Landesamt für Verfassungsschutz Berlin Landesamt für Verfassungsschutz - Auf dem Grat 2 -14195 Berlin Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß Die Innenminister von Bund und Ländern 3 VORWORT Vorwort Seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland bedrohen Extremisten unterschiedlichster Prägung mit wechselnder Intensität Freiheit, Demokratie und innere Sicherheit. Die Sicherheitsbehörden müssen sich laufend an die Veränderung der Sicherheitslage anpassen. Dies gilt auch und gerade für das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, das sich infolge des weiteren Ausbaues unserer Stadt zur Hauptstadt und zum Regierungssitz neuen Herausforderungen gegenübersieht. Mit dem Verfassungsschutzbericht Berlin 1996 legt das Landesamt für Verfassungsschutz eine weitere Jahresbilanz seiner Arbeit vor und kommt damit seiner gesetzlichen Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit nach. Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über die Aktivitäten und politischen Ziele von Extremisten sowie über die Spionagetätigkeit fremder Nachrichtendienste in Berlin. Der Linksextremismus, insbesondere die autonome Szene, bildete auch im vergangenen Jahr ein erhebliches Gefährdungsmoment für die innere Sicherheit Berlins. Das breit gefächerte linksextremistische Spektrum hat im Laufe des Jahres 1996 weiteren Zulauf erhalten. Anlaß zur Sorge bereitet in diesem Zusammenhang auch der Umstand, daß sich die Anzahl der Gewalttaten, bei denen Linksextremisten als Täter oder Tatbeteiligte bekanntgeworden sind oder nach den Tatumständen in Betracht kommen, im Vergleich zu 1995 mehr als verdoppelt hat. Im Berichtszeitraum hat die Zahl der Rechtextremisten - sowohl organisierter als auch unorganisierter - weiter abgenommen und bei (gewalttätigen) Skinheads stagniert die Anhängerschaft; dieses Beobachtungsfeld wird dennoch weiterhin mit hoher Intensität überwacht. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Rechtsterrorismus zu, für den es zwar derzeit keinen Nachweis gibt. Es liegen allerdings Indizien vor, nach denen sich Einzelpersonen aus der Neonazi-Szene mit rechtsterroristischen Überlegungen befassen. Nicht zuletzt haben der Mord an 4 VORWORT einem Polizeibeamten in Schleswig-Holstein am 23. Februar 1997 und der Anschlag auf einen Buchhändler in Berlin-Marzahn am 19. Februar 1997 in erschreckender Weise verdeutlicht, zu welchen Gewalttaten einzelne Rechtsextremisten fähig sind. Eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit Berlins geht von dem zunehmend mit Gewalt ausgetragenen Konflikt zwischen Linksund Rechtsextremisten aus. Jüngstes Beispiel für diese mit großer Sorge zu beobachtende Entwicklung sind die gewalttätigen Auseinandersetzungen am 15. Februar 1997 in Berlin-Hellersdorf. Der Senat von Berlin ist sich der Gefahr eines weiteren "Hochschaukelns" von Linksund Rechtsextremisten wohl bewußt; er wird ihr mit Entschlossenheit entgegentreten. Im Bereich des Ausländerextremismus war das Jahr 1996 in Berlin insbesondere durch den Verzicht der PKK auf Gewaltaktionen gekennzeichnet und steht damit in deutlichem Gegensatz zum Vorjahr. Nach wie vor stellen allerdings die marxistisch-leninistisch orientierten linksextremistischen türkischen Organisationen, die im Berichtszeitraum bundesweit demonstrative und zum Teil auch gewalttätige Aktionen durchführten, eine ernste Bedrohung für die innere Sicherheit Berlins dar. Diese Gefährdung dürfte sich angesichts des feststellbaren Schulterschlusses mit der PKK verschärfen. Aufmerksam beobachtet werden müssen darüber hinaus die Aktivitäten islamisch-extremistischer Organisationen. Im Berichtszeitraum haben die Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste in der Hauptstadt Berlin in ganz besonderem Maße zugenommen, wobei der Wirtschaftsspionage eine immer größere Bedeutung zukommt. Die effektive Abwehr ausländischer Nachrichtendienste insbesondere durch Information der potentiellen Ausforschungsobjekte soll verhindern, daß der Wirtschaftsund Forschungsstandort Berlin Schaden nimmt und Arbeitsplätze in der Region gefährdet werden. Der vorliegende Bericht macht deutlich, daß auch eine stabile Demokratie auf den aktiven Schutz ihrer inneren Ordnung nicht verzichten kann. Durch seine Aufklärungstätigkeit hat das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin auch im vergangenen Jahr einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit in unserer Stadt geleistet. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berliner Verfassungsschutzbehörde für ihre engagierte Arbeit. 5 IT Die Sicherung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist allerdings auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Nur durch das aktive Eintreten aller demokratischen Kräfte und der Bürgerinnen und Bürger für diese Ordnung im Zusammenspiel mit den Sicherheitsbehörden kann den Gefahren für unser Staatswesen wirksam begegnet werden. Berlin, im April 1997 Jörg Schönbohm Senator für Inneres VORWORT 7 INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS A VERFASSUNGSSCHUTZ BERLIN 1 Aufbau und Organisation 13 2 Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) 13 Schaubild: Kontrolle über das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin 17 B LINKSEXTREMISMUS 1 Allgemeiner Überblick 21 2 Gewaltbereite Linksextremisten 23 2.1 Autonome 26 2.1.1 Ziele 26 2.1.2 Aktionsformen und Militanz 29 2.1.3 Gesteigerte Aktionsbereitschaft und -fähigkeit 30 2.1.4 Aktionsschwerpunkte 34 2.1.5 Publikationen 45 2.1.6 Einsatz innovativer Kommunikationstechniken 47 2.2 Terrorismus 48 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 49 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 53 2.2.3 "Antiimperialistischerwiderstand" (AIW) 55 2.2.4 "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) 57 2.2.5 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" 58 2.3 Anarchistische Personenzusammenhänge 59 3 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten einschließlich Trotzkisten 61 3.1 Marxistisch-leninistische Parteien 63 3.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 63 3.1.2 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD - Sitz Berlin) 64 3.1.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 65 3.2 Sonstige revolutionär-marxistische Gruppen einschließlich trotzkistischer Vereinigungen 66 3.2.1 "Marxistische Gruppe" (MG) 66 3.2.2 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) 67 3.2.3 "Freie Deutsche Jugend" (FDJ) 68 liJHALTlWHP.ZHKjrtMIS 3.2.4 Trotzkistische Vereinigungen 69 4 Linksextremistische Positionen in der "Partei des 71 Demokratischen Sozialismus" (PDS) 5 Ausblick 81 C RECHTSEXTREMISMUS 1 Allgemeiner Überblick 87 2 Militante Rechtsextremisten 92 2.1 Skinhead-Szene 92 2.2 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 95 3 Neonationalsozialistische Organisationen und Einzelaktivisten 97 3.1 "Unabhängige Kameradschaften" 99 3.2 "Die Nationalen e. V." 103 3.3 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 105 3.4 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) 106 3.5 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 108 3.6 Strafverfahren gegen Neonazis 108 4 Rechtsextremistische Parteien 110 4.1 "Deutsche Volksunion" 112 4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 113 4.3 "Die Republikaner (REP) 117 4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 119 5 Einigungsbestrebungen des rechtsextremistischen Lagers 120 5.1 Informationelle Vernetzung 121 5.2 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." 127 5.3 "Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk e. V." 128 5.4 "Deutsches Kolleg" (DK) 129 5.5 "Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik" und "Verlag der Freunde" (VdF) 131 6 Ausblick 133 9 JiJMALI'J/r.;^^l r jMj|l'J D AUSLÄNDEREXTREMISMUS 1 Allgemeiner Überblick 137 2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 140 3 Türken 143 3.1 Linksextremistische türkische Organisationen 144 3.1.1 "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke") 144 3.1.2 "Devrimci Yol" ("Revolutionärer Weg") 147 3.1.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) 148 3.1.4 "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) 150 3.2 Extrem-nationalistische türkische Organisationen: "Idealistenvereine" 151 3.3 Islamisch-extremistische türkische Organisationen: "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs" (IGMG) 152 4 Araber/ Palästinenser 153 4.1 Arabische Islamisten: "Muslimsbruderschaft" (MB) 154 4.2 Palästinenser 155 4.2.1 "Bewegung des islamischen Widerstandes" (HAMAS) 155 4.2.2 Laizistische Palästinenser-Organisationen 156 4.3 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") 159 5 Iraner 160 5.1 Staatsterroristische Bestrebungen des Iran 160 5.2 "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) 162 5.3 Oppositionelle Iraner 163 6 Ausblick 165 E SPIONAGEABWEHR 1 Allgemeiner Überblick 169 1.1 Ziele 170 1.2 Methodik 171 2 Rußland 172 2.1 Russische Nachrichtendienste 172 10 INHALTSVERZEICHNIS 2.2 Struktur der Auslandsaufklärung 173 2.3 Methodik 179 3 Nachrichtendienste der Krisenländer 180 3.1 Iran 181 3.2 Nordkorea 182 Ausblick 183 11 ^.FASSUNGSSCHUTZ BERLIN Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) in der Fassung vom 25. März 1995 SS5 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, den Senat von Berlin und andere zuständige staatliche Stellen über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu unterrichten. Dadurch soll diesen Stellen insbesondere ermöglicht werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen. (2) Zur Erfüllillungjjii****"" "das Landesamt für Verfassungsschut: tsonenbezogene Daten, Auskünfte, 1. Bestrebunge prdnung, den Bestand ode itet sind oder eine ungese sungsorgane des Bundes in, sicherheitsgi tungsbereich VERFASSUNGSSCHUTZ des Grundge Bestrebunge BERLIN Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der 4. frühere, fort' Aufklärungsund Abwehrdie ses Gesetztes SS26 Unterrichtung der Öffentlichkeit Die Aufsichtsbehörde und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2. Dabei ist die Übermittlung von personenbezogenen Informationen nur zulässig, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit an sachgemäßen Informationen das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. 13 mme ssywGss mu rz BERUS J A VERFASSUNGSSCHUTZ BERLIN 1 Aufbau und Organisation Entsprechend dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland haben der Bund und jedes Bundesland eine eigene VerfassungsVerfassungsschutzbehörde. Das LfV Berlin wird von dem Direkschutz in Bund und Landern tor des Landesamtes für Verfassungsschutz geleitet. Das Amt ^_^_ gliedert sich in drei Abteilungen: Amtsleiter J I L Zentrale Politischer Extremismus/ Spionageabwehr/ Aufgaben Terrorismus Geheimschutz In den ersten beiden Monaten des Berichtszeitraumes war das LfV noch dem Regierenden Bürgermeister von Berlin - Senats- | Aufsicht über kanzlei - unterstellt. Seit dem I.März 1996 nimmt diese AufMas LfV Berlin gäbe die Senatsverwaltung für Inneres wahr. Die Aufsichts*fiirftf""r'"'1r''rifrl""""" behörde ist zugleich oberste Landesbehörde nach SS 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) (G 10) vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 28. April 1995 (BGBl. I S. 582). Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) Im Zeitalter der Medien, d. h. eines vermehrten Informationsflusses zwischen allen Bereichen des öffentlichen Lebens, gehört es auch zum gesetzlichen Auftrag der Berliner Verras- VERFASSUNGSSCHUTZ BERLIN sungsschutzbehörde, die Bürger möglichst umfassend über politische extremistische Bestrebungen und Spionageabwehr zu informieren. Dies geschieht einmal durch die seit 1990 erscheinenden Jahresberichte. Daneben steht die 1994 begründete Informationsreihe "Durchblicke" mit bisher sieben Broschüren der Öffentlichkeit zur Verfügung. Die Schriftenreihe "Durchblicke" soll in erster Linie der interessierten Öffentlichkeit als Hintergrundmaterial zur geistigpolitischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus dienen und ihr durch die vertiefte Darstellung der verschiedenen Extremismen einen möglichst umfassenden Überblick verschaffen. Vordringlichste Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes ist, so viele Informationen wie möglich den interessierten Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung zu stellen. Gerade die Verfassungsschutzbehörden müssen in einer wehrhaften Demokratie die Öffentlichkeit über die wahren Absichten von Extremisten ins Bild setzen, denn nur aufgeklärte und aktive Demokraten sind "Mit-Garanten" der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Auch im Berichtsjahr 1996 haben Mitarbeiter des Referats Öffentlichkeitsarbeit regelmäßig vor Gruppen aus den Bereichen Öffentlicher Dienst (z. B. vor Referendaren, Polizeibeamten, Inspektorenanwärtern), Verbände und Kirchen, Parteien und Schulen über Aufgabenstellung und Schwerpunkte des LfV Berlin referiert. Anfragen von Medienvertretem nahmen wie in den Jahren zuvor einen breiten Raum ein. Dem verstärkten Mediehinteresse wird das Amt auch weiterhin eine besondere Bedeutung beimessen. Zusätzlich haben Bürgerinnen und Bürger von der Einrichtung unseres Kontakttelefons regen Gebrauch gemacht. 15 VERFASSUNGSSCHUTZ BERLIN Das Interesse der Medien und der übrigen Öffentlichkeit ist Beweis für eine zunehmende Akzeptanz der Arbeit des Verfassungsschutzes in Berlin. Das LfV arbeitete auch im Berichtsjahr in der seit 1991 bestehenden Bund-Länder-AG mit, die das Ziel hat, einen Beitrag zu der gesamtgesellschaftlich getragenen Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit zu leisten. Diese stand auch 1996 unter dem Motto schenwurde achten - Gegen Fremdenhaß Im Rahmen dieser Kampagne hat das LfV Berlin ca. 800 Disketten eines eigens entwickelten Computer-Spiels "Dunkle Schatten" und einige hundert T-Shirts mit dem Logo "FAIRSTÄNDNIS" vertrieben. Eine Fortsetzung des PC-Spiels - mit dem Titel "Im Netzwerk gefangen" - wurde erarbeitet und steht als CD-ROM kostenlos zur Verfügung. In der Reihe "Durchblicke" sind bisher Publikationen zu folgenden Themen erschienen: < Nr. 1 "Rechtsextremismus in Berlin" Publikationen (vergriffen - s. u. Neuauflage Nr. 7) des LfV Berlin Nr. 2 "Die Intellektualisierung der Neuen Rechten" (vergriffen) Nr. 3 "Die internationale Revisionismuskampagne" (Restexemplare) Nr. 4 "Ausländerextremismus in Berlin" (vergriffen) Nr 5 "Deutscher gewaltorientierter Linksextremismus in Berlin - die militante autonome Bewegung" Nr. 6 "Deutscher gewaltorientierter Linksextremismus in NEU: Berlin - Der deutsche linksextremistisch motivierte "RechtsextreTerrorismus mistische Nr. 7 "Rechtsextremistische Bestrebungen in Berlin" Bestrebungen in Berlin" (Neuauflage von Nr. 1). 16 Y=EHFI;S "j U j J 0 "J L, SHUTI BERLIN Die verfügbaren Materialien, Publikationen und das PC-Spiel "Im Netzwerk gefangen" können kostenlos über folgende Adresse bezogen werden: Landesamt für Verfassungsschutz Berlin - Öffentlichkeitsarbeit - Auf dem Grat 2-14195 Berlin oder per Fax unter 030 / 8309-362. Telefonisch ist die Pressestelle des Amtes unter der Rufnummer 030 / 8309-380 zu erreichen. 17 *JB. rir A S S U N G S S C H U T Z BERLIN K o n t r o l l o über das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin Allgemeine Besondere G 10-Kontrolle parlamentarische parlamentarische Kontrolle Kontrolle Debatten im Ausschuß für G 10-Kommission: Abgeordnetenhaus von Berlin, Verfassungsschutz: Drei Mitglieder, vom AbgeAktuelle Stunden, Zehn Mitglieder, aus jeder ordnetenhaus von Berlin Fraktion des auf Vorschlag der Kleine und Große Anfragen Abgeordnetenhauses von Fraktionen gewählt Behandlung von Petitionen im Berlin mindestens ein Vollzug der Anordnung Petitionsausschuß Mitglied; i. d. R. nicht vor Zustimnahezu unbeschränkte mung durch G 10-KomKontrolle; mission ggfUntersuchungsausschuß PS % % * r .] J i / n Ltt->-.J-VJ l T J f V^Fr-.DBUi KB^JHU'I^ U a Ü Verwaltungskontrolle Öffentlichkeitskontrolle Gerichtliche Kontrolle Dienstund Fachaufsicht der Bürger Klagen gegen Maßnahmen Senatsverwaltung für Inneres (Eingaben, Anfragen, des Verfassungsschutzes (Aufsichtsbehörde) Auskunftsrecht) vor den Verwaltungsgerichten Landesbeauftragter für den Medien Datenschutz (Berichte, Anfragen) Landesrechnungshof : BERLIN 19 UNKSExm s i ] i "jj^jys Alks wird gut Der Papst macht mobil Samstag, 20. I . 1888 12 Uhlnemo In LuliBi;h - am Markt ( , Ä ; l " *&""*"'<""" jr"""" h f l ! URHK IUAVES VYir laden alte zum VortereKungsIreffen Kampf) %'dem Faschismus!) am Mittwoch, den 13.3, um 20 Uhr iNactilaftenJalilwBi.I.Kreuzberg (U-Kottbu^er Tor) sin. 'GÄnhveE "' :fW * B LINKSEXTREMISMUS 14,1. 9.00 Uhr i leninplatr |V* * - ^ * a " ,.""g|^R t" sin * ; ^*s^SBHBBl ,: 13JBQh VkkBmttfurenHiiieju! Rosa laxemtaits *MstcfeSUMii" nan 21 L\i'//lZXTWEtö'jWJ'Ji B LINKSEXTREMISMUS 1 Allgemeiner Überblick Linksextremistische Leitbilder schwanken zwischen sozialistisch-kommunistischen Idealen mit dem Endziel einer klassenlosen Gesellschaft und der Vision eines herrschaftsfreien Zusammenlebens der Menschen. Ausgangspunkte gedanklicher und aktionistischer Ansätze linksextremistischer Politik sind revolutionär-marxistische oder anarchistische Ideologien. Gemeinsam ist allen Linksextremisten der feste Vorsatz, die parlamentarische Demokratie, die lediglich der geschickten Verschleierung kapitalistischer Klassenherrschaft oder anderweitiger gesellschaftlicher Unterdrückungsmechanismen diene, zu zerschlagen und durch eine totalitäre oder herrschaftsfreie Ordnung zu ersetzen. Innerhalb der linksextremistischen Bewegung gibt es unter- ! Unterschied schiedliche Strömungen. Deren Träger, nämlich Parteien, Grup- I liehe pen und lose Zusammenhänge, streiten untereinander bis hin 1 Strömungen zur offenen Feindschaft um mehr oder minder deutliche ideologische Auffassungsunterschiede und erheben entsprechend ihrem verabsolutierten politischen Selbstverständnis jeder für sich Anspruch auf exklusiven Zugang zur historisch-politischen "Wahrheit". Da Linksextremisten oftmals schon allein ideologischer Vorgaben wegen, aber auch anhand historischer Erfahrungen eine Durchsetzung ihrer Absichten auf friedlichem Wege weitgehend ausschließen, bejahen die weitaus meisten von Gewaltgeneigtihnen grundsätzlich Gewalt als ein Mittel in der Auseinanderheit setzung um die Erringung der Macht. Das breit gefächerte linksextremistische Spektrum in der Bundeshauptstadt wuchs 1996 bezogen auf sein personelles Reservoir weiter an. Insgesamt sind hier 2 650 (1995: 2 200) Personen linksextremistischen Bestrebungen zuzurechnen. Das Bun- 22 LINKSEXTREMIST desamt für Verfassungsschutz (BfV) zählte im Berichtszeitraum 35 700 (1995: 35 500) Linksextremisten. Linksextremistische Potentiale in Berlin und Deutschland 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin Bund gesamt 2 650 35 700* 2 200 35 500* Gewaltbereite Linksextremisten 1450 7 000 1 350 7 000 einschließlich Anarchisten davon u. a. Autonome 1 200" 6 000 1 200 6 000 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten einschließlich 1 200 28 700 850 28 500 Trotzkisten davon u. a. "Deutsche Kommunistische Partei* (DKP) 130 6 260 130 6 000 "Kommunistische Partei Deutschlands" 40 200 40 200 (KPD - Sitz Berlin) "Marxistisch-leninistische Partei 120 2 700 120 2 700 Deutschlands" (MLPD) "Marxistische Gruppe" (MG) 40 10 000 40 10 000 Trotzkistische Vereinigungen 300 1 700 250 1 650 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. Hierin enthalten sind die 200 Mitglieder der "AG Autonome Gruppen in und bei der PDS" (AG AG). ~ (tm) * v Die stärkste Gefahr für die innere Sicherheit Berlins aging a auch Hauptgefahr m durch 1 1996 von den äußerst gewalttätigen Autonomen aus. Wie in den Autonome! j a ^ g n z u v o r konzentrierten sie ihre Aktivitäten auf die beiden Hauptthemen "Antifaschistischer Kampf" und "Umstrukturierung" Berlins infolge der Hauptstadtprojekte. 23 UNKSEXTr^jJJ'JA(r)JNJS Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) verzichtete im Berichtszeitraum weiterhin auf terroristische Aktionen, nachdem sie bereits 1992 einen Neuorientierungsprozeß in Gang gesetzt hatte. Wiederum konnte die seit 1993 andauernde Spaltung ihres Unterstützerpotentials und die Zerstrittenheit der inhaftierten früheren Terroristen in zwei - den neuen RAF-Kurs ablehnende bzw. befürwortende - Lager nicht überwunden werden. Nach der Festnahme zweier Hauptverdächtiger der "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ) Anfang 1996 konnten keinerlei Aktivitäten dieser terroristischen Gruppe mehr festgestellt werden. Die Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) ging auch 1996 mit Sprengstoffund Brandanschlägen gegen das Eigentum ihr mißliebiger Personen vor. Marxistisch-leninistische Parteien bzw. andere revolutionärmarxistische Organisationen entwickelten 1996 kaum nennenswerte öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Hingegen fanden Äußerungen und Vorgänge um extremistische Strömungen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Widerhall vor allem in den Medien, soweit damit mögliche Einflüsse auf die Politik der Gesamtpartei verbunden waren. Gewaltbereite Linksextremisten Bis Ende 1996 verzeichnete der gewaltbereite Teil unter den Zulauf zur zusammen 2 650 (1995: 2 200) Berliner Linksextremisten in der gewaltbereiten Summe weiteren Zulauf. Die Anzahl militanter Aktivisten stieg Szene auf 1 450(1995: 1 350). Zum selben Zeitpunkt wurden in ganz Deutschland, die Gesamtzahl der Linksextremisten beträgt hier 35 700 (1995: 35 500), mit 7 000 Personen ebenso viele Gewaltbereite wie im Vorjahr erfaßt. 24 UNKSEXTfiH^JJ^j'jJU^ Bemerkenswert erscheint, daß der Anteil Militanter in Berlin weiterhin ungleich höher als deutschlandweit ausfällt. Er lag im Berichtszeitraum hier bei fast 55 % (1 450 : 2 650 abs.), während er im Bundesdurchschnitt nur knapp 20 % (7 000 : 35 700 abs.) erreichte. Linksextremistisches Gewaltpotentiat in Berlin und Deutschland 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin Bund gesamt 1450 7 WO* 1350 7 000* hiervon u. a.: Autonome 1 200** 6 000 1 200 6 000 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. Hierin enthalten sind die 200 Mitglieder der "AG Autonome Gruppen in und bei der PDS" (AG AG). Die Anzahl der Gewalttaten in Berlin, bei denen Linksextremisten als Täter oder Tatbeteiligte bekanntgeworden sind oder nach den Tatumständen in Betracht kommen, hat sich im Vergleich zu 1995 mehr als verdoppelt. 188 Gewalttaten im Berichtszeitraum stehen 74 derartigen Rechtsverstößen im Vorjahr gegenüber. Eine gemäßigtere Zunahme für das gesamte Bundesgebiet belegen die Zahlen des BfV: Bis einschließlich November 1996 wurden bundesweit 654 einschlägige Delikte erfaßt, 1995 waren es 572. 25 LJjj/'jHzrriSjMnujij:; Gewalttaten mA(r)t erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund in Berlin und Deutschland 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin Bund gesamt 1881 654* 74 572* darunter: Sprengstoffanschläge / Versuche 2 11 1 8 Brandanschläge 45 93 24 86 Unfriedliche Aktionen begleitet von Landfrie16 106 19 99 densbruch u. ä. Straftaten Körperverletzungen 30 30 1 35 Raubüberfälle 1 2 - 5 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luftoder 14 154 1 114 Straßenverkehr Sachbeschädigungen 80 256 28 224 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. Die Zahlen des LfV Berlin weichen von Statistiken des polizeilichen Staatsschutzes ab: Das LfV Berlin zählt bei gewalttätigen Demonstrationen, in deren Verlauf es zu einer Häufung einzelner strafbarer Handlungen kommt, jeweils nur ein Vorkommnis, während der Staatsschutz jede einzelne strafbare Handlung extra aufrechnet Der polizeiliche Staatsschutz führt zu Delikten mit linksextremistischem oder zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund nur eine Statistik über Brandund Sprengstoffanschläge Andere Gewalttaten, z. B. Sachbeschädigungen, Widerstandshandlungen, finden lediglich Eingang in die polizeiliche Kriminalstatistik des Staatsschutzes, in der alle abschließend bearbeiteten Ermittlungsvorgänge erfaßt werden. Hingegen enthalten die Zahlenübersichten des LfV hier sämtliche bekanntgewordenen Aktivitäten, bei denen ein linksextremistischer Hintergrund nachvollziehbar vorliegt bzw. zu vermuten ist Auch der Vergleich beider Statistiken über die im Berichtszeitraum registrierten Brandund Sprengstoffanschläge mit linksextremistischen Bezügen weist deutliche Unterschiede auf. In der polizeilichen Statistik sind erheblich weniger solcher Gewalttaten enthalten, weil innerhalb der Berliner Polizei Zuständigkeiten (Bearbeitung der Brandund Sprengstoffanschläge, soweit sie im Zusammenhang mit Reaktionen auf die Räumung besetzter Häuser stehen) im Laufe des Jahres 1996 verlagert worden sind. Aus diesen voneinander abweichenden Zählweisen und Zuständigkeiten erklärt sich, daß das LKA im Gegensatz zum LfV im Jahr 1996 gegenüber dem Vorjahr eine Abnahme der Gewalttaten um 340 verzeichnet: 1 897 (1996) gegenüber 2 237 (1995). 26 INKSEXTREMISMUS 2.1 Autonome Potential: 6 000 bundesweit (1995: 6 000), 1 200 in Berlin (1995: 1 200) Organisationsstruktur: Einzelpersonen, die anlaßbezogen gemeinsam agieren und z. T. lose, seltener fester strukturierte Zusammenschlüsse bilden Entstehung/Gründung: Mitte 1981 Ideologie: Diffuse anarchistische Ziele, bisweilen auch Bruchstücke revolutionär-marxistischer Anschauungen Publikationen: "radikal" (unregelmäßig, Auflage: nach unbestätigten Schätzungen 5 000), "INTERIM" (wöchentlich, Auflage: 1 500), Flugschriften zu aktuellen Anlässen 2.1.1 Ziele Innerhalb des Spektrums gewaltbereiter Linksextremisten in Definition! Berlin dominieren spontan entstandene, vorwiegend lose, nach "Autonome" außen eher abgeschottete Zusammenschlüsse. Dahinter stehen Personen, sog. Autonome, die sich nach ihrem individualistischen Lebensgefühl weitgehend von den als "repressiv" empfundenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Konventionen losgesagt haben. Anfänge der autonomen Szene reichen zurück bis zum Beginn der 80er Jahre. Aus Kreisen weder organisationsgebundener noch im traditionellen Sinne ideologisch festgelegter, sog. undogmatischer Linksextremisten erschienen damals Thesen und Diskussionspapiere, deren Verfasser sich als "Autonome" bezeichneten. Sie sprachen von einer "neuen autonomen Protestbewegung", die den "Koloß Staat" mit "dezentralen Aktionen", mit "Phantasie und Flexibilität", mit "vielfältigen Widerstandsformen auf allen Ebenen" angreifen müsse. Es gelte, "den bürgerlichen Staat" zu "zerschlagen". Gemessen an den sie prägenden Idealen und ideologischen Inhomogene Versatzstücken ist die autonome Szene nicht homogen. Eine Szene abgeschlossene theoretische Fundierung ist vielen Anhängern verdächtig und widerspricht ihrem Anspruch, "nach eigenen Gesetzen" - eben autonom - zu leben, "quer" zu Hierarchien, Autoritäten und dem "Schweine-System". Vielfach verfolgen sie anarchistische, bisweilen auch kommunistisch "angehauchte" 27 UNKSEXTT^IJLiulU:; Vorstellungen. Nur wenige Autonome bemühen sich um nachvollziehbare Positionen. Vielmehr herrscht ein Grundgefühl ("feeling") militanter "Antistaatlichkeit" vor, gepaart mit dem Drang nach Ausscheren aus dem "kapitalistischen Verwertung s prozeß". Forderungen Autonomer zielen zumeist nicht auf Veränderungen zum Nutzen irgendeines Kollektivs oder der Gesellschaft insgesamt, sondern auf die eigene, die individuelle ungehemmte Entfaltung. Selbstbestimmtes und "herrschaftsfreies" Leben beschreiben Autonome u. a. als "Freiheit von Lohnarbeit, von sozialen Zwängen und Rücksichtnahmen". "Freiräume" bieten Wohngemeinschaften, häufig in (ehemals) besetzten Häusern. "Antifaschismus", "Antirassismus" und "Widerstand" gegen das Ideologische f "Patriarchat" bilden die Grundpfeiler des "autonomen politischen Grundpfeiler I Konsenses". Unstrittig ist in der autonomen Szene die Bereitschaft, zur Durchsetzung politischer Ziele Gewalt anzuwenden. Sie wird als Gewaltbereitschaft "Gegengewalt" gegen die "strukturelle Gewalt" der Gesellschaft und des Staates gerechtfertigt. Eine genaue Quantifizierung dieses Teils des linksextremistischen Gewaltpotentials ist kaum möglich. Eben noch auffällige aktive Zusammenhänge haben sich wenige Monate später wieder aufgelöst. Zudem führt ein häufiger Wechsel von Aktionsund Politikfeldern zu ständigen Umgruppierungen. Berlin bildet seit Jahren mit etwa 1 200 Szene-Angehörigen 1 200 Szeneeinen regionalen Schwerpunkt der autonomen "Bewegung" in Angehörige Deutschland. Bundesweit agierten 1996 - ebenso wie im Vorjahr - etwa 6 000 Aktivisten. Die Mehrzahl der Autonomen sind deutsche, zum geringen Teil Sozialer Hinterausländische Jugendliche bzw. jüngere Erwachsene aus den grund Altersgruppen der 18bis 28jährigen, zumeist Schüler, Auszubildende und Studenten. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt 28 LINKSEXTREM] 'JM LI U überwiegend durch Gelegenheitsjobs und aus öffentlichen Sozialleistungen ("Staatsknete"). Viele wenden sich schon nach wenigen Jahren ernüchtert von der Szene ab, enttäuscht über das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit autonomer Lebensziele. Als besonders frustrierend werden die selbstgewählte gesellschaftliche Isolation, die Auseinandersetzungen zwischen "Alt-Autonomen" und ihrem "Nachwuchs", Frauen und Männern, "Ost und West" sowie die ständigen ergebnislosen Perspektivdiskussionen empfunden. Abgänge durch "Rückzug ins Privatleben" blieben für die personelle Stärke der autonomen Szene jedoch ohne Bedeutung, da kontinuierlich neue Aktivisten hinzustießen. In jüngster Zeit haben sich in der autonomen Szene feste Zusammenschlüsse herauskristallisiert. Hierzu gehören Gruppierungen wie die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB), die "Rote Antifaschistische Initiative" (RAI) und die "Feministische Antifaschistisch-Revolutionäre Aktion" (FARA), die in der von der gewaltorientierten Göttinger "Autonomen Antifa (M)" dominierten "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) zusammengeschlossen sind. Entwicklung des Potentials der autonomen Szene in Berlin und Deutschland 1985 bis 1996 Berlin Bund 1985 150 2 000 1986 200 2 000 1987 500 2 000 1988 500 2 000 1989 500 2 100 1990 700 2 300 1991 1 000 2 700 1992 1 200 5 000 1993 1 200 5 000 1994 1 200 5 000 1995 1 200 6 000 1996 1 200 6 000 29 LhJ/.'JS/fP.SjMDjmS Von den Autonomen geht, gemessen an anderen linksextremistischen Bestrebungen, die nachhaltigste Gefahr für die innere Sicherheit der deutschen Hauptstadt aus. Autonome Aktivisten bestätigten diese Einschätzung auch 1996, indem sie zahlreiche Gewalttaten verübten, die von einer kompromißlosen Bekämpfung des demokratischen Rechtsstaates zeugen. 2.1.2 Aktionsformen und Militanz In ihrem Streben, das ihnen verhaßte "System" durch "Wider- . . . * * * . * . f Zerstörung des stand von unten" zu brechen, propagieren und praktizieren die I verhaßten Autonomen einen militanten Aktionismus, stets bemüht, den I "Systems" Eskalationsgrad konkreter Konflikte zu steigern. Die Bandbreite autonomer Aktionsformen reicht von Versammlungen und Demonstrationen über Störaktionen, Blockaden und Sachbeschädigungen bis hin zu Überfällen auf politische Gegner und terroristischen Anschlägen, die sich an das Handlungsmuster der "Revolutionären Zellen" (RZ) anlehnen. Vorherrschende Mittel sind Brandund Sprengstoffanschläge, mit denen Institutionen, Unternehmen und bestimmte Einzelpersonen vor allem finanziell empfindlich getroffen werden sollen. Die durch Autonome ausgeübte Gewalt richtet sich nach eigenen Möglichkeiten und jeweils vorgefundenen Gegebenheiten im Einzelfall. Die insbesondere während der 80er Jahre bei Demonstrationen ausufernde Straßenmilitanz ist immer mehr der Taktik geschlossener "Kleingruppen" gewichen, "zuzuschlagen" und sich sofort zurückzuziehen, um ein neues Ziel "anzugreifen". Beispiele hierfür bieten Zusammenschlüsse wie "Das K.O.M.I.T.E.E.", "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK), "AntiCASTOR"-Gruppen und Teile der Hausbesetzerszene. Aktionen solcher aus dem Verborgenen wirkenden Gruppen Kleingruppenbildeten wiederum den Schwerpunkt autonomer Umtriebe in taktik Berlin. "Kleingruppentaktik" gilt unter Autonomen weiterhin als probates Kampfmittel, weil erfahrungsgemäß kaum Täter gefaßt 30 U N K S D t l i i ^ l ] :; sijyiS werden und somit nur selten "repressive" staatliche Maßnahmen, gemeint sind strafrechtliche Konsequenzen, greifen. Die eine Verdoppelung noch leicht übertreffende Anzahl linksUrsachen für : Verdoppelung extremistischer Gewalttaten im Jahr 1996 auf 188 (1995: 74) der Gewalttaten hat verschiedene Ursachen. So gab es eine Vielzahl politischer Reizthemen, die insbesondere von Autonomen zum Anlaß genommen wurden, ihre Militanz aufgrund eines von ihnen beanspruchten Widerstandsrechts "auszuleben". Darüber hinaus griffen autonome Gewalttäter vor allem die Räumung "besetzter" Häuser in den Bezirken Friedrichshain und Prenzlauer Berg als Anschlagsthema auf. Der Anteil Autonomer an der Gesamtzahl solcher Delikte liegt mit 183 bei weit über 90 %. 