Landesamt für Verfassungsschutz BERLIN Landesamt für Verfassungsschutz, Auf dem Grat 2, D-14195 Berlin VerfassungsschutzBericht Berlin 1994 tet, on Vorwort 3 Vorwort Mit dem Verfassungsschutzbericht 1994 legt das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz erneut eine umfassende Jahresbilanz seiner Arbeit vor. Es liegt in der Natur der Sache, daß Nachrichtendienste viele ihrer Erkenntnisse nicht veröffentlichen können. Gleichwohl ist diese Information der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen mit ihren aus vielen Einzelinformationen erstellten Lagebildern und Gesamteinschätzungen eine unerläßliche Voraussetzung für eine breite politische Auseinandersetzung mit den Gegnern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die Beobachtung extremistischer Bestrebungen - egal welcher Richtung - ist und bleibt die wesentliche Aufgabe des Verfassungsschutzes. Der Linksextremismus, insbesondere 1 200 Autonome und die im zweiten Halbjahr wieder aktiv gewordene Gruppierung "KLASSE GEGEN KLASSE", bildeten auch 1994 ein brisantes Gefährdungsmoment für die innere Sicherheit Berlins. Die langjährige Prüfung der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) auf verfassungsfeindliche Bestrebungen wurde auch 1994 fortgesetzt. Sie konnte inzwischen abgeschlossen werden mit dem Ergebnis, daß nicht die PDS, wohl aber drei Organisationen in der PDS wegen ihrer othodox-kommunistischen Ziele und ihrer Akzeptanz von Gewalt vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet werden, nämlich die "Kommunistische Plattform (KPF)", die Arbeitsgemeinschaft "Junge Genossinnen in und bei der PDS" sowie die Arbeitsgemeinschaft "Autonome Gruppen in und bei der PDS". Im Rechtsextremismus haben Vereinsverbote und Strafverfolgung deutliche Spuren innerhalb der Neonazi-Szene hinterlassen. Sorge bereitet in diesem Zusammenhang allerdings die erkennbare Entwicklung zu konspirativem Verhalten. Die Gesamtzahl der erkannten Rechtsextremisten ist 1994 zurückgegangen. Die Situation der "Republikaner" war 1994 na- Vorwort 4 hezu ausschließlich durch innerparteiliche Auseinandersetzungen gekennzeichnet. * Bei der Beoachtung gewaltorientierter, terroristischer und staatsterroristischer Bestrebungen von Ausländern traten auch 1994 palästinensische und islamisch-extremistische Organisationen besonders in Erscheinung. Auffällig waren dabei die trotz des Verbotes von 1993 zu beobachtenden verstärkten Aktivitäten der "Kurdischen Arbeiterpartei" (PKK). Im Bereich der Spionageabwehr hat i a , sich nach dem Ende des "Kalten Krieges" ein deutlicher Wandel vollzogen. Ziel der Aktivitäten fremder Nachrichtendienste sind zunehmend Wirtschaft und Wissenschaft. Der Abwehr dieser Gefahren und der Sensibilisierung der gefährdeten Einrichtungen und Unternehmen kommt in Berlin als künftigem Regierungssitz sowie Wissenschaftsund Wirtschaftszentrum immer größere Bedeutung zu. Insgesamt ist die Zahl der extremistischen Gewalttaten weiterhin rückläufig; sie liegt aber immer noch deutlich über den Zahlen der achtziger Jahre. Der eingeschlagene Weg einer konsequenten Bekämpfung dieser Gefahrenpotentiale mit politischen, administrativen und strafrechtlichen Mitteln muß weitergegangen werden. Aus alledem wird deutlich: Auch eine stabile Demokratie kann auf den aktiven Schutz ihrer Ordnung nicht verzichten. Immer wächst der Irrglaube nach, Staat und Gesellschaft mit den Mitteln von Gewalt und Terror oder durch die Beseitigung ihrer rechtsstaatlichen und pluralistischen Grundsätze zum Besseren verändern zu sollen und zu können. Nur durch das aktive Eintreten aller demokratischen Kräfte und der Bürgerinnen und Bürger für diese Ordnung kann den Gefahren wirksam begegnet werden. Berlin, im Juli 1995 Eberhard Diepgen Regierender Bürgermeister Inhaltsverzeichnis 5 Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines .13 1.1 Rechtsgrundlagen 15 1.2 Aufbau und Organisation 16 1.3 Haushalt und Personal 17 1.4 Auskunftserteilung und Akteneinsicht 18 1.5 Datenschutzkontrolle 18 1.6 Datenund Aktenbereinigung .18 1.7 Parlamentarische Kontrolle .19 1.8 Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) 19 2 Politischer Extremismus..... 23 2.1 Linksextremismus 25 2.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 25 2.1.1.1 Vorbemerkung / Überblick 25 2.1.1.2 Autonome 30 2.1.1.2.1 Grundlagen / Ziele / Strukturen 30 2.1.1.2.2 Gewalttaten der autonomen Szene 34 2.1.1.2.3 Themenfelder 39 2.1.1.2.4 Arbeitsgemeinschaft "Junge Genossinnen in und bei der PDS" 54 2.1.1.2.5 Arbeitsgemeinschaft "Autonome Gruppen in und bei der PDS" 54 Inhaltsverzeichnis 6 2.1.1.2.6 Ausblick 54 2.1.1.3 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 56 2.1.1.3.1 RAF-Umfeld |j. 59 2.1.1.4 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 61 2.1.1.5 "Revolutionäre Zellen" (RZ) .63 2.1.1.6 Ausblick [j 64 2.1.2 Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen 65 2.1.2.1 Vorbemerkung 65 2.1.2.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 67 2.1.2.3 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 68 2.1.2.4 "Kommunistische Plattform" (KPF) 69 2.1.2.5 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD - Sitz Berlin) [j 69 2.1.2.6 "Marxistische Gruppe" (MG) 70 2.1.2.7 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 71 2.1.2.8 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) .71 2.1.2.9 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) 72 2.1.2.10 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ). 72 2.1.2.11 "Spartakist - Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) 73 2.1.2.12 Ausblick 74 2.1.3 Sonderthema: Terroristische Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" 74 2.2 Rechtsextremismus 83 2.2.1 Vorbemerkung 83 2.2.2 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) 88 2.2.2.1 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) .92 Inhaltsverzeichnis 7 2.2.2.2 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) 93 2.2.2.3 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) 94 2.2.2.4 "Deutsche Nationalisten" (DN) 95 2.2.2.5 Haftbefehl gegen Berliner Neonazis 96 2.2.2.6 "Anti-Antifa" 98 2.2.3 Militante Skinhead-Szene in Berlin 100 2.2.4 Rechtsextremistische Gewalttaten 104 2.2.4.1 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund 106 2.2.5 "Nationalfreiheitliche" / "Nationaldemokraten" 109 2.2.5.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) .110 2.2.5.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 111 2.2.5.3 "Junge Nationaldemokraten" (JN) .112 2.2.5.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) / "Die Nationalen e. V." 112 2.2.5.5 "Die Republikaner" (REP) 113 2.2.6 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 116 2.2.6.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." 116 2.2.6.2 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V " (WJ) .....117 2.2.7 Bewertung / Ausblick 119 2.2.8 Sonderthema: "Informationelle Vernetzung" .120 2.3 Ausländerextremismus 125 2.3.1 Einleitung 125 2.3.2 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Kurden 130 2.3.2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 130 Inhaltsverzeichnis 8 2.3.3 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Türken 137 2.3.3.1 Linksextremistische Türken-Organisationen 137 2.3.3.1.1 "Türkische Kommunistische Partei / MarxistenLeninisten" (TKP/M-L) | 138 2.3.3.1.2 "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) ji 1.39 2.3.3.1.3 "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) .139 2.3.3.1.4 "Antifasist Genclik"..: ji 141 2.3.3.2 Extrem-nationalistische Türken-Organisationen 141 2.3.3.2.1 "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) und "Partei der Großen Einheit" (BBP) 141 2.3.3.2.2 "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BUD) und "Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) |j...., 142 2.3.3.3 Islamisch-extremistische Türken-Organisationen 143 2.3.3.3.1 "Wohlstandspartei" (RP)..jj 143 2.3.3.3.2 "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT) 1.43 2.3.3.3.3 "Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V. KölrV(ICCB) 144 2.3.3.4 Ausblick 145 2.3.4 "Muslimbruderschaft" (MB) 146 2.3.5 Islamisch-extremistische Araber-Organisationen 147 2.3.5.1 "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) 147 2.3.6 Sonstige Palästinenser-/Araber-Organisationen in Berlin (einschl. "Ablehnungsfront") 150 2.3.6.1 "Al Fatah" 151 2.3.6.2 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) 152 2.3.6.3 "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) 152 Inhaltsverzeichnis 9 2.3.6.4 "Volksfront für die Befreiung Palästinas - General Command" (PFLP-GC) 152 2.3.6.5 "ABU-NIDAL-Organisation" (ANO) 153 2.3.6.6 "Hizb Allah" .153 2.3.7 Staatsterroristische Bestrebungen 155 2.3.7.1 "Union Islamischer Studenten in Europa" (U.I.S.A.) 155 2.3.7.2 Politisch-religiöse Beeinflussungsversuche des Iran in der Bundesrepublik Deutschland 156 2.3.7.3 Gegner der iranischen Regierung - die iranische Opposition 157 2.3.7.3.1 "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) und ihre Nebenorganisation "Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V."(IMSV) .157 2.3.8 Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien 159 3 Spionageabwehr 163 3.1 Allgemeiner Überblick 165 3.2 Träger der Spionageaktivitäten .166 3.2.1 Nachrichtendienste der Gemeinschaft Unabhäniger Staaten (GUS) 166 3.2.1.1 Die russischen Nachrichtendienste 167 3.2.1.2 Ziele und Methoden der russischen Auslandsaufklärung in Deutschland 168 3.2.1.3 Übernahme von IM des ehemaligen MfS 170 3.2.2 Osteuropäische Nachrichtendienste ..170 3.2.3 Nachrichtendienste der Krisenländer. 171 Inhaltsverzeichnis 10 3.2.3.1 Die iranischen Nachrichtendienste 172 3.2.3.1.1 Zuständigkeiten der Nachrichtendienste .172 3.2.3.1.2 Arbeitsschwerpunkte und -methoden .173 3.2.3.1.3 Residenturen in Deutschland 173 3.2.4 Sonstige Nachrichtendienste 174 3.3 Präventive Spionageabwehr 175 3.3.1 Geheimschutz in der Verwaltung 175 3.3.2 Geheimschutz in der Wirtschaft 176 3.3.3 Materieller Geheimschutz 177 3.3.4 Bürgerberatung .177 3.4 Frühere, fortwirkende unbekannte MfS-Strukturen und -Tätigkeiten.... .178 4 Anhang I: Kurzdarstellungen wichtiger extremistischer Organisationen in alphabetischer Reihenfolge .181 4.1 Linksextremismus .183 4.2 Rechtsextremismus .193 4.3 Ausländerextremismus 201 5 Anhang II: Chronologie.. 209 5.1 Linksextremismus 211 5.2 Rechtsextremismus 239 5.3 Ausländerextremismus 271 Inhaltsverzeichnis 11 6 Anhang III: Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 25. März 1995 293 7 Abkürzungsverzeichnis Personen-und Organisationsregister.. 317 7.1 Abkürzungsverzeichnis 319 7.2 Personenund Organisationsregister .327 1 - Allgemeines - 15 1.1 Rechtsgrundlagen Die Aufgaben und Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Berlin (LfV) sind durch das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) vom 26. Januar 1993 (GVBI. S. 23) neu geregelt. Im Berichtszeitraum wurden das LfVG und das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz durch Gesetz vom 22. November 1994 (GVBI. S. 462) geändert. Wesentlicher Inhalt ist eine neue differenzierte Zuständigkeitsregelung für die Aufsicht über das LfV und die Benennung der obersten Landesbehörde in G 10-Angelegenheiten. Im Jahre 1994 wurden weitere gesetzesauslegende und verfahrensregelnde Verwaltungsvorschriften erlassen, unter anderem die für den behördlichen Datenschutzbeauftragten. Er ist in Anwendung seiner Fachkunde weisungsfrei und hat die Arbeit im Amt auf Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften zu kontrollieren. Die Aufgabenstellung des LfV blieb 1994 unverändert. Das LfV sammelt insbesondere Informationen über Bestrebungen, die darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung ganz oder teilweise zu beseitigen. Diese Bestrebungen werden als extremistisch oder - was gleichbedeutend ist - als verfassungsfeindlich bezeichnet. Der früher bisweilen gebrauchte Begriff "radikal" wird nicht mehr verwendet, da eine nach allgemeinem Sprachgebrauch "radikale", d. h. an die Wurzel einer Fragestellung gehende Zielsetzung nicht unbedingt im o. g. Sinn verfassungsfeindlich sein muß. Der Begriff der "Verfassungsfeindlichkeit" ist von dem der "Verfassungswidrigkeit" zu unterscheiden. Letzterer bezeichnet eine Voraussetzung für das Verbot einer politischen Partei nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Auf die Verfassungswidrigkeit einer Partei läßt sich deshalb erst berufen, wenn diese vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist. Das sog. Parteienprivileg steht der Beobachtungstätigkeit durch die Verfassungsschutzbehörde nicht hinderlich entgegen. Das LfV muß tätig werden, wenn im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht politisch motivierter, zielund zweckgerichteter Verhaltensweisen von Organisationen, also auch von Parteien, sowie von Personenzusammenschlüssen ohne feste hierarchische Organisati- 1 - Allgemeines - 16 onsstrukturen oder von Einzelpersonen gegen die im Gesetz genannten Schutzgüter (= Bestrebungen) vorliegen. Zur Rechtfertigung der - auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln - durchgeführten Beobachtung genügjj nicht die bloße Annahme, daß Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen könnten. Tatsächliche Anhaltspunkte sind Umstände, die bei vernünftiger Betrachtung auf solche Bestrebungen hindeuten und deshalb weitere Klärung erforderlich erscheinen lassen. Sie ergeben sich nicht nur aus programmatischen Aussagen der Organisation selbst, sondern auch aus Handlungen von Personen, die eine Organisation in ihrer Bestrebung nachdrücklich unterstützen (SS 6 Abs. 1 S. 2 LfVG). Nach der Rechtsprechung hat sich eine Partei das Verhalten ihrer Anhänger zurechnen zu lassen, weil ihre Absichten sich im Verhalten ihrer Anhänger spiegeln und sie durch ihr Wirken dieses Verhalten der Anhänger bestimmt und die Verantwortung dafür trägt (so schon das Bundesverfassungsgericht im sog. SRP-Urteil). 1.2 Aufbau und Organisation Entsprechend dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland haben bekanntlich der Bund und jedes Bundesland eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Das LfV wird von dem Direktor des Landesamtes für Verfassungsschutz geleitet. Das Amt gliedert sich in drei Abteilungen: Amtsleiter Extremismus/ Spionageabwehr/ Zentrale Aufgaben Terrorismus Geheimschutz 1 - Allgemeines17 Das LfV war bis zum 1. Dezember 1994 der Senatsverwaltung für Inneres unterstellt. Seit dem 2. Dezember 1994 werden die Aufgaben der Aufsichtsbehörde von dem Regierenden Bürgermeister von Berlin - Senatskanzlei - wahrgenommen (Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 25. März 1995; GVBI. S. 254; vgl. Anhang III). Ihm obliegt die Aufsicht über die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenerfüllung (Fachaufsicht). Er übt auch die Dienstaufsicht über das LfV Berlin aus, die sich auf Aufbau, innere Ordnung, allgemeine Geschäftsführung und Personalangelegenheiten erstreckt. Die Aufsichtsbehörde ist zugleich oberste Landesbehörde nach SS 5 Abs. 1 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz (G 10). 1.3 Haushalt und Personal Die Einnahmen und Ausgaben und der Stellenplan des LfV sind im Haushaltsplan des Landes Berlin unter Kapitel 0512 (ab 1995: 0312) öffentlich ausgewiesen. Das Gesamtvolumen des LfV-Haushalts betrug im Berichtszeitraum 20 228 300 DM. Für konsumtive Ausgaben und Investitionen standen im Berichtszeitraum insgesamt rund 2 310 TDM zur Verfügung, davon 359 TDM für die technische Erweiterung der G 10-Stelle und Geräte der Informationsund Kommunikationstechnik. Zum Ende des Jahres 1994 standen dem LfV 242 Stellen zur Verfügung. Der 1990 eingeleitete Stellenabbau und die Neuorganisation des LfV auf der Grundlage des Gutachtens der sog. Boeden-Kommission waren damit abgeschlossen. Durch den Doppelhaushalt 1995/1996 sind aufgrund der Aufgabenentwicklung dem LfV zusätzlich 11 Stellen bewilligt worden, so daß von 1995 an insgesamt 253 Stellen zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehen. 1 - Allgemeines - 18 1.4 Auskunftserteilung und Akteneinsicht Die Verpflichtung des LfV zur Erteilung von Auskünften und zur Gewährung von Akteneinsicht ergibt sich aus den SSSS 31, 32 LfVG. Im Berichtszeitraum beantragten 68 Petenten Auskunft bzw. Akteneinsicht über die zu ihrer Person gespeicherten Informationen. Gegenüber 1993 (211 Anträge) ist ein starker Rückgang zu verzeichnen. Die Bearbeitung der Anträge konnte zügig durchgeführt werden. 1.5 Datenschutzkontrolle Jedermann kann sich nach SS 27 Satz 1 des Berliner Datenschutzgesetzes (BlnDSG) an den Datenschutzbeauftragten wenden, wenn er der Ansicht ist, daß bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Behörden gegen Vorschriften des BlnDSG oder gegen andere Datenschutzvorschriften verstoßen worden ist oder ein solcher Verstoß bevorsteht. In diesem wie auch in jenen Fällen, in denen das LfV Auskunftsbegehrende aus Geheimhaltungsgründen nicht oder nicht umfassend bescheidet und sie deshalb nach SS 31 Abs. 4 LfVG an den Berliner Datenschutzbeauftragten (DSB) verweist, übt der DSB die Kontrolle "vor Ort" aus. Im Berichtszeitraum wurden eine Reihe von Einzelvorgängen überprüft und mit Vorschlägen und Empfehlungen abgeschlossen. 1.6 Daten-und Aktenbereinigung Die im Verfassungsschutzbericht 1993 angekündigte Datenund Aktenbereinigung konnte 1994 in wesentlichen Teilen weitgehend abgeschlossen werden. Auf der Grundlage des Archivgesetzes des Landes Berlin vom 29. November 1993 (GVBI. S. 576) übernahm das Landesarchiv ausgesonderte, archivwürdige Akten. Nichtarchivwürdige Altakten wurden zur Vernichtung freigegeben und vernichtet. Entsprechende Fundstellen im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) sind gelöscht. 1 - Allgemeines - 19 1.7 Parlamentarische Kontrolle In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes unterliegt der Senat von Berlin der Kontrolle durch den Ausschuß für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin. Dessen Aufgaben und Befugnisse sind in den SSSS 33 - 35 LfVG geregelt. Im Berichtszeitraum nahm der Ausschuß in neun Sitzungen seine Kontrollbefugnis wahr. Bei angeordneten Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses unterrichtet die oberste Landesbehörde (jetzt: Der Regierende Bürgermeister -Senatskanzlei-) die G 10-Kommission des Landes Berlin. Diese entscheidet über die Zulässigkeit und Notwendigkeit angeordneter Beschränkungsmaßnahmen. Die G 10-Kommission berät in geheimen Sitzungen. 1.8 Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) Obwohl der Verfassungsschutz ein geheimer Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit der Behörde seit einigen Jahren mehr Raum ein als zuvor. Hierbei stehen die jährlichen Verfassungsschutzberichte und seit 1994 Informationsbroschüren über extremistische Bestrebungen in Berlin im Vordergrund. Sie sollen in erster Linie als Hintergrundmaterial zur geistig-politischen Auseinandersetzung dienen und der interessierten Öffentlichkeit einen Überblick über die verschiedenen extremistischen Gruppierungen verschaffen. Die Information der Öffentlichkeit durch die Verfassungsschutzbehörden, der sog. "Verfassungsschutz durch Aufklärung", stellt einen wichtigen Beitrag zur geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus dar. Zwar war die Legitimation der Verfassungsschutzbehörden zur Öffentlichkeitsarbeit in der Vergangenheit nicht unumstritten, jedoch hatte das Bundesverfassungsgericht schon in einer Entscheidung vom 29. Oktober 1975 sehr deutlich festgestellt, daß es legitim sei, vor Prüfung administrativer Maßnahmen wie Parteioder Vereinsverboten, eine mit Argumenten geführte politische Diskussion zu su- 1 - Allgemeines - 20 chen, um es gar nicht erst zu Verboten kommen zu lassen. Durch die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Extremismus erfüllten die Verfassungsorgane der Bundesrepublik - und in ihrem Auftrag auch die Verfassungsschutzbehörden - ihre Aufgabe, die "freiheitliche demokratische Grundordnung zu wahren und zu verteidigen" (BVerfGE 40, 287 [292]). Der SS 26 LfVG berechtigt und verpflichtet das LfV nunmehr ausdrücklich zur Unterrichtung der Öffentlichkeit. Damit ist der sog. "Verfassungsschutz durch Aufklärung" gesetzlich verankert worden. Das Informationsmaterial kann nicht den gesamten Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde über die verschiedenen verfassungsfeindlichen Bestrebungen darstellen, weil es auch Informationen gibt, die aus guten Gründen nicht auf dem offenen Markt verbreitet werden dürfen, da sie u. a. durch Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gewonnen wurden. Derartige Informationen werden jedoch selbstverständlich den Mitgliedern des Verfassungsschutzausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses in geheimer Sitzung mitgeteilt. In der Reihe Durchblicke sind bisher folgende Broschüren erschienen: * Durchblicke, 1. Jg. 1994, Nr. 1, "Rechtsextremismus in Berlin" (Restexemplare) * Durchblicke, 1. Jg. 1994, Nr. 2, "Die Intellektualisierung der Neuen Rechten - Die Junge Freiheit" (vergriffen) * Durchblicke, 1. Jg. 1994, Nr. 3, "Die internationale Revisionismuskampagne" * Durchblicke, 1. Jg. 1994, Nr. 4, "Ausländerextremismus in Berlin" Die o. g. Broschüren, * ein Faltblatt "Verfassungsschutz in Berlin", 1 - Allgemeines - 21 * allgemeines Informationsmaterial über den Verfassungsschutz sowie * das Computerspiel "Dunkle Schatten" können beim LfV kostenlos unter der unten aufgeführten Adresse bestellt werden. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit trugen Mitarbeiter des Amtes auch regelmäßig über Aufgabenstellung und Schwerpunkte der Arbeit verschiedensten Gruppierungen aus den Bereichen des öffentlichen Dienstes (wie z. B. Referendare, Polizeibeamte, Inspektorenanwärter), Verbänden und Kirchen, Parteien und Schulen vor. Schließlich beteiligte sich das LfV Berlin auch im Jahr 1994 an der bundesweiten Aufklärungskampagne unter dem Leitmotto: "FAIRSTÄNDNIS Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß". Der Referent für Öffentlichkeitsarbeit stand auch im vergangenen Jahr wieder vielen Bürgerinnen und Bürgern als Ansprechpartner in Einzelfragen zur Verfügung. Abschließend die Adresse, unter der Materialien bestellt werden können: Landesamt für Verfassungsschutz - Öffentlichkeitsarbeit - Auf dem Grat 2 14195 Berlin. Als Kontakttelefon dient der Anschluß (030) 8309 380. 1 - Allgemeines - 22 Kontrolle (über das Landesamt für Verfassungsschutz in Berlin Parlamentarische Kontrolle Allgemeine Kontrolle Besondere Kontrolle G 10-Kontrolle Debatten im AbgeordneAusschuß für Verfas- G 10-Kommission: tenhaus, sungsschutz: Aktuelle Stunden, 3 Mitglieder, vom AbgeKleine und Große Anfra10 Mitglieder, aus jeder ordnetenhaus von Berlin gen; Fraktion des Abgeordneauf Vorschlag der Fraktenhauses von Berlin tionen gewählt; ggf. Untersuchungsausmindestens 1 Mitglied, schuß; Vollzug der Anordnung nahezu unbeschränkte i.d.R. nicht vor ZustimBehandlung von PetitioKontrolle. mung durch G 10-Komnen im Petitionsausschuß. mission. 4 4 $ Landesamt für Verfassungsschutz tf 4 tf Verwaltungskontrolle Öffentlichkeitskontrolle Gerichtliche Kontrolle Dienstund Fachaufsicht Bürger Klagen gegen Maßnahdes Regierenden Bürger(Eingaben, Anfragen, men des Verfassungsmeisters - Senatskanzlei -; Auskunfts recht), schutzes vor den Verwaltungsgerichten. Landesbeauftragter für Medien den Datenschutz; (Berichte, Anfragen). Landesrechnungshof. 2 - Politischer Extremismus - 23 2 Politischer Extremismus ER TR u wi 2 - Politischer Extremismus - 25 2.1 Linksextremismus 2.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 2.1.1.1 Vorbemerkung / Überblick Die Aktivitäten gewalttätiger Linksextremisten bildeten auch 1994 ein brisantes Gefährdungsmoment für die innere Sicherheit Berlins. Schwerpunkt des LfV bei der Beobachtung linksextremistischer Bestrebungen war deshalb die Aufklärung desjenigen Potentials, das Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung befürwortet. Die bedeutendste linksextremistische Gefährdung geht in Berlin nach wie vor von den diffus anarchistisch/kommunistisch orientierten Autonomen aus. Ähnlich wie in den Vorjahren waren sie im letzten Beobachtungszeitraum weit überwiegend für die Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund verantwortlich. Den Autonomen ist eine militante Kampagnenpolitik eigen, die immer nur kurzfristig mobilisieren kann. Eine solche "Methodik" entspricht ihren politischen und aktionistischen Grundeinstellungen. Hauptsächlich widmeten sich die Berliner Autonomen 1994 dem sog. antifaschistischen Kampf, in dessen Mittelpunkt die Kampagne zur Unterstützung der Inhaftierten und Gesuchten im Fall des 1992 ermordeten Funktionärs der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), Gerhard KAINDL, stand. Weitere "Reizthemen" für die Szene waren die "Umstrukturierung" Berlins als Hauptstadt und Regierungssitz sowie die Bebauung des Potsdamer Platzes. Erwähnenswert ist die Suche von Teilen des gewaltbereiten linksextremistischen Potentials nach neuen Organisationsformen zur Durchsetzung ihrer "Revolutionären Politik". Die Diskussion um die neue Politik der RAF-Kommandoebene, die Zerrissenheit der Szene einerseits und Versuche andererseits, regionale und überregionale Vernetzungen zu schaffen, kennzeichnen einen Prozeß des Umdenkens und der Besinnung auf Gemeinsamkeiten, an dessen Ende die von der RAF proklamierte "Gegenmacht von unten" stehen könnte. 2 - Politischer Extremismus - 26 Auch die Berliner Autonomen beklagen ihre zunehmende Handlungsunfähigkeit und suchen nach Auswegen aus dem Dilemma. Ein Teil unterstützte daher vehement die Vorbereitungen für einen "Autonomie-Kongreß" im Frühjahr 1995, von dem sich die Befürworter eine Neubestimmung des politischen Standortes und Impulse für zukünftiges Handeln versprechen. Eine gefährliche Entwicklung zeichnete sich ab durch die Hinwendung vieler Autonomer zu Kleinstgruppen mit militanten Aktionsformen. Die terroristische Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) setzte ihre Anschlagsaktivitäten im Berichtszeitraum fort. Die "Rote Armee Fraktion" (RAF), die bedeutendste Terrororganisation in der Bundesrepublik Deutschland, ist als Gesamtgefüge infolge der von der RAF-Kommandoebene 1992 verkündeten Aussetzung des "bewaffneten Kampfes" bei gleichzeitigem Verzicht ihrer Avantgarde-Rolle nach wie vor gespalten. Der Bruch zwischen der RAF-Kommandoebene auf der einen Seite und der Mehrzahl der Inhaftierten aus der RAF andererseits hat sich 1994 vertieft. Die Ereignisse des Jahres 1994 haben deutlich gemacht, daß beide "RAF-Fraktionen" weiterhin bestrebt sind, ihre jeweilige Anhängerschaft zu mehren und zu mobilisieren. Anschlagsaktivitäten gingen 1994 von der RAF-Kommandoebene nicht aus. Das Umfeld der RAF reagierte auf diese Spaltung mit erheblicher Verunsicherung und Orientierungsschwierigkeiten. Die aus dem Spektrum der Gegner der neuen Politik der1 RAF-Kommandoebene hervorgegangene "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) trat auch 1994 mit terroristischen Anschlägen in Erscheinung, wiederum jedoch nicht in Berlin. Im Juli und November 1994 verbreitete sie Positionspapiere, in denen auch für die Zukunft militante/bewaffnete Aktionen angekündigt werden. Aktionen von Gruppen aus dem Zusammenhang der "Revolutionären Zellen" (RZ) waren in Berlin erneut nicht zu verzeichnen. 2 - Politischer Extremismus - 27 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential, Anarchisten sowie Marxisten-Leninisten und andere Gruppen in Berlin Autonome: 1 200 RAF-Umfeld: 50 " Anarchisten: 100 MarxistenLeninisten: 200 < / & sonstige revolutionär-marxistische und trotzkistische Gruppen: 700 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential (1250 Personen)= Autonome RAF-Umfeld Marxisten-Leninisten und andere Gruppen (900 Personen)" Revolutionär-marxistische Gruppen } früher: "Dogmatische Neue Linke" Trotzkistische Parteien und Gruppen } früher: "Dogmatische Neue Linke" Marxisten-Leninisten > } früher: orthodoxe Kommunisten 2 - Politischer Extremismus - 28 Mitgliederentwicklung bei linksextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen in Berlin 1984 bis 1994 Sonstige LinksextreMarxistenGesamtzahl revolutionärmistisches Leninisten marxistische Gewaltund trotzpotential kistische Gruppen 1984 600 - 6400 7000 1985 450 150 6400 7000 1986 350 200 6500 7050 1987 350 500 6500 7350 1988 300 500 6200 7000 1989 300 500 4000 4800 1990 450 700 500 1650 1991 650 1000 400 2050 1992 700 1250 100 2050 1993 700 1250 200 2150 1994 700 1250 200 2150 2 - Politischer Extremismus * 29 Mitgliederentwicklung bei linksextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen in Berlin 1984 bis 1994 8000 Sonstige revoiuionär marxistische und trotzkistische Gruppen --*--Linksextremistisches Gewaltpotential 7000 - Marxisten-Leninisten --K--Gesamtzahl 6000 5000 4000 3000 2000 1000 -1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1984 1986 1988 1990 1992 1994 iiMiiifTTnnri * !-*im iirrii i|i in r ----mmmmmmm^mimiß**^* 2 - Politischer Extremismus - 30 2.1.1.2 Autonome 2.1.1.2.1 Grundlagen / Ziele / Strukturen Das gewaltbereite linksextremistische Potential besteht ganz überwiegend aus den anarchistisch oder anarcho-kommunistisch orientierten Autonomen. Der Zulauf zu autonomen Personenzusammenhängen hielt 1994 an. Abgänge durch "Rückzug ins Privatleben" blieben für die personelle Stärke der autonomen Szene letztendlich ohne Bedeutung, da kontinuierlich jüngere Aktivisten hinzustießen. So stellte Berlin auch 1994 mit etwa 1 200 Autonomen die Hochburg der bundesweit etwa 5 000 Personen umfassenden Bewegung in Deutschland dar. Nach wie vor zeichnet die autonome Szene für den größten Teil der Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund verantwortlich. Ein einheitliches ideologisches Konzept fehlt den Autonomen. Sie folgen verschwommenen anarchistischen, bisweilen auch kommunistischen Vorstellungen. Ihre Forderungen zielen zumeist nicht auf Veränderungen zum Nutzen irgendeines Kollektivs oder der Gesellschaft insgesamt, sondern auf die eigene ungehemmte Entfaltung; selbstbestimmtes Leben beschreiben Autonome u. a. als Freiheit von Lohnarbeit, von sozialen Zwängen und Rücksichtnahmen. Einig sind sich die Autonomen in ihrem Haß auf Staat und Gesellschaft und in der Bereitschaft, für politische Ziele Gewalt anzuwenden. Obwohl sich die bereits für das Jahr 1993 festgestellte Aufsplitterung und Zerstrittenheit der Szene auch 1994 fortgesetzt hat, ist sie nicht in Auflösung begriffen. Allerdings sind autonome Aktivitäten zunehmend bestimmt von individuellen und gruppenspezifischen Interessen. Unter den Berliner Autonomen zeichnen sich bisher folgende Richtungen ab: * Autonome, für die militantes Vorgehen im Mittelpunkt ihres Interesses steht; 2 - Politischer Extremismus - 31 Autonome, vorwiegend "Alt-Autonome", die durch Vermittlung politischer Inhalte versuchen, die autonome Szene wieder zum gemeinsamen Handeln zu bewegen; * Autonome, die sich mit kommunistischem Gedankengut beschäftigen und versuchen, ihr Handeln ideologisch zu begründen; * Autonome, die - über die Vernetzung separat arbeitender Zusammenhänge hinaus - verbindliche Organisationsstrukturen anstreben. Diese Differenzen in der autonomen Szene haben zur Folge, daß die Anhänger der verschiedenen Strömungen teilweise nicht mehr miteinander kommunizieren, teilweise sogar gegeneinander argumentieren. Aktionen gewaltbereiter Kleinstgruppen bildeten 1994 den Schwerpunkt autonomer Umtriebe in Berlin. "Kleinstgruppentaktik" gilt unter Autonomen zunehmend u. a. deshalb als probates Kampfmittel, weil erfahrungsgemäß kaum Täter gefaßt werden und somit nur selten "repressive" staatliche Maßnahmen, gemeint sind strafrechtliche Konsequenzen, greifen können. Hingegen verschwand 1994 die für die Szene in den vergangenen Jahren kennzeichnend gewesene sog. Straßenmilitanz fast vollständig. Die Ursachen sind vielschichtig. Wichtigster Grund für das Ausbleiben gewalttätiger Ausschreitungen ist die erhebliche Verunsicherung potentieller Gewalttäter angesichts massiver Polizeipräsenz und eines erhöhten Festnahmerisikos. Aus ihren für sie nachteiligen Erfahrungen mit den Ordnungshütern haben Autonome Lehren gezogen: Man vermeidet nach Möglichkeit jegliche direkte Konfrontation mit der Polizei. Bezeichnend für dieses taktisch begründete eher defensive Verhalten waren besonders die Aktivitäten anläßlich des 1. Mai. Die Berliner autonome Szene verzichtete aufgrund der "schlechten Erfahrungen mit der Polizei" aus dem Vorjahr auf eine zentrale "revolutionäre 1. Mai-Demonstration". Statt dessen wurde auf dem Oranienplatz (Berlin-Kreuzberg) ein "internationalistisches" Straßenfest veranstaltet, an dem sich etwa 3 000 Personen "friedlich" beteiligten. Die 2 - Politischer Extremismus - 32 _ schon zur "Tradition" gewordenen Straßenschlachten in den Abt"~~ Nachtstunden blieben 1994 aus. Mit immensem propagandistischen Aufwand vorbereitete demonstrativ Aktionen gegen den "Großen Zapfenstreich" der Bundeswehr zur Verabschiedung der drei Westalliierten am 8. September auf dem Pariser Platz (Berlin-Mitte) nahm die Szene mit weitaus geringerem Interesse an als von den Initiatoren erwartet. Aktionen, soweit sie nicht entgegen den Planungen ohnehin ausblieben, verliefen unkoordiniert und konnten seitens der Polizei im Keim erstickt werden. Unter diesen Eindrücken zeigten sich viele Aktivisten äußerst frustriert. Im Nachhinein herrschte die Meinung vor, daß heutzutage öffentlichkeitswirksame "Groß-Aktionen" keinen Sinn und Zweck mehr hätten. Gleichwohl hat die von Autonomen ausgehende Gewalt nichts an Gefährlichkeit eingebüßt. Träger der exzessiven Militanz ist, anders als früher, nicht mehr in erster Linie der sog. Straßenmob. Vielmehr handelt es sich bei den heutigen Protagonisten autonomer Gewalt, Angehörige klandestin agierender Kleinstgruppen, um diejenigen Teile der Szene, die bisher öffentliche Aktionen dazu nutzten, Gewalt als Mittel zur "Selbstverwirklichung" oder Abreaktion ihrer Wut auf gesellschaftliche Verhältnisse, denen man sich kategorisch verweigert, anzuwenden. Bei diesen gezielten gewalttätigen Angriffen gehen Autonome zumeist planvoller und umsichtiger vor als Rechtsextremisten. Anschläge werden langfristig geplant und sorgfältig durchgeführt. Deshalb bieten sich der Polizei nur selten Anhaltspunkte, die zur Ergreifung der Täter führen. Nach wie vor rechtfertigen Autonome zumeist in Selbstbezichtigungen die Wahl ihrer Anschlagsziele. Einen besonderen Bekanntheitsgrad unter den autonomen Zusammenschlüssen in der Bundeshauptstadt erlangte eine Gruppierung, die seit 1992 ihre Taterklärungen mit dem Slogan "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) unterzeichnet. Hierbei handelt es sich um unbekannte autonome Gewalttäter mit revolutionär-marxistischer Ausrichtung. Insgesamt werden diesem Personenzusammenhang inzwischen 33 Brand-, fünf Sprengstoff-, drei versuchte Brandanschläge, fünf sonstige Straftaten sowie 41 Bedrohungen zugerechnet. 2 - Politischer Extremismus - 33 Auch 1994 wurden unter dem Schlagwort "KLASSE GEGEN KLASSE" zahlreiche Anschläge verübt (vgl. a. 2.1.3 Sonderthema: Terroristische Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE"). Eine weitere Ursache für die Aufsplitterung und Zerstrittenheit des autonomen Potentials ist der seit rund zwei Jahren festzustellende Generationswechsel innerhalb der Szene. Die in den 80er Jahren als Aktivisten hervorgetretenen Autonomen werden heute von der nachgewachsenen jungen Generation, die zum großen Teil aus dem Ostteil der Stadtinsbesondere aus Friedrichshain und Prenzlauer Berg - kommt, als sog. Alt-Autonome heruntergespielt. Diese haben sich überwiegend deshalb aus der Szene zurückgezogen. Einige wenige "Alt-Autonome" versuchen, über die noch bestehenden szeneeigenen Kommunikationswege Einfluß auf die neue Generation zu gewinnen. Das vergangene Jahr hat aber deutlich gemacht, daß dies nur in geringem Umfang gelungen ist. Obwohl Autonome von der Grundtendenz her den Aufbau einer (eigenen) Organisation ablehnen und die Mehrheit der Autonomen sich als "organisationsfeindlich" bezeichnet, halten Teile des autonomen Potentials einen gewissen Grad von Organisierung für unverzichtbar. Solche Kreise arbeiten u. a. in zahlreichen "Antifa-Gruppen", "Anti-Umstrukturierungs-Initiativen" und anarchistisch inspirierten Personenzusammenschlüssen mit. Seit etwa zwei bis drei Jahren sind allerdings innerhalb der in Bewegung geratenen autonomen Szene Bestrebungen zu registrieren, die es zuvor mit einem derartig hohen Maß an Ernsthaftigkeit, Verbindlichkeit und Kontinuität nicht gegeben hatte und die insofern eine "neue Qualität" darstellen. Organisationszusammenhänge haben sich gebildet, die der beklagten Orientierungsund Perspektiviosigkeit entgegenwirken sollen und eine Diskussion um die "Neukonstituierung der revolutionären Linken" vorantreiben wollen. Die bisher bestehenden Strukturen innerhalb der Szene (z. B. "Infotelefone", "Infoläden", "Vollversammlungen" und "Telefonketten") haben nicht ausgereicht, diesen Diskussionsprozeß in Gang zu bringen. Auch das computergestützte Informationssystem "SpinnenNetz", dessen Info-Netzwerk politischer Gruppen und Infoläden 1994 über das gesamte Bundesgebiet ausgebaut wurde, konnte die Unfähigkeit der Szene, über einzelne Kampagnen hinaus kontinuierlich nachhaltige politische Arbeit zu leisten, nicht überwinden. 2 - Politischer Extremismus - 34 2.1.1.2.2 Gewalttaten der autonomen Szene Gewalt gegen Sachen, aber auch gegen Personen, ist für viele Autonome selbstverständlich - Militanz geradezu ein Kriterium autonomer Politik. Rüde Sprache und mehr oder weniger klare Aufforderungen zur Gewalt bilden markante Merkmale der Rhetorik, die Autonome bei der Verbreitung ihrer verabsolutierten Standpunkte verwenden. Schwer verständliche, bis zum letzten auf mögliche Gegenargumente durchgefeilte und abgestimmte theoretische Abhandlungen, wie sie etwa in Veröffentlichungen maoistischer Organisationen seit den 70er Jahren üblich sind, fehlen bei den Autonomen. Das klare Bekenntnis zur Gewalt, im Berichtszeitraum v. a. in brutalsten Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten tätlich umgesetzt, "lähmt" den Teil der linksextremistischen Szene, der eher eine intellektuelle Konfrontation z. B. mit den "Faschos" favorisiert. Gewalt als Mittel zur kurzfristigen Verwirklichung für gut und erstrebenswert gehaltener Ziele verdrängt die geistige Kontroverse und schädigt so auch die politische Kultur. Auch im Berichtszeitraum 1994 prägte die Militanz autonomer Gruppen das Lagebild des Linksextremismus. Themenbereiche wie "Umstrukturierung" Berlins im Rahmen der Hauptstadtfunktion, die Bebauung des Potsdamer Platzes, ebenso der "Antifaschismus" vor dem Hintergrund ausländerfeindlicher Übergriffe waren die Impulse für die Ausübung linksextremistischer Gewalt. Die Anzahl militanter Aktionen Autonomer - insbesondere Sachbeschädigungen und Brandanschläge - ist im Jahr 1994 gegenüber 1993 um ca. 7 5 % zurückgegangen. Insgesamt konnten 1994 46 Gewalttaten gegen Personen/Sachen registriert werden; im Jahr 1993 waren es 182. Die Statistiken des LfV Berlin enthalten hier bekanntgewordene Aktivitäten mit erkennbarer Militanz, bei denen ein linksextremistischer Hintergrund vorliegt bzw. zu vermuten ist. Zudem werden beim LfV gewaltsame demonstrative Aktionen, in deren Verlauf es zu einer Häufung einzelner strafbarer Handlungen kommt, jeweils nur als ein Vorkommnis gezählt. Die Zahlen des Verfassungsschutzes weichen daher zwangsläufig von Statistiken des Landeskriminalamtes (LKA) ab, in denen alle Straftaten 2 - Politischer Extremismus - 35 mit einem tatsächlichen bzw. vermuteten politischen Hintergrund zusammengefaßt werden. Dennoch zeigt das polizeiliche Zahlenmaterial einen ähnlichen Trend. So registrierte das LKA für das Jahr 1994 insgesamt 1 772 linksextremistische Straftaten. Im Vergleich zu 1993, als noch 3 349 Delikte gezählt wurden, bedeutet dies einen Rückgang von fast 50 %. Eine gleichermaßen einfache wie beweiskräftige Erklärung gibt es für die stark rückläufige Entwicklung von Gewalthandlungen nicht. Von einem Ursachenbündel ist auszugehen: * Die Straßenmilitanz der 80er Jahre ist in Berlin nahezu verschwunden. Heute bilden gewalttätige Aktionen autonomer Kleingruppen den Schwerpunkt der autonomen Szene Berlins. Es liegt in der Natur der Sache, daß sich diese Aktionsform - obwohl sie weit größere Schäden verursacht - weniger dramatisch in den Statistiken auswirkt. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang wiederum auf den Personenzusammenhang "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK), der allein 1994 für 12 Anschläge mit hohen Sachschäden verantwortlich zeichnete. * Im Jahr 1993 gab es - neben den für die Szene jährlich wiederkehrenden "Reizthemen" wie rechtsextremistische HEß-Gedenkveranstaltungen oder staatliche Feiern zum 3. Oktober - zusätzlich Ereignisse, die eine starke Mobilisierung innerhalb der autonomen Szene ermöglichten. Zu nennen ist hier für Berlin insbesondere die Kampagne gegen die Austragung der Olympischen Spiele im Jahr 2000 in Berlin. Allein im Rahmen dieser Kampagne wurden vom LfV Berlin 85 linksextremistische Gewalttaten registriert. Im Jahr 1994 boten sich solche von der Szene als außergewöhnlich zu interpretierende Themen nicht in dieser Dichte. * Ein wesentlicher Teil linksextremistischer Gewalt richtet sich gegen sog. Faschos, insbesondere als Reaktion auf von Rechtsextremisten verübte Gewalttaten. Nach den ausländerfeindlichen Anschlägen in Mölln, Rostock, Hoyerswerda und Solingen kam es nicht nur zu einem Anstieg rechtsextremistischer Nachfolgetaten, sondern 2 - Politischer Extremismus - 36 jeweils auch zu einer Steigerung antifaschistischer Militanz. Straftaten von Linksextremisten korrespondieren insofern mit denjenigen von Rechtsextremisten. Die aktuelle Entwicklung hinsichtlich der Anzahl und der Schwere rechtsextremistischer Gewalttaten (ein Anschlag mit tödlichem Ausgang konnte 1994 nicht registriert werden) dürfte daher auch zum Rückgang linksextremistischer Gewalt beigetragen haben. Dies bedeutet allerdings nicht, daß Linksextremisten ihren "antifaschistischen Kampf" nunmehr als Aktionsfeld minderer Bedeutung begreifen würden. * Nach den Ereignissen Ende Juni 1993 in Bad Kleinen bewirkte insbesondere die Tatsache, daß mit Klaus STEINMETZ ein V-Mann des Verfassungsschutzes nahe an der RAF-Kommandoebene Fuß fassen konnte, eine Art Paralyse, nicht nur bei Personen des engeren RAF-Unterstützerbereiches. Für Berlin kommt hinzu, daß zu Beginn des Jahres 1994 verdeckte Ermittler der Polizei in Berliner autonomen Kreisen von Szeneangehörigen aufgespürt werden konnten. Bis heute beschäftigen sich Autonome damit, bisherige Erfahrungen in ihrem "Kampf gegen das System" aufzuarbeiten. Aus dieser Situation resultieren Orientierungslosigkeit und eine noch anhaltende Suche nach neuen Inhalten und Formen des "Widerstandes". 2 - Politischer Extremismus - 37 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten in Berlin 1992 1993 1 ~ Gesamtzahl der Gewalttaten j 79 182 ^ Tötungsdelikte, einschl. versuchter Tötungen 1* - - Körperverletzungen 20 19 2 Sprengstoffanschläge - 5 2 Brandanschläge 22 49 27 Sachbeschädigungen 36 109 15 Zielrichtung Umstrukturierung 30 36 29 Antifa 38 44 7 Olympia 4 85 0 Sonstige 7 17 10 Hierbei handelt es sich um das Tötungsdelikt gegen den Funktionär der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat", Gerhard KAINDL, am 4. April 1992. 2 - Politischer Extremismus - 38 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten in Berlin 1994 Januar 5 Februar 1 März 7 April 3 Mai 4 Juni - Juli 6 August 2 September 5 Oktober 3 November 5 Dezember 5 Gesamt 46 2 - Politischer Extremismus - 39 2.1.1.2.3 Themenfelder Die Aktionsund Agitationsschwerpunkte der Berliner autonomen Szene stellten sich 1994 wie folgt dar: Linksextremistisch motivierte Gewalttaten und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten Autonomer in Berlin 1992 bis 1994 1992 1993 1994 Gewalttaten 78 182 46 Gewalttätige Aktionen/ 21 19 24 Demonstrationen Friedliche Aktionen/ 26 47 20 Demonstrationen Umstrukturierung Berlins Berliner Autonome führen seit der Wiedervereinigung der Stadt und insbesondere nach der Entscheidung des Deutschen Bundestages für Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz eine Kampagne gegen die "Umstrukturierung". Argumentativ im Mittelpunkt steht die Einschätzung, zusammen mit anderen "ärmeren Kiezbewohnern" aus den innerstädtischen Bereichen gedrängt zu werden, eine Folge eintretender Mietsteigerungen für Wohnungen und Gewerberäume aufgrund verstärkter Bautätigkeit und sog. Luxusmodernisierungen. Aus autonomer Sicht treffen diese Befürchtungen v. a. auf die Bezirke Kreuzberg und Fried- 2 - Politischer Extremismus - 40 richshain zu, die nach der Vereinigung Berlins aus vormaliger "Randlage" wieder zu Innenstadtbezirken geworden sind. Ihre fundamentale Gegnerschaft zu einer solchen, von ihnen als menschenund lebensfeindlich gebrandmarkten Stadtund Bevölkerungspolitik nahmen Autonome zum Anlaß für zahlreiche Gewalttaten. Insbesondere Brandanschläge und Sachbeschädigungen richteten sich vorwiegend gegen Betriebe, die man mit der "Umstrukturierung" in Zusammenhang brachte, so sich ansiedelnde "kapitalkräftige Großunternehmen" sowie - als "Schicki-MickiLäden" diffamierte - Lokale und Ladengeschäfte. Ein weiterer Anknüpfungspunkt für Aktionen zum Thema "Umstrukturierung" war die Öffnung der Oberbaumbrücke im Bezirk Kreuzberg für den Personenindividualverkehr am 9. November. Seit der Räumung der von etwa 100 Personen vier Tage lang besetzten Oberbaumbrücke am 8. Juli 1992 kam es wiederholt zu gewaltsamen Aktionen. Unter dem Slogan "Oberbaumbrücke bleibt Stadtringlücke" verübten autonome Kleinstgruppen v. a. Brandanschläge auf Baufahrzeuge und -gerate einer an dem Bauvorhaben beteiligten Firma. Protestaktionen in den Mittagsund Abendstunden des 9. November verliefen unfriedlich. Der offizielle Festakt am Mittag wurde durch Knallkörperund Farbbeutelwürfe sowie Pfiffe erheblich gestört, nachdem es Gegnern der Wiedereröffnung gelungen war, sich auch mit vermutlich gefälschten Eintrittskarten unter die Gäste zu mischen. Insgesamt sollen sich etwa 800 Personen an den Protestaktionen auf und im weiteren Umfeld der Oberbaumbrücke beteiligt haben. Auch am Abend, nach einem angemeldeten Aufzug, an dem etwa 2 000 Personen teilgenommen hatten, eskalierten die Proteste. Etwa 350 bis 400 Gewalttäter entzündeten pyrotechnische Gegenstände, warfen mit Flaschen, Steinen und Farbbeuteln und errichteten Hindernisse auf der Fahrbahn. Die Polizei nahm fünf Personen vorläufig fest. * Die autonome Szenepublikation "INTERIM" berichtete in ihrer Ausgabe vom 17. November in großer Aufmachung über die "erfolgreich" verlaufenen Protestaktionen. In dem Artikel werden weitere Aktionen gegen den geplanten Stadtring angekündigt. Ein im "Thomas-Weißbecker-Haus" in Berlin-Kreuzberg angesiedelter Zusammenschluß mit der Bezeichnung "Der Umzug platzt" (dup) rief 2 - Politischer Extremismus - 41 Anfang des Berichtsjahres zur Teilnahme an "Aktionen gegen soziale Vertreibung, ökologischen Kahlschlag, die Vernichtung von Arbeitsplätzen und Sozialabbau" auf. In der "INTERIM" vom 17. Februar bezeichnet sich dup als eine Gruppe, "die dem Umbau der Stadt zur Regierungsund Dienstleistungsmetropole nicht tatenlos zuschauen" will. Ihr Anliegen sei, "den Widerstand öffentlich zu machen, zu verbreitern, zu vernetzen". Am 9. und 16. Juli fanden im Mehringhof Veranstaltungen der Gruppe dup und des "Anti-Olympia-Komitees" (AOK) "Gegen Hauptstadtwahn, Umstrukturierung und Sozialabbau" statt, an denen sich jeweils bis zu 200 Personen beteiligten. Durchgängig wurde auf beiden Veranstaltungen die Auffassung bekräftigt, die politisch Verantwortlichen versuchten auf Biegen und Brechen, die Hauptstadt Berlin zu einem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt auszubauen. Ohne Rücksicht auf die Lebensqualität der ortsansässigen Menschen nähmen die Verantwortlichen die Folgen - Kiezauflösung, Umweltzerstörung und nicht mehr zu bezahlende Mieten - in Kauf. Sprecher riefen dazu auf, betroffenen Bevölkerungskreisen stärker die Übereinstimmung ihrer Interessen mit den Anliegen der aktiven "Umstrukturierungsgegner" zu verdeutlichen, um so den Mobilisierungsgrad zu erhöhen. 2 - Politischer Extremismus * 42 Umstrukturierung 35 - 30" 25 - 4 20" 36 1530 29 10 * 5- < R . m 1992 1993 1994 1992 1993 1994 1992 1993 1994 Gewalttaten Gewalttätige Friedliche Aktionen/ Aktionen/ Demonstrationen Demonstrationen 2 - Politischer Extremismus - 43 Olympia 8070 - 60" 50" 85 40" 30" 20" 1018 R R . . 1992 1993 1994 1992 1993 1994 1992 1993 1994 Gewalttaten Gewalttätige Friedliche Aktionen/ Aktionen/ Demontrationen Demonstrationen 2 - Politischer Extremismus - 44 "Antifaschismus" Autonome "Antifaschisten" nutzen den "antifaschistischen Kampf" seit Jahren als mobilisierungsträchtiges Vehikel zur Legitimierung autonomer Positionen über die eigenen Reihen hinaus. Dabei instrumentalisieren sie den antifaschistischen Konsens, wie er innerhalb eines breiten politischen Spektrums der Bundesrepublik vorherrscht, als Chance für eigene Absichten. Autonome Taktik erschließt so Möglichkeiten, die eher losen Szenestrukturen zu festigen, die Militanzbereitschaft und -fähigkeit - bspw, über praktizierte "antifaschistische Selbsthilfe" - zu fördern und die Basis für militante Aktionen durch Überwindung grundsätzlicher Vorbehalte, etwa seitens der sog. Alternativbewegung, zu verbreitern. Gleichzeitig dient der "antifaschistische Kampf" als ideologische "Brücke" zu einem erweiterten Faschismusbegriff, der anderen "Linken" das theoretische und mentale "Rüstzeug" liefern soll für eine fundamentale, aktiv kämpferische Gegnerschaft zur verfassungsmäßigen Ordnung. Es gelte, so die autonome Agitation, Verständnis zu erzielen für "systemüberwindende" Aktionen und Kämpfe gegen die "faschistischen" Strukturen der Staatsmacht mit ihren Unterdrückungsmechanismen. Ziel bei Rekrutierung und Mobilisierung sind v. a. jüngere Menschen, die sich spontan "in Militanz gegen rechts einreihen" lassen. Wie sehr in den letzten Jahren das Themenfeld "Antifaschismus" für die autonome Szene an Bedeutung gewonnen hat, belegen die vielfältigen Szenepublikationen. Sie dokumentieren und rechtfertigen "aktuelle Militanz", inspirieren über ein hochstilisiertes, "idealisiertes" Gewaltverständnis zu gesteigerter Gewaltbereitschaft. Die Diskussion innerhalb der autonomen Szene Deutschlands über Gewalt als probates Mittel im "Antifaschismuskampf' wurde im Berichtszeitraum intensiver denn je fortgeführt. Ursprünglich ausgelöst durch die Tötung des Funktionärs der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), Gerhard KAINDL, am 4. April 1992 in einem Restaurant in Berlin-Kreuzberg, spitzten sich die Gespräche nach den Festnahmen mutmaßlicher Täter Ende 1993 auf die Frage zu, ob bei der Durchführung "antifaschistischer Aktionen" letztlich die Tötung von "Faschos" einkalkuliert werden müßte; 2 - Politischer Extremismus - 45 Niederschlag fand diese Entwicklung auch in Szenepublikationen, deren einschlägige Beiträge zunehmend eine verbale Radikalisierung deutlich werden ließen. Ein offensives Eintreten für das bewußte Inkaufnehmen der Tötung von "Faschos" bei "Angriffsaktionen" war der Tenor solcher Beiträge. In Flugblättern, aber v. a. in der Berliner autonomen Szeneschrift "INTERIM" wurde festgestellt, daß antifaschistische Arbeit viele Aspekte habe, neben Öffentlichkeitsarbeit und der Unterstützung von Flüchtlingen auch die Verhinderung von "Faschistentreffen" und das Angreifen "faschistischer Infrastruktur". Wörtlich hieß es: "Der Angriff auf die Nazikader im Chinarestaurant im April 1992 gehört dazu. Wir werden nicht zulassen, daß eine Handlungsform gegen eine andere ausgespielt wird. (...) Diese Aktion hätte in jeder anderen Stadt genauso passieren können. (...) Es wundert uns heute, daß es in den vielen bisherigen Auseinandersetzungen mit Faschistinnen nicht schon früher Tote unter ihnen gegeben hat." Weiter sinnierten die unbekannten Schreiber in "INTERIM": "Auch wenn es in der autonomen Antifa bisher Konsens ist, faschistische Kader nicht zu töten, so würden es doch nicht wenige sein, die ... sich darüber riesig freuen würden und dies auch politisch voll in Ordnung finden würden. Und seien wir doch mal ehrlich. Nach der Tötung von Kaindl dachten doch viele - na und? Hat's mal einen von denen erwischt. Vielen war es auch einfach gleichgültig bis scheiß egal. Die scheiß-egal-Haltung und Gleichgültigkeit ist auf jeden Fall kritisierenswürdig, denn schließlich läßt sich politischer Widerstand nicht auf Gleichgültigkeit aufbauen. Strategien, Konzepte, Planungen, Genauigkeit können manchmal schon recht hilfreich sein. Es zeigt aber zumindest, daß es für die Tötung eine gewisse Akzeptanz auch in der Szene gibt." Auf die Festnahmen im Fall KAINDL reagierte das gewaltbereite linksextremistische Spektrum mit einer bundesweit geführten Solidaritätskampagne für die Inhaftierten und flüchtigen weiteren Verdächtigten. Eine wichtige Rolle bei der überregionalen Organisierung dieser Kampagne, 2 - Politischer Extremismus - 46 die während des gesamten Berichtszeitraumes andauerte, nahm die Berliner Gruppe "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.) ein. In Berlin brachten autonome "Antifas" und andere Linksextremisten bei mehreren Demonstrationen ihre Solidarität mit den "Verhafteten und Gesuchten im Fall KAINDL" zum Ausdruck: * Am 17. Dezember 1993 fand unter dem Motto "Gegen Naziterror und Bullenwillkür! Helft den verfolgten und gesuchten Antifas! Lükkenlose Aufklärung der Zusammenarbeit von BullenA/erfassungsschutz und Nazis im Fall 'Kaindl'!" eine Solidaritätsdemonstration statt. Etwa 1 000 Personen, darunter Autonome und Angehörige verschiedener Antifa-Gruppen, nahmen an dem Aufzug, der aufgrund des massiven Polizeieinsatzes ohne Ausschreitungen verlief, teil. * Für den 20. April rief eine Anfang 1994 gegründete "Bundesweite Migrantinnen-Initiative 'Antifasist Genclik'-Komitee" zu einer bundesweiten Demonstration in Berlin auf, mit der man seine "Unterstützung der Verhafteten und Gesuchten im Fall KAINDL" kundtun wollte. Gewählt hatten die Initiatoren den Termin 20. April aus Anlaß des Geburtstages von Adolf HITLER, ein Tag, an dem seit vielen Jahren linksextremistische "Antifaschisten" gegen mögliche "Faschoaktionen" Front machen. An dem Aufzug beteiligten sich etwa 2 300 Personen, unter ihnen eine große Anzahl Autonomer sowie Angehörige verschiedener linksextremistischer Gruppen. Rund 350 türkische Kinder und Jugendliche griffen am Breitscheidplatz (Abschlußkundgebung) die Polizei mit Flaschen und Steinen an. Die Ausschreitungen konnten von der Polizei schnell unterbunden werden. * Ein weiterer Höhepunkt der Kampagne war eine Demonstration "Gegen die Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstandes und der Selbstverteidigung von Immigrantinnen" am 21. Mai in Berlin. An dem Aufzug, zu dem bundesweit mobilisiert worden war, beteiligten sich zwischen 2 000 und 2 500 Personen. Ein Großteil der Demonstranten war dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Im Verlauf der Demonstration kam es zu 2 - Politischer Extremismus - 47 kleineren Sachbeschädigungen sowie zu vereinzelten Steinwürfen gegen Polizeibeamte; die Polizei nahm acht Personen fest. * Anläßlich des Beginns des Prozesses gegen die Tatverdächtigen am 20. September führten verschiedene Unterstützergruppen "Solidaritätstage" (16. bis 24. September) und prozeßbegleitende Aktionen durch. Höhepunkte dieser "Solidaritätstage" waren eine sog. Kiezdemonstration am 19. September in Berlin-Kreuzberg mit ca. 1 200 Teilnehmern sowie eine Kundgebung am 20. September vor dem Landgericht Berlin (Berlin-Tiergarten) mit ca. 350 Teilnehmern. Zum 19. September war darüber hinaus zu einem "Internationalen Aktionstag" aufgerufen worden. Den Aufruf hierzu hatte man in deutscher, englischer und französischer Sprache an Gruppen und Einzelpersonen in 16 Länder versandt. Vor deutschen Vertretungen im Ausland fanden Protestaktionen statt. So kam es an der deutschen Botschaft in Paris zu einer Demonstration mit ca. 50 Teilnehmern. Das Goethe-Institut in Lyon wurde kurzzeitig von etwa 30 Personen besetzt; während der Aktion hängten die Eindringlinge ein Transparent mit der Losung "Freiheit für die in Deutschland eingesperrten Antifaschisten" aus dem Fenster. Am 15. November endete nach 13 Verhandlungstagen der Prozeß gegen sieben mutmaßlich Beteiligte des Anschlages, denen die Anklage gemeinschaftlichen Mord an KAINDL und gemeinschaftliche sechsfache schwere Körperverletzung an Begleitern des Deutsche Liga-Funktionärs vorgeworfen hatte. Das Gericht verurteilte drei Angeklagte zu dreijährigen Haftstrafen wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Beteiligung an einer Schlägerei. Zwei Personen erhielten wegen Beihilfe eine Jugendstrafe über zwei Jahre bzw. ein Jahr und drei Monate Freiheitsentzug, ausgesetzt zur Bewährung. Zwei wurden freigesprochen. Zwei Haftbefehle gegen im Fall KAINDL gesuchte Personen wurden aufgehoben, zwei weitere Haftbefehle gegen Ende 1994 noch flüchtige Personen blieben bestehen. Die Szene kommentierte die Urteile dahingehend, daß die Kampagne erfolgreich den Mordvorwurf gegen die Angeklagten verhindert hätte. 2 - Politischer Extremismus - 48 In der Kampagne wurden drei wesentliche Aussagen getroffen, die auch ein Bindeglied für das gesamte gewaltbereite linksextremistische Spektrum darstellten: * Gewalt gegen Rechtsextremisten (einschl. Totschlag/Mord) ist als "Gegenwehr" legitimes Mittel. * Der Staat ("Repressionsapparat") schützt die Aktivitäten der Rechtsextremisten und ist deshalb ebenfalls zu bekämpfen. * Die inhaftierten "Antifaschisten" sind "Politische Gefangene" und werden damit den inhaftierten RAF-Terroristen gleichgesetzt ("Solidaritätsbrücke"). Neben der "Kaindl-Kampagne" prägten 1994 auch folgende Veranstaltungen und Aktionen die Antifaschismuskampagne in Berlin: * Brandanschlag auf einen Pkw eines führenden Neonazis am 17. April, * Veranstaltungen, Brandanschläge und Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit dem geplanten und letztendlich abgesagten Fußballänderspiel Deutschland/England am 20. April, * Aktivitäten am 20. April gegen Aktionen von Rechtsextremisten anläßlich des Todestages des ehemaligen HITLER-Stellvertreters Rudolf HEß, * "Antifa-Demonstration" am 9. November in Tiergarten mit ca. 400 Teilnehmern und * sog. Kiez-Radeln gegen Nazi-Presse am 26. November in Kreuzberg und Wedding. Ebenso wie 1993 bemühten sich autonome Aktivisten im letzten Beobachtungszeitraum, mehr oder weniger lose Antifa-Zusammenhänge zu organisieren. Ziel ist die verbesserte Informationsweitergabe innerhalb der autonomen Antifa-Szene zur wirksamen Mobilisierung und für ein 2 - Politischer Extremismus - 49 einheitliches, z. T. bundesweit gesteuertes Handeln. Am weitesten fortgeschritten ist die Organisierung bei der Ende Juli 1992 in Wuppertal ins Leben gerufenen "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO). Außer der gewaltorientierten Göttinger "Autonomen Antifa (M)" und der Berliner Gruppe "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.), den Köpfen dieses Organisationszusammenschlusses, gehören der AA/BO inzwischen weit über zehn andere Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet an, darunter mehrere aus der deutschen Hauptstadt. Zudem sind in der AA/BO Gruppen mit sog. Beobachterstatus vertreten. Die AA/BO zeichnet sich durch eine - früher in der autonomen Szene nicht feststellbare - Kontinuität in der politischen Arbeit und eine beachtliche Verbindlichkeit von Gremienentscheidungen und Vereinbarungen aus. So finden regelmäßige bundesweite Treffen statt, zu denen Delegierte entsandt werden; auch der strukturelle Aufbau der AA/BO entspricht nicht mehr originär "autonomen" Prinzipien. Die Struktur der Organisation basiert auf den lokalen Gruppierungen, deren Delegierte in der Bundesorganisation "praxisorientierte" und "kooperationsfähige" Analysen und Grundlagen erarbeiten sollen. Aus diesem dezentralen Organisationskonzept resultiert, daß sich unter dem Dach der AA/BO Gruppen mit unterschiedlichen ideologischen Schwerpunkten und unterschiedlicher politischer Praxis sammeln: von aktionistischer Militanz bis hin zu basispolitischer Überzeugungsarbeit. Die Zusammenführung eines solchen breiten Spektrums dient dem langfristigen Ziel, möglichst viele Gruppierungen im "gemeinsamen" Kampf gegen das "imperialistische System" zu organisieren. Alle "Teilbereichskämpfe" sollen verbunden werden, um perspektivisch eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, für einen "Kampf, in dem jeweils unterschiedliche "Hebel" angesetzt werden sollen. Angesichts der bisherigen Zersplitterung der autonomen Kräfte soll dieses langfristige Ziel zunächst über den "Zwischenschritt" AA/BO, also konzentriert auf das Antifa-Spektrum, angegangen werden. 