Landesamt für Verfassungsschutz Berlin Landesamt für Verfassungsschutz - Postfach 62 05 60 - 1 0 7 9 5 Berlin Berlin 1999 Landesamt für Verfassungsschutz Berlin IM Landesani t für Verfassungsschutz - Auf dem Grat 2-14195 Berlin Herausgeber: Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, Mai 2000 Redaktion: G3 Druck: Verwaltungsdruckerei Berlin Abdruck gegen Quellenangabe gestattet, Belegexemplar erbeten. III Vorwort Vorwort Die Erinnerungen an die beiden deutschen Diktaturen im letzten Jahrhundert und die Erfahrungen daraus beginnen zu verblassen. Ein Teil junger Menschen, die die beiden Unrechtssysteme nicht bewusst miterlebt haben, neigen gelegentlich dazu, die Ideologien dieser Diktaturen zu verklären. Deswegen ist eine offensive Auseinandersetzung mit denen notwendig, die die Errungenschaften unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verändern oder sogar beseitigen wollen. Die Auseinandersetzung mit den Feinden der Demokratie kann allerdings nicht allein mit administrativen und juristischen Mitteln geführt werden. An erster Stelle muss vielmehr die alltägliche argumentative, geistig-politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Denken und Handeln politischer Extremisten stehen. Hierzu soll der Verfassungsschutzbericht beitragen. Er gibt einen Überblick über Gefährdungen des demokratischen Rechtsstaates durch politisch motivierte Extremisten in Berlin. Der Verfassungsschutzbericht beschreibt die wichtigsten extremistischen Personenzusammenschlüsse und die Aktivitäten fremder Nachrichtendienste im vergangenen Jahr. Die dargelegten Erkenntnisse, Analysen und Bewertungen sind eine Orientierungshilfe. Sie machen deutlich, dass der freiheitliche und demokratische Rechtsstaat vielfältigen Bedrohungen durch politische Extremisten jedweder Couleur ausgesetzt ist und gut daran tut, wachsam und wehrhaft zu bleiben. Mein Dank gilt an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz Berlin, die einen unverzichtbaren Beitrag zur Bewahrung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung geleistet haben. Berlin, im Mai 2000 Dr. Eckart Werthebach Senator für Inneres IV Vorwort V INHALTSVERZEICHNIS A VERFASSUNGSSCHUTZ BERLIN 1 Aufbau und Organisation 2 2 Aufgaben und Befugnisse, Kontrolle über das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin 2 3 Öffentlichkeitsarbeit, Verfassungsschutz durch Aufklärung 4 4 Erreichbarkeit des LfV Berlin 5 B AUSLÄNDEREXTREMISMUS 1 Überblick 8 2 Zahlenübersichten für Berlin und Deutschland 9 2.1 Personenpotentiale in extremistischen Ausländergruppierungen 9 2.2 Strafund Gewalttaten mit ausländerextremistischem Hintergrund 12 3 Kommunikationswege/Internet 13 4 Islamisch-extremistische Bestrebungen 14 4.1 Türkische Islamisten 14 4.1.1 "Islamische GemeinschaftMilli Görüs e.V." (IGMG) 14 4.1.2 "Der Kalifatstaat" / "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) 17 4.2 Arabische Islamisten 22 4.2.1 "Bewegung des islamischen Widerstandes" (HAMAS) 24 4.2.2 "Hizb Allah" (Partei Gottes) 26 5 Linksextremistische türkische und kurdische Gruppierungen 28 5.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 29 5.2 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/ -Front" (DHKP/-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/ -Front - Devrimci Sol" (THKP/-C - Devrimci Sol) 42 5.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) 46 5.4 "Marxistisch-leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 49 VI JnmjJbys/^äJomjJS 6 Iraner 51 6.1 Staatsterroristische Bestrebungen des Iran 51 6.2 "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) 52 6.3 Oppositionelle Iraner 54 7 Ausblick 57 C RECHTSEXTREMISMUS 1 Überblick 62 2 Zahlenübersichten für Berlin und Deutschland 64 2.1 Personenpotentiale in rechtsextremistischen Gruppierungen 64 2.2 Strafund Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 67 3 Kommunikationswege 73 3.1 Internet 73 3.2 Mailboxen 74 3.3 "Nationale Info-Telefone" 74 3.4 Medienprojekt "Radio Germania - Das Radio für nationale Interessen" 75 4 Militante Rechtsextremisten 77 4.1 Rechtsextremistische terroristische Ansätze 77 4.2 Skinhead-Szene 79 4.2.1 Skinhead-Musik 80 4.2.2 Skinhead-Gruppierungen 83 4.2.3 Skinhead-Fanzines 84 5 Neonationalsozialistische Organisationen und Einzelaktivisten 85 5.1 "Unabhängige Kameradschaften" 87 5.2 Weitere neonationalsozialistische Organisationen und Kleingruppen 90 5.2.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 90 5.2.2 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) 92 5.2.3 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 93 5.3 Unorganisierte Neonazi-Szene 94 5.4 "Anti-Antifa"-Kampagne 95 VII imiiz'JBrj.Btehsü3i 6 Rechtsextremistische Parteien 99 6.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) 100 6.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 101 6.3 "Die Republikaner" (REP) 110 7 Ausblick 115 D LINKSEXTREMISMUS 1 Überblick 120 2 Zahlenübersichten für Berlin und Deutschland 121 2.1 Personenpotentiale in linksextremistischen Gruppierungen 121 2.2 Strafund Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund 123 3 Kommunikationswege (Internet/Sonstige) 124 4 Gewaltbereite Linksextremisten 126 4.1 Autonome 126 4.1.1 Strukturen und Selbstverständnis 126 4.1.2 Aktionsformen und Militanz 130 4.1.3 Aktionsschwerpunkte 133 4.2 Terrorismus 151 4.2.1 "Antiimperialistischerwiderstand" (AIW) 152 4.2.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" 154 5 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten einschließlich Trotzkisten 155 6 Linksextremistische Positionen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 156 6.1 "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) 157 6.2 "Marxistisches Forum" 159 7 Ausblick 161 VIII hismiiZ'Jaiibiohiik, E "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) 1 Überblick 164 2 Ideologie und Zielsetzung 165 3 Organisation, Strukturen und Mitglieder 165 4 Aktivitäten 166 5 Ausblick 168 6 Vertrauliches Telefon und Fax des LfV Berlin 170 F SPIONAGEABWEHR 1 Überblick 172 2 Nur die Spitze des Eisberges 172 3 Nachrichtendienstliche Ziele 173 3.1 Politische Spionage 173 3.2 Wirtschaftsspionage 176 3.3 Militärische Spionage 179 4 Entwicklung des nachrichtendienstlichen Potentials 180 5 Ausblick 181 6 Bürgerberatung 181 G ANHANG 183 Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin (LfVG) 184 Personenund Sachregister 195 1 2 A VERFASSUNGSSCHUTZ BERLIN 1 Aufbau und Organisation Der Bund und jedes Bundesland haben entsprechend dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin (LfV Berlin) unterliegt als nachgeordnete Sonderbehörde der Dienstund Fachaufsicht durch die Senatsverwaltung für Inneres. Die Aufsichtsbehörde ist zugleich zuständig für die Anordnung von Maßnahmen der Postund Telefonüberwachung nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz). 2 Aufgaben und Befugnisse, Kontrolle über das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin Der Verfassungsschutz der Bundesrepublik Deutschland ist im Grundgesetz verankert und wird in den Artikeln 73 und 87 des Grundgesetzes (GG) ausdrücklich genannt. Gemäß Artikel 73 Nr. 10 b des GG dient der Verfassungsschutz dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Er soll Bedrohungen dieser Grundwerte bereits im Ansatz und damit im Vorfeld strafrechtlich relevanter Taten erkennen und analysieren. Die Aufgaben und Befugnisse des LfV Berlin sind in SS 5 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) geregelt. Der vollständige Gesetzestext ist im Anhang abgedruckt. Danach werden Informationen gesammelt und ausgewertet über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bun- 3 des oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen DDR. Der Verfassungsschutz ist ein Nachrichtendienst. Entgegen nach wie vor verbreiteter Ansicht erhält er allerdings ca. 60 % seines Informationsaufkommens aus allgemein zugänglichen Quellen. Hierunter fallen z. B. frei erhältliche Publikationen, Beiträge elektronischer Medien, aber auch Erkenntnisse aus öffentlichen Veranstaltungen von Beobachtungsobjekten. Knapp ein Viertel der Informationen beruhen auf Angaben anderer Behörden oder auf freiwilligen Auskünften einzelner Personen. Nur der geringere Teil des Informationsaufkommens wird durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gewonnen. Nachrichtendienstliche Mittel dürfen nach den Bestimmungen im LfVG nur eingesetzt werden, wenn verfassungsfeindliche Bestrebungen unter weitgehender konspirativer Abschottung und Geheimhaltung ihre Aktivitäten entfalten und sich anderweitig keine Informationen gewinnen lassen. Gemäß den Vorgaben des LfVG muss der Einsatz dieser Mittel verhältnismäßig sein. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählen insbesondere der Einsatz von geheimen Mitarbeitern, sog. V-Leuten, die aus Beobachtungsobjekten berichten, die Observation sowie die Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs, deren besonders enge rechtliche Voraussetzungen im Gesetz zu Artikel 10 GG geregelt sind. 4 Das LfV Berlin unterliegt bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben einer weitgehenden und vielfältigen Kontrolle auf mehreren Ebenen: - Allgemeine parlamentarische Kontrolle durch das Abgeordnetenhaus von Berlin, besondere parlamentarische Kontrolle durch den Ausschuss für Verfassungsschutz, in dem jede Fraktion des Abgeordnetenhauses mit mindestens einem Mitglied vertreten ist, G 10-Kontrolle (G 10 = Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses) durch die G 10-Kommission des Abgeordnetenhauses, Kontrolle durch die Dienstund Fachaufsicht der Senatsverwaltung für Inneres, Kontrolle durch den Berliner Datenschutzbeauftragten, - öffentliche Kontrolle durch Bürger und Medien, - gerichtliche Kontrolle bei Klagen gegen Maßnahmen des Verfassungsschutzes vor den Verwaltungsgerichten. 3 Öffentlichkeitsarbeit, Verfassungsschutz durch Aufklärung Der institutionalisierte Verfassungsschutz ist Bestandteil des verfassungsrechtlichen Konzepts einer wehrhaften Demokratie zum Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. In diesem Rahmen hat der Verfassungsschutz die Funktion eines "Frühwarnsystems", er soll die Regierung und die Bürger rechtzeitig über Art und Umfang der Gefahren, die durch den politischen Extremismus und die Spionage drohen, aufklären und damit zu der notwendigen geistig-politischen Auseinandersetzung mit derartigen Bestrebungen beitragen. Eine effektive Politikberatung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit rücken immer stärker in den Mittelpunkt der Tätigkeit des Verfassungsschutzes. Das LfV Berlin unterrichtet die Öffentlichkeit in seinem Jahresbericht sowie anlassbezogen zu besonderen Themen. Neben diesen an alle interessierten Bür- 5 ger gerichteten Informationen bietet das Landesamt Vorträge und persönliche Auskünfte an. Zielgruppen sind insbesondere schulische und außerschulische Bildungseinrichtungen bzw. deren Multiplikatoren, Vertreter der Medien, Polizei, Ordnungs-, Justizund andere Verwaltungsbehörden des Landes und Parteien sowie weitere gesellschaftliche Gruppierungen. Im Jahr 1994 hat das LfV Berlin im Rahmen der bundesweiten Kampagne "Verfassungsschutz durch Aufklärung" die eigenständige Informationsschriftenreihe "Durchblicke" ins Leben gerufen! Seitdem sind bisher neun Themen zu den verschiedensten Aufgabenfeldern mit großem Erfolg behandelt worden. 1998 wurde die Schriftenreihe mit "Durchblicke Nr. 9 - Skinheads" fortgesetzt. Weiterhin wurde im Rahmen des Aufgabenfeldes Geheimschutz in der Wirtschaft eine Informationsbroschüre zum "Wirtschaftsschutz in Berlin" herausgegeben. Im Frühjahr 2000 ist bereits "Durchblicke Nr. 10 - "Antifa heißt Angriff' veröffentlicht worden. 4 Erreichbarkeit des LfV Berlin Landesamt für Verfassungsschutz Berlin - Öffentlichkeitsarbeit - Auf dem Grat 2, 14195 Berlin Postfach 62 05 60, 10795 Berlin a 030/9012 4216 Fax: 030 / 8309 362 Internet: http://www.berlin.de/verfassungsschutz E-Mail: ah@verwalt-berlin.de Pressestelle: 030 / 8309 380 / 381 6 7 Wir brauchen Kommen Ihr Geld für unseren Krieg Sie! in Kurdistan Freiheit für Abdullah Öcalan Einla wirklic annehmen? Nationale Plattform Nord-Kurdistans Frieden in Kurdistan "(c)"KBffiD UUJ 8 B AUSLÄNDEREXTREMISMUS 1 Überblick Definition Der Schwerpunkt dieses Aufgabenbereichs liegt in der Beob"Ausländerextremismus" achtung von gewaltorientierten, terroristischen und staatsterroristischen Bestrebungen militanter ausländischer Organisationen, Gruppen oder Einzelpersonen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder ihre innere Sicherheit gefährden. Hierzu zählen auch bestimmte geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Staaten, die zum Ziel haben, Terroranschläge vorzubereiten bzw. durchzuführen, Oppositionelle und Regimegegner auszuforschen oder zu bedrohen bzw. einzuschüchtern, in Einzelfällen sogar zu liquidieren (Staatsterrorismus). GefährdungsGefährdungspotentiale lagen 1999 insbesondere bei folgenden potentiale Organisationen: * Islamisch-extremistische Gruppierungen, die sich gliedern lassen in: - Türkische Islamisten, - Arabische Islamisten; * Linksextremistische türkische und kurdische Gruppierungen; * Extremistische Bestrebungen von Iranern, wobei zu unterscheiden ist zwischen: - staatsterroristischen Bestrebungen des Iran, um Regimegegner auch außerhalb des eigenen Staatsgebietes einzuschüchtern bzw. im äußersten Fall zu liquidieren, - Anhängern proiranischer Gruppierungen und oppositionellen Iranern. 9 2 Zahlenübersichten für Berlin und Deutschland 2.1 Personenpotentiale in extremistischen Ausländergruppierungen Berlin Bund 1999 1998 1999 1998 Gesamt, darunter 6 505 6 405 59 700 59100 Islamisch-extremistische Türken 3 050 3 200 28 150 28 400 Linksextremistische Türken 300 300 4 850 5110 Rechtsextremistische Türken 600 600 7 800 7 500 Islamisch-extremistische Araber / Palästinenser 1 145 1 045 2 950 2 740 Linksextremistische Araber / Palästinenser 170 170 150 200 Organisierte regimetreue Iraner 20 20 150 150 Organisierte oppositionelle Iraner 20 20 900 900 Kurden PKK 1 100 1 000 12 000 11 500 Kurden Sonstige 50 k.A.** 400 400 Sonstige 50 50 2 350 2 200 Verteilung in Berlin nach ideologischer Ausrichtung: 1999 1999 1998 1998 absolut % absolut % Islamisch-extremistische Organisationen 4 235 65,1 4 285 66,9 Linksextremistische Organisationen 1 620 24,9 1 470 22,9 Rechtsextremistische Organisationen 600 9,2 600 9,4 Sonstige 50 0,8 50 0,8 Verteilung in Berlin nach Nationalitäten: 1999 1999 1998 1998 absolut % absolut % Kurden (PKK, sonstige) 1 150 17,7 1 000 15,6 Türken 3 950 60,7 4 100 64 Araber / Palästinenser 1 315 20,2 1 215 19 Iraner 40 0,6 40 0,6 Sonstige 50 0,8 50 0,8 * Die Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom 15.März 2000, Die Zahlenangaben sind z. T. geschätzt und gerundet. ** Wurde 1998 nicht gesondert dargestellt. 10 Quoten Der Anteil der in Berlin Ende 1999 melderechtlich erfassten 437 777 Ausländer (1998: 437 936), die extremistischen oder extremistisch beeinflussten Ausländerorganisationen zuzurechnen sind, betrug 1999 mit ca. 6 505 Personen (1998: ca. 6 405) etwa 1,5 % und ist damit gegenüber 1998 konstant geblieben. Der Anstieg des extremistischen Potentials insgesamt seit 1990 (2 300 Personen) ist maßgeblich auf eine verbesserte Informationsbasis zurückzuführen und nicht auf einen realen Zuwachs aufgrund eines tatsächlichen Mitgliederzulaufs. Von den 130 449 türkischen Staatsangehörigen (ca. 3 0 % der ausländischen Wohnbevölkerung) werden 3 950 Personen (ca. 3 %) den in Berlin aktiven verschiedenen türkischen linksextremistischen, extrem-nationalistischen und islamistischen Organisationen zugerechnet. Unter den rd. 50 000 Personen kurdischer Volkszugehörigkeit in Berlin verfügt die Berliner Gliederung der PKK über etwa 1 100 Mitglieder und Anhänger. Das sind 9,2 % des bundesweiten Gesamtpotentials der PKK (12 000 Mitglieder). 50 Personen werden in Berlin den Gliederungen der weiteren extremistischen kurdischen Organisationen "Demokratische Partei Kurdistan Irak" (DPK-I) und "Patriotische Union Kurdistans" (PUK) zugerechnet. 11 Aufgrund ihrer gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Aktivitäten wurden die folgenden ausländerextremistischen Organisationen vom Bundesminister des Innern bundesweit verboten: Organisation Verbot Verbots behörde "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) 27.01.1983 Bundesminister mitbetroffen: des Innern . "Volksvereine" (HALK DER) "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 26.11.1993 Bundesminister mitbetroffen: des Innern * "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) * "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan) "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" 13.08.1998 Bundesminister (DHKP-C) des Innern "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Devrimci Sol" 13.08.1998 Bundesminister (THKP/-C - Devrimci Sol) des Innern 12 2.2 Strafund Gewalttaten mit ausländerextremistischem Hintergrund Berlin2 Bund3 1999 1998 1999 1998 Gewalttaten: Tötungsdelikte 0 0 1 1 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 7 5 Körperverletzungen 4 19 83 66 4 Brandstiftungen 2 1 101 5 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 3 2 Landfriedensbruch 39 20 103 36 Freiheitsberaubungen 0 2 20 9 Raub/Erpressungen 5 22 73 134 gesamt 50 64 391 258 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 18 14 317 141 Nötigung/Bedrohung 13 26 303 125 Andere Straftaten 207 263 1 525 1 832 gesamt 238 303 2 145 2 098 Straftaten insgesamt 288 367 2 536 2 356 In Berlin gingen die von Ausländern verübten und politisch motivierten Straftaten 1999 insgesamt um rund 22 % zurück. Ebenfalls um rund 22 % verringerte sich die Zahl der Gewalttaten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Betei- 1 Die Zahlen zu den Berliner Straftaten 1998 und 1999 beruhen auf Angaben des Polizeipräsidenten in Berlin - Landeskriminalamt (LKA) - vom 12Januar 2000. Die Berliner Zahlen enthalten vollendete und versuchte Straftaten. Es wurden vom LKA Berlin die eingeleiteten Strafermittlungsverfahren gezählt. Wurden mehrere Straftaten in Tateinheit verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. Die Zahlen des Bundes basieren auf Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom 15. März 2000. Die Zahlen des Bundes enthalten vollendete und versuchte Straftaten. Jede gewaltsame Aktion wurde nur einmal gezählt. Sind z. B. wahrend eines Landfriedensbruchs zugleich Korperverletzungen begangen worden, so erscheint nur der Landfriedensbruch als eine Straftat in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 4 Brandanschlag. 13 ligung von ausländischen Extremisten an den gewalttätigen Demonstrationen zum 1. Mai 1999 in Berlin. Bundesweit nahmen dagegen die Straftaten insgesamt um 8 % zu. Dieser Anstieg beruht insbesondere auf der Zunahme der Gewalttaten. Entgegen dem Berliner Trend nahm die Zahl der Gewalttaten bundesweit um 51 % zu. Hier waren es vor allem die Deliktarten Brandstiftung und Landfriedensbruch, die hohen Steigerungen unterlagen. 3 Kommunikationswege / Internet Die Nutzung modernster Kommunikationsmedien durch extremistische Ausländerorganisationen hat sich zu einer festen Größe der organisationsinternen Kommunikation und der jeweiligen Selbstdarstellung entwickelt. Insbesondere das Internet wird für einen raschen und teilweise kryptierten Informationsaustausch genutzt. Stellungnahmen, Terminankündigungen und Berichte über die eigene Tätigkeit sind so für interessierte Kreise nur einen Mausklick weit entfernt. Ausländische Extremisten stellen über Server im europäischen Ausland, so z. B. Großbritannien, auch umfangreiche politische Informationen in mehreren Sprachen, darunter auch z. T. in deutsch, und eine Vielzahl von Publikationen, u. a. den "Kurdistan Rundbrief, in das Internet ein. So verfügt z. B die linksextremistische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) über ein Informationsangebot in fünf Sprachen (auch in deutsch). Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) stellt über mehrere ihrer Nebenund Teilorganisationen Propagandamaterial ins Internet ein. Umfangreiche Informationen zur Kurdistan-Problematik sind über die mittlerweile mehrsprachigen Internetseiten der PKKnahen Zeitung "Özgür Politika" ("Freie Politik"), die seit kurzem 14 in Berlin ein eigenes Büro unterhält, und z. B. auf der Homepage des Rechtsbeistandes von Abdullah ÖCALAN zu finden. Auch islamische Gruppierungen und Einrichtungen z. B. die "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) und mehrere "Islamische Zentren" sind im weltweiten Datenverbund vertreten und bieten umfangreiche Informationen an. Die professionelle Nutzung des Internet auch durch politische Extremisten hat sich analog zur allgemeinen technischen Entwicklung zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt, die die Sicherheitsbehörden insbesondere im Bereich der organisationsinternen Informationsübermittlung vor neue Herausforderungen stellt. Es zeigt sich deutlich, dass mit diesem Informationsmedium herkömmliche Propagandaund Informationsmittel zukünftig noch weiter in die Defensive gedrängt werden. 4 Islamisch-extremistische Bestrebungen 4.1 Türkische Islamisten 4.1.1 "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) Sitz: Kötn Organisationsstruktur: Vereine Mitgliederzahl: 27 000 bundesweit (1998: 27 000) 3 000 in Berlin (1998: 3 000) Entstehung/Gründung: 1985 Ideologie: Islamisch-fundamentalistisch Seit 1985 in Die "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) ging Deutschland: aus der am 20. Mai 1985 gegründeten "Vereinigung der Neuen Als AMGT... Weltsicht in Europa e. V." (AMGT) hervor. Durch Umstrukturierung der AMGT entstanden Mitte 1995 zwei nach außen unabhängige Organisationen. Während die IGMG die politischen Aktivitäten der AMGT fortsetzt, befasst sich die "Europäische Moscheebau und -unterstützungs Gemeinschaft" (EMUG) insbesondere mit der Verwaltung des AMGT-Immobilienbesitzes. Sowohl die IGMG als auch die EMUG orientieren sich, wie ihre Vorläuferin AMGT, am Gedankengut der in der Türkei Anfang 15 1998 verbotenen und aufgelösten "Wohlfahrtspartei" (RP). Die Vorbild: Türkische RP war eine nationalistisch ausgerichtete islamisch-fundamenWohlfahrtsparte talistische Partei, deren Hauptziel die Errichtung einer islaERBAKANS mischen Staatsordnung in der Türkei war. Diese als "gerechte Ordnung" umschriebene Staatsordnung sollte auf dem Koran und der Scharia, dem aus dem Koran abgeleiteten islamischen Rechtssystem, basieren. Der ehemalige RP-Vorsitzende Necmettin ERBAKAN, der vom 08. Juli 1996 bis 18. Juni 1997 als türkischer Ministerpräsident amtierte, hatte den größten Teil der von ihm propagierten islamistischen Forderungen wegen des Widerstands des Militärs und der unerwartet starken Proteste breiter Teile der türkischen Gesellschaft nicht durchsetzen können. Noch vor dem Ende der Amtszeit ERBAKANs hatte die Oberstaatsanwaltschaft in Ankara einen Antrag auf Verbot der RP wegen "reaktionärer bzw. islamistischer Umtriebe" gestellt. Die im Februar 1998 verkündete Entscheidung umfasste neben dem Verbot und der Auflösung der RP auch ein Verbot der Verbot der RP in der Türkei politischen Betätigung für einige RP-Politiker, darunter Necmettin ERBAKAN. Zwischenzeitlich hat die neugegründete "Fazilet Partisi" - "Partei der Tugend" - (FP) unter der Leitung von Recai KUTAN die Nachfolge der RP angetreten. Die nicht mit einem Verbot der politischen Betätigung belegten Abgeordneten der RP traten nahezu geschlossen der FP bei. Die Beziehung der IGMG zur FP unter Vorsitz von Recai KUTAN war anfangs nicht eindeutig, zumal sich auch innerhalb der FP anscheinend unterschiedliche ideologische Strömungen im Verhältnis zur ehemaligen RP gebildet hatten. Zwischenzeitlich scheint die Bindung der IGMG an die FP gefestigt zu sein. Auf Veranstaltungen der IGMG traten in der Folgezeit wiederholt Abgeordnete der FP als Redner auf. Die Organisation ist weitgehend erfolgreich bestrebt, ihre islamisch-extremistischen Ziele nach außen nicht erkennbar werden zu lassen. In eigenen Veröffentlichungen nehmen die Auto- 16 ren zu vorwiegend tagespolitischen Themen Stellung, insbe sondere zu der vermeintlichen Diskriminierung der Muslime in der christlichen Welt, den "sozialen" Aktivitäten der IGMG wird breiter Raum gewidmet. So trägt ein Artikel in der als Sprach rohr der IGMG anzusehenden türkischen Tageszeitung "Milli Gazete" (Nationale Zeitung) vom 18. November 1999 sinnge mäß die Überschrift: "Die IGMG ist führend in 'gottgefälligen' Taten". Hierbei hebt die Organisation rühmend hervor, die IGMG sei schon immer auf der Seite der Unterdrückten und Benachteiligten gewesen. Ohne nähere Erläuterungen werden Hilfeleistungen für Bosnien, Kosovo und Tschetschenien sowie die Unterstützung von Erdbebenopfern in der Türkei angeführt. Im Zusammenhang mit den Hilfeleistungen für die Erdbeben opfer vor Ort ist zu erwähnen, dass Presseberichten zufolge "islamistischen Organisationen" - hierzu zähle auch "Milli Gö rüs" - von den türkischen Behörden die Mitarbeit im Erdbe bengebiet mit der Begründung untersagt worden sei, diese Einsätze für islamistische Propaganda missbraucht zu haben. Aus Anlass der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Russischen Föderation und Tschetschenien führte die IGMG am 12. November 1999 vor der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin-Mitte eine Kundgebung unter dem Motto "Frieden für Tschetschenien" durch, an der etwa 100 Personen teilnahmen. Während der friedlich verlaufenen Kundgebung wurde eine Presseerklärung zu diesem Thema verlesen. Nach kurzfristiger Niederlegung eines Kranzes auf dem Gehweg vor der Botschaft verließen die Demonstranten den Veranstaltungs ort. Am 20. November 1999 versammelten sich etwa 700 Per sonen zu einer ebenfalls von der IGMG angemeldeten Pro testkundgebung auf dem Wittenbergplatz in Berlin-Schöneberg zu demselben Thema. Bis auf eine verbale Auseinandersetzung zwischen Anhängern der IGMG und einer nicht näher bezeich neten Gruppe von Gegendemonstranten verlief auch diese Kundgebung friedlich. Jugendarbeit Zur Verbreitung und Verfestigung ihres Gedankengutes betreibt die IGMG auch eine intensive und zielgerichtete Jugendarbeit, z. B. mit Zeltlagern, Koran-Rezitationswettbewerben u, ä. 17 Es finden jährlich, so auch 1999, sog. Sommerkurse ("islami scher Gemeindeunterricht für Jugendliche") an verschiedenen Orten Deutschlands sowie in Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, Dänemark und der Schweiz statt. Die Organisation ist nach wie vor bemüht, sich als Vertreterin Bemühungen der Muslime im Bundesgebiet darzustellen. Eines ihrer Ziele ist um Anerkennung I es, als islamische Glaubensgemeinschaft Körperschaftsrechte als Religionszu erlangen. In der öffentlichen Diskussion achtet die IGMG gemeinschaft I bewusst darauf, die materiellen Vorteile einer Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts - z. B. Vergünstigungen im Steuerund Gebührenrecht - nicht anzusprechen und den Bezug auf die eigene Organisation selbst nicht deutlich werden zu lassen. So wird in einer Anfang 1999 herausgegebenen Selbstdarstellung lediglich berichtet, dass die Organisation im Hinblick auf die "offizielle Anerkennung des Islam als Religion sowie der Muslime als Religionsgemeinschaft" wichtige Schritte unternommen habe. 4.1.2 "Der Kalifatsstaat" / "Verband der Islamischen Vereine und Gemein den e.V. Köln" (ICCB) Sitz: Köln Organisationsstruktur: Vereine Mitgliederzahl: 1 100 bundesweit (1998: 1 200) 50 in Berlin (1998: 200) Entstehung/Gründung: 1984 in Köln Ideologie: Islamisch-extremistisch Die vereinsrechtlich unter dem Namen "Verband der Isla mischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) - türkische Bezeichnung: "jslami Cemiyet ve Cemaatler Birligi" - erfasste Organisation steht seit 1995 unter der Leitung des selbst ernannten "Kalifen" Metin KAPLAN und tritt nunmehr aus schließlich unter der Bezeichnung "Der Kalifatsstaat" ("Hilafet Devleti") auf. Seine Weltanschauung verbreitet der "Kalifats staat" in seiner internen Publikation "ÜMMET-I MUHAMMED" 18 (Die Gemeinde Mohammeds), in der per Satellit bis in die Türkei ausgestrahlten Fernsehsendung "HAKK-TV" und über das Internet. Der Verband zielt auf die Beseitigung des gegenwärtigen, kemalistisch geprägten und laizistisch ausgerichteten Staatssystems in der Türkei und die Wiedererrichtung des im Jahr 1924 vom türkischen Parlament unter dem Staatspräsidenten Kemal ATATÜRK abgeschafften Kalifates. Die Glaubensgrundsätze sollen in dem zu schaffenden Staatssystem auch die Staatsform bestimmen. Beispielsweise drohte KAPLAN in der Ausgabe der "ÜMMET-I MUHAMMED" vom 25.März 1999: "Das kemalistische System wird zerschlagen werden. Das ist unser fester Vorsatz, und wir sind dazu entschlossen. Der Kalifatstaat muß sich durchsetzen, und er wird sich durchsetzen." Darüber hinaus forderte KAPLAN seine Anhängerschaft in der verbandseigenen Publikation vom 04. März 1999 zum Boykott der am 18. April 1999 in der Türkei durchgeführten Parlaments - und Kommunalwahlen auf. Auch wird regelmäßig die Ablehnung der Demokratie als Staatssystem unverhohlen zum Ausdruck gebracht. So wurde eine Fetwa (islamisches Rechtsgutachten) als wichtige Warnung an die in Anatolien und in Europa lebenden Muslime in der Ausgabe vom 08. April 1999 veröffentlicht, nach der die Demokratie als heidnisches System nicht mit dem Islam vereinbar sei. "Als System steift sich die Demokratie dem Islam entgegen". Kein Mensch kann ein Muslim und zugleich ein Demokrat sein". "Der Islam lehnt die Demokratie ab." Am 25. März 1999 wurde KAPLAN in Köln mit Hilfe der Sondereinheit des Bundesgrenzschutzes GSG 9 aufgrund eines Haft- 19 befehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof (BGH) verhaftet und befindet sich seitdem in Karlsruhe in Untersuchungshaft. Ihm wurde u. a. Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung und Anstiftung seiner Anhänger zu Straftaten in der Türkei vorgeworfen. Ferner wurde KAPLAN der öffentlichen Aufforderung zu einer Straftat, der Ermordung seines Rivalen um die Position des "Kalifen" Dr. Halil Ibrahim SOFU, beschuldigt. SOFU wurde im Mai 1997 in seiner Wohnung in Berlin-Wedding erschossen. Eine Haftbeschwerde KAPLANS wies der BGH am 30. Juni 1999 zurück. Dem Beschluss zufolge stützt sich der Haftbefehl nicht mehr auf den Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, sondern auf den öffentlichen Aufruf zu Straftaten. In der Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 20. August 1999 wird KAPLAN neben dem öffentlichen Aufruf zu Straftaten nunmehr Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Die Anhängerschaft des ICCB reagierte auf die Festnahme KAPLANS mit einer Reihe von Protestkundgebungen. Bei einer im Anschluss an die Festnahme erfolgten Demonstration in Köln kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den ICCB-Anhängern und der Polizei, in deren Verlauf 14 Polizeibeamte durch Steinwürfe verletzt und 40 Demonstranten festgenommen wurden. Die weiteren Demonstrationen, auf denen die oftmals über 2 000 Anhänger die Freilassung "ihres Kalifen" forderten, verliefen ohne Zwischenfälle und wurden zumeist vor dem Gebäude des BGH durchgeführt. An den Protestveranstaltungen beteiligten sich Angehörige des "Kalifatsstaates" aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten europäischen Ausland. In Berlin veranstaltete die Anhängerschaft am 13. November 1999 eine Demonstration vor der Botschaft der Russischen Föderation, Unter den Linden 63 - 65, zur Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9 (beide Bezirk Mitte), an der sich etwa 2 300 Personen, darunter auch Frauen und Kinder, beteiligten. 20 Die Frauen liefen in dem Demonstrationszug in einem gesonderten, von den Männern getrennten Block. Die Veranstaltung war den Themen "Für mehr Freiheit und Gleichberechtigung der Muslime in der Türkei", "Für die Freilassung von Khalif Muhammad Kaplan" und "Für die Beendigung des Krieges in Tschetschenien" gewidmet. Die Teilnehmer kamen aus dem Bundesgebiet und dem europäischen Ausland und trugen Plakate u. a. mit den Aufschriften: "Tschetschenien wird den Russen zum Grab" "Kaukasien ist unser; wir geben unser Leben dafür!" Eigene Belange sowie die allgemeine politische Gesinnung kamen auf Plakaten mit folgenden Aufschriften zum Ausdruck: "Festnahme des Kalifen=Festnahme des Islam" "Wer sich an den Moscheen vergreift, eröffnet den Krieg gegen Islam" "Entweder Scharia oder Tod" "Deutschland - ein Terrorstaat?" "Nieder mit dem Zionismus". Bei der Demonstration wurden Flugblätter des "Kalifatsstaates" mit der Überschrift "Man will die Muslime vernichten" verteilt, in denen u. a. gegen die Demokratie polemisiert und die Inhaftierung KAPLANS als Unrecht dargestellt wird. Die Äußerungen KAPLANS, die zunehmend aggressiver und hetzerischer wurden, gipfelten im vergangenen Jahr im Ausrufen des "Jihad" (Heiliger Krieg). Die große Zahl der Anhänger, die für Demonstrationen mobilisiert werden konnte und die Reaktionen auf die Inhaftierung des selbsternannten "Kalifen" in Publikationen des ICCB können als Beleg dafür angesehen werden, das die Aufrufe KAPLANS Wirkung gezeigt haben. In der verbandseigenen Publikation vom 01. April 1999 heißt es u. a.: "Die Gefangennahme des Emir der Gläubigen und der Muslime, M. Metin Müftüoglu (...), ist keine rechtliche, sondern eine politische Angelegenheit!. Diese, von den deut- 21 sehen Verantwortlichen verübte, schlechte Handlung, ist nicht rechtlich. (...). Aber dies ist ein Komplott, allen voran der türkischen Republik, der islamfeindlichen USA und Israels. Auch die Durchsuchungsmaßnahmen in den von der Anhängerschaft genutzten Moscheen durch die Sicherheitsbehörden anlässlich der u. a. gegen KAPLAN eingeleiteten Ermittlungsverfahren, bezeichnete KAPLAN in den Publikationen seinen Anhängern gegenüber regelmäßig als "Überfälle". Auf ähnlich absurde Weise reagierte er auf das zuletzt verhängte Zwangsgeld des Ausländeramtes der Stadt Köln vom 14. Januar 1999 wegen des Zuwiderhandelns gegen das gegen ihn verhängte politische Betätigungsverbot: "Die Tatsache, daß sie uns eine Strafe nach der anderen schicken, beweist, daß sie Feinde des Islam sind." (ÜMMET-I MUHAMMED vom 28. Januar 1999) In den Veröffentlichungen spiegelt sich auch die an Größenwahn grenzende Selbsteinschätzung des KAPLAN wider. Den Anhängern wird permanent eine Bedeutung des "Kalifatsstaates" suggeriert, die absolut unrealistisch ist. So forderte die Organisation in einem offenen Brief an die Bundesregierung, in dem sie sich als weltumfassenden islamischen Staat bezeichnete, das alleinige Recht auf Erteilung des islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen. In dem in der Ausgabe der "ÜMMET-I MUHAMMED" vom 04. Februar 1999 veröffentlichten Brief heißt es u. a.: "Uns mißfällt es nun, daß das kemalistische Regime eigene Lehrkräfte sendet, die sich in die Glaubensangelegenheiten unserer Kinder an deutschen Schulen einmischen...Ein Staat, welcher dem Islam und dem Glauben der Muslime entgegensteht, darf sie (die Muslime) niemals repräsentieren. Also kommt nur unsere Organisation bzw. unser Staat in Frage, der berechtigt wäre, die Muslime zu vertreten..." 22 In Berlin ist die Anhängerschaft des KAPLAN in der "MuhacirinMoschee" in Berlin-Kreuzberg ansässig, die mit keinen weiteren öffentlichen Aktivitäten in Erscheinung getreten ist. Ferner existiert in Berlin eine Anhängerschaft um den im Mai 1997 ermordeten "Gegenkalifen" Dr. Halil Ibrahim SOFU, die den Führungsanspruch des Metin KAPLAN ablehnt, sich jedoch mit der Ideologie des in Köln ansässigen Verbandes identifiziert. Diese ist kaum mit öffentlichen Aktivitäten in Erscheinung getreten. 4.2 Arabische Islamisten Die in Berlin bestehenden Zentren schiitischer und sunnitischer Glaubensrichtung haben sich zu einer ernstzunehmenden Größe entwickelt. Die nur in Teilen von den religiösen Auffas sungen des Iran oder Saudi-Arabiens abhängigen Moscheen und Zentren verzeichnen weiterhin großen Zulauf, wobei aktuell zu beobachten ist, dass multinationale Massenorganisationen ihren Einfluss auf die Zentren vergrößern konnten. So dienen diese Zentren z. T. nicht mehr nur als Begegnungsstätten von gläubigen Arabern aus dem Nahen Osten, sondern auch als Treffpunkte radikaler Islamisten. Die Besucher der Zentren finden ihre Ansprechpartner und Führer in den in Berlin agierenden islamistischen Imamen oder Funktionären, die mit großer rhetorischer Fähigkeit in der Lage sind, diesen Personenkreis an sich zu binden und im Sinne ihrer Zielsetzungen zu indoktrinieren. Diese geistlichen Führer und Funktionäre beabsichtigen trotz aller gegenteiligen Bekundungen nicht, eine gesellschaftliche Integration herbeizuführen, sondern die eigene islamistische Pa rallelgesellschaft auszubauen. Unter dem Stichwort "Islamische Missionsarbeit" wird versucht, Besucher der Freitagsgebete für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen. Erklärtes Ziel ist es, mit dem 23 Aufbau eigener gesellschaftlicher Strukturen (Kindergärten, Schulen, Geschäfte, eigene Fernsehproduktionen, Frauenund Männerkurse etc.) eine Parallelgesellschaft auf den Grundlagen ihrer eigenen islamistischen Grundregeln zu errichten. Eine der bemerkenswertesten Erscheinungsformen ist dabei eine sunnitische libanesische Organisation, die in sektenähnlicher Form ihre Mitglieder unter Druck setzt. Nicht unerheblich sind die Gewinne, die mit den einzelnen Projekten erzielt werden. Verbunden mit dem Spendenaufkommen garantieren diese Einnahmen eine größere Unabhängigkeit. Der Kampf um die Vormachtstellung, durch aggressive Mitgliederwerbung, führte im zweiten Halbjahr erstmals zu Auseinandersetzungen unter Islamisten. Versuche derartiger Organisationen, ihren Einfluss zu vergrößern, machten auch vor dem "Islamischen Studentenverband" (ISV) nicht halt. In einem Flugblatt vom Februar 1999 erklärte der Vorsitzende des Studentenverbandes seinen Rücktritt mit der Begründung, der ISV solle nicht vollkommen zum "Machtinstrument für bestimmte Gruppen" werden. 24 4.2.1 "Bewegung des islamischen Widerstandes" (HAMAS) Sitz: Autonomiegebiete / weitweite Diaspora * Organisationsstruktur: Konspirative Gliederungen ^ ^ Mitgliederzahl: 250 bundesweit (1998: 250) 50 in Berlin (1998: 50) Entstehung/Gründung: Der 1982 in München gegründete "Islamische Bund Palästina" (IBP), der sich bei seiner Gründung als Sprachrohr der HAMAS bezeichnete, wird lediglich als Aushängeschild für öffentliche Veranstaltungen genutzt. Vereinsrechtliche Strukturen bestehen nicht. Ideologie: Sunnitisch-islamistisch Wenngleich größere Terroranschläge in diesem Jahr glückZiel: "Befreiung licherweise ausblieben, muss die konspirativ organisierte sunniPalästinas" tisch-islamistische HAMAS nach wie vor als derzeit aktivste palästinensische Terrororganisation angesehen werden, da sie ihr seit Jahren propagiertes Ziel, auch mit terroristischen Mitteln für die "Befreiung Palästinas" zu kämpfen, nicht aufgegeben hat. Inzwischen bedroht die HAMAS nicht nur Israel, sondern auch die palästinensischen Autonomiebehörden. In einer Erklärung aus Anlass der Unterzeichnung des Wye-Memorandums Ende 1998 bezichtigte der militärische Flügel der HAMAS, "Ezz Al-Din Al-Kassem", in einem Flugblatt ARAFAT des Verrats. "Der Sicherheitsapparat der (palästinensischen) Behörden, seine Vertreter und Mitarbeiter werden niemals sicher sein". Öffentlich tritt die HAMAS in Deutschland nur im Rahmen der Jahreshauptversammlung des "Islamischen Bund Palästinas" (IBP) in Erscheinung, eine Organisationsbezeichnung, die 1982 bei Gründung des IBP von Mitgliedern der "Muslimbruderschaft" (MB) gewählt wurde. Damals hatte sich der Verband als "Sprachrohr" der HAMAS bezeichnet. Die HAMAS verfügt in Berlin und im übrigen Bundesgebiet über handlungsfähige Strukturen zur Betreuung, Schulung und Rekrutierung im Ausland lebender Palästinenser. Ein Schwerpunkt ihrer Aktivitäten ist die Erweiterung ihrer personellen und finan- 25 ziellen Basis, die sie in Berlin auch durch die Ausweitung vorgeblich sozialer Betreuungsangebote für Teile der arabischen Bevölkerung zu erreichen sucht. Damit verfügt sie, ähnlich wie in den palästinensischen Autonomiegebieten, über ein stetig steigendes Potential rekrutierbarer Aktivisten. Weitere Schwerpunkte sind die Frauen-, Kinderund Jugendbetreuung. Mit der Erziehung zum Hass auf "die Juden" und Israel ist dieser Personenkreis in besonderem Maße der Indoktrination durch das islamistische Gedankengut der Organisation ausgesetzt. Aufgrund ihrer konspirativen Arbeitsweise und ihrer Fähigkeit, Gefährdungszumindest logistische Unterstützung für Terroroperationen leilage in Berlin sten zu können, stellen die in Berlin vornehmlich von fanatisierten Studenten getragenen Strukturen der HAMAS eine ernstzunehmende latente Gefährdung der Sicherheit der Stadt dar. Die Anhänger der HAMAS zeigen sich im Gegensatz zu den übrigen Palästinensergruppen auch weitaus geschlossener - eine in der einenden Klammer des Islamismus und der geübten Konspiration begründete Erscheinung. Im Zuge der Entwicklungen um das Gaza-Jericho-Abkommen verschob sich in den 90er Jahren das Bedrohungspotential von den in der PLO organisierten laizistischen Palästinensergruppen zu den aufkommenden islamistischen Gruppierungen, hier insbesondere der HAMAS. Mit der Einrichtung eines eigenen Zentrums gelang es ihr, auch Anhänger anderer islamistischer Gruppierungen für die dortige Arbeit zu interessieren. Die Jahreshauptversammlung des IBP fand am 22. Mai 1999 Jahreshaupterneut in Berlin statt. Die hohe Teilnehmerzahl von ca. 1 200 versammlung Personen war vermutlich auf das angekündigte Erscheinen von des IPB in Berlin 1999 Dr. Yusuf EL-QARDAWI, eines der einflussreichsten islamistischen Ideologen, zurückzuführen. EL-QARDAWI nahm dann allerdings aus Termingründen nicht an der Versammlung teil. In 26 einem über Lautsprecher verbreiteten aufgezeichneten Redebeitrag begrüßte EL-QARDAWI die Terroraktionen von HAMAS, "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PIJ) und "Hizb Allah". Die "zionistische Besatzung" sei das "Schlimmste", was es in der Welt gebe. Das heilige Land könne nur durch den "Heiligen Krieg" von den "Juden" befreit werden. Im Gegensatz zu den kontinuierlichen Bemühungen der HAMAS, ihre Aktionsbasis beharrlich zu erweitern, war die übrige Berliner Palästinenser-Szene auch im letzten Jahr von größerem Konkurrenzdenken geprägt. Ihre dadurch stark beeinträchtigte politische Handlungsfähigkeit resultierte im Wesentlichen aus dem Anspruch einzelner Organisationen, sich gegenüber der Öffentlichkeit als das einzig legitimierte Sprachrohr der hier lebenden Palästinenser zu präsentieren. Nach wie vor ist es diesen Organisationen nicht gelungen, einen gemeinsamen Dachverband für alle Palästinenser zu errichten. 4.2.2 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Sitz: Beirut (Libanon) Organisationsstruktur: Partei Mitgliederzahl: 800 bundesweit (1998: 750) 150 in Berlin (1998: 100) Entstehung/Gründung: 1982 Ideologie: Schiitisch-islamistisch Ziel: Die schiitisch-islamistische "Hizb Allah" wurde 1982 nach dem "Islamische Einmarsch israelischer Truppen im Libanon auf Initiative und mit Republik Libanon" maßgeblicher Unterstützung des Iran gegründet. Sie tritt für die Errichtung einer "Islamischen Republik Libanon" ein. Die "Hizb Allah" praktiziert einerseits den militärischen und terroristischen Kampf gegen Israel mit dem Ziel der "Herrschaft des Islam" über Jerusalem und der vollständigen Eliminierung des jüdischen Staates. Andererseits ist sie bemüht, ihr soziales und politisches Engagement im Libanon weiterzuentwickeln. 27 Der "Hizb Allah" ist es in den letzten Jahren wiederholt gelungenen, Israel und der in der von Israel beanspruchten Sicherheitszone im Libanon tätigen "Südlibanesischen Armee" (SLA) empfindliche militärische Schläge zu versetzen. Auf israelische Kampfhandlungen im Süden Libanons reagierte sie häufig mit Vergeltungsangriffen durch den Beschuss nordisraelischer Siedlungen mit Raketenwerfern. Obwohl seit 1992 keine Terroranschläge der "Hizb Allah" außerhalb Libanons bekannt wurden, verfügt sie über gut ausgebaute personelle und logistische Strukturen im Ausland, die es ihr im Bedarfsfall gestatten, derartige Anschläge zu realisieren. Sie stellt damit ein beträchtliches latentes Bedrohungspotential dar. Die "Hizb Allah" hat sich nach zahlreichen Machtkämpfen im Libanon einerseits zu einer politischen Partei und Interessenvertretung von Teilen der dortigen schiitischen Bevölkerung entwickelt, anderseits setzt ihr militärischer Flügel (Muqawame Islamiya) die Angriffe auf israelische Truppen in der 1985 von Israel eingerichteten Sicherheitszone bis in die jüngste Zeit fort. Die in den Vorjahren im Libanon zu verzeichnenden Flügelkämpfe zwischen Generalsekretär Hassan NASRALLAH und dem geistlichen Führer der "Hizb Allah" FADLALLAH waren in der Öffentlichkeit weitaus weniger spürbar. Dennoch bemühten sich beide Flügel weiterhin, die Auslandsstrukturen der Organisation in ihrem Sinne zu beeinflussen. Diese Beeinflussungsaktivitäten wurden auch in Deutschland erkennbar. Deutliches Interesse entwickelte die "Hizb Allah" in letzter Zeit im Hinblick auf eine Zusammenarbeit mit anderen schiitischen Organisationen, insbesondere zur [schiitisch-extremistischen] AMAL. In Bezug zur AMAL hatte NASRALLAH in der arabischsprachigen Wochenzeitung "Al-Ahd" ausgeführt, dass die "Hizb Allah" derzeit "alles tue, damit die Beziehungen zur AMALBewegung fest und gut" seien. 