSMITTEL 1 Rechtsextremismus - "Aktionsbüro Mitteldeutschland - Nationaler Widerstand Berlin / Brandenburg"............................................................ 146 - "Anti-Antifa" .......................................................................... 147 - "Blood & Honour" ................................................................. 147 - "Deutsches Kolleg" (DK)....................................................... 148 - "Deutsche Volksunion" (DVU) .............................................. 149 - "Hammerskins" ..................................................................... 151 - "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) ..................................... 151 - "Junge Nationaldemokraten" (JN)......................................... 152 - Kameradschaften................................................................. 153 - "Kameradschaft 1375".......................................................... 153 - "Kameradschaft Adlershof" .................................................. 154 - "Kameradschaft Germania".................................................. 154 - "Kameradschaft Tor Berlin".................................................. 155 - "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) .......... 156 - "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) ..................... 159 - Neonazis .............................................................................. 160 - "Die Republikaner" (REP)..................................................... 161 - Skinheads............................................................................. 162 - Skinhead-Fanzines ............................................................... 163 - "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" ............ 164 2 Linksextremismus - "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) ................................ 166 - "Anti-Atom-Plenum" (AAP) ................................................... 167 - Autonome............................................................................. 167 - "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) ........................... 170 - INTERIM .............................................................................. 171 - "kein mensch ist illegal" (kmii) ............................................... 171 - "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF)........................ 172 - "Libertad!"............................................................................. 172 - Die Linke Seite ..................................................................... 173 - "Linksruck" ................................................................................ 174 143 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 - "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) .........175 - Peoples Global Action (PGA) ...................................................175 - "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK)...............................176 - "Rote Hilfe e.V." (RH) ...............................................................176 - Streßfaktor................................................................................177 3 Ausländerextremismus - DHKP-C: "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" ............178 - "Hizb Allah" (Partei Gottes).......................................................179 - IBP: "Islamischer Bund Palästina".............................................180 - IGMG: "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." ................182 - "Der Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti) ...........................................183 - MEK: "Organisation der Volksmodjahedin Iran"........................185 - MLKP: "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei"......186 - PKK: "Arbeiterpartei Kurdistans"...............................................186 - TKP/ML: "Türkische Kommunistische Partei / MarxistenLeninisten".................................................................................188 4 "Scientology"-Organisation (SO)...............................................189 144 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 1 Rechtsextremismus Der Begriff "Rechtsextremismus" bezeichnet keine geschlossene politische Theorie. Er umschreibt vielmehr eine vielschichtige politische und soziale Gedankenwelt und ein Handlungssystem, das in der Gesamtheit seiner Einstellungen und Verhaltensweisen auf die Beseitigung oder nachhaltige Beeinträchtigung demokratischer Rechte, Strukturen und Prozesse gerichtet ist. Rechtsextremistisches Gedankengut setzt sich aus Fragmenten verschiedener ideologischer Teilbereiche zusammen. Diese wurzeln vorrangig in einem völkischen Nationalismus, dessen Triebfeder ein elitäres Rassedenken ist. Nicht die Gemeinsamkeit der Geschichte, der Kultur und insbesondere der Sprache bestimmt nach diesem Weltbild die Zugehörigkeit zu einem Volk und zu einer Nation, sondern allein die biologische Abstammung ("Rassevolk", "Rassenation"). Die fehlende geschlossene Theorie des Rechtsextremismus wird in aller Regel durch die Dominanz einzelner "starker" Persönlichkeiten und durch das "Führerprinzip" kompensiert. Rechtsextremistische Politik ist weitgehend vom Willen, von den Fähigkeiten und dem Charisma der Leitfiguren abhängig. Folgende Vorstellungen können für den Rechtsextremismus als charakteristisch angesehen werden: - die ethnische Zugehörigkeit zu einer Nation oder Rasse und der Nutzen für die Gemeinschaft sollen den Wert des Menschen ausmachen, - der Staat und ein ethnisch homogenes Volk verschmelzen im Sinne einer angeblich vorgegebenen natürlichen Ordnung zu einer einheitlichen "Volksgemeinschaft", - die staatlichen Führer handeln intuitiv nach dem einheitlichen Willen des Volkes. Diese Vorstellungen sind im Spektrum des Rechtsextremismus in unterschiedlichen Ausprägungen vorzufinden und äußern sich in folgenden Verhaltensmustern: 145 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 - die Ablehnung und Ausgrenzung von allen, die den jeweiligen Vorstellungen nicht entsprechen, - ein aggressiver antiparlamentarischer Nationalismus, - die Rechtfertigung des Einsatzes von Gewalt als "Recht des Stärkeren". Das Bundesverfassungsgericht hat 1952 bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) die wesentlichen Merkmale entwickelt, die für rechtsex107 tremistische Bestrebungen kennzeichnend sind : - Missachtung wesentlicher Menschenrechte, besonders der Würde des Menschen, seines Rechtes auf freie Entfaltung und des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz. Diese Einstellung äußert sich beispielhaft in Rassismus und Antisemitismus. - Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vornehmlich durch Diffamierung staatlicher Institutionen, demokratischer Parteien (Negierung des Pluralismusprinzips sowie Verneinung der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Gewalten). Dies gipfelt in der Forderung nach einer autoritären bzw. diktatorischen Staatsund Sozialordnung, welche die Notwendigkeit eines nach innen und außen starken Staates sowie militärische Werte und hierarchische Prinzipien ("Führer" und "Gefolgschaft") überbetont. - Verharmlosung bzw. Leugnung der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (Revisionismus) sowie mangelnde Distanz zum "Dritten Reich" in der gesamten Spannbreite von Verharmlosung bis Verherrlichung. - Die Behauptung einer prinzipiellen biologisch bzw. rassisch begründeten Ungleichheit von Menschen verbun107 BVerfGE 2, 1 146 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 den mit der Ausgrenzung und Abwertung der nicht zur eigenen Gruppe gehörenden Individuen. - Überbewertung der aufgrund ethnischer Zugehörigkeit definierten "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Rechte und Interessen des Einzelnen (völkischer Kollektivismus) sowie fremder Nationen und Kulturen (Nationalismus). Anhänger einer Wiederbelebung des Nationalsozialismus, so genannte Neonazis, streben direkt und offen eine nach dem Führerprinzip ausgerichtete totalitäre Staatsform und eine "Volksgemeinschaft" nach dem Vorbild der ehemaligen "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) an. In Berlin lassen sich vier Ausprägungen des Rechtsextremismus unterscheiden: - Gewaltbereite Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads, - neonazistische Gruppen und Einzelaktivisten, - rechtsextremistische Parteien sowie - sonstige rechtsextremistische Organisationen. Die Akteure dieser Bereiche pflegen untereinander z. T. intensive Kontakte und arbeiten anlassbezogen zusammen. "Aktionsbüro Mitteldeutschland - Nationaler Widerstand Berlin / Brandenburg" Ab August 2001 konnte die Homepage des "Aktionsbüros Mitteldeutschland - Nationaler Widerstand Berlin/Brandenburg" im Internet festgestellt werden. Darin werden u. a. Termine und Aktionsberichte veröffentlicht. Via E-Mail werden regelmäßig Pressemitteilungen abgegeben, in denen das Aktionsbüro zu aktuellen Ereignissen innerhalb der Szene Stellung bezieht. Durch das Layout und die Wortwahl wird 147 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 der Eindruck erweckt, dass hinter dem "Aktionsbüro Mitteldeutschland" ein größerer Personenkreis steht. Außerhalb des Internets tritt das "Aktionsbüros Mitteldeutschland - Nationaler Widerstand Berlin/Brandenburg" jedoch nicht in Erscheinung. "Anti-Antifa" Die "Anti-Antifa" ist eine Reaktion der Rechtsextremisten gegenüber der linksextremistischen "Antifa". "Antifa" ist eine Abkürzung für Antifaschismus und richtet sich gezielt gegen tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten. Nach Lesart der linksextremistischen "Antifa" zählen dazu auch Personen des konservativen Spektrums und Repräsentanten des als "faschistisch" diffamierten Staates. Unter "Anti-Antifa" ist somit eine Gegenströmung zu dem von Linksextremisten propagierten Kampfbegriff "Antifa" zu verstehen. Im Jahr 2001 sind keine Aktionen der "Anti-Antifa" in Berlin bekannt geworden. "Blood & Honour" Die im Jahr 2000 in Deutschland verbotene neonazistische und international ausgerichtete "Blood & Honour"-Bewegung ("B&H") wurde Ende der 80er Jahre in England von dem Musiker Ian Stuart Donaldson gegründet. Die "B&H"-Bewegung" beeinflusst die Skinhead-Szene ideologisch über die Musik. Hierin wird ein effektives Mittel gesehen, die jugendlichen Skinheads wieder an den Nationalsozialismus heranzuführen. "Blood & Honour" hat dafür szeneeigene Produktionsund Vertriebswege geschaffen. Trotz Verbots der "Blood & Honour"-Division Deutschland und ihrer Jugendorganisation "White Youth" am 12. September 2000 gelang es der Szene im Jahr 2001, die 2. Auflage des bereits im Dezember 2000 bekannt gewordenen so genannten "Blood & Honour"-Brandenburg-Samplers herauszugeben. Auf diesem Sampler, der bereits indiziert ist, sind fast alle bekannten Berliner Skinhead-Bands mit einzelnen Titeln vertreten. 148 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Nach dem Verbot ist eine deutschlandweite einheitliche Struktur nicht mehr existent. Einige der ehemals führenden Mitglieder stehen jedoch noch miteinander in Kontakt und sind Bestandteil der rechtsextremistischen Szene geblieben. Zusammenhänge sind vor allem bei Skinhead-Konzerten festzustellen. "Deutsches Kolleg" (DK) Sitz: Berlin/Würzburg Organisationsstruktur: Funktionärsgruppe Mitgliederzahl: Einzelmitglieder Entstehung/Gründung: 1994 Ideologie: rechtsextremistisch Das DK ist ein 1994 gegründeter Zusammenschluss, der sich selbst als Schulungseinrichtung der "nationalen Intelligenz" versteht. Mit seinen Schulungsmaterialien und Schulungen versucht er, Einfluss auf andere rechtsextremistische Personen und Gruppierungen zu nehmen. Führender Protagonist ist der rechtsextremistische Theoretiker Dr. Reinhold OBERLERCHER. Im Frühjahr 2000 gelang es diesem, den Rechtsextremisten Horst MAHLER für die Mitarbeit im DK zu gewinnen. Die politischen Werdegänge OBERLERCHERs und MAHLERs weisen Parallelen auf. So begann OBERLERCHER seine politische Laufbahn im "Sozialistischen Deutschen Studentenbund" (SDS), MAHLER war Mitbegründer der "Rote Armee Fraktion" (RAF). Durch das Mitwirken von Horst MAHLER erhielt das DK neue Impulse. Das Internet entwickelte sich inzwischen zum wichtigsten Diskussionsforum des DK. Mit Hilfe dieses Mediums kann es 149 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 seine teilweise recht abstrakten Materialien wesentlich wirkungsvoller verbreiten. Dabei fallen gerade die von Horst MAHLER veröffentlichten Texte durch ihre antisemitische Prägung auf. "Deutsche Volksunion" (DVU) Sitz: München Organisationsstruktur: Partei Mitgliederzahl: ca. 15 000 bundesweit (2000: ca. 17 000) ca. 600 in Berlin (2000: ca. 630) Entstehung/Gründung: 1987 Ideologie: rechtsextremistisch Publikationen: "National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) (überregional, wöchentlich, Auflage: 45 000) Herausgeber: Dr. Gerhard FREY Die "Deutsche Volksunion" wurde 1987 auf Initiative des Münchener Verlegers Dr. Gerhard FREY in engem Zusammenwirken mit der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) als "Deutsche Volksunion - Liste D" gegründet und 1991 in DVU umbenannt. Die Partei und der eingetragene Verein "Deutsche Volksunion e. V." (DVU e.V.) mit seinen Aktionsgemeinschaften sind wie der "DSZ Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" und der "FZ - Freiheitlicher Buchund Zeitschriftendienst GmbH" Bestandteile des von Dr. FREY aufgebauten Organisationsund Pressegeflechts. Die DVU bekennt sich formal zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, will jedoch die Gültigkeit der Grundund Menschenrechte des Grundgesetzes auf Deutsche begrenzen. Besondere Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit bilden die Themen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Revisionismus. Im Presseorgan der Partei, der "National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) steht die revisionistische Kritik an einer angeblich extrem einseitig erfolgenden Vergangenheitsbewältigung im Zentrum. Die Verbrechen der Nationalsozialisten und insbesondere die Ermordung der Juden werden zwar nicht in Gänze geleugnet, jedoch in starkem Maße bagatellisiert. Die politische Agitation ist fremdenfeindlich geprägt. So findet sich 150 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 in der NZ eine einseitige und verzerrende Berichterstattung über Asylmissbrauch und Ausländerkriminalität. Mit ständigen Wiederholungen aggressiver Schlagzeilen wird der Versuch unternommen, Ausländer pauschal zu kriminalisieren. Nicht minder aggressiv wird gegen Juden agitiert und der DVU-Anhängerschaft werden angebliche jüdische Weltverschwörungsszenarien nahegebracht. Die mit Abstand bedeutendste Veranstaltung für DVU-Mitglieder und Sympathisanten stellt die jährliche Großkundgebung in der Passauer Nibelungenhalle dar. Sie dient Dr. FREY zu seiner Selbstdarstellung und soll den Parteimitgliedern und -sympathisanten zur Motivierung ein Gemeinschaftserlebnis der Geschlossenheit, Stärke und Begeisterung vermitteln. Eine aktive politische Mitgestaltung durch die Basis findet kaum statt. Für die Veranstaltung am 29. September unter dem Motto "Wir sind stolz, Deutsche zu sein" konnte die Partei mit 1 200 Teilnehmern nur noch die Hälfte der Besucherzahlen des Vorjahres mobilisieren. Die DVU wertete den geringen Zuspruch jedoch nicht als Niederlage, sondern bezeichnete die Veranstaltung vielmehr als Erfolg der Partei und ihres Vorsitzenden. So heißt es auf ihrer Internetseite: "Passau 2001. Sieg über Willkür - Schlappe für Demokratiefeinde / Nationalfreiheitliche feiern Dr. FREY". Der DVU-Landesverband Berlin ist seit Jahren durch Stagnation der Mitgliederzahlen und Passivität der Parteiangehörigen geprägt. So ist es auch dem im Juli 2001 neugewählten Landesvorstand bisher nicht gelungen, die Strukturen der Partei zu reorganisieren und damit einhergehend Mitgliederpotenziale zu mobilisieren. Auf Weisung ihres Bundesvorsitzenden nahm die DVU nicht an den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Oktober teil. Statt dessen hatte sich die Partei auf die Wahlen in Hamburg 108 konzentriert. Dort erhielt sie 0,7 % der Stimmen . "Hammerskins" 108 siehe S. 40 151 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Sitz: bundesweit Organisationsstruktur: Divisionen, Sektionen, Chapter Mitgliederzahl: ca. 100 bundesweit, ca. 15 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Entstehung/Gründung: in Deutschland seit 1995 vertreten Ideologie: rassistisch, z. T. neonazistisch Die aus den USA stammenden "Hammerskins" sind Teil der Skinhead-Bewegung. In Deutschland strukturierten sie sich erst ab etwa Mitte der neunziger Jahre in überwiegend voneinander unabhängigen landesweiten "Sektionen". Bundesweit werden den "Hammerskins" 100 Mitglieder zugerechnet, in Berlin zählen ca. 15 Personen zu den "Hammerskins". Die "Hammerskins" sind stark ideologisch geprägt und stellen nicht bloß eine organisatorisch orientierte Sammlungsbewegung dar. Sie pflegen ein elitäres, rassistisches und zum Teil neonazistisches Weltbild. Ziel dieser Bewegung ist die Vereinigung aller Skinheads in einer "Hammerskin-Nation". Im Jahr 2001 wurden keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der Berliner "Hammerskin"-Sektion bekannt. "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Sitz: Frankfurt/Main Organisationsstruktur: eingetragener Verein Mitgliederzahl: ca. 600 bundesweit (2000: ca. 550) ca. 45 in Berlin (2000: ca. 50) Entstehung/Gründung: 1979 Ideologie: neonazistisch Publikationen: "Nachrichten der HNG" (monatlich, Auflage: ca. 600) Die HNG ist der mitgliederstärkste Neonazi-Zusammenschluss. In Berlin verfügt sie über ein Mitgliederpotenzial von rund 45 Personen. Sie bezeichnet sich als "Sammelbecken und Solidargemeinschaft" für Neonazis aller politischer Gruppierungen aus Deutschland und dem nahen Ausland. Ihre Aktivitäten liegen in 152 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 der Betreuung inhaftierter Gesinnungsgenossen. Ziel ist es, die Einbindung der Straftäter in die rechtsextremistische Szene auch während der Haftzeit zu gewährleisten und sie nach der Haftentlassung in dieses Spektrum nahtlos wieder einzufügen. Dafür nutzt die HNG u. a. ihre Publikation "Nachrichten der HNG". Darin sind regelmäßig Gefangenenlisten abgedruckt sowie inhaftierte Personen aufgeführt, die Briefkontakt wünschen. Auch Rechtsextremisten in Berliner Gefängnissen werden derzeit von der HNG ideell und materiell betreut. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Sitz: Riesa (Sachsen) Organisationsstruktur: Jugendorganisation der NPD Mitgliederzahl: bis zu 500 bundesweit (2000: bis zu 500) 30 in Berlin, 20 in Brandenburg (2000: 30 in Berlin, 35 in Brandenburg) Entstehung/Gründung: 1969 Ideologie: rechtsextremistisch Publikationen: überregional: keine; Regionalverband Berlin: "Jugend wacht - Die Zeitschrift für die nationalistische Jugendbewegung" (unregelmäßig) Die "Jungen Nationaldemokraten" sind die Jugendorganisation 109 der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) . Sie sind laut Satzung der NPD integraler Bestandteil der Partei. Der JN-Bundesvorsitzende ist gemäß den Statuten zugleich Mitglied des NPD-Bundesvorstandes. Die JN sind die größte rechtsextremistische Jugendorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Lange Zeit übten die JN eine Nahtstellenfunktion zwischen der NPD und Neonazis aus. Im Zuge des Öffnungsprozesses der Gesamtpartei zur NeonaziSzene haben die JN aber an eigenständiger Bedeutung verloren und orientieren sich zunehmend an der Mutterpartei. Infolge dessen sind die eigenständigen Aktivitäten der JN stark rückläufig. Diese Entwicklung zeigte sich auch in Berlin und Brandenburg. So führte der etwa 50 Mitglieder umfassende gemein109 siehe S. 156 ff. 153 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 same Landesverband Berlin/Brandenburg im Jahr 2001 keine öffentlichen Veranstaltungen durch. Die Aktivitäten des JNRegionalverbandes Berlin beschränkten sich im Jahr 2001 auf die Herausgabe einer Ausgabe der Publikation "Jugend wacht - Die Zeitschrift für die nationalistische Jugendbewegung". Kameradschaften Sitz: bundesweit 150, in Berlin 7 Organisationsstruktur: lose Zusammenschlüsse Mitgliederzahl: k.A. bundesweit (2000: k.A.) ca. 60 in Berlin (2000: ca. 75) Entstehung/Gründung: seit 1995 als Reaktion auf FAP-Verbot Ideologie: neonazistisch Publikationen: Flugblätter Kameradschaften sind Zusammenschlüsse von Neonazis mit einer mindestens rudimentären Struktur und Selbstorganisation. Die Mitglieder verbindet die Bereitschaft zu gemeinsamer politischer Arbeit. Annähernd regelmäßig treffen sie sich zu vorbereiteten Themen, die eine rechtsextremistische Gesinnung vermitteln oder vertiefen sollen. Durch die geschlossene Teilnahme an NPD-Demonstrationen unterstützen Kameradschaften den von der Partei propagierten "Kampf um die Straße". Vereinzelte Kameradschaftsmitglieder unterhalten Kontakte zur NPD und vor allem seit dem Öffnungskurs der NPD gegenüber Neonazis bestehen regelmäßige Verbindungen zwischen Kameradschaften und der Partei. "Kameradschaft 1375" Die "Kameradschaft 1375 hat sich erstmals im Juni 2001 öffentlich im Internet präsentiert. Sie setzt sich aus vorwiegend jugendlichen Mitgliedern aus MarzahnHellersdorf zusammen. 154 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Nach eigenen Angaben auf ihrer Homepage handelt es sich bei der "Kameradschaft 1375" um eine "kleine Gruppe mit großen Zielen". Die Wahl ihres Namens begründen die Mitglieder mit der Gründung "ihres" Bezirkes Hellersdorf durch Kaiser Karl IV. im Jahr 1375. Entgegen dem im Internet veröffentlichten Anspruch, ihre politischen Ziele aktiv und öffentlichkeitswirksam zu vertreten, war bislang als Gruppenaktivität lediglich die Teilnahme an rechtsextremistischen Demonstrationen wahrnehmbar. "Kameradschaft Adlershof" Anders als die übrigen Kameradschaften bleibt die im Juni 2000 bekannt gewordene "Kameradschaft Adlershof" im Berliner Kameradschaftsspektrum in einer eher isolierten Rolle. Es bestehen kaum Kontakte zwischen den Mitgliedern der "Kameradschaft Adlershof" und den übrigen Berliner Kameradschaften. Sie entfaltete im Jahr 2001 keine erkennbare Außenwirkung. "Kameradschaft Germania" Die 1998 erstmals in Erscheinung getretene "Kameradschaft Germania" zeigte sich wie auch in den Vorjahren als die aktivste Berliner Kameradschaft. Sie erreichte unter den Berliner Kameradschaften durch ihr ausgeprägtes politisches Sendungsbewusstsein - zumindest bis Mitte des Jahres - die mit Abstand größte Außenwirkung. Die "Kameradschaft Germania" versteht sich nach eigenen Angaben auf ihrer Homepage als "politische Vereinigung" und "natürlicher Gegner im Kampf gegen die Feinde des deutschen Volkes". Via Internet verbreitet die "Kameradschaft Germania" regelmäßig Beiträge, in denen sie gegen Fremde polemisiert, die freiheitliche demokratische Grundordnung angreift und die Ideologie des Nationalsozialismus propagiert. Die "Kameradschaft Germania" beteiligte sich an einer Vielzahl rechtsextremistischer Demonstrationen und fungierte selbst als Demonstrationsveranstalter. 155 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Seit Mitte des Jahres sind seitens der Kameradschaft jedoch kaum mehr politische Aktivitäten mit Außenwirkung zu verzeichnen. Die umfangreich gestaltete Homepage der Kameradschaft wurde in der zweiten Jahreshälfte nicht mehr aktualisiert. "Kameradschaft Tor Berlin" Die seit Juli 2000 existierende "Kameradschaft Tor Berlin" versteht sich nach eigenen Angaben im Internet als Zusammenschluss "junger und politisch interessierter Menschen", die es sich zur Aufgabe gemacht haben, "politische und soziale Probleme aufzugreifen und mit der erforderlichen Brisanz" öffentlich zu machen. Hierzu nehmen sie regelmäßig an einschlägigen rechtsextremistischen Demonstrationen wie z. B. anlässlich der "Wehrmachtsausstellung" in Berlin am 1. Dezember teil und berichten darüber auf ihrer Homepage. Weitere öffentlichkeitswirksame Aktivitäten wurden nicht bekannt. Die "Kameradschaft Tor Berlin" war Mitglied im "Kameradschaftsbund Germania" und im "Kameradschaftsbund Berlin". 156 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Sitz: Berlin Organisationsstruktur: Partei Mitgliederzahl: ca. 6 500 bundesweit (2000: ca. 6 500) ca. 250 in Berlin, ca. 200 in Brandenburg (2000: ca. 240 in Berlin, ca. 225 in Brandenburg) Entstehung/Gründung: 1964 Ideologie: rechtsextremistisch Publikationen: "Deutsche Stimme" (überregional, monatlich, Auflage: 10 000), "ZÜNDSTOFFDeutsche Stimme für Berlin und Brandenburg" (vierteljährlich, Auflage: 200) Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" ist aus der rechtsextremistischen "Deutschen Reichspartei" (DRP) hervorgegangen. Der letzte Vorsitzende der DRP, Adolf von THADDEN, war Initiator der NPD-Gründung und deren erster Vorsitzender. Die älteste noch existierende rechtsextremistische Partei in Deutschland hatte ihren Höhepunkt in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre. 1967 und 1969 erreichte sie mit 28 000 Mitgliedern ihren höchsten Mitgliederstand. In den Jahren 1965 bis 1969 errang sie Mandate in mehreren Landtagen, unter anderem in Baden-Württemberg. Dort erzielte sie bei der Landtagswahl 1968 mit 9,8 % der abgegebenen Stimmen ihren größten Stimmenanteil. Bei der Bundestagswahl 1969 verpasste sie mit 4,3 % den Einzug in den Bundestag. Bei allen weiteren Bundestagswahlen lagen die Wahlergebnisse der NPD deutlich unterhalb der 5 % Hürde. Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 1998 erreichte die Partei 0,3 %. Die NPD ist in keinem Landesparlament vertreten, jedoch in vereinzelten Kommunalvertretungen. Die NPD hat daher keinen parlamentarischen Einfluss. Die NPD ist zurzeit die kleinste rechtsextremistische Partei mit Organisationsstrukturen in allen Bundesländern. Unter ihrem seit 1996 amtierenden Parteivorsitzenden Udo VOIGT gewann sie insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern zahlreiche neue, überwiegend jüngere Mitglieder. Der gemeinsame 157 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Landesverband Berlin-Brandenburg wuchs von 80 Mitgliedern im Jahr 1996 auf derzeit ca. 450 Mitglieder. Parteizeitung der NPD ist die "Deutsche Stimme" (DS). Die regionalen Parteigliederungen geben zum Teil eigene Publikationen heraus. Das Mitteilungsblatt des Landesverbandes Berlin-Brandenburg erscheint unter der Bezeichnung "ZÜNDSTOFF - Deutsche Stimme für Berlin und Brandenburg". Jugendorganisation der NPD sind die "Jungen Nationaldemo110 kraten" (JN) . Die NPD vertritt fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische Positionen und versteht sich als Fundamentalopposition zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die NPD stellt sich - als "sozialrevolutionäre Erneuerungsbewegung" dar (so ihr Bundesvorsitzender Udo VOIGT auf dem 111 Bundesparteitag am 23./24. Januar 1999 in Mulda/Sachsen) sowie als "Partei der neuen Ordnung" und "nationale Alternative 112 für ein besseres Deutschland" . VOIGT zufolge ist die NPD als "die einzige nationale Weltanschauungspartei einzig mögliche Gestalterin einer neuen 113 Ordnung" . Die angestrebte neue Ordnung steht - so VOIGT bereits 1996 im Parteiorgan "Deutsche Stimme" - im Gegensatz 114 zur "sogenannten westlichen Werteordnung" . Die NPD äußert ihre verfassungsfeindlichen Ziele nicht nur verbal, sondern sie will diese im Rahmen ihres strategischen "Drei-Säulen-Konzeptes" auch in einer aktiv-kämpferischen und aggressiven Weise umsetzen. Das bereits 1997 von der Parteiführung in einem Grundsatzpapier als Anleitung zum Handeln propagierte Konzept beinhaltet als strategische Elemente den "Kampf um die Straße", den "Kampf um die Köpfe" und den "Kampf um die Parlamente": 110 siehe S. 152 f. 111 "Deutsche Stimme" Nr. 2/99, S. 3 112 "Deutsche Stimme" Nr. 3/99, S. 2 113 "Deutsche Stimme" Nr. 1/97, S. 8 114 "Deutsche Stimme" Nr. 10/96, S. 8 158 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Im Kern des "Drei-Säulen-Modells" steht die Annahme, dass die NPD nur dann politische Erfolge erreichen könne, wenn "Kopfmenschen und Tatmenschen" zusammen wirken würden. Die NPD will nicht nur Wahlpartei ("Kampf um die Parlamente") sein, sondern darüber hinaus sowohl den intellektuellen Diskurs mitbestimmen ("Kampf um die Köpfe") als auch Massen auf die Straßen bringen ("Kampf um die Straße"). "Kampf um die Straße" bedeutet Massenmobilisierung zur Durchführung von Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen. Um die öffentliche Präsenz zu erhöhen und damit politischen Druck auszuüben, sucht die NPD den Anschluss an die rechtsextremistische Skinheadund Neonazi-Szene. Hierbei spielt die themenund aktionsbezogene Zusammenarbeit der Gruppierungen eine wesentliche Rolle. "Kampf um die Köpfe" beinhaltet u. a. die argumentative Überzeugung Außenstehender und Schulungen von Anhängern, um eine so genannte Parteielite aufzubauen, mit der sich die NPD im bundesweiten Parteienspektrum bewähren möchte. Diese Strategie zielt nicht auf politische Nahziele, sondern auf die langsame Eroberung der "kulturellen Hegemonie", d. h. das gesellschaftlich akzeptierte Einwirken rechtsextremistischer Gedanken in alle Lebensbereiche. Der "Kampf um die Parlamente" bezeichnet die Aufforderung, regelmäßig an politischen Wahlen teilzunehmen, um auch auf diese Weise die Aufmerksamkeit von Medien und Bürgern zu erringen. Hierzu führte der NPD-Bundesvorsitzende Udo VOIGT in seiner Rede zum "2. Tag des Nationalen Widerstandes" am 27. Mai 2000 in Passau aus: "Daher werden wir auch weiterhin an Wahlen teilnehmen, um neue Mitglieder und Anhänger zu gewinnen, um uns als die nationale Alternative gegen das liberal-kapitalistische System der BRD darzustellen und um den Kontakt zum Wähler nicht zu verlieren, denn den Wähler brauchen wir zur Erlangung der Macht!...." Im Rahmen dieser Strategie hat sich die Partei für alle Rechtsextremisten geöffnet, die ihre Ziele und Programmatik akzeptieren, so insbesondere Neonazis und Skinheads. 159 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Umfassende Darstellungen der NPD beinhalten die Anfang 2001 beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Verbotsanträge von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Alle drei Anträge sind im Wortlaut oder in wesentlichen Auszügen auf den Homepages im Internet einzusehen. Diese Anträge haben die Entwicklung und Aktivitäten der NPD 115 seitdem geprägt . "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) Sitz: Lincoln, Nebraska (USA) Organisationsstruktur: unabhängige Stützpunkte Mitgliederzahl: k.A. bundesweit, Einzelmitglieder in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Entstehung/Gründung: 1976 Ideologie: neonazistisch Publikationen: "NS-Kampfruf" (alle zwei Monate) Die "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) gilt seit Anfang der 90er Jahre als größter internationaler Hersteller und Vertreiber von NS-Propagandamaterial. Sie operiert aus den USA heraus und wird von dem einschlägig verurteilten Gary Rex LAUCK geleitet. Die Website der Organisation wird von LAUCK in den USA betrieben. Dort unterliegen die in Deutschland strafbewehrten Inhalte keiner Strafverfolgung. Neben der Internetpräsentation gibt die NSDAP/AO die Publikation "NS-Kampfruf" heraus. Anfang Juli 2001 wurde bei einer Hausdurchsuchung bei dem Führer der Berliner "Kameradschaft Tor Berlin" in großer Menge mit Hakenkreuzen versehenes Propagandamaterial der NSDAP/AO festgestellt und beschlagnahmt. Neonazis 115 siehe S. 34 ff. 160 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Neonationalsozialisten (Neonazis) kennzeichnet ideologisch eine Ausrichtung auf den Nationalsozialismus wie ihn die "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" (NSDAP), die Partei Hitlers, geprägt hat. Ausdruck dieser Haltung ist zumeist die Glorifizierung der ehemals führenden Personen des NSRegimes, die Verharmlosung der NS-Verbrechen und das kultische Verwenden von Nazi-Parolen und Zeichen, die im damaligen Alltag den Alleinvertretungsanspruch der Nationalsozialisten symbolisierten. So zeigen Neonazis beispielsweise den so genannten "Hitlergruß", skandieren "Sieg Heil"-Rufe und verwenden das Hakenkreuz als Symbol. Auch übersteigerter Nationalismus, Rassismus und Führerkult stehen im Widerspruch zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Um den Bedarf der Neonazis an szenetypischer Kleidung, Musik oder sonstigen Devotionalien zu befriedigen, existieren SzeneLäden, die besonders auf die Zielgruppe der Neonazis ausgerichtet sind. In Berlin sind etwa 380 Personen dem neonazistischen Spektrum zuzurechnen. Den Schwerpunkt der Neonazi-Szene in Berlin bildet weiterhin das Feld so genannter unorganisierter Neonazis, das mit rund 250 zugehörigen Personen 66 % des gesamten hier erfassten Neonazi-Spektrums stellt. Die übrigen Personen der Neonazi-Szene gehören den neonazistischen Kameradschaften und anderen Kleingruppen der Szene an. Den unorganisierten Neonazis ist aufgrund des teilweise hohen Gewaltpotenzials und der latenten Militanz weiterhin eine große Bedeutung beizumessen. Rund 90 % der in Berlin bekannten Neonazis wohnen in den östlichen Bezirken. Einige Ortsteile stellen besondere Schwerpunkte dar. Allein 9 % der Berliner Neonazis leben in den Wohngebieten um den Bahnhof Lichtenberg. Auch in Adlershof oder den Wohngebieten Marzahn-Nord und Hellersdorf-Nord sind überproportional viele Neonazis wohnhaft. "Die Republikaner" (REP) 161 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Sitz: Berlin Organisationsstruktur: Partei Mitgliederzahl: ca. 11 500 bundesweit (2000: 13 000) ca. 600 in Berlin (2000: ca. 600) Entstehung/Gründung: 1983, Landesverband Berlin 1987 Ideologie: rechtsextremistisch Publikationen: "Der Republikaner" (überregional, monatlich, Auflage: 20 000) Die Partei "Die Republikaner" wurde im November 1983 in München von zwei ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten und dem Fernsehjournalisten Franz SCHÖNHUBER gegründet. SCHÖNHUBER hatte den Parteivorsitz bis 1994 inne. Nach innerparteilichen Auseinandersetzungen wegen seiner Kontakte 116 zum Vorsitzenden der "Deutschen Volksunion" (DVU) Dr. Gerhard FREY, trat er 1995 aus der Partei aus. Seit 1994 bekleidet der Rechtsanwalt Dr. Rolf SCHLIERER das Amt des Parteivorsitzenden. Die REP sind nach der DVU die zweitgrößte rechtsextremistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland. Der Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit liegt in Süddeutschland, insbesondere in Baden-Württemberg. Dort waren sie seit 1992 im Landtag vertreten. Bei der Landtagswahl am 25. März 2001 verpasste die Partei mit 4,4 % den Wiedereinzug in die Volksvertretung. Von 1989 bis 1994 waren die REP auch im Europa-Parlament vertreten. Bei der Europawahl 1989 hatten die REP mit 7,1 % der Stimmen das höchste Wahlergebnis erzielt, das eine rechtsextremistische Partei seit 1949 auf Bundesebene erreicht hatte. 1999 scheiterten sie bei der Europawahl mit 1,7 %. Häufige Wahlniederlagen und die damit einhergehenden innerparteilichen Querelen über den richtigen Kurs, insbesondere die Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Parteien, prägen seit Mitte der neunziger Jahre die Situation der Partei. Um unterschiedliche Bevölkerungsgruppen gezielt anzusprechen, bedient sich die Partei folgender Unterorganisationen: 116 siehe S. 149 f. 162 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 - "Arbeitskreise Republikanische Jugend" (RJ), - "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF), - "Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB), - "Republikanischer Hochschulverband" (RHV). Bundesweites Presseorgan der Partei ist die monatlich erscheinende Zeitung "Der Republikaner". Herausgeber ist die REPVerlags GmbH, Berlin. Die REP treten kaum als Veranstalter von Demonstrationen und anderen öffentlichen Veranstaltungen in Erscheinung, sondern 117 agieren nahezu ausschließlich im Rahmen von Wahlen . Skinheads Die Ende der 60er Jahre in Großbritannien entstandene Skinhead-Bewegung war ursprünglich eine jugendliche Subkultur, die sich in ihrem Selbstverständnis wie auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild sowohl in Abgrenzung zu der von der Mittelund Oberschicht getragenen Hippie-Bewegung als auch dem aus ihrer Sicht dekadenten Bürgertum definierte. Mit äußerlichen Attributen wie kahl geschorenem Kopf, Jeans mit Hosenträgern, T-Shirt und/oder kariertem Baumwollhemd und schweren Arbeitsschuhen (so genannte Doc Martens) wollten sich die Träger bewusst als Angehörige der Arbeiterklasse kennzeichnen. Das ursprünglich unpolitische Jugendphänomen, das sich Anfang der 80er Jahre auch in Deutschland etablierte, entwickelte mehrheitlich jedoch relativ schnell ein diffuses rechtsextremistisches Weltbild, das anfänglich vor allem der Provokation wegen vertreten wurde. Nach und nach diffundierte die Szene und neue Generationen von rechtsradikalen Jugendlichen wurden angezogen. Prägnant waren insbesondere ein übersteigertes Nationalbewusstsein und eine rassistische Ausländerfeindlichkeit. Mit zunehmender Etablierung 117 siehe S. 42 f. 163 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 der Strömung wurden so genannte Bomberjacken und Kampfstiefel zum Markenzeichen rechtsorientierter Skinheads. Hauptaktivitäten der Skinhead-Szene sind Skinhead-Konzerte, die konspirativ organisiert werden und zu denen kurzfristig und 118 überregional mobilisiert wird. Die Skinhead-Konzerte haben insbesondere eine szene-interne Funktion: Sie dienen der Kommunikation und dem gemeinsamen Erleben eines "Events". Dabei treten Musikgruppen auf, deren aggressive Musik und zum Teil rassistische Liedtexte im Zusammenhang mit exzessivem Alkoholkonsum eine Gewalt heraufbeschwörende Stimmung erzeugen. Die Berliner Skinhead-Szene umfasst derzeit etwa 400 Personen. Die einzige Organisation innerhalb der Berliner Skinhead119 Szene sind die "Hammerskins" . Die Deutsche Sektion der internationalen Skinhead-Organisation "Blood & Honour" wurde 120 2000 vom Bundesinnenminister verboten . Skinhead-Fanzines Skinhead-Fanzines (zusammengesetzt aus "Fan" und "Magazin") sind illustrierte Schriften, die in der Szene vertrieben werden. Sie informieren über Veranstaltungen (z. B. Konzerte), neue Tonträger und Publikationen. Sie enthalten ferner Interviews, Selbstdarstellungen einzelner Personen bzw. Gruppen und Informationen über den Vertrieb von Szeneartikeln und CDs. Seit einiger Zeit findet man auch vermehrt Berichte über die Black-Metalund Dark-Wave-Szene. Sofern politische Beiträge zu finden sind, handelt es sich um rechtsextremistische und neonazistische Artikel. In ihnen wird gegen Ausländer und Juden gehetzt und das Gesellschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland verächtlich gemacht. Darüber hinaus werden Personen der NS-Zeit, hier insbesondere der ehemalige "Hitler"118 siehe S. 43 f. 119 siehe S. 151 120 siehe S. 147 f. 164 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Stellvertreter Rudolf HESS, glorifiziert und Maßnahmen der Sicherheitsbehörden als Willkür dargestellt. Es gibt derzeit rund 35 deutsche Fanzines. Sie erreichen Auflagen von mehreren hundert Exemplaren. Rechtsextremistische Fanzines sind - trotz steigender Bedeutung des Internet - ein wichtiger Faktor der szeneinternen Kommunikation. "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" Die "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" bilden eine abgeschottete, festgefügte Neonazi-Funktionärsgruppe. Sie wurde 1982 in der damaligen DDR gegründet und zählt etwa 15 Mitglieder. Es besteht kaum Fluktuation. Die "Vandalen" sind stark waffeninteressiert. Die Mitglieder sind der "Heavy-MetalSzene" zuzurechnen und unterhalten weit reichende Kontakte zu anderen rechtsextremistischen Organisationen und Parteien. Sie nehmen regelmäßig an entsprechenden Veranstaltungen teil. Einzelne Personen dieser Gruppierung gehören der SkinheadBand "Landser" an. 165 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 2 Linksextremismus Linksextremistische Leitbilder reichen von sozialistisch-kommunistischen Vorstellungen mit dem Endziel einer klassenlosen Gesellschaft bis zu der Vision eines herrschaftsfreien Zusammenlebens der Menschen (Anarchie). Gemeinsam ist allen Linksextremisten das Ziel, die parlamentarische Demokratie, die sie als kapitalistisch, imperialistische, faschistisch und rassistisch diffamieren, zu zerschlagen und durch eine totalitäre bzw. herrschaftsfreie Ordnung zu ersetzen. Dabei versucht die extremistische Linke, sich als eine politische Bewegung darzustellen, die gegen Unterdrückung und illegitime Herrschaft kämpft. Innerhalb der linksextremistischen Bewegung gibt es unterschiedliche Strömungen. Deren Träger - Parteien, Gruppen und lose Zusammenhänge - streiten untereinander bis hin zur offenen Feindschaft wegen differierender ideologischer Standpunkte. Dabei erheben sie oftmals entsprechend ihrem politischen Selbstverständnis für sich Anspruch auf die historischpolitische "Wahrheit". Viele von ihnen befürworten Gewalt als Mittel der aktuellen politischen Auseinandersetzung. Gemeinsam ist allen Linksextremisten die Bereitschaft, "Faschisten" (tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten) mit allen Mitteln zu bekämpfen. Das Gesamtpotenzial des organisierten Linksextremismus in Berlin ist seit mehreren Jahren auf hohem Niveau konstant. Die größte Gefahr für die innere Sicherheit Berlins im Bereich Linksextremismus geht auch weiterhin von den gewaltbereiten Autonomen aus. 166 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) Sitz: Berlin Organisationsstruktur: Gruppe mit fester Struktur Mitgliederzahl: ca. 30 in Berlin (2000: 60) Entstehung/Gründung: Mitte 1993 von nach Berlin umgezogenen militanten Autonomen aus Passau Ideologie: militanter Antifaschismus; Kampf gegen Faschismus als Kampf gegen die gesellschaftlichen Bedingungen Publikationen: diverse Flugund Faltblätter Eine der führenden "Antifa"-Gruppen in Berlin ist die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB). Sie wurde Mitte 1993 von aus Passau nach Berlin umgezogenen militanten Autonomen - zunächst unter der Bezeichnung "Antifa A+P (Agitation und Praxis)" - gegründet. Sie gilt heute nicht nur als die mitgliederstärkste, sondern auch als eine der politisch aktivsten "Antifa"-Gruppen. In der jüngeren Vergangenheit ist die AAB allerdings innerhalb der autonomen Szene nicht unumstritten. Sie propagiert einen militanten Antifaschismus, der sich direkt gegen tatsächliche und vermeintliche "Nazis" richtet. Die AAB begreift den Kampf gegen den Faschismus auch als Kampf gegen die in der Bundesrepublik herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen. Die AAB war der 1992 gegründeten und 2001 aufgelösten "Antifaschistischen Aktion / Bundesweite Organisation" (AA/BO) angeschlossen und nahm regelmäßig an deren Treffen teil. Aus dieser Zeit hat sie bundesweit Kontakte zu weiteren autonomen Gruppen. Sie verfügt auch über eine eigene, professionelle InternetHomepage, die mindestens einmal wöchentlich aktualisiert wird. Dort stellt sie ihr Verständnis von praktiziertem "Antifaschismus", ihre Aktionsschwerpunkte und Kampagnen sowie überregionale Aktivitäten vor. 167 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Anti-Atom-Plenum" (AAP) Das "Anti-Atom-Plenum" (AAP), das seinen Namen von einer in den 80er Jahren in Berlin existierenden Gruppe des Anti-AtomProtestes übernommen hat, dient als Anlaufund Koordinierungsstelle des Berliner Widerstandes gegen den "Atomstaat". Seit seiner Gründung setzt sich das AAP für einen verstärkten inhaltlichen Austausch der regionalen und überregionalen linksextremistischen Gruppen im AKW-Widerstand ein und verfügt über gute Kontakte zu Anti-AKW-Gruppen in anderen Bundesländern. Das AAP ist ausweislich seines Demonstrationsverhaltens dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum innerhalb der AntiAKW-Bewegung zuzurechnen. Diese seit 1996 in der Berliner Szene agierende Gruppe bezeichnet sich selbst als "ein freies Bündnis aus Gruppen und Personen", die "Atomkraft als einen Ansatzpunkt für eine Veränderung der Herrschaftsverhältnisse" ansehen. Autonome Bei Autonomen handelt es sich um spontan entstandene, nach außen eher abgeschottete Zusammenschlüsse von gewaltbereiten Linksextremisten. Ihre Aktionsfelder sind insbesondere "Antifaschismus", "Umstrukturierung der Stadt", "Antirassismus" sowie der Kampf gegen die Nutzung von Kernenergie. Dabei bringen sie ihren unversöhnlichen Hass auf den Staat und die Gesellschaft durch gezielte militante, bisweilen terroristische Aktionen zum Ausdruck. Die Anfänge der autonomen Szene reichen zurück bis zum Beginn der 80er Jahre. Aus Kreisen weder organisationsgebundener noch im traditionellen Sinne ideologisch festgelegter, so genannter undogmatischer Linksextremisten, erschienen damals Thesen und Diskussionspapiere, deren Verfasser sich als "Autonome" bezeichneten. Sie sprachen von einer "neuen autonomen Protestbewegung", die den Staat mit dezentralen Aktionen, mit "Phantasie und Flexibilität", mit "vielfältigen 168 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Widerstandsformen auf allen Ebenen" angreifen müsse. Es gelte, den bürgerlichen Staat zu zerschlagen. Die autonome Szene ist in den sie prägenden Idealen und ideologischen Versatzstücken nicht homogen. Eine geschlossene theoretische Fundierung ist vielen Anhängern verdächtig und widerspricht ihrem Anspruch, nach eigenen Gesetzen - eben autonom - zu leben. Dabei herrscht ein Grundgefühl militanter "Antistaatlichkeit" vor. Vielfach haben Autonome anarchistische, oftmals auch kommunistisch beeinflusste Vorstellungen. Als für die meisten Autonomen gültiger ideologischer Minimalkonsens wird eine - vage - "antifaschistische", "antiimperialistische" und "antipatriarchale" Grundhaltung vorausgesetzt, die sich gegen die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung richtet. Das perspektivische Ziel ist, eine unterdrückungsfreie Gesellschaftsordnung zu erkämpfen. Eckpunkte des politischen Selbstverständnisses der Autonomen sind "NullBock"-Mentalität, permanente Revolte aber auch anlassbezogener "Widerstand". Unstrittig ist die Bereitschaft, zur Durchsetzung politischer Ziele Gewalt anzuwenden. Sie wird als "Gegengewalt" gegen die "strukturelle Gewalt" der Gesellschaft und des Staates gerechtfertigt. Seit Beginn der 90er Jahre verstärkte sich aufgrund einer wachsenden Kritik an der Unverbindlichkeit autonomer Strukturen die Tendenz, auch innerhalb des autonomen Lagers Organisierungsmodelle zu erproben. Die Kurzatmigkeit autonomer "Politik", das reflexartige Hetzen von Kampagne zu Kampagne, so die Kritiker, verhindere die Herausbildung einer kontinuierlichen Theorie und Praxis und führe auf Dauer in die Bedeutungslosigkeit. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bildeten sich mehrere straff organisierte - eigentlich im ursprünglichen Sinne nicht mehr "autonome" - Gruppierungen. Einen überregionalen Ansatz zur Organisierung stellte die 1992 gegründete und im April 2001 aufgelöste "Antifaschistische Aktion / Bundesweite Organisation" (AA/BO) dar. Ihr gehörten am Ende noch sieben Gruppen an, darunter die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB). 169 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 In Abgrenzung zu den von der Szene als hierarchisch empfundenen Strukturen der AA/BO versuchten seit 1995 hauptsächlich "Alt-Autonome" durch von ihnen organisierte Veranstaltungen einen Grundkonsens zu erreichen, um gemeinsam "revolutionäre Gegenmacht" zu entwickeln. Der Erfolg blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück. Die dem Fall der Mauer folgenden strukturellen Veränderungen in Berlin raubten den hiesigen Autonomen einen Großteil ihrer Rückzugsräume und führte durch Weggang insbesondere in die Altbaubezirke von Prenzlauer Berg und Friedrichshain zu einer zunehmenden Aufsplitterung. In diese Zeit fiel eine zunehmende Zerstrittenheit, die zurückzuführen ist auf einen Generationswechsel in der autonomen Szene zwischen "Alt-Autonomen" der ersten Generation und z. T. zugezogenen "Jung-Autonomen", Konflikte zwischen Frauen und Männern innerhalb der Szene sowie die zunehmende Distanzierung der "Ost"-Autonomen von den als autoritär empfundenen "West"-Autonomen. Individuelle und gruppenbezogene Interessen beeinträchtigten das autonome Gesamtpotenzial in seiner Handlungsfähigkeit. Eine sich hieraus ergebende Folge war die nachhaltige Abschottung einzelner autonomer Personenzusammenhänge untereinander, verbunden mit der Unfähigkeit zu koordiniertem zielgerichteten Vorgehen. Damit ging auch die früher feststellbare "Kiezbezogenheit" sowie die hohe Mobilisierungskraft der 80er Jahre weitgehend verloren. Als "Alt-Autonome" bezeichnen die Verfassungsschutzbehörden "Autonome der ersten Generation", d. h. jenen Personenkreis, der Anfang der 80er Jahre zu den Begründern der autonomen Bewegung gehörte. Dabei handelt es sich um einen ideologisch stark motivierten, zahlenmäßig relativ kleinen Personenkreis, der untereinander eng verbunden ist. Die inzwischen 20 Jahre in der autonomen Szene verhafteten "Alt-Autonomen" bestimmen die theoretischen Diskussionen. Sie geben die Impulse, die von der ansonsten von einer hohen Fluktuation gekennzeichneten Szene aufgenommen und in Aktionen wie Demonstrationen und Anschläge umgesetzt werden. 170 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Dabei treten sie nicht offen in Erscheinung, sondern operieren im Hintergrund. Ihre Diskussionsbeiträge veröffentlichen sie in der "INTERIM" oder in Broschüren. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Sitz: Essen Organisationsstruktur: Partei Mitgliederzahl: 4 500 bundesweit (2000: 4 500) 140 in Berlin (2000: 130) Entstehung/Gründung: 1968 Ideologie: marxistisch-leninistisch Publikationen: "Unsere Zeit" (wöchentlich, Auflage: 8 000) Erscheinungsbild und Zustand der Bezirksorganisation Berlin der DKP haben sich auch im Jahr 2001 kaum verändert. Sie blieb ohne jeden Einfluss auf die politische Entwicklung Berlins. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zu den Bezirksverordnetenversammlungen am 21. Oktober 2001 errang die Partei einen Stimmenanteil von 0,1 % (1 382 Stimmen) und 0,2 % bzw. 0,4 % in den Bezirken Neukölln und FriedrichshainKreuzberg. Die DKP wurde am 25. September 1968 von früheren Funktionären der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) gegründet. 121 Der Aufbau einer Parteiorganisation in Berlin begann 1990 . Die DKP hat ihre ideologische Ausrichtung nicht geändert. In einem im Juni 2000 beschlossenen Leitantrag zum 15. Parteitag hält sie am Marxismus-Leninismus fest und bekennt sich zur revolutionären Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung. "Das Ziel der DKP ist der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft. Sie strebt den grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Eigentums121 nach Auflösung der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlin" (SEW), zuletzt "Sozialistische Initiative" 171 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 und Machtverhältnissen an, orientiert auf die Arbeiterklasse als entscheidende gesellschaftsverändernde Kraft. Grundlage ihres Handelns ist die wissenschaftliche Theorie von Marx, Engels und Lenin, die sie entsprechend ihrer Möglichkeiten weiterentwickelt." 