2 - Politischer Extremismus - 50 Antifa 4035 * 30 25" 44 2037 15 ' 22 1016 16 5- 9 8 8 7 1992 1993 1994 1992 1993 1994 1992 1993 1994 Gewalttaten Gewaltsame Friedliche Aktionen/ Aktionen/ Demonstrationen Demonstrationen 2 - Politischer Extremismus - 51 Sonstige herausragende Aktivitäten * Tag der Deutschen Einheit, 3. Oktober An den militanten Aktionen anläßlich der Feierlichkeiten in Bremen beteiligten sich bis zu 1 000 Personen, darunter nur wenige Berliner Autonome. Am selben Tag fand in Berlin eine Demonstration unter dem Motto "In den Palästen wird gefeiert - Raus aus den Hütten!" vom früheren Checkpoint Charlie in Kreuzberg zur Neuen Wache in Mitte statt, zu der rund 30 Organisationen, Bündnisse und Gruppen aufgerufen hatten. Etwa 1 500 Personen nahmen daran teil. * Bundestagswahl, 16. Oktober Trotz der generell resignativen Stimmung in der Szene gelang es Aktivisten anläßlich der Bundestagswahl, autonome Mitstreiter zeitweise aus ihrer Lethargie zu befreien und zu Aktionen zu mobilisieren. So wurden im Berliner Stadtgebiet Plakate einer "Antifa Berlin" u. a. auf Werbeträger von Parteien geklebt, in denen die Initiatoren dazu aufriefen, die "faschistische, rassistische, sexistische Wahlwerbung zu zensieren, abzureißen, zu überkleben und wegzumachen!" Am 8. Oktober taten ca. 2 000 Personen ihre fundamentale Ablehnung des parlamentarischen Systems im Rahmen einer "Breiten Bündnis-Demo" in Berlin kund. Zu dem Aufzug war mit Flugschriften unter dem Motto "Keine Faschistinnen und Rassistinnen in die Parlamente - Wahlen ändern nix - organisiert Euch selbst!" mobilisiert worden. Vermutlich Angehörige autonomer Antifa-Gruppen gingen vereinzelt gegen Plakate und Werbestände der Partei "Die Republikaner" (REP) vor. Am Wahltag selber blieben, soweit bekanntgeworden, Aktivitäten linksextremistisch motivierter Gewalttäter aus. 2 - Politischer Extremismus - 52 * EU-Gipfel, 9./10. Dezember in Essen Seit Herbst 1993 bemühten sich Linksextremisten unterschiedlicher Richtungen eine Kampagne gegen das "Gipfeltreffen" der Europäischen Union (EU) am 9. und 10. Dezember in Essen in Gang zu setzen. Vorbild war dabei die Kampagne gegen den Münchener Weltwirtschaftsgipfel 1992 (Demonstration, Gegenkongreß, "Aktionstage"). Die Resonanz der Berliner Szene war eher mäßig. Am 5. und 6. November fand unter dem Leitwort "Widersetzen wir uns diesem Europa" im Mehringhof ein "Anti-EU-Seminar" statt, an dem etwa 40 Personen teilnahmen. Es kam hier auch zu keiner nennenswerten Mobilisierung für die in Essen geplante Gegendemonstration. Trotz Verbots demonstrierten am 10. Dezember dort zahlreiche Autonome. Die Polizei nahm etliche Personen fest. 2 - Politischer Extremismus - 53 Sonstige 1614' 121017 8- 6J 12 10 4- -- 7 7 7 6 6 5 2 - 1992 1993 1994 1992 1993 1994 1992 1993 1994 Gewalttaten Gewalttätige Friedliche Aktionen/ Aktionen/ Demonstrationen Demonstrationen 2 - Politischer Extremismus - 54 2.1.1.2.4 Arbeitsgemeinschaft "Junge Genossinnen in und bei der PDS" Auf dem Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 wurden Anträge junger Delegierter zu verschiedenen Fragen abgelehnt bzw. nicht behandelt. Anfang Januar 1990 trafen sich deshalb rund 20 Parteitagsdelegierte, um alternative Wirkungsformen in der SED-PDS zu suchen. Bei dieser Gelegenheit wurde die Arbeitsgemeinschaft "Junge Genossinnen in und bei der PDS" ins Leben gerufen. Die Arbeitsgemeinschaft zeigt gegenüber gewaltbereiten Autonomen und Angehörigen des RAF-Umfeldes keinerlei Berührungsvorbehalte. Öffentliche Äußerungen mehrerer führender Funktionäre erwecken vielmehr den Eindruck, daß die Arbeitsgemeinschaft militante Aktionsformen befürwortet und diese lediglich nach taktischen Erwägungen öffentlich beurteilt. 2.1.1.2.5 Arbeitsgemeinschaft "Autonome Gruppen in und bei der PDS" Mit einer Mitte September 1994 in Umlauf gebrachten Flugschrift "Widerstand", Nr. 1/94, stellten sich erstmals "Autonome Gruppen in und bei der PDS" vor. Die Herausgeber bezeichnen sich als Jugendliche, vorwiegend aus dem autonomen Spektrum, die in und bei der PDS mitarbeiten wollen. Z. T. seien sie bereits Mitglieder der Partei. Als Kontaktadresse der "Autonomen Gruppen in und bei der PDS" dient die Geschäftsstelle der PDS in Alt-Marzahn 64 (Berlin-Marzahn). 2.1.1.2.6 Ausblick Auch in Zukunft werden sich politische Reizthemen und damit auch Aktionsfelder ergeben, die entsprechende Mobilisierungen und damit den Fortbestand eines hohen linksextremistischen Militanzniveaus erwarten lassen. Die Kampagne "Regierungsumzug und Umstrukturierung" wird weiterhin für die autonome Szene Berlins einen Schwerpunkt ihrer Agitation und Aktionen bilden. Im Mittelpunkt der Kampagne dürfte 1995 die Bebauung 2 - Politischer Extremismus - 55 des Potsdamer Platzes stehen; mit entsprechenden Aktionen autonomer Aktivisten ist zu rechnen. Ob es den Autonomen gelingen wird, ihre Zerfaserung in eher individuell oder gruppenegoistisch agierende Zusammenhänge und die ebenfalls einem einheitlichen Handeln entgegenstehende "ideologische" Desintegration zu überwinden, hängt von einem - aus Sicht vieler Autonomer längst überfälligen - Selbstfindungsprozeß der Szene ab. Verlauf und Ergebnisse sind in der jetzigen Phase noch nicht abzuschätzen. Fraglich ist, ob der für Ostern 1995 in Berlin geplante "Autonomie Kongress" die angestrebte Standortbestimmung der "Autonomen Bewegung" in Deutschland wird leisten können.* Trotz dieser "internen Mißstände" haben die Autonomen als schwer kalkulierbare Bedrohung für die innere Sicherheit der deutschen Hauptstadt nicht entscheidend an Gefährlichkeit eingebüßt. Diese Feststellung bleibt unberührt von der Beobachtung, daß das autonome Potential mit seinen bisherigen Konturen in Bewegung geraten ist. Die frühere definitorische Abgrenzung - auf der einen Seite die spontaneistischen militanten Autonomen, auf der anderen Seite die an den strategischen Anschlagszielen der RAF orientierte "Antiimperialistische Szene" - hat an Trennschärfe verloren. In der "radikalen Linkqn" ist eine Bewegung in Gang gekommen, die weg von der kurzatmigen, spontihaften Anarcho-Militanz zu mehr Koordination, zu mehr Analyse und Argumentation, zu verbindlicheren Strukturen und größerer Gruppendisziplin will. Eine Renaissance undogmatischer linksextremistischer Gruppierungen zeichnet sich ab. So sind seit etwa zwei bis drei Jahren innerhalb der Szene Bestrebungen zu registrieren, die es zuvor mit einem solch hohen Maß an Ernsthaftigkeit, Verbindlichkeit und Kontinuität nicht gegeben hatte und die insofern eine "neue Qualität" darstellen. Organisationszusammenhänge haben Der "Autonomie-Kongreß 1995" fand vom 14. bis 17. April 1995 in der Technischen Universität Berlin statt. Daran beteiligten sich mehr als 2 000 Autonome aus dem gesamten Bundesgebiet. Das Ziel der Organisatoren, eine Konsolidierungsphase der autonomen Bewegung einzuleiten, konnte nicht erreicht werden. Ober eine bloße "Bestandsaufnahme" kam der Kongreß nicht hinaus. 2 - Politischer Extremismus - 56 sich in der Szene gebildet, die eine Diskussion um die "Neukonstituierung der revolutionären Linken" vorantreiben wollen. Darüber hinaus gibt es Ansätze zur Erschaffung eines bundesweiten "legalen Daches" für das Zusammenwirken legaler und illegaler Gruppen. Am weitesten fortgeschritten sind diese Bemühungen im Spektrum der militanten autonomen Antifa-Bewegung. Wesentliches Ergebnis ist die Ende Juli 1992 in Wuppertal ins Leben gerufene "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO). Perspektivisch dürfte die AA/BO zunehmende Bedeutung erlangen. Der Organisationsansatz findet im Bereich der extremistischen Linken wachsendes Interesse; in dieser Antifa-Struktur vorhandene militante Tendenzen dürften noch zunehmen. 2.1.1.3 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Die RAF befindet sich seit 1992 in einem "politischen Neuorientierungsprozeß", dessen Ausgang noch offen ist. In mehreren seit April 1992 veröffentlichten Erklärungen propagiert die Kommandoebene ("Illegale") der RAF den Aufbau einer "(sozialen) Gegenmacht von unten" und versucht dabei, die "weitgehend gesellschaftlich isolierte (...) radikale Linke" auf ihre Ziele einzuschwören. Von staatlicher Seite wird gefordert, einen "politischen Raum aufzumachen". Als eigene Vorleistung für diese politische Lösung wurde die Rücknahme der Eskalation verkündet - zugleich aber die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes für den Fall angedroht, daß seitens des Staates "weiter auf Krieg gegen unten" gesetzt werde. Ein "wesentlicher Bestandteil" des Prozesses "von Diskussionen und Aufbau einer Gegenmacht von unten (ist der) Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen". Die hohe Wertigkeit dieses Themenkomplexes verdeutlichte die RAFKommandoebene mit ihrem Sprengstoffanschlag auf den noch nicht bezogenen Neubau der Justizvollzugsanstalt Darmstadt-Weiterstadt am 27. März 1993. Diese "neue Politik" ist umstritten. 2 - Politischer Extremismus - 57 Die teilweise öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen zwischen den Befürwortern einerseits und den Verfechtern der uneingeschränkten Fortsetzung des bewaffneten Kampfes ("hardliner") andererseits, führten Ende 1993 zum "Bruch" innerhalb des RAF-Gefüges. Auch 1994 blieb die RAF als Gesamtgefüge gespalten. Ihre Situation sowie die ihres Umfeldes und in Folge des gesamten linksterroristischen Gefährdungspotentials in der Bundesrepublik Deutschland ist anhaltend gekennzeichnet durch ein in dieser Form bisher nicht gekanntes Maß an partikularistischer, eigendynamischer und somit in starkem Maße unkontrollierbarer Bewegung. Die "Einheit der RAF" gibt es schon seit längerer Zeit nicht mehr. Ob der endgültige Bruch zwischen den "Illegalen" und den sog. hardlinern bzw. ihrer jeweiligen Anhängerschaft Realität wird, hängt von den Beteiligten ab. Gesten der Versöhnlichkeit gehen bis dato ausschließlich von den "Illegalen" aus. Am 6. März 1994 meldete sich die RAF-Kommandoebene erneut zu Wort. In einer 18seitigen Erklärung, die der Redaktion der Tageszeitung "Junge Welt" in Berlin zugestellt worden war, bestreitet die RAF u. a., daß der V-Mann Klaus STEINMETZ, der bei der Festnahmeaktion GRAMS/HOGEFELD in Bad Kleinen am 27. Juni 1993 beteiligt war, Mitglied der RAF und damit in die Kommandoebene der Organisation eingebunden gewesen sei. Gleichfalls in Abrede gestellt wird seine Beteiligung am Anschlag auf den Neubau der JVA Weiterstadt. Die Verfasser erklären ferner, an der Deeskalation festhalten zu wollen, bezeichnen die Spaltung des RAF-Gefüges als Folge jahrelanger, nicht aufgeklärter Widersprüche und gestehen ein, von ihrem Ziel, dem Aufbau einer "Gegenmacht von unten", weit entfernt zu sein; dies gelte ihrer Meinung nach auch für die Freilassungskampagne zugunsten der Inhaftierten der RAF. Am 18. März wurden auf Anordnung der Bundesanwaltschaft die Redaktionsräume der "Jungen Welt" in Berlin durchsucht, da der Verlag sich weigerte, das Original der RAF-Erklärung den Strafverfolgungsbehörden zu übergeben. 2 - Politischer Extremismus - 58 Der RAF-Kommandoebene und ihren Anhängern stehen die "hardliner"Gefangenen und ihre Gefolgschaft gegenüber. Dies sind Teile des RAFUmfeldes, (revitalisierte) Halblegale ("Kämpfende Einheiten") sowie "antiimperialistische Widerstandsgruppen". Die Ereignisse des Jahres 1994 verdeutlichen, daß die Befürworter der neuen "RAF-Politik" einerseits und die sog. hardliner-Fraktion andererseits bestrebt sind, ihre jeweilige Anhängerschaft zu mehren und zu mobilisieren. Darüber hinaus kann jedoch manche Formulierung der Kommandoebene (auch in ihrer Erklärung vom 6. März 1994) als fortgesetztes Bemühen um "Versöhnung" im Richtungsstreit interpretiert werden. Unabhängig davon versucht dieser Personenkreis weiterhin, seiner "neuen Politik" bei der "radikalen Linken" Geltung zu verschaffen und eine "emanzipatorische Bewegung" zu initiieren. Am 15. November 1994 wurde vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main das Hauptverfahren gegen Birgit HOGEFELD eröffnet, die am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen festgenommen worden war. Aus diesem Anlaß gab die Angeklagte eine "Prozeßerklärung" ab. Unter der Voraussetzung, daß diese Stellungnahme mit der Kommandoebene abgestimmt ist, besitzt diese Erklärung nach hiesiger Einschätzung eine neue Qualität. Sowohl die Wortwahl bei der Darstellung gewisser Einzelaspekte als auch der "aggressive Geist" der Erklärung als Ganzes lassen die Interpretation zu, die (zeitweilige) "Rücknahme der Eskalation" werde nunmehr als hinfällig erachtet. Zu den Strukturen der RAF ist zu bemerken, daß alle wesentlichen Entscheidungen von der seit Jahren auf etwa 15 bis 20 Personen geschätzten Kommandoebene der RAF gemeinsam getroffen werden. In Berlin sind in der Vergangenheit keine Angehörigen der Kommandoebene festgestellt worden - wie überhaupt bisher Berlin von Anschlägen dieser Gruppe verschont blieb. 2 - Politischer Extremismus - 59 2.1.1.3.1 RAF-Umfeld Dem Umfeld der RAF werden von den Sicherheitsbehörden diejenigen, in der Szene als "Antilmps" bezeichneten, Personen zugerechnet, die sich vollinhaltlich mit den Zielen der RAF identifizieren und sie politischpropagandistisch unterstützen. Dieser Personenkreis umfaßt in Berlin etwa 50 Personen. Einige davon müssen dem engeren RAF-Umfeld zugerechnet werden, da sie im Verdacht stehen, die RAF durch praktische Hilfeleistung zu unterstützen. Die Arbeit der Berliner RAF-Anhänger (Umfeld) ist beherrscht von den Diskussionen über die Auseinandersetzung innerhalb des RAF-Gefüges. Sie sind derzeit bemüht, neue Unterstützungsgruppen zu bilden bzw. bestehende Gruppen auszubauen. In diesem Zusammenhang greift das Berliner RAF-Umfeld auch wieder aktuelle Themen des übrigen linksextremistischen Spektrums, insbesondere der Autonomen, auf und unterstützt diese Themen. Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang, daß die Verhaftungen im "Mordfall Kaindl" auch ein wichtiges Thema für die Angehörigen des Berliner RAFUmfeldes darstellten. Unabhängig von dem Richtungsstreit rief das RAF-Umfeld bundesweit im Rahmen der Freilassungskampagne für Irmgard MÖLLER zu einem überregionalen "Aktionstag" für den 8. Juli 1994 auf. An diesem Tag im Jahre 1972 wurde Irmgard MÖLLER festgenommen und war seitdem inhaftiert. Ihrem 1992 gestellten Antrag auf vorzeitige Haftentlassung wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 1994 entsprochen (Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung). * In Berlin wurden anläßlich dieses "Aktionstages" von Angehörigen des hiesigen RAF-Umfeldes zwei Plakate auf der Brücke über die Adalbertstraße am Kottbusser Tor (Berlin-Kreuzberg) befestigt. Die Aktion wurde als Erfolg gewertet. Darüber hinaus fand am 9. September 1994 ein "unsichtbares Theater" am Alexanderplatz in Berlin-Mitte im Rahmen der "Aktionskette 'Freiheit für alle politischen Gefangenen'" ("Stafette") statt, an dem sich ca. 50 Personen beteiligten. Ziel dieser am 13. Mai 1994 in Mainz begonnenen Mobilisierungsmaßnahme ist es, "in den nächsten Monaten regelmäßig 2 - Politischer Extremismus - 60 am zweiten Freitag im Monat in die Städte (zu) gehen, in denen die Verantwortlichen für die Situation der Gefangenen sind." Die "Aktionskette" soll - wenn auch in teilweise veränderter Form - im Jahre 1995 fortgesetzt werden. Am 27. Juli 1994 traten die 12 "hardliner"-lnhaftierten in einen befristeten Hungerstreik. Diesem schloß sich am 28. Juli 1994 auch Birgit HOGEFELD an und setzte damit augenscheinlich ihre "Vermittlungsbemühungen" fort. Auch hierbei stand die angestrebte Freilassung von Irmgard MÖLLER im Mittelpunkt. Es wurden "alle" aufgefordert, "dafür zu kämpfen, daß sie jetzt freikommt". Am 3. August 1994 beendeten alle Beteiligten den Hungerstreik. In Berlin kam es zu folgenden begleitenden Aktivitäten des Umfeldes: 27. Juli Zeitweilige Besetzung des Konsistoriums der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg; ca. 15 Teilnehmer 29. Juli "Hungerstreik-W" im Mehringhof 31. Juli Während der SAT 1-Sendung "Talk im Turm" entrollten zwei Personen für ca. 30 Sekunden ein Transparent mit der Aufschrift "Freiheit für Irmgard MÖLLER". Ordnungspersonal verwies die Störer des Saales. 2. August Aufzug mit anschließender Kundgebung; ca. 300 Teilnehmer Am 18. Oktober 1994 fand in Berlin erneut eine Demonstration für die Freilassung von Irmgard MÖLLER statt, an der sich über 250 Personen - überwiegend Autonome und Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes - beteiligten. 2 - Politischer Extremismus - 61 2.1.1.4 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Die AIZ -vormals "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia SHEHADAH" (AIW) - ist Teil des Bedrohungskomplexes "antiimperialistische Widerstandsgruppen" und als solcher ein bereits "etablierter", "praktizierender" Personenzusammenhang. Seit 1992 hat diese Gruppe überregional zahlreiche objektbezogene Anschläge verübt. Das Selbstund Politikverständnis der AIZ wird besonders in ihren umfangreichen Positionspapieren vom 13. Dezember 1993, 8. Juli 1994 sowie von Anfang November 1994 deutlich. Hierbei wurde die Erklärung aus Dezember 1993 ausdrücklich "als Beitrag für die aktuelle Diskussion" bezeichnet. Ihre Aktionen der letzten drei Jahre will die Gruppe als "Teil einer Politik der militanten Orientierung" verstanden wissen. Hierbei sei es für sie wichtig, "daß vom Konzept Stadtguerilla (1971) und vom FrontPapier (1982) der Roten Armee Fraktion das, und nur das, übernommen wird, was jetzt in den 90ern Gebrauchswert hat. Das Festhalten dagegen an überholten Vorstellungen und Konzepten ist nicht unsere Sache. Unsere Politik zielt ab auf einen Entwicklungsprozeß antiimperialistischer Praxis, die getragen wird von unterschiedlichsten militanten/bewaffneten Zusammenhängen (...) das politisch Verbindende derer, die hier wirklich was wollen, sollte eine Strategie antiimperialistischer Politik sein, die sich im Kampfprozeß Schritt für Schritt herauskristallisiert und die in ausführlicher öffentlicher Diskussion formuliert wird." Bezüglich der RAF-Konzeptpunkte "Gegenmacht von unten" und "soziale Aneignungsprozesse" stellen die Verfasser fest: "Wir haben in den letzten zwölf Monaten diese beiden Begriffe wiederholt aufgegriffen. Weil sie Gebrauchswert für die Neubestimmung antiimperialistischer Politik von militanten bewaffneten Zusammenhängen in der BRD haben können." Die Wertigkeit der von der AIZ ausgehenden potentiellen Bedrohung auch im Hinblick auf personenbezogene Anschläge wird drastisch veran- 2 - Politischer Extremismus - 62 schaulicht durch Formulierungen wie "gezielte Angriffe auf einzelne Funktionsträger aus Politik und Wirtschaft (seien unverzichtbar), wenn der antiimperialistische Kampf in der BRD ein relevanter werden soll." Konkretisiert wird diese Aussage in dem jüngsten Positionspapier: "Unsere Politik wird dahin gehend orientiert sein, dort militant/bewaffnet anzugreifen, wo die BRD-Eliten ihre Arbeitsplätze bzw. ihre Wohnsitze haben." Im Jahre 1994 erklärte sich die Gruppe verantwortlich für zwei Sprengstoffanschläge (einer davon versucht): * Sprengstoffanschlag auf das Gebäude der Kreisgeschäftsstelle der CDU in Düsseldorf in der Nacht zum 5. Juni 1994, * versuchter Sprengstoffanschlag auf das Gebäude des Landesverbandes der F.D.P. in Bremen am Wochenende 24725. September 1994. In Berlin war die AIZ erkennbar bisher nicht aktiv. Jedoch könnte die Stadt ihrer künftigen funktionalen Konzentration wegen (Hauptstadt, Sitz des Bundestages und der Bundesregierung sowie "Metropole" schlechthin) einer erhöhten Anschlagsgefährdung - auch durch diesen Personenzusammenschluß bzw. mögliche Nachahmer - ausgesetzt sein. In den Aktivitäten der AIZ kann weiterhin ein Ansatz für eine Vernetzung der "Widerstandskomponenten" gesehen werden. Jedoch scheint die Gruppe mit dem Fortschritt ihrer Bemühungen um "einen militanten antiimperialistischen Aufbruch des Widerstandes in der BRD" unzufrieden. Sie strebt als Folge dieser Feststellung offensichtlich eine Zielgruppenerweiterung an. 2 - Politischer Extremismus - 63 2.1.1.5 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Die "Revolutionären Zellen" (RZ) stellen einen eigenständigen und unabhängigen Bestandteil im Bereich des deutschen linksextremistisch motivierten Terrorismus dar. Dem "bewaffneten Kampf", wie ihn die RAF aus der Illegalität führt, sprechen die RZ in aller Regel jegliche "Effizienz" ab. Anders als die Kommandoebene der RAF agieren die Kleingruppen der RZ nicht aus dem Untergrund, sondern verlassen ihren normalen Lebensrhythmus nur zur Durchführung von Aktionen ("Feierabendterrorismus"). Die Aufklärung von Aktionen der RZ stellt die Sicherheitsbehörden vor erhebliche Probleme, weil die den RZ eigene Strategie des "Feierabendterrorismus", die organisatorische Struktur selbständig operierender Zellen mit jeweils nur wenigen Mitgliedern und die thematische Breite der RZ (Aktionen gegen eine Vielzahl von Sachobjekten mit angeblicher Symbolfunktion erscheint vielen Sympathisanten plausibel) eine Eingrenzung des möglichen Täterbereichs außerordentlich erschwert. Daraus erklärt sich auch, daß die Aktivitäten der RZ offensichtlich weit mehr positive Resonanz als die der RAF im allgemeinen und unter Autonomen im besonderen finden. Mehr als die terroristischen Aktivitäten der RZ ist ihre Vorbildfunktion für ähnliche Aktionen anderer zur Gewaltausübung bereiter Gruppen und Personen zu fürchten. Insbesondere militante Autonome orientieren sich - offenbar häufig - am Handlungsmuster der RZ. Denjenigen, die einen Zusammenschluß nach dem Muster der RZ bilden wollen, bietet der "Feierabendterrorismus" der RZ günstigere Bedingungen als die Ideologie der RAF, die ein Abtauchen in die Illegalität beinhaltet. Obwohl in Berlin seit drei Jahren kein der RZ zuzurechnender Anschlag mehr zu verzeichnen war, wird weiterhin davon ausgegangen, daß es hier intakte "Revolutionäre Zellen" und ein großes Potential zur Bildung von sog. Resonanz-RZ gibt, die aus aktuellem Anlaß jederzeit aktiv werden können. 2 - Politischer Extremismus - Im Dezember 1993 trat nach über fünf Jahren die Frauengruppe in den RZ - die "Rote Zora" - mit einer 38seitigen Broschüre mit dem Titel "Milli's Tanz auf dem Eis" wieder in Erscheinung. Darin wird ein Einblick in den noch laufenden Klärungsprozeß gegeben, ohne die Sichtweise aller "Roten Zoras" zu repräsentieren. Da es in der Vergangenheit kaum personelle Kontinuität gegeben habe, sei eine Auseinandersetzung mit "FrauenLesben", die eine revolutionär-feministische Perspektive auf den unterschiedlichsten Ebenen umzusetzen in der Lage seien, erwünscht. Wie es weiter darin heißt, sei illegale militante Organisierung notwendig, um den Kampf in unversöhnlicher Gegnerinnenschaft zu diesem patriarchalen System zu bestehen; militante Politik müsse sich auch in der Praxis ausdrücken. Im Juni 1994 dokumentierte die "Rote Zora" ihr "Wieder da sein" mit einem Anschlag gegen eine westdeutsche Lebensmittelfirma, die Asylbewerberunterkünften Lebensmittel liefert. 2.1.1.6 Ausblick Auch 1994 blieb die RAF als Gesamtgefüge gespalten. Ob dieser Bruch dauerhaft wird, hängt von den Beteiligten ab. Bei unveränderten Rahmenbedingungen dürften die Kontrahenten weiterhin bestrebt sein, ihre jeweilige Anhängerschaft zu mehren und zu mobilisieren. Dies bedeutet für die RAF-Kommandoebene, daß sie nach wie vor versuchen wird, ihrer "neuen Politik" bei der "radikalen Linken" Geltung zu verschaffen und eine "emanzipatorische Bewegung" zu initiieren. Dieses Vorhaben könnte begünstigt werden durch verstärkt festzustellende Organisierungs-A/ernetzungsbemühungen innerhalb des linksextremistischen/-terroristischen Gefährdungspotentials. Die RAF-Kommandoebene dürfte - allen Theoriediskussionen zum Trotze - sehr wohl weiterhin in der Lage sein, "militärische Schläge" auszuteilen. Vorrangig erscheint diese Gefahr bezüglich der Interventionsfelder "Soziales" ("Das 'Soziale' ist der Kern der Revolution"), "Großdeutschland" ("Bestie Deutschland") und "Ausmerzverhältnis". Eine zumindest konzeptionell einende Linie verfolgt auch die AIZ. 2 - Politischer Extremismus - 65 Inwieweit diese (im Ansatz) "Konkurrenz" zur RAF, diebis dato spärliche - Resonanz auf ihre Anschläge und Positionspapiere zu verstärken vermag, ist derzeit nicht zu beurteilen. Es ist jedenfalls davon auszugehen, daß diese Gruppe in ihren Anschlagsbemühungen nicht nachlassen wird - im Gegenteil: Sie wird wohl danach trachten, diese quantitativ und "qualitativ" zu steigern. Ob es - über die grundsätzliche Akzeptanz der zentralen RAFKonzeptpunkte "Gegenmacht von unten" und "soziale Aneignungsprozesse" - zu einer gewissen (tendenziellen) Annäherung zwischen AIZ und RAF(-Kommandoebene) kommen kann, bleibt abzuwarten. Bezüglich letzterer ist ungewiß, ob in der "Prozeßerklärung" der Birgit HOGEFELD tatsächlich ein Richtungsschwenk und somit eine Gefährdungserhöhung zu sehen ist. 2.1.2 Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen 2.1.2.1 Vorbemerkung Neben den gewaltorientierten linksextremistisch motivierten Gruppen und einer Reihe relativ unbedeutender Zirkel und Zusammenschlüsse (etwa 100 Angehörige), die eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" anstreben, versuchen auch andere linksextremistische Organisationen, Parteien und Zusammenschlüsse, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland auf revolutionärem Weg zu beseitigen. Dazu zählen marxistisch-leninistische Bünde und Parteien inklusive traditionell kommunistische Organisationen sowie trotzkistische Vereinigungen. Den einerseits aus der kommunistischen Weltbewegung unter ideologischer Hegemonie der ehemaligen KPdSU entstandenen Parteien und Gruppen und den andererseits in der Studentenbewegung der 60er Jahre wurzelnden Organisationen ist gemeinsam, daß sie den Klassenkampf und die proletarische Revolution propagieren sowie eine kommunistische 2 - Politischer Extremismus - 66 Diktatur errichten wollen. Dabei sind sie z. T. auch bereit, Gewalt zur Durchsetzung dieses politischen Ziels anzuwenden, sobald die Situation dies ihrer Meinung nach zuläßt. Die traditionellen "orthodoxen" Kommunisten und ihre auch in Berlin (ca. 150 Mitglieder) aktiven Parteien "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) - Sitz Berlin - versuchen, nach dem Zusammenbruch der "sozialistischen Staatengemeinschaft" in Osteuropa einen zweiten Anlauf des Sozialismus zu rechtfertigen. Sie wehren sich dabei am entschiedensten gegen die Ablehnung der Sowjetunion stalinistischer Prägung und behaupten weiterhin, es hätte ohne die Anwendung stalinistischer Methoden weder eine Großmacht UdSSR mit starker Industrie noch den sowjetischen Sieg im zweiten Weltkrieg gegeben. Für sie und eine Vielzahl der früher im allgemeinen Sprachgebrauch als "K-Gruppen" bezeichneten Organisationen spielt die positive Auseinandersetzung mit dem "Stalinismus" eine wesentliche Rolle, allerdings wird der Begriff auf die verschiedensten Arten ausgelegt. Die in Berlin (ca. 500 Angehörige) vertretenen marxistisch-leninistischen Bünde und Parteien wie "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB), "Gruppe K", verbliebene Splittergruppen der 1968 gegründeten "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/M-L), die alle (derzeit drei mit Sitz in Berlin, Gelsenkirchen und Stuttgart) den Namen "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) für sich beanspruchen, "Rote Hilfe e. V." (RH) und "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP), sind überwiegend bundesweit aktiv, insbesondere durch die regelmäßige Herausgabe von Publikationen. Die trotzkistischen Organisationen hingegen lehnen den "Stalinismus" grundsätzlich ab und fühlen sich durch den "Untergang der sozialistischen Diktaturen" in ihrer Haltung bestätigt. In Berlin waren 1994 insgesamt acht, zusammen über etwa 200 Mitglieder verfügende, trotzkistische Parteien und Gruppen aktiv, die sich als deutsche Sektionen internationaler Dachverbände verstehen: 2 - Politischer Extremismus - 67 Der "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA), die "Gruppe Avanti" (löste sich im Oktober 1994 auf), die "Gruppe Spartakus" (GS) (löste sich im Oktober 1994 auf) und die "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) mit ihrer Tarnorganisation "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) traten bei Großveranstaltungen lediglich mit Flugschriftenaktionen in Erscheinung. Bei eigenen Veranstaltungen blieben sie überwiegend isoliert, da sie verschiedenen - auch untereinander verfeindeten - Dachverbänden des internationalen Trotzkismus angehören. Angesichts seiner Zersplitterung und seiner geringen Anhängerzahl - bundesweit etwa 1 500 Personen in über einem Dutzend Parteien - stellt der organisierte deutsche Trotzkismus z. Z. keine ernsthafte Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung dar. Wegen der Vielzahl der marxistisch-leninistischen und sonstigen revolutionär-marxistischen Zusammenschlüsse wird nachfolgend nur eine Auswahl der in Berlin aktivsten Parteien/Gruppen näher dargestellt (in alphabetischer Reihenfolge). 2.1.2.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der BWK, 1980 aus einer Spaltung des damaligen "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) hervorgegangen, propagiert weiterhin die "proletarische Revolution". Wegen der geringen Mitgliederzahl (bundesweit nicht mehr als 300, in Berlin unter 20 Personen) beschränkt sich der BWK jedoch seit Jahren überwiegend auf publizistische Aktivitäten. Einige Landesverbände des BWK haben ihre Eigenständigkeit aufgegeben und arbeiten als "Arbeitsgemeinschaft" in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) mit. Schon seit der 11. ordentlichen BWK-Bundesdelegiertenkonferenz im März 1991 sieht sich die Organisation verpflichtet, in Berlin nur nach Abstimmung mit der PDS tätig zu werden. Unter Hinweis darauf, daß kommunistische Politik heute im Bündnis von Organisationen, Vereinigungen etc. betrieben werden muß, versuchte der BWK auch 1994 im Westteil Berlins, zusammen mit seiner Bündnisorganisation "Volksfront gegen 2 - Politischer Extremismus 68 Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT) und der PDS über monatliche Diskussionsveranstaltungen eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Bemühungen des BWK, bei gleichzeitiger Anlehnung an die PDS seine Strukturen zu erhalten, dienen offensichtlich auch dem Zweck, die Kontrolle über die Verlagsuntemehmen "Gesellschaften für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung mbH" (GNN) beizubehalten. In letzter Zeit werden jedoch zunehmend Verflechtungen der GNN-Verlage mit der PDS deutlich. In Berlin unterhält der GNN-Verlag seit September 1994 eine Bürogemeinschaft mit der PDS-Basisorganisation Kreuzberg, Dieffenbachstraße 33 (Berlin-Kreuzberg). 2.1.2.3 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Trotz des Fortbestehens des 1956 vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Verbots der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) wurde am 25. September 1968 die Neukonstituierung einer legalen kommunistischen Partei, der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) verkündet. Der lange Jahre DDR-getreuen DKP, die nach eigenen Angaben bis in die 80er Jahre 50 000 Mitglieder hatte, gehören heute noch rund 5 000, in Berlin über 100 Personen an. Der Aufbau einer Parteiorganisation in Berlin - die DKP hatte bis dahin aufgrund der früheren östlichen Drei-Staaten-Theorie Berlin (West) ausgespart - begann 1990 auf Initiative von ehemaligen Mitgliedern der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) bzw. ihrer Nachfolgeorganisation "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) und der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW) bzw. ihrer Nachfolgeorganisation "Sozialistische Initiative" (Sl). Am 20. November 1991 wurde die DKP Bezirksorganisation (BO) "Berlin-Brandenburg" gegründet, die bereits im Juni 1993 aufgrund interner Auseinandersetzungen vom DKP-Parteivorstand formal wieder aufgelöst wurde. Derzeit besteht die DKP in Berlin und Brandenburg aus der BO "BerlinOst" mit der Grundorganisation "Berlin-Hellersdorf" und der BO "BerlinWest" ("Berlin-Brandenburg") mit den Kreisorganisationen "Berlin-Nord", 2 - Politischer Extremismus - 69 "Berlin-Süd" und "Oder-Spree" sowie den Grundorganisationen "Reichsbahn" und "Gesundheitsgruppe". In Berlin nutzt die DKP Einrichtungen der PDS für ihre Veranstaltungen. Im Vorfeld der Wahlen zum Deutschen Bundestag am 16. Oktober 1994 unterstützte die DKP in einigen Berliner Bezirken die PDS durch Beteiligung an deren Informationsständen. Mitglieder der DKP unterhielten 1994 enge Verbindungen zu Angehörigen der "Kommunistischen Plattform" der PDS und der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD - Sitz Berlin) und veranstalteten im wesentlichen parteiinterne Treffen, ohne größere Wirkung in der Öffentlichkeit zu erzielen. 2.1.2.4 "Kommunistische Plattform" (KPF) Die "Kommunistische Plattform" (KPF) wurde am 30. Dezember 1989 von Kommunisten innerhalb der umbenannten SED, der damaligen SEDPDS (seit 16./17. Dezember 1989) und späteren PDS (seit 24725. Februar 1990), als eigenständiger Zusammenschluß gegründet. Gesicherte Erkenntnisse über die Zahl der Mitglieder der KPF liegen nicht vor. Angaben verschiedener führender PDS/KPF-Funktionäre zufolge werden der KPF der PDS etwa 5 000 Mitglieder zugerechnet. Charakteristikum der KPF ist ihr unbedingtes Festhalten am MarxismusLeninismus. Sie arbeitet gezielt darauf hin, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung zu beseitigen und an ihrer Stelle im Wege "revolutionärer Transformationen" eine klassenlose kommunistische Gesellschaft zu errichten. 2.1.2.5 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD - Sitz Berlin) Die am 31. Januar 1990 hoch in der damaligen DDR gegründete KPD will an das Jahr 1946 anknüpfen, in dem aus dem Zusammenschluß von KPD und SPD in der damaligen Ostzone die SED entstanden ist. Mit der 2 - Politischer Extremismus - 70 Begründung "wir verstehen uns wieder als selbständige KPD" will sie die ehemaligen SED-Mitglieder, "die treu zu ihren kommunistischen Idealen stehen" in der KPD vereinen, da dje SED-Nachfolgeorganisation PDS "keine politische Kampfheimat für Kommunisten mehr ist und auch nicht mehr sein wird." Die KPD, die auf die "Revolution des Volkes und die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft" hinwirken will, und der bundesweit ca. 200, in Berlin ca. 40 Mitglieder angehören, bemüht sich um den Aufbau einer einheitlichen kommunistischen Partei. In Berlin kandidierte die Partei bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag am 16. Oktober 1994 im Wahlkreisverband Lichtenberg/Friedrichshain ohne nennenswerten Erfolg. 2.1.2.6 "Marxistische Gruppe" (MG) Nachdem die MG im Mai 1991 unter Hinweis auf den staatlichen "Verfolgungswahn" ihren Beschluß zur Selbstauflösung bekanntgegeben hatte, stellte sie vorübergehend alle öffentlichen Aktivitäten ein, wahrte aber intern weiterhin ihren Zusammenhalt. Seit März 1992 vertreibt die MG, der wie bereits zum Zeitpunkt ihrer Auflösung bundesweit etwa 10 000 Mitglieder zugerechnet werden (in Berlin mit einer Funktionärsgruppe vertreten), die "Politische Vierteljahresschrift GEGENSTANDPUNKT". Auch 1994 setzte sie ungeachtet ihrer "Auflösung" mit "GEGENSTANDPUNKTe-Diskussisonsgruppen" u. a. in Berlin ihre politische Arbeit fort. Als revolutionär-marxistischer Zusammenschluß propagiert die MG bei partieller Anlehnung an die ideologischen Klassiker des Linksextremismus und unter Berufung auf eigene Erkenntnismethoden zur Analyse der Wirklichkeit die gewaltsame Zerschlagung der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Grundgesetzes zugunsten einer kommunistischen Gesellschaftsform. Ihre Arbeitsweise zeugt von Eigenschaften eines sektiererischen Geheimbundes. 2 - Politischer Extremismus - 71 2.1.2.7 "Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 gegründete MLPD ist bundesweit mit etwa 2 000 Mitgliedern (in Berlin über 100) eine der größeren Organisationen innerhalb der revolutionär-marxistischen Bewegung. Sie fordert weiterhin den "Aufbau des echten Sozialismus" und beruft sich dabei auf die Lehren von MARX, ENGELS, LENIN, STALIN und insbesondere Mao ZEDONG. Auch 1994 gelang es der MLPD nicht, sich aus ihrer politischen Isolation zu lösen. Versuche, für die 1994 durchgeführten Wahlen Bündnisse u. a. mit der PDS einzugehen, scheiterten; die PDS lehnt die MLPD als "sektiererische Organisation" ab. Mit Aktionsgruppen der Kampagne "Arbeitsplätze für Millionen" sowie der Bildung von Initiativgruppen zum Aufbau der MLPD bzw. einer breiten Wahlhelferbewegung ("Wählerinitiativen") versuchte die MLPD neue Organisationsformen für eine "neue Opposition" zu bilden. Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag am 16. Oktober 1994 kandidierte die MLPD in Berlin mit einer "offenen Liste" und errang 320 Erstund 518 Zweitstimmen. Die MLPD verfügt seit Ende 1993 in Berlin mit dem "Treff Neuer Weg" über einen eigenen Veranstaltungsort. Der "Treff" in Neukölln, Reuterstraße 15, soll "Anziehungspunkt für die Werktätigen und Anlaufstelle für die MLPD" sein. Auch der Jugendverband "REBELL" ist im Raum Berlin-Brandenburg mit seinen Ortsgruppen Berlin-Neukölln und -Treptow sowie Potsdam 1994 offensiv in Erscheinung getreten. 2.1.2.8 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Aktivitäten der seit 1991 als "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) auftretenden Anhänger der peruanischen Terrororganisation "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad), wurden 1994 kaum registriert. Die RK, die bundesweit über ca. 100 Anhänger verfügen, ordnen sich dem von der "Kommunistischen Partei Perus" (PCP) geführten internationalen Dachverband "Revolutionär/ Internationalist Movement" (RIM, 2 - Politischer Extremismus - 72 Sitz: London) unter, der sich ideologisch an MARX, ENGELS, LENIN und Mao ZEDONG orientiert und dabei insbesondere Maos Konzept des "Revolutionären Volkskrieges" herausstellt. Hatten die RK, die den bewaffneten Kampf gegen Staat und Gesellschaft auch in Deutschland fordern, Anfang 1993 noch massiv mit Flugschriftenaktionen für ihre Ziele, u. a. "Revolution hier und überall auf der Welt" und die Freilassung des seit September 1992 inhaftierten und zu lebenslanger Haft verurteilten PCP-Anführers Abimael GUZMAN geworben, kam es 1994 nur noch zu vereinzelten Teilnahmen an Kundgebungen bzw. zu sporadischen Flugblattaktionen. Auch führten sie am 1. Mai eine "revolutionäre Mai-Demonstration" durch. 2.1.2.9 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Die SAG, deutsche Sektion der trotzkistischen "Internationalen Sozialisten" (IS), erstrebt über Betriebsund Gewerkschaftsarbeit den Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei. Sie konnte sich 1994 bundesweit auf ca. 250, in Berlin ca. 40 Mitglieder, stützen. Wie ihre britische Schwesterorganisation, die "Socialist Workers Party" (SWP), die eine "Anti-Nazi-League" unterhält, sieht die SAG ihren Schwerpunkt im "antifaschistischen Kampf. 1994 gelang es ihr, in Berlin ein "Anti-Nazi-Bündnis-Berlin" zu bilden, das angeblich von einem "breiten Spektrum" getragen wurde. Neben anderen waren die PDS und die der autonomen Szene zuzurechnenden "Edelweiß-Piraten" beteiligt. Das "Bündnis" kam jedoch über gelegentliche Demonstrationen nicht hinaus. 2.1.2.10 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die bereits am 4.15. Mai 1968 gegründete SDAJ, mit zeitweise über 15 000 Mitgliedern in den alten Bundesländern, bildete erst Anfang 1991 einen Landesverband "Berlin/Brandenburg". Der Landesverband verfügt über etwa 30 Mitglieder, die teilweise auch in der DKP organisiert sind. 2 - Politischer Extremismus - 73 Die SDAJ ist Mitglied des "Weltbundes der demokratischen Jugend" (WBDJ), einer internationalen Vereinigung von Jugendorganisationen "demokratisch-antiimperialistischen Charakters". Der WBDJ wurde 1945 als KPdSU-gesteuerte Frontorganisation gegründet, sein Sitz ist Budapest. Die SDAJ, eine traditionelle Bündnisorganisation der DKP, beruft sich auf die wissenschaftliche Weltanschauung von MARX, ENGELS und LENIN. Um ihre "sozialistische Zielsetzung" zu erreichen, hält die SDAJ die Existenz einer kommunistischen Partei oder zumindest kommunistischer Strukturen für notwendig. Aus ihrem Selbstverständnis als revolutionäre sozialistische Arbeiterjugendorganisation heraus befürwortet die SDAJ auch weiterhin gewaltsame Formen des politischen Kampfes. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Autonomen und zur Akzeptanz militanter Aktionsformen - insbesondere im Aktionsfeld "Antifaschismus" - hat zugenommen und wurde 1994 z. T. auch in die Praxis umgesetzt. U. a. beteiligte sich die SDAJ an einer von den autonomen "Edelweiß-Piraten" in Berlin initiierten Kampagne "Stoppt Nazi-Zeitungen". 2.1.2.11 "Spartakist - Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) Bei der SpAD, deutsche Sektion der trotzkistischen "Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)" (IKL), die bundesweit über ca. 120, in Berlin ca. 100 Mitglieder verfügt, stagniert die Anhängerschaft. Die SpAD verteidigt weiterhin den "realen Sozialismus" - einschl. stalinistischer Erscheinungen - und isoliert sich damit selbst gegenüber anderen marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Organisationen. Ihre in Berlin regelmäßig durchgeführten Veranstaltungen fanden im Jahre 1994 kaum noch Zuspruch. Mit ihrer Tarnorganisation "Komitee für soziale Verteidigung" (KfsV) engagiert sich die SpAD weiterhin für "verfolgte" Repräsentanten des ehemaligen SED-Regimes, v. a. in Form von Protestkundgebungen. 2 - Politischer Extremismus - 74 2.1.2.12 Ausblick Die Situation aller marxistisch-leninistischen und sonstigen revolutionärmarxistischen Zusammenschlüsse blieb auch 1994 überwiegend - von einigen Ausnahmen abgesehen - von Stagnation geprägt. Die Organisationen agierten weitestgehend unabhängig voneinander. Die Gründung einer einheitlichen kommunistischen Partei, lange Zeit diskutiert, spielt keine Rolle mehr. Die Bemühungen der traditionelle! Marxisten-Leninisten, Stalinisten, Maoisten und Trotzkisten, Einfluß auf Aktivitäten zu aktuellen Anlässen zu nehmen, führten 1994 trotz ihrer relativ großen Anhängerschaft - zumindest in Berlin - ebenfalls nicht zum Erfolg und machten ihre Isolation innerhalb des linksextremistischen Lagers deutlich. V. a. die Autonomen, mit ca. 1 200 Personen das größte linksextremistische Potential in Berlin, lehnen eine Zusammenarbeit mit diesen "stalinistischen Politsekten" nach wie vor ab, weil durch sie "autonome Diskussionen" verhindert würden. Wegen des Dogmatismus der marxistisch-leninistischen und sonstigen revolutionär-marxistischen Gruppierungen ist es auch nicht absehbar, ob diese in absehbarer Zeit größeren Zulauf zu verzeichnen haben. Trotz ihres erheblichen publizistischen Aufwands dürften sie auch weiterhin keinen ernstzunehmenden Einfluß auf die politische Landschaft in Berlin und anderen Teilen Deutschlands nehmen. 2.1.3 Sonderthema: Terroristische Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" Vorbemerkung Seit der Wiedervereinigung der Stadt und nach der Entscheidung des Deutschen Bundestages für Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz führen autonome Personenzusammenhänge eine gewalttätige Kampagne gegen die mit dem "Hauptstadtbeschluß" verbundenen zahlreichen "Umstrukturierungsmaßnahmen" in der Stadt durch. 2 - Politischer Extremismus - 75 Die von verschiedenen autonomen Gruppen initiierten gewalttätigen Aktionen richten sich insbesondere gegen bauliche Großprojekte und sog. Luxusmodernisierungen. Hintergrund ist die Befürchtung, durch die daraus folgenden Mietsteigerungen für Wohnungen und Gewerberäume aus ihren Kiezen, insbesondere in Kreuzberg und Friedrichshain, im Innenstadtbereich verdrängt zu werden. Diese Bezirke sind nach der Wiedervereinigung Berlins aus vormaliger "Randlage" wieder zu Innenstadtbezirken geworden und stehen somit im besonderen Interesse des von ihnen angefeindeten "Kapitals". Ziele ihrer Aktionen, insbesondere Brandanschläge und Sachbeschädigungen waren v. a. Firmen, die sie mit der Umstrukturierung in Zusammenhang brachten, sich in ihrem Kiez ansiedelnde kapitalkräftige Großunternehmen sowie Lokale mit gehobenem gastronomischen Niveau, die sie als "Schicki-Micki-Läden" diffamierten. Eine der vielen autonomen Gruppen, die sich mit dem Thema Umstrukturierung beschäftigen, ist eine Gruppierung, die ihre Taterklärungen mit dem Slogan "KLASSE GEGEN KLASSE" unterzeichnet. Selbstverständnis / Ziele / Aktivitäten Bei der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" handelt es sich um einen Personenoder Gruppenzusammenschluß, der sich seit Mitte 1992 dem "Stadtteilkampf vorwiegend in dem Berliner Bezirk Kreuzberg gegen die Umstrukturierung verschrieben hat. Aber auch außerhalb Kreuzbergs, z. B. in Neukölln und Zehlendorf, sind Anschläge von "KLASSE GEGEN KLASSE" zu verzeichnen. Die Angehörigen von "KLASSE GEGEN KLASSE" rekrutieren sich aller Wahrscheinlichkeit aus der Berliner autonomen Szene, wollen sich jedoch von dieser abgrenzen, indem sie in ihren Veröffentlichungen marxistisch-leninistisches Vokabular benutzen und sich so einen revolutionärmarxistischen Anstrich geben. 2 - Politischer.Extremismus - 76 Da dieser Personenzusammenhang seinen "Stadtteilkampf' mit Hilfe von Anschlägen auf das Eigentum anderer Menschen, bei denen teilweise auch Gefahr für Leib und Leben besteht, insbesondere durch schwerste Straftaten (Brandsätze, Herbeiführen einer Explosion durch Sprengstoff), wie sie in SS 129a Absatz 1 des Strafgesetzbuches genannt sind, führt, wird die Gruppierung von den Sicherheitsbehörden als terroristische Vereinigung eingestuft. Ziel der Aktionen von "KLASSE GEGEN KLASSE" ist einerseits die sog. neue Mittelschicht, die - teilweise aus linken Strukturen (wie ehemalige Hausbesetzer) gewachsen - sich in ihren Augen in den Kiezen von Kreuzberg und Neukölln breit gemacht habe (als Besitzer von "SchickiMicki-Läden" und Bewohner von Dachgeschoßwohnungen) und zum stabilisierenden Faktor der Umstrukturierung geworden sei und andererseits von ihnen für Umstrukturierungsmaßnahmen und Spekulationsgeschäfte verantwortlich gemachte Personen (Bezirkspolitiker, Architekten, Immobilienmakler). "KLASSE GEGEN KLASSE" findet deshalb bei denjenigen Berliner autonomen Zusammenhängen keine uneingeschränkte Zustimmung, die sich z. B. in Kreuzberg etabliert haben. In Beiträgen in der autonomen Szenepublikation "INTERIM" wurde "KLASSE GEGEN KLASSE" in der Vergangenheit z. T. heftig kritisiert. Seit Mitte 1992 wurden insgesamt 33 Brandanschläge, fünf Sprengstoffanschläge, drei versuchte Brandanschläge, fünf sonstige Straftaten sowie 41 Bedrohungen (Nötigung/Beleidigung) verübt, die von den Sicherheitsbehörden der Gruppierung "KLASSE GEGEN KLASSE" zugeordnet werden. Betroffen davon war insbesondere das Eigentum von Bezirkspolitikern aus Kreuzberg und Neukölln, von in Kreuzberg tätigen Architekten sowie ein sog. Schicki-Micki-Restaurant, ein Spezialitätengeschäft sowie eine Autofirma in Kreuzberg. Darüber hinaus versandte die Gruppe im Juni und Juli 1993 Drohschreiben an Dachgeschoßbewohner und Geschäftsinhaber in Kreuzberg, in denen die Betroffenen u. a. als "Nutznießer der Umstrukturierungsmaßnahmen" diffamiert und in äußerst aggressivem Sprachstil aufgefordert wurden, den Bezirk zu verlassen. 2 - Politischer Extremismus - 77 Im Herbst 1993 erreichten die Anschlagsaktivitäten der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" ihren bisherigen qualitativen Höhepunkt. So wurde am 18. Oktober 1993 eine Handgranate osteuropäischer Herkunft durch die Schaufensterscheibe des Lokals "Auerbach" in Berlin-Kreuzberg geworfen. Durch die Explosion entstand ein Sachschaden von etwa 100 000 DM. Am 21. Oktober 1993 brachte "KLASSE GEGEN KLASSE" an einem Gitter vor der Schaufensterscheibe des Spezialitätengeschäftes "Alimentari & Vini" einen Sprengsatz in Form einer Taschenlampe mit einem externen Zünder an. Durch die Explosion wurde die Schaufensterscheibe zerstört. Am 19. November 1993 brachten Angehörige von "KLASSE GEGEN KLASSE" auf den Terrassen von zwei Einfamilienhäusern im Bezirk Zehlendorf selbstgebaute Sprengsätze zur Explosion. Es entstand hoher Sachschaden. Beide Häuser werden von Personen bewohnt, die in verantwortlicher Position unmittelbar mit Baumaßnahmen in Kreuzberg zu tun haben. Etwa zur gleichen Zeit setzten linksextremistische Gewalttäter in unmittelbarer Nähe der Tatorte in Zehlendorf Personenkraftwagen der Luxusklasse in Brand. Die Besitzer dieser Personenkraftwagen sind teilweise ebenfalls in Baumaßnahmen in Kreuzberg involviert. Von November 1993 bis Mai 1994 konnten keine Anschlagsaktivitäten von "KLASSE GEGEN KLASSE" verzeichnet werden. Dies ist insbesondere auf den hohen Fahndungsdruck der Berliner Polizei zurückzuführen, die insbesondere in den Bezirken Kreuzberg und Neukölln durch hohe Präsenz und andere Sicherheitsmaßnahmen die Aktionen von "KLASSE GEGEN KLASSE" eindämmen konnte. Anfang März 1994 gingen dem Bezirksbürgermeister von Berlin-Kreuzberg (Original), den Tageszeitungen "Neues Deutschland" und "Berliner Zeitung" sowie dem Leiter des Stadtplanungsamtes Berlin-Kreuzberg (Kopien) eine zwölfseitige Schrift der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" mit dem Titel "2 JAHRE Klasse gegen Klasse" zu. Die Schrift enthält in Form eines Interviews Stellungnahmen zum theoretischen Hintergrund der Gruppe, zu ihrem Verhältnis der "linken" Szene 2 - Politischer Extremismus - 78 gegenüber sowie zu ihren bisherigen Gewalttaten und der damit erzielten Wirkung. Als Anhang der Broschüre ist auf fünf Seiten mit Zeichnung eine detaillierte Anleitung zum Bau eines Brandsatzes beigefügt. In der Broschüre bezeichnen sich die Angehörigen von "KLASSE GEGEN KLASSE" als "Proletarierinnen", die "die zugespitzte kapitalistische Krise am eigenen Leibe erfahren" hätten. Zu ihrer Klasse zählen sie diejenigen, denen "nach den Gesetzen der kapitalistischen Unordnung keine gesellschaftliche Macht zukommt, die andererseits aber die kapitalistische Krise ausbaden müssen". Sie lehnen insbesondere die Angehörigen der Mittelund Oberschicht ab, die sie als "Hauptnutznießer und organisatorische wie ideologische Stütze und Träger dieses ScheißSystems" bezeichnen. Zu diesem Personenkreis zählen sie auch "Sozialarbeiterinnen, Lehrerinnen oder Gewerkschaftsfunktionärinnen". Als Ziel ihrer Aktionen definiert "KLASSE GEGEN KLASSE" zum einen den direkten Angriff auf die für die "Umstrukturierung" Verantwortlichen sowie hiervon Profitierende und zum anderen den Versuch, Sympathisanten, insbesondere Jugendliche, zu weiteren Sachbeschädigungen zu mobilisieren und so die durch "KLASSE GEGEN KLASSE" in Gang gebrachte Verunsicherung weiter zu schüren. Die Gruppe grenzt sich in der Broschüre bewußt von der übrigen "linken" Szene ab. Diese hält sie für "mittelschichtdominiert". Viele dieser "Linken" hätten die Möglichkeit, "nach ein paar wilden 'autonomen'Jahren wieder in ihre Klasse zurückzukehren oder sich als sogenannte Alternativszene in die gemütliche Nische zurückzuziehen". In der Bewertung ihrer bisherigen Aktionen kommt die Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" in der Broschüre zu folgendem Ergebnis: "Zwei Jahre KGK haben dazu geführt, daß die Vertreibungspläne für unsere Klasse in Kreuzberg zwar nicht gestoppt sind, sich aber das Umstrukturierungsklima zum Nachteil der Spekulantinnen und ihrer Handlangerinnen deutlich verschlechtert hat. Es ist zwar noch kein Großprojekt von uns blockiert worden, aber beispielsweise sind die Gästezahlen von Nobelrestaurants deutlich zurückgegangen, Dachgeschoßund andere Luxuswohnungen sind in 2 - Politischer Extremismus - 79 Kreuzberg derzeit besonders schwer zu vermieten. Der ehemalige 'In'-Bezirk Kreuzberg ist zum Angst-Bezirk für das gehobenere Mittelund Oberschichtpack geworden." Zu ihren Zukunftsplänen führt "KLASSE GEGEN KLASSE" folgendes in der Schrift aus: "Wir werden unserer bisherigen politischen Ausrichtung treu bleiben. Das bedeutet v. a., daß wir für die Herrschenden und ihre Handlangerinnen weiterhin unkalkulierbar bleiben. Auf der anderen Seite die Berechenbarkeit für unsere Klasse, daß wir unsere gemeinsamen Interessen entschlossen angehen. Wir wollen Schluß machen mit der Selbstunterdrückung, dem Sklavenbewußtsein und dem jeder gegen jeden unter uns. Unseren Unmut, unsere Wut und unserem Haß in die einzige richtige Richtung lenken: Gegen die herrschende Klasse und ihre Helfershelfer!" Nach gut einem halben Jahr Anschlagspause wurden ab Mitte 1994 bis zum Jahresende elf Brandanschläge sowie ein Sprengstoffanschlag verübt, zu denen sich "KLASSE GEGEN KLASSE" in Taterklärungen, die zum einen an die Betroffenen selbst gerichtet waren und zum anderen an die Presse gingen bzw. in dem klandestin herausgegebenen autonomen Szeneblatt "INTERIM" veröffentlicht wurden, bekannte. In diesen Tatbekennungen erweckte die Gruppe den Eindruck, daß es inzwischen mehrere, z. T. evtl. sogar unabhängig voneinander operierende Gruppen gäbe, die jedoch unter der Führung von "KLASSE GEGEN KLASSE" stünden, so daß die von der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" in der Broschüre aufgestellten Thesen auf fruchtbaren Boden gefallen seien. Ausblick Die unter dem Begriff "KLASSE GEGEN KLASSE" firmierenden linksextremistischen Gewalttäter haben ihre Anschlagsaktivitäten Mitte 1994 wieder aufgenommen. Sie konnten sich somit auf den hohen Fahndungsdruck der Polizei einstellen. Sie haben vermutlich einen Weg gefunden, weitgehend risikolos ihre Anschlagstätigkeit weiterzuführen und - ohne ihr Ziel, die sog. Mittelschicht aus den Augen zu verlieren - durch 2 - Politischer Extremismus - 80 die Wahl der Anschlagsziele, der Tatmittel und -ausführung sowie den Inhalt der Tatbekennungen in größerem Umfang als bisher Rückhalt in der autonomen Szene und bei den durch die von ihnen bekämpften Umstrukturierungsmaßnahmen Betroffenen, den sog. Marginalisierten, zu finden. Die "Umstrukturierung" Berlins nimmt auch 1995 innerhalb der Berliner autonomen Szene einen Agitationsschwerpunkt ein. Auch die unter dem Begriff "KLASSE GEGEN KLASSE" handelnden Personen bzw. Gruppen werden ihre Anschlagsaktivitäten im neuen Jahr fortsetzen. Ziele dürften weiterhin Kraftfahrzeuge der Luxusklasse sowie Eigentum von Personen sein, denen leitende Funktionen bei sog. Umstrukturierungsmaßnahmen und Spekulationsgeschäften zugeschrieben werden. Mit direkten Angriffen auf Personen (Körperverletzungen, Totschlag, Mord) ist jedoch aufgrund der bisherigen Tatausführungen und eigener Bekundungen nicht zu rechnen. Die Aufklärung der Anschlagsaktivitäten von "KLASSE GEGEN KLASSE" stellt die Sicherheitsbehörden trotz umfassender Fahndungsmaßnahmen vor erhebliche Probleme. Ursächlich hierfür ist die von den terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) übernommene Strategie des "Feierabendterrorismus". Anders als die terroristische "Rote Armee Fraktion" agieren die Angehörigen von "KLASSE GEGEN KLASSE" - wie die Kleingruppen der RZ - nicht aus dem Untergrund, sondern verlassen ihren normalen Lebensrhythmus nur zur Durchführung von Anschlägen. Die organisatorische Struktur selbständig operierender Zellen mit jeweils nur wenigen Mitgliedern und die thematische Breite (Aktionen gegen eine Vielzahl von Sachobjekten mit Symbolfunktion) erschwert eine Eingrenzung des möglichen Täterbereichs außerordentlich. 2 - Politischer Extremismus - 81 Straftaten, zu denen sich die Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" bekannt hat bzw. die von den Sicherheitsbehörden der Gruppe zugeordnet werden in den Jahren 1992 -1994 1992 1993 1994 Gesamtzahl der Straftaten 21 51 15 Brandanschläge 16 6 11 versuchte Brandanschläge 2 0 1 Sprengstoffanschläge 0 4 1 sonstige Straftaten 3 1 1 Bedrohungen 0 40 1 (Nötigungen/Beleidigungen) 2 - Politischer Extremismus - 83 2.2 Rechtsextremismus 2.2.1 Vorbemerkung Die unter dem Sammelbegriff Rechtsextremismus zusammengefaßten verfassungsfeindlichen Bestrebungen zeichnen sich im Gegensatz zu linksextremistischen, auf Marxismus-Leninismus) oder anderen Gedankengebäuden basierenden Strömungen nicht durch ein geschlossenes theoretisches Bezugssystem aus. Gemeinsam ist Rechtsextremisten eine nationalistische, antirationalistische, antiindividualistische, die demokratische Grundüberzeugung von der fundamentalen Gleichheit aller Menschen negierende Haltung und die daraus erwachsende Ablehnung des auf dem Prinzip gleicher politischer Rechte beruhenden demokratischen Verfassungsstaates. Im Rahmen dieser gemeinsamen Grundhaltung lassen sich schlagwortartig wesentliche Elemente rechtsextremistischer "Weltanschauung" benennen, die in verschiedener Gewichtung und unterschiedlicher Ausprägung festzustellen sind. Dazu zählen: * in erster Linie ein übersteigerter, oft aggressiver Nationalismus, verbunden mit Feindschaft gegen Ausländer, Minderheiten, fremde Völker und Staaten, * Antisemitismus und Rassismus, verbunden mit der Propagierung biologistischer, sozialdarwinistischer Ideen, * völkischer Kollektivismus, d. h. Überbewertung der aufgrund ethnischer Zugehörigkeit definierten "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Rechte und Interessen des Einzelnen, IM IM * | ~ -- " - -- * -- -tJ ^^mw*** 2 - Politischer Extremismus - 84 * Überbetonung militärischer bzw. soldatischer Werte und hierarchischer Prinzipien ("Führer" und "Gefolgschaft"), verbunden mit der Propagierung einer entsprechenden autoritären bzw. diktatorischen staatlichen und sozialen Ordnung wie der Überbetonung der Notwendigkeit eines nach innen und außen starken Staates (Etatismus), * Verharmlosung oder Leugnung der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ("Revisionismus"). 2 - Politischer Extremismus - 85 Gesamtpotential in rechtsextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen in Berlin: 2 800 Personen Mitglieder nationalfreiheitlicher/ nationaldemokratischer Organisationen: 1950** Neonazis: 200 Neonazis ges.: 310 Neonazistische Skinheads: 110" Skinheads ges.: 500 Rechtsextremistische Skinheads: 390 Neonazistisches Umfeld: 150 "Neonazistische Skinheads" gehören gleichzeitig den Bereichen "Neonazis" und "Skinheads" an. Die Gesamtzahl der Neonazis belauft sich somit auf 310, die der "Skinheads" auf 500 Personen. Einschließlich der Partei "Die Republikaner" (REP). 2 - Politischer Extremismus - 86 Mitgliederentwicklung bei rechtsextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen in Berlin 1984 bis 1994* Neonazis ab 1990 einschl. Mitglieder Gesamtzahl ** neonazist. Umfeld, ab 1991 nationalfreiheitlicher/ zusätzl. inkl. militante nationaldemokrat. Rechtsextremisten Organisationen ** (insbes. Skinheads) 1984 65 620 685 1985 70 630 700 1986 65 680 745 1987 80 730 810 1988 85 900 985 1989 105 950 1055 1990 250 950 1200 1991 500 1000 1500 1992 600 1000 1600 1993 750 2650" 3400** 1994 850 1950** 2800** * bis 1990 nur der Westteil Berlins ** seit 1993 einschließlich der Partei "Die Republikaner" (REP) 2 - Politischer Extremismus - 87 Mitgliederentwicklung bei rechtsextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen in Berlin 1984 bis 1994* 3500 -Neonazis ab 1990 einschl. neonaz. Umfeld ab 1991 zusätzl. inkl. militante Rechtsextremisten (insb. Skinheads) 3000 -Mitglieder nationalfreiheitl./nationaldem. Organisationen ** 2500 -*--Gesamtzahl" 2000 1500 1000 --i 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1984 1986 1988 1990 1992 1994 bis 1990 nur der Westteil Berlins seit 1993 einschließlich der Partei "Die Republikaner" (REP) 2 - Politischer Extremismus - 88 2.2.2 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) Neonazis bekennen sich offen zum historischen Vorbild des Nationalsozialismus bzw. zu dessen von den Gebrüdern STRASSER und Ernst RÖHM repräsentierten sog. sozialbzw. nationalrevolutionären Flügel. Im Jahre 1994 gab es bundesweit 3 740 Neonazis. 1 150 davon waren unorganisiert. Die Zahl der militanten Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads, lag bei rund 5 400 Personen. Einem deutlichen Anstieg der Neonazis gegenüber dem Vorjahr (1993: 2 450) stand ein geringer Rückgang der militanten Rechtsextremisten (1993: 5 600) gegenüber. Die Organisationsverbote der vergangenen Jahre - zuletzt das Verbot der "Wiking-Jugend e. V." (WJ) vom 10. November 1994 - führten innerhalb der bundesweiten Neonazi-Szene zu neuen Strukturformen. Nicht mehr die fest umrissene, überregional organisierte und vereinsrechtlich greifbare Gruppierung war unter den Neonazis gefragt, sondern die an Aktionen und Sachthemen orientierten "autonomen" Zusammenschlüsse setzten sich durch. Bundesweit existierten im Jahre 1994 33 neonazistische Personenzusammenschlüsse (1993: 27). Die Aktionsfähigkeit der Neonazis ist durch Verbotsund Exekutivmaßnahmen bundesweit - und damit auch in Berlin - erheblich eingeschränkt worden. Die Anzahl der erkannten Berliner Neonazis und militanten Rechtsextremisten einschl. Skinheads nahm dennoch weiter zu. Im Jahre 1994 waren 310 Neonazis mit Berliner Aufenthalt erfaßt (1993: 280). Das neonazistische Umfeld (Kontaktpersonen, Veranstaltungsbesucher etc.), das Anfang 1994 etwa 130 Personen umfaßte, erhöhte sich ebenfalls etwas und lag am Jahresende bei 150. Die Zahl der rechtsextremistischen Skinheads stieg auf etwa 500 an (1993: 420). Das namentlich erkannte neonazistische Potential einschl. der Militanten liegt in Berlin gegenwärtig bei etwa 850 (1993: 750) Personen (darunter 310 Militante). Die gegenüber dem Vorjahr höheren Zahlen der namentlich abgeklärten Personen sind in erster Linie auf die Aufklärungserfolge der Berliner Sicherheitsbehörden zurückzuführen. 2 - Politischer Extremismus - 89 Verbotene Organisationen, wie die "Deutsche Alternative (DA), "Nationalistische Front" (NF), "Nationale Offensive" (NO) und "WikingJugend e. V." (WJ) haben in Berlin keine dauerhaften Nachfolgeaktivitäten entwickelt. Lediglich der führende Berliner Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM versuchte, mit einem losen Zusammenschluß Berliner "Kameraden" politischen Halt zu geben. Seit seiner Inhaftierung (13. August 1994) droht dieses Grüppchen zu zerfallen. Die "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) ist nach Durchsuchungsmaßnahmen am 20. Januar 1994 in mehreren Bundesländern in Berlin nicht mehr aktiv geworden. Neonazistische Kleinstgruppen wie "Asgard-Bund e. V./Wotans Volk", "Völkischer Freundeskreis Berlin" (VFK), "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS), "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" und "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI), die sich noch in den Vorjahren politisch betätigt hatten, traten 1994 nicht mehr bzw. nur in geringem Maße in Erscheinung. Seit Juli 1994 existiert in Berlin eine Gliederung der im Jahre 1993 in Rheinland-Pfalz gegründeten neonazistischen Organisation "Deutsche Nationalisten" (DN), die zunächst noch keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten in Berlin entwickelt hatte. Bei einem ersten größeren Treffen der Gruppierung anläßlich des 2. Jahrestages des Verbots der "Deutschen Alternative" (DA) am 10. Dezember 1994 in Berlin-Hohenschönhausen überprüfte die Polizei 37 Teilnehmer. Sie stellte Waffen und Propagandamaterial sicher und leitete Ermittlungsverfahren u. a. wegen Verstoßes gegen das Vereins-, Waffenund Versammlungsgesetz ein. Einzige aktive neonazistische Organisation in Berlin blieb mit etwa 50 Anhängern der Landesverband Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Trotz Mitgliederrückgang zum Jahresende wollte er seine politischen Aktivitäten 1995 intensivieren. Die FAP, gegen die die Bundesregierung am 15. September 1993 einen Verbotsantrag gestellt hatte, beabsichtigte sogar, die Bundesgeschäftsstelle der Partei nach Berlin zu verlegen. (Am 22. Februar 1995 hat der Bundesminister des Innern die FAP verboten.) 