28 Wie in den Vorjahren traten Berliner "Hizb Allah"-Anhänger auch Aktivitäten 1999 1999 durch öffentliche Aktivitäten kaum in Erscheinung. Eine der wenigen Ausnahmen war die Beteiligung an der jährlich von Iranern bundesweit organisierten "Jerusalemdemonstration" am 24. Januar 1999 in Berlin sowie an einigen in Berlin organisierten Veranstaltungen im Rahmen schiitischer Feiertage. Dennoch ist es der "Hizb Allah" in Berlin gelungen, zahlreiche libanesische, aber auch andere Schiiten durch die Arbeit in ihren Zentren an sich zu binden. 5 Linksextremistische türkische und kurdische Gruppierungen Ziel: Für die Bedrohung der Sicherheitslage Berlins sind die gewaltMarxistische orientierten Organisationen der türkischen Neuen Linken sowie Gesellschaftsordnung in der die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) nach wie vor von besonTürkei derer Bedeutung. Ziel dieser Organisationen ist die Beseitigung des gegenwärtigen Regierungssystems in der Türkei und die Errichtung einer marxistischen Gesellschaftsordnung. In der Türkei versuchen diese Organisationen, ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln durchzusetzen. In der Bundesrepublik Deutschland nehmen diese Gruppierungen zumeist politische Ereignisse in der Türkei zum Anlass, öffentlichkeitswirksame Aktionen durchzuführen, wobei sie auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken. Im Rahmen solcher Aktionen konnte in der Vergangenheit wiederholt eine punktuelle Zusammenarbeit türkischer und kurdischer Organisationen, oft mit Unterstützung deutscher linksextremistischer Kreise, festgestellt werden. So wurden Ende September 1999 die Häftlingsrevolten in der Türkei zum Anlass genommen, beginnend mit dem 27. September eine Reihe demonstrativer Aktionen zu diesem Thema durchzuführen. 29 Im Verlauf des Aufstandes in der Türkei kamen mindestens 10 Häftlinge ums Leben. 40 Personen, Häftlinge und Gefängnispersonal, wurden verletzt. Unter den Toten befanden sich Angehörige der linksextremistischen, gewaltorientierten Organisationen "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), "Marxistisch-leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) und "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C). 5.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Sitz: Derzeit unbekannt Organisationsstruktur: Zentralistisch geführte Kaderpartei MitgiiederzahJ: 12 000 bundesweit (1998:11 500) 1 100 in Berlin (1998:1 000) Entstehung/Gründung: 27. November 1978 in der Türkei Verbote: Am 22. November 1993 erließ der Bundesminister des Innern in Deutschland gegen die PKK und die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) Betätigungs-, gegen einige ihrer Teilund Nebenorganisationen Vereinsverbote. Ideologie: Einst marxistisch-leninistisch / heute sozialistisch-nationalistisch Das Jahr 1999 war für die Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK anfangs wie zum Ende des Jahres 1998 bestimmt von der Odyssee ihres Führers Abdullah ÖCALAN durch mehrere europäische Staaten. Nachdem er am 16. Januar Rom nach verweigerter Asylgewährung verlassen hatte, flog ÖCALAN nach Moskau (Russland). Am 29. Januar flog er in Richtung der Niederlande, um den Internationalen Schiedsgerichtshof in Amsterdam zur Durchsetzung seines Anliegens einzuschalten. Dort wurde ihm allerdings die Landeerlaubnis verweigert. Nach Zwischenlandungen in Zürich (Schweiz), Mailand (Italien), Athen (Griechenland), Minsk (Weißrussland), Athen und Korfu (Griechenland) fand er schließlich am 01. Februar Aufnahme in der griechischen Botschaft in Nairobi (Kenia). ÖCALANs Irrflug blieb der Öffentlichkeit verborgen; er wurde erst Mitte Februar nach seiner Verbringung in die Türkei bekannt. 30 Die Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK führten vor Bekanntwerden dieser Entwicklung Anfang Februar mehrere Protestdemonstrationen durch, auf denen sie die Folgen der erzwungenen Ausreise ÖCALANs aus Syrien thematisierten und u. a. eine "politische Lösung der Kurdenfrage" forderten. Wegen des Zeigens von Symbolen der 1993 in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten PKK und der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), die als Verstöße gegen das Vereinsgesetz geahndet werden, kam es jeweils mehrfach zu Freiheitsentziehungen. Verbringung Am 15. Februar geriet der PKK-Führer Abdullah ÖCALAN nach ÖCALANs dem Verlassen der griechischen Botschaft auf dem Flughafen in die Türkei Nairobi in die Gewalt türkischer Sicherheitskräfte, wurde in die Türkei ausgeflogen und in ein Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmarameer gebracht. In dem am 31. Mai vor dem 2. Staatssicherheitsgericht Ankara begonnen Prozess wurde ÖCALAN am 30. Juni wegen Hochverrats und Separatismus zum Tode verurteilt. Nachdem das Kassationsgericht in Ankara das Todesurteil bestätigt und der Generalstaatsanwalt am Kassationsgericht den Antrag ÖCALANs auf Aufhebung des Todesurteils abgelehnt hat, ist der Rechtsweg in der Türkei ausgeschöpft. Damit das Todesurteil vollstreckt werden kann, müsste es nunmehr über den Justizausschuss dem türkischen Parlament vorgelegt werden. Dieses muss das Urteil als Gesetz verabschieden und dem Staatspräsidenten zur Unterzeichnung vorlegen. Am 12. Januar 2000 haben die Vorsitzenden der an der türkischen Regierung beteiligten Parteien beschlossen, das Todesurteil dem Justizausschuss des türkischen Parlaments vorerst nicht vorzulegen. Sie wollen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg abwarten, der von der Verteidigung ÖCALANs angerufen worden war. Dieser hatte am 30. November 1999 eine einstweilige Verfügung zur Aussetzung der Todesstrafe bis zum Abschluss des 31 Prozesses erlassen und die Türkei aufgefordert, das Todesurteil nicht zu vollstrecken. Der Aufschub ist vom türkischen Minister präsidenten ECEVIT bei seiner Veröffentlichung mit der War nung verbunden worden, diesen sofort aufzuheben und das parlamentarische Verfahren in Gang zu setzen, wenn "die Re bellen und ihre Anhänger versuchen, diesen Prozess gegen die Interessen des Staates zu verwenden". Die Verbringung ÖCALANs in die Türkei stellte für die PKK und i ihre Anhänger einen Schock dar. Die Wut über die Art und | Reaktionen Weise, wie die Verhaftung außerhalb der Türkei durchgeführt worden war und über die gerüchteweise verbreitete Beteiligung der Geheimdienste der Vereinigten Staaten von Amerika (CIA) und Israels (Mossad) sowie die Enttäuschung darüber, dass Griechenland, das bisher als Unterstützer der PKK angesehen wurde, offensichtlich die Verhaftung ermöglicht hatte, entlud sich am 16. Februar weltweit in Besetzungen insbesondere grie chischer Vertretungen. Darüber hinaus kam es zu einer Vielzahl von Demonstrationen. Vereinzelt wurden Brandanschläge gegen türkische Einrichtun gen verübt. Abdullah ÖCALAN hat während der Gerichtsverhandlungen ein I Veränderte neues Bild der PKK gezeichnet. Danach habe die Partei nunmehr Zielsetzung und Aktions eine geänderte Zielsetzung und bediene sich zukünftig anderer formen Aktionsformen zu deren Durchsetzung. Sie strebe nicht mehr die Schaffung eines eigenen Staates oder weitgehende Autonomieregelungen an, sondern spreche sich nur noch für ein friedliches Zusammenleben der Türken und der Kurden innerhalb des Staatsgebietes der Türkei aus. Als Voraussetzung hierfür fordere sie die Anerkennung der Kurden als Volk mit der sich daraus ergebenden freien Ausübung der Kultur und der Sprache. Die bisher durchgeführten bewaffneten Angriffe der PKK in der Türkei würden zwar als notwendig für das Bewusstsein der Kurden und die weltweite Beachtung der Kurdenfrage angese hen. Infolge der bisherigen Entwicklungen seien bewaffnete Auseinandersetzungen jedoch nicht mehr zeitgemäß. 32 Darüber hinaus habe die PKK erkannt, dass die Hegemonie der USA im Sinne einer "Neuen Weltordnung" im globalen Maßstab auch im Nahen Osten Auswirkungen habe. Diejenigen Kräfte, die sich nicht an die neuen Anforderungen anpassen könnten, würden in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Die PKK werde, anstatt gegen die "Neue Weltordnung" anzukämpfen, ihren Platz darin behaupten und mit politischen Mitteln ihren Widerstand weiterführen. Geplanter Am 09. August wurde eine Erklärung des Zentralkomitees (ZK) außerordentder PKK veröffentlicht, in der die Durchführung eines außerorlicher Parteikongress dentlichen Parteikongresses angekündigt wird. Im Rahmen dieOrganisationsses Kongresses soll das Parteiprogramm geändert und damit struktur die ideologische Grundlage für die geänderte Politik geschaffen werden. Insbesondere von den europäischen Ländern und den USA fordert die PKK, im Sinne ihrer neuen Zielsetzung und der in diesem Zusammenhang gestellten Forderungen politischen Druck auf die Türkei auszuüben. Änderung der Die Inhaftierung ÖCALANs machte Änderungen in der OrganiOrganisationssationsstruktur der Partei notwendig, um so die weitere Existenz struktur und Funktionsfähigkeit der PKK zu gewährleisten. Seitdem führt ein aus sieben Personen bestehender "Präsidialrat", dessen Präsidialrat Mitglieder vom ZK gewählt und von ÖCALAN bestätigt wurden, die Partei im Sinne der von ÖCALAN aus seiner Haft heraus abgegebenen Erklärungen. Er macht immer wieder deutlich, dass ÖCALAN trotz seiner Inhaftierung uneingeschränkter Führer der PKK ist. Im Laufe des Jahres wurden weitere Änderungen in der OrganiPartei sationsstruktur der PKK vorgenommen: Kurdischer Im Juli wurde die bisherige Nebenorganisation "Freier FrauenArbeiterfrauen verband Kurdistans" (YAJK) in die Teilorganisation "Partei Kurdischer Arbeiterfrauen" (PJKK), mit der Unterorganisation "Front Freier Frauen Kurdistans" (EJAK), umgewandelt. Die PKK hat damit die schon in der Vergangenheit durch die Schaf- 33 fung von separaten Organisationseinheiten für Frauen dokumentierte besondere Rolle und Wertigkeit der Frauen innerhalb der PKK noch weiter herausgestellt. Die PJKK ist jedoch nicht von der PKK unabhängig, sondern den Anweisungen ÖCALANs und der Parteiführung verpflichtet. Das in Brüssel ansässige "Kurdische Exilparlament" (PKDW) Auflösung des hat auf einer Generalversammlung am 26. September seine Kurdischen Auflösung beschlossen. Die bisherigen Aufgaben des PKDW Exilparlaments werden seitdem vom "Kurdischen Nationalkongress" (KNK) wahrgenommen. Zur Begründung hieß es, das PKDW habe mit der im Mai dieses Jahres erfolgten Konstituierung des KNK seine im Parlamentsstatut vorgesehenen Ziele erreicht. Das im April 1995 in Den Haag gegründete PKDW bestand aus 65 Abgeordneten verschiedener kurdischer Parteien und Organisationen aus der Türkei. Die PKK bzw. ihr nahestehende oder zuzurechnende Organisationen dominierten dabei das Exilparlament. Der KNK wurde im Mai 1999 in Amsterdam als InteressenKurdischer vertretung aller Kurden gegründet. Ihm gehören etwa 170 DeNationallegierte aus der Türkei, dem Irak, dem Iran, Syrien und Armekongress nien an. Ziel des KNK ist die Anerkennung als politische Institution und Sensibilisierung der internationalen Politik und Öffentlichkeit für die Anliegen der Kurden. Derzeit versucht der KNK, Kontaktbüros in den Vereinigten Staaten von Amerika und in einigen europäischen Städten zu eröffnen. Auch für die Bundesrepublik Deutschland sind entsprechende Bemühungen zu erwarten. Die PKK spielt im KNK eine ähnliche beherrschende Rolle wie im PKDW. Die Mitarbeit ehemaliger "PKK-Abgeordneter" des PKDW wird diese Dominanz noch verstärken. Am 23. April entschied die britische Fernseh-Aufsichtsbehörde Lizenzentzug für MED-TV "Independent Television Commission" (ITC), dem der PKK nahestehenden kurdischen Fernsehsender "MED-TV" endgültig die Sendelizenz zu entziehen. Im März hatte die ITC bereits ein dreiwöchiges Sendeverbot erlassen. Zur Begründung teilte die 34 Behörde mit, der Sender habe Aufrufe zur Gewalt verbreitet und damit gegen geltende Bestimmungen verstoßen. Seit dem 13. Mai ist für täglich fünf Stunden auf der früheren Frequenz von "MED-TV" über Satellit ein Fernsehsender unter ctv der Bezeichnung "ctv" zu empfangen. Dieser strahlte zwischenzeitlich bis zur Einrichtung des Senders "MEDYA-TV" neben den sonstigen überwiegend kurdischen Kultursendungen auch Nachrichtenund Diskussionsbeiträge aus, die eine Nähe zur PKK erkennen ließen. Seit dem 30. Juli wird auf der Frequenz von "ctv" für täglich 10 Stunden ein Programm mit der Senderkennung "MEDYATV" ausgestrahlt, das zunehmend eine Nähe zur PKK erkennen lässt. So werden regelmäßig - teilweise live - Telefoninterviews mit führenden Repäsentanten der PKK sowie Berichte über PKK-Veranstaltungen ausgestrahlt. Trennung von Einer im Oktober veröffentlichten Erklärung zufolge haben die der "Plattform PKK und zwei weitere Organisationen ihre Mitarbeit in dem am der Vereinigten Revolutionären 04. Juni 1998 von der PKK und sieben weiteren linksextremistiKräfte" schen türkischen Organisationen gegründeten Bündnis "Revolutionäre Vereinigte Kräfte" (DBG) eingestellt. Als Grund für den Ausstieg wird angegeben, dass die Organisationen "auf einer anderen Ebene" weiter arbeiten wollten. Das Bündnis, das mit dem Ziel gegründet worden war, gemeinsam politisch und militärisch gegen den türkischen Staat vorzugehen, ist in Berlin öffentlich nicht in Erscheinung getreten. Gegenseitige Vorbehalte und Differenzen über das strategische Vorgehen verhinderten offenbar eine Bündelung der Aktivitäten. Der Ausstieg der PKK aus dem Bündnis dürfte darin begründet sein, dass mögliche gewaltsame Aktionen der anderen Bündnispartner ihrem nachdrücklich vertretenen Gewaltverzicht widersprochen hätten. In einer Ende November veröffentlichten Erklärung gab das Bündnis seine Auflösung bekannt. 35 Anfang Juni verlegte das "Kurdische Informations-Zentrum" "Kurdisches (KIZ) seinen Sitz von Köln nach Berlin. Das KIZ ist die NachInformationsZentrum" folgeorganisation des vom PKK-Verbot betroffenen "Kurdistan Komitees e. V." bzw. des im März 1995 ebenfalls verbotenen "Kurdistan-Informationsbüros in Deutschland" (KIB). Seit Mai 1995 führt das KIZ die Aktivitäten dieser Organisationen fort und hat u. a. die Aufgabe, die Kontakte zu deutschen Solidaritätsgruppen sowie zu linksextremistischen türkischen Organisationen zu pflegen und auszubauen. Regelmäßig werden darüber hinaus durch das KIZ die Erklärungen ÖCALANs und der führenden Parteigremien in deutscher Übersetzung in das Internet eingestellt. Mit der Änderung ihrer Zielsetzung hat die PKK deutlich geGewaltverzicht macht, dass sie die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele nicht mehr für opportun hält. In mehreren Erklärungen ÖCALANs und der führenden Parteigremien wurden die bisherigen bewaffneten Auseinandersetzungen als legitim und notwendig, inzwischen aber als veraltetes Mittel dargestellt. Zur Unterstreichung der Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen, die politischen Ziele mit friedlichen Mitteln zu erreichen, hat die PKK im August begonnen, die kämpfenden Einheiten der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) aus der Türkei abzuziehen. Am 01. und 29. Oktober entsandte die PKK darüber hinaus zwei aus jeweils acht PKK-Funktionären bestehende "Gruppen für Frieden und eine demokratische Lösung" in die Türkei. Die Angehörigen der ersten Gruppe gehören nach Verlautbarungen der als Sprachrohr der PKK einzuschätzenden türkischsprachigen Tageszeitung "Özgür Politika" der ARGK, die der zweiten Gruppe der ERNK an. Bei ihrer Verhaftung übergaben sie Waffen und Briefe an Repräsentanten der Türkei. Die PKK-Mitglieder und -Sympathisanten in Europa werden regelmäßig angehalten, bei ihren Aktivitäten, insbesondere im Zusammenhang mit öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen, keine Gewalt anzuwenden. 36 Die Einstellung der Gewalthandlungen ist seitens der PKK und ihrer Anhänger eng an die Erwartung geknüpft, dass das Todesurteil gegen Abdullah ÖCALAN nicht vollstreckt, er möglicherweise freigelassen und in absehbarer Zeit die Kurdenfrage im Sinne ihrer Vorstellungen geregelt wird. Gewalt bei Sollte das Todesurteil vollstreckt werden, sei es nach einem am Vollstreckung 28. Oktober in der "Neuen Zürcher Zeitung" veröffentlichten des Todesurteils Interview mit Osman ÖCALAN - Bruder von Abdullah ÖCALAN sowie Kommandeur in der ARGK und Mitglied des Präsidialrates - dem kurdischen Volk (gemeint sind hier insbesondere die Anhänger der PKK) überlassen, auf welche Art und Weise es darauf reagiert. Die Hinrichtung sei ein "Befehl" für die Kurden, mit allen Mitteln zu kämpfen, die ihnen zur Verfügung stehen. Keiner - insbesondere offenbar auch nicht die Organisationseinheiten der PKK - hätte in diesem Fall die Lage unter Kontrolle. Dies bedeutet, dass mit einer erneuten Welle der Gewalt, auch mit einer Vielzahl von Terroranschlägen in der Türkei und in Europa einschließlich der Bundesrepublik Deutschland bei Vollstreckung des Todesurteils gerechnet werden muss. Ebenso werden diejenigen PKK-Anhänger, die dem derzeitigen Kurs der PKK, insbesondere dem Rückzug der kämpfenden Einheiten, skeptisch gegenüber stehen, in die Offensive gehen, wenn das erwartete Entgegenkommen der Türkei ausbleibt. In Berlin werden der PKK etwa 1 100 Personen zugerechnet, I Mitgliederstärke in Berlin das sind 9,2 % des bundesweiten Potentials. Bei Großveranstaltungen (z. B. zur Unterstützung ÖCALANs, zum kurdischen ,,Newroz"-(Neujahrs-) Fest oder zur alljährlichen, insbesondere von deutschen Staatsangehörigen unterstützten "Kurdistansolidarität" ist die PKK in der Lage, ein Mehrfaches ihrer Mitgliederzahl zu mobilisieren. Änderung der Auch die Berliner Gliederung der PKK hat nach der Verhaftung Aktionsformen ÖCALANs ihre Aktionsformen geändert. Insbesondere unter 37 dem Eindruck der Toten bei der Erstürmung des Israelischen Generalkonsulats in Berlin, aber auch aus strategischen Gesichtspunkten heraus, ist sie bemüht, sich als politisch agierende Partei darzustellen, die sich im Rahmen der hiesigen Gesetze bewegt. Bei öffentlichen Veranstaltungen verzichtet die PKK daher auch zunehmend darauf, Zeichen und Symbole der 1993 mit einem Betätigungsverbot belegten PKK und ERNK zu zeigen. Fahne der ERNK Aktionen der Berliner Gliederung der PKK Am 16. Februar drangen in den frühen Morgenstunden im Rahmen einer vermutlich europaweit zentral beschlossenen Operation etwa 150 Berliner Mitglieder und Sympathisanten der PKK in die Räumlichkeiten des Generalkonsulats der Griechischen Republik in Berlin-Schöneberg ein. Im Laufe des Tages skandierten sie Parolen zur Unterstützung ÖCALANs und zeigten Bilder mit seinem Konterfei sowie Fahnen und Transparente mit Emblemen und Parolen der PKK. Einige drohten, sich anzuzünden. Nach 16 Stunden wurde die Aktion beendet. Im Gebäude entstand ein Sachschaden von ca. einer Million DM. Die Besetzer wurden zeitweise von bis zu 1 000 weiteren Anhängern unterstützt, die sich vor dem Gebäude aufhielten. Eine Demonstrantin fügte sich Brandverletzungen zu. Am 17. Februar stürmten etwa 100 Berliner Mitglieder und Sympathisanten der PKK das Generalkonsulat des Staates Israel in Berlin-Wilmersdorf. Bei der Aktion überrannten die u. a. mit Holzknüppeln und Eisenstangen bewaffneten Kurden die vor dem Gebäude postierten Wachpolizisten, drangen mit Gewalt in 38 das Gebäude ein und griffen in den Räumen des Generalkonsulats massiv die israelischen Sicherheitskräfte an. Durch Schüsse der israelischen Sicherheitskräfte wurden vier Angreifer tödlich verletzt. Vor der israelischen Vertretung eintreffende weitere Polizeibeamte wurden von den Kurden ebenfalls massiv angegriffen. 27 Polizeibeamte wurden dabei teilweise schwer verletzt. Im Zusammenhang mit den Besetzungsaktionen am 16./17. Februar nahm die Polizei insgesamt über 230 Personen fest. Es wurden zahlreiche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Am 24. Februar und 05. März wurden für die getöteten Kurden Trauerzüge veranstaltet, die friedlich verliefen. Vereinzelt schritt die Polizei wegen Mitführens von waffenähnlichen Gegenständen und Zeigens von PKK-Symbolen ein. Zur Unterstützung ÖCALANs hat die PKK die Kampagne "Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden für Kurdistan" initiiert. Die Losung wurde nach Verkündung des Todesurteils gegen ÖCALAN um die Parole "Nein zur Todesstrafe" erweitert. In diesem Rahmen wurden bundesweit eine Vielzahl von Demonstrationen und Kundgebungen durchgeführt, an denen sich teilweise mehrere Tausend Kurden beteiligten. Die Veranstaltungen wurden regelmäßig von deutschen Sympathisanten - zumeist aus dem linksextremistischen Spektrum - unterstützt. In Berlin waren in diesem Zusammenhang über 20 öffentliche Veranstaltungen zu verzeichnen. Diese wurden vielfach von einem Rechtsanwaltsbüro im Namen von einzelnen Parlamentariern des Abgeordnetenhauses von Berlin angemeldet. Die Bestätigung des Todesurteils durch das Kassationsgericht am 25. November führte in Berlin zu keinen öffentlichkeitswirksamen Reaktionen. In den übrigen Bundesländern waren vereinzelt friedliche Demonstrationen zu verzeichnen. Die PKKAnhänger hatten mit dem Urteil gerechnet und wollten die weiteren politischen Diskussionen in der Türkei abwarten. 39 Weitere beispielhafte Aktivitäten der Berliner PKK-Gliederung 1999: Am 20. März beteiligten sich über schließlich Berliner Mitglieder und 2 000 Personen an einem von der Sympathisanten der PKK sowie Berliner PKK-Gliederung initiierten einige deutsche Sympathisanten, Fackelzug vom Hermannplatz im Veranstaltungskomplex "ARE(Neukölln) zum Kottbusser Tor NA", Eichenstr. 4 (Treptow), an (Kreuzberg) aus Anlass des kureiner Festveranstaltung anlässlich dischen "Newroz"-(Neujahrs-) Fedes 21. Jahrestages der Gründung stes. Unter den Teilnehmern beder Organisation teil. Die von drei fanden sich auch etwa 400 AnhänBerliner PKK-Aktivisten geleitete ger verschiedener linksextremistiVeranstaltung stand unter dem scher türkischer Organisationen Motto "Für Frieden und Demosowie etwa 100 deutsche Symkratie". Es wurde ein umfangpathisanten. reiches Kulturund FolkloreproIn mehreren Redebeiträgen wurgramm geboten. In ihren Reden den Grüße an den PKK-Führer betonten führende Funktionäre ÖCALAN gerichtet und für sein verschiedener PKK-NebenorganiVerfahren ein "unabhängiges insationen die Rolle der PKK und ternationales Gericht" gefordert. ihres Führers Abdullah ÖCALAN Die Welt, so auch die Türkei, für das kurdische Volk und die müsse begreifen, dass es ohne Bedeutung des momentanen FrieLösung der Kurdenfrage keinen denskurses. Im Anschluss an die Frieden in der Türkei geben könne. Vorträge wurden von den Rednern Am 27. November nahmen etwa und den Zuhörern PKK-Parolen 2 000 Personen, nahezu ausskandiert. Beteiligung von Berliner PKK-Mitgliedern und Sympathisanten an überregionalen Veranstaltungen: An einer europaweiten Demonzeit gezeigt. Nach Einschreiten der stration am 17. April in Bonn unter Polizei wurde dies nahezu gänzlich dem Motto "Frieden in Kurdistan - unterlassen. Demokratie in der Türkei" nahmen An einer Großdemonstration der nach offiziellen Schätzungen etwa PKK-Anhängerschaft am 05. Juni 80 000 Personen teil. Der Veranvor dem Internationalen Gerichtsstalter bezifferte die Teilnehmerhof in Den Haag unter dem Motto zahl auf etwa 200 000 Personen. "Treff mit dem Prozess des JahrAus Berlin waren etwa 2 500 Anhunderts - Freiheit für den Führer hänger der PKK angereist. An der APO und Frieden für Kurdistan" Veranstaltung beteiligten sich beteiligten sich etwa 30 000 Perauch Anhänger verschiedener sonen aus den Benelux-Ländern linksextremistischer türkischer Orund der Bundesrepublik Deutschganisationen. Diese hatten auch land. Aus Berlin waren die Teildie Aufrufe zur Teilnahme im Vornehmer mit 15 Reisebussen angefeld unterstützt. Während der Dereist. In einer Nachbetrachtung monstration kam es zu keinen erbewertete die hiesige PKK-Gliekennbaren Zwischenfällen. Verboderung die Veranstaltung als ertene Symbole wurden nur vereinfolgreich, doch sei sie in der inter- 40 nationalen Presse nicht angemesurteil gegen Abdullah ÖCALAN sen gewürdigt worden. beteiligten sich etwa 20 000 PerAn einer Parallelveranstaltung vor sonen, u. a. aus Frankreich, Beldem norwegischen Parlament in gien, den Niederlanden, der Oslo zum gleichen Thema beteiSchweiz und Österreich. Aus Berligten sich laut "Özgür Politika" lin waren etwa 900 Teilnehmer in Tausende Kurden und "Freunde". 18 Busseh und zahlreichen Pkw In Beirut / Libanon seien 5 000 angereist. Demonstranten zum "UN-GebäuDie Demonstranten zogen in zwei de" marschiert. Marschblöcken durch die InnenAn einem von einer "Dialoggruppe stadt zum Kundgebungsgelände Kurdistan" angemeldeten "Kulturim Messe-Bereich. Unterwegs festival" am 28. August im Dortzeigten sie Bilder ÖCALANs und munder Westfalenstadion unter skandierten "Freiheit für ÖCAdem Motto "Nein zur Todesstrafe - LAN". Nur vereinzelt wurden FahFrieden jetzt!" haben sich Presnen und sonstige Symbole der semeldungen zufolge etwa 50 000 PKK sowie ERNK gezeigt. Der Personen beteiligt. Aus Berlin waPKK-nahe Fernsehsender "MEDren etwa 1 200 Mitglieder und AnYA-TV" berichtete live über die hänger der PKK angereist. WähAufzüge. Während der Veranstalrend des überwiegend durch Kultung wurde u. a. live eine Grußturund folkloristische Beiträge adresse des Präsidialrates der gekennzeichneten Festivals wurde PKK übertragen. Der Aufzug verlief eine Grußadresse ÖCALANs verfriedlich. lesen, in der er sich u. a. für die Solidarität des kurdischen Volkes An einer von der PKK initiierten, bedankte. Jeder der anwesenden unter dem Motto "Nein zur TodesKurden sollte mit dem türkischen strafe - Frieden jetzt" angemeldeVolk wegen der zahlreichen Erdten Demonstration in Köln am bebenopfer trauern und seine Hilfe 04. Dezember beteiligten sich in Aussicht stellen. Weiterhin Polizeiangaben zufolge etwa 9 000 sollte alles daran gesetzt werden, Personen. In einem Bericht der Frieden und Demokratie in der Tageszeitung "Özgür Politika" Türkei zu erreichen. Hochrangige wurde die Teilnehmerzahl auf Vertreter u. a. der ERNK, des 50 000 Kurden beziffert. Aus Berlin PKDW und des KNK sprachen in waren etwa 500 Anhänger der ihren Reden die Beendigung des PKK in angemieteten Bussen und Krieges, das angestrebte demoprivaten Kfz angereist. kratische Zusammenleben von Nach Angaben von "Özgür PoliTürken und Kurden, Freiheit für tika" stand die Veranstaltung unter ÖCALAN und die Folgen des dem Motto "Freiheit für ÖCALAN". schweren Erdbebens in der Türkei Es seien Grußadressen des PKKan. Im Stadion waren neben Generalvorsitzenden Abdullah Bildern von ÖCALAN und "MärtyÖCALAN, des Präsidialrats der rern" der kurdischen FreiheitsPKK, der "Nationalen Befreibewegung zahlreiche Fahnen der ungsfront Kurdistans" (ERNK) und PKK, der ERNK und der ARGK zu "zahlreicher anderer Organisehen. Die Veranstaltung verlief sationen" übermittelt worden. friedlich. Frauen und Kinder, die Plakate mit der Aufschrift "Entweder Freiheit An einer Großdemonstration der oder Tod" um den Hals trugen, PKK am 09. Oktober anlässlich der hätten ihre Verbundenheit zu in Pressemitteilungen angeihrem "Nationalen Führer" zum kündigten möglichen EntscheiAusdruck gebracht. dung des Kassationsgerichts in Ankara (Türkei) über das Todes- 41 Exekutivmaßnahmen rung von Reisen für Kader und Kuriere mitgewirkt haben. Am 19. Januar wurden auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft KobEbenfalls am 05. Oktober wurde in lenz in sechs Bundesländern Paris ein hochrangiger PKK-FunkWohnungen und andere Räumtionär festgenommen, der unter lichkeiten von mutmaßlichen Undem Verdacht steht, Drahtzieher terstützern der PKK durch Polifür die zeitweilige Besetzung des zeibeamte durchsucht. Insgesamt Griechischen Konsulats am handelte es sich um 49 Objekte. In 16. Februar 1999 in Leipzig geweBerlin war davon das Regionalsen zu sein. Er war zu dieser Zeit büro der "Kurdischer Roter Halbder PKK-Regionalverantwortliche mond e. V." (Heyva Sor A Kurfür Berlin und weitere Bundesdistane) [HSK] betroffen. Bei den länder. Durchsuchungen beschlagnahmte die Polizei z. T. umfangreiches Am 13. Oktober wurden aufgrund Beweismaterial, das den bestevon Beschlüssen des Amtsgehenden Tatverdacht wegen des richts Tiergarten von Berlin 20 Verstoßes gegen das VereinsWohnungen von Personen durchgesetz, das Einsammeln von sucht, die beschuldigt werden, an Spenden und der Verbreitung von der zeitweiligen Besetzung des Propagandamaterial erhärtete. Generalkonsulats der GriechiAm 05. Oktober wurde in Berlin schen Republik in Berlin am von Beamten des BKA ein sog. 16. Februar beteiligt gewesen zu PKK-Reisekader wegen Verdachts sein. Bei den Durchsuchungen der Mitgliedschaft in einer krimiwurde in einigen Objekten PKKnellen Vereinigung und der UrkunPropagandamaterial gefunden, jedenfälschung verhaftet. Der in doch ohne direkten Bezug zur Berlin lebende türkische StaatsanBesetzungsaktion. Auch im übrigehörige soll seit August 1996 gen Bundesgebiet wurden in diehauptamtlicher Führungsfunktiosem Zusammenhang sieben Wohnär der PKK gewesen sein. Er soll nungen durchsucht. hauptsächlich an der OrganisieFinanzierung Die finanziellen Mittel der PKK stammen aus SpendensammMaßgebliche lungen, Mitgliedsbeiträgen, Einnahmen aus dem Verkauf von I Finanzierung t *. durch Spenden Publikationen und Gewinnen "parteieigener" Unternehmen sowie durch Schutzgelderpressung. Der hier erzielte Gesamtbetrag beträgt bundesweit jährlich mehrere Millionen DM, in Berlin mehr als eine Million DM. Von den Spendensammlern wurden dabei in der Vergangenheit teilweise Drohungen ausgesprochen und in einigen Fällen ist auch Gewalt angewendet worden. 42 Die PKK wird in der Spendenkampagne 1999/2000 Schwierigkeiten haben, den Spendenumfang der vorangegangenen Jahre zu erreichen. Nach dem Kurswechsel der Partei müssen viele PKK-Anhänger erst noch davon überzeugt werden, dass die PKK nach dem Verzicht auf den bewaffneten Kampf und dem Rückzug der ARGK aus der Türkei nicht weniger Mittel benötige als vorher. 5.2 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-CDevrimci Sol) Sitz: Türkei Organisationsstruktur: Konspirativ arbeitende Kaderorganisationen Mitgliederzahl: 1 100 bundesweit (1998: 1 200) 55/10 in Berlin (1998: 50 DHKP-C; 10 THKP-C-Dev Sol) Entstehung/Gründung: 1994 Verbot: 13. August 1998 Ideologie: Marxistisch-leninistisch/ revolutionär-marxistisch Die beiden aus der 1994 vollendeten Spaltung der in Deutschland verbotenen Devrimci Sol hervorgegangenen und miteinander rivalisierenden Organisationen "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) streben den gewaltsamen Umsturz des türkischen Staatssystems an. Die DHKP-C ist dabei in der Türkei mit terroristischen Aktionen in Erscheinung getreten. Sie verübte im September 1999 einen Sprengstoffanschlag auf ein Büro des Finanzministeriums in Istanbul, bei dem 20 Menschen verletzt wurden. Nach einer am gleichen Tag im Internet verbreiteten Erklärung der DHKC, des militärischen Arms der DHKP-C, protestiere die Organisation damit gegen die vom türkischen Parlament verabschiedete Reform des Sozialversicherungssystems und verleihe der Forderung nach Einstellung der Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Nachdruck. 43 Beide Organisationen nutzten die Erdbebenkatastrophe in der Türkei für ihre Polemik gegen die türkische Regierung, die beispielsweise beschuldigt wurde, für das Ausmaß der Erdbebenkatastrophe verantwortlich zu sein. In der von der DHKC veröffentlichten Erklärung heißt es u. a.: "Der Verantwortliche für die Toten und Obdachlosen nach diesem Erdbeben ist der Staat. Wenn wir keine Rechenschaft verlangen, nicht nach unseren Rechten suchen, werden wir weiter ermordet." In ähnlicher Weise äußerte sich die THKP/-C Devrimci Sol in der unter Verwendung der Bezeichnung Devrimci Sol verbreiteten Erklärung: "Aus diesem Grunde sind die Ergebnisse der Naturkatastrophe kein Schicksal. Genau umgekehrt, es ist ein Blutbad. Und an erster Stelle verantwortlich für dieses Blutbad ist die Regierung, die die Interessen des Kapitals vertritt". In der Bundesrepublik wurden die beiden Organisationen am Verbot 13. August 1998 vom Bundesminister des Innern verboten. Die 1998 in Deutschland Verbote stützen sich u. a. darauf, dass die Tätigkeiten beider Organisationen gegen deutsche Strafgesetze verstoßen und die innere Sicherheit und Ordnung gefährden. Beide Organisationen hatten ihre Streitigkeiten seit 1993 auch mit Waffengewalt ausgetragen. In diesem Zusammenhang kam es 1997 bis Anfang 1998 zu einer Eskalation, als sich die Anhänger beider Organisationen in verschiedenen deutschen Städten wechselseitig, zumeist als Vergeltung gedachte Schusswechsel lieferten, die teilweise schwerverletzte Opfer forderten. 44 Reaktionen auf das Verbot Sowohl die DHKP-C als auch die THKP/-C - Devrimci SoJ reagierten auf das Verbot bisher in publizistischer Form. Die THKP/-C - Devrimci Sol polemisierte im vergangenen Jahr in der Ausgabe der "Devrimci Cözüm" vom Oktober 1998 gegen das Verbot: "Der deutsche Imperialismus zielt darauf ab, der Organisation des Rückhalts der revolutionären - demokratischen - patriotischen Front einen Schlag zu versetzen, um der türkischen Regierung, die trotz des schmutzigen Krieges dem Terror nicht das Rückgrat brechen konnte, zu helfen. (...) Der Kampf gegen Faschismus und Imperialismus ist für uns ehrenvoll und der Garant für die Zukunft. Keine Unterdrückung und kein Verbot wird uns von diesem Weg abbringen können." In ähnlicher Weise äußerte sich die weitaus aktivere und mitgliederstärkere DHKP-C. Nachdem sie im August 1998 bereits eine Stellungnahme unter der Überschrift "Der Kampf gegen Faschismus ist legitim" im Internet veröffentlicht hatte, nach der das Verbot politisch bedingt sei und für die anstehenden Wahlen und für die neue Phase in der Beziehung zur Türkei hilfreich sei, verbreitete sie im Internet eine weitere, unter der Überschrift "Die DHKP-C wird alle Demagogien und Verbote des deutschen Imperialismus ins Leere laufen lassen" abgefasste Stellungnahme. In dieser polemisiert sie erneut gegen das Verbot und rechtfertigt ihre Aktivitäten. So werde der bewaffnete Kampf nur in der Türkei geführt. Die Bundesrepublik Deutschland sei allerdings ein ausbeuterisches imperialistisches Land, das nach wie vor die Politik des "faschistischen Nazi-Deutschlands" vertrete. Auch wird erneut abgestritten, in Deutschland Spendengelder zu erpressen. Das in den Verbotsverfügungen dargestellte Ausmaß des Konfliktes mit der THKP/-C - Devrimci Sol wird verharmlost, deren Anhänger werden dabei jedoch als "putschistische Verräterbande" bezeichnet. 45 Nach dem Verbot wurden in Deutschland mehrere Aktivisten und mutmaßliche Führungsfunktionäre insbesondere der DHKP-C festgenommen und teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen u. a. wegen Rädelsführerschaft bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, versuchten Totschlags und versuchter Geiselnahme verurteilt. Zuletzt wurde im Oktober 1999 der mutmaßliche Europaund Deutschlandverantwortliche der DHKP-C in der Schweiz festgenommen, gegen den ein internationaler Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe u. a. wegen Verdachts der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, Beihilfe zum versuchten Totschlag und versuchter Anstiftung zum Mord bestand. Die Festnahmen und Verurteilungen veranlassten einen Teil der linksextremistischen deutschen Szene zur Solidarisierung mit der DHKP-C. In der Szenepublikation "INTERIM" vom 26. August 1999 wurde z.B. u.a. von einem "bundesweiten Zusammenschluss der Prozessbeobachtungsgruppen zum DHKP-C-Prozess" und einer "gruppe mücadele" zur Unterstützung der angeblich von Repression betroffenen DHKP-C und ihres Befreiungskampfes in der Türkei/ Nordkurdistan aufgerufen. Des Weiteren forderten diese Gruppen die Aufhebung des Verbotes der DHKP-C. Aktivitäten in Berlin 1999 Die Anhängerschaft der DHKP-C in Berlin demonstrierte am 06. Februar 1999 "Gegen die CDU-Kampagne zur doppelten Aktivitäten in Berlin 1999 Staatsangehörigkeit". An der Demonstration, die vom Rathaus Neukölln zum Oranienplatz in Kreüzberg führte, beteiligten sich etwa 70 Personen, unter denen sich auch DHKP-C-Angehörige aus anderen Bundesländern befanden. Aus Anlass der Gefangenenrevolten in den türkischen Gefängnissen, bei denen auch Mitglieder der DHKP-C ums Leben ge- 46 kommen waren, beteiligten sich Angehörige der Berliner Gliederung der DHKP-C am 01. Oktober 1999 an einer in BerlinKreuzberg durchgeführten Demonstration zum Thema "Ereignisse im türkischen Gefängnis in Ankara". An dem Aufzug nahmen etwa 200 Personen teil. Im Vorfeld der Demonstration wurden Flugblätter festgestellt, die zu einem "Internationalistischen Block auf der Demonstration des Berliner Unterstützungskomitees für die revolutionären Gefangenen in der Türkei" aufriefen. Zu den Unterzeichnern dieses Aufrufes gehörten auch die "Prozessgruppen zu den DHKP-C-Prozessen", ein "Volkskulturhaus" sowie zahlreiche iranische Organisationen. In Berlin gibt es nur eine kleine Anhängerschaft der THKP-C Dev Sol, die nicht mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen in Erscheinung getreten ist. 5.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) Sitz: Auslandsbüros in Duisburg und Köln Organisationsstruktur: Konspirativ arbeitende Kaderpartei Mitgliederzahl: 1 900 bundesweit (1998: 2 000) 180 in Berlin (1998: 180) Entstehung/Gründung: 1971, in der Bundesrepublik seit 1973/74 Ideologie: Sozialrevolutionär Die in der Türkei terroristisch operierende und konspirativ arbeiIdeologie tende TKP/M-L propagiert den Sturz des Regierungssystems in der Türkei durch "revolutionären Kampf. Die Organisation ist jedoch nach wie vor von Spaltungen und Faktionsbildungen geprägt. Die sog. Mutterorganisation ist gegenwärtig aufgrund eines 1994 erneut entfachten internen Machtkampfes in zwei organisatorisch voneinander unabhängige Flügel gespalten. "Partizan"Beide - der "Partizan"-Flügel und das "Ostanatolische GebietsFlügel, komitee" (DABK) - nahmen für sich in der Vergangenheit die DABK Bezeichnung TKP/M-L in Anspruch und trugen ihre Auseinan- 47 dersetzungen um den ideologischen Alleinvertretungsanspruch auch in der Bundesrepublik Deutschland z. T. gewaltsam aus. Für den Bereich Berlin war jedoch eher eine zweckgebundene Kooperation zu beobachten. Homepage im Internet Die Berliner Anhänger der beiden TKP/M-L-Flügel, "Partizan" Weiterhin und DABK, entfalteten auch im Jahr 1999 kaum eigene Aktiviandauernde Stagnation täten. Beide Flügel nahmen mit einzelnen Anhängern an den der Aktivitäten Veranstaltungen anderer Organisationen des Spektrums der türkischen Linken teil, die - wie z. B. Solidaritätsaktionen mit Hungerstreikenden in türkischen Gefängnissen, Protestaktionen aus Anlass der Häftlingsrevolten oder bei Veranstaltungen des "Solidaritätskomitees mit den Samstagsmüttern" - zumeist Reaktionen auf politische Ereignisse in der Türkei waren. An Trauerkundgebungen der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) am 24. Februar 1999 sowie am 05. März 1999 für die Kurden, die bei der Erstürmung des Generalkonsulates des Staates Israel in Berlin am 17. Februar 1999 getötet worden waren, beteiligten sich nahezu alle linksextremistischen türkischen Organisationen, u. a. Anhänger verschiedener Fraktionen der TKP/M-L. 48 Auch an einem von der Berliner Gliederung der PKK initiierten Fackelzug aus Anlass des "Kurdischen Volksfestes Newroz" am 20. März 1999 vom Hermannplatz zum Kottbusser Tor in BerlinKreuzberg war die TKP/M-L vertreten. Maoistische Als weiterer Flügel mit ausgeprägter Militanz ist die Maoistische Parteizentrale Parteizentrale der TKP/M-L von Bedeutung, die 1999 auch in Berlin Aktivitäten entfaltete. Während einer aus Kreisen der Berliner PKK-Region angemeldeten Kundgebung am 24. März 1999 unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN - Frieden in Kurdistan", "Sendefreiheit für den kurdischen Fernsehsender MED-TV" An der Urania (Schöneberg) verteilten Anhänger des maoistischen Flügels der TKP/M-L Flugblätter. Diese richteten sich gegen die Festnahme des PKK-Führers ÖCALAN und enthielten Aufrufe, den bewaffneten Kampf gegen die Republik Türkei und den "Imperialismus" zu steigern. Am 31. Mai 1999 fand eine Demonstration unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN - Frieden für Kurdistan" vom Breitscheidplatz (Charlottenburg) zur U-Haftanstalt Moabit, Alt-Moabit Ecke Rathenower Straße (Tiergarten) statt. Der Teilnehmerkreis setzte sich größtenteils aus Mitgliedern und Sympathisanten der PKK aus Berlin und dem Umland zusammen. Ferner waren etwa 100 bis 200 Anhänger türkischer linksextremistischer Organisationen feststellbar, u. a. der TKP/M-L. 49 5.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Sitz: Türkei, Berliner Stützpunkt Organisationsstruktur: Nicht bekannt Mitgliederzahl: 700 bundesweit (1998: 700) 25 in Berlin (1998: 30) Entstehung/Gründung: Fusion der ehemaligen "Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten-Bewegung" (TKP/M-L[H]) mit der "Türkischen Kommunistischen Arbeiterpartei" (TKIH). Ideologie: Marxistisch-leninistisches Selbstverständnis Die wesentlichen Aktivitäten der Berliner Gliederung der in der Türkei terroristisch operierenden MLKP sind neben der propagandistischen Unterstützung der Solidaritätsaktionen mit den sog. Samstagsmüttern die Durchführung öffentlicher Aktionen, die zumeist politische Ereignisse in der Türkei thematisieren. Bei den "Solidaritätsaktionen" handelt es sich um Kundgebungen nach dem Vorbild einer Protestbewegung von Frauen in Aktivitäten in der Türkei, die in größeren Städten jeweils samstags auf die Berlin Schicksale ihrer Angehörigen hinweisen, die nach polizeilichen Festnahmen ohne weitere Nachricht verschwunden seien. In Berlin werden seit Oktober 1996 die Kundgebungen eines "Solidaritätskomitees mit den Samstagsmüttern" in Abständen von 14 Tagen durchgeführt. Der Teilnehmerkreis setzt sich aus Berliner Mitgliedern und Sympathisanten der PKK, der MLKP, der Flügel DABK und "Partizan" der TKP/M-L sowie deutschen Sympathisanten zusammen. Einen weiterer Schwerpunkt der Aktivitäten war die Teilnahme an mehreren, gemeinsam mit anderen linksextremistischen türkischen Organisationen und der PKK durchgeführten Solidaritätsveranstaltungen: 08. Mai: 22. Mai: Teilnahme an einer sog. AntiBeteiligung an einer von der PKK Kriegs-Demonstration mit mehreunter dem Motto "Freiheit für ren tausend Teilnehmern; auf den Abdullah ÖCALAN" durchgeführmitgeführten Transparenten wurde ten Menschenkette auf dem Kurdie NATO als Mörder bezeichnet fürstendamm, an der sich insgeund eine Beendigung des Krieges samt etwa 2 000 Personen beteiim Kosovo gefordert. ligten. 50 31. Mai: 01. Oktober: Beteiligung an einer SolidaritätsBeteiligung an einer anlässlich der demonstration für Abdullah ÖCAin der Türkei ausgebrochenen LAN und die in Berlin zu diesem Häftlingsrevolte in Berlin-KreuzZeitpunkt im Zusammenhang mit berg durchgeführten Demonstrader Erstürmung des israelischen tion. An dieser nahmen u. a. BerKonsulates inhaftierten Kurden liner Anhänger der DHKP-C und und Türken. der TKP/ M-L teil. Bei der GefängEs beteiligten sich insgesamt etwa nisrevolte waren 10 Häftlinge ums 3 000 Personen an der KundLeben gekommen, unter denen gebung. sich Mitglieder der MLKP befanden. Ferner protestierte die Berliner Anhängerschaft der MLKP am 09. Juli 1999 gegen die Ermordung des Erol ISBIR unter dem Motto "Gegen den Überfall des Arbeiterund Jugend-Kulturvereins in Köln und der Tötung eines Vereinsmitglieds". ISBIR war am 01. Juli 1999 im Kölner Vereinslokal der "Föderation der Arbeiterimmigranntlnnen aus der Türkei" (AGIF), der Basisorganisation der MLKP in Deutschland, erstochen worden. Für die Tat wurden zunächst "türkische Faschisten" verantwortlich gemacht. Der friedlich verlaufene Demonstrationszug, an dem sich über 100 Personen beteiligten, führte vom Hermannplatz (Neukölln) zum Kottbusser Tor (Kreuzberg). Es nahmen auch Anhänger der TKP/M-L und anderer türkischer linksextremistischer Organisationen teil. Der Tat lag dem Geständnis eines der Täter zufolge offenbar kein politisches, sondern ein persönliches Motiv zugrunde. 