122 "INTERIM" Bei der "INTERIM" handelt es sich um eine Publikation der Berliner autonomen Szene mit bundesweiter Bedeutung, die seit April 1988 konspirativ hergestellt und verbreitet wird. Derzeit erscheint sie im zweiwöchigen Rhythmus jeweils donnerstags mit einer geschätzten Auflage von 1 000 Stück und wird hauptsächlich über Infoläden vertrieben. Innerhalb der fast vierzehn Jahre ihres Bestehens entwickelte sich die "INTERIM" zu einer Publikation mit nahezu institutionellem Charakter. Sie ist zum Sprachrohr der militanten Szene für Berlin und das gesamte Bundesgebiet geworden. Veröffentlicht werden nicht nur Beiträge, die als Diskussionsgrundlage für szenerelevante Themen angesehen werden, wie Aufrufe zu Demonstrationen und Szene-Veranstaltungen, sondern auch Anleitungen zum "Strommastenfällen" oder zur Herstellung von Brandsätzen mit Zeitverzögerung; ebenso werden Selbstbezichtigungen von Gruppen, die Anschläge begangen haben, veröffentlicht und zum Teil kommentiert. "kein mensch ist illegal" (kmii) Bei "kein mensch ist illegal" handelt es sich um eine Berliner AntiRassismus-Kampagne, an der sich verschiedene Gruppen aus autonomen, linksextremistischen aber auch aus nichtextremistischen Spektren beteiligen. Die Initiatoren der Kampagne wollen den aktiven Gruppen und Einzelpersonen, über die grundlegenden Forderungen nach uneingeschränkten Menschen122 "Die DKP - Partei der Arbeiterklasse - Ihr politischer Platz heute" in: DKPInformationen, Nr. 3/2000 vom 15. Juni 2000 172 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 rechten für Migranten und Flüchtlinge hinaus, einen gemeinsamen politischen Rahmen geben. "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: ca. 2 000 bundesweit, ca. 300 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Organisationsstruktur: Zusammenschluss Entstehung/Gründung: 30. Dezember 1989 Ideologie: marxistisch-leninistisch Publikationen: "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS" (monatlich, Auflage: 1 000) Die stärkste extremistische PDS-Gruppierung KPF versteht sich als Nachfolgerin der verfassungswidrigen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Dieses Selbstverständnis impliziert eine prinzipielle Identität mit deren Zielen. Es zeigt, dass die KPF an dem durch die marxistisch-leninistische Lehre vorgegebenen Weg zum Kommunismus über eine mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarende "proletarische Revolution" und die "Diktatur des Proletariats" festhält. Die KPF ist auch nach wie vor im Parteivorstand vertreten, gerät aber durch ihre aggressiv vertretene dogmatische Positionierung immer wieder in Konflikt mit der Parteiführung. Die KPF arbeitet, zur Durchsetzung ihrer Ziele auch mit marxistisch-leninistischen Parteien und mit militanten Linksextremisten zusammen. So kooperiert sie im Rahmen der alljährlich im Januar stattfindenden "LUXEMBURG-LIEBKNECHT-Demonstration" nicht nur mit linksextremistischen Parteien, sondern auch mit militanten Autonomen. "Libertad!" Die neben den Autonomen zweite Strömung gewaltbereiter Linksextremisten umfasst vor allem antiimperialistisch und 173 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 internationalistisch ausgerichtete Gruppen und Einzelpersonen, vornehmlich aus ehemals der "Roten Armee Fraktion" (RAF) nahe stehenden Strukturen. Diese sehen u. a. den Einsatz für "politische Gefangene" als Aktionsschwerpunkt. Der in diesem Bereich seit Jahren aktivste Zusammenhang ist "Libertad!"; hier engagieren sich u. a. Angehörige der Berliner Gruppierung "Libertad! Berlin". "Libertad!" sieht in der "Gefangenenfrage" und der Solidarität mit "Befreiungsbewegungen" den Ausgangspunkt zum Aufbau eines internationalen Netzwerks. Eigenen Angaben zufolge entstand "Libertad" in Folge des Kongresses "500 Jahre Kolonialismus und Widerstand", der 1992 in München stattfand. Die Redaktion der Publikation "So oder So" - als Sprachrohr der Initiative "Libertad!" - besteht im Wesentlichen aus ehemaligen Führungspersonen des engeren RAF-Umfelds Frankfurt/M, die maßgeblichen Einfluss auf die politischen Aktivitäten und die Entwicklung der Initiative "Libertad!" haben. "Die Linke Seite" Das Internetportal "Die Linke Seite" besteht seit April 1999 und versteht sich als bundesweites linkes Kommunikationsund Interaktionsmedium. Dort werden Informationen zu Aktivitäten und Perspektiven von Linksextremisten - z. T. nach Themen und Schwerpunkten sortiert - zentral gesammelt und zum Abruf bereit gestellt. Eines der Hauptanliegen ist nach eigenen Aussagen die Dokumentation von Texten aus dem "linkspolitischen Spektrum" verbunden mit der Möglichkeit, sich bundesweit zu aktuellen Themen auseinandersetzen zu können. Fernziel ist eine verbesserte Koordination und Vernetzung linker Projekte und Gruppierungen. Darüber hinaus bietet die Website einen "Newsletter", zahlreiche Links zu Internetseiten mit überwiegend linksextremistischen Inhalten sowie eine umfangreiche Terminübersicht. 174 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Linksruck" Mitgliederzahl: ca. 1 200 bundesweit (2000: ca. 1 200); ca. 100 in Berlin (2000: ca. 40) Entstehung/Gründung: 1993/1994 Ideologie: trotzkistisch Publikationen: "Linksruck" Das "Linksruck-Netzwerk" (jetzt "Linksruck") wurde 1993/94 von der 1996 aufgelösten trotzkistischen "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG) gegründet. "Linksruck" ist die deutsche Sektion des internationalen trotzkistischen Dachverbands "International Socialists" (IS) mit Sitz in London und strebt über Betriebsund Gewerkschaftsarbeit den Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei unter Führung von Arbeiterräten an. Fernziel der Gruppe ist der Aufbau einer Partei Leninschen Typs als offizielle deutsche Sektion der um die britische "Socialist Workers Party" gruppierten "International Socialist Tendency". Seit 1993 leitet eine "Bundeskoordination" die Aktivitäten der einzelnen Ortsgruppen und gibt die Zeitschrift "Linksruck" heraus. "Linksruck" finanziert sich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und durch Zeitschriftenund Publikationsverkauf. Die Gruppe verzeichnet seit ihrer Gründung einen stetigen Mitgliederzuwachs; in Berlin sollen es 100 sein. Im April 2001 verlegte "Linksruck" seine "Bundeskoordination" von Hamburg nach Berlin. Ein aktueller Schwerpunkt von "Linksruck" ist die Anti-Globalisierungskampagne. Herausragendes Ereignis für "Linksruck" sind die seit Mitte der 90er Jahre jährlich stattfindenden "Rosa-Luxemburg-Tage". Dabei handelt es sich um ein mehrtägiges marxistisches Theorieund Diskussionsforum, das vom 1. bis zum 4. Juni 2001 mit 800 Teilnehmern erstmals in Berlin durchgeführt wurde. 175 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Sitz: Gelsenkirchen Organisationsstruktur: Partei Mitgliederzahl: ca. 2 000 bundesweit (2000: ca. 2 000) ca. 100 in Berlin (2000: ca. 120) Entstehung/Gründung: 1982 Ideologie: marxistisch-leninistisch/maoistisch Publikationen: "Rote Fahne" (wöchentlich, Auflage: 7 500) Die MLPD blieb auch 2001 innerhalb des linksextremistischen Spektrums isoliert. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 21. Oktober erhielt sie einen Stimmenanteil von 0,1 % (1 182 Stimmen). Die MLPD wurde im Juni 1982 in Bochum gegründet. Die ideologische, politische und organisatorische Vorarbeit leistete der "Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands" (KABD), ein seit 1972 bestehender Zusammenschluss der "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (Revolutionärer Weg)" und des "Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands (Marxisten-Leninisten)". Die MLPD bekennt sich zur Theorie des Marxismus-Leninismus in seiner Interpretation durch Mao ZEDONG. "Peoples Global Action" (PGA) Die 1998 nach verschiedenen internationalen Treffen gegen Neoliberalismus gegründete "Peoples Global Action" (PGA) setzt sich für eine weltweite Koordination des Widerstands gegen den globalen Markt ein und versucht eine neue Allianz des gemeinsamen Kampfes und der gegenseitigen Unterstützung zu bilden. PGA umfasst zum Teil linksextremistische Bewegungen und Gruppen aus inzwischen allen Kontinenten. Sie lehnen Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) und die EU grundsätzlich ab und nehmen diesen gegenüber prinzipiell eine klare Konfrontationshaltung ein. 176 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Aktivitäten der seit 1991 als "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) auftretenden Anhänger der peruanischen Terrororganisation "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad) wurden auch 2001 kaum bekannt. Eine Ausnahme bildet die so genannte 13 UhrDemonstration am 1. Mai, die 2001 von den "Revolutionären Kommunisten" angemeldet wurde. Die RK verfügt bundesweit über ca. 100 Anhänger und sie ordnet sich dem von der "Kommunistischen Partei Perus" (PCP) geführten internationalen Dachverband "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM, Sitz: London) unter. Dieser orientiert sich an MARX, ENGELS, LENIN und Mao ZEDONG und stellt dabei insbesondere Maos Konzept vom "Revolutionären Volkskrieg" heraus. "Die Rote Hilfe e.V." (RH) Sitz: Göttingen (Geschäftsstelle) Organisationsstruktur: Verein Mitgliederzahl: ca. 4 000 bundesweit (2000: 4 000) 518 in Berlin (2000: 440) (eigene Angaben) Entstehung/Gründung: 1975 Ideologie: linksextremistisch Publikationen: "Die Rote Hilfe" (vierteljährlich) Die "Rote Hilfe e.V." versteht sich selbst als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Mitglieder und Unterstützer der RH rekrutieren sich aus dem Spektrum der gewaltbereiten Linksextremisten und aus Kreisen orthodoxer Kommunisten. Sie unterstützt gezielt Anhänger vor allem der linksextremistischen Szene, die im Zusammenhang mit politischen Aktivitäten straffällig geworden sind. Die Ortsgruppe Berlin der RH beteiligte sich auch 2001 federführend an Aktivitäten zum 18. März. Dieser Tag wird seit 177 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 mehreren Jahren in linksextremistischen Kreisen als "Tag der politischen Gefangenen weltweit" bezeichnet. "Streßfaktor" Das Internetportal "Streßfaktor" bezeichnet sich selbst - ähnlich wie "Die Linke Seite" - als "Berliner Terminkalender für linke Subkultur und Politik". Dort werden Informationen zu Aktivitäten von Linksextremisten zentral gesammelt und zum Abruf bereitgestellt. Es veröffentlicht neben aktuellen Terminen Kurzstatements zu für die Szene relevanten Themen und bietet eine Reihe von Verknüpfungen zu anderen linken Internetportalen. 178 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 3 Ausländerextremismus Die Beobachtung des Ausländerextremismus umfasst sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen ausländischer Organisationen oder Gruppierungen in Deutschland. In erster Linie werden die Aktivitäten dieser ausländischen Gruppierungen durch Ereignisse in den Heimatländern bestimmt. Zunehmend setzen sie sich jedoch auch mit ihrer Situation in Deutschland auseinander. DHKP-C: "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" Organisationsstruktur: konspirativ arbeitende Kaderorganisation, in Deutschland 1998 verboten Mitgliederzahl: ca. 900 bundesweit, ca. 70 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Entstehung: 1994 Ideologie: linksextremistisch Publikationen: "Vatan", erscheint wöchentlich "Kurtulus", erscheint unregelmäßig "Devrimci Sol", erscheint quartalsweise Aus der 1978 in der Türkei gegründeten und bereits 1983 in Deutschland verbotenen Organisation "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) sind die beiden miteinander rivalisierenden und seit 1998 in Deutschland ebenfalls verbotenen Organisationen "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und die "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-CDevrimci Sol) hervorgegangen. Die Anhänger beider Organisationen streben eine gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer Gesellschaftsordnung auf marxistisch-leninistischer Basis an. Zur Durchsetzung ihrer Ziele propagiert die DHKP-C nach wie vor den bewaffneten Kampf. In Deutschland engagiert sich die DHKP-C gemeinsam mit anderen linksextremistischen türkischen Gruppierungen seit November 2000 mit öffentlichen Solidaritätskundgebungen für die Hungerstreikenden in den türkischen Gefängnissen. In Berlin 179 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 rief die Gruppe auch 2001 zu mehreren Protestkundgebungen auf. "Hizb Allah" ("Partei Gottes") Ideologie: islamistisch Organisationsstruktur: informelle Struktur Gründung: 1982 im Libanon, ca. 1986 in Deutschland Mitgliederzahl: ca. 800 bundesweit, ca. 150 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Sitz im Ausland: Beirut/ Libanon Publikation: "al Ahd" ("Die Verpflichtung"), erscheint wöchentlich Die "Hizb Allah" wurde 1982 nach dem Einmarsch israelischer Truppen im Libanon auf Initiative und mit maßgeblicher Unterstützung des Iran gegründet, an dessen politischer Entwicklung sich auch die schiitische "Hizb Allah" weitgehend orientiert. Generalsekretär der hierarchisch und zentralistisch organisierten Partei ist Scheich Hassan NASRALLAH. Die erklärten Ziele der "Hizb Allah" sind der auch mit terroristischen Mitteln geführte Kampf gegen Israel, gegen israelische Einrichtungen weltweit und die Errichtung einer "Islamischen Republik Libanon". Die Organisation unterhält enge Verbindungen zum Iran. Ähnlich wie die HAMAS in den Autonomiegebieten tritt im Libanon die "Hizb Allah" sowohl als politische, soziale wie auch militärische Organisation auf. Sie agiert als politische Interessenvertretung für den schiitischen Bevölkerungsteil und integriert sich zunehmend in das politische System des Libanons. Darüber hinaus leistet die "Hizb Allah" Unterstützung bei den ärmeren schiitischen Bevölkerungsteilen, weshalb sie gerade dort eine große Anhängerschaft hat. 180 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Nach dem Abzug der israelischen Truppen im Jahr 2000 aus der Sicherheitszone im libanesisch-israelischen Grenzgebiet, feierte die "Hizb Allah" das Ereignis als "Sieg über Israel". Dazu gehörte auch eine Kampagne gegen die ehemaligen Angehörigen der pro-israelischen "Südlibanesischen Armee" (SLA), die den Libanon verlassen mussten, um sich im Ausland vor Vergeltungsmaßnahmen der "Hizb Allah" in Sicherheit zu bringen. Gleichzeitig kündigte die "Hizb Allah" an, den Kampf um die Befreiung weiterer Gebiete in Israel fortzusetzen. Hierbei handelte es sich um die so genannten Chebaa-Farmen, die vom Libanon beansprucht, jedoch von der UNO zur vorläufigen internationalen Grenze erklärt wurden. In Deutschland treten die Anhänger der Organisation nicht offen unter der Bezeichnung "Hizb Allah" auf. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich auf die Vorbereitung von Veranstaltungen und das Sammeln von Spendengeldern. Darüber hinaus nehmen ihre Anhänger an Demonstrationen gegen Israel teil. Beispielsweise organisierten "Hizb Allah"-Anhänger "Siegesfeiern" anlässlich des Abzugs der israelischen Armee aus dem Südlibanon. Spenden werden für die Angehörigen der im Kampf gegen Israel gefallenen "Märtyrer" gesammelt. IBP: "Islamischer Bund Palästina" Ideologie: islamistisch Organisationsstruktur: informelle Gliederungen Entstehung/ Gründung: 1981 in München Mitgliederzahl: ca. 250 bundesweit, ca. 50 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Mitglieder der bereits 1928 in Ägypten entstandenen "Muslimbruderschaft" (MB), "Mutterorganisation" sunnitischer Islamisten, gründeten 1981 im "Islamischen Zentrum" in München den "Islamischen Bund Palästina" (IBP), um die Interessen der in Deutschland lebenden Palästinenser zu vertreten. Mit Beginn der ersten Intifada 1987 entwickelte der IBP sein eigentliches Profil und repräsentiert in Deutschland die bislang 181 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 ausschließlich in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten aktive "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS). Diese stellt den palästinensischen Zweig der "Muslimbruderschaft" dar. Politisch ist die HAMAS ein erklärter Gegner des israelischpalästinensischen Friedensprozesses. Ihre Hauptziele sind die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet Palästinas und die Vernichtung des Staates Israel. Zur Durchsetzung ihrer Ziele wendet die HAMAS terroristische Mittel an und propagiert den bewaffneten Kampf gegen Israel. Die HAMAS versteht sich auch als Oppositionsbewegung zu der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO), deren Alleinvertretungsanspruch von der HAMAS bestritten wird. Die HAMAS wird in den palästinensischen Autonomiegebieten auch als religiös-sozial agierende Organisation wahrgenommen. In Deutschland sind bislang keine gewalttätigen Aktionen von HAMASbzw. IBP-Anhängern ausgegangen. Die Betätigungsfelder liegen in der Organisation von und Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen gegen das Vorgehen Israels in den Palästinensergebieten. Der in Aachen ansässige Spendenverein "al-Aqsa e.V." versucht, auch in Berlin Spenden für die Opfer der Intifada zu sammeln. Die tatsächliche Verwendung dieser Gelder ist unklar. Als Berliner Treffpunkt für mutmaßliche Anhänger der HAMAS gilt das "Islamische Kulturund Erziehungszentrum Berlin e.V.". 182 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 IGMG: "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." Ideologie: islamistisch Organisationsstruktur: Vereine Entstehung/ Gründung: 1985 in Köln (als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) Mitgliederzahl: ca. 27 000 bundesweit, ca. 3 000 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Sitz in Deutschland: Köln, vereinsrechtlich jedoch Bonn Publikation: "Milli Görüs & Perspektive", erscheint unregelmäßig, Auflage: ca. 8 - 10 000 Die "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) ging 1995 aus der 1985 gegründeten "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) hervor. In offiziellen Verlautbarungen äußert die IGMG, sich an den Grundwerten westlicher Demokratien zu orientieren, das Grundgesetz zu achten und ihre Mitglieder in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Nach wie vor ist die IGMG jedoch mit der islamistischen Ideologie der in der Türkei seit 1998 verbotenen "Wohlfahrtspartei" ("Refah Partisi", RP) des ehemaligen Staatspräsidenten Necmettin ERBAKAN und der im Juni 2001 ebenfalls verbotenen RP-Nachfolgegründung "Tugendpartei" ("Fazilet Partisi", FP) verbunden. Auch zu der darauf hin im Juli 2001 gegründeten "Partei der Glückseligkeit" ("Saadet Partisi", SP) unterhält die IGMG nunmehr entsprechende Verbindungen. Es wird daher nach wie vor davon ausgegangen, dass die für die deutsche Öffentlichkeit bestimmten Äußerungen zum Teil taktisch bedingt sind. In der Türkei selbst unterhält die IGMG keine eigenen organisatorischen Gliederungen, jedoch weitere Zweigstellen in Europa, in den USA und in Australien. Die Organisation verfügt über erhebliche finanzielle Mittel und betreibt allein in Europa über 500 Moscheevereine. Für die Verwaltung des Immobilienbesitzes ist seit Mitte der Neunziger Jahre die "Europäische Moscheebau und Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) zuständig. Zur Verstärkung ihres Einflusses betreibt die IGMG in Deutschland zahlreiche soziale Aktivitäten, u. a. eine intensive und 183 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 zielgerichtete Jugendarbeit. Die Zusammenarbeit mit anderen islamischen Gruppierungen und die Mitarbeit in islamischen Dachverbänden nutzt die IGMG für ihr Bestreben, eine hervorgehobene Position in der Vertretung der in Deutschland lebenden Muslime einzunehmen. Ein weiteres Ziel der Organisation ist es, als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" anerkannt zu werden, um Mitspracherechte im öffentlichen Leben, z. B. in der Gestaltung von Religionsunterricht, zu erhalten. "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti) Ideologie: islamistisch Organisationsstruktur: Vereine Entstehung/ Gründung: 1984 Mitgliederzahl: ca. 1 100 bundesweit, ca. 50 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Sitz in Deutschland: Köln, die Organisation wurde vom Bundesinnenminister am 12. Dezember 2001 verboten Publikation: "ÜMMET-I MUHAMMED" ("Die Gemeinde Mohammeds"), bisher wöchentlich Die seit 1984 vereinsrechtlich unter dem Namen "Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) - türkische Bezeichnung: "Islami Cemiyet ve Cemaatler Birligi" erfasste Organisation stand seit 1995 unter der Leitung des selbsternannten "Kalifen" Metin KAPLAN und trat seitdem ausschließlich unter der Bezeichnung "Der Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti) auf. Der "Kalifatsstaat" war streng hierarchisch aufgebaut und in Deutschland in verschiedene Gebiete (Bölge) gegliedert, an deren Spitze jeweils ein "Gebietsemir" stand. Die zum Zeitpunkt des Verbots noch etwa 1 100 Anhänger des "Kalifatsstaats" waren dem "Kalifen" zu Gehorsam verpflichtet. Sie wurden regelmäßig aufgefordert, "Steuern" an die Kölner Zentrale abzuführen und darüber hinaus Spenden zu leisten. Metin KAPLAN hatte sich nach dem Tode seines Vaters und Verbandsgründers Cemaleddin KAPLAN 1995 zum "Kalifen" ausrufen lassen. Cemaleddin KAPLAN, der 1992 den "Föde- 184 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 rativen Islamstaat Anatolien" ins Leben gerufen hatte, war im März 1994 von seinen Anhängern zum "Kalifen" gewählt worden. Cemaleddin KAPLAN Metin KAPLAN Seit dem Tod Cemaleddin KAPLANs 1995 führten Streitigkeiten über dessen Nachfolge und das Parteivermögen innerhalb des Verbandes zu Auflösungsund Abspaltungstendenzen. In Berlin bildete sich eine oppositionelle Gruppe unter Führung des ehemaligen Beraters KAPLANs, Dr. Halil Ibrahim SOFU, der sich seinerseits 1996 zum (Gegen-)"Kalifen" ausrief. Am 8. Mai 1997 wurde SOFU in seiner Wohnung in Berlin-Wedding von drei unbekannten maskierten Personen erschossen. Am 15. November 2000 verurteilte das OLG Düsseldorf Metin KAPLAN wegen zweimaliger öffentlicher Aufforderung zum Mord an seinem Rivalen zu einer Haftstrafe von vier Jahren. Politisches Ziel der Organisation war zunächst die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung einer auf Koran und Sunna basierenden Gesellschaftsordnung. Darüber hinaus war jedoch die Weltherrschaft des Islam unter der Führung eines einzigen Kalifen das Endziel der Bestrebungen. In der Türkei selbst unterhielt der "Kalifatsstaat" keine eigenen organisatorischen Gliederungen, war aber über das eigene TV-Programm "HAKK-TV" via Satellit in der Türkei propagandistisch präsent. Die Berliner Anhängerschaft von KAPLAN traf sich bis zu ihrem Verbot in der Kreuzberger "Muhacirin Moschee". Eine nur noch geringe Rolle spielt die Gruppe von Anhängern des ermordeten "Gegenkalifen" SOFU. Die Gruppe lehnt zwar den Führungs- 185 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 anspruch von Metin KAPLAN ab, identifiziert sich aber mit der Ideologie der KAPLAN-Gruppe. 123 MEK : "Volksmodjahedin Iran-Organisation" / "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Ideologie: linksextremistisch Organisationsstruktur: Die MEK ist seit 1985 die dominierende Gruppierung im "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI), dem Exilparlament der iranischen Opposition. Entstehung/ Gründung: 1965 im Iran, seit 1994 in Berlin vertreten Mitgliederzahl: ca. 900 bundesweit, ca. 20 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Sitz im Ausland: Bagdad / Irak Sitz in Deutschland: Köln Publikation: "Modjahed", erscheint wöchentlich Das erklärte Ziel der MEK ist die Bekämpfung der iranischen Regierung. Aus ihrem Exil im Irak steuert die MEK einen Guerillakrieg auf iranischem Boden und unterhält zu diesem Zweck im irakisch-iranischen Grenzgebiet die vom Irak ausgebildete und bewaffnete "Nationale Befreiungsarmee" (NLA), eine von Frauen dominierte Rebellenarmee. In Deutschland ist die MEK durch ihren weltweit agierenden politischen Arm "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) vertreten. Die Hauptaktivitäten konzentrieren sich auf das Beschaffen von Spendengeldern auch unter Anwendung illegaler Methoden. Staatsbesuche iranischer Politiker nutzt der NWRI für Kundgebungen und militante Störaktionen mit dem Ziel, die iranische Staatsführung im Ausland zu diskreditieren. Die Organisation bemüht sich, ihre in europäischen Ländern lebenden Anhänger für einen zeitlich begrenzten Einsatz in der NLA zu rekrutieren. 123 bisher abgekürzt PMOI (= englischsprachige Abkürzung) 186 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 MLKP: "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" Ideologie: linksextremistisch MLKP Organisationsstruktur: Funktionärsgruppe Entstehung/ Gründung: 1994 Mitgliederzahl: bundesweit ca. 600, Berlin ca. 25 (gegenüber 2000 unverändert) Publikation: "Yasamda Atilim" (Vorstoß im Leben) erscheint wöchentlich "Partinin Sesi" (Die Stimme der Partei) zweimonatlich Auch die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) strebt eine gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung an. Die MLKP versteht sich dabei als die politische Stimme des Proletariats einer türkisch-kurdischen Nation, sowie als Vertreterin aller nationalen Minderheiten. Aus Protest gegen die Situation ihrer Gesinnungsgenossen in türkischen Gefängnissen verübte die MLKP im Berichtszeitraum dort Anschläge, verhielt sich aber in Deutschland gewaltfrei. PKK: "Arbeiterpartei Kurdistans" Ideologie: linksextremistisch Organisationsstruktur: Selbstverständnis als politische Partei, in Deutschland Vereinsstrukturen (Tarnund Nebenorganisationen) Entstehung/ Gründung: 1978 in der Türkei Mitgliederzahl: ca. 12 000 bundesweit, ca. 1 100 in Berlin (gegenüber 2000 unverändert) Sitz in Deutschland: Die Partei unterliegt seit 1993 in Deutschland einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot. Publikation: "Serxwebun" (Unabhängigkeit), monatlich Die "Arbeiterpartei Kurdistans" hat sich 1978 im Südosten der Türkei vor dem Hintergrund des seit Jahrzehnten andauernden Konfliktes über die völkerrechtliche Situation der 25 Millionen Kurden im Ländereck Türkei, Iran, Irak und Syrien gegründet. Erklärte Zielsetzung der PKK war die kulturelle Anerkennung und 187 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 die Erlangung der politischen Autonomie für die in der Türkei lebenden Kurden. Von 1984 bis 1999 führte die PKK für ein unabhängiges Kurdistan in der südöstlichen Türkei einen Guerillakrieg gegen das türkische Militär. Im Jahre 1999 zeichnete sich ein grundlegender Wandel in Zielsetzung und Wahl der Mittel bei der PKK ab. Der bewaffnete Kampf sollte zu Gunsten legaler und friedlicher Mittel aufgegeben, und die Forderung politischer Autonomie durch eine Forderung nach kultureller Anerkennung ersetzt werden. Die grundlegende konzeptionelle Änderung ging maßgeblich von dem Vorsitzenden Abdullah ÖCALAN aus. Dem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot in Deutschland aus dem Jahr 1993 waren Anschlagsserien und gewalttätige Ausschreitungen bei Demonstrationen vorausgegangen. Ausschlaggebend für das Verbot war jedoch der Überfall auf das türkische Generalkonsulat in München am 24. Juni 1993, bei dem 20 Menschen als Geiseln genommen wurden. Von 1996 bis zur Gefangennahme des Vorsitzenden Abdullah ÖCALAN in Nairobi 1999 machten die Anhänger der PKK in Deutschland in der Regel über gewaltfreie Kundgebungen und Demonstrationen auf sich aufmerksam. Die Parteiarbeit beschränkte sich im Wesentlichen auf das Sammeln von Spendengeldern. Nach einer Welle von Protestaktionen gegen die Festnahme Öcalans gab es nach dem strategischen Kurswechsel auch eine Reihe von Veränderungen bei den deutschen PKK-nahen Vereinen. In ihrem Streben nach Anerkennung und um ihren Willen zur Wandlung auch nach außen zu dokumentieren, benannte die PKK ihre Nebenorganisationen "Nationale Befreiungsfront Kurdistan" (ERNK) in "Kurdische Demokratische Volksunion" (YDK) um. Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) heißt jetzt "Volksverteidigungsarmee" (HPG). 188 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 TKP/ML: "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" Ideologie: linksextremistisch Organisationsstruktur: konspirativ arbeitende Kaderpartei Entstehung/ Gründung: 1972 in der Türkei, in Deutschland seit 1973/74 Mitgliederzahl: ca. 1 800 bundesweit, ca. 100 in Berlin (2000: 1 800 bzw. 180) Publikationen: "Özgür Gelecek", vierzehntäglich "Isci Köylü Kurtulusu", zweimonatlich Die TKP/ML ist seit 1994 in die Flügel "Partizan" und "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) gespalten. Beide Flügel streben eine Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges durch den bewaffneten Kampf an. Ziel ist die Errichtung einer "demokratischen Volksherrschaft" nach marxistisch-leninistischer Ideologie. Die TKP/ML unterhält mehrere Basisorganisationen in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Dem Partizan-Flügel zuzurechnen sind die Organisationen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) und "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK). Der DABK nahestehende Organisationen sind die "Föderation für demokratische Rechte in Deutschland" (ADHF) und die "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK). In Deutschland beteiligten sich Anhänger der TKP/ML zusammen mit den türkischen linksextremistischen Organisationen "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) und "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) an öffentlichen Aktionen gegen die Einführung von neuen Gefängniszellen ("Typ F") in türkischen Gefängnissen und solidarisierten sich so mit den dort im Hungerstreik befindlichen Gefangenen. Seit 1998 waren von beiden TKP/ML-Flügeln in Deutschland keine Gewalttaten mehr zu verzeichnen. Die Berliner Anhänger entfalteten kaum eigenständige Aktivitäten. 189 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 4 "Scientology"-Organisation (SO) "Scientology" versteht sich als "Erlösungsreligion" in der "Tradition ostasiatischer Religionen, insbesondere des Buddhismus". Sie behauptet, dem Menschen den Zustand vollständiger geistiger Freiheit und Unsterblichkeit zu vermitteln. Eine erste Niederlassung der pseudoreligiösen "Scientology"-Organisation (SO) wurde im Jahre 1954 in Los Angeles (USA) unter der Bezeichnung "Church of Scientology" von dem Science-FictionRomanautor Lafayette Ronald HUBBARD gegründet. Bereits 1950 war sein Buch "Dianetik - Die moderne Wissenschaft von der geistigen Gesundheit" erschienen. Darin formte er u. a. aus Versatzstücken verschiedener Konzepte der etablierten Psychologie eine Methode, die letztlich auf eine umfassende Manipulation der menschlichen Psyche abzielt. Nach HUBBARDs Vision kann nur unter Anwendung dieser von ihm entwickelten "Technologie" die Welt von allem Elend wie Krieg, Verbrechen, Krankheit und Armut befreit werden. Die Festlegungen HUBBARDs bilden für jeden einzelnen Scientologen im gesamten Lebensumfeld und für die Organisation ein Dogma. Sie gelten als unabänderlich und sind dauerhaft gültig. Hinter der Maske vordergründiger Religiosität verbirgt sich eine Ideenlehre, die wirtschaftliche und politische Zielsetzungen eng miteinander verknüpft. Die SO-Schriften lassen insbesondere auch eine politischgesellschaftliche Dimension erkennen: Endziel ist die neue Gesellschaftsordnung scientologischen Zuschnitts. Hierfür müsse man "die Regierung und feindliche Philosophien oder Gesellschaften in einen Zustand vollständiger Gefügigkeit mit den Zielen der 'Scientology' bringen". Die politischen und gesellschaftlichen Zielvorstellungen der Organisation stehen im Gegensatz zu tragenden Prinzipien des Grundgesetzes. Das SO-Modell wird dominiert von einem sämtliche Lebensfelder umfassenden elitären Alleinvertretungsanspruch auf die absolute "Wahrheit" und erweist sich in weiten Teilen als antidemokratisch. 190 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 "Scientology" will das angeblich wirkliche "Ich" des Menschen, den unsterblichen "Thetan", durch ein zwangshypnotisches Verfahren, das so genannte "Auditing", befreien. Faktisch würde der einzelne Mensch zu einem rechtlosen Wesen, das einzig dem Willen der bestimmenden SO-Funktionäre unterworfen wäre. Jegliche Abweichung von der scientologischen Lehre ("Aberration") ist nach den Vorgaben der Organisation strikt zu unterbinden. Kritiker und Aussteiger der SO gelten als unterdrückerische Personen ("Suppressive"), die man unnachsichtig bekämpfen müsse. Der von der SO formulierte Absolutheitsanspruch bedeutet eine Außerkraftsetzung aller Menschenrechte für die übrigen Mitglieder der Gesellschaft, die ihre Rechte verwirkt haben. Die Anweisungen der SO über die "Handhabung" von Abweichlern sowie Aussagen von Aussteigern über das Verhalten der SO gegenüber Kritikern machen deutlich, dass in einer scientologischen Gesellschaft insbesondere die Meinungsfreiheit, der Schutz der Menschenwürde, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gänzlich abgeschafft wären. Demokratische Mitwirkungsrechte wie das allgemeine Wahlrecht und das Recht des Einzelnen zur Bildung und Ausübung einer Opposition sieht eine scientologische Ordnung nicht vor. Gleiches gilt für die Gewaltenteilung. Die totalitäre Programmatik der SO lässt erkennen, dass "Scientology" für den Fall einer Übernahme staatlicher Macht eine diktatorische Willkürherrschaft nach dem Vorbild scientologischer Grundmuster errichten würde. Die SO verfügt über eine streng hierarchische, weitverzweigte Struktur in einer Vielzahl von Ländern. Sämtliche Handlungsund Entscheidungsstränge sind durch totalen Gehorsam gekennzeichnet. Innerhalb der Strukturen finden sich eine Reihe von Überwachungsmechanismen. Bezeichnend ist das mit ope- 191 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 rativen Aufgaben betraute "Office of Special Affairs" (OSA). Dem in Deutschland unter der Bezeichnung "Department of Special Affairs" (DSA) arbeitenden OSA obliegt u. a. die geheimdienstliche Abwehrarbeit gegen "Scientology"-Gegner und der verdeckt betriebene subversive Kampf gegen Regierungen, die sich als Gegner der SO exponiert haben. Die SO misst Deutschland für ihr Expansionsstreben auf dem europäischen Kontinent höchsten Stellenwert zu. In Deutschland verfügt die SO über insgesamt zehn so genannte Kirchen, darunter eine in Berlin. Hinzu kommen elf "Missionen". München ist der zentrale Sitz von "Scientology Deutschland". Die SO selber verwendet unterschiedliche Zahlen bezüglich ihrer Einrichtungen. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) hat am 5./6. Juni 1997 festgestellt, dass hinsichtlich der SO tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen und dementsprechend die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden gegeben sind. Die SO wird seitdem auch in Berlin durch die Verfassungsschutzbehörde beobachtet. 192 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 193 194 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 IV VERFASSUNGSSCHUTZ BERLIN 1 Aufbau und Organisation Mit dem "Gesetz zur Reform des Verfassungsschutzes im Land 124 Berlin" vom 30. November 2000 wurde das Landesamt für Verfassungsschutz aufgelöst. Verfassungsschutzbehörde für das Land Berlin ist seitdem die Senatsverwaltung für Inneres. Die Aufgaben werden durch die Abteilung Verfassungsschutz wahrgenommen. Diese gliedert sich in vier Referate: V AbtL Abteilungsleiterin VG VE VS VB Grundsatz, Recht, Auswertung AusländerextremisBeschaffung, ÖffentlichkeitsRechtsextremismus, mus, SpionageabForschung und arbeit, Verwaltung Linksextremismus wehr, MitwirkungsWerbung angelegenheiten Für die Aufgaben des Verfassungsschutzes standen im Jahr 2001 Haushaltsmittel in Höhe von 18,2 Mio. DM zur Verfügung. Der Verfassungsschutzbehörde waren 193 Stellen (2000: 235) zugewiesen. Mit dem Ziel, die Transparenz des Verfassungsschutzes zu erweitern, die bürgernahe Aufklärung über die gewonnenen Erkenntnisse zu stärken und die Politikberatung zu verbessern, wurde eine umfangreiche Umstrukturierung vorgenommen. Den Schwerpunkt bildete dabei die Einstellung von Mitarbeitern mit 124 GVBl. Nr. 41 vom 8. Dezember 2000, S. 495 195 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 wissenschaftlicher Ausbildung, insbesondere Islamwissenschaftler, Politologen und Soziologen. Die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 und die nachfolgenden Gesetzesänderungen haben auch Veränderungen für den Verfassungsschutz Berlin mit sich gebracht. So wurden u. a. die materiellen und personellen Ressourcen für die Aufklärung islamistischer Bestrebungen aufgestockt. 2 Aufgaben, Befugnisse, Kontrollinstanzen Grundlage für die Einrichtung und das Tätigwerden der Verfassungsschutzbehörden sind die Art. 73 und 87 des Grundgesetzes. Die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde Berlin sind in SS 5 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin (VSG 125 Bln) geregelt. Danach werden Informationen gesammelt und ausgewertet über - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, - Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 125 GVBl. Nr. 28 vom 21. Juli 2001, S. 235, der vollständige Gesetzestext ist im Anhang abgedruckt. 196 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Die Verfassungsschutzbehörde wirkt darüber hinaus auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen mit - bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, - bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, - bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, - bei aufenthaltsrechtlichen Verfahren, Einbürgerungsverfahren sowie bei sonstigen gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen; die Mitwirkung ist nur zulässig, wenn diese zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder für Zwecke der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist; Näheres wird in einer Verwaltungsvorschrift des Senators für Inneres im Benehmen mit dem Berliner Beauftragten für den 126 Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht bestimmt. Die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde Berlin für diese Mitwirkungsangelegenheiten sind im Berliner Sicherheitsüber127 prüfungsgesetz vom 26. Juni 2001 geregelt. Die nach dem 11. September 2001 von der Bundesregierung initiierten Gesetzesänderungen geben dem Bundesamt für Verfassungsschutz erweiterte Befugnisse: - Es darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltliche Aus126 seit Juli 2001: Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit 127 GVBl. 28 vom 21. Juli 2001, S. 243, der vollständige Gesetzestext ist im Anhang abgedruckt. 197 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 künfte u. a. zu Konten, Kontoinhabern sowie zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen. - Eine Erweiterung von Auskunftsbefugnissen gilt auch gegenüber Postdienstleistern, Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikationsund Teledienstleistern. Diese Befugnisse sind auf fünf Jahre begrenzt und dürfen nur unter beschränkten Voraussetzungen und bei Unterrichtung von 128 Kontrollgremien wie der zuständigen G10-Kommission wahrgenommen werden. Der Verfassungsschutz erhält ca. 60 % seines Informationsaufkommens aus allgemein zugänglichen Quellen. Hierunter fallen z. B. frei erhältliche Publikationen, Beiträge elektronischer Medien aber auch Erkenntnisse aus öffentlichen Veranstaltungen von Beobachtungsobjekten. Etwa 20 % der Informationen beruhen auf Angaben anderer Behörden oder auf freiwilligen Auskünften einzelner Personen. Nur der geringere Teil des Informationsaufkommens wird durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gewonnen. Nachrichtendienstliche Mittel dürfen nach den Bestimmungen des VSG Bln in Fällen eingesetzt werden, in denen sich verfassungsfeindliche Bestrebungen unter weitgehender konspirativer Abschottung und Geheimhaltung entfalten und sich anderweitig keine Informationen gewinnen lassen. Gemäß den Vorgaben des VSG Bln soll der Einsatz dieser Mittel nur erfolgen, wenn sie erkennbar im Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählen insbesondere der Einsatz von Vertrauensleuten, so genannten V-Leuten, die aus Beobachtungsobjekten berichten, die Observation sowie die Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs, deren besonders enge rechtliche Voraussetzun129 gen im Gesetz zu Artikel 10 GG geregelt sind. 128 Art. 10 Grundgesetz: Unverletzlichkeit des Brief-, Post und Fernmeldegeheimnisses 129 BGBl. Teil I, S. 1254 ff. 198 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Die Verfassungsschutzbehörde ist berechtigt, zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben personenbezogene Daten zu erheben und zu verarbeiten. Als bundesweite Hinweisdatei existiert für die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder das "Nachrichtendienstliche Informationssystem" (NADIS). Hierüber ist es möglich abzufragen, ob und für welchen Aufgabenbereich eine Person bei einer Verfassungsschutzbehörde erfasst ist. Hinweise auf den Hintergrund der Speicherung sowie den Inhalt und Umfang der zugrundeliegenden Informationen lassen sich daraus nicht erkennen. Die Speicherungsgrundlagen sowie die Speicherungsdauer sind in den jeweiligen Verfassungsschutzgesetzen und in Verordnungen geregelt. Für Berlin waren Ende 2001 insgesamt 17 371 Datensätze im NADIS gespeichert (2000: 20 257). 53 % entfallen dabei auf Sicherheitsüberprüfungen, die übrigen verteilen sich auf die Aufgabenbereiche Spionageabwehr, Ausländer-, Rechtsund Linksextremismus. Nach SS 31 VSG Berlin erteilt die Verfassungsschutzbehörde einer natürlichen Person über die zu ihr gespeicherten Informationen auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Aufgrund eines Urteils 130 des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2000 hat die Verfassungsschutzbehörde Berlin ihre Auskunftserteilung dahingehend geändert, dass nunmehr ein besonderes Interesse an der Auskunftserteilung nicht mehr dargelegt werden muss. Die Verfassungsschutzbehörde unterliegt bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben einer weitgehenden Kontrolle auf mehreren Ebenen: - Allgemeine parlamentarische Kontrolle durch das Abgeordnetenhaus von Berlin, - besondere parlamentarische Kontrolle durch den Ausschuss für Verfassungsschutz, in dem jede Fraktion des Abgeordnetenhauses mit mindestens einem Mitglied vertreten ist, - Kontrolle durch eine "Vertrauensperson" des Ausschusses für Verfassungsschutz, 130 BVerfG, 1 BvR 586/90 199 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 - Kontrolle von Maßnahmen zur Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (G 10) durch eine G 10-Kommission des Abgeordnetenhauses, - Kontrolle durch eine Revision bei der Leitung der Senatsverwaltung für Inneres, - Kontrolle durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, - gerichtliche Kontrolle bei Klagen vor den Verwaltungsgerichten gegen Maßnahmen des Verfassungsschutzes, - öffentliche Kontrolle durch Bürger und Medien. 3 Öffentlichkeitsarbeit: Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet neben dem Senat, dem Abgeordnetenhaus und anderen Behörden auch die Öffentlichkeit über Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit von Bund und Ländern richten. Der Jahresbericht stellt die Entwicklungen in den einzelnen Beobachtungsfeldern dar. Er ermöglicht, sich in kurzer Zeit einen Überblick zu verschaffen. Dabei kann jedoch nicht jede Kleinstgruppe und Aktivität aufgeführt werden, schon gar nicht, wenn daraus Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes gezogen werden könnten. Zu aktuellen Themen gibt der Verfassungsschutz Presseinformationen heraus. Für eine vertiefte Erkenntnisdarstellung in einzelnen Extremismusbereichen hat der Verfassungsschutz eine Reihe "Durchblicke" aufgelegt. Die Resonanz war derart stark, dass ein Großteil der Auflagen vergriffen ist. Derzeit ist noch das Heft Nr. 10 "Antifa heißt Angriff" (1999) vorhanden. 200 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Im Jahr 2001 erschien zudem die Broschüre "Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus". Sie gibt einen Überblick über Zeichen, die Rechtsextremisten als Ausdruck gemeinsamen Denkens aber auch der Provokation gebrauchen. Darüber hinaus bietet der Verfassungsschutz Vorträge und Diskussionsveranstaltungen an. Zielgruppen sind insbesondere schulische und außerschulische Bildungseinrichtungen bzw. deren Multiplikatoren. Des Weiteren richten sie sich an Vertreter der Medien, Polizei, Ordnungs-, Justizund anderer Verwaltungsbehörden des Landes sowie Parteien und weitere gesellschaftliche Gruppierungen. Schwerpunkte im Jahr 2001 bildeten Veranstaltungen zu den Themen Rechtsextremismus und Ausländerextremismus sowie zur Arbeitsweise des Verfassungsschutzes. Der Berliner Verfassungsschutz ist außerdem mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten, die im Jahr 2001 erarbeitet wurde. Unter der Adresse www.berlin.de/verfassungsschutz finden Besucher nicht nur allgemeine Informationen, sondern auch aktuelle Nachrichten zum Thema Verfassungsschutz, Termin-Hinweise auf Diskussionen, Ausstellungen und Vorträge. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht und die Broschüre "Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus" können online gelesen, als PDF-Dokument herunter geladen oder per E-Mail angefordert werden. 201 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Erreichbarkeit des Berliner Verfassungsschutzes Senatsverwaltung für Inneres Abteilung Verfassungsschutz Potsdamer Str. 186, 10783 Berlin Postfach 62 05 60, 10795 Berlin ' 030 / 90129 0 Fax: 030 / 90129 844 Internet: http://www.berlin.de/verfassungsschutz E-Mail: verfassungsschutz@berlin.de Öffentlichkeitsarbeit ' 030 / 90129 871/872 Fax: 030 / 90129 876 Pressestelle ' 030 / 90129 565 Fax: 030 / 90129 533 Vertrauliches Telefon ' 030 / 90129 400 202 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 203 204 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 V ANHANG Gesetz nator im Übrigen in der Durchführung von über den Verfassungsschutz in Berlin Prüfungen und der Beurteilung von Prü(Verfassungsschutzgesetz Berlin - VSG Bln) fungsvorgängen unabhängig. in der Fassung vom 25. Juni 2001 SS3 Dienstkräfte ERSTER ABSCHNITT (1) Die Dienstkräfte der Verfassungsschutzabteilung haben neben den allgeAufgaben und Befugnisse meinen Pflichten die sich aus dem Wesen der Verfassungsschutzbehörde des Verfassungsschutzes und ihrer dienstlichen Stellung ergebenden besonderen SS1 Pflichten. Sie haben sich jederzeit für den Zweck des Verfassungsschutzes Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des GrundgeDer Verfassungsschutz dient dem setzes und der Verfassung von Berlin Schutz der freiheitlichen demokratischen einzusetzen. Die Funktion des Leiters der Grundordnung, des Bestandes und der für den Verfassungsschutz zuständigen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland Abteilung soll nur einer Person übertragen und ihrer Länder. werden, die die Befähigung zum Richteramt besitzt. SS2 (2) Der Senat von Berlin kann jährlich Organisation bestimmen, in welchem Umfang Dienstkräften der Verfassungsschutzabteilung (1) Verfassungsschutzbehörde ist die freie, frei werdende und neu geschaffene Senatsverwaltung für Inneres. Die für den Stellen in der Hauptverwaltung für Zwecke Verfassungsschutz zuständige Abteilung der Personalentwicklung vorbehalten wernimmt ihre Aufgaben gesondert von der für den. die Polizei zuständigen Abteilung wahr. SS4 (2) Die für den Verfassungsschutz zuZusammenarbeit ständige Abteilung ist datenverarbeitende Stelle im Sinne des SS 4 Abs. 3 Nr. 1 des (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist Berliner Datenschutzgesetzes in der Fasverpflichtet, mit Bund und Ländern in sung vom 17. Dezember 1990 (GVBl. 1991 Angelegenheiten des Verfassungsschutzes S. 16, 54), das zuletzt durch Artikel IX des zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit Gesetzes vom 30. November 2000 (GVBl. besteht insbesondere in gegenseitiger S. 495) geändert worden ist. Die Unterstützung und Information sowie in der Übermittlung an andere OrganisationsUnterhaltung gemeinsamer Einrichtungen einheiten der Senatsverwaltung für Inneres (wie z. B. das nachrichtendienstliche ist ungeachtet der fachund dienstInformationssystem des Bundes und der aufsichtlichen Befugnisse zulässig, wenn Länder [NADIS] und die Schule für dies für die Aufgabenerfüllung nach SS 5 Verfassungsschutz). Abs. 1 erforderlich ist. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer (3) Bei der Leitung der SenatsverwalLänder dürfen im Geltungsbereich dieses tung für Inneres wird eine Revision Gesetzes nur im Einvernehmen, das eingerichtet. Die Revision ist unbeschadet Bundesamt für Verfassungsschutz nur im ihrer Verantwortung gegenüber dem Se- 205 Verfassungsschutz Berlin 2001 Benehmen mit der VerfassungsschutzSS5 behörde tätig werden. Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Aufgabe, den Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin, andere zuständige staatliche Stellen und die Öffentlichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu unterrichten. Dadurch soll es den staatlichen Stellen insbesondere ermöglicht werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen. (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt und wertet die Verfassungsschutzbehörde Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Daten, Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen aus über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder vertei- 206 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 digungswichtigen Einrichtungen be(2) Bestrebungen im Sinne dieses Geschäftigt sind oder werden sollen, setzes, die gegen die freiheitliche demo3. bei technischen Sicherheitsmaßnahkratische Grundordnung gerichtet sind, sind men zum Schutz von im öffentlichen solche, die auf die Beseitigung oder Interesse geheimhaltungsbedürftigen Außerkraftsetzung wesentlicher VerfasTatsachen, Gegenständen oder Ersungsgrundsätze abzielen. Hierzu gehören: kenntnissen gegen die Kenntnisnahme 1. das Recht des Volkes, die Staatsdurch Unbefugte, gewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der 4. bei aufenthaltsrechtlichen Verfahren, Gesetzgebung, der vollziehenden GeEinbürgerungsverfahren sowie bei sonwalt und der Rechtsprechung stigen gesetzlich vorgeschriebenen auszuüben und die Volksvertretung in Überprüfungen; die Mitwirkung ist nur allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleizulässig, wenn diese zum Schutz der cher und geheimer Wahl zu wählen, freiheitlichen demokratischen Grund2. die Bindung der Gesetzgebung an die ordnung oder für Zwecke der öfverfassungsmäßige Ordnung und die fentlichen Sicherheit erforderlich ist; Bindung der vollziehenden Gewalt und Näheres wird in einer Verwaltungsder Rechtsprechung an Gesetz und vorschrift des Senators für Inneres im Recht, Benehmen mit dem Berliner Beauf3. das Recht auf Bildung und Ausübung tragten für den Datenschutz und für einer parlamentarischen Opposition, das Recht auf Akteneinsicht bestimmt. 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Die Befugnisse der VerfassungsschutzVolksvertretung, behörde bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nr. 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 1 und 2 sind im Berliner Sicherheits6. der Ausschluss jeder Gewaltund überprüfungsgesetz vom 2. März 1998 Willkürherrschaft und (GVBl. S. 26) geregelt. 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS6 (3) Im Sinne dieses Gesetzes sind Begriffsbestimmungen 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche, die (1) Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. darauf gerichtet sind, die Freiheit des 2 Nr. 1 und 3 sind politisch motivierte, zielBundes oder eines Landes von fremund zweckgerichtete Verhaltensweisen der Herrschaft aufzuheben, ihre staatoder Betätigungen von Organisationen, liche Einheit zu beseitigen oder ein zu Personenzusammenschlüssen ohne feste ihm gehörendes Gebiet abzutrennen, hierarchische Organisationsstrukturen 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit (unorganisierte Gruppen) oder des Bundes oder eines Landes solche, Einzelpersonen gegen die in SS 5 Abs. 2 die darauf gerichtet sind, den Bund, die bezeichneten Schutzgüter. Für eine OrgaLänder oder deren Einrichtungen in nisation oder eine unorganisierte Gruppe ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu handelt, wer sie in ihren Bestrebungen beeinträchtigen. nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen (4) Auswärtige Belange im Sinne des SS 5 von Einzelpersonen, die nicht in einer oder Abs. 2 Nr. 3 werden nur gefährdet, wenn für eine Organisation oder in einer oder für innerhalb des Geltungsbereichs des eine unorganisierte Gruppe handeln, sind Grundgesetzes Gewalt ausgeübt oder Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, durch Handlungen vorbereitet wird und wenn sie auf Anwendung von Gewalt diese sich gegen die politische Ordnung gerichtet sind oder auf Grund ihrer oder Einrichtungen anderer Staaten richten. Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. 