2 - Politischer Extremismus - 90 Erkanntes neonazistisches Gesamtpotential einschließlich rechtsextremistischer Skinheads in Berlin: 850 Personen Skinheads ges.: Neonazistische Neonazis ges.: 500 Skinheads: 110* 310 Neonazis: 200 Rechtsextremist Skinheads: 390 Neonazistisches Umfeld: 150 "Neonazistische Skinheads" gehören gleichzeitig den Gruppierungen "Neonazis" und "Skinheads" an. Die Gesamtzahl der Neonazis beläuft sich somit auf 310, die der "Skinheads" auf 500 Personen. 2 - Politischer Extremismus - 91 Neonazi-Gruppen in Berlin "Asgard-Bund e. V. "/"Wotans Volk" 20 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) FG* "Deutsche Nationalisten" (DN) 15 "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) FG* "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 50 "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS) FG* "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und de25 ren Angehörige e. V." (HNG) "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - AuslandsFG* und Aufbauorganisätion" (NSDAP-AO) "Neonazikreis um Curt Müller" FG*/** "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" FG* "Völkischer Freundeskreis Berlin" (VFK) FG* unorganisierte Neonazis 150*** Gesamtzahl der organisierten Neonazis 160 Gesamtzahl der aktiven Neonazis 310 FG Funktionärsgruppe Kleinstgruppe mit unter 10 Angehörigen ** zum großen Teil Doppel-MitgliedschafV-Anhängerschaft einschließlich Anhanger der verbotenen NF, DA und NO 2 - Politischer Extremismus - 92 2.2.2.1 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Der in Tradition der historischen "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) stehenden FAP gehören bundesweit etwa 430 Mitglieder an. Der Berliner Landesverband verfügt über bis zu 50 Anhänger, die sich regelmäßig zu "Kameradschaftsabenden" treffen und das "Informationsblatt der FAP für Mitteldeutschland - Aufbruch" vertreiben. Arbeitsschwerpunkte des Landesverbandes Berlin der FAP bildeten in den ersten Monaten des Jahres 1994 die Sammlung von Unterschriften für eine geplante, später abgesagte bundesweite Beteiligung an den Europawahlen, die Vorbereitung und Durchführung des "Ordentlichen Parteitages der FAP" am 9. April auf der Insel Lindwerder in BerlinZehlendorf und ein Aufzug der Partei mit überregionaler Beteiligung am 1. Mai in Berlin-Treptow, der letztlich wegen zahlreicher Gegenaktionen scheiterte. Ferner führte die FAP eine Propagandaaktion anläßlich der Parade zum "Tag der Alliierten" am 18. Juni in Berlin durch. Anhänger dieser neonazistischen Partei - insbesondere des Berliner Landesverbandes - klebten FAP-Plakate in den Ortsteilen Tegel und Altglienicke mit der Parole "Berlin dankt den Alliierten für Mord, Vergewaltigung und Umerziehung, wir nicht! Besatzer raus unentgeltlich und sofort". Als Urheberhinweis war die Adresse der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei", Landesverband Berlin, angegeben. In Berlin-Spandau verhinderte die Polizei am 13. August eine spontane Aktion von 12 FAP-Anhängern, die versucht hatten, in der Nähe des ehemaligen Kriegsverbrechergefängnisses, in dem HEß bis zu seinem Selbstmord einsaß, einen Kranz niederzulegen. Aufgrund richterlicher Durchsuchungsbeschlüsse wurden am 16. August von der Polizei in Berlin die Wohnungen von 15 Personen der rechtsextremistischen Szene, unter ihnen der Vorsitzende des Landesverbandes Berlin der FAP, Lars BURMEISTER, durchsucht und diverses Propagandamaterial der NSDAP-AO, die Druckschrift "Natur Schutz=Denkzettel" sowie Uniformteile sichergestellt. Ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde eingeleitet. 2 - Politischer Extremismus - 93 Am 4. September verteilten Mitglieder und Anhänger der FAP Propagandamaterial vor der Sömmeringhalle in Berlin-Charlottenburg. Die Aktion fand aus Anlaß des dortigen Vertriebenentreffens ("Tag der Heimat") statt. Offensichtlich aus Angst vor Angriffen einer ca. 40köpfigen Demonstrantengruppe brachen die FAP-Anhänger nach kurzer Zeit ihre Verteilaktion ab und entfernten sich unter Polizeischutz. In den Nachmittagsstunden des 4. September fanden aufgrund richterlicher Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten Wohnungsund Fahrzeugdurchsuchungen bei zwei Berliner Anhängern der neonazistischen FAP statt. Die Polizei konnte umfangreiches Propagandamaterial der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) - (Aufkleber und "NS-KAMPFRUF"), Ausgaben der neonazistischen Druckschrift "Natur Schutz=Denkzettel", Musikkassetten mit rechtsextremistischen Liedertexten sowie Preisund Bestellisten für rechtsextremistische Literatur sicherstellen. Auf dem "4. ordentlichen Landesparteitag" des Landesverbandes Berlin der FAP, der am 1. Oktober 1994 in Berlin-Weißensee stattfand, wurde der bisherige Berliner FAP-Landesvorsitzende Lars BURMEISTER von den Delegierten wiedergewählt. Im Dezember 1994 kündigte die FAP in Form einer Pressemitteilung an, ihre Bundesgeschäftsstelle von Halstenbek (Schleswig-Holstein) nach Berlin zu verlegen. 2.2.2.2 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Die HNG ist ein im Jahre 1979 gegründeter Verein zur Unterstützung "nationaler politischer Gefangener" mit Sitz in Frankfurt/M. und etwa 340 Mitgliedern, darunter 25 in Berlin. Eine feste HNG-Gliederung besteht in Berlin jedoch nicht. Berliner Mitglieder der HNG erhielten im Februar 1994 neben dem Vereinsblatt "Nachrichten der HNG" zusätzlich eine Broschüre mit dem Titel "Freiheit". Herausgeber der 40seitigen Schrift ist ein bisher noch nicht in 2 - Politischer Extremismus - 94 Erscheinung getretener "Verein Schwedische Gardine & Redaktion Mitteldeutsche Gefangenenstimme". Mit der "neuen Gefangenenzeitung" will der Verein "Kontakte zwischen Gefangenen und der Außenwelt" schaffen. Als Kontaktadresse ist ein Postfach in Erfurt angegeben. Im September erschien die 163. Ausgabe der "HNG-Nachrichten". In der vorangestellten "Gefangenenliste" wurden über 100 Namen inhaftierter "Kameraden" aus dem Bundesgebiet und dem Ausland (Österreich) aufgeführt. Nach Angaben der "HNG-Nachrichten" saßen zu dieser Zeit zehn Neonazis in Berlin ein. Im November 1994 erschien turnusgemäß die 166. Ausgabe der "HNGNachrichten". Auch dieses 20seitige Blatt enthält wie immer eine sog. Gefangenenliste, in der nunmehr auch die zuletzt in Berlin inhaftierten Neonazis erwähnt werden. In einem Beitrag mit dem Titel "Eine Antwort an den Verfassungsschutz", der von dem FAP-Bundesvorsitzenden BUSSE verfaßt worden sein soll, wird behauptet, die HNG stehe nicht unter dem Einfluß der FAP. Die HNG - so der Verfasser des Artikels - sei eine "überparteiliche Institution" und eine "karitative Einrichtung für alle inhaftierten politischen Gefangenen". 2.2.2.3 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Die NSDAP-AO ist ein seit 1976 aktiver Personenkreis unabhängig voneinander agierender Neonazis, die umfangreiches neonazistisches Propagandamaterial von der Auslandszentrale in Lincoln/Nebraska (USA) erhalten und verbreiten. Leiter der "Auslandszentrale" ist der US-Bürger Gary Rex LAUCK, der die Publikation "NS-Kampfruf herausgibt. In Berlin wurden im Jahre 1994 zahlreiche Aufkleber der NSDAP-AO, die an Wänden von Mietshäusern und an einem Ausländerwohnheim angebracht worden waren, festgestellt. Derartige Propagandaaktionen hatten in den vergangenen Jahren wiederholt stattgefunden. Die Anhänger der Berliner NSDAP-AO-Zellen arbeiten konspirativ. Bei Wohnungsdurchsuchungen konnte die Polizei Propagandamaterial von Anhängern dieser Gruppe sicherstellen. 2 - Politischer Extremismus - 95 Am 26. April 1994 fand eine polizeiliche Wohnungsdurchsuchung bei Berliner Neonazis statt. Aufgrund von Beschlüssen des Bundesgerichtshofes in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurden in Berlin 17 Objekte von 12 Tatverdächtigen durchsucht. In vier Fällen waren die Durchsuchungen erfolgreich. Gefunden wurden u. a. ein Nebelwurfkörper, ein Schlagring und ein Messer. Die Tatverdächtigen, von denen die meisten der nicht mehr existenten "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) zuzurechnen waren, gehören vermutlich einer Zelle der NSDAPAO an und werden verdächtigt, u. a. drei Brandanschläge in Berlin gegen Treffpunkte der "Antifa" verübt zu haben. Im August 1994 wurde die 108. Ausgabe des "NS-Kampfruf" (Juli/August) bekannt. Das NSDAP-AO-Blatt enthält neben Berichten über neonazistische Aktivitäten im Inund Ausland wiederum Aufforderungen zum und Handlungsanleitungen für den gewaltsamen politischen Kampf. In jeder Ausgabe findet man Hinweise auf den Bezug von Hakenkreuzaufklebern, die nach Empfang verbreitet werden sollen. Der Berliner Neonazi Marcus B. wurde u. a. wegen Verbreitung derartigen Propagandamaterials Anfang September 1994 zu einer Strafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Am 19. Oktober 1994 stellte ein türkischer Taxifahrer an der von ihm genutzten Taxe vier zerstochene Reifen fest. An der Seitenscheibe der Beifahrertür befand sich ein handtellergroßer Aufkleber der NSDAP-AO mit Hakenkreuz und der Aufschrift "Rotfront verrecke!". 2.2.2.4 "Deutsche Nationalisten" (DN) Die DN gründete sich im Juli 1993 in Mainz-Gonsenheim. Gründer und Bundesvorsitzender ist der ehemalige Vorsitzende des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der am 10. Dezember 1992 verbotenen "Deutschen Alternative" (DA), Michael PETRI. Sitz der DN ist Mainz. Neben dem im April 1994 gegründeten Landesverband Berlin (ca. 15 Mitglieder) bestehen Landesverbände in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Als Kontaktadresse wurde ein Postfach in Berlin angegeben. 2 - Politischer Extremismus - 96 Anhänger der DN aus Berlin beteiligten sich am 5. November 1994 an einem Treffen des rechtsextremistischen Berliner Vereins "Die Nationalen e. V." im Bundesland Brandenburg. Durch Verfügung des Polizeipräsidenten in Cottbus vom 4. November 1994 wurde diese Veranstaltung jedoch verboten. Zur Umgehung des Verbots verlegte der Verein das Treffen in eine Gaststätte nach Göhlen (Kreis Frankfurt/Oder). Die Verbotsverfügung wurde daraufhin auf den Amtsbereich des Polizeipräsidenten von Frankfurt/Oder erweitert und die Versammlung endgültig von der Polizei aufgelöst. Die Polizei konnte die Personalien von 40 Personen feststellen. Gefunden wurden eine Schreckschußpistole, Messer und Baseballschläger, eine Reichskriegsflagge und diverse Aufkleber der DN. Der Landesverband Berlin der DN führte am 10. Dezember 1994 seine erste Propagandaveranstaltung in Hohenschönhausen durch. Auf dieser Veranstaltung, zu der auch "andere Parteien und Organisationen" eingeladen worden waren, sollten die Themen "Nationale und internationale Lage des rechten Lagers" sowie "Bessere Zusammenarbeit von Parteien und Organisationen" besprochen werden. Die Veranstaltung dürfte im Zusammenhang mit dem 2. Jahrestag des Verbotes der "Deutschen Alternative" (DA) gestanden haben. Aus diesem Grund überprüfte und durchsuchte die Polizei 37 Personen, die an der Zusammenkunft teilnahmen. Unter den Teilnehmern waren der Bundesvorsitzende Michael PETRI aus Rheinland-Pfalz und der stellvertretende Bundesvorsitzende und Vorsitzende des Landesverbandes Berlin der DN. Die Polizei stellte Hiebund Stichwaffen sowie Propagandamaterial sicher. Sie leitete zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereins-, Bundeswaffenund Versammlungsgesetz sowie wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein. Unter den überprüften Personen befanden sich 14 bekannte Neonazis, darunter fünf Anhänger der DN und sechs Anhänger der FAP. 2.2.2.5 Haftbefehle gegen Berliner Neonazis Die Inhaftierung Berliner Aktivisten wirkte sich auf die neonazistische Szene aus, und führte zu einem Rückgang ihrer Aktivitäten. 2 - Politischer Extremismus - 97 Am 13. August 1994 wurden der Berliner Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM und weitere Angehörige der rechtsextremistischen Szene in BerlinWedding festgenommen. Die Polizeimaßnahme richtete sich gegen insgesamt 26 Personen, die sich im Wohnhaus des PRIEM aufgehalten und verbarrikadiert hatten, um erwartete Angriffe politischer Gegner abwehren zu können. Nachdem ein Neonazi vom Dach aus mit einer Zwille auf Mitarbeiter eines dort filmenden TV-Teams geschossen hatte und eine Person dadurch verletzt worden war, griff die Polizei ein. Zur Verhütung weiterer Straftaten und zur Aufklärung dieser gefährlichen Körperverletzung wurden 26 Personen festgenommen. Bei der Durchsuchung des Gebäudes wurden u. a. zwei Zwillen, diverse Stahlkugeln und zwei Molotowcocktails sichergestellt. Der Zwillenschuß konnte mittels Filmaufnahmen einem bestimmten Neonazi zugeordnet werden. Er wurde wegen gefährlicher Körperverletzung festgenommen, erhielt aber zunächst Haftverschonung. PRIEM wurde wegen des Verdachts der Bildung eines bewaffneten Haufens und wiederholter Verstöße gegen das Waffengesetz in Haft genommen. Am 4. September 1994 durchsuchte die Polizei die Wohnung eines Berliner Neonazis. Es wurden u. a. 540 Aufkleber der NSDAP-AO, 41 Ausgaben des "NS-Denkzettel", 160 Blatt mit rechtsextremistischen Liedertexten und etwa 200 Preisund Bestellisten für rechtsextremistische Literatur, Videosowie Musikkassetten gefunden. Gegen ihn erging Haftbefehl. Bei einem Fußballspiel der "Wiking-Jugend e. V." in Berlin-Weißensee am 15. Oktober 1994 durchsuchte die Polizei einen Pkw. Sie fand dabei neben politischem Propagandamaterial einen Rucksack mit Bauanleitungen für Bomben. Bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung des bereits am 13. August festgenommenen Neonazi Oliver W. wurde man erneut fündig. Zu Tage kamen weiteres Propagandamaterial, zwei Bodenrauchkörper und zwei Reibzünder, gefüllt mit explosionsgefährlichem Stoff bzw. Schwarzpulver, sowie Material zur Herstellung von Zeitzündern. Gegen Oliver W. erging am 17. Oktober 1994 Haftbefehl wegen Fluchtund Wiederholungsgefahr. 2 - Politischer Extremismus - 98 2.2.2.6 "Anti-Antifa" Als Versuch, das "Nationale Lager" zumindest in der Abwehr des "antifaschistischen Kampfes" militanter Linksextremisten zu einigen, ist die im Sommer 1992 gestartete "Anti-Antifa-Kampagne" zu werten. Sie ist die organisationsübergreifende Klammer im Neonazismus und findet zunehmend auch eine über ihn hinausreichende Akzeptanz und positive Resonanz im Bereich des übrigen Rechtsextremismus. Über 150 Personen engagieren sich mit unterschiedlicher Intensität in der Anti-Antifa-Arbeit. Die Schwerpunkte liegen in den alten Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Hessen, Bremen, Niedersachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz) in Ansätzen auch in den neuen Bundesländern. Die Aktivitäten der Anti-Antifa richten sich gegen den politischen Gegner und gegen Personen aus Politik, Gesellschaft und Staat. Alle, die nicht dem "Nationalen Lager" angehören oder offensiv gegen den Rechtsextremismus agieren, sind potentielle Angriffsziele. Hatte die Anti-Antifa anfangs ihre Bedrohungslisten noch mit dem Zusatz versehen, sie stellten keine Aufforderung zur Gewalt dar, so hat sich die Diktion inzwischen erheblich verschärft. Die Rede ist von "Konsequenzen" für den Gegner, von "Bestrafen" und einer "professionellen Vorbereitung" von Aktionen. Entsprechend der bei Antifa-Gruppen seit Jahren üblichen Praxis, Namen, Adressen und Fotos "prominenter Faschos" zu veröffentlichen, tragen auch Neonazis systematisch Informationen über erkannte Gegner zusammen, um auf "antifaschistische" Aktionen reagieren zu können. Eine neue Qualität erhielt diese "Anti-Antifa-Arbeit" im November 1993 mit der Veröffentlichung von Objekten und Namen politischer Gegner in einer "nationalistischen Widerstandszeitschrift" mit dem Titel "Der Einblick". Für Berlin wurden 25 Vereinigungen, Treffpunkte und Verlage sowie vier Personen mit Wohnanschriften genannt. Die Schrift will dazu beitragen, die eher spontanen Aktionen militanter Rechtsextremisten durch organisierte und konzentrierte Angriffe auf politische Gegner zu ersetzen. Eine weitere Ausgabe ist bislang nicht erschienen. 2 - Politischer Extremismus - 99 Begrenzt auf Berlin erschien im November 1993 erstmals die "Doppelnummer 5 und 6" einer neonazistischen Schrift mit dem Titel "Natur Schutz=Denkzettel" (NS-Denkzettel), die neben massiver antisemitischer Hetze und Beiträgen neonazistischer Gruppen ähnliche Forderungen zur Sammlung von Informationen wie "Der Einblick" enthält. Die "Doppelausgabe 8/9" dieser Publikation, die im Sommer 1994 verbreitet wurde, übernahm unter der Überschrift "PRAKTISCHER WIDERSTAND" einen Artikel aus dem linksextremistischen Spektrum, in dem praktische Anleitungen zum "Widerstand" - bis hin zum Bau von Sprengsätzen - propagiert wurden. Seit der Inhaftierung des Neonazis Marcus B. im September 1994, der verdächtigt ist, für den "NS-Denkzettel" verantwortlich zu sein, sind keine neuen Ausgaben mehr festgestellt worden. Die von den Initiatoren der Anti-Antifa beabsichtigte organisatorische Verflechtung und die Zusammenarbeit von Personen aus unterschiedlichen rechtsextremistischen Vereinigungen ist weiter vorangeschritten. Die Anti-Antifa ist Teil einer Strategie des rechtsextremistischen Lagers gegen staatliche Repressionen. Sie soll trotz der Verbotsmaßnahmen gegen Organisationen und geplante bzw. angemeldete Veranstaltungen Öffentlichkeitswirkung garantieren. Sie reiht sich ein in die Intensivierung der Auslandskontakte und Nutzung modernster Kommunikationsmittel. Diese Gegenstrategie dient dazu, den staatlichen Zugriff auf den Nachrichtenaustausch zu erschweren, nutzt die Freiräume in unseren Nachbarstaaten zur Herstellung von Anti-Antifa-Publikationen und festigt die organisationsübergreifende Zusammenarbeit. Bisher waren die Rechtsextremisten den militanten linksextremistischen "Antifaschisten" personell, materiell und konzeptionell unterlegen. Mit der Aufklärungsarbeit übernehmen sie die Arbeitsmethodik des politischen Gegners und wenden diese zunehmend für die eigenen Aktivitäten an. Innerhalb der Neonazi-Szene zeichnet sich bereits eine veränderte Einstellung gegenüber dem politischen Gegner ab. War man dem "linken" Spektrum bislang v. a. zahlenmäßig unterlegen und befand sich daher ständig in der Defensive, fühlt man sich nunmehr durch die Tätigkeit der Anti-Antifa in der Lage, in die Offensive zu gehen. In diesem Zusammenhang trägt das Fehlen einer Organisationsund Führungsstruktur, die es den einzelnen Aktivisten und Gruppen erlaubt, Maßnahmen nach eigenem Ermessen durchzuführen, zur Unberechenbarkeit und damit zur 2 - Politischer Extremismus - 100 Gefährlichkeit der Anti-Antifa bei. Erwähnenswert ist auch, daß interne Differenzen einzelner Gruppen oder Personen dabei zunehmend zugunsten einer gemeinsamen Aktionsplanung zurückgestellt werden. Angestrebt werden aktionsbezogene, organisationsunabhängige bzw. übergreifende Zusammenhänge, wodurch die Bildung neuer verbotsbedrohter Organisationen überflüssig würde. Zusammenfassend läßt sich die "Anti-Antifa" als der ausschlaggebende Part einer tiefgreifenden Umorientierung des rechtsextremistischen Lagers bezeichnen. 2.2.3 Militante Skinhead-Szene in Berlin Der Trend bei Skinheads, ihr Aussehen z. B. durch längere Haare und neutrale Bekleidung zu variieren, um so ihre "Szene"-Zugehörigkeit zu verschleiern, hat sich im Jahre 1994 fortgesetzt. Ihr früheres Erscheinungsbild - kahlbzw. kurzgeschorene Köpfe, sog. Bomberjacken und Springerstiefel -, ist für die meisten seit geraumer Zeit nicht mehr typisch. Grund hierfür dürften u. a. die staatlichen Repressionsmaßnahmen (Durchsuchungsund Beschlagnahmeaktionen, Verbote von Konzerten) sein. Ein weiterer Grund für die Änderung ihrer Verhaltensweise ist die Angst vor militanten "Antifaschisten" und ausländischen, insbesondere türkischen Jugendlichen. Seit 1991 sind etwa 500 Skinheads namentlich bekanntgeworden, über die tatsächliche Anhaltspunkte für Hinweise auf rechtsextremistische Bestrebungen vorliegen. Bei ihnen liegt eine ausgeprägte oder zumindest latente Gewaltbereitschaft vor, die sich insbesondere gegen Ausländer, vermeintlich linksorientierte Personen, Homosexuelle und sonstige in ihrer Vorstellungswelt Andersartige richtet. Etwa 230 Skinheads sind bereits gewalttätig aufgefallen. Allein im Jahre 1994 sind ca. 130 Skinheads bei Straftaten mit nachgewiesener oder mutmaßlicher rechtsextremistischer Motivation registriert worden. 2 - Politischer Extremismus - 101 Neonazis und Skinheads pflegen untereinander Kontakte. Etwa 110 der ca. 500 namentlich registrierten rechtsextremistischen Berliner Skinheads gehören oder gehörten gleichzeitig der Berliner Neonazi-Szene an. Hinweise für Kontakte zu Neonazis sind z. B. die Teilnahme von Skinheads an Neonazi-Treffen und -Plakatklebeaktionen, das Auftauchen von Neonazis und deren Propagandamaterial bei Konzerten von Skinbands und in den einschlägig bekannten "Szenetrefforten". Eine ständige, v. a. organisationsgebundene politische Arbeit hat dagegen für Skinheads nur einen geringen Stellenwert. In den meisten Fällen werden sie von den hierarchischen Strukturen der rechtsextremistischen Gruppierungen abgeschreckt. Jedoch wirkten sich die einschlägige Propaganda neonazistischer Organisationen sowie die rassistischen aufpeitschenden Liedtexte, die von sog. Skinbands dargeboten werden, auf die orientierungslosen, gewaltbereiten und für rechtsextremistische Beeinflussung besonders empfänglichen Skinheads aus. Die Berliner Skinhead-Szene stellt eine eigenständige, nach außen abgeschottete, überwiegend rechtsextremistisch motivierte Subkultur dar, die teilweise mit dem organisierten Neonazismus verbunden ist und mit ihrer außerordentlichen Gewaltbereitschaft (ca. 45 % der Skins) das militante Potential des Neonazismus verstärkt. Organisationsstrukturen innerhalb der Skinhead-Szene sind nicht erkennbar. Vielmehr kommt es in der Szene zu losen Personenzusammenschlüssen, die einer starken Fluktuation unterliegen und sehr kurzlebig sind. Aus diesem Grund werden Gewaltaktionen in den meisten Fällen nicht konkret vorbereitet und nach abgesprochenen Plänen durchgeführt, sondern laufen, vielfach nach übermäßigem Alkoholgenuß und aufputschender Skinmusik, spontan ab. Hierbei gehen Skinheads äußerst brutal vor. Die Täter setzen hemmungslos Baseballschläger, Messer, Schlagringe, Eisenrohre o. ä. ein oder mißhandeln ihre Opfer mit Stiefeltritten und Faustschlägen bis zur Bewußtlosigkeit. Einige rechtsextremistische Gewalttaten des Jahres 1994 wurden eindeutig von Skinheads begangen, in weiteren Fällen liegen Hinweise auf Skinheads als Täter vor. Zu berücksichtigen ist, daß eine Unterscheidung von rechtsextremistischen Skins und anderen rechtsextremistischen Straftätern häufig nicht möglich ist. 2 - Politischer Extremismus - 102 Die Altersstruktur der hier bekannten rechtsextremistischen Skinheads ist folgender Tabelle zu entnehmen: 1994 unter 18 Jahre 21 18-21 Jahre 194 22-25 198 26 -35 Jahre 84 älter als 35 Jahre 2 499 Personen m . nr(darunter 49 Frauen) Die 18 bis bis 25jährigen Skinheads bilden mit ca. 8 0 % weiterhin die Hauptgruppe. Eines der wichtigsten Kommunikationsmittel für die Ausprägung und Verbreitung offen rassistischen und neonazistischen Gedankengutes in der Skinhead-Szene sind die Skinhead-Musik ("Oi-Musik") und Skinhead-Magazine "Fanzines". Die Texte der Skin-Musik sind überwiegend von militantem, gewaltverherrlichendem, äußerst menschenverachtendem Rassismus geprägt, der häufig offen zur Gewalt gegen alles Fremde und sonstige "Feinde der weißen Rasse" aufruft. Da die Organisatoren der Skin-Konzerte Exekutivmaßnahmen fürchten, werden immer mehr Veranstaltungen ins Ausland verlegt. Aus konspirativen Gründen werden den Teilnehmern die Konzertorte nicht mitgeteilt, sondern lediglich die Treffpunkte, von denen es zum eigentlichen Veranstaltungsort weitergeht. Ein Hauptveranstaltungsort in der Bundesrepublik Deutschland ist Chemnitz (Sachsen). In Berlin fanden 1994 keine Skinkonzerte statt. Die letzten Konzerte wurden am 9. Juli in Rüdersdorf (Brandenburg) und am 12. November in Buchen bei Hamburg durchgeführt. Die Skin-Bands verbreiten ihre Musik jedoch 2 - Politischer Extremismus - 103 nicht nur bei "Live-Konzerten". Ihre Musik wird auch über Tonträger (u. a. "Demo-Tapes") bekannt gemacht und ist zumeist über SpezialVertriebe erhältlich. Bei Skin-Konzerten werden Fanzines zum Selbstkostenpreis vertrieben. Im Zeitschriftenhandel sind sie nicht erhältlich. Sie erscheinen unregelmäßig und mit einer Auflage von bis zu 300 Stück. Herausgeber sind einzelne Szene-Mitglieder, die z. T. in rechtsextremistischen Kreisen agieren oder als Teilnehmer an rechtsextremistischen Gewaltoder sonstigen Aktionen auffällig wurden. Die Fanzines enthalten rechtsextremistisches Gedankengut (z. B. Berichte und Fotodokumentationen über politische Demonstrationen von Rechtsextremisten, Konzerten o. ä.). Häufig finden verbotene Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen Verwendung. Ein Fanzine, das in Berlin herausgegeben wurde, nannte sich "Proißens Gloria". Die letzte Ausgabe war im September/Oktober 1992 erschienen. Seitdem wurde - soweit bekannt - kein Exemplar mehr vertrieben. Der Grund hierfür ist vermutlich eine bei dem Herausgeber durchgeführte Wohnungsdurchsuchung. Das einzige z. Z. in Berlin existierende Fanzine nennt sich "Wehrt Euch". Die letzte Ausgabe ist vermutlich im August 1994 erschienen. Verfasser sind sog. "Hammer-Skins" der Sektion Berlin. In einem Beitrag der Verfasser über "Hammer-Skins aus Brandenburg" findet sich zum Selbstverständnis der "Sektion Berlin" der "Hammerskins" folgende Aussage: "Denn aus dem Zusatz 'Hammer' leitet sich der nationalsozialistische Anspruch ab. Soll heißen, zu der Rasse zu gehören, die durch die Arbeit der Hand und des Kopfes groß geworden ist und nicht durch die Macht des Geldes und das Ausbeuten der Arbeitskraft. Nicht nur durch die Gnade oder den Zufall weiße Hautfarbe zu besitzen und nichtjüdisch zu sein, sondern sich auch bewußt zu sein, wo der eigene Platz ist." 2 - Politischer Extremismus - 104 2.2.4 Rechtsextremistische Gewalttaten Die Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischen Hintergrund gingen bundesweit - auch in Berlin - deutlich zurück. Damit setzte sich der im Jahre 1993 begonnene Rückgang der Zahl der Gewalttaten kontinuierlich fort. Bundesweit wurden 1994 1 489 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation registriert (1993: 2 232). Dies ist gegenüber 1993 ein Rückgang um ca. 33 %. Die Gewalttaten forderten 1994 keine Todesopfer (1993: 8). Die Zahl der Tötungsversuche belief sich auf 10. Die fremdenfeindlichen Gewalttaten reduzierten sich von 1 609 im Jahre 1993 auf 860 Vorfälle (Rückgang um ca. 47 %) im vergangenen Jahr. Deutlich nach unten entwickelten sich auch die Gewalttaten gegen politische Gegner (von 157 auf 95> Die Zahl der antisemitischen Vorfälle betrug 1994 41 (1993: 72). Berlin nahm auch 1994 in der bundesweiten Statistik der rechtsextremistischen Gewalttaten einen hinteren (den 14.) Platz ein. Die Polizei erfaßte im Jahre 1994 25 Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund, 24 Körperverletzungen und einen Brandanschlag. 22 Gewalttaten hatten einen fremdenfeindlichen Hintergrund, eine Tat war antisemitisch motiviert. Beispiele rechtsextremistischer Gewalttaten 9. Juni Messerangriff auf einen Ghanaer in BerlinHohenschönhausen. Drei Personen, 17 bis 21 Jahre alt, umkreisten den Afrikaner und bedrohten ihn mit Messern. Bei der Festnahme der Täter durch die Polizei leistete einer von ihnen Widerstand. Die Wohnungen aller Festgenommener wurden durchsucht. Einer der Täter war zum Zeitpunkt der Tat Polizeischüler. 12. August Landfriedensbruch und schwerer Raub durch eine Skinhead-Gruppe in Berlin-Buckow. 2 - Politischer Extremismus - 105 Mehrere Skinheads pöbelten eine Gruppe Jugendlicher an, unter denen sich ein Farbiger befand. Unter lautstarken Beleidigungen wie "Scheißnigger" u. ä. wurden die Jugendlichen verfolgt, bedroht und mit Flaschen beworfen. Den Gejagten gelang es, sich auf einer Baustelle zu verstecken. Zeitgleich raubten vier der Skinheads unter Schlägen einem Passanten das Fahrrad. Nachdem die Skinheads abgezogen waren, konnten die Jugendlichen die herbeigerufene Polizei unterrichten, daß sich die Skinheads auf einer Party befänden. Zwei weibliche Skinheads wurden dort festgenommen. 3. Oktober Bedrohung und Körperverletzung in einem Bus der Linie 149 (Heerstraße - U-Bahnhof Zoo). Ein der Polizei bekannter Roheitstäter mit rechtsextremistischer Gesinnung zeichnete vor den Augen zweier Afrikaner das Zeichen des Ku-KluxKlan (KKK) in die beschlagene Frontscheibe des Oberdecks. Dabei bedrohte er die Guineer mit einer Gaspistole. Diesen gelang es, den Täter zu entwaffnen und bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Während des Handgemenges löste sich ein Schuß und verletzte einen Afrikaner. 4. November Sachbeschädigung, Volksverhetzung und versuchte gefährliche Körperverletzung an zwei Farbigen in Berlin-Friedrichshain. Die Opfer wurden von zwei Personen verbal als "Scheiß-Neger" beschimpft, und flüchteten daraufhin in ein Wohnhaus. Im Durchgang zum Hinterhaus kam es zu Auseinandersetzungen. Dabei zerstörten die Täter mehrere Glasscheiben mittels körperlicher Gewalt und Steinwürfen. Die Farbigen wurden nicht verletzt. Die Täter konnten ermittelt werden. 2 - Politischer Extremismus - 106 27. November Gefährliche Körperverletzung und Beleidigung eines Farbigen aus Zaire auf dem S-Bahnhof Marzahn. Drei unbekannte Jugendliche beleidigten zunächst verbal einen Farbigen aus Zaire mit den Worten: "Scheiß-Schwarze", "Scheiß-Nigger" und "Ausländer raus". Danach wurde er mit einem Schlagring ins Gesicht geschlagen. Ein Täter bedrohte ihn mit einem Messer. Das Opfer versuchte, dem Täter das Messer wegzunehmen und verletzte sich dabei. Anschließend gelang es ihm zu flüchten. 2.2.4.1 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund Die Gesamtzahl aller im Jahre 1994 in Berlin bekanntgewordenen Straftaten (einschl. Gewalttaten) mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation beträgt über 795 (Gesamtvorjahr über 650). Dies bedeutet einen Anstieg von ca. 22 %. Die große Mehrzahl davon sind Farbschmierund Klebeaktionen (Propagandadelikte). 159 (ca. 20 %) der Vorfälle weisen einen fremdenfeindlichen Charakter auf. 86 Fälle (ca. 11 %) sind antisemitisch. 36 Straftaten richteten sich gegen vermeintlich politische Gegner (4 %). In 190 Fällen konnten insgesamt 396 Täter bzw. Tatverdächtige festgestellt werden. 2 - Politischer Extremismus - 107 Altersstruktur der Täter bzw. Tatverdächtige Alter Anzahl unter 18 76 18 bis 25 235 26 bis 35 62 36 bis 45 12 über 45 11 Gesamtzahl 396 2 - Politischer Extremismus 108 Altersstruktur der Täter bzw. Tatverdächtige - Gesamtzahl: 396 - 235 76 62 12 11 0 - I I hl , unter 18 18 bis 25 26 bis 35 36 bis 45 über 45 2 - Politischer Extremismus - 109 Bekanntgewordene Vorfälle mit rechtsextremistischem Bezug in Berlin 1991 -1994 1991 1992 1993 1994 Gesamt 389 475 650 795 darunter: 139 über 180 212 über 159 fremdenfeindlich darunter: 40 63 75 86 antisemitisch darunter: 57 92 75 25* Gewalttaten Vorlaufige Zahl der Polizei. Bei weiteren Gewalttaten mit zunächst scheinbar rechtsextremistischem Hintergrund ergaben die polizeilichen Ermittlungen, daß es sich um Verdeckungstaten, Beschaffungskriminalität oder persönliche Streitigkeiten mit gewalttatigem Ausgang handelte. Ein politischer (rechtsextremistischer) Hintergrund ist in diesen Fallen nicht anzunehmen. 2.2.5 "Nationalfreiheitliche" / "Nationaldemokraten" Im Unterschied zu Neonazis orientieren sich die sich selbst als "nationalfreiheitlich" bzw. "nationaldemokratisch" bezeichnenden Organisationen der "Alten Rechten" stärker an völkisch-kollektivistischen, etatistischen, nicht unbedingt nationalsozialistischen Vorstellungen. Gewalttätige Aktionen gehen von ihnen nicht aus. Rechtsextremistische Parteien in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin befanden sich 1994 deutlich im politischen Abwind. Während die NPD und die DVU Schwierigkeiten hatten, an allen Wahlen teilzunehmen, konnten "Die Republikaner" als einzige wahlrelevante Kraft des rechtsextremistischen Spektrums weder bei den Europaund Landtagswahlen am 12. Juni noch bei der Bundestagswahl am 16. Oktober an 2 - Politischer Extremismus - 110 frühere Erfolge anknüpfen. Diese rückläufige Tendenz läßt sich auch an der Mitgliederentwicklung der Parteien des organisierten Rechtsextremismus ablesen. Die Mitgliederzahlen der DVU gingen von 26 000 im Jahre 1993 auf nunmehr 20 000 zurück. Über die gleiche Anzahl von Mitgliedern verfügt die Partei "Die Republikaner" (1993: 23 000). Die NPD hatte 1994 4 500 Mitglieder (1993: 5 000). In Berlin weisen diese Organisationen zusammen mit der inaktiven "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) und dem Verein "Die Nationalen e. V." nominell ca. 1 950 Mitglieder auf, doch ist nur ein geringer Teil der Mitglieder tatsächlich aktiv. Die Berliner Verbände der NPD und der DVU verharren nach wie vor in relativer Bedeutungslosigkeit. Nennenswerte politische Akzente wurden von ihnen nicht gesetzt. Auch der Landesverband Berlin der REP spürte die Auswirkung der politischen Auseinandersetzungen mit dem Rechtsextremismus. Interne Querelen, mangelndes Engagement von Funktionären und politischen Mandatsträgern führten zu einem Mitgliederrückgang auf etwa 1 000 Personen. Politische Richtungskämpfe und Auseinandersetzungen um die Führung der REP auf Bundesebene kennzeichneten den Zustand der Gesamtpartei im Jahre 1994. Mit der Wahl von Dr. Rolf SCHLIERER zum neuen Bundesvorsitzenden - Franz SCHÖNHUBER trat nicht mehr an - auf dem REP-Bundesparteitag am 17/18. Dezember in Sindelfingen (Baden-Württemberg) glätteten sich die Wogen in der Bundespartei zunächst. 2.2.5.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die "Deutsche Volksunion" (DVU) wurde am 5. März 1987 in München von dem Verleger Dr. Gerhard FREY unter Einbeziehung des bereits seit 1971 bestehenden "überparteilichen" Vereins "Deutsche Volksunion e. V." (DVU e. V ) als Wahlpartei gegründet. Der Berliner Landesverband der DVU war auch 1994 weiterhin bestrebt, seine organisatorische Basis mit der Gründung von Kreisverbänden, u. a. in den Bezirken Reinickendorf und Neukölln zu erweitern. Trotz dieser Bemühungen konnte eine Steigerung der politischen Aktivitäten nicht erreicht werden. Mit Ausnahme einer Flugblattverteilaktion im Januar ist die Berliner DVU öffentlichkeitswirksam nicht in Erscheinung getreten. Auch läßt die hohe Zahl von 2 - Politischer Extremismus - 111 knapp 700 (nominellen) Mitgliedern - die tatsächliche Zahl dürfte erheblich niedriger liegen - allein im Landesverband Berlin keine Rückschlüsse auf den Umfang der Parteiaktivitäten zu. Von den Mitgliedern wird in der Regel außer der Zahlung monatlicher Beiträge und dem Abonnement FREY'scher Zeitungen keine weitere Aktivität erwartet, so daß die DVU im wesentlichen eine Institution zur finanziellen und ideellen Unterstützung der Interessen ihres Mentors ist. 2.2.5.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 von Funktionären der "Deutschen Reichspartei" (DRP) und anderer rechtsextremistischer Parteien gegründete NPD konnte ihren Mitgliederbestand von bundesweit etwa 5 000 Personen Ende 1993 nicht stabilisieren und verfügte zum Jahresende 1994 nur noch über 4 500 Mitglieder. Auch der trotz wiederholter Ankündigungen insbesondere von Berliner Funktionären erhobene Anspruch, die personelle und organisatorische Basis erheblich zu erweitem, wurde nicht realisiert. Der Mitgliederbestand von kaum 100 Personen stagniert weiterhin. Es handelt sich um einen Kader überzeugter Parteimitglieder nahezu ohne Fluktuation. Der NPD-Landesverband Berlin-Brandenburg bzw. der hiesige Stadtverband organisierten 1994 elf Veranstaltungen. "Höhepunkte" waren dabei die von etwa 100 Personen besuchte traditionelle "Reichsgründungsfeier" im Januar 1994 und der 4. ordentliche Landesparteitag im Juni 1994, an dem ca. 25 Personen teilnahmen. Der NPD-Landesvorsitzende Thilo KABUS beklagte in seinem Rechenschaftsbericht die Schwierigkeiten seiner Partei bei der Suche nach geeigneten Veranstaltungsräumen. Zur Situation im Land Brandenburg erklärte er, es sei zwar gelungen, einige NPD-Stützpunkte zu gründen. Da die Mitglieder jedoch über das gesamte Bundesland verstreut seien, könne ein geordnetes Parteileben nicht stattfinden. Anläßlich der Europawahl am 12. Juni erhielt die NPD in Berlin 2 253 abgegebene gültige Stimmen (= 0,2 %). Dieses Ergebnis bestätigte erneut die Bedeutungslosigkeit der Partei. Die NPD trat zu den Bundestagswahlen 1994 nicht an. 2 - Politischer Extremismus - 112 2.2.5.3 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Der etwa 10 Personen umfassende Landesverband Berlin-Brandenburg der JN entwickelte im Jahr 1994 keine Aktivitäten. Die Herausgabe der bisher in unregelmäßigen Abständen erschienenen Jugendzeitschrift "Denkzettel" wurde eingestellt. Die Jungen Nationaldemokraten wählten auf ihrem Bundeskongreß am 3. September in Aßlar (Hessen) einen neuen Bundesvorstand. Der bisherige Stellvertreter, Holger APFEL (Niedersachsen), ist neuer Bundesvorsitzender. Der ehemalige Vorsitzende Andreas STORR (Berlin) hat das Amt des Stellvertreters übernommen. 2.2.5.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) / "Die Nationalen e. V." Seit dem Parteiausschluß seines ehemaligen Vorsitzenden Frank SCHWERDT im November 1993 hat der Landesverband BerlinBrandenburg der DLVH keine eigenen politischen Aktivitäten mehr entwickelt. Die politische Arbeit konzentrierte sich voll auf den ebenfalls von SCHWERDT geleiteten rechtsextremistischen Verein "Die Nationalen e. V.". Der im September 1991 gegründete Berliner Verein versuchte weiterhin, sich als Sammelbecken für Nationalisten anzubieten, enge Kontakte zu den Anhängern der verbotenen Neonazi-Organisationen zu knüpfen und diese für eine Mitarbeit zu gewinnen. "Die Nationalen e. V." haben 1994 ihre politische Arbeit auf das Land Brandenburg konzentriert und organisierten dort Mitgliederversammlungen, gemeinsame Treffen mit FAP-Angehörigen und Plakataktionen. Sie sollen jetzt etwa 100 Mitglieder haben. Der Verein kündigte im Oktober im "Thule-Netz" (rechtsextremistisches Mailbox-System) eine verstärkte Nutzung dieses Kommunikationssystems an. So sollen Artikel aus seinem Publikationsorgan "BerlinBrandenburger" eingespielt werden. Informationen könnten bei einem "Kommando F" über die Mailbox oder die Zeitung "Berlin-Brandenburger" angefordert werden. Im "Berlin-Brandenburger" vom Juli/August 1994 hatte sich ein "Kommando F" als Zusammenschluß "mitteldeutscher" Jugendlicher vorgestellt. Gemeinsam sei ihnen - obwohl sie unterschiedli- 2 - Politischer Extremismus 113 chen nationalen Jugend-Szenen angehörten - der revolutionäre Aspekt innerhalb ihres Kampfes. Am 3. Dezember 1994 demonstrierten "Die Nationalen e. V." in Weißwasser (Sachsen) unter dem Motto "Argumente statt Verbote - Meinungsfreiheit auch für Nationale". Es beteiligten sich etwa 70 Personen, darunter einige Angehörige des FAP-Landesverbandes Berlin. 2.2.5.5 "Die Republikaner" (REP)* Die wesentlichen öffentlichen Aktivitäten der Berliner REP beschränkten sich im Jahr 1994 auf die Durchführung von Landesparteitagen am 7. Mai und 10. Dezember, auf Informationsveranstaltungen sowie die Errichtung von Informationsständen und die Verteilung von Wahlbroschüren im Juni bzw. Oktober 1994. Daneben führten die Berliner REP im Februar 1994 eine gemeinsame Info-Veranstaltung der Kreisverbände Wilmersdorf, Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf im Rathaus Wilmersdorf zum Thema "Emigrationsbewegung und Bevölkerungsexplosion in der Welt von heute und ihre Auswirkungen auf Rußland und Deutschland" durch. Vor den Bundestagswahlen am 16. Oktober ist eine Broschüre der Berliner REP unter dem Titel "Zur Sache" erschienen. In der Schrift werden in ungewohnt offener Form die in Deutschland lebenden Ausländer angegriffen. Im Mittelpunkt des Parteitages am 10. Dezember standen der Rechenschaftsbericht des Landesvorsitzenden Dr. MÜLLER sowie die Neuwahl Nachbericht gem. SS 30 LfVG: Im Zusammenhang mit den im Verfassungsschutzbericht 1993 auf Seite 55 erwähnten eingeleiteten Strafverfahren gegen vier Fraktionsmitglieder der Partei "Die Republikaner" wandte sich einer der Betroffenen an das LfV Berlin, da er sich zu Unrecht mit Ausländerfeindlichkeit in Verbindung gebracht sah. Tatsächlich wurde das Verfahren wegen Volksverhetzung gegen drei der vier Betroffenen nicht wegen ausländerfeindlicher Äußerungen, sondern aufgrund der Diskriminierung von Homosexuellen in einem Schreiben an den Senator für Gesundheit eingeleitet. Zwischenzeitlich hat das Amtsgericht Tiergarten zwei der drei Angeklagten in diesem Verfahren wegen gemeinschaftlicher Volksverhetzung verurteilt, wogegen sie Berufung eingelegt haben. Das Verfahren gegen den dritten Mitangeklagten ist abgetrennt worden, da dieser verstorben seih soll. 2 - Politischer Extremismus - 114 des Landesvorstandes. In seinem Bericht ging Dr. MÜLLER auf den Beitrag im Jahresbericht 1993 über die REP des Berliner Verfassungsschutzes ein und bezeichnete ihn als harmlos. Damit könne die Partei leben. Den aktuellen Mitgliederbestand der Berliner REP bezifferte er mit 1 015 Personen. Einer schlechten Mitgliederentwicklung in den westlichen Bezirken stünden positive Zahlen in den östlichen Bezirken Berlins gegenüber. Hochburgen der Berliner REP seien Reinickendorf, Wedding, Marzahn und Hellersdorf. Bei den Wahlen zum Landesvorstand wurde der bisherige Landesvorsitzende Dr. MÜLLER wiedergewählt. In seinem Schlußwort beschwor Dr. MÜLLER die Einheit der Partei auf ihrem sozialpatriotischen Weg und sagte den REP bei den kommenden Berliner Wahlen ein Ergebnis zwischen 5 % und 7 % voraus. Den politischen Abwärtstrend der REP offenbarten erneut die Bundestagswahlen. Die REP waren als einzige Partei des "rechten Spektrums" in Berlin angetreten und kandidierte in allen 13 Wahlbezirken der Stadt. Sie blieb weit unter der 5 %-Marke und erreichte nur 36 645 der abgegebenen gültigen Zweitstimmen (1,9 %). Bundesweit entfielen auf die REP ebenfalls 1,9 % (875 175 Zweitstimmen). Am 22. September hat der Landesverband Berlin der REP wegen seiner Einstufung als rechtsextremistische Partei im Verfassungsschutzbericht 1993 gegen das Land Berlin Klage erhoben und Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gem. SS 23 VwGO gestellt. Die 26. Kammer des VG Berlin beschloß am 12. Oktober, den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen. In der Begründung heißt es u. a.: "... Die Einschätzung des Antragsgegners, die Tätigkeit der Partei 'Die Republikaner' sei jedenfalls teilweise eine Tätigkeit im Sinne der SSSS 5 Abs. 2 Nr. 1, 6 LfVG ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin nicht ohne Differenzierung mit den übrigen aufgeführten rechtsextremistischen Gruppierungen gleichgesetzt. Gliederung und Text des Verfassungsschutzberichtes 1993 machen vielmehr deutlich, daß auch der Antragsgegner trotz der grundsätzlichen Einschätzung der Antragstellerin als rechtsextrem diese nicht mit den übrigen in diesem Kapitel des 2 - Politischer Extremismus - 115 Verfassungsschutzberichtes genannten Gruppierungen gleichsetzt." Die Verhandlung in der Hauptsache steht noch aus. Die Situation der Gesamtpartei war 1994 durch ihren innerparteilichen Machtkampf gekennzeichnet, ausgelöst durch ein Treffen der Parteivorsitzenden der REP und der "Deutschen Volksunion" (DVU), Franz SCHÖNHUBER und Dr. Gerhard FREY, am 20./21. August. Der Meinungsaustausch sollte dazu dienen, die seit Jahren andauernden Differenzen auszuräumen und "der linken Volksfront eine rechte Abwehrkraft entgegenzusetzen". Die Zusammenkunft hat die REP in eine Zerreißprobe gestürzt und positive wie auch negative Reaktionen in den Landesverbänden ausgelöst. Als Reaktion auf den Annäherungskurs Franz SCHÖNHUBERS an die DVU hat der Bundesvorstand der REP auf einer Sitzung am 1. Oktober SCHÖNHUBER per Beschluß seines Amtes enthoben. In einer Presseerklärung des REP-Bundesvorstandes heißt es u. a., SCHÖNHUBER repräsentiere mit seiner Position nicht mehr die Partei und solle seinen politischen Weg außerhalb der Partei fortsetzen. Auf Antrag von SCHÖNHUBER verfügte die 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin in einer Verhandlung am 13. Oktober, daß der Beschluß des Bundesvorstandes der REP vom 1. Oktober auf Amtsenthebung des Parteivorsitzenden vorerst unwirksam sei. Das Gericht erklärte, nicht der Bundesvorstand, sondern nur eine Mitgliederversammlung hätte SCHÖNHUBER absetzen können. Außerdem sei der Vorstandsbeschluß vom 1. Oktober unwirksam, da in der Einladung zu dieser Sitzung die Absetzung SCHÖNHUBERS nicht ausdrücklich aufgeführt gewesen sei. Pressemeldungen vom 6. Dezember zufolge hat das bayerische Landesschiedsgericht SCHÖNHUBER wegen parteischädigenden Verhaltens erneut seines Amtes als Bundesvorsitzender enthoben. Diese Entscheidung sei am 4. Dezember gefallen. Danach soll das Bundesschiedsgericht der Partei SCHÖNHUBER wieder als Parteivorsitzenden eingesetzt haben. Die Führungskämpfe um Personen und politische Richtungen wurden auf dem Bundesparteitag am 17./18. Dezember in Sindelfingen (Baden-Württemberg) entschieden.* Der bisherige REPBundesvorsitzende Franz SCHÖNHUBER teilte in seinem Rechen- 2 - Politischer Extremismus - 116 Schaftsbericht den Verzicht auf eine erneute Kandidatur mit. Einen Vorschlag für seine Nachfolge machte er nicht. Weiterhin versuchte er, sein Treffen mit dem DVU-Bundesvorsitzenden, Dr. Gerhard FREY, am 21/22. August zu rechtfertigen. Er wolle die Kontaktaufnahme als eine Art "Waffenstillstand", nicht aber als organisatorischen Zusammenschluß verstanden sehen. Bei der Wahl des neuen Bundesvorsitzenden setzte sich der bisherige stellvertretende Bundesvorsitzende und SCHÖNHUBER-Widersacher, Dr. Rolf SCHLIERER, gegen zwei Mitbewerber, die dem SCHÖNHUBER-Lager zuzurechnenden Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt und Bayern, Dr. Rudolf KRAUSE und Wolfgang HÜTTL, durch. Der bisherige geschäftsführende stellvertretende Bundesvorsitzende und neben SCHLIERER exponierteste Widersacher SCHÖNHUBERS, Alexander HAUSMANN, erhielt keinen der fünf Stellvertreterposten. Der Parteitag hat keine Klarheit über den zukünftigen Kurs der REP - "Abgrenzung von rechtsextremistischen Parteien und Hinwendung zur bürgerlichen Mitte" oder "rechte Abwehrfront zusammen mit rechtsextremistischen Parteien" - gebracht. Aus Gründen der innerparteilichen Harmonie wurde dieses zentrale Thema nicht diskutiert. 2.2.6 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 2.2.6.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." Die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V.", der etwa 30 Mitglieder angehören, setzte auch 1994 ihre gruppenund parteiübergreifenden Aktivitäten fort und ist nach wie vor integrierendes Element innerhalb der rechtsextremistischen Szene Berlins. Der Verein organisierte 1994 dreizehn Veranstaltungen mit durchschnittlich etwa 80 Teilnehmern. Die zu den Vortragsveranstaltungen eingeladenen prominenten Referenten der rechtsextremistischen Szene behandelten u. a. Themen wie "Die Reichsgründung im Urteil von Marx und Engels" und "Weltpolitik und Deutschlands Zukunft". Die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." hattewie bereits in den letzten vier Jahrenfür den Volkstrauertag am 13. November eine "Heldengedenkfeier" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Brandenburg) 2 - Politischer Extremismus - 117 angemeldet, zu der von den Veranstaltern über 1 000 Teilnehmer erwartet wurden. Im Falle eines Verbotes empfahl die "Kulturgemeinschaft" die Teilnahme an den offiziellen Veranstaltungen der Kriegsgräberfürsorge. Außerdem schlug der ehemalige Bundesvorsitzende der zwischenzeitlich verbotenen "Wiking-Jugend e. V.", Wolfram NAHRATH (gleichzeitig Führer des WJ-Gaues Berlin/Preußen) vor, im Falle eines Verbots in Kleinstgruppen mehrere Friedhöfe zu besuchen und dort ggf. Kränze niederzulegen. Diese Aktionen sollten zur Dokumentation fotografiert werden. Die "Heldengedenkfeier" wurde von den Behörden in Brandenburg verboten. Diese Verbotsverfügung galt auch für jegliche Ersatzveranstaltung. Dank eines größeren Polizeiaufgebots blieb es im Raum BerlinBrandenburg weitgehend ruhig. Lediglich in Fürstenwalde wurden 22 Rechtsextremisten vorläufig festgenommen, als sie auf dem dortigen Soldatenfriedhof eine "Heldengedenkfeier" durchführen wollten. Im Berliner Bezirk Reinickendorf legte eine Gruppe von etwa 15 Mitgliedern und Anhängern der "Wiking-Jugend e. V." auf einem Soldatenfriedhof einen Kranz nieder. Die herbeigerufene Polizei stellte teilweise die Personalien fest und leitete gegen fünf Personen ein Verfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Im übrigen Bundesgebiet waren keine öffentlichen Versammlungen zu verzeichnen gewesen. 2.2.6.2 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V." (WJ) Die 1952 gegründete, in der Tradition der ehemaligen "Hitler-Jugend" (HJ) stehende und nach dem Führerprinzip organisierte "Wiking-Jugend e.V." (WJ) wurde am 10. November vom Bundesminister des Innern gem. Art. 9 GG i. V. m. SS 3 Abs. 2 Vereinsgesetz verboten. Die entsprechende Verbotsund Auflösungsverfügung ist dem WJ-"Bundesführer" in Berlin, Wolfram NAHRATH, und seiner Stellvertreterin, der "Bundesmädelführerin" Susan GESTRICH, in Baden-Württemberg am selben Tage übergeben worden. Unmittelbar danach wurden in Berlin und in neun weiteren Bundesländern Wohnungsdurchsuchungen durchgeführt, 2 - Politischer Extremismus - 118 bei denen zahlreiches neonazistisches bzw. rechtsextremistisches Propagandamaterial sichergestellt wurde. Bei den Durchsuchungen fand die Polizei militärähnliche Ausrüstungsgegenstände, wie Zelte, Tarnanzüge, Koppelschlösser und Stahlhelme. Darüber hinaus wurde auch das Vereinsvermögen beschlagnahmt. Grundlage für das Verbot war u. a. die Feststellung einer Wesensverwandtschaft der WJ mit dem Nationalsozialismus. Der WJ gehörten bundesweit etwa 400 Mitglieder an. Sie war die größte rechtsextremistische Jugendorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Der Gau Berlin der WJ hatte etwa 15 Anhänger. Die Berliner WJ-Formation trat bis zum Verbot nur mit wenigen, gemeinsam mit der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." organisierten Veranstaltungen in Erscheinung. Berliner WJ-Anhänger nahmen an dem traditionellen WJ-Pfingstlager in Hetendorf (Niedersachsen) im Mai teil. Unter dem Motto "Jugend will deutsche Zukunft" war bundesweit zu diesem Treffen eingeladen worden. In Berlin veranstaltete die WJ am 15. Oktober ein Fußballturnier, zu dem sich ca. 60 Personen einfanden. Am Rande der Veranstaltung fielen vier Personen der Polizei auf. Bei der Durchsuchung ihres Kraftfahrzeuges stellte die Polizei neonazistisches Propagandamaterial und eine Anleitung zum Bau von Sprengvorrichtungen fest. Bei den anschließenden Wohnungsdurchsuchungen konnte u. a. rechtsextremistisches Propagandamaterial sichergestellt werden. Bei einem der hier bereits bekannten Neonazis (Oliver W.) wurden in der Wohnung neben umfangreichem Propagandamaterial mehrere Rohrkörper mit Schwarzpulver und unbekannten Beimischungen sowie ein unbekannter Sprengstoff aufgefunden. Neben den Sprengmitteln konnten auch andere Gegenstände festgestellt werden/die zum Bau von Rohrbomben und Zeitzündern geeignet sind. Es erging Haftbefehl (s. o.). Im Oktober fand die Polizei bei vier jugendlichen Rechtsextremisten, die in einem Gemeinschaftshaus in Berlin-Buckow NS-Lieder und -Parolen gegrölt hatten, Propagandamaterial der WJ sowie der verbotenen NF. Bei anschließenden Wohnungsdurchsuchungen stellte die Polizei weiteres Propagandamaterial der WJ sowie Sturmhauben und Tarnmützen, einen Totschläger, Nebelwurfkörper und eine Übungshandgranate sicher. 2 - Politischer Extremismus - 119 2.2.7 Bewertung / Ausblick Die Verbotsmaßnahmen der vergangenen Monate sowie die Festnahmen und Wohnungsdurchsuchungen bei Berliner Neonazis in der jüngsten Zeit haben deutliche Spuren innerhalb der Neonazi-Szene hinterlassen. Die Strukturen der verbotenen Vereinigungen wurden zerschlagen. Beschlagnahmemaßnahmen und die Einziehung der Vermögen trafen die wirtschaftliche Basis der Vereinigungen. Mitgliedsbeiträge konnten nicht mehr erhoben werden. Versammlungen standen fortan unter der Strafandrohung des SS 20 Vereinsgesetz. Das bedeutet, die verbotenen Organisationen verloren ihre Anhängerschaft und die Möglichkeit, weiterhin Propaganda zu betreiben oder neue Interessenten zu gewinnen. Die Sorge vor weiteren Verboten und Exekutivmaßnahmen hat die Szene spürbar verunsichert und zu einem Rückgang spektakulärer Aktivitäten geführt. Die jüngste Verurteilung des führenden Neonazis und Koordinators der neonazistischen Szene der Bundesrepublik Deutschland, Christian WORCH, zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung wegen Fortführung der 1983 verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten" (ANS) könnte nach Rechtskraft des Urteils zu einer weiteren nachhaltigen Schwächung der Szene führen. Andererseits sind beim "harten Kern" der Neonazi-Szene Überlegungen fortgeschritten, organisationsunabhängige "autonome" Strukturen zu bilden, die mittels informationeller Vernetzung (Mailboxen; Infound Funktelefone u. ä.) miteinander verbunden sind. Folge des erheblichen Drucks staatlicher Stellen auf die Neonazi-Szene könnten konspirative Verhaltensmaßnahmen bis hin zur Untergrundtätigkeit von Neonazis sein. Das Feststellen von Handlungsanleitungen zum bewaffneten Kampf (Bau von Brandbomben und Sprengvorrichtungen) bei Neonazis, die vereinzelte Anwendung von Brandflaschen bei rechtsextremistischen Gewalttaten sowie die Sammlung von Personendaten über mißliebige Personen im Rahmen der Anti-Antifa-Arbeit sind deutliche Indizien dafür, daß einige Personen der Neonazi-Szene sich mit rechtsterroristischen Überlegungen befassen. Es besteht die Gefahr, daß militante Rechtsextremisten ihre politische Zukunft in terroristischer Gewalt suchen könnten. 2 - Politischer Extremismus - 120 Für einen rechtsextremistischen Terrorismus in Berlin gibt es bisher keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Unter Neonazis und militanten Skinheads ist jedoch weiterhin ein besonderes Interesse an Waffen und waffenähnlichen Gegenständen, wie Gasund Schreckschußwaffen, Luftgewehren, Schlagringen, ButterflyMessern, Eisenstangen, Baseballschlägern und Knüppeln feststellbar. Scharfe Schußwaffen fanden bisher keine Verwendung. Das schlechte Abschneiden rechtsextremistischer Parteien an Wahlen könnte angesichts der 1995 anstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin zu einer Bündelung rechtsextremistischer Aktivitäten mit dem Ziel der Bildung von Wahlbündnissen bzw. Wählergemeinschaften führen. Dabei ist eine partielle Zusammenarbeit mit Neonazis möglich. 2.2.8 Sonderthema: "Informationelle Vernetzung" Im Jahre 1992 wurde zum ersten Mal erkennbar, daß sich im Nahtbereich von Neonazigruppen und rechtsextremistischen SkinheadZusammenschlüssen eine Verflechtung herauszubilden begann. Solche Ansätze, die auch zu einigen Ermittlungsverfahren wegen Bildung von kriminellen und terroristischen Vereinigungen (SSSS 129 und 129a StGB) führten, hatten wegen der darin liegenden Gefahr der Potenzierung des aggressiv-kämpferischen Gewaltpotentials staatliche Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus, insbesondere die Verbote von acht rechtsextremistischen Vereinigungen durch die Innenminister des Bundes und einiger Länder, zur Folge. Darüber hinaus liefen Verbotsanträge der Bundesregierung nach Art. 21 Abs. 2 GG gegen die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und die Hamburger "Nationale Liste". Die zahlreichen staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus - neben den erwähnten Verboten rechtsextremistischer Vereinigungen wurden etliche Versammlungen verboten, es fanden Ermittlungsverfahren mit Hausdurchsuchungen, Razzien und Festnahmen statt - haben ihre Wirkung nicht verfehlt und zur Verunsicherung und Beeinträchtigung der rechtsextremistischen Szene beigetragen. 2 - Politischer Extremismus - 121 So konnten in diesem Jahre größere Aufmärsche von Rechtsextremisten in Deutschland anläßlich des "Gedenkens an Rudolf HEß" am 14. August und des "Heldengedenkens" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe am 13. November verhindert werden. Rechtsextremisten wichen daher am 14. August nach Luxemburg aus. Die dortige Polizei verhinderte jedoch größere Demonstrationen und ging gegen die anwesenden Rechtsextremisten (darunter keine Berliner) vor. Andererseits konnten die staatlichen Repressionsmaßnahmen trotz ihrer gravierenden Auswirkungen auf die organisierten Neonazis deren Aktivitäten nicht völlig unterbinden. Das aktive neonazistische Potential blieb erhalten und ist weiterhin bemüht, staatlichen Maßnahmen weniger Angriffsflächen zu bieten. Als Konsequenz aus dieser Lage setzt die neonazistische Szene ihre Bemühungen fort, neue taktische Konzepte zu entwickeln und neue Aktionsformen zu finden. Allgemein ist in der neonazistischen Szene die Tendenz erkennbar, im Interesse eines gemeinsamen Zieles die oft gegensätzlichen oder konkurrierenden Gruppeninteressen zu überwinden oder Differenzen zumindest zurückzustellen. In einer "Bewegung" nach Vorbild der Nationalsozialisten sollen organisatorisch ungebundene Aktivisten zusammenwirken, um dem Staat die Möglichkeit zu nehmen, mit Vereinsverboten Strukturen zu zerschlagen. Eine organisatorische "Vernetzung" wird nicht angestrebt. Die fehlenden organisatorischen Strukturen sollen jedoch durch eine "informationelle Vernetzung" unter Einsatz moderner technischer Mittel und der Möglichkeit einer zentralen Steuerung durch den Kreis der Führungspersonen ersetzt werden. Nachdem Linksextremisten seit Jahren neue Kommunikationstechniken intensiv nutzen, haben nun zunehmend auch Rechtsextremisten erkannt, daß der professionelle Einsatz moderner Medien neue Möglichkeiten der Information bietet. In letzter Zeit haben sich Rechtsextremisten vermehrt solcher Kommunikationsmittel (Einsatz von Faxgeräten, Datex-J [früher Btx], Mobiltelefonen, Funkgeräten und Infotelefonen) bedient, um eine organisati- 2 - Politischer Extremismus - 122 onsübergreifende Zusammenarbeit sicherzustellen ("informationelle Vernetzung"). Konventionelle organisatorische Verflechtungen werden ersetzt durch "informelle Gruppen", Zusammenschlüsse von Rechtsextremisten ohne formale Mitgliedschaft, gegründet und angeleitet von regional anerkannten Führungsfiguren, die untereinander - vergleichbar den Autonomen von links - maßgeblich durch kommunikative Medien zusammenwirken. Bundesweit existieren mehrere "Nationale Info-Telefone". In Berlin ist seit dem 6. Juni 1994 ein solcher Anschluß geschaltet. Der Sprecher des "Nationalen Info-Telefons Berlin" weist zu Beginn jeder Ansage darauf hin, der Anschluß sei nicht öffentlich und ein Mitschneiden des Textes untersagt. Zum Abschluß wird mitgeteilt, von den Teilnehmern des Info-Telefons könnten Neuigkeiten in Verbindung mit der Angabe der eigenen Telefonnummer übermittelt werden. Das "Nationale Info-Telefon Berlin" verbreitet Informationen über Aktionen sowie Ereignisse, die im Zusammenhang mit Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene stehen. Wiederholt meldete das "Nationale InfoTelefon Berlin" z. B. die geplante, später untersagte Veranstaltung am 13. November (Heldengedenkfeier) vor dem Soldatenfriedhof in Halbe. Die Behörden werden wegen ihres Vorgehens gegen "national gesinnte Bürger" kritisiert, stets stellt man Vergleiche mit den "geduldeten" Aktionen des politischen Gegners, den "Linken", an. Den Rechtsextremisten gelang es, solche Ansagedienste zu einem wichtigen Medium, insbesondere der Anti-Antifa-Szene, im Rahmen der seit geraumer Zeit betriebenen informationellen Vernetzung zu entwikkeln. Das "Nationale Info-Telefon Berlin" beendete das Jahr 1994 mit einer Sonderansage vom 31. Dezember. Darin heißt es u. a.: "Mit dem Jahr 1994 geht ein besonderes Kampfjahr für die nationale Szene zu Ende. Herausragendes Ereignis ist die Strafverschärfung gegen volkstreue Meinungsäußerungen. Mit dem Gesinnungsstraftatbestand Volksverhetzung ist die Meinungsund Wissenschaftsfreiheit entscheidend einge- 2 - Politischer Extremismus - 123 engt worden. Da die Gewährleistung dieser Grundrechte grundlegend für die Demokratie ist, wurde hiermit die Demokratie bedroht. Im Namen der Freiheit wurde eine geistige Unfreiheit geschaffen. Die wirklichen Demokraten im Sinne germanischer Volksherrschaft sind heute die nationalen Kräfte. Die ständigen Verbote nationaler Vereine und Versammlungen haben es aber endlich ermöglicht, die verschiedenen nationalen Strömungen zu bündeln und zu einem geschlossenen Vorgehen zu motivieren. Darüber hinaus haben die staatlichen Maßnahmen die notwendige geistige Radikalisierung der nationalen Szene bewirkt. Auch die letzten Zweifler in der Szene haben nunmehr geistig mit dem herrschenden System restlos abgeschlossen. Das Jahr 1995 wird die nationale Szene weiter voranbringen. Die Gewißheit, die Wahrheit und die Biologie weltanschaulich hinter sich zu wissen, möge der nationalen Arbeit einen großen Schub geben. Die geringe Zeit bis zum Machtwechsel muß jetzt zum Aufbau einer künftigen Führungselite benutzt werden." Im Dezember 1994 ist ein weiteres Info-Telefon in Berlin, nämlich ein Anschluß der REP-Fraktion der B W Charlottenburg, unter der Bezeichnung "Republikanisches Informationstelefon" bekanntgeworden. Bundesweit existieren darüber hinaus zahlreiche Mailboxen der Rechtsextremisten; in Berlin besteht bisher keine derartige Einrichtung. Die über die "Nationalen Info-Telefone" und Mailboxen abrufbaren Informationen sind ausschließlich solche, die aus Sicht der Rechtsextremisten nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Informationen, die den Sicherheitsbehörden oder den politischen Gegnern verborgen bleiben sollen, werden aus konkreten Anlässen bei persönlichen Begegnungen ausgetauscht oder über kurzfristig eingerichtete Info-Telefone nur an dort bekannte Anrufer weitergegeben. Plattformen, persönliche Kontakte aufzubauen oder zu verbessern, bieten - neben Einzelverabredungen - v. a. Gruppen, die organisationsübergreifend tätig sind. Dazu zählt der Kreis um das Ehepaar Curt und Ursula 2 - Politischer Extremismus - 124 MÜLLER in Mainz-Gonsenheim. Auf dem Grundstück der Eheleute finden sporadisch Veranstaltungen (z. B. HITLERs Geburtstag) statt. Ferner ist die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) zu nennen. Der von Ursula MÜLLER geleitete Verein stellt eine zentrale Kontaktstelle für Neonazis dar. Die Mitglieder neonazistischer Organisationen sind vielfach auch Angehörige der HNG. Eine vergleichbare Funktion übt die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." aus, die mit ihren Vortragsveranstaltungen Rechtsextremisten aller Schattierungen vereint und ihnen Gelegenheit zu Vorträgen bietet. 