2.1.3 Gesteigerte Aktionsbereitschaft und -fähigkeit Zu Beginn der 90er Jahre setzten in der autonomen Szene Aufsplitterung der Szene Prozesse ein, die zu Aufsplitterung und Zerstrittenheit führten. Individuelle und gruppenegoistische Interessen beeinträchtigten das autonome Potential in seiner Handlungsfähigkeit. Folge war eine nachhaltige Abschottung der einzelnen autonomen Personenzusammenhänge untereinander, verbunden mit der zwangsläufigen Unfähigkeit zu koordiniertem zielgerichteten Vorgehen. An der Zerstrittenheit änderte auch ein sog. Autonomie-Kongreß (14. bis 17. April 1995) nichts. An dem Kongreß unter dem Leitwort "Autonome auf dem Weg ins 21. Jahrhundert", der sowohl zu einer Standortbestimmung beitragen als auch eine Phase der Konsolidierung einleiten sollte, nahmen zwar mehr als 2 000 Autonome aus dem gesamten Bundesgebiet teil, im Ergebnis kam er jedoch über eine bloße Bestandsaufnahme autonomer Sichtweisen nicht hinaus. Versuch der % Reaktivierung I Autonome zeigten im ersten Halbjahr 1996 deutlich ihr ihrer Mobih- | | sterungskraft I Bemühen, die "Zerfaserung" der eigenen Szene und verloren** * * wr gegangene "massenwirksame" Mobilisierungskraft etwa bei De- 31 UNKSEXTREMISMUS monstrationen zu überwinden. Als Gradmesser für das neue Zusammengehörigkeitsgefühl galt ihr die Vorbereitung und Durchführung der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration", die von den beteiligten linksextremistischen Gruppen deshalb unter Schlagworte wie "Heraus zum revolutionären 1. Mai - Es gibt kein Ende der Geschichte - Zusammen gehört uns die Zukunft!" und "Wir gehen nur unter in den Kämpfen, die wir nicht zusammen führen! Für eine entschlossene revolutionäre 1. Mai-Demonstration 1996 - Radikal und gemeinsam weiterkämpfen!" gestellt wurde. 32 UNKSEKITi^IJI^JU'J Ein Beitrag hierzu, den im Februar die Szene-Publikation "INTERIM", Nr. 364, veröffentlichte, drückte das Bestreben Autonomer aus, die fehlgeschlagenen 1. Mai-Aktivitäten der Vorjahre durch eine eindrucksvolle Demonstration am 1. Mai 1996 vergessen zu lassen. Die Autoren betonten, daß es an diesem Tag, der nach wie vor für "revolutionäre Geschichte und Errungenschaften" stünde, auf die "Wahrnehmbarkeit" der Autonomen ankäme. Bei den Vorbereitungstreffen zeichneten sich recht schnell Zwei "Revolutionäre unüberbrückbare Gegensätze ab. Der Streit um unterschiedliche 1, Mai-DemonDemonstrationskonzepte zwischen der Mehrzahl der Autostrationen" nomen einerseits sowie revolutionär-marxistischen Gruppen und vereinzelten Autonomen andererseits entzündete sich nicht zuletzt an der Frage, ob und wie gewalttätige Aktionsformen bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden sollten. So führte die letztlich eingetretene Spaltung der Vorbereitungsgruppen zur Durchführung von zwei "Revolutionären 1. MaiDemonstrationen". Die Beteiligung von 9 000 bzw. 1 500 Personen an den beiden Erfolgreicher j Verlauf ! Demonstrationszügen dokumentierte allerdings, daß die Szene trotz anhaltender innerer Zerrissenheit wieder in der Lage ist, bei für sie bedeutsamen Ereignissen eine rege Beteiligung zu erreichen. Nach dem "erfolgreichen" Verlauf der "Revolutionären 1. MaiDemonstrationen" legte das autonome Potential seine bis dahin eher zunehmende Unsicherheit größtenteils ab. Das gewachsene Selbstbewußtsein fand Bestätigung insbesondere durch die Teilnahme vieler Autonomer an Störaktionen gegen das erste "Öffentliche Gelöbnis" der Bundeswehr in Berlin am 31. Mai vor Weitere ; Aktivitäten dem Schloß Charlottenburg. Gleiches galt für massive Protestaktionen gegen die "NATO-Frühjahrstagung" am 3. Juni und öffentlichkeitswirksame Störversuche beim Besuch des Papstes am 23. Juni in der Bundeshauptstadt. 33 LIJJ^H/'JT-^JJDUIULJ Wenn sie von Frieden reden, meinen sie Krieg! Demonstration; * *A(r)ligegen dH^NATO-fagungfiiti Berlin Mo., 3. Juni 96-17 Uhr * Adenauerplatz (U7) ^ Im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung solcher Aktivitäten gelang es Autonomen auch, Bündnisse mit I nicntextre . nicht extremistischen Organisationen und Gruppierungen einzu-1 mistischen 1 Organisationen gehen. Aktion - Gelöbnis verhindern Sektott a sind immer mtdi Mörder; LlNKSEXTOEHJlSilUS Obwohl sich die Szene durchaus darüber im klaren ist, daß sie Großereignisse, wie die geschilderten, nicht verhindern kann, sieht sie es bereits als Erfolg an, wenn spektakuläre Störungen das Image der Hauptstadt in den Medien prägen und dadurch schädigen. 2.1.4 Aktionsschwerpunkte t "Antifaschistischer Kampf" "Antifaschismus" ist neben dem Schlagwort "Umstrukturierung" einer von zwei Komplexen, denen sich Autonome im Berichtszeitraum ähnlich vorrangig wie in den Vorjahren widmeten. Von Anfang an wird der "antifaschistische Kampf von ihnen als mobilisierungsträchtiges Thema zur Legitimierung autonomer Positionen über die eigenen Reihen hinaus genutzt. "Antifaschismus", uminterpretiert zu einer politischen Kampfparole gegen angebliche staatliche "Unterdrückungsmechanismen", bildet die ideologische Brücke zu einem erweiterten Faschismusbegriff, der geeignet ist, bisher nicht extremistische "Linke" an bewußt verfassungsfeindliche Positionen heranzuführen. Im linksextremistischen Sprachgebrauch beschränkt sich "Antifaschismus" nicht nur auf eine Gegnerschaft zu Rechtsradikalismus/-extremismus. Vielmehr beschreiben Linksextremisten mit "Faschismus" auch die politische und ökonomische Ordnung Deutschlands. "Antifaschismus" dient also zur Rechtfertigung der angestrebten fundamentalen Systemveränderung: Ein Polizeieinsatz wird als "alltäglicher Faschismus" gebrandmarkt, die Marktwirtschaft als Grundlage des "faschistischen Staates" diffamiert. Wie bedeutend der "antifaschistische Kampf für die autonome Szene ist, belegen die vielfältigen Szenepublikationen. In ihnen wird "aktuelle Militanz" gerechtfertigt und über ein hochstilisiertes, "idealisiertes" Gewaltverständnis zu gesteigerter Ge- 35 UNKSEXTREMISMUS waltbereitschaft gegen Vertreter "faschistischen" Gedankenguts animiert. Das Gros militanter linksextremistischer Aktionen gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten war so wiederum autonomen Kreisen zuzurechnen. Im Beobachtungszeitraum stieg die Anzahl derartiger Taten gegenüber dem Vorjahr auf 24 und damit fast auf das Doppelte an (1995: 13). Militante Aktionen von Linksextremisten gegen (vermeintliche) Rechtsextremisten in Berlin und Deutschland 1996 1996 1995 1995 Aktionen Berlin Bund Berlin Bund gesamt 24 69 13 80 darunter: Brandanschläge 6 10 3 14 Unfriedliche Aktionen begleitet von Landfrie- 2 14 2 10 densbruch u. ä. Straftaten Körperverletzungen 10 16 2 24 Sachbeschädigungen 3 29 6 29 Eine herausragende Rolle innerhalb der autonomen "Antifa" - Szene nimmt die von der gewaltorientierten Göttinger "Autonomen Antifa (M)" dominierte "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) ein. Diesem Zusammenschluß gehören 14 Gruppen an, aus Berlin die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB), die "Rote Antifaschistische Initiative" (RAI) und die "Feministische Antifaschistisch Revolutionäre Aktion" (FARA). Diese Gruppen grenzen sich von der autonomen Szene zunehmend durch eine früher nicht feststellbare Kontinuität an politischer Arbeit und eine in der AA/BO praktizierte beachtliche 36 LINKSEXTREM J liuJUU Verbindlichkeit von Gremienentscheidungen und -Vereinbarungen ab. 1996 hatte die Berliner "Antifa"-Szene mit ihren Bemühungen um "Organisierung" Erfolg, einst vorherrschende Spontaneität verlor unter "Antifa"-Aktivisten zugunsten eher planvoller Vorgehensweisen an Signifikanz. Derzeit ist in Berlin eine Konzentration militant-antifaschistischer Gruppierungen festzustellen. U. a. haben Autonome aus Passau (Bayern) und Göttingen (Niedersachsen) ihr Aktionsfeld nach Berlin verlagert. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die "Antifaschistische Aktion Berlin" (AAB). Die AAB wurde Mitte 1993 gegründet. Ihr gehören derzeit etwa 40 Mitglieder an. Als vorrangiges Ziel definiert die AAB den Aufbau verbindlicher "Antifa"-Strukturen in Berlin und Umgebung. Hierzu beteiligt sie sich nach eigenen Angaben auch regelmäßig an den sog. Vernetzungstreffen Berliner autonomer "Antifa"-Gruppen. Ihr gelang es, wie sie ferner erklärte, "Antifa"-Jugendgruppen in Friedrichshain, Treptow, Prenzlauer Berg, Lichtenberg und Kreuzberg im Sinne der Absichten Autonomer zu "infiltrieren" oder neu zu gründen. Die AAB propagiert einen militanten "Antifaschismus". Neben der Unterstützung zahlreicher Aufrufe in Flugblättern zu den Themen "Antifaschismus", "Rassismus", "Flüchtlinge und Migration" beteiligte sich die AAB an der Vorbereitung mehrerer Demonstrationen. So initiierte sie im Berichtszeitraum beispielsweise die "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" vom Rosa-Luxemburg-Platz (Mitte) zum Kollwitzplatz (Prenzlauer Berg). An dem Aufzug nahmen etwa 9 000 Personen teil, darunter ca. 800 Autonome. Während des Marsches und nach Abschluß der Demonstration kam es zu Ausschreitungen. R A i l B e i der "Roten Antifaschistischen Initiative" (RAI) handelt es jP sich um eine kommunistisch orientierte Gruppe, deren Fernziel darin besteht, mit anderen Gruppen eine kommunistische Partei zu gründen. LJiJ^szrris/jJi^JU:; Die "Feministische Antifaschistisch-Revolutionäre Aktion" (FARA) versteht sich als "feministische antiimperialistische Gruppe mit antifaschistischen Ansätzen". Sie will versuchen, über "Antifa-Arbeit" breite Teile der Bevölkerung zu erreichen, um so auch andere Inhalte vermitteln zu können, wie z. B. die "Aufbrechung von allen Unterdrückungsstrukturen". "Faschismus und bürgerliche Demokratie" sind für sie nur Ausformungen des gleichen gesellschaftlichen "patriarchal-imperialistischen" Systems. Beispiele für Aktivitäten der Berliner autonomen "Antifa" * 31. August beteiligten sich 550 Personen, Beteiligung an einer "Antifa"darunter zahlreiche Autonome. Demonstration in Lübeck Gegen die Festnahme eines (Schleswig-Holstein) und Grewiedererkannten Straftäters leivesmühlen (Mecklenburg-Vorsteten Demonstranten Widerpommern) unter dem Motto stand. 18 Personen wurden in "Den Tätern auf die Pelle diesem Zusammenhang wegen rücken. .. auf nach GrevesVerdachts der Körperverletmühlen ...". zung, der versuchten GefangeZu dem Aufzug war bundesweit nenbefreiung und des Landaufgerufen worden. Es beteifriedensbruchs vorläufig festligten sich ca. 350 Demongenommen. stranten, darunter etwa 150 Berliner, überwiegend Angehö- * 16. November rige der autonomen Szene. Die Beteiligung an einer "Antifa"Demonstration in Lübeck verDemonstratioh in Wurzen lief weitgehend friedlich. Im (Sachsen) unter dem Motto Anschluß daran fuhren etwa "Kampf den braunen Zonen - 160 Demonstrationsteilnehmer den rechten Konsens durchmit dem Zug nach Grevesbrechen! Keine Räume den mühlen. Dort wurden sie, die Faschisten!". Mehrzahl von ihnen Berliner, Die Initiatoren hatten hierzu von der Polizei festgenommen bundesweit mobilisiert. Es beund erkennungsdienstlich beteiligten sich etwa 4 000 Perhandelt. sonen, darunter zahlreiche Angehörige aus der Berliner * 9. November "Antifa"-Szene, die mit Bussen "Antifa"-Demonstration in Berund privaten Pkw angereist lin-Tiergarten aus Anlaß des waren. Der Aufzug verlief weit58. Jahrestages der "Reichspogehend friedlich. gromnacht" unter dem Motto "KEIN VERGEBEN KEIN VER- * 23. November GESSEN". "Antifa"-Demonstration in BerAn dem von der "Antifaschilin-Friedrichshain unter dem stischen Initiative Moabit" Motto "Kampf dem Faschismus (AIM) veranstalteten Aufzug UNKSEXTREMISMUS - Mach 'ne Faust aus deiner Hand!". Thematischer Hinter1Kampf) grund war der 4. Todestag von Silvio Meier, eines jungen Mannes, der am 21. November 1992 'dem Faschismusf)l bei Auseinandersetzungen zwiMach 'ne Faust aus deiner Hand! ! schen "Linken" und "Rechten" erstochen worden war. > Demonstration Es beteiligten sich ca. 1 100 Personen, darunter zahlreiche Autonome. Bei Vorkontrollen wurden wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz 19 Personen vorläufig festgenommen. "Umstrukturierung" Für Berliner Autonome ist die fundamentale Ablehnung der Militante 1 Gegnerschaft Verlagerung von Parlament und Regierung nach Berlin identizum Haupttätsstiftend. Ihre militante Gegnerschaft zum Hauptstadtbestadtbeschluß i schluß des Deutschen Bundestages entspringt der Befürchtung, daß der nunmehr zwangsläufig eintretende urbane Wandel durch Umund Ausbau ganzer Quartiere eine gewaltige soziale und ökonomische "Umstrukturierung" zum Nachteil "ärmerer" Bevölkerungsschichten mit sich bringen werde. Besonders vom Strukturwandel betroffen sind nach dem Fall der Mauer die Bezirke Neukölln, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg und Mitte. Nach Vereinigung beider Stadthälften und der Entscheidung für Berlin als Regierungsund Parlamentssitz sind diese Stadtteile aus der Randlage in die Mitte der Metropole Berlin und ihrer Investitionsräume gerückt. Hierin sieht die autonome Szene nicht zuletzt auch eine Bedrohung ihrer "Nischen", die bisher ein mehr oder weniger von gesellschaftlichen Zwängen freies Leben ermöglichten. Insofern führen die Autonomen inzwischen den Kampf gegen die "Umstrukturierung" nicht nur als Kampf gegen Staat und Gesellschaft, sondern auch ums eigene "Überleben". 39 UNKSEXTREMJSMUS Im Blickpunkt autonomer Kritik stehen sowohl Projekte im 'Gegen Berlin Rahmen des Ausbaues Berlins zur europäischen Dienstleials europäische Dienstleistungsund Verwaltungsmetropole, wie z. B. die Bebauung des stungsund Potsdamer Platzes, der Tiergartentunnel, der Neubau des Verwaltungs- I metropole Lehrter Bahnhofes, als auch die gesamte Stadtentwicklung im Hinblick auf den Regierungsumzug. Ziel der Aktionen Autonomer, insbesondere Brandanschläge und Sachbeschädigungen, sind vor allem Firmen, die mit "Umstrukturierung" in Zusammenhang zu bringen sind sowie Großunternehmen und Läden, die sie als "Schicki-Micki-Läden" einstufen. Am 15. Februar versuchten unbekannte Täter einen vor dem Schauspielhaus in der Charlottenstraße (Berlin-Mitte) abgestellten Übertragungswagen des "Zweiten Deutschen Femsehens" (ZDF) mit zwei Molotowcocktails in Brand zu setzen. UNKSEXTT^jJJlJtfJUS Dabei wurde das fernsehtechnisch aufwendig ausgestattete, mehrere Millionen DM teure Fahrzeug beschädigt. In einer Taterklärung, die bei der "tageszeitung" (taz) am 20. Februar 1996 einging, bekannte sich ein "BegrüßungsKOMITEE des neuen Innensenators Schönbohm" zu dem Anschlag, der als "verfrühter" Beginn geplanter "Chaos-Tage" im Zusammenhang mit der Eröffnung des französischen Kaufhauses "Galeries Lafayette" bezeichnet wurde. Zwei Tage später kündigten Unbekannte in dem autonomen Szene-Blatt "INTERIM", Nr. 364, an, man werde sich "... dieses Spektakel zur Einweihung der Luxusmeile nicht entgehen lassen. Tragen wir unser Chaos in ihre wohlsortierte Ladenzeile". Schließlich hieß es: "Für die Begehung müßt Ihr Euch selber was einfallen lassen. Krieg den Palästen!" Am frühen Morgen des 14. Oktober setzten Gewalttäter an drei unterschiedlichen Orten in Berlin-Friedrichshain hochwertige Kraftfahrzeuge in Brand. Eine Taterklärung, die in der "INTERIM", Nr. 393, Mitte Oktober 1996 veröffentlicht wurde, wendete sich gegen "Bonzen, Yuppies und anderes reiches Gesockse" sowie gegen "die Regierenden". Die Schreiber riefen zum "Widerstand gegen die miese Bonzenpolitik" auf und schlossen mit den Worten "Leute wehrt Euch!!! Haltet zusammen!!! Kampf dem Kapital!" 41 UNKSE/ji^muiu:; Gewalteskalation nach Räumung besetzter Häuser Die seit Anfang 1996 vollzogenen polizeilichen Räumungen beRäumung besetzter Häuser in Mitte, Charlottenburg, Lichtenberg, Friedrichssetzter Häuser als Ursache für hain und Prenzlauer Berg führten vornehmlich bei Autonomen Gewaltaus den beiden zuletzt genannten östlichen Bezirken zu einer eskalation Welle der Solidarität, die mit Reaktionen im "Häuserkampf" aus dem Jahre 1990 vergleichbar war. Die polizeilichen Maßnahmen riefen bei den Szene-Angehörigen einen seit langem nicht mehr festgestellten militanten Aktionismus zur Verteidigung der geschaffenen "Freiräume" hervor. Ihr eigentliches Anliegen, auf eine Beseitigung der von ihnen als "Kapitalismus" oder "System" umschriebenen bestehenden Ordnung hinzuarbeiten, verdeutlichten die Autonomen auch in schriftlichen Reaktionen auf die Räumungen. "Ziel des Kampfes für mietfreies Wohnen", so hieß es sinngemäß, sei es, den "Kapitalismus", der Symptome wie die "Räumungsoffensive" bzw. die Wohnungspolitik des Berliner Senats hervorbringe, zu bekämpfen. Ihren "Kampf um einen Erhalt der "Freiräume" in besetzten Objekten verbanden sie darüber hinaus mit dem Slogan eines "praktizierten Antifaschismus": "hausbesetzung heißt für uns auch kämpf gegen ein System, dessen alltäglicher faschismus jetzt mit dem morden von lübeck wieder eskalierte" *ER DRECK M U B V E G B S " C M *-KCL SC SL *** , (; : ^ X ' v ^ y ^ LINKSEXTREM J 'J ul U Z Die Räumungen hatten in der Regel eine Vielzahl von Straftaten zur Folge. U. a. waren im Verlauf des Monats November diverse Brandanschläge auf Baufahrzeuge, hochwertige Pkw, Einsatzfahrzeuge der Polizei sowie auf eine Polizeiwache zu verzeichnen. - Zu den herausragenden Straftaten zählten: * 25./26. März und kippten ihn um. Auf die Brandanschlag auf ein KinderKreuzung Lychener Straße/ ausstattungsgeschäft - VandaRaumerstraße wurden Holzpalismus an mehreren anderen letten und Unrat geworfen und Läden. angezündet. An umliegenden Unbekannte Täter warfen die Häusern zerstörten Gewalttäter Schaufensterscheibe des KinFensterscheiben durch Steinderausstattungsgeschäftes in würfe. Berlin-Friedrichshain ein und schleuderten mehrere Brand- * 3. Oktober sätze in das Innere. Im Gang Brandanschlag und Vandalisder dortigen Einkaufspassage mus in Berlin-Mitte. zündeten sie einen NebelwurfCa. 50 Autonome setzten körper. abends in der Friedrichstraße In der gleichen Nacht zereinen Pkw Mercedes und einen schlugen 15 bis 20 vermummte, Bagger in Brand. Außerdem mit Baseballschlägern und wurden unweit davon Schaueinem Hammer bewaffnete fensterscheiben einer Bank Täter die Glasscheiben an fünf und eines Einkaufszentrums Geschäften in Berlin-Mitte ein. eingeworfen. Ein "Radikales Aktionsbündnis von unten" wandte sich in sei- * 31. Oktober nem Bekennerschreiben gegen Anschlag auf Niederlassung "Sozialabbau...Konsumtem pel der Mercedes-Benz AG in ...Bonzen und Yuppies". Berlin-Charlottenburg. Frühmorgens warfen Gewalt- * 21. April täter zahlreiche SchaufensterStraßenblockade in Berlinscheiben ein und schleuderten Prenzlauer Berg. zwei Molotow-Cocktails in das Am frühen Abend zündeten ca. Gebäude, die von selbst er15 bis 20 Personen die mit loschen. Ferner wurden FahrPapierresten beladene Ladezeuge im Ausstellungsraum fläche eines Kleinlastwagens und Fahrzeuge auf dem Gean. Anschließend schoben sie lände des Unternehmens beden brennenden Lkw auf die schädigt. Es entstand hoher Fahrbahn der Danziger Straße. Sachschaden. * 23. April * 1. November Ausschreitungen in BerlinBrandanschlag auf eine StrasPrenzlauer Berg. senbahn in Berlin-FriedrichsEtwa 30 vermummte Personen hain. zogen in der Lychener Straße/ Etwa 10 bis 20 vermummte Ecke Lettestraße einen BauPersonen zwangen an der wagen in die Straßenmündung Boxhagener Straße/Ecke Kreut- INKSEXTREMISMUS zigerstraße einen StraßenbahnNachdem die Täter dort zu fahrer zum Halten und fornächtlicher Zeit ein Fenster derten die Fahrgäste zum Vereingeschlagen hatten, entzünlassen des Fahrzeugs auf. deten sie im Rauminneren Danach zerschlugen die Geeinen Molotow-Cocktail. Es walttäter die Fenster des Waentstand Sachschaden. gens und setzten ihn in Brand. Es entstand Sachschaden von 25. November ca. 250 000 DM. Ein Fahrgast Brandanschlag auf dem Firmußte unter Schockeinwirkung mengelände eines Sanitärhändin ein Krankenhaus eingeliefert lers in Berlin-Kaulsdorf. werden. Vier Firmenfahrzeuge wurden in Brand gesetzt. An allen Fahr4. November zeugen entstand Totalschaden, Brandanschlag auf Funkwagen die Schadenshöhe liegt bei ca. in Berlin-Friedrichshain. 500 000 DM. Gewalttäter warfen unter das An die Rückwand einer Lagervor einem Polizeiabschnitt abhalle sprühten die Täter den gestellte Einsatzfahrzeug zwei Satz "Wer zuletzt lacht!!! AutoBrandsätze. Es entstand Sachnome Gruppen". schaden von etwa 2 000 DM. Der geschädigte Geschäftsmann war zumindest seinerzeit 22. November Eigentümer zweier ehemals beBrandanschlag auf das Dienstsetzter Häuser in Berlin-Prenzgebäude eines Polizeiablauer Berg und Berlin-Frieschnitts in Berlin-Friedrichsdrichshain. hain. Parallel zu den Gewalttätigkeiten wurden verschiedene andere öffentlichkeitswirksame Aktionen durchgeführt. Im Mittelpunkt stand ein "Spektakel gegen den Hauptstadtwahn" unter dem Motto "TU ERNST! FÜR KOLLEKTIVE LEBENSFORMEN! GEGEN DEN HAUPTSTADTWAHN!" vom 24. bis 30. November 1996. Höhepunkte dieser "Aktionswoche" waren eine sog. SPASSDEMO am 27. November und ein anderer Aufzug am 30. November 1996. An der Demonstration am 30. November unter dem Motto "Friede den Hütten, Krieg den Palästen!", zu der bundesweit mobilisiert worden war, beteiligten sich u. a. etwa 300 Autonome. In einem Mobilisierungsflugblatt der "Autonomen Gruppen in und bei der PDS" (AG AG) zu der Demonstration hieß es: 44 JjJ/^H/TfiiMISMUS "Langsam erinnern sich die Leute an die Losung der 80er Jahre: 'Pro Räumung, eine Million Sachschaden!' Der Angriff auf Daimler-Benz, der Angriff auf die Straßenbahn, etliche Entglasungen und Brandanschläge werden wohl kaum das Letzte gewesen sein. Friedrichshain im Belagerungszustand. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis es wieder knallt. Schönbohm hat alternativen Lebensformen den Krieg erklärt, er bekommt ihn. Schön Blöd, Herr Schönbohm, Wer Räumung sät, wird Chaos ernten!" Zu den äußerst aggressiven Protesten Autonomer gegen die Häuserräumungen gehörten auch Drohungen gegen Leib und Leben des Berliner Innensenators. Auf Plakaten und Transparenten standen u. a. folgende Schlagworte zu lesen: "Tötet SCHÖNBOHM", "Kill SCHÖNBOHM" und "Es gibt eine Waffe gegen SCHÖHNBOHM - 9 mm". "Anti-CASTOR"-Kampagne "*"V Militante Atomkraftgegner reagierten auf den Transport abgeDiverse rsem Anschläge im SS Zusammenhang brannter Nuklearbrennstäbe in "CASTOR"-Behältern zum Zwimit "CASTOR"schenlager nach Gorleben (Niedersachsen) nahezu bundesweit Transporte I mit Anschlägen gegen Anlagen der Deutschen Bahn AG (DB) p F und Einrichtungen der Energiewirtschaft. Autonome schrieben, die DB werde sabotiert, weil sie als unersetzliches Glied in der Entsorgungskette der Atomindustrie strahlungsaktiven Müll transportiere. Träger des politisch motivierten gewalttätigen Protestes gegen die "Atomwirtschaft" sind im wesentlichen Linksextremisten aus dem autonomen Spektrum. Die "Anti-CASTOR"-Kampagne dient ihnen hierbei als ein aus ihrer Sicht geeigneter thematischer Ansatz, der generelle Rechtfertigungen für Angriffe auf das "kapitalistische System und den Staat" vermitteln soll. Ljjj/.'^/.-rp.SjMnjMU'j So beschädigten unbekannte Gruppen unter der Kampfparole "Hau weg den Scheiss" im Februar und Mai Strommasten in Brandenburg. Frühmorgens am 7. Oktober versuchten militante Kernkraftgegner, an verschiedenen Orten mit Wurfankern Oberleitungen der Bahn außer Betrieb zu setzen. Allein in Berlin und Brandenburg wurde der Bahnverkehr auf fünf Streckenabschnitten zum Erliegen gebracht. In einem "Kommunique autonomer Gruppen" forderten die Täter unter Bezugnahme auf den Transport verbrauchter atomarer Brennstäbe "ins Wendland" den "offensiven Angriff auf die fnfrastruktur von Bahn-, Stromund Staatseinrichtungen". 2.1.5 Publikationen Innerhalb der Kommunikationsstruktur des autonomen Geflechts kommt mehreren zum Teil konspirativ verbreiteten SzeneBlättern besondere Bedeutung zu. Wichtigstes Medium ist die seit April 1988 als sog. Wöchentliches Berlin-Info herausgegebene Zeitschrift "INTERIM". Das grundsätzlich donnerstags, in einer geschätzten Auflage von 1 500 Exemplaren zum Preis von 2,50 DM (auswärts 3 DM) erscheinende Blatt veröffentlicht aktuell kursierende Flugblätter und Verlautbarungen. Hauptthemen waren in diesem Jahr die Bereiche AtomkraftfAnti-CASTOR", Hausbesetzungen/Häuserräumungen und Stadtentwicklung/"Umstrukturierung". Vornehmlich wurden Aufrufe zu Aktionen, Taterklärungen gewalttätiger Gruppen und Anleitungen für Anschläge abgedruckt. Über den Zeitraum von acht Jahren ihres Bestehens entwickelte sich die "INTERIM" in der Szene zu einer Publikation mit nahezu institutionellem Charakter. Obwohl die "INTERIM"-Urheber "den festen Kreis der Macherinnen" erweitert und die Herstellung "in einer Art Rotation mit 46 LINKSEXTREMISMUS anderen" aufgeteilt haben wollen, wird die Zeitschrift nach wie vor konspirativ produziert. mmmmm Wöchentliches Berlin-Info 2^ DM Nr. 373 25.4.1996 ^^^^ 47 UNKSEXTT^JIDUILI:; Diese verdeckte Arbeitsweise, charakteristisch für das Handeln "geschlossener" autonomer Gruppen, zu denen auch der "INTERIM"-Herausgeberkreis gerechnet werden muß, wird von den Machern des Blattes offenbar konsequent eingehalten. Für die Praxis bedeutet dies, daß weder Treffpunkte noch -termine, geschweige denn Informationen über die eigene Struktur, insbesondere die personellen Hintergründe, öffentlich bekanntgemacht werden. 2.1.6 Einsatz innovativer Kommunikationstechniken Nach allgemein anerkannten Schätzungen hatten Ende 1995 schon zwischen 50 und 70 Millionen Menschen Zugang zum INTERNET. In den letzten zwei Jahren werden diese globalen Kommunikationsmöglichkeiten verstärkt von Extremisten genutzt. Eine "eigene Öffentlichkeit" wird außerdem durch weltweit gespannte, untereinander vernetzte Mailbox-Systeme hergestellt, wobei viele Mailboxen zusätzlich an das INTERNET angebunden sind. Das 1991 von Angehörigen des autonomen Spektrums und des RAF-Umfeldes entwickelte computergestützte Nachrichtensystem "SpinnenNetz" (SN) besteht zur Zeit aus drei Mailboxen in Berlin, Bonn und Frankfurt/M., über die das Informationsmaterial verwaltet und abrufbar gehalten wird. Es dient hauptsächlich der internen, konspirativen Kommunikation, wobei zur Geheimhaltung der Nachrichten ein Verschlüsselungsprogramm benutzt wird. Sehr verbreitet ist das Programm "Pretty Good Privacy" (PGP). 48 UNKSExrr iz?A j j j(;jus 2.2 Terrorismus Eine weitere Form des gewaltbereiten Linksextremismus ist der Umwälzung! erst nach Terrorismus. Diese Variante im linksextremistischen Kampf Zerstörung der j gegen den demokratischen Verfassungsstaat geht von der Anbestehenden Ordnung nahme aus, jedwede angestrebte Umwälzung habe zwingend möglich nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn zuvor das Vertrauen in die bestehende politische Ordnung mit ihren Abwehrmechanismen gegen totalitäre Bedrohungen durch gezielt herbeigeführte spürbare Sicherheitsgefährdungen nachhaltig erschüttert werde. Terroristische Gewalt bedeutet zumeist, schwere Straftaten zu begehen, wie sie in SS 129a Abs. 1 StGB aufgeführt sind, also z. B. Mord, erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme. Mit ihren Aktionen wollen Terroristen Furcht und Schrecken bei den von ihnen bekämpften Vertretern des "Systems" erregen, gleichzeitig aber auch Aufmerksamkeit wecken und zumindest längerfristig Sympathie bei breiteren Bevölkerungskreisen für ihre politischen Ziele bewirken. Terroristen erhoffen sich eine massenmobilisierende und revolutionierende Wirkung. VHEF[flTCUL wmnu*v& * R O T E P H U E (tm) (tm) HAH 49 UNSCH/TfiSi'jJJ'JjläUS 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Mitgliederzahl: a) Kommandobereich: unbekannt b) RAF-Umfeld: bundesweit: k. A. in Berlin ca. 15 (1995: höchstens 50) Organisationsstruktur: Kommandobereich, Inhaftierte und Umfeld Entstehung/Gründung: 1970 Ideologie: divergierende Auffassungen: Neuorientierung im Sinne des Aufbaus einer "sozialen Gegenmacht von unten" oder Fortsetzung des "antiimperialistischen Kampfes" anhand früherer RAF-Konzeptionen :::: .:* :,**-*, g S i ,.*; .:::\..r '**PS*% Die RAF geht entstehungsgeschichtlich zurück auf die im Jahre #*" I Entstehung 1970 von einem Kreis um Andreas BAADER und Ulrike MEIN- M M HOF gebildete "BAADER-MEINHOF-Gruppe". Der Kommando- * ** " bereich als illegaler Kern der RAF zeichnete jeweils für die Terroranschläge verantwortlich. 1992 gab die Kommandoebene ein Eingeständnis des Scheiterns ihres "bewaffneten Kampfes" ab und verkündete eine "Kampfpause". Diese zeitweilige "Rücknahme der Eskalation" knüpfte die Terrororganisation jedoch an das Verhalten des Staates bezüglich einiger zentraler Anliegen des Kommandobereichs. Das neue Konzept des Kommandobereichs, über "soziale Aneignungsprozesse" und den Aufbau einer "Gegenmacht von unten" zu einem "neuen internationalen Kampf für die Umwälzung" zu gelangen, führte zu einer Spaltung des RAF-Gefüges in zwei "Fraktionen". Nur eine Minderheit in der Anhängerschaft, dem RAF-Umfeld, zählt zu den Befürwortern der neuen Linie. Die Position der "hardliner"-Mehrheit, darunter auch die seit Jahren inhaftierten ehemaligen RAF-Mitglieder, nähert sich faktisch immer mehr der des "Antiimperialistischen Widerstandes" (AIW) an. Gefordert wird eine weitestgehend ideologiebereinigte, an den "realen Prozessen" ausgerichtete "Neuorientierung amtiimperialistischer revolutionärer Politik". Der "bewaffnete Kampf" als Mittel zur Zielerreichung wird hierbei grundsätzlich akzeptiert. UNKSEXmHAJJlii'jJU:; * RAF-Kommandoebene und RAF-Inhaftierte Seit dem 6. März 1994 (Datum der letzten "Grundsatzerklärung") hatte die Kommandoebene längere Zeit jegliches Lebenszeichen vermissen lassen. Selbst - aus ihrem Verständnis - derart "zentrale Ereignisse" wie die bundesweite Durchsuchungsaktion u. a. gegen Hersteller und Verbreiter des linksextremistischen Untergrundblattes "radikal" etc. am 13. Juni 1995 ("Repression"), die von der "Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung" (EZLN) in Mexiko/ Chiapas initiierten weltweiten Kampagnen "für eine menschliche Gesellschaft und gegen den Neoliberalismus"2 ("Internationalismus") sowie letztlich die Verurteilung ihrer "Genossin" Birgit HOGEFELD zu lebenslanger Freiheitsstrafe am 5. November 1996 ("Gefangenenfrage"), ließen die "Illegalen" unkommentiert. Vor der Urteilsverkündung hatte HOGEFELD sich in ihrem Schlußwort am 29. Oktober der Forderung des inhaftierten RAFMitgliedes Helmut POHL ("hardliner") nach "Auflösung der RAF" angeschlossen - dieser Schritt sei "lange überfällig". Die Notwendigkeit, "daß die Illegalen ihre Auflösung als RAF erklären", hatte POHL in einem Interview, veröffentlicht im Juni 1996, betont. Das Hauptanliegen dieses "(selbst)kritischen Rückblickes" auf die Geschichte der RAF und ihr Tun ist es erklärtermaßen jedoch, aus der Haft, "Wege zur Entlassung zu finden". Nachdem am 2. Mai 1996 Bernhard RÖßNER begnadigt und am 10. Mai Hanna KRABBE sowie am 7. Juni Susanne BECKER geb. ALBRECHT auf Bewährung entlassen worden waren, verbüßen nunmehr noch neun RAF-Mitglieder ihre lebenslangen Freiheitsstrafen. Angesichts einer so scheinbar unaufhörlich fortschreitenden Desintegration der RAF-ZuDesintegration der RAF-Zusammenhänge stellte sich im sammenhänge Jahresverlauf immer stärker die Frage nach dem aktuellen Unter "Neoliberalismus" verstehen seine Kritiker die Reduktion der sozialen Marktwirtschaft auf die "inhumanen", klassisch-kapitalistischen Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage. 51 LJ]i;^/r;^i\jni"s Selbstverständnis der "Illegalen" und ihrem künftigen Verhalten. Wollten sie nicht auch den letzten Rest an "Glaubwürdigkeit" bei ihrer Anhängerschaft bzw. der "revolutionären Linken" schlechthin verlieren, mußten sie reagieren. Dies taten sie mit einem Positionspapier vom 29. November 1996. Anders als allgemein erwartet, nahmen sie jedoch nicht die Verurteilung ihrer "Weggefährtin" Birgit HOGEFELD hierfür zum Anlaß, sondern die Selbstgestellung des mutmaßlichen, steckbrieflich gesuchten RAF-Mitgliedes Christoph SEIDLER. Dieser hatte sich wenige Tage zuvor im Rahmen des sog. AusAUSSteig( steigerprogrammes des Bundesamtes für Verfassungsschutz I Programm (BfV) den Strafverfolgungsbehörden gestellt. Der gegen ihn bestehende Haftbefehl wurde vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes (BGH) aufgehoben. Die Ermittlungen gegen SEIDLER dauern an. Das "Aussteigerprogramm" und die daraus resultierende Notwendigkeit, "illegale Kampfstrukturen" zu schützen, sind das zentrale Thema dieser jüngsten Erklärung der insofern besorgten Kommandoebene. Nicht nur dieser "Schutz" sei gemeinsam zu leisten, sondern vor allem auch die "Neubestimmung revolutionärer Politik und Neuformierung einer radikalen Linken". Die Forderungen HOGEFELDs und POHLs nach politischen Ansätzen im Spannungsfeld "Staat/radikale Linke" sowie der "Auflösung der RAF" blieben unkommentiert. Diese RAF-Stellungnahme wurde Mitte Dezember auch in der autonomen Szene-Publikation "INTERIM", Nr. 401, veröffentlicht, hier jedoch mit einem Zusatz "für die interim". Mit dieser, wie ein "Leserbrief anmutenden, "Teilerklärung" sollte hauptsächlich klargestellt werden, daß der Verfassungs- - schütz über seinen V(ertrauens)-Mann "keinen einfluß auf LINKSEXTREM:; j "JU: politische entscheidungen, die die raf getroffen hat" ausüben konnte.3 Bereits am 9. Dezember meldeten sich die Illegalen erneut zu Wort. Sie bekräftigen ihre Absicht, "zusammen mit anderen Genossinnen, die nicht in der RAF organisiert sind, ein Resümee der Geschichte der Linken - und in ihr der RAF - ziehen" zu wollen. Da sich dieses Vorhaben "aber als sehr langwieriges Projekt herausgestellt" habe, "werden wir es demnächst doch unabhängig davon und doch wieder nur als RAF machen". 