51 6 Iraner 6.1 Staatsterroristische Bestrebungen des Iran Unter "Staatsterrorismus" versteht man den systematisch geDefinition führten Kampf einer Regierung zur Aufrechterhaltung ihrer eiStaatsterrogenen Herrschaft mittels Gewaltandrohung und Gewaltmaßrismus nahmen gegen Regimegegner auch außerhalb des jeweiligen Staatsgebietes. Die Aktionen dienen nicht allein der Einschüchterung und Ausschaltung einzelner Regimegegner, sondern auch der Verunsicherung und Disziplinierung aller anderen Oppositionellen. Zudem bedienen sich solche Regierungen des Terrorismus auf internationaler Ebene zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele. Beide Varianten des rechtswidrigen Einsatzes staatlicher Gewalt unterhalb der Schwelle des Krieges ("Ersatzkrieg") werden von den Verfassungsschutzbehörden als Staatsterrorismus bezeichnet. Träger staatsterroristischer Bestrebungen in Deutschland waren in der Vergangenheit die Nachrichtendienste des Iran, Libyens, Syriens und des Irak . Die Morde an vier iranisch-kurdischen Oppositionspolitikern am 17. September 1992 in Berlin, vom Berliner Kammergericht in seinem am 09. Dezember 1998 unanfechtbar gewordenen Urteilsspruch vom 10. April 1997 als Auftragstat der iranischen Staatsführung bezeichnet, stehen beispielhaft für staatsterroristisches Handeln. Seit Schließung der Berliner Außenstellen Seit 1992 keine der irakischen, libyschen und syrischen Botschaften und dem staatsterroriAbzug des gesamten Personals - einschließlich der nachrichstischen Aktivitäten in Berlin tendienstlichen Mitarbeiter dieser Außenstellen im Jahre 1992 - wurden keine staatsterroristischen Aktivitäten der Nachrichtendienste dieser Länder in Berlin mehr bekannt. Als sicher gilt jedoch, dass diese Nachrichtendienste ihre AusFortsetzung forschungsbemühungen gegen oppositionelle Gruppierungen nachrichtenund Einzelpersonen im Ausland fortsetzen. dienstlicher Aktivitäten 52 SteuerungsDer Iran steuert auch "nachrichtendienstliche" Versuche, auf versuche des nach europäischem Verständnis religiöse Einrichtungen anderer Iran ... Nationalitäten Einfluss im Sinne eines Exports der "islamischen Revolution" zu nehmen. Seit der Machtübernahme von Ayatollah KHOMEINI und seinen Anhängern 1979 bedroht der Iran mit seiner eigenen Interpretation des Islam andere Staaten und versucht, in einer Art religiösem und letztlich hegemonistischem "Kulturexport" diese Auslegung weltweit, insbesondere aber in den Nachbarländern auch zur Wahrung seiner machtpolitischen Interessen zu verbreiten. Das iranische Regime gewährt einer Vielzahl islamisch-extremistischer Oppositionsgruppen in anderen - auch nicht-arabischen - Ländern materielle Unterstützung. Beispielhaft hierfür ist die aktive Rolle des Iran bei der Gründung der terroristischen "Hizb Allah" im Libanon. Der Iran ist auch weiterhin bemüht, in Deutschland seinen Ein... auch in Deutschland fluss auf die hier lebenden nicht-iranischen Muslime kontinuierlich auszubauen. Die religiös-ideologische Beeinflussung dieser Zielgruppen wird in teilweise verdeckter Weise von staatlichen iranischen Stellen, z. B. durch finanzielle Beteiligung an kulturellen Programmen, gefördert. Derartige Aktivitäten konnten in der Vergangenheit auch in Berlin festgestellt werden. 6.2 "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Sitz: Hauptsitz Teheran (Iran) Organisationsstruktur: Verein Mitgliederzahl: 150 bundesweit (1998: 150) 20 in Berlin (1998: 20) Entstehung/Gründung: Anfang der 60er Jahre Ideologie: Islamistisch Die U.I.S.A. wurde nach dem Sieg der Islamischen Revolution Propagandaim Iran zu einer Propaganda-Organisation für die Islamische Organisation für Republik Iran umgewandelt. In Deutschland wurde sie im Januden Iran ar 1976 in Bochum vereinsrechtlich registriert. U.I.S.A.-Mitglie- 53 >\UäJij/jdii/ä^ii/b!/j:itelf.ilfö der gelten als fanatische Verfechter des derzeitigen islamistischen Regimes im Iran. Als Dachorganisation regimetreuer iranischer Studenten im "RevolutionsAusland vertritt die U.I.S.A. unverändert als einzige iranische export" Studentenorganisation in Deutschland die trotz vermeintlich existenter moderaterer Strömungen im Iran nach wie vor die geltenden Prinzipien der "Islamischen Revolution" und unterstützt bedingungslos die iranischen Interessen im Ausland. Ihre Aktivitäten zielen u. a. auf die Schaffung und den Ausbau von Beziehungen zu türkischund arabisch-schiitischen Organisationen und Moschee-Vereinen, um das Bemühen des Iran zu unterstützen, einen bestimmenden Einfluss auf die weltweite schiitische Bewegung zu gewinnen. Die U.I.S.A. betrachtet alle als anti-islamisch verstandenen Ereignisse als Teil einer weltweiten Verschwörung des Westens. Folgerichtig lehnt sie auch den arabisch-israelischen Friedensprozess strikt ab. Die U.I.S.A. war auch 1999 öffentlich kaum aktiv. Ihre Aktivisten Aktivitäten 1999 traten vorwiegend jeweils zum Ende des Ramadan bei den auf Initiative des Iran bundesweit (seit 1996 in Berlin) veranstalteten Demonstrationen anlässlich des sog. GHODS-Tages ("Jerusalem-Tag") in Erscheinung. Der "GHODS"-Tag wurde 1979 von Ayatollah KHOMEINI initiiert, um die Muslime an ihre Verpflichtung zur "Befreiung Jerusalems von den Zionisten" zu erinnern. In Deutschland werden an diesem Tag seit mehreren Jahren Demonstrationen abgehalten. An den bundesweiten Veranstaltungen in Berlin hatten sich seit 1996 bis zu 2 000 Muslime beteiligt. An der zentralen Veranstaltung am 16. Januar 1999 nahmen in Berlin etwa 1 800 Muslime teil, die wie in den Vorjahren aus verschiedenen Städten des Bundesgebietes angereist waren. Während der Demonstration wurden auch in diesem Jahr Hetzparolen gegen die angebliche Unterdrückung durch den israelischen Staat skandiert und Transparente mit Anklagen gegen Israel, die USA und deren Verbündete, darunter auch die Bun- 54 desrepublik, entrollt. Höhepunkt der Veranstaltung war erneut ein Redebeitrag des Leiters des unter iranischer Regie stehenden "Islamischen Zentrums Hamburg" (IZH). Das durch die U.I.S.A.-Studenten repräsentierte wissenschaftIllegaler lich-technische Potential wird vom Iran heute vornehmlich für "Technologiedie (auch illegale) Beschaffung technologisch relevanter InforTransfer" mationen genutzt, mit denen Lücken in der wirtschaftlichtechnischen und militärischen Entwicklung des Iran geschlossen und die angestrebte Vormachtstellung des Iran in der Region gesichert werden sollen. 6.3 Oppositionelle Iraner Die Opposition gegen die Herrschaft der Mullahs im Iran ist zersplittert und - soweit nicht ausgeschaltet - weitgehend ins Exil Mitgliederrückgang vertrieben. In Deutschland bzw. Berlin haben nahezu alle bedeutenden iranischen Oppositionsgruppen auch wegen ihrer konstant geringen Mitgliederzahl in den letzten Jahren wenig Einfluss ausüben können. Sie stellen jedoch nach wie vor ein wesentliches Aufklärungsziel für die iranischen Nachrichtendienste dar. Als bedeutendste iranische Oppositionsgruppe ist die "Organisation der Volksmodjahedin Iran" (PMOI) anzusehen. 55 "Organisation der Volksmodjahedin Iran" (PMOI) Sitz: Bagdad/Irak - in Deutschland: Köln Organisationsstruktur: Die PMOI ist seit 1985 die dominierende Gruppierung im "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI), dem "Exilparlament im Widerstand". Mitgliederzahl: 900 bundesweit (1998: 900) 20 in Berlin (1998: 20) Entstehung/Gründung: 1965 Ideologie: Islamisch mit sozialrevolutionärer Prägung Die PMOI betreibt den Sturz des Teheraner Regimes. Von ihren Stützpunkten im Irak steuert ihr militärischer Flügel, die "NatioZiel: Sturz des nale Befreiungsarmee" (NLA), Kommandos für terroristische Teheraner Anschläge im Iran. Seit 1965 hat sich die PMOI zu zahlreichen Regimes Gewalttaten gegen iranische Regierungsvertreter und den Sicherheitsapparat des Landes bekannt. Die straff geführte und Sozialrevolutionär geprägte islamische Kaderorganisation betreibt von ihrem Sitz in Bagdad/Irak einen zentral gesteuerten Propagandaapparat im Ausland. Ihre im irakischen Exil lebenden Führer Masoud und Marjam RADJAVI lassen sich durch ihre Anhänger in einem sektenartigen Führerkult verherrlichen. Der im Sommer 1981 von PMOI-Generalsekretär Masoud RADJAVI mit einigen weiteren Oppositionsführern gegründete "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) wird NWRI seit 1985 von der PMOI dominiert und seit August 1993 von ihr als "Exilparlament im Widerstand" bezeichnet. Nach dem Scheitern ihrer Mitte 1993 gestarteten Versuche, sich bei westlichen Regierungen und Massenmedien als "demoAktivitäten 1999 kratisch legitimierte Exilregierung" darzustellen, verfolgte die PMOI 1999 eine Doppelstrategie, deren integrale Bestandteile die Verstärkung der terroristischen Aktivitäten im Heimatland Iran und parallel hierzu konzentrierte Propagandaaktivitäten in Europa und den USA waren. Während die PMOI wie in den Vorjahren die Verantwortung für mehrere Terroranschläge auf Funktionsträger und Regierungs- 56 gebäude im Iran übernahm, versuchte die Organisation im Ausland mit großangelegten Protestaktionen medienwirksam ihrer zunehmenden politischen Isolierung und Bedeutungslosigkeit entgegenzuwirken. Dabei konzentrierte sich die PMOI auf die kontinuierliche Diskreditierung des im Westen als gemäßigt geltenden iranischen Staatspräsidenten KHATAMI, dessen Staatsbesuche sie in Italien im März und Frankreich im Oktober 1999 mit massiven Störaktionen begleitete. Die von der PMOI bekämpfte fortschreitende Wiederannäherung Irans an den Westen stand auch im Mittelpunkt der von der PMOI initiierten Demonstrationen anlässlich des G-8 Gipfeltreffens in Köln im Juni, zu denen die Organisation bestrebt war, ein größtmögliches Potential ihrer Anhänger zu mobilisieren. Mit bis zu 4 500 Teilnehmern auf verschiedenen Veranstaltungen, die teilweise von Ausschreitungen begleitet wurden, versuchte die PMOI die mit dem Ereignis verbundene Medienpräsenz dahingehend zu nutzen, sich der Weltöffentlichkeit als einzige "schlagkräftige" Opposition gegen das bestehende iranische System zu präsentieren. Die in Berlin seit 1983 bestehende regionale Gliederung, deren Mitglieder sich an den europaweiten Protestaktionen beteiligten, organisierte mehrere friedlich verlaufene Kundgebungen in Berlin, u. a. vor dem Generalkonsulat der Islamischen Republik Iran, die allerdings generell nur eine geringe Resonanz fanden. Themenschwerpunkt waren u. a. die Studentenunruhen im Iran im Juli 1999, die in Teheran ihren Ausgang genommen hatten. Die PMOI thematisierte hier die Menschenrechtsverletzungen durch die gegenwärtige iranische Staatsführung. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten die PMOI-Aktivisten den am 01. Dezember 1999 vor dem Berliner Kammergericht eröffneten und am 19. Januar 2000 beendeten Prozess gegen einen mutmaßlichen Agenten des iranischen Nachrichtendienstes, der It. Urteil die PMOI auftragsgemäß infiltriert und ausgespäht hat. 57 Aufgrund der Entwicklung Berlins zum Entscheidungszentrum deutscher Politik und der damit einhergehenden zunehmenden Medienpräsenz und -berichterstattung ist künftig eine quantitative und qualitative Verstärkung der PMOI-Aktivitäten in der Hauptstadt zu erwarten. 7 Ausblick Die Entwicklung des Ausländerextremismus in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Berlin ist maßgeblich von der Entwicklung der Konflikte in den jeweiligen Heimatländern bzw. -regionen der gegenwärtig in Deutschland lebenden extremistischen Ausländer abhängig. Dies gilt insbesondere für die Kurdenproblematik in der Türkei und für den israelisch-palästinensischen Friedensprozess. Die hier nur in den vorrangigen Schwerpunkten darstellbaren Aufgabenstellungen im Bereich des Ausländerextremismus werden zukünftig insbesondere dadurch geprägt sein, dass die ausländischen Botschaften u. a. der Krisenländer ihren Sitz teilweise bereits nach Berlin verlagert haben und sich damit hier auch Zentren nachrichtendienstlicher Aktivitäten gegen die jeweiligen Oppositionsbewegungen befinden. Dies wird in vielen Bereichen zu verstärkten Bemühungen der feindlichen Lager führen, den jeweiligen ideologischen Gegner auszuspähen, politisch zu diskreditieren und möglicherweise auch durch Gewalthandlungen zu beeinträchtigen. Ihnen eröffnet sich durch die hier vorhandenen Organisationsstrukturen und das schnell mobilisierbare Unterstützerpotential ein weitaus größeres Betätigungsfeld als am früheren Sitz der Bundesregierung. Daneben ist noch nicht abzusehen, welche neuen Zweckbündnisse einzelner Gruppierungen sich durch diese Konzentration polarisierter Kräfte ergeben werden. Die PKK hat nach der Verhaftung ÖCALANs erneut bewiesen, PKK dass sie als straff organisierte Kaderpartei jederzeit in der Lage 58 ist, innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl gewaltbereiter Anhänger zu mobilisieren, die dann zeitlich sowie in Art und Umfang abgestimmt, Gewalttaten erheblichen Ausmaßes begehen können. Die derzeitigen politischen Vorgaben des inhaftierten Generalvorsitzenden Abdullah ÖCALAN sowie der Parteiführung, sich an die jeweiligen Gesetze der Gastgeberländer zu halten und friedlich für die politischen Forderungen der PKK einzutreten, werden von der PKK-Anhängerschaft in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Berlin derzeit befolgt. Eine Abweichung von diesem Kurs ist dann zu erwarten, wenn die Forderungen der PKK von der türkischen Regierung nicht zumindest ansatzweise anerkannt werden. Der von den drei Koalitionsparteien der türkischen Regierung beschlossene Aufschub einer Zuleitung des gegen ÖCALAN verhängten Todesurteils an den Justizausschuss des Parlaments ist zwar von der PKK als ein positives Signal gewertet worden, trotzdem wird organisationsintern die nach wie vor bestehende unmittelbare Bedrohung des Lebens ÖCALANs von führenden Funktionären als Bedrohung für die Partei und das gesamte kurdische Volk thematisiert. Zu einem sofortigen, auch nicht mehr von der PKKFührung kontrollierbaren Ausbruch von Gewalt dürfte es kommen, wenn das Todesurteil gegen Abdullah ÖCALAN tatsächlich vollstreckt werden sollte. Eine derartige Entwicklung wird ungleich schwerere Auswirkungen haben als die europaweiten Gewalthandlungen von PKK-Mitgliedern am 16. Februar 1999. Aktuell ist davon auszugehen, dass die PKK Berlin als Brennpunkt des öffentlichen Interesses und als Sitz der türkischen Botschaft nutzen wird. Sie wird hier mit Nachdruck auch öffentlich auf ihr Anliegen aufmerksam machen. Begünstigt wird die Situation durch die Unterstützung der PKK, die sie aus dem deutschen linksextremistischen Spektrum erhält. Die konsequente Strafverfolgung von Funktionären der linksextremistischen türkischen "Revolutionären Volksbefreiungspartei/ -Front" (DHKP-C) hat nach den jüngsten Entwicklungen direkte Auswirkungen auf die Sicherheitslage Berlins, da zu- 59 nehmend auch deutsche Einrichtungen als Ziel möglicher Vergeltungsaktionen in das Blickfeld der Organisation geraten dürften. Die derzeitige Konzentration auf gewaltlose Solidaritätsaktionen zugunsten der "politischen Gefangenen" ist ebenso wie bei der PKK eher taktisch bedingt und kann jederzeit in Abhängigkeit von aktuellen Ereignissen in zielgerichtete Gewalthandlungen umschlagen. Die Stützpunkte der Berliner Teilorganisationen der im Ausland terroristisch aktiven islamistischen Gruppierungen sind größtenteils als Moschee-Vereine organisiert. Diese haben sich in den letzten Jahren zu bedeutenden Begegnungszentren entwickelt. Hier ist ein deutlicher und erfolgreicher Ausbau legaler und illegaler Strukturen zu erkennen, die einerseits der finanziellen Unterstützung terroristischer Strukturen in den Heimatländern z. B. durch Spendensammlungen oder andere erwirtschaftete Einnahmen dienen. Andererseits wird die Funktionsfähigkeit konspirativ organisierter Personenzusammenschlüsse aufrecht erhalten, die in Abhängigkeit von aktuellen Entwicklungen im Heimatland für die Ziele der jeweiligen Organisation genutzt werden können. Diese im Ausland gegen den jeweiligen politischen Gegner unmittelbar einsetzbaren Kräfte, hier ist u. a. an jüdisch/israelische Einrichtungen zu denken, müssen als latentes Gefahrenpotential gewertet werden. Daneben werden von diesen Organisationen konsequent gesellschaftliche Infrastrukturen geschaffen, die durch ein breitgefächertes Angebot gezielt ideologische Einflusssphären insbesondere auf Kinder und Jugendliche sicherstellen sollen. Hier unterscheiden sich diese Organisationen nicht von den übrigen islamisch-extremistischen Organisationen in Berlin, die einer demokratisch orientierten gesellschaftlichen Integration ihres jeweiligen Umfeldes konsequent entgegen arbeiten. 60 61 AUSLÄNDER RÜCKFÜHRUNG STATT INTEGßßTWN NPD im ^HT * I * Damit wir Deutsche in Berlin ß nB ^m Jsl ' ^t'mme haben! KDieNaUonalenmm Postfach 650102, 13301 Bartin Für Ausländerrückführung! Gegen den "Doppelpaß"! Icke statt Ali! konsequent, national, sozial! NPD, 62 C RECHTSEXTREMISMUS 1 Überblick Der Begriff "Rechtsextremismus" bezeichnet keine geschlossene Fehlende geschlossene politische Theorie. Er umschreibt vielmehr ein vielschichtiges politische politisches und soziales Glaubensund Handlungssystem, das in Theorie der Gesamtheit seiner Einstellungen und Verhaltensweisen auf die Beseitigung oder nachhaltige Beeinträchtigung demokratischer Rechte, Strukturen und Prozesse gerichtet ist. Rechtsextremistisches Gedankengut setzt sich aus Fragmenten verschiedener ideologischer Teilbereiche zusammen. Sie wurzeln vorrangig in einem völkischen Nationalismus, dessen Triebfeder ein elitäres Rassedenken ist. Nicht die Gemeinsamkeit der Geschichte, der Kultur und insbesondere der Sprache bestimmt nach diesem Weltbild die Zugehörigkeit zu einem Volk und zu einer Nation, sondern allein die biologische Abstammung ("Rassevolk", "Rassenation"). Die fehlende geschlossene Theorie des Rechtsextremismus wird in aller Regel durch die Dominanz einzelner "starker" Persönlichkeiten und durch das "Führerprinzip" kompensiert. Rechtsextremistische Politik ist weitgehend vom Willen, von den Fähigkeiten und dem Charisma der Leitfiguren abhängig. Merkmale Das Bundesverfassungsgericht hat 1952 bei der Feststellung der Rechtsextremismus Verfassungswidrigkeit der "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) die wesentlichen Merkmale herausgearbeitet, die rechtsextremistische Organisationen kennzeichnen: - Missachtung wesentlicher Menschenrechte, besonders der Würde des Menschen, seines Rechtes auf freie Entfaltung und des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz. Diese Einstellung äußert sich beispielhaft in Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Etatismus, der die Notwendigkeit eines nach innen und außen starken Staates sowie militärische bzw. soldatische Werte und hierarchische Prinzipien ("Führer" und "Gefolgschaft") überbetont. 63 - Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch Diffamierung staatlicher Institutionen, anderer Parteien, d. h. Negierung des Pluralismus, sowie Verneinung der Unabhängigkeit der Gewalten. Dies gipfelt in der Forderung nach einer autoritären bzw. diktatorischen staatlichen und sozialen Ordnung. - Verharmlosung bzw. Leugnung der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, d. h. Revisionismus, sowie mangelnde Distanz zum "Dritten Reich" in der gesamten Spannbreite von Verharmlosung bis Verherrlichung der NSHerrschaft. - Die prinzipielle Ungleichheit verbunden mit der Ausgrenzung und Abwertung der nicht zur eigenen Gruppe gehörenden Individuen verbunden mit der Propagierung biologistischer und sozialdarwinistischer Ideen. - Überbewertung der aufgrund ethnischer Zugehörigkeit definierten "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Rechte und Interessen des Einzelnen bzw. fremder Nationen und Kulturen, d. h. völkischer Kollektivismus. Anhänger eines neuen Nationalsozialismus, sog. Neonazis, streMerkmale ben direkt und offen eine nach dem Führerprinzip ausgerichtete Neonationaltotalitäre Staatsform und eine "Volksgemeinschaft" auf der sozialismus Grundlage des Parteiprogramms der ehemaligen "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) aus dem Jahre 1920 an. Insgesamt lassen sich beim Rechtsextremismus in Berlin vier Bereiche unterscheiden: - Gewaltbereite Zirkel, insbesondere rechtsextremistische Skinheads, - neonazistische Gruppen und Einzelaktivisten, - rechtsextremistische Parteien sowie - sonstige rechtsextremistische Organisationen. Verbindungen Die Akteure dieser Bereiche pflegen untereinander z. T. intensive zwischen einzelnen Kontakte und arbeiten anlassbezogen zusammen. Gruppierungen I 64 2 Zahlenübersichten für Berlin und Deutschland 2.1 Personenpotentiale in rechtsextremistischen Gruppierungen Berlin Bund 6 1999 1998 1999 1998 Gesamt 2 935 2 805 52 400 54100 ./. Mehrfachmitgliedschaften 150 110 1 000 500 Tatsächliches Personenpotential 2 785 2 695 51 400 53 600 Gewaltbereite Rechtsextremisten 740 660 9 000 6 8 200 7 6 Gewalttater 190 160 k.A. 1 800 Skinheads 550 500 k.A.6 6 400 Neonazis davon 420 330 2 200 2 400 8 "Unabhängige Kameradschaften" 105 135 k.A k.A.9 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 45 35 k.A.9 500 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) EM9 EM k.A.10 100 "Neonazikreis um Frank Schwerdt" EM EM k.A.9 150 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 15 20 - - "Wanderjugend Gibor" (WJG) EM - k.A.9 k.A.9 Unorganisierte Neonazis 225 120 k.A.9 k.A.9 Rechtsextremistische Parteien 1 630 1 720 37 000 39 000 "Deutsche Volksunion" (DVU) 630 630 17 000 18 000 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 220 210 6 000 6 000 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 30 30 k.A.11 k.A.11 "Die Republikaner" (REP) 750 850 14 000 15 000 Sonstige rechtsextremistische O r g a n i s a t i o n e n (insgesamt 7 Vereinigungen in Berlin) 145 95 4 200 4 500 5 Die zu Gesamtzahlen für Deutschland addierten Werte aus den einzelnen Bundesländern (Bundeszahlen) beruhen auf Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom 15. März 2000. Die Angaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 6 Das BfV erfasst unter dieser Rubrik neben Skinheads auch gewaltbereite Rechtsextremisten anderer subkultureller Prägung. 7 Gewalttäter, denen eine Organisationszugehörigkeit nicht nachgewiesen werden kann. 8 Bundesweit existieren zahlreiche vergleichbare Gruppierungen unter vielfältigen Bezeichnungen. Angaben zur Gesamtzahl der Mitglieder liegen jedoch nicht vor. 9 EM = Einzelmitglieder (pauschal mit jeweils 10 Personen gerechnet). 10 Zahl wird vom BfV nicht gesondert ausgewiesen. 11 Das BfV erfasst die JN-Mitgliederzahlen unter der Rubrik "Sonstige rechtsextremistische Organisationen" (1999: 350, 1998: 400 Personen. 65 Das rechtsextremistische Potential in Berlin wuchs im Berichtszeitraum 1999 um über 4 % erneut an; Die Anzahl der Personen, die rechtsextremistischen Zusammenschlüssen angehören oder dem nicht organisierten Teil der rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden, nahm um 90 auf 2 785 (1998: 2 695) zu. Gleichzeitig stieg der Anteil gewaltbereiter Rechtsextremisten am Gesamtpotential um 80 Personen an , was ein Anstieg von 12 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Mit 550 Personen (1998: 500) stellen die rechtsextremistischen Skinheads den weitaus größten Anteil. Die Anhängerschaft des Neonazismus erhielt 1999 in einer Größenordnung von fast 100 Gleichgesinnten einen ähnlich nachhaltigen Zulauf wie 1998 und umfasst 420 Personen (1998: 330). Im Vergleich zu 1997 (245) ergibt sich eine personelle Verstärkung dieses rechtsextremistischen Segments um über 70 %. Innerhalb des neonazistischen Potentials kam es zu deutlichen quantitativen Verschiebungen. So war die Zahl der Neonazis, die "Unabhängigen Kameradschaften" angehörten, mit nunmehr noch 105 Personen gegenüber dem Vorjahr (1998: 135) um rund 22 % rückläufig. Hingegen wurden fast doppelt so viele unorganisierte Neonazis (225) gezählt wie im letzten Berichtszeitraum (120), seit 1997 (50) kletterte dieser Wert um mehr als das Vierfache. Der Mitgliederbestand rechtsextremistischer Parteien lag im Berichtszeitraum bei 1 630 Personen und zeigte damit im Unterschied zu den beiden Vorjahren erstmals wieder eine abnehmende Tendenz (1998: 1 720, 1997: 1 610, 1996: 1 440). Die Differenz gegenüber 1998 beträgt insgesamt über 5%, jedoch verlief die Mitgliederentwicklung der einzelnen Parteien unterschiedlich, so dass dieser Minuswert nur eingeschränkte Rückschlüsse auf deren tatsächliche Situation zulässt. Verluste verzeichnete ausschließlich die Partei "Die Republikaner" (REP), wogegen die "Deutsche Volksunion" (DVU) stagnierte und die 66 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) sogar einen personellen Zuwachs in der Bundeshauptstadt verzeichnen konnte. Entgegen der steigenden Tendenz in Berlin ging-das rechtsextremistische Potential bundesweit um 2 200 Angehörige oder rund 4 % zurück und umfasst nunmehr noch 51 400 Personen (1998:53 600). Am deutlichsten zeigte sich diese Entwicklung an dem rund 8 % betragenden zahlenmäßigen Rückgang der Neonazis in der Bundesrepublik um 200 Anhänger auf 2 200 im Berichtszeitraum (1998:2 400). In ebenfalls beachtenswertem Maße mussten rechtsextremistische Parteien auf bisherige Mitglieder verzichten. Sie verfügten 1999 bundesweit über 37 000 Personen (1998: 39 000) in ihren Reihen, also ein Rückgang um 5,1 % (2 000 Personen). Die Entwicklung in Berlin stellt sich etwas differenzierter dar. Hier hat lediglich die Partei "Die Republikaner" Verluste zu verzeichnen. Entgegengesetzt zu diesen Einbußen stieg jedoch die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten an. Sie lag bundesweit mit einem Plus von 800 bei jetzt 9 000 Personen (1998: 8 200). 67 2.2 Strafund Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund Berlin 12 Bund13 1999 1998 1999 1998 Gewalttaten: Tötungsdelikte 0 0 1 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 13 16 Körperverletzungen 27 72 630 595 Brandstiftungen 0 5 35 39 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 2 2 3 Landfriedensbruch 2 3 65 55 gesamt 29 82 746 708 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 2 29 373 516 Nötigung/Bedrohung 14 16 220 276 Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungs103 192 6719 6 958 widriger Organisationen Andere Straftaten, insb. Volksverhetzung 90 191 1 979 2 591 gesamt 209 428 9 291 10 341 Straftaten insgesamt 238 510 10 037 11 049 Das Landeskriminalamt (LKA) registrierte 1999 insgesamt 238 Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischen Hintergrund. 1998 waren 510 vergleichbare Vorfälle erfasst worden. Dies entspricht für 1999 einem Rückgang um 53%. Wie schon in den Vorjahren sind zumeist die Verbreitung von Propagandamitteln und die Verwendung von Kennzeichen verfas12 Die Zahlen zu den Berliner Straftaten 1999 und 1998 beruhen auf Angaben des Polizeipräsidenten in Berlin - Landeskriminalamt (LKA) - vom 12. Januar 2000Darin enthalten sind vollendete und versuchte Straftaten. Die Grundlage der LKA-Erhebungen bilden die eingeleiteten Strafermittlungsverfahren. Lagen mehrere Straftaten in Tateinheit vor, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 13 Die Zahlen des Bundes beruhen auf Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom 15. März 2000. Sie enthalten ausgeführte und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind z. B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur der Landfriedensbruch als eine Straftat in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 68 sungswidriger Organisationen Gegenstand der polizeilichen Feststellungen. Ein Beispiel für ein solches Delikt stellt eine demonstrative Zurschaustellung des Hakenkreuzes oder die Entbietung des sog. Hitler-Grußes und der Parole "Heil Hitler!" dar. Ähnlich bemerkenswert wie die Abnahme solcher sog. Propagandadelikte, ist der Rückgang auch anderer Straftaten mit rechtsextremistischen Bezügen im Jahre 1999. Dazu gehörten auch Taten, die aus einer antisemitischen Grundhaltung heraus begangen wurden; ein Beispiel dafür ist die auch international mit Abscheu aufgenommene Schändung von über 100 Grabsteinen auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee Anfang Oktober. Die Zahl der dem LKA im selben Zeitraum bekannt gewordenen rechtsextremistischen Gewalttaten in Berlin bestätigt deutlich den Rückgang rechtsextremistischer Straftaten in Berlin insgesamt. Das Gros der Gewalttaten entfällt auf Körperverletzungen, von denen 1999 27 (1998: 72) verzeichnet wurden. Der weitaus überwiegende Teil der Gewalttaten wies eine fremdenfeindliche Zielrichtung auf, ein Befund, der vergleichbar mit den letzten Jahresdaten (1998: 74 %) ist. Der Anteil der Gewalttaten (29) an der Gesamtzahl von 238 Straftaten insgesamt beträgt rund 12 % (1998: 16 %). Eine Steuerung oder auch nur ansatzweise Planung zur Begehung von Gewalttaten ist nur in sehr seltenen Fällen erkennbar. Kennzeichnend sind vielmehr spontane Aktionen, die zudem oftmals unter Alkoholeinfluss begangen werden. Bundesweit nahm die Zahl der Straftaten 1999 (10 037) im Vergleich zum Vorjahr (11 049) ab. Dies entspricht einem Rückgang um 9 % . Entgegen dem Berliner Trend war jedoch 1999 bundesweit auch eine Zunahme der Gewalttaten zu verzeichnen. Dieser Anstieg von 708 auf 746 Gewalttaten, mit hin ca. 5 %, liegt insbesondere in der Steigerung von Körperverletzungen sowie Landfriedensbrüchen begründet. 69 Straftaten Berlin14 Bund16 aufgeschlüsselt nach Zielrichtung 1999 1998 1999 1998 Straftaten darunter u. a. Zielrichtung 238 510 10 037 11 049 fremdenfeindlich 68 89 2 283 2 644 antisemitisch 59 106 817 991 sonstige 111 315 6 937 7414 Gewalttaten Berlin14 Bund" aufgeschlüsselt nach Zielrichtung 1999 1998 1999 1998 Gewalttaten, darunter u. a. Zielrichtung 29 82 746 708 fremdenfeindlich 27 61 451 435 antisemitisch 0 3 16 16 16 politischer Gegner 0 8 53 110 sonstige 2 10 226 147 Fremdenfeindliche Gewalttaten17 Berlin14 Bund15 aufgeschlüsselt nach Deliktarten 1999 1998 1999 1998 Tötungsdelikte 0 0 1 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 11 10 Körperverletzungen 25 57 386 384 Brandstiftungen 0 3 29 23 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 0 0 Landfriedensbruch 2 1 24 18 Fremdenfeindliche Gewalttaten insgesamt 27 61 451 435 14 Die Zahlen zu den Berliner Straftaten 1999 und 1998 beruhen auf Angaben des Polizeipräsidenten in Berlin - Landeskriminalamt (LKA) - vom 12. Januar 2000. Darin enthalten sind vollendete und versuchte Straftaten. Die Grundlage der LKA-Erhebungen bilden die eingeleiteten Strafermittlungsverfahren. Lagen mehrere Straftaten vor, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 15 Die Zahlen des Bundes beruhen auf Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom 15. März 2000. Sie enthalten ausgeführte und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind z. B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur der Landfriedensbruch als eine Straftat in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Strafbestand gezählt. 16 Diese Angaben beruhen auf Auswertungen des LfV Berlin und des BfV. 17 Erfasst sind Gewalttaten mit im Einzelfall erwiesenem oder zu vermutendem fremdenfeindlichen Hintergrund. 70 Wie schon in 1998 ist bei näherer Betrachtung der Tatorte rechtsextremistischer Gewalttaten ein Ost/West-Gefälle zu beobachten. So verzeichnete das LKA im vergangenen Jahr die weitaus meisten dieser Delikte wiederum in den östlichen Bezirken der Bundeshauptstadt. Von den zusammen 29 Gewalttaten wurden 21 dort begangen, sieben im Westteil der Stadt (1998: 64/18). Eine Gewalttat konnte amtlich nicht zugeordnet werden. Wegen der insgesamt vergleichsweise geringen Anzahl derartiger Taten kann von Schwerpunkten im statistischen Sinne nicht mehr die Rede sein, die Schwankungsbreite bewegt sich in Größenordnungen zwischen 5 (Treptow) und 1 (Neukölln, Köpenick, Hohenschönhausen und Tempelhof), elf der 23 Berliner Bezirke verzeichneten kein einziges solches Vorkommnis. 71 Bei den im Berichtszeitraum bekannt gewordenen 72 Tatverdächtigen (1998: 121) handelte es sich zum größten Teil um Personen, die nicht älter als 30 Jahre waren. 90 % der tatverdächtigen Personen waren wie im Vorjahr männlichen Geschlechts (66 von 72). Aus diesem Kreis rechnet das LfV Berlin 32 dem Skinhead-Potential zu (ca. 44 %). 72 Altersstruktur der Tatverdächtigen von Gewalttaten Beispiele für in Berlin 1999 verübte Gewalttaten: Am 08. Januar wurde ein vietnavergasen!" Die Polizei konnte die mesischer Staatsangehöriger, der Täter festnehmen. illegal Zigaretten verkaufte, in einem Supermarkt in Berlin-HellersAm 31. August wurde in Berlindorf von vier, dem äußeren ErCharlottenburg eine Frau von eischeinungsbild nach der rechtsexnem unbekannt gebliebenen Täter tremistischen Skinhead-Szene zumit den Worten "Du dreckige gehörigen Personen mit einem Schwarze und moslemische Gummiknüppel und Fausthieben Schlampe" beschimpft. niedergestreckt. Danach traten Anschließend schlug er mit seinem mehrere Täter dem Opfer mit ihren Kopf gezielt gegen die Stirn des Springerstiefeln auf Kopf und KörOpfers. per. Als das Opfer flüchten wollte, wurde ihm ein Messer in die Brust Am 04. September beleidigte eine gestochen. Anschließend flüchteGruppe von Skinheads während ten die Täter, konnten jedoch durch eines Fußballspieles in BerlinZeugenaussagen wenig später von Lichtenberg einen dunkelhäutigen der Polizei identifiziert und festFußballspieler mit den Worten wie genommen werden. "Negersau" und "Bimbo". Auf dem Am 29. Mai wurde in Berlin-MarWeg zur Umkleidekabine wurde der zahn ein Farbiger auf einem S- Sportler von den Tätern mit SchläBahnhof von zwei Tätern gegen und Tritten attackiert. schlagen und getreten. Diese geNoch in der Nähe des Tatortes hörten zu einer Gruppe von 20 bis konnte die Polizei die Beschuldig30 Jugendlichen, die mit sog. ten festnehmen. Bomberjacken und Springerstiefeln Am 17. Dezember wurde ein türbekleidet waren. Das Opfer wurde kischer Staatsangehöriger in Berzudem mit den Worten beleidigt: lin-Reinickendorf angepöbelt, als er "Diesen Scheißnigger sollte man mit einer Packung Süßigkeiten 73 in seinen Händen sein Wohnhaus schlug man dem Opfer das Telefon betreten wollte. Die Täter riefen ihm aus der Hand und prügelte mit zu: "Jetzt fressen die Kanaken einem schweren Metallwerkzeug schon Negerküsse!" und nahmen auf den Kopf des Mannes ein. eine drohende Haltung ein. Als der Zwei Personen nahm die Polizei in Ausländer versuchte, über sein Tatortnähe vorläufig fest. Handy die Polizei zu alarmieren, 3 Kommunikationswege 3.1 Internet In den letzten Jahren erreichte die informationelle Vernetzung durch die Nutzung des Internets eine neue Dimension. Die Anzahl deutscher rechtsextremistischer Homepages steigerte sich um ein Vielfaches. Waren es 1996 noch 30 und 1997 rund 100 Einstellungen, zählt man nach dem letzten Stand 1999 ca. 320 Homepages. Dies entspricht jährlichen Steigerungsraten von über 200%. Erstmals wurden 1999 auch zwei Mordaufrufe gegen den sog. politischen Gegner auf deutschsprachigen Homepages eingestellt. Von wachsender Bedeutung ist dabei vor allem auch die Nutzung des "world wide web" (www) für die internationale Verbreitung von Skinhead-Musik. Insbesondere Musiktitel mit in Deutschland strafwürdigen Inhalten werden zunehmend im Internet zur - zum Großteil kostenfreien - Nutzung bereitgestellt. Die nachgefragten Stücke können dann von den Interessenten als sog. MP3-Dateien in CD-Qualität auf den heimischen Rechner heruntergeladen, angehört, auf CD's "gebrannt" und entsprechend vervielfältigt in Umlauf gebracht werden. Zwar konnten in 1999 von den deutschen Sicherheitsbehörden Betreiber derartiger Homepages ermittelt werden, jedoch bietet die vielfältige weltweite Vernetzung des Internet sowohl Anbietern als auch Konsumenten von Propaganda mit strafrechtsrelevanten Bezügen nahezu unbegrenzte Ausweichmöglichkeiten. 74 3.2 Mailboxen Eine weitere Möglichkeit des Nachrichtenaustausches bietet sich der rechtsextremistischen Szene durch das Betreiben von Mailboxen. Bisher einschlägige Mailbox-Verbundsysteme, wie das "Thule"und das "Nordland"-Netz, haben jedoch aufgrund der rasant fortschreitenden Entwicklung des Internet erheblich an Bedeutung für die Kommunikation innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums eingebüßt und sich bereits de facto aufgelöst. Die verbliebenen Angehörigen der rechtsextremistischen Szene, die an der Nutzung der Mailbox-Kommunikation festhalten, haben sich zwischenzeitlich in kleinen elitären Mailbox-Zirkeln zusammengeschlossen, die jedoch keine Breitenwirkung mehr entfalten. 3.3 "Nationale Info-Telefone" "Nationale InfoEine wichtige Funktion bei der informationellen Vernetzung von Telefone" Rechtsextremisten erfüllen auch die "Nationalen Info-Telefone" (NIT), die Informationen mittels Anrufbeantwortern verbreiten und die Möglichkeit bieten, Nachrichten zu hinterlassen. Sie werden insbesondere zur Mobilisierung der rechtsextremistischen Szene für bestimmte Anlässe genutzt. Im Jahre 1999 konnten bundesweit 17 derartige Einrichtungen festgestellt werden. Für den Großraum Berlin existiert seit dem 30. Oktober 1997 nur noch das "NIT Preußen - Stimme des nationalen Widerstandes für Berlin und Brandenburg", welches von einem führenden Berliner Neonazi von dessen Wohnsitz in Brandenburg aus betrieben wird. 75 3.4 Medienprojekt "Radio Germania - Das Radio für nationale Interessen" Wie in den Vorjahren gestalteten Angehörige der Berliner HörfunkNeonazi-Szene seit Frühjahr 1996 wiederum Hörfunkprogramme programme im OKB im "Offenen Kanal Berlin" (OKB). Dieser aus öffentlichen Mitteln finanzierte "Bürgerfunk" bietet unabhängig von den jeweiligen Inhalten grundsätzlich jedem Interessenten technische und räumliche Möglichkeiten zur Ausstrahlung eigenverantwortlich produzierter Sendungen über Radio oder Fernsehen in Berlin. Parallel dazu sind die Programmblöcke auch im Internet abrufbar. Ihrem Selbstverständnis zufolge begriffen sich die Initiatoren des Radioprojekts als Teil des parteiübergreifenden "Nationalen Widerstandes" und "Nationale Sozialisten", die "der Bewegung treu ergeben sind". Das Ziel der nationalsozialistischen Bewegung bestünde darin, die "Deutsche Nation wieder herzustellen" und die "sozialen Interessen des deutschen Volkes wieder in den Mittelpunkt deutscher Politik zu rücken". Deshalb propagiere "Radio Germania" den sog. Dritten Weg jenseits von Kapitalismus und Kommunismus, die Idee des "Nationalen Sozialismus". Im Jahre 1999 kamen insgesamt acht Sendungen von "Radio Germania - Das Radio für nationale Interessen" im OKB zur Ausstrahlung, zuletzt am 29. Oktober. Hervorzuheben ist insbesondere der Sendetermin am 20. April 1999, der Geburtstag Adolf HITLERs ("Führergeburtstag"); die Betreiber werteten die ungehinderte Verbreitung ihres Programms an diesem symbolträchtigen Tag als "großen Propagandaerfolg" für die neonazistische Szene. Des Weiteren kam den Sendebeiträgen vom 27. Mai und 18. September wegen revisionistischer Äußerungen besondere Bedeutung zu. In beiden Ausgaben kommentierte der Sendeverantwortliche, der führende Berlin-Brandenburgische Neonazi Mike PENKERT, sinngemäß, bei der immer wieder behaupteten Herstellung von Seife aus Leichenteilen in den Konzentrations- 76 lagern des sog. Dritten Reichs handele es sich um einen "Schwindel" bzw. eine "freche Lüge". Am 21. Dezember teilte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) PENKERT mit, dass beabsichtigt sei, ihm die Ausstrahlung weiterer Sendungen im "Offenen Kanal Berlin (OKB)" unbefristet zu untersagen. Das Nutzungsverbot trat unabhängig von der abschließenden Entscheidung des Medienrates der MABB über die Nutzungsuntersagung bereits ab dem 21. Dezember in Kraft, so dass der angemeldete Termin, 23. Dezember, von der MABB nicht mehr berücksichtigt wurde und die Sendung an diesem Tag entfiel. In seiner Sitzung am 28. Januar 2000 stellte der Medienrat fest, "Radio Germania" auch dass ein in der letzten Sendung von "Radio Germania" am über Internet 29. Oktober gespieltes Lied nicht die ursprünglich seitens der hörbar MABB beanstandeten antijüdischen Textteile enthielt. Das Ausschlussverfahren wurde aber nunmehr um die Fragestellung nach dem Zusammenhang zwischen Sendung und Internetangebot von "Radio Germania" erweitert, da der dringende Verdacht bestehe, der Auftritt des Projekts im Web könnte geeignet sein, Kinder oder Jugendliche sittlich schwer zu gefährden. Radio Germania Willkommen bei Hadio Germania - Bertin*, nuu:.(ikjjrognif"m Auszug aus der Internet-Seite von Radio "Germania" PENKERT hat auf seiner Internetseite auch ein "Gästebuch" eingerichtet, in dem "Besucher" u. a. offen zum "Heiligen RassenKrieg" aufrufen und sich Gleichgesinnte mit "Heil Hitler" grüßen. 77 Inzwischen beschloss das Verwaltungsgericht Berlin am 11. Februar 2000, dass "Radio Germania" weiterhin nicht ausgestrahlt werden dürfe. Es bestätigte damit die Rechtsauffassung der Medienanstalt, dass bis zur Entscheidung des Medienrats über den angestrebten dauerhaften Ausschluss von "Radio Germania" das verhängte vorläufige Sendeverbot zulässig sei. 4 Militante Rechtsextremisten 4.1 Rechtsextremistische terroristische Ansätze In Berlin wurden im Berichtszeitraum 740 (1998: 660) Angehörige Gefahr der der rechtsextremistischen Szene als gewaltbereit eingestuft. Von Gewaltanwendung diesem Potential geht grundsätzlich eine ständige Gefahr rechtsextremistisch motivierter Gewaltanwendung aus, die letztlich auch in terroristische Aktionsformen münden könnte. Eine Gefahr liegt beispielsweise in dem in rechtsextremistischen Kreisen weitverbreiteten "Waffenfetischismus", der sich u. a. im illegalen Sammeln von Waffen äußert. Typisch ist auch das Bedürfnis, sich im Rahmen von Wehrsportgruppen zu Übungen "an der Waffe" zusammenzufinden. Es gibt inzwischen deutliche Hinweise, nach denen in Teilen der rechtsextremistischen Szene die Bereitschaft gestiegen ist, politische Ziele auch mit Gewalt zu verfolgen. So meldete sich in einer im Juli 1999 erschienenen Ausgabe des neonazistischen Blattes "Hamburger Sturm" eine Gruppe "national-revolutionäre Zellen" zu Wort und wertete die Taten des Polizistenmörders Kay DIESNER als "Akt der Befreiung". Man "dürfe nicht vergessen, dass man im Krieg mit dem System sei und da gingen nun mal einige Bullen oder sonstige Feinde drauf, hieß es. Weiter erklärten die Schreiber, ihre Gruppe setze sich aus Personen zusammen, die in der NPD politisch tätig, aber mit dem NPDFührungsstil unzufrieden seien. Daher habe man den "Weg der aus dem Untergrund heraus handelnden Aktivisten" eingeschlagen. 78 Auch der inhaftierte Berliner Neonazi Marcus BISCHOFF drohte in einem vom 26. Juli 1999 datierten Schreiben an die Leserbriefredaktion der Zeitung "DER TAGESSPIEGEL" indirekt mit Mordanschlägen aus der rechtsextremistischen Szene. In dem Pamphlet nahm er die von ihm mit aggressiven Formulierungen kritisierte Berichterstattung des Blattes über eine Polizeiaktion im "Clubhaus" der Neonazi-Gruppe "Vandalen" am 24. Juli 1999 zum Anlass für ein Statement zu den Folgen, die sich seiner Meinung nach aus dem Vorgehen der "Schergen der 'wehrhaften Demokratie'" ergeben. So stellte BISCHOFF fest: "Mit einer derartigen Vorgehensweise gegen friedliche politisch Andersdenkende (NationaJsozialisten) erwirbt sich die Polizei (...) blanken, kalten Haß!" Seine Überlegungen gipfelten in der Drohung: "Durch das (weisungsgebundene) Handeln des Einsatzleiters (...) ist der nächste tote Polizist nur noch eine Frage der Zeit." BISCHOFF ist mehrfach vorbestraft, u. a. wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie der Verwendung und Verbreitung von Kennzeichen und Propagandamitteln ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen. Wiederholt sprach er sich in der Vergangenheit für die Anwendung politisch motivierter Gewalt aus und verteidigte sie als "Notwehr gegenüber dem Staat". Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn am 23. Dezember 1998 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Das Gericht hatte ihn des Versuchs der Beteiligung an einem Mord in seinem privaten Umfeld für schuldig befunden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Keinen Nachweis In der Bundesrepublik Deutschland gibt es zur Zeit keine rechtsfür Terrorismus extremistische Gruppierung, die zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele offen terroristische Aktionen propagiert. Wichtige Faktoren für die Entstehung in sich geschlossener terroristischer Vereinigungen fehlen nach wie vor: Für einen planmäßigen, auf Dauer angelegten terroristischen Kampf zur Durchsetzung politi- 79 scher Ziele mangelt es an der breiten Akzeptanz in der neonazistischen Szene und damit an dem notwendigen Unterstützerumfeld für einen aus der Illegalität heraus geführten Kampf. Daran und an dem Willen, entsprechende Konzepte in die Tat umzusetzen, fehlt es nicht zuletzt deshalb, weil die Szene durch Verbotsund Strafverfolgungsmaßnahmen stark verunsichert ist. 4.2 Skinhead-Szene Die Ende der 60er Jahre in Großbritannien entstandene Skinhead-Bewegung war ursprünglich eine jugendliche Subkultur, die sich in ihrem Selbstverständnis wie auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild als Gegenpol sowohl gegenüber der parallel entstandenen "Punk-Bewegung" als auch dem aus ihrer Sicht "dekadenten" Bürgertum definierte. Die äußerlichen Attribute - kahl geschorener Kopf, Jeans mit Hosenträgern, T-Shirt und/oder kariertes Baumwollhemd sowie schwere Arbeitsschuhe (sog. Doc Martens) - sollten ihre Träger bewusst als Angehörige der Arbeiterklasse identifizieren. Das ursprünglich unpolitische Jugendphänomen, das sich Ende der 70er Jahre auch in Deutschland etablierte, entwickelte mehrheitlich jedoch relativ schnell ein diffuses rechtsextremistisches Weltbild, das insbesondere von einem übersteigerten Nationalbewusstsein und rassistischer Ausländerfeindlichkeit geprägt ist. Parallel wurden von nun an die sog. Bomberjacken und Kampfstiefel zum Markenzeichen rechtsorientierter Skinheads. Das rechtsextremistische Skinhead-Potential in Berlin erfuhr im Beobachtungszeitraum 1999 einen Zuwachs um rund 50 Personen auf nunmehr 550 Personen (1998: 500). Die Skinhead-Szene lehnt grundsätzlich eine Einbindung in rechtsextremistische Organisationen ab. Gleichwohl bemühen sich rechtsextremistische Organisationen, wie insbesondere die "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und ihre Jugendorganisation, die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) und 80 Einzelpersonen, Einfluss auf Skinheads zu nehmen. Die Versuche, Skinheads für eine längerfristige politische Mitarbeit zu gewinnen, waren bislang allerdings wenig erfolgreich. Daher konzentrieren sich rechtsextremistische Organisationen und Einzelpersonen vor allem darauf, Szene-Treffen und -Konzerte zu organisieren, weil sie die propagandistische Wirkung der Skinhead-Musik erkannt haben. Auch bedienen sich rechtsextremistische Organisationen der Skinhead-Szene als Mobilisierungspotential. Rechtsextremistische Skinheads werden in der Öffentlichkeit überwiegend wegen ihrer Beteiligung an Gewalttaten sowie ihrer Teilnahme an Skinhead-Konzerten wahrgenommen. Die früheren äußeren Kennzeichen (kurz rasierte Haare, Springerstiefel und Bomberjacken) sind heute keine eindeutigen Zuweisungsmerkmale mehr. 1999 wurde eine nahezu gleichbleibende Anzahl von Skinheads (32) als Tatverdächtige an Gewalttaten ermittelt wie 1998 (34), wobei fast die Hälfte der Tatverdächtigen bei den rechtsextremistischen Straftaten (1999: 72) dem Skinhead-Potential zuzurechnen sind. Inwieweit hierbei die Nichterkennung von Skinheads wegen eben dieser nicht mehr vorhandenen äußeren Zuweisungsmerkmale eine Rolle spielte, kann z. Z. nicht beurteilt werden. 4.2.1 Skinhead-Musik Eines der wichtigsten Kommunikationsmittel für die Verbreitung rassistischen und neonazistischen Gedankenguts in der Skinhead-Szene ist vor allem die Skinhead-Musik. Skinhead-Musik I Neben der seit 1996 kontinuierlich gestiegen Zahl und Größe der und -konzerte durchgeführten Skinhead-Konzerte mit neonazistischen Bands spielt vor allem der aus den Konzerten bzw. dem Verkauf von CD's erzielte wirtschaftliche Gewinn eine immer größere Rolle. 81 Im Berichtszeitraum fanden bundesweit 99 Skinhead-Konzerte statt. 1998 waren bundesweit mehr als 110 rechtsextremistische Skinhead-Konzerte durchgeführt worden. Im Gegensatz zu relativ starken Steigerungsraten der Jahre 1996 und 1997 ist damit die Entwicklung wieder rückläufig. Ursache dürfte das konsequente bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen derartige - zumeist illegale - Veranstaltungen sein. Die Teilnehmerzahlen lagen - mit Ausnahme eines Konzertes am 04. September 1999 in Garitz (Sachsen-Anhalt), an dem mehr als 2 000 Personen teilnahmen - bei durchschnittlich zwischen 200 und 600 Personen. In Berlin wurde 1999 lediglich ein Konzert registriert, bei dem rechtsextremistische Skinheads in Erscheinung traten: Am 30. Januar 1999 wurde den Berliner Sicherheitsbehörden ein Skinhead-Konzert in der Gartenkolonie "Frohsinn" (Pankow) anlässlich des 66. Jahrestages der Machtübernahme durch die NSDAP bekannt. Es beteiligten sich daran ca. 300 Personen, wobei es sich überwiegend um Rechtsextremisten aus den Bundesländern Berlin, Brandenburg sowie MecklenburgVorpommern handelte. Geplant war der Auftritt von mehreren Skinhead-Bands aus Berlin ("Legion of Thor", "Dr. Sommer Team", "Spreegeschwader"), aus Frankreich ("Hexagone") und aus Italien. Die Polizei löste die Veranstaltung kurz nach Beginn auf. 10 Personen wurden festgenommen. 1998 waren in Berlin ebenfalls ein Skinhead-Konzert und 1997 drei durchgeführt worden. Die verhältnismäßig geringe Zahl von Skinhead-Konzerten in Berlin lag u. a. bisher darin begründet, dass es in Berlin nur wenige Örtlichkeiten/Räumlichkeiten gibt, wo Skinheads ungestört ihre Konzerte durchführen können. Bundesweit existieren derzeit 88 aktive Skinhead-Bands mit eiSkinheadBands nem zum Teil überregionalen Bekanntheitsgrad. Aus diesem 82 Kreis sind die Gruppen "Landser", "Macht und Ehre" und "Spreegeschwader" in Berlin angesiedelt. Seit 1993 existieren darüber hinaus in Berlin die Skinhead-Band "IDEE Z", seit 1996 "Doktor Sommer Team" (DST), seit 1997 die "Legion of Thor". 1998 wurde zudem die Skinhead-Band "Frontstadt" in Berlin bekannt. Diese Gruppen haben keinen über Berlin/Brandenburg hinaus reichenden Bekanntheitsgrad. CD Cover der Gruppe "Legion of Thor" Einen besonderen Stellenwert für die Szene hat die Produktion Tonträger mit Skinheadund Vermarktung von Tonträgern mit "Skinmusik". Die Aufnahme Musik und Produktion erfolgt in der Regel im Ausland (vornehmlich in den USA), da dort die Herstellung von Tonträgern mit fremdenfeindlichen/rassistischen Texten z. T. nicht unter Strafe gestellt ist. Bei Produktionskosten von 4 bis 5 DM pro CD, einem Verkaufspreis von 25 bis 30 DM pro Stück und einer Auflage von mehreren Tausend CD's ist der Gewinn für die Bands sehr hoch, so dass inzwischen einige Skinhead-Bands nur noch Tonträger produzieren und nicht mehr bei Konzerten auftreten. 83 4.2.2 Skinhead-Gruppierungen Die Skinhead-Szene versucht weiterhin ihre Strukturen zu festigen. Zu bundesweiten Strömungen haben sich die "Blood & Honour"Skinheads und die "Hammerskins" entwickelt. Die neonazistisch orientierte "Blood & Honour"-Bewegung wurde "Blood & Honour" in den 80er Jahren in England mit dem Ziel gegründet, für die Skinhead-Szene im Musikund Fanzine-Bereich eigene Strukturen zu schaffen. Sie ist mittlerweile in vielen Staaten vertreten. Die bedeutendste der 20 Sektionen umfassenden "Division Deutschland" der "Blood & Honour"-Bewegung befindet sich in Berlin. Sie umfasst etwa 50 Personen. "Blood & Honour" versteht sich inzwischen nicht nur als Musikbewegung, sondern bekennt sich nach einer bereits im Oktober 1998 im Internet veröffentlichten Selbstdarstellung auch zu politischen Aktivitäten. In diesem Zusammenhang sind seit geraumer Zeit vermehrt Kontakte zu rechtsextremistischen Parteien, insbesondere zur NPD, bekannt geworden. NPD-Veranstaltungen werden von "Blood & Honour" aktiv unterstützt und bereits terminierte eigene Veranstaltungen oft sogar verlegt, um eine Teilnahme an den Treffen der NPD zu ermöglichen. Das Bekenntnis der rechtsextremistischen Skinhead-Band "Landser" zur Unterstützung der NPD in einem Interview, veröffentlicht im aktuellen "Blood & Honour"Fanzine (Nr.8), bestätigt die derzeit erkennbaren Bestrebungen von "Blood & Honour", die Kontakte zur NPD zu intensivieren. Die aus den USA stammende Bewegung der "Hammerskins", die "Hammerskins" eher eine ideologisch geprägte als eine organisatorisch orientierte Sammlungsbewegung darstellt, besitzt ein elitäres, rassistisches und zum Teil neonazistisches Weltbild. Ziel dieser Gruppe ist die Vereinigung aller weißen Skinheads in einer "Hammerskin-Nation". Die "Hammerskins" sind in Deutschland seit etwa 1995 bekannt. Offizielle deutsche Sektionen bzw. "Chapter" exis- 84 tieren in: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordmark (Niedersachen und SchleswigHolstein) und Sachsen. Die "Berliner Sektion" ist die größte in Deutschland, ihr gehören etwa 30 Skinheads an. Auszug aus der Internet-Seite der "HammerSkin Nation'' Die Berliner Mitglieder treten regelmäßig bei Skinhead-Konzerten mit rechtsextremistischen Bands in unterschiedlichen Bundesländern in Erscheinung bzw. organisieren diese neuerdings z. T. auch selbst. 4.2.3 Skinhead-Fanzines Neben der Skinhead-Musik sind auch die Skinhead-Fanzines (Fan-Magazine) ein wichtiges Kommunikationsmittel der Szene. Es gibt rund 30 deutsche Fanzines. Sie erreichen Auflagen von mehreren hundert bis zu über 2 000 Exemplaren. In Berlin wird das Fanzine "Blood & Honour" der Division Deutschland erstellt. Die aktuelle Ausgabe des "Blood & Honour"-Fanzines (Nr. 8) ge- 85 hört zu den am aufwendigsten gestalteten Heften in der deutschen Skinhead-Szene. Darüber hinaus gibt die Berliner Sektion der "Hammerskins" in unregelmäßigen Abständen das Fanzine "Wehrt euch!" heraus. Im Berichtszeitraum erschien die Ausgabe 10 dieser Publikation mit teilweise strafrechtlich relevantem Inhalt. Deckblatt Fanzine "Blood & Honour" Deckblatt Fanzine "Wehrt euch!" 5 Neonationalsozialistische Organisationen und Einzelaktivisten Neonationalsozialisten (Neonazis) kennzeichnet eine ausgeprägNeonati o na I- te Fixierung auf den Nationalsozialismus der NSDAP, teilweise sozialismus auch in Ausprägung des sozialbzw. nationalrevolutionären Flügels der Gebrüder STRASSER und Ernst RÖHMs. Ausdruck dieser Haltung ist zumeist die Glorifizierung der führenden NS-Persönlichkeiten, die Verharmlosung der NS-Verbrechen, das Anlehnen an damalige Strukturen (z. B. "Hitler-Jugend") und das Verwenden von Kennzeichen aus dieser Zeit (z. B. sog. HitlerGruß, Hakenkreuz, "Sieg-Heil"und "Heil Hitler"-Rufe). Kennzeichnend sind ein übersteigerter Nationalismus, Rassismus und Führerkult. 86 Aufgrund der seit der Wiedervereinigung zunehmenden Aktivitäten neonazistischer Gruppen wurden die folgenden neonazistischen Organisationen vom Bundesminister des Innern bundesweit oder von lnnenministem/-senatoren der Länder regional verboten: Organisation Verbot Verbotsbehörde "Nationalistische Front" (NF) 27.11.1992 Bundesminister des Innern "Deutsche Alternative" (DA) 10.12.1992 Bundesminister des Innern "Deutscher Kameradschaftsbund Wilhelms21.12.1992 Innenminister von Niedersachsen haven" (DKB) "Nationale Offensive" (NO) 22.12.1992 Bundesminister des Innern "Nationaler Block" (NB) 11.06.1993 Innenminister von Bayern "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) 14.07.1993 Innenminister von BadenWürttemberg "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) 02.09.1993 Innenminister von Nordrhein-Westfalen "Wiking Jugend e.V." (WJ) 10 11.1994 Bundesminister des Innern "Nationale Liste" (NL) 24.02.1995 Innensenator von Hamburg "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 24.02.1995 Bundesminister des Innern "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) 05.05.1995 Innenminister von Brandenburg "Skinheads Allgäu" 30.07.1996 Innenminister von Bayern "Kameradschaft Oberhavel" 15.08.1997 Innenminister von Brandenburg "Heideheim e. V." 11.02.1998 Innenminister von Niedersachsen Die seit 1992 ausgesprochenen Verbote neonazistischer Organisationen, zahlreiche Gerichtsverfahren gegen führende Neonazis mit Verurteilungen zu empfindlichen Haftstrafen sowie die ÄchLähmung der tung deren menschenverachtender Ziele durch die Gesellschaft neonazistischen führten zu einer Zersplitterung und zeitweisen Lähmung der neoSzene nazistischen Szene. Die Neonazis waren gezwungen, ihre politischen Aktivitäten anders zu organisieren und vor allem auf Vereinsstrukturen zu verzichten. Dies hat zu einem Umdenken in der Szene geführt. So haben sich eine Reihe von Neonazis aus organisierten Personenzusammenhängen zurückgezogen, andere sind rechtsextremistischen Parteien beigetreten, um dort ihre politischen Ziele ungestört weiterverfolgen zu können. Beide Entwicklungen haben auf Bundesebene und in Berlin zu einer Verringerung der Zahl der Organisationen in der Neonazi-Szene geführt. 87 Aufgrund der in den letzten Jahren ergangenen Urteile gegen führende Rechtsextremisten und der zahlreichen Verbote gegen neonazistische Vereinigungen kam es in der neonazistischen Szene zu Umstrukturierungsund Neuformierungsprozessen. An die Stelle von Organisationen traten organisationsunabhängige, autonome Personenzusammenschlüsse, sog. Unabhängige Kameradschaften, Jugendgruppen und Freundeskreise, die regional bzw. bundesweit durch Mailboxen, Internet, Info-Telefone und Mobiltelefone miteinander vernetzt sind. Zudem trat eine Reihe von Neonazis rechtsextremistischen Parteien bei, um dort ihre politischen Ziele ungestört weiterzuverfolgen. Nachdem 1997 das gesamte neonazistische Potential in Berlin auf 245 Personen (1996: 280) zunächst abgesunken war, stieg es seit 1998 ( 330 Personen) wieder kontinuierlich auf ein Potential von rund 420 Personen an. Die diesem Kreis zuzurechnenden Personen gehören neonazistischen Kameradschaften und anderen neonazistischen Kleingruppen an. Dabei wächst vor allem das Feld der unorganisierten Neonazis stark an. So ist die Zahl der unorganisierten Neonazis in Berlin im Zeitraum 1998 bis 1999 von geschätzten 120 auf 225 Personen angestiegen. 1997 hatte dieses Potential noch bei etwa 50 Neonazis gelegen. 5.1 "Unabhängige Kameradschaften" Sitz: Berlin (fast ausschließlich in den östlichen Bezirken) Anhängerzahl: K. A. bundesweit, etwa 105 in Berlin (1998: 135) Organisationsstruktur: Lose Zusammenschlüsse Entstehung/Gründung: 1995 und 1996 u. a. als Reaktion auf FAP-Verbot Ideologie: Neonazistisch Publikationen: Flugblätter Die Kameradschaftsbewegung ist einem ständigen Wandel unterzogen. Neben wenigen über Jahre hinaus bestehenden akStändiger Wandel tiven Kameradschaften gibt es eine Vielzahl von Gruppierungen, die nur wenige Monate existieren und sich dann auflösen. Einige 88 fanden in Szene-Veröffentlichungen Erwähnung, ohne dass Erkenntnisse über ihre tatsächliche Existenz angefallen sind. Die Kameradschaften weisen weder eine vereinsmäßige Struktur noch formale Mitgliedschaften auf, bestehen in der Regel aus 1 0 - 1 5 Personen und sind in einzelnen Berliner Stadtbezirken verankert. Es gilt das Wohnortprinzip, d. h. eine Mitgliedschaft ist in der Regel nur in der im eigenen Wohnbezirk ansässigen Kameradschaft möglich. Sie sind regional bzw. bundesweit durch Internet, Info-Telefone und Mobiltelefone miteinander vernetzt. Derzeit bestehen in Berlin noch acht Kameradschaften mit einem Neonazikreis um Personenpotential, das von etwa 105 in erster Linie neonaziSCHWERDT stisch orientierten Jugendlichen bzw. Heranwachsenden gebildet wird. Die Kameradschaftsszene in Berlin ist seit Herbst 1998 starken Strukturbrüchen unterworfen. Ein wichtiger Grund hierfür war die Inhaftierung des Neonazis Frank SCHWERDT bis Ende März 1999. Während seiner Haftzeit zerfiel der von ihm geführte Kameradschaftskreis, dem zeitweilig neun Kameradschaften zugeordnet werden konnten. SCHWERDT hatte sich bereits vor seiner Inhaftierung für einen Strategiewechsel entschieden: Mit seinem Eintritt in die NPD und dem gleichzeitigen Aufruf an die Kameradschaftsszene, seinem Beispiel zu folgen, gab er das Signal zur Auflösung seiner Kameradschaftsbewegung. Eine Reihe von Kameradschaftsangehörigen folgte dem Aufruf von SCHWERDT zum Eintritt in die NPD, wo sie als Parteimitglieder aktiv sind. Die Folge war der Zerfall der Kameradschaftsbewegung um SCHWERDT. Von dieser Bewegung wird derzeit in Berlin nur noch eine Kameradschaft als aktiv eingestuft. Gleichzeitig versuchte SCHWERDT seit etwa Juni 1999 den verbleibenden - den Eintritt in die NPD ablehnenden - Rest seiner Kameradschaftsbewegung wieder zu sammeln und neu zu strukturieren. Angesichts des Umstandes, dass SCHWERDT zwischenzeitlich wieder eine Freiheitsstrafe verbüßt, dürften die Bemühungen um eine Reaktivierung jedoch wenig Aussicht auf Erfolg haben. 89 Zeitweise versammelte in 1999 allein der ehemalige Vorsitzende des Landesverbandes Berlin der am 22. Februar 1995 verbotenen neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), Lars BURMEISTER, fünf Kameradschaften mit etwa 50 Mitgliedern um sich. Inzwischen haben sich Angehörige dieses Kameradschaftskreises von BURMEISTER getrennt und eine eigenständige Kameradschaft gegründet. Zwei der Kameradschaften haben sich Ende 1998 aus den Besuchern des seit Ende November 1998 geschlossenen "Cafe Germania" gebildet. Eine davon hat sich jedoch im Verlauf des Jahres 1999 wieder zu einer reinen "Stammtisch-Runde" zurückentwickelt und kann daher nicht mehr als Kameradschaft im Sinne der anderen gleichnamigen Zusammenschlüsse angesehen werden. Aktuelle Verteilung der Kameradschaften (KS) auf die Berliner Bezirke Bezirk Anzahl Bezeichnung Friedrichshain 1 KS Friedrichshain Hellersdorf 2 KS Hellersdorf, KS Mahlsdorf Lichtenberg KS "Germania" Pankow KS Pankow Prenzlauer Berg KS Prenzlauer Berg Reinickendorf KS Reinickendorf Treptow KS Treptow Den derzeit bekannten Kameradschaften gehören zunehmend Jugendliche an, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ihr Verhalten ist geprägt durch provokatives Auftreten gegenüber ausländischen Mitbürgern (zumeist verbaler Natur), Schmieraktionen und Alkoholexzessen, aus denen teilweise kri- 90 minelle Handlungen bzw. Gewalttaten resultieren. Eine rechtsextremistische Zielsetzung ergibt sich in der Regel nur aus der Sammlung oder Verbreitung rechtsextremistischen Propagandamaterials, dem Verwenden von Kennzeichen aus der NS-Zeit, insbesondere das Rufen von "Sieg Heil" und "Heil Hitler" sowie das Zeigen des "Hitler-Grußes" in oftmals alkoholisiertem Zustand und einer plakativen Ausländerfeindlichkeit. Diese Jugendgruppen in den Kameradschaften werden zumeist von älteren "gestandenen" Neonazis geführt, die die Jugendlichen indoktrinieren. 5.2 Weitere neonationalsozialistische Organisationen und Kleingruppen 5.2.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Sitz: Frankfurt/M. Mitgliederzahl: K.A. bundesweit (1998: 500), in Berlin 45 (1998:35) Organisationsstruktur: Verein Entstehung/Gründung: 1979 Ideologie: Neonazistisch Publikationen: "Nachrichten der HNG" (monatlich) Die 1979 gegründete HNG versteht sich als "Sammelbecken und Sammelbecken, SolidargemeinSolidargemeinschaft" für Neonazis aller politischer Gruppierunschaft und gen aus Deutschland und dem nahen Ausland und beschäftigt Betreuungsverein sich in erster Linie mit der "Betreuung inhaftierter Gesinnungsgenossen". Der eingetragene Verein, der seit 1991 von der bundesweit bekannten Neonazi-Aktivistin Ursula MÜLLER geleitet wird und die größte noch verbliebene Organisation der gesamtdeutschen Neonazi-Szene repräsentiert, verfügt in Berlin zwar mit etwa 45 Mitgliedern über ein durchaus beachtenswertes Personenpotential, aber keine eigene Organisationsstruktur. Die HNG erhielt auch 1999 weiterhin stetigen Zulauf aus der örtlichen Neonazi-Szene. 91 Anfang Januar 1999 wurde der führende Berliner Neonazi HansChristian WENDT zum neuen Schriftleiter der regelmäßig erscheinenden Publikation "Nachrichten der HNG" bestimmt. WENDT übernahm seine Aufgabe unmittelbar, nachdem er Mitte Dezember 1998 aus der Haft entlassen worden war. Das Blatt erscheint in einer Auflagenhöhe von ca. 500 Exemplaren einmal im Monat. Hauptanliegen der Vereinszeitung ist es, inhaftierten Gesinnungsgenossen Briefkontakte zu vermitteln und sie nach der Haftentlassung zu betreuen bzw. wieder in die NeonaziSzene einzugliedern. Im Jahre 1999 unterstützte die HNG folgende führende Berliner Neonazis ideell und materiell: - Frank SCHWERDT SCHWERDT, Mitglied im Bundesvorstand der NPD, verbüßte von Mitte 1998 bis Mai 1999 eine neunmonatige Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel wegen Volksverhetzung und Verbreitung von Propagandamitteln sowie Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Zusammenhang mit der neonazistischen Publikation "Der Schulungsbrief'. Seit Ende 1999 ist SCHWERDT erneut Strafgefangener: Anfang Dezember trat er in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee eine sechsmonatige Haftstrafe im offenen Vollzug an. Er war Ende Oktober 1998 für schuldig befunden worden, als Leiter eines rechtsextremistischen Verlages die gewaltverherrlichende CD "Unsere Einigkeit macht uns zur Macht" der rechtsextremistischen thüringischen Skinheadband "Volksverhetzer" produziert und den Verkauf von etwa 2 500 Exemplaren organisiert zu haben. - KayDIESNER DIESNER, inhaftiert in Lübeck, wurde am 01.12.1997 vom Landgericht Lübeck wegen Mordes und Mordversuches zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte unter Einsatz von Schusswaffen am 19.02.1997 einen Buchhändler in Berlin schwer verletzt sowie am 23.02.1997 in Schleswig- 92 Holstein einen Polizeibeamten getötet und einen weiteren verletzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dieses Urteil im Juni 1998 auf Antrag DIESNERs hinsichtlich des Anschlags auf den Buchhändler aufgehoben und zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Nach Ansicht des BGH war nicht ausreichend geprüft worden, ob es sich bei dem Angriff um versuchten Mord oder nur um schwere Körperverletzung handelte. Vom Landgericht Lübeck erging wegen des Attentats auf den Buchhändler gegen ihn am 08.12.1999 erneut eine lebenslange Haftstrafe. - Marcus BISCHOFF BISCHOFF ist seit dem 12.01.1999 in der Untersuchungshaftanstalt Moabit inhaftiert. Er war am 23.12.1998 wegen des Versuchs der Beteiligung an einem Mord, dem keine politische Motivation zugrunde lag, zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. 5.2.2 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Sitz: Lincoln, Nebraska (USA) Mitgliederzahl: K.A. bundesweit, in Berlin EM (1998: EM) Organisationsstruktur: Unabhängige Stützpunkte Entstehung/Gründung: 1976 Ideologie: Militant-neonazistisch Publikationen: "NS-Kampfruf" (unregelmäßig) Die NSDAP-AO galt seit Anfang der 90er Jahre als größter internationaler Hersteller und Vertreiber von NS-Propagandamaterial. Jedoch war seit der Festnahme des Leiters der NSDAP-AO, Weiterhin Rückgang der Gary Rex LAUCK, im März 1995 und seiner Verurteilung durch Aktivitäten das Landgericht Hamburg im August 1996 zu vier Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung ein deutlicher Rückgang der Aktivitäten dieser Organisation in Berlin, wie auch im gesamten Bundesgebiet, feststellbar. 93 Am 23. März 1999 wurde LAUCK nach der Verbüßung der vollen Dauer seiner Freiheitsstrafe aus der Haft in der Justizvollzugsanstalt Hamburg entlassen und umgehend aus Deutschland in sein Heimatland USA abgeschoben. Weder die Inhaftierung noch seine Entlassung haben zu nennenswerten Solidaritätsaktivitäten in der neonazistischen Szene geführt. Die Publikation "NS-Kampfruf der NSDAP-AO ist ein Gemein-1 "NS-Kampfruf" Schaftsprojekt von deutschen, holländischen, dänischen und amerikanischen Neonazis und wird offensichtlich aus den Niederlanden vertrieben. 1999 war - wie bereits in den Vorjahren - das Erscheinen des "NS-Kampfrufs" weiterhin unregelmäßig, was auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Herstellung und dem Vertrieb der in Deutschland strafbewährten Publikation hindeutet. Die NSDAP-AO ist daneben jedoch auch weiterhin mit aus den USA eingestellten Seiten im Internet präsent. Die Verbreitung von nationalsozialistischer Propaganda ist in den USA grundsätzlich straffrei. 5.2.3 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 15 in Berlin (1998: 20) Organisationsstruktur: Keine Entstehung/Gründung: 1982 Ideologie: Neonazistisch Publikationen: Keine Die 1982 gegründete, zur Zeit noch auf maximal 15 Personen geschätzte Neonazi-Funktionärsgruppe der "Heavy-Metal-Szene" ist seit Jahren in den östlichen Bezirken Berlins ansässig und unterhält seit der Wende gute Kontakte zu neonazistischen Organisationen in Berlin und Umgebung. Einzelne Personen der Gruppierung gehören der im Jahre 1993 gegründeten neonazistischen Skinhead-Band "Landser" an. Im Jahr 1999 konnten folgende öffentlichkeitswirksame Aktionen verzeichnet werden: 94 Am 24. Juli versammelten sich 81 Am 10. September veranstaltete die Gäste, hauptsächlich Angehörige Gruppierung ebenfalls wieder in ihder rechtsextremistischen Szene rem "Clubhaus" ihr "Jahresfest" aus Berlin, Brandenburg und aus Anlass ihres 17-jährigen BesteSachsen im Clubhaus der "Vanhens. An der Veranstaltung beteidalen" im Bezirk Weißensee, um ligten sich ca. 140 Rechtsextremidie Hochzeit eines Berliner "Vansten aus dem gesamten Bundesgedalen"-Mitgliedes mit einer langbiet, u. a. Angehörige von vier Sekjährigen Angehörigen der sächsitionen der rechtsextremistischen schen Neonaziszene zu feiern. Im Skinhead-Bewegung "Blood & HoZuge eines, aus Gründen des nour". Im Vorfeld der Veranstaltung Schutzes der öffentlichen Sicherwurden die Gäste angehalten, der heit durchgeführten PolizeieinPolizei keinen Anlass zu bieten, das satzes wurden insgesamt sechs Fest aufzulösen. So wurde deutlich Gesetzesverstöße, u. a. wegen des gemacht, dass die VeranstaltungsVerwendens von Kennzeichen verbesucher keine Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, fassungswidriger Organisationen Verstöße gegen das Waffengesetz tragen und keine Lieder mit volkssowie Beleidigung von polizeiliverhetzendem Inhalt gesungen werchen Einsatzkräften festgestellt. den dürfen. Insgesamt fünf Personen wurden Demzufolge verlief diese Veranzur Durchführung erkennungsstaltung ohne Außenwirkung. dienstlicher Maßnahmen vorübergehend in polizeiliches Gewahrsam genommen. 5.3 Unorganisierte Neonazi-Szene Die Zahl der unorganisierten Neonazis ist in Berlin weiter angestiegen. Von den geschätzten 420 Neonazis in Berlin sind 225 (1998: 120) dem unorganisierten neonazistischen Spektrum zuzuordnen. Dieser Anstieg ist auch in engem Zusammenhang mit dem Niedergang der neonazistischen unabhängigen Kameradschafts-Szene zu sehen. Viele ehemalige Kameradschafts-Angehörige die zur Zeit als "politisch heimatlos" anzusehen sind, halten dennoch an ihren neonazistischen Überzeugungen fest. Teile des ungebundenen neonazistischen Potentials suchen sich als organisatorischen Rückhalt ein "legales Dach". Unter diesem meint man relativ sicher vor einem Verbot agieren zu können. Weil das Verbot einer Partei deutlich schärfere rechtliche Voraussetzungen zur Bedingung hat als dies bei Vereinsverboten der Fall ist, erwägen viele unorganisierte Neonazis den Eintritt in die NPD und verfolgen dabei möglicherweise das Ziel, die Partei zu untenwandern. 95 5.4 "Anti-Antifa"-Kampagne Die Anfänge der sog. Anti-Antifa-Kampagne reichen zurück bis in das Jahr 1992. Führende Neonazis nutzten damals geschickt den von Rechtsextremisten aller Schattierungen gefürchteten "antifaschistischen Kampf gewaltbereiter Linksextremisten als Impulsgeber für dieses Projekt, das die bis dahin oft eher sporadisch, ungeordnet agierenden eigenen Kräfte bei den Auseinandersetzungen mit Linksextremisten bündeln und in ihrer Schlagkraft durch die Entwicklung geeigneter Strukturen stärken sollte. Es galt, künftig die Abwehr von Attacken des politischen Gegners organisiert vorzubereiten und darüber hinaus selber aktiv gegen erkannte Widersacher vorzugehen. Vor dem Hintergrund eines seinerzeit deutlichen Anstiegs tätlicher Angriffe auf Angehörige der rechtsextremistischen Szene durch linksextremistische Aktivisten kündigten die Initiatoren im September 1992 in einer "Pressemitteilung" an: "Wir werden nicht mehr weiter hinnehmen, dass man uns materiell und physisch so tangiert wie bisher. Ober gewaltbereite Autonome, bürgerliche Antifaschisten, linke Medien oder Gegner überhaupt werden wir künftig atle Daten speichern." Das erklärte Ziel der "Anti-Antifa"-Kampagne unter der Kampfparole "Schlagt die Linken, wo ihr sie trefft" lautete, den Gegner "aus der Anonymität der Masse herauszureißen und durch gezielte Feindaufklärung linken Angriffen vorzubeugen bzw. diese zu verhindern". Zudem wollte man die über den "politischen Gegner" gesammelten Daten veröffentlichen, verbunden mit einer zumindest indirekten Aufforderung, gegen die betreffenden Personen Gewalt anzuwenden, um sie einzuschüchtern. Die "Anti-Antifa"-Initiative fand bundesweit innerhalb der rechtsextremistischen Szene unterschiedliches Gehör. In Berlin befassten sich zunächst nur vereinzelt Neonazis mit dem Thema "Anti-Antifa". Anderorts begannen Rechtsextremisten, das Konzept umzusetzen. Eines der ersten praktischen Beispiele hierfür 96 war die Ende des Jahres 1993 bundesweit verbreitete Publikation "Der Einblick" mit dem Untertitel "Die nationalistische Widerstandsschrift gegen zunehmenden Rotfrontund Anarchoterror". Die nur einmalig erschienene Schrift enthielt eine ausführliche und nach Regionalbereichen gegliederte Sammlung von Namen, Adressen und Anlaufstellen von "politischen Gegnern", darunter Angehörige der "Antifa"-Szene, Gewerkschaften und Parteien. Aufgrund zahlreicher staatlicher Maßnahmen (Veranstaltungsverbote, Hausdurchsuchungen und Verurteilung maßgeblicher Aktivisten), die auf die Publikation folgten, stagnierten die "AntiAntifa"-Aktivitäten vorübergehend. Neuen Antrieb für die "Anti-Antifa"-Arbeit gab ab Ende 1995 der führende niederländische Neonazi Eite HOMANN, Europa-"Koordinator" der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO). HOMANN leitet und koordiniert seither den Aufbau einer "Zentralstelle" für die Sammlung und Auswertung von "Anti-Antifa"Material in Amsterdam. Als neue "Anti-Antifa"-Aufgabe definierte er, insbesondere "bundesdeutsche Staatsschutzdienststellen aus der Anonymität herauszuholen". Die Angehörigen der rechtsextremistischen Szene wurden in diesem Zusammenhang dazu aufgerufen, Gedächtnisprotokolle über Vernehmungen, Auszüge aus ihnen möglicherweise zugänglichen Ermittlungsakten herzustellen und - wenn möglich - Fotos von Polizeibeamten aufzunehmen, um entsprechende Dossiers anfertigen zu können. In Berlin wurden die Bemühungen HOMANNs 1996 federführend von maßgeblichen Neonazis, u. a. ehemaligen Funktionären des aufgelösten Vereins "Die Nationalen e. V." und einigen Leitern mehrerer sog. Unabhängiger Kameradschaften, unterstützt. Dem Berliner Zweig der "Anti-Antifa"-Kampagne gelang es 1996, Daten zu rund 40 Richtern, Staatsanwälten und Beamten des Landeskriminalamts Berlin zu sammeln. Zum Transfer bzw. zur Veröffentlichung dieser Daten bedienten sie sich vor allem des rechtsextremistischen Mailboxverbundsystems "Thule-Netz". Wie 97 sich bereits damals zeigte, ist die "Anti-Antifa" bundesweit organisiert und untereinander auf informationellem Wege vernetzt. Mehrere Verfahren gegen beteiligte Kreise und der Rückzug führender Köpfe aus unterschiedlichen Gründen führten ab 1997 erneut zum Erliegen der "Anti-Antifa"-Aktivitäten in Berlin. Seither setzen lediglich einzelne Aktivisten in "Eigenregie" die Sammlung von Daten über den "politischen Gegner" bzw. den "beamteten Gegner" fort. So konnten bei polizeilichen Wohnungsdurchsuchungen bei Berliner Neonazis zahlreiche Fotos von "linken" Gegendemonstranten und eingesetzten Polizeibeamten im Umfeld rechtsextremistischer Demonstrationen sichergestellt werden. Im August und September 1999 berichteten verschiedene Berliner Tageszeitungen über die sog. Schwarze Liste einer rechtsextremistischen Gruppierung mit der Bezeichnung "Anti-Antifa Kurpfalz". Diese Aufstellung enthielt auch zahlreiche Namen und sonstige Angaben zu Personen und Einrichtungen des "linken" politischen Spektrums in Berlin, hauptsächlich im Bezirk Treptow. Bestimmte Angaben darin deuteten jedoch darauf hin, dass die Datensätze nicht aktuell zusammengestellt worden waren, sondern wahrscheinlich lediglich eine öffentlichkeitswirksame Wiederverwertung alter Bestände darstellten. Ende Dezember 1999 erschien in der Öffentlichkeit eine ähnliche "Anti-Antifa"-Broschüre mit dem Titel "DER WEHRWOLF", herausgegeben vermutlich von neonazistischen Kreisen in Rheinland-Pfalz. Bezugsanschrift ist die Postfachadresse Eite HOMANs in den Niederlanden. Zum Verlauf der "Anti-Antifa"-Kampagne hieß es drohend: 98 "In ganz Deutschland und darüber hinaus wurden die Namen und Adressen der Verantwortlichen gesammelt, Personen observiert und zentral verwertet, um diese (...) zur Verantwortung zu ziehen und somit gleich klarzumachen: wer gegen uns vorgeht, hat mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu rechen, wie immer auch diese aussehen werden!! (...) Die Anti-Antifa leitet hiermit eine neue Offensive nationalsozialistischer Gegenwehr ein Ihre militante Grundhaltung hoben die Initiatoren des Pamphlets durch eine Solidaritätserklärung für den wegen Mordes an einem Polizisten verurteilten Rechtsextremisten DIESNER ausdrücklich hervor: "Kay Diesner nahm die Waffe auf, um uns, die nationalsozialistische Bewegung, zu verteidigen. (...) Hierfür müssen wir ihm dankbar sein." Unter den in der Publikation genannten Institutionen, Organisationen, Vereinigungen und Einzelpersonen befanden sich auch etliche mit Anschriften in der Bundeshauptstadt. Als bevorzugte potenzielle Angriffsziele im Rahmen der "Offensive nationalsozialistischer Gegenwehr" gelten nach dieser Liste u. a. der Bundestag und die Länderparlamente bzw. deren Abgeordnete, Parteien des demokratischen und linksextremistischen Spektrums sowie Dienststellen des Verfassungsschutzes. Ebenso vorrangig im Visier der Rechtsextremisten ist die Infrastruktur der linksextremistischen Szene, etwa deren "Infoläden". Überdies zeugt das Papier von einem fanatischen Antisemitismus seiner Urheber. Detailliert wurden zahlreiche jüdische Einrichtungen, wie z. B. religiöse Zentren, gesellschaftliche Zusammenschlüsse und Geschäfte mit Anschrift und Telefonnummer, listenmäßig erfasst, ergänzt um eine Grafik jüdischer Gedenkstätten und Museen in Berlin. Auch Mahnund Gedenkstätten für Opfer des Nationalsozialismus fanden sich auf der Liste. Obwohl derartige Veröffentlichungen geeignet sind, sofort oder später zu Angriffen gegen die angeführten potenziellen Zielper- 99 sonen oder -Objekte zu animieren, sind derzeit Planungen hinsichtlich beabsichtigter Gewaltaktionen der Neonazi-Szene gegen die verhassten Kontrahenten nicht erkennbar. 6 Rechtsextremistische Parteien Nachdem sich die "Deutsche Volksunion" (DVU), die "NationalAnstieg des demokratische Partei Deutschlands" (NPD) und "Die RepubliPotentials kaner" (REP) bis zum Jahre 1998 bundesweit insgesamt stabilisiert und ihre Mitgliederzahlen gesteigert hatten, brach diese Entwicklung im Jahre 1999 ab. Während die DVU und die REP jeweils 1 000 Mitglieder verloren, stagnierte die Mitgliederentwicklung bei der NPD. Das rechtsextremistisch parteigebundene Personenpotential, 1998 in Berlin auf eine Größenordnung von 1 720 Personen geschätzt, hat auf 1 630 Mitglieder abgenommen. Die REP mussten einen Mitgliederrückgang um 100 Personen auf 750 hinnehmen, die Mitgliederbestände der anderen rechtsextremistischen Parteien blieben im Vergleich zum Vorjahr entweder unverändert (DVU: 630 Personen) oder erhöhten sich wie bei der NPD um etwa 10 auf jetzt ca. 220 Personen (1998: 210). 100 6.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) Sitz: München Mitgliederzahl: 17 000 bundesweit (1998: 18 000), 630 in Berlin, (1998: 630 in Berlin) Organisationsstruktur: Partei 4 Entstehung/Gründung: 05. März 1987 Ideologie: Rechtsextremistisch Publikationen: "National-Zeitung"/"Deutsche Wochenzeitung" (NZ) (überregional, wöchentlich) Herausgeber: Dr. Gerhard FREY Die Situation des Landesverbandes Berlin der DVU war im Berichtszeitraum weitestgehend durch personelle Schwierigkeiten auf Funktionärsebene und Passivität der Mitglieder gekennzeichnet. So ist es auch dem im Februar 1999 neugewählten Landesvorstand bisher nicht gelungen, die Strukturen der Partei zu reorganisieren und damit einhergehend Mitgliederpotentiale zu mobilisieren. Auf Weisung ihres Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard FREY vom Juni 1999 nahm die DVU nicht an den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zu den Bezirksverordnetenversammlungen ( B W ) teil. Grundlage hierfür war eine zwischen Dr. FREY und dem Bundesvorsitzenden der Partei "Die Republikaner" (REP), Dr. Rolf SCHLIERER, getroffene Vereinbarung, wonach die REP sich nicht an der Landtagswahl in Brandenburg beteiligten; dafür trat die DVU in Berlin nicht zur Wahl an. Bei der fünften Direktwahl zum Europaparlament im Juni 1999 hatte die DVU ebenfalls von einer Teilnahme abgesehen. Die konstant relativ hohe Zahl der ca. 630 nominellen Berliner Mitglieder - die Zahl tatsächlich aktiver Parteiangehöriger ist erheblich niedriger - lässt für sich genommen kaum Rückschlüsse auf den Umfang der Parteiaktivitäten in Berlin zu. Die Aktivitäten, die aus der Parteimitgliedschaft resultieren, beschränken sich meist auf die Zahlung monatlicher Beiträge und auf das Abonnieren der Zeitungen des dem DVU-Vorsitzenden Dr. Gerhard 101 FREY gehörenden bzw. von ihm kontrollierten "Druckschriften und Zeitungsverlages GmbH" (DSZ-Verlag). 6.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Sitz: Stuttgart Mitgliederzahl: 6 000 bundesweit (1998: 6 000), 220 in Berlin, 200 in Brandenburg (1998: 210 in Berlin und 150 in Brandenburg) Organisationsstruktur: Partei Entstehung/Gründung: 1964 Ideologie: Rechtsextremistisch Publikationen: "Deutsche Stimme" (überregional, monatlich) "ZÜNDSTOFF - Deutsche Stimme für Berlin und Brandenburg" (vierteljährlich, Auflage: 200) Der Bezirksverband Berlin der NPD konnte 1999 in Berlin sein Mitgliederpotential mit ca. 220 Personen gegenüber dem Vorjahr leicht erhöhen. Eine erneute Steigerung der Mitgliederzahlen durch die Einbindung weiterer ehemaliger Angehöriger der neonazistischen Kameradschaftsszene war jedoch nicht möglich, obwohl die Tendenz einer Öffnung zu Neonazi-Kreisen festzustellen ist. Die Aktivitäten des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der NPD konzentrierten sich im Berichtszeitraum auf die Wahlkämpfe zu den Landtagswahlen in Brandenburg am 05. September 1999, auf die Wahlen des Abgeordnetenhauses von Berlin und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 10. Oktober 1999. 102 Nachdem der NPD-Bundesvorsitzende Dr. Udo VOIGT seinen Wohnsitz in Hennigsdorf/Brandenburg genommen und die Landesliste angeführt hatte, gewann die dortige Landtagswahl für die Bundesparteiführung an Bedeutung. VOIGT zufolge sollte Brandenburg (nach Sachsen) die "zweite Bastion" der NPD werden. Den Bemühungen der "Deutschen Volksunion" (DVU) um Wahlabsprachen erteilte die NPD deutliche Absagen. Vor dem Hintergrund der Entscheidung VOIGTs, der brandenburgischen Landtagswahl den Vorrang vor den Wahlen in Berlin zu geben, lag der Schwerpunkt des Wahlkampfes der NPD denn auch zunächst in diesem Bundesland. So wurde der führende Berliner Neonazi Frank SCHWERDT, Mitglied des NPD-Bundesvorstandes, Mitte 1999 zum Koordinator für die Wahlwerbung u. a. in Brandenburg und in Berlin ernannt. Die NPD machte mit zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen, Informationsständen sowie Verteilund Plakataktionen in Brandenburg auf sich aufmerksam. Erklärtes Wahlziel der Partei war, die für die staatliche Parteienfinanzierung wichtige 1 %-Grenze zu überschreiten und die Parteimitglieder und das neonazistische Umfeld der Partei durch den Wahlkampf zu mobilisieren. Die NPD erreichte in Brandenburg jedoch nur 8 137 Stimmen oder 0,7 % und verfehlte damit ihr Wahlziel deutlich. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zu den Bezirksverordnetenversammlungen trat die NPD mit einer 13köpfigen Landesliste an, die vom Vorsitzenden des Bezirksverbandes Berlin, Andreas STORR, angeführt wurde. Darüber hinaus wurden in acht Wahlkreisen Direktkandidaten nominiert. Weiterhin kandidierte die Partei für die BVVen von Hellersdorf, Hohenschönhausen, Köpenick, Lichtenberg, Marzahn, Mitte, Pankow, Prenzlauer Berg, Spandau, Treptow, Wedding und Weißensee. Der Wahlkampf der NPD verlief im Berliner Stadtgebiet sehr verhalten. Öffentlichkeitswirksame Demonstrationen wurden nicht durchgeführt. Einzige interne Wahlveranstaltung war ein Treffen 103 von Angehörigen der Berliner NPD-Kreisverbände Nord und Süd am 30. Juli 1999, an dem sich 60 Personen, darunter zahlreiche Vertreter der neonazistischen Szene Berlins, beteiligten. Zweitstimmen Abgeordnetenhauswahl 1999, Anteile der NPD mit Vergleichszahlen Bundestagswahl 1998 Zweitstimmen Abgeordnetenhaus AbgeordnetenhausBundestagswahl '98 Differenz Wahl '99 absolut Prozent absolut Prozent absolut J Prozent Wahlberechtigte 2 414 493 - 2 442 929 - - 28 436 - Wähler 1 582 407 65,5 1 980 517 81,1 -398 110 -15,6 gültige Stimmen 1 563 576 98,8 1 957 959 98,9 - 394 383 - 0,1 davon für die NPD 13 038 0,8 7 897 0,4 + 5 141 | + 0,4 Nach dem amtlichen Endergebnis entfielen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus auf die NPD berlinweit 0,8 % oder 13 038 der abgegebenen gültigen Zweitstimmen, womit sie den Einzug in das Landesparlament der Bundeshauptstadt deutlich verfehlte. Allerdings gelang der Partei im Vergleich zur Bundestagswahl am 27. September 1998 eine Verdoppelung ihres Stimmenanteils von damals 0,4 %. 104 BVV-Wahlen 1999, Stimmenanteiie der NPD Bezirksverordnetenversammlungen BW-Wahlen '99 BW-Wahlen '95 Differenz absolut Prozent absolut Prozent absolut Prozent Wahlberechtigte 2 475 015 - 2 532 570 - - 57 555 - Wähler 1 593 218 64,4 1 712 430 67,6 - 119212 -3,2 gültige Stimmen 1 574 135 98,8 1 682 549 98,3 - 108 414 + 0,5 NPD 10511 0,7 NPD nicht angetreten davon in den Bezirken Spandau 623 0,6 NPD nicht angetreten Wedding 369 0,7 NPD nicht angetreten Mitte 313 0,9 NPD nicht angetreten Köpenick 703 1,1 NPD nicht angetreten Prenzlauer Berg 650 1,1 NPD nicht angetreten Pankow 703 1,2 NPD nicht angetreten Treptow 850 1,4 NPD nicht angetreten Weißensee 514 1,4 NPD nicht angetreten Hohenschönhausen 965 2,0 NPD nicht angetreten Lichtenberg 1 585 2,2 NPD nicht angetreten Hellersdorf 1 387 2,6 NPD nicht angetreten Marzahn 1 849 2,9 NPD nicht angetreten Die NPD ist auch in keiner BVV vertreten. Bei den Wahlen zu den B W scheiterte sie an der hier geltenden 3 %-ProzentKlausel: Ihren Spitzenwert dicht unterhalb dieser Marke erzielte die Partei im Bezirk Marzahn (2,9 %), am schlechtesten schnitt sie in Spandau ab (0,6 %), insgesamt entfielen auf die Bezirkswahlvorschläge der NPD 0,7 %. Das Abschneiden der NPD bei den Wahlen in Berlin fügte sich tendenziell in die Ergebnisse der diesjährigen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ein, wo sie ebenfalls unterhalb der 1 %-Grenze blieb. Angesichts des im Stadtgebiet seitens der Partei sehr verhalten, ohne besondere Außenwirkung geführten Wahlkampfes erschienen schon im Vorfeld des Wahltages nennenswerte Erfolge äußerst unwahrscheinlich. Auch dürfte die Konkurrenz der Partei "Die Republikaner" (REP) den Stimmenanteil der Nationaldemokraten unter 1 % gedrückt haben, da es hier Überschneidungen im Wählerpotential gibt. 105 Zweitstimmen Abgeordnetenhaus 1999, Anteile der NPD mit Vergleichszahlen Europawahl 1999 Zweitstimmen Abgeordnetenhaus AbgeordnetenhausEuropawahl '99 Differenz Wahl '99 absolut Prozent absolut Prozent absolut Prozent Wahlberechtigte 2 414 493 - 2 431 784 - - 17 291 - Wähler 1 582 407 65,5 970 274 39,9 + 612 133 + 25,6 gültige Stimmen 1 563 576 98,8 960 156 99,0 + 603 420 - 0,2 davon für die NPD 13 038 0,8 6 999 0,7 + 6 039 + 0,1 Auf Beschluss des Bundesparteivorstandes beteiligte sich die NPD in Berlin auch an der fünften Direktwahl zum Europäischen Parlament am 13. Juni 1999. Der NPD-Landesverband BerlinBrandenburg konnte in Berlin einen Stimmenanteil von 0,7 % und in Brandenburg von 1,2 % auf sich vereinen. 