2 - Politischer Extremismus - 125 2.3 Ausländerextremismus 2.3.1 Einleitung Zu den gesetzlichen Aufgaben des LfV Berlin gehört u. a. die Beobachtung von "Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden" (SS 5 Abs. 2 Nr. 3 LfVG). Diese Formulierung, die sich gleichlautend in den Verfassungsschutzgesetzen des Bundes (SS 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfschG) und aller Länder findet, zielt auf Bestrebungen militanter ausländischer Gruppen oder Einzelpersonen, die nicht gegen die Grundlagen unserer Verfassungsordnung, sondern gegen die politischen Verhältnisse ihres Heimatstaates oder anderer Staaten gerichtet sind. Den eindeutigen Aufgabenschwerpunkt bildet die Beobachtung gewaltorientierter, terroristischer und staatsterroristischer Bestrebungen. Dazu zählen auch bestimmte geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte, die zum Ziel haben, Terroranschläge vorzubereiten bzw. durchzuführen oder Oppositionelle und Regimegegner auszuforschen oder zu bedrohen bzw. einzuschüchtern, in Einzelfällen sogar zu liquidieren. Träger terroristischer Gewalttaten im Bereich des "Ausländerextremismus" waren in der Vergangenheit u. a. palästinensische und islamischextremistische Terrororganisationen und Gruppen, die sich die Vernichtung des Staates Israel zum Ziel gesetzt haben und eine Lösung des Palästina-Problems auf dem Verhandlungswege strikt ablehnen. Zu erwähnen ist in diesem Bereich auch die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die gerade in jüngster Zeit in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen westeuropäischen Ländern zahlreiche Gewaltaktionen gegen türkische Konsulate und Einrichtungen, u. a. Brandanschläge und Besetzungen mit Geiselnahmen, durchgeführt und damit eindeutig die Schwelle zum Terrorismus überschritten hat. 2 - Politischer Extremismus - 126 Den höchsten Anteil von den 419 202 melderechtlich erfaßten Ausländern in Berlin stellten wie in den Vorjahren die 138 959 türkischen Staatsangehörigen (Stand: 31. Dezember 1994). Fernerwaren in Berlin etwa 73 000 Angehörige der Völker des ehemaligen Jugoslawiens sowie etwa 13 000 Bürger verschiedener arabischer Staaten melderechtlich erfaßt. Der Anteil der Ausländer, die extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen zuzurechnen sind, betrug 1994 mit etwa 3 640 Personen ca. 0,9 %. Diese im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Zahl erklärt sich zum einen aus einem leichten realen Zuwachs des extremistischen Potentials unter den in Berlin lebenden Ausländern, zum anderen aus der Korrektur vorhandener Zahlen infolge genauerer Informationen. Die folgende Darstellung konzentriert sich auf diejenigen Bestrebungen, von denen gegenwärtig die größte Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht. Dies sind im einzelnen: Islamisch-extremistische Araber- / Palästinenser Organisationen sowie andere gewaltorientierte palästinensische Gruppen, die gewaltorientierte "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), staatsterroristische und nachrichtendienstliche Aktivitäten des Iran sowie sonstige sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Iranern, gewaltorientierte linksextremistische türkische Gruppen und Organisationen. 2 - Politischer Extremismus * 127 Extremistische Ausländergruppen in Berlin Islamischextremistische Türkenorganisationen: 1700(47%) Islamischextremistische Rechtsextremistische Araber/Palästinenser: Türken: 600 (16%) 330 (9%) Li n ks extrem i sti sc he Türken: 290 (8%) Linksextremistische Araber/Palästinenser: 160 (4%) Regimetreue Iraner: 25(1%) 2 - Politischer Extremismus - 128 Extremistische Ausländergruppen in Berlin - Gesamtzahl: 3 640 Personen - Ideologische Nationalität Ausrichtung Linksextremistische Araber/Palästinenser Islamisch-extremistische 330 Araber/Palästinenser Regimetreue Iraner ) Oppositionelle Iraner Islamisch-extremistische Türkenorganisationen Rechtsextremistische Türken Linksextremistische Türken Kurden (PKK) 500 1000 2 - Politischer Extremismus - 129 Verteilung nach ideologischer Ausrichtung: islamisch-extremistische 2 090 Personen (57,4 %) Organisationen I linksextremistische Orga950 Personen (26,1 %) nisationen rechtsextremistische Or600 Personen (16,5 %) ganisationen Verteilung nach Nationalitäten: I türkische Organisationen 2 590 Personen (71,2%) Araber-/Palästinenser490 Personen (13,5%) Org. Kurden (PKK) 500 Personen (13,7%) Iraner 60 Personen ( 1,6%) 2 - Politischer Extremismus - 130 2.3.2 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Kurden Die Zahl der in Berlin lebenden Kurden wird auf 35 000 bis 50 000 Personen geschätzt, rund 90 % von ihnen sind türkische Staatsangehörige. Während sich die meisten in der Bundesrepublik Deutschland aktiven Kurden-Organisationen -hier sind v. a. die beiden der "Kurdistan-Front Irak" (KFI) angehörenden Parteien "Demokratische Partei Kurdistans-Irak" (DPK-Irak) und "Patriotische Union Kurdistans" (PUK) sowie "KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan" (KOMKAR) zu nennen - fast ausschließlich auf propagandistische Aktionen beschränken, ging die in der Türkei terroristisch operierende "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) auf deutschem Boden in der Vergangenheit und bis zu ihrem Verbot am 26. November 1993 wiederholt gewaltsam gegen türkische Einrichtungen vor und verübte zahlreiche Straftaten. Die auch nach dem Verbot ungebrochene Gewaltbereitschaft der PKK stellt nicht nur eine erhebliche Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik dar, sondern belastet auch in besonders starkem Maße das Verhältnis zwischen den hier lebenden Kurden und Türken. 2.3.2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Entstehung Die am 27. November 1978 offiziell gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wird von einem Zentralkomitee (ZK), dessen Beschlüsse für alle Parteiuntergliederungen verbindlich sind, geleitet. Als deren Generalsekretär und unumschränkter Führer amtiert seit ihrer Gründung Abdullah ÖCALAN. Die PKK stellt eine straff organisierte und konspirativ arbeitende Organisation dar, die sich fast ausschließlich aus türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit rekrutiert. 2 - Politischer Extremismus - 131 Die PKK verfügt über zwei internationale Teilorganisationen: Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) und die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK). Während die ARGK als militärischer Arm den bewaffneten Kampf in der Türkei führt, ist die ERNK auf internationaler Ebene für die Öffentlichkeitsarbeit der PKK zuständig. Die PKK ist als Partei "offiziell" nicht in Europa tätig. Ihre Aktivitäten gehen von ihrer internationalen Teilorganisation ERNK aus. Das Europa-ZK der ERNK befindet sich in Brüssel, die Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland werden von der ERNK-Zentrale in Köln gesteuert. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Zahl der Mitglieder und Anhänger der PKK auf etwa 7 500, in Berlin auf ca. 500 geschätzt. Ende Dezember 1993 wurde in Berlin-Kreuzberg ein neues kurdisches Kommunikationszentrum eröffnet, in dessen Räumen der einige Tage vor dem PKK-Verbot gegründete Verein "Deutsch-Kurdisches Kultur Zentrum (NAWCAKURD) in Berlin e. V." sowie verschiedene PKK-Nebenorganisationen und sonstige PKK-nahe Organisationen ihren Sitz haben. Der Verein NAWCAKURD ist als Berliner Mitgliedsverein der am 27. März 1994 gegründeten "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM) anzusehen, der bundesweit mehrere kurdische Vereinigungen angehören. Am 26. November 1993 hat der Bundesminister des Innern die Tätigkeit der PKK in der Bundesrepublik Deutschland untersagt und ihre Teilorganisationen, u. a. ERNK und FEYKA-Kurdistan, sowie deren Mitgliedsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Das Verbot der PKK führte zu Solidaritätsbekundungen verschiedener kurdischer Organisationen, die sich bisher von der PKK distanziert hatten. Zahlreiche deutsche Sympathisanten setzen sich für die Aufhebung des Verbots ein. Gegen die Verbotsverfügung des Bundesminister des Innern haben die vom Verbot betroffenen Organisationen Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben. 2 - Politischer Extremismus - 132 Das in Berlin vom PKK-Verbot betroffene "Kurdische Kulturzentrum BOTAN in Berlin e. V." hatte am 23. Dezember 1993 Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin-Charlottenburg gegen den Verbotsbescheid vom 26. November 1993 erhoben. Am 19. Juli 1994 hob das Gericht die vom Bundesinnenministerium ausgesprochenen Verbote gegen 21 kurdische Regionalvereinigungen (darunter auch das Kurdische Kulturzentrum BOTAN) bis zur endgültigen Entscheidung auf. Aktivitäten der PKK nach dem Verbot Trotz ihres Verbotes sind die PKK und ihre Nebenorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland unvermindert aktiv. Nachfolgend sind einige herausragende Beispiele von Aktivitäten der Berliner Mitglieder und Sympathisanten der PKK aufgeführt, wobei im Verlauf des Jahres 1994 immer deutlicher wurde, daß sich die PKK für die Durchführung ihrer Veranstaltungen verstärkt bemüht, unverdächtige Gremien oder Institutionen als Anmelder und vorgebliche Träger in Erscheinung treten zu lassen. Am 20. Februar 1994 führte die ERNK im Audimax der TU Berlin eine "Volksversammlung" durch. Bei den bis zu 600 Teilnehmern handelte es sich fast ausschließlich um Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK. Wie bei weiteren vergleichbaren Veranstaltungen waren auf der Bühne u. a. ein großformatiges Bild des PKK-Generalsekretärs Abdullah ÖCALAN und eine Fahne der ERNK angebracht. Breiten Raum in der Veranstaltung nahm ein etwa zweistündiger Videofilm mit einer Rede von Abdullah ÖCALAN ein, der von den Anwesenden mit großem Beifall bedacht wurde. Auch diese Form der Präsentation von Verbundenheitsbekundungen zur PKK gehört zu den immer wiederkehrenden Ritualen der von der ERNK veranstalteten "Volksversammlungen". In der aufgezeichneten Rede warf ÖCALAN der Bundesrepublik Deutschland vor, die türkische Regierung zu unterstützen; durch das PKK-Verbot habe sie eine feindliche Haltung gegenüber den Kurden eingenommen und stehe damit auf der "falschen Seite". Diesen Schritt werde sie eines Tages bereuen. Bei der PKK han- 2 - Politischer Extremismus - 133 dele es sich nicht um eine "terroristische Organisation", sondern um eine "Befreiungsbewegung", deren Ziel es sei, ihr Land zu befreien und nicht Menschen zu töten. Am 19. März 1994 kam es zu einer spontanen Protestkundgebung mit mehr als 800 Personen - nach Angaben des Veranstalters waren es etwa 2 000 - vor dem Haupteingang der Technischen Universität Berlin gegen die Untersagung einer für diesen Tag im Audimax der TU anläßlich des kurdischen NEWROZ-(Neujahrs-)Festes geplanten Veranstaltung der ERNK. Die Protestkundgebung nahm einen gewaltsamen Verlauf, als die Kleidung eines Kurden unter nicht geklärten Umständen in Brand geriet. Zwei weitere Kurden wurden bei dem Versuch, die Flammen zu ersticken, ebenfalls verletzt. Kurdische Jugendliche versuchten diese Situation auszunutzen, um eine Fahne der ERNK über dem Foyer des TU-Gebäudes anzubringen. Als diese Aktion durch die Polizei verhindert wurde, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei, in deren Verlauf 31 Polizeibeamte verletzt wurden. Sieben Gewalttäter wurden wegen schweren Landfriedensbruchs vorübergehend festgenommen, gegen fünf von ihnen wurde Haftbefehl erlassen. Auch im übrigen Bundesgebiet kam es wegen des Verbots geplanter Veranstaltungen anläßlich des kurdischen Newroz-Festes z. T. zu schweren Ausschreitungen, bei denen bundesweit über 90 Polizeibeamte verletzt wurden. Über 500 Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet und zahlreiche Haftbefehle erlassen. Am 22. März 1994 blockierten etwa 200 Kurden zeitweise die Autobahn in Höhe des ehemaligen Grenzkontrollpunktes Dreilinden. Die Demonstranten setzten Autoreifen in Brand und organisierten eine Sitzblockade auf der Fahrbahn. 101 Demonstranten (Männer, Frauen und Kinder) wurden vorläufig festbzw. in Gewahrsam genommen, gegen etwa 50 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Am 25. Juni 1994 fand in Frankfurt am Main eine Großdemonstration unter dem Motto "Für eine demokratische und politische 2 - Politischer Extremismus - 134 Lösung in Kurdistan" statt. Presseberichten zufolge bewegte sich die Teilnehmerzahl zwischen 50 000 und 100 000 Personen. Aus Berlin waren über 2 000 Mitglieder und Sympathisanten der verbotenen PKK einschl. ihrer Familienangehörigen in gemieteten Bussen und privaten Pkw zur Teilnahme angereist. Der tragische Tod des 16jährigen Kurden Halim DENER im Juni 1994 wurde von der PKK propagandistisch für ihre Agitation gegen die Bundesrepublik Deutschland als "Kriegsfeind Nr. 2" genutzt. DENER war in den Nachtstunden des 30. Juni 1994 von einer Zivilstreife der Polizei in Hannover zusammen mit etwa fünf Personen beim Plakatieren für die vom PKK-Verbot betroffene ERNK beobachtet worden. Bei dem Versuch seiner Festnahme hatte sich aus einer Dienstwaffe aus bisher noch nicht bekannter Ursache ein tödlicher Schuß gelöst. Bundesweit kam es in der Folge zu "Racheaktionen" gegen Polizeieinrichtungen. In Berlin gab es in den Bezirken Kreuzberg und Wedding mehrere Steinwürfe gegen Funkstreifenwagen der Polizei. Am 4. Juli 1994 demonstrierten aus Anlaß des Todes Halim DENERs nach Angaben der Polizei etwa 450, nach Angaben des Veranstalters, einer der Berliner autonomen Szene zuzurechnenden Gruppe, bis zu 2 000 Personen. Der als Trauermarsch bezeichnete Demonstrationszug setzte sich überwiegend aus Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK, zahlreichen Anhängern des deutschen linksextremistischen Spektrums und einigen Anhängern der linksextremistischen "Türkischen Kommunistischen Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) sowie deutschen Autonomen zusammen. Auf der Abschlußkundgebung wurde behauptet, der junge Kurde sei von dem Polizeibeamten gezielt von hinten erschossen worden. Die Bundesregierung wurde für diese Eskalation verantwortlich gemacht. Am 9. Juli 1994 fand in Hannover ein zentraler Trauermarsch aus Anlaß des Todes von Halim DENER statt. Nach Angaben der Polizei nahmen mehr als 16 000 Personen teil; aus Berlin waren etwa 1 500 Mitglieder und Sympathisanten der PKK angereist. Die Demonstrationsteilnehmer forderten auf Transparenten und in Sprechchören u. a. die Aufhebung des PKK-Verbots. 2 - Politischer Extremismus - 135 Am 24. September 1994 beteiligten sich etwa 1 300 Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK am "Halim DENER - 3. Internationales Kurdistan-Festival" in der niederländischen Stadt Landgraaf. An der von der ERNK initiierten Großveranstaltung sollen nach Angaben des Veranstalters über 100 000 Personen teilgenommen haben. Als realistisch wird die Zahl von etwa 50 000 PKK-Mitgliedern und Sympathisanten angesehen. Ursprünglich war als Veranstaltungsort des Kurdistan-Festivals das Niedersachsen-Stadion in Hannover vorgesehen. Als Anmelder trat der Kreisverband Hannover der PDS/Linke Liste auf. Die Polizei verbot die Durchführung der Veranstaltung, da nach ihrer Einschätzung die PKK hinter dieser Veranstaltung stand und mit strafbaren Handlungen zu rechnen war. Die militärischen Auseinandersetzungen der PKK mit der türkischen Staatsmacht spiegelten sich in einer Vielzahl von Veranstaltungen der Berliner Gliederung der PKK wider, wobei Demonstrationen häufig auch zu Auseindersetzungen mit der Polizei führten: Am 14. August 1994 beteiligten sich etwa 1000 Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK an einer Kulturveranstaltung aus Anlaß des 10. Jahrestages des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK in Kurdistan (15. August 1984), die in einem mit zahlreichen Fahnen von PKK und ERNK geschmückten Festsaal in Berlin-Wedding stattfand. Einige anwesende kurdische Jugendliche meldeten sich spontan für den Kampfeinsatz in Kurdistan. Am 22. Oktober 1994 nahmen an der Demonstration eines "Solidaritätskomitees Dersim" gegen "die Massaker des türkischen Staates in Dersim" etwa 1 000 Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK teil. In mehreren Städten der Bundesrepublik Deutschland fanden am gleichen Tage ähnliche Demonstrationen statt, die von sog. Solidaritätskomitees Dersim initiiert wurden, Vor Beginn der Veranstaltung kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeibeamten, als diese Fahnen und Embleme der ERNK beschlagnahmten. Einige De- 2 - Politischer Extremismus - 136 monstrationsteilnehmer bespritzten zwei Polizeibeamte mit Benzin und versuchten, sie anzuzünden. Im Verlauf des Aufzuges wurde ein Polizeibeamter in Zivil von Demonstrationsteilnehmern erkannt. Einige Demonstranten schlugen ihn nieder und wollten ihm seine Dienstwaffe entwenden. Dieses konnte durch das Eingreifen weiterer Polizeikräfte verhindert werden. Zwei Tatverdächtige wurden festgenommen. Am 26. Oktober 1994 wurde in London der Europa-Sprecher der ERNK, Kani YILMAZ, von der britischen Polizei festgenommen. YILMAZ sollte auf Einladung eines britischen Parlamentariers auf einer Veranstaltung der Labour Party sprechen. Die Bundesanwaltschaft hat am 31. Oktober 1994 Haftbefehl gegen Kani YILMAZ wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung erlassen und ein Auslieferungsersuchen an die britische Justiz übersandt. Als Reaktionen auf die Festnahme von YILMAZ beteiligten sich etwa 40 bis 50 Anhänger der PKK am 15. November 1994 an einer unangemeldeten Protestkundgebung vor der Außenstelle der britischen Botschaft in Berlin-Mitte. Drei Demonstranten durften das Botschaftsgebäude betreten und eine Resolution übergeben. Im Zusammenhang mit dem "1. Jahrestag" des PKK-Verbots in der Bundesrepublik Deutschland kam es am 26. November 1994 bundesweit zu Protestkundgebungen und Straßenblockaden, die z. T. gewaltsam verliefen. Bei den Auseinandersetzungen wurden einige Personen verletzt und zahlreiche Demonstranten vorübergehend festgenommen. Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken Seit Juni 1994 sind in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 15 Anschläge auf türkische Einrichtungen (Gebetshäuser, Vereinslokale, Restaurants, Reisebüros u. a.) verübt worden. Bisher konnte bundesweit keiner dieser Anschläge aufgeklärt werden, die Vermutungen über die Täter erstrecken sich von kriminellem Hintergrund (z. B. Drogenhandel 2 - Politischer Extremismus - 137 oder Schutzgelderpressung) über fremdenfeindliche Motive bis hin zu Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken. In Berlin kam es ab Anfang Juli in mehreren Fällen zu versuchten bzw. vollendeten Brandstiftungen. Der schwerste Anschlag betraf das Vereinslokal des Fußballclubs "Türk El Spor e. V." in Kreuzberg, bei dem sechs türkische Lokalgäste verletzt wurden, davon drei schwer. Darüber hinaus ist seit Frühjahr 1994 in Berlin eine Steigerung der Gewaltbereitschaft zwischen türkischen und kurdischen Jugendlichen zu beobachten. Als Ursache werden die Spannungen zwischen beiden Bevölkerungsgruppen in der Türkei angesehen, die hier beispielsweise ihren Ausdruck in der Zerstörung von PKK-Plakaten durch türkische Jugendliche fanden. 2.3.3 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Türken Von den über 1,9 Millionen türkischen Staatsbürgern in der Bundesrepublik Deutschland gehörten 1994 schätzungsweise 24 000 im Bundesgebiet aktiven extremistischen oder extremistisch beeinflußten TürkenOrganisationen an. Dieses Zahlenverhältnis spiegelt sich auch in etwa in Berlin wider. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes waren in Berlin am 31. Dezember 1994 138 959 türkische Staatsangehörige gemeldet. Davon werden etwa 2 600 Personen den extremistischen oder extremistisch beeinflußten türkischen Organisationen zugerechnet. 2.3.3.1 Linksextremistische Türken-Organisationen Überblick Bei den linksextremistischen Türken-Organisationen sind die gewaltorientierten Organisationen der türkischen Neuen Linken * "Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), 2 - Politischer Extremismus - 138 * "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP), * "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke), * "Devrimci Yol" (Revolutionärer Weg), * "Antifasist Genclik", für die Sicherheit Berlins von besonderer Bedeutung. Diesen Organisationen bzw. Gruppen werden bundesweit etwa 4 300 und in Berlin etwa 290 Personen (aktiver Kern) zugerechnet. 2.3.3.1.1 "Türkische Kommunistische Partei / MarxistenLeninisten" (TKP/M-L) Die 1972 in der Türkei gegründete TKP/M-L bekennt sich zum Marxismus-Leninismus nach dem inzwischen historischen Vorbild der kommunistischen "Partei der Arbeit Albaniens" (PAA). In der Bundesrepublik Deutschland ist die TKP/M-L seit 1974 aktiv. Hauptziel der TKP/M-L ist die proletarische Revolution, die sie durch den bewaffneten Kampf gegen den "Imperialismus" erringen will. Die Entwicklung der TKP/M-L ist seit Ende der 70er Jahre durch eine kaum überschaubare Zahl von Fraktionsbildungen und Abspaltungen geprägt. Streitigkeiten innerhalb der Partei, die zur Bildung von Fraktionen führten, haben jedoch kein Nachlassen der militanten Strategie der Partei in der Türkei oder in Europa bewirkt. In der Bundesrepublik Deutschland sind Anhänger aller Fraktionen der TKP/M-L aktiv. Die Fraktion TKP/M-L Partizan ist zahlenmäßig am stärksten und als die "eigentliche" TKP/M-L anzusehen. In Berlin sind die Anhänger der TKP/M-L Partizan in dem im Dezember 1973 gegründeten "Verein der Arbeiter aus der Türkei in Berlin e. V." (TID) mit Sitz im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg organisiert. Der TID ist Mitgliedsverein der "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V." (ATIF) und verfügt schätzungsweise über 50 Mitglieder. 2 - Politischer Extremismus - 139 Zur Stärkung der finanziellen Basis der Partei führt die TKP/M-L alljährlich Spendenkampagnen durch. Im Rahmen dieser Aktionen werden die Parteimitglieder und Sympathisanten aufgefordert, für die Partei mindestens einen Monatslohn oder den entsprechenden Gegenwert an Sachmitteln zu spenden. Die Partei bedient sich beim Eintreiben von Spendengeldern auch krimineller Methoden. 2.3.3.1.2 "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) Die 1990 gegründete und in der Türkei verbotene TDKP versteht sich als Avantgarde der organisierten Arbeiter türkischer und kurdischer Volkszugehörigkeit. Ihr Ziel ist, nach Realisierung der "national-demokratischen Volksrevolution" durch einen bewaffneten Volksaufstand eine marxistisch-leninistische Staatsordnung zu errichten. Die bundesweit etwa 800 Anhänger der TDKP sind in der "Föderation der Demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (DIDF) organisiert; der Berliner DIDF-Mitgliedsverein "Jugendund Kulturgemeinschaft Berlin e. V." (JKGB) verfügt schätzungsweise über 60 Mitglieder. Am 16. Dezember 1994 führte die DIDF im Haus der Kulturen der Welt in Berlin-Tiergarten eine Informationsveranstaltung zur "Situation in der Türkei" durch, an der sich etwa 200 Personen beteiligten. Im Mittelpunkt stand die Schilderung von Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und der dort wachsende Einfluß der islamistischen "Wohlstands-Partei", 2.3.3.1.3 "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Die seit März 1993 auch in Deutschland gewaltsam ausgetragenen Machtkämpfe zwischen dem "KARATAS"und dem "YAGAN"-Flügel der in der Bundesrepublik seit 1983 verbotenen "Devrimci Sol" setzten sich auch im Jahr 1994 fort. 2 - Politischer Extremismus - 140 Am 9. September 1994 nahm die französische Polizei Dursun KARATAS bei einer Grenzkontrolle an einem französisch-italienischen Grenzübergang vorläufig fest. Gegen ihn und seine Begleiter wurde Haftbefehl erlassen und ein Ermittlungsvefahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Der Generalbundesanwalt hatte bereits im Mai 1993 ein Ermittlungsverfahren gegen KARATAS u. a. wegen des Verdachts, als Anführer der "Devrimci Sol" Todesurteile gegen abtrünnige Mitglieder ausgesprochen und Tötungsbefehle erteilt zu haben, eingeleitet. Die Anhängerschaft KARATAS' reagierte auf seine Verhaftung bislang unerwartet verhalten. In Deutschland fanden bisher drei Demonstrationen seiner Anhänger vor französischen diplomatischen Vertretungen in Bonn und Düsseldorf statt. Im Oktober 1994 gründete der "KARATAS-Flügel" der "Devrimci Sol" die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP/-C), die künftig die Tradition des revolutionären Kampfes der "Devrimci Sol" fortsetzen soll. In Berlin wurde die Parteigründung anläßlich einer Veranstaltung der "Devrimci Sol" am 23. Oktober 1994 in einem Festsaal im Bezirk Kreuzberg mit über 200 Teilnehmern bekanntgegeben. Unter den Anwesenden befanden sich etwa 30 auswärtige Gäste sowie einige Deutsche. Am 15. Dezember 1994 besetzten etwa 30 Anhänger der DHKP/-C vorübergehend das Berliner Büro der französischen Nachrichtenagentur AFP. Die Besetzer gaben eine Erklärung ab, in der sie die Freilassung des Parteiführers Dursun KARATAS forderten. Es muß damit gerechnet werden, daß es trotz der Festnahme von KARATAS zu weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den konkurrierenden Flügeln der "Devrimci Sol" kommen wird. Einzelne Anhänger beider Fraktionen traten bisher auch bewaffnet in Erscheinung. Gezielte Anschläge gegen Einzelpersonen können nicht ausgeschlossen werden. 2 - Politischer Extremismus - 141 2.3.3.1.4 "Antifasist Genclik" Bei der 1989 gegründeten "Antifasist Genclik" ("Antifaschistische Jugend") handelt es sich um eine Gruppe von überwiegend jungen Türken sowie einigen Deutschen aus dem "Antifa-Bereich". Erklärtes Hauptziel der sog. Migrantlnnen-Gruppe ist die Bekämpfung des "Faschismus in der BRD nicht nur auf der friedlichen legalen Ebene, sondern auch mit Gewalt". Durch die bei der Gruppe latent vorhandene Gewaltbereitschaft reagieren deren Angehörige spontan aggressiv. Diese Unberechenbarkeit wird zuweilen selbst von deutschen Autonomen scharf kritisiert und abgelehnt. "Antifasist Genclik" ist, insbesondere nachdem sie in der Öffentlichkeit mit der Tötung des Vorstandsmitgliedes der "Deutschen Liga für Volk und Heimat", Gerhard KAINDL, am 4. April 1992 in Verbindung gebracht wurde, nur noch gemeinsam mit anderen Gruppen durch Flugblätter, v. a. gegen das Ermittlungsverfahren im Mordfall KAINDL, öffentlich in Erscheinung getreten. Der am 20. September 1994 vor dem Landgericht Berlin eröffnete Prozeß gegen sieben Tatverdächtige endete am 15. November 1994 mit der Verurteilung von drei Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu Haftstrafen von jeweils drei Jahren. Bei zwei jüngeren Angeklagten wurde der Vollzug kürzerer Jugendstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Zwei weitere Angeklagte wurden freigesprochen; einen von ihnen hielt das Gericht wegen ihm attestierter Schizophrenie für schuldunfähig. Der ursprünglich erhobene Tatvorwurf des gemeinschaftlich begangenen Mordes wurde nach dem Ergebnis der Beweiserhebung nicht mehr aufrecht erhalten. 2.3.3.2 Extrem-nationalistische Türken-Organisationen 2.3.3.2.1 "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) und "Partei der Großen Einheit" (BBP) Die von Alparslan TÜRKES geführte "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) war bis zu ihrer Spaltung Anfang 1993 das Sammelbecken 2 - Politischer Extremismus - 142 der extrem-nationalistischen Kräfte in der Türkei. Die ehemaligen innerparteilichen Gegner TÜRKES' formierten sich unter der Führung von Muhsin YAZICIOGLU zur ebenfalls extrem-nationalistisch einzuschätzenden "Partei der Großen Einheit" (BBP). Beide Parteien sind nationalistisch, antikommunistisch und antisemitisch orientiert. Zu ihren Zielen gehört der Aufbau einer "Groß-Türkei" und die "Beherrschung der Welt durch die türkisch-islamische Zivilisation". Während die MHP jedoch eher säkular eingestellt ist, finden sich bei der BBP auch verstärkt religiöse Tendenzen. 2.3.3.2.2 "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BUD) und "Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) Bis zur Spaltung der MHP in der Türkei war der in Berlin an den Zielen dieser Partei orientierte "Große Ideale Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BUD) das wesentlichste Sammelbecken der hier lebenden extrem-nationalistischen Türken. Zeitgleich zur Spaltung der MHP in der Türkei kam es auch in Berlin zu einer Spaltung der Anhängerschaft des BUD. Die hiesigen Anhänger TÜRKES' gründeten die "Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB). Der BUD vertritt seitdem die Ziele der von der MHP abgespaltenen "Partei der Großen Einheit" (BBP). Gemeinsam verfügen die beiden Berliner "Idealistenvereine" über etwa 600 Mitglieder. Für Großveranstaltungen konnte in der Vergangenheit jedoch ein Mehrfaches des Anhängerpotentials mobilisiert werden. Zwischen den Angehörigen des BUD und des TÜB kam es am 25. September 1994 zu tätlichen Auseinandersetzungen vor und im Vereinssitz des BUD in Berlin-Wedding. Anlaß der Tätlichkeiten war der Anspruch beider Vereine, die Räumlichkeiten des BUD für ihre Aktivitäten zu nutzen. Am 3. September 1994 gab der BUD anläßlich einer Pressekonferenz die Gründung einer neuen Föderation mit dem Namen "Avrupa Nizam'i 2 - Politischer Extremismus - 143 Alem Federasyonu" (ANF) (sinngemäß: "Föderation für eine allgemeingültige, gottgefällige Ordnung in Europa") mit dem vorläufigen Sitz in den Vereinsräumen des BUD bekannt. Die ANF orientiert sich an der türkischen BBP. 2.3.3.3 Islamisch-extremistische Türken-Organisationen 2.3.3.3.1 "Wohlstandspartei" (RP) Die Mehrzahl der islamisch-extremistischen Türken orientiert sich heute an der türkischen "Wohlstandspartei" (RP) unter der Führung von Necmettin ERBAKAN. Die RP ist seit 1984 Nachfolgepartei der 1973 von ERBAKAN gegründeten "Nationalen Heilspartei" (MSP). Die seit 1987 offiziell unter ERBAKANs Vorsitz stehende RP ist eine nationalistisch ausgerichtete islamisch-fundamentalistische Partei, deren Hauptziel die Errichtung einer islamischen Staatsordnung in der Türkei ist. 2.3.3.3.2 "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT) Die das Gedankengut der MSP/RP vertretenden islamistischen türkischen Gruppen gingen am 20. Mai 1985 in der "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." - Avrupa Milli Görüs Teskilatlari - (AMGT) auf. Aufgabe und Ziel der AMGT ist die Unterstützung der RP bei dem Bestreben, in der Türkei auf parlamentarischem Wege eine türkischislamische Republik zu errichten. Am 13. November und 23. Dezember 1994 organisierte die Berliner Gliederung der AMGT im "Haus am Köllnischen Park" bzw. im Audimax der Technischen Universität Berlin Großveranstaltungen mit 1 200 bzw. 4 000 Teilnehmern. Die Anwesenden wurden aufgefordert, den Islam nicht nur auf religiöser, sondern auch auf weltlicher Ebene zu verbreiten. Durch eine verstärkte Einbürgerung von Muslimen könnten sich die Möglichkeiten ergeben, den Islam auch in den westlichen Staaten zu verbreiten. Hierbei ruhten die Hoffnungen des Verbandes besonders auf der Jugend. 2 - Politischer Extremismus - 144 2.3.3.3.3 "Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V. Köln" (ICCB) Die Anhänger des iran-orientierten Flügels der türkischen Islamisten schlössen sich 1984 unter der Leitung von Cemaleddin KAPLAN* (genannt "der türkische KHOMEINI") in Köln zum "Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V. Köln" ("Islami Cemiyet ve Cemaatler Birligi" - ICCB) zusammen. Vorrangiges Ziel des ICCB ist die Beseitigung des gegenwärtigen, kemalistisch geprägten und säkular ausgerichteten Staatssystems in der Türkei. Das zu schaffende Staatssystem soll sich am Vorbild des Iran orientieren. Der ICCB lehnt - im Gegensatz zur AMGT - die Schaffung eines islamischen Staatsgefüges auf parlamentarischem Wege ab, ebenso jegliche Zusammenarbeit mit der "Wohlstandspartei" ERBAKANS oder der AMGT. Für KAPLAN und seine Anhänger ist die Demokratie "eine Ordnung des Unglaubens", eine dem Wesen des Islam fremde und "von Juden erdachte Intrige", die nur Uneinigkeit und Zersplitterung herbeiführe. Weitergehend zielt der Verband darauf ab, den Islam nicht nur in der Türkei, sondern weltweit als Staatssystem mit dem Ziel einer Weltherrschaft, zumindest der Errichtung eines islamischen Großreiches durchzusetzen. Zur Durchsetzung seiner politischen Ziele fordert der Verband zum Jihad, dem Heiligen Krieg auf. In Berlin bezeichnen sich das "Muslimen Treffund Kulturzentrum e. V." mit Sitz in Berlin-Tiergarten und die "Mehmet Akif Moschee e. V." mit Sitz in Berlin-Wedding öffentlich als Berliner Repräsentanz des ICCB. Nach Angaben eines Angehörigen der Mehmet Akif Moschee umfaßt die Anhängerschaft des ICCB in Berlin "500 Familien". Cemaleddin KAPLAN starb Mitte Mai 1995 in Köln. 2 - Politischer Extremismus - 145 2.3.3.4 Ausblick Eine Gefährdung der inneren Sicherheit geht derzeit hauptsächlich von den gewaltorientierten linksextremistischen Türken-Organisationen in Berlin aus. Die Richtungskämpfe innerhalb der TKP/M-L in der Türkei haben ihren Niederschlag auch in den organisatorischen Verästelungen der Partei in der Bundesrepublik Deutschland gefunden. Eine Separierung der vorhandenen örtlichen Einflußsphären der Partei ist festzustellen. Dies birgt für die Zukunft die Gefahr gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen den vorhandenen Strömungen. Keine Änderung hat sich an dem Bestreben der einzelnen Fraktionen der TKP/M-L ergeben, die Finanzierung der Partei auch mit kriminellen Mitteln, so z. B. der Spendengelderpressung, sicherzustellen. Ein Versuch der Spendengelderpressung von Angehörigen des TKP/M-L-Flügels "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) in einer Gaststätte in Germersheim endete im Dezember 1994 mit dem Tod von drei der vier bewaffneten Erpresser bei einem Schußwechsel mit einem türkischen Gast und der Polizei. In Berlin gab es 1994 keine derartigen Vorfälle. Die in Berlin festzustellenden sicherheitsgefährdenden Aktivitäten der "Devrimci Sol" bzw. der DHKP/-C zeigen deutlich, daß die hiesige Anhängerschaft nach wie vor handlungsfähig und gewaltbereit ist. In Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung um den inhaftierten Dursun KARATAS ist mit weiteren gewaltorientierten Aktionen in Berlin zu rechnen. Bei den extrem-nationalistischen Türken-Vereinigungen, die sich über Jahre hinweg entsprechend den Anweisungen ihrer Führung gesetzestreu verhalten hatten, war in jüngster Zeit -wohl auch als Folge der Spaltung und der damit verbundenen internen Zwistigkeiten - eine Zunahme der Gewaltbereitschaft festzustellen. Die islamisch-extremistischen Türken-Organisationen in Berlin können insbesondere wegen ihrer Kontakte zu anderen islamisch-extremistischen bzw. terroristischen Araberoder Palästinenserorganisationen wie 2 - Politischer Extremismus - 146 der "Muslimbruderschaft" und der HAMAS ebenfalls ein Sicherheitsrisiko darstellen, obgleich sie bisher im Hinblick auf die innere Sicherheit Berlins nicht mit nennenswerten Aktivitäten in Erscheinung getreten sind. 2.3.4 "Muslimbruderschaft" (MB) Die 1928 von Hassan AL BANNA (1906 bis 1949) in Ismailija/Ägypten gegründete sunnitisch-extremistische "Muslimbruderschaft" (Al Ikhwan Al Muslimun) ist die älteste und bis heute wichtigste militant-islamische Gruppierung. In Deutschland haben sich die Muslimbrüder u. a. in Aachen, Köln und München organisatorische und spirituelle Zentren geschaffen. Am 374. September 1994 fand in Basel/Schweiz die "3. Konferenz für die Einheit des Islams in Europa" mit etwa 1 500 Teilnehmern aus Ägypten, Iran, Kuwait, Libyen, Pakistan, Saudi Arabien und der Türkei statt. Hauptthema der Konferenz war die Gründung eines "Islamischen Parlaments" mit Sitz in Bonn. Zweck dieser Einrichtung solle die Unterstützung der Muslime in den westeuropäischen Ländern bei der Erlangung ihrer Rechte sein. Der Westen betrachte den Islam als terroristische Religion, nationalistische Tendenzen in den westeuropäischen Ländern behinderten die Muslime in der Ausübung ihrer Kultur. Diese Probleme könnten nur durch ein "Islamisches Parlament" gelöst werden. Derzeit existieren im Bundesgebiet zwei Hauptgruppen der "Muslimbruderschaft" mit insgesamt etwa 500 Mitgliedern, die in verschiedenen regionalen islamischen Zentren aktiv sind. Die größere und bedeutendere dieser Gruppen ist die 1980 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V." (IGD), die unter starkem Einfluß des ägyptischen Zweiges der Muslimbruderschaft stehen soll. Ihr Hauptsitz ist das "Islamische Zentrum in München" (IZM). Die zweite wesentliche Gruppe, die "Islamischen Avantgarden", wurde Anfang der 80er Jahre von dem aus Syrien ins deutsche Exil geflohenen Leiter des "Islamischen Zentrum in Aachen" (IZA) ins Leben gerufen. Grund für diese organisatorische Trennung waren interne Konflikte innerhalb des syrischen Zweiges der Muslimbruderschaft. Der Aktionsradius der "Avantgarden" ist auf Westeuropa beschränkt. 2 - Politischer Extremismus - 147 Die Berliner Regionalvertretung der "Muslimbruderschaft" In Berlin existiert seit längerer Zeit eine Regionalvertretung der "Muslimbruderschaft", deren Strukturen sich kaum verändert haben. Die Berliner Muslimbrüder sind in unterschiedlichen Vereinen und Moscheen organisiert. Als Berliner Kontaktadresse der "Muslimbruderschaft" fungiert die "Islamische Föderation in Berlin", ein Dachverband in Berlin ansässiger islamischer Vereinigungen und Moscheen. Eine Moschee in Berlin-Schöneberg wird jeweils sonntags gleichermaßen von Muslimbrüdern und HAMAS-Anhängern zum Gebet aufgesucht und ist ein Zentrum politischer Agitation für die militanten Ziele der HAMAS und der Gegner des Gaza-Jericho-Abkommens. Ausblick Die Muslimbrüder sind heute Synonym für eine weitreichende Entwicklung im arabischen Raum, deren Auswirkungen auf Europa durch ihre vielfältigen Vernetzungen erst in Ansätzen einschätzbar sind. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die bevölkerungspolitischen Probleme in den Ursprungsländern und unter Teilen der in Europa lebenden Muslime nehmen zu, als Zuflucht und Alternative bleibt häufig nur der Glaube und damit die Anfälligkeit für die Parolen religiöser Fanatiker. Das damit verbundene Konfliktpotential bedroht langfristig auch die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und Berlins. 2.3.5 Islamisch-extremistische Araber-Organisationen 2.3.5.1 "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Seit Beginn der "Intifada" ist die HAMAS durch zahlreiche Gewalttaten in Erscheinung getreten. Der Aktionsrahmen reicht von Entführungen, Bombenanschlägen, Morden bis hin zu Sabotageaktionen gegen Israel. 2 - Politischer Extremismus - 148 Den militärischen Arm der HAMAS bilden die Kommandos der "Ezz AlDin Al-Kassem-Brigade". Außerhalb der von Israel besetzten Gebiete ist die HAMAS bisher nicht mit Gewalttaten in Erscheinung getreten. Bemerkenswert ist aber, daß die Organisation in den letzten Jahren in Europa, u. a. in Deutschland, erfolgreich Anstrengungen zum Aufbau von Strukturen unternommen hat. * In Deutschland versteht sich der von Vertretern der "Muslimbruderschaft" 1982 in München gegründete "Islamische Bund Palästina" (IBP) als Vertreter der islamischen Widerstandsbewegung HAMAS. ' Seit einiger Zeit schlagen die Redner bei Veranstaltungen der HAMAS in Deutschland zunehmend radikalere Töne an. Sie schließen eine Ausweitung der Gewaltaktionen auf Deutschland nicht mehr aus. Die HAMAS in Berlin Die HAMAS ist auch in Berlin unter der Bezeichnung "Islamischer Bund Palästina" aktiv. An der Technischen Universität Berlin stellt die HAMAS mittlerweile die stärkste Studentengruppe unter den Palästinensern, deren Anhänger sich zum sog. Freitagsgebet in der "TU-Ersatzmoschee" zusammenfinden - inzwischen eine der zentralen Anlaufstellen der Berliner HAMAS-Anhängerschaft. Darüber hinaus werden weitere Moscheen in Berlin als Trefforte dieses Personenkreises für Gebetstreffen und politische Schulungen genutzt. Die Berliner HAMAS-Anhängerschaft hat in relativ kurzer Zeit eine gut funktionierende konspirative Struktur aufgebaut. Die vorliegenden Informationen lassen den Schluß zu, daß die HAMAS-Aktivitäten in Deutschland in den letzten Jahren in Übereinstimmung mit der "Muslimbruderschaft" erfolgten und die Aktivitäten beider Organisationenzumindest in Deutschland - eng miteinander verknüpft waren. 2 - Politischer Extremismus - 149 Öffentliches Auftreten der HAMAS in Berlin Als Reaktion auf das Massaker in der Ibrahim-Moschee in Hebron am 25. Februar 1994 führte die HAMAS gemeinsam mit türkischen Fundamentalisten am 27. Februar 1994 in Berlin eine Demonstration mit über 2 000 Teilnehmern durch. Am 18. Dezember 1994 fand in der Alten Mensa der TU-Berlin eine weitere Veranstaltung der HAMAS statt. Unter den 500 bis 700 Teilnehmern befanden sich auch einige Vertreter der "Hizb Allah". Im Versammlungraum waren neben einem Bild der AL-AQSA-Moschee Transparente mit folgende Parolen angebracht: "Wir geben unser Leben für Dich" (Unter dem Bild des religiösen Führers der HAMAS, Ahmed YASSIN) "Kampf bis zum Tod" "Tod dem Verräter ARAFAT" Als Hauptredner ergriff ein HAMAS-Funktionär das Wort. Seine Rede wurde mit frenetischen Zurufen, wie "Allah ist groß" oder "Tod den Juden" begleitet. Zu Beginn seiner Rede erinnerte er daran, daß alle Kämpfer ihre Kraft aus dem Glauben an einen Sieg der islamischen Sache schöpften. Mit Steinen und Messern habe man begonnen, jetzt sprächen richtige Waffen. Die Intifada müsse unter allen Umständen fortgesetzt werden, auch wenn "ARAFAT und seine Bande" versuchten, die Intifada zu schwächen. ARAFAT habe das Massaker am palästinensischen Volk geplant. Er wolle eine Spaltung des palästinensischen Volkes. Die HAMAS werde diesem Kampf nicht ausweichen. Die HAMAS sei überall und jederzeit in der Lage, den Kampf zu führen. Ausblick Trotz der verhältnismäßig kurzen Aufbauphase ist die HAMAS in Berlin bereits in der Lage, kurzfristig für ihre Ziele neben ihrer eigenen Anhängerschaft auch eine große Zahl von Mitgliedern und Anhängern anderer islamisch-extremistischer Organisationen zu mobilisieren. 2 - Politischer Extremismus - 150 Mittlerweile genießt die HAMAS in Berlin auch bei den "traditionellen" Palästinenserorganisationen besonderen Respekt. Während noch vor etwa einem Jahr die Aktivitäten der HAMAS ohne größeres Interesse verfolgt wurden, mußten sämtliche in Berlin ansässigen Palästinenserorganisationen den hohen Stellenwert, den die HAMAS mittlerweile in Berlin hat, anerkennen, auch wenn deren religiöse und politische Anschauungen von ihnen nicht geteilt werden. Insbesondere die hohe Teilnehmerzahl bei der Demonstration am 27. Februar 1994 hat diesen Organisationen vor Augen geführt, wie sich die Sympathien zwischenzeitlich verschoben haben. 2.3.6 Sonstige Palästinenser-/Araber-Organisationen in Berlin (einschl. "Ablehnungsfront") Überblick In Berlin leben derzeit 13 000 Angehörige arabischer Staaten sowie einige Tausend - z. T. illegal aufhältliche - Palästinenser. Im Vergleich zu diesen Zahlen ist das extremistische Kernpotential unter den Arabern einschl. der Palästinenser verhältnismäßig gering und bei einer gewissen Fluktuation mit schätzungsweise unter 500 Personen in den letzten Jahren annähernd gleichgeblieben. Aufgrund des Gaza-Jericho-Abkommens zeichnet sich in Berlin eine Spaltung der Palästinenser ab. Der vorwiegend unter den "FATAH"Anhängern zu beobachtenden Friedensbereitschaft steht eine wachsende Radikalisierung bzw. Gewaltbereitschaft derjenigen Organisationen gegenüber, die dem erzielten Kompromiß ablehnend gegenüberstehen (sog. Ablehnungsfront). Hierzu zählen u. a. die folgenden Organisationen: * "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP), * "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC), * 2 - Politischer Extremismus - 151 "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) - radikaler HAWATMEH-Flügel, "ABU-NIDAL-Organisation" (ANO), "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS), "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PIJ), "Hizb Allah". 2.3.6.1 "Al Fatah" Die 1959 gegründete FATAH unter Führung von Yassir ARAFAT ist die zahlenmäßig stärkste Mitgliedsorganisation der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO). Von ihrem erklärten Ziel, der Befreiung Palästinas durch Zerstörung des Staates Israel und der Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates, hat die FATAH aufgrund der erzielten Ergebnisse bei den Nahost-Friedensverhandlungen Abstand genommen. Die Berliner Gliederung der FATAH verhält sich mit ihren etwa 100 Mitgliedern seit längerem weitgehend inaktiv. Zwar versuchten führende Funktionäre der FATAH insbesondere nach dem Zustandekommen des Abkommens für den erzielten Kompromiß zu werben, doch ist dieser Aktionismus wohl auch von der Furcht geprägt, daß die Mitglieder der Berliner FATAH-Gliederung zu den palästinensischen islamischen Organisationen abwandern könnten, zumal die an den Berliner Hochschulen aktiven palästinensischen islamischen Organisationen starken Zulauf verzeichnen. Dennoch wird von diesem Personenkreis v. a. bei einem positiven Verlauf der politischen Entwicklung im Nahen Osten kaum noch eine Gefahr ausgehen. 2 - Politischer Extremismus - 152 2.3.6.2 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Die 1967 gegründete PFLP unter Leitung von Dr. George HABBASH (Sitz: Damaskus), die in der Vergangenheit mit deutschen terroristischen Gruppen zusammengearbeitet hat und deren Berliner Gruppe etwa 25 Palästinenser angehören, lehnt sämtliche Verhandlungen mit der israelischen Regierung konsequent ab. Führende Funktionäre der Organisation bekräftigten auch 1994 diese Haltung, wobei die 1993 festgestellte Annäherung an die HAMAS in Berlin über das Anfangsstadium nicht hinausgegangen ist. Trotz massiver Drohungen gegen das Friedensabkommen konnten bisher keine Gewalttaten der PFLP zugeordnet werden. 2.3.6.3 "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) Die DFLP ist in Israel und den von Israel besetzten Gebieten durch zahlreiche Terrorakte in Erscheinung getreten. In der Bundesrepublik Deutschland sind Terrorakte von der DFLP bisher nicht durchgeführt worden. Die 1969 gegründete Organisation unter Leitung von Nayef HAWATMEH ist seit etwa 1991 in einen eher gemäßigten und einen radikalen Flügel gespalten. Während der gemäßigte Flügel um Yassir Abd RABBO die mit Israel erzielte Kompromißlösung unterstützt, lehnt der radikale Flügel um HAWATMEH diese ab. Die in Berlin mit etwa 30 Mitgliedern (bundesweit ca. 150) bestehende Gliederung der DFLP ist 1994 nicht nennenswert in Erscheinung getreten. Eine von diesem Personenkreis ausgehende Sicherheitsbedrohung ist derzeit als gering einzuschätzen. 2.3.6.4 "Volksfront für die Befreiung Palästinas - General Command" (PFLP-GC) Die 1968 gegründete PFLP-GC unter Leitung von Ahmed JIBRIL mit Sitz in Damaskus zählt zu den aggressivsten palästinensischen Terrororgani- ; 2 - Politischer Extremismus - 153 sationen. Sie zeichnete für zahlreiche Terrorakte in Israel und den von Israel besetzten Gebieten sowie in Westeuropa verantwortlich. Die PFLP-GC gehört zu den entschiedensten Gegnern von Friedensverhandlungen mit Israel. Ahmed JIBRIL hat inzwischen mit der Tötung ARAFATS gedroht. * Im Bundesgebiet und in Berlin verfügt die PFLP-GC nur über Einzelmitglieder. 2.3.6.5 "ABU-NIDAL-Organisation" (ANO) Die 1974 als Abspaltung von der FATAH hervorgegangene ANO unter Führung von Hassan Sabri AL BANNA alias ,Abu NIDAL" - die sich selbst als "FATAH-Revolutionsrat" bezeichnet - hat ihre Hauptstützpunkte in Libyen und Libanon. Die ANO gehört zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Seit ihrem Bestehen hat sie für zahlreiche Terrorakte, u. a. in Westeuropa, verantwortlich gezeichnet. Die Anhänger der ANO gehören zu den entschiedensten Gegnern von Friedensverhandlungen mit Israel und lehnen jeglichen Kompromiß mit Israel ab. Die ANO trat in der Vergangenheit mehrfach mit Anschlägen gegen führende PLO-Funktionäre in Erscheinung. In der Vergangenheit verfügte sie in Berlin über keine Organisationsstrukturen. In den letzten Jahren sind nur Einzelmitglieder bekanntgeworden. Allerdings hat die ANO in jüngster Zeit versucht, in Deutschland neue Strukturen aufzubauen. 2.3.6.6 "Hizb Allah" Die "Hizb Allah" ist in den letzten Jahren durch eine Reihe von Sprengstoffanschlägen und Entführungsaktionen in Erscheinung getreten. Die 1982 unter maßgeblicher Mithilfe von iranischen Geistlichen und Revolutionswächtern im Libanon entstandene Organisation strebt die Errichtung einer islamischen Republik nach iranischem Muster im Libanon an. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, den Staat Israel bis zu seiner vollständigen Eliminierung zu bekämpfen. Darüber hinaus richtete sie ihre terroristi- 2 - Politischer Extremismus - 154 sehen Angriffe auch gegen solche Länder, die von der "Hizb Allah" als "iran-feindlich" eingestuft werden. Die "Hizb Allah" bedient sich bei Terroraktionen im Ausland vorwiegend im Liteanon ausgewählter Terrorkommandos, die mit falschen Pässen ausgestattet über verschiedene Reiserouten zum jeweiligen Zielort gelangen. Am 18. Juli 1994 wurde auf das argentinisch-israelische Hilfswerk "AMIA" in Buenos Aires ein Bombenanschlag verübt, bei dem das siebenstöckige Gebäude völlig zerstört wurde; der Anschlag forderte 96 Todesopfer und 230 Schwerverletzte. Obwohl sich eine unbekannte "Islamische Gruppe" in Flugblättern zu dem Anschlag bekannte, ist nach Ansicht verschiedener Nachrichtendienste der Anschlag der "Hizb Allah" zuzuschreiben, da modus operandi und Tatmotiv zahlreiche Parallelen zu dem der "Hizb Allah" zugeordneten Bombenanschlag gegen die israelische Botschaft am 17. März 1992 in Buenos Aires aufzeigten. Die Beobachtungen der letzten Jahre haben ergeben, daß die "Hizb Allah" in Berlin mittlerweile wieder ein gut funktionierendes Informationsnetz aufgebaut hat. Religiöser und politischer Mittelpunkt ist eine Moschee in Berlin-Wedding. Die Moschee steht mit ihren annähernd 400 Mitgliedern unter der Kontrolle von "Hizb Allah"-Aktivisten und wird vom Iran finanziell unterstützt. Da die "Hizb Allah" in Deutschland über keine festgefügte Organisationsstruktur verfügt, verläuft der Informationsfluß größtenteils über Einzelpersonen, die als "Kuriere" die persönliche Verbindung zu "Hizb Allah"-Funktionären in Beirut unterhalten. In Berlin konnten bisher zahlreiche "Hizb AllahT-Anhänger namhaft gemacht werden. Viele halten sich illegal in Berlin auf. Zukünftig ist - zumindest punktuell - eine Zusammenarbeit mit verschiedenen islamisch-extremistischen Organisationen in Deutschland zu erwarten. 2 - Politischer Extremismus - 155 2.3.7 Staatsterroristische Bestrebungen Träger staatsterroristischer Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland waren in der Vergangenheit nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden die Nachrichtendienste des Irak, Libyens, Syriens und des Iran. Seit Schließung der Berliner Außenstellen der Botschaften der drei Staaten Irak, Libyen und Syrien und dem Abzug des gesamten Personals, einschl. der nachrichtendienstlichen Mitarbeiter dieser Außenstellen im Jahre 1992, wurden keine staatsterroristischen Aktivitäten der Nachrichtendienste dieser Länder in Berlin bekannt. Als sicher gilt jedoch, daß diese Nachrichtendienste ihre Ausforschungsbemühungen gegen oppositionelle Gruppierungen und Einzelpersonen im Ausland weiterhin fortsetzen. Seit Anfang der 90er Jahre ist verstärkt eine enge Verzahnung nachrichtendienstlicher und staatsterroristischer Aktivitäten seitens der Nachrichtendienste nahund mittelöstlicher Staaten zu beobachten. Hierzu gehören im Fall des Iran auch Versuche, auf nach europäischem Verständnis religiöse Einrichtungen anderer Nationalitäten Einfluß im Sinne eines Exports der iranisch-fundamentalistischen (islamistischen) Revolution zu nehmen.* 2.3.7.1 "Union Islamischer Studenten in Europa" (U.I.S.A.) Bei den außerhalb des Iran lebenden Anhängern der gegenwärtigen Regierung der Islamischen Republik Iran handelt es sich mehrheitlich um vom Iran geförderte Studenten, die unter dem Dachverband "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) in regionalen Vereinen organisiert sind. Zu den Aktivitäten der iranischen Nachrichtendienste in Berlin vgl. Abschnitt 3, Spionageabwehr. 2 - Politischer Extremismus - 156 Zu den Hauptaufgaben der U.I.S.A. gehören die politisch-religiöse Schulung und Beeinflussung von Studenten sowie die Verbreitung islamischen Gedankenguts im Sinne des iranischen Regimes. Die iranischen Nachrichtendienste rekrutieren auch aus den Reihen der U.I.S.A. Teile ihrer personellen Basis für die Planung und Durchführung propagandistischer und nachrichtendienstlicher Aktivitäten sowie für die Ausspähung von iranischen Dissidenten und Oppositionellen. In der Bundesrepublik Deutschland ist die U.I.S.A. Dachorganisation von etwa 30 Mitgliedsvereinen, mit denen sie hier als Sprachrohr des Iran agiert. Der heutige innere Führungskreis der U.I.S.A. in Deutschland arbeitet eng mit den hiesigen diplomatischen Vertretungen des Iran zusammen. Darüber hinaus pflegen U.I.S.A.-Vereinigungen enge Kontakte zu anderen islamisch-extremistischen Organisationen, insbesondere zur "Hizb Allah". 2.3.7.2 Politisch-religiöse Beeinflussungsversuche des Iran in der Bundesrepublik Deutschland Seit der Machtübernahme durch die Anhänger des Ayatollah KHOMEINI bedroht der Iran mit seiner eigenen Interpretation des Islam andere Staaten und versucht, in einer Art "Kulturexport" seine Auffassung vom Islam weltweit, insbesondere aber in den arabischen Ländern, zu verbreiten. So unterstützt das iranische Regime finanziell eine Vielzahl islamisch-extremistischer Oppositionsgruppen in anderen, auch nichtarabischen Ländern. Beispielhaft für eine derartige Einflußnahme ist die aktive Rolle des Iran bei der Gründung der terroristischen "Hizb Allah" im Libanon. Der Iran bemüht sich, auch in der Bundesrepublik Deutschland seinen Einfluß auf die hier lebenden nichtiranischen Muslime kontinuierlich auszubauen. Maßgeblichen Anteil daran hat die im Iran ansässige "Islamische Propaganda-Organisation" (IPO). Die IPO wird zumindest teilweise von der Iranischen Regierung und durch Zuschüsse religiöser 2 - Politischer Extremismus - 157 Gruppen finanziert. Die Vertretungen der IPO im Ausland arbeiten in Koordination mit der jeweils zuständigen iranischen Botschaft. Die religiös-ideologische Beeinflussung dieser Zielgruppen wird in teilweise verdeckter Weise von staatlichen iranischen Stellen, z. B. durch finanzielle Beteiligungen an kulturellen Programmen, gefördert. Derartige Aktivitäten konnten auch in Berlin festgestellt werden. 2.3.7.3 Gegner der iranischen Regierung - die iranische Opposition Die Opposition gegen die Herrschaft der Mullahs im Iran ist zersplittert und - soweit nicht vernichtet oder mundtot gemacht - weitgehend ins Exil vertrieben. Bezogen auf Deutschland und Berlin haben die meisten bedeutenderen iranischen Oppositionsgruppen in den letzten beiden Jahren an Einfluß und Mitgliedern verloren. Eine größere Führungsrolle für die Opposition versucht die "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) mit dem "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI) von Frankreich aus aufzubauen. 2.3.7.3.1 "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOi) und ihre Nebenorganisation "Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V." (IMSV) Die 1965 von Studenten in Teheran gegründete "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) versteht sich als islamisch-fundamentalistische Organisation mit marxistischer Prägung, wobei Vertreter der PMOI in letzter Zeit die marxistische Prägung bestreiten. Nach dem Sturz des Schah-Regimes unterstützten die Volksmojahedin die Ende März 1979 proklamierte Islamische Republik Iran. Wenig später begann die Mullah-Diktatur jedoch alle Kräfte zu bekämpfen, die ihrer Meinung nach Gegner der nun herrschenden Ordnung in Iran waren, u. a. auch die PMOI. 2 - Politischer Extremismus - 158 Im Sommer 1981 gründeten u.a. .der geflüchtete Generalsekretär der PMOI, Masoud RADJAVI, und der abgesetzte iranische Staatspräsident BANI-SADR im Pariser Exil den "Nationalen Widerstandsrat Iran (NWRI), um Aktionen gegen das Mullah-Regime zu koordinieren. Der NWRI wurde 1985 für die Ziele der PMOI instrumentalisiert: seit August 1993 wurde der NWRI maßgeblich durch die PMOI zum "Exilparlament im Widerstand" aufgewertet. Seine Aktivitäten zielen in Deutschland auf die Einbindung von Mitgliedern anderer, zur Bedeutungslosigkeit herabgesunkener iranischer Oppositionsgruppen ab. Die Ziele der PMOI werden in Deutschland von der "Iranischen Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V." (IMSV) vertreten. In Berlin besteht seit etwa Mitte 1983 eine regionale Gliederung der IMSV. Die IMSV dient in erster Linie der materiellen und finanziellen Unterstützung des Befreiungskampfes der PMOI im Iran. Ferner ist sie für die Rekrutierung von PMOI-Kämpfem in Europa für den Einsatz vom Irak aus gegen den Iran zuständig. PMOI bzw. IMSV verfügt in Deutschland über zahlreiche Stützpunkte, die insbesondere in der näheren Umgebung von iranischen Vertretungen (u. a. Konsulate, Islamische Zentren, Büros der Iran Air) zur Ausspähung errichtet wurden. Mitglieder der PMOI/IMSV sind bereits durch Gewalthandlungen, u. a. gegen die regimetreuen U.I.S.A.-Anhänger, in Deutschland in Erscheinung getreten. Die IMSV ist in Berlin öffentlich mit Büchertischen, dem Vertrieb von Videokassetten, Flugschriften, Propagandamaterial, u. a. der Zeitung "Mojahed", sowie mit Spendensammlungen unter dem Deckmantel humanitärer Zielsetzungen zur Finanz erung ihrer Organisation in Erscheinung getreten. Organisationsinterne Jahrestage oder Vergeltungsschläge des Irans gegen PMOI-Vertreter und der Luftwaffe des Iran gegen NLA-Stellungen im Irak werden in Berlin als Demonstrationsanlässe benutzt, um die iranische Regierung als staatsterroristisch und menschenrechtsverletzend zu demaskieren. Mit großem Interesse verfolgt die IMSV zudem den 2 - Politischer Extremismus - 159 "Mykonos-Prozeß" in Berlin, zu dem der in enger Beziehung zur PMOI stehende "Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e. V. - Bundesrepublik Deutschland" (VIDA) im Mai 1994 eine Dokumentation veröffentlicht hat. 2.3.8 Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien In der Bundesrepublik Deutschland leben gegenwärtig nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen 900 000 und 1,24 Millionen Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die Zahl der Anhänger extremistischer Emigrantenorganisationen ist jedoch äußerst gering. In Berlin sind etwa 73 000 Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien registriert (Stand: 31. Dezember 1994). Das Konfliktpotential in Berlin Im Gegensatz zu früher gibt es aufgrund der gegenwärtigen Situation im ehemaligen Jugoslawien und wegen der unmenschlichen Massaker aller Kriegsparteien zwischen Kroaten und Serben in Berlin kaum noch persönliche Kontakte. So sollen selbst feste freundschaftliche Bindungen und verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Personen beider Volksgruppen abgebrochen worden sein; man gehe sich einfach "aus dem Wege". Die dadurch entstandenen Spannungen haben jedoch bisher zu keinen strafrechtlich relevanten Auseinandersetzungen geführt. Wie im Kriegsgebiet entstanden indes in Berlin im wesentlichen zwei Interessengruppen: Kroaten, Slowenen, Kosovo-Albaner und Bosniaken auf der einen, Serben auf der anderen Seite. Die hier bekannten ehemals gesamtjugoslawischen Vereine Berlins, sofern nicht schon damals auf eine einzelne Nationalität ausgerichtet, zerfielen - parallel zu Vereinsneugründungen - mit nunmehr ethnischen Schwerpunkten. Die Kroaten schlössen sich z. B. in der "Kroatischen Demokratischen Union e. V.", Kroaten und Slowenen im "Deutsch-Kroatisch-Slowenischen Verein zu Berlin-Brandenburg e.V." zusammen. Im Juni 1994 2 - Politischer Extremismus - 160 wurde in Berlin ein Bosnisches Zentrum gegründet, das die Interessen der muslimischen Bosniaken vertritt. Ebenfalls im Juni 1994 kam es zur Gründung der "Serbischen Gemeinde Berlin" als Dachverband zur Vertretung der Interessen der Serben. Die organisierten Serben in Berlin sind teilweise beeinflußt durch die "Radikale Serbische Partei" (auch "Seselj-Partei" genannt) des rechtsextremistischen Serbenführers Vojislav SESELJ. Dieser war gleichzeitig Leiter einer paramilitärischen Gruppe, deren Mitglieder sich "Die Tschetniks" nannten. Daneben sind Einflüsse von Anhängern des kriminellen serbischen Milizenführers Zeljko RAZNJATOVIC erkennbar, der als "Befehlshaber ARKAN" der sog. "ARKAN-Tiger" aufgetreten ist. Ebenso ist die durch ihre Grausamkeiten bekanntgewordene Miliz von "Captain DRAGAN" alias Dragan VASILJKOVIC als möglicher Einflußfaktor zu nennen. Sowohl die Bosniaken als auch die Serben in Berlin wenden sich mit eigenen Fernsehsendungen im "Offenen Kanal Berlin" an die deutsche Öffentlichkeit und an ihre Landsleute. Bisher beschränkten sich die Führungskader und Aktivisten aller Vereine auf Mitgliederwerbung, Aufgaben mit humanitären und kulturellen Schwerpunkten, Hilfsaktionen, Demonstrationen und Fernsehsendungen. Festzustellen ist eine Verschärfung von Ton und Inhalt der Redebeiträge auf den Demonstrationen und in den genannten Fernsehsendungen. Die erwähnten kroatischen, bosnischen und serbischen Organisationen, die teilweise auch Slowenen, Kosovo-Albaner, Mazedonier und andere Minderheiten Ex-Jugoslawiens einbinden, bilden Potentiale, zwischen denen sich die aufgestauten Spannungen ggf. auch gewaltorientiert entladen könnten. Sicherheitsgefährdende Aktivitäten waren bisher von serbisch, kroatisch, bosnisch, slowenisch und kosovo-albanisch beeinflußten Gruppierungen in Berlin nicht festzustellen, wenngleich sich die organisatorischen Zu- 2 - Politischer Extremismus - 161 sammenschlüsse - wie oben geschildert - zu zwei gegeneinander agierenden Aktionsblöcken verfestigen. Die gegenwärtigen bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse im ehem. Jugoslawien lassen befürchten, daß der Funke zur Gewalttätigkeit auch auf in der Bundesrepublik Deutschland lebende Angehörige dieser Volksgruppen überspringen könnte. 