4 RAF-Umfeld Die Bezeichnung "RAF-Umfeld" ist ein Begriff der Sicherheitsbehörden. Solange die RAF sich als einheitliches Gesamtgefüge darstellte, kam diesem Personenkreis in erster Linie eine agitative und logistische Unterstützungsbzw. auch Rekrutierungsfunktion für den Kommandobereich zu. Die Fraktionierung der RAF setzte sich konsequenterweise auch in dieser Struktur fort. In Berlin werden noch ca. 15 Personen (gegenüber ehemals höchstens 50) zu den Unterstützern der momentanen RAFKommandoebene und ihrer umstrittenen "neuen Politik" gezählt. Dieser Personenkreis entwickelt sich allerdings zunehmend, nicht zuletzt wegen seiner kaum noch wahrnehmbaren öffentlichen Aktivitäten, in Richtung einer zu vernachlässigenden Größe. Der größere Teil des ehemaligen (Gesamt-)RAF-Umfeldes ist im Bereich "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) aufgegangen. Der Festnahmeaktion gegen die zwei mutmaßlichen RAF-Mitglieder Wolfgang GRAMS und Birgit HOGEFELD am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern), in deren Verlauf GRAMS und ein GSG 9-Beamter erschossen wurden, war eine längere Operation von Verfassungsschutzämtern vorausgegangen. 53 LJjJ^H/JiiHuJJSIHUS 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ)4 Mitgliederzahl: k. A. Organisationsstruktur: überregionaler Personenzusammenhang mit unterschiedlichen regionalen Bezügen Entstehung/Gründung: 22. April 1992 (nach eigenen Angaben) Ideologie: marxistisch-leninistische Ideologiepartikel unter Einschluß konzeptioneller Varianten lateinamerikanischer Guerilla-Bewegungen, Anlehnung an frühere RAF-Theorien sowie eine für hiesige Verhältnisse ungewöhnliche islamistische Ausrichtung Der "überregionale Personenzusammenhang" AIZ agiert nach einheitlichem Täterwillen arbeitsteilig und strebt Resonanz in Orientierung an anderen antiimperialistischen Zusammenhängen an. Er orientraditionellen tiert sich an der traditionellen RAF-Konzeption. Seine Aktionen RAF-Konzepten will er als "Teil einer Politik der militanten Orientierung" verstanden wissen. Unverzichtbar seien "gezielte Angriffe auf einzelne Funktionsträger aus Politik und Wirtschaft, wenn der antiimperialistische Kampf in der BRD ein relevanter werden soll". Deshalb gelte es, "dort militant/bewaffnet anzugreifen, wo die BRD-Eliten ihre Arbeitsplätze bzw. Wohnsitze haben". Die AIZ ist zwar einerseits Teil des Bedrohungskomplexes "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) und als solcher ein bereits "etablierter", "praktizierender" Personenzusammenhang, andererseits jedoch nimmt sie eine Sonderrolle ein. Aus der Sicht der übrigen "revolutionären Linken" ist die Zielauswahl der AIZ umstritten, ihre Anlehnung an islamistische Vorstellungen und Gruppen sei nicht nachvollziehbar. Auf Kritik stößt zudem, daß die AIZ bei ihren Tatausführungen die Gefährdung unbeteiligter Dritter billigend in Kauf nimmt und somit Grundprinzipien der "revolutionären Moral" verletze. Die AIZ beging zwischen dem 21. November 1992 und 23. Dezember 1995 insgesamt neun Anschläge (einschließlich eines Versuches) - davon sechs mittels Sprengstoff. 4 Ehemals: "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia SHEHADAH" (AIW) JNKSEXTREMISMUS Entsprechend ihrer beständig thematisch erweiterten "Interventionsfelder" war der Charakter ihrer Zielobjekte sehr unterschiedlich. Insbesondere richteten AlZ-Terroristen Attacken gegen demokratische Parteien, betroffen waren bis dato die CDU/CSU und die F.D.P. bzw. Funktionsträger beider Organisationen. In allen Fällen blieb es letztlich bei - größtenteils keineswegs geringfügigen - Sachschäden. Eine genauere Betrachtung des Verlaufes der einzelnen Anschläge läßt jedoch die Schlußfolgerung zu, daß das Ausbleiben von Personenschäden anscheinend mehr dem Zufall denn den Tätern zu danken sein dürfte. Die genaue Mitgliederzahl der terroristischen Vereinigung AIZ ist nicht bekannt. Nach der Festnahme zweier Hauptverdächtiger konnten keinerlei Aktivitäten der AIZ mehr festgestellt werden. Lediglich die beiden Festgenommenen versuchten durch zwei Hungerstreikaktionen, aus der Untersuchungshaft heraus für sich und ihre Ziele solidarische Unterstützer zu gewinnen - dies jedoch vergeblich. Durch die polizeilichen Maßnahmen ist zumindest ein wesentlicher Teil dieser Gruppierung neutralisiert worden. 55 LINKSEXTREM Jul Ui; 2.2.3 "Antiimperialistischerwiderstand" (AIW) Mitgliederzahl: k. A, ca. 130 in Berlin Organisationsstruktur: inhomogenes, überregionales Personenpotential mit nur ansatzweise erkennbaren Strukturen Entstehung/Gründung: ca. Mitte/Ende der 80er Jahre Ideologie: Orientierung an RAF-Konzeptionen der 70er und 80er Jahre, propagiert weiterhin den grundsätzlich akzeptierten "bewaffneten Kampf" Publikationen: "clockwork - zusammen für befreiung kämpfen" Der "Antiimperialistische Widerstand" (AIW) - wie er sich nach ca. zehnjähriger Entwicklung darstellt - ist zu einem eigenständigen Beobachtungsfeld der Ämter für Verfassungsschutz erwachsen. In Berlin werden ihm derzeit ca. 130 Personen zugeordnet. Die Anfänge dieses Bedrohungspotentials dürften - aus heutiger Sicht - in der Mitte der 80er Jahre liegen, als Kritiker der RAFPraxis begannen, sich zu artikulieren. Ein erster Höhepunkt dieser Entwicklung war der "Antiimperialistische und Antikapitalistische Widerstandskongreß" in Frankfurt/M. zu Beginn des Jahres 1986. Hier wurde deutlich, daß es der RAF nicht gelungen war, die gesamte Spannbreite der "Antiimperialisten" an sich zu binden. In der Folge entwickelten sich dann auch konsequenterweise verschiedene "antiimperialistische" Strukturen parallel zueinander. Diese speisten sich über die Jahre nicht nur - wie anfänglich - aus RAF-nahen Strukturen, sondern (zunehmend) auch aus den Bereichen "Autonome", "Revolutionäre Zellen" (RZ), "Rote Zora" und anderen "Sozialrevolutionären" Personenzusammenhängen. Im Verlauf dieses "organischen" Wachstums verschwammen die hergebrachten Trennlinien innerhalb des gewaltbereiten Linksextremismus zusehends - augenfälliges Beispiel für Berlin: die Gruppe "Das K.O.M.I.T.E.E.", deren Selbstverständnis sich auf einer Symbiose aus Anschauungen Autonomer und Positionen des früheren RAF-Umfeldes gründet. Seit Abgabe 56 LINKSEXTREM]:^] LT einer "Auflösungserklärung" der Gruppe am 6. September 19955 blieb die Frage eines möglichen Fortbestandes des "K.O.M.I.T.E.E.s" unter anderer Bezeichnung ungeklärt. Zunehmend konnten konsensfähige Themenfelder besetzt werden, die geeignet sind, terroristische Solidarität zu bewirken. Dazu zählt vor allem die "Kurdenproblematik" einschließlich verbreiteter Affinitäten gegenüber der terroristischen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die Gemeinsamkeiten bezüglich der konzeptionellen Zielvorstellungen bestehen in dem Eingeständnis einer weitestgehend "gescheiterten revolutionären Linken" und der Forderung nach einer "Neuorientierung antiimperialistischer revolutionärer Politik" bei grundsätzlicher Akzeptanz des "bewaffneten Kampfes". Das "Wann" und "Wie" sind hierbei umstritten. Dieser "Kampf" soll sich so lange wie möglich - in Anlehnung an Anlehnung an RZ: das hergebrachte Prinzip "Revolutionärer Zellen" (RZ) - aus der Feierabend "Legalität" heraus vollziehen ("Feierabendterrorismus"). terrorismus" Innerhalb des AlW sind schwerpunktmäßig drei Zielrichtungen festzustellen: antipatriarchal, antiimperialistisch und kommunistisch. Mittlerweile hat der AlW das frühere RAF-Umfeld weitestgehend absorbiert. Vgl. Verfassungsschutzbericht Berlin 1995, S. 47ff. 57 UNKSEXTRr JM I yß\m 2.2.4 "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) Mitgliederzahl: k. A. Organisationsstruktur: Zusammenschluß, vermutlich ohne ausgeprägte innere Struktur Entstehung/Gründung: Mitte 1992 Ideologie: Revolutionstheorie gebaut auf Versatzstücken des MarxismusLeninismus Die terroristische Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK), m ein Personenbzw. Gruppenzusammenschluß, der sich dem' * gegen "Stadtteilkampf ' "Stadtteilkampf" gegen die "Umstrukturierung" Berlins ver"Umstrukturierung" Berlins schrieben hat, verübte von Mai 1992 bis Ende 1995 40 vollendete und drei versuchte Brandanschläge, fünf Sprengstoffanschläge sowie zahlreiche sonstige Straftaten, darunter Nötigung und Beleidigung. Ihre Revolutionstheorie gründet die Gruppe auf Versatzstücke des marxistisch-leninistischen Vokabulars. Ziele ihrer auch 1996 durchgeführten Anschläge waren das Wohnhaus eines Professors der Freien Universität Berlin (Sprengstoffanschlag) sowie mehrere Kraftfahrzeuge (Brandanschläge). Anders als im Fall des Hochschullehrers sind die Besitzer der demolierten Fahrzeuge mit Grundstücksgeschäften oder mit der Baubranche in Verbindung zu bringen. Insofern zählen die Geschädigten aus der Sicht der Gruppe KGK, ähnlich wie ihre bisherigen Angriffsziele, zu einem Personenkreis, dem man Mitverantwortung an der "Umstrukturierung" Berlins anlastet. Hingegen beschimpfte KGK in einer neunseitigen Taterklärung zu diesen Anschlägen den betroffenen Rechtswissenschaftler wegen eines von ihm erstellten Gutachtens zum Tarifrecht: Er sei "Klassenfeind" und "Handlanger" des "kapitalistischen" Systems. Damit bemühte sich die Gruppe um eine "thematische Verbreiterung" ihres "Widerstands", indem sie die Anschläge in Kontext mit den derzeitigen Diskussionen und Protestaktionen gegen den "Sozialabbau" brachte. 58 UNKSEXTREMISMUS Eine Vielzahl von Brandanschlägen gegen Fahrzeuge in den letzten Monaten des Jahres 1996, zu denen sich Gruppen mit Phantasienamen wie "autonomes Morgengrauen" oder "Alfred E. Neumann" bekannten, belegen eine deutliche Zunahme von "Nachahmergruppen" bzw. "Trittbrettfahrern". 2.2.5 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" Mitgliederzahl: k. A. Organisationsstruktur: Kleingruppen ohne erkennbare Struktur; die selbständig agierende radikal-feministische Frauengruppe innerhalb der RZ, die "Rote Zora", trennte sich 1993 politisch und organisatorisch von den RZ. Entstehung/Gründung: 1972 in Abgrenzung zu Strategie und Taktik der RAF gebildet Ideologie: Sozialrevolutionär Publikationen: "Revolutionärer Zorn" (mit Ausnahme einer "Extra-Ausgabe" im Oktober 1986 lediglich bis 1981 sporadisch herausgegeben) "radikal" (unregelmäßig, Auflage: nach unbestätigten Schätzungen 5 000) Die "Revolutionären Zellen" (RZ) verfolgen unverändert das Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung "sozialrevolutionär" zu überwinden. Sie bezeichnen die Bundesrepublik Deutschland und andere westliche Industrieländer als "imperialistische" Staaten, deren Politik auch mit "bewaffneten" Aktionen bekämpft werden müsse. Dazu gehören insbesondere Brandund Sprengstoffanschläge gegen - aus Sicht der RZ - breiteren Bevölkerungskreisen vermittelbare Ziele, um politische Konfliktfelder zuzuspitzen und Protestbewegungen zu erzeugen. Anders als die Kommandoebene der RAF agieren die Kleingruppen der RZ nicht aus dem Untergrund, sondern verlassen ihren normalen Lebensrhythmus nur zur Durchführung von Aktionen ("Feierabendterrorismus"). Über die terroristischen Aktivitäten hinaus übt die RZ eine Art Vorbildfunktion für ähnliche Aktionen anderer zur Gewaltausübung bereiter Gruppen und Personen aus. Insbesondere LINKSEXTREM JüHIUS Autonome orientieren sich offenbar häufig am Handlungsmuster der RZ. Denjenigen, die einen Zusammenschluß nach dem Muster der RZ bilden wollen, bietet der "Feierabendterrorismus" der RZ günstigere Bedingungen als die Ideologie der RAF, die ein Abtauchen in die Illegalität beinhaltet. Dies gilt konzeptionell auch für den "Antiimperialistischen Widerstand" (AIW). In Berlin wurden im Zeitraum von 1973 bis einschließlich 1991 durch RZ-Zusammenhänge 35 versuchte bzw. vollendete Anschläge begangen. Seitdem war kein den RZ zuzurechnender Anschlag in Berlin mehr zu verzeichnen. Allerdings wird weiterhin davon ausgegangen, daß es in der Stadt intakte RZ und ein großes Nachahmerpotential, sog. Resonanz-RZ, gibt, das aus aktuellem Anlaß jederzeit aktiv werden kann. Die "Rote Zora", eine aus RZ-Zusammenhängen entstandene Frauengruppe, propagiert als Hauptziel, die "patriarchalische Macht zu zerstören". Dazu seien illegale militante Organisierung, die Bestrafung von "Tätern" und die Zerstörung von Institutionen, die die "Gewaltverhältnisse organisierten und reproduzierten", unabdingbar. In Berlin ist seit 1991 kein Anschlag der "Roten Zora" mehr erfolgt. Dieser "Kampf gegen das Patriarchat" bildet auch einen Schwerpunktbereich innerhalb des AIW. Es wird abzuwarten bleiben, ob und inwieweit sich diese beiden militant-feministischen Potentiale einander annähern., um ihre "Schlagkraft" zu erhöhen. 2.3 Anarchistische Personenzusammenhänge Anarchistisch orientierte Gruppierungen wollen die staatliche und gesellschaftliche Ordnung zerschlagen und/oder zersetzen, um eine nach ihren Vorstellungen herrschaftsfreie Gesellschaft UNr.'j^/ rREiJisivj u 'j ("Anarchie") zu errichten. In Berlin gibt es seit Jahren etwa 100 Personen, die anarchistischen Bestrebungen zuzurechnen sind. Als für Berlin bedeutendster Zusammenschluß ist das "Nationalkomitee Freie DDR" (NKFDDR) zu nennen. Das NKFDDR trat erstmals Anfang Januar 1992 mit der Verbreitung einer Gründungserklärung an die Öffentlichkeit. Das Komitee wolle, so hieß es, "die Besetzung der DDR durch den BRD-Imperialismus" nicht hinnehmen, sondern den "Anschluß und seine Folgen bekämpfen". "Gegen die Folgen des Anschlusses" rege sich Widerstand "in der besetzten DDR". "In das Feuer dieser Klassenkämpfe" gelte es seitens des NKFDDR, "Öl zu schütten" und dies "mit dem PSampf um eine unabhängige DDR" zu verbinden, denn ohne diese Zielrichtung blieben "die Kämpfe gegen die Besatzungsmacht unwirksam". Zu den Initiatoren des NKFDDR gehören "Einzelpersonen, Gruppen und Parteien", die im Spektrum anarcho-kommunistischer Splittergruppen zu suchen sind. Die vom NKFDDR durchgeführten Aktionen und Aktivitäten waren bisher im wesentlichen auf den 7. Oktober (Gründungstag der DDR) und auf den 13. August ("Jahrestag des antifaschistischen Schutzwalls", Errichtung der Sperrmauer in Berlin) ausgerichtet. 1996 führte das NKFDDR lediglich am 7. Oktober eine Kundgebung in Berlin-Mitte durch, an der etwa 200 Personen teilnahmen. In Redebeiträgen soll die Bundesrepublik u. a. als "räuberische Besatzungsmacht" auf dem Gebiet der DDR bezeichnet worden sein. 61 Lhi//yri/nj^j\'W}im Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten einschließlich Trotzkisten Neben gewaltorientierten Linksextremisten streben auch mehrere marxistisch-leninistische Parteien und sonstige revolutionär-marxistische Zusammenschlüsse die Beseitigung der bestehenden Ordnung an. Zu diesen Kräften zählen zum einen Kommunisten, die sich in der Tradition der früheren sowjetideologisch dominierten kommunistischen Weltbewegung sehen. Sie propagieren nach dem Zusammenbruch des "real existierenden Sozialismus in Europa" einen "zweiten Anlauf" des Sozialismus als Vorstufe zum Kommunismus. Hiervon zu unterscheiden sind Parteien und Gruppen mit einem variierten marxistisch-leninistischen oder einem anderweitigen revolutionär-marxistischen Weltbild. Solche Zusammenschlüsse orientieren sich in ihrem ideologischen Selbstverständnis häufig an stalinistischen, maoistischen oder trotzkistischen Interpretationen kommunistischer Vorbilder. Die Mitgliederschaft marxistisch-leninistischer Parteien und sonstiger revolutionär-marxistischer Zusammenschlüsse in Berlin nahm 1996 zahlenmäßig erneut zu: Nunmehr sind es 1 200 Personen, bereits 1995 war sie auf 850 angestiegen. Die personelle Basis dieser Beobachtungsobjekte umfaßt bundesweit 28 700 (1995: 28 500) Mitglieder. 62 UNKSEXTOEMISMUS Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten einschließlich Trotzkisten in Berlin und Deutschland 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin Bund gesamt 1 200 28 700* 850 28 500* hiervon: "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 130 6 260 130 6 000 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD - 40 200 40 200 Sitz Berlin) "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" 120 2 700 120 2 700 (MLPD) "Marxistische Gruppe" (MG) 40 10 000 40 10 000 "Revolutionäre Kommunisten BRD" (RK) 30 100 100 150 Trotzkistische Vereinigungen 300 1 700 250 1650 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. 63 UNKSEXTF^JntaUS 3.1 Marxistisch-leninistische Parteien 3.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Mitgliederzahl: 6 260 bundesweit (1995: 6 000), 130 in Berlin (1995: 130) Organisationsstruktur: Partei Entstehung/Gründung : 25. September 1968 Ideologie: marxististisch-leninistisch unter Anlehnung an frühere Interpretationen der KPdSU Publikationen: "Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP" (wöchentlich, Auflage: etwa 10 000); "Marxistische Blätter (2monatlich, Auflage: 3 000); "Anstoß - Organ des DKP-Bezirks Berlin" (monatlich, Auflage: 500) Die am 25. September 1968 von früheren Funktionären der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) gegründete "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) etablierte erst 1990 einen Landesverband in Berlin. Bis zur Wende übernahm sie bedingungslos die Linie der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) und betonte ihre völlige Übereinstimmung mit der politischen Zielsetzung der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED). Sie ist weiterhin die bedeutendste orthodox-kommunistische Partei Deutschlands und hält an den Grundaussagen des "Manifests der Kommunistischen Partei" fest. U. a. strebt sie den Bruch mit den "kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" an. Mitglieder der DKP unterhielten im Berichtszeitraum enge Verbindungen zu Angehörigen der "Kommunistischen Plattform der PDS" (KPF) und der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD - Sitz Berlin). Die Bezirksorganisation Berlin der DKP hat wie im Vorjahr ca. 130 Mitglieder, die in vier Bezirksgruppen organisiert sind; bundesweit stieg die Mitgliederzahl der Partei auf 6 260 (1995: 6 000). Eigene öffentlichkeitswirksame Aktivitäten wurden 1996 nicht festgestellt. 64 uwrcaE/rfi5jJ]i:,uiiJj 3.1.2 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD - Sitz Berlin) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 200 bundesweit (1995: 200), 40 in Berlin (1995: 40) Organisationsstruktur: Partei Entstehung/Gründung: 31.Januar 1990 Ideologie: marxistisch-leninistisch, stalinistische Elemente Publikationen: "Die Rote Fahne - Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands" (monatlich, Auflage: 6 000); "Trotz alledem - Zeitschrift der Kommunistischen Partei Deutschlands für Theorie und Praxis der Parteiarbeit" (zweimonatlich) Die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD - Sitz Berlin) Entstehung und Ideologie entstand in Ost-Berlin in der politischen Umbruchssituation nach dem Fall der innerdeutschen Grenze. Offizielles Gründungsdatum ist der 31. Januar 1990, also ein Zeitpunkt, zu dem noch die DDR existierte. Historisch steht die KPD - Sitz Berlin nach ihrem Selbstverständnis in der Tradition der KPD, die sich im Jahre 1946 mit der SPD zur SED vereinigt hat. Sie will ehemalige SED-Mitglieder, "die treu zu ihren kommunistischen Idealen stehen", vereinen, da die PDS "keine politische Kampfheimat für Kommunisten mehr ist und auch nicht mehr sein wird". Die KPD - Sitz Berlin propagiert den Aufbau einer einheitlichen kommunistischen Partei. Ziel ist die "Revolution des Volkes und ... die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft". Nachdem die KPD - Sitz Berlin 1995 zu den Initiatoren eines Kongresses zur Vorbereitung der Gründung einer "Neuen Kommunistischen Internationale" gehört hatte, war sie auch im letzten Berichtszeitraum bemüht, durch ihre Teilnahme an überregionalen Treffen die internationale kommunistische Bewegung und deren Einheitlichkeit zu unterstützen. Ebenso wie im Vorjahr zählte die Partei in der deutschen Hauptstadt 40 Mitglieder, bundesweit 200. 65 UM'.^/Tp.^jniMU'; 3.1.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Mitgliederzahl: 2 700 bundesweit (1995: 2 700), 120 in Berlin (1995: 120) Organisationsstruktur: Partei Entstehung/Gründung: Juni 1982 Ideologie: marxistisch-leninistisch-maoistisch Publikationen: "Rote Fahne" (wöchentlich, Auflage: 7 500); "Lernen und kämpfen" (Luk) (monatlich, vom ZK herausgegebenes innerorganisatorisches Organ, Auflage: ca. 1 500); "Rebell - Jugendmagazin des Jugendverbandes REBELL" zweimonatlich) Die im Juni 1982 in Bochum gegründete "Marxistisch-LeniniEntstehung und stische Partei Deutschlands" (MLPD) bekennt sich zur Theorie Ideologie des Marxismus-Leninismus in seiner Interpretation durch Mao ZEDONG und fordert den Aufbau eines "echten Sozialismus". Auch 1996 gelang es der MLPD nicht, sich aus ihrer politischen Isolierung zu lösen. Von der PDS beispielsweise wird sie nach wie vor als "sektiererische Organisation" abgelehnt. 66 UNKSEXTREMISMUS Die 1995 begonnene bundesweite Diskussion über das vom Zentralkomitee (ZK) der MLPD herausgegebene Thesenpapier "Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung" hielt auch im Berichtszeitraum an. Die MLPD verfügt über einen eigenen Veranstaltungsort in Berlin-Neukölln, ihr Jugendverband "REBELL" ist mit zwei Ortsgruppen in Berlin vertreten. Die hiesige Mitgliederstärke hat sich bei 120 Personen eingependelt, bundesweit bei 2 700. 3.2 Sonstige revolutionär-marxistische Gruppen einschließlich trotzkistischer Vereinigungen 3.2.1 "Marxistische Gruppe" (MG) Sitz: München Mitgliederzahl: 10 000 bundesweit (1995:10 000), 40 in Berlin (1995: 40) Organisationsstruktur: Zusammenschluß Entstehung/Gründung: Anfang der 70er Jahre Ideologie: marxistisch-leninistisch, gewaltbefürwortend Publikationen: "GEGENSTANDPUNKTpolitische Vierteljahresschrift" (vierteljährlich, Auflage: über 7 000) Die MG ging Anfang der 70er Jahre aus "Roten Zellen" hervor, Entstehung und Ideologie die sich in der Auflösungsphase des "Sozialistischen Deutschen Studentenbundes" (SDS) 1969/70 gebildet hatten. Nachdem sie im Mai 1991 unter Hinweis auf den staatlichen "Verfolgungswahn" ihre "Selbstauflösung" bekanntgegeben hatte, stellte sie vorübergehend alle Aktivitäten ein, wahrte aber intern weiterhin ihren Zusammenhalt. Bei partieller Anlehnung an die ideologischen "Klassiker" des Linksextremismus und unter Berufung auf vorgebliche eigene Erkenntnismethoden zur Analyse der Wirklichkeit propagiert sie die gewaltsame Zerschlagung der verfassungsmäßigen Ordnung zugunsten einer kommunistischen Gesellschaftsform. 67 UNKSEXTREMSMUS In Berlin trat die MG auch 1996 lediglich mit "GEGENSTANDPUNKTE"-Diskussionsgruppen im Mehringhof (Kreuzberg) und in der Humboldt-Universität (Mitte) hervor. Hier sind der MG wie seit längerem 40 Angehörige zuzurechnen, bundesweit sollen es 10 000 sein. 3.2.2 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Sitz: London (Sitz des Dachverbandes RIM) Mitgliederzahl: 100 bundesweit (1995: 150), 30 in Berlin (1995: 100) Organisationsstruktur: Zusammenschluß Entstehung/Gründung: 1986 Ideologie: marxistisch-leninistisch-maoistisch unter Einschluß von Strategien terroristischer Gruppen aus der Dritten Welt Publikationen: "Eine Welt zu gewinnen" (überregional); "Aufstand! - Zeitung der ' Revolutionären Kommunisten (BRD)" Die "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) sind ein nach Entstehung und stalinistischen Prinzipien organisierter Zusammenschluß von Ideologie deutschen Anhängern der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM), einem 1984 entstandenen Dachverband von derzeit 19 Organisationen. Führende Kraft der in London ansässigen RIM ist die "Kommunistische Partei Perus" (PCP), eine weltweit unter der Bezeichnung "Sendero Luminoso" ("Leuchtender Pfad") bekannte Terrororganisation, der in dem Andenstaat u. a. zahlreiche Massaker angelastet werden. Die in der RIM zusammengeschlossenen Gruppen orientieren sich ideologisch an MARX, ENGELS, LENIN und Mao ZEDONG und stellen dabei besonders Maos Konzept des "Revolutionären Volkskrieges" heraus. Seit 1986 traten Anhänger der RIM sporadisch durch Verteilen von Flugblättern in Erscheinung. Bis Anfang 1991 führten sie die Bezeichnung "Sympathisanten der Revolutionären Kommunisten". 1996 konzentrierten die RK ihre Aktivitäten im wesentlichen auf innerhalb der linksextremistischen Szene konsensfähige The- 68 JNKSEXir^iMJl^jJU:; men wie den "antifaschistischen Kampf". Ferner beteiligte man sich an der Vorbereitung und Durchführung einer "Revolutionären 1. Mai-Demonstration". Im September riefen sie u. a. gemeinsam mit Autonomen zur Beteiligung an der sog. Liebknecht-Luxemburg-Lenin-Demonstration am 12. Januar 1997 auf. In Berlin, wo überwiegend deutsche und türkische Jugendliche den RK angehören, büßte der Zusammenschluß einen Großteil seines Potentials ein, die Anhängerzahl ging auf 30 Aktivisten (1995: 100) zurück. Auch die bundesweite Abnahme auf 100 Aktivisten (1995: 150) fiel bedeutend aus. Grund für den Rückgang ist u. a. der Verlust einst mobilisierungsträchtiger Themen: Die Solidaritätskampagne für den inhaftierten PCP-Führer Abimael GUZMAN kam zum Erliegen, nachdem er wegen seiner "Zugeständnisse" an den peruanischen Staatspräsidenten in Teilen seiner Anhängerschaft als "Verräter" beschimpft worden war. 3.2.3 "Freie Deutsche Jugend" (FDJ) Mitgliederzahl: k. A. Organisationsstruktur: Zusammenschluß Entstehung/Gründung: Anfang 1990 Ideologie: marxistisch-leninistisch Publikationen: "Fanfare" (unregelmäßig) Die aktuell als FDJ auftretende Gruppierung versteht sich zwar als Fortsetzung der gleichnamigen früheren Staatsjugend der DDR, ist aber nach hiesiger Ansicht nicht mit ihr identisch. Vielmehr dürfte es sich um eine im wesentlichen "neue" Organisation handeln, die von Berliner Anhängern der historischen FDJ und Kadern des stalinistisch ausgerichteten "Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD" (AB) gemeinsam betrieben wird. 69 UW/^E/Js{^A'^j\m Anfänge dieser FDJ reichen zurück bis in die Endphase der DDR. Im Januar 1990 führten Angehörige einiger (DDR-)FDJBezirksverbände einen Kongreß durch, auf dem beschlossen wurde, der von der Verbandsführung angestrebten Auflösung nicht zuzustimmen, sondern die FDJ als "sozialistische Jugendorganisation" als eingetragenen Verein weiterzuführen. Einer der Beweggründe war finanzieller Natur: die Erhaltung des beträchtlichen Vermögens der FDJ. Im darauffolgenden Monat wurde ein Antrag auf staatliche Anerkennung der FDJ an das DDR-Innenministerium gestellt. Da sich die Staatsjugend gleichen Namens erst im September 1990 auflöste, konnte über den Antrag bis zur deutschen Vereinigung im Oktober nicht mehr entschieden werden. Spätere Versuche, die "neue" FDJ in das Vereinsregister eintragen zu lassen, scheiterten. Die von der FDJ vertretenen Forderungen ("Zurück in die Zukunft, raus aus der BRD!") sind darauf gerichtet, die staatliche Einheit der Bundesrepublik zu beseitigen und das zu ihr gehörende Gebiet der fünf neuen Bundesländer abzutrennen. Auch spricht aus FDJ-Publikationen, daß die als "faschistisch" diffamierte freiheitliche Ordnung der Bundesrepublik auf eine Stufe mit dem nationalsozialistischen "Dritten Reich" gestellt wird. Der "Kampf der FDJ um die "Vereinigung der revolutionären Jugend" ist Teil ihrer aktiven Gegnerschaft zum bestehenden politischen System der Bundesrepublik, das sie im Endeffekt zugunsten eines kommunistischen Regimes beseitigen will. 3.2.4 Trotzkistische Vereinigungen Der Trotzkismus, dessen Anhänger sich selbst als "revolueo tionäre Kommunisten" bezeichnen, hat seinen Ursprung in der i deg9'e von Leo TROTZKI im Jahre 1938 gegründeten "IV. Interna- " " " tionale" und dem dort von ihm vorgelegten "Übergangsprogramm: Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgabe der 70 LINKSEXTREME U U Vierten Internationale". In seinem Statut proklamierte der Zusammenschluß das Ziel einer proletarischen Revolution im Weltmaßstab zur Errichtung einer rätedemokratischen Ordnung. Sowohl das "Übergangsprogramm" als auch die seinerzeit benannten Ziele, mit denen sich TROTZKI von der durch STALIN beherrschten III. Internationale losgesagt hatte, bilden bis heute für seine Anhänger die ideologische Grundlage. Die im Berichtszeitraum in Berlin aktiven trotzkistischen GrupMitglieder- j Zuwachs : pierungen konnten zusammen mit etwa 300 Personen (1995: 250) ihren Mitgliederbestand aufstocken. Auch bundesweit stieg das trotzkistische Potential an: auf etwa 1 700 Aktivisten (1995: 1 650). Innerhalb des linksextremistischen Potentials isoliert, untereinander wegen Zugehörigkeit zu ideologisch divergierenden Dachverbänden des internationalen Trotzkismus verfeindet, bleibt ihnen als "kleinster gemeinsamer Nenner", Aktivitäten anderer Linksextremisten im Rahmen des "Antifaschistischen Kampfes" zu unterstützen. Eine der aktivsten Gruppierungen des trotzkistischen Spektrums ist die "JugendoffensiveTJugend gegen Rassismus in Europa" _ (JO/JRE), die von der "Sozialistischen Alternative VORAN" (SAV) gesteuert wird. Ihre Entstehung in Deutschland ist eingebunden in eine europaweite antirassistische Kampagne des "Committee for a Worker's International" (CWI) mit Sitz in London. Als einen wichtigen Aspekt ihrer Arbeit nennt die JO/JRE "politische Aufklärung", wobei man mit Gewerkschaften und linken Parteien zusammenarbeiten wolle, um "den gut organisierten rassistischen und faschistischen Gruppen ein europaweites antifaschistisches Netzwerk entgegen zu setzen". In Berlin verfügt die JO/JRE über Stadtteilgruppen mit ca. 100 Personen, bundesweit hat sie etwa 400 Mitglieder. 71 UNI^H/Tr^jlJUtiUS Andere Zusammenschlüsse, so die "Spartakist - Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) und der "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA), sind weder für den Trotzkismus selber noch für den organisierten Linksextremismus von Bedeutung. Linksextremistische Positionen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Die nach einer ersten Namensänderung Ende 1989 im Februar , 1990 endgültig in "Partei des Demokratischen Sozialismus" I n*s d ^ r p r DS n t (PDS) umbenannte "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) versteht sich als linke "Strömungspartei" für "unterschiedliche sozialistische Kräfte, denen Kritik und Ablehnung der bestehenden politischen und ökonomischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland gemein" sind. Die "Strömungspartei" PDS ist im Unterschied zur früheren SED keine orthodox-kommunistische Kaderpartei leninistischen Typs. Sie bietet ein vielschichtiges Bild. Politische Praxis und programmatische Entwicklung der Partei bieten Anhaltspunkte dafür, daß sie die freiheitliche demokratische Grundordnung Deutschlands nicht akzeptieren, sondern überwinden will. Am deutlichsten sichtbar wird dieser Umstand dadurch, daß die Strömungen PDS bewußt linksextremistische Strukturen in ihren eigenen Reihen duldet und fördert. Hierzu zählen: Militant-anarchistische Strömungen Kennzeichnend für diese Strömungen aus dem Spektrum des gewaltbereiten Linksextremismus sind zumeist unscharf formulierte Zielvorstellungen von einer "anderen" oder "sozialistischen Gesellschaft" und ein mitunter ambivalentes, nicht selten aber auch eindeutig bejahendes 72 UNKSEXTFiiPjlJlJj'jJU:; Verhältnis zu Gewalt als Mittel der Durchsetzung politischer Ziele. Die Gruppierungen "Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS" (AG JG) und "Arbeitsgemeinschaft Autonome Gruppen in und bei der PDS" (AG AG) werden solchen Bestrebungen zugerechnet. "> Orthodoxe marxistisch-leninistische Strömungen Der Marxismus-Leninismus erhebt den Anspruch einer wissenschaftlich begründeten Lehre von den Entwicklungsgesetzen der Natur und der menschlichen Gesellschaft. Endpunkt dieser Entwicklung ist der SozialismusKommunismus, eine "klassenlose Gesellschaft", die über die "sozialistische Revolution" und die "Diktatur des Proletariats" erreicht werden soll. Wie das Bundesverfassungsgericht diesbezüglich festgestellt hat, ist weder die "sozialistische Revolution" noch die "Diktatur des Proletariats" mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Anhänger des orthodoxen Marxismus-Leninismus innerhalb der PDS verstehen den "Wissenschaftlichen Sozialismus" als Dogma ihres politischen Handelns. Sie haben sich in folgenden Gruppierungen zusammengefunden: "Kommunistische Plattform" (KPF), "Kommunistische Arbeitsgemeinschaft in und bei der PDS" (vormals: "Arbeitsgemeinschaft Bund Westdeutscher Kommunisten in und bei der PDS" [AG BWK]); "Marxistisches Forum" und "Forum West". Sowohl gewaltbefürwortende als auch marxistisch-leninistische Strömungen finden sich in der "Bezirksorganisation (BO) Kreuzberg der PDS" wieder, die etwa 80 Mitglieder zählt. 