1994 entfielen auf die NPD in Berlin und auch in Brandenburg lediglich 0,2 %. Mit Slogans wie "Nationaler Widerstand gegen die EurokratenClique", "Volksgemeinschaft statt EU-Diktatur!" und "Ausländerrückführung statt Integration" hatte die NPD vor allem zu Kundgebungen aufgerufen. Nachdem die - als zentrale Wahlkampfaktion angekündigte - Kundgebung zum 01. Mai 1999 in Bremen verboten worden war, organisierte die Partei vier weitere Demonstrationen, so u. a. am 24. Mai 1999 in Berlin. An dem friedlich verlaufenen Aufzug unter dem Motto "50 Jahre Grundgesetz - Meinungsfreiheit für alle" beteiligten sich ca. 200 NPD-Mitglieder und Sympathisanten, überwiegend aus Berlin und Brandenburg. NPD 106 Schwindende Abgrenzung gegenüber dem neonazistischen Spektrum Seit der Wahl von Dr. Udo VOIGT zum NPD-Bundesvorsitzenden im Jahre 1996 öffnet sich die Partei zunehmend gegenüber neonazistischen Kreisen, also jenen Rechtsextremisten, die den historischen Nationalsozialismus als Modell für ein heutiges anderes Deutschland wiederbeleben wollen. Das Verhältnis der NPD und ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) zum neonazistischen Lager ist ein gegenseitiges Zweckbündnis, gekennzeichnet vor allem durch eine themenund aktionsbezogene Zusammenarbeit. Im Mittelpunkt steht dabei eine von nationalistischen, fremdenfeindlichen und antieuropäischen Ressentiments bestimmte Diskussion über soziale und wirtschaftliche Globalisierungsfolgen für die "deutsche Bevölkerung". Verbindendes Element ist ferner das Bestreben beider Seiten, die nationalsozialistische Diktatur im Nachhinein zu rechtfertigen oder wenigstens in bestimmter Hinsicht deren Verbrechen zu relativieren (Beispiel: Holocaust). Die NPD versucht auf diesem Wege, Einfluss im aktionistischen (jugendlichen) Rechtsextremismus zu gewinnen; Neonationalsozialisten ihrerseits möchten unter Ausnutzung legaler NPD/JNStrukturen Verbotsmaßnahmen umgehen. Der Berliner NPD gelang es in den letzten Jahren, ihr Mitgliederpotential zu verjüngen. Nennenswerte Erfolge der NPD/JN-Bündnispolitik, die vor allem einen beachtlichen Reputationsgewinn der Partei innerhalb des rechtsextremistischen Lagers bedeuten, zeigten sich u. a. durch mehrere, relativ beteiligungsstarke Demonstrationen unter maßgeblicher Teilnahme von Neonazis. Als weiteres Indiz einer schwindenden Abgrenzung der NPD gegenüber Neonazis ist die Demonstration einer "Bürgerinitiative gegen das Holocaustmahnmal" am 29. Januar 2000 unter dem 107 Motto "Gemeinsam für ein NEUES DEUTSCHLAND" in BerlinMitte zu nennen. Der Demonstrationszug mit weit über 500 Rechtsextremisten setzte sich aus Mitgliedern und Anhängern der NPD sowie anderer rechtsextremistischer Parteien, Angehörigen neonazistischer "Unabhängiger Kameradschaften", sonstigen Neonazis (teilweise militanter Prägung) und rechtsextremistischen Skinheads zusammen. Auf der Abschlusskundgebung auf dem Pariser Platz hielten der Berliner NPD-Funktionär Andreas STORR, der Bundesvorsitzende der NPD Udo VOIGT und der führende Hamburger Neonazi Christian WORCH kurze Reden. Alle drei sprachen sich noch einmal deutlich gegen das geplante Holocaust-Mahnmal aus und stellten die Notwendigkeit eines derartigen Mahnmals an diesem Standort und die letztendliche Existenzberechtigung des Denkmals zum Gedenken an die geschundenen und ermordeten Juden Europas infrage. Die rechtsextremistische Szene in Berlin wertete die Protestdemonstration als enormen Erfolg. Neben euphorischen Vergleichen zu Aufmärschen der Nationalsozialisten im Dritten Reich misst das rechtsextremistische Spektrum besonders der Tatsache Bedeutung zu, nur einen Tag vor dem 30. Januar, dem gem. NS-Diktion als "Tag der Machtergreifung" bezeichneten Datums durch das Brandenburger Tor gezogen zu sein. Einen weiteren aktionistischen Anlass bot den Rechtsextremisten der 62. Jahrestag des Einmarsches deutscher Truppen in Österreich am 12. März 2000. Der NPD-Bundesverband hatte vor dem Hintergrund der Beteiligung der FPÖ an der österreichischen Regierung eine Demonstration zum Thema "Wir sind ein Volk - nationale Solidarität mit Wien" angemeldet. Dem Aufruf zur Demonstration folgten etwa 350 Rechtsextremisten und Neonazis. Im Zeichen einer gestiegenen Mobilisierungsbereitschaft sind für das Jahr 2000 seitens der NPD weitere demonstrative Aktionen 108 mit Teilnehmern aus dem gesamten übrigen Bundesgebiet in Berlin zu erwarten. Seit mindestens 1997 ist auch in Berlin ein wachsender Einfluss von ehemaligen Angehörigen verbotener neonazistischer Organisationen, z. B. der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" und der "Nationalen Offensive", auf die NPD/JN zu verzeichnen. So wurde auf dem 7. ordentlichen Parteitag des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der NPD im September 1997 ein ehemals führender Neonazi-Aktivist in den hiesigen Landesvorstand gewählt. Auch die Zusammensetzung des am 23. Januar 2000 neu gewählten Vorstandes deutet nach ersten Analysen auf eine Stärkung des neonazistischen Einflusses innerhalb der NPD hin. Neue Bundesgeschäftsstelle der NPD in Berlin-Köpenick Die NPD hat nunmehr endgültig Ende Januar 2000 den Umzug ihrer Bundesgeschäftsstelle von Stuttgart nach Berlin-Köpenick, Seelenbinderstraße 42, vollzogen und mit derzeit sechs Mitarbeitern ihre Arbeit aufgenommen. Mit dem Umzug der Bundesgeschäftsstelle von Stuttgart nach Berlin wird der Vorschrift des SS 38 der Satzung der NPD vom 08. Juni 1991 - zuletzt geändert am 10./11. Juni 1995 - Rechnung getragen, nach der Berlin Sitz der Partei ist. 109 * "Junge Nationaldemokraten" (JN) Sitz: Neuburg/Donau (Bayern) - Sitz der Bundesgeschäftsstelle Mitgliederzahl: K.A. bundesweit (1998: 400), 30 in Bertin/Brandenburg (1998: 30) Organisationsstruktur: Jugendorganisation der NPD Entstehung/Gründung: 1969 Ideologie: Rechtsextremistisch Publikation(en): "Der Aktivist" (überregional, unregelmäßig, Auflage: 1 000) Die JN sehen sich als Kristallisationskern eines angeblichen Nahtstelle zur "nationalen Aufbruchs", der die Meinungsführerschaft im "nationalen Widerstand" übernommen hat. Sie sind in Fragen der Or- L Neonazi-Szene ganisation und auch der Ideologie zum Bindeglied zwischen NPD, Neonazis und anderen rechtsextremistischen Organisationen geworden. Diese Entwicklung ist insbesondere im Landesverband Berlin/Brandenburg zu verzeichnen, der offen Kontakte zu neonazistischen Gruppierungen pflegt. Der JN-Landesverband Berlin/Brandenburg verbreitet keine eigene Zeitung. Ihm steht jedoch in "ZÜNDSTOFF - Deutsche StimPublikationen me für Berlin und Brandenburg" des NPD-Landesverbandes eine Seite unter der Rubrik "Denkzettel - Die Seite der Jungen Nationaldemokraten" zur Verfügung. Die Führungskader der JN verlagern zunehmend ihre Aktivitäten in den Bereich der NPD, so dass eigenständige JN-Aktivitäten Verlagerung der stark rückläufig waren oder in den Aktivitäten der NPD weitgeJN-Aktivitäten zur NPD hend aufgingen. Dies war insbesondere in Berlin und in Brandenburg festzustellen. 1999 führte der JN-Landesverband Berlin/ Brandenburg keine öffentlichen Veranstaltungen durch. 110 6.3 "Die Republikaner" (REP) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 14 000 bundesweit (1998:15 000) 750 in Berlin (1998: 850) Organisationsstruktur: Partei Entstehung/Gründung: 26. November 1983, Landesverband Berlin 05. September 1987 Ideologie: Rechtsextremistisch Publikationen: "Der Republikaner" (überregional, monatlich) Während Teile der Partei "Die Republikaner" (REP) sich öffentlichkeitswirksam um ein seriöses rechtskonservatives Erscheinungsbild bemühen, lassen Funktionäre, einfache Mitglieder und Gliederungen der Partei immer wieder deutliche Affinitäten zum Rechtsextremismus erkennen. Bereits im Jahre 1995 hatten die REP ihren Sitz von Bonn nach Berlin verlegt. Anfang 1999 zog die REP-Bundesgeschäftsstelle in die Villa des früheren jüdischen Unternehmers Josef GARBATY in Berlin-Pankow und nahm dort unter Leitung des Bundesgeschäftsführers Gerhard TEMPEL die Tätigkeit auf. In dem selben Gebäude sind seit 1999 ebenfalls die Büros der REP-Landesverbände Berlin und Brandenburg untergebracht. Die ungeachtet der anderslautenden offiziellen Parteilinie sehr wohl gegebene Kooperationsbereitschaft der REP gegenüber anderen Organisationen des organisierten Rechtsextremismus wurde u. a. im zeitlichen Vorfeld der Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zu den Bezirksverordnetenversammlungen 18 Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin ist eine auf Unterlassung der nachrichtendienstlichen Beobachtung und Feststellung der Rechtswidrigkeit der Erwähnung im Jahresbericht 1997 gerichtete Klage der REP gegen das Land Berlin anhängig. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte der Klage in erster Instanz stattgegeben. Im Jahresbericht 1998 hatte das LfV Berlin daher auf eine Berichterstattung über die REP verzichtet. Nachdem die Berufung des Landes Berlin zugelassen worden ist und ein Vollstreckungsschutzverfahren aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen eingestellt wurde, entfaltet das Urteil des Verwaltungsgerichts keine rechtliche Wirkung. Eine entsprechende Klage der REP im Land Rheinland-Pfalz ist inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Revisionsentscheidung in einem vergleichbaren niedersächsischen Verfahren festgestellt, dass das OVG Lüneburg (Niedersachsen) in der ständigen Verwendung des Begriffs der "Umerziehung" und den pauschalen, teilweise diffamierenden und verunglimpfenden Angriffen der REP auf Institutionen und Repräsentanten der freiheitlichen Demokratie zu Recht ausreichende Anhaltpunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gesehen hat. Die Verwendung für rechtsextreme, antidemokratische Vereinigungen typischer Argumentationsmuster begründen nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts den Verdacht, dass die REP die parlamentarische Demokratie durch eine Herrschaftsform ersetzen wollen, die in Richtung auf einen Führerstaat nationalsozialistischer Prägung tendiert. Diesen Verdacht aufzuklären, sei legitimes Anliegen des Verfassungsschutzes. 111 (BVV) am 10. Oktober 1999 bestätigt. Zwischen dem Bundesvorsitzenden der "Deutschen Volksunion" (DVU), Dr. Gerhard FREY, und dem REP-Vorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER war eine Wahlabsprache getroffen worden, nach der die DVU auf eine Wahlteilnahme in der Bundeshauptstadt verzichtete, während die REP nicht bei der Landtagswahl in Brandenburg kandidierten. Die REP traten zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses mit einer 24 Personen umfassenden Landesliste an, die von dem im September 1999 von seinem Amt als Berliner Landesvorsitzender zurückgetretenen Dr. Werner MÜLLER angeführt wurde. Darüber hinaus bewarb sich die Partei in drei der 78 Wahlkreise um Direktmandate. Für die Wahl der Bezirksverordnetenversammlungen hatten die REP in allen 23 Bezirken insgesamt 159 Kandidaten nominiert. Der Wahlkampf der REP wurde in Berlin sehr verhalten geführt. Im Rathaus Schöneberg ("Willy-Brandt-Saal") fand am 04. Oktober 1999 die Wahlkampfabschlussveranstaltung der REP statt, an der ca. 350 Personen teilnahmen. Als Hauptredner trat der Bundesvorsitzende der Partei, Dr. Rolf SCHLIERER, auf. In der Öffentlichkeit warb die Partei mit Slogans wie: "Das Volk wird belogen und betrogen. Von Wahl zu Wahl", "Reinhauen! Berliner, wehrt euch mit dem Stimmzettel!", "Junge Ausländer: Fremd, frech, kriminell?" und "mal zeigen, was ne Harke is! REP wählen". 112 Zweitstimmen Abgeordnetenhaus 1999, Anteile der REP mit Vergleichszahlen 1995 Zweitstimmen Abgeordnetenhaus Abghs.Mahl '99 Abghs.-Wahl '95 Differenz absolut Prozent absolut Prozent absolut Prozent Wahlberechtigte 2 414 493 ... 2 479 735 ... - 65 242 ... Wähler 1 582 407 65,5 1 700 000 68,6 -117 593 -3,1 gültige Stimmen 1 563 576 98,8 1 669 186 98,2 -105 610 + 0,6 davon für die REP 41 814 2,7 45 462 2,7 - 3648 +-0,0 Nach dem amtlichen Endergebnis konnten die REP bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2,7 % der abgegebenen gültigen Zweitstimmen (41 814 abs.) auf sich vereinigen, so dass ihnen kein Sitz im Berliner Landesparlament zufiel. Schon bei der Wahl im Jahre 1995 war den REP ebenfalls mit 2,7 % (45 462 abs.) der Einzug in das Abgeordnetenhaus verwehrt worden. Zweitstimmen Abgeordnetenhaus 1999, Anteile der REP mit Vergleichszahlen Bundestagswahl 1998 Zwe itstimmen A ^geordneten haus AbghsMahl '99 Bundes tatjswahl '98 Diffe renz absolut Prozent absolut Prozent absolut Prozent Wahlberechtigte 2 414 493 ... 2 442 929 ... - 28 436 ... Wähler 1 582 407 65,5 1 980 517 81,1 -398 110 -15,6 gültige Stimmen 1 563 576 98,8 1 957 959 98,9 - 394 383 - 0,1 davon für die REP 41814 2,7 46 542 2,4 - 4 728 + 0,3 Gegenüber der Bundestagswahl 1998, bei der sie 2,4 % (46 542 abs.) erhalten hatte, erhöhte sie ihren Anteil geringfügig um 0,3%. Ihr bestes Zweitstimmen-Ergebnis konnten die REP im Wahlkreisverband Wedding verbuchen, wo 5 % der Wähler (2 516 abs.) für die Partei votierten. Ebenso wie die NPD schnit- 113 ten die REP am schlechtesten in Zehlendorf ab, dort lautet das Ergebnis 1,1% (622 abs.). BVV-Wahlen 1999, Stimmenanteile der REP mit Vergleichszahlen 1995 Bezirksverordnetenversammlungen BW-Wahlen '99 BW-Wahlen '95 Differenz absolut Prozent absolut Prozent absolut Prozent Wahlberechtigte 2 475 015 ... 2 532 570 ... - 57 555 ... Wähler 1 593 218 64,4 1 712 430 67,6 -119212 -3,2 gültige Stimmen 1 574 135 98,8 1 682 549 98,3 -108 414 + 0,5 REP 43 662 2,8 50 323 3,0 - 6 661 - 0,2 davon in den Bezirken für die REP Zehlendorf 611 1,1 811 1,3 -200 -0,2 Wilmersdorf 1 226 1,7 1 691 2,1 -465 -0,4 Mitte 695 2,0 1 211 3,1 -516 -1,1 Schöneberg 1 292 2,0 1 615 2,3 -323 -0,3 Charlottenburg 1 776 2,1 2 064 2,3 -288 -0,2 Steglitz 2 171 2,1 2 855 2,6 -684 -0,5 Kreuzberg 1 006 2,2 1 565 2,9 -559 -0,7 Prenzlauer Berg 1 415 2,3 2 090 3,1 -675 -0,8 Köpenick 1 539 2,5 1463 2,5 + 76 0,0 Lichtenberg 1 876 2,6 2 253 2,7 -377 -0,1 Spandau 2 709 2,6 3 142 2,8 -433 -0,2 Treptow 1 580 2,7 1 764 3,1 -184 -0,4 Tempelhof 2 754 2,8 3 146 2,9 -392 -0,1 Hellersdorf 1 578 2,9 2 191 4,1 -613 -1,2 Friedrichshain 1 359 3,0 1 506 3,1 -147 -0,1 Marzahn 1 897 3,0 2 654 3,8 -757 -0,8 Weißensee 1 170 3,2 1 086 3,8 + 84 -0,6 Pankow 2 040 3,4 1 530 2,7 + 510 + 0,7 Reinickendorf 4 468 3,4 4 319 3,1 + 149 + 0,3 Tiergarten 1 169 3,4 1 281 3,2 -112 + 0,2 Hohenschön ha usen 1 680 3,5 1 848 3,7 -168 -0,2 Neukölln 5117 4,1 5 279 3,7 -162 + 0,4 Wedding 2 534 5,0 2 959 4,7 -425 + 0,3 114 Hingegen konnte die Partei bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen Erfolge verbuchen: Sie zog bei einem Stimmenanteil zwischen 3,4 % und 5,0 % in fünf Bezirksparlamente ein, und zwar in Pankow, Reinickendorf, Hohenschönhausen, Neukölln und Wedding. Zweitstimmen Abgeordnetenhaus 1999, Anteile der REP mit Vergleichszahlen Europawahl 1999 Zweitstimmen Abgeordnetenhaus Abghs-Wahl '99 Europawahl '99 Differenz absolut Prozent absolut Prozent absolut Prozent Wahlberechtigte 2 414 493 ... 2 431 784 ... - 17 291 ... Wähler 1 582 407 65,5 970 274 39,9 + 612 133 + 25,6 gültige Stimmen 1 563 576 98,8 960 156 99,0 + 603 420 - 0,2 davon für die REP 41 814 2,? 18 311 1,9 + 23 503 + 0,8 Die Beteiligung der Berliner REP an der fünften Direktwahl zum Europäischen Parlament am 13. Juni 1999 verlief ebenfalls eher schleppend. Zum Abschluss ihres Europawahlkampfes führte die Partei am 12. Juni vor dem Brandenburger Tor eine Großkundgebung durch, an der etwa 750 Mitglieder und Sympathisanten der Partei aus dem gesamten Bundesgebiet teilnahmen. Bezeichnend für die aggressiv-ausländerfeindlichen und antieuropäischen Inhalte der REP-Wahlpropaganda waren Parolen wie "Zuwanderung ist ungebremst, wann wird damit Schluss gemacht?" und "Agenda 2000 ruiniert die Bauern". In einer Rede gedachte der Bundesvorsitzende der Republikaner, Dr. Rolf SCHLIERER, zugleich den Opfern des "SED-Terrors" und des Arbeiteraufstandes am 17. Juni 1953. Bei einem Stimmenanteil von 1,9 % (18 311 abs.), den die REP in der Bundeshauptstadt errangen, blieb der Partei ein Wählerauftrag verwehrt. 115 7 Ausblick In Berlin gibt es ein starkes rechtsextremistisches Gewaltpotential, das sich insbesondere aus Jugendcliquen rekrutiert. Hierzu zählt vor allem die Skinhead-Szene, die auf hohem Niveau einen weiteren personellen Zuwachs verbuchen konnte. Symptomatisch für die Bedeutung dieses gefährlichen Kräftereservoirs in der Bundeshauptstadt war 1999 das Vorhandensein der bundesweit stärksten Sektionen der Skinhead-Gruppierungen "Blood & Honour" und "Hammerskins". Besonders die Berliner "Blood & Honour"-Sektion entfaltete zunehmend Aktivitäten auch außerhalb der Skinhead-Musikszene. Obwohl im Jahre 1999 eine deutliche Entspannung bei den in Berlin verübten rechtsextremistischen Gewalttaten zu verzeichnen war, stellt der gewaltbereite Teil der Rechtsextremisten nach wie vor ein äußerst ernst zu nehmendes Gefährdungspotential dar. Sorge bereiten in diesem Zusammenhang mehrere gewaltbejahende Äußerungen, durch die sich auch bisher vor Gewaltanwendung noch zurückschreckende Rechtsextremisten schlimmstenfalls ermutigt fühlen könnten, terroristische Vorgehensweisen als probate Mittel ihres Kampfes gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu akzeptieren und zu gegebener Zeit in die Tat umzusetzen. Vor allem gewalttätige Einzeltäter stellen ein unkalkulierbares Risiko für die Innere Sicherheit dar; rechtsextremistisch motivierte Gewalt geht nach bisherigen Erfahrungen überwiegend von Personen aus, die nicht in politischen Gruppen oder Parteien organisiert sind. Ein denkbares Aktionsfeld gesteigerter rechtsextremistischer Militanz bietet die "Anti-Antifa"-Kampagne, die jüngst mit Hetzschriften neonazistischer Kreise gegen bestimmte Zielgruppen und -personen wiederbelebt wurde. Das LfV Berlin wird deshalb im Jahre 2000 sein besonderes Augenmerk auf die Reaktionen im rechtsextremistischen Lager richten. 116 Das Neonazi-Spektrum hat die durch zahlreiche Verbote und Exekutivmaßnahmen verloren gegangenen früheren Strukturen bislang nicht anderweitig wettmachen können. Die informationelle Vernetzung der Szene ist trotz der "Nationalen Info-Telefone" und der vermehrten Nutzung des Internets nur teilweise gelungen. Auch das Konzept der "Unabhängigen Kameradschaften", mit dem die Neonazis die Auswirkungen der Vereinsverbote unterlaufen wollten, hatte nicht den gewünschten Erfolg. Ein Teil der Berliner Kameradschaftsszene konnte dem Erosionsprozess nicht standhalten und zerfiel. So hat sich die Anzahl der hiesigen aktiven Kameradschaften von 15 Ende 1998 auf jetzt acht reduziert. Mehr als die Hälfte des der Berliner Neonazi-Szene zuzurechnenden Personenpotentials ist bislang unorganisiert. Dieser Kreis ist somit in keine Organisationsstrukturen eingebunden und deshalb in seinem Verhalten um so schwerer einschätzbar. Der Eintritt in die NPD wird nach wie vor von unorganisierten Neonazis in Erwägung gezogen, um vor Exekutivmaßnahmen besser geschützt zu sein und ggf. die Infrastruktur der Partei zu nutzen. Begünstigt wird diese Absicht durch eine Abkehr der NPDFührung von bisher gültigen Abgrenzungsbeschlüssen, insbesondere eben gegenüber dem Neonazi-Spektrum. Deshalb ist auch weiterhin von Parteieintritten auszugehen. Mit einem damit verbundenen weiteren Anstieg des Berliner NPD-Mitgliederbestandes ist allerdings nicht zu rechnen. Für Berlin sind vermehrt Parteiaustritte von mit diesem neuen Kurs nicht konform gehenden Mitgliedern zu erwarten. Mittlerweile entwickelt sich die NPD jedoch weiter zu einem Sammelbecken für Personen aus der unorganisierten Neonazi-Szene. Allgemein ist bei den rechtsextremistischen Parteien in Berlin das Mitgliederpotential eher rückläufig. Ernüchternde Stimmergebnisse bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den BWen im Wahljahr 1999 dürften die Handlungsund Mobilisierungsfähigkeit solcher Organisationen kaum beflügeln, so dass 117 ein weiterer Bedeutungsverlust zumindest einzelner Parteien dieses Spektrums absehbar erscheint. Die Beobachtung rechtsextremistischer Inhalte im Internet stellt die Verfassungsschutzbehörden vor anhaltend wachsende Herausforderungen. Rechtsextremisten haben ihre Präsenz in allen Bereichen dieses weltweiten Datennetzes auch 1999 stark ausgebaut, ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Vielmehr dürfte das Internet weitaus mehr als bisher genutzt werden. Als Medium mit allgemein expandierender Nutzerrate, das gleichzeitig aber im Bedarfsfalle diverse Verschleierungsund Anonymisierungsmöglichkeiten eröffnet, bietet es beste Voraussetzungen sowohl für breit angelegte Propaganda als auch für eine verdeckte Koordination rechtsextremistischer Planungen innerhalb kleiner Zirkel. 118 119 120 D LINKSEXTREMISMUS 1 Überblick Ideologie Linksextremistische Leitbilder schwanken zwischen sozialistisch-kommunistischen Idealen mit dem Endziel einer klassenlosen Gesellschaft und der Vision eines herrschaftsfreien Zusammenlebens der Menschen. Ausgangspunkte gedanklicher und aktionistischer Ansätze linksextremistischer Politik sind revolutionär-marxistische oder anarchistische Ideologien. Gemeinsam ist allen Linksextremisten das feste Ziel, die parlamentarische Demokratie zu zerschlagen und durch eine totalitäre oder herrschaftsfreie Ordnung zu ersetzen. Innerhalb der linksextremistischen Bewegung gibt es unterschiedliche Strömungen. Deren Träger - Parteien, Gruppen und lose Zusammenhänge - streiten untereinander bis hin zur offenen Feindschaft wegen differierender ideologischer Standpunkte und erheben entsprechend ihrem verabsolutierten politischen Selbstverständnis jeweils für sich Anspruch auf exklusiven Zugang zur historisch-politischen "Wahrheit". Da Linksextremisten den Umsturz der bestehenden Ordnung anstreben, befürwortet ein Großteil von ihnen Gewalt als Mittel der politischen Gewaltgeneigtheit Auseinandersetzung. Gemeinsam ist allen Linksextremisten die Bereitschaft, tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten bzw. "Faschisten" mit allen Mitteln zu bekämpfen. 1999 hat sich das Gefüge des organisierten Linksextremismus in Berlin gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich verändert; das Gesamtpotential ist auf hohem Niveau konstant geblieben. Die größte Gefahr für die innere Sicherheit Berlins ging auch 1999 von den gewaltbereiten Autonomen aus, während die revolutionär-marxistischen Parteien und Gruppen zunehmend an Bedeutung verloren. 121 2 Zahlenübersichten für Berlin und Deutschland 2.1 Personenpotentiale in linksextremistischen Gruppierungen Berlin Bund* 1999 1998 1999 1998 Gesamt 2 520 2 580 34 700 35 400 Gewaltbereite Linksextremisten einschließlich Anarchisten 1 450 1 450 7 000 7 000 Autonome 1 200 1 200 6 000 6 000 Sonstige 250 250 1 000 1 000 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten einschließlich 1 070 1 130 27 700 28 400 Trotzkisten. Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom 15. März 2000. Die Zahlenangaben sind z. T. geschätzt und gerundet. Grundsätzlich ist festzustellen, dass Berlin über ein sehr breit gefächertes Spektrum linksextremistischer Gruppierungen verfügt, deren Mobilisierungsfähigkeit höchst unterschiedlich ist. Rein zahlenmäßig werden in Berlin dem Linksextremismus derzeit 2 520 Personen bei bundesweit 34 700 Personen zugerechnet. Für die Sicherheitslage der Hauptstadt Berlin ist der Umstand von Bedeutung, dass von diesem Personenkreis allein 1 450 Personen als gewaltbereit eingestuft werden. Damit verfügt Berlin über den bundesweit höchsten Anteil an militanten Linksextremisten. Sind bundesweit nur etwa 20 % aller Linksextremisten als militant zu bezeichnen, so gelten in Berlin über die Hälfte aller Linksextremisten als gewaltbereit. 21 % aller deutschen gewaltbereiten Linksextremisten halten sich in Berlin auf, obwohl Berlin nur über 7 % des Gesamtpotentials des deutschen Linksextremismus verfügt. 122 Linksextremistisches Potential davon gewaltbereit Hinsichtlich der Anzahl von Personen, die sich in Berlin für Aktivitäten mobilisieren lassen, die ganz oder teilweise von Linksextremisten organisiert werden, stellte sich die Situation 1999 sehr differenziert dar. Das Spektrum reichte von der Demonstration anlässlich des Todestages von Rosa LUXEMBURG und Karl LIEBKNECHT am 10. Januar mit 6 500 Teilnehmern, über die sog. Revolutionären 1. Mai-Demonstrationen, an denen bis zu 9 000 Personen teilnahmen, bis zu Protestaktionen sog. Antifa-Gruppen gegen mutmaßliche oder tatsächliche Rechts- 123 extremisten mit bis zu 1 500 Teilnehmern. Am Rande dieser Veranstaltungen wurden teilweise schwere Straftaten (Körperverletzung etc.) begangen. 2.2 Strafund Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund Berlin1 Bund2 1999 1998 1999 1993 Gewalttaten: Tötungsdelikte 0 0 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 0 4 Körperverletzungen 31 47 215 227 Brandstiftungen 36 16 68 47 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 0 1 Landfriedensbruch 115 119 269 289 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 1 1 19 58 Widerstandsdelikte 76 90 140 157 gesamt 259 273 711 783 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 182 219 1 246 1 166 Nötigung/Bedrohung 11 19 73 111 Andere Straftaten 297 283 1 025 1 141 gesamt 490 521 2 344 2 418 Straftaten insgesamt 749 794 3 055 3 201 1 Die Zahlen beruhen auf Angaben des Polizeipräsidenten in Berlin - Landeskriminalamt (LKA) - vom 12. Januar 2000. Die Berliner Zahlen enthaften vollendete und versuchte Straftaten. Es wurden vom LKA Berlin die eingeleiteten Strafermittlungsverfahren gezähltWurden mehrere Straftaten in Tateinheit verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 2 Die Zahlen des Bundes beruhen auf Angaben des Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vom 15. März 2000. Sie enthalten ausgeführte und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind z. B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur der Landfriedensbruch als eine Straftat in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 1999 wurden in Berlin 749 (1998: 794) linksextremistische Straftaten verübt, was einer Abnahme um etwa 5,5 % entspricht. Auch die Zahl der Gewalttaten ging von 273 im Jahr 1998 auf 259 im Jahr 1999 und damit um 5 % zurück. Entscheidend für 124 diese Entwicklung dürfte gewesen sein, dass sich die gewaltbereite Szene neben den allerdings sehr gewalttätigen Aktionen rund um den 01. Mai 1999 nicht auf zugkräftige Aktionsschwerpunkte verständigen konnte. Es darf allerdings nicht unterschätzt werden, dass das linksextremistische Berliner Gewaltpotential, zumal mit Unterstützung aus dem übrigen Bundesgebiet, jederzeit in der Lage ist, schwere Gewalttaten auszuführen. Dafür spricht auch, dass trotz des Rückgangs 1999 jede Dritte linksextremistische Gewalttat in Deutschland in Berlin ausgeführt wurde. Es wurden in Berlin mehr als 9 Mal so viele linksextremistisch motivierte Gewalttaten wie im Bereich des Rechtsextremismus registriert. Bundesweit gingen die Gewalttaten (1999: 711, 1998: 783) ebenfalls zurück (um 9,2 %). Die Zahl der linksextremistischen Straftaten insgesamt nahm entsprechend dem Berliner Trend um 4,6 % ab (1999: 3 055, 1998: 3 201). 3 Kommunikationswege (Internet, Sonstige) Die Nutzung neuer Medien, insbesondere des Internets, hat sich 1999 weiter verstärkt. Über Homepages verschiedenster autonomer/antiimperialistischer und auch dogmatischer Gruppen im "World Wide Web" werden Selbstdarstellungen, Informationen zu aktuellen Geschehnissen und Kampagnen sowie Aufrufe zu Demonstrationen und Veranstaltungen veröffentlicht. Über ihre Homepages und E-Mail-Adressen sind selbst konspirativ arbeitende Gruppen öffentlich ansprechbar. Zur Sicherheit verfügen jedoch die meisten Gruppen über ein Verschlüsselungssystem zum Austausch von Nachrichten. Offen verbreitet werden dagegen Aufrufe zu allgemeinen Aktionen und Demonstrationen sowie insbesondere auch Aufforderungen zu Protesten gegen Rechtsextremisten und deren Einrichtungen. Für Kampagnen mit meist überregionaler Bedeutung, wie z. B. die Solidaritätskampagne für Mumia ABU-JA- 125 MAL, werden zusätzliche Homepages eingerichtet. Daneben existieren im Internet auch Kommunikationsforen, wie z. B. Präsenz im Internet "NADIR", "INFOPOOL", "PUK" und "Infopartisan", in denen neueste Nachrichten verbreitet und diskutiert werden. Ferner werden eigene Broschüren und Schriften, Solidaritätsaufrufe und Termine veröffentlicht. So verfügt beispielsweise die militante "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) über eine eigene, professionell gestaltete Homepage im Internet, die in der Regel einmal wöchentlich aktualisiert wird. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach wie vor den "traditionellen" Kommunikationsmitteln, wie Szenepublikationen, Handzetteln und Klebezetteln ("Spuckis"), eine größere Bedeutung zukommt. So ist festzustellen, dass die Berliner SzeneSzenepublikationen "INTERIM", "Antifa Infoblatt" und "Stressfaktor" publikationen nicht auf die gewohnten papierenen Ausgaben verzichten. Ein weiteres wichtiges Informationsmittel ist das sog. Antifa InfoTelefon, über das aktuelle Termine und Informationen verbreitet werden. Wenn was nicht stimmt; Sprich Deine Antifa an! 126 4 Gewaltbereite Linksextremisten 4.1 Autonome Potential: 6 000 bundesweit (1998: 6 000), 1 200 in Berlin (1998: 1 200) Organisationsstruktur: Einzelpersonen, die anlassbezogen gemeinsam agieren und z. T. lose, strukturierte Zusammenschlüsse, die in jüngster Zeit auch fester gefügte Formationen bilden Entstehung/Gründung: Mitte 1981 Ideologie: Diffuse anarchistische Ziele, bisweilen auch Bruchstücke revolutionär-marxistischer Anschauungen 4.1.1 Strukturen und Selbstverständnis Im Bereich des Linksextremismus ging die größte Gefahr für die innere Sicherheit Berlins auch 1999 von den äußerst gewalttätigen Autonomen aus. Ihre Aktionsfelder waren insbesondere "Antifaschismus", "Umstrukturierung", "Antirassismus", "AntiMilitarismus" sowie der Kampf gegen die Kernenergie. Dabei brachten sie ihren unversöhnlichen Hass auf den Staat und die Gesellschaft durch gezielte militante, terroristische Aktionen zum Ausdruck. Innerhalb des Spektrums gewaltbereiter Linksextremisten in Berlin dominieren spontan entstandene, nach außen eher abgeschottete Zusammenschlüsse von sog. Autonomen. Die Anfänge der autonomen Szene reichen zurück bis zum Die Entwicklung Beginn der 80er Jahre. Aus Kreisen weder organisationsgeder autonomen bundener noch im traditionellen Sinne ideologisch festgelegter, Szene sogenannter undogmatischer Linksextremisten, erschienen damals Thesen und Diskussionspapiere, deren Verfasser sich als "Autonome" bezeichneten. Sie sprachen von einer "neuen autonomen Protestbewegung", die den "Koloss Staat" mit dezentralen Aktionen, mit "Phantasie und Flexibilität", mit "vielfältigen Widerstandsformen auf allen Ebenen" angreifen müsse. Es gelte, "den bürgerlichen Staat zu zerschlagen". Die autonome Szene ist nach den sie prägenden Idealen und ideologischen Versatzstücken nicht homogen. Eine geschlossene theoretische Fundierung ist vielen Anhängern verdächtig 127 und widerspricht ihrem Anspruch, "nach eigenen Gesetzen" - eben autonom - zu leben. Vielfach verfolgen Autonome anarchistische, oftmals auch kommunistisch beeinflusste Vorstellungen. Es herrscht ein Grundgefühl militanter "AntiStaatlichkeit" vor. Forderungen Autonomer zielen zumeist nicht auf Veränderungen zum Nutzen irgendeines Kollektivs oder der Gesellschaft insgesamt, sondern auf die eigene, die individuelle ungehemmte Entfaltung. Selbstbestimmtes und "herrschaftsfreies" Leben beschreiben Autonome u. a. als "Freiheit von Lohnarbeit, von sozialen Zwängen und Rücksichtnahmen*. "Freiräume" bieten Wohngemeinschaften, häufig in ehemals besetzten Häusern. Als für die meisten Autonomen gültiger ideologischer MinimalIdeologischer konsens wird eine - unklare - "antifaschistische", "antiimperialisMinimalkonsens tische", und "antipatriarchale" Grundhaltung vorausgesetzt, die sich gegen die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung richtet. Das perspektivische Ziel ist eine unterdrückungsfreie Gesellschaftsordnung zu erkämpfen. Eckpunkte des politischen Selbstverständnisses der Autonomen sind Spontaneität, "Null Bock", permanente Revolte und vor allem anlassbezogener "Widerstand". Unstrittig ist in der autonomen Szene die Bereitschaft, zur Durchsetzung politischer Ziele Gewalt anzuwenden. Sie wird als "Gegengewalt" gegen die "strukturelle Gewalt" der Gesellschaft und des Staates gerechtfertigt. Die Strukturen des gewaltbereiten Linksextremismus haben Organisierung sich seit Beginn der 90er Jahre stark verändert. Wachsende Kritik an der Unverbindlichkeit autonomer Strukturen verstärkte die Tendenz, auch innerhalb des autonomen Lagers Organisierungsmodelle zu erproben. Die Kurzatmigkeit autonomer "Politik", das reflexartige Hetzen von Kampagne zu Kampagne, so die Kritiker, verhindere die Herausbildung einer kontinuierlichen Theorie und Praxis und führe auf Dauer in die Bedeutungs- 128 losigkeit. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken bildeten sich mehrere straff organisierte - eigentlich im ursprünglichen Sinne nicht mehr "autonome" - Gruppierungen. Einflussreichster und handlungsfähigster Organisierungsansatz AA/BO ist die 1992 gegründete "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO). Ihr gehörten Ende 1999 zwölf Gruppen aus zehn Städten/Regionen an, darunter die Berliner Gruppen "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB) und "Rote Antifaschistische Initiative" (RAI). Eine genaue Quantifizierung des linksextremistischen Gewaltpotentials ist kaum möglich. Eben noch auffällige aktive Zusammenhänge haben sich wenige Monate später wieder aufgelöst. Zudem führt ein häufiger Wechsel von Aktionsund Politikfeldern zu ständigen Umgruppierungen. Nachwuchs finden die Autonomen vornehmlich unter Jugendlichen. Berlin bildet seit Jahren mit etwa 1 200 Szene-Angehörigen einen Schwerpunkt der autonomen "Bewegung" in Deutschland. Nach dem Fall der Mauer und den damit verbundenen strukturellen Veränderungen in Berlin - so rückte beispielsweise Kreuzberg aus seiner Randlage unvermittelt ins Zentrum der Stadt - war eine zunehmende Aufsplitterung und Zerstrittenheit der Szene festzustellen. Eine weitere Ursache der Uneinigkeit war der Generationswechsel innerhalb der Szene und die zunehmende Distanzierung der "Ost"-Autonomen von den als autoritär empfundenen "Wesf-Autonomen. Individuelle und gruppenegoistische Interessen beeinträchtigten das autonome 129 Potential in seiner Handlungsfähigkeit. Eine sich hieraus ergebende Folge war die nachhaltige Abschottung einzelner autonomer Personenzusammenhänge untereinander, verbunden mit der Unfähigkeit zu koordiniertem zielgerichtetem Vorgehen. Damit ging auch die früher feststellbare "Kiezbezogenheit" sowie die hohe Mobilisierungskraft der 80er weitgehend Jahre verloren. In Abgrenzung zu den von der Szene als hierarchisch empfundenen Strukturen der AA/BO versuchten hauptsächlich "AltAutonome" durch von ihnen seit 1995 organisierte Veranstaltungen einen Grundkonsens zu erreichen, um gemeinsam "revolutionäre Gegenmacht" zu entwickeln. Zuletzt fanden in diesem Jahr zwei Vernetzungsversuche statt. Der Erfolg blieb jedoch auch hier - wie in den Vorjahren - hinter den Erwartungen zurück. Die Mehrzahl der Autonomen sind deutsche, zum geringen Teil Sozialer ausländische, Jugendliche bzw. jüngere Erwachsene. Sie beHintergrund streiten ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Gelegenheitsjobs und aus öffentlichen Sozialleistungen ("Staatsknete"). Viele wenden sich schon nach wenigen Jahren ernüchtert von der Szene ab, enttäuscht über das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit autonomer Lebensweisen. Als besonders frustrierend werden die selbstgewählte gesellschaftliche Isolation, die Auseinandersetzungen zwischen "Alt-Autonomen" und ihrem "Nachwuchs", zwischen Frauen und Männern, zwischen "Ost und West" sowie ständige ergebnislose Diskussionen empfunden. Der Zulauf zu autonomen Strukturen hält jedoch unvermindert an; Verluste durch "Rückzug ins Private" gleichen sich stetig aus. I 130 Überblick über Personenpotentiale der autonomen Szene Entwicklung des Potentials der autonomen Szene 1988 bis 1999 Berlin Bund 1988 500 2 000 1989 500 2 100 1990 700 2 300 1991 1 000 2 700 1992 1 200 5 000 1993 1 200 5 000 1994 1 200 5 000 1995 1 200 6 000 1996 1 200 6 000 1997 1 200 6 000 1998 1 200 6 000 1999 1 200 6 000 4.1.2 Aktionsformen und Militanz Der Einsatz von Gewalt stellt für die autonome Szene nach wie vor ein unverzichtbares Element ihrer "revolutionären Politik" dar. In ihrem Streben, das ihnen verhasste System durch "Widerstand von unten" zu brechen, werden aber auch andere Aktionsformen gewählt. Die Bandbreite reicht von Demonstrationen, Informationsbzw. Diskussionsveranstaltungen, Vorträgen, Ausstellungen, der Herausgabe von Steckbriefen, Flugblättern und Broschüren über Störaktionen, Blockaden und Sachbeschädigungen bis hin zu Überfällen auf politische Gegner und terroristischen Anschlägen, wobei im Extremfall offenbar auch der Tod des Opfers billigend in Kauf genommen wird. Festzustellen ist außerdem, dass seit Beginn der 90er Jahre die Grenzen zwischen autonomen und terroristischen Aktionsfor- 131 men zunehmend verschwimmen. Neben auch früher üblichen thematischen Überschneidungen lassen sich neue Strukturen Neue und Aktionsformen feststellen. Übten Autonome früher Gewalt Aktionsformen und Strukturen überwiegend offen, "auf der Straße", meist im Rahmen von Demonstrationen aus, so werden heute zunehmend die Modelle des "Guerillakampfes" der terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) propagiert und praktiziert. Demnach gilt es, nicht in die Illegalität abzutauchen, sondern eine Art von "Feierabendterrorismus" zu praktizieren, d. h. im Rahmen von streng abgeschotteten, hochkonspirativ arbeitenden Kleinstgruppen Anschläge zu begehen und "tagsüber" ein weitgehend "normales" Leben zu führen. In Taterklärungen zu Anschlägen geben sich diese Gruppen oft wechselnde Aktionsnamen, um sich damit besser gegen "staatliche Repression" zu schützen. Durch Gewalttaten autonomer Gruppen, die nach terroristischem Muster operieren, sind in den letzten Jahren Sachund Folgeschäden in vielfacher Millionenhöhe entstanden. Der "autonome Kampf in traditioneller Form, d. h. im Rahmen von Demonstrationen wird zumeist lokal organisiert und ist in der Regel unstrukturiert angelegt. Größeren militanten Demonstrationen, an denen sich Autonome beteiligen, gehen oftmals Vorbereitungstreffen voraus. Am Ende stehen in der Regel keine förmlichen Beschlüsse, sondern die Bekräftigung, "alle Aktionsformen zu akzeptieren" sowie informelle Absprachen (Zuständigkeiten für Funkund Handykontakte, Abhören des Polizeifunks und Kleben von Plakaten usw.). Der Ablauf der Demonstrationen wird nicht in Einzelheiten vorgeplant, er hängt von spontanen Entschlüssen und von der Einschätzung des Kräfteverhältnisses gegenüber der Polizei ab. Unabhängig von Art und Ausmaß der Gewaltanwendung, die sich nach den eigenen Möglichkeiten und den jeweiligen Gegebenheiten im Einzelfall richten, legen Autonome ganz überwiegend Wert darauf, ihr Handeln für die Öffentlichkeit sozialmoralisch zu begründen. Vermittelbarkeit ist ein Grundprinzip ihrer Strategie. 132 KleingruppenIn Berlin bildeten 1999 die Aktivitäten autonomer Kleinstgruppen taktik einen Schwerpunkt, z. B. bei Brandanschlägen. Zu mehreren Anschlägen liegen Tatbekennungen vor. Für verantwortlich erklärten sich autonome Gruppen unter wechselnden Bezeichnungen, die bis auf zwei ("autonome miliz" und "A.U.T.O.N.O.M.E. G.R.U.P.P.E.N.") hier bisher nicht in Erscheinung getreten sind. Bemerkenswert ist, dass die Anschläge zum überwiegenden Teil in den nördlichen Bezirken Berlins, Mitte, Pankow, Prenzlauer Berg und Wedding verübt wurden. Bei den Anschlagszielen handelte es sich überwiegend um Fahrzeuge der oberen Preisklasse. Als Tatmittel wurden nach den Erkenntnissen der Polizei u. a. Brandbeschleuniger verwendet. Diese Methode wird in der Szene als "Nobelkarossentod" bezeichnet. Die Bauanleitung wurde in Szenepublikationen verbreitet. Bei den Anschlägen, die in der Zeit vom 29. bis zum 31. Dezember begangen worden sind, erfolgten die Brandstiftungen auf hochwertige Fahrzeuge offenbar wahllos, ohne dass überhaupt versucht wurde, zwischen den Besitzern und autonomen Themen einen Sachzusammenhang herzustellen. Im Gegensatz zu früheren Anschlägen, bei denen noch recherchiert wurde, um nicht "den Falschen" zu treffen, wurde bei den vorgenannten Anschlägen nur darauf abgestellt, einen möglichst hohen Sachschaden zu erzielen. Ebenfalls hat sich das Tatverhalten verändert. Bei früheren Anschlägen wurde von den Tätern offensichtlich darauf geachtet, keine Unbeteiligten zu gefährden. Nunmehr ist es den jetzigen Tätergruppen augenscheinlich gleichgültig, wenn auch das Eigentum von Unbeteiligten in Mitleidenschaft gezogen wird. Bestand bisher ein Konsens in der autonomen Szene, bei Anschlägen die körperliche Unversehrtheit von Unbeteiligten nicht zu gefährden, so zeigt die Tatausführung bei den jüngsten Anschlägen, dass die Täter dem offenbar keine Bedeutung mehr zumessen. "Kleingruppentaktik" gilt unter Autonomen auch deshalb als probates Kampfmittel, weil erfahrungsgemäß kaum Täter gefasst werden und somit nur selten strafrechtliche Konsequenzen greifen. 