3 - Spionageabwehr - 163 Spionageabwehr 3 - Spionageabwehr - 165 3.1 Allgemeiner Überblick Seit dem Beginn der politischen Umwälzungen in Europa und der Vereinigung Deutschlands hat sich die Auffassung verbreitet, das Ende des "Kalten Krieges" sei gleichbedeutend mit der Beendigung jedweder Spionagetätigkeit. Die Wirklichkeit zeigt jedoch, daß Deutschland nach Erkenntnissen der Spionageabwehr aufgrund seiner geopolitischen Lage, seiner Wirtschaftskraft, seines wissenschaftlich-technischen Entwicklungsstandes und nicht zuletzt wegen seiner durch die Vereinigung gewachsenen internationalen Bedeutung unverändert ein bevorzugtes Ausforschungsziel fremder Nachrichtendienste ist. Dies gilt durch den bevorstehenden Umzug von Regierung und Parlament sowie dem damit verbundenen weiteren Ausbau zur Wirtschaftsund Wissenschaftsmetropole in besonderer Weise auch für die Hauptstadt Berlin. Die in Deutschland tätigen fremden Nachrichtendienste unterscheiden sich voneinander in ihren Aufgabenschwerpunkten, Mitteln und Methoden. Eine Tendenz muß jedoch als allgemeingültig festgestellt werden: Vor dem Hintergrund eines ständig härter werdenden internationalen Wettbewerbs rückt die Wirtschaftsspionage zunehmend in den Mittelpunkt. Hierbei sind die Grenzen zwischen staatlich gelenkter Wirtschaftsaufklärung und von inund ausländischen Konkurrenzunternehmen veranlaßter Industriespionage fließend. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft steht unter diesem Aspekt nicht nur bei den "klassischen Nachrichtengegnern" wie Rußland hoch im Kurs. Auch den sog. Krisenländern des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens bietet sie hervorragende Ansatzmöglichkeiten für einen (illegalen) Güterund Technologietransfer. Diese Länder benötigen spezielle Hochtechnologien und Produkte für nationale Rüstungsprogramme, insbesondere für die Herstellung und Verbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungsmitteln (ABC-Waffen). 3 - Spionageabwehr - 166 Sie bedienen sich hierfür sowohl ihrer zivilen und militärischen Auslandsnachrichtendienste als auch speziell und zu diesen Zwecken eingerichteter und mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitender Beschaffungsorganisationen. Zu den Aufgaben der Spionageabwehr gehört somit zum einen die Sensibilisierung der Wirtschaft in bezug auf diese Problemkreise, zum anderen muß sie in Zusammenarbeit mit anderen Behörden einen Beitrag zur Verhinderung von illegalem Technologietransfer (sog. sensitive Exporte) leisten. Dies ist nicht immer leicht. Zwar sind die gesetzlichen Bestimmungen streng, doch kann ihre Einhaltung mitunter nicht ausreichend kontrolliert werden. Viele Güter sind sowohl zivil als auch militärisch nutzbar und können deshalb z. T. legal ausgeführt werden, wenn die angegebene Verwendung nicht auf eine militärische Nutzung deutet. Darüber hinaus bieten unterschiedliche Exportbestimmungen der einzelnen EU-Länder weitere Ausweichmöglichkeiten. So werden z. B. in Deutschland Hochtechnologieprodukte erworben, legal in ein anderes europäisches Land überführt, in dem es für diese Güter keine Ausfuhrbeschränkungen gibt und von dort in die betreffenden Abnehmerländer exportiert. Auch fünf Jahre nach der Wiedervereinigung muß sich der Verfassungsschutz in Berlin mit dem Erbe der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste befassen. Auf der Grundlage des Verfassungsschutzgesetzes liegt hier die Zielrichtung nicht mehr in der Aufarbeitung von Agentennetzen, sondern in der Beobachtung früherer, fortwirkender unbekannter Strukturen und Tätigkeiten dieser Dienste. 3.2 Träger der Spionageaktivitäten 3.2.1 Nachrichtendienste der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Der überwiegende Teil der Nachfolgerepubliken der ehemaligen Sowjetunion sieht in der Existenz von Nachrichtendiensten einen notwendigen Bestandteil der nationalen Souveränität. Mittlerweile verfügen die mei- 3 - Spionageabwehr - 167 sten von ihnen über eigenständige Aufklärungsund Abwehrdienste, die in der Regel auf vorgefundenen Strukturen unter Nutzung auch personeller Ressourcen aus früherer (KGB-)Zeit aufgebaut wurden. Die westlichen Industrienationen sehen sich nunmehr einer größeren Zahl von Aufklärungsdiensten gegenüber als je zuvor. Die gegen Deutschland gerichteten nachrichtendienstlichen Aktivitäten aus der GUS gehen jedoch auch in Berlin nach wie vor in erster Linie von Rußland aus. 3.2.1.1 Die russischen Nachrichtendienste Die innenpolitische Situation in Rußland hat sich noch nicht konsolidiert. Das hat auch Auswirkungen auf den Bereich der Nachrichtendienste. Ihre fortwährende Umorganisation und Dezentralisierung seit Beginn der Perestroika mag nach außen hin den Anschein einer Abkehr vom alten Sicherheitssystem des allmächtigen KGB erwecken. In bezug auf Aufgabenzuweisung und Arbeitsmethoden, insbesondere aber durch die Übernahme großer Teile des KGB-Personals, muß von einer deutlichen Kontinuität gesprochen werden. Z. Z. gibt es sieben eigenständige Nachrichtenund Sicherheitsdienste, von denen vier mit der Informationsbeschaffung im Ausland beauftragt sind: * Der "Russische zivile Auslandsaufklärungsdienst" (SWR) unter Leitung des Diplom-Ökonomen Jewgenij PRIMAKOW ist in allen klassischen Spionagefeldern (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik) sowie im Bereich der Ökologie aktiv. PRIMAKOW ist inzwischen der einzige Leiter eines russischen Nachrichtendienstes, der noch vor Auflösung der UdSSR in sein Amt gelangt ist. Diese Kontinuität läßt sich mit Einschränkungen auch auf den übrigen Personalkörper sowie die Strukturen des SWR übertragen. * Der "Russische militärische Auslandsaufklärungsdienst" (GRU) unter Leitung von General Fedor LADYGIN beschäftigt sich mit militärischer, militärtechnischer und militärökonomischer Aufklärung. 3 - Spionageabwehr - 168 Neben den klassischen Aufgabenfeldern konnten in jüngster Zeit verstärkte Aktivitäten der GRU in zivilen Aufklärungsbereichen festgestellt werden. Sie setzt sich damit in Konkurrenz zum SWR. * Die "Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information" (FAPSI) ist aus verschiedenen Abhörund Kommunikationsabteilungen des KGB hervorgegangen und u. a. für Fernmeldeund elektronische Aufklärung zuständig. Das schließt sowohl die aktive Erfassung und Entschlüsselung ausländischen Fernmeldeverkehrs sowie das Eindringen in sicherheitsempfindliche Bereiche ausländischer Objekte ein als auch die Aufgabe, im Abwehrbereich für die Sicherheit der Kommunikationsverbindungen des russischen Präsidenten, der Regierung, der Armee und nicht zuletzt der Sicherheitsdienste zu sorgen. * Der "Föderale Dienst für Sicherheit" (FSB) ist in erster Linie ein ziviler Inlandsnachrichtendienst, der z. T. aber auch Auslandsaufklärung betreibt. 3.2.1.2 Ziele und Methoden der russischen Auslandsaufklärung in Deutschland Deutschland ist für die russischen Nachrichtendienste eines der wichtigsten Zielländer in Westeuropa. In erster Linie geht es ihnen nach wie vor um Ausforschung politischer und militärischer Planungen und Projekte, doch hat auch hier in den letzten Jahren die Wirtschaftsspionage in ihrer gesamten Bandbreite an Bedeutung zugenommen. Die Antriebskraft dürfte hierbei in dem Bemühen liegen, ökonomisch und technisch mit den modernen Industrienationen gleichzuziehen. So sind die Ausforschungsbemühungen nicht nur auf den Kreislauf eines Wirtschaftsgutes von Forschung und Entwicklung über Herstellung bis zu Vermarktung in bestimmten Schlüsselindustrien (z. B. Mikroelektronik, Computertechnologie, Metallurgie) gerichtet, um ohne Kostenaufwand Anschluß an westliche Technologien zu gewinnen. Ebenso interessieren Analysen und Prognosen von internationalen Organisationen wie OECD und IWF, von Banken und Wirt- 3 - Spionageabwehr - 169 schaftsverbänden über künftige wissenschaftlich-technische Entwicklungen, Energieund Rohstoffressourcen sowie über Perspektiven wirtschaftlicher Kooperation. Die Informationsbeschaffung erfolgt zu einem großen Teil über Legale Residenturen, d. h. getarnte Stützpunkte in amtlichen oder halbamtlichen Auslandsvertretungen. In Berlin wird die Russische Föderation u. a. durch eine Außenstelle der Botschaft sowie eine Dependance der Handelsvertretung repräsentiert. Das Personal an diesen Legalen Residenturen ist trotz anderslautender Ankündigungen in allen wichtigen Bereichen nicht weiter reduziert worden. Diese Tatsache muß als Hinweis gewertet werden, daß Rußland der Informationsgewinnung aus getarnten Stützpunkten heraus nach wie vor große Bedeutung beimißt und hierbei auf einen Kernbestand erfahrener Nachrichtenoffiziere nicht verzichten will. Es häufen sich Hinweise, daß in einem stark zunehmenden Maß auch eigene Handelsunternehmen und Firmenbeteiiigungen genutzt werden, um sich in das westliche Wirtschaftsgeschehen einschalten und auf Wirtschaftsabläufe Einfluß nehmen zu können. In diesem Bereich trifft man sowohl auf Konkurrenzspionage als auch auf nachrichtendienstlich gesteuerte Ausforschungsbemühungen. Für alle Bereiche, in denen russische Nachrichtendienste in Deutschland aktiv sind, gilt: Zur Vermeidung außenpolitischer Verwicklungen wird derzeit weitgehend auf aggressive Formen der Nachrichtenbeschaffung verzichtet. Die hier tätigen Nachrichtenoffiziere widmen sich statt dessen verstärkt der Kontaktpflege zu allen Gesellschaftsbereichen, vor allem jedoch zu Repräsentanten aus Politik und Wirtschaft, um ihre Gesprächspartner - in der Regel ohne deren Wissen - "abzuschöpfen". Sie profitieren dabei von dem positiv gewandelten Verhältnis zwischen Rußland und Deutschland, das zu wesentlich mehr Offenheit und Entgegenkommen seitens deutscher Gesprächspartner geführt hat. 3 - Spionageabwehr - 170 3.2.1.3 Übernahme von IM des ehemaligen MfS Ehemalige Führungsoffiziere des MfS haben bisher die Frage stets verneint, ob im Zuge der Auflösung des Ministeriums das damalige sowjetische KGB Inoffizielle Mitarbeiter (IM) übernommen hat. Im vergangenen Jahr gab es in Berlin einen Fall, der das Gegenteil belegt. Zwei Mitarbeiter der ehemaligen "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des MfS, ein Major und sein ehemaliger Vorgesetzter, wurden Ende 1993 wegen gemeinschaftlicher geheimdienstlicher Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland in der Zeit von Mitte April 1990 bis Anfang April 1992 angeklagt. Das Berliner Kammergericht sah es als erwiesen an, daß die beiden Beschuldigten ehemalige Quellen des MfS nicht abgeschaltet, sondern für das KGB reaktiviert haben, und verurteilte sie Anfang 1995 zu je einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung. Durch die Enttarnung des HVA-Agentennetzes ist die Gefahr der Reaktivierung früherer IM des MfS durch russische Geheimdienste weitgehend gebannt. Dennoch verfügen die Nachfolgedienste des KGB über eine Fülle von Informationen aus mehreren Bereichen des MfS, die für eine gezielte Neuwerbung von Agenten genutzt werden könnte. 3.2.2 Osteuropäische Nachrichtendienste Die Demokratisierungsprozesse in den mittelund südosteuropäischen Ländern, die einst zu den Satellitenstaaten der Sowjetunion gehörten, haben auch Auswirkungen auf die Arbeit ihrer Nachrichtendienste. Der außenpolitische Kurs der Reformstaaten Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei und Polen ist grundsätzlich auf eine Integration in die westeuropäische Staatengemeinschaft ausgerichtet. Alle diese Staaten unterhalten zwar weiterhin Nachrichtendienste, die auch Informationsbeschaffung im Ausland betreiben. Jedoch geschieht dies im einzelnen mit der gebotenen politischen Zurückhaltung und weitgehend unter Verzicht auf nachrichtendienstliche Operationen in Zielländern. 3 - Spionageabwehr - 171 Ungarn und die Tschechische Republik haben inzwischen offiziell erklärt, künftig auf jegliche Spionagetätigkeit gegen Deutschland zu verzichten. Eine ähnliche Tendenz ist auch in der polnischen Politik zu erkennen, obwohl die polnische Auslandsaufklärung in Deutschland noch immer mit stark besetzten Legalen Residenturen in den amtlichen Vertretungen ihres Landes präsent ist. Auch von rumänischer Seite ist unlängst erklärt worden, künftig keine Agenten mehr gegen deutsche Interessen einzusetzen. Ein Spionagefall in Baden-Württemberg belegt allerdings das Gegenteil. 3.2.3 Nachrichtendienste der Krisenländer Zu den sog. Krisenländern, die seit einigen Jahren die besondere Aufmerksamkeit der Spionageabwehr erfordern, gehören die vom Islam geprägten Staaten Iran, Libyen, Irak, Syrien und Pakistan sowie das kommunistische Nordkorea. Die Nachrichtendienste dieser Staaten unterhalten in Deutschland neben Legalen Residenturen zahlreiche Stützpunkte in offiziellen und halboffiziellen Einrichtungen ihrer Heimatländer, z. B. in Büros von Fluggesellschaften, Nachrichtenagenturen oder Firmen. Die dort tätigen Nachrichtenoffiziere beobachten vor allem hier lebende Dissidenten und Regimegegner ihrer Heimatstaaten. Sie beschaffen aber auch konspirativ politische, wirtschaftliche und militärische Informationen und betreiben somit klassische Spionage. Einen weiteren Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildet der für die jeweiligen nationalen Rüstungsprogramme erforderliche (illegale) Technologieund Gütertransfer. Hierbei handelt sich um Waren, die aufgrund ihrer militärischen Verwendbarkeit Exportbeschränkungen unterliegen und z. B. nicht in sog. Krisengebiete ausgeführt werden dürfen. Im vergangenen Jahr wurden in Berlin vor allem Aktivitäten nordkoreanischer und iranischer Nachrichtendienste festgestellt. 3 - Spionageabwehr - 172 Für das kommunistische Nordkorea gelten nach wie vor besonders strikte Exportbeschränkungen aus Deutschland. Dabei geht es nicht nur um den möglichen Aufbau eigener ABC-Waffenprogramme, sondern auch um Massenvernichtungsmittel oder Produkte zu deren Herstellung, die Nordkorea an andere Krisenländer liefern könnte. 3.2.3.1 , Die iranischen Nachrichtendienste Der Schwerpunkt der in Berlin tätigen iranischen Nachrichtendienste liegt in der Ausforschung, Überwachung (bis hin zur Ausschaltung) und Beeinflussung hier lebender Regimegegner. Der BAKHTIAR-Mord und das "Mykonos"-Attentat zeigen, daß in diesem Bereich die Grenzen zwischen nachrichtendienstlicher Ausspähung und staatsterroristischen Aktionen fließend sind. Die Aktivitäten der iranischen Nachrichtendienste stellen somit für die innere Sicherheit Berlins weiterhin eine besondere Gefahr dar. In diesem Kapitel werden deshalb die einzelnen Dienste mit ihren Zuständigkeiten und Arbeitsschwerpunkten beschrieben. 3.2.3.1.1 Zuständigkeiten der Nachrichtendienste Nach der iranischen Revolution im Jahre 1979 wurden im Iran mehrere Nachrichtendienste mit unterschiedlicher Zielsetzung gebildet. Von wesentlicher Bedeutung sind: * Das "Ministerium für Information und Sicherheit" (MOIS). Zum Aufgabenbereich des MOIS gehören u. a. Gewährleistung der inneren Sicherheit, Spionageabwehr und Auslandsaufklärung. * Der ND-Apparat der "Revolutionären Garden" (GHODS-Streitkräfte). Die GHODS-Streitkräfte sind u. a. zuständig für die innere Sicherheit im zivilen und militärischen Bereich und die militärische Aufstandsbekämpfung. 3 - Spionageabwehr - 173 * Der militärische Nachrichtendienst "J 2" beschäftigt sich mit militärtechnischer Forschung und dem Einkauf von Waffen und Ersatzteilen. 3.2.3.1.2 Arbeitsschwerpunkte und -methoden Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte der iranischen Nachrichtendienste werden vom Nationalen Sicherheitsrat des Iran bestimmt. Die Dienste haben den innenpolitischen Auftrag, die Herrschaft der Mullahs durch Unterbindung jeglicher oppositioneller Strömungen und Strukturen zu sichern. Im Bereich der Auslandsaufklärung entfaltet der Iran in den unterschiedlichsten Bereichen nachrichtendienstliche Aktivitäten. Bisher konnten folgende Schwerpunkte festgestellt werden: * Beobachtung und Ausforschung der iranischen Opposition; * Beschaffung von technologischen Kenntnissen (legaler und illegaler Technologietransfer); * Propagierung der im Iran praktizierten schiitisch-islamischen Herrschaftsund Gesellschaftsform (Revolutionsexport); * Politische Aufklärung (Erstellung von Meinungsbildern, Beobachtung von iranbezogenen Veröffentlichungen u. a.). 3.2.3.1.3 Residenturen in Deutschland In Deutschland unterhalten die drei genannten iranischen Nachrichtendienste sowohl Legale als auch Illegale Residenturen. Die Mitarbeiter sind vorwiegend in getarnten Funktionen an offiziellen iranischen Vertretungen wie der Botschaft in Bonn und den Generalkonsulaten in Hamburg, München, Frankfurt/Main und Berlin vertreten. 3 - Spionageabwehr - 174 In Veröffentlichungen iranischer Regimegegner und in Presseberichten wurde in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, daß die Bonner Residentur auch in terroristische Aktivitäten verwickelt sein soll, so z. B. in der vom "Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e. V. - Bundesrepublik Deutschland" (VIDA) herausgegebenen Dokumentation "Der Mykonos-Prozeß", die sich mit den Hintergründen des Anschlages auf iranische Oppositionelle im Berliner Lokal "Mykonos" beschäftigt. In der Tat verfolgt die derzeitige iranische Regierung Dissidenten und Oppositionelle in aller Welt; sie bedroht und "bestraft" sie sogar mit dem Tode. Für die Ausspähung von Dissidenten und Oppositionellen setzt der Iran nachrichtendienstliche Mitarbeiter ein, die z. T. mit regimetreuen Anhängern, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, zusammenarbeiten. * 3.2.4 Sonstige Nachrichtendienste Die Spionageabwehr - insbesondere in Berlin - befaßt sich nicht nur mit den beschriebenen Schwerpunktbereichen. Sie sieht es als ihre Aufgabe an, in einer Art "Rundum-Blick" jedweder unerlaubter Tätigkeit fremder Nachrichtendienste zu begegnen. Dies führte im vergangenen Jahr zur Enttarnung einer mutmaßlichen kubanischen Agentin. Die seinerzeit beim Personalamt für Zivilangestellte der US-Armee in Berlin tätige Berlinerin soll dem kubanischen Geheimdienst DGI Berichte mit Informationen über Mitarbeiter aus ihrem dienstlichen Umfeld geliefert haben. Ihren Angaben zufolge hat sie für ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit keine Entlohnung erhalten, sondern aus Idealismus und Überzeugung gehandelt. In Kürze ist mit der Eröffnung der Hauptverhandlung vor dem Berliner Kammergericht zu rechnen. 3 - Spionageabwehr - 3.3 Präventive Spionageabwehr Zu den besonders wichtigen vorbeugenden Maßnahmen der Spionageabwehr gehören der personelle und materielle Geheimschutz in Behörden des Landes Berlin, aber auch in schutzbedürftigen Wirtschaftsunternehmen. Das LfV Berlin wirkt hierbei beratend und unterstützend mit. 3.3.1 Geheimschutz in der Verwaltung Der personelle Geheimschutz hat die Aufgabe, durch Überprüfungen von Personen, denen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen werden soll, etwa vorhandene Sicherheitsrisiken zu erkennen. Festgestellt werden soll, ob sie zuverlässig und verfassungstreu sind und ob "Schwachstellen" bestehen, die sie erpreßbar machen für einen Geheimnisverrat. Probleme ergeben sich - mehr als vier Jahre nach der Wiedervereinigung - bei der Bewertung einer früheren SED-Mitgliedschaft im Hinblick auf die "Risiko-Definition" im vorgenannten Sinne. Der Umstand einer früheren Mitgliedschaft für sich allein bedingt noch nicht zwingend das Erkennen eines Sicherheitsrisikos. Es muß vielmehr im Einzelfall genau geprüft werden, ob sich über die bloße Mitgliedschaft hinaus Umstände ergeben haben, die im einzelnen oder in ihrer Gesamtheit Zweifel begründen, daß sich der Überprüfte nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt bzw. durch Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste gefährdet erscheint. Im Jahr 1994 sind vom LfV Berlin im Rahmen seiner Mitwirkungsaufgaben nach SS 5 Abs. 3 Nr. 1 und 2 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) annähernd 1 300 Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt worden. 3 - Spionageabwehr - 176 3.3.2 Geheimschutz in der Wirtschaft Deutschland als Hochtechnologieland bleibt auch nach Beendigung des "Kalten Krieges" für fremde Nachrichtendienste von besonderem Interesse. Wirtschaftsspionage nimmt an Bedeutung zu, insbesondere bei solchen Staaten, die einen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Nachholbedarf haben. Daher wird in Zukunft auch der Schutz des Wirtschaftsstandortes Berlin eine immer stärkere Rolle spielen. Mit Hilfe des Geheimschutzes sollen alle sicherheitsempfindlichen Aufträge von Bundesoder Landesbehörden, die an nicht öffentliche Stellen (Wirtschaft) vergeben werden, vor Ausspähung durch fremde Nachrichtendienste geschützt werden. Um diesen diffizilen und sensiblen Bereich zwischen den zuständigen öffentlichen Stellen und maßgebenden Unternehmen zu erörtern und um einen laufenden Informationsaustausch zu gewährleisten, wurde Ende 1993 ein Arbeitskreis "Geheimschutz in der Wirtschaft" gebildet, der aus Vertretern der Industrieund Handelskammer (IHK) Berlin, der Wirtschaft, der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie, der Senatsverwaltung für Inneres bzw. (ab Ende 1994) des Regierenden Bürgermeisters von Berlin/Senatskanzlei und dem Landesamt für Verfassungsschutz besteht. Daneben existiert seit Frühjahr 1994 bei der IHK Berlin auch ein Gesprächskreis der betrieblichen Sicherheitsbevollmächtigten zum Geheimschutz in Berlin und Brandenburg, der seinerseits wieder dem "Arbeitskreis für Sicherheit in der Wirtschaft" (ASW) angehört. Auch hier wirken Vertreter der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie, der Senatskanzlei und des Landesamtes für Verfassungsschutz im Rahmen ihrer Zuständigkeiten beratend mit. Durch diese bewußte Verzahnung wird sichergestellt, daß neben der geheimschutzbetreuten Wirtschaft auch nicht geheimschutzbetreute Bereiche in den Informationsund Entscheidungsprozeß einbezogen werden. Die Umzugsaktivitäten der Bundesregierung nach Berlin werden die praktische Bedeutung des Geheimschutzes in der Wirtschaft weiter steigern. Bei Aufund Ausbau des Regierungssitzes, seiner Infrastruktur und 3 - Spionageabwehr - 177 Logistik sind eine Vielzahl von Auftragsvergaben in sicherheitsrelevanten Bereichen zu erwarten. Dies haben Industrie und Handwerk in Berlin und im Umland erkannt und Befürchtungen geäußert, wegen fehlender "Ermächtigung" bei der Vergabe von Aufträgen unberücksichtigt zu bleiben. Festzustellen bleibt jedoch, daß Sicherheitsüberprüfungen "auf Halde" nicht zulässig sind. Insofern sollten interessierte Firmen und Betriebe sich unbedingt schon jetzt durch Beteiligung an Ausschreibungen von sicherheitsempfindlichen Aufträgen in ganz Deutschland dem Aufnahmeverfahren in den Geheimschutz stellen. Bis Ende 1994 sind 22 Firmen in die Geheimschutzbetreuung des Landes Berlin aufgenommen worden. r 3.3.3 Materieller Geheimschutz Die Mitwirkung des LfV Berlin auf dem Gebiet des materiellen Geheimschutzes ist weiterhin durch die einigungsbedingten Veränderungen in der Berliner Behördenlandschaft geprägt. Zahlreiche Gespräche mit den betroffenen Geheimschutzbeauftragten mündeten in Empfehlungen für technische und nichttechnische Maßnahmen zur Sicherheit von Verschlußsachen. Hier ist insbesondere die Übernahme verschiedener Verschlußsachenbestände durch das Landesarchiv zu erwähnen. 3.3.4 Bürgerberatung Die Spionageabwehr hat in der Erfüllung ihrer präventiven Aufgaben nicht nur das Ziel, die Anwerbung von Bürgern durch fremde Geheimdienste zu erschweren, sie will auch bereits nachrichtendienstlich verstrickten Personen helfen. Strafbar macht sich nach dem Strafgesetzbuch nicht nur derjenige, der für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, sondern auch 3 - Spionageabwehr - 178 derjenige, der sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt. Dabei reicht schon eine mündliche Erklärung - z. B. gegenüber einem Angehörigen eines fremden Geheimdienstes - aus. Die Strafbarkeit entfällt nicht, wenn der Täter - entgegen seiner Erklärung - keine nachrichtendienstliche Tätigkeit entfaltet. Das Strafrecht enthält jedoch Bestimmungen, nach der das Gericht die Strafe mildern oder gänzlich von einer Bestrafung absehen kann, wenn ein Betroffener sich freiwillig gegenüber einer Behörde offenbart. Jedem von einem Anbahnungsversuch fremder Geheimdienste betroffenen Bürger ist deshalb zu raten, sich vertrauensvoll an die zuständige Spionageabwehrbehörde zu wenden. Das LfV Berlin steht jederzeit - auch in Zweifelsfällen - für ein vertrauliches Gespräch zur Verfügung. Ratsuchende werden gebeten, sich an die Beratungsstelle des LfV Berlin zu wenden, die unter der Telefonnummer 867 42 16 zu erreichen ist. 3.4 Frühere, fortwirkende unbekannte MfS-Strukturen und -Tätigkeiten Den beiden aufgelösten DDR-Geheimdiensten "Ministerium für Staatssicherheit" (MfS) und "Verwaltung Aufklärung" (beim Ministerium für Nationale Verteidigung) gehörten mehr als 100 000 hauptamtliche Mitarbeiter an, von denen ca. 35 000 Personen ihren Wohnsitz in Berlin haben. Nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden bildet dieser Personenkreis ein Potential, das zumindest in Teilen hinsichtlich möglicher extremistischer und sicherheitsgefährdender Bestrebungen nicht kalkulierbar ist. 3 - Spionageabwehr - 179 Diese Auffassung gründet auf verschiedene Faktoren, zu denen z. B. minimale Lebensgrundlagen und berufliche Perspektiviosigkeit, aber auch Angst vor evtl. drohender Strafverfolgung gehören. Berücksichtigen muß man darüber hinaus, daß vor allem frühere hauptamtliche Mitarbeiter als besonders erprobte und parteiergebene Kommunisten galten. Sie beherrschen Konspiration und Desinformation und verfügen über früher (unrechtmäßig) erlangtes Wissen, mit dem sie eine Vielzahl von Bürgern, insbesondere Personen des öffentlichen Lebens, kompromittieren oder gefügig machen könnten. Es ist daher nicht auszuschließen, daß frühere Kader versuchen werden, die für sie unerträgliche Situation mit "illegalen" Mitteln zu ändern. Mit dem Anfang 1993 in Kraft getretenen und im März 1995 novellierten Landesverfassungsschutzgesetz (siehe Anhang III) hat Berlin dieser abstrakten Gefährdungslage Rechnung getragen. Dem LfV wurde die Aufgabe zugewiesen, Informationen über frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen DDR zu sammeln und auszuwerten (SS 5 Abs. 2 Nr. 4 LfVG) Die Beobachtung des LfV Berlin konzentriert sich gegenwärtig auf formelle und informelle (konspirative) Zusammenschlüsse von ehemaligen hauptamtlichen MfS-Angehörigen, um zunächst festzustellen, ob es sich hierbei um frühere, fortwirkende MfS-Strukturen im o. a. Sinne handelt. Das LfV prüft, ob von diesen Strukturen Bestrebungen ausgehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben. Ferner prüft das LfV, ob von früheren, fortwirkenden MfS-Strukturen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht ausgeübt werden. Die Aufgabenwahrnehmung geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden der neuen Bundesländer, denen - mit Aus- li 3 - Spionageabwehr - 180 nähme von Brandenburg - diese spezielle Aufgabe ebenfalls gesetzlich zugewiesen ist. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 181 4 Anhang! Kurzdarstellungen wichtiger extremistischer Organisationen in alphabetischer Reihenfolge 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 183 4.1 Linksextremismus "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der stalinistisch ausgerichtete AB, 1973 durch Zusammenschluß "Sozialistischer Betriebsgruppen" mit "Arbeiter-Basis-Gruppen" in Bayern entstanden, hat sich über Linienkämpfe faktisch in zwei gleich große Fraktionen gespalten. Bundesweit verfügt der AB über etwa 200 Anhänger, in Berlin besteht eine Splittergruppe. Publikation: "KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung", mtl., Aufl.: 1 500. "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Diese terroristische Kleingruppe - vormals "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia SHEHADAH" (AIW) - hat seit 1992 überregional zahlreiche Anschläge gegen Sachen verübt. Das Selbstund Politikverständnis der AIZ wird in umfangreichen Positionspapieren deutlich. Ihre Aktionen der letzten drei Jahre will sie als "Teil einer Politik der militanten Orientierung" verstanden wissen. Im Gegensatz zur RAF-Kommandoebene fordert diese Gruppe eine uneingeschränkte Fortsetzung des bewaffneten Kampfes. "Anti-Olympia-Komitee" (AOK) Beim "Anti-Olympia-Komitee" (AOK) handelt es sich um eine von Autonomen dominierte Gruppe, die in den Jahren 1992 und 1993 am Beispiel Amsterdamer "Nolympics" die Bewerbung Berlins um die Austragung der Olympischen Spiele im Jahr 2000 durch eine Imageschädigung der Stadt behindern wollte, Hierzu wurden u. a. Broschüren mit dem Titel "Volxsport statt Olympia" sowie Schmähschriften herausgegeben und teilweise an IOC-Mitglieder versandt. Mit diversen Versammlungen wurde das Thema "N'Olympia" in der autonomen Szene verankert. Im Rahmen der "Anti-Olympia-Kampagne" wurden u. a. eine Vielzahl von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen, insbesondere an Fahrzeugen und Einrichtungen von Olympia-Sponsoren, begangen. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 184 Autonome Lose strukturierte Zusammenschlüsse - teilweise auch Einzelpersonen ohne Gruppenzusammenhang - mit diffusen anarchistischen, nihilistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Zielen. Sie befürworten und praktizieren militante Aktionen, wie öffentliche gewalttätige Protestaktionen, aber auch Brandund Sprengstoffanschläge, im Kampf gegen "das System". Die Zahl der Autonomen wird bundesweit auf mehr als 5 000 Personen geschätzt, auf Berlin entfallen davon etwa 1 200. Publikation: "radikal", "INTERIM". "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) Der 1971 gegründete BSA, dem bundesweit unter 100 Mitglieder angehören, sieht im Kampf gegen "Stalinismus und Kapitalismus" die zentrale Achse seines Programms. Er gehört dem internationalen trotzkistischen Zusammenschluß "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) als deutsche Sektion an. Publikation: "neue ARBEITERPRESSE", wo., Aufl.: 1 300. "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der 1980 als Abspaltung des "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) gegründete BWK strebt die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates" an. Der BWK verfügt bundesweit über etwa 300 Mitglieder; in Berlin sind unter 20 Personen im BWK organisiert. Publikation: "Politische Berichte", 14tgl., Aufl.: 1 200. "Der Umzug platzt" (dup) Eine zu Beginn des Jahres 1994 entstandene autonome Kleingruppe, die im "Thomas-Weißbecker-Haus" in Berlin-Kreuzberg ihre Treffen abhält, dup will "dem Umbau der Stadt zur Regierungsund Dienstleistungsmetropole nicht tatenlos zuschauen". Ziel der Gruppe ist es, den "Widerstand öffentlich zu machen, zu verbreitern, zu vernetzen". 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen 185 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die DKP wurde 1968 von früheren Funktionären der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" gegründet. Sie hatte jahrelang bedingungslos die Linie der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) übernommen und die Identität ihrer politischen Zielsetzung mit der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) betont. Erst im November 1991 gründete die DKP eine Bezirksorganisation (BO) "BerlinBrandenburg". Diese BO wurde auf Beschluß des DKP-Parteivorstandes vom 26. Juni 1993 in die Bezirke "Berlin-Ost", "Berlin-West" und in Brandenburg mit dem "Oder-Spree-Kreis" neu gegliedert. Die DKP hat derzeit etwa 5 000 Mitglieder in den alten Bundesländern, von denen mehr als 100 in den Berliner Bezirken organisiert sind. Publikationen: "Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP", 14tgl., Aufl.: etwa 14 000. "Kommunistische Korrespondenz"-Zeitung der DKP Berlin-Brandenburg, 5- bis 6mal jährl. "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.) Personenzusammenschluß, der nach eigenen Angaben im Oktober/November 1991 aus "Teilen der linksradikalen Bewegung" in Berlin hervorgegangen ist. Als Ziel definiert die Gruppe, insbesondere die autonome Szene aus ihrer "Kampagnenheinzerei", ihrem "Subjektivismus", ihrer "Ghettomentalität" und ihrer allgemeinen Kritik an verbindlichen Organisationsformen zu führen und zusammen mit anderen Gruppierungen der "Revolutionären Linken" die "unterschiedlichsten Unterdrückungsarten" zu bekämpfen. Die Gruppe - etwa 20 Personen stark - ist Mitglied des bundesweiten Organisationszusammenschlusses "Antifaschistische Aktion / Bundesweite Organisation" (AA/BO). Der AA/BO, die von F.e.l.S. als wichtigster Organisationsansatz in der undogmatischen Linken in der BRD angesehen wird, gehören zahlreiche autonome und "antiimperialistische" Gruppierungen aus der gesamten Bundesrepublik an. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 186 "Gruppe Avanti" Die "Gruppe Avanti" ist im September 1992 aus einem Zusammenschluß von Anhängern der internationalen trotzkistischen Bewegung "IV. Internationale (Vereinigtes Sekretariat)" (VS) entstanden. Ihr gehören ehemalige Mitglieder der VSP sowie die Angehörigen der "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" (GRS) an. Die GRS hat mit dem Zusammenschluß ihren Namen aufgegeben; ihre Mitglieder bezeichnen sich jetzt als Mitglieder der Vierten Internationale. Ziel der Gruppe war die "Herstellung verbindlicher Strukturen der Vierten Internationale sowie die Rekonstruktion einer Sektion in Gesamtdeutschland". Die Gruppe hat sich im Oktober 1994 aufgelöst. "Gruppe K" Die aus einer Minderheitsfraktion des im April 1991 aufgelösten "Kommunistischen Bundes" (KB) hervorgegangene Gruppe mit etwa 80 Mitgliedern wurde am 7. Juli 1991 in Dortmund formell gegründet. Sie hält ideologisch am Ziel des Kommunismus fest. Ein Hauptzweck der Organisation liegt nach eigenem Bekunden in den Bereichen der Analyse sowie der Theorieund Strategieentwicklung. Publikation: "Bahamas", alle 2 bis 3 Monate, Aufl.: 1 000. "Gruppe Spartakus" Diese Splittergruppe wurde 1983 als "Gruppe IV. Internationale" von Personen gegründet, die aus der damaligen "Trotzkistischen Liga Deutschlands" (TLD) ausgeschlossen worden waren. Seit August 1990 war diese Gruppe deutsche Sektion der internationalen trotzkistischen Bewegung "Bolschewistische Tendenz" (BT) mit Kontaktadressen in Berlin und Hamburg. Die Gruppe hat sich im Oktober 1994 aufgelöst. "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) Die 1979 gegründete ISA, deutsche Sektion der "IV. Internationale (Internationales Zentrum für ihren Wiederaufbau)" - IZ -, ging aus einer Gruppe um die trotzkistische 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 187 Zeitschrift "Internationale Arbeiterkorrespondenz" (IAK) hervor und umfaßt etwa 250 Mitglieder, davon etwa 20 in Berlin. Publikation: "Sozialistische Arbeiterzeitung" (SAZ), dt. Beilage der mtl. Zeitschrift "Internationale Tribüne - La Verite", die vom Generalrat der "IV. Internationale (IZ)" herausgegeben wird. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 1968 als "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/M-L) gegründet, 1980 in KPD umbenannt. 1986 Fusion der Mehrheitsfraktion mit der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) zur "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP). Verblieben sind Splittergruppen, von denen jede für sich den bisherigen Parteinamen beansprucht und die insgesamt etwa 80, in Berlin etwa 30, Mitglieder umfassen. Publikation: "Roter Morgen", 14tgl., Aufl.: 700. "Roter Blitz", unreg., Aufl.: jeweils 200 bis 300. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD - Sitz Berlin) Am 31. Januar 1990 in Ost-Berlin für das Gebiet der ehemaligen DDR (wieder-) gegründete "orthodox-kommunistische" Kernorganisation mit gesamtdeutschem Anspruch. Ihr gehören ca. 200 Mitglieder, in Berlin ca. 40 an. Publikation: "Die Rote Fahne - Monatszeitschrift der Kommunistischen Partei Deutschlands" "Marxistische Gruppe" (MG) Die Anfang der 70er Jahre aus "Roten Zellen" hervorgegangene MG hat sich am 20. Mai 1991 formell selbst "aufgelöst". Intern wahrte sie jedoch ihren Zusammenhalt. Der MG werden bundesweit wie bereits zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 10 000 Mitglieder zugerechnet. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 188 Publikation: "GEGENSTANDPUNKT Politische Vierteljahreszeitschrift", Aufl.: über 6 000. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete, aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) hervorgegangene MLPD bekennt sich zur Theorie des MarxismusLeninismus in seiner Interpretation durch Mao ZEDONG. In der MLPD sind bundesweit 2 000 Mitglieder organisiert, in Berlin gehören ihr über 100 Personen an. Publikation: "Rote Fahne", wo., Aufl.: 7 500. Nebenorganisation: "REBELL"-Jugendverband der MLPD. "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Ein nach stalinistischem Prinzip organisierter Zusammenschluß von deutschen Anhängern der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM). Diesem 1984 entstandenen Dachverband (Sitz: London) gehören derzeit 19 revolutionäre Parteien und Zusammenschlüsse aus verschiedenen Ländern an. Als deutsche Gruppierung der RIM verfügen die RK - mit regionalem Schwerpunkt in Berlin - über etwa 150 Anhänger. Publikation: "Aufstand - Zeitung der Revolutionären Kommunisten (BRD)", unreg. "Revolutionäre Zellen" (RZ) Kleingruppen ohne erkennbare Struktur, die mit z. T. schweren Sprengstoffund Brandanschlägen, Sabotageakten und "Bestrafungsaktionen", wie Knieschüssen, ein auf Breitenwirkung angelegtes -teilweise "sozialrevolutionäres" Konzeptverfolgen. Die RZ knüpfen hierbei in der Regel in aktuelle gesellschaftliche Probleme an. "Revolutionär Sozialistischer Bund" (RSB) Der RSB wurde im Oktober 1994 von Angehörigen der trotzkistischen Gruppierungen "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP), "Spartakus-Gruppe", "Gruppe Avanti" 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 189 und "INPREKORR-Strömung" als "deutsche Sektion der IV. Internationale" gegründet. Der RSB strebt den "Aufbau einer sozialistischen, proletarischen, feministischen, ökologischen Organisation auf Massenbasis" an. Ziel der Organisation ist der "revolutionäre Bruch mit dem Kapitalismus und (der) Aufbau einer demokratischen, sozialistischen Gesellschaft (sowie die) Orientierung auf die politische und soziale Revolution anstelle der Illusion der Möglichkeit grundlegenden Wandels durch Reformen. Als Berliner Kontaktadresse des RSB wird Friedrichstraße 165 in Berlin-Mitte ("Haus der Demokratie"), angegeben. Publikation: "Avanti - die internationale -". "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, die sich in einem "bewaffneten antiimperialistischen Kampf sah und über militärische Offensiven eine "einheitliche antiimperialistische Front in Westeuropa" als Zwischenetappe zu einer kommunistischen Gesellschaft anstrebte ("Frontkonzept"). Im Jahre 1992 beendete die "RAFKommandoebene" (illegaler Kern aus etwa 15 Personen bestehend - Kommandobereich) in entsprechenden Erklärungen "offiziell" dieses "Frontkonzept". Nunmehr strebt sie an, über "soziale Aneignungsprozesse" und den Aufbau einer (sozialen) "Gegenmacht von unten" zu einem "neuen internationalen Kampf für die Umwälzung" zu gelangen. Vor diesem Hintergrund erklärte sie eine zeitweilige "Rücknahme der Eskalation" ("Erklärung" vom 10. April 1992). Die Dauer dieser "Kampfpause" hänge jedoch vom Verhalten des Staates bezüglich einiger zentraler Anliegen des Kommandobereiches ab. Diese "neue Politik" der "RAF-Kommandoebene" wird von einem Teil der inhaftierten RAFMitglieder (,,hardliner"-Gefangene) abgelehnt. Darüber kam es zur Spaltung. Das bundesweite RAF-Umfeld - bedingt durch die Spaltung derzeit nicht quantifizierbar - unterstützt die RAF propagandistisch und übt als Sprachrohr der RAF eine wichtige Vermittlerrolle aus. "Rote Hilfe e. V." (RH) 1975 gegründete Rechtsund Hafthilfeorganisation der "Neuen Linken", die maßgeblich von Mitgliedern/ehemaligen Mitgliedern mehrerer K-Gruppen getragen wird und bundesweit über 700, in Berlin über etwa 100 Mitglieder verfügt. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 190 Publikation: "Die Rote Hilfe", vj., Aufl.: 1 800. In Berlin: "Rote Hilfe Info", mtl. "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Die 1969/70 aus dem Frankfurter SDS hervorgegangene SAG ist die deutsche Sektion der internationalen Strömung "Internationale Sozialisten" (IS), die ihren Ursprung in Großbritannien hat. Die etwa 250 Mitglieder sind in mehreren Ortsgruppen u. a. in Berlin mit ca. 40 Mitgliedern organisiert. Die SAG erstrebt über Betriebsund Gewerkschaftsarbeit den Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei. Publikation: "Klassenkampf (Juli/August 1994 eingestellt). "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die am 4./5. Mai 1968 in Essen gegründete SDAJ wird von der DKP als "Kaderreserve" angesehen. Sie ist seit Anfang 1991 auch in Berlin mit dem Landesverband "Berlin-Brandenburg" vertreten. Die SDAJ hat ca. 400 Mitglieder; der "SDAJ Berlin-Brandenburg" gehören unter 30 Mitglieder an. Publikation: "position - Magazin der SDAJ" zweimonatl., Aufl.: 600. "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) Der im Januar 1990 in Berlin gegründeten SpAD, deutsche Sektion der "Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)" (IKL), gehören etwa 120 Mitglieder an. Vorläuferorganisationen waren die 1974 gegründete "Trotzkistische Liga Deutschlands" (TLD) sowie die 1989 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gegründeten "Spartakist-Gruppen". Publikation: "Spartakist", mtl., Aufl.: 1 000. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 191 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die 1986 aus einer Fusion der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) hervorgegangene VSP umfaßt bundesweit unter 300 Mitglieder, die in zahlreichen Ortsgruppen u. a. in Berlin organisiert sind. Publikation: "SoZ - Sozialistische Zeitung", 14tgl., Aufl.: 2 000. "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) 1989 mit dem Ziel, Gewerkschaftler, Sozialdemokraten und Jugendliche zur Mitarbeit zu gewinnen, von der ISA gebildete Tarnorganisation. Publikation: "Freie Tribüne für Arbeitnehmerpolitik" (Januar 1994 eingestellt). "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) 1979 von der damaligen KPD/ML gegründete "antifaschistische" Bündnisorganisation mit einem hohen Anteil von Mitgliedern des BWK und der VSP; in den Führungsgremien dominieren inzwischen Mitglieder des BWK. Die Volksfront hat derzeit 200 Mitglieder, von denen unter 20 im "Landesverband Westberlin" organisiert sind. Publikation: "Antifaschistische Nachrichten", 14tgl., Aufl.: 600. In Berlin: "frontblatt", mtl., Aufl.: 300. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 193 4.2 Rechtsextremismus "Asgard-Bund e. V." / "Wotans Volk" Der Verein will sich als Gemeinschaft verstehen, die eine heidnisch-germanische Weltanschauung propagiert. Zum "Asgard-Bund e. V." gehört die Gruppe "Wotans Volk". Beide Gruppen mit insgesamt ca. 20 Mitgliedern beschränkten sich im Jahr 1994 auf die Herausgabe von Schulungsblättern mit den Titeln "Hauptschulungsamt Wotans Volk" und "Der Wotansspeer". Über eine Kontaktadresse werden handtellergroße Aufkleber mit den Parolen "ANTIFAtzke in der Zwangsjacke" und "Deutsche Renees braucht das Land!" in Umlauf gebracht. Publikation: "Nordisch=Germanischer Jahrweiser". "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." Die im März 1983 von einem Kreis oppositioneller Berliner NPD-Mitglieder unter der Bezeichnung "Deutsche Kulturgemeinschaft Preußen e. V" gegründete Vereinigung umfaßte 1994 etwa 30 Mitglieder. Seit etwa 1988 hat der Zusammenschluß zunehmend zentrale Veranstaltungen für das gesamte rechtsextremistische Spektrum Berlins durchgeführt. Die "Gemeinschaft" versucht mit ihren Aktivitäten (vornehmlich Vortragsveranstaltungen, "Reichsgründungsfeiern" und "Heldengedenktage"), die verschiedenen Strömungen innerhalb der rechtsextremistischen Szene Gesamtberlins und seines Umlandes zu erreichen. "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) Die DJI, ein loser Zusammenschluß einzelner Neonazis, trat im Jahr 1994 -wie bereits 1992 und 1993 - lediglich als Veranstalter eines Konzerts mit dem in rechtsextremistischen Kreisen bekannten Liedermacher Frank RENNICKE auf. Die Veranstaltung fand im "Kulturhaus" in Rüdersdorf (Brandenburg) statt. Es beteiligten sich etwa 500 bis 700 Personen, darunter zahlreiche Neonazis und Skinheads. In den Medien wurde die Zusammenkunft als großes rechtsextremistisches Spektakel erwähnt. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 194 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Am 3. Oktober 1991 von ehemaligen Angehörigen der NPD und der Partei "Die Republikaner" offiziell gegründete, aus dem "Förderverein Vereinigte Rechte" hervorgegangene Partei, der bundesweit etwa 900 Mitglieder angehören. Die bei der Gründung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der DLVH am 8. Februar 1992 angegebene Mitgliederzahl von 140 erscheint aufgrund der Inaktivität der Partei weit überhöht. Nach hiesiger Schätzung gehören der DLVH in Berlin/Brandenburg etwa 40 Personen an. "Deutsche Nationalisten" (DN) Die DN wurden am 21. Juli 1993 in Mainz gegründet. Bundesvorsitzender ist Michael PETRI, ehemaliger Funktionär der verbotenen neonazistischen "Deutschen Alternative" (DA). Die DN propagieren den Austritt aus NATO und Europäischer Gemeinschaft, fordern einen "deutschen Nationalstaat in den völkerrechtlich gültigen Grenzen" und lehnen eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland ab. Neben Landesverbänden der DN in einigen Bundesländern existiert seit dem 2. Quartal 1994 in Berlin ein DN-Landesverband mit ca. 15 Mitgliedern. "Deutsche Volksunion e. V." (DVU e. V) einschl. ihrer Aktionsgemeinschaften: * "Aktion Oder-Neiße" (AKON), * "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), * "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur" (DSVK), * "Ehrenbund Rudel" (ER), * "Initiative für Ausländerbegrenzung" (I. f. A.), * "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA). 1971 von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY als "überparteiliches" Sammelbecken der "Verfassungstreuen Rechten" gegründete Kernorganisation der "National-Freiheitlichen". Seit Gründung des Berliner Landesverbandes der DVU sind für die DVU e. V. keine Aktivitäten mehr zu verzeichnen; die Mitglieder des Vereins sind automatisch Mitglieder der Partei. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 195 Publikation: "Deutsche National-Zeitung", Aufl.: 42 000, "Deutsche Wochen-Zeitung" / "Deutscher Anzeiger", Aufl.: 25 000. "Deutsche Volksunion" (DVU) Die 1987 auf Initiative des Münchener Verlegers Dr. Gerhard FREY als Partei gegründete DVU-Liste D wurde 1991 per Satzungsänderung in DVU umbenannt. Die DVU verfügt bundesweit über etwa 20 000 Mitglieder. Der 1988 gegründete Berliner Landesverband umfaßt knapp 700 Mitglieder. "Die Nationalen e. V." "Die Nationalen e.V." wurden im September 1991 von Angehörigen der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und ehemaligen Mitgliedern der Partei "Die Republikaner" (REP) unter dem Namen "Freiheitliche Wählergemeinschaft 'Wir sind das Volk'" als Zweckgemeinschaft für die Teilnahme an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai 1992 gegründet. In Berlin sind dem Verein etwa 80 Personen zuzurechnen. Neben der Herausgabe der zweimonatlich erscheinenden Publikation "BerlinBrandenburger", die auch in den neuen Bundesländern verbreitet wird, konzentrierten sich die Aktivitäten des Vereins 1994 hauptsächlich auf das Land Brandenburg. Publikation: "Berlin-Brandenburger". "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) ist die seit Spätsommer 1993 bekannteste aktuelle Bezeichnung für das bereits umbenannte neonazistische "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ), das im Juli 1992 gleichzeitig mit der "Sozialrevolutionären Arbeiterfront" überwiegend von ehemaligen Brandenburger und einigen Berliner Aktivisten der verbotenen "Nationalistischen Front" nach vorheriger Abspaltung gegründet worden war. Nach den Durchsuchungsmaßnahmen in mehreren Bundesländern am 20. Januar, die sich gegen führende Angehörige der JF richteten, wurden keine Aktivitäten unter dem Namen "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" in Berlin festgestellt. In der Zeitung 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 196 des Vereins "Die Nationalen e. V", der Publikation "Berlin-Brandenburger" vom April/Mai 1994 erklärte die Gruppe: "Mit Wirkung vom 20. Januar 1994 haben wir unseren Verein, die Symbolik und die kameradschaftsübergreifende Organisationsstruktur aufgelöst. Die Stützpunkte werden in die vollständige Autonomie entlassen. Ein Auftreten unter dem Namen FMJ/JF ist zu unterlassen. Für Aktionen sind eigene Wortschöpfungen zu finden. Ständig wechselnde Bezeichnungen sind angebracht". Die Schrift "Angriff, die bereits zu Zeiten der FMJ verbreitet worden war, wird weiterhin angeboten. Als Redaktionsanschrift ist ein Postfach in Berlin angegeben. Nach Angaben der Redaktion erscheint der "Angriff" kostenlos. Er ist in allen "mitteldeutschen Ländern" und in Niedersachsen in Szene-Läden erhältlich. Publikation: "Angriff'. "Die Republikaner" (REP) Der 1983 gegründeten Partei "Die Republikaner" gehörten 1994 bundesweit etwa 20 000 Mitglieder an. Der REP-Landesverband Berlin umfaßte zum Jahresende etwa 1 000 Mitglieder. Nach den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai 1992 zogen die REP in zwanzig Bezirksparlamente ein. Im November 1993 löste sich die Fraktion der REP im Berliner Bezirk Mitte auf. Publikation: "Die Republikaner - Nachrichten und Meinungen - Aus Berlin für Berlin". "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die nationalsozialistischem Gedankengut verhaftete FAP wurde seit 1984 systematisch von Aktivisten der 1983 verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationale Aktivisten" (ANS/NA) unterwandert. Der Partei gehören bundesweit etwa 430 Mitglieder (1992: 220, 1993: 430) an. Der am 20. Oktober 1990 gegründete Landesverband Berlin der FAP ist mit etwa 50 Mitgliedern und Anhängern die größte aktive neonazistische Organisation Berlins. Nennenswerte Aktivitäten entfaltete der Berliner FAP-Landesverband nur vor den Wahlen zum Europaparlament (12. Juni 1994). Die FAP nahm an diesen Wahlen jedoch nicht teil. Ende des Jahres 1994 gab die FAP mittels einer Presseerklärung bekannt, ihre Bundesgeschäftsstelle von Halstenbek (Schleswig-Holstein) nach Berlin zu verlegen. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 197 Publikation: "Aufbruch - Informationsblatt der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei für Mitteldeutschland". "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS) Der FRVS, gegründet im April 1993, strebt u. a. die "Schaffung der Volksgemeinschaft als bewußte und gewollte Solidargemeinschaft freier und gleichberechtigter Volksgenossen innerhalb eines souveränen Nationalstaates" an. In ihrer Propagandaschrift "Stadtrebell werden militärische Gegenstände wie Stahlhelme, Feldflaschen, Stiefel, Kochgeschirr usw. angeboten. Im Jahr 1994 verbreitete der FRVS im Berliner Stadtgebiet Propagandamaterial mit den Parolen "Ruhm und Ehre für Rudolf Heß" und "Wir fordern: Deutschland den Deutschen - Ausländer raus" sowie "Argumente statt Verbote" Publikation: "Stadtrebell - Kampfblatt des Freundeskreises Revolutionärer Volkssozialisten". "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Die 1979 gegründete HNG in Mainz ist Sammelbecken und Solidargemeinschaft sowie zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Die Organisation unterstützt inhaftierte Neonazis. Sie ist eine der mitgliederstärksten Neonazizusammenschlüsse. Neben ihrem satzungsgemäßen Ziel, "nationale politische Gefangene" zu betreuen, ist die HNG bestrebt, aus der Haft entlassene Gesinnungsgenossen wieder in die neonazistische Szene zurückzuführen. In Berlin ohne Gliederung, ca. 25 Einzelmitglieder. Publikation: "Nachrichten der HNG". "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 aus der rechtsextremistischen "Deutschen Reichspartei" (DRP) hervorgegangene NPD umfaßte 1994 bundesweit etwa 4 500 Mitglieder. Dem Landesverband Berlin-Brandenburg der NPD gehörten zum Jahresende 1994 knapp 100 Personen an. Zu den "Jungen Nationaldemokraten" (JN), der NPD-Jugendorganisation, zählten im Bundesgebiet etwa 150 Mitglieder, in Berlin ca. 10 Personen. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 198 Publikation: "Deutsche Stimme". "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Seit 1976 aktive Gruppe mit zahlreichen, unabhängig voneinander arbeitenden und meist aus Einzelpersonen bestehenden Stützpunkten in der Bundesrepublik Deutschland. Als "Endziel" bezeichnet die NSDAP-AO "die Schaffung eines nationalsozialistischen Staates in einem freien, souveränen und neuvereinigten Reich und die Errichtung einer neuen Ordnung auf einer rassischen Grundlage in der ganzen arischen Welt". Die Berliner Anhänger dieser Gruppe beziehen neonazistisches Propagandamaterial von der "Auslandszentrale" der NSDAP-AO in Lincoln/Nebraska (USA). Publikation: "NS-Kampfruf" (aus USA). "Neonazikreis um Curt MÜLLER" Seit 1974 bekannter Aktionszirkel mit Sitz in Mainz-Gonsenheim. Leiter des Kreises sind die Eheleute Curt und Ursula MÜLLER. Seit Jahren beschränken sich die Aktivitäten im wesentlichen auf die Durchführung von Sonnwendund HITLERGeburtstagsfeiern. Berliner Neonazis nehmen an derartigen Veranstaltungen teil. "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" Neonazistisch orientierte Funktionärsgruppe, die sich in ihrer ideologischen Ausrichtung an Organisationen wie "Wotans Volk" und "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) anlehnt. Zu den Parolen dieser Gruppe zählen "Wir sind stolz, Arier zu sein", "Odin statt 'Jesus'!" und "Rassenmischung ist Völkermord!" "Völkischer Freundeskreis Berlin" (VFK) Die Anhänger des Freundeskreises, gegründet 1989, streben "völkische wie sozialistische Ideale" an. Es handelt sich um eine Funktionärsgruppe. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 199 "Wiking-Jugend -volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V." (WJ) Die 1952 gegründete, in der Tradition der ehemaligen "Hitler-Jugend" (HJ) stehende und nach dem Führerprinzip organisierte "Wiking-Jugend e. V." (WJ) ist am 10. November 1994 vom Bundesminister des Innern gem. Art. 9 GG i. V. m. SS 3 Abs. 2 Vereinsgesetz verboten worden. Grundlage für das Verbot war u. a. die Feststellung einer Wesensverwandtschaft der WJ mit dem Nationalsozialismus. Ihr gehörten bundesweit etwa 400 Mitglieder an Sie war die größte rechtsextremistische Jugendorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Der Gau Berlin der WJ hatte etwa 15 Anhänger. Die Berliner WJ-Formation trat bis zum Verbot nur mit wenigen, gemeinsam mit der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." organisierten Veranstaltungen in Erscheinung. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 201 4.3 Ausländerextremismus "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) Die 1972 von Hassan Sabri AL BANNA alias "Abu NIDAL" gegründete ANO, die ihre Hauptstützpunkte in Libyen und Irak besitzt, gehört zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Seit ihrer Gründung hat sie für zahlreiche Terrorakte, u. a. in Westeuropa, verantwortlich gezeichnet. Sie verfügt im Bundesgebiet wie in Berlin nur über Einzelmitglieder. "AL FATAH" Ende der 50er Jahre gegründete, zahlenmäßig stärkste PLO-Mitgliedsorganisation unter Führung von Yassir ARAFAT. Die FATAH hat ihren Hauptstützpunkt in Tunis/ Tunesien. In der Vergangenheit war sie für zahlreiche Terrorakte verantwortlich (z. B. 1972 Anschlag auf die israelische Olympia-Mannschaft in München). Von ihrem erklärten Ziel, der Befreiung Palästinas durch Zerstörung des Staates Israel und der Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates, hat die FATAH aufgrund der erzielten Ergebnisse bei den Nahost-Friedensverhandlungen Abstand genommen. In Berlin besteht eine Gliederung der FATAH mit etwa 100 Mitgliedern (bundesweit ca. 400), die zum großen Teil die mit Israel erzielte Kompromißlösung unterstützt. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die am 27. November 1978 in der Türkei gegründete PKK unter Leitung von Abdullah ÖCALAN mit Sitz in Damaskus erstrebt die Schaffung eines unabhängigen Kurdistans auch unter Einsatz terroristischer Mittel. Seit 1979 ist die PKK in der Bundesrepublik Deutschland aktiv und durch zahlreiche, z. T. gewaltsame Aktionen in Erscheinuhg getreten. Dem Berliner Gebietskomitee der PKK gehören etwa 500 Mitglieder und Anhänger an (bundesweit 7 500). Der Bundesminister des Innern hat am 26. November 1993 die PKK und einige ihrer Teilund Nebenorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Von dem Verbot waren insgesamt 35 Institutionen betroffen. Am 19. Juli 1994 hob das Bundesverwaltungsgericht aufgrund einer Klage die Verbote gegen 21 kurdische Regionalvereinigungen (darunter auch das "Kurdische Kulturzentrums BOTAN in Berlin e. V.") bis zu einer endgültigen Entscheidung auf. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 202 "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) Die DFLP ist in Israel und den von Israel besetzten Gebieten durch zahlreiche Terrorakte in Erscheinung getreten. In der Bundesrepublik Deutschland sind Terrorakte von der DFLP bisher nicht durchgeführt worden. Die 1969 gegründete Organisation unter Leitung von Nayef HAWATMEH ist seit etwa 1991 in einen eher gemäßigten und einen radikalen Flügel gespalten. Während der gemäßigte Flügel um Yassir Abd RABBO die mit Israel erzielte Kompromißlösung unterstützt, lehnt der radikale Flügel um HAWATMEH diese ab. In Berlin besteht eine Gliederung der DFLP mit etwa 30 Mitgliedern (bundesweit ca. 200), die mit wenigen Ausnahmen dem radikalen Flügel angehören. "Demokratische Partei Kurdistans-Irak" (DPK-Irak) Die DPK-Irak strebt die Bildung eines föderativ-demokratischen Teilstaates Kurdistan in einem Bundesstaat Irak auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus an. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Partei bisher durch Gewalthandlungen nicht in Erscheinung getreten. Ihre Interessen werden in Deutschland von der "Vereinigung der kurdischen Studenten in Europa e. V." (KSSE) vertreten. Die KSSE unterhält sog. Ortsgruppen mit etwa 250 Mitgliedern bundesweit, davon etwa 30 in Berlin. "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Die Gruppe ging im Mai/Juni 1978 aus der "Türkischen Volksbefreiungspartei/-front" (THKP/-C) als konspirativ arbeitender Zusammenschluß hervor. Sie strebt in der Türkei eine kommunistische Gesellschaftsordnung durch einen bewaffneten Volkskrieg an. Trotz des Verbots vom 9. Februar 1983 durch den Bundesminister des Innern sind Anhänger der Organisation nach wie vor in Deutschland aktiv. Anfang 1993 spaltete sich die Organisation in zwei verfeindete Fraktionen, den "KARATAS"und den "YAGAN"-Flügel. Die Machtkämpfe zwischen den beiden Fraktionen werden europaweit gewaltsam ausgetragen und haben bereits mehrere Todesopfer gefordert. Die KARATAS-Gruppe formierte sich Anfang Oktober 1994 zur "Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front"(DHKP-C). In Berlin verfügen beide Fraktionen über etwa 50 Mitglieder und Anhänger (bundesweit ca. 800). 