73 '.UH/rflHulJ-JMUS Potentiale linksextremistischer Zusammenschlüsse innerhalb der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) in Berlin und Deutschland 1996 1996 1995 1995 Bertin Bund Bertin Bund .Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in 2 000 500 100 k. A. und bei der PDS" (AG JG) .Arbeitsgemeinschaft Autonome Gruppen in 200 k. A. 200 k. A. und bei der PDS" (AG AG) "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) k. A. 5 000 k. A. 5 000 "Marxistisches Forum" 50 k. A. - - "Forum West" 30 k. A. - - "Kommunistische Arbeitsgemeinschaft in und 20 200 20 250 bei der PDS"6 k. A. keine Angaben * "Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS" (AG JG) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 2 000 bundesweit (1995: 500), 100 in Berlin (1995: k. A.) Organisationsstruktur: Zusammenschluß i. S. v. Punkt VII. des PDS-Statuts Entstehung/Gründung: Anfang 1990 Ideologie: gewaltgeneigt, marxistisch-leninistische Einflüsse Publikationen: "Rattenpost" (unregelmäßig) Zu Beginn des Jahres 1990 gründeten ca. 20 Parteitagsdelegierte der kurz zuvor in SED-PDS umbenannten SED die "Arbeitsgemeinschaft Junge Genossinnen in und bei der PDS" (AG JG), um - so äußerten sie - "alternative Wirkungsformen in der SED-PDS" zu suchen. Vormals: "AG Bund Westdeutscher Kommunisten in und bei der PDS" (AG BWK). 74 JNKSEXTREMlIlJulU:; Führende Mitglieder der AG JG fordern eine radikale Opposition der PDS zu den "bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen". Ziel ist eine "veränderte Gesellschaft", d. h. andere Konsumtions-, Produktionsund Lebensweisen. Die Grenzen, die einer solchen Veränderung entgegenstünden, müßten in Frage gestellt, öffentlich gemacht und bewußt übertreten werden. Es gehe darum, Bedingungen für die Entwicklung von Reformvarianten herzustellen und eine Gegenmacht aufzubauen, welche die Herrschenden unter Druck setze und so zum Abbau von Machtstrukturen führe. Die AG JG arbeitet auch weiterhin mit der gewaltbereiten linksextremistischen Szene zusammen und hält selber gewaltsame Widerstandsformen gegen den demokratischen Rechtsstaat für legitim. Sie will durch diese bewußte Konfrontation mit den staatlichen Institutionen eine andere Gesellschaftsform erreichen. 1996 beteiligte sich die AG an zahlreichen Aktivitäten des linksextremistisch motivierten Gewaltpotentials. Durch verstärkte öffentliche Aktivitäten versuchte sie, neue Mitglieder für sich und die PDS zu gewinnen. In Berlin verfügt die AG JG über 100 Mitglieder, bundesweit stieg die Zahl auf das Vierfache: 2 000 (1995: 500) Mitglieder. 75 LJjj;^; REI "Arbeitsgemeinschaft Autonome Gruppen in und bei der PDS" (AG AG) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: k. A. bundesweit (1995: k. A.), 200 in Berlin (1995: 200) Organisationsstruktur: Zusammenschluß i. S. v. Punkt VII. des PDS-Statuts Entstehung/Gründung: Sommer 1994. Ideologie: anarchistisch mit revolutionär-marxistischen Ansätzen, "antistaatlich", individualistisch, und gewaltgeneigt Publikationen: "Barrikade" (unregelmäßig) Im Sommer 1994 stellte sich in der ersten Nummer der Flugschrift "Widerstand" die "Arbeitsgemeinschaft Autonome Gruppen in und bei der PDS" (AG AG) vor. Die Mitbegründer der AG AG bezeichnen sich selbst als Jugendliche, die vorwiegend aus dem autonomen Spektrum kämen. In Grundsatzpapieren und Flugblättern macht die AG AG deutlich, daß sie die Beseitigung der derzeitigen staatlichen Strukturen anstrebt und die Anwendung von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung befürwortet. Die AG AG wirkt an den Bemühungen Autonomer um Vernetzung Vernetzung ihrer einzelnen Zusammenhänge und sonstigen autonomer Strukturen u. a. dadurch mit, daß sie Vertreter in zentrale VorbeZusammenhänge reitungsgremien der Szene entsendet. Im Berichtszeitraum beteiligte sie sich an einer Vielzahl der von Autonomen initiierten und durchgeführten Aktionen. Dabei scheute die AG AG nicht davor zurück, mit massiver Gewalt zu drohen. So hieß es in einem Mobilisierungsflugblatt der AG AG zu einer Demonstration am 30. November 1996 unter dem Motto "Friede den Hütten, Krieg den Palästen!": "Langsam erinnern sich die Leute an die Losung der 80er Jahre: 'Pro Räumung, eine Million Sachschaden!' Der Angriff auf Daimler-Benz, der Angriff auf die Straßenbahn, etliche Entglasungen und Brandanschläge werden wohl kaum das Letzte gewesen sein. Friedrichshain im Belagerungszustand. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis es wieder knallt. Schönbohm hat alternativen Lebens- 76 LJjJ^H/.rj-iSjMJ-JijJ'J'J formen den Krieg erklärt, er bekommt ihn. Schön Blöd, Herr Schönbohm, Wer Räumung sät, wird Chaos ernten!" Die AG AG zählt in der Bundeshauptstadt - ebenso wie im Vorjahr - 200 Mitglieder. "Kommunistische Plattform" (KPF) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 5 000 bundesweit (1995: 5 000), k. A. in Berlin (1995: k. A.) Organisationsstruktur: Zusammenschluß i. S. v. Punkt VII. des PDS-Statuts Entstehung/Gründung: 30. Dezember 1989 Ideologie: marxistisch-leninistisch im Sinne der früheren sowjetisch dominierten kommunistischen Weltbewegung Publikationen: "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS" (monatlich, Auflage: vermutlich ca. 1 500) Am 30. Dezember 1989 gründeten Kommunisten innerhalb der kurz zuvor in SED-PDS umbenannten SED die "Kommunistische Plattform" (KPF) als eigenständigen Zusammenschluß. Ihre Grundhaltung zeichnet sich aus durch ein ungebrochenes Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus, der als wissenschaftliche Weltanschauung ungeachtet des Niedergangs des "real existierenden Sozialismus" weiterhin verabsolutiert wird. Bisher erfolgte keine kritische Auseinandersetzung mit dem sowjetisch geprägten Staatssozialismus der DDR. Die politische Arbeit der KPF zielt darauf ab, die bestehende, aus kommunistischer Sicht im "kapitalistischen Profitsystem" begründete Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik zu überwinden und im Wege revolutionärer Umwandlungen durch eine sozialistisch-kommunistische zu ersetzen. Die KPF versteht sich als Nachfolgerin der vom Bundesverfassungsgericht im Jahre 1956 für verfassungswidrig erklärten KPD. Diese Rolle setzt eine prinzipielle Identität mit den Zielen der KPD voraus. 77 UNKSEXTREMISNH Programmatische Aussagen, wie z. B. die Forderung eines "Übergang(s) von der Klassengesellschaft in eine klassenlose Gesellschaft durch einen mehrere Phasen umfassenden erbitterten Klassenkampf" bzw. eines "dritten revolutionären Versuchs, den Kapitalismus zu überwinden", sind deutliche Hinweise, daß die KPF an dem durch die marxistisch-leninistische Lehre vorgegebenen Weg zum Kommunismus über die mit der freiheitlichen. demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarende "proletarische Revolution" und die "Diktatur des Proletariats" festhält. Es gibt in der PDS als Gesamtpartei Tendenzen, den Einfluß der KPF zurückzudrängen. Bisher haben aber derartige Vorstöße zu keinen förmlichen Konsequenzen geführt. Unter den Mitgliedern der PDS ist nach wie vor eine starke Übereinstimmung mit den Zielen der KPF festzustellen. Ebenso wie im Vorjahr dürfte die Mitgliederzahl der KPF bundesweit 5 000 nicht überschreiten. "Marxistisches Forum" Sitz: Berlin Mitgliederzahl: rund 50 Organisationsstruktur: Zusammenschluß i. S. v. Punkt VII. des PDS-Statuts Entstehung/Gründung: 6. Juni 1995 Ideologie: marxistisch-leninistisch Publikationen: "Marxistisches Forum" (monatlich) Am 6. Juni 1995 entstand auf Initiative der KPF das "MarxiEntstehung stische Forum". Im Vorfeld der Gründung hatten 38 führende PDS-Mitglieder und -Sympathisanten in einem Aufruf unter der Losung "In großer Sorge" der PDS-Führung vorgeworfen, sozialistische Ziele durch "unverbindliche Visionen" zu ersetzen und "äußerlichem Anpassungsdruck" nachzugeben. Notwendig sei eine "radikale Analyse von Vergangenheit und Gegenwart". Dabei dürfe "für unsere Strategie das, was wir bei MARX Wichtiges und Richtiges gelernt haben, nicht leichtfertig zu- 78 UNKSEXTREMISMUS gunsten neuer Moden über Bord" geworfen werden, hieß es. Weiterhin verlangten die Initiatoren ein ausdrückliches Bekenntnis zum Sozialismus-Modell der ehemaligen DDR. Eine Einbindung in das parlamentarische System der Bundesrepublik lehnt das "Marxistische Forum" ab. Mit dem "Marxistischen Forum" hat sich die KPF eine Plattform geschaffen, von der sie sich maßgeblichen Einfluß auf die Politik der Gesamtpartei erhofft. Dem Zusammenschluß gehören rund 50 Personen an. .Forum West" Sitz: Bertin Mitgliederzahl: 30 in Berlin (1995: 30) Organisationsstruktur: Zusammenschluß i. S. v. Punkt VII. des PDS-Statuts Entstehung/Gründung: August 1995 Ideologie: marxistisch-leninistisch Publikationen: "Die Rote Luzie" (vierteljährlich) Das "Forum West" wurde im August 1995 von einer Gruppe Entstehung Mitglieder und Sympathisanten der PDS, die vorwiegend der KPF und Basisorganisationen aus den westlichen Bezirken Berlins entstammten, gegründet. Seine Mitglieder bekennen sich zu den Positionen der KPF, d. h. ohne Einschränkung zur Theorie des Marxismus-Leninismus, wobei sie davon ausgehen, daß bisher die Voraussetzungen für eine "sozialistische Revolution" nicht vorhanden gewesen seien. Unter Bezugnahme auf Erkenntnismethoden des "Wissenschaftlichen Sozialismus" wird versucht nachzuIdeologie l weisen, daß der "Kapitalismus" geschichtlich an seiner objekti\sas ' ven Grenze stehe und nunmehr endgültig beseitigt werden müsse. Für diese Aufgabe müsse das "moderne Proletariat" (= alle Lohnabhängigen) motiviert werden. 79 UMKSEXTP.EiJlSiJUS Mit Foren und zahlreichen Publikationen versucht das "Forum West", Einfluß auf die Politik der PDS zu nehmen. Es stellt sich dabei kritisch zur Gesamt-KPF, der man vorwirft, nur ungenügend marxistische Politik zu betreiben und keine klaren Aussagen über den "zukünftigen Sozialismus in Deutschland und der Welt" zu treffen. Dem "Forum West" gehören in der Bundeshauptstadt weiterhin 30 Mitglieder an. * "Kommunistische Arbeitsgemeinschaft in und bei der PDS"7 Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 200 bundesweit (1995: unter 250), 20 in Berlin (1995: 20) Organisationsstruktur: Zusammenschluß i. S. v. Punkt VII. des PDS-Statuts Entstehung/Gründung: Seit 30. Juli 1996 unter diesem Namen Ideologie: marxistisch-leninistisch-maoistisch Publikationen: "Berliner Berichte" (monatlich) Seit Anfang der 90er Jahre versucht der "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK), seine politischen Ziele im Bündnis mit anderen Organisationen zu erreichen, v. a. durch Kontakte zur PDS. Ab 1993 existierte die "AG BWK in und bei der PDS". Sie wurde von der PDS-Führung aufgefordert, sich eindeutig für die Arbeit in und mit der PDS zu entscheiden sowie eine politischorganisatorische Trennung von der alten Organisation durchzuführen. Die AG BWK benannte sich daraufhin am 30. Juli 1996 in "Kommunistische Arbeitsgemeinschaft in und bei der PDS" um. Die politischen Ziele der AG sind jedoch die gleichen geblieben: Propagierung der "proletarischen Revolution", Zerschlagung des "bürgerlichen Staatsapparates" und Lösung der "Machtfrage im Sinne der Arbeiterklasse". In Berlin liegt die Mitgliederzahl weiterhin um 20 Personen, bundesweit verlor die "Kommunistische Arbeitsgemeinschaft in 7 Vormals "AG Bund Westdeutscher Kommunisten in und bei der PDS" (AG BWK). 80 UNKSEXTREMISMUS und bei der PDS" an personeller Stärke, 200 Aktivisten gehören ihr jetzt an (1995: unter 250). * Bezirksorganisation (BO) Kreuzberg der PDS Sitz: Berlin Mitgliederzahl: etwa 80 in Berlin Organisationsstruktur: Gliederung des Landesverbandes Berlin der PDS Entstehung: 1991 Ideologie: marxistisch-leninistisch, gewaltbefürwortend Publikationen: "GegenDruck" (Auflage: 3 500), "KreuzWeise" (unregelmäßig) Nach Auflösung der von der DDR-Staatspartei SED gesteuerten Ausdehnung der PDS in "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW) bzw. ihrer Bertiner | Nachfolgerin, der "Sozialistischen Initiative" (SI), im FrühWestbezirken sommer 1991 begann die aus der SED hervorgegangene PDS, sich auch in die Westbezirke Berlins auszudehnen. Zu dieser Zeit entstand als eine Untergliederung des Landesverbandes Berlin der PDS die Bezirksorganisation (BO) Kreuzberg. Die PDS-BO Kreuzberg will die auf dem Grundgesetz beruhende politische Ordnung überwinden und letztlich abschaffen. Im Rahmen ihres Wirkens kooperiert sie eingestandenermaßen "mit den Linken und auch der autonomen Szene in Kreuzberg". Sie läßt deutliche Affinitäten zu gewaltbefürwortenden und -praktizierenden Linksextremisten erkennen. Eigenen Angaben zufolge will sie unter ihrem Dach "fortschrittliche" Kräfte bündeln, um ein "neues Widerstandspotential" zu bilden, das die Basis für gesellschaftliche Veränderungen darstellen soll. Getreu diesem Ansatz stellt die PDS Kreuzberg einem breiten Spektrum linksextremistischer Gruppierungen Raum, operative und finanzielle Ressourcen auch für deren militante Aktionen zur Verfügung. 81 UNKSEXTRERJJnuILTJ Ausblick Das Anwachsen des linksextremistischen Gewaltpotentials soBedrohlicher wie der erhebliche Anstieg der Gewalttaten mit erwiesenem Trend oder zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund im Jahre 1996 dürfte kaum eine vorübergehende Erscheinung sein, sondern für einen bedrohlichen Trend stehen. Diese Entwicklung wird u.a. begünstigt durch die 1996 festgestellten Konsolidierungstendenzen bei den Autonomen. Eine geschickte, weil die autonome Bewegung einende und mobilisierende Themenwahl einerseits und - wie etwa im Schwerpunktbereich "Antifaschistischer Kampf" - stringentere Organisationsformen mit verbindlicher Beschlußumsetzung anderseits, tun ein übriges. Als wirksames "Kristallisationsthema" der autonomen Szene Themenerwiesen sich im Jahre 1996 die Hausbesetzungen. Die "Verschwerpunkt teidigung" so erlangten Wohnraumes suggeriert einen Kampf Hausbesetzung um konkrete menschliche Grundbedürfnisse, der auch für Aktivitäten etwa gegen Arbeitslosigkeit/"Sozialabbau", gegen "Umstrukturierung'7"Hauptstadtwahn" und gegen die AtomtechnoIogie/CASTOR-Transporte steht. Mit Hilfe solcher Reizthemen kann autonome Agitation am ehesten auch mobilisierend auf nicht extremistische Gruppen übergreifen und u. U. zu mehr Gewaltakzeptanz beitragen. Militante Linksextremisten werden deshalb bestrebt sein, den gesamtgesellschaftlichen Bezug ihrer Aktivitäten durch noch stärkere Beachtung drängender sozialer und ökologischer Probleme zu vergrößern. Der Terrorismus in Gänze dürfte auch im Jahre 1997 überwieAIW als Magnet gend durch den "Antiimperialistischen Widerstand" (AIW) gefür weitere prägt sein. Dieser Gefährdungsfaktor wird als eine Art "SammGewaltbereite lungsbewegung der Unzufriedenen" u. U. weitere gewaltbereite Kreise an sich binden können. Da die RAF-Kommandoebene auch mit ihren jüngsten ErAnnäherung der RAF an AIW klärungen sich diesem Potential thematisch und sprachlich UNKSEXTREMISMUS weiter angenähert hat, erscheint der von den Illegalen seit langem "angestrebte Stoffwechsel zwischen uns und anderen" ebenfalls in greifbare Nähe gerückt. Ein aufsehenerregender objektbezogener Sprengstoffanschlag stünde den Denkmustern der momentanen RAF-Kommandoebene nicht entgegen, könnte sogar integrative Einflüsse auf das terroristische und sonstige gewaltbereite Potential freisetzen. Gemessen daran, sind gezielt personengefährdende Attacken der RAF weiterhin eher unwahrscheinlich, wenn auch bislang unvorhersehbare neue Entwicklungen die Kommandoebene wieder zu einem aktionistischen Umdenken bewegen könnten. Thematisch wird auch im gesamten terroristischen Bereich das "Soziale" mit seinen verschiedenartigsten konkreten Erscheinungsformen bestimmend sein. Der internationalistisch angelegte Problemkreis "Neoliberalismus" dürfte an Bedeutung noch gewinnen. Der Frauenanteil an und in gewaltbereiten linksextremistischen Personenzusammenschlüssen hat seinen Höchststand noch nicht erreicht, ein weiteres zahlenmäßiges Ansteigen weiblicher Aktivisten ist absehbar. Parallel dazu dürften bei der Definition von "Interventionsthemen" und deren (militanter) Umsetzung feministisch motivierte Beweggründe weitaus stärker als bisher den Ausschlag geben. Von besonderer Wichtigkeit für die weiterhin zunehmende terroristische Gesamtgefährdung ist der Umstand, daß die hergebrachten Trennlinien zwischen den gewaltbereiten linksextremistischen Bestrebungen seit einiger Zeit zunehmend verschwimmen und somit eine "Bündelung der Kräfte" ermöglicht wird. Somit vereinigen sich tendenziell das große personelle Reservoir der Autonomen und die über das notwendige "praktische Wissen" verfügenden terroristischen Vereinigungen und ihre Umfelder (RAF, RZ, "Rote Zora" und andere "Sozialrevolutionäre" Personenzusammenhänge). 83 jNKSBcrjtHurjuiu:; vji Die marxistisch-leninistischen und sonstigen revolutionär-marxiKeine stischen Zusammenschlüsse werden trotz ihres weitgehenden spektakulären Scheiterns im Jahre 1996 mangels anderer erfolgversprechenErfolge für Marxistender Ansätze auch 1997 bemüht sein, Einfluß auf Aktivitäten zu Leninisten in aktuellen Anlässen zu gewinnen. Bündnispartner hierfür sind Sicht nicht in Sicht. Aufgrund dieser anhaltenden Isolation innerhalb \ s s des linksextremistischen Lagers sind spektakuläre Erfolge von ihnen nach wie vor nicht zu erwarten. Es ist noch nicht abzusehen, welche Rolle künftig den diversen linksextremistischen Strömungen innerhalb der PDS hinsichtlich ihres Einflusses auf die Politik der Gesamtpartei zukommen wird. 85 RECHTSE* ff^lJJjVJUS W i e G o l d h a g e n f ä l s c h t Dis Hetze des US-"Historikars" gegen die O M * > * j n Gefängnis für Holocaust-Zweifier? ,An A u s c h w i t z alle " T öu nt"e" rtV oal kl laeu s " "Dr oet t u tschen " t w t n l t n ital Bubis" Gold-Geschäft Süddeutsche AJIgem" h ^ n * h n HBW" BaUna VcMiiji -fl"TimmpjOioihcW wrejetiKttttl / >"" *Mjw * . f^jHilJi/fj-'.Hi'jIBMUS C RECHTSEXTREMISMUS 1 Allgemeiner Überblick Kennzeichnend für den Rechtsextremismus ist das Fehlen eines geschlossenen wissenschaftlichen "Lehrgebäudes", wie es dem Linksextremismus in Gestalt des Marxismus-Leninismus zur Verfügung steht. Die rechtsextremistischen Lehrsätze setzen sich aus Fragmenten verschiedener ideologischer Teilbereiche zusammen. Ihre wesentlichen Elemente haben sich spätestens seit den 30er Jahren nicht mehr verändert. Sie entstanden im Kampf der politischen Rechten gegen die Weimarer Republik in ihrem Bestreben, die erste deutsche Republik zu vernichten. Die fehlende geschlossene Theorie des Rechtsextremismus wird in aller Regel durch die Dominanz Einzelner oder durch das "Führerprinzip" kompensiert. Rechtsextremistische Politik ist weitgehend vom Willen, von den Fähigkeiten und dem Charisma der Leitfiguren abhängig. Das Bundesverfassungsgericht hat 1952 bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) die wesentlichen Merkmale herausgearbeitet, die rechtsextremistische Organisationen kennzeichnen: Mißachtung wesentlicher Menschenrechte, besonders die Würde des Menschen, seines Rechtes auf freie Entfaltung und des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz. Diese Einstellung äußert sich beispielhaft in Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Etatismus, der die Notwendigkeit eines nach innen und außen starken Staates sowie militärische bzw. soldatische Werte und hierarchische Prinzipien ("Führer" und "Gefolgschaft") überbetont. Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch Diffamierung staatlicher Institutionen, anderer Parteien, d. h. Negierung des Pluralismus, sowie Verneinung der Unabhängigkeit der Gewalten. Dies gipfelt in der Forderung nach einer autoritären bzw. diktatorischen staatlichen und sozialen Ordnung. RECHTOEXre^JJ 'Jul U ^ Verharmlosung bzw. Leugnung der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, d. h. Revisionismus, sowie mangelnde Distanz zum "Dritten Reich" in der gesamten Spannbreite von Verharmlosung bis Verherrlichung der NSHerrschaft. Die prinzipielle Ungleichheit verbunden mit der Ausgrenzung und Abwertung der nicht zur eigenen Gruppe gehörenden Individuen verbunden mit der Propagierung biologistischer und sozialdarwinistischer Ideen. Überbewertung der aufgrund ethnischer Zugehörigkeit definierten "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Rechte und Interessen des einzelnen bzw. fremder Nationen und Kulturen, d. h. völkischer Kollektivismus. Neonationalsozialisten bekennen sich darüber hinaus offen zum historischen Vorbild des Nationalsozialismus und propagieren die Errichtung eines "Vierten Reiches". Die Berliner Szene besteht aus organisierten und unorganiVerbindungen ' zwischen sierten Neonazis sowie rechtsextremistischen Parteien und einzelnen Vereinen. Sie pflegen untereinander z. T. intensive Kontakte Gruppierungen , und arbeiten anlaßbezogen zusammen. Organisatorisch zwar getrennt, beteiligen sich Mitglieder der verschiedensten Gruppierungen jedoch regelmäßig an einschlägigen, alljährlich wiederkehrenden Veranstaltungen der rechtsextremistischen bzw. neonazistischen Szene. Zu diesen "Fixpunkten ihres politischen Daseins" gehören die "Reichsgründungsfeier" im Januar, der "Führergeburtstag" am 20. April, Sommerund Wintersonnenwende, Aktivitäten zum Gedenken an den HITLERStellvertreter Rudolf HESS und die "Heldengedenkfeier" am Volkstrauertag im November. Hinzu kam ein neuer Agitationsschwerpunkt: Kampf gegen "staatliche Repression" und "Sozialabbau". Die 1995 mit großen Hoffnungen initiierte "Runde-TischBewegung" schlief 1996 in Berlin völlig ein. Der Egoismus einzelner "Führer" der rechtsextremistischen Parteien, aber 89 RECHTSEX tftBM IM US auch neonazistischer Gruppierungen verhinderte ganz offensichtlich, daß es zu einer weiteren Annäherung in Richtung einer "Rechten Allianz" bzw. einer "Rechten Einheitspartei" kam. Für rechtsextremistischen Terrorismus in Berlin gibt es gegenwärtig keinen Nachweis. Es liegen aber Indizien vor, wonach sich einige Personen aus der Neonazi-Szene mit rechtsterroristischen Überlegungen befassen. So wurden z. B. Handlungsanleitungen zum bewaffneten Kampf - Bau von Brandbomben und Sprengvorrichtungen - anläßlich von Durchsuchungen bei Neonazis gefunden sowie Waffenund Sprengstoffdepots entdeckt. Kleingruppen aus der Neonazi-Szene haben zudem Personen"Anti-Antifa"daten über politische Gegner, u. a. über Angehörige sog. Antifaaktivitaten Gruppen und über Mitglieder von "Bündnis '90/Die Grünen", gesammelt. Darüber hinaus wurde bekannt, daß Berliner Neonazis im Rahmen bundesweiter "Anti-Antifa"-Aktivitäten auch damit begonnen haben, Erkenntnisse über den "beamteten Gegner" (Staatsschutz, Verfassungsschutz, Richter und Staatsanwälte) zusammenzutragen und den Versuch unternahmen, eine entsprechende Bildkartei anzulegen. Es besteht somit weiterhin die Gefahr, daß einzelne militante Rechtsextremisten ihre Zukunft in terroristischer Gewalt suchen könnten. 90 RECHTSEXTREMSSMUS Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Gruppierungen in Berlin und Deutschland 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin Bund Summe 2 350 46 290 2 575 47 240 ,/. Mehrfachmitgliedschaften 45 990 150 1 140 gesamt 2 305 45 300* 2 425 46 100* Skinheads" 530 6 400 530 6 200 Neonazis davon 280 2 690 360 2 480 "Unabhängige Kameradschaften" 120 k. A.*** 80 k. A "Die Nationalen e. V." 10 150 30 150 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene 30 300 25 300 und deren Angehörige e. V." (HNG) "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - EM**** 100 EM 100 Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 10 - 15 - Unorganisierte 100 1 200 125 1 060 Rechtsextremistische Parteien davon 1 505 34 500 1 650 36 050 "Deutsche Volksunion" (DVU) 540 15 000 700 15 000 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 80 3 500 80 4 000 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 20 200 10 150 "Die Republikaner (REP) 800 15 000 800 16 000 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 65 800 60 900 Sonstige rechtsextremistische 35 2 700 35 2510 Organisationen davon "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." 25 - * 25 - "Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk e. V." EM - EM - "Deutsches Kolleg" (DK) EM - EM - "Verlag der Freunde" (VdF) EM - EM - Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997, Das BfV verzeichnet unter dieser Rubrik neben Skinheads auch andere gewaltbereite Rechtsextremisten. Bundesweit existieren zahlreiche vergleichbare Gruppierungen unter vielfältigen Bezeichnungen. Angaben zur Gesamtzahl der Mitglieder dieser Gruppen liegen jedoch nicht vor. EM = Einzelmitglieder (in der Addition zusammen mit insges. 10 gerechnet). 91 RECHTSEXTREMISMUS Die Mitgliederzahlen zeigen, daß sowohl in Berlin als auch in ! Abnahme Deutschland rechtsextremistische Potentiale - insgesamt berechtsextremitrachtet - abgenommen haben. In Berlin verringerte sich die stischer Potentiale Zahl der Rechtsextremisten auf 2 305 (1995: 2 425), im Bund auf45 300(1995:46 100). Jedoch bieten die einzelnen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus ein unterschiedliches Bild: Während in Berlin die Zahl (gewalttätiger) Skinheads stagnierte, war im Bund insgesamt eine Zunahme der gewaltbereiten Rechtsextremisten - insbesondere Skins - festzustellen. Die Mitgliedschaften in neonazistischen Organisationen in Berlin nahmen ab, bundesweit stiegen sie jedoch an. Die Anhängerschaft des organisierten Rechtsextremismus (Parteien) hat sowohl in Berlin als auch in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt abgenommen. Sonstige rechtsextremistische Organisationen stagnierten in Berlin, bundesweit nahm ihre Anhängerschaft zu. Die teilweise von der Gesamtentwicklung des Rechtsextremismus im gesamten Bundesgebiet abweichenden Tendenzen in Berlin sind vor allem auf äußere Einflüsse zurückzuführen. So haben hier - neben den Organisationsverboten - insbesondere die zahlreichen, sich teilweise auch auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stützenden Exekutivmaßnahmen der Berliner Polizei und daraus resultierende Strafverfahren zu einer Verunsicherung der gewaltbereiten rechtsextremistischen Berliner Szene geführt. Die in diesen Verfahren ergangenen Urteile gegen maßgebliche Rechtsextremisten haben darüber hinaus vor allem unter Neonazis zumindest in Teilbereichen Resignation hervorgerufen. Diese Entwicklung hat in einer Reihe von Fällen zu einem Rückzug der Protagonisten aus der Szene und damit zu einer deutlichen Verringerung der Zahl der Berliner Neonazis geführt. Auf dem Gebiet des organisierten Rechtsextremismus hat vor Scheitern der allem das offensichtliche Scheitern der "Runden Tische" in "Runden Berlin, aber auch der Mangel an personellen und inhaltlichen Tische" Alternativen zu den demokratischen Parteien vielen Anhängern 92 RECHrr^/TJ-iHj'JJiyj'jJ' der rechtsextremistischen Parteien die Illusion geraubt, daß sich das "Nationale Lager" in absehbarer Zeit zu einem ernstzunehmenden politischen Faktor entwickeln könnte. Auch diese Einsicht hat inzwischen zu Austritten und Inaktivität geführt. Militante Rechtsextremisten 2.1 Skinhead-Szene Bis 1995 waren in Berlin 530 Skinheads namentlich bekanntgeworden, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen vorlagen. Für das Jahr 1996 blieb die Im Jahre 1996 sind 113 Anzahl trotz einer FluktuaSkinheads bei Straftaten mit tion gleich. Bei diesen Skinnachgewiesener oder mut(Potentielle) heads besteht eine ausgemaßlicher rechtsextremistiGewaltbereitprägte oder zumindest lascher Motivation registriert schaft gegen "Andersartige" I tente Gewaltbereitschaft, die worden. sich insbesondere gegen Ausländer, vermeintlich "links" orientierte Personen, Homosexuelle und gegen sonstige - in ihrer Vorstellungswelt - "Andersartige" richtet. 234 Skinheads sind bereits als gewalttätig aufgefallen. 93 RECHTSEXTRH ,\ 11 'J uJUS el Letzte &tim - r s d e n . 4 4 " a s F i l n f i C"bl1_"1>CB ami- t H k "Ltuul " l r d *ueh *"r n r i ; h l " s " n . " M l AiuTaoliBn Velfca " 1 " GawiHttl Im * l " > deg deg e V a l k " t i o i h T " r l n a h t , "on d " r P " B J . * n i n ( " I P R I * t o J c u , T a i t 4 i u k l > o Y= K ^ h * * o rruT " * h * f l * . A"r m m " r w n " nauf*n. H c l - r T a a t - I * T r 4 T lind T y r M - i " ! ttanat n l c a & l a UDB " * " t * | t " n i Und B t l r b t d e r l " t " t e k t * " n < Harm, BO l n i e r " - t " t " -*"- " l i n d " e o l i a b c o t Wi* " l u i d i e l i t i t t r . J E a - e r " d e e i * 4 i - * n 7 * i n d ( * b i t "0*11 t i n ' B a e n v u c h U r w i r d elsiajCLl * . - r " M 5 h \ * " - * , d O B i . ^ t - e ^ s T i T e l e * * ! * Gewlcuil ". J vom Prenzlauer Berg 25erlin Die Berliner Skinhead-Szene stellt eine eigenständige, nach außen abgeschottete, überwiegend rechtsextremistisch motivierte Subkultur dar, die teilweise mit dem organisierten Neonazismus verbunden ist und mit ihrer außerordentlichen Gewaltbereitschaft (ca. 44 % der Skins) das militante Potential des Neonazismus verstärkt. Organisationsstrukturen innerhalb der Skinhead-Szene sind nicht erkennbar. Vielmehr kommt es in der Szene zu losen Personenzusammenschlüssen, die einer starken Fluktuation unterliegen und zumeist auch sehr kurzlebig sind. Aus diesem Grund werden Gewaltaktionen in den meisten Fällen nicht konkret vorbereitet und nach abgesprochenen Plänen durchgeführt, sondern laufen - vielfach nach übermäßigem Alkoholgenuß und aufputschender Skinmusik - spontan ab. In Berlin existiert zumindest seit 1994 eine etwa 30 Personen umfassende "Sektion der Hammerskins" (der Hammer steht als Symbol für die Arbeit mit der Hand). Die "Hammerskins" agieren 94 RECwr^H/rj-tHj'iJDfjju:; bundesweit als loser Zusammenschluß. Ihre Mitglieder treten regelmäßig bei sog. Skinheadkonzerten in Erscheinung, auf denen Bands spielen, die rechtsextremistisches Gedankengut verbreiten. Darüber hinaus gibt es eine Berliner Sektion "Blood and Honour-Division Deutschland", die Skinheadkonzerte vorbereitet bzw. als Ordnertruppe bei solchen Konzerten auftritt. Eines der wichtigsten Kommunikationsmittel für die Ausprägung und Verbreitung offen rassistischen und neonazistischen Gedankengutes in der Skinhead-Szene ist die Skinhead-Musik. Als Berliner Skinbands sind "Landser" sowie "Macht & Ehre" zu nennen. In Berlin fanden aus Furcht vor staatlichen Maßnahmen von 1994 bis 1996 keine Skinkonzerte mehr statt. Nach umfangreichen Vorermittlungen der Verfassungsschutzbehörden ist von der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg am 12. März 1996 wegen des Verdachts der Volksverhetzung im Zusammenhang mit der Herstellung und Verbreitung der CD "Republik der Strolche" der Berliner Skinband "Landser" gegen 22 Tatverdächtige aus der rechtsextremistischen Szene ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Am 16./17. März 1996 fanden in diesem Zusammenhang gegen diese Personen und weitere Beschuldigte Durchsuchungsmaßnahmen in mehreren Bundesländern statt, darunter auch in Berlin. U. a. wurden insgesamt über 2 000 Exemplare der Landser-CD beschlagnahmt. Dabei gelang es erstmals, einen Vertriebsweg aus dem Ausland (Dänemark) zu enttarnen und die Verbreitung einer größeren Zahl der CDs zu verhindern. In Berlin waren auch Angehörige der neonazistischen Kleingruppe "Vandalen" von 95 mufrjE;:r;iZ?j\mm den Maßnahmen betroffen, da diese personell mit der Skinband "Landser" verflochten ist. 2.2 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund Der Trend zu einem Rückgang von Straftaten mit erwiesenem Rückgang von oder zu vermutendem rechtsextremistischen Hintergrund hat Straftaten sich in Berlin weiter - wenn auch stark verlangsamt - fortgesetzt. insgesamt In den letzten Monaten des Jahres 1996 ist dagegen die Zahl der Gewalttaten, die zunächst ebenfalls zurückgegangen war, wieder angestiegen. Der Schwerpunkt rechtsextremistischer Gewalttaten (33) lag wiederum im Ostteil Berlins: 28 Gewalttaten in den östlichen Bezirken stehen lediglich fünf in den Westbezirken gegenüber. 