133 4.1.3 Aktionsschwerpunkte Wie andere Linksextremisten sind auch Autonome bemüht, sich in gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen einzuschalten. Ihr Ziel ist aber nicht die Beseitigung konkreter Missstände, sondern ihre Intervention zielt darauf ab, durch maßgebliche Steuerung von Protestaktionen eine Verschärfung der gesellschaftlichen Stimmung und damit eine einer Kompromisslösung nicht mehr zugängliche Polarisierung zu bewirken. Dazu soll der gezielte Einsatz von Gewalt beitragen. Eine solche "Kampagne" wird als "Mittel und Motor, über den sich Widerstand gegen Imperialismus breiter ausdrückt und zuspitzt", als "Moment, Kräfte zu bündeln und aktiv werden zu lassen, als Möglichkeit, breiter zu mobilisieren, als Verbindung, Theorie umzusetzen" angesehen. Solche Bestrebungen, demokratische Protestbewegungen für eigene, auf die Aushebelung von Verfassungsgrundsätzen gerichtete Zwecke zu missbrauchen, konnten in Berlin im letzten Jahr vor allem in den Themenbereichen "Antifaschismus", "Antimilitarismus", und "Umstrukturierung" beobachtet werden. * "Antifaschistischer Kampf" Der Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche rechtsextremistische Personen, Institutionen und Entwicklungen gehört für militante Autonome wie für alle Linksextremisten seit jeher zu den wesentlichen Aktionsfeldern. "Antifaschismus" in der von Linksextremisten instrumentalisierten Form beschränkt sich jedoch nicht auf die Bekämpfung von Rechtsextremisten, sondern hat letztendlich die Bekämpfung des demokratischen Verfassungsstaats, dem die Verantwortlichkeit für angeblich faschistische Entwicklungen zugewiesen wird, zum Ziel. "Faschismus" wird nämlich nach linksextremistischer Lesart als ein den westeuropäischen Demokratien allgemein innewohnen- 134 des Merkmal betrachtet. Demzufolge besteht auf Seiten der "Machthaber" ein starkes Eigeninteresse an der Existenz (neo)faschistischer Organisationen. Der "Antifaschistische Kampf ist somit zugleich ein Kampf zur Überwindung des demokratischen Staates mit dem Ziel der Ablösung durch eine antikapitalistische Staatsund Gesellschaftsordnung. Im Zeichen von Vernetzungsbemühungen innerhalb der linksextremistischen Szene bot und bietet sich daher eine "Antifaschistische Grundhaltung" als gemeinsame, über allen ideologischen Differenzen stehende Klammer für alle linksextremistischen Gruppen an. "Antifaschismus" ist sozusagen der "kleinste gemeinsame Nenner" des Linksextremismus. Wie bedeutend der "Antifaschistische Kampf für die autonome Szene ist, belegen die vielfältigen Szenepublikationen. In ihnen wird "aktuelle Militanz" gerechtfertigt und über ein hochstilisiertes, "idealisiertes" Gewaltverständnis zu gesteigerter Gewaltbereitschaft gegen Vertreter "faschistischen" Gedankenguts animiert. Aktives Vorgehen gegen "Faschismus", d. h. die Betätigung tatsächlicher oder vermeintlicher Rechtsextremisten - gegebenenfalls mit Gewalt - zu verhindern, ist das Ziel verschiedener regionaler Gruppierungen und Bündnisse. Diese werden in der Regel anlassbezogen gebildet und sind von unterschiedlicher Zusammensetzung. Eine herausragende Rolle innerhalb der autonomen "Antifa"-Szene nimmt die von der gewaltorientierten Göttinger "Autonomen Antifa (M)" dominierte AA/BO mit ihren Mitgliedsgruppen ein. Diese zeichnen sich innerhalb der autonomen Szene durch Kontinuität in der politischen Arbeit und eine beachtliche Verbindlichkeit von Gremienentscheidungen und -Vereinbarungen aus. Mit Demonstrationen und Informationsveranstaltungen versuchen insbesondere autonome "Antifa"-Gruppen, sowohl eine 135 breite Öffentlichkeit zu erreichen als auch Bündnispartner, z. B. in Parteien und Gewerkschaften zu finden. Die autonome "Antifa"-Szene bemüht sich durch diese Bündnisse um Etablierung in der politischen Landschaft und Gewinnung weiterer Unterstützer für ihre extremistischen Ziele. Beispielsweise engagierten sie sich 1999 in einem Bündnis gegen den Rechtsnachfolger der IG Farben, zusammen mit demokratischen Parteien und Opferverbänden. Parallel zu den legalen Aktivitäten finden terroristische Aktionen verdeckt handelnder Gruppen statt, wobei gezielt Einzelpersonen - oder ihr Eigentum - oder Treffpunkte bzw. Veranstaltungsorte von "Rechten" angegriffen werden. Hierbei werden selten Täter gefasst. Auch Tatbekennungen, die entweder Tageszeitungen oder Szenepublikationen wie der "INTERIM" zugehen, lassen - wohlweislich - kaum Rückschlüsse auf die tatsächlichen Urheber bzw. Täter zu. Diese Gruppen geben sich meist wechselnde Bezeichnungen oder verwenden lediglich pauschal die Bezeichnung "eine autonome Gruppe". Eine Ausnahme bildet die unter der Bezeichnung "autonome miliz" agierende Gruppe, die sich seit 1998 zu mehreren Straftaten bekannte. Angehörige der autonomen "Antifa"-Szene engagierten sich unter Anwendung aller Aktionsformen im Jahr 1999 für folgende Schwerpunkte: regionale und überregionale Gegenaktionen zu Aufmärschen von Rechtsextremisten, Störung des Wahlkampfs von Parteien, - Angriffe auf (vermeintliche) Rechtsextremisten und deren Treffpunkte, - gegen "rassistische" Aktivitäten, sowie zu tagespolitischen Ereignissen. Für sie bedeutsame Jahrestage (Todestage von Rosa LUXEMBURG oder Silvio MEIER) veranlassen autonome "Antifas" zu einer überregionalen Mobilisierung. Mit Demonstrationen, an 136 denen bis zu 1 000 Personen teilnahmen, mit Flugblättern, Diskussionsund Informationsveranstaltungen wurde wie im Vorjahr häufig die Öffentlichkeit als Adressat und Bündnispartner gegen tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten gesucht. Berliner Autonome nahmen regelmäßig an bundesweiten "Antifa"-Demonstrationen teil, wobei es teilweise zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Demonstrationsteilnehmern und der Polizei kam. Das eigentliche Ziel, Aufmärsche von Rechtsextremisten zu verhindern, wurde wegen massiver Polizeieinsätze nur selten erreicht. Die Autonomen zogen daraus den Schluss, dass der erfolgversprechendere Zeitpunkt für Aktionen vor oder nach den Aufmärschen läge. "Einen recht gut erreichbaren Ansatzpunkt hierfür stellen Privatautos dar. Da zahlt keine Versicherung und meistens haben sie eine Art persönliche Bindung zu ihrem Auto. Busse sind meistens gemietet, es ärgert sie zwar, wenn ihr Bus kaputt ist, aber es schadet ihnen genaugenommen nicht. Einziger Erfolg ist die Möglichkeit, dass ihnen irgendwann mal keine Busse mehr 137 vermietet werden. Dies macht auch wesentlich mehr Sinn als der Versuch, die Nazis direkt anzugreifen. Neben der Tatsache, dass dies durch Polizeischutz immer öfter scheitert, werden solche Schäden von der Krankenkasse gezahlt und die betreffenden Nazis können sich als Märtyrer stilisieren. Natürlich lehnen wir es keineswegs ab, Nazis offensiv anzugreifen, aber wenn man...vor der Entscheidung zwischen einem persönlichen Angriff und der Zerstörung von Sachwerten steht, empfiehlt es sich, die erfolgversprechendere Möglichkeit zu wählen." Ziel sei es, den Preis für die Teilnahme an einem Naziaufmarsch nach oben zu treiben. Einzelfälle hätten bereits gezeigt, dass Nazis soweit finanziell ruiniert worden seien, dass sie es sich über Monate hinweg nicht hätten leisten können, ihren Wohnort zu verlassen. "Antifaschistische" Aktionen - so regen die unbekannten Autoren an - müssten sich nicht auf die direkte Umgebung eines Aufmarsches beschränken: "Ergänzenderweise gibt es die Möglichkeit, auch zuhause aktiv zu werden, z.B. durch Besuche in Privatwohnungen oder bei den dort zurückgelassenen Autos, falls die Nazis mit dem Bus gefahren sind. Das hat den Vorteil, dass Bullenstreß weit unwahrscheinlicher ist als vor Ort. (...) Als Ziele sollten dabei nicht nur Kader, sondern auch niedere Mitglieder dienen. (...) Naziaufmärsche müssen wieder teuer werden!" Das sich die autonome "Antifa" an diese "Handlungsanweisung" hält, belegen zahlreiche Angriffe auf das Eigentum vermeintlicher und tatsächlicher Rechtsextremisten. In Tatbekennungen wird zu weiteren Gewalttaten aufgerufen: "scheiten einwerfen, Schlösser verkleben, reifen abstechen kann jede und jeder!!" oder unter dem Motto "Antifa heißt Angriff' u. a.: "gegen faschistische Kader und Zentren, gegen mit Nazis kooperierende Busunternehmen, gegen geschichtsverdrehende Hetzer und Kriegsdenkmäler". 138 Ziel sei es, "Nazis" in den Ruin zu treiben. 1998/99 organisierte die AA/BO unter dem Motto "Dem Rechten Vormarsch entgegentreten" eine sog. Antifa-Offensive 99 gegen "den Rechtsruck". Dabei kam es mehrfach zu Demonstrationen und gewalttätigen Auseinandersetzungen unter maßgeblicher Beteiligung Berliner Autonomer. In diesem Zusammenhang wurden Wahlhelfer "rechter" Parteien angegriffen und Wahlplakate abgerissen. Außerdem veröffentlichte das autonome Szeneblatt "INTERIM" im September 1999 - unkommentiertAuszüge aus den offiziellen Kandidatenlisten zu den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlung. Aufgeführt sind Namen und Adressen von 200 Kandidaten "rechter" Parteien, wie z. B. der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), des "Bundes Freier Bürger - Offensive für Deutschland - Die Freiheitlichen" (BFB) und der Partei "Die Republikaner" (REP). Dass derartige Veröffentlichungen nicht ohne Folgen für die Betroffenen bleiben, zeigten Sachbeschädigungen bei mehreren der dort genannten Personen. Nach der 1998 durch zahlreiche Kundgebungen und Sachbeschädigungen erzwungenen Schließung des "Cafe Germania", 139 richtete sich in diesem Jahr der Protest der autonomen "Antifa" gegen Treffpunkte von Rechtsextremisten u. a. in Friedrichshain und Weißensee sowie gegen Geschäfte mit vorwiegend "rechter Klientel". Gegen den Umzug der Bundeszentrale der Partei "Die Republikaner" (REP) nach Berlin bildete sich im Norden der Stadt ein "Antifaschistisches Aktionsbündnis III" (die III symbolisiert den künftigen Großbezirk III, der aus Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee bestehen wird), zu dem sich nichtextremistische Organisationen und Parteien, aber auch der autonomen "Antifa" zuzurechnenden Gruppen zusammengeschlossen hatten. Dieses Bündnis führte Informationsveranstaltungen und friedliche Demonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmern durch. Für 1999 sind folgende Straftaten der autonomen "Antifa" hervorzuheben: Am späten Abend des 06. Februar Lkw; zwei Insassen wurden vergriffen im Berliner Stadtteil Lichletzt. Bei Eintreffen der Polizei tenberg mehr als zehn Vermummte steckte ein Handbeil noch in der zwei mutmaßliche Angehörige der Frontscheibe. rechten Szene an. Die Angreifer - vermutlich militante "Antifas" - Mehrere mit Sturmhauben verschlugen mit Eisenstangen und mummte Personen griffen am Baseballschlägern auf ihre Opfer 16. Juni Teilnehmer einer Mitglieein. Diese erlitten Verletzungen an derversammlung der NPD in einer Kopf, Armen und Beinen. Die Täter Gaststätte in Prenzlauer Berg mit konnten unerkannt entkommen. Gummiknüppeln, Eisenstangen und Baseballschlägern an. Gegen 23.00 Uhr wurden auf dem U-Bahnhof Lichtenberg zwei verBis zu 50 mutmaßliche autonome meintliche Rechtsextremisten von "Antifas" griffen am 20. Juli in Vermummten mit Baseballschläeiner Grünanlage am Forckengern, Gummiknüppeln, Eisenstanbeckplatz (Friedrichshain) sieben gen und Holzlatten misshandelt. Personen an und traktierten sie Die Opfer erlitten erhebliche Kopfmit Fußtritten und Flaschenwürverletzungen. fen. Eine Person wurde durch Schläge mit einer massiven StahlAm 04. März griffen gegen kette verletzt. 23.00 Uhr ungefähr zehn Personen einen Miet-Lkw an, in dem sich In den Ausgaben Nr. 482 und Nr. drei Personen aufhielten die Musik 483 der Szenepublikation "INTEhörten. Die Angreifer zerschlugen RIM" bekannten sich autonome mit Baseballschlägern die Front"Antifas" zu "Entglasungen" bei Heckund eine Seitenscheibe des "Naziläden" in Prenzlauer Berg 140 und zur Beschädigung eines Pkw, Reisebüros in Prenzlauer Berg und der vor dem Lokal "Der Baum" in Köpenick waren im August und Friedrichshain abgestellt war. "Der September Ziele von SachbeBaum" wurde in der Szene als schädigungen. In Taterklärungen Treffort von "Rechten" angesehen. wurde der Vorwurf erhoben, Rechtsextremisten zu deren AufIn einem anonymen Schreiben märschen zu transportieren. wurde Anfang August eine Grundstücksverwaltung aufgefordert, Am 27. Oktober wurden zwei Mitden Mietvertrag mit einem "Naziglieder der Partei "Die Republiladen" aufzukündigen. Anderenkaner" in Reinickendorf und falls wurde die "Betrachtung und Wedding verbal durch FarbBehandlung als Unterstützer der schmierereien mit dem Tod beStruktur" angedroht. droht. Ihre Namen und Adressen waren zuvor in der "INTERIM" veröffentlicht worden. * Antirassismus Ein weiteres herausragendes Aktionsfeld Berliner Autonomer war 1999 das Thema "Asyl". In diesem Zusammenhang richteten sich Anfang des Jahres Anschläge von Linksextremisten gegen die "Christlich Demokratische Union" (CDU). Auslöser war die von dieser Partei durchgeführte Unterschriftensammlung gegen die Einführung der "Doppelten Staatsbürgerschaft". Bei Angriffen auf Geschäftsstellen und Informationsstände kam es zu Körperverletzungen und Sachbeschädigungen: Unter Beteiligung von Angehöbekannte sich die Gruppierung rigen des linksextremistischen "autonome miliz", die sich auch Spektrums, aber auch der militanfür einen weiteren Anschlag im ten "Antifa"-Szene, wurde eine August verantwortlich erklärte. Veranstaltung mit dem damaligen Am 25. Januar besetzten neun CDU-Bundesvorsitzenden Personen die CDU-LandesgeDr. Wolfgang SCHÄUBLE am schäftsstelle in Charlottenburg 12. Januar zum Thema Hochschulund am 11. Februar ging bei der politik an der Technischen UniPolizei eine anonyme Bombenversität Berlin (TU) von ca. 400 drohung gegen die Marzahner GePersonen massiv gestört. schäftsstelle ein. Anfang Januar wurden die FensNachdem unbekannte Täter Unterterscheiben der Kreisbüros in schriftenlisten entwendet hatten, Friedrichshain und Wedding von erhielten Unterzeichner anonyme unbekannten Tätern mit Steinen Schreiben, in denen ihnen mit eingeworfen. Zu dem Anschlag auf "Konsequenzen" gedroht wurde. die Geschäftsstelle in Wedding 141 Auch andere linksextremistische Gruppierungen nutzten diese Kampagne, um ihr Hauptangriffsziel, die Bundesrepublik Deutschland als Staatsgefüge, anzuprangern: ".... Die derzeit laufende Hetzkampagne der CDU/CSU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und gegen in Deutschland lebende Migrantinnen ist nur ein Beispiel für die braune Kontinuität, in der die BRD als offizieller Rechtsnachfolger des "Dritten Reiches" steht..." (Aufruf zu einem "antifaschistischen Aktionswochenende" vom 29.-31. Januar 1999 unter dem Motto: "Kein Raum für Faschisten!" in Berlin). Demonstrationen und terroristische Anschläge richteten sich auch gegen die angeblich menschenunwürdige Behandlung von Asylsuchenden in der Bundesrepublik Deutschland. In den frühen Morgenstunden des Eine Gruppe "autonome miliz" be09. Juni wurden in Berlin zwei kannte sich im November zu einem Dienstfahrzeuge des BundesBrandanschlag auf ein Fahrzeug grenzschutzes (BGS) in Brand gedes "Deutschen Roten Kreuzes" setzt. (DRK) mit den Worten: "das Die Täter hatten einen Brandsatz deutsche rote kreuz war schon vor mit elektronischer Zündeinrich60 Jahren eine systemtreue tung, der in einem handelsübOrganisation, nach 1945 verhalf es lichen Postnormpaket untergezahlreichen kriegsverbrechern zur bracht war, unter einem Gruppenflucht, durch korruption, lug und fahrzeug des BGS deponiert. Das trug reich geworden, unterstützt Feuer griff auf ein weiteres Dienstdas drk nun hand in hand mit fahrzeug über. Beide Fahrzeuge Ausländerbehörden, Sozialämtern, brannten aus. In einer TatbekenVerwaltungsgerichten und bgs den nung wurde u. a. die "Flüchtlingsabschiebemörder Schily bei seinen bekämpfung der BRD" kritisiert politischen spielen, bei seinen und den "Schergen" des BGS ethnischen Säuberungen, den vorgeworfen, für eine Vielzahl von abschiebungen nach der Opfern verantwortlich zu sein, die deutschen abschiebehaft in folter, bei ihrer "Abschiebung aus der knast und tod." BRD" verletzt wurden oder ihr Leben verloren hätten. Dieser "todEin weiterer Anschlag auf ein bringenden" Praxis und Bilanz der DRK-Fahrzeug war im Oktober "Abschiebepolitik der BRD" müsse gescheitert. etwas entgegen gesetzt werden. Dem DRK wird von LinksextreDie Rolle des BGS müsse noch misten vorgeworfen, die Regestärker in den Mittelpunkt lungen des neuen Asylbewerber"antirassistischer Politik" gerückt leistungsgesetzes, wonach Barund die BGS-Infrastruktur, wie geldleistungen an Asylbewerber auch andere "Institutionen des durch bargeldlose Unterstützung institutionellen Rassismus", verersetzt werden kann, exzessiv umstärkt Ziel militanter Aktionen werzusetzen. den. 142 Außerdem kam es mehrfach zu ters des Sozialamtes Berlin-Mitte Sachbeschädigungen, z. B zu eiund zu einem Buttersäure-Annem Buttersäureanschlag auf das schlag auf die Berliner LandesgeSozialamt Tiergarten, Schmiereschäftsstelle des DRK. reien an dem Wohnhaus des Lei- * Tagespolitische Ereignisse Kurz entschlossen reagiert die Szene auch auf tagespolitische Ereignisse, solange sich diese in ihre Kampagnen einfügen. Demzufolge waren die NATO-Luftangriffe auf die Bundesrepublik Jugoslawien auch in der gewaltbereiten linksextremistischen Szene eines der Hauptthemen. Obwohl die autonome Szene dem jugoslawischen Regime kritisch bis ablehnend gegenüber steht, fanden doch einige Demonstrationen gegen die NATO-Intervention statt: Unter anderem zogen am 24. April am 12. April von Angehörigen der ca. 500 Personen vom Kleistpark autonomen Szene besetzt. Am (Schöneberg) zum Pariser Platz 13. Mai reisten etwa SO Angehörige (Mitte). Zu diesem Aufzug hatte des Berliner autonomen neben anderen ein "autonomes Spektrums nach Bielefeld, um den Plenum gegen den Krieg" aufdort stattfindenden Sonderparteigerufen. tag dieser Partei zu verhindern. Daneben führten auch militante Dabei kam es zu massiven StörKriegsgegner einige Aktionen aktionen in und vor der Halle, bei durch. So versammelten sich ca. denen der Bundesaußenminister 30 Personen am 23. April in den FISCHER mit einem Farbbeutel "Potsdamer-Platz-Arkaden" (Mitte) beworfen wurde. Unter dem Motto und warfen Papierschnipsel, Mehl "Zerschlagen wir die NATO! und Farbeier auf Passanten. Fangen wir mit den Grünen an!" wurde der Partei vorgeworfen, sie Ferner wurde aus Protest gegen hätte als Regierungspartei entdie Haltung der Partei "Bündnis scheidend zu dem "NATO-An'90/Die Grünen" zum Kosovo-Kongriffskrieg" gegen Jugoslawien flikt deren Landesgeschäftsstelle beigetragen. Insgesamt wurde jedoch deutlich, dass die agitatorische Darstellung des Kosovo-Konflikts als "NATO-Angriffskrieg" nicht auf breite Zustimmung in der Öffentlichkeit stieß und die Protestaktionen nicht die erhoffte Resonanz fanden. Nach Beendigung der von der NATO durchgeführten Luftangriffe auf die 143 Bundesrepublik Jugoslawien nahm auch das Interesse der Szene an diesem Thema rapide ab. Auch die Bundeswehr war wiederholt Ziel linksextremistischer Aktivitäten. Gilt sie doch als Ausdruck des "Herrschaftssystems" der bundesdeutschen Gesellschaft, das es zu überwinden gilt. Eine autonome Gruppe "ZerEtwa 800 Personen beteiligten sich schlagt die NATO", verübte am an einem Aufzug vom U-Bahnhof 08. Mai einen Brandanschlag in Kurfürstenstraße in Schöneberg einem Ausstellungsraum des Luftzur Sigismundstraße/ Hitzigallee in waffenmuseums in der GeneralTiergarten am Nachmittag des Steinhoff-Kaserne in Spandau - 20. Juli und einer anschließenden Ortsteil Gatow. Der Brandsatz war Kundgebung. hinter einer Stellwand in einem für Bereits zu Beginn des Aufzugs Besucher öffentlich zugänglichen kam es zu ersten AuseinanderAusstellungsraum abgelegt worsetzungen mit der Polizei. Insbeden und setzte eine Pappwand in sondere während der AbschlussBrand. Ein weiterer Brandsatz, der kundgebung versuchten die Denicht entzündet hatte, wurde am monstranten, durch lautstarke Vormittag des 11. Mai gefunden. "Mörder, Mörder"-Rufe sowie mit Trillerpfeifen, Trommeln und einer Am 08. Juli besetzten mehrere Lautsprecheranlage (u. a. SirenenPersonen, darunter Autonome, das geheul) die Gelöbnisveranstaltung Kreiswehrersatzamt in Treptow. zu stören. Diese Aktion bildete den Auftakt Kurz bevor die Rekruten die Gefür Protestaktionen gegen das löbnisformel sprechen sollten, Bundeswehr-Gelöbnis am 20. Juli stürmten mehrere Personen von in der Gedenkstätte für die Opfer den Tribünen her auf den Platz des 20. Juli 1944 in der Staufund versuchten, die Truppenfahfenbergstraße (Tiergarten) und nen wegzureißen. Hierzu heißt es richtete sich gegen die "Kriegsin einer am Abend des 20. Juli verpolitik der Bundesregierung". breiteten Presseerklärung einer an Das Gelöbnis selbst war von lautden Störungen beteiligten Gruppe: starken und unfriedlichen Prote"Ein von Protesten unbehelligtes sten begleitet. Zu den Aktionen Gelöbnis wird es in Berlin auch in hatte ein breites Bündnis, beZukunft nicht geben!" stehend aus nichtextremistischen Die Störung des Gelöbnisses wird Organisationen und revolutionärin der Szene als Erfolg gewertet. marxistischen Gruppen bis hin zu Es muss auch weiterhin mit gegewaltbereiten Zusammenschlüswalttätigen Protesten gegen sen, unter dem Motto "Deutschöffentliche Veranstaltungen der land wiedergutgelobt" aufgerufen. Bundeswehr gerechnet werden. Teile der Berliner linksextremistischen Szene versuchten auch 1999 mit Informationsveranstaltungen gegen die Weltausstellung "EXPO 2000", die im Juni in Hannover eröffnet wird, zu 144 mobilisieren. Diese Versuche stießen bisher in der Berliner Szene nur auf geringes Interesse. Keine große Resonanz fanden auch Mobilisierungsversuche für Aktionen gegen den EU-AA/eltwirtschaftsgipfel, der im Juni in Köln stattfand. * Umstrukturierung Der Umzug der Bundesregierung und die damit verbundene Umgestaltung Berlins, mit der angeblich eine "Vertreibung aus der Innenstadt" einher geht, hat das Aktionsfeld "Umstrukturierung" im Gegensatz zum Vorjahr wieder neu belebt. Die Form des Protests hat sich allerdings gewandelt. Seit geraumer Zeit war festzustellen, dass das Interesse an den ritualisierten Demonstrationen der Autonomen (Blockbildung, Abschirmung durch die Polizei) erheblich abgenommen hat. Hintergrund ist der Wunsch nach mehr "action" und Spontaneität, die angeblich bei herkömmlichen Demonstrationen unterdrückt wurde. Nunmehr versucht man, mit spontanen, unangemeldeten Aktionen, angelehnt an die aus Großbritannien stammende, ursprünglich nicht von Extremisten getragene Aktionsform "Reclaim the Streets" (RTS), in bewusst illegaler Aktion die Straße "zurückzuerobern". Man glaubt so, sein politisches Anliegen der Bevölkerung leichter und direkter vermitteln und einem möglichen Zugriff der Polizei entgehen zu können. Die Initiatoren treten hierbei nie öffentlich in Erscheinung. Bei solchen Aktionen, die sich gegen "Umstrukturierung" und "Hauptstadtwahn" richten, muss immer damit gerechnet werden, dass Linksextremisten versuchen, diese für ihre Ziele zu instrumentalisieren: Am Nachmittag des 11. September ca. 600 Teilnehmern statt. Etwa 60 1999 fand im Bereich des S-BahnPersonen entschlossen sich sponhofs Friedrichstraße (Mitte) eine tan, von dort zu einem nahegeStraßenparty unter dem Motto "lf legenen Kaufhaus zu ziehen, wo you want to change the city, you es zu Plünderungen und Sachbehave to reclaim the streets!" mit schädigungen kam. 145 Diese "Reclaim the Streets" (RTS)-Party war in unterschiedlichen Szenemedien angekündigt worden. Ein Aufruf in der Szenepublikation "INTERIM" nahm ausdrücklich auf ein am selben Tag stattfindendes "Hauptstadt-Fest" Bezug. Weiter heißt es: "Die 'Berliner Republik' stinkt! Nach Krieg, Neoliberalismus, Abschiebung und AKWs zum Beispiel. Oder EXPO 2000. Aber auch nach dem Ausbau Berlins zur SuperSauberSicherheits-Metropole durch die zunehmende Privatisierung öffentlichen Raums, und die damit einhergehende Vertreibung von nicht kaufkräftigen Menschen anhand rassistischer Kriterien aus den Konsumtempeln und City-Bezirken. In den Straßen von Berlin wird mit eisernem Besen gekehrt. ... Gegen die 'Berliner Republik' der Blödiane und Langweiler! Spaß kann auch Widerstand machen." Auch in der Zukunft ist mit derartigen Aktivitäten zu rechnen. * "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" Der "Revolutionäre 1. Mai" in Berlin war und ist für Linksextremisten seit Jahren das "herausragende" Ereignis. Dies lässt sich auch an den Teilnehmerzahlen ablesen: 146 Geschätzte Teilnehmerzahl an den 1. Mai-Demonstrationen in Berlin 1987-1999 Bei der "Revolutionären 1. Mai"-Demonstration im Jahre 1999 fiel auf, dass diese wieder an den ursprünglichen Ort Kreuzberg zurückverlagert wurde. Diese Entscheidung stieß ausweislich der im Vergleich zu 1997 und 1998 deutlich erhöhten Teilnehmerzahl auf breite Zustimmung, weil sie die Wiederbelebung einer "Tradition" darstellte. Das anhaltende Interesse an der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" erklärt sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren: Die latente Protesthaltung vieler Kreuzberger Kiezbewohner gegen "den Staat" und die ihn repräsentierende Polizei, - der extensive Alkoholgenuss und das Gefühl, zeitweilig "Herr in Kreuzberg" zu sein. Die schon seit einiger Zeit zu beobachtende Entwicklung der Teilnahme immer jüngerer, alkoholisierter, aber offensichtlich 147 unpolitischer Personen setzte sich auch in diesem Jahr fort. Dies wurde auch in der Szene kritisch angemerkt. Dem Veranstalter wurde vorgeworfen, dass Kinder und Jugendliche unvorbereitet in die Auseinandersetzung mit der Polizei geschickt worden seien. Außerdem sei der politische Anspruch der Demonstration zu kurz gekommen. Wie in den Vorjahren wurden auch dieses Mal wieder zwei Demonstrationen für einen "Revolutionären 1. Mai" durchgeführt. Beide führten vom Oranienplatz zum Kottbusser Tor bzw. zum Hohenstaufenplatz. In der Vorbereitungsphase zeichnete sich relativ schnell das Bestreben ab, wieder zu den Ursprüngen des "Revolutionären 1. Mai", nämlich nach Kreuzberg, zurückzukehren. Das erklärt auch, warum der immer wieder eingebrachte Vorschlag, durch die "Zentren der Macht" (Friedrichstraße, Potsdamer Platz) zu ziehen, auch in diesem Jahr verworfen wurde. Die Demonstration um 13.00 Uhr, Vorjahren bis zu 8 000 Personen. vom Oranienplatz zum Kottbusser Durchgeführt wurde die DemonTor, an der sich ca. 1 200 Persostration maßgeblich von den nen, die Hälfte von ihnen auslänautonomen Gruppen "Antifaschidischer Herkunft, beteiligten, wurstische Aktion Berlin" (AAB), de im Wesentlichen getragen von "Rote Antifaschistische Initiative" marxistisch-leninistisch orientier(RAI) - beide organisiert in der miten Gruppen. Der Aufzug verlief litanten "Antifaschistischen Akwie im Vorjahr ohne größere Zwition/Bundesweite Organisation" schenfälle. (AA/BO) - "Rote November Jugend" (Ronja), "Autonome KomAn dem Aufzug um 18.00 Uhr, vom munisten" (AK) und zahlreichen Oranienplatz zum Hohenstaufen"Antifa"-Jugendgruppen. platz, beteiligten sich wie in den. Im Sinne der Veranstalter, die ihre Fähigkeit, einen machtvollen Demonstrationszug durchführen zu können unter Beweis stellen wollten, wurde der Aufzug im Gegensatz zu den Vorjahren bis zum vorgesehenen Endpunkt geführt. Erst nachdem die Veranstaltung für beendet erklärt worden war, kam es zu massiven Angriffen (Steinund Flaschenwürfe) auf die eingesetzten Polizeibeamten. Dies geschah durch aus den Seitenstraßen in den Zug einsickernde, zumeist alkoholisierte Personen. Nachdem sich auch Autonome an den Ausschreitungen beteiligten, weite- 148 ten sich die Auseinandersetzungen bis in angrenzende Straßen aus. Dabei kam es zu Plünderungen, Sachbeschädigungen und schweren Körperverletzungen. Zahlreiche Personen wurden festgenommen. Bereits im Vorfeld der diesjährigen Abend-Demonstration war mit Handzetteln massiv zu Gewalt aufgerufen worden. Der relativ späte Zeitpunkt (18.00 Uhr) des Beginns der Demonstration wurde u. a. deshalb gewählt, um den Teilnehmern die Gelegenheit zu geben, an Aktionen gegen einen Aufmarsch der rechtsextremistischen "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in Bremen teilzunehmen. Weil der NPD-Aufmarsch durch alle Gerichtsinstanzen hindurch verboten blieb, verzichteten Berliner Linksextremisten auf die organisierte Anreise. Offensichtlich vertrauten sie mit dieser Entscheidung darauf, dass die Bremer Behörden dieses Verbot auch durchsetzen würden. Die linksextremistische Szene bewertete die Demonstration "insgesamt positiv". Begrüßt wurde insbesondere, dass der Aufzug wieder zu seinen Wurzeln nach Kreuzberg zurückgekehrt sei. Dort sei es "einfach gemütlicher". Die überwiegend positive Bewertung der Szene resultiert vor allem aus der Tatsache, dass die Demonstration unter Teilnahme "vieler Jugendlicher" wie geplant durchgeführt werden konnte. Zudem bewer- 149 tete man den Unterschied, dass man sich von der Mittagsdemonstration bezüglich der Teilnehmerzahl deutlich abheben konnte. Kritisch wurde jedoch angemerkt, dass der politische Charakter der Demonstration nur unzureichend vermittelt werden konnte. So wäre teilweise "Sonntagsausflugsatmosphäre" aufgekommen und "zufällig vorbeikommende Passanten hätten wohl Schwierigkeiten gehabt, die Demo irgendwo politisch einzuordnen". Kritisiert wurde ferner, dass viele Teilnehmer stark alkoholisiert waren und viele "Alt-Autonome", die früher das Gesicht der Demonstration geprägt hatten, diesmal fern geblieben sind. * Anti-Atom-Proteste Für viele Linksextremisten ist weiterhin der Kampf gegen die Nutzung der Kernenergie ein wichtiges Aktionsfeld ihrer Agitation gegen den Staat und dient der Legitimierung von militanten Aktionen. Obwohl Berlin nicht zu den direkt betroffenen Regionen (wie z. B. Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und NordrheinWestfalen) gehört, engagieren sich auch Berliner Autonome bei Protesten gegen Kernenergie und beteiligen sich an bundesweiten Aktionen. Das Jahr 1999 war geprägt von der Enttäuschung über die nicht erfüllten Erwartungen, die an die neue Bundesregierung unter Beteiligung der Partei "Bündnis '90/Die Grünen" hinsichtlich eines Ausstiegs aus der Atomenergie geknüpft waren. Während der Konsensgespräche zwischen der Bundesregierung und Vertretern der Energieversorgungsunternehmen kam es sowohl bundesweit als auch in Berlin zu zeitweiligen Besetzungen von Parteibüros und zu Sachbeschädigungen. Im Jahresverlauf versuchten Linksextremisten, der seit dem letzten "CASTOR"-Transport im März 1998 in Lethargie ver- 150 harrenden Anti-AKW-Bewegung mit einer Strategie-Diskussion neue Impulse zu geben. Nach wie vor wird auch nicht vor der Begehung terroristischer Anschläge zurückgeschreckt, mit denen der Ausstiegsforderung Nachdruck verliehen werden soll: So setzten am 14. Juli Unbekannte bekennung einer "Autonomen einen auf öffentlichem Straßenland Gruppe Gegenenergie" begrünabgestellten VW-Bus der Fa. dete die Tat mit der Verwendung SIEMENS in Brand. Die an mehvon Parolen der gewaltbereiten rere Presseorgane gerichtete TatAnti-AKW-Bewegung. Außerdem wurde in der Tatbekennung ein Zusammenhang mit den bundesweiten Durchsuchungsmaßnahmen am 06. Juli hergestellt. Diese Durchsuchungen richteten sich gegen Personen, die verdächtigt wurden, Anschläge auf die Deutsche Bahn AG als Transporteur von "CASTOFT-Behältem durchgeführt zu haben. Außerdem wurde die Firma SIEMENS als Teil der "Atommafia" darstellt. 151 4.2 Terrorismus Auch nach Auflösung der "Rote Armee Fraktion" (RAF) im April 1998 gibt es im Bereich des gewaltbereiten Linksextremismus Gruppierungen, den sog. Antiimperialistischen Widerstand, die den "bewaffneten Kampf grundsätzlich akzeptieren - nur das "Wann" und "Wie" ist umstritten. Dabei geht man von der Annahme aus, dass jede angestrebte Umwälzung nur dann Aussicht auf Erfolg habe, wenn zuvor das Vertrauen in die bestehende politische Ordnung mit ihren Abwehrmechanismen gegen totalitäre Bedrohungen durch gezielt herbeigeführte, spürbare Sicherheitsgefährdungen nachhaltig erschüttert wird. Unter Terrorismus versteht man extremistisches politisch oder glaubensmäßig motiviertes Bestreben bzw. systematisches Handeln von Personen oder Personenzusammenhängen, das sich gegen Leib und Leben, die persönliche Freiheit Einzelner oder gegen die Allgemeinheit schlechthin richtet. In übersteigerter Bewertung des eigenen Denkens soll die jeweils geltende Staatsund Gesellschaftsform destabilisiert, langfristig verändert und möglichst ersetzt werden. Hierbei wird beabsichtigt, öffentlichkeitswirksam Angst und Schrecken zu verbreiten und bei Gleichgesinnten eine mobilisierende Wirkung zu erzielen. 152 4.2.1 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) Mitgliederzahl: Ca. 150 in Berlin (1998: 130) Organisationsstruktur: Inhomogenes, überregionales Personenpotential mit nur ansatzweise erkennbaren Strukturen Entstehung/Gründung: Ca. Mitte der 80er Jahre Ideologie: Orientierung an Konzeptionen der "Rote Armee Fraktion" (RAF) aus den 70er und 80er Jahren; der "bewaffneten Kampf" wird grundsätzlich akzeptiert Publikationen: Diverse Schriften, u. a. "Angehörigen Info" Der "Antiimperialistische Widerstand" (AIW) entstand Mitte der 80er Jahre aus kritischen RAF-nahen Strukturen. Dazu stießen im Laufe der Jahre Personen aus anderen linksextremistischen Bereichen (hauptsächlich "Autonome", "Revolutionäre Zellen" [R2] und "Rote Zora"). Gemeinsam ist ihnen das Eingeständnis einer weitestgehend "gescheiterten revolutionären Linken". Daher fordern sie eine "Neuorientierung antiimperialistischer revolutionärer Politik" bei grundsätzlicher Akzeptanz des "bewaffneten Kampfes". Dieser "Kampf soll so lange wie möglich aus der "Legalität" ("Feierabendterrorismus") heraus geführt werden. Thematisch fällt die starke internationalistische Ausrichtung auf, welche den "Widerstand" in Europa als Teil eines weltweiten Befreiungskampfes begreift. Zu den konsensfähigsten Themenfeldern, die mit nach wie vor steigender Tendenz im AlW-Komplex besetzt werden und geeignet sind, auch terroristische Solidarität zu bewirken, zählt vor allem die "Kurdenproblematik". An erster Stelle steht dabei die Solidarität mit der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Aus Anlass der Festnahme des Vorsitzenden der PKK, Abdullah ÖCALAN, am 15. Februar in Kenia und dessen Überführung in die Türkei kam es ab dem 16. Februar in zahlreichen deutschen Städten zu gewaltsamen Aktionen von PKK-Anhängern. In der Folgezeit wurden die Kurden bei ihren verschiedenartigen Protestformen von deutschen linksextremistischen Gruppen unterstützt. 153 In Berlin hatte sich eigens zu diesem Zweck ein "Solidaritätskomitee für die kurdischen politischen Gefangenen" gebildet. Einer Selbstdarstellung zufolge, arbeiten in diesem Komitee "Menschen aus der Plattform der kurdischen Vereine in Berlin und aus verschiedenen linken deutschen Gruppen zusammen." Ihr Ziel sei die Unterstützung der "kurdischen politischen Gefangenen und Angeklagten bei ihren Verfahren in Berlin" sowie die Forderung nach Freilassung der Gefangenen und Einstellung der Verfahren. Verstärkt wurden die Solidaritätsgruppen in Berlin durch Zuzug von bisher in anderen Bundesländern ansässigen Solidaritätsgruppen. Außerdem veranlasste die drohende Vollstreckung des Todesurteils gegen das ehemalige "Black Panther"Mitglied Mumia ABU-JAMAL, der in den USA wegen Polizistenmord verurteilt wurde, Linksextremisten zu verstärkten Protesten. Das Bemühen im AIW, dauerhafte internationale ArbeitsstrukInternationale turen zu entwickeln, fand im Berichtszeitraum seinen sichtbaren Kontakte Ausdruck in der Durchführung eines internationalen Kongresses vom 01. bis zum 05. April in Berlin, der unter dem Motto "Befriedung oder Befreiung? Perspektiven internationaler Solidarität" stand. Etwa 300 Personen aus mehreren europäischen Ländern, aber auch aus lateinamerikanischen Staaten nahmen daran teil und berieten über eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit. Der seit Jahren geplante - aber erst jetzt zustande gekommene - Kongress war aus Sicht der Veranstalter wegen der nationalen und insbesondere internationalen Resonanz ein Erfolg. Er war die erste größere internationale Konferenz des antiimperialistischen Spektrums in Deutschland, seit dem 1986 in Frankfurt/M. durchgeführten Kongress "Antiimperialistischer und antikapitalistischer Widerstand in Westeuropa". Ob sich der angestrebte Vernetzungsprozess tatsächlich entwickeln wird, bleibt abzuwarten. 154 4.2.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ)/"Rote Zora" Festnahmen Mit den Festnahmen mutmaßlicher Angehöriger der terrorimutmaßlicher stischen "Revolutionären Zellen" (RZ)/"Rote Zora" im November Angehöriger und Dezember in Berlin rückten die in der breiten Öffentlichkeit fast vergessenen, bis heute unaufgeklärten Anschläge dieser terroristischen Vereinigung wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Im Jahre 1973 hatte sich in der Bundesrepublik Deutschland neben der RAF und der "Bewegung 2. Juni" eine dritte terroristische Vereinigung gebildet, die sich zunächst als "Revolutionäre Zelle" und ab 1976 als "Revolutionäre Zellen" (RZ) bezeichnete. Deren Mitglieder standen ebenso wie die der anderen terroristischen Gruppen für die Radikalisierung eines Teiles der "68er-Protestbewegung". Die RZ verfolgten das Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung in Deutschland zu überwinden. Anders als die RAF agierten die Kleingruppen der RZ nicht aus dem Untergrund, sondern verließen ihren normalen Lebensrhythmus nur zur Durchführung von Aktionen ("Feierabendterrorismus"). In Berlin war es in den 80er Jahren u. a. zu zwei aufsehenerregenden personenbezogenen Schusswaffenanschlägen ("Knieschussaktionen") gekommen: Am 28. Oktober 1986 wurde der Am 01. September 1987 wurde der damalige Leiter der Abteilung Ausfür Asylrechtsverfahren zuständige länderangelegenheiten im LandesVorsitzende Richter beim Bundeseinwohneramt Berlin bei einem als verwaltungsgericht in Berlin Opfer "Bestrafungsaktion" bezeichneten eines Anschlags. Schusswaffenanschlag verletzt. Der Richter wurde in einer TaterDie Tat wurde bereits damals mit klärung der RZ als "oberster Asylder Asylpolitik erklärt: Der Gerichter", der als Schreibtischtäter schädigte wurde als "Menschenpar excellence NS-Methoden prakjäger und Schreibtischtäter" betiziere, bezeichnet. zeichnet, der an "vorderster Front" stünde. 155 In Berlin war seit 1992 kein den "Revolutionären Zellen" zuzurechnender Anschlag mehr zu verzeichnen. 5 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten einschließlich Trotzkisten Alle Linksextremisten bekennen sich grundsätzlich zur "revolutionären Gewalt". Während die Einen aus taktischen Erwägungen bei tagespolitischen Auseinandersetzungen überwiegend auf "legale" Kampfformen setzen und im Rahmen ihrer antidemokratischen Agitation und Propaganda versuchen, politische Missstimmungen anzuheizen, bringen die Anderen ihren unversöhnlichen Hass auf den Staat durch gezielte militante Aktionen zum Ausdruck. Neben den gewaltorientierten Linksextremisten streben auch mehrere marxistisch-leninistische Parteien und sonstige revolutionär-marxistische Zusammenschlüsse die Beseitigung der bestehenden Ordnung an. Zu diesen Kräften zählen Kommunisten, die sich in der Tradition der früheren kommunistischen Weltbewegung sehen, wie z. B. die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP). DKP MLPD Hiervon zu unterscheiden sind Parteien und Gruppen mit einem abgewandelten marxistisch-leninistischen Weltbild, wie z. B. die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD). Solche Zusammenschlüsse orientieren sich in ihrem ideologischen Selbstverständnis häufig an stalinistischen, maoistischen oder trotzkistischen Interpretationen kommunistischer Vorbilder. Erscheinungsbild und Zustand dieser Parteien und Gruppierungen haben sich in Berlin 1999 kaum verändert. Sie blieben ohne jeden Einfluss auf die politische Entwicklung Berlins. Zum Beispiel scheiterte die Bezirksorganisation Berlin der DKP bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 10. Oktober im Bezirk Kreuzberg mit einem Stimmenanteil von 0,3 % (116 Stimmen). 156 Die sich zur Theorie des Marxismus-Leninismus in seiner Interpretation durch Mao ZEDONG bekennende MLPD und ihr bedeutungsloser Jugendverband ("REBELL") blieb auch 1999 innerhalb des linksextremistischen Spektrums isoliert. Die Berliner trotzkistischen Vereinigungen, wie z. B, die "Sozialistische Alternative Voran" (SAV), traten auch 1999 nur sporadisch öffentlichkeitswirksam, z. B. bei Demonstrationen der linksextremistischen Szene in Erscheinung, blieben aber weitgehend unbeachtet. 6 Linksextremistische Positionen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Die PDS ist keine dogmatische linksextremistische Partei im Strömungspartei klassischen Sinn wie z. B. die DKP. Sie wird vielmehr als "Strömungspartei" bezeichnet. Dieser Begriff soll verdeutlichen, dass sie unter ihrem Dach verschiedenste Ausprägungsformen "linker" Politik vereint und duldet. Dazu gehören auch linksextremistische Bestrebungen. Innerhalb der PDS bestanden in Berlin in den vergangenen Jahren mehrere Gruppierungen, die linksextremistische Ziele verfolgten, und zwar: * die "Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS" (AGJG), * die "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF), * das "Marxistische Forum" (MF), * die Arbeitsgruppe "Linkes Netzwerk", * die "Kommunistische Arbeitsgemeinschaft in und bei der PDS Berlin" (KAG) und * die "Bezirksorganisation (BO) Kreuzberg der PDS". 1999 war ein deutlicher Rückgang der öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten bzw. sogar die Auflösung einer Gruppierung feststellbar. Von den ursprünglich sechs Beobachtungsobjekten 157 wurde im Laufe des Jahres bei vier Gruppierungen die Beobachtung eingestellt. Weiterhin beobachtet werden die "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) und das "Marxistische Forum". 6.1 "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: Bundesweit: Ca. 2 000 "Zugehörige" (1998: 2 500), Berlin, ca. 500 Organisationsstruktur: Zusammenschluss Entstehung/Gründung: 30. Dezember 1989 Ideologie: Marxistisch-leninistisch Publikationen: "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS" (monatlich, Auflage: Vermutlich 1 500) Die mitgliederstärkste PDS-Gruppierung KPF versteht sich als Nachfolgerin der erklärtermaßen verfassungswidrigen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Dieses Selbstverständnis impliziert eine prinzipielle Identität mit deren Zielen. Programmatische Aussagen, wie z. B die Forderung eines "Übergangs von der Klassengesellschaft in eine klassenlose Gesellschaft durch einen mehrere Phasen umfassenden erbitterten Klassenkampf bzw. eines "dritten revolutionären Versuchs, den Kapitalismus zu überwinden", sind deutliche Hinweise darauf, dass die KPF an dem durch die marxistischleninistische Lehre vorgegebenen Weg zum Kommunismus über eine mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarende "proletarische Revolution" und die "DikDiktatur des tatur des Proletariats" festhält. Proletariats Die KPF ist im Parteivorstand vertreten, gerät aber durch ihre aggressiv vertretene dogmatische Positionierung immer wieder in Konflikte mit der Parteiführung. Deutlich wurde dies vor allem bei der sog. Programmdebatte. Der 6. Bundesparteitag der PDS hatte auf seiner 1. Tagung Ende Januar 1999 in Berlin eine programmatische Debatte angeregt und der Partei die Aufgabe gestellt, ihr programmati- 158 sches Selbstverständnis als sozialistische Partei in Deutschland links von der Sozialdemokratie zu profilieren. Nach Auffassung der Parteiführung ist das Parteiprogramm von 1993 stellenweise überholt, wohingegen die KPF die Meinung vertritt, dass sich die politischen und ökonomischen Bedingungen in der Bundesrepublik nicht dergestalt geändert hätten, dass eine neue politisch programmatische Reflexion darauf zwingend notwendig wäre. Vielmehr verfolge die Parteiführung damit das Ziel, das Programm der von der Vorstandsmehrheit verfolgten politischen Linie anzupassen. Die KPF besteht strikt auf der Beibehaltung der antikapitalistischen Orientierung der PDS, um die "Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums zu überwinden". Die KPF ist bereit, auch mit militanten Linksextremisten zusammenzuarbeiten. Obwohl es bei den jährlichen, von der KPF maßgeblich organisierten "Luxemburg-Liebknecht-Demonstrationen" - zuletzt am 10. Januar mit 6 500 Teilnehmern - regelmäßig zu Ausschreitungen kommt, wurde die Demonstration im Januar 2000 wiederum in einer "Aktionseinheit" vorbereitet. Dabei arbeitet die KPF mit revolutionär-marxistischen Parteien, aber auch - wie in den Vorjahren - mit gewaltbereiten Linksextremisten, wie der militanten "Antifaschistischen Aktion Berlin" (AAB) zusammen. Insgesamt ist festzustellen, dass der Einfluss der KPF auf die Politik der Gesamtpartei offensichtlich nachlässt. Dennoch darf Nachlassender Einfluss nicht übersehen werden, dass sie nach wie vor im Parteivorstand und im Parteirat vertreten ist und somit ihre Vorstellungen in deren Diskussionen einbringen kann. Die KPF spricht mit ihrem Weltbild immer noch die Gefühle der in der PDS verbliebenen früheren SED-Mitglieder an. Sie ist außerdem auch ein Bindeglied zu "DDR-Nostalgikern", die nicht der PDS angehören. 159 6.2 "Marxistisches Forum" Sitz: Berlin Mitgliederzahl: Rund 50 bundesweit Organisationsstruktur: Zusammenschluss Entstehung/Gründung: 6. Juni 1995 Ideologie: Marxistisch Publikationen: "Marxistisches Forum" (unregelmäßig) "Marxistische Lesehefte" (unregelmäßig) Auch das "Marxistische Forum", ein 1995 auf Initiative der KPF als "innerparteiliche Opposition" gegründeter Zusammenschluss Innerparteiliche Opposition orthodox kommunistisch orientierter Mitglieder und Sympathisanten der Partei, wird weiterhin als fester Bestandteil der PDS akzeptiert. Eine Mitgliederbewegung ist kaum zu verzeichnen, da eine aktive Mitgliederwerbung nicht betrieben wird. Die Mitglieder des "Marxistischen Forums" verstehen sich in erster Linie als Wissenschaftler bzw. Schriftsteller, die dem philosophischen, erkenntnistheoretischen Ansatz des dialektischen Materialismus verpflichtet sind. Sie sind zumeist Teil der ehemaligen intellektuellen Elite der DDR. Als Aufgabenstellung sehen sie die Bewahrung und Weiterentwicklung des marxistischen Erbes der Erkenntnistheorie und der politischen Ökonomie. In diesem Zusammenhang wird auch als Aufgabe angesehen, in die aktuellen theoretischen Diskussionen innerhalb der PDS einzugreifen. Dazu dienen vor allem die Veröffentlichungen von Mitgliedern des "Marxistischen Forums" in dessen Publikationen "Marxistisches Forum" und "Marxistische Lesehefte". Hier wird versucht, fundamentale Aussagen der marxistischen Lehre aus der marxistisch-leninistischen Orthodoxie der staatssozialistischen Parteien herauszulösen, "um bei der marxistischen Aneignung der Gegenwart zu helfen". Hauptaktionsfeld war 1999 die "Programmdebatte", in der das "Marxistische Forum" die Erneuerungsbestrebungen des Parteivorstands vehement angriff. 160 Hinter dieser Kritik verbirgt sich die ablehnende Haltung des "Marxistischen Forums" zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Deutlich wird dies in Stellungnahmen von Mitgliedern des Forums zu Themen, wie Veränderungen in Ostdeutschland nach 1989, Entwicklung des Sozialismus und Gewalt als Mittel der Politik. Ein Mitglied des Forums behauptete beispielsweise: "bei den politischen Veränderungen in Ostdeutschland seit 1989 handelt es sich nicht um Resultate einer friedlichen Revolution, sondern einer Konterrevolution, nicht um einen Schritt in die .Moderne', sondern um die Restauration kapitalistischer Verhältnisse, also um einen historischen Rückschritt, nicht um die freie Selbstbestimmung des Volkes, sondern um ökonomische Kolonialisierung und politische Entmündigung." Und zur zukünftigen Entwicklung des Sozialismus stellte ein weiteres Mitglied des Marxistischen Forums fest: "Ein anderer Irrtum ist es, den Sozialismus auf demokratische Weise erreichen zu wollen ... Die Frage, kam der Sozialismus in Rußland zu früh oder wäre er wo anders glücklicher gewesen, ist klar beantwortbar: Der Sozialismus ist bei den ersten Versuchen nie reif, er kommt immer zu früh. Deshalb braucht er mehrere Anläufe, und welcher der glückliche ist, kann keiner sagen. Jedenfalls sollte man dem Land oder den Ländern, die nach der dummerweise ungeplanten Niederlage als erste wieder den Sozialismus wagen, Rabatt einräumen." Zum Thema "Gewalt" wurde von einem Angehörigen des Forums ausgeführt: "Umstritten ist, ob (der) Gewalt der militanten Gruppen des .rechten Randes' nicht mit einer ebensolchen und natürlich überlegenen Gegengewalt entgegengetreten werden muß. Die Haltungen schwanken von der ausgesprochenen oder nur praktizierten Wiederaufnahme der Losung .Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft' bis zur eindeutigen Ablehnung jeder gewalttätigen Gegenwehr. Offenkundig liegt die Wahrheit in der Mitte, sie ist keine allgemeine, will sagen: für alle Fälle geltende, sondern sie muß vorsorglich oder akut, planmäßig oder auch spontan von Fall zu Fall getroffen werden." 161 7 Ausblick 1999 haben sich die Struktur und das Mitgliederpotenzial des organisierten deutschen Linksextremismus gegenüber dem Vorjahr insgesamt kaum verändert. Dies gilt auch für den nicht organisierten Teil der linksextremistischen Szene, die äußerst gewaltbereiten Autonomen. Im militanten Linksextremismus waren auch in diesem Jahr Bemühungen erkennbar, die in sich zerstrittene Szene wieder zu einen. Diskussionen über einen "wirkungsvollen radikalen Widerstand und eine perspektivische Weiterentwicklung militanter Politik" blieben zwar bisher weitgehend ohne Erfolg, werden aber auch im Jahr 2000 fortgeführt werden. Mit Hilfe von Reizthemen, wie "Rechtsextremismus", "Umstrukturierung", "Asyl" und "Anti-Atom" werden militante Linksextremisten weiterhin versuchen, auch bei Nichtextremisten Sympathien für ihre Ziele zu wecken. Im Bereich "Terrorismus" werden auch weiterhin die Bemühungen fortgesetzt, den "Antiimperialistischen Widerstand" (AIW) zu einer Art "Sammlungsbewegung zur Neuorientierung und Neuformierung" zu entwickeln. Beispielhaft hierfür war der im April in Berlin mit internationaler Beteiligung durchgeführte Kongress "Befriedung oder Befreiung? Perspektiven internationaler Solidarität", der in ähnlicher Form wahrscheinlich fortgeführt werden wird. Die Bedrohung durch gewalttätige Linksextremisten wird weiter bestehen bleiben. Die meisten militanten Aktionen bis hin zu terroristischen Aktivitäten werden von Autonomen verübt. Diese halten an der von ihnen als "bewährt" angesehenen Praxis fest, Anschläge nicht nur unter einem über Jahre hinaus festen Gruppennamen, sondern unter stets wechselnden Aktionsbezeichnungen zu verüben. Dadurch erhoffen sie sich einen stärkeren Schutz vor "staatlicher Repression". 162 Revolutionär-marxistische Parteien und sonstige marxistischleninistische Gruppierungen werden weiterhin ein Sektiererdasein führen. Im Hinblick auf die Hauptstadtentwicklung Berlins ist es nicht auszuschließen, dass die Konzentration staatlicher inund ausländischer Institutionen sowie das verstärkte öffentliche Auftreten von Rechtsextremisten in der Stadt zu einer qualitativen und quantitativen Verstärkung linksextremistischer Aktivitäten führen wird. So könnte möglicherweise eine Sogwirkung auf Linksextremisten in anderen Bundesländern entstehen. Anzeichen hierfür sind bereits vorhanden. 163 JüEKIbBKIY LROH HU BOARD 164 E SCIENTOLOGY-ORGANISATION (SO) Sitz, Weltzentrale: Los Angeles, Kalifornien (USA) Europazentrale: Kopenhagen (Dänemark) Deutschlandzentrale: München Berliner Organisation: 12159 Berlin-Schöneberg, Sponholzstr. 51/52 Mitgliederzahl (geschätzt): 5 000 bis 6 000 bundesweit (1998: 5 000 bis 6 000), über 200 in Berlin (1998: über 200) Organisationsstruktur: Hierarchisch aufgebaute, weit verzweigte Strukturen Entstehung/Gründung: 1954 Ideologie: Weltanschauliche Ideenlehre mit wirtschaftlicher und politischer Zielsetzung ( Errichtung einer scientologischen Gesellschaft) Publikationen: "FREIHEIT", "IMPACT", "FREI", "HUBBARD COMMUNICATION OFFICE - POLICY LETTER" (HCO POLICY LETTER) 1 Überblick Anhaltspunkte für Bestrebungen der Scientologen gegen die SO verfolgt verfassungsfreiheitliche demokratische Grundordnung bietet vor allem die feindliche Ziele unverändert gebliebene politisch-ideologische Programmatik. Weiterhin betreibt die SO gegen die Bundesrepublik eine maßlose Propaganda, die vor allem darauf abzielt, der Öffentlichkeit des Inund Auslandes den Eindruck zu oktroyieren, tragende Elemente des deutschen Verfassungsstaates seien außer Kraft gesetzt. So zeichnet sie mit ihrer Desinformationskampagne ein Deutschland-Bild, das geprägt ist von "Menschenrechtsverletzungen" bis hin zu angeblichen Parallelen der Verfassungswirklichkeit mit Methoden und Zuständen unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Gleichzeitig setzt die SO ihre Anstrengungen fort, Anwender ihrer "Technologie" zu gewinnen und so gezielt scientologisches Gedankengut in verschiedenste gesellschaftliche Teilbereiche einzuführen. Hierzu ist sie bemüht, z. B. aus Kreisen der Wirtschaft weitere Scientologen als "Bausteine" einer neuen Gesellschaft zu rekrutieren. Schwerpunkte bei den Wirtschaftsaktivitäten sind der Immobilienhandel, Unternehmensberatungen, Werbeagenturen, die EDV-Branche sowie weitere Dienstleistungsbetriebe. Eine besondere Rolle bei der gewollten Durch- 165 dringung der Gesellschaft spielen diverse scientologische Unterund Tarnorganisationen. 2 Ideologie und Zielsetzung Wesentliche Grundlage der scientologischen Ideologie sind Schriften des SO-Gründers L. Ron HUBBARD, die von einem elitär-antidemokratischen Selbstverständnis geprägt sind. "Scientology" will das angebliche wirkliche "Ich" des Menschen, den unsterblichen "Thetan", durch ein zwangshypnotisches Verfahren, das sog. Auditing, befreien. Diese Geistseele erlangt nach der scientologischen Lehre letztlich den Zustand der völligen geistigen Freiheit und entwickelt sich als Herrscher über Raum, Zeit, Energie und Materie zum "Operierenden Thetan" (OT). Tatsächlich würde der einzelne Mensch in der angestrebten Gemeinschaft aus OT und "Befreiten" ("Clears") zu einem rechtlosen Wesen, das einzig dem Willen der SO unterworfen wäre. Jegliche Abweichung von der scientologischen Lehre ("Aberration") ist nach den ideologischen Vorgaben strikt zu unterbinden, Kritiker und Aussteiger der SO gelten als unterdrückerische Personen ("Suppressive"), die man unnachsichtig bekämpfen müsse. Die Festlegungen HUBBARDs bilden für jeden einzelnen Scientologen im gesamten Lebensumfeld und die Organisation ein Lehren und Ziele von HUBBARD Dogma, welche unabänderlich und dauerhaft gültig sind. Die SO gelten weiter bekräftigt in ihren Schriften immer wieder, mehr oder minder deutlich, ihr Ziel, die bestehende Ordnung durch eine scientologische Gesellschaft ersetzen zu wollen. 3 Organisation, Strukturen und Mitglieder Die SO misst Deutschland für ihre Expansionsstrategie auf dem europäischen Kontinent höchsten Stellenwert zu. Dies liegt vor allem in der politisch und wirtschaftlich exponierten Position der Bundesrepublik begründet. 166 In Deutschland verfügt die SO an insgesamt acht Standorten über Vertretungen, darunter eine sog. Org in Berlin. Bundesweit muss mit einer Größenordnung zwischen 5 000 und 6 000 Mitgliedern gerechnet werden, die überwiegend in "Kirchen" und/oder "Missionen" aktiv sind. Für die Bundeshauptstadt ist ein Mitgliederbestand von über 200 Personen eine realistische Größe. Als SO-Mitglieder betrachtet das LfV Berlin insbesondere jene Personen, die Funktionen im Verein "SCIENTOLOGY KIRCHE BERLIN e.V." innehaben, ihre Mitgliedschaft gegenüber der SO schriftlich erklärt haben, Mitarbeiter der SO sind oder scientologische Lehrveranstaltungen absolvieren, soweit es sich bei den besuchten Kursen nicht lediglich um einführende, für potentielle "Neueinsteiger" bestimmte Angebote handelt. Berlin bildet für die Scientologen einen ihrer regionalen Schwerpunkte in der Bundesrepublik. Die hiesige Org dient als Schulungszentrum, Stützpunkt und Treffpunkt der Scientologen in der Bundeshauptstadt. Bisherige Erkenntnisse bestätigten, dass die Berliner Org dem internationalen SO-Management unterworfen ist. Die Berliner Org ist damit ein verlängerter Arm der SO-Zentrale und dient als Erfüllungsgehilfe für die expansionistische Zielsetzung und Verbreitung der SO-"Technologie". 4 Aktivitäten Seit dem Sommer 1999 forcierte "Scientology" ihre Kampagne gegen die Verfassungsschutzbehörden. So erschien im August eine themabezogene Broschüre der "Church of Scientology International" mit dem Titel "Verfassungsschutz als Rufmordinstrument - Zur Diskussion um Scientology 1999". In Berlin wurde die neue Publikation u. a. am 31. August vor dem Dienstgebäude der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport in Mitte verteilt, in dem u. a. die Sektenbeauftragte des Senats arbeitet, und am 01. September vor dem ehemaligen Hauptsitz der Senatsverwaltung für Inneres am Fehrbelliner Platz in Wilmersdorf. Ebenso wie bei ähnlichen 167 Aktionen an den Dienstgebäuden der Verfassungsschutzbehörden in den jeweiligen Landeshauptstädten protestierten die Scientologen mit ihrer Propagandaschrift und Plakaten gegen ihre nachrichtendienstliche Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. Tenor der einzelnen, teilweise stark polemisch gefärbten Beiträge in der über 60 Seiten starken Broschüre ist der Vorwurf, die Regierung und Behörden Deutschlands, insbesondere der institutionalisierte Verfassungsschutz, verstießen gegen die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit. In dem von einem Rechtsanwalt verfassten "VORWORT" werden die politischen Gegner der SO, namentlich der bayerische Innenminister Dr. BECKSTEIN, diesbezüglich in die Nähe des kommunistischen Regimes Chinas gerückt. Weiter resümiert der Schreiber: "Die Überwachung einer Glaubensgemeinschaft mit geheimdienstlichen Mitteln ist zweifellos im obersten Bereich der Brutalitätsskala religiöser Verfolgung angesiedelt (...) Gerade dieser Fall lehrt uns, dass der freiheitlich demokratische Rechtsstaat kein Allheilmittel gegen Menschenrechtsverletzungen ist." Gezielt greift die Publikation an anderer Stelle bestimmte umstrittene Entscheidungen und Arbeitsweisen einzelner Verfassungsschutzbehörden auf, um generelle Zweifel an der demokratischen Legitimation des Verfassungsschutzes zu begründen. Im September übersandte das "Deutsche Büro für Menschenrechte" der "Scientology"-Organisation den Verfassungsschutzbehörden, so auch dem Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, das Deutschland betreffende Kapitel aus dem "Jährlichen Bericht über internationale Religionsfreiheit für 1999" des Außenministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika. In einem an die imaginäre "Abt. Sektenkontrolle" des Berliner Verfassungsschutzes gerichteten Anschreiben heißt es, im Zusammenhang mit der Erhebung von Informationen über diskriminierende Maßnahmen und Richtlinien seitens der Bundesregierung und der Länder sei das "Menschenrechtsbüro" auch über das LfV Berlin informiert worden. 168 So wird beispielsweise ausgeführt, dass die Bundesrepublik Deutschland neben dem kommunistischen China und kleineren Diktaturen einen "bemerkenswert prominenten Platz" in dem Bericht einnehme. Insbesondere verweisen die Absender auf einzelne Passagen der dem Schreiben ebenfalls beiliegenden deutschsprachigen Übersetzung des Reports, mit denen speziell auf den diskriminierenden Charakter sog. Sektenfilter eingegangen werde. Hierunter versteht die SO u. a. SchutzklauselRegelungen, distanzierende Erklärungen gegenüber scientologischen "Techniken" in der Unternehmensführung, wie sie bei größeren öffentlichen Aufträgen potentiellen Auftragnehmern im Vergabeverfahren abverlangt werden. Die Berliner Org der SO setzte ihre Bemühungen um die Werbung neuer Mitglieder fort. Nach Erkenntnissen des LfV Berlin führte sie beispielsweise im zweiten Quartal erneut Propagandaaktionen auf öffentlichem Straßenland durch. So versammelten sich Angehörige der "SCIENTOLOGY KIRCHE BERLIN e.V." während der Mittagsstunden des 08. Mai 1999 auf dem Breitscheidplatz in Charlottenburg unmittelbar vor der KaiserWilhelm-Gedächtniskirche. Der dort bei der Verteilung von Propagandamaterial unternommene Versuch, Passanten in Gespräche zu verwickeln, blieb jedoch weitgehend ohne die erhoffte Resonanz. 5 Ausblick Das Engagement der SO zur Beendigung ihrer nachrichtendienstlichen Beobachtung durch die deutschen Verfassungsschutzbehörden als Teil der angeblichen staatlichen Verfolgung gehört zu den vorrangigen kurzfristigen Zielen der SO. Die Beobachtung bildet ein entscheidendes Hindernis in dem Streben der Organisation nach allseitiger Expansion. Scientologen fürchten jegliche Transparenz und sehen ihre Reputation durch Offenlegung ihrer Ideologie und Praktiken gefährdet. Durch die im Berichtszeitraum wieder aufgeflammte öffentliche Kontroverse um das Pro und Contra der Beobachtung wähnt 169 sich die SO offenbar jetzt näher denn je am Anfang einer Entwicklung hin zu verbesserten Rahmenbedingungen für das eigene Wirken in dem momentan noch sensibilisierten öffentlichen Umfeld, das bislang vorherrschend den Scientologen gesellschaftliche Akzeptanz verweigert. Aus Sicht der SO würde eine Einstellung der Beobachtung den Einstieg in die Überwindung dieser Stigmatisierung darstellen, so dass mit einem nächsten Schritt auch andere "Verfolgungsmaßnahmen" ad absurdum geführt werden könnten. Vermutlich träfe dann die scientologische Agitation zuallererst die Schutzklausel-Regelungen. Diese stehen im Mittelpunkt des Interesses der SO, weil die Erfolgsaussichten von Unternehmen, die der SO nahestehen, bei öffentlichen Aufträgen beeinträchtigt sein könnten und damit die obligatorischen Zahlungen solcher Betriebe an die Organisation gefährdet wären. Die SO dürfte ihre mannigfaltigen propagandistischen Anstrengungen, die darauf gerichtet sind, die Aufhebung des Beobachtungsbeschlusses herbeizuführen, weitersteigern. Berlin wird, je mehr es in seine Hauptstadtfunktion hineinwächst, als Entscheidungszentrum Deutschlands zunehmend auch ein Brennpunkt scientologischer Aktivitäten auf unterschiedlichsten Betätigungsfeldern sein. Hier befinden sich viele der wichtigsten Willensbildungsund Entscheidungszentren, Interessenverbände und gesellschaftliche Eliten. Berlin vereinigt personell und institutionell sämtliche Merkmale denkbarer Ansatzpunkte zur Realisierung der Infiltrationsbemühungen der SO. Zudem bietet Berlin durch die neu übernommene Rolle nahezu ideale Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Öffentlichkeitsarbeit, die Aufmerksamkeit mit Breitenwirkung bis hin zu internationaler Resonanz auf scientologische Aktivitäten erwarten lässt. 170 6 Vertrauliches Telefon und Fax des LfV Berlin Das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin (LfV Berlin) hat für Hinweisgeber, Betroffene bzw. deren Angehörige, Opfer und Aussteiger der "Scientology"-Organisation ein Vertrauliches Telefon eingerichtet. Hier können sich betroffene Bürgerinnen und Bürger direkt mit Mitarbeitern des Verfassungsschutzes in Verbindung setzen. Selbstverständlich werden persönliche Angaben streng vertraulich behandelt. Auch im vergangenen Jahr wurden zahlreiche Anrufe, überwiegend von Ratsuchenden, entgegengenommen. Das Telefon ist im Regelfall Montag bis Freitag zwischen 9.00 und 15.00 Uhr besetzt. In der übrigen Zeit können Nachrichten auf einem Anrufbeantworter hinterlassen werden. Vertrauliches Telefon: 030 / 9012 4242 Vertrauliches Telefax: 030 / 9012 6820 171 172 F SPIONAGEABWEHR 1 Überblick Klassische In den "klassischen" Bereichen der politischen, der wirtschaftSpionagefelder lich/wissenschaftlichen und technischen sowie der militärischen Spionage wurden in Berlin auch 1999 wieder Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste festgestellt. Vor allem bei den im Bereich der Proliferation interessierten Nachrichtendiensten nah-, mittelund fernöstlicher Staaten umfassen die Ausspähungsbemühungen auch die Ausforschung, Unterwanderung und gegebenenfalls Ausschaltung in Deutschland ansässiger Personen und Organisationen, die in Opposition zum Regime des Heimatlandes stehen.19 Darüber hinaus wurden auch nachrichtendienstliche Aktivitäten fremder Dienste bekannt, die zwar in Berlin und damit auf dem Territorium des souveränen Deutschlands stattfanden, die aber auf Repräsentanten oder Institutionen anderer Länder abzielten. Nur die Spitze des Eisberges Hohe Vorab muss festgehalten werden, dass hinsichtlich der AufDunkelziffer klärungsaktivitäten fremder Nachrichtendienste nur die Spitze des Eisberges durch die Spionageabwehr des LfV Berlin festgestellt wird. Die Ausspähungen gegen unser Land erfolgen Methodische nicht mehr mit der aus den Zeiten des Kalten Kriegs bekannten Aspekte Aggressivität. Vielmehr wird sensibler vorgegangen, indem man sich der gezielten Gesprächsabschöpfung oder der kaum Spuren hinterlassenden elektronischen Aufklärung und der diskreten Agentenführung bedient. Insofern existieren für die Beobachtung der Aktivitäten fremder Nachrichtendienste auch Abschottung keine absoluten Umfangszahlen über deren hier tätige NDOffiziere, Agenten und Spionageoperationen. Durch Konspiration, Abschottung und aufgrund eines professionellen Sicher19 Die nachrichtendienstliche Überwachung von Dissidenten-/Oppositionsorganisationen fällt unter den Begriff der "politischen Spionage". 173 Spionageabwehr heitsbewusstseins der eingesetzten Agenten versuchen alle Nachrichtendienste der Welt sicherzustellen, keinen Einblick in ihre Strukturen und operative Ziele zu gewähren. Nur so kann es gelingen, die eigene Handlungsfähigkeit nicht a priori zu beschränken. 3 Nachrichtendienstliche Ziele Die nachrichtendienstliche Ziele der in Berlin operierenden gegnerischen Aufklärung stellen sich für die Bereiche der politischen Spionage, der Wirtschaftsspionage und der Militärspionage wie folgt dar: 3.1 Politische Spionage Eine Bilanz der politischen Spionage für den Berichtszeitraum I Politische 1999 zeigt, dass für die Nachrichtendienste fremder Staaten die Spionage politischen Strukturen, die Entscheidungsebenen an den Schnittstellen der Landesund Bundespolitik, die Foren aktueller Diskussionen von Themen der deutschen Innen-, Außen-, Sicherheitsund Bündnispolitik, die Zentralen ihrer Entscheidung und Umsetzung, aber auch die Einschätzung der in der Bundesrepublik Deutschland politisch handelnden Personen von hoher Bedeutung sind. So konnten für die Hauptstadt als politische Aufklärungsschwerpunkte * das Abgeordnetenhaus * die Senatsverwaltungen Politische Aufklärungs- * Sicherheitsbehörden schwerpunkte * überregionale politiktheoretische "Denkschmieden" * sowie oppositionelle Vereinigungen aus fremden Staaten erkannt werden. 174 Zur Erlangung der Informationen unterhalten die fremden Nachrichtendienste in erheblichem personellen, materiellen und vor allem finanziellen Aufwand abgetarnte Stützpunkte, legendierte Mitarbeiter, geheime Informanten und "Vertrauliche Verbindungen". Diese "Vertraulichen Verbindungen" stellen jedoch keine Agenten im traditionellen Sinne dar, weil sie ohne Vertrauliche förmliche Verpflichtung "geführt" werden. Verbindungen Ziel dieser aufwendigen politischen Aufklärung durch fremde Dienste ist es, die Regierungen in den Heimatländern kontinuierlich und im Vorfeld von Entscheidungen mit Informationen zu versorgen. So versucht man sicherzustellen, dass auf allen relevanten Politikfeldern schnell eigene Handlungsstrategien entwickelt werden können. Es gelang dem LfV Berlin, Hinweise auf gegnerische Aufklärungsaktivitäten in folgenden Themenbereichen zu gewinnen: VorausSpeziell für das Erlangen von Vorausinformationen und aktuellen informationen Einschätzungen der deutschen Ostund EU-Politik sowie der NATO-Beitrittsproblematik und des NATO-Krisenmanagements starteten gegnerische Aufklärungskräfte zahlreiche Operationen zum Aufbau "Vertraulicher Verbindungen" in den Bereichen der Berliner Politik und Wissenschaft. Mehrere Abschöpfungsoperation in Berliner "Denkschmieden" Denkschmieden unterstreichen beispielhaft den Stellenwert von "Think tanks" als Geburtsstätten oder Knotenpunkte politischer Informationen für die Aufklärungstätigkeit fremder Nachrichtendienste. SicherheitsDen nachrichtendienstlichen Aufklärungswert von Sicherheitsbehörden behörden bewiesen in den Vorjahren gescheiterte Anbahnungsversuche gegnerischer Nachrichtendienste in der Berliner Polizei. Insbesondere bei den Diensten der mittelund fernöstlichen Staaten ist überdies aktuell ein Schwerpunkt in der Beobachtung, Ausforschung und Unterwanderung ihrer jeweiligen lands- 175 Oppositioneilenmannschaftlichen Gemeinden, speziell der oppositionellen VerAusforschung einigungen, festzustellen. Der nachfolgende Berliner Fall verdeutlicht exemplarisch, wie fremde Nachrichtendienste mit geeigneten Methoden versuchen, politische Spionageziele auszuforschen: Nach umfassenden Vorermittlunfremde Macht - eingeleitete Ermittgen und einer intensiven Beoblungsverfahren führte zum Erlass Agent überführt achtung durch das LfV Berlin geeines Haftbefehls gegen den Belang es, einen seit langem in schuldigten. Berlin lebenden ausländischen Das Berliner Kammergericht verStaatsbürger zu enttarnen, der urteilte ihn am 19. Januar 2000 zu mutmaßlich seit mehreren Jahren einer Freiheitsstrafe von 18 Monaim Auftrag eines ausländischen ten, die für drei Jahre zur BewähNachrichtendienstes gegen Entrung ausgesetzt wurde. Überdies lohnung eine im Exil agierende erfolgte die Auferlegung einer oppositionelle Vereinigung ausgeGeldstrafe sowie die Einziehung forscht und kontinuierlich über des festgestellten Agentenlohns. Planung, organisatorische StrukDas Urteil ist noch nicht rechtsturen und Tätigkeit der Grupkräftig. pierung sowie personenbezogene Von dem ausländischen NachrichInformationen über exponierte Retendienst wurden in der Vergangimekritiker berichtet hatte. Der genheit die Verbindungen der einFall wurde 1999 an die Genegesetzten geheimdienstlichen Mitralbundesanwaltschaft als zustänarbeiter und die angefallenen dige Strafverfolgungsbehörde abErkenntnisse genutzt, um terrogegeben. ristische Anschläge oder andere Das nach SS 99 Abs. 1 StGB - geAngriffe auf sich im Ausland aufheimdienstliche Tätigkeit für eine haltende Oppositionelle zu planen und zu verwirklichen. Im Berichtszeitraum wurden weitere aktuelle Hinweise auf vermehrte nachrichtendienstliche Aktivitäten in aus dem Nahen und Mittleren Osten stammenden kleinen oppositionellen Kreisen bekannt. Dies geschah durch die Geheimdienste ihrer jeweiligen Heimatländer. Dieser Umstand gibt Anlass zu der Vermutung, dass diese Maßnahmen Teil der Vorbereitungshandlungen im Umzugsplanung Rahmen der Umzugsplanungen der jeweiligen Botschaften bzw. ND-Residenturen sind. Die offiziellen Vertreter der betreffenden Staaten wissen, dass sich mit ihrem Umzug nach Berlin als Repräsentanten eines bei den Dissidenten verhassten Regimes das Spannungspotential erhöhen wird. 176 Schwierige Insgesamt gestaltet sich die Erkenntnisgewinnung in diesem Zugangslage Bereich der Spionage durch fremde Nachrichtendienste schwierig. Dies liegt in erster Linie daran, dass hohe kulturelle und sprachliche Hürden zwischen den deutschen Sicherheitsbehörden und den Betroffenen zu überwinden sind. Zudem schotten sich diese meist eher kleinen Kreise auch bewusst gegen Außenstehende ab. Da bekannt ist, dass die Nachrichtendienste fremder Staaten, die die Ausspähung von Oppositionellen betreiben, auch vor Repressalien und Gewaltakten nicht zurückschrecken, kann nicht ausgeschlossen werden, dass künftig auch Gewaltaktionen aus den Berliner NDResidenturen heraus gesteuert werden. 3.2 Wirtschaftsspionage Die Wirtschaftsspionage stellt seit mehreren Jahren neben der Wirtschaftsspionage politischen Spionage den zweiten Schwerpunkt der beobachteten Aktivitäten fremder Nachrichtendienste in Deutschland dar. Hier liegt die Zielrichtung auf den Gebieten der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Forschung, Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Produkten - überwiegend - der Hochtechnologiebranchen. Überdies eröffnen moderne Kommunikationstechniken wie InterElektronische Aufklärung net, Telefax, ISDN, E-Mail, Mobiltelefone und Computernetzwerke ohne Schutzvorrichtungen die Möglichkeit eines ungehinderten und meist unbemerkten Datendiebstahls von erheblichem Ausmaß, die auch von fremden Nachrichtendiensten genutzt wird. Generell unterhalten insbesondere die Industriestaaten, aber auch manche Krisenund Schwellenländer seit vielen Jahren elektronische Aufklärungssysteme, um teils sogar Satellitenund computergestützt global als "Datenstaubsauger" den Telekommunikationsverkehr abzuhören. Wenn auch die letzte Gewissheit fehlt, so ist doch davon auszugehen, dass über diese auf- 177 wendigen Lauschtechniken auch Informationen aus der Wirtschaft abgeschöpft und dann zum wirtschaftlichen Nutzen des ausforschenden Staates eingesetzt werden. Für Berlin bedeutet dies, dass sich mit der Verlagerung von Anstieg Dachverbänden und zentralen Institutionen der deutschen Wirtpotentieller schaft im Sog des Umzugs von Regierung und Parlament die Zielobjekte Zahl der potentiellen Zielobjekte für fremde Nachrichtendienste erhöht. Wirtschaftliche Spitzenverbände und Dachorganisationen stellen neben dem Entwicklungs-, Produktionsund Marketingsektor einen eigenständigen Zielbereich der Aufklärungsbestrebungen fremder Nachrichtendienste dar. Hier können vor allem vertrauliche Informationen zu wirtschaftspolitischen Strukturen, Zielen und Rahmendaten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gewonnen werden. Doch auch die Forschungseinrichtungen und Entwicklungsabteilungen bleiben interessant: Am 16. Dezember 1999 hat der zehn Monaten, die Mitangeklagte Verurteilung 2. Strafsenat des Kammergerichts zu acht Monaten Freiheitsstrafe - zweier langvon Berlin das Urteil gegen zwei beide Strafen auf dreijährige Bejähriger Agenten weitgehend geständige Angeklagwährung ausgesetzt - verurteilt in Berliner te verkündet, die wegen Agenten(der Angeklagte hat Revision einHiTechtätigkeit für einen fremden Nachgelegt). Zielobjekte der gegneriForschungsrichtendienst nach SS 99 StGB anschen Ausspähungsbemühungen instituten geklagt waren und die durch Vorwaren zwei in Berlin ansässige, ermittlungen des LfV Berlin entinternational renommierte Hochtarnt werden konnten. Der langtechnologieforschungsinstitute. jährig verdeckt operierende Agent Als besonders erschwerend gilt für einen östlichen Nachrichtender von 1982 bis ca. 1995 erfolgte dienst wurde zu einem Jahr und Informationsabfluss. In weiteren Fällen zielen die nachrichtendienstlichen AusspähKonzerne ungsversuche gegen in Berlin ansässige Niederlassungen deutscher Großkonzerne. Im Berichtszeitraum 1999 beobachtete das LtV Berlin weiterhin, Innovative dass vor allem zahlreiche kleinund mittelständische Firmen der HochHochtechnologie, aber auch Innovationszentren sowie namhafte technologie Berliner Forschungseinrichtungen von erkannten bzw. mutmaßlichen östlichen ND-Offizieren auf operative Ansatzpunkte ausgeforscht werden. In der Regel handelt es sich dabei um die 178 - zunächst offene - Informationsgewinnung durch die Führung von Gesprächen auf Messen und die Bitte um Überlassung von Material. Bald darauf meldete sich der ND-Offizier erneut, um Offene Abschöpfung vor allem im Bereich hochtechnologischer Geräte, z. B. der und Anbahnung Kommunikationstechnik und -Überwachung, Kaufinteresse zu zeigen. Hierbei wurden regelmäßig auch Versuche beobachtet, die Kontakte auf die private Ebene auszudehnen und mit dem Ziel zu kultivieren, später auch weiterführende Informationszugänge zu erhalten. Sobald die gewünschten Informationen abgeschöpft sind, kommt oftmals der eigentliche Geschäftsabschluss nicht zustande. Wege der Spionage gegen Wirtschaftsund Wissenschaftseinrichtungen Aufbau und Unterhaltung Offene Abschöpfung, scheinbarer Geschäftsverbindungen z.B. bei Messen, Tagungen, durch nachrichtendienstlich beeinflußte Kongressen Unternehmen (Beschaffungsorganisationen, Tarnfirmen) Eingeschleustes NDPersonal bzw. geworbene Innenquelle (Mitarbeiter) Elektronische Aufklärung: Eindringen in Wirtschaftsungenügend unternehmen, gesicherte ForschungsDatennetze einrichtungen (internationale Telekommunikation. Fax-Verkehr) Kooptierte Gastwissenschaftler, Studenten und Fortbildungspraktikanten mit nachrichtendienstlichem Auftrag Aggressive Nutzung des Internets Elektronische Überwachung (z.B. Tippgewinnung) vor Ort (Abhöremrichtung) Vereinzelt ließen sich auch 1999 erneut Versuche beobachten, das Visumsperrverfahren für erkannte oder mutmaßliche gegne- I Abgetarnte Einschleusung rische ND-Angehörige zu unterlaufen. Dies geschah unter Aus- 179 nutzung eines Blankovisums bei Pauschaleinladungen von Berliner Unternehmen, Bildungsund Forschungseinrichtungen, Messe-, Kongressoder Tagungsveranstaltern. Als Geschäftsmann oder Wirtschaftswissenschaftler legendiert, verwandte man diese gängige Methode, um nachrichtendienstliches Personal nach Deutschland mit Aufklärungsaufträgen einzuschleusen. Im Wissen, dass nicht alle Fälle von Wirtschaftsspionage erSicherheitskannt oder aufgeklärt werden können, forciert das LfV Berlin partnerschaft: verstärkt die Sensibilisierung und die Aufklärung der hiesigen Prävention durcr Aufklärung Wirtschaft. Um den Gefahren der Wirtschaftsspionage sinnvoll vorzubeugen, arbeitet die Behörde mit der Wirtschaft im Sinne einer Sicherheitspartnerschaft aktiv zusammen. Die präventive Ansprache der Leitungskräfte von Institutionen und Firmen erfolgt, um sie vor den Auswirkungen der nachrichtendienstlichen Ausforschung durch fremde Nachrichtendienste zu warnen. 3.3 Militärische Spionage Die Aufklärung der militärischen Spionage obliegt im internen Bereich der Bundeswehr dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), darüber hinaus dem Verfassungsschutz. Der Aufbau der Bundeswehr nach der politischen Wende in den Militärische östlichen Bundesländern und insbesondere auch im Großraum Spionage in Berlin Berlin wurde bereits durch ein hohes Aufklärungsinteresse fremder Nachrichtendienste begleitet. Obwohl das Gros der Mitarbeiter des Bundesministeriums der Verteidigung weiter in Bonn verbleiben wird, ist mit der Verlegung der Leitungsebene in die Hauptstadt absehbar, dass fremde Nachrichtendienste mit zusätzlichen Kräften und verstärkten Aufklärungsbemühungen diesem Umstand Rechnung tragen werden. Ein bekannter östlicher militärischer Aufklärungsdienst wird traditionell die bedeutendste Rolle übernehmen. 180 Elektronische Die Kooperation der Bundeswehr mit den neuen NATO-Partnern Aufklärung und sowie die Überlegungen und Planungen zur Bundeswehrreform menschliche Innenquellen in der interministeriellen Diskussion dürften sich darüber hinaus zu den mittelfristigen Aufklärungsschwerpunkten entwickeln. Neben den qualifizierten Abschöpfungsmaßnahmen über vertrauliche Kontakte und auch technische Aufklärungsmaßnahmen wird die verlässliche menschliche Innenquelle weiterhin die tragende Säule in der Aufklärung im Bereich der Militärspionage bleiben. 4 Entwicklung des nachrichtendienstlichen Potentials ND-Potentiale Berlin wird mit Blick auf seine neue Hauptstadtrolle mehr als bisher im Brennpunkt nachrichtendienstlicher Aktivitäten fremder Aufklärungsdienste stehen. Mit der nunmehr massiv einsetzenden Verlagerung der meisten Botschaften und der darin abgetarnten nachrichtendienstlichen Potentiale aus dem KölnBonner Raum nach Berlin ist zu erwarten, dass die dort eingesetzten ND-Kräfte in weiten Teilen in der neuen Hauptstadt Deutlicher installiert und hier einen deutlichen Anstieg des gesamten Anstieg prognachrichtendienstlichen Kräftepotentials verursachen werden. nostizierbar Schon heute lässt sich prognostizieren, dass in Berlin bald ein Anstieg auf deutlich mehr als 100 hauptamtliche ND-Offiziere fremder Dienste unter "traditioneller Abtamung" festzustellen sein wird. Diese werden ein Mehrfaches der heutigen Spionageaktivitäten in der Stadt entfalten. Die sich abzeichnende Konzentration diplomatischer Vertretungen im Raum Berlin führt aber nicht dazu, dass es künftig nur noch in Berlin Legalresidenturen geben wird; vielmehr wollen fremde Staaten ihre bereits an anderen Orten Deutschlands bestehenden konsularischen Vertretungen beibehalten. Da der Abdeckung von ND-Personal durch die Schaffung von Illegale Potentiale Tarnpositionen in amtlichen und halbamtlichen Vertretungen Grenzen gesetzt sind, wird parallel zur Verlagerung "legaler 181 Kräfte" auch eine neue Schwerpunktbildung "illegaler Potentiale" im Großraum Berlin eintreten. 5 Ausblick Die Notwendigkeit der Abwehrmaßnahmen gegen die SpioRundum-Blick nageaktivitäten fremder Dienste sowohl der großen Industrienationen, aber auch der Entwicklungs-, Krisenund Schwellenländer besteht angesichts des oben dargestellten Szenarios fort. Ohne eine effektive Spionageabwehr, getragen durch das Land Berlin in enger Kooperation mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem MAD, könnten sich diese Kräfte unkontrolliert entfalten, Quellen in allen relevanten Gesellschaftsbereichen anwerben und die Entscheidungszentren von Politik und Wirtschaft zum Nachteil der Hauptstadt ungehindert ausspionieren. Ziel ist es auch künftig, mit allen rechtlich gebotenen Mitteln das Risiko und den erforderlichen Aufwand für die Aufklärungsbestrebungen fremder Staaten so zu gestalten, dass sich die Spionage für die Auftraggeber möglichst nicht mehr lohnt. 6 Bürgerberatung Spionageabwehr bedeutet für den Verfassungsschutz nicht nur, Agenten zu enttarnen und sie der Exekutive zuzuführen. Der Bürgerberatung gesetzliche Auftrag ermächtigt auch dazu, demjenigen zu helfen, der sich bereits nachrichtendienstlich verstrickt hat. Sie hat ebenfalls die Aufgabe, der Person, die von einem nachrichtendienstlichen Sachverhalt Kenntnis erlangt hat, als kompetenter Ansprechpartner - ggf. beratend - zur Verfügung zu stehen. Die Feststellungen der Verfassungsschutzbehörden belegen, dass eine geheimdienstliche Tätigkeit zu einer immer tieferen Verstrickung führt und angesichts der permanent drohenden Gefahr der Entdeckung und der existenzbedrohenden Folgen 182 psychisch zur Belastung werden kann. Die Strafgesetze enthalten jedoch Bestimmungen, nach denen die Gerichte die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen können, wenn Frühzeitige sich ein Betroffener von sich aus einer Behörde gegenüber Offenbarung offenbart. Jedem von einem Anbahnungsversuch fremder Nachrichtendienste betroffenen Mitbürger kann deshalb nur geraten werden, sich vertrauensvoll an die für die Spionageabwehr zuständige Behörde zu wenden. BeratungsDie Beratungsstelle des LfV Berlin steht jederzeit - auch in telefon Zweifelsfällen - für ein Gespräch zur Verfügung. Vertrauliches Telefon: 030 / 9012 4460 183 Gesetz iter i s Landesamt Ädeg r Verfassungsschutz Bein p/G) - Personenund Sachregister 184 Gesetz SS4 über das Landesamt für Zusammenarbeit Verfassungsschutz (LfVG) (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz in der Fassung vom 25. März 1995 ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in (GVBI. S. 254/762), zuletzt geändert Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zudurch SS 36 des Gesetzes sammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit bevom 2. März 1998 (GVBI. S. 26) steht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und Information sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen (wie z. B. das nachrichtendienstliche' Informationssystem des Bundes und der Länder (NADIS) und die Schule für Verfassungsschutz). ERSTER ABSCHNITT (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Aufgaben und Befugnisse Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gedes Landesamtes für Verfassungsschutz setzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig SS1 werden. Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen GrundordSS5 nung, des Bestandes und der Sicherheit der Aufgaben des Landesamtes für Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, den Senat von Berlin und SS2 andere zuständige staatliche Stellen über Organisation Gefahren für die freiheitliche demokratische (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit werden ausschließlich vom Landesamt für des Bundes und der Länder zu unterrichten. Verfassungsschutz wahrgenommen. Es wird Dadurch soll diesen Stellen insbesondere als obere Landesbehörde geführt. ermöglicht werden, rechtzeitig die erforder(2) Aufsichtsbehörde ist der Regierende lichen Maßnahmen zur Abwehr dieser GefahBürgermeister von Berlin - Senatskanzlei -. ren zu ergreifen. (3) Der Regierende Bürgermeister wird in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes in (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt der Regel durch den Chef der Senatskanzlei und wertet das Landesamt für Verfassungsvertreten. schutz Informationen, insbesondere sachund (4) Auf Vorschlag des Regierenden Bürgerpersonenbezogene Daten, Auskünfte, Nachmeisters kann der Senat mit Zustimmung des richten und Unterlagen aus über Abgeordnetenhauses die Aufsicht auf eine an1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche dere Senatsverwaltung übertragen. demokratische Grundordnung, den Bestand (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz oder die Sicherheit des Bundes oder eines darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angeLandes gerichtet sind oder eine ungesetzgliedert werden. liche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele SS3 haben, Dienstkräfte Die Dienstkräfte des Landesamtes für Ver2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstfassungsschutz haben neben den allgemeinen liche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Beamtenpflichten die sich aus dem Wesen des Grundgesetzes für eine fremde Macht, Verfassungsschutzes und ihrer dienstlichen 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Stellung ergebenden besonderen Pflichten. Sie Grundgesetzes, die durch Anwendung von haben sich jederzeit für den Schutz der Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereifreiheitlichen demokratischen Grundordnung tungshandlungen auswärtige Belange der im Sinne des Grundgesetzes und der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Verfassung von Berlin einzusetzen. Die 4. frühere, fortwirkende unbekannte StruktuFunktion des Amtsleiters soll nur einer Person ren und Tätigkeiten der Aufklärungsund übertragen werden, die die Befähigung zum Abwehrdienste der ehemaligen DDR im Richteramt besitzt. Geltungsbereich dieses Gesetzes. 185 (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz che, die auf die Beseitigung oder Außerkraftwirkt auf Ersuchen der zuständigen öffentsetzung wesentlicher Verfassungsgrundsätze lichen Stellen mit abzielen. Hierzu gehören: 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Perso1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in nen, denen im öffentlichen Interesse geWahlen und Abstimmungen und durch beheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gesondere Organe der Gesetzgebung, der genstände oder Erkenntnisse anvertraut vollziehenden Gewalt und der Rechtsprewerden, die Zugang dazu erhalten sollen chung auszuüben und die Volksvertretung oder ihn sich verschaffen können, in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Persound geheimer Wahl zu wählen, nen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen 2. die Bindung der Gesetzgebung an die von lebensoder verteidigungswichtigen verfassungsmäßige Ordnung und die BinEinrichtungen beschäftigt sind oder werden dung der vollziehenden Gewalt und der sollen, Rechtssprechung an Gesetz und Recht, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer zum Schutz von im öffentlichen Interesse parlamentarischen Opposition, geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Ge4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre genständen oder Erkenntnissen gegen die Verantwortlichkeit gegenüber der VolksverKenntnisnahme durch Unbefugte, tretung, 4. bei sonstigen Überprüfungen, soweit dies 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürdemokratischen Grundordnung oder für herrschaft und Zwecke der öffentlichen Sicherheit erfor7. die im Grundgesetz konkretisierten Menderlich ist. Näheres wird in einer durch die schenrechte. Aufsichtsbehörde zu erlassenden Verwal(3) Im Sinne dieses Gesetzes sind tungsvorschrift bestimmt. 1. Bestrebungen gegen den Bestand des BunDie Befugnisse des Landesamtes für Verfasdes oder eines Landes solche, die darauf sungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 gerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder Nr. 1 und 2 sind im Berliner Sicherheitsübereines Landes von fremder Herrschaft aufprüfungsgesetz vom 2. März 1998 (GVBI. zuheben, ihre staatliche Einheit zu besei5. 26) geregelt. tigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen, SS6 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Begriffsbestimmungen Bundes oder eines Landes solche, die (1) Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 2 darauf gerichtet sind, den Bund, die Länder Nr. 1 und 3 sind politisch motivierte, zielund oder deren Einrichtungen in ihrer Funkzweckgerichtete Verhaltensweisen oder Betätitionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. gungen von Organisationen, Personenzu(4) Auswärtige Belange im Sinne des SS 5 sammenschlüssen ohne feste hierarchische Abs. 2 Nr. 3 werden nur gefährdet, wenn Organisationsstrukturen (unorganisierte Grupinnerhalb des Geltungsbereichs des Grundgepen) oder Einzelpersonen gegen die in SS 5 setzes Gewalt ausgeübt oder durch HandAbs. 2 bezeichneten Schutzgüter. Für eine lungen vorbereitet wird und diese sich gegen Organisation oder einen Personenzusammendie politische Ordnung oder Einrichtungen schluss ohne feste hierarchische Organianderer Staaten richten. sationsstruktur (unorganisierte Gruppe) handelt, wer sie in ihren Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einer oder für eine Organisation oder in einem oder für einen Personenzusammenschluss ohne feste hierarchische Organisationsstruktur (unorganisierte Gruppe) handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sind sol- 186 SS7 netenhauses von Berlin zur Kenntnis zu geben. Voraussetzung und Rahmen für die Die Behörden des Landes sind verpflichtet, Tätigkeit des Landesamtes für Verfasdem Landesamt für Verfassungsschutz sungsschutz technische Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu (1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes leisten. bestimmt, darf das Landesamt für Verfas(3) Polizeiliche Befugnisse stehen dem sungsschutz bei der Wahrnehmung seiner Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es Aufgaben nach SS 5 Abs. 2 nur tätig werden, darf die Polizei auch nicht im Wege der wenn im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen für den Verdacht der dort genannten Bestrees selbst nicht befugt ist. bungen oder Tätigkeiten vorliegen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz (2) Zur Erfüllung seiner Aufgaben darf das ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften geLandesamt für Verfassungsschutz nur die dazu bunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). erforderlichen Maßnahmen ergreifen; dies gilt insbesondere für die Erhebung und SS9 Verarbeitung personenbezogener InformatioBesondere Formen der Datenerhebung nen. Von mehreren möglichen und geeigneten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz Maßnahmen hat es diejenige auszuwählen, die darf Informationen einschließlich personenbeden einzelnen, insbesondere in seinen zogener Daten mit den Mitteln gemäß SS 8 Grundrechten, und die Allgemeinheit vorausAbs. 