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 203 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Die 1982 im Libanon gebildete, vom Iran stark beeinflußte "Hizb Allah", die sich in den letzten Jahren zur stärksten Kraft unter den pro-iranischen Schiiten-Organisationen entwickelte, hat sich die Schaffung einer Islamischen Republik Libanon zum Ziel gesetzt. Sie ist für zahlreiche Terrorakte verantwortlich. In Berlin verfügt die "Hizb Allah" über etwa 50 Mitglieder (bundesweit ca. 600). "Hizb Al Tahrir Al-Islami" (Islamische Befreiungspartei) Die "Hizb Al Tahrir Al-Islami" entstand 1952/1953 in Ostjerusalem/Jordanien und tritt für die Schaffung eines weltweiten islamisch-extremistisch orientierten Herrschaftsund Gesellschaftssystems durch gewaltsamen Kampf ein. Die Islamische Befreiungspartei ist in allen arabischen Ländern verboten. Ihre Operationsbasis liegt vermutlich im Libanon. Die Bewegung operiert in vielen Ländern im Untergrund. In Berlin sind bisher Einzelmitglieder bekannt geworden. "Islamische Heilsfront" (FIS) Die FIS wurde 1989 in Algerien gegründet und war anfangs ein Sammelbecken der islamischen Opposition, in dem sich ein islamisch-extremistisch orientierter Flügel unter ihren heutigen Führern Abassi MADANI und Ali BENHADSCH durchsetzen konnte. Bei den Parlamentswahlen in Algerien 1991 gewann die FIS mit großer Mehrheit den ersten Wahlgang. Vor dem zweiten Wahlgang im Januar 1992 putschte die Armee, die FIS wurde im April 1992 verboten. Ihre Führer MADANI und BENHADSCH wurden zu langjähriger Haft verurteilt. Nach ihrem Verbot zerfiel die FIS in zahlreiche Fraktionen und rivalisierende Untergrundgruppen. Als militärischer Arm der FIS wurde die AIS ("Armee Islamique du Salut") bekannt. Von den übrigen in Algerien tätigen bewaffneten islamistischen Untergrundgruppen ist besonders die GIA (Bewaffnete Islamische Gruppierung) zu nennen, die den Sturz der Regierung durch einen bedingungslosen bewaffneten Kampf erreichen will und für die Mehrzahl der Morde an Ausländern in Algerien verantwortlich ist. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 204 "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Bei der 1987 gegründeten HAMAS handelt es sich um den palästinensischen Zweig der 1928 in Ägypten gegründeten "Muslimbruderschaft". Die HAMAS tritt für den Jihad (Heiligen Krieg) gegen Israel und die Errichtung eines islamischen Staates in Israel und den von Israel besetzten Gebieten ein. Bisher operierte sie terroristisch ausschließlich in den von Israel besetzten Gebieten, wo sie auch ihre Hauptstützpunkte hat. In Berlin verfügt sie über etwa 70 Mitglieder, wobei der Sympathisantenkreis weitaus größer sein dürfte. "KOMKAR - Verband der Vereine aus Kurdistan" (KOMKAR) Der KOMKAR ist eine Nebenorganisation der "Sozialistischen Partei Kurdistans" (PSK), die bis Ende 1992 den Namen "Sozialistische Partei Türkisch-Kurdistans" (TKSP) führte. Die PSK ist eine marxistisch-leninistische Partei mit nationalistischer Tendenz und bekennt sich zu einer "national-demokratischen Revolution des kurdischen Volkes". In der Bundesrepublik Deutschland ist die Partei bisher durch Gewalthandlungen nicht in Erscheinung getreten. Der KOMKAR ist Dachorganisation von derzeit 16 Mitgliedsvereinen mit etwa 400 Mitgliedern bundesweit. Berliner Mitgliedsverein des KOMKAR ist der "Kulturund Hilfsverein Kurdistan e. V". "Kurdistan-Front Irak" (KFI) Bei der KFI handelt es sich um den Dachverband von acht irakisch-kurdischen Organisationen, die sich 1988 in Damaskus zusammengeschlossen haben. Ziel ist die Gründung eines föderativ-demokratischen Teilstaates Kurdistan in einem Bundesstaat Irak. In der Bundesrepublik Deutschland gehören die DPK-Irak, die KSSE und die PUK der KFI an. "Muslimbruderschaft" (MB) Die 1928 in Ägypten gegründete "Muslimbruderschaft" ist ein Zusammenschluß radikaler sunnitischer Muslime, der hauptsächlich in Ägypten und Syrien mit Gewalt die dortigen Regime stürzen will. In Berlin leben etwa 50 Mitglieder der MB (bundesweit ca. 940). 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 205 "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) Bei der 1965 gegründeten PMOI handelt es sich um eine islamisch-fundamentalistische Organisation mit marxistischer Prägung. Ihre Hauptstützpunkte befinden sich in Bagdad und Paris. Mit ihrem bewaffneten Arm, der "Nationalen Befreiungsarmee Iran" (NLA), bekämpft die PMOI vom Irak aus das derzeitige Regime im Iran und bedient sich dabei auch terroristischer Mittel. Über den von ihr beherrschten, zum "Exilparlament im Widerstand" aufgewerteten und angeblich überparteilichen "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI) trägt sie ihre Kritik an der iranischen Regierung weltweit in die Öffentlichkeit. Bundesweit soll die PMOI über etwa 850 Mitglieder verfügen, davon ca. 25 in Berlin. "Palästinensische Volkskampffront" (PPSF) Die 1967 gegründete PPSF unter Leitung von Dr. Samir GHOUSHA mit Sitz in Damaskus lehnt eine politische Lösung der "Palästina-Frage" ab und fordert die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes bis zur völligen Vernichtung Israels. In der Bundesrepublik Deutschland hat die PPSF bisher keine Terrorakte verübt. In Berlin gibt es wie im übrigen Bundesgebiet nur Einzelmitglieder der PPSF. "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PIJ) Die Ursprünge des PIJ gehen auf verschiedene fundamentalistische Bewegungen zurück, die zumeist unter dem Einfluß der sunnitisch-extremistischen Muslimbruderschaft standen. Der PIJ wurde etwa Ende der 70er Jahre gegründet. In den 80er Jahren und Anfang 1990 kristallisierten sich insbesondere vor dem Hintergrund persönlicher Auseinandersetzungen, ideologischer Meinungsverschiedenheiten und Verbindungen zu verschiedenen Ländern und Organisationen sechs Fraktionen der Bewegung heraus. Ziel aller Fraktionen des PIJ ist die Errichtung eines islamischen Staates Palästina und die Vernichtung des Staates Israel. Dieses Ziel ist nach Auffassung des PIJ nur unter Einsatz von Gewalt zu erreichen. Die Bewegung übernahm bereits Verantwortung für zahlreiche in Israel und den besetzten Gebieten sowie außerhalb Israels begangene Anschläge. Der PIJ hat angekündigt, auch außerhalb des Nahen Ostens gegen israelische Ziele vorzugehen. In Berlin sind bislang nur Einzelmitglieder bekanntgeworden. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 206 "Partei der Großen Einheit" (BBP) Die BBP hat sich Anfang 1993 von der MHP abgespalten. Der Spaltung lag hauptsächlich Kritik am Führungsverhalten von Alparslan TÜRKES zugrunde. Beide Parteien sind nationalistisch und antizionistisch orientiert, unterscheiden sich jedoch in ihrer Einstellung zum Laizismus. Bei der BBP überwiegt derzeit die religiöse Komponente. Die Berliner Anhänger der BBP sind in der Vereinigung "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BUD) organisiert. Die BBP-orientierten Vereine in der Bundesrepublik Deutschland gründeten Anfang September 1994 den Dachverband "Avrupa Nizam'i Alem Federasyonu" (ANF). Ihren vorläufigen Sitz hat die ANF in den Vereinsräumen des BUD. "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) Die 1957 gegründete und durch das Militär in der Türkei 1980 verbotene MHP wurde Anfang 1993 nach Auflösung ihrer Nachfolgepartei, "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP), erneut ins Leben gerufen. Die von Alparslan TÜRKES geführte MHP ist eine laizistische, nationalistische Partei mit antikommunistischer und antizionistischer Haltung. Die Berliner Anhänger der MHP sind in der "Türkischen Idealistengemeinschaft" (TÜB) organisiert. Die TÜB ist Mitglied der "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V." (ADÜTDF) mit Sitz in Griesheim bei Frankfurt am Main. "Patriotische Union Kurdistans" (PUK) Die als "Sozialrevolutionär" zu bezeichnende PUK führt seit 1976 einen bewaffneten Kampf gegen das irakische Regime und war in den Jahren 1981 bis 1982 für Entführungen von Deutschen im Irak verantwortlich. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Zahl ihrer Mitglieder auf 400 geschätzt, in Berlin gibt es Einzelmitglieder. Die in der Bundesrepublik Deutschland aktiven PUK-Mitglieder zeigten bisher keine Militanz. "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) Die 1980 gegründete marxistisch-leninistische TDKP, die den gewaltsamen Umsturz in der Türkei propagiert, verfügt in Berlin über etwa 60 Anhänger (bundesweit ca. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 207 840). Gewaltaktionen sind von ihren Mitgliedern bzw. Anhängern in der Bundesrepublik Deutschland bereits ausgegangen. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) Die 1972 gegründete TKP/M-L ist in mehrere Fraktionen gespalten. In Berlin sind die Fraktionen "Maoistische Parteizentrale" und "Partizan" als Gewaltpotential von Bedeutung. Während die etwa 30 Personen starke Fraktion der "Maoisten" über keine festen Strukturen verfügt, sind die ca. 50 Angehörigen der "Partizan" im "Verein der Arbeiter aus der Türkei in Berlin e. V." (TID) organisiert. Bundesweit verfügt die TKP/M-L über ungefähr 1 700 Mitglieder. Etwa Anfang September 1994 schloß sich in der Türkei die Fraktion "TKP/M-L Hareketi" (Bewegung) mit der "Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung" (TKIH) zur "Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei - Gründung" (MLKP-K) zusammen. Diese Gruppierung ist auch in Berlin aktiv. "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Nach dem Sieg der islamischen Revolution im Iran wurde die Anfang der 60er Jahre gegründete U.I.S.A. durch die islamisch-fundamentalistischen Kräfte zu einer regimetreuen Organisation umgestaltet. Mitglieder der bundesweit ca. 350, in Berlin ca. 25 Personen umfassenden U.I.S.A. sind in der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit durch Gewalttaten in Erscheinung getreten. "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Die 1967 gegründete PFLP unter Leitung von Dr. George HABBASH mit Sitz in Damaskus will ihr politisches Ziel, die Schaffung eines panarabischen Staates, mit den Mitteln des Guerilla-Krieges, insbesondere durch organisierten Terror, erreichen. In der Vergangenheit hat die PFLP zahlreiche Terroranschläge gegen Israel und mißliebige europäische Staaten verübt. Die PFLP verfügt in Berlin über eine Gliederung mit etwa 25 Mitgliedern (bundesweit ca. 180). 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 208 "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC) Die 1968 gegründete PFLP-GC unter Leitung von Ahmed JIBRIL mit Sitz in Damaskus zählt zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Sie zeichnete für zahlreiche Terrorakte in Israel und den von Israel besetzten Gebieten sowie in Westeuropa verantwortlich. 1986 und 1988 gelang es deutschen Sicherheitsbehörden, Anschlagsvorbereitungen von PFLP-GC-Angehörigen in der Bundesrepublik Deutschland aufzudecken. Im Bundesgebiet und in Berlin verfügt die PFLP-GC nur über Einzelmitglieder. "Wohlstandspartei" (RP) Nachfolgeorganisation der 1972 gegründeten und durch das Militär in der Türkei 1980 verbotenen "Nationalen Heilspartei" (MSP). Die RP ist eine nationalistische, islamisch-fundamentalistische Partei, die sich gegen den Laizismus wendet. Bundesweit verfügt die von dem MSP-Gründer Necmettin ERBAKAN geführte RP über ca. 20 000, in Berlin über etwa 1 500 Anhänger, die in der "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT) organisiert sind. 5 - Anhang II: Chronologie - 209 5 Anhang II Chronologie 5 - Anhang II: Chronologie - 211 5.1 Linksextremismus Januar "Die Rote Fahne" der-im Januar 1990 in Ostberlin (wieder-)gegründeten - "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) erscheint erstmals. Nach eigenen Angaben setzt die Partei mit der Herausgabe ihres Blattes die "guten Traditionen des Zentralorgans" der KPD fort. 1. Januar Brandanschlag Autonomer auf eine Filiale der Berliner Volksbank in Berlin-Steglitz. Es entstand Sachschaden. Unter der Überschrift "autonomer auftakt '94" bekennen sich "einige autonome" in dem Szene-Blatt "INTERIM", Nr. 268, vom 7. Januar, zu der Tat. 1. Januar Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und der Polizei in Berlin-Kreuzberg. Anläßlich des Jahreswechsels kam es zu Ausschreitungen von etwa 70 Personen, darunter Angehörige des autonomen Spektrums. Nachdem Gewalttäter die Kreuzung Oranien-/Adalbertstraße bzw. die Oranienstraße blockiert und mit Steinen geworfen hatten, räumte die Polizei unter Schlagstockeinsatz die Fahrbahn. 4. Januar "Öffentliche" Veranstaltung der "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG) zum Thema "Superwahljahr 1994: Kohl kann gestoppt werden!". An der Veranstaltung in einem Cafe in Berlin-Neukölln nahmen über 20 Personen teil. Eine SAG-Referentin äußerte u. a., daß es wichtig sei, die Arbeiter "im Osten" zu mobilisieren. Gerade die Arbeiter und Rentner im Ostteil Deutschlands hätten unter der Politik KOHLs besonders zu leiden und müßten "aufgehetzt" werden. 5 -Anhang II: Chronologie - 212 7. Januar Gemeinsame Veranstaltung der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) und der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) im Gebäude der PDS-Zeitung "Neues Deutschland" in Berlin-Friedrichshain unter dem Motto " - 75 Jahre nach Gründung der KPD - 75 Jahre nach den Morden an Luxemburg und Liebknecht - 'Mit Marx und Lenin zu Rosa und Karl!'". Vor etwa 250 Besuchern redete neben einem Vertreter einer Bürgerinitiative und einem Angehörigen der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), Heinz STEHR, Sprecher der DKP. STEHR griff die Politik der PDS an, warf ihr vor, "Substantielles" aufzugeben. 8. Januar Podiumsdiskussion der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) mit dem Thema "Ansätze für Antifa-Strategien". Zu der Veranstaltung im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg waren trotz einer umfangreichen Flugblattaktion nur etwa 30 Personen erschienen. Besonders enttäuscht zeigte sich die SDAJ über die äußerst geringe Beteiligung autonomer "Antifas", obwohl diese ausdrücklich zur Diskussion aufgefordert worden waren. 9. Januar Beteiligung marxistisch-leninistischer und sonstiger revolutionär-marxistischer Parteien und Gruppen an einem Gedenkmarsch anläßlich des 75. Jahrestages der Ermordung von Rosa LUXEMBURG und Karl LIEBKNECHT (15. Januar 1919). Aufgerufen hatten u. a. die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD). Die Wegstrecke führte vom Platz der Vereinten Nationen (Berlin-Friedrichshain) zum Zentralfriedhof Friedrichsfelde (Berlin-Lichtenberg). An dem Aufzug nahmen etwa 5 000 Personen teil. 11. Januar Diskussionsveranstaltung der "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG) zum Thema "Sozialismus oder Barbarei!". 5 - Anhang II: Chronologie - 213 Anlaß für die Veranstaltung in einem Cafe in Berlin-Neukölln war der 75. Jahrestag der Ermordung Rosa LUXEMBURGS. Auf der Tagesordnung stand die Frage "Warum haben viele ihrer Ideen und Lehren nichts an Aktualität verloren?". 12. Januar Gemeinsame Diskussionsveranstaltung des "Bundes Westdeutscher Kommunisten" (BWK) und der "PDS Schöneberg" in Räumlichkeiten der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) in Berlin-Schöneberg. Thema war "Der Weg der PDS - Sozialistische Alternative oder Regionalpartei". 12. Januar Brandanschlag auf einen Pkw Porsche in Berlin-Kreuzberg im Rahmen der Kampagne Autonomer gegen die "Umstrukturierung" Berlins. Bei der Redaktion der Tageszeitung "Berliner Morgenpost" ging zu dem Brandanschlag ein Bekennerschreiben ein. Auch das autonome Szeneblatt "INTERIM", Nr. 270, vom 20. Januar, druckte die Bekennung ab. 14. Januar "neue ARBEITERPRESSE"-Treff des "Bundes Sozialistischer Arbeiter" (BSA) in einem Seniorenclub in Berlin-Prenzlauer Berg. Erörtert wurde die Frage "Warum nimmt der BSA an der Europawahl teil?" 14. Januar Entwendung einer Büste Friedrich EBERTs durch autonome Kreise. Die Aktion auf dem Gelände der Friedrich-Ebert-Sportanlage in Berlin-Tempelhof stand im Zusammenhang mit dem 75. Jahrestag der Ermordung Rosa LUXEMBURGS und Karl LIEBKNECHTS. In einer dem Berliner Büro der Nachrichtenagentur dpa zugesandten Tatbekennung, die auch in dem autonomen SzeneBlatt "INTERIM", Nr. 270, vom 20. Januar, veröffentlicht wurde, bezeichnen "Autonome Gruppen" ihr Vorgehen als "Rache- 5 - Anhang II: Chronologie - 214 aktion" an den "obersten Konterrevolutionär" Friedrich EBERT. Die Büste sei von ihnen im Landwehrkanal versenkt worden. 19. Januar Veranstaltung der Ortsgruppe Berlin-Neukölln der "MarxistischLeninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) unter dem Motto "Wir stellen unsere Ziele im Bundestagswahlkampf 1994 vor". Im MLPD-'Treff Neuer Weg" in Berlin-Neukölln stellte sich eine Direktkandidatin der "MLPD/Offene Liste Berlin" der Diskussion. 20. Januar Protestkundgebung der "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) und deren Tarnorganisation "Komitee für soziale Verteidigung" (KfsV) anläßlich einer Arbeitsgerichtsverhandlung vor dem Arbeitsgericht Berlin in Tiergarten. Etwa 50 Personen nahmen teil. SpAD und KfsV hatten mit Flugschriften zur Solidarität mit einem angeblich wegen früherer IM-Tätigkeit gekündigten Professor aufgerufen. 21. Januar "neue ARBEITERPRESSE"-Treff des "Bundes Sozialistischer Arbeiter" (BSA) in einem Seniorenclub in Berlin-Prenzlauer Berg. Thema war "Der Fall Ludwig Niethammer". 21. Januar Protestkundgebung von Anhängern der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) und der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) vor dem Landgericht Berlin in Tiergarten. Aufgerufen worden war mit dem Tenor "ES WAR DOCH MORD! Gerechtigkeit Für Mete Eksi! Der Faschistische Mörder von Mete Muß Ins Gefängnis! ..." . Anlaß war der Prozeß um den Tod eines 19jährigen Türken. 22. Januar Veranstaltung der "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) unter der Losung "Weg mit dem Verbot der PKK! Von Diyarbakir bis Duisburg: Kurdische Befreiung und Klassenkampf. Die Teilnehmer versammelten sich in einem Cafe in Berlin-Kreuzberg. 5 - Anhang II: Chronologie - 215 25. Januar Diskussionsveranstaltung des Blattes "GEGENSTANDPUNKTPolitische Vierteljahreszeitschrift" der "Marxistischen Gruppe" (MG) im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg. An der Veranstaltung zum Thema "Krise '94: Zuviel Kapital - weniger Arbeit - mehr Armut. Die neue VW-Formel: Beschäftigung durch Lohnverzicht" nahmen etwa 60 Personen teil. 26. Januar "GEGENSTANDPUNKTe"-Diskussionsveranstaltung zum Thema "Somalia: Die Tücken des neuen Weltordnens und deutsche Leiden am humanitären Militarismus". An der Veranstaltung im Mehringhof nahmen etwa 50 Personen teil. 28. Januar "neue ARBEITERPRESSE"-Treff des "Bundes Sozialistischer Arbeiter" (BSA) in einem Seniorenclub in Berlin-Prenzlauer Berg. Das Thema lautete: "75 Jahre seit der Ermordung Rosa Luxemburgs". 29. Januar Beteiligung Autonomer an einer Demonstration der "Antifaschistischen Initiative Friedrichshain". Etwa 300 Personen, darunter Autonome und Angehörige von Antifa-Gruppen, nahmen in Berlin-Friedrichshain an einer Demonstration gegen Rechtsextremisten teil, die unter dem Motto "Antifaschistischer Kiez-Spaziergang" stand. Am Rande des Aufzuges kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, als Teilnehmer mit Steinen warfen und Polizeibeamte tätlich angriffen. Vier Personen wurden von der Polizei vorläufig festgenommen. 29/30. Januar 12. Bundeskongreß der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) in Gladbeck (Nordrhein-Westfalen). An dem als Bundesmitgliederversammlung durchgeführten Kongreß nahmen etwa 100 SDAJ-Angehörige aus dem gesamten Bundesgebiet teil, u. a. Funktionäre aus der Region Berlin-Brandenburg. 31. Januar Brandanschläge "Autonome(r) Gruppen" auf zwei Pkw Porsche in Berlin-Zehlendorf. 5 - Anhang II: Chronologie - 216 In einem Bekennerschreiben wenden sich "Autonome Gruppen" u. a. gegen die "Profitsucht" der Geschädigten und werfen ihnen vor, als "Kriegsgewinnler" Flüchtlinge "zusammengefercht" und dafür vom Sozialamt "kassiert" zu haben. Weiter heißt es, die Geschädigten "verdienen jedoch nicht nur an Flüchtlingen, sondern sind auch fett im Geschäft der Umstrukturierung Kreuzbergs mit drin". 4. Februar "neue ARBEITERPRESSE"-Treff des "Bundes Sozialistischer Arbeiter" (BSA) in einem Seniorenclub in Berlin-Prenzlauer Berg. Diskutiert wurde "Die Rechtswendung der Gewerkschaften". 8. Februar Veranstaltung der "Marxistisch-leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) in dem "Club"-Gebäude einer karitativen Organisation in Berlin-Friedrichshain. Die Losung lautete: "Für eine kämpferische Volksopposition. Wie bereiten wir uns auf die kommende Bundestagswahl vor?". 11. Februar "neue ARBEITERPRESSE"-Treff des "Bundes Sozialistischer Arbeiter" (BSA) in einem Seniorenclub in Berlin-Prenzlauer Berg. Thema der Diskussion war "Der Nationalismus der Eurolinken". 12. Februar "Solidaritätsveranstaltung" für fünf inhaftierte mutmaßliche Verantwortliche der Tötung des Deutsche Liga-Funktionärs Gerhard KAINDL. Etwa 250 Autonome, Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes und Vertreter revolutionär-marxistischer Gruppen versammelten sich im Lokal "KIM" im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg. 16. Februar Gemeinsame Diskussionsveranstaltung des "Bundes Westdeutscher Kommunisten" (BWK) und der "PDS Schöneberg". Die Veranstaltung unter der Fragestellung "Hat linke Jugendpolitik eine Chance?" fand in Räumlichkeiten der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) in Berlin-Schöneberg statt. 5 - Anhang II: Chronologie - 217 17. Februar "Spartakisf-Diskussionskreis der "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) zum Thema "Staat und Revolution". Die Veranstaltung fand im "Linkstreff' in Berlin-Wedding statt. 18. Februar "neue ARBEITERPRESSE"-Treff des "Bundes Sozialistischer Arbeiter" (BSA) in einem Seniorenclub in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Diskussion stand unter der Losung "Nein zum imperialisti- - sehen Eingreifen im Balkan". 18. Februar Veranstaltung der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) im "Treff Neuer Weg" in Berlin-Neukölln. Zum Thema "Der einjährige Arbeitskampf der Kali-Kumpel in Bischofferode" wurde ein Videofilm gezeigt. 24. Februar Veranstaltung der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) im "Treff Neuer Weg" in Berlin-Neukölln. Ein Politologe referierte unter der Fragestellung "Was ist los im Baltikum?" über die Geschichte, Hintergründe und aktuelle Lage in den baltischen Ländern. 6. März Veröffentlichung einer RAF-Erklärung. In einer 18seitigen Erklärung an die Redaktion der Tageszeitung "Junge Welt" bestreitet die RAF, daß der V-Mann Klaus STEINMETZ Mitglied der RAF und damit in die Kommandoebene der Gruppe eingebunden gewesen sei. Bestritten wird auch seine Beteiligung am Anschlag auf den Neubau der JVA Weiterstadt. 6/7. März Veröffentlichung einer Erklärung der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK). Dem Bezirksbürgermeister von Berlin-Kreuzberg und dem Leiter des Stadtplanungsamtes desselben Bezirks sowie zwei Tageszeitungen wurden eine Erklärung mit dem Titel "2 Jahre Klasse gegen Klasse" übersandt. Die Erklärung in Form eines Selbstinterviews enthält einen zwölfseitigen Textteil, in dem KGK Stellung nimmt zu ihrem theoretischen Hintergrund, ihrem Verhältnis zu anderen links- 5 - Anhang II: Chronologie - 218 extremistischen Gruppierungen sowie ihren bisherigen Gewalttaten und der damit erzielten Wirkung. Als Anhang ist auf fünf Seiten mit Zeichnungen eine detaillierte Anleitung zum Bau eines Brandsatzes beigefügt. 8. März Sprühaktion in Berlin-Kreuzberg, ausgeführt vermutlich von Angehörigen der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE". Die Täter sprühten einen fünfzackigen Stern und die Buchstaben "KGK" auf die rechte Fahrzeugseite des Lkw einer Kreuzberger Weinhandlung. 12. März Demonstration gegen das Fußballänderspiel Deutschland/ England am 20. April im Olympiastadion Berlin. An dem Aufzug unter dem Motto "(kein) Fußballänderspiel", der vom Berliner Rathaus zum Breitscheidplatz führte, beteiligten sich bis zu 250 Teilnehmer, darunter Angehörige der autonomen Szene. 14. März Veranstaltung der "Wählerinitiative Treptow/Köpenick" unter der Losung "Solidarität mit dem Kampf für höhere Löhne und Gehälter! Für ein Sofortprogramm 'Arbeitsplätze für Millionen'". Auf der Versammlung in der Volkshochschule Köpenick sprach ein Bundestagskandidat der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD). 18. März Protestdemonstration gegen das Urteil im "Mete-Eksi-Prozeß" vom Kottbusser Tor (Berlin-Kreuzberg) zum Breitscheidplatz (Berlin-Charlottenburg). An dem Aufzug gegen das nach ihrer Meinung zu milde Urteil im Prozeß um die Tötung eines jungen Türken beteiligten sich bis zu 200 Personen. Angeführt wurde der Zug von Angehörigen der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK), die auch die Lautsprecheranlage stellte. 19./20. März Beschluß des Parteivorstandes der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) zu den Europawahlen. 5 - Anhang II: Chronologie - 219 Auf seiner Tagung in Essen beschloß das Gremium, die Kandidatur der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) zu unterstützen. 21. März Anschlag "Autonome(r) Gruppen" auf die Geschäftsstelle des Berliner Fußballverbandes in Berlin-Wilmersdorf. Unbekannte Täter schlugen die Scheiben des Eingangsbereiches sowie ein Fenster des Aufenthaltsraumes ein und versprühten Buttersäure. Außerdem wurden Farbeier auf das Gebäude geworfen und der Schriftzug "kein Länderspiel am 20.4. gegen DSB und Nazis" an die Wand gemalt. In einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 279 vom 24. März, abgedruckten Bekennung begründen die Täter den Anschlag u. a. mit ihrer Gegnerschaft zum Fußballänderspiel Deutschland-England am 20. April ("Führergeburtstag"). 23 März Zerstörung der Fensterscheiben eines Waschsalons durch eine autonome Frauengruppe in Berlin-Kreuzberg. In dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 280, vom 31. März, verweisen "FGR (Frauen gegen Repressionsorgane)" auf den von ihnen abgelehnten Einsatz eines privaten Sicherheitsdienstes zur Bewachung des Geschäftes. 25. März Diskussionsveranstaltung der Publikation "GEGENSTANDPUNKT - Politische Vierteljahreszeitschrift" der "Marxistischen Gruppe" (MG) im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg. An der Veranstaltung zum Thema "Ende der Apartheid in Südafrika" nahmen etwa 50 Personen teil. 25. März Veranstaltung des "Bundes Sozialistischer Arbeiter" (BSA) in einem Seniorenclub in Berlin-Prenzlauer Berg. Thema war die Kandidatur des BSA und seiner britischen Schwesterorganisation, der "International Communist Party" (ICP), bei den Wahlen zum Europaparlament. 6. April Brandanschlag autonomer Kreise auf zwei Motorräder eines privaten Wachschutzunternehmens in Berlin-Kreuzberg. 5 - Anhang II: Chronologie - 220 Aus einer Gruppe von etwa fünf Jugendlichen wurde ein Brandsatz gegen die Fahrzeuge geschleudert; es entstand Totalschaden. Ein Bekennerschreiben sandten die Täter an die Tageszeitung "Berliner Morgenpost" Das autonome Szeneblatt "INTERIM" veröffentlichte es in der Ausgabe Nr. 282, vom 14. April. Ihre Aktion, begründen die Schreiber, sei gegen Präsenz und Tätigkeit der "paramilitärische(n) Privatbullentruppe" im Kiez gerichtet gewesen. 9. April Demonstration des Bündnisses "Kein Länderspiel am 20. April 1994". Die Route führte vom Berliner Rathaus zum Senefelder Platz (Prenzlauer Berg). Nach Absage des Fußballspiels Deutschland-England fand der Aufzug unter dem geänderten Motto "Kein Naziaufmarsch in Berlin" statt. Die Teilnehmerschaft, bis zu 600 Personen, setzte sich überwiegend aus Angehörigen des autonomen Spektrums zusammen. 9. April Protestaktionen im Umfeld des Bundesparteitages der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Zehlendorf. Ca. 40, dem autonomen Spektrum zuzuordnende Personen sammelten sich in der Nähe der Fährverbindung nach Lindwerder. Auf der Insel hielt die FAP ihren Bundesparteitag ab. Durch das Eingreifen der Polizei konnte eine Auseinandersetzung zwischen "Linken" und "Rechten" verhindert werden. Es kam jedoch zu Sachbeschädigungen an den Privatfahrzeugen von Teilnehmern des Parteitages. 17. April Brandanschlag militant-linksextremistischer Kreise auf das Kraftfahrzeug des Berliner Neonazis Arnulf-Winfried PRIEM. An dem Auto entstand Totalschaden. In einer Erklärung, die die Täter der Nachrichtenagentur ADN und der Tageszeitung "Der Tagesspiegel" zukommen ließen, bekennt sich eine "Antifaschistische Kolonne Hannie Schaft" zu der Aktion. 5 - Anhang II: Chronologie - 221 20. April Demonstration "gegen Faschismus und Rassismus" vom Mehringdamm (Berlin-Kreuzberg) zum Breitscheidplatz. Es beteiligten sich ca. 2 300 Personen, unter ihnen Angehörige des RAF-Umfeldes, Autonome, Anhänger der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) und anderer linksextremistischer Gruppen. Während des Aufzuges und danach kam es wiederholt zu Übergriffen gegen die Polizei; mehrere Demonstranten wurden vorläufig festgenommen. 28. April Anschlag autonomer Kreise auf einen Golfplatz in Motzen (Brandenburg). Die Täter verwüsteten Anlagen des "Berliner Golfund Country Clubs". Zu der Aktion bekannte sich eine Gruppierung "Autonomes Kommando Bernhard Langer" (vgl. 14. September). 1. Mai Linksextremistische Aktivitäten zum 1. Mai. In den Vormittagsstunden versammelten sich etwa 400 Autonome in Berlin Treptow, um eine von der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) angemeldete 1. Mai-Demonstration zu verhindern. Rund 30 FAP-Anhänger, die sich zu der Demonstration eingefunden hatten, zogen sich angesichts der starken Präsenz Autonomer in die Wohnung des Berliner FAPLandesvorsitzenden in Prenzlauer Berg zurück. Am frühen Abend führten etwa 50 FAP-Anhänger von dort einen Spontanaufzug durch, der zu Gegenreaktionen der autonomen Szene führte. Bis zu 500 Personen rotteten sich im Nahbereich der Wohnung, bewaffneten sich mit Steinen und versuchten die Aktivitäten der FAP-Anhänger zu unterbinden. Durch massiven Polizeieinsatz konnten Ausschreitungen verhindert werden. In den Mittagsstunden führten zwischen 100 und 200 Anhänger bzw. Sympathisanten der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) einen nicht genehmigten Aufzug vom Oranienplatz (Berlin-Kreuzberg) zum Brandenburger Tor durch. Im Verlauf des Aufzuges wurden einige Demonstranten vorläufig festgenommen. 5. Mai Versuchter Buttersäureanschlag einer "Antiimperialistische(n) Gruppe" auf die SPD-Landesgeschäftsstelle in Berlin-Wedding. 5 - Anhang II: Chronologie - 222 In der Nähe des Tatortes wurden drei gleichlautende Taterklärungen gefunden. Darin wird auf in Deutschland lebende Kurden und deren angeblich drohende Abschiebung in die Türkei Bezug genommen; die SPD wird "als Teil rassistischer Herrschaftssicherung" diffamiert. 8. Mai Buttersäureanschlag auf ein Hotel in Berlin-Prenzlauer Berg. Etwa zum gleichen Zeitpunkt wurden in der Herberge Flugblätter verteilt, in denen Unbekannte die Behauptung aufstellen, die Gelder für den Bau des Hotels seien durch das Elend von Flüchtlingen und Obdachlosen erwirtschaftet worden. 21. Mai Demonstration "Gegen die Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstandes und der Selbstverteidigung von Immigran- * tlnnen". Es beteiligten sich bis zu 2 500 Personen. Ein Großteil der Aufzugsteilnehmer gehörte dem linksextremistischen Spektrum an. Im Verlauf der Demonstration kam es zu kleineren Sachbeschädigungen sowie zu vereinzelten Steinwürfen gegen Polizeibeamte. Acht Personen wurden vorläufig festgenommen. 22. Mai Kundgebung vor der JVA Plötzensee "Gegen die Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstandes und der Selbstverteidigung von Immigrantinnen". Die Kundgebung in Berlin-Tiergarten war als Ergänzung zu der Demonstration vom 21. Mai gedacht. An der Kundgebung nahmen ca. 200 Personen teil, darunter überwiegend Autonome. Es kam zu einer Freiheitsentziehung wegen angelegter Schutzbekleidung und zu 10 Sicherstellungen nach dem ASOG. 28. Mai Demonstration unter dem Motto "Nie wieder Solingen". An dem Aufzug eines "Anti-Nazi-Bündnisses Berlin", in dem Linksextremisten mitarbeiten, vom Hermannplatz (BerlinNeukölln) zum Alexanderplatz beteiligten sich bis zu 350 Personen. Anmelder war ein Funktionär der "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG). 5 -Anhang II: Chronologie - 223 29/30. Mai Brandanschläge der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) auf neun hochwertige Kraftfahrzeuge an sechs Tatorten in Berlin-Kreuzberg, -Neukölln und -Schöneberg. Durch übergreifende Flammen wurden drei weitere Fahrzeuge, die in unmittelbarer Nähe der Zielobjekte standen, ebenfalls erheblich beschädigt. Eine Taterklärung von KGK zu den Anschlägen wurde in der "INTERIM", Nr. 299, vom 15. September, veröffentlicht. 4. Juni Gedenkfeier marxistisch-leninistischer und sonstiger revolutionär-marxistischer Parteien und Gruppen aus Anlaß des Todes Erich HONECKERs. Zu der Veranstaltung auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde (Berlin-Lichtenberg), an der etwa 350 Personen teilnahmen, hatte die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) - Sitz Berlin - aufgerufen. 10. Juni Demonstration unter dem Motto "Die besetzten Häuser Marchstraße/Einsteinufer bleiben". Der Aufzug, an dem sich bis zu 250 Personen beteiligten, führte vom U-Bahnhof Spichemstraße (Berlin-Wilmersdorf) in den Bereich Marchstraße/Einsteinufer (Berlin-Charlottenburg). Bei den Demonstranten handelte es sich überwiegend um dem autonomen Spektrum zuzurechnende Personen. 17. Juni Informationsveranstaltung zu den Vorgängen in Bad Kleinen um die RAF-Terroristen HOGEFELD und GRAMS. Hierzu hatten sich im Audimax der Technischen Universität Berlin bis zu 350 Personen versammelt. Unter den Teilnehmern befanden sich zahlreiche Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes sowie Autonome. Die Rechtsanwälte der inhaftierten Birgit HOGEFELD bzw. der Eltern des zu Tode gekommenen Wolfgang GRAMS stellten die Festnahmeaktion aus ihrer Sicht dar. 5 - Anhang II: Chronologie - 224 3. Juli Gewalttätige Demonstration in Berlin-Friedrichshain Anläßlich einer Spontandemonstration in der Frankfurter Allee kam es zu zahlreichen Sachbeschädigungen, dabei wurden Schaufensterund Fensterscheiben mit Steinen eingeworfen. In der schriftlichen Taterklärung einer "Schwarze(n) Horde Friedrichshain", die in der autonomen Szeneschrift "INTERIM", Nr. 294, vom 14. Juli, veröffentlicht wurde, heißt es dazu: "Unsere Wut und Trauer ueber den Bullenmord an dem 16-jaehrigen kurdischen Jungen in Hannover ist riesengroß. Er wurde abgeknallt, weil das Leben eines Kurden dem BRDStaat nichts zaehlt." Und weiter: "Der groeßte Terrorist ist der BRD-Staat, NVA-Panzer in der Tuerkei, Abschiebungen, der Mord in Hannover - Die Kurdistan-Politik der BRD ist Mordpolitik." 5. Juli Brandanschlag autonomer Kreise auf Pkw BMW mit Wiener Kennzeichen in Berlin-Kreuzberg. Es entstand Totalschaden. In der autonomen Szeneschrift "INTERIM"; Nr. 294, vom 14. Juli, rechtfertigen die Verantwortlichen die Aktion als Ausdruck ihres Protestes gegen den "Wirbel um die Fußballweltmeisterschaft". 5. Juli Brandanschlag auf Pkw Daimler Benz in Berlin-Friedrichshain. An dem Fahrzeug entstand Totalschaden. Durch den Brand wurde ein daneben geparkter Pkw VW-Golf ebenfalls erheblich beschädigt. 6. Juli Veranstaltung des Blattes "GEGENSTANDPUNKT - Politische Vierteljahreszeitschrift" der "Marxistischen Gruppe" (MG) im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg. Etwa 35 Personen nahmen teil. Thema war "Korea - ein atomarer Fall von Weltordnung". 7.-12. Juli Anschläge autonomer Antifaschisten auf das Eigentum "faschistischer Rechtsanwälte". In einer Taterklärung, die am 12. Juli bei der Tageszeitung "DER TAGESSPIEGEL" einging und auch in der autonomen Szeneschrift "INTERIM", Nr. 294, vom 14. Juli, veröffentlicht 5 - Anhang II: Chronologie - 225 wurde, bekennen sich "Autonome Gruppen 'Emil Wendland'" zu verschiedenen Anschlägen auf Praxisräume und Privatgrundstücke dreier Rechtsanwälte. Diesen wird die Verteidigung von Rechtsextremisten, notarielle Dienste für rechtsextremistische Organisationen bzw. ihre Funktion als "Drahtzieher im braunen Netz Berlins" vorgehalten. 8. Juli Brandanschlag vermutlich autonomer Kreise auf Pkw Daimler Benz in Berlin-Neukölln. Das Fahrzeug wurde erheblich beschädigt. 8. Juli Solidaritätsaktion für frühere RAF-Terroristin in Berlin-Kreuzberg. Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes befestigten anläßlich des 22. Jahrestages der Inhaftierung Irmgard MÖLLERs zwei Plakate an einer Brücke der Adalbertstraße am Kottbusser Tor. Ein Plakat trug das Portrait MÖLLERs sowie den Slogan "22 Jahre Vernichtungshaft - Freiheit für alle politischen Gefangenen". 9. Juli Veranstaltung Autonomer zum Thema "Berlin-Metropole des Widerstands oder der Bonzen - Bullen - Beamten?". Aufgerufen hatten u. a. das "Anti-Olympia-Komitee" (AOK) und die Gruppierung "Der Umzug platzt" (dup). In der Szene-Kneipe "KIM" im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg versammelten sich ca. 200 Personen. 16. Juli Veranstaltung zum Thema "Berlin - Metropole des Widerstands oder der Bonzen - Bullen - Beamten?". Ca. 200 Personen kamen in der Szene-Kneipe "KIM" im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg zusammen. Inhaltlicher Schwerpunkt waren die Unruhen in Frankreich während der 80er Jahre und im März 1994. 22723. Juli Farbeierwürfe auf die Fassade eines Restaurants in BerlinKreuzberg. Eine Taterklärung der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) wurde dem Restaurant zugesandt. 5 - Anhang II: Chronologie - 226 2. August Demonstration zum Thema "Freiheit für Irmgard Möller". An der von Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes initiierten Demonstration" unter dem Motto "Solidarität mit dem Hungerstreik" vom Alexanderplatz zum Rosehthaler Platz (BerlinPrenzlauer Berg), beteiligten sich bis zu 200 Personen, darunter Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes, der "Koten Hilfe" (RH), der "Partei des Demokratische Sozialismus" (PDS) sowie Autonome. 10. August Anschläge Autonomer auf Lkw und Baufirma. Ein Brandanschlag richtete sich gegen den Lkw einer Installationsfirma in Berlin-Friedrichshain. Vermutlich die gleichen Täter schlugen in Berlin-Reinickendorf die Fensterscheiben einer Baufirma ein und verschütteten Buttersäure. In einer Taterklärung, veröffentlicht im autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 198, vom 8. September, bekennt sich eine Gruppe "ASS (Autonomer Sicherheitsdienst Solidaritad [sic!]) Sektion Freundlnnen/Unterstützerlnnen der Palli" zu den Taten. Wie die Schreiber erklären, seien die Aktionen eine Antwort auf die versuchte Räumung eines besetzten Hauses in der Palisadenstraße (Berlin-Friedrichshain) am 6. Juni. Der geschädigte Lkw-Besitzer, Eigentümer des Hauses, solle damit gezwungen werden, über die von ihm veranlaßte Räumungsaktion nachzudenken. 12. August Fehlgeschlagener Anschlag vermutlicher Autonomer auf Pkw Jaguar in Berlin-Schöneberg. Aus nicht bekannter Ursache zündete der Brandsatz nicht. 13. August "Anti-Heß-Demonstration" von der Schönhauser Allee (BerlinPrenzlauer Berg) zum Brunnenplatz (Berlin-Wedding). An dem Aufzug unter dem Motto "AKTION '94 - DIE FASCHISTENSTRUKTUREN AUFDECKEN UND ANGREIFEN" beteiligten sich ca. 500 Personen, überwiegend Autonome, u. a. aus Göttingen. Auch Anhänger der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) und Trotzkisten nahmen teil. 5 - Anhang II: Chronologie - 227 26. August Brandanschlag Autonomer auf Pkw Daimler Benz Cabrio in Berlin-Kreuzberg. Es entstand Totalschaden. Zu dem Anschlag veröffentlichte das autonome Szene-Blatt "INTERIM", Nr. 298, vom 8. September, die Taterklärung eines "Wagensportclubs Autonomer Feierabend, Gruppe technische Erneuerung". U. a. heißt es darin, man habe unter Einsatz der von "Klasse gegen Klasse" veröffentlichten Zeitverzögerungstechnik eine "100 000 DM teure 'Bonzenschleuder' in ein qualmendes Wrack verwandelt". Die Selbstbezichtigung endet u. a. mit der Parole: "Gegen die Hauptstadt". 1. September "REBELL'-Demonstration aus Anlaß des Antikriegstages. Der Aufzug des Jugendverbandes der "Marxistisch-leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) unter dem Motto "Keine deutschen Truppen ins Ausland" führte vom Rathaus Neukölln zum Mariannenplatz (Berlin-Kreuzberg). Es beteiligten sich bis zu 70 Personen. 8. September Störversuche gegen den "Großen Zapfenstreich" der Bundeswehr zur Verabschiedung der Alliierten aus Berlin. Maximal 400 Personen versammelten sich in der näheren Umgebung des Veranstaltungsortes am Pariser Platz, um gegen die Zeremonie zu demonstrieren. Unter den Demonstranten befanden sich zahlreiche Autonome und Angehörige des RAFUmfeldes. Versuche, zum Veranstaltungsort vorzudringen, wurden durch massiven Polizeieinsatz verhindert. Mehr als 70 Personen nahmen die Ordnungshüter vorläufig fest. 9. September Kundgebung zum Thema "Aktionskette Freiheit für die politischen Gefangenen". An der von Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes initiierten Protestaktion auf dem Alexanderplatz beteiligten sich bis zu 100 Personen. Im Mittelpunkt stand die Forderung nach der "Freilassung von Irmgard Möller". 10. September Sprengstoffanschlag der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) auf das Haus eines Immobilienmaklers in BerlinZehlendorf. 5 - Anhang II: Chronologie - 228 Unbekannte Täter brachten am Wintergarten des Gebäudes einen Sprengsatz zur Explosion. Dabei wurden zwei Sicherheitsglasfenster sowie die Fenstereinfassungen zerstört. In der autonomen Szenezeitschrift "INTERIM", Nr. 299, vom 15. September, bekennt sich KGK zu der Tat. In der Tatbekennung wird auf angebliche "Spekulationsgeschäfte bzw. Vermieterpraktiken des Geschädigten in Berlin-Neukölln verwiesen. Am 12. September erhielten zwei durch KGK früher geschädigte Personen und ein Redakteur der taz gleichlautende Tatbekennungen. 11. September "Aktionstag gegen Rassismus und Neonazismus". Zahlreiche Parteien, Gruppierungen und Vereinigungen, darunter die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD), die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) und die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) sowie autonome Antifa-Gruppen führten im Lustgarten (Berlin-Mitte) unter dem Motto "Keine Nazis in die Parlamente!" den "5. Tag der Erinnerung, Mahnung und Begegnung" durch. Aufgerufen dazu hatte ein "Vorbereitungskreis 11. September 1994". An Info-Ständen wurden Zeitungen, Flugblätter und sonstiges Informationsmaterial angeboten, auf Bühnen fanden u. a. Diskussionsrunden und politisches Kabarett statt. 14. September Anschlag autonomer Kreise auf einen Golfplatz in Motzen (Brandenburg). Die Täter zerwühlten die Rasenflächen des "Berliner Golfund Country Clubs". Zusätzlich verunreinigten sie das Gelände mit Öl. In einer an die Nachrichtenagentur dpa gerichteten Taterklärung bekennt sich eine Gruppierung "Volkssport Bernhard Langer - Autonome -" zu dem Anschlag. U. a. heißt es darin: "Nicht nur in der neuen Hauptstadt, sondern auch in ihrem Freizeitparks müssen wir ihnen das Leben schwer machen, wenn Berlin nicht die Stadt der Reichen, Spekulanten und der Regierungsmafia werden soll." 5 - Anhang II: Chronologie - 229 Das Anschlagsziel, die Tatausführung und die fast gleichlautende Gruppenbezeichnung lassen auf denselben Täterkreis schließen, der bereits am 28. April am Vereinsgelände ähnliche Schäden angerichtet hatte. 16. September Auftaktveranstaltung zu den "Solidaritätstagen" für die Inhaftierten im "Fall KAINDL". Zu der Veranstaltung in einem Raum der Technischen Universität Berlin (Berlin-Charlottenburg) waren ca. 500 Teilnehmer erschienen. Bei den Anwesenden handelte es sich überwiegend um Personen, die dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen sind, darunter führende Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes und der autonomen Szene. Auf dem Podium saß u. a. eine Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes sowie ein Verteidiger der Inhaftierten. Während der Veranstaltung wurden ein Film über den "Fall KAINDL" gezeigt und themenbezogene Vorträge gehalten. Die Abschlußrede hielt die RAF-Anhängerin. 19. September "Internationaler Aktionstag" zur Unterstützung der Inhaftierten im "KAINDL-Prozeß" mit Protestaktionen vor deutschen Einrichtungen, Botschaften, Konsulaten, Handelskammern oder Konzernen außerhalb der Bundesrepublik. Hierzu war ein Aufruf in deutscher, englischer und französischer Sprache an Gruppen und Einzelpersonen in 16 Länder versandt worden. Vor der deutschen Botschaft in Paris demonstrierten ca. 50 Personen. Etwa 30 Personen besetzten kurzzeitig das Goethe-Institut in Lyon. Friedliche Aktionen gab es in Genf und Barcelona; bei Aktionen in Zürich und Tarragona kam es zu Farbschmierereien. 19. September "Kiezdemonstration" in Berlin-Kreuzberg anläßlich des bevorstehenden "KAINDL-Prozesses". Der Aufzug führte mit ca. 1 200 Teilnehmern von der Oranien-/ Adalbertstraße zum Schlesischen Tor. Überwiegend setzte sich die Teilnehmerschaft aus Autonomen zusammen. Ferner waren Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes sowie ca. 150 Türken, 5 - Anhang II: Chronologie - 230 darunter Angehörige der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), beteiligt. Anhänger der "Revolutionären Kommunisten BRD" (RK) versuchten, die Polizei u. a. durch Pfiffe zu provozieren. Im Vorfeld der Demonstration kam es zu zwei vorläufigen Festnahmen wegen Waffenbesitzes; dabei wurden ein Schreckschußrevolver und ein Wurfstern festgestellt. 20. September Protestaktionen anläßlich des ersten Prozeßtages im sog. KAINDL-Prozeß in Berlin-Tiergarten. An einer Kundgebung mit anschließender Demonstration, die vom Landgericht zur Turmstraße (Kaufhaus Hertie) führte, beteiligten sich bis zu 300 Personen, überwiegend Angehörige der autonomen Szene. 20. September Informationsund Diskussionsveranstaltung "zum Auftakt des KAINDL-Prozesses gegen 7 türkische, kurdische und deutsche Antifaschistinnen mit Internationalen Prozeßbeobachterinnen". Veranstaltungsort war die Humboldt-Universität Berlin (BerlinMitte). Es beteiligten sich ca. 400 Personen, darunter Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes sowie zahlreiche Autonome. Übereinstimmend wurde in allen Redebeiträgen festgestellt, daß es sich um einen "politischen Prozeß" gegen Personen handele, die sich lediglich antifaschistisch und antirassistisch engagiert hätten. 23. September Brandanschlag der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) auf den Pkw Audi 100 einer Projektierungsgesellschaft des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Walter MOMPER, in Berlin-Kreuzberg. Der Wagen brannte völlig aus. Eine Taterklärung von KGK zu dem Anschlag wurde in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM"; Nr. 301, vom 29. September, veröffentlicht. 29. September Brandanschlag vermutlicher Autonomer auf Pkw Daimler Benz 600 in Berlin-Friedrichshain. Der Pkw brannte im vorderen Bereich völlig aus. 5 -Anhang II: Chronologie231 3. Oktober Demonstration gegen die "Vereinigung Deutschlands" und gegen die Feierlichkeiten anläßlich des 50. Geburtstages von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) vom 4. bis 6. Oktober in Madrid/Spanien. Der Aufzug mit ca. 1 500 Teilnehmern führte von der Friedrichstraße am früheren "Checkpoint-Charlie" (Berlin-Kreuzberg) zur Humboldt-Universität (Berlin-Mitte). Zum überwiegenden Teil waren die Teilnehmer den Autonomen zuzurechnen, darüber hinaus beteiligten sich Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes und Anhänger der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) an der Demonstration. Zu Zwischenfällen kam es auf der Straße Unter den Linden (Berlin-Mitte), als Demonstrationsteilnehmer versuchten, Wahlplakate der Partei "Die Republikaner" (REP) von Laternenmasten zu entfernen. Dabei wurden einige Personen vorläufig festgenommen. Im Anschluß an die Kundgebung fanden sich ca. 150 Autonome auf dem Alexanderplatz (Berlin-Mitte) ein. Bei der Versammlung wurden dort aufgestellte Wahlplakate verschiedener Parteien zerstört. Die Polizei löste die Zusammenkunft auf, dabei kam es wiederum zu einigen vorläufigen Festnahmen. 8. Oktober Demonstration gegen "Rassismus und Faschismus" unter dem Motto: "Keine Faschistinnen und Rassistinnen in die Parlamente - Wahlen ändern nix (sic!) - Organisiert Euch selbst!". Ca. 2 000 Personen marschierten vom Hermannplatz (BerlinNeukölln) zum Gendarmenmarkt (Berlin-Mitte) Unter den Teilnehmern waren zahlreiche Autonome, Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes und Anhänger der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD). 16. Oktober Veranstaltung im "Haus der Demokratie" in Berlin-Mitte zur Freilassungskampagne für die ehemalige RAF-Terroristin Irmgard MÖLLER bzw. zum Prozeß gegen die "inhaftierten Antifaschisten im Fall Kaindl". Es beteiligten sich etwa 40 Personen, überwiegend autonome "Antifas" sowie einige Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes. 5 -Anhang II: Chronologie - 232 Die Teilnehmer diskutierten u. a. den bisherigen Verlauf beider "Solidaritätskampagnen". Man rief außerdem dazu auf, zahlreich zu den Prozeßterminen zu erscheinen und sich den Aktivitäten am 18. Oktober anzuschließen. 17. Oktober Brandanschlag vermutlicher Autonomer auf Pkw Daimler Benz Cabrio in Berlin-Neukölln. Es entstand Totalschaden. 18. Oktober Demonstration im Rahmen der Kampagne für die ehemalige RAF-Terroristin Irmgard MÖLLER. An dem Aufzug, der vom Adenauerplatz (Berlin-Wilmersdorf) zum Breitscheidplatz führte, nahmen maximal 270 Personen teil, darunter Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes sowie der autonomen Antifa-Szene. Auf der Abschlußkundgebung wurde erneut die sofortige und bedingungslose Freilassung der Inhaftierten gefordert und auf den 17. Jahrestag der kollektiven Selbsttötung der "RAFInhaftierten" Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Jan Carl RASPE in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim hingewiesen. Nach Abschluß der Demonstration versammelten sich vor der Untersuchungsund Haftanstalt Moabit (BerlinTiergarten) im Rahmen der "Solidaritätskampagne für die inhaftierten Antifaschisten im Fall Kaindl" ca. 70 Personen zu einer Kundgebung unter dem Motto "Freiheit für die Antifas". 21./28. Oktober Brandanschläge der Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" (KGK) in Berlin-Kreuzberg. Am 21. Oktober verursachte ein Anschlag auf einen Pkw erheblichen Sachschaden. Ein weiterer Brandanschlag am 28. Oktober auf einen Pkw unweit der "Polizei-Kaserne", scheiterte. Am 7. November ging bei der Redaktion der "Berliner Zeitung" ein Selbstbezichtigungsschreiben von KGK ein, in dem sich die Gruppe zu den Brandanschlägen bekennt. Im ersten Fall wird die geschädigte Person als Verräterin bezeichnet, da sie gegenüber den "Bullen" Angaben über "KGK" gemacht und somit Observationen, Durchsuchungen etc. ausgelöst habe. 5 -Anhang II: Chronologie - 233 Den zweiten Geschädigten greifen die unbekannten Verfasser wegen seiner Geschäftstätigkeit um den Ausbau und Verkauf von Dachgeschoßwohnungen an. 7. November Brandanschlag auf einen Pkw Audi 80 quattro in BerlinKreuzberg. Es entstand geringer Sachschaden. 7. November Brandanschlag vermutlicher Autonomer auf einen Bagger in Berlin-Kreuzberg. Das Führerhaus der auf einer Baustelle abgestellten Maschine wurde beschädigt. 8. November Brandanschlag vermutlicher Autonomer auf einen Pkw Mercedes in Berlin-Schöneberg. Durch den Brand wurde ein Schaden von ca. 185 000 DM verursacht. 8. November Beginn einer Veranstaltungsreihe der "Broschürengruppe" im Audimax der Technischen Universität Berlin zum Thema "Heute noch für die Revolution kämpfen?". An der Veranstaltung nahmen ca. 130 Personen teil. 9. November Versuchte Brandanschläge anläßlich des 20. Todestages des RAF-Terroristen Holger MEINS. An einem Kfz-Stellplatz im Bereich des Polizei-Abschnitts 25 in Berlin-Wilmersdorf entdeckten Polizeiangehörige eine Sprengund Brandvorrichtung, die offensichtlich zur Zerstörung eines Funkstreifenwagens deponiert worden war. Am selben Tage wurde vor dem Hauptportal des Amtsgerichts Lichtenberg an der Holztür stehend ein brennender Autoreifen festgestellt, den eine Funkstreifenwagenbesatzung löschte. Zu dem Anschlag auf den Funkstreifenwagen ging am 10. November bei der Nachrichtenagentur dpa und der Redaktion der "Berliner Zeitung" ein Selbstbezichtigungsschreiben ein. Unter der Überschrift "Holger, der Kampf geht weiter" wird zum 20. Todestag des am 9. November 1974 im Gefängnis Wittlich an den Folgen eines Hungerstreiks verstorbenen RAFMitgliedes Holger MEINS Stellung genommen. 5 - Anhang II: Chronologie - 234 Gleichzeitig mit dieser Selbstbezichtigung erhielten die "Berliner Zeitung" und die dpa sowie zusätzlich auch "Der Tagesspiegel" ein weiteres Bekennerschreiben. Unter der Überschrift "Gegen das Vergessen - Aktion zum 20. Jahrestag der Ermordung von Holger Meins" geht es in diesem Schreiben um die versuchte Brandstiftung in Berlin-Lichtenberg. 9. November Protestaktionen in den Mittagsund Abendstunden anläßlich der Eröffnung der Oberbaumbrücke (Berlin-Kreuzberg und -Friedrichshain). Der offizielle Festakt am Mittag wurde durch Knallkörperund Farbbeutelwürfe sowie Pfiffe erheblich gestört, nachdem es Demonstranten gelungen war, sich mit vermutlich gefälschten Einladungskarten unter die Gäste zu mischen. Insgesamt beteiligten sich etwa 800 Personen an den Protestaktionen; die Polizei nahm 18 mutmaßlich Beteiligte vorläufig fest. Abends kam es nach einem angemeldeten Aufzug, an dem etwa 2 000 Personen teilgenommen hatten, zu gewalttätigen Aktionen. Etwa 350 bis 400 Randalierer entzündeten pyrotechnische Gegenstände, warfen mit Flaschen, Steinen und Farbbeuteln und errichteten Hindernisse auf der Fahrbahn. Die Polizei nahm fünf Personen vorläufig fest. 9. November Demonstration der "Antifaschistischen Initiative Moabit" (AIM) anläßlich des 56. Jahrestages der Pogromnacht ("Reichskristallnacht") unter dem Motto "WIR VERGESSEN NICHT. WIR VERGEBEN NICHT". An dem Aufzug, der in der Turmstraße begann und auf der Putlitzbrücke (Berlin-Moabit) endete, beteiligten sich bis zu ca. 600 Personen, darunter etwa 200 Autonome. Vor der Untersuchungsund Aufnahmehaftanstalt Moabit wurde eine Zwischenkundgebung mit Grüßen an die Gefangenen abgehalten. An der Abschlußkundgebung nahmen noch ca. 150 Personen teil. 5 - Anhang II: Chronologie - 235 16. November Veranstaltung der "Broschürengruppe" im Versammlungsraum des Mehringhofs in Berlin-Kreuzberg zum Thema "Welche Lehren ziehen wir aus der Geschichte der RAF?". An der Veranstaltung nahmen ca. 100 Personen teil, darunter Angehörige des RAF-Umfeldes und Autonome. 26. November Fahrradaufzug zum Thema "Kiezradeln gegen Nazi-Presse" durch die Bezirke Kreuzberg und Neukölln auf Initiative des "Antifa-Cafe-Wedding". Für die Demonstration war in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 309, vom 24. November, geworben worden. Es beteiligten sich ca. 30 Personen. 2. Dezember Brandanschlag auf Sattelzugmaschine der Firma ALBA in Berlin-Neukölln. Die Zugmaschine wurde im Bereich des Motors und des Führerhauses stark beschädigt. 3. Dezember Schulungsveranstaltung der "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) zum Thema "Für den Kommunismus von Lenin und Trotzki". Im "Linkstreff" in Berlin-Wedding waren etwa 15 Teilnehmer erschienen. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Schulungsreihe "Staat und Revolution" statt. 9. Dezember Brandanschläge autonomer Gewalttäter auf zwei Kraftfahrzeuge. In den frühen Morgenstunden wurde ein Pkw in BerlinWilmersdorf in Brand gesetzt. Der geschädigte Fahrzeugbesitzer ist Eigentümer eines Mietshauses in Berlin-Kreuzberg, wo dessen Schwiegervater einen Elektrohandel und eine Hausverwaltung betreibt. Ein zu diesem Geschäft gehöriger VW-Bus wurde in der gleichen Nacht ebenfalls angezündet. Am 10. Dezember ging bei der Tageszeitung "Berliner Morgenpost" eine mit "Autonome Gruppen" gezeichnete Tatbekennung zu beiden Brandanschlägen ein, die in der autonomen Szenezeitschrift "INTERIM", Nr. 312, vom 15. Dezember, mit dem Zusatz "Volkssport wegen Abendrot" abgedruckt wurde. In der 5 - Anhang II: Chronologie - 236 Bekennung wird den Geschädigten Spekulantentum im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen vorgeworfen. Zudem drohe der "Kiezkneipe Abendrot", die sich ebenfalls in dem Mietshaus befindet, die Zwangsräumung. 10. Dezember Beteiligung Berliner Autonomer an bundesweiter "Antifaschistischer Demonstration" in Zittau (Sachsen). Aus Berlin reisten autonome "Antifas" mit zwei Bussen und privaten Pkw an. Zu dem Aufzug hatten die Antifa-Görlitz und -Dresden mobilisiert. Anlaß war der Tod eines der Antifa nahestehenden Jugendlichen durch einen jungen Mann, der sich selbst als Nationalist bezeichnet. Zur Teilnahme an der Demonstration, an der sich insgesamt etwa 300 Personen beteiligten, hatte auch die dem autonomen Spektrum zuzurechnende Berliner Gruppe "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.) aufgerufen. 10. Dezember Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen aus der autonomen und der "rechten" Szene auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin-Marzahn. Zu den Handgreiflichkeiten kam es während eines sog. antifaschistischen Weihnachtsmarktbummels. Nachmittags zogen ca. 120 Autonome vom S-Bahnhof Marzahn in Richtung Weihnachtsmarkt an der Marzahner Promenade. Die Demonstranten führten Plakate u.a. mit der Aufschrift "Jugend gegen Rassismus in Europa" mit sich und verteilten Flugblätter. Nach dem Erreichen des Weihnachtsmarktes wurde von den Demonstrationsteilnehmern Jagd auf vermutete "Rechte" gemacht. Aus dem Gleisbett einer Straßenbahn bewaffneten sich ca. 50 Personen mit Steinen, mit denen sie dann auf Polizeikräfte warfen. Von 21 Personen wurden die Personalien festgestellt, 12 "Rechte" wurden in Verbringungsgewahrsam genommen. 14. Dezember Raubüberfall Autonomer auf Bekleidungsgeschäft in BerlinKreuzberg. Ca. 10 männliche Täter mit aufgesetzten Sturmhauben betraten den Verkaufsraum des Bekleidungsgeschäftes. Sie verteil- 5 - Anhang II: Chronologie - 237 ten sich im Geschäft und begannen das Ausräumen de* Regale mit den Worten "Dies ist eine Umverteilungsaktion". Insgesamt wurden Bekleidungsgegenstände im Gesamtwert von ca. 15 000 DM aus dem Geschäft geraubt. In dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 313, vom 22. Dezember, erklären die unbekannten Täter zu ihrem Vorgehen u. a.: "'... haben wir ... den Klamottenladen ... ein wenig enteignet und uns mit allerlei warme Kleidung mitgenommen (sic!). Wir können es uns nicht leisten, all diese Kleider (Jacken für z.B. 700-800 DM) legal zu erwerben. Aber es geht ja auch anders!!!" 31. Dezember "Silvester-Knast-Demonstration" unter dem Motto "Für eine herrschaftsfreie Gesellschaft". Der Aufzug begann in der Marchstraße (Berlin-Charlottenburg) und führte zur Untersuchungshaftanstalt Moabit bzw. zur Justizvollzugsanstalt für Frauen, ebenfalls in Moabit. Für die Demonstration war u. a. auf der Rückseite der autonomen Szenezeitschrift "INTERIM", Nr. 313, vom 22. Dezember, geworben worden. Der Zug begann mit ca. 100 Personen. Wie vorgesehen, teilte er sich hinter der Gotzkowskybrücke. Von dort liefen etwa 80 Personen in Richtung Untersuchungshaftanstalt Moabit und 30 Personen in Richtung Justizvollzugsanstalt für Frauen. An beiden Endpunkten der Demonstration hielt man Kundgebungen ab. La 5 -Anhang II: Chronologie - 239 5.2 Rechtsextremismus 3 Januar Gefährliche Körperverletzung eines südafrikanischen Asylbewerbers in Berlin-Lichtenberg. Der Mann wurde von mehreren unbekannt gebliebenen Personen in volksverhetzender Weise beschimpft, mit Füßen getreten und mit Pflastersteinen beworfen. 3. Januar Eingang eines Drohschreibens einer Gruppe mit der Bezeichnung "W.A.W. Weißenseer Arischer Widerstand" bei der Bezirksgeschäftsstelle Weißensee der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). In dem Schreiben werden neben "ASYLANTEN" die PDS und deren Mitglieder massiv bedroht. Wörtlich heißt es u. a.: "IN DEUTSCHLAND GIBT ES EINE NEUE PEST - LINKE LISTE PDS: ALLE WISSEN WAS FRÜHER WAR - GYSI WAR DER NOTAR. SCHLAGT SIE TOT. SCHLAGT SIE TOT. SCHLAGT DIE KOMMUNISTEN TOT !!!!!" 7. Januar Erneuter Eingang eines Drohbriefes gegen die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) in der Parteigeschäftsstelle Berlin-Weißensee. Der Brief ist unterzeichnet mit "W.A.W.". 7. Januar Jahreshauptversammlung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit etwa 15 Personen in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg. 7. Januar Gewalt von Skinheads gegenüber einem Farbigen aus vermutlich rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit in BerlinPrenzlauer Berg. Einige Skinheads riefen "Jetzt kommt ein Neger!" und forderten ihr Opfer auf, in einen von ihnen gebildeten Halbkreis zu treten. Bei der Aktion trat einer der Täter mit seinem schwarzen Stiefel in den Unterleib des Opfers, das fliehen konnte. 5 - Anhang II: Chronologie - 240 15. Januar Gefährliche Körperverletzung zweier Passanten durch eine der Skinhead-Szene zuzuordnende Gruppe in Berlin-Tempelhof. Mitglieder der Gruppe sprühten, nachdem sie laut "Heil Hitler" gerufen hatten, einem Opfer Tränengas ins Gesicht. Das andere Opfer wurde mit Schlägen ins Gesicht attackiert, zu Boden geworfen und mit Füßen getreten. Eine zur Hilfe eilende Person wurde ebenfalls mit Tränengas besprüht. Anschließend flüchteten die mit Bomberjacken bekleideten Täter. 16. Januar Zusammenkunft von Mitgliedern und Anhängern des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in BerlinHohenschönhausen. Auf der Veranstaltung wurden handtellergroße FAP-Aufkleber mit der Parole "Schluss mit der wachsenden Überfremdung! - Deutschland ist kein Einwanderungsland!" verteilt. 18. Januar Mitgliederversammlung des Kreisverbandes Neukölln der "Deutschen Volksunion" (DVU) mit etwa 15 Personen in einer Gaststätte in Berlin-Neukölln. 18. Januar "Reichsgründungsfeier" der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." mit etwa 75 Teilnehmern, darunter Angehörige neonazistischer Organisationen und Mitglieder der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD). 19. Januar Spontane Klebeaktion von Anhängern der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in BerlinMarzahn. Die Täter klebten Handzettel mit der Aufschrift "Verzicht ist Verrat". 20. Januar Polizeiliche Wohnungsdurchsuchungen bei drei Berliner Anhängern der neonazistischen Gruppe "Direkte Aktion / Mitteldeutschland" (JF). In allen Fällen konnte die Polizei Schulungsund Propagandamaterial der am 27. November 1992 verbotenen neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) sowie Informations- 5 -Anhang II: Chronologie - 241 Schriften und Aufkleber des am 22. Juni 1993 angeblich selbst aufgelösten "Förderwerkes Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) beschlagnahmen. 