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin Bund Straftaten gesamt darunter u. a. Zielrichtung 426* 8 730** 450 7 896** fremdenfeindlich 81 k. A. 91 k. A. politische Gegner 9 k. A. 21 k. A. antisemitisch 84 k. A. 112 k. A. davon Gewalttaten darunter u. a Zielrichtung 33 781" 23 837" fremdenfeindlich 29 k. A. 16 k. A. politische Gegner 3 k. A. 5 k. A. antisemitisch 1 k.A. 2 k. A. Das LfV Berlin zählt jede Aktion nur einmal, auch wenn sie aus mehreren Einzelstraftaten bestand oder mehrere Straftatbestände erfüllt waren. Die Erfassungskriterien sind jedoch nicht identisch mit denen des polizeilichen Staatsschutzes. Insofern - aber auch durch Nachmeldungen - können sich Abweichungen gegenüber den Zahlen von LKA bzw. BKA ergeben. Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. 96 RECHTSEXTREMISMUS Beispiele für 1996 in Berlin verübte Straftaten: * 11. Februar Messer bedroht. Die AngegrifGefahrliche Körperverletzung fenen konnten zu einem naheund Raub in Berlin-Pankow. gelegenen Taxistand flüchten. Zwei Skinheads schlugen eine aus Bangladesch stammende * 4. September Person zusammen und raubten Gefährliche Körperverletzung, deren mitgeführten Rucksack Volksverhetzung und Beleidisowie ihr Bargeld. Die Täter gung in der S-Bahn zwischen wurden gefaßt. Sie gaben als den Bahnhöfen Alexanderplatz Motiv Fremdenfeindlichkeit an. und Hauptbahnhof. Ein Angolaner wurde von meh- * 14. Februar reren Personen mit den Worten Sachbeschädigung an der Ge"Was willst Du hier, Du Negerdenkstätte für die durch das sau, Ausländer raus" beNS-Regime ermordeten Juden schimpft, geschlagen und seiin Berlin-Steglitz. nes Rucksacks beraubt. Unbekannte Täter warfen eine Gehwegplatte gegen das Mahn- * 18. Oktober mal (Spiegelwand). Gefährliche Körperverletzung in Berlin-Hohenschönhausen. . 27. April Zwei Russen wurden von drei Gefährliche Körperverletzung Skinheads mit den Worten in Berlin-Hellersdorf. "Was wollt ihr Russen hier?" Mehrere unbekannt gebliebene angesprochen und geschlagen. Anhänger der rechtsextremiDen Geschädigten gelang es, stischen Szene beschimpften in ein Übersiedlerheim zu zwei Zeitungsverkäufer ("Berliflüchten. Dabei wurden sie von ner Linke") mit den Worten den Tätern verfolgt, die dabei "Kommunistenschweine, im Vorraum des Heimes Sachverpißt Euch, Ihr habt hier beschädigungen begingen. nichts zu suchen!". Anschliessend prügelten die Täter auf * 8. Dezember die Geschädigten ein, so daß Gefährliche Körperverletzung sie Prellungen und eine Platzin Berlin-Friedrichshain. wunde davontrugen. Eine dunkelhäutige Deutsche wurde von zwei unbekannten * 30. August Personen mit dem Wort "NigGefährliche Körperverletzung ger" beleidigt. Im Anschluß in Berlin-Treptow. daran sprühte ihr einer der TäZwei Skinheads pöbelten zwei ter eine brennende Flüssigkeit farbige Mitbürger unter Anins Gesicht. Die Frau erlitt spielung auf ihre Hautfarbe an, schwere Brandverletzungen. wobei ein Täter einem Farbigen ins Gesicht schlug. Der zweite Geschädigte wurde mit einem 97 RECHrSEXTREMSMUS Neonationalsozialistische Organisationen und Einzelaktivisten Die Anhänger des Neonationalsozialismus (Neonazismus) bekennen sich nicht nur zu den "Werten" des Rechtsextremismus (s. Allgemeiner Überblick), sondern propagieren darüber hinaus das historische Vorbild des Nationalsozialismus, teilweise vor allem die Politik des von den Gebrüdern STRASSER und Ernst RÖHM repräsentierten "sozialbzw. nationalrevolutionären" Flügels der NSDAP. Ziel der Neonationalsozialisten ist die Errichtung eines "Vierten Reiches". Neonazistisches Gedankengut dringt allerdings immer stärker in rechtsextremistische Organisationen ein. 1996 nahm das neonazistische Potential in Berlin ab: 280 Per.' Abnahm? rip*" sonen (1995: 360). Im Bund hingegen stieg die Zahl der Neo- j N e o n a z i . nazis auf 2 690 Aktivisten (1995: 2 480) an. 1 Potentials Die Szene hat den 1995 begonnenen Trend fortgesetzt und sich "Organisation verstärkt in "autonomen Kameradschaften" umorganisiert durch Desorga("Organisation durch Desorganisation"). Auslöser hierfür waren nisation" fortgesetzt der staatliche "Verfolgungsdruck" und zahlreiche Vereinsverbote. Die Aktionsfähigkeit der Berliner Neonazis ist - trotz Aufgabe Aktionsfähigder alten Organisationsformen - grundsätzlich erhalten gekeit weiter blieben. Darüber hinaus versuchte die Szene weiterhin, bundeserhalten weit durch Fortentwicklung der informationellen Vernetzung den Zusammenhalt und die anlaßbezogene Bündnisfähigkeit der autonomen Neonazi-Strukturen zu fördern. So wurden auch in Berlin sog. Info-Telefone und rechtsextremistische Mailboxen betrieben. Die Aktivisten waren zunehmend mit Mobilfunk ausgerüstet. Die Szene war beispielsweise in der Lage, eine für den 1. Mai 1996 geplante, zunächst verbotene, dann aber kurzfristig genehmigte Demonstration in Berlin-Marzahn dank der technischen Ausrüstung mit mehr als 300 Teilnehmern aus Berlin und aus anderen Bundesländern durchzuführen. 98 RECHTSEXTREMISMUS Neonationalsozialistische 8 Potentiale i n Berlin und Deutschland r 1996 1996 1995 I 1995 : --Il Berlin Bund Berlin Bund gesamt 280 2 690* 360 2 480* hiervon: "Unabhängige Kameradschaften" 120 k. A.9 80 k. A. "Die Nationalen e. V." 10 150 30 150 "Hilfsorganisation für nationale politische 30 300 25 300 Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorgantsation" EM10 100 EM 100 (NSDAP-AO) "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 10 - 15 - Unorganisierte11 100 1 200 125 1 060 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. Auch unter den Neonazis befinden sich gewaltbereite Personen. Gegenüber 1995 sind entfallen: "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 1995: 40 "Deutsche Nationalisten" (DN) 1995:15 "Neonazikreis um Curt MÜLLER" 1995: EM "Völkischer Freundeskreis" (VFK) 1995: EM Bundesweit existieren zahlreiche vergleichbare Gruppierungen unter vielfältigen Bezeichnungen. Angaben zur Gesamtzahl der Mitglieder dieser Gruppen liegen jedoch nicht vor. 10 EM = Einzelmitglieder (in der Addition zusammen mit insges. 10 gerechnet). 11 "Unorganisierte" bestehen überwiegend aus früheren Mitgliedern verbotener Organisationen, die noch keine politische Heimat gefunden haben. 99 RECHTSEXTREMSMUS 3.1 "Unabhängige Kameradschaften" Sitz: Berlin (fast ausschließlich in den Ostbezirken) Anhängerzahl: k. A. bundesweit, etwa 120 in Berlin (1995: 80) Organisationsstruktur: lose Zusammenschlüsse Entstehung/Gründung: 1995 und 1996 u. a. als Reaktion auf FAP-Verbot Ideologie: neonazistisch Publikationen: Flugblätter Die erste "Unabhängige Kameradschaft" in Berlin, die "Kameradschaft Treptow", entstand bereits zum Jahreswechsel 1994/ 1995. Aber erst das Verbot der seinerzeit größten neonazistischen Organisation, der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), sowie zahlreiche weitere Exekutivmaßnahmen gegen Berliner Rechtsextremisten und der gescheiterte Versuch der "Nationalen e. V.", mit einer Landesliste an den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 22. Oktober 1995 teilzunehmen, führten dazu, daß sich insbesondere ehemalige Angehörige der FAP dieser neuen Organisationsform zuwandten. Sie suchten und fanden damit nicht nur eine neue politische Heimat, sondern auch eine nach dem Muster der linksextremistischen Gruppen, die als "Autonome" bezeichnet werden, schwer greifbare bzw. verbietbare Mindeststruktur. 100 p-sorj-rui/Tf^inuius Ende 1996 existierten in Berlin etwa zehn dieser losen, einem ständigen Wandel unterliegenden Zusammenschlüsse mit insgesamt rund 120 Mitgliedern. Die "Unabhängigen Kameradschaften", gelegentlich auch "Autonome Kameradschaften" genannt, propagieren neonazistisches Gedankengut und sind bestrebt, über informationelle VernetZiel; ' Verbesserung zung die anlaßbezogene Bündnisfähigkeit der Szene zu verder Bündnisbessern. Den Kontakt untereinander halten sie über Treffen fähigkeit J mmmmmmmmA ihrer "Führer", sog. Koordinierungstreffen, abgesprochene FlugWattaktionen und gemeinsame Aktivitäten, wie wehrsportähnliche Übungen und Sonnenwendfeiern aufrecht. Darüber hinaus arbeitet eine Reihe von "Kameradschaften" mit den "Nationalen e. V.", aber auch mit der Jugendorganisation der NPD, den "Jungen Nationaldemokraten" (JN), zusammen. Zu den aktiven "Kameradschaften" zählten im Jahre 1996 u. a.: * "Kameradschaft Beusselkiez" (Tiergarten) (10 - 15 Anhänger, Anführer ist Mike PENKERT, Direktkandidat der "Nationalen" für den Bezirk Tiergarten anläßlich der Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 22. Oktober 1995). i "Kameradschaft Hellersdorf" (ca. 10 Anhänger). * "Kameradschaft Köpenick" (ca. 10 Anhänger). K.aimer"clscli*ift in Köpenick gegrimdtet B K U l I i v i ß n y M N i :ii junges $canfen f* 7F.fTUNQ Ütl* K^vrtt"">IAI.ii*< _^*^*^"i**i^***_^ _IZZ1_I^ 1^u"MtJrK"rv'erfikSicuvissfP7r>)L^iL: D i e u n h e i m l i c h e M a c h t d e r R i c h t e r i n d e n i v w n Uohtai * " . *" Süddeutsche Allgemeine PScttvue ( f c r n"Öf"oaten EmcwrwnR MUMhai V iigst>itrj;S* iiittti* H VIMIC Türfccn-Terngr hi Sonneberg - Müssen wir uns tilka gefallen lassen? ".. ^uringec Rettung SllWMf". i l U j u i . DFR i ir.1. NATIONALEN ".uriAMitr C1.I FJRNOJERVJN" envri'csiiv/! fWiÄtaktkn gegen Batinr fag - >4auigsficiiaaL^ehrf^/te"tl*ifto.T / r I H ; M ; r>at \ A H O \ A L F N IRNWJKKI.SU Der am 29. September festgenommene WENDT wurde aufgrund einer von ihm als Chefredakteur in der BBZ veröffentlichten Äußerung am 22. Oktober wegen Verunglimpfung des Staates zu sechs Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Da auch SCHWERDT und Lutz GIESEN, ein weiterer Redakteur, in einer anderen Sache zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden (vgl. 3.6), bleibt abzuwarten, ob die BBZ auch weiterhin regelmäßig erscheinen wird. Zuletzt ist mit Verzögerung die Ausgabe November/Dezember 1996 erschienen. 105 RECHTSE/ fPEA(r)M'jWm 3.3 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Sitz: Frankfurt/M. Mitgliederzahl: 300 bundesweit (1995: 300), in Berlin 30 (1995: 25) Organisationsstruktur: Verein Entstehung/Gründung: 1979 Ideologie: neonazistisch Publikationen: "Nachrichten der HNG" (monatlich, Auflage: 450) Die 1979 gegründete HNG wird seit 1991 von der bundesweit bekannten Neonazi-Aktivistin Ursula MÜLLER geleitet. Die HNG versteht sich als "Sammelbecken und Solidargemeinschaft" für Neonazis aller politischer Gruppierungen aus Deutschland und dem nahen Ausland und beschäftigt sich in erster Linie mit der "Betreuung inhaftierter Gesinnungsgenossen". Der eingetragene Verein, der die größte noch verbliebene Organisation der gesamtdeutschen Neonazi-Szene repräsentiert, verfügt in Berlin zwar über Mitglieder, aber keine eigene Organisationsstruktur. 106 RECHTSEXTREMISMUS 3.4 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Sitz: Lincoln, Nebraska (USA) Mitgliederzahl: 100 bundesweit (1995: 100), in Berlin EM (1995: EM) Organisationsstruktur: unabhängige Stützpunkte Entstehung/Gründung: 1976 Ideologie: militant-neonazistisch Publikationen: "NS-Kampfrur (1996 unregelmäßig) das Landgericht Hamburg am 22. August zu vier Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung ein deutlicher Rückgang der Aktivitäten dieser Organisation feststellbar. Rückgang von TROTZ Aktivitäten VERBOT NICHT TOT! NSDAP-AO **** ....IDie NSDAP-AO galt als größter internationaler HerKAMPF DEI steller und Vertreiber von JUDENPARTEIEI NS-Propagandamaterial. KPD SPD C N Jedoch ist seit der FestCSU FDP NSDIP-AÖ nahme des Leiters der NSDAP-AO, Gary Rex LAUCK, im März 1995 und seiner Verurteilung durch 107 OECHTSEXTREMSMUS /' NS KÄMPFRUF KAMPFSCHRIFT DER NATIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHEN ARBEITERPARTEI AUSLANDS-UND AUFBAUORGANISATION M3r/;jfct"i! 1596 PS*07! Am 9. Mai in Hamburg GERHARD LA UCK VOR SONDERGERICHT! Diese AasgaLw ht Ak dnnfrORi-i; iMk Version dtS NS K Snefru FV* fr der N:Si)AP-AA "S" Pft>["igaMhi[: or^an mit dtfiS Fikl der :\oflwbwisj des SS Verbote, Wir NPS11.MPS> KPSPiPS \FRA\T-|. WöU'fVNG für rattere "SdHwrjTJ: hcr"9#PSel}ta"fufi Versionen, NSSUMPFKtT ON THE INTERNET URL ymmti -, 20 niairA(r)ntai internet Atwaeima habee jP'iEr Änschtaft an aHt N'SÜArVAÜ Pu&ticaiiftftSH til I 2 SpfSCtapß, Läßt uns die System Maver das Sehnigen" breche"! 108 RECHTSeXIRE NRSMU& 3.5 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 10(1995: 15) Organisationsstruktur: keine Entstehung/Gründung: 1982 Ideologie: neonazistisch Publikationen: keine Die seit Jahren in den östlichen Bezirken Berlins ansässige, auf 10 Personen geschätzte Neonazi-Funktionärsgruppe der "Heavy-Metal-Szene" unterhält seit der Wende gute Kontakte zu neonazistischen Organisationen in Berlin und Umgebung. Die Anhänger der "Vandalen" kleiden sich martialisch und leben nach pseudo-germanischen Ordnungsbildern und Riten. Die neonazistisch orientierte Gruppe vertritt Parolen wie: "Wir sind stolz, Arier zu sein" "Odin statt 'Jesus'!* "Rassenmischung ist Völkermord!" 3.6 Strafverfahren gegen Neonazis Auch 1996 kam es zu Verurteilungen mehrerer Protagonisten der neonazistischen Szene. Folgende im Berichtszeitraum durchgeführte Strafverfahren sind in diesem Zusammenhang besonders zu erwähnen: Am 25. Januar wurden 13 * Der ehem. Vorsitzende des Berliner Neonazis vom AmtsLandesverbandes Berlin der gericht Tiergarten wegen der verbotenen "Freiheitlichen Bildung eines bewaffneten Deutschen Arbeiterpartei" Haufens und anderer Delikte (FAP), Lars BURMEISTER, verurteilt. Gegen einen der Bewurde am 31. Januar aufgrund schuldigten, Marcus B., wurde eines Haftbefehls des Amtseine Freiheitsstrafe von zwei gerichts Tiergarten von NorJahren und einem Monat ohne wegen nach Berlin überstellt. Bewährung ausgesprochen; BURMEISTER flüchtete 1995 gegen die zwölf anderen veraufgrund mehrerer gegen ihn hängte das Gericht Geldanhängiger Erstrafen. mittlungsverfahren (u. a. Verdacht des Raubes sowie der 109 RECHTE/. litSM 'JM U 'u gemeinschaftlichen schweren Bewährung, sowie den bereits Körperverletzung) nach Skandieinschlägig vorbestraften BBZnavien. Die gegen ihn durchMitarbeiter Lutz GIESEN zu geführten Strafverfahren sind einer Jugendfreiheitsstrafe von noch nicht abgeschlossen. einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung. Beide wur- * Der frühere Leiter der nicht den für schuldig befunden, mehr aktiven neonazistischen Propagandamaterial mit verfas"Nationalen Alternative Berlin" sungswidrigen und volksver(NA Berlin), Oliver SCHWEIhetzenden Inhalten hergestellt GER!", wurde am 6. August und verbreitet zu haben. Gegen vom Landgericht Berlin u. a. das Urteil wurde Revision wegen Vorrätighaltens von Proeingelegt. pagandamaterial verfassungswidriger Organisationen (u. a. Gegen den ebenfalls angeklagder NSDAP-AO) zu einer Freiten Chefredakteur der BBZ und heitsstrafe von vier Monaten führenden Funktionär des Verohne Bewährung verurteilt. eins "Die Nationalen e. V.", Hans-Christian WENDT, wurde * Zwei 20jährige Neonazis wurdas Verfahren abgetrennt, da den vom Amtsgericht Tiergardieser den letzten Verhandten am 16. August als Rädelslungsterminen unentschuldigt führer einer kriminellen Vereiniferngeblieben war und erst im gung zu Jugendstrafen von je September aufgrund eines einem Jahr und drei Monaten gegen ihn erlassenen Haftbeauf Bewährung verurteilt. Ihnen fehls festgenommen werden wurde vorgeworfen, mit der konnte. Das Verfahren gegen von ihnen angeführten ihn in dieser Sache ist noch Neonazigruppe anhängig.12 " WAW/He i matsc h utzFreicorps" mehrere tätliche An- * Hans-Christian WENDT wurde griffe auf Ausländer verübt und am 22. Oktober vom Amtsgeeinen Brandanschlag auf einen richt Tiergarten wegen der Vertürkischen Imbißkiosk geplant unglimpfung des Staates in zu haben. einem seiner in der BBZ veröffentlichten Artikel zu sechs MoDie Abkürzung WAW steht für naten Freiheitsstrafe ohne Be"Weißer Arischer Widerstand" währung verurteilt (siehe auch und geht auf die Organisation 3.3). "White Aryan Resistance" (WAR) zurück, die in den Verei- * Ferner verurteilte das Landgenigten Staaten seit Jahrzehnten richt Berlin WENDT am 11. Deauftritt. WAW wurde in der zember in zweiter Instanz, da Vergangenheit von Berliner dieser den brandenburgischen Rechtsextremisten - so wie im Innenminister in einem Artikel vorstehenden Fall - benutzt. in der BBZ-Ausgabe SeptemDabei handelte es sich ledigber/Oktober 1994 der Stasilich um Nachahmer. Mitarbeit bezichtigt hatte, wegen übler Nachrede zu einer * Die Staatsschutzkammer des Geldstrafe in Höhe von 7 500 Landgerichts Berlin verurteilte DM. am 16. September den Vorsitzenden des neonazistischen Vereins "Die Nationalen e. V." und Herausgeber der "Berlin Brandenburger-Zeitung der Na12 WENDT wurde im Februar 1997 in dieser Sache tionalen Erneuerung" (BBZ), zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Frank SCHWERDT, zu einer Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht Haftstrafe von einem Jahr ohne rechtskräftig. 110 RECHT8EXTREMISIIIUS Rechtsextremistische Parteien Die Parteien des organisierten Rechtsextremismus befinden sich in Berlin - wie im gesamten Bundesgebiet - nach wie vor im politischen Abwind. Allein die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), die Jugendorganisation der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), entfalteten bemerkenswerte Aktivitäten. Durch Öffnung der Organisation auch für Neonazis wurde sie zum bundesweit wichtigsten Bindeglied zwischen parteiförmigen Organisationen und dem Neonazi-Spektrum. Eine Vorreiterrolle in dieser Entwicklung spielte hierbei insbesondere der JN-Landesverband Berlin-Brandenburg. Parallel zur Entwicklung bei den JN ist seil der Übernahme des ParteiZunehmende? Bereitschaft der vorsitzes durch Udo VOIGT auch bei der NPD auf Bundesebene JN zur I eine zunehmende Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit NeonaKooperation mit Neonazis zis festzustellen. Dieser Tendenz ist der NPD-Landesverband Berlin-Brandenburg ebenfalls gefolgt. In Einzelfällen hat er inzwischen auch Neonazis in seine Reihen aufgenommen. Sowohl in Berlin als auch im Bund hat das Mitgliederpotential rechtsextremistischer Parteien abgenommen. In Berlin wurden im Berichtszeitraum 1 505 Angehörige derartiger Organisationen gezählt (1995: 1 650). Bundesweit reduzierte sich die Mitgliederschaft auf 34 500 (1995: 36 050). 111 RECHTSEXTREMISMUS Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Parteien in Berlin und Deutschland 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin Bund gesamt 1 505 34 500 1 650 36 050 "Deutsche Volksunion" (DVU) 54013 15 000 700 15 000 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 8014 3 500 80 4 000 (NPD) "Junge Nationaldemokraten" (JN)15 20 200 10 150 16 "Die Republikaner" (REP) 800 15 000 800 16 000 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 65 17 800 60 900 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. 13 Landesverband Berlin-Brandenburg: DVU: Berlin: 500, BB: 40 14 Landesverband Berlin-Brandenburg: NPD: Berlin: 60, BB: 20 15 Die überwiegende Zahl der Mitglieder des JN-Landesverbandes Berlin-Brandenburg ist in Berlin wohnhaft, in Brandenburg nur Einzelmitglieder. 16 Hinsichtlich der Partei "Die Republikaner (REP) kann nicht davon ausgegangen werden, daß alle Mitglieder rechtsextremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. Die REP werden seit Ende 1992 von den Verfassungsschutzbehörden als Beobachtungsobjekt geführt. 17 Landesverband Berlin-Brandenburg: DLVH: Berlin: 5, BB: 60. Die DLVH hat auf ihrem Bundesparteitag am 19. Oktober 1996 die Umwandlung der Partei in einen Verein beschlossen. 112 R E C H T S E X T P - H J M ] UJ'JJ U 'U 4.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) Sitz: München Mitgliederzahl: 15 000 bundesweit (1995: 15 000), 540 in Berlin-Brandenburg (gemeinsamer Landesverband), 500 in Berlin, 40 in Brandenburg (1995: 700) Organisationsstruktur: Partei Entstehung/Gründung: 5. März 1987 Ideologie: rechtsextremistisch Publikationen: "Deutsche National-Zeitung", "Deutsche Wochen-Zeitung/Deutscher Anzeiger* (überregional, wöchentlich, Auflage zusammen ca. 56 000); Herausgeber: Dr. Gerhard Frey; keine Publikation des LV Berlin-Brandenburg Die DVU wurde am 5. März 1987 in München auf Initiative des Ideologie Verlegers Dr. Gerhard FREY im Zusammenwirken mit der NPD als "DVU - Liste D" gegründet. Ihre Umbenennung erfolgte im Februar 1991. In den von FREY herausgegebenen Publikationen hetzen die Autoren in zum Teil offen rassistischer Weise gegen Ausländer, Juden und Zigeuner. W i e G o l d h a g e n fälscht Die Hetze d e s US-"Hlxtorik"ra" gegen d i e D e u l r u h i n Gefängnis f ü r H o l o c a u s t - Z w e i f l e r ? "An Auschwitz alle Deutschen schuld!' Goldhagen: Hintergründe s "Tötet alle Deutschen!' W i e u n s e r V o l k a u s g e r o t t e t w e r d e n "ollti.. Bubis' Gold-Geschäfte Die Deutschen als "Mördervolk" Goldhagens Fälschungen und seine willigen Propagandisten 113 RECHTSörr f r j\ 11 mm Das NS-Regime wird verharmlost, Repräsentanten des Dritten Reiches glorifiziert. Die relativ hohe Zahl von etwa 540 nominellen Mitgliedern im Berichtszeitraum (1995: 700) des 1988 gegründeten Landesverbandes Berlin-Brandenburg läßt keine Rückschlüsse auf den Umfang der Parteiaktivitäten zu. Die Parteimitgliedschaft in der DVU besteht hauptsächlich darin, FREYs Zeitungen und andere Erzeugnisse zu erwerben. 1996 fanden in Berlin keine öffentlichen Veranstaltungen der DVU statt. 4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Sitz: Stuttgart Mitgliederzahl: 3 500 bundesweit (1995: 4 000), 80 in Bertin-Brandenburg (gemeinsamer Landesverband) - 60 in Berlin, 20 in Brandenburg - (1995: 80) Organisationsstruktur: Partei Entstehung/Gründung: 1964 Ideologie: rechtsextremistisch Publikationen: "Deutsche Stimme" (überregional, monatlich, Auflage: 35 000); "Zündstoff. Deutsche Stimme für Berlin und Brandenburg" (vierteljährlich, Auflage: 200) Die NPD ging 1964 aus der rechtsextremistischen "Deutschen Reichspartei" (DRP) hervor. Der im März 1966 gegründete Berliner Landesverband hatte sich im Juni 1991 als Landesverband Berlin-Brandenburg konstituiert. Daneben existiert in Berlin seit 1991 auch noch ein NPD-Stadtverband. Die NPD bekennt sich zum völkischen Kollektivismus und diffamiert in ihren Publikationen auf aggressive Weise demokratische Institutionen und Politiker. 114 RECHTSEXTRÜillSiiyS DOPPELTE STAATSBÜRGER- V SCHAFT ? \ I C I HBtU&iDaB' C(c)H: ÄCPB5Ü1E8DSB N P D 0 3 O / 4 3 2 18 3 5 N a t i " n a l d " m D k r i t i i G h " P a r U i L> " u t s c h I a n d s P o * 4f * c h " S O t ( SS 2 - 1 3 3 0 1 " n r t l "1 Zu den hervorzuhebenden Aktivitäten der NPD in Berlin zählten 1996 neben Vortragsveranstaltungen die Jahreshauptversammlung des hiesigen Stadtverbandes mit der Neuwahl des Vorstandes, eine Jubiläumsveranstaltung am 8. März aus Anlaß des 30jährigen Bestehens des Berliner Landesverbandes, die von ca. 70 Personen besucht wurde, sowie eine Kranzniederlegung zu Ehren der Opfer des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953. * "Junge Nationaldemokraten" (JN) Sitz: Stolberg (Nordrhein-Westfalen) Mitgliederzahl: 200 bundesweit (1995: 150), 20 in Berlin/Brandenburg (1995: 10) Organisationsstruktur: Jugendorganisation der "Nationaldemokratischen Partei Deutschtands" Entstehung/Gründung: 1969 Ideologie: rechtsextremistisch Publikation(en): "Einheit und Kampf (überregional, vierteljährlich, Auflage: 1 300), "Der Aktivisf (überregional, unregelmäßig, Auflage: 1 000) Die JN sehen sich als Kristallisationskern eines angeblichen Bindeglied zur j Neonazi-Szene nationalen Aufbruchs, der die Meinungsführerschaft im nationalen Widerstand übernommen hat. Sie sind zum Bindeglied in Fragen der Organisation und auch der Ideologie zwischen NPD, Neonazis und anderen rechtsextremistischen Organisationen RiCHTSEXTREÜlSlüUS geworden. Diese Entwicklung ist insbesondere im Landesverband Berlin-Brandenburg zu verzeichnen. Eine herausragende Rolle spielte dabei der stellvertretende JNBundesvorsitzende und Berliner Organisationsleiter Andreas STORR. Dieser versuchte, "Kameraden" und Interessenten aus dem neonazistischen Spektrum, darunter auch ehemalige Angehörige der verbotenen FAP sowie Anhänger "Unabhängiger Kameradschaften", für die JN zu werben. Seine Bemühungen waren teilweise erfolgreich. So gründete er selbst eine "Kameradschaft" in Berlin-Marzahn, die er inzwischen an die JN herangeführt hat. Ferner organisierte STORR monatliche Stammtische der JN, an denen auch Neonazis teilnahmen, und knüpfte Kontakte zu den meisten in Berlin existierenden neonazistischen "Kameradschaften". Zu der neonazistischen Gruppierung "Die Nationalen e. V." unterhält STORR ebenfalls Kontakte, in deren Organ "Berlin Brandenburger - Zeitung der Nationalen Erneuerung" (BBZ) er zeitweise Redakteur war. Zu den herausragenden öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der JN gehörten 1996 neben einem Aufzug zum ,,1.Mai" die Teilnahme an bundesweiten Aktionen im Rahmen des "Heß-Aktionsmonats" im August d. J. In Berlin beschränkten sich die Aktivitäten der JN zu den "Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltungen" auf die Verteilung und das Kleben von Handzetteln mit der Aufschrift "Rudolf Heß - Märtyrer für Deutschland". REcHTSErTRElliSli U1 Die JN geben in unregelmäßigen Abständen die Zeitschrift "Einheit und Kampf" (EuK) heraus. Bis Ende 1993 fungierte EuK als Mitteilungsblatt des JN-Bundesvorstandes. Ende 1993 beschloß dieser, EuK künftig als "Vorfeldund Szeneblatt" einzusetzen. Der JN-Landesverband Berlin-Brandenburg verbreitet keine eigene Zeitung. Ihm steht jedoch in "ZÜNDSTOFF - Deutsche Stimme für Berlin-Brandenburg" des NPD-Landesverbandes eine Seite unter der Rubrik der "Denkzettel - Die Seite der Jungen Nationaldemokraten" zur Verfügung. 117 RECHTSE;! ffiHlMilSMUS 4.3 "Die Republikaner" (REP) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 15 000 bundesweit (1995: 16 000), 800 in Berlin (1995: 800) Organisationsstruktur: Partei Entstehung/Gründung: 26. November 1983, Landesverband Berlin seit 5. September 1987 Ideologie: rechtsextremistisch Publikationen: "Der Republikaner" (überregional, monatlich, Auflage: 22 000); "Die Republikaner - Nachrichten und Meinungen aus Berlin für Berlin" (unregelmäßig, Auflage: 1 000) Die 1983 gegründete Partei hatte sich bundesweit als Sammelbecken unterschiedlicher rechtsextremistischer Strömungen etabliert, das von ehemaligen NPDund DVU-Mitgliedern bis hin zu neonazistischen Kreisen reicht. Darüber hinaus haben auch Nichtextremisten bei den REP eine politische Heimat gefunden. Rechtsextremistische Positionen ergeben sich weniger aus dem "*"""" < Parteiprogramm als aus Bekundungen und Verhaltensweisen , ^deg9""II von Funktionären und Mitgliedern auf verschiedenen Parteiebenen sowie aus Veröffentlichungen, in denen sich immer wieder konkrete Hinweise dafür finden, daß von dieser Partei die Menschenrechte, wie die Achtung der Menschenwürde als Mittelpunkt des Wertesystems der Verfassung sowie das Verbot der Diskriminierung wegen der Rasse, des Glaubens oder der Nationalität fortlaufend mißachtet werden. 118 RiEURHTSEX.TREUlSüUS Abgeschoben wird keine!" 3i;> ;-;a:;tjsi ui"%C^s Pc^nfcei Alles Schwunds!' i>"r 3":!.^ (CPU;, msrkfewte <-i"<5n im September üe^ stehen N;;l';if!p mieten Jits' .S'.t^.S.IKi's: "i.i.'fi PStfc:S"iy>w-sr.; j n " sc 1er" und wir ttiJtnrmm DcwR*äcnef* 2 * t e f t . ia^ten üriC iaf'iwv WS" lange läßt sich unsere Bevölkerung das noch gefallen? Wut eww" soscfrwft M*Sk"*W"sch"3en arvteh*""*, miiS twwinijfl v&e&w Fr#S K*"h"ww 0 * N ö a aor Gori-yJvt g*et"*lf! -ht" a w i e Penaten tüx S^nalcrsn R>J0 ihr Oi.-s a"? a":-; Lkm-airamssatK w ^ ^ f saftet w - ^ t i ' - Dair.it *.ftww. n w a r k e a i * 1240 VnSi.-^sri i%*ark syritck-s***^ v,-"!tj"a ;**>"< rfan" ;(c)"*sn wofern? ve"Sfifwoftutvgslosen f'xmim* vtätmzXtsm, -Jaö am niera (.ingesäraff etevonfeertmiafi. H i f * SeMJmböKf" mwo W " Q " H Untätigkeit "ntla9""r" werdent .i-^?w f a g "JiÄt"" ü^s a!" aosni*>-"-fl"et-iaffine PS 4 yi!tii3:>"::i Wark Das sah" raiSii der Ha?* inneftsercat'iSf. so^s^m ais asisesrs'ide Berühr &evo*s-uriy n i l ihfwn iHtaowrn? W i s s e n Sie eigentlich, was uns eine FEüchttingsfamHIe (Mann, Frau u n d drei Kirtder) kostet? 5343.70 Mark Monat fur Monat Die REPUBLIKANER - w*r nerme*t df!> Dirige fceim "amen. Politik für Deutschland. Ctei *.... Die wesentlichen öffentlichen Aktivitäten der Berliner REP Aktivitäten 1 beschränkten sich 1996 auf eine gegen den Zusammenschluß der Länder Berlin und Brandenburg gerichtete Kampagne sowie auf die Durchführung einer Gedenkveranstaltung am 16. Juni aus Anlaß des 43. Jahrestages des Volksaufstandes im Ostsektor Berlins und in der ehemaligen DDR am 17. Juni 1953. Die mangelnde Aktionsfähigkeit und -bereitschaft ist in erster Linie auf die seit längerem im Landesverband herrschenden internen Querelen und Machtkämpfe zurückzuführen. 119 RECHTSECTREMISMUS 4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 800 bundesweit (1995: 900), 65 in Berlin-Brandenburg (gemeinsamer Landesverband), 5 in Berlin, 60 in Brandenburg (1995:60) Organisationsstruktur: Partei, seit Oktober 1996 Verein Entstehung/Gründung: 3. Oktober 1991 Ideologie: rechtsextremistisch Publikationen: "Ost-Wind" - Die Stimme des Landesverbandes der DLVH BerlinBrandenburg (monatlich, Auflage unbekannt) Die im Oktober 1991 in Baden-Württemberg von ehemaligen Ideologie führenden Funktionären der NPD und REP gegründete DLVH bekennt sich zum völkischen Kollektivismus und vertritt - z. B. im Parteiprogramm - nationalistische und rassistische Thesen. Die parteipolitische Präsenz der DLVH blieb seit ihrer Gründung bundesweit marginal, ihr Einfluß beruhte weitgehend auf ihrer Nähe zu wichtigen Organen rechtsextremistischer Publizistik ("Nation und Europa", "Europa vorn"). Die Versuche, sich als Bündnisbewegung zu gerieren, hatten deutlich den Anschein eigener Profilierungssüchte und parteiegoistischer Ziele. Eine 1996 beschlossene Aufgabe des Parteistatus ist letztlich ein Eingeständnis eigenen Scheiterns. Beim 4. Bundesparteitag der DLVH in Pfofeld (Bayern) am 19. Oktober, in dessen Verlauf die Aufgabe des Parteistatus und die Umwandlung in einen Verein beschlossen wurde, kam es darüber hinaus zu erheblichen Auseinandersetzungen. Etwa 20 Parteimitglieder - hauptsächlich Neonazis, die bei der DLVH Unterschlupf gefunden hatten - widersetzten sich dem Vorhaben der Parteiführung. Gleichwohl wurde gegen Ende des Parteitages die Umwandlung mit Mehrheit beschlossen. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten des DLVH-Landesverbandes Berlin-Brandenburg waren - wie bereits im Vorjahr - auch 1996 kaum zu verzeichnen. Seit 1996 gibt die DLVH monatlich "Ost-Wind" - Die Stimme des Landesverbandes der DLVH 120 RECHTSEXTf 1E u I ] 3I1U S Berlin-Brandenburg heraus. Darüber hinaus bemühte sie sich weiterhin ihrem Ziel, eine neue Sammelpartei zu gründen, näherzukommen. So verteilten Berliner DLVH-Anhänger unter der Bezeichnung "Initiative PRO DEUTSCHLAND" einen gemeinsamen Aufruf der DLVH, der NPD und der "Republikaner" an alle mündigen Bürger zur Mitarbeit in der Initiative. In dem Aufruf wird behauptet: "Die Vertretung deutscher Interessen ist im politischen System der BRD von Anfang nicht vorgesehen gewesen". Es sei daher an der Zeit, den Bonner Parteien endlich den Stuhl vor die Tür zu setzen, um eine "tatsächliche Wende" herbeizuführen. 5 Einigungsbestrebungen des rechtsextremistischen Lagers Aufgrund der zahlreichen staatlichen, von den Rechtsextremisten als "Repressionsmaßnahmen" bezeichneten Aktivitäten gegen den Rechtsextremismus sah sich insbesondere die Neonazi-Szene in den letzten Jahren gezwungen, neue, organisationunabhängige Aktionsformen zu entwickeln. Neonazis bauten den Einsatz moderner Kommunikationsmittel aus (Stichwort: informationelle Vernetzung) und begannen mit dem Aufbau von lockeren, "autonomen", d. h. nicht greifund damit auch nicht verbietbaren Strukturen. Hauptsächlich über solche Strukturen - Vorbild: Die losen Strukturen der linksextremistischen Gruppen, die sich als "Autonome" bezeichnen - soll versucht werden, Verbotsmaßnahmen zu unterlaufen. Auch in Berlin haben sich in den Jahren 1995 und 1996 zahlreiche "Unabhängige Kameradschaften" (siehe 3.1) gebildet. Daneben fördern zwei Vereine mit ihren regelmäßigen Zusammenkünften in der rechtsextremistischen Szene vorhandene Einigungsbestrebungen: Die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V " und das 121 RECHTSEXT; iE u 11 'J J JJ U "J "Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk e. V.". Außerdem gibt es Ansätze zur Zusammenarbeit der DLVH, der NPD und der Partei "Die Republikaner" in einer "Initiative PRO DEUTSCHLAND". 