207 Verfassungsschutz Berlin 2001 SS7 setzen, ist Gewalt die Anwendung körVoraussetzung und Rahmen für die perlichen Zwanges gegen Personen oder Tätigkeit eine nicht unerhebliche Einwirkung auf der Verfassungsschutzbehörde Sachen. (1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes SS8 bestimmt, darf die VerfassungsBefugnisse der Verfassungsschutzbehörde schutzbehörde bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach SS 5 Abs. 2 nur tätig werden, (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf wenn im Einzelfall tatsächliche die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforAnhaltspunkte für den Verdacht der dort derlichen Informationen einschließlich genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten personenbezogener Daten verarbeiten und vorliegen. bei Behörden, sonstigen öffentlichen (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf Stellen sowie nicht öffentlichen Stellen, für die Prüfung, ob die Voraussetzungen insbesondere bei Privatpersonen, erheben, des Absatzes 1 vorliegen, die dazu soweit die Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlichen personenbezogenen Daten dies zulassen. aus allgemein zugänglichen Quellen (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf erheben, speichern und nutzen. Eine zur heimlichen Informationsbeschaffung, Speicherung dieser Daten im nachrichteninsbesondere zur Erhebung personenbedienstlichen Informationssystem (NADIS) zogener Daten, nur in begründeten Fällen oder in anderen Verbunddateien ist nicht folgende nachrichtendienstliche Mittel zulässig. Eine Speicherung der nach Satz 1 anwenden: erhobenen personenbezogenen Daten in 1. Einsatz von Vertrauensleuten, sonAkten und Dateien über den Ablauf eines stigen geheimen Informanten, zum Jahres seit der Speicherung hinaus ist nur Zweck der Spionageabwehr überzulässig, wenn spätestens von diesem worbenen Agenten, Gewährspersonen Zeitpunkt an die Voraussetzungen des und verdeckten Ermittlern, Absatzes 1 vorliegen. Dasselbe gilt für das 2. Observation, Anlegen personenbezogener Akten. 3. Bildaufzeichnungen (Fotografieren, (3) Zur Erfüllung ihrer Aufgaben darf die Videografieren und Filmen), Verfassungsschutzbehörde nur die dazu 4. verdeckte Ermittlungen und Befragunerforderlichen Maßnahmen ergreifen; dies gen, gilt insbesondere für die Erhebung und 5. Mithören ohne Inanspruchnahme techVerarbeitung personenbezogener Informanischer Mittel, tionen. Von mehreren möglichen und 6. Mithören und Aufzeichnen des nicht geeigneten Maßnahmen hat sie diejenige öffentlich gesprochenen Wortes unter auszuwählen, die den einzelnen, insbeEinsatz technischer Mittel, sondere in seinen Grundrechten, und die 7. Beobachtungen des Funkverkehrs auf Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten nicht für den allgemeinen Empfang beeinträchtigt. Eine Maßnahme hat zu bestimmten Kanälen sowie die Sichtunterbleiben, wenn sie einen Nachteil barmachung, Beobachtung, Aufzeichherbeiführt, der erkennbar außer Verhältnis nung und Entschlüsselung von Signazu dem beabsichtigten Erfolg steht. Sie ist len in Kommunikationssystemen, nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht 8. Verwendung fingierter biografischer, ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht beruflicher oder gewerblicher Angaben werden kann. (Legenden), (4) Soweit in diesem Gesetz besondere 9. Beschaffung, Erstellung und VerwenEingriffsbefugnisse das Vorliegen gewaltdung von Tarnpapieren und Tarntätiger Bestrebungen oder darauf gerichtete kennzeichen, Vorbereitungshandlungen voraus10. Überwachung des Brief-, Post-, und Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe 208 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgeheimdienstliche Tätigkeiten gesetz, vom 13. August 1968 (BGBl. I erforderlich ist. S.949), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Juni 1999 Datenerhebungen nach Satz 1 Nr. 2 (BGBl. I S.1334), dürfen sich gegen andere als die in SS 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 genannten Personen 11. Einsatz von weiteren vergleichbaren nur richten, soweit dies zur Gewinnung von Methoden, Gegenständen und InstruErkenntnissen unerlässlich ist. menten zur heimlichen Informations(4) Die Erhebung nach Absatz 2 ist beschaffung, insbesondere das sonunzulässig, wenn die Erforschung des stige Eindringen in technische KomSachverhalts auf andere, die betroffene munikationsbeziehungen durch Bild-, Person weniger beeinträchtigende Weise Ton-, und Datenaufzeichnungen; dem möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung Einsatz derartiger Methoden, Gegenist in der Regel anzunehmen, wenn die stände und Instrumente hat der AusInformationen aus allgemein zugänglichen schuss für Verfassungsschutz des Quellen oder durch eine Auskunft nach SS Abgeordnetenhauses von Berlin vorab 27 gewonnen werden können. Die seine Zustimmung zu erteilen. Anwendung eines Mittels gemäß Absatz 2 soll erkennbar im Verhältnis zur Bedeutung Personen, die berechtigt sind, in Strafdes aufzuklärenden Sachverhalts stehen. sachen aus beruflichen Gründen das Die Maßnahme ist unverzüglich zu Zeugnis zu verweigern (SSSS 53 und 53a der beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder Strafprozessordnung), darf die Verfassich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er sungsschutzbehörde nicht von sich aus nicht oder nicht auf diese Weise erreicht nach Satz 1 Nr. 1 zur Beschaffung von werden kann. Daten, die für das Informationen in Anspruch nehmen, auf die Verständnis der zu speichernden Informasich ihr Zeugnisverweigerungsrecht tionen nicht erforderlich sind, sind unverbezieht. Die Behörden des Landes Berlin züglich zu löschen. Die Löschung kann sind verpflichtet, der Verfassungsschutzunterbleiben, wenn die Informationen von behörde technische Hilfe für Tarnungsanderen, die zur Erfüllung der Aufgaben maßnahmen zu geben. erforderlich sind, nicht oder nur mit (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf unvertretbarem Aufwand getrennt werden Informationen einschließlich personenkönnen; in diesem Fall dürfen die Daten bezogener Daten mit den Mitteln gemäß nicht verwertet werden. Absatz 2 erheben, wenn (5) Die näheren Voraussetzungen für die 1. sich ihr Einsatz gegen Organisationen, Anwendung der Mittel nach Absatz 2 sind in unorganisierte Gruppen, in ihnen oder einer Verwaltungsvorschrift des Senators einzeln tätige Personen richtet, bei für Inneres zu regeln, die auch die denen tatsächliche Anhaltspunkte für Zuständigkeit für die Anordnung solcher den Verdacht der Bestrebungen oder Informationsbeschaffung regelt. Die Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 bestehen, Verwaltungsvorschrift ist dem Ausschuss 2. auf diese Weise Erkenntnisse über für Verfassungsschutz des Abgegewalttätige Bestrebungen oder geordnetenhauses von Berlin vorab zur heimdienstliche Tätigkeiten gewonnen Kenntnis zu geben. werden können, (6) Für die Speicherung und Löschung 3. auf diese Weise die zur Erforschung der durch Maßnahmen nach Absatz 2 von Bestrebungen oder Tätigkeiten erlangten personenbezogenen Daten gilt nach SS 5 Abs. 2 erforderlichen Quellen Artikel 1 SS 7 Abs. 4 des Gesetzes zu Artikel erschlossen werden können oder 10 Grundgesetz entsprechend. 4. dies zum Schutz der Dienstkräfte, (7) Polizeiliche Befugnisse stehen der Einrichtungen, Gegenstände und QuelVerfassungsschutzbehörde nicht zu; sie len der Verfassungsschutzbehör-de darf die Polizei auch nicht im Wege der gegen sicherheitsgefährdende oder 209 Verfassungsschutz Berlin 2001 Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu Verfassungsschutzbehörde, der die denen sie selbst nicht befugt ist. Befähigung zum Richteramt hat. (8) Die Verfassungsschutzbehörde ist an (3) Sind technische Mittel ausschließlich die allgemeinen Rechtsvorschriften gezum Schutze der bei einem Einsatz in bunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch den Senator für SS9 Inneres, der im Verhinderungsfall durch den Einsatz technischer Mittel zuständigen Staatssekretär vertreten wird, zur Überwachung von Wohnungen angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten (1) Das in einer Wohnung nicht öffentlich Erkenntnisse zum Zwecke der gesprochene Wort darf mit technischen Gefahrenabwehr ist nur zulässig, wenn Mitteln ausschließlich bei der Wahrzuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nehmung der Aufgaben auf dem Gebiet der richterlich festgestellt worden ist; bei Gefahr Spionageabwehr und des gewaltbereiten im Verzuge ist die richterliche Entscheidung politischen Extremismus heimlich mitgehört unverzüglich nachzuholen. oder aufgezeichnet werden. Eine solche (4) Zuständig für richterliche EntscheiMaßnahme ist nur zulässig, wenn sie im dungen nach den Absätzen 1 und 3 ist das Einzelfall zur Abwehr einer dringenden Amtsgericht Tiergarten. Für das Verfahren Gefahr für die öffentliche Sicherheit, gelten die Vorschriften des Gesetzes über insbesondere einer gemeinen Gefahr oder die Angelegenheiten der freiwilligen Geeiner Lebensgefahr für einzelne Personen, richtsbarkeit entsprechend. unerlässlich ist, ein konkreter Verdacht in (5) Der Senat unterrichtet die KomBezug auf eine Gefährdung der mission nach SS 2 des Gesetzes zur Ausvorstehenden Rechtsgüter besteht und der führung des Gesetzes zu Artikel 10 Einsatz anderer Methoden und Mittel zur Grundgesetz in der Fassung vom 25. März heimlichen Informationsbeschaffung keine 1995 (GVBl. S. 261), das durch Artikel III Aussicht auf Erfolg bietet. Die Sätze 1 und des Gesetzes vom 30. November 2000 2 gelten entsprechend für einen verdeckten (GVBl. S. 495) geändert worden ist, unverEinsatz technischer Mittel zur Anfertigung züglich, möglichst vorab, und umfassend von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen über den Einsatz technischer Mittel nach in Wohnungen. Maßnahmen nach den SätAbsatz 1 und, soweit richterlich zen 1 bis 3 dürfen nur auf Grund richterüberprüfungsbedürftig, nach Absatz 3. SS 3 licher Anordnung getroffen werden. Bei des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme zu Artikel 10 Grundgesetz gilt entspreauch durch den Senator für Inneres, der im chend. Verhinderungsfall durch den zuständigen (6) Eine Maßnahme nach den Absätzen Staatssekretär vertreten wird, angeordnet 1 und 3 ist nach ihrer Beendigung der werden; eine richterliche Entscheidung ist betroffenen Person mitzuteilen, sobald eine unverzüglich nachzuholen. Gefährdung des Zwecks der Maßnahme (2) Die Anordnung ist auf höchstens drei ausgeschlossen werden kann. Die durch Monate zu befristen. Verlängerungen um Maßnahmen im Sinne des Satzes 1 jeweils nicht mehr als drei weitere Monate erhobenen Informationen dürfen nur nach sind auf Antrag zulässig, soweit die Maßgabe des Artikels 1 SS 7 Abs. 3 des Voraussetzungen der Anordnung fortGesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz bestehen. Liegen die Voraussetzungen der verwendet werden. Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur SS 9a Informationsgewinnung nicht mehr erforEingriffe, die in ihrer Art und Schwere einer derlich, ist die Maßnahme unverzüglich zu Beschränkung des Brief-, Postund beenden. Der Vollzug der Anordnung erfolgt Fernmeldegeheimnisses gleichkommen unter Aufsicht eines Bediensteten der 210 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 (1) Ein Eingriff, der in seiner Art und 3. eine besondere gesetzliche GeheimSchwere einer Beschränkung des Brief-, haltungsvorschrift oder ein BerufsgePostund Fernmeldegeheimnisses gleich heimnis der Einsichtnahme nicht entkommt und nicht den Regelungen des SS 9 gegensteht. (3) unterliegt, wozu insbesondere das Abhören Die Anordnung für die Maßnahme nach und Aufzeichnen des nicht öffentlich Absatz 1 trifft der Leiter der Verfasgesprochenen Wortes mit dem verdeckten sungsschutzabteilung, im Falle der VerEinsatz technischer Mittel gehört, bedarf hinderung der Vertreter. der Anordnung durch den Senator für (4) Die auf diese Weise gewonnenen Inneres, der im Verhinderungsfall durch den Erkenntnisse dürfen nur zu den in Absatz 1 zuständigen Staatssekretär vertreten wird. genannten Zwecken verwendet werden. (2) Die SSSS 2 und 3 des Gesetzes zur Gespeicherte Informationen sind zu löschen Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 und Unterlagen zu vernichten, sobald sie Grundgesetz gelten entsprechend. für diese Zwecke nicht mehr benötigt (3) SS 9 Abs. 6 gilt entsprechend. werden. (5) Über die Einsichtnahme ist ein SS 10 gesonderter Nachweis zu führen, aus dem Registereinsicht ihr Zweck, die in Anspruch genommene durch die Verfassungsschutzbehörde Stelle, die Namen der Betroffenen, deren Daten für eine weitere Verwendung erfor(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf derlich sind, sowie der Zeitpunkt der Einzur Aufklärung sichtnahme hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, - von sicherheitsgefährdenden oder gedurch technische und organisatorische heimdienstlichen Tätigkeiten für eine Maßnahmen zu sichern und, soweit sie für fremde Macht oder die Aufgabenerfüllung der Verfassungs- - von Bestrebungen, die durch Anwenschutzbehörde nach SS 5 Abs. 2 nicht mehr dung von Gewalt oder darauf gerichtete benötigt werden, am Ende des KalenderVorbereitungshandlungen gegen die jahres, das dem Jahr der Erstellung folgt, freiheitliche demokratische Grundordzu vernichten. nung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder ZWEITER ABSCHNITT - von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Datenverarbeitung Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik DeutschSS 11 land gefährden, Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Informationen von öffentlichen Stellen geführte Register, z. B. Melderegister, Personalausweisre(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf gister, Passregister, Führerscheinkarteien, zur Erfüllung ihrer Aufgaben rechtmäßig Waffenscheinkarteien, einsehen. erhobene personenbezogene Informationen (2) Eine solche Einsichtnahme ist nur speichern, verändern und nutzen, wenn zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestremöglich erscheint, insbesondere durch bungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. eine Übermittlung der Daten durch die 2 vorliegen oder registerführende Stelle der Zweck der 2. dies für die Erforschung oder BeMaßnahme gefährdet würde, und wertung von gewalttätigen Bestre2. die betroffene Person durch eine anbungen oder geheimdienstlichen Täderweitige Aufklärung unverhältnistigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforderlich mäßig beeinträchtigt würde, und ist oder 211 Verfassungsschutz Berlin 2001 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung Abs. 2 angefallen sind, die zur Erfüllung nachrichtendienstlicher Zugänge über der Aufgaben im Sinne dieses Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Gesetzes eine Fortdauer der SS 5 Abs. 2 erforderlich ist oder Speicherung rechtfertigen. 4. dies zum Schutz der Dienstkräfte, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder 5. sie auf Ersuchen der zuständigen Stelle nach SS 5 Abs. 3 tätig wird. (2) In Dateien gespeicherte Informationen müssen durch Aktenrückhalt belegbar sein. (3) In Dateien ist die Speicherung von Informationen aus der Intimsphäre der betroffenen Person unzulässig. SS 12 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Informationen von Minderjährigen Die Speicherung personenbezogener Informationen über Minderjährige, die das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben, ist unzulässig. SS 13 Speicherungsdauer (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Speicherungsdauer auf das für ihre Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. Die in Dateien gespeicherten Informationen sind bei der Einzelfallbearbeitung, spätestens aber fünf Jahre nach Speicherung der letzten Information, auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Sofern die Informationen Bestrebungen nach SS 5 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 betreffen, sind sie spätestens zehn Jahre nach der zuletzt gespeicherten relevanten Information zu löschen. (2) Sind Informationen über Minderjährige in Dateien oder in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, gespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 5 212 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 SS 14 Datenschutzgesetzes als Straftaten beBerichtigung, Löschung und Sperrung zeichneten Handlungen verwendet werden. personenbezogener Informationen in Dateien SS 15 Berichtigung und Sperrung (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat personenbezogener Informationen in Akten die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Informationen zu berichtigen, (1) Stellt die Verfassungsschutzbehörde wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänfest, dass in Akten gespeicherte perzen, wenn sie unvollständig sind und dasonenbezogene Informationen unrichtig durch schutzwürdige Interessen der besind, oder wird ihre Richtigkeit von dem troffenen Person beeinträchtigt sein könBetroffenen bestritten, so ist dies in der nen. Akte zu vermerken oder auf sonstige Wiese (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat festzuhalten. die in Dateien gespeicherten personen(2) Die Verfassungsschutzbehörde hat bezogenen Informationen zu löschen, wenn personenbezogene Informationen in Akten ihre Speicherung irrtümlich erfolgt war, zu sperren, wenn sie im Einzelfall feststellt, unzulässig war oder ihre Kenntnis für die dass ohne die Sperrung schutzwürdige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich Interessen von Betroffenen beeinträchtigt ist und schutzwürdige Interessen der würden und die Daten für ihre betroffenen Person nicht beeinträchtigt Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich werden. sind. Gesperrte Informationen sind mit (3) Die Verfassungsschutzbehörde hat einem entsprechenden Vermerk zu verdie in Dateien gespeicherten personensehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder bezogenen Informationen zu sperren, wenn übermittelt werden. Eine Aufhebung der die Löschung unterbleibt, weil Grund zu der Sperrung ist möglich, wenn ihre VorausAnnahme besteht, dass durch die Löschung setzungen nachträglich entfallen. schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden; gesperrte SS 16 Informationen sind entsprechend zu Dateianordnungen kennzeichnen und dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Person (1) Für jede automatisierte Datei der verwendet werden. Verfassungsschutzbehörde sind in einer (4) In Dateien gelöschte Informationen Dateianordnung im Benehmen mit dem sind gesperrt. Unterlagen sind zu vernichBerliner Beauftragten für den Datenschutz ten, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben und für das Recht auf Akteneinsicht festnach SS 5 nicht oder nicht mehr erforderlich zulegen: sind, es sei denn, dass ihre Aufbewahrung 1. Bezeichnung der Datei, zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der 2. Zweck der Datei, betroffenen Person notwendig ist. Die 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen der Vernichtung unterbleibt, wenn die UnterSpeicherungen, Übermittlung und lagen von anderen, die zur Erfüllung der Nutzung (betroffener Personenkreis, Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur Arten der Daten), mit unvertretbarem Aufwand getrennt wer4. Eingabeberechtigung, den können. 5. Zugangsberechtigung, (5) Personenbezogene Informationen, 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdie ausschließlich zu Zwecken der Datendauer, schutzkontrolle, der Datensicherung oder 7. Protokollierung, zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen 8. Datenverarbeitungsgeräte und BeBetriebes einer Datenverarbeitungsanlage triebssystem, gespeichert werden, dürfen nur für diese 9. Inhalt und Umfang von Textzusätzen, Zwecke und zur Verfolgung der in der die der Erschließung von Akten dienen. jeweiligen Fassung des Berliner 213 Verfassungsschutz Berlin 2001 (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in SS 20 angemessenen Abständen die NotwenInformationsübermittlung digkeit der Weiterführung oder Änderung an den Bundesnachrichtendienst ihrer Dateien zu prüfen. und den Militärischen Abschirmdienst SS 17 Die Verfassungsschutzbehörde überGemeinsame Dateien mittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst die ihr Bundesgesetzliche Vorschriften über die bekannt gewordenen Informationen einDatenverarbeitung in gemeinsamen schließlich personenbezogener Daten, Dateien der Verfassungsschutzbehörden wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür des Bundes und der Länder bleiben unbebestehen, dass die Übermittlung für die rührt. Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. Handelt die Verfassungsschutzbehörde auf Ersuchen, so ist DRITTER ABSCHNITT sie zur Übermittlung nur verpflichtet und berechtigt, wenn sich die Voraussetzungen Informationsübermittlung aus den Angaben der ersuchenden Behörde ergeben. SS 18 Grundsätze bei der SS 21 Informationsübermittlung Informationsübermittlung an durch die Verfassungsschutzbehörde Strafverfolgungsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Die Übermittlung von personenbeVerfassungsschutzes zogenen Informationen ist aktenkundig zu machen. In der entsprechenden Datei ist Die Verfassungsschutzbehörde überdie Informationsübermittlung zu vermerken. mittelt den Staatsanwaltschaften und, vorVor der Informationsübermittlung ist der behaltlich der staatsanwaltlichen SachAkteninhalt im Hinblick auf den Überleitungsbefugnis, den Polizeibehörden des mittlungszweck zu würdigen und der Landes die ihr bekannt gewordenen Informationsübermittlung zugrunde zu leInformationen einschließlich personenbegen. Erkennbar unvollständige Informazogener Daten, wenn tatsächliche Antionen sind vor der Übermittlung im Rahmen haltspunkte dafür bestehen, dass die der Verhältnismäßigkeit durch Einholung Übermittlung zur Verhinderung oder Verzusätzlicher Auskünfte zu vervollständigen. folgung von Straftaten, die im Zusammenhang mit Bestrebungen oder TätigSS 19 keiten nach SS 5 Abs. 2 stehen, erforderlich Informationsübermittlung ist. zwischen den Verfassungsschutzbehörden SS 22 Übermittlung von Informationen Die Verfassungsschutzbehörde unteran den öffentlichen Bereich richtet das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden (1) Die im Rahmen der gesetzlichen der Länder über alle Angelegenheiten, Aufgabenerfüllung gewonnenen, nicht perderen Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben sonenbezogenen Erkenntnisse der Verfasder empfangenden Stellen erforderlich ist. sungsschutzbehörde können an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermittelt werden, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der empfangenden Stellen erforderlich sein können. 214 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf SS 24 personenbezogene Informationen an inÜbermittlung von Informationen ländische Behörden und juristische Peran die Stationierungsstreitkräfte sonen des öffentlichen Rechts übermitteln, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben Die Verfassungsschutzbehörde darf pererforderlich ist oder der Empfänger die sonenbezogene Informationen an DienstInformationen zum Schutz vor Bestrestellen der Stationierungsstreitkräfte überbungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 mitteln, soweit die Bundesrepublik oder zur Strafverfolgung benötigt oder nach Deutschland dazu im Rahmen von Artikel 3 SS 5 Abs. 3 tätig wird. des Zusatzabkommens zu dem Abkommen (3) Die empfangende Stelle von Inforzwischen den Parteien des Nordmationen nach Absatz 2 ist darauf hinzuatlantikpaktes über die Rechtsstellung ihrer weisen, dass sie die übermittelten persoTruppen hinsichtlich der in der Bunnenbezogenen Informationen nur zu dem desrepublik Deutschland stationierten Zweck verwenden darf, zu dessen Erfüllung ausländischen Streitkräfte vom 3. August sie ihr übermittelt wurden. 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183) verpflichtet ist. Die Übermittlung ist aktenkundig zu SS 23 machen. Der Empfänger ist darauf hinzuÜbermittlung von Informationen weisen, dass die übermittelten Informaan Personen und Stellen tionen nur zu dem Zweck verwendet außerhalb des öffentlichen Bereichs werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Personenbezogene Informationen dürfen an Personen oder Stellen außerhalb des SS 25 öffentlichen Bereichs nicht übermittelt Übermittlung von Informationen werden, es sei denn, dass dies zum Schutz an öffentliche Stellen der freiheitlichen demokratischen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundordnung, des Bestandes oder der Grundgesetzes Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und der Senator für Inneres, Die Verfassungsschutzbehörde darf perder im Verhinderungsfall durch den sonenbezogene Informationen an auszuständigen Staatssekretär vertreten wird, ländische öffentliche Stellen sowie an überim Einzelfall seine Zustimmung erteilt hat. oder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, Die Verfassungsschutzbehörde führt über wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer die Auskunft nach Satz 1 einen Nachweis, Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher aus dem der Zweck der Übermittlung, die Sicherheitsinteressen des Empfängers Aktenfundstelle und der Empfänger erforderlich ist. Die Übermittlung hervorgehen; die Nachweise sind unterbleibt, wenn auswärtige Belange der gesondert aufzubewahren, gegen Bundesrepublik Deutschland oder unberechtigten Zugriff zu sichern und am überwiegende schutzwürdige Interessen Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der betroffenen Person entgegenstehen. seiner Erstellung folgt, zu vernichten. Der Die Übermittlung ist nur im Einvernehmen Empfänger darf die übermittelten persomit dem Bundesamt für Verfassungsschutz nenbezogenen Informationen nur für den zulässig. Sie ist aktenkundig zu machen. Zweck verwenden, zu dem sie ihm überDer Empfänger ist darauf hinzuweisen, mittelt wurden. Der Empfänger ist auf die dass die übermittelten personenbezogenen Verwendungsbeschränkung und darauf Informationen nur zu dem Zweck verwendet hinzuweisen, dass die Verfassungsschutzwerden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt behörde sich vorbehält, um Auskunft über wurden, und die Verfassungsschutzbehörde die vorgenommene Verwendung der Inforsich vorbehält, um Auskunft über die mationen zu bitten. vorgenommene Verwendung der Informationen zu bitten. 