22. Januar "Reichsgründungsfeier" des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Wedding mit etwa 70 Teilnehmern. 22. Januar Flugblattaktion der Kreisverbände Neukölln und Steglitz der "Deutschen Volksunion" (DVU). DVU-Mitglieder steckten mehrere hundert Flugblätter mit der Überschrift "Die DVU im Bundeswie Europaparlament" in Hausbriefkästen. 22. Januar Verteilaktion des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Potsdam. FAP-Angehörige verteilten vor einer Kaufhalle die Berliner FAPPublikation "Aufbruch". Einige Exemplare wurden von der Polizei sichergestellt. Bei einer Person wurde ein Koppelschloß mit Hakenkreuz festgestellt. 23. Januar Zusammenkunft von etwa 50 Neonazis in einer Gaststätte in Berlin-Hohenschönhausen. 24. Januar Gefährliche Körperverletzung eines Italieners in Berlin-Pankow. Das Opfer wurde von vier unbekannten Personen beschimpft und mit Fäusten geschlagen. 25. Januar Durchsuchungsaktion der Polizei bei drei Berliner Neonazis. Die Polizei stellte einen Personalcomputer mit Disketten sowie ein leeres Pistolenmagazin sicher. Bei einem der Neonazis wurde umfangreiches neonazistisches Propagandamaterial beschlagnahmt. Auch wurden Flugblätter bzw. Disketten über "Ku-Klux-Klan" und "Anti-Antifa" sowie Propagandamaterial der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) gefunden. 5 - Anhang II: Chronologie - 242 25. Januar Mitgliederversammlung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in Berlin-Steglitz, an der etwa 15 Personen teilnahmen. 29. Januar Außerordentliche Mitgliederversammlung des Vereins "Die Nationalen e. V." - Landesverband Berlin-Brandenburg in einem Jugendclub in Elsterwerda (Brandenburg) mit etwa 30 Personen. 30. Januar Wahlkampfaktion des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in BerlinHohenschönhausen. Anhänger der FAP sammelten in Wohnhäusern in der näheren Umgebung der Landsberger Allee Unterschriften für die FAPTeilnahme an den Europawahlen. Januar Bekanntwerden des Info-Blattes "Bericht zur Lage" (Nr. 4) vom Januar. Die in neonazistischen Kreisen verbreitete Schrift wird von dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF), Meinolf SCHÖNBORN, herausgegeben. 2. Februar Erneuter Eingang eines Drohschreibens einer Gruppe mit der Bezeichnung W.A.W. ("Weißenseer Arischer Widerstand") in der Bezirksgeschäftsstelle Weißensee der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). In dem Schreiben heißt es u. a. "Der Tag beginnt, der Sturm bricht los, nun schlagen wir Euch endlich tot". 8. Februar Gemeinsame Informationsveranstaltung der Berliner Kreisverbände Wilmersdorf, Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf der Partei "Die Republikaner" mit ca. 60 Teilnehmern. 1 Dekade Februar Verbreitung einer weiteren Ausgabe der neonazistischen Schrift "Natur Schutz=Denkzettel", Nr. 7. Das Heft enthält -wie auch die vorangegangene Doppelausgabe vom November 1993 - massive antisemitische Hetze in Wort 5 - Anhang II: Chronologie - 243 und Bild. Die Schrift ruft zur Gewaltanwendung auf und gibt Anleitungen zum Bau von Autobomben. 13. Februar Versuchte Brandstiftung an einem Döner-Imbiß in BerlinPankow. Zwei Personen konnten festgenommen werden. 13. Februar Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Hohenschönhausen mit etwa 65 Teilnehmern, darunter Neonazis aus Fürstenwalde (Brandenburg). 13. Februar Körperverletzung mit fremdenfeindlichen und antisemitischen Äußerungen in Berlin-Prenzlauer Berg. Ein türkischer Taxifahrer wurde nach verbaler Auseinandersetzung von einem 34jährigen Mann mit der Faust ins Gesicht und mehrfach zu Boden geschlagen. Dabei verletzte er sich. Während der Tathandlung beschimpfte der Täter sein Opfer mit den Worten: "Du Judensau! Die sind alle zu vergasen. Ich bin Deutscher, die Ausländer haben hier nichts zu suchen!". Die Polizei stellte vor Ort die Personalien des Täters fest. 16. Februar Polizeiliche Wohnungsdurchsuchungen bei 13 mutmaßlichen Berliner Neonazis wegen des Verdachts der Fortführung der verbotenen Organisationen "Nationale Offensive" (NO) und "Nationalistische Front" (NF). Bei 11 Beschuldigten führten die Maßnahmen zum Auffinden von rechtsextremistischem Propagandamaterial der NO und NF. 16. Februar Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau. Vor etwa 80 Besuchern sprach der stellvertretende Vorsitzende der neonazistischen "Nationalen Liste" in Hamburg, Christian WORCH, zum Thema "Ein Wort bewirkt mehr als 1 000 Schüsse!". 5 -Anhang II: Chronologie - 244 23. Februar Teilnahme zahlreicher Berliner Neonazis und Rechtsextremisten an einer gemeinsamen Vortragsveranstaltung des Vereins "HOFFMANN-VON-FALLERSLEBEN-Bildungswerk e. V." und der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V". An dem Treffen in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau beteiligten sich etwa 80 Personen. An einem bereitgestellten Büchertisch wurde diverses rechtsextremistisches Informationsund Propagandamaterial verteilt und teilweise verkauft. Dazu gehörten die Zeitung "BerlinBrandenburger", Publikation des Landesverbandes BerlinBrandenburg der "Nationalen e. V.", das FAP-Informationsblatt für Mitteldeutschland "Aufbruch", die "Remer-Depesche" sowie die neonazistische Propagandaschrift "Angriff. 26. Februar Propagandaaktion des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Bernau (Brandenburg). Mitglieder und Anhänger der FAP verteilten im Zentrum Bernaus das FAP-Informationsblatt "Aufbruch". Nach Beendigung der Aktion wurden die Aktivitäten in Berlin-Buch fortgesetzt. Februar Bekanntwerden der Januar/Februar-Ausgabe des neonazistischen Info-Blattes "Rechtskampf - Die Stimme des juristischen Widerstandes". 3. März Propagandaaktion von Anhängern der neonazistischen Gruppe "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) in Berlin-Mitte. Die Täter klebten an die Wände des dort befindlichen Ausländerwohnheimes handtellergroße Aufkleber mit schwarzem Hakenkreuz und der Parole "Ausländer raus!". 4. März Einbruch und Hakenkreuzschmierereien in einer Kita in BerlinPrenzlauer Berg. 6. März Gefährliche Körperverletzung unter "Sieg-Heil!"und "Heil HitIer!"-Rufen in einem BVG-Bus in Berlin-Mitte. 5 -Anhang II: Chronologie - 245 Einer BVG-Benutzerin wurde in einem Bus ein Bein gestellt (vermutlich von Skinheads), worauf sie stürzte. Ein ihr zu Hilfe kommender Mann wurde mit Faustschlägen und Fußtritten attackiert. Die Täter konnten unerkannt entkommen. 6. März Gefährliche Körperverletzung gegenüber zwei Farbigen aus vermutlich rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit in einem S-Bahn-Zug in Berlin-Prenzlauer Berg. Den Geschädigten wurden die Worte "Neger raus" aus einer Gruppe von ca. sechs Personen zugerufen. Einer erhielt einen Schlag ins Gesicht. Das Opfer fragte nach dem Grund des Schlages und wurde daraufhin in die Rippe getreten. Drei Täter konnten festgenommen werden. 6. März Körperverletzung nach Beleidigung durch Skinheads in BerlinHohenschönhausen. Fünf Skinheads beleidigten in einer Straßenbahn einen angolanischen Asylbewerber mit den Worten "Neger, Neger, du schwarze Socke, verschwinde aus Deutschland, du Asylant". Als der Beleidigte den Fahrer der Straßenbahn um Hilfe bat, schlugen die Täter das Opfer mit einem harten Gegenstand mehrfach auf den rechten Unterarm. Die Tatverdächtigen wurden von der Polizei festgenommen. 11. März Gründungsveranstaltung des Bezirksverbandes Berlin-Wedding der "Deutschen Volksunion" (DVU) in einer Gaststätte in BerlinWedding. 11. März Sog. Forum des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit etwa 25 Teilnehmern in einer Gaststätte in Berlin-Wilhelmshagen. 12. März Teilnahme Berliner Neonazis an einer Interessentenveranstaltung des Vereins "Die Nationalen e. V." in Lauchhammer (Brandenburg). Es beteiligten sich etwa 30 Personen. Vor der Veranstaltung fand eine Verteilaktion durch Angehörige des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheit- 5 - Anhang II: Chronologie - 246 liehen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in der Innenstadt von Cottbus (Brandenburg) statt. 18. März Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau, an der etwa 110 Personen teilnahmen. Der österreichische Rechtsextremist Herbert SCHWEIGER referierte zum Thema "Weltpolitik und Deutschlands Zukunft". 19./20. März Schulungsseminar der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." zum Thema "Evolution des Wissens - Revolution der Politik". Die zweitägige Veranstaltung unter Leitung des österreichischen Rechtsextremisten SCHWEIGER fand in einer Gaststätte in Bernau (Brandenburg) statt. Sie wurde von ca. 40 Personen, darunter zahlreichen Neonazis, besucht. 22. März Polizeiliche Wohnungsdurchsuchung im Rahmen eines Verfahrens der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin gegen die Verfasser von drei Drohschreiben mit fremdenfeindlichen und antisemitischen Textpassagen, die im Januar und Februar bei der PDS-Geschäftsstelle in Berlin-Weißensee eingegangen waren. Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um eine 17jährige Jugendliche sowie um einen 20jährigen Mann. Bei der Durchsuchung wurden rechtsextremistisches Propagandamaterial sowie ein PC sichergestellt. 27. März Kameradschaftsabend der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) unter Beteiligung zahlreicher Neonazis aus anderen Zusammenschlüssen. An der Zusammenkunft in einer Gaststätte in Berlin-Hohenschönhausen beteiligten sich ca. 80 Personen, darunter Sympathisanten aus Brandenburg. 28. März Anbringen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Büro des Direktors einer Grundschule in BerlinKreuzberg. 5 - Anhang II: Chronologie - 247 Die Täter beschmierten während des Einbruchs die Wände mit nationalsozialistischen Sprüchen und Hakenkreuzen Das Büro wurde verwüstet. 2. April Osterfeuer auf einem Grundstück zwischen den Ortschaften Jänickendorf und Kolzenburg (Brandenburg). Unter den etwa 50 Teilnehmern, die vereinzelt Tarnanzüge der ehemaligen NVA trugen, befanden sich Neonazis. Einige Teilnehmer kamen aus Berlin. In der Nähe des Feuers befand sich ein Pfahl mit einem schwarzen Tuch (ca. 1 x 1,5 m) ohne Zeichen oder Schriftzüge. Die Polizei war vor Ort. 3. April Körperverletzung und Raub in Berlin-Pankow. Drei Täter, vermutlich Skinheads, beschimpften zwei männliche Personen mit den Worten "Linke Zecken", griffen ihre Opfer tätlich an und raubten ein Palästinensertuch. Die Geschädigten wurden in einem Krankenhaus ambulant behandelt. Die Täter konnten unerkannt entkommen. 9. April Sachbeschädigung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Unbekannte Täter riefen vor einem Wohnheim ausländischer Arbeitnehmer in Berlin-Kaulsdorf die Parole "Ausländer raus!" sowie "Heil Hitler!". Anschließend stießen sie mit einer Holzbohle mehrere Fensterscheiben ein. 9. April "Ordentlicher Parteitag 1994" der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). An der Veranstaltung auf der Havelinsel Lindwerder in BerlinZehlendorf beteiligten sich etwa 270 Personen. Aus dem Ausland war eine aus etwa 15 Personen bestehende Delegation der "Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung" (DNSB) angereist. Zur Eröffnung des Parteitages wurden FAP-Fahnen und die Standarten der einzelnen Landesverbände unter Trommelwirbel und Fanfarenklängen hereingetragen. Der Berliner Landesvorsitzende Lars BURMEISTER eröffnete den Parteitag und erteilte sogleich dem Parteivorsitzenden BUSSE das Wort. Die 5 -Anhang II: Chronologie - 248 ca. 100 stimmberechtigten FAP-Mitglieder wählten erneut BUSSE zum Vorsitzenden. Stellvertretender Vorsitzender wurde wieder Siegfried BORCHARDT aus Nordrhein-Westfalen. Abschließend überreichte BUSSE vor den Teilnehmern des Parteitages mehreren Personen ihre Parteiausweise und erklärte sie zu Vollmitgliedern der FAP. In der Nähe des Tagungsortes gingen Demonstranten gegen Fahrzeuge von Parteitagsteilnehmem vor. 17. April Brandanschlag militant-linksextremistischer Kreise auf das Kraftfahrzeug des Berliner Neonazis Arnulf-Winfried PRIEM in Berlin-Wedding. Am Auto entstand Totalschaden. 17. April Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) mit etwa 60 Mitgliedern und Anhängern in einem Restaurant in Berlin-Friedrichshain. Unter den Teilnehmern befand sich der FAPBundesvorsitzende Friedhelm BUSSE. 19. April Versuchte Brandstiftung an der "Villa Freundschaft" in BerlinWedding. Anläßlich eines Polizeieinsatzes wurde beobachtet, wie eine Person vor der Eingangstür der "Villa Freundschaft" (SJD - Die Falken - Wedding -) eine Flüssigkeit verschüttete. Der Täter wurde festgenommen. Die Flüssigkeit, die nach Diesel roch, wurde beseitigt. Es entstand nur geringer Sachschaden. 20. April Sachbeschädigung an dem Kfz eines Türken in BerlinKreuzberg. Unbekannte kratzten auf die Kofferraumhaube des Pkw ein seitenverkehrtes Hakenkreuz und zerstachen alle vier Reifen. 20. April Verbreitung verfassungswidriger Kennzeichen aus Anlaß des 105. Geburtstages von Adolf HITLER. In den Berliner Bezirken Pankow, Spandau und Tempelhof wurden die Grußformel "Sieg Heil" sowie Hakenkreuze an 5 - Anhang II: Chronologie - 249 Wänden von Schulen und Mietshäusern festgestellt. Auch ein Verteilerkasten der Bewag wurde beschmiert. Einige der Täter sollen nach Angaben von Zeugen zwischen 15 und 17 Jahre alt gewesen sein. 21. April Räuberische Erpressung durch Skinheads auf dem S-Bahnhof Springpfuhl (Berlin-Marzahn). Ein Jugendlicher wurde von mehreren Skinheads angesprochen und u. a. zur Herausgabe seines Geldes aufgefordert. Anschließend wurde dem Opfer mit der Faust ins Gesicht geschlagen. 22. April Gefährliche Körperverletzung in Berlin-Marzahn. , Ein vietnamesischer Staatsbürger wurde von drei Personen, vermutlich Skinheads, mit Baseballschlägern und einem Holzbrett mit Nägeln mehrmals attackiert. Das Opfer erlitt eine Platzwunde am Kopf. 26. April Befestigung eines Transparentes an einer Fußgängerbrücke der Bundesautobahn 114 in Berlin-Pankow mit der Aufschrift "Rudolf Heß - Friedensflieger für Deutschland". 26. April Feststellung von Aufklebern der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) an Wänden von Hausfluren einiger Wohnhäuser in Berlin-Prenzlauer Berg. Das Propagandamaterial war mit schwarzen Hakenkreuzen und den Parolen "Rotfront verrecke!", "Wir sind wieder da!" und "Die Juden sind unser Unglück!" versehen. 26. April Polizeiliche Wohnungsdurchsuchungen bei Berliner Neonazis. Aufgrund von Beschlüssen des Bundesgerichtshofes in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurden in Berlin 17 Objekte von 12 Tatverdächtigen von der Polizei durchsucht. In vier Fällen waren die Durchsuchungen erfolgreich. Gefunden wurden u. a. ein Nebelwurfkörper, ein Schlagring und ein Messer. Die mutmaßlichen Täter werden verdäch- 5 - Anhang II: Chronologie - 250 tigt, u. a. drei Brandanschläge in Berlin gegen Treffpunkte der "Antifa" verübt zu haben. 29. April Vortragsveranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg mit etwa 35 Personen. Ein Mitglied des Bundesvorstandes der NPD sprach zum Thema "Die politische Rechte 1994". 27.-29. April Propagandaaktionen von Anhängern des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in verschiedenen Berliner Bezirken. I Einige Täter konnten in Berlin-Weißensee von der Polizei gestellt werden Bei der anschließenden Durchsuchung fand die Polizei bei einem FAP-Angehörigen etwa 80 Flugblätter mit einem Aufruf zur Teilnahme an einer Demonstration der FAP am 1. Mai, ein Druckerzeugnis mit einem Keltenkreuz und ein Koppelschloß mit Hakenkreuz. Auch in Charlottenburg wurden Plakate mit den Parolen: "FAP - 1. Mai gegen Drogenkriminalität und Gewalt" und "FAP - rädikal-sozialistisch-national" verklebt. 1. Mai Aktivitäten der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) aus Anlaß des Feiertages "Tag der Arbeit". Die aus mehreren Bundesländern angereisten FAP-Angehörigen versuchten, ihren Aufzug wie angemeldet in Berlin-Treptow durchzuführen. Es fanden sich jedoch nur 30 bis 40 Personen ein. Eine Gruppe von Angehörigen der FAP, die sich in einer Wohnung in unmittelbarer Nähe der Demonstrationsroute versammelt hatte, konnte diese aufgrund der Bedrohung durch Gegendemonstranten nicht verlassen. Ein FAP-Aufzug formierte sich daher nicht. Entlang der geplanten Wegstrecke befanden sich vorübergehend mehrere hundert Gegendemonstranten. Am Nachmittag des 1. Mai führten etwa 80 FAP-Anhänger im Bezirk Prenzlauer Berg doch noch eine kurze Spontanaktion * durch. Die Spitze des Aufzuges wurde mit FAP-Standarten, Trommelwirbel und Fanfarenklängen angeführt. Nach wenigen hundert Metern wurde der Aufzug ohne Kundgebung beendet. 5 - Anhang II: Chronologie - 251 Ein Teil der FAP-Anhänger wurde von starken Polizeikräften umringt; es kam zu Festnahmen. 4. Mai Auffinden mehrerer kleiner Aufkleber mit dem Porträt Rudolf HEß' und der Parole "Rudolf Heß ein deutscher Held" in einem S-Bahnwagen im Bahnbetriebswerk Friedrichsfelde. Lt. Impressum zeichnet Ernst ZÜNDEL verantwortlich. 7. Mai Handgreiflichkeiten zwischen etwa 15 Skinheads und ehemaligen jugoslawischen Staatsangehörigen in einem Wohnhaus für Flüchtlinge in Berlin-Weißensee. Die Skinheads brachen eine Wohnungstür auf, zerstörten die Kücheneinrichtung und ein Fenster des Treppenhauses. Bei der Personalienfeststellung durch Polizeibeamte wurde bei einem der Täter ein Mutterschaftskreuz mit Hakenkreuzsymbol gefunden. 7. Mai Landesparteitag der Partei "Die Republikaner" (REP) in BerlinCharlottenburg. Polizeiangaben zufolge nahmen an der störungsfrei verlaufenen Veranstaltung etwa 90 Personen teil. Nach Pressemeldungen wurde der Berliner Landesvorsitzende Dr. Werner MÜLLER zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 1994 gewählt. 8. Mai Flugblattverteilaktion des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Aktion stand im Zusammenhang mit der Spontandemonstration der FAP am I . M a i in Berlin-Prenzlauer Berg. Etwa 30 FAP-Mitglieder und -Anhänger verteilten Flugblätter mit der Aufschrift "FAP marschierte gegen Drogenfreigabe und Gewalt auf Berliner Straßen!". 1. Dekade Mai Bekanntwerden einer Broschüre mit dem Titel "Neue Position - Den Widerstand aufbauen!". 5 - Anhang II: Chronologie - 252 Die 28seitige Schrift wird in der Berliner Neonazi-Szene verbreitet. Herausgeber ist ein "Freundeskreis 'Samstags frei - für die Polizei'". 11. Mai Teilnahme von Anhängern der "Wiking-Jugend e. V." und der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." an einem "Gesangs-Spätschoppen" des "Kameradenkreises Nationale Linke" (NL). Zu dieser Veranstaltung in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau hatten ferner das "HOFFMANN-VON-FALLERSLEBENBildungswerk e. V." und ein "Junge-Freiheit-Leserkreis" eingeladen. Unter den etwa 50 Anwesenden befanden sich auch einige Neonazis. 17. Mai Feststellung neonazistischer Symbole in Berlin-Lichtenberg. Unbekannte Täter beschmierten die Giebelseite eines Hauses und den dazugehörigen Müllcontainerabstellplatz mit den Parolen "Arbeit für alle, sonst gibt's Krawalle" sowie "Arbeit + Wohnraum". Die Schriftzüge waren mit zwei Hakenkreuzen umrahmt. 20. - 24. Mai "40. Tage volkstreuer Jugend" der "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V." (WJ) in Hetendorf (Niedersachsen). Unter dem Motto "Jugend will deutsche Zukunft" war bundesweit zu diesem Treffen eingeladen worden. 21. Mai Überfall auf einen syrischen Staatsangehörigen in einem S-Bahnzug zwischen den Stationen Wuhletal und Biesdorf (Berlin-Marzahn). Neun Personen, vermutlich Skinheads, raubten unter Gewaltanwendung ihrem Opfer Bargeld. Die Täter konnten entkom2. Dekade Mai Mitglieder der neonazistischen Gruppe "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) erhalten neben dem Vereinsblatt "Nachrichten der HNG" zusätzlich eine Broschüre mit dem Titel "Freiheit". 5 -Anhang II: Chronologie253 Herausgeber der 40seitigen Schrift ist ein bisher noch nicht in Erscheinung getretener "Verein Schwedische Gardine & Redaktion Mitteldeutsche Gefangenenstimme". Mit der "neuen Gefangenenzeitung" will der Verein "Kontakte zwischen Gefangenen und der Außenwelt" schaffen. 2. Dekade Mai Bekanntwerden der Zeitung "Berlin-Brandenburger" vom April/ Mai, Publikation des Vereins "Die Nationalen e. V.". Dem Blatt sind u. a. Beiträge über die rechtsextremistische Szene, wie "Medienhetze gegen die Republikaner", "FAP bestätigt Bundesvorstand in Berlin" und "Hetze und Terror gegen Nationale", zu entnehmen. 21. Mai Treffen von etwa 40 Neonazis in einer Gaststätte in BerlinBuchholz. Unter den Teilnehmern befanden sich Mitglieder und Sympathisanten des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Während der Veranstaltung grölten die Anwesenden Parolen wie "Sieg Heil!" und lärmten mit Trommeln und Trompeten. 26 Personen wurden wegen Ruhestörung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen festgenommen. 22. Mai Körperverletzung an mehreren Gästen und Sachbeschädigung in einer Gaststätte in Berlin-Pankow. In der Gaststätte wurden von drei namentlich bekannten Personen Parolen wie "Sieg Heil!" und "Es lebe die NSDAP!" gerufen. Anschließend kam es zwischen den Beschuldigten und einigen Gästen zu einer Schlägerei, wobei mehrere Personen verletzt wurden. 24. Mai Teilnahme von Angehörigen der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." an einer Veranstaltung des Vereins "HOFFMANN-VON-FALLERSLEBEN-Bildungswerk e. V.". An der Zusammenkunft in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau beteiligten sich etwa 35 Personen. Während der Versammlung wurde rechtsextremistisches Propagandamaterial zum Kauf angeboten. 5 - Anhang II: Chronologie - 254 27. Mai Einbruchsdiebstahl und Schmierereien im Bezirksamt Prenzlauer Berg von Berlin. In Räumen des Bezirksamtes wurden ein Hakenkreuz, SS-Runen, sowie die Worte "Sieg Heil" und "Linke raus" entdeckt. Tatverdächtige sind nicht bekannt. Diverse Elektrogeräte wurden gestohlen. 31. Mai Sachbeschädigung an einem Konsulatsgebäude in BerlinPankow. Vermutlich durch einen Steinwurf wurde durch unbekannte Täter die Scheibe eines Fensters des Konsulats Guinea-Bissau beschädigt. 3. Juni Gefährliche Körperverletzung an einem Staatsbürger aus Bangladesch in einem S-Bahnzug in Berlin-Köpenick. Das Opfer wurde von fünf unbekannten Tätern angegriffen. 3. Juni "4. ordentlicher Landesparteitag" des NPD-Landesverbandes Berlin-Brandenburg in einer Gaststätte in Berlin-Wedding. Im Verlauf des Parteitages wählten die stimmberechtigten Veranstaltungsteilnehmer die Kandidaten zur Bundestagswahl 1994 für das Land Berlin. 4. Juni Teilnahme Berliner Neonazis an einem FAP-Treffen in Northeim (Niedersachsen). An der Zusammenkunft beteiligten sich etwa 150 Neonazis unter Führung des FAP-Bundesvorsitzenden Friedhelm BUSSE. Die Veranstaltung fand auf dem Gelände des Wohnsitzes des am 2. Juni inhaftierten FAP-Funktionärs Thorsten HEISE statt. Die Teilnehmer verbarrikadierten HEISES Wohnhaus aus Anlaß einer Demonstration politischer Gegner. 4. Juni Propagandaaktion einiger Berliner Anhänger der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Frankfurt/Oder. Angehörige dieser Partei verteilten das von der Berliner FAP herausgegebene Informationsblatt "für Mitteldeutschland", "Aufbruch". 5 - Anhang II: Chronologie - 255 6. Juni Installation eines Telefon-Ansagedienstes in Berlin mit Informationen über und für die rechtsextremistische Szene. 8. Juni Neonazis beschießen Plakatkleber mit Luftgewehr. Drei Neonazis beobachteten zwei Personen beim nächtlichen Plakatieren in Berlin-Prenzlauer Berg. Einer der Plakatierer wurde niedergeschlagen, der andere mit einem Luftgewehr beschossen und im Bereich der linken Schläfe getroffen. Anschließend trafen sie auf zwei weitere Plakatierer und beschossen diese wiederum mit dem Luftgewehr. Die Opfer wurden bis zu ihrem Fahrzeug verfolgt. Die Polizei konnte die Täter festnehmen. 9. Juni Messerangriff auf einen Ghanaer in Berlin-Hohenschönhausen. Drei Personen umkreisten den Afrikaner und bedrohten ihn mit Messern. Bei der Festnahme der Täter durch die Polizei leistete einer Widerstand. Bei allen erfolgten Wohnungsdurchsuchungen. Einer der Täter war zum Zeitpunkt der Tat Polizeischüler. 9. Juni Vortragsveranstaltung der rechtsextremistischen "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in BerlinFriedenau. Unter den etwa 100 Teilnehmern befanden sich auch Neonazis. Mittelpunkt der Veranstaltung war ein Vortrag zum Thema "Alfred Rosenberg - Der Ideologe des Nationalsozialismus". 12. Juni Feststellung nazistischer Symbole im Stadtbild am Tag der Wahlen zum Europaparlament. Gegenüber einem Wahllokal in Berlin-Marzahn wurden - von der Straße erkennbar - an einem Fenster eines Wohngebäudes ein mit weißer Farbe aufgesprühtes Hakenkreuz und SS-Runen entdeckt. Auf einem Parkplatz in Berlin-Weißensee stellte eine Funkwagenstreife der Polizei auf drei dort befindlichen Kraftfahrzeugen eingekratzte Hakenkreuze fest. 16. -18. Juni Propagandaaktionen des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Tegel sowie in Berlin-Altglienicke. 5 - Anhang II: Chronologie - 256 Anhänger der FAP verklebten Plakate ihrer Partei mit folgendem Text: "Berlin dankt den Alliierten für Mord, Vergewaltigung und Umerziehung, wir nicht! Besatzer raus unentgeltlich und sofort". I 18. Juni Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und gefährliche Körperverletzung in Berlin-Marzahn. Drei der Skinhead-Szene zuzuordnende Personen rissen eine vietnamesische Staatsangehörige zu Boden und traten auf sie ein. Während die Täter ihr Opfer schlugen, riefen sie mehrmals laut und deutlich "Heil Hitler!" und "Sieg Heil!". Das Opfer konnte fliehen. Die Polizei nahm die Täter vorläufig fest. 18.Juni Gefährliche Körperverletzung durch Skinhead in BerlinNikolassee. Ein 26jähriger Skinhead in Begleitung 13 weiterer Skinheads schlug zwei Frauen ins Gesicht und trat eines der Opfer in die Beine. Eine weitere Passantin wurde vom Täter am Arm gegriffen und umgestoßen. Der Angreifer drohte mit Totschlag. Vor Eintreffen der Polizei konnte der Täter flüchten. Einen Tag später wurde er in der Nähe des Tatortes erkannt und festgenommen. 20. Juni Einbruch und Hakenkreuzschmierereien in einer Kindertagesstätte in Berlin-Marzahn. Bei dem Einbruch in die Kita schmierten unbekannte Täter ein Hakenkreuz auf den Fußboden. 22. Juni Verurteilung des Berliner Neonazis Arnulf-Winfried PRIEM durch die 73. Strafkammer des Landgerichts Berlin wegen Verstoßes gegen das Versammlungsund Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 1 800 DM. Gegenstand der Gerichtsverhandlung war die am 1. Mai 1992 bei PRIEM gefundene Gaspistole ME 38 P mit Magazin und neun Patronen. Die Polizei hatte an diesem Tag die Gegenstände während einer polizeilichen Vorkontrolle beschlagnahmt. PRIEM und drei Begleiter waren auf dem Weg zu einer 5 - Anhang II: Chronologie - 257 Veranstaltung der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Prenzlauer Berg gewesen. 22. Juni Körperverletzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Vor dem Gebäude einer Realschule in Berlin-Treptow wurde eine Schülerin von sieben Jugendlichen geschlagen und ihr Gesicht mit einem Hakenkreuz bemalt. 28. Juni Körperverletzung und Beleidigung eines Staatsbürgers aus Kambodscha auf dem U-Bahnhof Frankfurter Allee (BerlinFriedrichshain). Auf dem Bahnhof bestieg der Beschuldigte den U-Bahnwagen, beschimpfte den Geschädigten mit "Du blöder Ausländer" und schlug ihm die Faust ins Gesicht. 30. Juni Sog. Forum des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), in einer Gaststätte in BerlinPrenzlauer Berg mit etwa 30 Personen. Juni Bekanntwerden von Aufklebern der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) zum Thema "Europaunion". Das Propagandamaterial ist mit dem Text "EU - ohne Grenzen? Massenarbeitslosigkeit Umweltzerstörung Bauernsterben Wohnungsnot Überfremdung ohne u n s ! ! " versehen. 1. Juli Feststellung von Plakaten der neonazistischen Gruppe "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS) in BerlinWeißensee und -Pankow. An einer Straßenlaterne und einer Treppe fand die Polizei Propagandamaterial des FRVS mit den Parolen "Ruhm und Ehre für Rudolf Heß" und "Wir fordern: Deutschland den Deutschen - Ausländer raus". 2. Juli Vorsätzliche Beschädigung eines Wohnheims für Asylbewerber in Berlin-Marienfelde. 5 - Anhang II: Chronologie - 258 Einige Personen beschimpften drei vor dem Wohnheim stehende Ausländer mit den Worten "Scheiß Asylanten!", "Scheiß Ausländer!". Anschließend entnahmen sie aus dem Kofferraum ihres Pkw Getränkebüchsen und bewarfen damit ihre Opfer. Ein Geschädigter wurde verfolgt, konnte sich aber in dem Wohnheim in Sicherheit bringen. Die Täter zerstörten daraufhin mit einem Beil mehrere Fensterscheiben des Wohnheims und flüchteten mit ihrem Pkw. 7. Juli Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau. Vor etwa 80 Besuchern referierte der hessische Rechtsextremist Wolfgang JUCHEM zum Thema "Die Deutsche Frage nach der kleindeutschen Vereinigung". 8. Juli Körperverletzung und Beleidigung eines Jugoslawen zwischen den U-Bahnstationen Krumme Lanke und Onkel-Toms-Hütte. Im U-Bahnabteil wurde der Jugoslawe von zwei namhaft gemachten Personen mit dem Fuß ins Gesicht getreten. Dabei sollen die Worte: "Scheiß Ausländer, in der U-Bahn habt ihr keine Rechte" gefallen sein. 9. Juli Teilnahme zahlreicher Neonazis und Skinheads an einem Gesangsvortrag mit dem "nationalen" Liedermacher Frank RENNICKE. An der Veranstaltung, die in Rüdersdorf (Brandenburg) stattfand, beteiligten sich etwa 500 Personen. Die Teilnehmer kamen aus Berlin und Brandenburg, einzelne aus MecklenburgVorpommern. Unter den Besuchern befanden sich Skinheads, Anhänger Berliner Neonazigruppen, Angehörige der "WikingJugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung e. V." (WJ) und Hooligans. Vor Beginn des Konzerts sprach der Bundesführer der WJ, Wolfram NAHRATH. Am Rande der Veranstaltung fanden Info-Tische, ausgelegt mit rechtsextremistischem Material, reges Interesse der Besucher. Einige der Konzertbesucher traten in uniformähnlicher Bekleidung (schwarze Hosen, weiße Hemden) auf. Ausschreitungen wurden nicht bekannt. 5 - Anhang II: Chronologie - 259 12. Juli Körperverletzung und Beleidigung eines Polen in der S-Bahn Linie 1. Zwischen den Bahnhöfen Wollankstraße und Bornholmer Stra-, ße sprach ein unbekannt gebliebener Skinhead einen 18jährigen Polen mit beleidigenden Worten an und stach ihm anschließend mit einem Messer in den linken Oberarm. Die 3 em tiefe Stichwunde mußte ärztlich versorgt werden. 19. Juli Schwerer Landfriedensbruch in Berlin-Friedrichshain. Ca. 20 polnische und deutsche Rechtsradikale griffen mit Eisenstangen und Flaschen bewaffnet fünf polnische Staatsbürger an und verletzten sie, so daß zwei stationär behandelt werden mußten. Die Täter konnten unerkannt entkommen. 20/21. Juli Propagandaaktionen anläßlich des 20. Juli. Unbekannte brachten an den Geländern von zwei Brücken in Berlin-Zehlendorf, 1,5 m x 4 m große Transparente mit der Parole "20. Juli Verräter kommen und gehen das Reich bleibt bestehen" an. Beide Brücken führen über die Bundesautobahn A115. 23. Juli Vortragsveranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit etwa 25 Personen in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg. Im Mittelpunkt stand ein Referat des ehemaligen Bundesvorsitzenden der "Jungen Nationaldemokraten" (JN), Hermann LEHMANN, zum Thema "Multikulturelle Gesellschaft". Juli Verkauf von Musikkassetten mit rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Texten in einschlägigen Berliner Szene-Treffs. Neonazis verbreiteten Kassetten mit dem Titel "WAWKampfkapelle - Lieder zum Mitsingen". Auf dem Titelbild der Kassette sind ein Greifvogel mit Gitarre, eine Maschinenpistole und vermummte Gestalten mit Pistolen, Äxten und Messern dargestellt. Die Stücke werden von den Interpreten in aggressiver Gesangsform und mit monotonem Gitarrenrhythmus vorgetragen. Zu manchen Liedern wird "Sieg Heil!" gegrölt. HMAMM H.II.I..I " M Ü l i i M 5 - Anhang II: Chronologie - 12. August Skinhead-Attacke gegen Jugendliche in Berlin-Buckow. Mehrere Skinheads pöbelten eine Gruppe Jugendlicher an, in der sich ein Farbiger befand. Unter lautstarken Beleidigungen, wie "Scheißnigger" u. ä., wurden die Jugendlichen verfolgt, bedroht und mit Flaschen beworfen. Den Gejagten gelang es, sich auf einer Baustelle zu verstecken. Zeitgleich raubten vier Skinheads unter Schlägen einem Passanten sein Fahrrad. Nachdem die Skinheads abgezogen waren, konnten die Opfer die Polizei unterrichten. 13. August Festnahme des Berliner Neonazis Arnulf-Winfried PRIEM und weiterer Angehöriger der rechtsextremistischen Szene. Die Polizeimaßnahme richtete sich gegen 26 Personen, die sich im Wohnhaus des PRIEM aufhielten und aus deren Mitte mit einer Schleuder auf einen vor dem Haus befindlichen Journalisten geschossen worden war. In der Wohnung wurden diverse Gegenstände, die als Waffen hätten Verwendung finden können, sichergestellt. PRIEM wurde wegen des Verdachts der Bildung eines bewaffneten Haufens und wiederholter Verstöße gegen das Waffengesetz in Untersuchungshaft genommen. 16. August Wohnungsdurchsuchungen bei Personen der rechtsextremisti- . sehen Szene in Berlin. Aufgrund richterlicher Beschlüsse durchsuchte die Polizei die Wohnungen von 15 der rechtsextremistischen Szene zuzuordnenden Personen. In 11 Wohnungen wurden u. a. Propagandamaterial der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF), der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO), die Druckschrift "Natur Schutz=Denkzettel" sowie Uniformteile sichergestellt. 31. August Diskussionsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." zum Thema "Freimaurerei - gefährlich oder harmlos?". Die Veranstaltung, die von etwa 100 Teilnehmern besucht wurde, fand in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau statt. 5 - Anhang II: Chronologie - 261 2. September Einbruch und Hakenkreuzschmierereien in einer Kindertagesstätte in Berlin-Marzahn. Unbekannte Täter schmierten ein Hakenkreuz an die Wand. Es entstand größerer Sachschaden. 4. September Flugblattaktion von Mitgliedern und Anhängern rechtsextremistischer Parteien aus Anlaß der Veranstaltung "Tag der Heimat" vor der Sömmering-Sporthalle (Berlin-Charlottenburg). FAP-Aktivisten verteilten Propagandamaterial ihrer Partei, so das Flugblatt "Meinungsfreiheit gilt nicht für Deutsche". Etwa zehn Anhänger der Partei "Die Republikaner" (REP) boten Passanten und Veranstaltungsteilnehmer die Publikationen "Zur Sache" und "Deutsche Arbeiter-Zeitung" an. 4. September Polizeiliche Durchsuchungen wegen des Verdachts des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. In den Nachmittagsstunden fanden aufgrund richterlicher Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten Wohnungsund Fahrzeugdurchsuchungen bei zwei Berliner. Anhängern der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) statt. Die Polizei konnte umfangreiches Propagandamaterial der "Nationalsozialistischen Deutschen - Arbeiterpartei Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) (Aufkleber und "NSKAMPFRUF"), Ausgaben der neonazistischen Druckschrift "Natur Schutz=Denkzettel", Musikkassetten der "WAWKampfkapelle" mit Liedertexten sowie Preisund Bestellisten für rechtsextremistische Literatur sicherstellen. 9. September Brandanschlag auf eine Oberschule in Berlin-Treptow. Unbekannte warfen zwei Molotowcocktails gegen die Schule. Eine der Flaschen durchschlug die Fensterscheibe eines Klassenzimmers und setzte Mobiliar in Brand. Der zweite Brandsatz beschädigte ein Fensterbrett. Beide Brandsätze erloschen selbständig. Ferner wurden an die Front im Bereich der Eingangstür antisemitische Parolen wie "Jud verrecke", "Juden raus", "Anne die Sau" und "Jude verpiß dich" geschmiert. 5 - Anhang II: Chronologie - 262 13. September Verurteilung zweier Angehöriger der Bezirksverordnetenversammlung (BW) Friedrichshain wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 4 500 bzw. 3 600 DM. Nach Feststellungen des Amtsgerichts Tiergarten hatten die beiden Bezirksverordneten, Mitglieder der Partei "Die Republikaner" (REP), am 19. November 1992 ein an den Senator für Gesundheit gerichtetes Schreiben verfaßt, in dem sie u. a. um Stellenstreichungen in der Lesbenund Schwulenberatung baten. Hierbei benutzten sie ein von der Lesbenund Schwulenberatung entwickeltes Protestschreiben und verkehrten es durch Streichungen und Zusätze in das volksverhetzende Gegenteil der ursprünglichen Aussage. 21. September Körperverletzung eines Türken in Berlin-Wedding. In einem Lokal wurde ein Türke mit den Worten "Bei Adolf hätte es das nicht gegeben, Kanaken müßte man alle vergasen" beleidigt und anschließend mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Der Täter wurde gefaßt. 24. September Körperverletzung und Sachbeschädigung zweier Wahlhelfer in Berlin-Marzahn. Beim Anbringen von Wahlplakaten wurden zwei Wahlhelfer von Jugendlichen gestört. Die vermutlich der rechtsextremen Szene angehörenden Jugendlichen schlugen einem ins Gesicht und zerrissen die Wahlplakate. Sie konnten unerkannt entkommen. I.Oktober "4. ordentlicher Landesparteitag" des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Weißensee. Das "Nationale Info-Telefon" (NIT) Rheinland berichtete über den Verlauf des Parteitages, der bisherige Berliner Landesvorsitzende sei wiedergewählt worden. Die Polizei habe den Veranstaltungsort observiert. 5. Oktober Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau. 5 -Anhang II: Chronologie - 263 Das Treffen wurde von etwa 65 Personen besucht. Ein Neonazi, Funktionär aus Hamburg, referierte zum Thema "Die Entwicklung der politischen Verfolgung in Deutschland". 1. Dekade Oktober Verbreitung einer weiteren Ausgabe der Zeitung des rechtsextremistischen Vereins "Die Nationalen e. V.", "BerlinBrandenburger", Ausgabe September/Oktober. Das achtseitige Blatt beschäftigt sich u. a. mit Beiträgen wie "Die PDS profitiert vom Versagen der Altparteien", "Der Abgang des Demagogen SCHÖNHUBER", und "Deutschland ist auf dem Weg zum Polizeistaat". Eine Anzeige weist auf das "Sozialrevolutionäre Jugendblatt aus Mitteldeutschland", den "Angriff" hin, der über ein Postfach in Berlin zu beziehen sei. 13. Oktober Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau mit etwa 50 Besuchern. Mittelpunkt der Veranstaltung war ein Vortrag zum Thema "Überfremdung und andere Unwörter". 13. Oktober Verhandlung vor der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin wegen eines Antrages des Bundesvorsitzenden der Partei "Die Republikaner" (REP), Franz SCHÖNHUBER, auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Das Berliner Landgericht erließ eine einstweilige Verfügung, nach der der Beschluß des Bundesvorstandes der REP vom 1. Oktober auf Amtsenthebung des Parteivorsitzenden vorerst unwirksam ist. Das Gericht erklärte, nicht der Bundesvorstand, sondern nur eine Mitgliederversammlung hätte SCHÖNHUBER . absetzen können. 15. Oktober Fußballtumier der rechtsextremistischen "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V." (WJ) in Berlin-Weißensee. Zu dem Turnier hatten sich 60 Personen eingefunden. Am Rande der Veranstaltung durchsuchte die Polizei das Kraftfahrzeug vier verdächtiger Personen. Dabei stellten die Beamten neonazistisches Propagandamaterial und eine Anleitung zum 5 - Anhang II: Chronologie - 264 Bau von Sprengvorrichtungen fest. Im Zuge späterer Wohnungsdurchsuchungen konnte weiteres rechtsextremistisches Propagandamaterial sichergestellt werden. In der Wohnung eines Neonazis wurden mehrere Rohrkörper mit Schwarzpulver und unbekannten Beimischungen sowie Sprengstoff aufgefunden. Außer den Sprengmitteln konnten auch andere Gegenstände festgestellt werden, die zum Bau von Rohrbomben und Zeitzündern geeignet sind. Es erging Haftbefehl. 15. Oktober Vortragsveranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Reinickendorf. Es beteiligten sich etwa 65 Personen. Im Mittelpunkt des Treffens stand ein Referat zum Thema: "Wie unbefangen kann ein deutscher Richter noch sein?" 16. Oktober Bundestagswahl. "Die Republikaner" (REP) traten als einzige Partei des "rechten Spektrums" in Berlin zu den Bundestagswahlen an und kandidierten in den 13 Wahlbezirken der Stadt. Nach dem amtlichen Endergebnis blieb die Partei weit unter der 5 %-Marke und erreichte 36 645 der abgegebenen gültigen Zweitstimmen = 1,9 % (Europawahl am 12. Juni: 3,3 %; Abgeordnetenhauswahl 1990: 3,1 %). Bundesweit entfielen auf die REP ebenfalls 1,9 % (875 175 Zweitstimmen). 19. Oktober Ein türkischer Taxifahrer stellte in Berlin-Neukölln an der von ihm genutzten Taxe vier zerstochene Reifen fest. An der Seitenscheibe der Beifahrertür befand sich ein handtellergroßer Aufkleber der NSDAP-AO mit Hakenkreuz und der Aufschrift "Rotfront verrecke". 24. Oktober Mitgliederversammlung des Kreisverbandes Neukölln der "Deutschen Volksunion" (DVU) in einer Gaststätte in BerlinNeukölln. Im Mittelpunkt der Zusammenkunft stand die Neuwahl des Kreisvorstandes. 5 -Anhang II: Chronologie - 265 26. Oktober Treffen von vier jugendlichen Rechtsextremisten in einem Gemeinschaftshaus eines Wohnblocks in Berlin-Buckow. Die Anwesenden grölten NS-Lieder und -Parolen. Eine alarmierte Zivilstreife stellte die Personalien fest. Die Polizei konnte rechtsextremistisches Propagandamaterial der "Wiking Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V." (WJ) und der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) feststellen. Bei den anschließenden Wohnungsdurchsuchungen am 27. Oktober fand die Polizei umfangreiches Propagandamaterial der WJ, Plakate mit Hakenkreuzabbildungen, ein SSLiederbuch, ein "Handbuch der Judenfrage" sowie Sturmhauben und Tarnmützen, einen Totschläger, Nebelwurfkörper aus Armeebeständen und eine Übungshandgranate. Oktober Der Kreisverband Ost des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) verbreitete handtellergroße Aufkleber mit den Parolen "Deutsches Volk: Sei stark, Sei stolz, Sei Feind Deinen Freunden" und "Doppelte Staatsbürgerschaft? Niemals". Oktober Bekanntwerden der neuesten Ausgabe der neonazistischen Publikation "Angriff - Mitteldeutsche Jugendzeitschrift". Das 28seitige Heft mit der laufenden Nr. 6 enthält u. a. Kontaktadressen sozialrevolutionärer Gruppierungen und einen Hinweis auf neue Aufkleber mit der Parole "Die Grenze verläuft nicht zwischen Links und Rechts, sondern zwischen oben und unten!". 4. November Angriff auf zwei Farbige in Berlin-Friedrichshain. Die Opfer wurden von zwei Personen als "Scheiß-Neger" beschimpft und flüchteten daraufhin in ein Wohnhaus. Im Durchgang zum Hinterhaus kam es zu Auseinandersetzungen. Dabei zerstörten die Täter mehrere Glasscheiben mittels körperlicher Gewalt und Steinwürfen. Die Farbigen wurden nicht verletzt. Die Täter konnten ermittelt werden. 5. November Verbotene Veranstaltung des rechtsextremistischen Berliner Vereins "Die Nationalen e.V.". 5 -Anhang II: Chronologie266 "Die Nationalen e. V." hatten durch Plakataktionen in Guben (Brandenburg) eine Veranstaltung an einem nicht genannten Ort angekündigt. Durch Verfügung des Polizeipräsidenten in Cottbus vom 4. November wurde diese Veranstaltung jedoch verboten. Zur Umgehung des Verbots verlegte der Verein das Treffen in eine Gaststätte nach Göhlen (Brandenburg). Die Verbotsverfügung wurde daraufhin auf den Amtsbereich des Polizeipräsidenten von Frankfurt/Oder erweitert. Im Zuge der Auflösung der Versammlung in Göhlen stellte die Polizei 40 Personen fest, darunter Angehörige der "Nationalen" und Mitglieder des Landesverbandes Berlin der neonazistischen Organisation "Deutsche Nationalisten" (DN). Gefunden wurden u. a. eine Schreckschußpistole, Messer und Baseballschläger, eine Reichskriegsflagge sowie diverse Aufkleber der DN. 5. November Angriff auf einen Ausländer in Berlin-Charlottenburg. Der in einem Imbiß arbeitende Libanese wurde mit Füßen in den Unterleib getreten und als "Scheiß-Ausländer" beschimpft, als er einen 100-DM-Schein nicht wechseln konnte. Die Polizei stellte wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung die Personalien des Täters fest. Es handelte sich um einen Berlin-Besucher aus Köln. 7. November Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau. Das Treffen wurde von etwa 110 Personen besucht. Der Vorsitzende der neonazistischen spanischen Organisation "Circulo Espanol de Amigos de Europa" (CEDADE) referierte zum Thema "Der Staatsmann und die Geschichte". Der CEDADE (dt.: "Spanischer Kreis von Freunden Europas") wurde 1965 gegründet. Die Organisation hat ihren Sitz in Barcelona und verfügt über Ortsgruppen in Spanien, Frankreich und Lateinamerika. Ziel von CEDADE ist die Einführung des Nationalsozialismus. Er beruft sich in seinen Aussagen auf HITLER und sieht sich als Teil der europäischen Kräfte, die eine "neue Ordnung neben Kapitalismus und Kommunismus" anstreben. Er ist gegen die NATO und für ein nationalistisches Europa. 5 - Anhang II: Chronologie - 267 10. November Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V." (WJ) durch das Bundesministerium des Innern. Das Vereinsverbot wurde in zehn Bundesländern mittels Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme des Vereinsvermögens vollstreckt. In Berlin durchsuchte die Polizei die Wohnung des WJ-Bundesführers und Führers des "Gaus Berlin". Dabei konnte die Polizei umfangreiches Propagandamaterial der WJ sicherstellen. Bei den bundesweiten Durchsuchungen wurden weder Waffen noch Sprengstoff, wohl aber militärähnliche Ausrüstungsgegenstände wie Zelte, Tarnanzüge, Koppelschlösser und Stahlhelme, gefunden. Grundlage für das Verbot war u. a. die Feststellung einer Wesensverwandtschaft der WJ mit dem Nationalsozialismus. 13. November Verbot einer geplanten "Heldengedenkfeier" der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." durch die zuständige Behörde des Landes Brandenburg. Die Verbotsverfügung galt auch für Ersatzveranstaltungen. Der Verein hatte - wie bereits in den letzten vier Jahren - für den Volkstrauertag eine "Heldengedenkfeier" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe angemeldet, zu der er etwa 1 000 Teilnehmer erwartete. Als Redner war der Vorsitzende der niederländischen "Viking Jeugd - Nederland" (VJ) vorgesehen. Im Falle eines Verbots der Veranstaltung hatte die "Kulturgemeinschaft" die Teilnahme an den offiziellen Veranstaltungen der Kriegsgräberfürsorge empfohlen. Dank eines größeren Polizeiaufgebots blieb es im Raum Berlin-Brandenburg weitgehend ruhig. Im Berliner Bezirk Reinickendorf legte eine Gruppe von etwa 15 Mitgliedern und Anhängern der verbotenen "Wiking-Jugend e. V." auf einem Soldatenfriedhof einen Kranz nieder. Die herbeigerufene Polizei stellte teilweise die Personalien fest und leitete gegen fünf Personen ein Verfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. 27. November Gefährliche Körperverletzung und Beleidigung eines Farbigen aus Zaire auf dem S-Bahnhof Marzahn. 5 - Anhang II: Chronologie - 268 Drei unbekannte Jugendliche beleidigten einen Farbigen aus Zaire mit den Worten: "Scheiß Schwarze, Scheiß Nigger" und "Ausländer raus". Danach schlugen sie ihm mit einem Schlagring ins Gesicht. Ein Täter bedrohte ihn mit einem Messer. Das Opfer versuchte, dem Täter das Messer wegzunehmen und verletzte sich dabei. 28. November Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in Berlin-Friedenau, an der etwa 50 Personen teilnahmen. Mittelpunkt der Veranstaltung war ein Referat des stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) zum Thema "Die Geschichte der politischen Rechten in Deutschland seit 1945". November Erscheinen des Vereinsblattes "Nachrichten der HNG", Nr. 166, November, 1994, Publikation der neonazistischen "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG). Das 20seitige Blatt enthält wie immer eine sog. Gefangenenliste, in der u. a. die zuletzt inhaftierten Berliner Neonazis genannt werden. Anfang Dezember Verbreitung des Flugblattes einer "Initiative zur Verhinderung der Verjudung des deutschen Volkes". Die Verfasser des Flugblattes wenden sich dagegen, daß in Deutschland "Darstellungen aller denkund undenkbaren Perversitäten" erhältlich seien, während das Buch "Mein Kampf" verboten bleibe. Ferner kritisieren sie die Beeinflussung der Bevölkerung durch Massenmedien und ein verbreitetes Streben nach Wohlstand, das sie mit der jüdischen Talmudlehre vergleichen. 2. Dezember Mitgliederversammlung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Wedding. 5 -Anhang II: Chronologie269 3. Dezember Demonstration des rechtsextremistischen Berliner Vereins "Die Nationalen e. V." in Weißwasser (Sachsen). An der ohne Zwischenfälle verlaufenen Veranstaltung, die unter dem Motto "Argumente statt Verbote - Meinungsfreiheit auch für Nationale" stand, beteiligten sich etwa 70 Personen, darunter einige Angehörige des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). 4. Dezember Pressemitteilung der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) über die Verlegung ihrer Bundesgeschäftsstelle nach Berlin. In einer bei einer Pinneberger Tageszeitung eingegangenen Erklärung kündigt die FAP u. a. die Verlegung ihrer Bundesgeschäftsstelle von Halstenbek (Schleswig-Holstein) nach Berlin zum 31. Dezember 1994 an. 10. Dezember Parteitag des Landesverbandes Berlin der "Republikaner" (REP) im Rathaus Schöneberg. Die störungsfrei verlaufene Veranstaltung wurde von etwa 110 Personen besucht. Im Mittelpunkt des Parteitages stand die Neuwahl des Landesvorstandes. 10. Dezember Zusammenkunft von Anhängern des Landesverbandes Berlin der neonazistischen Organisation "Deutsche Nationalisten" (DN) in einer Gaststätte in Berlin-Hohenschönhausen. Der Berliner DN-Landesverband hatte für dieses Treffen auch "andere Parteien und Organisationen" eingeladen. Der Einladung folgten etwa 40 Personen. Während des Treffens sollte die "Lage des rechten Lagers" und eine bessere "Zusammenarbeit von Parteien und Organisationen" behandelt werden. Die Polizei war vor Ort und überprüfte die Personalien der Teilnehmer. Mehrere Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereins-, Versammlungsund Waffengesetz wurden eingeleitet. Dezember Schmierereien von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie Hakenkreuze, SSund SA-Zeichen sowie NSDAPund "Sieg Heil"-Parolen in mehreren Bezirken Berlins. 5 - Anhang II: Chronologie - 270 31 Dezember Bilanz des "Nationalen Info-Telefons Berlin" für das Jahr 1994. In einem Jahresrückblick bezeichnete der Sprecher die Verschärfung des Straftatbestandes der Volksverhetzung und das Strafverfahren gegen den Vorsitzenden der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), DECKERT, als herausragende Ereignisse des Jahres 1994. Durch die Strafverschärfung werde die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft entscheidend eingegrenzt, das Verfahren gegen DECKERT zeige auf eine Auflösung des Rechtsstaates. Verbote von Versammlungen und von rechtsextremistischen Organisationen hätten 1994 zu einem geschlossenen Vorgehen und einer "geistigen Radikalisierung" der "nationalen Szene" geführt. Für die Zukunft kündigte der Ansagetext eine "professionelle und fundierte Arbeit" dieser Kräfte an. Der "Machtwechsel" müsse in der geringen Zeit bis dahin jetzt durch den Aufbau einer künftigen "Führungselite" vorbereitet werden. 5 - Anhang II: Chronologie - 271 5.3 Ausländerextremismus 7. Januar Festveranstaltung der Berliner Gliederung der "FATAH" aus Anlaß des 29. Jahrestages der Gründung der Organisation mit etwa 300 Teilnehmern in der Alten Mensa der TU Berlin. 29. Januar Veranstaltung eines kurdischen "Demokratischen Arbeitgebervereins Berlin" im Audimax der TU Berlin zum Thema "Geschichte der kurdischen Aleviten und der Aufstand von Seyit RIZA" mit ca. 2 500 Teilnehmern. Der Teilnehmerkreis setzte sich fast ausschließlich aus Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zusammen. 3. Februar Festveranstaltung der Berliner Gliederung der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP) aus Anlaß der Wiederkehr des Gründungstages der Partei in Berlin-Neukölln mit etwa 50 Mitgliedern und Sympathisanten. 5. Februar Demonstration gegen den "Holocaust in Bosnien", zu der mehrere bosnische Vereine in Berlin aufgerufen hatten. Etwa 2 000 Personen bewegten sich vom Adenauerplatz (Berlin-Charlottenburg) über den Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße zur Abschlußkundgebung mit ca. 4 000 Teilnehmern auf dem Wittenbergplatz (Berlin-Schöneberg). 20. Februar "Volksversammlung" der verbotenen "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), einer internationalen Teilorganisation der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), im Audimax der TU Berlin. Bei den bis zu 600 Teilnehmern handelte es sich fast ausschließlich um Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK. Auf der Bühne waren u. a. ein Bild des PKK-Generalsekretärs Abdullah ÖCALAN und eine Fahne der ERNK angebracht. 5 -Anhang II: Chronologie - 272 27. Februar Protestkundgebung aus Anlaß des Attentates in der IbrahimMoschee in Hebron/Israel auf dem Breitscheidplatz (BerlinCharlottenburg). Unter den etwa 100 Teilnehmern befanden sich Angehörige verschiedener Palästinenser-Organisationen der sog. Ablehnungsfront, "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP), "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP), "Arabische Befreiungsfront" (ALF) sowie einzelne Angehörige der FATAH. 27. Februar Demonstration der "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS) aus Anlaß des Attentates in der Ibrahim-Moschee in Hebron/Israel vom Hermannplatz (Berlin-Neukölln) zum Kottbusser Tor (Berlin-Kreuzberg). Unter den bis zu 2 000 Teilnehmern befanden sich neben Angehörigen arabischer/palästinensischer Organisationen auch ein hoher Anteil von Anhängern islamisch-extremistischer türkischer Organisationen. 4. März Öffentliche Vorstellung der im Januar gegründeten "Kurdischen Gemeinde zu Berlin" im Rahmen einer Pressekonferenz in Räumlichkeiten des Preußischen Landtages (Berlin-Mitte). Unter den ca. 80 Teilnehmern befanden sich einige Mitglieder und Anhänger der Berliner Gliederung der PKK sowie etwa 20 Deutsche. 4. März Informationsveranstaltung zum Thema "Touristenboykott für Reisen in die Türkei" im "KATO" (U-Bahnhof Schlesisches Tor - Berlin-Kreuzberg). An der vom "AStA TU / Kurdistan AG TU" initiierten Veranstaltung beteiligten sich ungefähr 50 Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK sowie etwa 50 Deutsche. 5. März Protestaktion anläßlich der Eröffnung der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) vor dem Haupteingang des Messegeländes (Berlin-Charlottenburg) von bis zu 30 Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK. 5 -Anhang II: Chronologie - 273 Dieser hauptsächlich aus kurdischen Jugendlichen bestehende Personenkreis verteilte Propagandaund Informationsmaterial, um damit zu einem Boykott für Reisen in die Türkei aufzurufen. 6. März NEWROZ-(Neujahrs-)Fest der Berliner Gliederung des linksextremistischen "KOMKAR - Verband der Vereine aus Kurdistan" in Räumlichkeiten der Hochschule der Künste, Hardenbergstraße 33 (Berlin-Charlottenburg). Unter den über 800 Anwesenden befanden sich auch etwa 200 Mitglieder und Sympathisanten sowie deren Familienangehörige der Berliner Gliederung der PKK. 12. März Demonstration aus Anlaß des "Massakers" in der IbrahimMoschee in Hebron/Israel vom Olivaer Platz (BerlinWilmersdorf) zum Wittenbergplatz (Berlin-Schöneberg). Unter den ca. 800 Teilnehmern befanden sich zahlreiche Angehörige extremistischer Palästinenser-Organisationen der sog. Ablehnungsfront. Ein Redner beklagte u. a. die Inaktivität der Palästinenser in Berlin und appellierte an alle Anwesenden, weiter für den Staat Palästina zu kämpfen. 19. März Demonstration vom Hermannplatz (Berlin-Neukölln) zum Kottbusser Tor (Berlin-Kreuzberg) zum Thema "Verhaftung der Abgeordneten der Demokratischen Partei (DEP) in der Türkei" mit bis zu 150 Teilnehmern. Mit einem Flugblatt hatten zahlreiche linksextremistische türkische Organisationen, darunter verschiedene Fraktionen der "Türkischen Kommunistischen Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) und die "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP), zur Teilnahme an dieser Demonstration aufgerufen 19. März Spontane Protestkundgebung von mehr als 800 Personen - nach Angaben des Veranstalters etwa 2 000 - vor dem Haupteingang der Technischen Universität Berlin, Straße des 17. Juni (Berlin-Charlottenburg), gegen die Untersagung einer für diesen Tag im Audimax der TU Berlin anläßlich des NEWROZ-(Neujahrs-)Festes geplanten Veranstaltung der vom 5 - Anhang II: Chronologie - 274 PKK-Verbot betroffenen "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK). Die Protestkundgebung nahm einen gewaltsamen Verlauf, als die Kleidung eines Kurden unter nicht geklärten Umständen in Brand geriet. Bei den folgenden Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei wurden 31 Polizeibeamte verletzt. Sieben Gewalttäter wurden wegen schweren Landfriedensbruchs vorübergehend festgenommen; gegen fünf von ihnen wurde Haftbefehl erlassen. Anschließend begaben sich die Demonstranten zu einer bereits angemeldeten Demonstration zum Breitscheidplatz (BerlinCharlottenburg) Während des Marsches zum Breitscheidplatz skandierten die Demonstrationsteilnehmer Parolen der PKK. Auch in anderen Städten der Bundesrepublik Deutschland kam es wegen des Verbots geplanter Veranstaltungen anläßlich des kurdischen Newroz-Festes z. T. zu schweren Ausschreitungen, bei denen bundesweit über 90 Polizeibeamte verletzt wurden. In diesem Zusammenhang wurden über 500 Ermittlungsverfahren eingeleitet und zahlreiche Haftbefehle erlassen. 21. März Fackelzug von über 1 000 Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sowie ihren Familienangehörigen. Der Fackelzug führte vom Richardplatz (Berlin-Neukölln) zum Mariannenplatz (Berlin-Kreuzberg) und richtete sich gegen die Untersagung des für den 19. März im Audimax der TU Berlin geplanten Newroz-Festes. 22. März Zeitweise Blockade der Bundesautobahn (BAB 115) in Höhe des ehemaligen Grenzkontrollpunktes Dreilinden durch etwa 200 Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK. Die Demonstranten setzten Autoreifen in Brand und organisierten eine Sitzblockade auf der Fahrbahn. Wegen des Verdachts der Nötigung und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr wurden 101 Demonstranten vorläufig festbzw. in Gewahrsam genommen. Gegen 50 Personen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. 5 - Anhang II: Chronologie - 275 Zeitgleich kam es bundesweit zu ähnlichen Aktionen von PKKAnhängern, bei denen sich einzelne Kurden mit Benzin übergössen und anzündeten. Diese Protestaktionen, an denen sich bundesweit über 1 000 Kurden beteiligten, richteten sich gegen das Verbot einiger Veranstaltungen der PKK bzw. ihrer Nebenorganisationen aus Anlaß des Newroz-Festes. 9. April Diskussionsveranstaltung im Audimax der Technischen Universität Berlin (Berlin-Charlottenburg) zum Thema "Situation in der Türkei". Unter den etwa 700 Teilnehmern befanden sich etwa je zur Hälfte Anhänger und Sympathisanten zahlreicher linksextremistischer türkischer Organisationen, u. a. verschiedener Fraktionen der "Türkischen Kommunistischen Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) sowie der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die Vertreter der Organisationen stellten fest, daß ihr gemeinsames Ziel der Sturz der derzeitigen türkischen Regierung sei. Zu diesem Zweck werde auch der Versuch unternommen, mit der PKK zusammenzuarbeiten. 15. April Demonstration "gegen die beabsichtigte Abschiebung von jugoslawischen Staatsbürgern" vom Fehrbelliner Platz (BerlinWilmersdorf) zum Breitscheidplatz (Berlin-Charlottenburg). An der von einigen Deutschen organisierten Demonstration beteiligten sich etwa 700 Personen, überwiegend KosovoAlbaner und Roma aus der Region Vojvodina. 22. April Festveranstaltung aus Anlaß der Gründung des "Kurdischen Instituts für Wissenschaft und Forschung" auf dem Hof des neuen kurdischen Kommunikationszentrums in BerlinKreuzberg. Unter den ca. 500 Kurden befanden sich zahlreiche führende Mitglieder der Berliner Gliederung der PKK. Nach Redebeiträgen wurden Parolen der PKK skandiert. Am Ende der Feierlichkeiten wurde eine Grußadresse des PKKGeneralsekretärs Abdullah ÖCALAN verlesen, die von den Anwesenden mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. 5 - Anhang II: Chronologie - 276 22. April Gedenkveranstaltung der Berliner Gliederung des linksextremistischen "KOMKAR - Verband der Vereine aus Kurdistan" für den legendären irakischen Kurdenführer Mulla Mustafa BARZANI in der FU Berlin mit etwa 200 Teilnehmern. Die Anwesenden äußerten ihre Unzufriedenheit über das Fernbleiben von Vertretern anderer kurdischer Organisationen an dieser Festveranstaltung. 23. April Politisches Seminar des "Kurdischen Instituts für Wissenschaft und Forschung" im Audimax der Humboldt-Universität (BerlinMitte) mit etwa 300 kurdischen Teilnehmern. Die Redebeiträge befaßten sich u. a. mit den Waffenlieferungen der Bundesregierung an die Türkei und dem Verbot der kurdischen Organisationen in Deutschland. 24. April Festveranstaltung des "Kurdischen Instituts für Wissenschaft und Forschung" in einem Saal in Berlin-Neukölln mit über 1 000 kurdischen Teilnehmern. Auf der Bühne war eine Fahne der verbotenen "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) und ein Bild des Generalsekretärs der PKK angebracht. Zwischen den einzelnen Vorträgen und Folkloredarbietungen riefen die Anwesenden Parolen der PKK. 24. April Demonstration von Berliner bosnischen Muslimen und Kroaten aus Protest gegen "die fehlende Unterstützung der Welt für Bosnien" mit ca. 1 500 Teilnehmern. 