5.1 Informationelle Vernetzung Die rechtsextremistische Szene baute auch 1996 durch den Einsatz modemer Kommunikationsmittel ihre informationelle Vernetzung weiter aus. Über Mobiltelefone, Mailboxen, Funkgeräte sowie Info-Telefone und neuerdings auch Rundfunksendungen im "Offenen Kanal Berlin" wird dabei versucht, rechtsextremistische Aktivitäten zu unterstützen und weitgehend fehlende organisatorische Strukturen zu ersetzen. * Mailboxen und Internet Seit Frühjahr 1993 besteht das organisationsübergreifende rechtsextremistische "Thule-Netz". Zum Selbstverständnis heißt es im "Thule-Journal" 1/94: "Das Ziel der Thule-Mailboxen ist die Schaffung eines dezentralen Netzes. Wir nutzen die neuen Medien politisch und nationalistisch - deshalb organisieren wir uns mit dem Ziel, die Idee eines eigenen Datennetzes zu verwirklichen..." Mittlerweile wird das "Thule-Netz" von der rechtsextremistischen Szene als eigener "erster umfassender Nachrichtendienst" betrachtet. 122 ftECHTSEXTria'jl I 'SIA LIB Das Thule-Netzwerk ftt*!!t** M 'IITTT^HIIII' In Berlin existierten zumindest bis Mitte 1996 zwei in das "Thule-Netz" eingebundene Mailboxen: | "SOREVO.BBS" ("SoRevo" = "Sozialrevolution"; BBS steht für "Bulletin Board System") Die Betreiber und Nutzer dieser Mailbox haben sich im Herbst 1996 aufgrund ideologischer Differenzen mit anderen Teilnehmern aus dem "Thule-Netz" zurückgezogen. "BUNKER.BBS" Der Betrieb dieser Mailbox wurde im Sommer 1996 bis auf weiteres ausgesetzt. Wegen einer Strafanzeige gegen den Betreiber ist die Computeranlage im August 1996 von der Polizei beschlagnahmt worden. Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren ist anhängig. Neben dem "Thule-Netz" war 1996 ein Trend zur verstärkten Internet Nutzung des "Internet" durch rechtsextremistische Organisationen zu verzeichnen. Insbesondere rechtsextremistische Parteien, wie die "Republikaner" und die NPD mit ihrer Jugendorganisation JN werben hier für ihre politischen Ziele. In Berlin bietet der Kreisverband Neukölln der Partei "Die Republikaner" seit Herbst 1996 eine "Homepage" (eigene Seite) im Internet an. ti"zwnzj'.ri'.E?j\'jm& * "Info-Telefone" "Info-Telefone" dienen dazu, über Anrufbeantworter Interessenten Informationen aus der Szene zu übermitteln. Die Ansagetexte enthalten u. a. Hinweise auf rechtsextremistische Veranstaltungen und informieren über aktuelle Themen sowie über Aktionen der "Szene". Die Betreiber der "Info-Telefone" sind bestrebt, die Ansagetexte so zu formulieren, daß einerseits kein Zweifel an ihrer rechtsextremistischen Grundeinstellung besteht, aber andererseits nicht der Verdacht einer strafbaren Handlung entsteht und deshalb Ermittlungen eingeleitet werden könnten. Bei den über die "Nationalen Info-Telefone" und Mailboxen abrufbaren Informationen handelt es sich ausschließlich um solche, die aus Sicht der Rechtsextremisten nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Interna, die Sicherheitsbehörden und politischen Gegnern verborgen bleiben sollen, werden dagegen vorrangig bei persönlichen Begegnungen ausgetauscht. In Berlin existierten im Jahre 1996 zwei derartige Einrichtungen: "Nationales Info-Telefon Berlin" (NIT Berlin) bzw. "Nationales Info-Telefon für Berlin und Brandenburg" Ein seit dem 6. Juni 1994 bestehendes "Nationales Info-Telefon Berlin" (Betreiber war der damalige Vorsitzende der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." Ulli BOLDT) hatte am 29. März 1996 seinen Betrieb eingestellt. Am 17. Dezember 1996 startete der Berliner Funktionär und stellvertretende Bundesvorsitzende der JN, Andreas STORR, nunmehr unter der Bezeichnung "Nationales Info-Telefon für Berlin und Brandenburg - Stimme der nationalen Opposition" eine Neuauflage des NIT Berlin. 124 REOJT ' j PS / rJlHiMJ ^iVJ'UIS "Republikanisches Info-Telefon" Von Dezember 1994 bis August 1995 (letzte Ansage) betrieb die Fraktion der REP in der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg ein Info-Telefon, das in nur unregelmäßigen Abständen aktualisiert wurde und eine Zeitlang ruhte. Anfang Dezember 1995 nahmen die REP-Kreisverbände Charlottenburg und Tiergarten das "Republikanische Info-Telefon" wieder in Betrieb. Seit Februar 1996 führt der Kreisverband Charlottenburg der REP allein das Info-Telefon. Verantwortlich hierfür ist ein Mitglied der REP, zugleich Angehöriger der neonazistischen "Kameradschaft Beusselkiez". Projekt "Radio Germania Das Radio für nationale Interessen" Seit April 1996 gestalteten Neonazis in der Regel einmal monatlich ein 60minütiges Radioprogramm auf der Kabelfrequenz des "Offenen Kanals Berlin" (OKB). Im Berichtszeitraum wurden zehn Sendungen ausgestrahlt. Die Beiträge setzen sich überwiegend aus sog. Skinheadmusik und Titeln rechtsextremistischer Liedermacher zusammen. Daneben werden Textbeiträge im Stil der Meldungen der bisherigen "Nationalen Info-Telefone" verlesen. Aufgrund eines Sendeverbots (Verstoß gegen Jugendschutzbestimmungen) für die bis dahin unter der Bezeichnung "Radio Deutschland - Radio für deutsche Interessen" produzierten Sendungen wurde das neonazistische Radioprojekt seit August 1996 unter der Bezeichnung "Radio Germania" weitergeführt.18 Die presserechtliche Verantwortung für die Sendungen liegt 18 Nach einem Beschluß der für den OKB verantwortlichen "Medienanstalt Berlin-Brandenburg" (MABB) vom 29. Januar 1997 darf "Radio Germania" bis auf weiteres nicht mehr auf Sendung gehen. Die vorläufige Verfügung der MABB stützt sich auf ein Gutachten der "Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen" (FSK), wonach "Radio Germania" eine "jugendgefährdende Gesamtdramaturgie" aufweist. Mitte März 1997 bestätigte die MABB ihre vorläufige Entscheidung: Danach darf PENKERT zunächst für ein Jahr den OKB nicht mehr nutzen. 125 RECHTSEXTREIMSMUS seitdem ausschließlich bei dem Leiter der "Kameradschaft Beusselkiez", Mike PENKERT. In den Beiträgen wird jedoch offensichtlich genau darauf geachtet, keine strafrechtlich relevanten Inhalte zu verbreiten. Vielmehr ist die Absicht zu erkennen, über einen hohen Musikanteil politisch orientierungslose Jugendliche anzusprechen und diese an rechtsextremistische Denkweisen heranzuführen. Dem Radioprojekt wird in der neonazistischen Szene eine große Bedeutung zugemessen, die sich auch in der Unterstützung durch prominente Neonazis (z. B. den rechtsextremistischen Liedermacher Frank RENNICKE) ausdrückt. * "Anti-Antifa"-Kampagne Die "informationelle Vernetzung" wird auch für die "Anti-Antifa"Kampagne eingesetzt. Das "Nationale Lager" soll hierdurch u. a. in der Abwehr des "antifaschistischen Kampfes" militanter Linksextremisten geeint werden. Die Kampagne hat neben der Bekämpfung des politischen Gegners neuerdings aber auch die des "beamteten Gegners" zum Ziel. Nach einer Phase der Stagnation ist spätestens seit Ende 1995/Anfang 1996 bundesweit eine Wiederbelebung der "AntiAntifa"-Arbeit von Rechtsextremisten festzustellen. Dabei sollen als neue Aufgabe insbesondere "bundesdeutsche Staatsschutzdienststellen" und Angehörige der Ämter für Verfassungsschutz "aus der Anonymität herausgeholt" werden. In diesem Zusammenhang werden auch Kontakte von Rechtsextremisten zu Mitarbeitern von Sicherheitsbehörden befürwortet. Dabei sind die Angehörigen des "Nationalen Lagers" aufgerufen, Gedächtnisprotokolle über ihre Gespräche zu fertigen, Auszüge aus ihnen möglicherweise zugänglichen Ermittlungsakten herzustellen und - wenn möglich - Fotos zu machen, um entsprechende Dossiers anfertigen zu können. 126 RECHTOEXTREMISMUS In Berlin werden die Bemühungen der "Anti-Antifa", die langfristig auch eine "Anti-Antifa"-Publikation mit den Ergebnissen ihrer Recherchen herausbringen will, insbesondere von maßgeblichen Neonazis getragen. ftnti-pntifß Berlin informiert: fciiiirayfmdiijnj gehtöllßanl Tag IIK Tsi; woT-iioi v " 3SK dfcii w a h i t n G t i i v i K J - ^ ^ ' r *e ftiisct"ifetiiia^siirtiKT1 s i r u - j - ^ lij^r.und Pr^Mftdl:-:-;! p h i es ii;r uns s K i t k i w a k t!)chä BKSI* U"iTi i ^ h " * I " M , * " i'* IHRjwWt. A.I.J .feiSi fsSsa feHi? d i v Sysiiiiii. .ten li'.iV"! V,uh .vx',-IUI ..?** '.OS l'fe.h Stirner de" R t i ' K w u i : ^ ! sic:?.;" !*IC*OIWG.. i t e ^ i f * XVÜ*IKL* i l " l.:m"(1:ii:i-*::U5^", &iS s i ^ \ a t ü ' ^ m l CTSC^S i ^ wt"dc" wild Uaiie ATKI wwaaikt R*.iiw\ sa* M;kli!:>cfec fctses ;i..t'Lagc, \ % I I 3 ! jral ttlJAiSigka* i u r f j t ^ *.*irV.li:tiK" V:jiT<;ki-ife!. Voik". w ä t a nafeciic^jcri M"dita&ip=rw.a" dfiicfcetfst. D-i/ii fc" o* teiv,u$ * ; ! m fc^ulö v i i t - ^ H ^ "("vi:fc*-(wsit-ischiJi Geimc-t K*b"*ii*eTi (x^ixsr IHWECÜ B"vi r c:in.PS*it*i RStSsJUEeA "U-i a..aiu*.u!sdi!:ii rj^i e i g n e n uiai s.\Tii.c.Ti'itif.;icurk*r. i?c*s"ncfl. I?" dk~su ( t-i* jadQaHvteJ ;:\ pid. isl. 3 b * s ci " ut tlcris; Begriff ' M t i - A n u l a iastiiekteiiil .ogscleeki wwe. sway Ü*& "e.d S*I1*2*1 t & B * K " Eiü'ipPiiJiüKfc M 4 J A H ) ' W a i Iri.swtt lind & * : . ^ M i - s a r a t;*k S I X T H S * . ' *.hni.Ji..:j. i'Ai/ii:Biii.i;* Mi-> iiCisel>a'aaiaitfa aashaaiGrusiKittk*t Aj.is.i--A. ;i ". ,..*... i. /..i "-..ieiiett. liage:; iUti ^cr;-;ilii,.!i irtifi::" su.-iVs *in>PSc;i'j.si. ode' "r.f. .lic-r.i.jiiir I- iJ>ue:i"' -*;; >iivi *;lx>hir;-!i.-LV>-in< huif.i-uliel ."i:*i?:, : ^.->(i;>i:;Uif'iiy i M i i ' . ' e i i i ^ W a . K - c . w u i i i . v W " ^ * !TS^flabi.t:ftCii>o^1^4,.12K| Bctliri Darüber hinaus haben Berliner Rechtsextremisten eine "Prozeßgruppe Berlin" gegründet, die Materialien zu Prozessen gegen Rechtsextremisten in Berlin sowie über bei diesen Prozessen auftretende Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamte sammelt. 127 R E C H T S E X T R E M I & J JJ U : 5.2 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." Sitz: Berlin Mitgliederzahl: 25 (1995: 25) Organisationsstruktur: Verein Entstehung/Gründung: 1983 Ideologie: rechtsextremistisch Die 1983 von oppositionellen Berliner NPD-Mitgliedern gegrünSammetbecken dete "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." (früher für Rechtsex"Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin") ist als integrierender tremisten und ' Neon nazis Faktor innerhalb der rechtsextremistischen Szene Berlins unter Einschluß und besonderer Beteiligung von organisierten Neonazis und Mitgliedern von "Unabhängigen Kameradschaften" anzusehen. Zu den "Großveranstaltungen" der "Kulturgemeinschaft" erAktivitäten scheinen zahlreiche Rechtsextremisten aus allen Teilen des Bundesgebietes. Die übrigen Veranstaltungen, auf denen prominente Referenten der rechtsextremistischen Szene auftraten, werden stets von etwa 60 bis 100 Teilnehmern besucht. 1996 fanden u. a. folgende Treffen statt: Januar: März: Mit ca. 120 Teilnehmern, darunter Mit etwa 70 Teilnehmern, darunter Mitglieder und Anhänger der REP zahlreichen Neonazis. und der NPD sowie zahlreiche Referent: Neonazis. Wolfram NAHRATH, ehemaliger Referent: "Führer" "Gau Berlin" und in Jürgen RIEGER, Hamburger Personalunion ehem. BundesRechtsanwalt, u. a. Herausgeber vorsitzender der am 10. November der Zeitschrift "Neue Anthro1994 verbotenen "Wiking-Jugend pologie". e. V." (WJ). Thema: Thema: "Biopolitische Lage Deutsch"Brauchtumspflege als Bestandlands" teil des Kulturkampfes". 128 REOHTSEXTRES" ISMUS Nach Öffnung der Mauer führte die "Kulturgemeinschaft" bis 1993 jährlich im November eine "Heldengedenkfeier" in Halbe durch. In den Jahren 1994 und 1995 sind die Kundgebungen polizeilich verboten worden. Für die ursprünglich 1996 erneut vorgesehene Gedenkveranstaltung in Halbe - mit einem erneuten Verbot war zu rechnen - zog der damalige Vorsitzende der "Kulturgemeinschaft" Ulli BOLDT seine Anmeldung jedoch zurück, nachdem er erklärt hatte, aus beruflichen Gründen den Vorsitz niederzulegen. Auf der für den 21. November einberufenen Mitgliederversammlung wurde die bisherige stellvertretende Vereinsvorsitzende und langjährige frühere Vorsitzende Dr. Ursula SCHAFFER erneut zur Vorsitzenden gewählt. 5.3 "Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk e. V." Sitz: Berlin Mitgliederzahl: EM (1995: EM) Organisationsstruktur: Verein Entstehung/Gründung: 19. November 1990 Ideologie: rechtsextremistisch Der Verein will - u. a. über Veranstaltungen zur politischen Bildung - "die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens in Deutschland und Berlin und den Heimatgedanken" bewirken. Der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen ergibt sich vorrangig aus der Zusammensetzung der Mitglieder. Ziel des Vereins ist die enge Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen, wobei das Bildungswerk dabei u. a. als "Tarnorganisation" für Veranstaltungen von Rechtsextremisten und Neonationalsozialisten fungiert. Die Aktivitäten des Vereins beschränkten sich auf Einzelveranstaltungen, an denen u. a. auch Angehörige der rechtsextremistischen Vereinigungen "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V.", "Die Republikaner" (REP) und "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) sowie der neonazistischen Gruppierung "Die Nationalen e. V." teilnahmen. Die 129 RECH nPS/ rr^uuMus letzten beiden Zusammenkünfte erfolgten im Rahmen der "Runden-Tisch-Bewegung", so zuletzt im Februar 1996. 5.4 "Deutsches Kolleg" (DK) Sitz: Berlin Mitgliederzahl: EM (1995: EM) Organisationsstruktur: freies bundesweites Fernkolleg Entstehung/Gründung : Dezember 1994 Ideologie: rechtsextremistisch Das "Deutsche Kolleg" wurde im Dezember 1994 in Berlin gegründet. Das DK verfügt nur über Einzelmitglieder. Nach seinem Selbstverständnis soll es den "jungen schöpferischen Kräften das geistige Rüstzeug und ein Forum in der deutschen Hauptstadt" vermitteln. Basis der Schulungen sind die von dem Hamburger rechtsextremistischen Theoretiker Dr. Reinhold OBERLERCHER verfaßten Texte. Diese werden in sog. Schulungszyklen Interessierten nahegebracht. Wesentlicher Bestandteil der Unterlagen ist der 50seitige "Schulungszyklus 'Die Neuordnung Deutschlands'", aus der sich eindeutig antidemokratische, I Ideologie rassistische und ausländerfeindliche Züge ergeben. Im "Reichs- i Verfassungsentwurf (RVerfE) Reinhold OBERLERCHERs wird die "Volksherrschaft" propagiert, die keinesfalls "Demokratie" genannt werden dürfe. Im "ABC der politischen Begriffe" heißt es gar: "In der späten BRD wurde Demokratie vorwiegend gebraucht als ideologisiertes Schlagwort zur Verbergung von Fremd-, Klassenund Pöbelherrschaft..." OBERLERCHER will zwar nicht den NS-Ariernachweis wieder einführen, befürwortet aber einen "Germanenbeweis". Dabei wird von Nichtdeutschen beispielsweise polnischer Herkunft erwartet, daß sie sich - bevor sie die "Reichsbürgerschaft" 130 RECHTSE/rriHuJlSMUS erhalten können - "entpolonisieren". Mischehen und die "kleinen braunen Mischlingskinder" seien "zunächst einmal ein rassisch zugespitzter Angriff auf die herkömmliche deutsche Abstammungsgemeinschaft und das hergebrachte deutsche Schönheitsideal". Neben Vorträgen ("Berliner Gespräche") veranstaltet das DK Aktivitäten Schulungen (zweite Säule des DK). Begonnen wurde der Auf- " bau von Schulungsgruppen in mehreren Orten der Bundesrepublik Deutschland. Das DK führte während des Jahres 1995 Schulungsveranstaltungen zu Themen wie "Die Neuordnung Deutschlands" im gesamten Bundesgebiet, vorwiegend jedoch im Raum Hamburg, durch. Den Höhepunkt bildete im August eine fünftägige sog. Freie-Sommer-Universität zum Thema "Großraum Europa" auf Burg Hohenburg in Bayern. Zum Stand des Organisationsaufbaus legte das "Deutsche "Plan 1996" Kolleg" Ende Februar 1996 eine Art Zwischenbilanz und einen "Plan 1996" vor. Darin heißt es, der Aufbau von Schulungsgruppen sei 1995 und 1996 nicht so schnell und flächendeckend vorangekommen wie anfänglich gehofft. Dies liege zum einen an dem desolaten Zustand des nationalen Lagers zwischen Apathie und blindem Aktionismus. Zum anderen seien die geringen personellen Kräfte des Kollegs mit der Erarbeitung und dem Versand des Materials vollkommen ausgelastet. Die heutige Zeit, in der kurzfristige Erfolge versagt blieben, erfordere den Blick auf langfristige Perspektiven. Die Schulungsgruppen in Berlin, Bielefeld, Würzburg und München seien gefestigt. In Hamburg, Kiel und anderen Orten müsse noch Aufbauarbeit geleistet werden; Ansätze seien vorhanden. In einem Info-Faltblatt heißt es, das "Deutsche Kolleg" betreue ein bundesweites Netz von lokalen Schulungsleitern (so in Berlin, Hamburg, Kiel, Hannover, Bielefeld, Köln, Düsseldorf, München, Heilbronn, Stuttgart und Leipzig). 131 ^ECr'Jr'JH/rP.HiMJ'J^U'J 5.5 "Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik" und "Verlag der Freunde" (VdF) Sitz: Berlin Herausgeber: Andreas Röhler, Peter Töpfer, "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (GbR) Verlag: "Verlag der Freunde", Berlin Gegründet: 1994 Publikationen: "Sleipnir" (zweimonatlich) Der "Verlag der Freunde" (VdF) - 1994 gegründet mit Sitz in Berlin als Eigenverlag von Andreas RÖHLER und Peter TÖPFER - wurde mit Erscheinen seiner Publikation "Sleipnir" Nr. 1 im Januar 1995 bekannt. Seitdem ist alle zwei Monate eine neue Ausgabe bzw. sog. Notausgabe dieser Publikation herausgegeben worden, zuletzt die Ausgabe März/April 1996 (insgesamt bisher acht Ausgaben). 132 RECHTSEXTREMISMUS Die Verlagsinhaber unterhalten Verbindungen zu Rechtsextremisten und bieten diesen Gelegenheit, ihre Insbesondere revisionistischen Auffassungen in "Sleipnir", die in ihrer Grundhaltung als antiliberal und antiegalitär zu bezeichnen ist, zu verbreiten. In der Zeitschrift findet sich auch Werbung für ausländische, vor allem französische rechtsextremistische bzw. revisionistische Zeitschriften, wie etwa für "MILITANT. Revue nationaliste pour la defense de l'identite francaise et europeenne. BP 154, 75463 Paris Cedex 10". Der "VdF-Buchdienst" vertreibt Bücher und Tonträger mit rechtsBüchem und i l extremistischen und revisionistischen Inhalten (u. a. "VerTonträgem J schwörung und Verrat um Hitler" von Otto Ernst REMER und Tonträger des Liedermachers Frank RENNICKE). Am 15. November 1995 wurde auf Beschluß der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren im Sinne der SSSS 86 a (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und 130 StGB (Volksverhetzung) Verlagsräume und Wohnungen der Gesellschafter durchsucht, wobei umfangreiches Beweismaterial sichergestellt werden konnte, u. a. zweitausend Druckschriften, Buchhaltungsunterlagen sowie drei PCs mit Zubehör. Mitte Juni 1996 durchsuchte die Polizei sowohl die Verlagsräume in Berlin-Friedrichshain als auch die Wohnungen von zwei Mitarbeitern. Ihnen wird vorgeworfen, in der Ausgabe 1/96 des "Sleipnir" einen Artikel veröffentlicht zu haben, in "dem das Judentum in strafrechtlich relevanter Weise beschimpft wird". Bei der Aktion wurden mehrere tausend Exemplare der Zeitschrift und andere Druckerzeugnisse beschlagnahmt. Seit dem 12. August wird vor dem Amtsgericht Tiergarten gegen Verantwortliche des VdF wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verhandelt. Das Gerichtsverfahren wurde dann jedoch 133 RBCHTSEXfREMISMUS aus formellen Gründen ausgesetzt, ohne daß ein weiterer Verhandlungstermin für 1996 in Aussicht stand.19 Ausblick Auch wenn in Berlin die Anzahl von Neonazis sowie des übrigen : : : : . ; * . . ; . Keine organisierten Rechtsextremismus weiter abgenommen hat und Entwarnung bei gewalttätigen Rechtsextremisten die Anhängerschaft gleichgeblieben ist, werden diese Erscheinungsformen des Extremismus auch in Zukunft bedeutsam für die innere Sicherheit Berlins sein. Besonderes Augenmerk muß hierbei der wieder ansteigenden Zahl von Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund und einem sich möglicherweise bildenden Rechtsterrorismus gelten, für den es z. Z. zwar noch keinen Nachweis gibt. Dennoch liegen Indizien vor, nach denen sich einige Personen aus der Neonazi-Szene mit rechtsterroristischen Überlegungen befassen. Die der neonazistischen Szene zuzurechnenden "Unabhängigen Stabilisierung Kameradschaften" haben sich stabilisiert. Bemerkenswert sind der "Kameraderste Anzeichen dafür, daß sich zunehmend auch 18bis schafts"-Szene 25jährige den "Kameradschaften" zuwenden. Voraussichtlich werden diese die nach den Verboten mehrerer neonazistischer Gruppierungen begonnene Vernetzung weiter vorantreiben - auch über die Berliner Landesgrenzen hinweg. Eine besondere Rolle kommt dabei den "Nationalen e. V." und den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) zu, die die "Kameradschaften" einerseits als manipulierbares Potential für Aktionen nutzen, andererseits in ihnen ein Rekrutierungsfeld für die eigene Organisation sehen. Insbesondere die JN haben gegen Ende des Jahres 1996 mit Billigung ihrer Mutterpartei, der "Nationaldemokratischen Partei | güed zu Neonazis 19 Im Februar 1997 wurde das Verfahren fortgeführt. 134 RECHTSEMTREillSüUS Deutschlands" (NPD), Neonazis aus dem Kreis der "Kameradschaften" zur Stärkung der aus ihrer Sicht "einzigen nationalen Opposition" aufgenommen. Führende Funktionäre der JN werden in diese Richtung vermutlich weiter aktiv sein. Die Entwicklung rechtsextremistischer Parteien wie "Die Republikaner" wird abhängen von Wahlerfolgen auf Landesund Kommunalebene. Doch hat die Vergangenheit gezeigt, daß selbst die aktive Beteiligung der REP im Berliner Abgeordnetenhaus keine dauerhaften Spuren in der Politikgestaltung der Stadt hinterlassen hat, was eine Demotivierung der Wähler solcher Parteien zur Folge hatte. Organisationsübergreifende Gruppierungen wie "Berliner KulturBedeutung - organisationsgemeinschaft Preußen e. V." und "Hoffmann-von-Fallerslebenübergreifender Bildungswerk e. V." werden auch in Zukunft die Rolle eines Gruppen Wegbereiters und Multiplikators für rechtsextremistische und neonazistische Ideen spielen. Dank moderner Technologie wie Internet, Mailboxen etc. wird Informationelle Vernetzung auch auf dem Sektor "informationelle Vernetzung" mit einer Steigerung der Aktivitäten zu rechnen sein. 135 AUSLANDEREXTREMISMUS KURTULUSUMUZ D I V H i M D E , GELECEK SOSYALiZMDEDJR. Ö E V R I M C I SOL. BASKI VE I X i n i i t M ) "nlfc Km-toiu" Pwrtlul-Cepheul SOMÜBÜ ZiMClRlNDEN !ltt KURTULUS Ö B G Ü T Ü D Ü R . EMEKLERiMiZi, OELECE&lMfZl K A Z A W M A ^ B A S K I VE Z U L Ü M DUZEB m~tM%EE$iii DEVRIME YURUYELIM 137 AUSLANDEREXTTl -nil ^ JUS AUSLANDEREXTREMISMUS 1 Allgemeiner Überblick "Ausländerextremismus" dient den Verfassungsschutzbehörden Definition als Arbeitsbegriff. Der Schwerpunkt dieses Aufgabenbereichs "Ausländerliegt in der Beobachtung von gewaltorientierten, terroristischen extremismus und staatsterroristischen Bestrebungen militanter ausländischer Organisationen, Gruppen oder Einzelpersonen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder ihre innere Sicherheit gefährden. Hierzu zählen auch bestimmte geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte, die zum Ziel haben, Terroranschläge vorzubereiten bzw. durchzuführen, Oppositionelle und Regimegegner auszuforschen oder zu bedrohen bzw. einzuschüchtern, in Einzelfällen sogar zu liquidieren (Staatsterrorismus). Angesichts der Vielzahl der vom Berliner Verfassungsschutz JP(tm)-8(tm)(tm)"(tm)""" beobachteten ausländischen extremistischen Gruppierungen I potentiate198" fällt es schwer, generelle Aussagen über ihre Ideologie zu v ^ ^ , ^ . treffen. Gefährdungspotentiale lagen 1996 bei folgenden Organisationen: Der von ihrem Ursprung her marxistisch-leninistischen Kaderorganisation "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die - gemäß ihrem Gründungsmanifest - für einen "unabhängigen und demokratischen Kurdenstaat" kämpft. Den zahlreichen türkischen extremistischen Organisationen, wobei unterschieden wird zwischen linksextremistischen Türken, deren Ziel die Beseitigung des gegenwärtigen Regimes und die Errichtung einer marxistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei ist; AUSLÄNUEREXTOMS^US extrem-nationalistischen Türken, ausgerichtet an Nationalismus, Antikommunismus und Antisemitismus, sowie islamisch-extremistischen Türken, die für die Errichtung einer islamischen Staatsordnung eintreten. '* * Arabischen bzw. palästinensischen Organisationen, die wiederum untergliedert werden müssen in nationalistische bzw. islamisch-extremistische Gruppen, erklärte Gegner des Gaza-Jericho-Abkommens mit Israel und im Extremfall Befürworter der Errichtung einer islamischen Republik nach iranischem Vorbild, sowie linksextremistische Araber/ Palästinenser, d. h. laizistische Organisationen, die die Gegnerschaft zum Friedensprozeß mit Israel eint. * Staatsterroristischen Bestrebungen v. a. des Iran, um Regimegegner auch außerhalb des jeweiligen Staatsgebietes einzuschüchtern bzw. im äußersten Fall zu liquidieren. Der Anteil der in Berlin Ende 1996 melderechtlich erfaßten 444 112 Ausländer (1995: 435 698), die extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen zuzurechnen sind, betrug 1996 mit ca. 5 400 Personen (1995: ca. 5 400) ca. 1,22 % und ist damit nahezu gleich geblieben (1995: 1,25%). 1996 wurden in Berlin von ausländischen Extremisten 16 Gewalttaten (1995: 20) begangen, bundesweit 269 (1995: 283). Zu solchen in der Bundeshauptstadt verübten Verbrechen zählten im Berichtszeitraum neun Brandanschläge, zwei versuchte Brandanschläge und ein Schußwechsel. 139 AUSLÄNDERN l P.^J^HJS Mitgliedschaften in extremistischen Ausländergruppen in Bertin und Deutschland ;; I 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin Bund Gesamt davon 5 400 57 300* 5 400 55 500* Linksextremistische Araber/ Palästinenser 155 750 150 750 Islamisch-extremistische Araber / Palästinenser 310 2.300 320 2 100 Regimetreue Iraner 30 300 30 300 Oppositionelle Iraner 20 850 25 940 Islamisch-extremistische Türken 3 150 28 300 3 150 29 400 Rechtsextremistische Türken 600 6 900 600 6 000 Linksextremistische Türken 320 5 300 320 4 770 Kurden (PKK) 800 10 000 800 8 900 Verteilung nach ideologischer Ausrichtung: 1996 1996 1995 1995 absolut % absolut % tinksextremistische Organisationen 1 275 24 1 270 24 rechtsextremistische Organisationen 600 11 600 11 islamisch-extremistische Organisationen 3 520 65 3 525 65 Verteilung nach Nationalitäten: 1996 1996 1995 1995 absolut % absolut % Kurden (PKK) 800 15 800 15 Türken 4 070 75 4 070 75 Araber / Palästinenser 465 9 470 9 Iraner 50 1 55 1 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. 140 AUSLANDERECTREM9SNIUS 2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Sitz: Damaskus (Syrien) Organisationsstruktur: Zentralistisch geführte Kaderpartei Mitgliederzahl: 10 000 bundesweit (1995: 8 900) 800 in Berlin (1995: 800) Entstehung/Gründung: 27. November 1978 in der Türkei Verbote: Die PKK, die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) und einige ihrer Teilund Nebenorganisationen wurden am 22. November 1993 durch den Bundesminister des Innern in Deutschland verboten. Ideologie: marxistisch-leninistisch Die in der Türkei terroristisch operierende "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ging in der Vergangenheit auf deutschem Boden gewaltsam gegen türkische Einrichtungen vor und verübte z. T. schwerste Straftaten. Ihre prinzipiell ungebrochene Gewaltbereitschaft belastet in besonders starkem Maße das Verhältnis zwischen den hier lebenden Kurden und Türken. Nach ihrem bundesweiten Verbot am 22. November 1993 setzte die PKK ihre Aktivitäten auch in Berlin unbeeindruckt fort und demonstrierte durch provokatives Auftreten, daß sie nicht gewillt ist, die gegen sie verhängten Verbotsmaßnahmen zu akzeptieren. Bei der Anmeldung von Veranstaltungen, Demonstrationen und Protestaktionen traten zunehmend deutsche Sympathisanten in Erscheinung. Im Jahr 1996 konnten in Berlin keine Gewalttaten registriert werden, die der PKK zugerechnet werden müßten. Auch bundesweit ging die Zahl im Vergleich zu 1995 deutlich zurück. Letztmalig verübten mutmaßliche Anhänger der PKK massive Gewalttaten im März 1996 am Rande mehrerer verbotener Demonstrationen und Veranstaltungen aus Anlaß des kurdischen Neujahrs-("Newroz"-)Festes. Die Aktivitäten der PKK in Deutschland werden zentral gesteuert. Bei Demonstrationen in Berlin, auf denen gegen die "menschenverachtende Abschlachtung der Kurden in der Türkei" aufmerksam gemacht, PKK-Symbole gezeigt und deren 141 A U S L / J l D S J - ^ Jit^jblISMUS Parolen skandiert wurden, kam es vereinzelt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Weitere Veranstaltungen - auch in anderen Städten - verliefen ohne Zwischenfälle und wurden in PKK-Kreisen als ausdrucksvolles Zeichen der "Handlungsfähigkeit und Friedfertigkeit" der PKK gewertet. Anläßlich des kurdischen Newroz-Festes im März zitierte ein Redner PKK-Führer OCALAN, wonach "jeder Kurde eine Bombe" sei, die jederzeit explodieren könne. Noch im Juni 1996 äußerte OCALAN in einem Fernsehbeitrag sinngemäß, von Entspannung könne nicht die Rede sein, denn die "Polizeiaktionen" gegen seine Partei in Deutschland würden fortgesetzt. Trotzdem versuche die PKK, so OCALAN, "die Reaktionen unseres Volkes und unsere eigenen irgendwie ... zu kanalisieren und zu kontrollieren". Pressemeldungen im September 1996 zufolge wolle OCALAN jedoch sein erklärtes Ziel eines politischen Dialogs mit Deutschland nicht gefährden. Die PKK finanziert sich durch Spendensammlungen, Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus dem Verkauf von Publikationen und Überschüssen aus parteieigenen Unternehmen. Das in der Vergangenheit auch durch Androhung oder Einsatz von Gewalt erzielte "Spendenaufkommen" beläuft sich bundesweit jährlich auf mehrere Millionen DM, auch in Berlin wurden erhebliche Beträge gesammelt. Ungeachtet ihres Verbots ist die Berliner PKK-Gliederung im Berichtszeitraum mit vielfältigen Aktivitäten in Erscheinung getreten: * 12. Februar deutschen Regierung wurde Etwa 100 Mitglieder und SymUnterstützung der türkischen pathisanten der PKK führten Kurden-Politik angelastet. Die eine unangemeldete DemonDemonstranten zeigten Symstration auf dem Breitscheidbole der verbotenen PKK/ platz (Berlin-Charlottenburg) ERNK und skandierten Parolen aus Protest gegen die "Kurdender Organisation. Drei Persopolitik" der Türkei und der nen wurden vorübergehend Bundesrepublik Deutschland festgenommen. durch. Auch in anderen deutschen In einem Flugblatt protestierten Städten kam es zu "spontanen" sie u. a. gegen die "menschenProtestaktionen, in deren Ververachtende Abschlachtung lauf vereinzelt PKK-Symbole der Kurden in der Türkei". Der und Transparente gezeigt wur- 142 AUSLÄNDEREXTREMISMUS den. Es kam zu zahlreichen PKK / ERNK - Fahnen wurden Festnahmen. mitgeführt und auf dem Weg zum Berliner Rathaus wieder- * 20. März holt PKK-Parolen skandiert. Etwa 600 Personen - fast ausVerantwortliche der Berliner schließlich Mitglieder und SymPKK-Gliederung bezeichneten pathisanten der PKK - beteiin Nachbetrachtungen die Deligten sich an einem "Schweimonstration als "sehr erfolggemarsch" zum Gedenken an reich", weil die gezeigten Bilder den Giftgaseinsatz gegen Kurdes PKK-Führers ÖCALAN von den am 16. März 1988 in der Polizei nicht beanstandet Halabja/Irak. wurden, Fahnen der PKK und Die Teilnehmer skandierten ERNK gezeigt werden konnten während des "Schweigemarund die Polizei das ständige sches" Parolen der PKK. Die Skandieren der Parolen nicht Stimmung war sehr gereizt. untersagt hatte. Durch das Einwirken des VerKritisiert wurde jedoch das anstalters auf die Demon"ängstliche Verhalten" einiger stranten endete der Aufzug Demonstrationsteilnehmer, die jedoch ohne besondere Vorbeim Einschreiten der Polizei kommnisse. Eine Person wurde gegen die Anhänger der "Dewegen Zeigens eines Bildes vrimci Sol" Fahnen und Transdes PKK-Führers Abdullah parente der PKK "versteckt" ÖCALAN vorübergehend festhätten. Jeder Kurde müsse sich genommen. zu seiner Organisation bekennen. * 31. März Die Berliner Gliederung der * 31. August PKK veranstaltete in einem An einer Festveranstaltung aus Saal der "Neuen Welt" in Anlaß des Jahrestags der AufBerlin-Neukölln ein Newroznahme des bewaffneten KampFest mit über 2 000 Personen. fes der PKK in der Türkei unter Im Verlauf der von Folkloredem Motto "15. August - Ein darbietungen umrahmten VerAbend für das Zusammenanstaltung hob ein Redner die wachsen mit der Heimat" Rolle des PKK-Führers Abdulbeteiligten sich nahezu 2 000 lah ÖCALAN im kurdischen Mitglieder und Sympathisanten Befreiungskampf hervor und der PKK. zitierte ihn mit den Worten, Die Veranstaltung war von jeder Kurde sei eine Bombe, kämpferisch gehaltenen Reden die jederzeit explodieren köngeprägt, die große Begeistene. Diese Aussage wurde mit rung bei den Teilnehmern frenetischem Applaus bedacht. hervorriefen. Der Versammlungsraum war Ständige PKK-bezogene Paromit Fahnen und Emblemen der len und das unentwegte Zeigen verbotenen PKK und ERNK von Fahnen der PKK, der ERNK geschmückt. und der PKK-Kampforganisation "Volksbefreiungsarmee * 1. Mai Kurdistans" (ARGK) heizten die Bis zu 400 Mitglieder und SymStimmung zusätzlich an. Ein pathisanten der Berliner PKKRedner rief die kurdischen JuGliederung beteiligten sich an gendlichen auf, sich intensiver der Demonstration des Deutfür den Befreiungskampf zu schen Gewerkschaftsbundes. engagieren, sie seien die Zahlreiche Bilder des * PKKReserve für den Kampf. Führers Abdullah ÖCALAN und 143 AmiMmmKmEmmmm Im Verlauf der Veranstaltung stranten führten Fahnen der wurde eine Spendensammlung ERNK mit. für die ARGK durchgeführt. 