215 Verfassungsschutz Berlin 2001 SS 26 (3) Die Verfassungsschutzbehörde Unterrichtung der Öffentlichkeit braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet Person dient oder eine Begründung den die Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich Zweck der Maßnahme gefährden würde. über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS (4) Die Übermittlung personenbezogener 5 Abs. 2. Dabei ist die Übermittlung von Informationen, die auf Grund einer personenbezogenen Informationen nur Maßnahme nach SS 100a der Strafprozesszulässig, wenn die Bekanntgabe für das ordnung bekannt geworden sind, ist nur Verständnis des Zusammenhanges oder zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte der Darstellung von Organisationen oder dafür bestehen, dass jemand eine der in unorganisierten Gruppierungen erforderlich SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz ist und die Interessen der Allgemeinheit an genannten Straftaten plant, begeht oder sachgemäßen Informationen das begangen hat. Auf die der Verschutzwürdige Interesse des Betroffenen fassungsschutzbehörde nach Satz 1 überüberwiegen. mittelten Informationen findet der Absatz 3, auf die dazugehörenden Unterlagen findet SS 27 der Absatz 4 des SS 7 des Gesetzes zu Übermittlung von Informationen Artikel 10 Grundgesetz entsprechende an die Verfassungsschutzbehörde Anwendung. (5) Vorschriften zur Informationsüber(1) Die Behörden des Landes und die mittlung an die Verfassungsschutzbehörde sonstigen der Aufsicht des Landes unternach anderen Gesetzen bleiben unberührt. stehenden juristischen Personen des (6) Die Verfassungsschutzbehörde hat öffentlichen Rechts übermitteln von sich die übermittelten Informationen nach ihrem aus der Verfassungsschutzbehörde die Eingang unverzüglich darauf zu überprüfen, ihnen bekannt gewordenen Informationen, ob sie zur Erfüllung ihrer in SS 5 genannten insbesondere personenbezogene Daten, Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die über Bestrebungen nach SS 5 Abs. 2, die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, durch Anwendung von Gewalt oder darauf sind die Unterlagen unverzüglich zu gerichtete Vorbereitungshandlungen vernichten. Die Vernichtung unterbleibt, verfolgt werden, und über geheimdienstwenn die Trennung von anderen Informaliche Tätigkeiten. Die Staatsanwaltschaften tionen, die zur Erfüllung der Aufgaben und, vorbehaltlich der staatsanwaltlichen erforderlich sind, nicht oder nur mit unSachleitungsbefugnis, die Polizei vertretbarem Aufwand erfolgen kann; in übermitteln darüber hinaus auch andere im diesem Fall sind die Informationen gesperrt Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt und entsprechend zu kennzeichnen. gewordene Informationen über (7) Soweit andere gesetzliche VorBestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 2. schriften nicht besondere Regelungen über (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann die Dokumentation treffen, haben die von jeder der in Absatz 1 genannten Verfassungsschutzbehörde und die überöffentlichen Stellen verlangen, dass sie ihr mittelnde Stelle die Informationsüberdie zur Erfüllung ihrer Aufgaben erformittlung aktenkundig zu machen. derlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermittelt, wenn SS 28 die Informationen nicht aus allgemein Übermittlungsverbote zugänglichen Quellen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur durch Die Übermittlung von Informationen nach eine den Betroffenen stärker belastende den Vorschriften dieses Abschnitts unMaßnahme erhoben werden können. Es terbleibt, wenn dürfen nur die Informationen übermittelt 1. eine Prüfung durch die übermittelnde werden, die bei der ersuchten Behörde Stelle ergibt, dass die Informationen bereits bekannt sind. 216 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 zu löschen oder für die empfangende VIERTER ABSCHNITT Stelle nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen Auskunftserteilung dies erfordern, 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar SS 31 ist, dass unter Berücksichtigung der Art Auskunft an den Betroffenen der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt betroffenen Personen das Allgeeiner natürlichen Person über die zu ihr meininteresse an der Übermittlung gespeicherten Informationen auf Antrag überwiegen oder unentgeltlich Auskunft, soweit die Person 4. besondere gesetzliche Übermittlungsein besonderes Interesse an einer Auskunft regelungen entgegenstehen; die Verdarlegt. Die Auskunftsverpflichtung pflichtung zur Wahrung gesetzlicher erstreckt sich nicht auf Informationen, die Geheimhaltungspflichten oder von nicht der alleinigen VerfügungsbeBerufsoder besonderen Amtsgerechtigung der Verfassungsschutzbehörde heimnissen, die nicht auf gesetzlichen unterliegen, sowie auf die Herkunft der Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. Informationen und die Empfänger von Übermittlungen. SS 29 (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf Minderjährigenschutz den Antrag ablehnen, wenn das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung ihrer (1) Informationen einschließlich persoTätigkeit oder ein überwiegendes Geheimnenbezogener Daten über das Verhalten haltungsinteresse Dritter gegenüber dem Minderjähriger dürfen nach den VorInteresse der antragstellenden Person an schriften dieses Gesetzes übermittelt werder Auskunftserteilung überwiegt. In einem den, solange die Voraussetzungen der solchen Fall hat die VerfassungsschutzbeSpeicherung nach SS 13 Abs. 2 erfüllt sind. hörde zu prüfen, ob und inwieweit eine (2) Informationen einschließlich persoTeilauskunft möglich ist. Ein Geheimhalnenbezogener Daten über das Verhalten tungsinteresse liegt vor, wenn Minderjähriger vor Vollendung des 16. Le1. eine Gefährdung der Aufgabenerbensjahres dürfen nach den Vorschriften füllung durch die Auskunftserteilung zu dieses Gesetzes nicht an ausländische besorgen ist, oder überoder zwischenstaatliche Stellen 2. durch die Auskunftserteilung Quellen übermittelt werden. gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder SS 30 der Arbeitsweisen der VerfassungsNachberichtspflicht schutzbehörde zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit Erweisen sich Informationen nach ihrer gefährden oder sonst dem Wohl des Übermittlung nach den Vorschriften dieses Bundes oder eines Landes Nachteile Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, bereiten würde oder so hat die übermittelnde Stelle ihre Infor4. die Informationen oder die Tatsache mationen unverzüglich gegenüber der der Speicherung nach einer Rechtsempfangenden Stelle zu ergänzen oder zu vorschrift oder ihrem Wesen nach, berichtigen, wenn dies zu einer anderen insbesondere wegen der überwiegenBewertung der Informationen führen könnte den berechtigten Interessen Dritter, oder zur Wahrung schutzwürdiger Intergeheimgehalten werden müssen. essen der betroffenen Person erforderlich Die Entscheidung nach den Sätzen 1 und 2 ist. Die Ergänzung oder Berichtigung ist trifft der Leiter der Verfassungsschutzaktenkundig zu machen und in den entspreabteilung oder ein von ihm besonders chenden Dateien zu vermerken. beauftragter Mitarbeiter. 217 Verfassungsschutz Berlin 2001 (3) Die Ablehnung einer Auskunft ist zu(2) Die Einsichtnahme in Akten oder mindest insoweit zu begründen, dass eine Aktenteile ist insbesondere dann zu ververwaltungsgerichtliche Nachprüfung der sagen, wenn die Daten des Betroffenen mit Verweigerungsgründe gewährleistet wird, Daten Dritter oder geheimhaltungsohne dabei den Zweck der Auskunftsbedürftigen sonstigen Informationen derart verweigerung zu gefährden. Die Gründe verbunden sind, dass ihre Trennung auch der Ablehnung sind in jedem Fall aktendurch Vervielfältigung und Unkenntlichkundig zu machen. machung nicht oder nur mit unverhältnis(4) Wird die Auskunftserteilung ganz mäßig großem Aufwand möglich ist. In oder teilweise abgelehnt, ist die betroffene diesem Fall ist dem Betroffenen zusamPerson darauf hinzuweisen, dass sie sich menfassende Auskunft über den Akteninan den Berliner Beauftragten für den halt zu erteilen. Datenschutz und für das Recht auf Akten(3) Das Berliner Informationsfreiheitseinsicht wenden kann. Dem Berliner Begesetz vom 15. Oktober 1999 (GVBl. auftragten für den Datenschutz und für das S. 561) findet auf die von der VerfasRecht auf Akteneinsicht ist auf sein sungsschutzabteilung der SenatsverwalVerlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht tung für Inneres geführten Akten keine Ander Senator für Inneres im Einzelfall wendung. feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Berliner BeaufFÜNFTER ABSCHNITT tragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht an den Betroffenen Parlamentarische Kontrolle dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der VerfassungsschutzSS 33 behörde zulassen, soweit sie nicht einer Ausschuss für Verfassungsschutz weitergehenden Auskunft zustimmt. Der Kontrolle durch den Berliner Beauftragten (1) In Angelegenheiten des Verfasfür den Datenschutz und für das Recht auf sungsschutzes unterliegt der Senat von Akteneinsicht unterliegen nicht personenBerlin der Kontrolle durch den Ausschuss bezogene Informationen, die der Kontrolle für Verfassungsschutz des Abgeordnetendurch die Kommission nach SS 2 des Gehauses von Berlin. Die Rechte des Abgesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu ordnetenhauses und seiner anderen AusArtikel 10 Grundgesetz unterliegen, es sei schüsse bleiben unberührt. denn, die Kommission ersucht den Berliner (2) Der Ausschuss für VerfassungsBeauftragten für den Datenschutz und für schutz besteht in der Regel aus höchstens das Recht auf Akteneinsicht, die Einhaltung zehn Mitgliedern. Das Vorschlagsrecht der der Vorschriften über den Datenschutz bei Fraktionen für die Wahl der Mitglieder bestimmten Vorgängen oder in bestimmten richtet sich nach der Stärke der Fraktionen, Bereichen zu kontrollieren und auswobei jede Fraktion mindestens durch ein schließlich ihr darüber zu berichten. Mitglied vertreten sein muss. Eine Erhöhung der im Satz 1 bestimmten SS 32 Mitgliederzahl ist nur zulässig, soweit sie Akteneinsicht zur Beteiligung aller Fraktionen notwendig ist. (1) Sind personenbezogene Daten in (3) Scheidet ein Mitglied aus dem Akten gespeichert, so kann dem BetrofAbgeordnetenhaus oder seiner Fraktion fenen auf Antrag Akteneinsicht gewährt aus, so verliert es die Mitgliedschaft im werden, soweit GeheimhaltungsinteresAusschuss für Verfassungsschutz. Für sen oder schutzwürdige Belange Dritter dieses Mitglied ist unverzüglich ein nicht entgegenstehen. SS 31 gilt entspreneues Mitglied zu wählen; das gleiche chend. 218 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 gilt, wenn ein Mitglied aus dem SS 34 Ausschuss ausscheidet. Geheimhaltung Die Öffentlichkeit wird durch einen Beschluss des Ausschusses ausgeschlossen, wenn das öffentliche Interesse oder berechtigte Interessen eines einzelnen dies gebieten. Sofern die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, sind die Mitglieder des Ausschusses zur Verschwiegenheit über Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen dabei bekannt geworden sind. Das gleiche gilt auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Ausschuss. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit kann von dem Ausschuss aufgehoben werden, soweit nicht berechtigte Interessen eines Einzelnen entgegenstehen oder der Senat widerspricht; in diesem Fall legt der Senat dem Ausschuss seine Gründe dar. SS 35 Aufgaben und Befugnisse des Ausschusses (1) Der Senat hat den Ausschuss umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten; er berichtet auch über den Erlass von Verwaltungsvorschriften. Der Ausschuss hat Anspruch auf Unterrichtung. (2) Der Ausschuss hat auf Antrag mindestens eines seiner Mitglieder das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von deren Dienstkräften. Die Befugnisse des Ausschusses nach Satz 1 erstrecken sich nur auf Gegenstände, die der alleinigen Verfügungsberechtigung der Verfassungsschutzbehörde unterliegen. (3) Der Senat kann die Unterrichtung über einzelne Vorgänge verweigern und bestimmten Kontrollbegehren widersprechen, wenn dies erforderlich ist, um vom Bund oder einem deutschen Land Nachteile abzuwenden; er hat dies vor dem Ausschuss zu begründen. (4) Das Abgeordnetenhaus kann den Ausschuss für einen bestimmten Untersuchungsgegenstand als Untersuchungsausschuss (Artikel 48 der Verfassung von 219 Verfassungsschutz Berlin 2001 Berlin) einsetzen. SS 3 des Gesetzes über Gesetz vom 22. Oktober 1992 (GVBI. S. die Untersuchungsausschüsse des Abge314), keine Anwendung. ordnetenhauses von Berlin vom 22. Juni 1970 (GVBI. S. 925), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juni 1991 (GVBI. S. 154), findet keine Anwendung. (5) Für den Ausschuss gelten im Übrigen die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin. SS 36 Vertrauensperson des Ausschusses für Verfassungsschutz Der Ausschuss für Verfassungsschutz kann zur Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben im Einzelfall nach Anhörung des Senats mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine Vertrauensperson beauftragen, Untersuchungen durchzuführen und dem Ausschuss über das Ergebnis in nicht öffentlicher Sitzung zu berichten. Die Vertrauensperson soll die Befähigung zum Richteramt besitzen und wird für die Dauer der jeweils laufenden Wahlperiode vom Ausschuss für Verfassungsschutz mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder gewählt. SECHSTER ABSCHNITT Schlussvorschriften SS 37 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes eingeschränkt werden. SS 38 Anwendbarkeit des Berliner Datenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die SSSS 10 bis 17 und 19 Abs. 2 bis 4 des Berliner Datenschutzgesetzes in der Fassung vom 17. Dezember 1990 (GVBI. 1991 S. 16, 54), zuletzt geändert durch 220 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 SS 39 Gesetz Inkrafttreten, Außerkrafttreten über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der im Land Berlin Verkündung im Gesetzund Verord(Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz - nungsblatt für Berlin in Kraft. BSÜG) (2) Gleichzeitig tritt das Gesetz über das in der Fassung vom 25. Juni 2001 Landesamt für Verfassungsschutz in der Fassung vom 31. Juli 1989 (GVBl. S. 1545) außer Kraft. Erster Abschnitt Allgemeines SS1 Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes Zweck dieses Gesetzes ist es, 1. im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse vor der Kenntnisnahme durch Unbefugte zu schützen und den Zugang von Personen zu verhindern, bei denen ein Sicherheitsrisiko nicht ausgeschlossen werden kann (personeller Geheimschutz), und 2. die Beschäftigung von Personen, bei denen ein Sicherheitsrisiko nicht ausgeschlossen werden kann, an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen zu verhindern (personeller Sabotageschutz). Zweiter Abschnitt Personeller Geheimund Sabotageschutz bei öffentlichen Stellen SS2 Sicherheitsempfindliche Tätigkeiten Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt aus, wer 1. Zugang zu Verschlusssachen hat oder ihn sich verschaffen kann, die STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VSVERTRAULICH eingestuft sind, 2. Zugang zu Verschlusssachen überstaatlicher Einrichtungen und Stellen hat oder ihn sich verschaffen kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland 221 Verfassungsschutz Berlin 2001 verpflichtet ist, nur sicherheitsüberwährend oder erst nach erfolgter Sicherprüfte Personen hierzu zuzulassen, heitsüberprüfung ein, so hat er die zustän3. in dem Teil einer Behörde oder sondige Stelle umgehend zu unterrichten, die stigen öffentlichen Stelle des Landes über die Erhebung von Angaben zum Ehetätig ist, der auf Grund des Umfanges gatten oder Lebenspartner und über deren und der Bedeutung dort anfallender Einbeziehung in die Sicherheitsüberprüfung Verschlusssachen von der jeweils entscheidet; dies gilt auch bei später zuständigen obersten Landesbehörde eintretender Volljährigkeit des Ehegatten im Einvernehmen mit der Verfasoder Lebenspartners. sungsschutzbehörde zum Sicherheits(3) Dieses Gesetz gilt nicht für bereich mit dem Erfordernis einer 1. die Mitglieder des AbgeordnetenSicherheitsüberprüfung nach SS 10 erhauses; das Abgeordnetenhaus beklärt worden ist, oder stimmt im Rahmen dieses Gesetzes die 4. an einer sicherheitsempfindlichen StelVoraussetzungen für den Zugang le einer lebensoder verteidiseiner Mitglieder zu geheimhaltungsgungswichtigen öffentlichen Einrichbedürftigen Angelegenheiten, tung beschäftigt ist, bei deren Ausfall 2. Richter, soweit sie Aufgaben der oder Zerstörung eine erhebliche Rechtsprechung wahrnehmen, Bedrohung für die Gesundheit oder 3. ausländische Staatsangehörige, die in das Leben zahlreicher Menschen zu der Bundesrepublik Deutschland im befürchten ist oder die für das FunkInteresse zwischenstaatlicher Einrichtionieren des Gemeinwesens unvertungen und Stellen eine sicherheitszichtbar ist. empfindliche Tätigkeit nach SS 2 Satz 1 Der Senat wird ermächtigt, durch RechtsNr. 2 ausüben sollen. verordnung die zu schützenden Arten von (4) Mitglieder der BezirksverordnetenEinrichtungen oder Teile von Einrichtungen versammlungen sowie Personen, die vom abschließend festzulegen. Abgeordnetenhaus oder einer Bezirksverordnetenversammlung in ein öffentliches SS3 Amtsoder Dienstverhältnis gewählt oder Betroffener Personenkreis berufen werden, sind Geheimnisträger kraft Amtes. Sie sind auf eigenen Antrag einer (1) Eine Person, die mit einer sicherSicherheitsüberprüfung zu unterziehen. heitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden Dies gilt für Staatssekretäre entsprechend. soll (Betroffener), ist vorher einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Die SS4 beamtenund arbeitsrechtlichen Pflichten Zuständigkeit bleiben unberührt. Auf eine Sicherheitsüberprüfung nach diesem Ge(1) Die Aufgaben dieses Gesetzes wersetz kann verzichtet werden, wenn der Beden von der Behörde oder sonstigen troffene bereits vor weniger als fünf Jahren öffentlichen Stelle wahrgenommen, die im erstrebten Umfang oder höher überprüft einer Person eine sicherheitsempfindliche worden ist und die Unterlagen verfügbar Tätigkeit übertragen will (zuständige Stelle). sind. Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit Für die Geheimschutzbeauftragten und ihre darf erst nach Vollendung des Vertreter werden die Aufgaben der 16. Lebensjahres übertragen werden. zuständigen Stelle von dem für die (2) Soweit dieses Gesetz vorsieht, könVerfassungsschutzbehörde zuständigen nen auch Angaben zum volljährigen EheGeheimschutzbeauftragten wahrgenomgatten oder Partner, mit dem die zu übermen. Zuständige Stelle für Behördenleiter prüfende Person in eheähnlicher Gemeinist die oberste Landesbehörde. schaft lebt (Lebenspartner), erhoben und (2) Die Aufgaben der zuständigen Stelle sie in die Sicherheitsüberprüfung einbezonach diesem Gesetz sind von einer von der gen werden. Geht der Betroffene die Ehe Personalverwaltung getrennten Orgaoder die eheähnliche Lebensgemeinschaft nisationseinheit wahrzunehmen. Die zu- 222 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 ständige Stelle sollte bei der Ausübung zirksämter mit Zustimmung der Verfasdieser Tätigkeit dem Behördenleiter unmitsungsschutzbehörde für die zu ihrem Getelbar unterstellt sein. schäftsbereich gehörenden nachgeordne(3) Mitwirkende Behörde bei der Sicherten Behörden die Aufgaben gemäß Absatz heitsüberprüfung ist nach SS 5 Abs. 3 Satz 1 1 übernehmen. Nr. 1 und 2 des Verfassungsschutzgesetzes Berlin vom 25. März 1995 (GVBl. S. 254, SS6 762), das zuletzt durch Artikel II des Verschlusssachen Gesetzes vom 30. November 2000 (GVBl. S. 495) geändert worden ist, die (1) Verschlusssachen sind im öffentVerfassungsschutzbehörde. lichen Interesse geheimhaltungsbedürftige (4) Die sicherheitsempfindlichen Stellen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntvon lebensoder verteidigungswichtigen nisse unabhängig von ihrer Darstellungsöffentlichen Einrichtungen nach SS 2 Satz 1 form. Sie werden entsprechend ihrer Nr. 4 werden auf deren Antrag von der Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Verfassungsschutzbehörde im EinvernehStelle oder auf deren Veranlassung eingemen mit der zuständigen obersten Lanstuft. desbehörde bestimmt. (2) Eine Verschlusssache ist (5) Die Aufgaben der zuständigen Stelle 1. STRENG GEHEIM, wenn die Kenntbei der Überprüfung gemäß SS 3 Abs. 4 Satz nisnahme durch Unbefugte den Be- 2 werden für vom Abgeordnetenhaus stand oder lebenswichtige Interessen Gewählte vom Präsidenten des der Bundesrepublik Deutschland oder Abgeordnetenhauses und für von einer eines ihrer Länder gefährden kann, Bezirksverordnetenversammlung Gewählte von dem für die Verfassungsschutzbehörde 2. GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme zuständigen Geheimschutzbeauftragten durch Unbefugte die Sicherheit der wahrgenommen. Bundesrepublik Deutschland oder (6) Die Verwaltung des Abgeordeines ihrer Länder gefährden oder netenhauses ist zuständig für die Sicherihren Interessen schweren Schaden heitsüberprüfung der Mitarbeiter der zufügen kann, Abgeordneten und der Fraktionen, die Zu3. VS-VERTRAULICH, wenn die Kenntgang zu Verschlusssachen gemäß SS 6 ernisnahme durch Unbefugte für die Inhalten sollen. teressen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich SS5 sein kann, Bestellung von Geheimschutzbeauftragten 4. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme (1) Bei Stellen, die mindestens fünf Perdurch Unbefugte für die Interessen der sonen eine sicherheitsempfindliche TätigBundesrepublik Deutschland oder keit übertragen haben, ist ein Geheimeines ihrer Länder nachteilig sein kann. schutzbeauftragter zu bestellen. Er nimmt (3) Eine Person, die Zugang zu Verdie Aufgaben der zuständigen Stelle (SS 4 schlusssachen erhalten soll oder sich verAbs. 1) wahr, sorgt dafür, dass die schaffen kann, ist nach einer Sichererforderlichen Geheimschutzmaßnahmen heitsüberprüfung und dem Ergebnis, dass getroffen werden, und führt die Sicherkeine Sicherheitsrisiken vorliegen oder heitsüberprüfungen durch. SS 4 Abs. 2 findet erkennbar sind, von der zuständigen Stelle Anwendung. Wird weniger als fünf förmlich zu belehren und zu ermächtigen. Personen eine sicherheitsempfindliche Die Belehrung und die Ermächtigung Tätigkeit übertragen, so nimmt die Aufwerden ohne förmliche Sicherheitsgaben des Geheimschutzbeauftragten der überprüfung vorgenommen, wenn es sich Leiter der Stelle oder sein Vertreter wahr. nur um Verschlusssachen des Geheim(2) Abweichend von Absatz 1 können die haltungsgrades VS-NUR FÜR DEN obersten Landesbehörden und die BeDIENSTGEBRAUCH handelt. 223 Verfassungsschutz Berlin 2001 SS7 Sicherheitsrisiken (1) Sicherheitsrisiken sind Umstände, die es aus Gründen des staatlichen Geheimschutzes oder des Sabotageschutzes verbieten, einem Betroffenen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zuzuweisen. Die Beurteilung ist auf den Einzelfall abzustellen. (2) Ein Sicherheitsrisiko liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen, 2. Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen oder 3. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsoder Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, begründen. Ein Sicherheitsrisiko kann auch auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Person des Ehegatten oder Lebenspartners vorliegen. SS8 Rechte und Pflichten des Betroffenen und der einbezogenen Person (1) Der Betroffene ist über Art und Umfang der beabsichtigten Sicherheitsüberprüfung sowie über die damit verbundene Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten und die weitere Datenverarbeitung zu unterrichten. Wird eine weitergehende Sicherheitsüberprüfung als ursprünglich vorgesehen notwendig (SS 9 Abs. 2), so ist auch für diese eine entsprechende Unterrichtung erforderlich. (2) Die Einwilligung des Betroffenen ist Voraussetzung für die Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung. Sie bezieht sich nur auf die Art der Sicherheitsüberprüfung, die Gegenstand der Unterrichtung war, sowie auf die Befragungen, die nach Art der Sicherheitsüberprüfung vorgeschrieben 224 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 sind. Willigt der Betroffene in die SS 10 Sicherheitsüberprüfung nicht ein, so ist die Einfache Sicherheitsüberprüfung Sicherheitsüberprüfung undurchführbar. Dem Betroffenen darf dann keine (1) Die einfache Sicherheitsüberprüsicherheitsempfindliche Tätigkeit übertrafung ist für Personen durchzuführen, die gen werden. 1. Zugang zu VS-VERTRAULICH einge(3) Der Betroffene ist verpflichtet, die zur stuften Verschlusssachen erhalten Sicherheitsüberprüfung erforderlichen sollen oder ihn sich verschaffen könAngaben vollständig und wahrheitsgemäß nen oder zu machen. 2. eine Tätigkeit in entsprechend ein(4) Der Betroffene kann Angaben vergestuften Bereichen nach SS 2 Satz 1 weigern, die für ihn, einen nahen AngeNr. 