2 erheben, wenn sichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine 1. sich ihr Einsatz gegen Organisationen, Maßnahme hat zu unterbleiben, wenn sie eiPersonenzusammenschlüsse ohne feste nen Nachteil herbeiführt, der erkennbar außer hierarchische Organisationsstrukturen (unVerhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. organisierte Gruppen), in ihnen oder einzeln Sie ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck tätige Personen richtet, bei denen taterreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht sächliche Anhaltspunkte für den Verdacht erreicht werden kann. der Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 (3) Soweit in diesem Gesetz besondere Abs. 2 bestehen, Eingriffsbefugnisse das Vorliegen gewalttätiger 2. auf diese Weise Erkenntnisse über gewaltBestrebungen oder darauf gerichtete Vorbereitätige Bestrebungen oder geheimdienstliche tungshandlungen voraussetzen, ist Gewalt die Tätigkeiten gewonnen werden können, Anwendung körperlichen Zwanges gegen Per3. auf diese Weise die zur Erforschung von sonen oder eine nicht unerhebliche Einwirkung Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 auf Sachen. Abs. 2 erforderlichen Quellen erschlossen werden können oder SS8 4. dies zum Schutz der Dienstkräfte, EinrichBefugnisse des Landesamtes für tungen, Gegenstände und Quellen des LanVerfassungsschutz desamtes für Verfassungsschutz gegen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz sicherheitsgefährdende oder geheimdienstdarf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforliche Tätigkeiten erforderlich ist. derlichen Informationen einschließlich perso(2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich nenbezogener Daten erheben, verarbeiten und gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nutzen, soweit die Bestimmungen dieses Geausschließlich bei der Wahrnehmung der setzes dies zulassen. Aufgaben auf dem Gebiet der Spionageabwehr (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz und des gewaltbereiten politischen Exdarf nach Maßgabe dieses Gesetzes Methotremismus heimlich mitgehört oder aufgeden und Gegenstände einschließlich technizeichnet werden. Eine solche Maßnahme ist scher Mittel zur heimlichen Informationsbenur zulässig, wenn sie im Einzelfall zur schaffung, wie insbesondere den Einsatz von Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Vertrauensleuten und Gewährspersonen, ObLebensgefahr für einzelne Personen unerlässservationen, Bildund Tonaufzeichnungen, lich ist, ein konkreter Verdacht in bezug auf Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. eine Gefährdung der vorstehenden RechtsDiese sind in einer von der Aufsichtsbehörde güter besteht und der Einsatz anderer Mezu erlassenden Verwaltungsvorschrift zu bethoden und Mittel zur heimlichen Informanennen, die auch die Zuständigkeit für die Antionsbeschaffung keine Aussicht auf Erfolg ordnung solcher Informationsbeschaffung rebietet. Satz 1 und 2 gelten entsprechend für gelt. Die Verwaltungsvorschrift ist dem Auseinen verdeckten Einsatz technischer Mittel schuss für Verfassungsschutz des Abgeord- 187 zur Anfertigung von Bildaufnahmen und SS10 Bildaufzeichnungen in Wohnungen. Registereinsicht (3) Die Erhebung nach Absatz 1 und 2 ist durch das Landesamt für Verfassungsschutz unzulässig, wenn die Erforschung des Sach(1) Das Landesamt für Verfassungsschutz verhalts auf andere, die betroffene Person darf zur Aufklärung weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; - von sicherheitsgefährdenden oder geheimeine geringere Beeinträchtigung ist in der dienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Regel anzunehmen, wenn die Informationen Macht oder aus allgemein zugänglichen Quellen oder - von Bestrebungen, die durch Anwendung durch eine Auskunft nach SS 27 gewonnen von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbewerden können. Die Anwendung eines Mittels reitungshandlungen gegen die freiheitliche gemäß SS 8 Abs. 2 soll erkennbar im Verhältnis demokratische Grundordnung, den Bestand zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachoder die Sicherheit des Bundes oder eines verhalts stehen. Die Maßnahme ist unverLandes gerichtet sind, oder züglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist - von Bestrebungen, die durch Anwendung oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbeer nicht oder nicht auf diese Weise erreicht reitungshandlungen auswärtige Belange der werden kann. Daten, die für das Verständnis Bundesrepublik Deutschland gefährden, der zu speichernden Informationen nicht ervon öffentlichen Stellen geführte Register, forderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. z. B. Melderegister, Personalausweisregister, Die Löschung kann unterbleiben, wenn die Passregister, Führerscheinkarteien, WaffenInformationen von anderen, die zur Erfüllung scheinkarteien, einsehen. der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur (2) Eine solche Einsichtnahme ist nur zumit unvertretbarem Aufwand getrennt werden lässig, wenn können; in diesem Fall dürfen die Daten nicht 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht verwertet werden. möglich erscheint, insbesondere durch eine (4) Ein Eingriff, der in seiner Art und Übermittlung der Daten durch die reSchwere einer Beschränkung des Brief-, Postgisterführende Stelle der Zweck der Maßund Fernmeldegeheimnisses gleichkommt, benahme gefährdet würde, und darf der Zustimmung des Regierenden Bür2. die betroffene Person durch eine andergermeisters, im Falle des SS 2 Abs. 4 des weitige Aufklärung unverhältnismäßig bebetreffenden Mitglieds des Senats, das im Vereinträchtigt würde, und hinderungsfall durch den zuständigen Staats3. eine besondere gesetzliche Geheimhalsekretär vertreten wird. tungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis (5) Bei Erhebungen nach Absatz 1, die in der Einsichtnahme nicht entgegensteht. ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des (3) Die Anordnung für die Maßnahme nach Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Absatz 1 trifft der Leiter des Landesamtes für gleichkommen, insbesondere durch Abhören Verfassungsschutz, im Falle der Verhinderung und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesproder Vertreter. chenen Wortes mit dem verdeckten Einsatz (4) Die auf diese Weise gewonnenen Ertechnischer Mittel, sowie nach Absatz 2 ist der kenntnisse dürfen nur zu den in Absatz 1 geEingriff nach seiner Beendigung der betrofnannten Zwecken verwendet werden. Gefenen Person mitzuteilen, sobald eine Gefährspeicherte Informationen sind zu löschen und dung des Zwecks des Eingriffs ausgeschlosUnterlagen zu vernichten, sobald sie für diese sen werden kann. Einer Mitteilung bedarf es Zwecke nicht mehr benötigt werden. nicht, wenn sich auch nach fünf Jahren noch (5) Über die Einsichtnahme ist ein gesonnicht abschließend beurteilen lässt, ob diese derter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, Voraussetzung vorliegt. Die durch Maßnahmen die in Anspruch genommene Stelle, die Namen im Sinne des Satzes 1 erhobenen Informader Betroffenen, deren Daten für eine weitere tionen dürfen nur nach Maßgabe des Artikels 1 Verwendung erforderlich sind, sowie der SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Zeitpunkt der Einsichtnahme hervorgehen. Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGBl. I Diese Aufzeichnungen sind gesondert S. 949), zuletzt geändert durch Artikel 13 des aufzubewahren, durch technische und organiGesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I satorische Maßnahmen zu sichern und, soweit S. 997), verwendet werden. Die auf Grund der sie für die Aufgabenerfüllung des Landesamtes Erhebungen nach Absatz 1 gespeicherten für Verfassungsschutz nach SS 5 Abs. 2 nicht Informationen sind nach Maßgabe des SS 14 mehr benötigt werden, am Ende des Abs. 2 zu löschen. 188 Kalenderjahres, das dem Jahr der Erstellung Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu folgt, zu vernichten. überprüfen und spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere ErkenntZWEITER ABSCHNITT nisse nach SS 5 Abs. 2 angefallen sind, die zur Datenverarbeitung Erfüllung der Aufgaben im Sinne dieses Gesetzes eine Fortdauer der Speicherung rechtSS11 fertigen. Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Informationen SS14 (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz Berichtigung, Löschung und Sperrung darf zur Erfüllung seiner Aufgaben rechtmäßig personenbezogener Informationen in Dateien erhobene personenbezogene Informationen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz speichern, verändern und nutzen, wenn hat die in Dateien gespeicherten personen1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebezogenen Informationen zu berichtigen, wenn bungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn vorliegen oder sie unvollständig sind und dadurch schutzwür2. dies für die Erforschung oder Bewertung dige Interessen der betroffenen Person beeinvon gewalttätigen Bestrebungen oder geträchtigt sein können. heimdienstlichen Tätigkeiten nach SS 5 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz Abs. 2 erforderlich ist oder hat die in Dateien gespeicherten personen3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachbezogenen Informationen zu löschen, wenn richtendienstlicher Zugänge über Bestreihre Speicherung irrtümlich erfolgt war, unzubungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 lässig war oder ihre Kenntnis für die Auferforderlich ist oder gabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist und 4. es auf Ersuchen der zuständigen Stelle schutzwürdige Interessen der betroffenen Pernach SS 5 Abs. 3 tätig wird. son nicht beeinträchtigt werden. (2) In Dateien gespeicherte Informationen (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz müssen durch Aktenrückhalt belegbar sein. hat die in Dateien gespeicherten personen(3) In Dateien ist die Speicherung von bezogenen Informationen zu sperren, wenn die Informationen aus der Intimsphäre der betrofLöschung unterbleibt, weil Grund zu der Anfenen Person unzulässig. nahme besteht, dass durch die Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen PerSS12 son beeinträchtigt würden; gesperrte InformaSpeicherung, Veränderung und Nutzung tionen sind entsprechend zu kennzeichnen und personenbezogener Informationen von dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Minderjährigen Person verwendet werden. Die Speicherung personenbezogener Infor(4) In Dateien gelöschte Informationen sind mationen über Minderjährige, die das 14. Legesperrt. Unterlagen sind zu vernichten, wenn bensjahr nicht vollendet haben, ist unzulässig. sie zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 nicht oder nicht mehr erforderlich sind, es sei denn, SS13 dass ihre Aufbewahrung zur Wahrung schutzSpeicherungsdauer würdiger Interessen der betroffenen Person (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz notwendig ist. Die Vernichtung unterbleibt, hat die Speicherungsdauer auf das für seine wenn die Unterlagen von anderen, die zur Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beErfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht schränken. Die in Dateien gespeicherten Inforoder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt mationen sind bei der Einzelfallbearbeitung, werden können. spätestens aber fünf Jahre nach Speicherung (5) Personenbezogene Informationen, die der letzten Information, auf ihre Erforderlichkeit ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzzu überprüfen. Sofern die Informationen Bekontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstrebungen nach SS 5 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 stellung eines ordnungsgemäßen Betriebes eibetreffen, sind sie spätestens zehn Jahre nach ner Datenverarbeitungsanlage gespeichert der zuletzt gespeicherten relevanten Inforwerden, dürfen nur für diese Zwecke und zur mation zu löschen. Verfolgung der in der jeweiligen Fassung des (2) Sind Informationen über Minderjährige in Berliner Datenschutzgesetzes als Straftaten Dateien oder in Akten, die zu ihrer Person bezeichneten Handlungen verwendet werden. geführt werden, gespeichert, ist nach zwei 189 SS15 DRITTER ABSCHNITT Berichtigung und Sperrung Informationsübermittlung personenbezogener Informationen in Akten (1) Stellt das Landesamt für VerfassungsSS18 schutz fest, dass in Akten gespeicherte persoGrundsätze bei der Informationsübermittlung nenbezogene Informationen unrichtig sind, durch das Landesamt für Verfassungsschutz oder wird ihre Richtigkeit von dem Betroffenen Die Übermittlung von personenbezogenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken Informationen ist aktenkundig zu machen. In oder auf sonstige Weise festzuhalten. der entsprechenden Datei ist die Informations(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittlung zu vermerken. Vor der Informahat personenbezogene Informationen in Akten tionsübermittlung ist der Akteninhalt im Hinblick zu sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, auf den Übermittlungszweck zu würdigen und dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interesder Informationsübermittlung zugrunde zu sen von Betroffenen beeinträchtigt würden und legen. Erkennbar unvollständige Informationen die Daten für seine Aufgabenerfüllung nicht sind vor der Übermittlung im Rahmen der mehr erforderlich sind. Gesperrte InformatioVerhältnismäßigkeit durch Einholung zusätznen sind mit einem entsprechenden Vermerk licher Auskünfte zu vervollständigen. zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der SS19 Sperrung ist möglich, wenn ihre VoraussetzunInformationsübermittlung gen nachträglich entfallen. zwischen den Verfassungsschutzbehörden Das Landesamt für Verfassungsschutz unSS16 terrichtet das Bundesamt für VerfassungsDateianordnungen schutz und die Verfassungsschutzbehörden (1) Für jede automatisierte Datei beim der Länder über alle Angelegenheiten, deren Landesamt für Verfassungsschutz sind in einer Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der emDateianordnung, die der Zustimmung der Aufpfangenden Stellen erforderlich ist. sichtsbehörde bedarf, im Benehmen mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten festzulegen: SS20 Informationsübermittlung an den 1. Bezeichnung der Datei, Bundesnachrichtendienst 2. Zweck der Datei, und den Militärischen Abschirmdienst 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen der Das Landesamt für Verfassungsschutz Speicherungen, Übermittlung und Nutzung übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und (betroffener Personenkreis, Arten der Dadem Militärischen Abschirmdienst die ihm beten), kannt gewordenen Informationen einschließlich 4. Eingabeberechtigung, personenbezogener Daten, wenn tatsächliche 5. Zugangsberechtigung, Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der 7. Protokollierung, empfangenden Stellen erforderlich ist. Handelt 8. Datenverarbeitungsgeräte und Betriebsdas Landesamt für Verfassungsschutz auf system, Ersuchen, so ist es zur Übermittlung nur 9. Inhalt und Umfang von Textzusätzen, die verpflichtet und berechtigt, wenn sich die Vorder Erschließung von Akten dienen. aussetzungen aus den Angaben der ersuchenden Behörde ergeben. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angemessenen Abständen die NotwenSS21 digkeit der Weiterführung oder Änderung Informationsübermittlung an seiner Dateien zu prüfen. Strafverfolgungsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund SS17 Verfassungsschutzes Gemeinsame Dateien Das Landesamt für Verfassungsschutz Bundesgesetzliche Vorschriften über die übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorDatenverarbeitung in gemeinsamen Dateien behaltlich der staatsanwaltlichen Sachleider Verfassungsschutzbehörden des Bundes stungsbefugnis, den Polizeibehörden des Lanund der Länder bleiben unberührt. des die ihm bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür be- 190 stehen, dass die Übermittlung zur Verhindezogenen Informationen nur für den Zweck rung oder Verfolgung von Straftaten, die im verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Zusammenhang mit Bestrebungen oder TätigDer Empfänger ist auf die Verwendungskeiten nach SS 5 Abs. 2 stehen, erforderlich ist. beschränkung und darauf hinzuweisen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz sich SS22 vorbehält, um Auskunft über die vorgenomÜbermittlung von Informationen mene Verwendung der Informationen zu bitten. an den öffentlichen Bereich (1) Die im Rahmen der gesetzlichen AufSS24 gabenerfüllung gewonnenen, nicht personenÜbermittlung von Informationen bezogenen Erkenntnisse des Landesamtes für an die Stationierungsstreitkräfte Verfassungsschutz können an andere BeDas Landesamt für Verfassungsschutz darf hörden und Stellen, insbesondere an die Polipersonenbezogene Informationen an Dienstzei und die Staatsanwaltschaft, übermittelt stellen der Stationierungsstreitkräfte übermitwerden, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der teln, soweit die Bundesrepublik Deutschland empfangenden Stellen erforderlich sein köndazu im Rahmen von Artikel 3 des Zusatznen. abkommens zu dem Abkommen zwischen den (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz Parteien des Nordatlantikpaktes über die darf personenbezogene Informationen an inRechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in ländische Behörden und juristische Personen der Bundesrepublik Deutschland stationierten des öffentlichen Rechts übermitteln, wenn dies ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist (BGBl. 1961 II S. 1183) verpflichtet ist. Die oder der Empfänger die Informationen zum Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die nach SS 5 Abs. 2 oder zur Strafverfolgung beübermittelten Informationen nur zu dem Zweck nötigt oder nach SS 5 Abs. 3 tätig wird. verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (3) Die empfangende Stelle von Informationen nach Absatz 2 ist darauf hinzuweisen, dass sie die übermittelten personenbezogenen SS25 Informationen nur zu dem Zweck verwenden Übermittlung von Informationen darf, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt an öffentliche Stellen wurden. außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes SS23 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Übermittlung von Informationen personenbezogene Informationen an auslänan Personen und Stellen außerhalb des dische öffentliche Stellen sowie an überoder öffentlichen Bereichs zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn Personenbezogene Informationen dürfen an die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben Personen oder Stellen außerhalb des oder zur Wahrung erheblicher Sicheröffentlichen Bereichs nicht übermittelt werden, heitsinteressen des Empfängers erforderlich es sei denn, dass dies zum Schutz der freiist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn ausheitlichen demokratischen Grundordnung, des wärtige Belange der Bundesrepublik DeutschBestandes oder der Sicherheit des Bundes land oder überwiegende schutzwürdige Inteoder eines Landes erforderlich ist und der ressen der betroffenen Person entgegenRegierende Bürgermeister, im Fall des SS 2 stehen. Die Übermittlung ist nur im EinverAbs. 4 das betreffende Mitglied des Senats, nehmen mit dem Bundesamt für Verfasdas im Verhinderungsfall durch den zustänsungsschutz zulässig. Sie ist aktenkundig zu digen Staatssekretär vertreten wird, im machen. Der Empfänger ist darauf hinzuEinzelfall seine Zustimmung erteilt hat. Das weisen, dass die übermittelten personenLandesamt für Verfassungsschutz führt über bezogenen Informationen nur zu dem Zweck die Auskunft nach Satz 1 einen Nachweis, aus verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm dem der Zweck der Übermittlung, die Aktenübermittelt wurden, und das Landesamt für fundstelle und der Empfänger hervorgehen; die Verfassungsschutz sich vorbehält, um AusNachweise sind gesondert aufzubewahren, kunft über die vorgenommene Verwendung der gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und Informationen zu bitten. am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten. Der Empfänger darf die übermittelten personenbe- 191 SS26 liche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Unterrichtung der Öffentlichkeit jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu ArtiDie Aufsichtsbehörde und das Landesamt kel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentbegeht oder begangen hat. Auf die dem lichkeit mindestens einmal jährlich über BeLandesamt für Verfassungsschutz nach Satz 1 strebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2. übermittelten Informationen findet der AbDabei ist die Übermittlung von personenbesatz 3, auf die dazugehörenden Unterlagen zogenen Informationen nur zulässig, wenn die findet der Absatz 4 des SS 7 des Gesetzes zu Bekanntgabe für das Verständnis des ZusamArtikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwenmenhanges oder der Darstellung von Organidung. sationen oder unorganisierten Gruppierungen (5) Vorschriften zur Informationsübererforderlich ist und die Interessen der Allgemittlung an das Landesamt für Verfassungsmeinheit an sachgemäßen Informationen das schutz nach anderen Gesetzen bleiben unbeschutzwürdige Interesse des Betroffenen überrührt. wiegen. (6) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen nach ihrem SS27 Eingang unverzüglich darauf zu überprüfen, ob Übermittlung von Informationen sie zur Erfüllung seiner in SS 5 genannten an das Landesamt für Verfassungsschutz Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, (1) Die Behörden des Landes und die dass sie nicht erforderlich sind, sind die sonstigen der Aufsicht des Landes unterUnterlagen unverzüglich zu vernichten. Die stehenden juristischen Personen des öffentVernichtung unterbleibt, wenn die Trennung lichen Rechts übermitteln von sich aus dem von anderen Informationen, die zur Erfüllung Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur bekannt gewordenen Informationen, insbesonmit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in dere personenbezogene Daten, über Bestrediesem Fall sind die Informationen gesperrt bungen nach SS 5 Abs. 2, die durch Anwendung und entsprechend zu kennzeichnen. von Gewalt oder darauf gerichtete Vorberei(7) Soweit andere gesetzliche Vorschriften tungshandlungen verfolgt werden, und über nicht besondere Regelungen über die Dokugeheimdienstliche Tätigkeiten. Die Staatsanmentation treffen, haben das Landesamt für waltschaften und, vorbehaltlich der staatsanVerfassungsschutz und die übermittelnde Stelwaltlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei le die Informationsübermittlung aktenkundig zu übermitteln darüber hinaus auch andere im machen. Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Informationen über Bestrebungen im SS28 Sinne des SS 5 Abs. 2. Übermittlungsverbote (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz Die Übermittlung von Informationen nach kann von jeder der in Absatz 1 genannten den Vorschriften dieses Abschnitts unterbleibt, öffentlichen Stellen verlangen, dass sie ihm die wenn zur Erfüllung seiner Aufgaben erforder1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle lichen Informationen einschließlich personenergibt, dass die Informationen zu löschen bezogener Daten übermittelt, wenn die Inforoder für die empfangende Stelle nicht mehr mationen nicht aus allgemein zugänglichen bedeutsam sind, Quellen oder nur mit unverhältnismäßigem 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies Aufwand oder nur durch eine den Betroffenen erfordern, stärker belastende Maßnahme erhoben wer3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, den können. Es dürfen nur die Informationen dass unter Berücksichtigung der Art der übermittelt werden, die bei der ersuchten BeInformationen und ihrer Erhebung die hörde bereits bekannt sind. schutzwürdigen Interessen der betroffenen (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz Personen das Allgemeininteresse an der braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit Übermittlung überwiegen oder dies dem Schutz der betroffenen Person dient 4. besondere gesetzliche Übermittlungsregeoder eine Begründung den Zweck der Maßlungen entgegenstehen; die Verpflichtung nahme gefährden würde. zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungs(4) Die Übermittlung personenbezogener pflichten oder von Berufsoder besonderen Informationen, die auf Grund einer Maßnahme Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetznach SS 100 a der Strafprozessordnung bekannt lichen Vorschriften beruhen, bleibt unbegeworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächrührt. 192 SS29 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung Minderjährigenschutz durch die Auskunftserteilung zu besorgen (1) Informationen einschließlich personenist, bezogener Daten über das Verhalten Min2. durch die Auskunftserteilung Quellen gederjähriger dürfen nach den Vorschriften diefährdet sein können oder die Ausforschung ses Gesetzes übermittelt werden, solange die des Erkenntnisstandes oder der ArbeitsVoraussetzungen der Speicherung nach SS13 weisen des Landesamtes für VerfassungsAbs. 2 erfüllt sind. schutz zu befürchten ist, (2) Informationen einschließlich personen3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gebezogener Daten über das Verhalten Minderfährden oder sonst dem Wohl des Bundes jähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres oder eines Landes Nachteile bereiten würde dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nicht an ausländische oder überoder zwi4. die Informationen oder die Tatsache der schenstaatliche Stellen übermittelt werden. Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere weSS30 gen der überwiegenden berechtigten InNachberichtspflicht teressen Dritter, geheimgehalten werden Erweisen sich Informationen nach ihrer müssen. Übermittlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so Die Entscheidung nach Satz 1 und 2 trifft der hat die übermittelnde Stelle ihre Informationen Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz unverzüglich gegenüber der empfangenden oder ein von ihm besonders beauftragter Stelle zu ergänzen oder zu berichtigen, wenn Mitarbeiter. dies zu einer anderen Bewertung der Infor(3) Die Ablehnung einer Auskunft ist mationen führen könnte oder zur Wahrung zumindest insoweit zu begründen, dass eine schutzwürdiger Interessen der betroffenen verwaltungsgerichtliche Nachprüfung der VerPerson erforderlich ist. Die Ergänzung oder weigerungsgründe gewährleistet wird, ohne Berichtigung ist aktenkundig zu machen und in dabei den Zweck der Auskunftsverweigerung den entsprechenden Dateien zu vermerken. zu gefährden. Die Gründe der Ablehnung sind in jedem Fall aktenkundig zu machen. (4) Wird die Auskunftserteilung ganz oder VIERTER ABSCHNITT teilweise abgelehnt, ist die betroffene Person Auskunftserteilung darauf hinzuweisen, dass sie sich an den Berliner Datenschutzbeauftragten wenden kann. SS31 Dem Berliner Datenschutzbeauftragten ist auf Auskunft an den Betroffenen sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz nicht der Regierende Bürgermeister, im Fall erteilt einer natürlichen Person über die zu ihr des SS 2 Abs. 4 das betreffende Mitglied des gespeicherten Informationen auf Antrag unSenats, im Einzelfall feststellt, dass dadurch entgeltlich Auskunft, soweit die Person ein bedie Sicherheit des Bundes oder eines Landes sonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. gefährdet würde. Mitteilungen des Berliner Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht Datenschutzbeauftragten an den Betroffenen auf Informationen, die nicht der alleinigen dürfen keine Rückschlüsse auf den ErkenntVerfügungsberechtigung des Landesamtes für nisstand des Landesamtes für VerfassungsVerfassungsschutz unterliegen, sowie auf die schutz zulassen, soweit es nicht einer weiterHerkunft der Informationen und die Empfänger gehenden Auskunft zustimmt. Der Kontrolle von Übermittlungen. durch den Berliner Datenschutzbeauftragten unterliegen nicht personenbezogene Informa(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz tionen, die der Kontrolle durch die Kommission darf den Antrag ablehnen, wenn das öffentliche nach SS 2 des Gesetzes zur Ausführung des Interesse an der Geheimhaltung seiner Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom Tätigkeit oder ein überwiegendes Geheim16. Juli 1991 (GVBI. S. 172) unterliegen, es sei haltungsinteresse Dritter gegenüber dem Intedenn, die Kommission ersucht den Berliner resse der antragstellenden Person an der AusDatenschutzbeauftragten, die Einhaltung der kunftserteilung überwiegt. In einem solchen Vorschriften über den Datenschutz bei beFall hat das Landesamt für Verfassungsschutz stimmten Vorgängen oder in bestimmten Bezu prüfen, ob und inwieweit eine Teilauskunft reichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr möglich ist. Ein Geheimhaltungsinteresse liegt darüber zu berichten. vor, wenn 193 SS32 Sofern die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, Akteneinsicht sind die Mitglieder des Ausschusses zur Ver(1) Sind personenbezogene Daten in Akten schwiegenheit über Angelegenheiten vergespeichert, so kann dem Betroffenen auf pflichtet, die ihnen dabei bekannt geworden Antrag Akteneinsicht gewährt werden, soweit sind. Das gleiche gilt auch für die Zeit nach Geheimhaltungsinteressen oder schutzwürdige dem Ausscheiden aus dem Ausschuss. Die Belange Dritter nicht entgegenstehen. SS 31 gilt Verpflichtung zur Verschwiegenheit kann von entsprechend. dem Ausschuss aufgehoben werden, soweit (2) Die Einsichtnahme in Akten oder nicht berechtigte Interessen eines einzelnen Aktenteile ist insbesondere dann zu versagen, entgegenstehen oder der Senat widerspricht; in wenn die Daten des Betroffenen mit Daten diesem Fall legt der Senat dem Ausschuss Dritter oder geheimhaltungsbedürftigen sonseine Gründe dar. stigen Informationen derart verbunden sind, dass ihre Trennung auch durch Vervielfältigung SS35 und Unkenntlichmachung nicht oder nur mit Aufgaben und Befugnisse des Ausschusses unverhältnismäßig großem Aufwand möglich (1) Der Senat hat den Ausschuss umist. In diesem Fall ist dem Betroffenen zufassend über die allgemeine Tätigkeit des Lansammenfassende Auskunft über den Aktendesamtes für Verfassungsschutz und über Vorinhalt zu erteilen. gänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten; er berichtet auch über den Erlass von Fünfter Abschnitt Verwaltungsvorschriften. Der Ausschuss hat Parlamentarische Kontrolle Anspruch auf Unterrichtung. (2) Der Ausschuss hat auf Antrag minSS33 destens eines seiner Mitglieder das Recht auf Ausschuss für Verfassungsschutz Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und (1) In Angelegenheiten des Verfassungsandere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen schutzes unterliegt der Senat von Berlin der der Verfassungsschutzbehörde sowie auf AnKontrolle durch den Ausschuss für Verfashörung von deren Dienstkräften. Die Befugnisse sungsschutz des Abgeordnetenhauses von des Ausschusses nach Satz 1 erstrecken sich Berlin. Die Rechte des Abgeordnetenhauses nur auf Gegenstände, die der alleinigen und seiner anderen Ausschüsse bleiben unVerfügungsberechtigung des Landesamtes für berührt. Verfassungsschutz unterliegen. (2) Der Ausschuss für Verfassungsschutz (3) Der Senat kann die Unterrichtung über besteht in der Regel aus höchstens zehn einzelne Vorgänge verweigern und bestimmten Mitgliedern. Die Fraktionen wählen die auf sie Kontrollbegehren widersprechen, wenn dies entfallenden Mitglieder und machen sie dem erforderlich ist, um vom Bund oder einem Präsidenten des Abgeordnetenhauses von deutschen Land Nachteile abzuwenden; er hat Berlin namhaft. Die Fraktionen werden nach dies vor dem Ausschuss zu begründen. ihrer Mitgliederzahl beteiligt, wobei jede Frak(4) Das Abgeordnetenhaus kann den Austion mindestens durch ein Mitglied vertreten schuss für einen bestimmten Untersuchungssein muss. Eine Erhöhung der im Satz 1 begegenstand als Untersuchungsausschuss (Artistimmten Mitgliederzahl ist nur zulässig, soweit kel 33 der Verfassung von Berlin) einsetzen. sie zur Beteiligung aller Fraktionen notwendig SS 3 des Gesetzes über die Untersuchungsausist. schüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin (3) Scheidet ein Mitglied aus dem Abgeordvom 22. Juni 1970 (GVBI. S. 925), zuletzt netenhaus oder seiner Fraktion aus, so verliert geändert durch Gesetz vom 24. Juni 1991 es die Mitgliedschaft im Ausschuss für Ver(GVBI. S. 154), findet keine Anwendung. fassungsschutz. Für dieses Mitglied ist unver(5) Für den Ausschuss gelten im Übrigen züglich ein neues Mitglied zu benennen, das die Bestimmungen der Geschäftsordnung des gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem AusAbgeordnetenhauses von Berlin. schuss ausscheidet. Sechster Abschnitt SS34 Schlussvorschriften Geheimhaltung Die Öffentlichkeit wird durch einen BeSS36 schluss des Ausschusses ausgeschlossen, Einschränkung von Grundrechten wenn das öffentliche Interesse oder berechAuf Grund dieses Gesetzes kann das tigte Interessen eines einzelnen dies gebieten. Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung 194 nach Artikel 13 des Grundgesetzes eingeschränktwerden. SS37 SS38 Anwendbarkeit des Berliner Inkrafttreten, Außerkrafttreten Datenschutzgesetzes (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Verkündung im Gesetzund Verordnungsblatt durch das Landesamt für Verfassungsschutz für Berlin in Kraft. finden die SSSS 10 bis 17 und 19 Abs. 2 bis 4 des (2) Gleichzeitig tritt das Gesetz über das Berliner Datenschutzgesetzes in der Fassung Landesamt für Verfassungsschutz in der Fasvom 17. Dezember 1990 (GVB1. 1991 S. 16, sung vom 31. Juli 1989 (GVBI. S. 1545) außer 54), zuletzt geändert durch Gesetz vom Kraft. 22. Oktober 1992 (GVBI. S. 314), keine Anwendung. 195 i * ~ ^ > i B -- i AUTONOME. GRUPPEN. 132 Beratungsstelle des LfV Berlin 182 AA/BO S/efte Antifaschistische Bewegung des islamischen Wider Aktion/Bundesweite Organisation standes 24 AAB Siehe Antifaschistische Aktion Bezirksorganisation (BO) Kreuzberg ABU-JAMAL, Mumia 125, 153 der PDS 156 AGIF Siehe Föderation der BFB Siehe Bund Freier Bürger - Arbeiterimmigranntlnnen aus der Offensive für Deutschland - Die Türkei Freiheitlichen AGJG Siehe Arbeitsgemeinschaft BISCHOFF, Marcus 78, 92 Junge Genossinnen in und bei der Blood & Honour 83 PDS Bund Freier Bürger - Offensive für AIW Siehe Antiimperialistischer Deutschland - Die Freiheitlichen Widerstand 138 AMGT Siehe Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V. c Anti-AKW-Bewegung 150 Anti-Antifa-Kampagne 95, 96, 97, I r=l Cafe Germania 138 115 CASTOR-Transport 149 Anti-Atom-Proteste 149 Antifa Infoblatt 125 Antifa-Gruppen 122, 134 Antifaschismus 126, 134 ! deg "i Antifaschistische Aktion Berlin 125, DA Siehe Deutsche Alternative 128, 147, 158 DABK Siehe Ostanatolisches Antifaschistische Aktion/Bundesweite Gebietskomitee Organisation 128 DBG Siehe Revolutionäre Vereinigte Antifaschistischer Kampf 133, 134 Kräfte Antifaschistisches Aktionsbündnis III Demokratische Partei Kurdistan Irak 139 10 Antifa-Szene 134, 135, 140 Denkzettel - Die Seite der Jungen Antiimperialistischer Widerstand Nationaldemokraten 109 151, 152, 161 Der Aktivist 109 Anti-Militarismus 126 Der Republikaner 110 Antirassismus 126, 140 DER WEHRWOLF 97 AntiStaatlichkeit 127 Deutsche Alternative 86 Arabische Islamisten 8, 22 Deutsche Kommunistische Partei ARAFAT, Yassir 24 155 Arbeiterpartei Kurdistans 11, 13, 28, Deutsche Stimme 101 29, 47, 152 Deutsche Volksunion 64, 66, 99, 100 Arbeitsgemeinschaft Junge Genoss Deutscher Kameradschaftsbund innen in und bei der PDS 156 Wilhelmshaven 86 ARGK Siehe Volksbefreiungsarmee Devrimci Cözüm 44 Kurdistans Devrimci Sol 11, 42, 43, 44 ATATÜRK, Kemal 18 DHKP-C Siehe Revolutionäre Aufgaben und Befugnisse 2 Volksbefreiungspartei-Front Autonome 120, 121, 126, 127, 128, Die Gemeinde Mohammeds Siehe 129, 131, 132, 133, 136, 143, 144, UMMET-I MUHAMMED 147, 149, 150, 152, 161 Die Nationalen e. V 64 Autonome Antifa (M) 134 Die Republikaner 64, 65, 99, 100, autonome miliz 132, 135, 140, 141 104, 110, 138, 139, 140 Dienstund Fachaufsicht 2, 4 DIESNER, Kay 77, 91, 98 Direkte Aktion/Mitteldeutschland 86 Division Deutschland 83, 84 196 DKB Siehe Deutscher KameradFreiheitliche Deutsche Arbeiterpartei schaftsbund Wilhelmshaven 86, 89, 108 DKP Siehe Deutsche KommuniFreundeskreis Freiheit für Deutschstische Partei land 86 DPK-I Siehe Demokratische Partei FREY, Dr. Gerhard 100, 101, 111 Kurdistan Irak Frontstadt 82 Dr. Sommer Team 81 Führerkult 85 Druckschriften und Zeitungsverlags Führerprinzip 62, 63 GmbH 101 DSZ-Verlag Siehe Druckschriften und Zeitungsverlags GmbH i i ii Durchblicke 6 GARBATY, Josef 110 DVU Siehe Deutsche Volksunion Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz 2, 3, 184 E Gewalttaten 67, 68, 69, 70, 72, 80, i =* 90, 115, 123, 124, 131 EMUG Siehe Europäische MoscheeGrundgesetz 2, 3 bau und -unterstützungs Gemeinschaft ERBAKAN, Necmettin 15 l " "1 ERNK Siehe Nationale BefreiungsHALK DER Siehe Volksvereine front Kurdistans HAMAS Siehe Bewegung des islaErreichbarkeit des LfV Berlin 5 mischen Widerstandes Europäische Moscheebau und - Hamburger Sturm 77 unterstützungs Gemeinschaft 14 Hammerskins 83, 85, 115 EXPO 2000 143, 145 HCO POLICY LETTER Siehe HUBBARD COMMUNICATION OFFICE - POLICY LETTER Heideheim e. V 86 FADLALLAH 27 Heiliger Krieg Siehe Jihad Fanzine-Bereich 83 Heimattreue Vereinigung DeutschFAP Siehe Freiheitliche Deutsche lands 86 Arbeiterpartei Hilfsorganisation für nationale politiFaschismus 134 sche Gefangene und deren Fazilet Partisi - Partei der Tugend 15 Angehörige e. V. 64, 90 Feierabendterrorismus 131, 152, Hizb Allah 26, 52 154 HNG Siehe Hilfsorganisation für FEYKA-Kurdistan Siehe Föderation nationale politische Gefangene der patriotischen Arbeiterund und deren Angehörige e.V. Kulturvereinigungen aus Kurdistan HOMANN, Eite 96 in der Bundesrepublik Deutschland Homepage 73 e.V. HUBBARD COMMUNICATION OFFFD Siehe Freundeskreis Freiheit FICE - POLICY LETTER 164 für Deutschland HVD Siehe Heimattreue Vereinigung Föderation der ArbeiterimmigranntDeutschlands Innen aus der Türkei 50 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik IBP Siehe Islamischer Bund PaDeutschland e.V. 11 lästina FP Siehe Fazilet Partisi - Partei der ICCB 17 Siehe Verband der Tugend islamischen Vereine und GemeinFREI 164 den e.V. Köln Freie Politik Siehe Özgür Politika IDEEZ 82 Freier Frauenverband Kurdistans 32 IGMG Siehe Islamische GemeinFREIHEIT 164 schaft - Milli Görüs e.V. IMPACT 164 197 Independent Television Commission Kosovo-Konflikt 142 33 KPF Siehe Kommunistische Platt INTERIM 125, 135, 138, 139, 140, form der PDS 145 Krisenund Schwellenländer 176, Internet 73, 74, 75, 76, 83, 84, 87, 181 88, 93, 117, 124, 125 KS Friedrichshain 89 Irak 51, 55 KS Germania 89 Iran 8,26, 51, 52, 54, 55 KS Hellersdorf 89 Iraner 9, 51, 54 KS Mahlsdorf 89 ISBIR, Erol 50 KS Pankow 89 Jslami Cemiyet ve Cemaatler Birligi KS Prenzlauer Berg 89 17 KS Reinickendorf 89 Islamische Gemeinschaft - Milli Gö KS Treptow 89 rüs e.V. 14 Kulturexport 52 Islamische Revolution 52, 53 Kurdischer Nationalkongress 33 Islamischer Bund Palästina 24 Kurdisches Exilparlament 33 Islamischer Studentenverband 23 Kurdisches Informations-Zentrum 35 Islamisches Zentrum Hamburg 54 Kurdistan-Informationsbüros in ISV Siehe Islamischer Studenten Deutschland 35 verband KUTAN, Recai 15 ITC Siehe Independent Television Commission IZH Siehe Islamisches Zentrum l L -- 1 Hamburg L. Ron HUBBARD 165 Landser 82, 83, 93 I J Jl LAUCK, Gary Rex 92 Legion of Thor Siehe 21, 22 JF Siehe Direkte Aktion/Mittel LfVG Siehe Gesetz über das deutschland Landesamt für Verfassungsschutz Jihad 20, 26 Libyen 51 JN Siehe Junge Nationaldemo Linkes Netzwerk 156 kraten Junge Nationaldemokraten 64, 109 I M i I K i Macht und Ehre 82 Mailboxen 74, 87 KAG Siehe Kommunistische Marxisten-Leninisten 121, 155 Arbeitsgemeinschaft in und bei der Marxistische Lesehefte 159 PDS Berlin Marxistisches Forum 157,159,160 Kameradschaft Oberhavel 86 Marxistisch-Leninistische Kameradschaften 64 Kommunistische Partei 29, 49 KAPLAN, Metin 17, 18, 19, 20, 21, Marxistisch-Leninistische Partei 22 Deutschlands 155 KHOMEINI, Ayatollah 52, 53 MB Siehe Muslimbruderschaft KIB Siehe Kurdistan-Informa MED-TV 33, 34, 48 tionsbüros in Deutschland MEDYA-TV 34, 40 KIZ Siehe Kurdisches InformationsMF Siehe Marxistisches Forum Zentrum Militärspionage 173, 181 Kleingruppentaktik 132 Milli Gazete 16 KNK Siehe Kurdischer National Mitteilungen der Kommunistischen kongress Plattform der PDS 157 Kommunikationswege 73 MLPD Siehe Marxistisch-Lenini Kommunistische Arbeitsgemein stische Partei Deutschlands schaft in und bei der PDS Berlin MÜLLER, Dr. Werner 111 156 MÜLLER, Ursula 90 Kommunistische Plattform der PDS Muslimbruderschaft 24 156, 157 198 i N -- l l o I Nachrichten der HNG 90, 91 Offener Kanal Berlin 75, 76 Nachrichtendienst 3 OKB Siehe Offener Kanal Berlin Nachrichtendienstliche Mittel 3 Organisation der Volksmodjahedin NASRALLAH, Hassan 27 Iran 54, 55 Nationaldemokratische Partei Ostanatolisches Gebietskomitee 46 Deutschlands 64, 66, 79, 99, 101, 138, 148 Nationale Befreiungsarmee 55 I o II Nationale Befreiungsfront Kurdistans ÖCALAN, Abdullah 14, 29, 30, 31, 11,29,30,40 32, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 48, Nationale Info-Telefone 74 49, 50, 57, 58 Nationale Liste 26 ÖCALAN, Abdullah 152 Nationale Offensive 86 ÖCALAN, Osman 36 Nationale Sozialisten 75 Öffentlichkeitsarbeit, Verfassungs Nationale Zeitung Siehe Milli Gazete schutz durch Aufklärung 4 Nationaler Block 86 Özgür Politika 13,35,40 Nationaler Widerstand 75 Nationaler Widerstandsrat Iran 55 Nationalismus 62, 85 p II Nationalistische Front 86 National-revolutionäre Zellen 77 Parlamentarische Kontrolle 4 Nationalsozialistische Deutsche Partei des Demokratischen Sozia Arbeiterpartei 63, 96 lismus 156, 157 Nationalsozialistische Deutsche Partei Gottes 26 Siehe Hizb Allah Arbeiterpartei - Auslandsund Partei Kurdischer Arbeiterfrauen 32 Aufbauorganisation 64, 92 Partizan-Flügel 46 National-ZeitungWochenzeitung 100 Patriotische Union Kurdistans 10 NB Siehe Nationaler Block PDS Siehe Partei des Demo Neonationalsozialistische Organisa kratischen Sozialismus tionen und Einzelaktivisten 85 PENKERT, Mike 75, 76 Neonazis 63, 64, 65, 66, 85, 86, 87, Personenpotentiale 9, 64, 121 88, 90, 91, 93, 94, 95, 96, 97, 106, PJKK Siehe Partei Kurdischer 107, 109, 116 Arbeiterfrauen NF Siehe Nationalistische Front PKDW Siehe Kurdisches Exil NIT Siehe Nationale Info-Telefone parlament NIT Preußen - Stimme des natio PKK Siehe Arbeiterpartei Kur nalen Widerstandes für Berlin und distans Brandenburg 74 PMOI Siehe Organisation der NL Siehe Nationale Liste Volksmojahedin Iran NLA Siehe Nationale Befreiungs Politische Spionage 173 armee PUK Siehe Patriotische Union NO Siehe Nationale Offensive Kurdistans Nordland-Netz 74 NPD Siehe Nationaldemokratische Partei Deutschlands R I NSDAP Siehe Nationalsozia Radio Germania - Das Radio für listische Deutsche Arbeiterpartei nationale Interessen 75 NSDAP-AO Siehe Nationalsoziali RADJAVI, Masoud und Marjam 55 stische Deutsche Arbeiterpartei - RAF Siehe Rote Armee Fraktion Auslandsund Aufbauorganisation RAI Siehe Rote Antifaschistische NS-Kampfruf 92, 93 Initiative NWRI Siehe Nationaler Wider Rassismus 62, 85 standsrat Iran REBELL 156 NZ Siehe National-Zeitung/Deutsche Reclaim the Streets 144, 145 Wochenzeitung REP Siehe Die Republikaner 199 Revolutionäre 1. Mai-Demonstration TKP/M-L Sfete, Türkische Kommu145 nisische Partei/Marxisten-Leni Revolutionäre Linke Siehe Devrimci nisten Sol Trotzkisten 121, 155 Revolutionäre Vereinigte Kräfte 34 Türkische Islamisten 8, 14 Revolutionäre VolksbefreiungsparteiTürkische Kommunistische Partei/ Front 11, 13,29,42 Marxisten-Leninisten 29 46 Revolutionäre Zellen 131,152,154 ROHM, Ernst 85 Rote Antifaschistische Initiative 128, 147 U.I.S.A. Siehe Union Islamischer Rote Armee Fraktion 151, 152 Studentenvereine in Europa Rote Zora 152, 154 Umstrukturierung 126, 133, 144 -|61 RP Siehe Wohlfahrtspartei Unabhängige Kameradschaften' 64 RTS Siehe Reclaim the Streets RZ Siehe Revolutionäre Zellen 65,87, 116 Union Islamischer Studentenvereine in Europa 52 SAV Siehe Sozialistische Alternative Voran ÜMMET-I MUHAMMED 17, 18, 21 SCHLIERER, Dr. Rolf 100, 111, 114 SCHWERDT, Frank 88, 91, 102 SCIENTOLOGY KIRCHE BERLIN e.V. 166, 168 I v ~H XIENnOLOGY-ORGANISATION 164 Vandalen - Ariogermanische Kampf Skinhead-Musik 73, 80, 84 gemeinschaft 64, 93 Skinheads 63, 64, 72, 79, 80, 81, 83, Verband der islamischen Vereine und 84, 107 Gemeinden e.V. Köln 17 Skinheads Allgäu 86 Vereinigung der Neuen Weltsicht in SO Siehe Scientology-Organisation Europa e. V. 14 SOFU, Dr. Halil Ibrahim 19, 22 Vertrauliches Telefax 170 Solidaritätskomitee für die kurdischen Vertrauliches Telefon 170,182 politischen Gefangenen 153 VOIGT, Dr. Udo 102, 106, 107 Sozialistische Alternative Voran 156 Volksbefreiungsarmee Kurdistans 35 Sozialistische Reichspartei 62 Volksvereine 11 Spreegeschwader 81, 82 SRP Siehe Sozialistische I w II Reichspartei Staatsterrorismus 8, 51 WENDT, Christian 91 Staatsterroristische Bestrebungen 8 Wiking Jugend e.V. 86 STORR, Andreas 102, 107 Wirtschaftsspionage 173, 176, 179 Straftaten 12, 67, 68, 69, 80, 123, Wohlfahrtspartei 15 124 WORCH, Christian 107 STRASSER, Gregor und Otto 85 Stressfaktor 125 Syrien 51 YAJK Siehe Freier Frauenverband I T * Kurdistans TEMPEL, Gerhard 110 Terrorismus 151, 161 THKP/-C - Devrimci Sol Siehe Türkische VolksbefreiungsparteiFront - Revolutionäre Linke 200 ZEDONG, Mao 156 ZÜNDSTOFF - Deutsche Stimme für Zentralkomitee 32 Berlin und Brandenburg 101 ZK S/ehe Zentralkomitee ZÜNDSTOFF - Deutsche Stimme für Berlin-Brandenburg 109