28. Dezember Etwa 1 000 Mitglieder und 28. September Sympathisanten der Berliner An einer Demonstration zum Gliederung der PKK beteiligten Thema "Massaker im Gefängsich im Audimax der Humboldtnis Diyarbakir" nahmen etwa Universität in Berlin-Mitte an 750 Mitglieder und Sympathieiner Gedenkund Kulturversanten der Berliner Gliederung anstaltung aus Anlaß des der PKK teil. Einige DemonJahrestages der Gründung der PKK (27. November 1978). Türken 1996 1996 1995 1995 JJertfn Bund Berlin Bund Türken gesamt 4 070 40 500* 4 070 40170" hiervon: Linksextremistische Türken davon 320 5 300 320 4 770 "Devrimci Sol" 50 1 200 50 1 050 "Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/M-L) (1996 einschließlich 180 2 700 150 2 200 abgespaltener Gruppierungen wie MLKP und KP-IÖ) "Revolutionäre Kommunistische Partei der 60 800 60 800" Türkei" (TDKP) Rechtsextremistische / nationalistische 600 6 900 600 6 000 Türken "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BUD) 300 - 300 - "Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin" 300 6 900 300 6 000*** (TUB) Islamisch-extremistische Türken 3150 28 300 3150 29 400 "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs" (IGMG) und "Europäische Moscheebau und 3 000 26 500 3 000 26 200 -unterstützungs Gemeinschaft e. V. (EMUG) "Verband der Islamischen Vereine und 150 1 500 150 2 900 Gemeinden e. V. Köln" (ICCB) Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. Diese Angaben entsprechen der Gesamtmitgliederzahl der "Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (DIDF). Diese Angabe entspricht der Gesamtmitgliederzahl der "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V." (ADÜTDF). 144 aUSLAi iL)ZnB.s:riiZM\ ^J jj u z 3.1 Linksextremistische türkische Organisationen r ZJel:! Einrichtung einer marxistischleninistischen Ordnung Für die Sicherheitslage Berlins sind die gewaltorientierten Organisationen der türkischen Neuen Linken von besonderer Bedeutung. Ziel dieser Organisationen ist die Beseitigung des gegenwärtigen Regierungssystems in der Türkei und die Errichtung einer Gesellschaftsordnung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus. Sie führen diesen Kampf auch in der Bundesrepublik Deutschland mit terroristischen Mitteln. Zu den gefährlichsten Gruppierungen zählen: 3.1.1 "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke") Sitz: Türkei Organisationsstruktur: Konspirativ arbeitende Kaderorganisation Mitgliederzahl: 1 200 bundesweit (1995: 1 050) 50 in Berlin (1995: 50) Entstehung/Gründung: Juni 1978 Verbot: Februar 1983 Ideologie: Sozialrevolutionär Im November 1975 gründeten Anhänger der "Türkischen Volksbefreiungspartei/-front" (THKP/-C) in der Türkei eine legale Organisation mit dem Namen "Föderation der revolutionären Jugendvereine" ("Devrimci Genclik"). Im Juni 1978 spaltete sich diese Föderation. Die Gruppe aus Istanbul nannte sich später "Devrimci Sol" ("Dev Sol"), die aus Ankara "Devrimci Yol" (Revolutionärer Weg). 145 AUSLÄNDEREXTrtiVjJJ^j^J 13 J Die seit 1978 in der Türkei terroristisch operierende und konspirativ arbeitende Dev Sol zerfiel - als Folge seit 1993 anhaltender Flügelkämpfe - in zwei rivalisierende Gruppen. Beide Flügel propagieren den bewaffneten Kampf gegen die türkische Regierung. Der sog. KARATAS-Flügel (benannt nach dem langjährigen Vorsitzenden der Dev Sol, Dursun KARATAS) postulierte anläßlich der Umbenennung der Fraktion in "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) den Alleinvertretungsanspruch der DHKP-C für die Politik der Dev SoL 146 MJSLÄjJO^I/l^ MIIVJJUS Die DHKP-C gliedert sich in einen politischen (DHKP) und einen militärischen (DHKC) Zweig. Ideologisch kaum von der DHKP-C zu unterscheiden ist der YAGAN-Flügel (benannt nach seinem im März 1993 von türkischen Sicherheitskräften getöteten Anführer Bedri YAGAN). Er bezeichnet sich seit Mitte 1994 als "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP-C - Devrimci Sol). Vom 13. Dezember 1995 bis zum 9. Januar 1996 fanden in mehreren türkischen Gefängnissen Häftlingsrevolten von Angehörigen linksextremistischer türkischer Gruppierungen statt, an denen sich zeitweise auch inhaftierte PKK-Aktivisten beteiligten. Anlaß der Revolten, in deren Verlauf drei Häftlinge getötet wurden, waren nach Angaben der Gefangenen "menschenunwürdige Haftbedingungen, willkürliche Isolationshaft und die alltägliche Brutalität der Sicherheitskräfte". Angehörige verschiedener linksextremistischer Gruppierungen nahmen diese Ereignisse zum Anlaß, bundesweit demonstrative und z. T. gewalttätige Aktionen durchzuführen: * S. Januar Alles was in der Türkei Unbekannte Täter verübten passiert, wird hier vergolten: einen Brandanschlag auf ein DEV SOL" angebracht worden. türkisches Computergeschäft/ An einer Fensterscheibe der Reisebüro in Berlin-Kreuzberg. Bank hatten die Täter eine In der Nähe des Tatortes war Brandsatzattrappe befestigt. ein deutsch/türkisches TransGegen eine weitere Scheibe parent mit dem deutschen Text wurde ein Brandsatz geworfen, "Die Massaker von Ümraniye der jedoch nicht zündete. werden zur Verantwortung gezogen, DHKC / Dev Genc" Im Zusammenhang mit erneuten angebracht. Hungerstreikaktionen in türkischen Gefängnissen ab Mitte Mai * 10. Januar 1996 wurden auch wieder Angriffe Vollständige Zerstörung eines auf offizielle türkische Einrichtürkischen Reisebüros in tungen in Berlin festgestellt: Berlin-Kreuzberg durch einen Brandanschlag. Vor einer * 26. Juli türkischen Bank auf der geVier maskierte Personen drangenüberliegenden Straßenseite gen in die Außenstelle des war ein türkischsprachiges türkischen Generalkonsulats in Transparent mit der sinngeBerlin-Charlottenburg ein und mäßen Aufschrift "Ankündifesselten die Angestellten. Die gung weiterer Anschläge - Täter sprühten politische Paro- 147 AUSLANDEREXTREMISMUS len an die Bürowände und entDie gewalttätigen Auseinanderkamen unerkannt. Gegenüber setzungen zwischen den verfeinder Deutschen Presse-Agentur deten Flügeln der "Devrimci Sol" teilte ein anonymer Anrufer mit, dauerten auch im Jahr 1996 an. Im für den Überfall sei eine GrupVerlauf der "Revolutionären 1. pe mit Namen "Revolutionäre Mai-Demonstration" kam es zwiLinke" verantwortlich. Er schen Anhängern des KARATASkündigte weitere Aktionen an, und des YAGAN-Flügels erneut zu solange sich die Situation in tätlichen Auseinandersetzungen. der Türkei nicht ändere. 3.1.2 "Devrimci Yol" ("Revolutionärer Weg") Sitz: Türkei Organisationsstruktur: konspirativ arbeitende Kaderorganisation Mitgliederzahl: 400 bundesweit (1995: 450) 30 in Berlin (1995: 30) Entstehung/Gründung: Juni 1978 Ideologie: Sozialrevolutionär Auf Initiative des "Devrimci Yol" (zur Entstehung vgl. 3.1.1) fand am 13. April im Audimax der Technischen Universität Berlin eine Podiumsdiskussion statt. An der als Veranstaltung der neugegründeten türkischen "Partei der Freiheit und Solidarität" (ÖDP) angekündigten Zusammenkunft beteiligten sich etwa 70 Personen, die mehrheitlich linksextremistischen türkischen Organisationen, darunter der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP), der "Marxistisch-leninistischen Kommunistischen Partei" (MLKP) und dem "Devrimci Yol", zuzurechnen waren. 148 AmiJ J IDHn^KTREMISMUS 3.1.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) Sitz: Auslandsbüros in Duisburg und Köln Organisationsstruktur: konspirativ arbeitende Kaderpartei Mitgliederzahl: 2 700 bundesweit (1995: 2 200) 180 in Berlin (1995: 150) Entstehung/Gründung: 1971, in der Bundesrepublik seit 1973/74 Ideologie: Sozialrevolutionär Die in der Türkei terroristisch operierende TKP/M-L propagiert den Sturz des politischen Regimes in der Türkei durch "revolutionären Kampf. Die Organisation ist nach wie vor von Spaltungen und Fraktionsbildungen geprägt. Die sog. Mutterpartei ist gegenwärtig aufgrund eines 1994 erneut entfachten internen Machtkampfes in zwei organisatorisch voneinander unabhängige Flügel gespalten. Beide - der "Partizan"-Flügel und das "Ostanatolische Gebietskomitee" (DABK) - nahmen für sich in der Vergangenheit die Bezeichnung TKP/M-L in Anspruch und trugen Auseinandersetzungen z. T. gewaltsam aus. Für den Bereich Berlin konnte jedoch 1996 eher eine zweckgebundene Kooperation beider Flügel festgestellt werden. Von besonderer Bedeutung für die Sicherheitslage Berlins waren die Nachfolgeorganisationen der TKP/M-L Hareketi ("Bewegung"), die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) und die "Kommunistische Partei - Aufbauorganisation" (KP-IÖ). Wie im vergangenen Jahr kam es bundesweit zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern dieser Abspaltungen: * 14. Juni chen Thema erschienen, kam Etwa 30 Anhänger der MLKP es zu Handgreiflichkeiten. errichteten vor einem Cafe in der Adalbertstraße (Berlin- * 31. Juli Kreuzberg) einen Infostand, um Anhänger von MLKP und KP-IÖ auf einen Hungerstreik in türkiverletzten bei einer Schießerei schen Gefängnissen (s. u.) hinin Berlin-Neukölln eine ^jährizuweisen. Als Sympathisanten ge türkische Jugendliche. des DABK und der KP-IÖ mit einem Transparent zum glei- 149 AUSLAI4DEREXTREMISMUS * Mitte Mai begann in mehreren * 4. Juli türkischen Gefängnissen eine 24 "türkische Antifaschisten" Hungerstreikaktion von Angebesetzten das Büro des halbhörigen verschiedener türkistaatlichen türkischen Fernsehscher linksextremistischer' Orsenders TRT-INT in Berlin-Wilganisationen, u. a. von TKP/Mmersdorf, um mit dieser Aktion L, DHKP-C und PKK, um gegen ihre "Solidarität mit den hundie neuen Strafvollzugsbestimgerleidenden Menschen in den mungen zu protestieren. An türkischen Gefängnissen" zum den erst am 27. Juli beendeten Ausdruck zu bringen. Sie beHungerstreiks sollen sich zeitnutzten die Faxund Telefonweise fast 2 000 Häftlinge in anlagen, um Presseund Meüber 40 Gefängnissen beteiligt dienvertreter auf ihr Anliegen haben, in deren Folge 12 Häftaufmerksam zu machen. Nach linge verstarben. der polizeilichen Feststellung der Personalien verließen die Vor diesem Hintergrund wurden in Besetzer die Geschäftsräume. der Bundesrepublik Deutschland allein im Monat Juli 1996 fast 50 * 26. Juli Brandanschläge und SachbeschäBesetzungsaktion im türkidigungen auf türkische schen Generalkonsulat (vgl. Einrichtungen verübt. Auch in 3.1.1). Berlin kam es zu einer Reihe von Anschlägen und gewalttätigen * In der Nacht vom 27. zum 28. Aktionen: Juli verübten unbekannte Täter Brandanschläge auf eine Mo- * 18./19. Juni schee und eine türkische BeUnbekannte Täter verübten gegnungsund Freizeitstätte in Brandanschläge auf türkische Berlin-Kreuzberg. Auch diese Reisebüros in den Bezirken Anschläge dürften, obwohl keiNeukölln, Wedding und Kreuzne Bekennungen vorliegen, mit berg. dem Hungerstreik in den türkiIn Wedding und Kreuzberg schen Gefängnissen zusamwurden die Brandsätze durch menhängen. Schaufenster bzw. Türscheiben in das Ladeninnere geworfen. In beiden Fällen entstand erheblicher Sachschaden. Bei dem Anschlag in Neukölln wurde lediglich die Hausfassade beschädigt. In der Nähe des Tatortes in Wedding fand die Polizei ein Flugblatt, das der TKP/M-L zugeordnet werden kann und sich auf den Hungerstreik bezieht. 150 AUSLÄNDEREXTREMISMU$ 3.1.4 "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) Organisationsstruktur: konspirativ arbeitende Kaderorganisation Mitgliederzahl*: 800 bundesweit (1995: 800) 60 in Berlin (1995: 60) Entstehung/Gründung: 2. Februar 1980 Ideologie: revolutionär-marxistisch Diese Angaben entsprechen der Gesamtmitgliederzahl der "Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (DIDF). Ziel der TDKP ist, nach Realisierung der "national-demokratischen Volksrevolution" durch bewaffneten Volksaufstand eine Staatsordnung auf marxistisch-leninistischer Grundlage zu errichten. Die Organisation tritt in der Bundesrepublik Deutschland eher publizistisch, selten mit eigenen öffentlichen Aktivitäten in Erscheinung: * 27. Januar worden. Er starb an den Folgen Veranstaltung der Berliner Glievon Mißhandlungen durch Poliderung der TDKP in einem Hörzeibeamte. saal der Technischen Universität Berlin (Berlin-Charlot- * 29. Juni tenburg) mit über 100 TeilAufzug der Berliner Gliederung nehmern. der TDKP unter dem Motto Hauptredner war der ehemalige "Angriffe der türkischen Polizei Chef der TDKP, der sich gegenauf die Demonstrierenden in wärtig in der Türkei in einer der Türkei" durch Berlin-Kreuzlegalen Partei engagiert und für berg unter Beteiligung von die linksorientierte türkische ebenfalls etwa 100 Personen. In Tageszeitung "Evrensel" arbeieiner Rede und in Flugblättern tet. Er sprach über den Tod des wurde zur Solidarität mit der türkischen Journalisten Metin türkischen "Partei der Arbeit" GÖKTEPE, der für die (EMEK Partisi) aufgerufen. "Evrensel" gearbeitet hatte. Am Die "EMEK Partisi" ist ein Zu8. Januar 1996 war GÖKTEPE sammenschluß mehrerer linksim Zusammenhang mit einer orientierter Gruppierungen, bei nicht genehmigten Demonstradem die TDKP eine dominietion in Istanbul festgenommen rende Rolle spielen soll. 151 AUSLANDEREXTREMSMUS 3.2 Extrem-nationalistische türkische Organisationen: "Idealistenvereine" Sitz: Berlin Organisationsstruktur: Vereine Mitgliederzahl*: 6 900 bundesweit (1995: 6 000) 600 in Berlin (1995: 600) Entstehung/Gründung: "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BUD) 20. Dezember 1975; die "Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin" (TUB) spaltete sich Ende März/Anfang April 1993 vom BUD ab Ideologie: nationalistisch, antikommunistisch und antisemitisch * Diese Angabe entspricht der Gesamtmitgliederzahl der "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V." (ADÜTDF). Die TUB orientiert sich ideologisch an der Zielsetzung der Nationalismus, "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) unter Führung Antikommunisvon Alparslan TÜRKES, der BUD an der 1993 von der MHP mus, Antisemitismus abgespalteten "Partei der Großen Einheit" (BBP) unter Führung von Muhsin YAZICIOGLU. Beide Parteien sind nationalistisch, antikommunistisch und antisemitisch ausgerichtet. Die von der MHP begründete Ideologie der "türkisch-islamischen Synthese" für die Errichtung einer "Groß-Türkei" und die "Beherrschung der Welt" findet auch bei der BBP Zustimmung, wobei die BBP der islamischen Komponente größere Bedeutung beimißt. Die Anhänger der extrem-nationalistischen türkischen Organisationen in Berlin traten 1996 nicht mit öffentlichen Aktivitäten in Erscheinung. Am 27728. Juli war allerdings - vermutlich im Zusammenhang mit dem Hungerstreik in den türkischen Gefängnissen (vgl. 3.1.3) - die Moschee der TUB in BerlinKreuzberg Ziel eines Brandanschlages. 152 AU31ANUEREXIRE& liSüU 3.3 Islamisch-extremistische türkische Organisationen: "Islamische Gemeinschaft - MNN Görüs" (IGMG) Sitz: Köln Organisationsstruktur: Vereine Mitgliederzahl: 26 500 bundesweit (1995: 26 200) 3 000 in Berlin (1995: 3 000) Entstehung/Gründung: Mitte 1995 Ideologie: islamisch-fundamentalistisch Die Mehrzahl der islamisch-extremistischen türkischen Organisationen in Deutschland orientiert sich an der türkischen "Wohlstandspartei" (Refah Partisi - RP -) unter Vorsitz von Necmettin ERBAKAN. Die RP ist eine nationalistisch ausgerichtete islamisch-fundamentalistische Partei, deren Hauptziel die Errichtung einer islamischen Staatsordnung in der Türkei ist. Nach den Parlamentswahlen in der Türkei am 24. Dezember 1995 stellt die RP mit 21,3 % aller Stimmen die stärkste Fraktion im türkischen Parlament. Seit Ende Juni 1996 amtiert ERBAKAN als türkischer Ministerpräsident. Die "Vereinigung der Neuen Weltsicht e. V." (AMGT) wurde am 20. Mai 1985 gegründet. Das Verwaltungsgericht Hamburg stellte in seinem Beschluß vom 27. April 1995 fest, daß das Propagandamaterial der AMGT sich "in extrem diskriminierender und verunglimpfender Weise" gegen Juden als Einzelpersonen und Gesamtheit wende. Durch Umstrukturierung der AMGT entstanden Mitte 1995 zwei nach außen unabhängige Organisationen. Während die "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs" (IGMG) die politischen Aktivitäten der AMGT fortsetzt, befaßt sich die "Europäische Moscheebau und Unterstützungs Gesellschaft" (EMUG) insbesondere mit der Verwaltung des AMGT-Immobilienbesitzes. Die IGMG vertritt das Gedankengut der türkischen Refah Partisi, deren Hauptziel die Ablösung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei durch einen ausschließlich auf dem Koran und der Scharia (islamisches Rechtssystem) basierenden, als "gerechte Ordnung" umschriebenen "islamischen Gottesstaat" mit dem Fernziel einer weltweiten Islamisierung ist. 153 AUSUtNDEREXTREMISMUS 4 Araber /Palästinenser 1996 1996 1995 1995 Berlin Bund Berlin | Bund Extremistische Araber / Palästinenser 465 3 050* 470 2 850* gesamt hiervon: Islamisch-extremistische Araber / 310 2 300 320 2 100 Palästinenser davon "Muslimbruderschaft" (MB) 50 1 000 50 920 "Bewegung des islamischen Widerstandes" 50 150 50 120 (HAMAS) "Hizb Allah" 50 680 50 680 "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PU) EM 10 EM 10 Linksextremistische Araber / Palästinenser 155 750 150 750 davon " AL-FATAH" 100 380 100 380 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" 25 180 20 180 (PFLP) "Volksfront für die Befreiung Palästinas - EM 10 EM 10 Generalkommando" (PFLP-GC) "Demokratische Front für die Befreiung Palästi30 140 30 140 nas" (DFLP) - radikaler HAWATMEH-Flügel "ABU-NIDAL-Organisation" (ANO) EM 10 EM 10 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19 März 1997 EM Einzelmitglieder 154 AUSLÄNDEREXTREMISNIUS 4.1 Arabische Islamisten: "Muslimbruderschaft" (MB) Sitz: München (Islamische Gemeinschaft in Deutschland) Organisationsstruktur: konspirative Strukturen Mitgliederzahl: 1 000 bundesweit (1995: 920) 50 in Berlin (1995: 50) Entstehung/Gründung: 1928 Ideologie: sunnitisch-extremistisch Die 1928 von Hassan AL-BANNA (1906-1949) in Ismailija Wettweites Netz ] der "Muslim(Ägypten) gegründete "Muslimbruderschaft" (MB) ist die älteste bruderschaft" und bis heute wichtigste militant-islamische Organisation. Sie ist eine multinationale Bewegung, die sich in nahezu allen arabischen und europäischen Ländern ausgebreitet hat, in denen sunnitische Muslime leben. Ihr erklärtes Fernziel ist die globale Verwirklichung einer islamischen Herrschaftsordnung. Der Schwerpunkt ihrer aktuellen Tätigkeit liegt in der RealiZiel: Globale* Realisierung sierung ihrer Ideologie in den derzeitigen arabischen Staaten, einer die von ihr als "unislamisch" bezeichnet werden. islamischen Herrschafts- ; Ordnung Die Bewegung der "Muslimbruderschaft" entstand als Reaktion traditionell-islamischer Kräfte auf die Auswirkungen der Kolonialisierungspolitik westlicher Staaten im arabischen Orient des 19. und 20. Jahrhunderts, die die bestehenden Wirtschaftsund Gesellschaftssysteme der Region völlig neu strukturierte und für weite Bevölkerungsteile eine soziale Verelendung mit sich brachte. Die MB entwickelte sich von einer regionalen ägyptischen Wohlfahrtsorganisation islamischer Prägung zu einer international weitverzweigt agierenden politischen Kraft, die heute in allen islamischen und den meisten westeuropäischen Staaten Stützpunkte unterhält. In Deutschland haben sich die Muslimbrüder u. a. in Aachen, Köln und München organisatorische und spirituelle Zentren geschaffen. In Berlin existiert seit längerer Zeit eine regionale Gliederung, ihre Mitglieder sind in unterschiedlichen Vereinen und Moscheen organisiert. 155 AUSLÄNDEREXTfeeW SURIS Aufgrund ihrer konspirativen Arbeitsweise und Struktur tritt die Organisation öffentlich nicht in Erscheinung. Ihre Mitglieder sind vorwiegend bei den Freitagsgebeten in der TU Berlin und in einer Moschee in Berlin-Neukölln anzutreffen. 4.2 Palästinenser 4.2.1 "Bewegung des islamischen Widerstandes" (HAMAS) Sitz: Autonomiegebiete / weltweite Diaspora Organisationsstruktur: konspirative Gliederungen Mitgliederzahl: 150 bundesweit (1995: 120) 50 in Berlin (1995: 50) Entstehung/Gründung: In Deutschland versteht sich der von Mitgliedern der "Muslimbruderschaft" (MB) 1982 in München gegründete "(slamische Bund Palästina" (IBP) als Vertreter der HAMAS, der jedoch nur einmal im Jahr mit seiner Jahreshauptversammlung öffentlich in Erscheinung tritt. Ideologie: sunnitisch-islamistisch , Die HAMAS ist die derzeit aktivste palästinensische Terror- * ' Palästinensiorganisation und setzt sich seit Jahren auch mit terroristischen scher Zweig der Mitteln für eine "Befreiung Palästinas" ein. Sie ist im Februar "Muslimbruderschaft" zum wiederholten Mal durch zwei Terroranschläge in Jerusalem und Ashkelon, bei denen insgesamt 26 Personen getötet wurden, spektakulär in Erscheinung getreten. Nachdem sie Ende Februar eine Waffenruhe ankündigt hatte, forderte die HAMAS am 16. September alle Araber zur Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes auf. Die HAMAS gab am 13. Dezember durch ihren militärischen Arm, die "Ezz ad-Din Al Kassem-Brigaden", die erneute Aufnahme des bewaffneten Kampfes gegen Israel bekannt und kündigte weitere Anschläge gegen israelische Einrichtungen an. Anlaß der beabsichtigten Anschläge sei der 1. Jahrestag der Ermordung ihres Bombenexperten AYASH, der am 5. Januar 1996 durch einen in einem Mobiltelefon versteckten Sprengsatz getötet worden war. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Die HAMAS hat in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin handlungsfähige Strukturen zur Betreuung, Schulung und Rekrutierung im Ausland lebender Palästinenser aufgebaut, die verschiedenen Zielen der HAMAS dienen. Hervorzuheben sind hierbei die Bestrebungen zur Erweiterung ihrer personellen und finanziellen Basis. Aufgrund ihrer konspirativen Arbeitsweise und ihrer Fähigkeit zur (zumindest logistischen) Unterstützung von Terroroperationen stellen die in Berlin festgestellten Strukturen eine ernstzunehmende Bedrohung der Sicherheit der Stadt dar. 4.2.2 Laizistische Palästinenser-Organisationen Gegner des Gaza-Jericho-Abkommens ("Ablehnungsfront") Die sich seit dem Gaza-Jericho-Abkommen 1993 abzeichnende Spaltung der Palästinenser in Befürworter und Gegner der Übereinkunft hat sich aufgrund der Probleme um den Abzug israelischer Truppen aus Hebron auch 1996 weiter fortgesetzt. Die Auseinandersetzung um die Öffnung eines Tunnels am Tempelberg in Jerusalem am 24. September 1996 hat diejenigen Organisationen, die einen Kompromiß mit Israel strikt ablehnen, in ihrer Überzeugung bestätigt, ihren Kampf gegen Israel fortzusetzen. Zu den in Berlin aktiven laizistischen Palästinenserorganisationen, die sich gegen eine Friedenslösung mit Israel aussprechen, gehören die * "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP); sie wurde am 11. Dezember 1967 gegründet. Die marxistisch-leninistische PFLP hält die Befreiung Palästinas nur über einen auf Klassenkampf gegründeten nationalen Volksbefreiungskampf für möglich. Sie ist durch zahlreiche Terroranschläge - in der Vergangenheit auch außer- 157 AUSLÄNDEREXTREMISMUS halb Israels und der israelisch besetzten Gebiete - in Erscheinung getreten; "Volksfront für die Befreiung Palästinas - GeneralPFLP-GC kommando" (PFLP-GC); die PFLP-GC soll als "Kampfgruppe" allen offenstehen, die sich ernsthaft am Kampf gegen Israel beteiligen wollen; zu ihren Grundsätzen gehört die "bewaffnete Revolution", die auch außerhalb Israels und der besetzten Gebiete zu führen sei; "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) - radikaler HAWATMEH-Flügel; sie spaltete sich am 22. Februar 1969 von der PFLP ab und verbindet die Theorie des Marxismus mit dem Gedankengut des arabischen Nationalismus im Sinne des Panarabismus; "ABU-NIDAL-Organisation" (ANO); ihre erklärten Ziele sind Beseitigung des Staates Israel ausschließlich mit Waffengewalt, Verhinderung einer Verhandlungslösung des israelisch-arabischen Konflikts, Sturz der "reaktionären" arabischen Regime sowie Kampf gegen den westlichen "Imperialismus". Im Gegensatz zu den islamistischen Organisationen ist bei den laizistischen Organisationen die ablehnende Haltung gegenüber der Politik ARAFATS einer eher realpolitischen Sicht der neuen Machtverhältnisse in den Autonomiegebieten gewichen. Die noch vor einigen Jahren stärker auftretenden MitgliedsGründung organisationen der "Palästinensischen Befreiungsbewegung" Palästinen(PLO) PFLP und DFLP versuchten durch eine Straffung ihrer sischer Gemeinden Organisationsstrukturen, einem stetigen Mitgliederschwund und Verlust an Aktionsfähigkeit entgegenzuwirken. Durch die Gründung von Palästinensischen Gemeinden als Alternative zu entsprechenden "AL-FATAH"-dominierten Strukturen gelang es der PFLP 1996, erneut politischen Einfluß zu gewinnen, dessen 158 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Konsolidierungschancen derzeit noch nicht abschließend eingeschätzt werden können. "AL-FATAH" Sitz: Gaza / Autonomiegebiete Organisationsstruktur: Partei Mitgliederzahl: 380 bundesweit (1995: 380) 100 in Berlin (1995:100) Entstehung/Gründung: 1959 Ideologie: palästinensisch-nationalistisch "AL-FATAH", die größte und bedeutendste unter den palästinensischen Widerstandsbewegungen, wurde 1959 von Yassir ARAFAT, dem Vorsitzenden der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO), in Kuwait gegründet. Das "Sammelbecken" "FATAH" umfaßt ein Spektrum, das von nationalistischen Kräften bis hin zu sozialistisch orientierten Gruppen reicht. Als Ergebnis ihres Erfolgs bei den Friedensverhandlungen mit Israel hat sie auf Gewalt als politisches Mittel verzichtet und versucht - trotz interner Spannungen -, die mit der israelischen Regierung ausgehandelten Kompromisse in den Autonomiegebieten umzusetzen. Die am 22723. Juni unter dem Einfluß von Funktionären der "FATAH" gegründete Palästinensische Gemeinde in Berlin stieß unter den "FATAH"-Angehörigen zwar auf Interesse; unzufriedene kritische Stimmen wiesen jedoch auf die ausbleibenden Erfolge der Autonomieregierung ARAFATS hin. Mittlerweile greift eine Vielzahl von "FATAH"-Anhängem die Politik ARAFATS an. Insbesondere sein mangelndes Durchsetzungsvermögen bezüglich des Abzugs der israelischen Truppen aus Hebron wurde stark kritisiert. 159 AUSLANDEREXTREMISMUS 4.3 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") Sitz: Beirut (Libanon) Organisationsstruktur: Partei Mitgliederzahl: 680 bundesweit (1995: 680) 50 in Berlin (1995: 50) Entstehung/Gründung: 1982 Ideologie: schiitiscb-islamistisch Die "Hizb Allah" wurde 1982 nach dem Einmarsch israelischer Ziel: Truppen im Libanon auf Initiative und mit maßgeblicher Unter"Islamische stützung des Iran durch Abspaltung von der schiitisch-extreRepublik Libanon" mistischen AMAL-Bewegung gegründet. Sie tritt ein für die Errichtung einer "Islamischen Republik Libanon" und praktiziert den militärischen und terroristischen Kampf gegen Israel mit den Zielen der "Herrschaft des Islam" über Jerusalem und der vollständigen Eliminierung des jüdischen Staates. Obwohl die "Hizb Allah" im Jahr 1996 israelische Ziele ausschließlich vom Libanon aus angriff, sind Anschläge auf jüdische Einrichtungen außerhalb Israels nach wie vor nicht auszuschließen. Die seit Jahren in Deutschland zu beobachtende gut funktionierende Infrastruktur verfügt über eine enge Anbindung an die libanesische Führung. 17. Februar Die Berliner "Hizb Allah"-Anhän"Zionisten raus aus gerschaft trat seit längerer Zeit Israel", "Massenmörerstmals wieder anläßlich einer der Israel", "Nieder Großdemonstration mit ca. 1 500 mit den USA" und Teilnehmern zum "Jerusalem"Zionisten raus aus Tag", einem von Ayatollah KHOJerusalem". MEINI eingeführten Gedenktag zur Befreiung Jerusalems, öffentlich Als prominenter Redner forderte in Erscheinung. Die aus allen der Leiter des iranischen IslaTeilen der Bundesrepublik angemischen Zentrums in Hamburg zur reisten Teilnehmer unterschiedRückeroberung Jerusalems auf. licher islamistischer Organisationen skandierten Parolen wie 160 AUSLANDEREXTREMiSM U S 5 Iraner | 1996 1996 1995 1995 J_ Berlin Bund Berlin Bund Iraner gesamt 50 1 150* 55 1 240* Regimetreue Iraner 30 300 30 300 "Union Islamischer Studentenvereine in 30 300 30 300 Europa" (U.I.S.A.) Oppositionelle Iraner davon 20 850 25 940 "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) 20 850 25 850 Bundeszahlen beruhen auf Angaben des Bundesministeriums des Innern vom 19. März 1997. 5.1 Staatsterroristische Bestrebungen des Iran Unter "Staatsterrorismus" versteht man den systematisch geVerzahnung' nachrichtenführten Kampf einer Regierung zur Aufrechterhaltung ihrer eigedienstlicher nen Herrschaft mittels Gewaltandrohung und Gewaltmaßnahund staatsterroristischer men gegen Regimegegner auch außerhalb des jeweiligen Aktivitäten j Staatsgebietes. Die Aktionen dienen nicht allein der Einschüchterung und Ausschaltung einzelner Regimegegner, sondern auch der Verunsicherung und Disziplinierung aller anderen Oppositionellen. Zudem bedienen sich solche Regierungen des Terrorismus auf internationaler Ebene zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele. Beide Varianten des rechtswidrigen Einsatzes staatlicher Gewalt unterhalb der Schwelle des Krieges ("Ersatzkrieg") werden von den Verfassungsschutzbehörden als Staatsterrorismus bezeichnet. Träger staatsterroristischer Bestrebungen in Deutschland waren in der Vergangenheit die Nachrichtendienste des Irak, Libyens, Syriens und des Iran. Seit Schließung der Berliner Außenstellen der irakischen, libyschen und syrischen Botschaften und dem Abzug des gesamten Personals - einschließlich der nachrich- 161 I. U SLANDEREXTT Hi AJI, MUS tendienstlichen Mitarbeiter dieser Außenstellen im Jahre 1992 - wurden keine staatsterroristischen Aktivitäten der Nachrichtendienste dieser Länder in Berlin mehr bekannt. Als sicher gilt jedoch, daß diese Nachrichtendienste ihre Ausforschungsbemühungen gegen oppositionelle Gruppierungen und Einzelpersonen im Ausland weiterhin fortsetzen. Im Berliner "Mykonos"-Prozeß hat die Bundesanwaltschaft Iran als Träger erstmals öffentlich höchste iranische Würdenträger beschuldigt, staatsterrodie Ermordung von vier iranisch-kurdischen Oppositionspoliristischer Bestrebungen tikern am 17. September 1992 in Berlin angeordnet zu haben. Der Iran reagierte mit massiven Protestdemonstrationen in Teheran und Ghom gegen die Bundesrepublik Deutschland. Nachrichtendienstlich gesteuert werden im Fall des Iran auch Export der Versuche, auf nach europäischem Verständnis religiöse Ein"Islamischen richtungen anderer Nationalitäten Einfluß im Sinne eines ExRevolution" ports der "Islamischen Revolution" zu nehmen. Seit der Machtübernahme durch die Anhänger des Ayatollah KHOMEINI bedroht der Iran mit seiner eigenen Interpretation des Islam andere Staaten und versucht, in einer Art religiösem und letztlich hegemonistischem "Kulturexport" diese Auslegung weltweit, insbesondere aber in den Nachbarländern auch zur Wahrung seiner machtpolitischen Interessen zu verbreiten. Das iranische Regime gewährt einer Vielzahl islamisch-extremistischer Oppositionsgruppen in anderen - auch nicht-arabischen - Ländern materielle Unterstützung. Beispielhaft für eine derartige Einflußnahme ist die aktive Rolle des Iran bei der Gründung der terroristischen "Hizb Allah" im Libanon. Der Iran bemüht sich, auch in Deutschland seinen Einfluß auf Stärkere die hier lebenden nicht-iranischen Muslime kontinuierlich auszuBeeinflussung bauen. Maßgeblichen Anteil daran hat die im Iran ansässige auf nichtiranische "Islamische Propaganda-Organisation" (IPO). Die IPO wird Muslime zumindest teilweise von der iranischen Regierung und durch Zuschüsse religiöser Gruppen finanziert. Die religiös-ideologische Beeinflussung dieser Zielgruppen wird in teilweise verdeckter 162 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Weise von staatlichen iranischen Stellen, z. B. durch finanzielle Beteiligung an kulturellen Programmen gefördert. Derartige Aktivitäten konnten in der Vergangenheit auch in Berlin festgestellt werden. 5.2 "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Sitz: Hauptsitz Teheran (Iran), in Deutschland: Aachen Organisationsstruktur: Verein Mitgliederzahl: 300 bundesweit (1995: 300) 30 in Berlin (1995: 30) Entstehung/Gründung: Anfang der 60er Jahre Ideologie: islamistisch Die U.I.S.A. wurde durch Mitglieder der seit Anfang der 60er Jahre aktiven "Befreiungsbewegung Iran", der ersten "Partei" auf islamischer Grundlage in der Geschichte Irans, gegründet. Nach dem Sieg der "Islamischen Revolution" im Iran wurde sie zu einer Propaganda-Organisation für die Islamische Republik Iran umgewandelt. In Deutschland wurde die U.I.S.A. im Januar 1976 in Bochum vereinsrechtlich registriert. U.I.S.A.