3 oder 4 wahrnehmen sollen. hörigen im Sinne von SS 52 Abs. 1 der (2) In den Fällen von Absatz 1 Nr. 2 kann Strafprozessordnung oder den Lebensdie zuständige Stelle von der Sicherpartner die Gefahr strafrechtlicher oder heitsüberprüfung absehen, wenn Art oder disziplinarischer Verfolgung, der Entlassung Dauer der Tätigkeit dies zulassen. oder Kündigung begründen könnten. Über das Verweigerungsrecht ist der Betroffene SS 11 zu belehren. Erweiterte Sicherheitsüberprüfung (5) Sollen Angaben zum Ehegatten oder Lebenspartner erhoben oder soll einer von Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung ist diesen in die Sicherheitsüberprüfung für Personen durchzuführen, die einbezogen werden, gelten die Absätze 1 1. Zugang zu GEHEIM eingestuften Verbis 4 entsprechend. schlusssachen erhalten sollen oder ihn (6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch für sich verschaffen können, die Ergänzung der Sicherheitserklärung 2. Zugang zu einer hohen Anzahl von VSund Wiederholungsüberprüfungen. VERTRAULICH eingestuften Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn SS9 sich verschaffen können oder Arten der Sicherheitsüberprüfung 3. an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswich(1) Entsprechend der vorgesehenen tigen Einrichtungen nach SS 2 Satz 1 Nr. sicherheitsempfindlichen Tätigkeit wird 4 beschäftigt sind oder werden sollen, entweder eine soweit nicht die zuständige Stelle im 1. einfache Sicherheitsüberprüfung Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit (SÜ 1), eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 für 2. erweiterte Sicherheitsüberprüfung ausreichend hält. (SÜ 2) oder 3. erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit SS 12 Sicherheitsermittlungen (SÜ 3) Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit durchgeführt. Sicherheitsermittlungen (2) Ergeben sich bei der Sicherheitsüberprüfung tatsächliche Anhaltspunkte, die Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit eine weitergehende Überprüfung notwendig Sicherheitsermittlungen ist für Personen machen, kann die zuständige Stelle die durchzuführen, die nächsthöhere Art der Sicher1. Zugang zu STRENG GEHEIM einheitsüberprüfung mit Zustimmung des gestuften Verschlusssachen erhalten Betroffenen und der einzubeziehenden oder sollen oder ihn sich verschaffen einbezogenen Person anordnen. Diese ist können, jedoch nur soweit durchzuführen, wie es zur 2. Zugang zu einer hohen Anzahl von Aufklärung des Sicherheitsrisikos GEHEIM eingestuften Verschlusserforderlich ist. SS 15 Abs. 4 bleibt unberührt. sachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können oder 225 Verfassungsschutz Berlin 2001 3. als Dienstkräfte der Verfassungs(1) Die zuständige Stelle unterrichtet schutzbehörde tätig werden sollen, den Betroffenen und die einzubeziehende soweit nicht die zuständige Stelle im Person über die Rechte und Pflichten nach Einzelfall nach Art und Dauer der Tätigkeit SS 8 und fordert sie zur Abgabe der eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 Sicherheitserklärung auf. Anzugeben sind oder SS 11 für ausreichend hält. frühere Sicherheitsüberprüfungen und 1. Namen, auch frühere, und Vornamen, SS 13 2. Geburtsdatum und -ort, Bundesland, Datenerhebung 3. Staatsangehörigkeit, auch frühere und doppelte Staatsangehörigkeiten, (1) Die zuständige Stelle und die Ver4. Familienstand, fassungsschutzbehörde dürfen die zur Er5. Wohnsitze und Aufenthalte von längefüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz rer Dauer als zwei Monate, und zwar erforderlichen Daten erheben. Der im Inland in den vergangenen fünf Betroffene, die einzubeziehende Person Jahren, im Ausland ab dem 18. Lesowie die sonstigen zu befragenden bensjahr, Personen und nicht-öffentlichen Stellen 6. ausgeübter Beruf, sind auf den Zweck der Erhebung, die 7. Arbeitgeber und dessen Anschrift, Auskunftspflichten nach diesem Gesetz und 8. Anzahl der Kinder, auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder 9. im Haushalt lebende Personen über 18 sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht, Jahre (Namen, auch frühere, und ansonsten auf die Freiwilligkeit ihrer Vornamen, Geburtsdatum und -ort; Angaben hinzuweisen. Bei SicherheitsVerhältnis zu dieser Person), überprüfungen gemäß SS 4 Abs. 4 kann die 10. Eltern, gegebenenfalls Stiefoder Angabe der erhebenden Stelle gegenüber Pflegeeltern (Namen, auch frühere, den sonstigen zu befragenden Personen und Vornamen, Geburtsdatum und -ort, oder nicht-öffentlichen Stellen unterbleiben, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz), wenn dies zum Schutz des Betroffenen 11. Ausbildungsund Beschäftigungszeioder der Verfassungsschutzbehörde ten, Wehrund Zivildienstzeiten mit erforderlich ist. Angabe der Ausbildungsstätten, Be(2) Die zuständige Stelle erhebt die schäftigungsstellen sowie deren Anpersonenbezogenen Daten grundsätzlich schriften, beim Betroffenen und, falls es darüber 12. Nummer des Personalausweises oder hinaus erforderlich ist, gesondert bei dem in Reisepasses, die Sicherheitsüberprüfung einzube13. Angaben über in den vergangenen fünf ziehenden Ehegatten oder Lebenspartner. Jahren durchgeführte ZwangsReicht diese Erhebung nicht aus oder vollstreckungsmaßnahmen und darüstehen ihr schutzwürdige Interessen des ber, ob zur Zeit die finanziellen VerBetroffenen oder seines Ehegatten oder pflichtungen erfüllt werden können, Lebenspartners entgegen, können andere 14. Kontakte zu anderen Nachrichtengeeignete Personen oder Stellen befragt diensten einschließlich der Nachrichwerden. Ist zum Zwecke der Sammlung von tendienste der ehemaligen Deutschen Informationen die Weitergabe persoDemokratischen Republik, nenbezogener Daten unerlässlich, so dürfen schutzwürdige Interessen der 15. Beziehungen zu Organisationen, die betroffenen Personen nur in unvermeidvon ihren Anhängern unbedingten barem Umfang beeinträchtigt werden. Der Gehorsam verlangen und deshalb den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist Betroffenen in Konflikt mit seiner Vernicht zulässig. schwiegenheitspflicht bringen können, 16. Beziehungen zu verfassungsfeindSS 14 lichen Organisationen, Einleitung der Sicherheitsüberprüfung 17. anhängige Strafund Disziplinarverfahren, 226 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 18. Angaben zu Wohnsitzen, Aufenthalten, Staatssicherheitsdienstes der eheReisen, nahen Angehörigen und maligen Deutschen Demokratischen sonstigen Beziehungen in und zu Republik, wenn der Betroffene oder die Staaten, von denen die Verfassungseinbezogene Person vor dem 13. Jaschutzbehörde festgestellt hat, dass nuar 1972 geboren wurde und der besondere Sicherheitsrisiken zu besorgen sind, und personalverwaltenden Stelle eine 19. drei Referenzpersonen (Namen und uneingeschränkte Auskunft nicht vorVornamen, Berufe, berufliche und liegt. SS 13 Abs. 2 Satz 1 gilt entprivate Anschriften und Rufnummern sprechend. Die zuständige Stelle leitet sowie zeitlicher Beginn der Bedie Sicherheitserklärung und sicherkanntschaft). heitserhebliche Erkenntnisse an die Der Sicherheitserklärung sind zwei aktuelle Verfassungsschutzbehörde weiter, teilt Lichtbilder mit der Angabe des Jahres der dieser mit, in welcher sicherheitsAufnahme beizufügen. empfindlichen Tätigkeit der Betroffene (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach im Einzelnen eingesetzt werden soll, SS 10 entfallen die Angaben zu Absatz 1 Satz und beauftragt diese, die nach SS 15 2 Nr. 8, 11, 12 und 19 sowie die Pflicht, erforderlichen Maßnahmen durchzuLichtbilder beizubringen; Absatz 1 Satz 2 Nr. 10 entfällt, soweit die dort genannten führen. Dies entfällt, wenn die zustänPersonen nicht in einem Haushalt mit dem dige Stelle bereits bei der Prüfung der Betroffenen leben. Sicherheitserklärung festgestellt hat, (3) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach dass ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das SS 11 entfällt die Angabe zu Absatz 1 Satz 2 einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit Nr. 19. entgegensteht. (4) In jeder Sicherheitsüberprüfung werden zur Person des Ehegatten oder SS 15 Lebenspartners die Angaben nach Absatz 1 Maßnahmen der Satz 2 Nr. 1 bis 4, 14 und 16 erhoben. Bei Verfassungsschutzbehörde einer Einbeziehung nach SS 15 Abs. 2 Nr. 3 sind zusätzlich die in Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 bei den einzelnen Überprüfungsarten bis 7, 12, 13, 17, und 18 genannten Daten (1) Bei einer Sicherheitsüberprüfung anzugeben. nach SS 10 trifft die Verfassungsschutz(5) Bei Sicherheitsüberprüfungen der in behörde zur Feststellung und Aufklärung SS 4 Abs. 4 genannten Personen sind zueines Sicherheitsrisikos folgende Maßnahsätzlich die Wohnsitze seit der Geburt, die men: Geschwister und abgeschlossene Straf1. sicherheitsmäßige Bewertung der Anund Disziplinarverfahren sowie alle Kongaben in der Sicherheitserklärung takte zu ausländischen Nachrichtenunter Berücksichtigung der Erkenntdiensten oder zu Nachrichtendiensten der nisse der Verfassungsschutzbehörden ehemaligen Deutschen Demokratischen des Bundes und der Länder, Republik anzugeben. 2. Anfragen unter Beteiligung der Lan(6) Die Sicherheitserklärung ist vom deskriminalämter an die PolizeidienstBetroffenen der zuständigen Stelle stellen der Wohnsitze des Betroffenen, zuzuleiten. Sie prüft die Angaben des in der Regel beschränkt auf die letzten Betroffenen und, soweit möglich, des fünf Jahre, und, soweit es im Einzelfall Ehegatten oder Lebenspartners anhand sachdienlich erscheint, an das Bundeskriminalamt, der Personalunterlagen des Betroffenen 3. Anfragen an die für das Meldewesen auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Die zuständigen Behörden der Wohnsitze zuständige Stelle richtet eine Anfrage des Betroffenen, in der Regel bean den Bundesbeauftragten für die schränkt auf die letzten fünf Jahre, und Unterlagen des 227 Verfassungsschutz Berlin 2001 4. Ersuchen um Datenübermittlung aus sungsschutzbehörde Erkenntnisse, die kein dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Sicherheitsrisiko begründen, aber weiterhin Verfahrensregister und Einholung einer sicherheitserheblich sind, übermittelt sie unbeschränkten Auskunft aus dem dies der zuständigen Stelle. Bundeszentralregister. (3) Sieht die Verfassungsschutzbehörde (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach ein Sicherheitsrisiko als gegeben an, SS 11 trifft die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet sie schriftlich unter Darlegung zusätzlich zu Absatz 1 folgende der Gründe und ihrer Bewertung die Maßnahmen: zuständige Stelle. Bei nachgeordneten 1. Prüfung der Identität des Betroffenen, Stellen erfolgt die Unterrichtung über die 2. Anfragen an die Grenzschutzdirektion zuständige oberste Landesbehörde. und die Nachrichtendienste des Bun(4) Über Umstände, die zur Ablehnung des und der Zulassung führen können, gibt die zu3. Überprüfung und, soweit erforderlich, ständige Stelle dem Betroffenen GeleBefragung des Ehegatten oder Legenheit zur Äußerung. Der Betroffene kann benspartners des Betroffenen in dem zur Anhörung einen Rechtsbeistand in Absatz 1 genannten Umfang, sofern hinzuziehen. Bei der Anhörung ist der nicht die zuständige Stelle von der Quellenschutz zu gewährleisten und den Einbeziehung abgesehen hat. Von der schutzwürdigen Belangen von Personen, Einbeziehung kann in den Fällen des SS die in die Sicherheitsüberprüfung einbe11 Nr. 3, bei dauernd getrennt lezogen wurden, Rechnung zu tragen. Die benden Ehegatten sowie in vergleichAnhörung unterbleibt, wenn sie einen baren Fällen abgesehen werden. erheblichen Nachteil für die Sicherheit des (3) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach Bundes oder eines Landes zur Folge hätte, SS 12 befragt die Verfassungsschutzbehörde insbesondere bei Sicherheitsüberprüfungen zusätzlich zu den Maßnahmen der Absätze der Bewerber bei der Verfas- 1 und 2 Referenzpersonen, um zu prüfen, sungsschutzbehörde. ob die Angaben des Betroffenen zutreffen (5) Liegen in der Person des Ehegatten und ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt. oder Lebenspartners Anhaltspunkte vor, die (4) In Fällen, in denen ein Sicherheitsein Sicherheitsrisiko begründen, ist ihm risiko auf Grund der vorstehenden MaßGelegenheit zu geben, sich vor der nahmen nicht ausgeschlossen werden kann Ablehnung der Zulassung des Betroffenen und die Befragung des Betroffenen oder zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit seines Lebenspartners nicht ausreicht oder zu den für die Entscheidung erheblichen ihr schutzwürdige Belange entgegenstehen, Tatsachen zu äußern. Absatz 4 Satz 2 bis 4 können von anderen geeigneten Stellen, gilt entsprechend. insbesondere Staatsanwaltschaften oder (6) Die zuständige Stelle entscheidet, ob Gerichten, zusätzliche Auskünfte eingeholt ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der oder weitere geeignete Auskunftspersonen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit des Bebefragt werden. troffenen entgegensteht. Kann die Sicherheitsüberprüfung nicht mit der Feststellung SS 16 abgeschlossen werden, dass kein SicherAbschluss der Sicherheitsüberprüfung heitsrisiko vorliegt, hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen. (1) Ein Rechtsanspruch auf Verwen(7) Lehnt die zuständige Stelle die Verdung in einem sicherheitsempfindlichen wendung in sicherheitsempfindlicher TätigBereich oder auf Ermächtigung zur Bearkeit ab, ist der Betroffene zu unterrichten. beitung von Verschlusssachen besteht (8) Die Absätze 1 bis 7 sind auch im nicht. Falle der Ablehnung einer Weiterbe(2) Kommt die Verfassungsschutzbeschäftigung in einer sicherheitsempfindhörde zu dem Ergebnis, dass kein lichen Tätigkeit anzuwenden. Sicherheitsrisiko vorliegt, teilt sie dies der zuständigen Stelle mit. Hat die VerfasSS 17 228 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Vorläufige Zuweisung Regel alle fünf Jahre erneut zur Aktualisierung zuzuleiten. einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (2) Die zuständige Stelle kann eine WieDie zuständige Stelle kann in Ausnahmederholungsüberprüfung einleiten, wenn fällen abweichend von SS 3 Abs. 1 die tatsächliche Anhaltspunkte gemäß SS 7 Abs. sicherheitsempfindliche Tätigkeit des Be- 2 bekannt werden, die auf ein troffenen vor Abschluss der SicherheitsSicherheitsrisiko hindeuten. Auf die Wieüberprüfung erlauben, wenn die Verfasderholungsüberprüfung finden die Vorsungsschutzbehörde schriften über die Erstüberprüfung 1. bei der einfachen SicherheitsüberAnwendung. Bei Sicherheitsüberprüfungen prüfung die Angaben in der Sichernach den SSSS 11 und 12 sind in der Regel im heitserklärung unter Berücksichtigung Abstand von zehn Jahren der eigenen Erkenntnisse bewertet hat Wiederholungsüberprüfungen durchzufühund sich hierbei keine Erkenntnisse ren. Sie ist bei den Sicherheitsüberergeben haben, die auf ein prüfungen nach SS 11 jedoch nur soweit Sicherheitsrisiko hindeuten, oder durchzuführen, wie der Überprüfungszweck 2. bei der erweiterten Sicherheitsüberdies erfordert, und umfasst zumindest die prüfung und bei der erweiterten Maßnahmen nach SS 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 4. Sicherheitsüberprüfung mit SicherBei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 12 heitsermittlungen die Maßnahmen der umfasst die Wiederholungsüberprüfung alle nächstniederen Art der SicherheitsMaßnahmen nach SS 15; die mitwirkende überprüfung abgeschlossen hat, auch Behörde kann von einer erneuten wenn bei dieser eine Antwort auf eine Identitätsprüfung absehen. Anfrage nach SS 14 Abs. 6 Satz 3 noch nicht vorliegt, und sich keine SS 20 Erkenntnisse ergeben haben, die auf Sicherheitsakte und ein Sicherheitsrisiko hindeuten. Sicherheitsüberprüfungsakte SS 18 (1) Die zuständige Stelle führt über den Erkenntnisse nach Abschluss der Betroffenen eine Sicherheitsakte, in die alle Sicherheitsüberprüfung die Sicherheitsüberprüfung betreffenden Informationen aufzunehmen sind. (1) Die zuständige Stelle und die Ver(2) Informationen über die persönlichen, fassungsschutzbehörde unterrichten sich dienstlichen und arbeitsrechtlichen gegenseitig, wenn sicherheitserhebliche Verhältnisse der mit sicherheitsempfindErkenntnisse über den Betroffenen oder zu lichen Tätigkeiten befassten Personen sind der nach SS 15 Abs. 2 Nr. 3 einbezogenen zur Sicherheitsakte zu nehmen, soweit sie Person bekannt werden oder sich für die sicherheitsmäßige Beurteilung mitgeteilte Erkenntnisse als unrichtig erheblich sind. Zu diesen Informationen erweisen. zählen insbesondere: (2) Die mitwirkende Behörde prüft die 1. Betrauen mit einer sicherheitsemmitgeteilten Erkenntnisse und stellt fest, ob pfindlichen Tätigkeit, die dazu erteilte ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Im Übrigen Ermächtigung sowie deren Änderung findet SS 16 entsprechend Anwendung. und Beendigung, 2. Umsetzung, Abordnung, Versetzung SS 19 und Ausscheiden, Ergänzung der Sicherheitserklärung 3. Änderung des Familienstandes, des und Wiederholungsüberprüfung Namens, eines Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit, (1) Die Sicherheitserklärung ist dem 4. Anhaltspunkte für Überschuldung, z. B. Betroffenen, der eine sicherheitsempfindPfändungsund Überweisungsliche Tätigkeit ausübt, und der nach SS 15 beschlüsse, Abs. 2 Nr. 3 einbezogenen Person in der 229 Verfassungsschutz Berlin 2001 5. nicht getilgte Strafund Disziplinardürfen von der zuständigen Stelle oder sachen sowie dienstund arbeitsVerfassungsschutzbehörde nur für rechtliche Maßnahmen. 1. die mit der Sicherheitsüberprüfung (3) Die Verfassungsschutzbehörde führt verfolgten Zwecke, über den Betroffenen eine Sicherheits2. Zwecke der Verfolgung von Straftaten überprüfungsakte, in die aufzunehmen sind: von erheblicher Bedeutung, 1. Informationen, die die Sicherheitsüber3. Zwecke der strafoder disziplinarprüfung, die durchgeführten Maßrechtlichen Verfolgung sowie von nahmen und das Ergebnis betreffen, dienstoder arbeitsrechtlicher Maß2. das Ausscheiden aus oder die nahmen, die sich aus der SicherheitsNichtaufnahme der sicherheitsüberprüfung ergeben, wenn dies zur empfindlichen Tätigkeit, Gewährleistung des Verschluss3. Änderungen des Familienstandes, des sachenschutzes erforderlich ist, Namens, eines Wohnsitzes und der 4. Zwecke parlamentarischer UntersuStaatsangehörigkeit, chungsausschüsse 4. die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 gegenutzt und übermittelt werden. Die nannten Daten nur, wenn sie sicherNutzung von Erkenntnissen aus Anfragen heitserheblich sind. nach SS 14 Abs. 6 Satz 3 ist nur unter den (4) Sicherheitsakten und SicherheitsVoraussetzungen des SS 29 Stasi-Unterüberprüfungsakten sind keine Personallagen-Gesetzes vom 20. Dezember 1991 akten. Sie sind gesondert zu führen und (BGBl. I S. 2272), das zuletzt durch vom 20. dürfen der personalverwaltenden Stelle Dezember 1996 (BGBl. I S. 2026) geändert nicht zugänglich gemacht werden. Wechselt worden ist, zulässig. Die Strafder Betroffene zu einer anderen Behörde verfolgungsbehörden dürfen die Ihnen nach oder sonstigen öffentlichen Stelle, ist die Satz 2 Nr. 2 übermittelten Daten für Zwecke Sicherheitsakte an die nunmehr zuständige eines Strafverfahrens nur verwenden, wenn Stelle abzugeben, wenn auch dort eine die Strafverfolgung auf andere Weise sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt erheblich weniger erfolgversprechend oder werden soll. Auf Anforderung ist die wesentlich erschwert wäre. Sicherheitsüberprüfungsakte an die (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf nunmehr mitwirkende Verfassungsschutzdie gespeicherten Daten nutzen und andebehörde abzugeben. ren Verfassungsschutzbehörden über(5) Die zuständige Stelle ist verpflichtet, mitteln, wenn dies für Zwecke der Spiodie in Absatz 3 Nr. 2 bis 4 genannten Daten nageund Terrorismusabwehr oder zur unverzüglich der mitwirkenden Behörde zu Abwehr sonstiger extremistischer Bestreübermitteln. bungen von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Die nach SS 22 Abs. 2 Satz 1 SS 21 Nr. 1 gespeicherten Daten dürfen zur Nutzung, Verarbeitung und Behandlung Erfüllung aller Zwecke des Verfassungsschutzes genutzt und übermittelt werden. der Unterlagen und Daten, Zweckbindung (4) Die mitwirkende Behörde darf per(1) Die Unterlagen und Daten über die sonenbezogene Daten nach den Absätzen Sicherheitsüberprüfung sind gesondert 2 und 3 nur an öffentliche Stellen überaufzubewahren und gegen unbefugten mitteln. Zugriff zu schützen. (5) Die Übermittlung von personen(2) Die im Rahmen der Sicherheitsbezogenen Daten ist aktenkundig zu überprüfung rechtmäßig erhobenen persomachen. Die Nutzung oder Übermittlung nenbezogenen Daten dürfen zur Durchpersonenbezogener Daten unterbleibt, führung der Sicherheitsüberprüfung nicht soweit gesetzliche Verwendungsregelungen an andere als die im Rahmen der Sicherentgegenstehen. Der Empfänger darf die heitsüberprüfung zu beteiligenden Behörübermittelten Daten nur für den Zweck den und Stellen übermittelt werden. Sie verarbeiten und nutzen, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden, und 230 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 zum Zweck der Strafverfolgung gemäß Speichern, Verändern und Nutzen Absatz 2 Satz 2 Nr. 2. Eine nicht-öffentliche personenbezogener Daten in Dateien Stelle ist darauf hinzuweisen. (6) Unterlagen über die Sicherheits(1) Die zuständige Stelle darf zur Erüberprüfung sind zu vernichten, wenn sie füllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz nicht mehr benötigt werden, die in SS 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 und 6 1. von der zuständigen Stelle spätestens genannten personenbezogenen Daten, ihre a) nach Ablauf eines Jahres nach Aktenfundstelle und die der mitwirkenden Abschluss der SicherheitsüberBehörde sowie die Beschäftigungsstelle, prüfung, wenn der Betroffene keine Verfügungen zur Bearbeitung des sicherheitsempfindliche Tätigkeit Vorganges und beteiligte Behörden in aufnimmt, es sei denn, der Dateien speichern, verändern und nutzen. Betroffene willigt in die weitere (2) Die mitwirkende Behörde darf zur Aufbewahrung ein, Erfüllung ihrer Aufgaben 1. die in SS 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 b) nach Ablauf von fünf Jahren nach genannten personenbezogenen Daten dem Ausscheiden des Betroffenen des Betroffenen und des in die Sicheraus der sicherheitsempfindlichen heitsüberprüfung einbezogenen EheTätigkeit, es sei denn, es ist begatten oder Lebenspartners und die absichtigt, dem Betroffenen erneut Aktenfundstelle, eine sicherheitsempfindliche Tätig2. Verfügungen zur Bearbeitung des keit zuzuweisen, und der Betroffene Vorganges und willigt in die weitere Aufbewahrung 3. sicherheitserhebliche Erkenntnisse und ein, Erkenntnisse, die ein objektives 2. von der mitwirkenden Behörde Sicherheitsrisiko begründen, a) bei einfachen Sicherheitsüberprüin Dateien speichern, verändern und fungen nach Ablauf von fünf Jahren nutzen. Die Daten nach Satz 1 Nr. 1 dürfen nach dem Ausscheiden des auch in nach SS 6 des BundesverBetroffenen aus der sicherheitsfassungsschutzgesetzes zulässigen Verempfindlichen Tätigkeit, bunddateien gespeichert werden. b) bei den übrigen Überprüfungsarten nach Ablauf von zehn Jahren nach SS 23 den in Nummer 1 genannten FriBerichtigen, Löschen und Sperren sten, personenbezogener Daten c) die nach SS 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gespeicherten Daten, wenn fest(1) Die zuständige Stelle und die steht, dass der Betroffene keine Verfassungsschutzbehörde haben persosicherheitsempfindliche Tätigkeit nenbezogene Daten zu berichtigen, wenn aufnimmt oder aus ihr ausgesie unrichtig sind. Wird die Richtigkeit schieden ist. personenbezogener Daten vom Betroffenen (7) Im Übrigen sind in Unterlagen über oder der einbezogenen Person bestritten, die Sicherheitsüberprüfung gespeicherte so ist dies, soweit sich die perpersonenbezogene Daten zu löschen, wenn sonenbezogenen Daten in Akten befinden, ihre Speicherung unzulässig ist. Die dort zu vermerken oder auf sonstige Weise Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der festzuhalten. In Dateien gesperrte Annahme besteht, dass durch sie schutzInformationen sind entsprechend zu würdige Interessen des Betroffenen bekennzeichnen. Zuständige Stelle und einträchtigt würden. In diesem Fall sind die Verfassungsschutzbehörde unterrichten Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit einander. Einwilligung des Betroffenen verarbeitet (2) Auf in Dateien gespeicherte peroder genutzt werden. sonenbezogene Daten findet SS 21 Abs. 6 und 7 entsprechend Anwendung. SS 22 231 Verfassungsschutz Berlin 2001 SS 24 Mitteilungen des Berliner Beauftragten für Auskunft, Akteneinsicht den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht dürfen keine Rückschlüsse (1) Die zuständige Stelle oder mitauf den Erkenntnisstand der zuständigen wirkende Behörde erteilt auf schriftlichen Stelle und der mitwirkenden Behörden Antrag der anfragenden Person (Antragzulassen, sofern diese nicht einer steller) unentgeltlich Auskunft über die im weitergehenden Auskunft zustimmen. Rahmen der Sicherheitsüberprüfung zu (5) Dem Betroffenen haben die zustänseiner Person gespeicherten Daten. dige Stelle und die mitwirkende Behörde (2) Bezieht sich die Auskunft auf persoauf Antrag Einsicht in die Teile der nenbezogene Daten, die von der zustänSicherheitsund Sicherheitsüberprüfungsdigen Stelle der mitwirkenden Behörde akten zu gewähren, die Daten zu seiner übermittelt wurden, so ist die Auskunft nur Person enthalten. Die Absätze 2 bis 4 mit deren Zustimmung zulässig. Entspregelten entsprechend. Die Einsichtnahme in chendes gilt für die Auskunftserteilung Sicherheitsakten ist insbesondere dann zu durch die zuständige Stelle hinsichtlich versagen, wenn überwiegende öffentliche solcher Daten, die ihr von der mitwirkenden oder überwiegende GeheimhaltungsBehörde übermittelt wurden. interessen Dritter entgegenstehen oder die (3) Die Auskunft unterbleibt, soweit Daten des Betroffenen mit Daten Dritter 1. eine Gefährdung der Aufgabenderart verbunden sind, dass ihre Trennung erfüllung der speichernden Stelle durch nach Vervielfältigung und Unkenntlichmadie Auskunftserteilung zu besorgen ist, chung nicht oder nur mit unverhältnismäßig 2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit großem Aufwand möglich ist. In diesem Fall gefährden oder sonst dem Wohl des ist dem Betroffenen zusammenfassende Bundes oder eines Landes Nachteile Auskunft über den Akteninhalt zu erteilen. bereiten würde oder (6) Das Auskunftsrecht sowie das Ein3. die Daten oder die Tatsache der sichtsrecht in die Sicherheitsakten nach Speicherung nach einer RechtsAbsatz 4 Satz 3 in Verbindung mit Absatz 5 vorschrift oder ihrem Wesen nach oder darf nur vom Berliner Beauftragten für den wegen der überwiegenden beDatenschutz und für das Recht auf rechtigten Interessen Dritter geheimAkteneinsicht persönlich ausgeübt werden, gehalten werden müssen wenn die Verfassungsschutzbehörde im und deswegen das Interesse des AnEinzelfall feststellt, dass dies die Sicherheit tragstellers an der Auskunftserteilung zudes Bundes oder eines Landes gebietet. rücktreten muss. Entsprechendes gilt für die (4) Die Ablehnung der Auskunft bedarf Sicherheitsüberprüfungsakte. keiner Begründung, soweit dadurch der (7) SS 24 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Buchstabe Zweck der Auskunftsverweigerung ge- c und Satz 5 des Bundesdatenschutzfährdet würde. Die Gründe der Ausgesetzes findet Anwendung. kunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunft ganz oder SS 25 teilweise abgelehnt, ist der Antragsteller auf Reisebeschränkungen die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass (1) Personen, die eine sicherheitsemer sich an den Berliner Beauftragten für den pfindliche Tätigkeit im Sinne von SS 2 Abs. 1 Datenschutz und für das Recht auf Satz 1 Nr. 1 bis 4 ausüben, die eine Akteneinsicht wenden kann. Diesem ist auf Sicherheitsüberprüfung nach SSSS 11 und 12 Verlangen Auskunft zu erteilen. Persoerfordert, können verpflichtet werden, nenbezogene Daten einer Person, der Dienstund Privatreisen in und durch Vertraulichkeit zugesichert worden ist, Staaten, für die besondere Sicherheitsdürfen nur dem Berliner Beauftragten für regelungen gelten, der zuständigen Stelle den Datenschutz und für das Recht auf oder der nicht-öffentlichen Stelle rechtzeitig Akteneinsicht persönlich offenbart werden. vorher anzuzeigen. Die Verfas- 232 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 sungsschutzbehörde wird ermächtigt, die Einrichtung oder Teile von ihr zur Personengruppen und die Staaten durch sicherheitsempfindlichen Stelle erklären, eine Dienstanweisung festzulegen. Die bei deren Ausfall oder Zerstörung eine Verpflichtung kann auch für die Zeit nach erhebliche Bedrohung für die Gesundheit dem Ausscheiden aus der sicherheitsoder das Leben zahlreicher Menschen zu empfindlichen Tätigkeit angeordnet werden. befürchten oder die für das Funktionieren (2) Die zuständige Stelle kann die Reise des Gemeinwesens unverzichtbar ist. untersagen, wenn Anhaltspunkte zur (3) Für den personellen Geheimund Person oder eine besonders sicherSabotageschutz bei nicht-öffentlichen Stelheitsempfindliche Tätigkeit vorliegen, die len gelten die Vorschriften der SSSS 2 bis 25 eine erhebliche Gefährdung des Betrofentsprechend, sofern nicht nachfolgend fenen durch fremde Nachrichtendienste etwas anderes geregelt ist. erwarten lassen. (4) Die nicht-öffentliche Stelle darf die (3) Ergeben sich insbesondere bei einer nach diesem Gesetz zur Erfüllung ihrer Reise in und durch Staaten, für die Aufgaben erforderlichen personenbezogebesondere Sicherheitsregelungen gelten, nen Daten der betroffenen Person in Anhaltspunkte, die auf einen AnbahnungsDateien speichern, verändern und nutzen. oder Werbungsversuch fremder Nachrichtendienste hindeuten können, so hat der SS 27 Betroffene die zuständige Stelle unverZuständigkeit züglich nach seiner Rückkehr zu unterrichten. (1) Für den personellen Geheimschutz und den personellen Sabotageschutz werden die Aufgaben der zuständigen Stelle von der Verfassungsschutzbehörde Dritter Abschnitt wahrgenommen, soweit nicht im Einvernehmen mit ihr die für Wirtschaft zuständige Personeller Geheimund Sabotageschutz oberste Landesbehörde die Aufgabe als bei nicht-öffentlichen Stellen zuständige Stelle wahrnimmt. (2) Die Entscheidung nach SS 26 Abs. 2 SS 26 trifft die Verfassungsschutzbehörde. Weitergabe geheimhaltungsbedürftiger Angelegenheiten, SS 28 Sabotageschutz Bestellung eines Sicherheitsbevollmächtigten (1) An eine nicht-öffentliche Stelle dürfen Verschlusssachen erst weitergegeben und (1) Liegt ein Vertrag zwischen einer Verträge mit einer nicht-öffentlichen Stelle, nicht-öffentlichen Stelle und der zustänbei deren Abwicklung Verschlusssachen digen Stelle zur Durchführung der Sicherentstehen, erst geschlossen werden, heitsüberprüfungen oder die Bestimmung nachdem die zuständige Stelle unter zur sicherheitsempfindlichen Stelle im Sinne Mitwirkung der Verfassungsschutzbehörde von SS 4 Abs. 5 vor, benennt die geprüft und bestätigt hat, dass Geschäftsleitung der zuständigen Stelle 1. keine Umstände vorliegen, die Zweifel einen fachlich und persönlich geeigneten an der Wahrung des Geheimschutzes leitenden Unternehmensangehörigen als begründen können, Sicherheitsbevollmächtigten, der in Ange2. die erforderlichen Geheimschutzmaßlegenheiten des Geheimschutzes und des nahmen getroffen sind und personellen Sabotageschutzes für die 3. die Sicherheitsüberprüfungen der beordnungsgemäße Durchführung der troffenen Personen durchgeführt sind. Sicherheitsüberprüfungen verantwortlich (2) Auf Antrag einer nicht-öffentlichen und mit den erforderlichen Befugnissen lebensoder verteidigungswichtigen Einausgestattet ist. Der Sicherheitsbevollrichtung kann die zuständige Stelle die mächtigte muss der Geschäftsleitung 233 Verfassungsschutz Berlin 2001 unmittelbar unterstellt sein; die VerantDie zuständige Stelle unterrichtet den wortung der Geschäftsleitung bleibt hierSicherheitsbevollmächtigten nach Abstimdurch unberührt. mung mit der Verfassungsschutzbehörde (2) Der Sicherheitsbevollmächtigte muss nur darüber, ob oder ob keine Bedenken sicherheitsüberprüft sein nach der höchsten bestehen, dass dem Betroffenen eine bei der nicht-öffentlichen Stelle sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertravorkommenden Verschlusssacheneinstugen wird. Erkenntnisse, auf denen diese fung. Entscheidung beruht, dürfen nicht mitgeteilt (3) Die Aufgaben der nicht-öffentlichen werden. Zur Gewährleistung des Stelle nach diesem Gesetz sind grundVerschlusssachenschutzes können sichersätzlich von einer der Personalverwaltung heitserhebliche Erkenntnisse an die nichtgetrennten Organisationseinheit wahrzuöffentliche Stelle übermittelt werden und nehmen. Die zuständige Stelle kann dürfen von ihr ausschließlich zu diesem Ausnahmen zulassen, wenn die nichtZweck genutzt werden. Die nicht-öffentliche öffentliche Stelle sich verpflichtet, InformaStelle hat die zuständige Stelle tionen, die ihr im Rahmen der Sicherheitsunverzüglich zu unterrichten, wenn Erüberprüfung bekannt werden, nur für solche kenntnisse zum Betroffenen oder zur Zwecke zu gebrauchen, die mit der einbezogenen Person bekannt werden, die Sicherheitsüberprüfung verfolgt werden. auf ein Sicherheitsrisiko hindeuten. (4) Der Sicherheitsbevollmächtigte wird für den personellen Geheimschutz und für SS 31 den personellen Sabotageschutz von der Behördliche Aufsicht Verfassungsschutzbehörde in seine Aufgaben eingeführt. Die Verfassungsschutz(1) Soweit eine nicht-öffentliche Stelle behörde berät und informiert in Fragen des über Verschlusssachen die zuständige personellen Geheimund des personellen Stelle unter Mitwirkung der VerfassungsSabotageschutzes. schutzbehörde die Ausführung dieses Gesetzes und der vertraglich übernommenen SS 29 Pflichten. Sicherheitserklärung, Sicherheitsakte (2) Die mit geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten befasste nicht-öffentliche (1) Abweichend von SS 14 Abs. 6 nimmt Stelle hat der zuständigen Stelle bei der der Sicherheitsbevollmächtigte der nichtWahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 öffentlichen Stelle die Sicherheitserklärung die erforderliche Unterstützung zu entgegen. Er prüft die Vollständigkeit und gewähren. Sie hat insbesondere die Richtigkeit der Angaben gegebenenfalls geheimhaltungsbedürftigen Angelegenunter Beziehung der Personalunterlagen heiten und die zu deren Schutz getroffenen und gibt sie an die zuständige Stelle weiter. Maßnahmen nachzuweisen. Die zuständige Er teilt Erkenntnisse mit, die auf ein Stelle ist befugt, soweit es zur Sicherheitsrisiko hindeuten. Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 (2) Für die Sicherheitsakte in der nichterforderlich ist, Grundstücke und öffentlichen Stelle gelten die Vorschriften Geschäftsräume der mit geheimhaltungsdieses Gesetzes über die Sicherheitsakte bedürftigen Angelegenheiten befassten entsprechend mit der Maßgabe, dass die nicht-öffentlichen Stelle zu betreten und Sicherheitsakte der nicht-öffentlichen Stelle dort Prüfungen und Besichtigungen bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht vorzunehmen. Die nicht-öffentliche Stelle abgegeben wird. hat diese Maßnahmen zu dulden. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der SS 30 Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz, Artikel Abschluss der Sicherheitsüberprüfung, 28 Abs. 2 der Verfassung von Berlin) wird Weitergabe von Erkenntnissen insoweit eingeschränkt. SS 32 234 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Parteien sind, durch unrichtige Angaben erschleicht oder Politischen Parteien nach Artikel 21 des 2. entgegen SS 21 Abs. 2 oder SS 30 Daten Grundgesetzes, die über Organisafür andere Zwecke nutzt, indem er sie tionseinheiten verfügen, die den in SS 2 Satz innerhalb der Stelle an einen anderen 1 Nr. 3 beschriebenen Stellen vergleichbar weitergibt. oder die mit geheimhaltungsbedürftigen (3) Handelt der Täter gegen Entgelt oder Angelegenheiten befasst sind, obliegt die in der Absicht, sich oder einen anderen zu Durchführung von Sicherbereichern oder einen anderen zu heitsüberprüfungen für Mitarbeiter und schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe Mitglieder, die Zugang zu Verschlussbis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. sachen gemäß SS 6 erhalten sollen, und der (4) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Maßnahmen nach diesem Gesetz selbst. Die Verfassungsschutzbehörde kann auf SS 35 Ersuchen Maßnahmen nach SS 15 Übergangsvorschriften übernehmen, wenn die Voraussetzungen nachgewiesen sind. (1) Bei Sicherheitsüberprüfungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeVierter Abschnitt schlossen wurden, ist die Wiederholungsüberprüfung gemäß SS 19 zehn Jahre nach Schlussvorschriften Abschluss der Erstoder der letzten Wiederholungsüberprüfung durchzuführen. SS 33 (2) Maßnahmen im Rahmen von SicherErlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften heitsüberprüfungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleitet wurden, aber (1) Die Verfassungsschutzbehörde ernoch nicht abgeschlossen sind, gelten lässt die zur Ausführung dieses Gesetzes weiter, sofern sie nach den Bestimmungen erforderlichen Verwaltungsvorschriften. dieses Gesetzes gleichwertig sind. (2) Die allgemeinen Verwaltungsvor(3) Sicherheitsund Sicherheitsüberschriften zur Ausführung dieses Gesetzes prüfungsakten sind bis zum Ablauf von im Bereich der nicht-öffentlichen Stellen zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieses erlässt die Verfassungsschutzbehörde im Gesetzes den Erfordernissen des SS 20 Einvernehmen mit der für Wirtschaft zuanzupassen. ständigen obersten Landesbehörde. SS 36 SS 34 Änderung von Gesetzen Strafvorschriften Das Gesetz über das Landesamt für Ver(1) Wer unbefugt von diesem fassungsschutz in der Fassung vom 25. Gesetz geschützte personenbezogene März 1995 (GVBl. S. 254, 762 ) wird wie Daten, die nicht offenkundig sind, folgt geändert: 1. speichert, verändert oder übermittelt, 1. SS 5 Abs. 3 wird wie folgt geändert: 2. zum Abruf mittels automatisierten a) Satz 2 wird wie folgt gefasst: Verfahrens bereithält oder "Die Befugnisse des Landesamtes 3. abruft oder sich oder einem anderen für Verfassungsschutz bei der Mitaus Dateien verschafft, wirkung nach Satz 1 Nr. 1 und 2 wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr sind im Berliner Sicherheitsüberoder mit Geldstrafe bestraft. prüfungsgesetz vom 2. März 1998 (2) Ebenso wird bestraft, wer (GVBl S. 26) geregelt." 1. die Übermittlung von durch dieses b) Satz 3 wird aufgehoben. Gesetz geschützten personenbezogenen Daten, die nicht offenkundig 2. SS 11 wird wie folgt geändert: a) SS 11 Abs. 2 wird aufgehoben. 235 Verfassungsschutz Berlin 2001 b) Die bisherigen Absätze 3 und 4 Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des auf werden die neuen Absätze 2 und 3. die Verkündung im Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin folgenden KalenderSS 37 monats in Kraft. Inkrafttreten 236 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 Personenund Sachregister 1. Mai 37, 50, 55, 56, 58, 119, 124, 176 Antisemitismus 22, 23, 24, 30, 81, 132, 11. September 14, 22, 30, 31, 38, 41, 64, 134, 145, 149 75, 78, 90, 92, 99, 112, 113, 128, 195, Anti-Terror-Koalition 14 196 API Siehe Arbeiterkommunistische Partei Iran Arbeiterkommunistische Partei Iran 94, 95 A Arbeiterpartei Kurdistans 74, 77, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 129, 139, 143, AA/BO Siehe Antifaschistische Aktion / 186, 187 Bundesweite Organisation ARGK Siehe Volksbefreiungsarmee AAB Siehe Antifaschistische Aktion Berlin Kurdistan AAP Siehe Anti-Atom-Plenum ATIF Siehe Föderation der Arbeiter aus Adalet ve Kalkinma Partisi - AKP Siehe der Türkei in Deutschland e.V. Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei ATIK Siehe Konföderation der Arbeiter aus ADHF Siehe Föderation für demokratische der Türkei in Europa Rechte in Deutschland AtomG Siehe Atomgesetz ADHK Siehe Konföderation für Atomgesetz 114 demokratische Rechte in Europa ATTA, Mohammed 15 Afghanistan 16, 18, 21, 28, 29, 31, 37, Auditing 190 112, 128 Aufgaben des Verfassungsschutzes 113, Agenten 98, 99, 103 194, 195 AKP Siehe Gerechtigkeitsund Ausländerextremismus 18, 74, 75, 76, 139, Entwicklungspartei 143, 178, 200 Aktionsbüro Mitteldeutschland - Nationaler Ausländergesetz 111, 112, 113 Widerstand Berlin / Brandenburg 142, AuslG Siehe Ausländergesetz 146 Autonome 49, 51, 52, 56, 57, 61, 66, 67, al Ahd 179 138, 165, 166, 167, 168, 169, 172 al-Aqsa e.V. 181 AUTONOME GRUPPE Mähdorn 125 al-Aqsa-Intifada 77, 90, 92 Autonome Gruppen 125, 126 AL-BANNA, Hassan 17 Autonome Miliz 125 al-Qaida 15, 16, 18, 21 Autonome Stiftung Warentest - Abteilung Alt-Autonome 61, 169 Anleitungen 125 AL-ZAWAHIRI, Ayman 16 Autonomiegebiete 19, 77, 90, 91, 92, 179, AMGT Siehe Vereinigung der Neuen 181 Weltsicht in Europa e.V. Anarchismus 123 Anthrax-/Milzbrand-Verdachtsfälle 128 B Anti-Antifa 142, 147 Anti-Atom-Bewegung 62, 63 BENSAKHRIA alias MELIANI 17 Anti-Atom-Plenum 63, 142, 167 Berliner ElektronenspeicherringAntifa 55, 57, 66, 147, 166, 199 Gesellschaft für Synchrotronstrahlung Antifaschismus 49, 64, 147, 166, 167 mbH 123, 125 Antifaschistische Aktion / Bundesweite Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz Organisation 166, 168, 169 105, 106, 109, 110, 196, 218 Antifaschistische Aktion Berlin 56, 57, 64, BESSY Siehe Berliner 71, 142, 166, 168, 168 Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Antiglobalisierung 23, 49, 50 Synchrotronstrahlung mbH Antirassismus 67, 70, 167 Bezirksverordnetenversammlungen 40, 41, 42, 50 237 Verfassungsschutz Berlin 2001 BIN LADEN, Osama 15, 16, 17, 19 E Blood & Honour 142, 147, 163 Einbürgerungsverfahren 111, 196 Brandanschläge 49, 52, 63, 123, 125 EMUG Siehe Europäische Moscheebau BSÜG Siehe Berliner und Unterstützungsgemeinschaft e.V. Sicherheitsüberprüfungsgesetz ERBAKAN, Necmettin 96, 182 Bundesprüfstelle für jugendgefährdende ERDOGAN, Recep Tayyip 96, 97 Schriften 45 ERNK Siehe Nationale Befreiungsfront Bundesverfassungsgericht 23, 34, 39, 41, Kurdistan 145, 159, 170 Erreichbarkeit des Berliner BURMEISTER, Lars 48 Verfassungsschutzes 201 BVV Siehe Europäische Moscheebau und Bezirksverordnetenversammlungen Unterstützungsgemeinschaft e.V. 182 C F CASTOR-Transporte 62, 63 Fazilet Partisi - Partei der Tugend 96, 97, 182 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in D Deutschland e.V. 188 DABK Siehe Ostanatolisches Föderation für demokratische Rechte in Gebietskomitee Deutschland 188 Demokratische Emigranten Union in Berlin FP Siehe Fazilet Partisi - Partei der e.V. 89 Tugend Department of Special Affairs 191 Freitagsgebet 21 Der Republikaner 161, 162 FREY, Dr. Gerhard 28, 40, 149, 150, 161 DETUDAK Siehe Solidaritätskomitee mit FZ - Freiheitlicher Buchund den revolutionären Gefangenen Zeitschriftendienst GmbH 149 Deutsch, Stolz, Treue (DST) 45 Deutsche Kommunistische Partei 50, 142, 170, 171 G Deutsche Stimme 25, 37, 156, 157 Geheimschutzbeauftragter 107 Deutsche Volksunion 27, 28, 33, 40, 137, Geheimschutzverfahren 108 142, 149, 150, 161 Generalbundesanwalt 45 Deutsches Kolleg 26, 142, 148 Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei 96 Devrimci Sol 178 Gesetz über den Verfassungsschutz in DHKP-C 93, 143, 178, 188 Berlin 204, 105, 109, 111, 113, 114, Die Linke Seite 30, 173, 177 195, 197, 204 Die Republikaner 27, 33, 40, 42, 137, 142, Gesetz über die Voraussetzungen und das 161, 162 Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen Die Rote Hilfe e.V. 176 im Land Berlin 218 Diplomatische Abtarnung 99 Gewaltdelikte 121, 122, 124, 125, 127, DK Siehe Deutsches Kolleg 129, 130, 132, 133, 134, 135 DKP Siehe Deutsche Kommunistische Gewaltkriminalität 119 Partei Gewalttäter 32, 61, 137 Doktor Sommer Team 45 Global Action Days 60, 72 DS Siehe Deutsche Stimme Globalisierungsgegner 58 DSA 191 Siehe Department of Special Göteborg 50, 60, 61, 62, 95 Affairs DSZ Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH 149 H DVU Siehe Deutsche Volksunion Hakenkreuz-Schmierereien 136 238 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 HAKK-TV 80, 184 J HAMAS Siehe Islamische Jihad 16, 17, 18 Widerstandsbewegung JN Siehe Junge Nationaldemokraten Hammerskins 142, 151, 163 Jugend wacht - Die Zeitschrift für die Hasskriminalität 119, 132, 133, 135 nationalistische Jugendbewegung 152, HESS, Rudolf 164 153 Hilfsorganisation für nationale politische Junge Nationaldemokraten 27, 66, 137, Gefangene und deren Angehörige e. V. 142, 152, 157 137, 142, 151 Hizb Allah Siehe Partei Gottes HPG Siehe Volksverteidigungsarmee K HUBBARD, Lafayette Ronald 189 Hungerstreik 93, 188 KABD Siehe Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands Kalifatsstaat 20, 76, 77, 79, 80, 81, I 143,183, 184 Kameradschaft 1375 47, 48, 142, 153, IBP Siehe Islamischer Bund Palästina 154 ICCB Siehe Verband der Islamischen Kameradschaft Adlershof 46, 48, 142, 154 Vereine und Gemeinden e.V. Köln Kameradschaft Germania 46, 47, 48, 142, Identitätsbekennungen 86 154 Identitätskampagne 86, 87 Kameradschaft Hohenschönhausen 47, 48 IFIR Siehe Internationale Föderation Kameradschaft Mahlsdorf 46, 48 Iranischer Flüchtlingsund Kameradschaft Pankow 47, 48 Immigrantenräte Kameradschaft Prenzlauer Berg 46, 48 IGMG Siehe Islamische Gemeinschaft - Kameradschaft Preußen 47, 48 Milli Görüs e.V. Kameradschaft Tor Berlin 46, 48, 142, IMC Siehe Independent Media Centres 155, 159 Imperialismus 23, 24, 25, 30 Kameradschaften 39, 46, 47, 48, 137, 153, Independent Media Centres 51, 72 154, 160 Indymedia 30, 31, 50, 51, 71, 72, 243 Kameradschaftsbund Berlin 47, 155 INTERIM 30, 31, 53, 54, 55, 65, 70, 73, Kameradschaftsbund Germania 47, 155 170, 171 Kameradschaftskreis um den Berliner Internationale Föderation Iranischer Neonazi Lars Burmeister 46 Flüchtlingsund Immigrantenräte 95 KAPLAN, Cemaleddin 183, 184 Internationaler Währungsfonds 25, 59 KAPLAN, Metin 79, 80, 81, 183, 184, 185 Intifada 20, 77, 180, 181 kein mensch ist illegal 68, 142, 171 Isci Köylü Kurtulusu 188 KHATAMI, Mohammed 78 Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V. KIZ Siehe Kurdistan Informations-Zentrum 9, 19, 96, 143, 182 Klassenkampf 50 Islamisches Kulturund Erziehungszentrum KNK Siehe Kurdischer Nationalkongress Berlin e.V. 181 KOC-DEM Siehe Demokratische Islamische Widerstandsbewegung 20, 91, Emigranten Union in Berlin e.V. 179, 181 Kommunismus 76, 123, 172 Islamischer Bund Palästina 91, 143, 180, Kommunistische Plattform der PDS 50, 181 142, 172 Islamisches Kulturund Erziehungszentrum Kommunistischer Arbeiterbund e. V. 19 Deutschlands (Marxisten-Leninisten) Israel 18, 19, 20, 24, 28, 92, 179, 180, 181 175 IWF Siehe Internationaler Währungsfonds Kommunistische Partei Deutschlands 170, 172 239 Verfassungsschutz Berlin 2001 Kommunistische Partei Materieller Geheimschutz 105, 107 Deutschlands/Marxisten-Leninisten MB Siehe Muslimbruderschaft (Revolutionärer Weg) 175 MEDYA-TV 84, 86 Kommunistische Partei Perus 176 Mehringhof 72 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei MEK Siehe Organisation der in Europa 188 Volksmodjahedin Iran Konföderation für demokratische Rechte in militante gruppe 53, 54, 55 Europa 188 Militärische Spionage 100 Konkurrenzoder Industriespionage 101 Milli Görüs Siehe Islamische Köpi 61 Gemeinschaft - Milli Görüs e.V. KPD Siehe Kommunistische Partei Milli Görüs & Perspektive 182 Deutschlands Mitteilungen der Kommunistischen KPF Siehe Kommunistische Plattform der Plattform der PDS 172 PDS Mitwirkungsangelegenheit 111 Kurdische Demokratische Volksunion 83, MLKP Siehe Marxistisch-Leninistische 187 Kommunistische Partei Kurdischer Nationalkongress 83 MLPD Siehe Marxistisch-Leninistische Kurdisches Haus Berlin-Brandenburg e.V. Partei Deutschlands 87, 89, 90 Modjahed 185 Kurdistan Informations-Zentrum 82, 87 Muhacirin-Moschee 79, 81 Kurtulus 178 MÜLLER, Dr. Werner 42 Musik-Szene 43, 46 Muslimbruderschaft 17, 19, 96, 180, 181 L La Hague 63 Landser 34, 45, 164 N LAUCK, Gary Rex 159 Nachrichten der HNG 151, 152 Legalresidenturen 98 Nachrichtendienste 89, 98, 99, 100, 101, Legion of Thor (LOT) 45 102, 103, 108 Leuchtender Pfad 176 Nachrichtendienstliches Informationssystem Libertad! 68, 142, 172, 173 198 Liedermacher 41, 46 nadir 72 Linke Seite 31 NADIS Siehe Nachrichtendienstliches Linksextremismus 25, 30, 49, 138, 142, Informationssystem 165, 198 NASRALLAH, Hassan 21, 179 Linksruck 50, 143, 174 Nationaldemokratische Partei Deutschlands Luftfahrtbehörde Berlin 113 23, 25, 26, 27, 28, 29, 33, 34, 35, 36, 37, Luftverkehrsgesetz 113 38, 39, 40, 41, 42, 46, 56, 65, 66, 67, LuftVG Siehe Luftverkehrsgesetz 132, 137, 142, 149, 152, 156, 157, 158, Luxemburg-Liebknecht-Demonstration 172 159 Nationale Befreiungsfront Kurdistan 187 Nationaler Widerstand 39 M Nationaler Widerstandsrat Iran 185 MAHLER, Horst 23, 26, 29, 36, 148, 149 Nationalismus 36, 144, 145, 146, 160 MALA KURDA Siehe Kurdisches Haus Nationalsozialismus 35, 43, 131, 146, 147, Berlin-Brandenburg e.V. 154, 160 Marxismus 59, 123, 170, 175 Nationalsozialistische Deutsche Marxistisches Forum 50 Arbeiterpartei 35, 137, 146, 159, 160 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Nationalsozialistische Deutsche Partei 85, 93, 143, 186, 188 Arbeiterpartei - Auslandsund Marxistisch-Leninistische Partei Aufbauorganisation 142, 159 Deutschlands 50, 143, 175 240 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 National-Zeitung / Deutsche Personenpotenziale 32, 74, 137 Wochenzeitung 28, 149 PFLP Siehe Volksfront für die Befreiung Neoliberalismus 49, 58, 59, 175 Palästinas Neonazikreis um Frank Schwerdt 137 PGA Siehe Peoples Global Action Neonazis 24, 33, 36, 39, 41, 137, 146, PKK Siehe Arbeiterpartei Kurdistans 151, 152, 153, 159, 160 PKK-Dissidenten 89 non-aligned Mujahedin 16 PLO Siehe Palästinensische NPD Siehe Nationaldemokratische Partei Befreiungsorganisation Deutschlands Politisch motivierte Kriminalität 118, 121, NPD-Demonstrationen 35, 153 122, 130 NSDAP Siehe Nationalsozialistische Politische Spionage 99 Deutsche Arbeiterpartei Propagandadelikte 119, 121, 122, 127, NSDAP/AO Siehe Nationalsozialistische 130, 133, 132, 134, 135, 136 Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund PUK Siehe Patriotische Union Kurdistans Aufbauorganisation NS-Kampfruf 159 NWRI Siehe Nationaler Widerstandsrat Q Iran Quellenwerbung 102 NZ Siehe National-Zeitung / Deutsche QUTB, Sayyid 17 Wochenzeitung R O RAF Siehe Rote Armee Fraktion OBERLERCHER, Dr. Reinhold 148 Rassismus 31, 64, 67, 131, 145, 160, 171 Objektagenten 102 Rechtsextremismus 22, 32, 33, 34, 64, ÖCALAN, Abdullah 77, 82, 83, 84, 86, 88, 132, 142, 144, 146, 200 187 Regelausweisungstatbestände 112 Öffentlichkeitsarbeit 4, 199, 201 Reichsmusikkapelle 45 Özgür Gelecek 188 RENNICKE, Frank 41, 46 Özgür Politika 82, 84, 85, 86, 87, 88, REP Siehe Die Republikaner 89Office of Special Affairs 191 REP-Verlags GmbH 162 Organisation der Volksmodjahedin Iran 78, Revisionismus 145, 149 94, 95, 143, 185 Revolutionäre Kommunisten (BRD) 143, OSA Siehe Office of Special Affairs 176 Ostanatolisches Gebietskomitee 188 Revolutionäre Linke Siehe Devrimci Sol Revolutionäre Plattform 36 Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront P 93, 143, 178, 188 Palästinensische Befreiungsorganisation Revolutionäre Kommunisten (BRD) 56, 181 143, 176 Partei der Glückseligkeit 96, 182 Revolutionäre Zellen 52 Partei des Demokratischen Sozialismus RH Siehe Rote Hilfe e.V. 50, 56,142, 172 RK Siehe Revolutionäre Kommunisten Partei Gottes 19, 20, 21, 91, 143, 179, 180 (BRD) Partinin Sesi 186 Rosa-Luxemburg-Tage 174 Patriotische Union Kurdistans 88 Rote Armee Fraktion 53, 148, 173 PCP Siehe Kommunistische Partei Perus Rote Fahne 175 PDS Siehe Partei des Demokratischen Rote Hilfe e.V. 143, 176 Sozialismus RPF Siehe Revolutionäre Plattform Pentagon 15, 28 RZ Siehe Revolutionäre Zellen Peoples Global Action 60, 143, 175 Personeller Geheimschutz 105, 107 241 Verfassungsschutz Berlin 2001 S T Saadet Partisi - SP Siehe Partei der Taliban 21 Glückseligkeit Terrorismusbekämpfungsgesetz 20 Sabotageschutz 105, 110 THADDEN, Adolf von 156 SCHLIERER, Rolf 27, 28, 161 TKP/ML Siehe Türkische Kommunistische SCHÖNHUBER, Franz 161 Partei / Marxisten-Leninisten SCHWERDT, Frank 38 Türkische Kommunistische Scientology-Organisation 115, 189, 190, Partei / Marxisten-Leninisten 85, 93, 191 143, 188 SDS Siehe Sozialistischer Deutscher U Studentenbund ÜMMET-I MUHAMMED 80, 81, 183 Selbstanbieter 102 Union der Jugendlichen aus Kurdistan 83, Sendero Luminoso Siehe Leuchtender 84 Pfad Unsere Zeit 30, 170 Serxwebun 186 US-Botschaften 15 SEW Siehe Sozialistische Einheitspartei Westberlins Sicherheitsbescheid 109 V Sicherheitsüberprüfungen 105, 106, 107, Vandalen - Ariogermanische 109, 110, 198 Kampfgemeinschaft 137, 142, 164 Skinhead-Bands 34, 45, 46, 147 Vatan 178 Skinhead-Fanzines 163 Verband der Islamischen Vereine und Skinhead-Konzerte 32, 33, 44, 163 Gemeinden e.V. Köln 183 Skinhead-Musik 43 Verbot 20, 27, 34, 35, 36, 39, 56, 57, 76, Skinhead-Musikszene 34, 45 77, 79, 87, 97, 132, 148, 153, 184, 187 Skinheads 32, 33, 46, 137, 146, 147, 151, Verbotsverfahren 23, 26, 34, 39 159, 162, 163 Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa Skinhead-Szene 46, 147, 163 e.V. 182 SLA 180 Siehe Südlibanesische Armee Vereinsgesetz 20 SO Siehe Scientology-Organisation Versagungsgrund 112 SOFU, Dr. Halil Ibrahim 79, 184 Verschlusssachen 105 Solidaritätskomitee mit den revolutionären Verschlusssachenanweisung 107 Gefangenen 93 Vertrauliche Verbindungen 100 Sozialdarwinismus 131 VOIGT, Dr. Konrad 42 Sozialistischer Deutscher Studentenbund VOIGT, Udo 26, 40, 156, 157, 158 148 Völkischer Nationalismus 131 Sozialistische Einheitspartei Westberlin Völkischer Kollektivismus 146 170 Volksbefreiungsarmee Kurdistan 187 Sozialistische Reichspartei 145 Volksfront für die Befreiung Palästinas 20, Spreegeschwader 45 91, 92 SRP 145 Siehe Sozialistische Volksmodjahedin Iran-Organisation 78, 94, Reichspartei 185 Straftaten 55, 79, 118, 119, 120, 121, 122, Volksverteidigungsarmee 187 123, 124, 125, 127, 128, 129, 130, 131, VSG Bln Siehe Gesetz über den 132, 133, 134, 135, 136 Verfassungsschutz Streßfaktor 30, 31, 177 Südlibanesische Armee 180 Summer of Resistance 60, 61 W Suppressive 190 Wahlen 37, 40, 42, 50, 121, 150, 158, 162, 170, 175 WAR Siehe White Aryan Rebels 242 Verfassungsschutzbericht Berlin 2001 WEF Siehe Weltwirtschaftsforum Y Wehrmachtsausstellung 33, 39, 67, 155 Yasamda Atilim 186 Weltbank 25, 59 YCK Siehe Union der Jugendlichen aus Welthandelsorganisation 59, 72, 175 Kurdistan Weltwirtschaftsforum 59 YDK Siehe Kurdische Demokratische White Aryan Rebels 45 Volksunion White Youth 147 Wiederholungsüberprüfung 113 Z Wirtschaftsspionage 100, 101, 110 Wohlfahrtspartei 96, 182 ZEDONG, Mao 175, 176 World Trade Center 15, 24, 28 ZÜNDSTOFF - Deutsche Stimme für Berlin WTO Siehe Welthandelsorganisation und Brandenburg 157 Zuverlässigkeitsüberprüfungen 113, 114 Zwischenlager Gorleben 63 Senatsverwaltung für Inneres Abteilung Verfassungsschutz Postfach 62 05 60 10795 Berlin Tel.: 030 / 90129 - 0 Internet: http://www.berlin.de/verfassungsschutz E-Mail: verfassungsschutz@berlin.de