-Mitglieder gelten als fanatische Verfechter des derzeitigen islamistischen Regimes in Iran. Als Dachorganisation regimetreuer iranischer Studenten im Ausland vertritt die U.I.S.A. unverändert als einzige iranische Studentenorganisation in Deutschland die Prinzipien der "Islamischen Revolution". Einen Schwerpunkt ihrer Aktivitäten stellt der "Revolutionsexport" und damit die angestrebte weltweite Islamisierung dar. Alle als anti-islamisch verstandenen Ereignisse werden als Teil einer weltweiten Verschwörung des Westens betrachtet. Folgerichtig lehnt die U.I.S.A. den arabisch-israelischen Friedensprozeß strikt ab. In Berlin und im übrigen Bundesgebiet trat die U.I.S.A. auch 1996 öffentlich kaum noch in Erscheinung. Politische Demonstrationen sind in den Hintergrund getreten. Das durch die 163 AUSLÄNDEREXTREI U.I.S.A.-Studenten repräsentierte wissenschaftlich-technische Potential wird vom Iran heute vornehmlich für die (auch illegale) Beschaffung technologisch relevanter Informationen genutzt, mit denen Lücken in der wirtschaftlich-technischen und militärischen Entwicklung des Iran geschlossen und die angestrebte Vormachtstellung des Iran in der Region gesichert werden sollen. 5.3 Oppositionelle Iraner Die Opposition gegen die Herrschaft der Mullahs im Iran ist Wesentliches zersplittert und - soweit nicht ausgeschaltet - weitgehend ins Aufklärungsziel Exil vertrieben. Bezogen auf Deutschland und Berlin haben die iranischer ND meisten bedeutenderen iranischen Oppositionsgruppen in den letzten Jahren an Einfluß und Mitgliedern verloren, sie stellen jedoch nach wie vor ein wesentliches Aufklärungsziel für die iranischen Nachrichtendienste dar. Bedeutendste iranische Oppositionsgruppe ist die "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI). .Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) Sitz: Bagdad/Irak - in Deutschland: Köln Organisationsstruktur: Die PMOI ist seit 1985 die dominierende Gruppierung im "Nationalen Widerstandsrat Iran* (NWRI), dem "Exilparlament im Widerstand". Mitgliederzahl: 850 bundesweit (1995: 850) 25 in Berlin (1995: 25) Entstehung/Gründung: 1965 Ideologie: islamisch mit sozialrevolutionärer Prägung Die 1965 in Teheran (Iran) gegründete PMOI betreibt den Sturz des Teheraner Regimes. Von ihren Stützpunkten im Irak steuert ihr militärischer Flügel, die "Nationale Befreiungsarmee" (NLA), Kommandos für terroristische Anschläge im Iran. Seit ihrer Gründung hat sich die PMOI zu zahlreichen Gewalttaten gegen 164 aUSLÄNUERiXTfllliiSliyS iranische Regierungsvertreter und den Sicherheitsapparat des Landes bekannt. Als straff geführte Kaderorganisation betreibt sie im Ausland einen zentral gesteuerten Propagandaapparat. Ihre im irakischen und (bis Ende 1996) französischen Exil lebenden Führer Masoud und Marjam RADJAVI lassen sich in einer Form durch ihre Anhänger verherrlichen, die nur mit dem Begriff "Personenkult" zu beschreiben ist. Der im Sommer 1981 von PMOI-Generalsekretär Masoud "Exilparlament im Widerstand" RADJAVI mit einigen weiteren Oppositionsführern gegründete "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) wird seit 1985 von der PMOI dominiert und seit August 1993 von ihr als "Exilparlament im Widerstand" bezeichnet. Seit Mitte 1993 versucht die PMOI in einer weltweit angelegten Propagandaaktion, den NWRI bei westlichen Regierungen und Massenmedien als "demokratisch legitimierte Exilregierung" vorzustellen. Dadurch sollen anscheinend Bedenken zerstreut werden, wonach die PMOI das Mullah-Regime lediglich durch ein anderes totalitäres System ersetzen will. Auch 1996 hat der NWRI in Deutschland die Versuche der Einflußnahme auf deutsche Behörden, Parteien und Institutionen fortgesetzt: In Berlin besteht seit etwa Mitte er PMOI-Aktivisten am 22. 1983 eine regionale Gliederung, Februar in Istanbul demondie sich am 11. Februar 1996 im strierten in Bonn NWRI-AnRahmen einer bundesweiten hänger gegen den MordanVeranstaltungsreihe des NWRI schlag. mit einer Veranstaltung zum "Nationalen Gedenktag" betei27. November ligte. Zur Teilnahme an der Nach dem Plädoyer der Bundiesjährigen europaweiten Kuldesanwaltschaft im Berliner turveranstaltung des NWRI am "Mykonos"-Prozeß veranstal21. Juni in London wurde auch tete der NWRI in Bonn eine Dein Berlin mobilisiert. monstration unter Berliner Beteiligung gegen "den von 24. Februar den Mullahs gesteuerten TerAnläßlich der Ermordung zwei rorismus". 165 AUSLAS ) u E REXTfiESälSPäUS Ausblick Der Berichtszeitraum 1996 war in Berlin wesentlich durch den Verzicht der Verzicht der PKK auf Gewaltaktionen gekennzeichnet. Die PKK auf Berliner Gliederung der PKK befolgte die Anweisungen des Gewaltaktionen Parteiführers Abdullah ÖCALAN. Obwohl gerade Teile der jüngeren Anhängerschaft die Änderung der Parteilinie anfangs nur widerstrebend umsetzten, scheint bei den Führungsfunktionären die Notwendigkeit dieser taktischen Maßnahme inzwischen akzeptiert worden zu sein. Das Verhalten der Partei zielt damit auf eine Erhöhung der Akzeptanz bei der türkisch-kurdischen Bevölkerung in Deutschland, v. a. aber auf ein politisches Klima, das die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland in greifbare Nähe rücken lassen soll. Diese Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die PKK als konspirativ arbeitende und straff organisierte Kaderpartei jederzeit in der Lage ist, bei einer Eskalation des türkisch-kurdischen Konflikts auch in Deutschland erneut Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele anzuwenden. Nach einer Phase weitgehender Inaktivität infolge interner Auseinandersetzungen sind die marxistisch-leninistisch orientierten Solidaritätskampagne linksextremistischen türkischen Organisationen 1996 mit breit linksextremiangelegten Solidaritätskampagnen für ihre in der Türkei inhafstischer Türken tierten Gesinnungsgenossen und einer Vielzahl damit in Zusammenhang stehender Anschläge erneut massiv in Erscheinung getreten. Nach wie vor stellen diese Gruppierungen eine ernsthafte Bedrohung für die innere Sicherheit Berlins dar, die sich bei einem sich bereits abzeichnenden Schulterschluß mit der PKK erheblich verschärfen dürfte. Die HAMAS gefährdet durch ihre konspirativ arbeitende M Zellenstruktur weiterhin die Sicherheitslage in der Hauptstadt. Gefährdung der inneren Eine in jüngster Zeit bei den Berliner Anhängern zu beobSicherheit achtende verbale Zurückhaltung darf nicht darüber hinwegdurch HAMAS 166 AUSLÄNDEREXTREMISMUS täuschen, daß die "Islamische Widerstandsbewegung" weiterhin die Vernichtung Israels auf ihre Fahnen geschrieben hat. Die ebenfalls aktiv den Friedensprozeß im Nahen Osten - teilReorganisation laizistischer weise auch mit Waffengewalt - bekämpfenden laizistischen Palästinenser Palästinenserorganisationen befinden sich auch in Berlin in einer Phase der Reorganisation. Für die Zukunft ist zu erwarten, daß sich insbesondere die PFLP den säkular orientierten Palästinensern als Alternative zu den bestehenden "FATAH"dominierten Strukturen anbietet. Eine vergleichbare Belebung vorhandener Strukturen ist mittlerweile auch bei den Anhängern der schiitischen "Hizb Allah" zu beobachten. Somit muß die "Hizb Allah" künftig wieder als ernstzunehmender Faktor innerhalb der international vernetzten islamisch-extremistischen Terrorszene angesehen werden, die durch das Teheraner Mullah-Regime seit Jahren maßgeblich gefördert wird. /*** " * v Entscheidende Auswirkungen auf die Sicherheitslage der Stadt iMykonos"*-1 dürften die Reaktionen auf die im Frühjahr 1997 zu erwartende Prozesses 1 Urteilsverkündung im Berliner "Mykonos"-Prozeß haben. Die W . - (tm) " - ^ offensichtlich wiedergewonnene Handlungsfähigkeit der Berliner "Hizb Allah"-Anhängerschaft könnte sich in diesem Zusammenhang als besonderes Gefährdungspotential erweisen. sp HR AR 169 SPIONE GS^WEHR SPIONAGEABWEHR Allgemeiner Überblick Die Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste (ND) in der ^immmm^^^mm Bundesrepublik Deutschland haben in den letzten Jahren, bejfzunanmeder | Spionagesonders im Berichtszeitraum 1996, weiter zugenommen. Dies aktivitäten trifft v. a. auf die Hauptstadt Berlin zu. Die Bandbreite der \ ^ nachrichtendienstlichen (nd) Operationen reicht von der "klassischen" Spionage über Güterund Technologiebeschaffung bis hin zur Beobachtung von Dissidenten bzw. Oppositionellen der jeweiligen Länder. Mit dem bevorstehenden Umzug von Parlament und Regierung werden weitere ausländische ND-Potentiale hierher verlagert werden. Der Ausbau zur Wirtschaftsund Wissenschaftsmetropole wird ebenfalls zu einer weiteren nd Konzentration in unserer Stadt führen. Damit verschärft sich die Bedrohungslage eher noch, mit einer Entspannung ist nicht zu rechnen. Denn obwohl Berlin noch nicht Parlamentsund Regierungssitz ist, zeigen einige Staaten bereits jetzt schon eine ungewöhnlich starke nachrichtendienstliche Präsenz. Die Verfassungsschutzbehörden begegnen dieser facettenreichen Bedrohungslage, die weit über die frühere Aufgabenstellung der Spionageabwehr hinausreicht, durch aufmerksame Beobachtung aller gegen deutsche Interessen gerichteten Aktivitäten fremder - ggf. auch befreundeter - ND ("Rundum-Blick"). Etliche Staaten sehen offenkundig keinen Widerspruch darin, einerseits mit Deutschland politisch, wirtschaftlich und technologisch zusammenzuarbeiten, es andererseits jedoch mit nachrichtendienstlichen Mitteln und Methoden auszuspähen. So erklärte Sergej STEPASCHIN, ehem. Direktor des russischen Abwehrdienstes FSB, 1994 im russischen Fernsehen: 170 SPIONAGEABWEHR "Die Durchführung einer Aufklärungstätigkeit dient in einer modernen und zivilisierten Welt durchaus nicht als Hindernis für die Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen und auch Bündnisbeziehungen zwischen den Staaten." 1.1 Ziele Breites AktionsFremde Nachrichtendienste betätigen sich nicht nur in den spektrum Zielbereichen Politik und Militär sowie Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Sie sind v. a. auch auf dem Gebiet der Beschaffung sog. sensitiver Güter - darunter Produkte, die zivile wie militärische Verwendung finden - hochaktiv. Das gleiche gilt für den Proliferationsbereich, d. h. die Beschaffung und Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln (ABC-Waffen plus entsprechende Trägertechnologie). Der immer härter werdende internationale Wettbewerb und das Bestreben aller Nationen, sich Vorteile gegenüber Konkurrenten auf dem Weltmarkt zu verschaffen, hat der Wirtschaftsspionage20 eine neue Größenordnung verliehen. Die Attraktivität Deutschlands als Zielgebiet von Spionageaktivitäten liegt darin, daß es zu den gestaltenden politischen Kräften in Europa (Stichworte "europäische Integration" und "NATO-Osterweiterung") zählt. Hinzu kommt sein hoher wissenschaftlich-technischer Entwicklungsstand und sein damit verbundener Status als führende exportorientierte Industrienation. Fast alle ausländischen Nachrichtendienste entfalten auf dem S wirtechafte! 1 G e b i e t d e r Wirtschaftsspionage Aktivitäten. Neben zivilen sind Spionage 1 auch militärische Nachrichtendienste der betreffenden Länder involviert. Um ihre Tätigkeiten wirkungsvoll abzutamen, haben 20 Wirtschaftsspionage bezeichnet die Ausforschung der Wirtschaft - und damit zusammenhängend der Bereiche Wissenschaft und Technik - durch fremde ND. Ausspähungsbemühungen von Wirtschaftsunternehmen untereinander fallen grundsätzlich nicht in die Zuständigkeit der Spionageabwehr. Sie werden als Industrieoder Konkurrenzspionage bezeichnet. Die Grenze zwischen Wirtschaftsund Industriespionage ist jedoch fließend. 171 SPIONAGEABWEHR einige Staaten spezielle Beschaffungsorganisationen aufgebaut, die weltweit und unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und Methoden operieren.21 Darüber hinaus spielen ausländische Nachrichtendienste bei der Ausspähung und Kontrolle der in Deutschland lebenden Oppositionellen und Dissidenten ihrer Heimatländer eine maßgebliche Rolle. Insbesondere bei den vom islamischen Fundamentalismus geprägten Staaten sind in diesem Bereich die Grenzen zwischen nachrichtendienstlicher Aufklärung und staatsterroristischen Aktionen, die im Extremfall bis zur "Ausschaltung" von Regimegegnern gehen, fließend. 1.2 Methodik Fremde Nachrichtendienste in Berlin nutzen im wesentlichen zwei Methoden der Ausspähung: a) über staatliche Institutionen oder Tarnfirmen in Deutschland, b) mittels technischer und menschlicher Quellen. Hierzu zählen konkret: * Fernmeldeund elektronische Aufklärung. * Einsatz von Agenten und "Abschöpfung" von Kontaktpersonen. * Beschaffung sensitiver bzw. proliferationsrelevanter Güter über Tarnfirmen. * Nachrichtendienstliche Potentiale in Legalresidenturen22 * Tarnpositionen in der Wirtschaft. * Nachrichtendienstliche Nutzung von Journalisten. * Ausforschung der Dissidentenszene durch Informanten. Zu den genannten Problemkreisen führt die Spionageabwehr des LfV Berlin Beratungsgespräche mit der Wirtschaft, um Unternehmen im Hinblick auf Ansatzmöglichkeiten fremder Nachrichtendienste zu sensibilisieren. Sie unterstützt darüber hinaus Zoll und Polizei bei ihren Bemühungen, Embargogeschäfte zu unterbinden. Das LfV empfiehlt allen, sich in Verdachtsfällen an die Bürgerberatungsstelle des LfV Berlin, Tel.: 030-867 4216 zu wenden. Als Legalresidentur bezeichnet man die getarnten Stützpunkte von Nachrichtendiensten in den amtlichen oder halbamtlichen Auslandsvertretungen ihrer Staaten, in denen hauptamtliche NDAngehörige unter (z. T. diplomatischer) Abtarnung Informationen beschaffen. SPIONAGEABWEHR 2 Rußland 2.1 Russische Nachrichtendienste Die 1990 - nach der Wende - getroffene Vorhersage, das Aufklärungsinteresse der (damaligen) Sowjetunion bestünde angesichts wirtschaftlicher Probleme und technologischen Rückstands fort, hat sich bewahrheitet. Zwar ist für die russische Auslandsaufklärung die Ausforschung politischer Entwicklungen nach wie vor von vorrangiger Bedeutung, doch hat sich in den letzten Jahren die Wirtschaftsspionage in ihrer gesamten Bandbreite zu einem weiteren Schwerpunkt entwickelt. Berlin ist hierbei als Wirtschaftsund Wissenschaftsmetropole von zentraler Bedeutung. Die Existenz spezieller Organisationseinheiten zur Wirtschaftsaufklärung bei allen im Ausland tätigen russischen ND manifestiert die besondere Bedeutung dieser Aufgabe. Präsident Boris JELZIN hatte bereits 1993 erklärt: "Priorität hinsichtlich der westlichen Länder muß die wirtschaftliche, die wissenschaftliche und technische Aufklärung sein " Daß Deutschland unter diesen "westlichen Ländern" eine Spitzenstellung einnimmt, wird nicht zuletzt durch die Besetzung wichtiger Positionen bei den Diensten durch ausgewiesene Deutschlandexperten belegt. Hinzu kommt ein im Rahmen der sog. NATO-Osterweiterung gesteigertes Interesse an den Strukturen des westlichen Verteidigungsbündnisses. Deutschland ist somit für Rußland ein "nachrichtendienstlicher Schlüssel" zur EU und NATO. SPIONAGEABWEHR Die neue Linie der russischen Auslandsaufklärung wird deutlich an einem Zitat des ehemaligen SWR-Leiters Jewgenij PRIMAKOW, der schon 1992 der "Sunday Times" sagte: "Wir arbeiten nicht mehr gegen jemanden, sondern zur Verteidigung unserer nationalen Interessen." Die aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten betrachten die Existenz von Aufklärungsund Abwehrdiensten als unverzichtbaren Bestandteil ihrer nationalen Souveränität. Auch hier sei Jewgnij PRIMAKOW zitiert, der Spionage für "unverzichtbar" hält. Sie sei ein "notwendiges Instrument, mit dem eine ganze Reihe wichtiger Aufgaben erfüllt würde". Die Anzahl der an den amtlichen Vertretungen abgetarnten Nachrichtendienstoffiziere ist unverändert groß. 1992 war eine Reduzierung des ND-Potentials in Deutschland um die Hälfte angekündigt worden. Dieser Personalabbau wurde im Bereich der Führungsoffiziere nur bedingt realisiert. Die russische Auslandsaufklärung kann und will nicht auf erfahrene und kompetente Führungsoffiziere verzichten. Ein Beleg hierfür ist auch der scharfe Protest, mit dem Rußland auf Visaverweigerungen für erkannte russische Führungsoffiziere reagiert. 2.2 Struktur der Auslandsaufklärung Träger der gegen Deutschland gerichteten russischen Spionageaktivitäten sind drei aus dem 1991 umstrukturierten KGB hervorgegangene Nachrichtendienste sowie der aus der Ära der Sowjetunion unverändert übernommene militärische Nachrichtendienst mit insgesamt weit über 100 000 Beschäftigten. 174 SPIONAGEABWEHR KGB 1991 aufgelöst 4, ^ SWR FSB FAPSI GRU "Ziviler "Föderaler "Föderale "Militärischer AuslandsnachDienst für Agentur für Nachrichtenrichtendienst" Sicherheit" Regierungsdienst" ehemals 1. ehemals 2. und 3. femmeldeehemals GRU der Hauptverwaltung Hauptverwaltung wesen und Sowjetunion des KGB sowie weitere Information" Teilbereiche des KGB Teile der 8. Hauptverwaltung, der 16. Verwaltung und der 16. Abt. der 1. Hauptverwaltung des KGB J, ^ gj, Basis der russischen Auslandsaufklärung Die russische Auslandsaufklärung verfügt gegenwärtig in Berlin über einen ähnlich großen ND-Apparat wie in Bonn. Russische ND-Offiziere unterhalten intensive Kontakte zu Berliner Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Darüber hinaus sind sie in Agentenoperationen ihrer Moskauer Zentralen eingebunden. Nachfolgend werden die 0. g. russischen Nachrichtenund Sicherheitsdiensten kurz charakterisiert. * 175 SPIONAGEABWEHR "Ziviler Auslandsnachrichtendienst" - SWR (Slushba Wneschnej Raswedki) Zuständigkeit: Beschaffung von Informationen in den "traditionellen" Bereichen. Leiter: Wjatscheslaw TRUBNIKOW Mitarbeiterzahl: ca. 15 000 Besonderheit: Neuer Schwerpunkt: Wirtschaftsspionage. Der SWR - für Auslandsaufklärung im zivilen Bereich zuständiger Auslandsnachrichtendienst - betreibt mit seinen 15 000 Mitarbeitern offene und geheime Nachrichtenbeschaffung mit den Aufklärungszielen Innen-, Außenund Sicherheitspolitik (Stichwort "NATO-Osterweiterung"), Wissenschaft und Technik sowie Ökonomie. Darüber hinaus versucht der SWR, ausländische Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden zu unterwandern. Der Schwerpunkt der Aufklärungsarbeit im SWR wird u. a. durch institutionelle und personelle Entscheidungen deutlich: Die Bedeutung von Wirtschaftsspionage durch Einrichtung einer eigenen Sonderabteilung "12 (E)" im SWR. Deutschland als nachrichtendienstlich besonders interessantes Gebiet durch Übergabe der Leitung des SWRDepartements 4 (u. a. zuständig für Deutschland) Mitte 1995 an den früheren SWR-Residenten an der Russischen Botschaft in Bonn sowie durch Besetzung der Spitze der SWR-Verwaltung "S" (zuständig für den weltweiten Einsatz illegaler Agenten) an einen bis Anfang der 90er Jahre an der größten KGB-Auslandsresidentur in Berlin-Karlshorst tätigen Mitarbeiter. Weitere Leitungspositionen im SWR wurden demnach mit ausgewiesenen Deutschlandexperten besetzt. 176 wtGMMi^^Jimm. * "Militärischer Auslandsaufklärungsdienst" - GRU (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije) Zuständigkeit: Beschaffung von Informationen aus dem militärischen Bereich. Leiter: Fedor LADYGIN Mitarbeiterzahl: ca. 12 000 Besonderheit: Kompetenzausdehnung in zivilen Bereich. Die Aufklärung westlicher Militärtechnologie war seit jeher Hauptziel der GRU. Informationen über Militärpolitik, militärische Planungen sowie Infrastruktur und Bewaffnung von Bundeswehr und westlichen Verteidigungsbündnissen erhalten besondere Bedeutung vor dem Hintergrund der geplanten NATO-Osterweiterung. Seit einigen Jahren dehnt die GRU jedoch ihre Aktivitäten auch auf rein zivile Ziele aus. Im September 1993 wurde die "Verwaltung für Industriespionage" eingerichtet (zuständig für Industriespionage und Beschaffung entsprechender Güter, vornehmlich aus dem EDV-Sektor). Hierdurch begibt sich der militärische ND in Konkurrenz zum SWR. Gleichzeitig illustriert dieser Schritt die Bedeutung, die dem Komplex Wirtschaftsspionage beigemessen wird. Durch Verkauf von Erkenntnissen an die russische Wirtschaft finanziert sich die GRU angeblich teilweise selbst. 177 'YA DNAGEABWEHR * "Föderale Agentur für Regierungsfernmeldewesen und Information beim Präsidenten der Russischen Föderation" - FAPSI (Federal'noe Agenstwo Prawitel'stwennoj Swjazi i Jnformacii) Zuständigkeit: Sicherheit russischer Nachrichtenverbindungen, Fernmeldeund elektronische (Auslands-)Aufklärung. Leiter: Aleksandr STAROWOJTOW Mitarbeiterzahl: ca. 12 000 (bei Hinzuziehen der russischen Fernmeldetruppen bis zu 120 000) Besonderheit: Als "russische TELEKOM" bemüht um Kontakte im westlichen Ausland FAPSI deckt die Bereiche Abwehr und Aufklärung ab. Zum einen ist sie zuständig für die Sicherheit von Nachrichtenverbindungen der russischen Regierung, der Armee sowie herausragender Wirtschaftsunternehmen. Zum anderen erfaßt und entschlüsselt sie die Fernmeldeverkehre anderer Staaten und versucht - in erster Linie auf technischem Weg - in die Kommunikationseinrichtungen nachrichtendienstlich interessanter Objekte im Inund Ausland einzudringen. FAPSI verfügt in Rußland über das Monopol der Lizensierung elektronischer Übertragungsmittel. Im Zuge des Ausbaus und der Modernisierung des eigenen elektronischen Überwachungsnetztes treten Vertreter von FAPSI bei deutschen Firmen als Aufkäufer für elektronische Hochtechnologie auf. FAPSI verschweigt hierbei seinen nachrichtendienstlichen Charakter und verkauft sich deutschen Unternehmen als eine Art russische TELEKOM, wobei ihr der neutral klingende Name des Dienstes behilflich ist. 178 SPIONAGEABWEHR "Föderaler Dienst für Sicherheit" - FSB (Federalnaja Slushba Besopasnosti) Zuständigkeit: Inländischer Sicherheitsdienst für zivile und militärische Spionageabwehr, Bekämpfung von Organisierter Kriminalität, Proliferation und Terrorismus. Leiter: Nikolai KOWAUOW Mitarbeiterzahl: ca. 100 000 Besonderheit: Befugnis zur Auslandsaufklärung zum Schutz russischer Wirtschaftsinteressen. .. . ** :... . . . . : .* ***** Der ehemalige "Dienst für Spionageabwehr" (FSK) wurde im FSB April 1995 in "Dienst für Sicherheit" (FSB) umbenannt. Damit einher ging eine Aufgabenund Kompetenzerweiterung, die in einer Machtfülle gipfelte, welche an die vielfältigen Befugnisse des Sicherheitsapparates des KGB zu Zeiten der UdSSR erinnert: Als inländischer Abwehrdienst ist der FSB zuständig für die Spionageabwehr im zivilen (insbes, wirtschaftlichen) und militärischen Bereich. Daneben besitzt er die Befugnis, zum Schutz russischer Wirtschaftsinteressen auch Operationen ins Ausland auszudehnen. Zuständig dafür ist die neugeschaffene "Verwaltung für Spionageabwehr im wirtschaftlichen Bereich". Erweiternd erhielt der FSB Kompetenzen in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, der Proliferation sowie des Terrorismus. Ausländer, die als Geschäftsleute oder Touristen nach Rußland reisen und als "nachrichtendienstlich interessant" eingestuft sind, werden bei ihren Aufenthalten intensiv vom FSB beobachtet und ggf. auch grenzüberschreitend operativ bearbeitet. Die von westeuropäischen Reisenden bevorzugten russischen Hotels bzw. solche Gebäude, in denen Büros westlicher Unternehmen untergebracht sind, unterliegen verstärkter Überwachung. Bei Ferngesprächen ins westliche Ausland, die immer über die Rezeption angemeldet werden müssen, kann von einer konsequenten Telefonüberwachung ausgegangen werden. 179 SPIONAGEABWEHR Ebenso gehört die Observation von Zielpersonen zur gängigen Praxis. Ergeben sich operative Ansatzpunkte, werden die Betroffenen für nachrichtendienstliche Zwecke angebahnt. Dabei bedient sich der FSB z. T. aggressiver Methoden. Das bedeutet, daß - wie zu KGB-Zeiten - wieder alle Arten von menschlichen Schwächen (z. B. Devisenvergehen, Verstöße gegen Zollbestimmungen, Ordnungswidrigkeiten aller Art insbes, im Zusammenhang mit Meldevorschriften, schuldhaft verursachte Verkehrsunfälle, besondere sexuelle Neigungen, Alkoholismus) für nachrichtendienstliche Ansprachen genutzt werden. Auch werden Möglichkeiten zur Anbahnung provoziert oder durch Kompromate geschaffen. So setzt man z. B. Russinnen, die für den FSB arbeiten, bewußt auf westliche Besucher an. Zielpersonen werden in überwachte Räume gelockt und dort in kompromittierende Situationen gebracht. 2.3 Methodik Um außenpolitische Verwicklungen zu vermeiden, verzichtete "Renaissance" Rußland nach der Wende weitgehend auf aggressive Formen I konspirativer der Nachrichtenbeschaffung - nicht zuletzt auch wegen der Arbeitsmethoden Umstrukturierung seiner ND. Die hier tätigen ND-Offiziere widmeten sich verstärkt der Kontaktpflege zu Berliner Repräsentanten in Politik und Wirtschaft, um ihre Gesprächspartner "abzuschöpfen". Sie profitierten dabei von den positiven Veränderungen im Verhältnis zu Rußland. In jüngster Zeit ist jedoch eine "Renaissance" konspirativer Arbeitsmethoden erkennbar. Die Berliner Spionageabwehr bearbeitet eine Reihe von Firmen mit russischer Kapitaldominanz, die im Verdacht stehen, unter Beteiligung von (früheren) ND-Angehörigen nachrichtendienstlichen Zwecken zu dienen. Darüber hinaus ist zu beobachten, daß bei zahlreichen russischen Firmengründungen in Deutschland oder Kapitalbeteiligungen an hiesigen Firmen zunehmend 180 SPIONAGEABWEHR russische Staatsangehörige mit nachrichtendienstlichem Vorlauf in Erscheinung treten. Erkannten ND-Angehörigen wird die (Wieder-)Einreise nach Deutschland durch das sog. Visumsperrverfahren mit Erfolg verwehrt. Von den in Deutschland akkreditierten russischen Journalisten Journalisten als nd Mitarbeiter sind ungefähr die Hälfte in Berlin tätig. Entgegen früheren Bekundungen der russischen Auslandsaufklärung gibt es aktuelle Erkenntnisse, nach denen dieser Personenkreis auch wieder in nd Aufträge eingebunden ist. Aufgrund ihrer starken Präsenz in der ehemaligen DDR und Reaktivierung früherer | ihrer jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit dem MfS verfügen Quellen russische Nachrichtendienste über einen enormen Fundus an .- -, personenbezogenen Informationen und damit an potentiellen Agenten. Es besteht permanent die Gefahr, daß russische Dienste z. B. frühere KGB-Helfer reaktivieren. Auch muß damit gerechnet werden, daß sich ehemalige MfS-Führungskader den russischen Diensten ggf. mit ihren bisher nicht enttarnten Agenten anbieten. 3 Nachrichtendienste der Krisenländer "Krisenländer" des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens konzentrieren sich erfahrungsgemäß auf den (illegalen) Güterund Technologietransfer. Diese Länder benötigen spezielle Hochtechnologien und Produkte für ihre nationalen Rüstungsprogramme, insbesondere für die Entwicklung, Herstellung und Instandhaltung moderner'Waffensysteme (einschließlich Massenvernichtungsmittel). Die exportorientierte deutsche Wirtschaft bietet diesen Staaten hervorragende Ansatzmöglichkeiten für solche (illegalen) Güterund Technologietransfers. Darüber hinaus versuchen sie, in Deutschland lebende Landsleute, die in diesbezüglich interessanten Berufsgruppen tätig 181 SPIONAGEAB W&Mi sind (Studenten, Wissenschaftler oder Geschäftsleute), für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit zu gewinnen. Die ND dieser Länder unterhalten u. a. in Berlin neben Legalen Residenturen zahlreiche Stützpunkte in offiziellen und halboffiziellen Einrichtungen ihrer Heimatländer, z. B. in Büros von Fluggesellschaften, Nachrichtenagenturen oder Firmen. 3.1 Iran Die nach der Islamischen Revolution im Iran im Jahre 1979 Aufgaben gebildeten Nachrichtendienste haben innenpolitisch als Instrument zur Herrschaftssicherung vorrangig den Auftrag, jegliche Opposition zu unterbinden. Ihre Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte werden vom "Nationalen Sicherheitsrat" bestimmt. Daneben unternimmt der Iran im Ausland mit Hilfe seiner ND seit Jahren äußerste Anstrengungen, wirtschaftlich-technologische Informationen und Industriegüter auch durch Umgehung verhängter Embargomaßnahmen zu erreichen. Hierbei kann er in Deutschland auf eine Vielzahl iranischer Firmen und Personenstrukturen zurückgreifen. Diese Entwicklung dürfte anhalten und auch in Zukunft ein Schwerpunkt der Aktivitäten iranischer Nachrichtendienste u. a. in Berlin sein. Die Aktivitäten iranischer ND stellen für die innere Sicherheit der Stadt weiterhin eine besondere Gefahr dar: Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in Ausforschung, Überwachung und Beeinflussung hier lebender Regimegegner. In diesem Bereich sind die Grenzen zwischen nachrichtendienstlicher Ausspähung und staatsterroristischen Aktionen fließend. Ein weiteres Augenmerk gilt der Beeinflussung vorwiegend schiitischer Muslime unterschiedlicher Nationalität im Sinne eines "Revolutionsexports". 182 SPIONAGEABWEHR Für iranische ND ergeben sich sowohl aus der konsularischen Betreuung als auch aus der gezielten Ansprache von Exiliranern Möglichkeiten, geheime Mitarbeiter anzuwerben. Versprechungen über lukrative Geschäftsbeziehungen oder Reisen in den Iran, repressive Ausnutzung familiärer Bindungen sowie das Druckmittel Visumsverweigerung sind geeignet, Betroffene zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. 3.2 Nordkorea Für die nordkoreanischen Beschaffungsaktivitäten in Europa ist Berlin von zentraler Bedeutung. Die Stadt ist quasi das "Einfallstor" für Westeuropa. Nordkorea, das seit der Vereinigung beider deutscher Staaten nicht mehr unmittelbar diplomatisch vertreten ist, dient das hiesige "Büro für den Schutz der Interessen der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik" als Stützpunkt. Es steht unter dem Protektorat der chinesischen Botschaft. Einige der dort akkreditierten nordkoreanischen Diplomaten konnten inzwischen als ND-Angehörige enttarnt werden. Zur "Volksdemokratie" Nordkorea - eine kommunistische DiktaAufgaben ) tur stalinistischer Prägung mit monarchistisch anmutender Erbfolge - gehört, daß die diplomatischen Auslandsaktivitäten von Nachrichtendiensten kontrolliert werden. Somit erstaunt es nicht, daß die "Nordkoreanische Interessenvertretung" (NKIV) stark an Geheimdienste ihres Landes angebunden ist. Die Diplomaten der NKIV unterliegen seit Oktober 1993 der Notifizierungspflicht, d. h. sie sind in ihrer Bewegungsfreiheit außerhalb Berlins eingeschränkt. Die Nordkoreaner haben für ihre Beschaffungsaktivitäten C Aktivitäten | | mehrere Tarnfirmen in Pjöngjang gegründet. Aus der nordkoreanischen Interessenvertretung in Berlin heraus operieren 183 SPIONAGEABWEHR mehrere Firmen, die in dieses Beschaffungssystem eingebunden sind. Eine der dort vertretenen Firmen ist für die Beschaffung von Technologieprodukten, Know-how und Material für ABC-Waffen sowie für Trägerentwicklungsprogramme zuständig. In diesem Zusammenhang ist auch eine Fluggesellschaft zu nennen, die für den Weitertransport beschaffter Güter auf der Route Berlin-Schönefeld - Moskau - Pjöngjang sorgt. In letzter Zeit sind zudem Aktivitäten nordkoreanischer ND unter hier lebenden südkoreanischen Staatsbürgern aufgefallen. Im Mittelpunkt steht dabei die europaweit agierende "Pankoreanische Allianz für die Wiedervereinigung Koreas" ("POMMINYON") bzw. ihre deutsche Niederlassung "BUM MIN RYUN" - beide mit Sitz in Berlin. Die NKIV ist bestrebt, die Gruppierung ideologisch im Sinne einer Vereinigung "in den Farben Nordkoreas" zu beeinflussen. Besondere Bedeutung kommt bei dieser Art von "Öffentlichkeitsarbeit" der "Soziokulturellen Abteilung" des ZK der "Partei der Arbeit Koreas" (PdAK) zu, die eng mit der ebenfalls dem ZK unterstellten "Abteilung Wiedervereinigungsfront" zusammenarbeitet. 4 Ausblick Die Effektivität der Spionageabwehr wird nicht allein an der /mmm I Bedeutung Anzahl enttarnter und damit neutralisierter Agenten gemessen. 1 präventiver Entsprechend der konspirativen Arbeitsweise ausländischer | Abwehrarbeit Nachrichtendienste vollzieht sich auch die Abwehrarbeit groß^mmmmm tenteils im geheimen und ist - wie im Bereich des politischen Extremismus - durch beobachtende Detailarbeit im Vorfeld strafprozessualer und zollrechtlicher Maßnahmen gekennzeichnet. Zeitgemäße Abwehrarbeit erfordert in weitaus stärkerem Umfang als früher die präventive Sensibilisierung von Personen, die in ihrer Berufsoder Privatsphäre mit Angehörigen ausländischer Nachrichtendienste in Kontakt kommen, ohne in der 184 InformationsJV schütz durch 11 intensive 1 Regel deren nachrichtendienstlichen Auftrag zu erkennen. Dem ' " j r lnfdegrmationsschutz in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und msmseffsssmr Wissenschaft sollte in Zukunft insgesamt größere Bedeutung beigemessen werden. So muß z. B. der Berliner Wirtschaft durch gezielte Aufklärungsmaßnahmen verdeutlicht werden, daß die Sicherheitsbehörden gemeinsam mit den von nachrichtendienstlicher Ausforschung bedrohten Unternehmen eine Gefahrengemeinschaft bilden. Eine fortschreitende "informationelle Ausplünderung" durch Nachrichtendienste fremder Staaten würde sonst zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wirtschaftsstandortes Deutschland führen.