27. April Informationsveranstaltung studentischer Gremien über die derzeitige Situation in "Türkisch-Kurdistan" im Audimax der Humboldt-Universität (Berlin-Mitte). Unter den über 200 Anwesenden befanden sich zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK. 1. Mai Am Rande der offiziellen 1. Mai-Demonstration der Gewerkschaften kam es im Lustgarten (Berlin-Mitte) zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen Polizeibeamten und einer Gruppe von etwa 50 kurdischen Kundgebungsteilneh- 5 -Anhang II: Chronologie - 277 mern, als die Polizei sie aufforderte, u. a. eine Fahne der verbotenen PKK-Teilorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) einzurollen. Die Demonstranten kamen der Aufforderung der Polizei nicht nach; es kam zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf fünf Polizeibeamte leicht verletzt wurden. Gegen einige Demonstranten wurde deshalb Strafanzeige erstattet. 6. Mai Veranstaltung der extrem-nationalistischen "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V." (ADÜTDF) mit Sitz in Frankfurt/Main in einem Festsaal in Berlin-Neukölln mit etwa 1 500 Teilnehmern, darunter über 300 Angehörige der Berliner Mitgliedsvereinigung "Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB). Ein Redner warf der türkischen Regierung Tatenlosigkeit und Lethargie bei der Bekämpfung der PKK vor. 7. Mai Informationsveranstaltung studentischer Gremien zum Thema "Aktuelle Lage in Kurdistan" in der "Rostlaube" der Freien Universität Berlin (Berlin-Zehlendorf). Bei den über 300 Teilnehmern handelte es sich fast ausschließlich um Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK. 18.-22. Mai "Volksschulung" im Rahmen einer Vortragsreihe in den Räumen des kurdischen Kommunikationszentrums in BerlinKreuzberg. Die von PKK-Funktionären moderierte Vortragsreihe wurde täglich von bis zu 200 Personen, bei denen es sich überwiegend um kurdische Jugendliche handelte, besucht. Die Schulung umriß thematisch die Entstehung und Geschichte der PKK und ihrer Kampfbzw. Propagandaorganisationen. 23. Mai Kulturveranstaltung der "Türkischen Kommunistischen Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) unter dem Motto "Gegen Rassismus, Chauvinismus und Nationalismus in der Türkei für türkisch-kurdische Brüderschaft" in der Alten Mensa der TU Berlin (Berlin-Charlottenburg) mit über 300 Teilnehmern. 5 -Anhang II: Chronologie - 278 Die Berliner Gliederung der PKK-Nebenorganisation "Verein Patriotischer Künstler Kurdistans in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (HUNERKOM) gestaltete überwiegend den Folkloreteil. 28/29. Mai Sachbeschädigung zum Nachteil des Vereins "DeutschKurdisch Kultur Zentrum (NAWCAKURD) in Berlin e. V." in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte Täter zerstörten zwei große Schilder, die auf diesen Verein und weitere in dem Gebäude befindliche kurdische Vereinigungen hinwiesen. Angehörige des Vereins vermuteten dahinter eine Aktion "faschistischer" Türken. Gegen diese wurden ungezielte Drohungen ausgestoßen. 29. Mai Protestaktion von etwa 15 bis 20 jugendlichen Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) im Nikolaiviertel (BerlinMitte). Während einer Wahlveranstaltung der F.D.P. anläßlich der Europawahlen am 12. Juni, an der u. a. Bundesaußenminister Dr. KINKEL teilnahm, zeigten die Demonstranten Transparente u. a. mit den Parolen "Keine Waffenlieferung in die Türkei", "Tquristenboykott für Reisen in die Türkei" und "Gestern Juden, heute Kurden". 4. Juni Protestaktion von über 30 Mitgliedern und Sympathisanten der linksextremistischen "Patriotischen Union Kurdistans" (PUK) vor dem Generalkonsulat der Islamischen Republik Iran in BerlinPrenzlauer Berg. Die Proteste richteten sich gegen die angebliche massive militärische Unterstützung der "Demokratischen Partei KurdistansIrak" (DPK-Irak) durch den Iran im kriegerischen Konflikt zwischen den Anhängern der beiden Organisationen im Irak. 4. Juni Demonstration von Anhängern des deutschen linksextremistischen Spektrums unter dem Motto "Solidarität mit dem kurdischen Volk" vom Fehrbelliner Platz (Berlin-Wilmersdorf) zum Breitscheidplatz (Berlin-Charlottenburg). 5 - Anhang II: Chronologie - 279 Unter den etwa 150 Teilnehmern befanden sich neben deutschen Autonomen auch bis zu 30 Anhänger der linksextremistischen "Türkischen Kommunistischen Partei / MarxistenLeninisten" (TKP/M-L). Auf der Abschlußkundgebung forderten die Sprecher die Bundesregierung auf, keine Waffen mehr in die Türkei zu liefern, da diese gegen das kurdische Volk eingesetzt würden. 11. Juni Konferenz zum Thema "Umweltschutz im Iran", veranstaltet von der Berliner Gliederung der islamisch-extremistischen "Iranischen Moslemischen Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V." (IMSV) im Mathematikgebäude der Technischen Universität (Berlin-Charlottenburg) mit etwa 100 Teilnehmern, darunter 50 IMSV-Sympathisanten. 12. Juni "Volksversammlung" in den Räumen des "Deutsch-Kurdisch Kultur Zentrum (NAWCAKURD) in Berlin e.V." in BerlinKreuzberg. Bei den ca. 400 anwesenden Personen handelte es sich um Mitglieder und Sympathisanten des Vereins und weiterer unter dieser Anschrift ansässiger kurdischer Vereinigungen sowie zahlreiche Gäste, darunter Frauen und Kinder. Ein führender PKK-Funktionär bezeichnete die Bundesregierung wegen der Ausbildung von türkischen Soldaten und der zahlreichen Waffenlieferungen an die Türkei als "Kriegspartei". 16./17. Juni Plakataktion von etwa 40 jugendlichen Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK in den Bezirken Wedding und Reinickendorf. Mit den Plakaten wurde zur Teilnahme an einer Großdemonstration am 25. Juni in Frankfurt am Main aufgerufen. Im Verlauf dieser Plakataktionen kam es zu einer Schlägerei mit jugendlichen Türken, die versuchten, die Plakate abzureißen. Die Polizei nahm in diesem Zusammenhang etwa 20 Personen vorläufig fest. 19. Juni Kulturveranstaltung der Berliner Zweigstelle der PKK-Nebenorganisation "Union der revolutionär-patriotischen Jugend Kur- 5 - Anhang II: Chronologie - 280 distans" (YCK) in einem Saal in Berlin-Wedding mit über 1 000 Teilnehmern. Ein Berliner PKK-Funktionär rief die Jugendlichen auf, in die Heimat zurückzukehren, um den bewaffneten Kampf der PKK in Kurdistan zu unterstützen. Der Redebeitrag wurde durch PKK-Parolen und Hochrufe auf ÖCALAN beendet. 25. Juni Mahnwache der Berliner Gliederung des linksextremistischen "KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan" auf dem Markt in der Spandauer Altstadt. An der Aktion nahmen etwa 10 Personen teil. Passanten wurden auf die derzeitige Situation in der Türkei hingewiesen und zum Tourismusboykott aufgefordert. 30. Juni Weitere Mahnwache der Berliner Gliederung des linksextremistischen "KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan" auf dem Leopoldplatz in Wedding mit wiederum 10 Aktivisten zum gleichen Thema. 3. Juli Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Jugendgruppe der extrem-nationalistischen "Türkischen Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) und kurdischen Jugendlichen, vermutlich Anhängern der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) am Kottbusser Tor (Berlin-Kreuzberg). Bei der Auseinandersetzung wurden von beiden Seiten Schlagwerkzeuge eingesetzt. Die Kontrahenten konnten von alarmierten Polizeikräften nur unter Schlagstockeinsatz getrenntwerden. 4. Juli Trauermarsch, initiiert von der der Berliner autonomen Szene zuzurechnenden Gruppe "Antirassistische Initiative", aus Anlaß des Todes des 16jährigen Kurden Halim DENER in Hannover. An dem Aufzug, der vom Breitscheidplatz zum Bayerischen Platz (Berlin-Schöneberg) führte, beteiligten sich 450, nach Angaben des Veranstalters bis zu 2 000 Personen. Unter den Teilnehmern befanden sich neben Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK auch zahlreiche Anhänger des deutschen linksextremistischen Spektrums, deut- 5 - Anhang II: Chronologie - 281 sehe Autonome sowie einige Anhänger der linksextremistischen "Türkischen Kommunistischen Partei / MarxistenLeninisten" (TKP/M-L). Nach Abschluß der Kundgebung kam es vor einem Eingang des U-Bahnhofs Bayerischer Platz zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen Polizeibeamten und deutschen Autonomen, die Steine und Dosen auf die Polizisten geworfen hatten. 9. Juli Zentraler Trauermarsch von PKK-Anhängern und Sympathisanten in Hannover aus Anlaß des Todes von Halim DENER. Nach Angaben der Polizei nahmen daran mehr als 16 000 Personen teil; der Veranstalter nannte eine Zahl von über 70 000. Aus Berlin waren etwa 1 500 Mitglieder und Sympathisanten der PKK in gemieteten Bussen und privaten Pkw angereist. Die Teilnehmer forderten u. a. die Aufhebung des PKKVerbots. Neben Bildern des PKK-Generalsekretärs Abdullah ÖCALAN wurden zahlreiche Fahnen und Symbole der verbotenen PKK und ERNK mitgeführt. 9./10. Juli Konferenz zum Thema "Das Kurdenproblem und die islamische Lösung" in einem Saal in Berlin-Kreuzberg. Die von Berliner PKK-Sympathisanten initiierte Veranstaltung wurde täglich von bis zu 400 Personen besucht. Während der Veranstaltung ergriffen u. a. Vertreter der verbotenen ERNK das Wort. In Redebeiträgen wurde die Auffassung vertreten, die Kurdenpolitik sei mit der islamischen Frage eng verknüpft. Eine Grußadresse des Generalsekretärs der PKK, Abdullah ÖCALAN, wurde per Tonband den Anwesenden vorgespielt. Im allgemeinen zeigte man sich enttäuscht darüber, daß trotz Einladung Vertreter islamisch-extremistischer Gruppen nicht zu der Veranstaltung erschienen waren. 14. Juli Veranstaltung zum "Tag der Märtyrer" in Räumlichkeiten des kurdischen Kommunikationszentrums in Berlin-Kreuzberg mit etwa 100 Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK unter Leitung eines Berliner PKK-Funktionärs. 5 - Anhang II: Chronologie - 282 22/23. Juli Brandanschläge auf das Vereinslokal des Fußballclubs "TÜRK EL SPOR e. V." in Berlin-Kreuzberg und einen türkischen Imbiß in Berlin-Wedding. In Kreuzberg wurden durch das Feuer sechs türkische Lokalgäste verletzt, davon drei schwer. Bei dem Anschlag im Wedding entstand lediglich geringer Sachschaden am Mobiliar. In Kreisen extrem-nationalistischer Türken wurden PKKAnhänger beschuldigt, diese Anschläge verübt zu haben. 27. Juli Polizeiliche Durchsuchung des kurdischen Kommunikationszentrums in Berlin-Kreuzberg. Anlaß der Aktion war der Verdacht auf Schutzgelderpressung für die PKK. Bei der Durchsuchung wurden diverse Unterlagen und Propagandamaterial der ERNK sichergestellt. Eine Person, die im Verdacht steht, an den Brandanschlägen kurdischer Jugendlicher auf türkische Einrichtungen in Berlin am 4. November 1993 beteiligt gewesen zu sein, wurde festgenommen. 28. Juli Pressekonferenz im kurdischen Kommunikationszentrum in Berlin-Kreuzberg aus Anlaß der polizeilichen Durchsuchungsaktion am Vortage. Vertreter der im Hause ansässigen kurdischen Vereinigungen äußerten ihren Unmut darüber, daß das gesamte Gebäude durchsucht worden sei. Sie warfen der Polizei vor, sie habe mit dieser Aktion beabsichtigt, die Kurden "einzuschüchtern" und sich nur einen Überblick über die neuen Räumlichkeiten verschaffen zu wollen. 31. Juli "Picknick" von etwa 300 Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK, darunter auch Familienangehörige, auf einer Grünfläche neben dem Haus der Kulturen der Welt (Berlin-Tiergarten). Ein führender Funktionär des Berliner Gebietskomitees der PKK schilderte die aktuelle Situation in "Türkisch-Kurdistan". Während seiner Rede wurden von den Teilnehmern wiederholt PKK-bezogene Parolen gerufen. 5 -Anhang II: Chronologie283 14. August "Kulturveranstaltung" der Berliner Gliederung der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in einem Festsaal in BerlinWedding aus Anlaß des 10. Jahrestages des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK (15. August 1984) in Kurdistan. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 1 000 Personen, fast ausschließlich Mitglieder und Sympathisanten der Berliner PKK-Gliederung. Im Verlauf der Veranstaltung meldeten sich einige kurdische Jugendliche spontan für den Einsatz zum Kampf in Kurdistan. 19. August Messerstecherei in einem türkischen Lokal in Berlin-Kreuzberg zwischen dem Inhaber und einem Angestellten des Lokals sowie vier Kurden. Die vier Kurden wollten die von der verbotenen PKK herausgegebene Zeitschrift "BERXWEDAN" und weitere kurdische Publikationen im Lokal zum Kauf anbieten. Als der türkische Wirt dies untersagte, kam es zu der tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Wirt niedergestochen wurde. 1. September Protestkundgebung der Berliner Gliederung des linksextremistischen "KOMKAR-Verbandes der Vereine aus Kurdistan" gegen die Kurdenpolitik der Türkei vor dem Generalkonsulat der Türkei in Berlin-Wilmersdorf mit über 30 Teilnehmern. 9. September Veranstaltung der "Türkischen Kommunistischen Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) aus Anlaß des 10. Todestages des im Pariser Exil verstorbenen türkischen Schauspielers und Regisseurs Yilmaz GÜNEY im Audimax der TU Berlin. Unter den etwa 1 400 Teilnehmern befanden sich zahlreiche Mitglieder und Anhänger verschiedener linksextremistischer Türken-Organisationen. Am Rande der Veranstaltung kam es kurzfristig zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der verfeindeten Flügel der verbotenen gewaltorientierten linksextremistischen türkischen Organisation "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke). 5 -Anhang II: Chronologie284 24. September "Halim DENER - 3. Internationales Kurdistan-Festival", initiiert von der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), in der niederländischen Stadt Landgraaf. An der Großveranstaltung nahmen etwa 50 000 Mitglieder und Sympathisanten der PKK, nach Angaben des Veranstalters über 100 000 Personen, teil. Aus Berlin waren ca. 1 300 Personen in gemieteten Bussen und privaten Pkw angereist. 25. September Kulturveranstaltung der extrem-nationalistischen "Türkischen Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) in einem Festsaal in Berlin-Neukölln mit etwa 1 400 Teilnehmern. Als Ehrengast nahm ein aus der Türkei angereister Abgeordneter der "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) an der Veranstaltung teil. 25. September Tätliche Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der extrem-nationalistischen Türkenvereine "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BUD) und der "Türkischen Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) vor und im Vereinssitz des BUD in Berlin-Wedding. Anlaß der Tätlichkeiten war der Anspruch beider Vereine, die Räumlichkeiten für ihre Aktivitäten zu nutzen. Anhänger der TÜB erschienen an diesem Tage zusammen mit einem Rechtsanwalt und Polizeibeamten vor dem Vereinssitz des BUD, um die rechtliche Situation klären zu lassen. j 7. Oktober "Wahlveranstaltung" der Berliner Gliederung des linksextremistischen "KOMKAR - Verband der Vereine aus Kurdistan" unter dem Motto "Wahlrecht für Ausländer" am Maybachufer/Kottbusser Brücke (Berlin-Kreuzberg). Die etwa 15 Teilnehmer verteilten an ausländische Passanten "Stimmzettel für die symbolische Wahl zum Bundestag in Berlin". 9. Oktober "Volksversammlung" der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in einem Saal in Berlin-Kreuzberg mit bis zu 400 Teilnehmern. 5 - Anhang II: Chronologie - 285 Ein führender Funktionär der Berliner Gliederung der PKK behauptete, die Türkei sei sowohl wirtschaftlich als auch politisch und militärisch am Ende und stehe unter internationalem Druck, so daß sie gezwungen sei, in absehbarer Zeit Verhandlungen mit der PKK aufzunehmen. Weitere Redner vertraten die Meinung, die Kurden in Europa führten ein angenehmes Leben und müßten von ihrem "Reichtum" etwas abgeben. In diesem Zusammenhang wurde verlangt, daß Geschäftsleute mindestens 5 000 DM und Arbeiter einen Monatslohn spenden müßten. 21. Oktober Demonstration von mehreren linksextremistischen türkischen Organisationen gegen "die Massaker des türkischen Staates in Dersim" (kurdische Bezeichnung für die Provinz Tunceli) vom Hermannplatz (Berlin-Neukölln) zum Kottbusser Tor (BerlinKreuzberg). Unter den nahezu 500 Teilnehmern befanden sich u. a. zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten der "Türkischen Kommunistischen Partei / Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) und der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP). In Redebeiträgen und auf Flugblättern wurde das türkische Militär beschuldigt, sich staatsterroristischer Methoden zu bedienen. Die deutsche Regierung mache sich an diesem "Gemetzel" mitschuldig, indem sie Waffen an die Türkei liefere. 22. Oktober Demonstration eines "Solidaritätskomitees Dersim" gegen "die Massaker des türkischen Staates in Dersim" vom Wittenbergplatz (Berlin-Schöneberg) zum Olivaer Platz (BerlinCharlottenburg). Daran nahmen etwa 1 000 Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) teil. Vor Beginn der Veranstaltung kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeibeamten, als diese Fahnen und Embleme der vom PKK-Verbot betroffenen internationalen Teilorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) beschlagnahmten. Einige Demonstrations- 5 - Anhang II: Chronologie - 286 teilnehmer bespritzten zwei Polizisten mit Benzin und versuchten sie anzuzünden. Im Verlauf des Aufzuges wurde ein Polizeibeamter in Zivil von Demonstrationsteilnehmem erkannt. Einige Demonstranten schlugen ihn nieder und versuchten, ihm seine Dienstwaffe zu entwenden. Dieses konnte durch das Eingreifen weiterer Polizeikräfte verhindert werden. 23. Oktober Informationsveranstaltung der Berliner Gliederung der PKK in einem Festsaal in Berlin-Tiergarten zum Thema "Massaker in Dersim" mit etwa 400 Teilnehmern. Die Veranstaltung wurde von einem führenden Funktionär der Berliner Gliederung der PKK geleitet Als Gastredner trat ein hochrangiger Vertreter der verbotenen "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) auf, der "die Massaker" der türkischen Armee an der dortigen Bevölkerung verurteilte. 23. Oktober Veranstaltung des sog. KARATAS-Flügels der türkischen Organisation "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) in einem Festsaal in Berlin-Kreuzberg mit über 200 Teilnehmern. Anlaß der Veranstaltung war die Bekanntgabe der Gründung einer Partei unter dem Namen "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C), die den "revolutionären Kampf" der in der Bundesrepublik Deutschland am 9. Februar 1983 verbotenen "Devrimci Sol" künftig fortsetzen soll. 30. Oktober Treffen von etwa 150 Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der PKK im kurdischen Kommunikationszentrum in Berlin-Kreuzberg. Ein Thema war die Festnahme des Europa-Sprechers der ERNK, Kani YILMAZ, am 26. Oktober in London. Das Handeln der britischen Behörden sei nur auf das Einwirken der türkischen Regierung zurückzuführen. 5. November Besuch des Generalsekretärs der extrem-nationalistischen "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V." (ADÜTDF) beim Berliner Mitgliedsverein "Turki- 5 - Anhang II: Chronologie - 287 sehe Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) in BerlinKreuzberg mit etwa 50 Teilnehmern. Der aus Frankfurt am Main angereiste Generalsekretär der ADÜTDF übte Kritik an der Führung des Berliner Vereins und beklagte mangelnde Spendenbereitschaft der Mitglieder. 6. November Festveranstaltung der Berliner Zweigstelle der PKK-Nebenorganisation "Union der revolutionär-patriotischen Jugend aus Kurdistan" (YCK) in der Alten Mensa der TU Berlin aus Anlaß des 7. Jahrestages der Gründung der YCK, an der bis zu 800 Personen teilnahmen. Einen breiten Raum nahm die Rede eines führenden Funktionärs der Berliner Gliederung der PKK ein. Er gab an, die Zahl der "Freiheitskämpfer" in Kurdistan würde sich im nächsten Jahr auf 50 000 erhöhen und hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung der kurdischen Jugend für den "Befreiungskampf" in "Türkisch-Kurdistan" besonders hervor. 13. November Veranstaltung der Berliner Gliederung der islamisch-extremistischen Türken-Organisation "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT) in Berlin-Mitte mit etwa 1 200 Teilnehmern. In seinem Redebeitrag forderte der europäische Jugendsekretär der AMGT die Anwesenden auf, den Islam nicht nur auf religiöser, sondern auch auf weltlicher Ebene zu verbreiten. Durch eine verstärkte Einbürgerung von Muslimen würden sich Einflußmöglichkeiten ergeben, den Islam auch in den westlichen Staaten zu verbreiten. Dabei setze man besonders auf die Jugend. 15. November Unangemeldete Protestkundgebung von über 40 Kurden vor der Außenstelle der britischen Botschaft in Berlin-Mitte. Der Protest richtete sich gegen die Festnahme des EuropaSprechers der internationalen PKK-Teilorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), Kani YILMAZ, am 26. Oktober in London und den Antrag des Generalbundesanwalts auf Auslieferung an die Bundesrepublik Deutschland. 5 - Anhang II: Chronologie - 288 Drei Demonstranten durften das Botschaftsgebäude betreten und eine Resolution übergeben. Die etwa halbstündige Aktion verlief ohne Zwischenfälle. 25. November Solidaritätsveranstaltung linksextremistischer türkischer Organisationen, darunter der "Devrimci Yol" (Revolutionärer Weg) in der Alten Mensa der TU Berlin für die "inhaftierten Antifaschisten". Daran nahmen bis zu 400 Personen, darunter etwa 40 Deutsche, teil. Ein Vertreter des "Devrimci Yol" rief die türkischen Jugendlichen auf, sich politisch zu engagieren, um dem Protest gegen die deutsche Politik Ausdruck zu verleihen. In diesem Zusammenhang erwähnte er u. a. die Waffenlieferungen der Bundesrepublik Deutschland an die Türkei. Dagegen gelte es zu protestieren, um den kurdischen "Befreiungskampf zumindest solidarisch zu unterstützen. 26. November Aktionen zum 1. Jahrestag des Verbots der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in Deutschland. In den Bezirken Spandau und Wedding wurden je eine Bombenattrappe zusammen mit Schriftmaterial aufgefunden. Das bei den Attrappen aufgefundene Schriftmaterial bezog sich auf das PKK-Verbot in der Bundesrepublik Deutschland. In den Bezirken Schöneberg und Kreuzberg wurden auf Fahrbahnen Autoreifen in Brand gesetzt. Für diese Aktionen liegen keine Täterhinweise vor, ein PKK-Bezug ist jedoch nicht auszuschließen. 27. November Festveranstaltung aus Anlaß des 16. Jahrestages der Gründung der PKK in der Alten Mensa der TU Berlin. An der von führenden Mitgliedern der Berliner Gliederung der PKK geleiteten Veranstaltung nahmen bis zu 1 500 Personen teil. Ein PKK-Aktivist bezeichnete das PKK-Verbot als eine ganz normale Sache, da das kurdische Volk seit Jahrhunderten unterdrückt werde; trotz des Verbots der PKK in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich sei es der Organisation 5 - Anhang II: Chronologie - 289 gelungen, den Kampf in Europa zu verstärken. Alle Kurden wurden aufgerufen, die PKK finanziell zu unterstützen. 3. Dezember Informationsveranstaltung der Berliner Gliederung der linksextremistischen türkischen Organisation "Devrimci Yol" (Revolutionärer Weg) im Mathematik-Gebäude der TU Berlin zum Thema "Menschenrechte in der Türkei". An der Veranstaltung nahmen etwa 150 Personen, darunter etwa 50 Mitglieder und Sympathisanten der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und etwa 30 Deutsche teil. Die Redebeiträge befaßten sich mit der Situation der Menschenrechte und der Gewerkschaften in der Türkei. 11. Dezember "Volksversammlung" in den Räumen des "Deutsch-Kurdisch Kultur Zentrum (NAWCAKURD) in Berlin e.V." in BerlinKreuzberg mit etwa 300 Teilnehmern. Die Veranstaltung wurde von einem führenden Funktionär der Berliner Gliederung der PKK geleitet. Im Zusammenhang mit der derzeit laufenden Spendenkampagne für die ARGK erklärte er, daß sich die Spendenbereitschaft der hier lebenden Kurden positiv verändert habe. Während man in den Vorjahren Spender mehrfach in ihren Wohnungen aufsuchen mußte, seien diesmal zahlreiche Spender freiwillig zu NAWCAKURD gekommen, um entsprechende Geldbeträge zu übergeben. 15. Dezember Protestaktion von vermutlichen Anhängern der linksextremistischen "Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) in Berlin-Kreuzberg. Etwa sechs unbekannt gebliebene Personen setzten auf der Fahrbahnmitte vier Autoreifen mittels eines Molotowcocktails in Brand. Auf Transparenten forderten sie die Freilassung des in Frankreich inhaftierten Führers der Organisation, Dursun KARATAS. 15. Dezember Vorübergehende Besetzung des Berliner Büros der französischen Nachrichtenagentur AFP in Berlin-Mitte durch etwa 30 5 - Anhang II: Chronologie - 290 Anhänger der "Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C). Die Besetzer gaben eine Erklärung ab, in der sie die Freilassung des Parteiführers Dursun KARATAS forderten. Die Besetzung endete ohne Zwischenfälle; die Presseagentur verzichtete auf einen Strafantrag. 16. Dezember Informationsveranstaltung der linksextremistischen "Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (DIDF) im "Haus der Kulturen der Welt" in Berlin-Tiergarten zum Thema "die Situation in der Türkei". Daran nahmen etwa 200 Personen teil. Eine aus der Türkei angereiste Rechtsanwältin prangerte die Vorgehensweise der türkischen Sicherheitsbehörden an. "Antifaschisten" und "Demokraten" würden auf offener Straße verhaftet, Nachfragen von Rechtsanwälten nach den Inhaftierten blieben meistens unbeantwortet. Von den Inhaftierten fehle in vielen Fällen für immer jedes Lebenszeichen. Diese Umstände deuteten darauf hin, daß "Konterguerillas" mit Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten. 17. Dezember Veranstaltung der Berliner Gliederung der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) im Audimax der TU Berlin aus Anlaß des 16. Jahrestages der Gründung der Partei (27. November 1978) statt. An der Veranstaltung nahmen bis zu 1 200 Berliner Mitglieder und Sympathisanten der Partei teil, darunter auch einige Deutsche. In seiner etwa einstündigen Rede gab der Gebietsleiter Nord der in der Bundesrepublik Deutschland vom PKK-Verbot betroffenen "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) einen historischen Überblick über die Entstehung der PKK. Dem türkischen Staat warf er Massenmorde und Massaker am kurdischen Volk vor. Auf die Friedensangebote der PKK habe die türkische Regierung mit neuen Gewalttaten reagiert. Als Beispiel nannte er die jüngsten Bombenanschläge auf die Büros der PKK-nahen Tageszeitung "Özgür Ulke" in Ankara und Istanbul, für die er den türkischen Staat verantwortlich machte. 5 -Anhang II: Chronologie - 291 Mit dem PKK-Verbot habe die Bundesregierung der türkischen Regierung einen besonderen Dienst erwiesen. Die PKK werde sich jedoch nicht von ihrem Weg abbringen lassen, Veranstaltung der Berliner Gliederung der terroristischen Palästinenserorganisation HAMAS in der Alten Mensa der TU Berlin, Unter den etwa 500 bis 700 Teilnehmern befanden sich auch einige Vertreter der "Hizb Allah". Als einziger Redner ergriff ein aus London angereister HAMASFunktionär das Wort. Einleitend erklärte er, alle Kämpfer schöpften aus dem Glauben an einen Sieg der islamischen Sache ihre Kraft. Mit Steinen und Messern habe der Widerstand begonnen, jetzt sprächen richtige Waffen. Die Intifada müsse unter allen Umständen fortgesetzt werden, auch wenn "ARAFAT und seine Bande" versuchten, sie zu schwächen. ARAFAT wolle eine Spaltung des palästinensischen Volkes. Großveranstaltung der Berliner Gliederung der islamischextremistischen Türken-Organisation "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT) im Audimax der TU Berlin zum Thema "Istanbul; gestern, heute und morgen" mit etwa 4 000 Teilnehmern. Der als Ehrengast der Veranstaltung angereiste Bürgermeister von Istanbul, Recep Tayyip ERDOGAN, behauptete in seiner Rede, ihm als Vertreter der "Wohlstandspartei" (RP) sei es zu verdanken, daß sich die Verhältnisse in Istanbul gebessert hätten. Dieser Erfolg sei einzig und allein auf die Umsetzung der gottgefälligen Politik der RP zurückzuführen. Ferner kritisierte er die "willkürliche" Berichterstattung über die RP sowie über seine Person in den türkischen Medien. Jahresabschlußveranstaltung der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in den Vereinsräumen des "Deutsch-Kurdisch Kulturzentrum NAWCAKURD in Berlin e. V." in Berlin-Kreuzberg. Etwa 300 Personen, Mitglieder und Sympathisanten mit ihren Familienangehörigen, nahmen daran teil. 5 - Anhang II: Chronologie - Ein führender Funktionär der Berliner Gliederung der ^~~^ hauptete in seiner Rede, daß die Türkei Staatsterrorismus treibe. Auf mehrmalige Friedensangebote der PKK habe s. stets mit militärischen Aktionen geantwortet. Das Jahr 1995 werde für das kurdische Volk entscheidend sein. Es werde das Jahr des Sieges und der Befreiung. Neben Grußadressen verschiedener PKK-Nebenorganisationen wurde eine Botschaft des PKK-Generalsekretärs Abdullah ÖCALAN verlesen. 6 - Anhang III: LfVG - 293 6 Anhang III Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 25. März 1995 Gesetzund Verordnungsblatt BERLIN Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin Herausgeber: Senatsverwaltung für Justiz 51. Jahrgang Nr. 20 Berlin, den 25. April 1995 A 3227 A Inhalt 25. 3.1995 Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) Gesetz Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) Aufgrund des Artikels III des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz und des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 22. November 1994 (GVBI. S. 462) wird nachstehend der Wortlaut des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) vom 26. Januar 1993 (GVBI. S. 33) in der vom 2. Dezember 1994 an geltenden Fassung bekanntgemacht. Berlin, den 25. März 1995 Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen 6 -Anhang III: LfVG - 296 Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) in der Fassung vom 25. März 1995 ERSTER ABSCHNITT Aufgaben und Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS1 Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. SS2 Organisation (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden ausschließlich vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Es wird als obere Landesbehörde geführt. (2) Aufsichtsbehörde ist der Regierende Bürgermeister von Berlin -Senatskanzlei-. (3) Der Regierende Bürgermeister wird in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes in der Regel durch den Chef der Senatskanzlei vertreten. (4) Auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters kann der Senat mit Zustimmung des Abgeordnetenhauses die Aufsicht auf eine andere Senatsverwaltung übertragen. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. SS3 Dienstkräfte Die Dienstkräfte des Landesamtes für Verfassungsschutz haben neben den allgemeinen Beamtenpflichten die sich aus dem Wesen des Verfassungsschutzes und ihrer dienstlichen Stellung ergebenden besonderen Pfichten. Sie haben sich jederzeit für den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin einzusetzen. Die Funktion des Amtsleiters soll nur einer Person übertragen werden, die die Befähigung zum Richteramt besitzt. 6 -Anhang III: LfVG297 SS4 Zusammenarbeit (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und Information sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen (wie z. B. das nachrichtendienstliche Informationssystem des Bundes und der Länder (NADIS) und die Schule für Verfassungsschutz). (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. SS5 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, den Senat von Berlin und andere zuständige staatliche Stellen über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu unterrichten. Dadurch soll diesen Stellen insbesondere ermöglicht werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen. (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt und wertet das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Daten, Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen aus über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen DDR im Geltungsbereich dieses Gesetzes. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 6 -Anhang III: LfVG298 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. bei sonstigen Überprüfungen, soweit dies im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder für Zwecke der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Näheres wird in einer durch die Aufsichtsbehörde zu erlassenden Verwaltungsvorschrift bestimmt. Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz an der Sicherheitsüberprüfung nach Absatz 3 Nr. 1 und 2 setzt im Einzelfall voraus, daß die zu überprüfende Person zugestimmt hat. In die Sicherheitsüberprüfung dürfen mit ihrer Zustimmung der Ehegatte, Verlobte oder die Person, die mit der betroffenen Person in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, miteinbezogen werden. SS6 Begriffsbestimmungen (1) Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 2 Nr. 1 und 3 sind politisch motivierte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen oder Betätigungen von Organisationen, Personenzusammenschlüssen ohne feste hierarchische Organisationsstrukturen (unorganisierte Gruppen) oder Einzelpersonen gegen die in SS 5 Abs. 2 bezeichneten Schutzgüter. Für eine Organisation oder einen Personenzusammenschluß ohne feste hierarchische Organisationsstruktur (unorganisierte Gruppe) handelt, wer sie in ihren Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einer oder für eine Organisation oder in einem oder für einen Personenzusammenschluß ohne feste hierarchische Organisationsstruktur (unorganisierte Gruppe) handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sind solche, die auf die Beseitigung oder Außerkraftsetzung wesentlicher Verfassungsgrundsätze abzielen. Hierzu gehören: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 6 -Anhang III: LfVG - 299 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Wülkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. (3) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1, Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche, die darauf gerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufz'uheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen, 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche, die darauf gerichtet sind, den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. (4) Auswärtige Belange im Sinne des SS 5 Abs. 2 Nr. 3 werden nur gefährdet, wenn innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes Gewalt ausgeübt oder durch Handlungen vorbereitet wird und diese sich gegen die politische Ordnung oder Einrichtungen anderer Staaten richten. SS7 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, darf das Landesamt für Verfassungsschutz bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben nach SS 5 Abs. 2 nur tätig werden, wenn im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht der dort genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. (2) Zur Erfüllung seiner Aufgaben darf das Landesamt für Verfassungsschutz nur die dazu erforderlichen Maßnahmen ergreifen; dies gilt insbesondere für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Informationen. Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige auszuwählen, die den einzelnen, insbesondere in seinen Grundrechten, und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme hat zu unterbleiben, wenn sie einen Nachteil herbeiführt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Sie ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. 6 -Anhang III: LfVG - 300 (3) Soweit in diesem Gesetz besondere Eingriffsbefugnisse das Vorliegen gewalttätiger Bestrebungen oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen voraussetzen, ist Gewalt die Anwendung körperlichen Zwanges gegen Personen oder eine nicht unerhebliche Einwirkung auf Sachen. SS8 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit die Bestimmungen dieses Gesetzes dies zulassen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nach Maßgabe dieses Gesetzes Methoden und Gegenstände einschließlich technischer Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie insbesondere den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. Diese sind in einer von der Aufsichtsbehörde zu erlassenden Verwaltungsvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffung regelt. Die Verwaltungsvorschrift ist dem Ausschuß für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin zur Kenntnis zu geben. Die Behörden des Landes sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz technische Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (3) Polizeiliche Befugnisse stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). SS9 Besondere Formen der Datenerhebung (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten mit den Mitteln gemäß SS 8 Abs. 2 erheben, wenn 1. sich ihr Einsatz gegen Organisationen, Personenzusammenschlüsse ohne feste hierarchische Organisationsstrukturen (unorganisierte Gruppen), in ihnen oder einzeln tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht der Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 bestehen, 2. auf diese Weise Erkenntnisse über gewalttätige Bestrebungen oder geheimdienstliche Tätigkeiten gewonnen werden können, 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforderlichen Quellen erschlossen werden können oder 6 -Anhang III: LtVG - 301 4. dies zum Schutz der Dienstkräfte, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln ausschließlich bei der Wahrnehmung der Aufgaben auf dem Gebiet der Spionageabwehr und des gewaltbereiten politischen Extremismus heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden. Eine solche Maßnahme ist nur zulässig, wenn sie im Einzelfall zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist, ein konkreter Verdacht in bezug auf eine Gefährdung der vorstehenden Rechtsgüter besteht und der Einsatz anderer Methoden und Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung keine Aussicht auf Erfolg bietet. Satz 1 und 2 gelten entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in Wohnungen. (3) Die Erhebung nach Absatz 1 und 2 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine Auskunft nach SS 27 gewonnen werden können. Die Anwendung eines Mittels gemäß SS 8 Abs. 2 soll erkennbar im Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Die Löschung kann unterbleiben, wenn die Informationen von anderen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall dürfen die Daten nicht verwertet werden. (4) Ein Eingriff, der in seiner Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommt, bedarf der Zustimmung des Regierenden Bürgermeisters, im Falle des SS 2 Abs. 4 des betreffenden Mitglieds des Senats, das im Verhinderungsfall durch den zuständigen Staatssekretär vertreten wird. (5) Bei Erhebungen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, insbesondere durch Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit dem verdeckten Einsatz technischer Mittel, sowie nach Absatz 2 ist der Eingriff nach seiner Beendigung der betroffenen Person mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks des Eingriffs ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn sich auch nach fünf Jahren noch nicht abschließend beurteilen läßt, ob 6 -Anhang III: LfVG - 302 diese Voraussetzung vorliegt. Die durch Maßnahmen im Sinne des Satzes 1 erhobenen Informationen dürfen nur nach Maßgabe des Artikels 1 SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 997), verwendet werden. Die auf Grund der Erhebungen nach Absatz 1 gespeicherten Informationen sind nach Maßgabe des SS 14 Abs. 2 zu löschen. SS10 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Aufklärung - von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder - von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, oder - von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, von öffentlichen Stellen geführte Register, z. B. Melderegister, Personalausweisregister, Paßregister; Führerscheinkarteien, Waffenscheinkarteien, einsehen. (2) Eine solche Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, und 2. die betroffene Person durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würde, und 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis der Einsichtnahme nicht entgegensteht. (3) Die Anordnung für die Maßnahme nach Absatz 1 trifft der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, im Falle der Verhinderung der Vertreter. (4) Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. Gespeicherte Informationen sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (5) Über die Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommene Stelle, die Namen der Betroffenen, deren Daten 6 -Anhang III: LfVG - 303 für eine weitere Verwendung erforderlich sind, sowie der Zeitpunkt der Einsichtnahme hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern und, soweit sie für die Aufgabenerfüllung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach SS 5 Abs. 2 nicht mehr benötigt werden, am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Erstellung folgt, zu vernichten. ZWEITER ABSCHNITT Datenverarbeitung SS11 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Informationen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben rechtmäßig erhobene personenbezogene Informationen speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 vorliegen oder 2. dies für die Erforschung oder Bewertung von gewalttätigen Bestrebungen oder geheimdienstlichen Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforderlich ist oder 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforderlich ist oder 4. es auf Ersuchen der zuständigen Stelle nach SS 5 Abs. 3 tätig wird. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 5 Abs. 3 dürfen in automatisierten Dateien nur personenbezogene Informationen über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. (3) In Dateien gespeicherte Informationen müssen durch Aktenrückhalt belegbar sein. (4) In Dateien ist die Speicherung von Informationen aus der Intimsphäre der betroffenen Person unzulässig. SS12 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Informationen von Minderjährigen Die Speicherung personenbezogener Informationen über Minderjährige, die das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben, ist unzulässig. 6 -Anhang III: LfVG - 304 SS13 Speicherungsdauer (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zubeschränken. Die in Dateien gespeicherten Informationen sind bei der Einzelfallbearbeitung, spätestens aber fünf Jahre nach Speicherung der letzten Information, auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Sofern die Informationen Bestrebungen nach SS 5 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 betreffen, sind sie spätestens zehn Jahre nach der zuletzt gespeicherten relevanten Information zu löschen. (2) Sind Informationen über Minderjährige in Dateien oder in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, gespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 5 Abs. 2 angefallen sind, die zur Erfüllung der Aufgaben im Sinne dieses Gesetzes eine Fortdauer der Speicherung rechtfertigen. SS14 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Informationen in Dateien (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Informationen zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt sein können. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten persönenbezogenen Informationen zu löschen, wenn ihre Speicherung irrtümlich erfolgt war, unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht beeinträchtigt werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Informationen zu sperren, wenn die Löschung unterbleibt, weil Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden; gesperrte Informationen sind entsprechend zu kennzeichnen und dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Person verwendet werden. (4) In Dateien gelöschte Informationen sind gesperrt. Unterlagen sind zu vernichten, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 nicht oder nicht mehr erforderlich sind, es sei denn, daß ihre Aufbewahrung zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person notwendig ist. Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterla- 6 -Anhang III: LfVG305 gen von anderen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können. (5) Personenbezogene Informationen, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke und zur Verfolgung der in der jeweiligen Fassung des Berliner Datenschutzgesetzes als Straftaten bezeichneten Handlungen verwendet werden. SS15 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Informationen in Akten (1) Stellt das Landesamt für Verfassungsschutz fest, daß in Akten gespeicherte personenbezogene Informationen unrichtig sind, oder wird ihre Richtigkeit von dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat personenbezogene Informationen in Akten zu sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, daß ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Informationen sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen. SS16 Dateianordnungen (1) Für jede automatisierte Datei beim Landesamt für Verfassungsschutz sind in einer Däteianordnung, die der Zustimmung der Aufsichtsbehörde bedarf, im Benehmen mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen der Speicherungen, Übermittlung und Nutzung (betroffener Personenkreis, Arten der Daten), 4. Eingabeberechtigung, 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, 7. Protokollierung, 8. Datenverarbeitungsgeräte und Betriebssystem, 9. Inhalt und Umfang von Textzusätzen, die der Erschließung von Akten dienen. 6 -Anhang III: LfVG - 306 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. SS17 Gemeinsame Dateien Bundesgesetzliche Vorschriften über die Datenverarbeitung in gemeinsamen Dateien der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bleiben unberührt. DRITTER ABSCHNITT Informationsübermittlung SS18 Grundsätze bei der Informationsübermittlung durch das Landesamt für Verfassungsschutz Die Übermittlung von personenbezogenen Informationen ist aktenkundig zu machen. In der entsprechenden Datei ist die Informationsübermittlung zu vermerken. Vor der Informationsübermittlung ist der Akteninhalt im Hinblick auf den Übermittlungszweck zu würdigen und der Informationsübermittlung zugrunde zu legen. Erkennbar unvollständige Informationen sind vor der Übermittlung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit durch Einholung zusätzlicher Auskünfte zu vervollständigen. SS19 Informationsübermittlung zwischen den Verfassungsschutzbehörden Das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden der Länder über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. SS20 Informationsübermittlung an den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. Handelt das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen, 6 -Anhang III: LfVG - 307 so ist es zur Übermittlung nur verpflichtet und berechtigt, wenn sich die Voraussetzungen aus den Angaben der ersuchenden Behörde ergeben. SS21 Informationsübermittlung an Strafverfolgungsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeibehörden des Landes die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten, die im Zusammenhang mit Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 stehen, erforderlich ist. SS22 Übermittlung von Informationen an den öffentlichen Bereich (1) Die im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerfüllung gewonnenen, nicht personenbezogenen Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz können an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermittelt werden, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der empfangenden Stellen erforderlich sein können. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Informationen an inländische Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Informationen zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 benötigt oder nach SS 5 Abs. 3 tätig wird. (3) Die empfangende Stelle von Informationen nach Absatz 2 ist darauf hinzuweisen, daß sie die übermittelten personenbezogenen Informationen nur zu dem Zweck verwenden darf, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt wurden. SS23 Übermittlung von Informationen an Personen und Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs Personenbezogene Informationen dürfen an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderNch ist und der Regierende Bürgermeister, im Fall des SS 2 Abs. 4 das betreffende Mitglied des Senats, das im Verhinderungsfall durch den zuständigen Staatssekretär vertreten wird, im Einzelfall seine Zustimmung erteilt hat. Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über die Auskunft nach Satz 1 6 -Anhang III: LfVG - 308 einen Nachweis, aus dem der Zweck der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten. Der Empfänger darf die übermittelten personenbezogenen Informationen nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Informationen zu bitten. SS24 Übermittlung von Informationen an die Stationierungstreitkräfte Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Informationen an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte übermitteln, soweit die Bundesrepublik Deutschland dazu im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikpaktes über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183) verpflichtet ist. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Informationen nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS25 Übermittlung von Informationen an öffentliche Stellen außerhalb des Geitungsbereichs des Grundgesetzes Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Informationen an ausländische öffentliche Stellen sowie an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen. Die Übermittlung ist nur im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz zulässig. Sie ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten personenbezogenen Informationen nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden, und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Informationen zu bitten. 6 -Anhang III: LfVG - 309 SS26 Unterrichtung der Öffentlichkeit Die Aufsichtsbehörde und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2. Dabei ist die Übermittlung von personenbezogenen Informationen nur zulässig, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit an sachgemäßen Informationen das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. SS27 Übermittlung von Informationen an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes und die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts übermitteln von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen bekanntgewordenen Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, über Bestrebungen nach SS 5 Abs. 2, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, und über geheimdienstliche Tätigkeiten. Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus auch andere im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekanntgewordene Informationen über Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 2. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann von jeder der in Absatz 1 genannten öffentlichen Stellen verlangen, daß sie ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermittelt, wenn die Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur durch eine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Es dürfen nur die Informationen übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde bereits bekannt sind. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Person dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (4) Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund einer Maßnahme nach SS100a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Satz 1 übermittelten Informationen findet der Absatz 3, auf die dazugehörenden Unterlagen findet 6 -Anhang III: LfVG - 310 der Absatz 4 des SS 7 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. (5) Vorschriften zur Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz nach anderen Gesetzen bleiben unberührt. (6) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen nach ihrem Eingang unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner in SS 5 genannten Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall sind die Informationen gesperrt und entsprechend zu kennzeichnen. (7) Soweit andere gesetzliche Vorschriften nicht besondere Regelungen über die Dokumentation treffen, haben das Landesamt für Verfassungsschutz und die übermittelnde Stelle die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen. SS28 Übermittlungsverbote Die Übermittlung von Informationen nach den Vorschriften dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, daß die Informationen zu löschen oder für die empfangende Stelle nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen oder 4. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS29 Minderjährigenschutz (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 13 Abs. 2 erfüllt sind. 6 -Anhang III: LfVG311 (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS30 Nachberichtspflicht Erweisen sich Informationen nach ihrer Übermittlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so hat die übermittelnde Stelle ihre Informationen unverzüglich gegenüber der empfangenden Stelle zu ergänzen oder zu berichtigen, wenn dies zu einer anderen Bewertung der Informationen führen könnte oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person erforderlich ist. Die Ergänzung oder Berichtigung ist aktenkundig zu machen und in den entsprechenden Dateien zu vermerken. VIERTER ABSCHNITT Auskunftserteilung SS31 Auskunft an den Betroffenen (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt einer natürlichen Person über die zu ihr gespeicherten Informationen auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit die Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf Informationen, die nicht der alleinigen Verfügungsberechtigung des Landesamtes für Verfassungsschutz unterliegen, sowie auf die Herkunft der Informationen und die Empfänger von Übermittlungen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf den Antrag ablehnen, wenn das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung seiner Tätigkeit oder ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse Dritter gegenüber dem Interesse der antragstellenden Person an der Auskunftserteilung überwiegt. In einem solchen Fall hat das Landesamt für Verfassungsschutz zu prüfen, ob und inwieweit eine Teilauskunft möglich ist. Ein Geheimhaltungsinteresse liegt vor, wenn 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweisen des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, / 6 -Anhang III: LfVG - 312 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Informationen oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter, geheimgehalten werden müssen. Die Entscheidung nach Satz 1 und 2 trifft der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Ablehnung einer Auskunft ist zumindest insoweit zu begründen, daß eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung der Verweigerungsgründe gewährleistet wird, ohne dabei den Zweck der Auskunftsverweigerung zu gefährden. Die Gründe der Ablehnung sind in jedem Fall aktenkundig zu machen. (4) Wird die Auskunftserteilung ganz oder teilweise abgelehnt, ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, daß sie sich an den Berliner Datenschutzbeauftragten wenden kann. Dem Berliner Datenschutzbeauftragten ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht der Regierende Bürgermeister, im Fall des SS 2 Abs. 4 das betreffende Mitglied des Senats, im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Berliner Datenschutzbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des Landesamtes für Verfassungsschutz zulassen, soweit es nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Der Kontrolle durch den Berliner Datenschutzbeauftragten unterliegen nicht personenbezogene Informationen, die der Kontrolle durch die Kommission nach SS 2 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 16. Juli 1991 (GVBl. S. 172) unterliegen, es sei denn, die Kommission ersucht den Berliner Datenschutzbeauftragten, die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten Bereichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr darüber zu berichten. SS32 Akteneinsicht (1) Sind personenbezogene Daten in Akten gespeichert, so kann dem Betroffenen auf Antrag Akteneinsicht gewährt werden, soweit Geheimhaltungsinteressen oder schutzwürdige Belange Dritter nicht entgegenstehen. SS 31 gilt entsprechend. (2) Die Einsichtnahme in Akten oder Aktenteile ist insbesondere dann zu versagen, wenn die Daten des Betroffenen mit Daten Dritter oder geheimhaltungsbedürftigen sonstigen Informationen derart verbunden sind, daß ihre Trennung auch durch Vervielfältigung und Unkenntlichmachung nicht oder nur mit unverhält- 6 -Anhang III: LtVG313 nismäßig großem Aufwand möglich ist. In diesem Fall ist dem Betroffenen zusammenfassende Auskunft über den Akteninhalt zu erteilen. FÜNFTER ABSCHNITT Parlamentarische Kontrolle SS33 Ausschuß für Verfassungsschutz (1) In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes unterliegt der Senat von Berlin der Kontrolle durch den Ausschuß für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin. Die Rechte des Abgeordnetenhauses und seiner anderen Ausschüsse bleiben unberührt. (2) Der Ausschuß für Verfassungsschutz besteht in der Regel aus höchstens zehn Mitgliedern. Die Fraktionen wählen die auf sie entfallenden Mitglieder und machen sie dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin namhaft. Die Fraktionen werden nach ihrer Mitgliederzahl beteiligt, wobei jede Fraktion mindestens durch ein Mitglied vertreten sein muß. Eine Erhöhung der im Satz 1 bestimmten Mitgliederzahl ist nur zulässig, soweit sie zur Beteiligung aller Fraktionen notwendig ist. (3) Scheidet ein Mitglied aus dem Abgeordnetenhaus oder seiner Fraktion aus, so verliert es die Mitgliedschaft im Ausschuß für Verfassungsschutz. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu benennen, das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Ausschuß ausscheidet. SS34 Geheimhaltung Die Öffentlichkeit wird durch einen Beschluß des Ausschusses ausgeschlossen, wenn das öffentliche Interesse oder berechtigte Interessen eines einzelnen dies gebieten. Sofern die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, sind die Mitglieder des Ausschusses zur Verschwiegenheit über Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen dabei bekanntgeworden sind. Das gleiche gilt auch für die Zeit nach dem Ausscheiden' aus dem Ausschuß. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit kann von dem Ausschuß aufgehoben werden, soweit nicht berechtigte Interessen eines einzelnen entgegenstehen oder der Senat widerspricht; in diesem Fall legt der Senat dem Ausschuß seine Gründe dar. 6 -Anhang III: LfVG314 SS35 Aufgaben und Befugnisse des Ausschusses (1) Der Senat hat den Ausschuß umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten; er berichtet auch über den Erlaß von Verwaltungsvorschriften. Der Ausschuß hat Anspruch auf Unterrichtung. (2) Der Ausschuß hat auf Antrag mindestens eines seiner Mitglieder das Recht ' auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von deren Dienstkräften. Die Befugnisse des Ausschusses nach Satz 1 erstrecken sich nur auf Gegenstände, die der alleinigen Verfügungsberechtigung des Landesamtes für Verfassungsschutz unterliegen. (3) Der Senat kann die Unterrichtung über einzelne Vorgänge verweigern und bestimmten Kontrollbegehren widersprechen, wenn dies erforderlich ist, um vom Bund oder einem deutschen Land Nachteile abzuwenden; er hat dies vor dem Ausschuß zu begründen. (4) Das Abgeordnetenhaus kann den Ausschuß für einen bestimmten Untersuchungsgegenstand als Untersuchungsausschuß (Artikel 33 der Verfassung von Berlin) einsetzen. SS 3 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 22. Juni 1970 (GVBI. S. 925), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juni 1991 (GVBI. S. 154), findet keine Anwendung. (5) Für den Ausschuß gelten im übrigen die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin. SECHSTER ABSCHNITT Schlußvorschriften SS36 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes eingeschränkt werden. SS37 Anwendbarkeit des Berliner Datenschutzgesetzes i Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 durch das Landesamt für Verfassungsschutz finden die SSSS 10 bis 17 und 19 Abs. 2 bis 4 des Berliner Datenschutzgesetzes in der Fassung vom 17. Dezember 1990 (GVBI. 1991 S. 16, 54), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Oktober 1992 (GVBI. S. 314), keine Anwendung. 6 -Anhang III: LtVG315 SS38 Inkrafttreten, Außerkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am-Tage nach der Verkündung im Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz in der Fassung vom 31. Juli 1989 (GVBI. S. 1545) außer Kraft. 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 317 Abkürzungsverzeichnis Personenund Organisationsregister 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 319 7.1 Abkürzungsverzeichnis AA/BO Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation AB Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD AIW Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia SHEHADAH AMGT Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V. ANF Föderation für eine allgemeingültige, gottgefällige Ordnung in Europa ANO Abu-Nidal-Organisation ANS Aktionsfront Nationale Sozialisten AOK Anti-Olympia-Komitee ARGK Volksbefreiungsarmee Kurdistans ASW Arbeitskreis für Sicherheit in der Wirtschaft ATIF Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. B BBP Partei der Großen Einheit BSA Bund Sozialistischer Arbeiter BUD Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V. BWK Bund Westdeutscher Kommunisten DA Deutsche Alternative 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 320 DABK Ostanatolisches Gebietskomitee DFLP Demokratische Front für die Befreiung Palästinas DHKP/-C Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front DIDF Föderation der Demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in Bundesrepublik Deutschland e. V. DJI Deutsche Jugendinitiative Berlin DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DN Deutsche Nationalisten DPK-Irak Demokratische Partei Kurdistans-Irak DRP Deutsche Reichspartei dup Der Umzug platzt DVU Deutsche Volksunion DVU e. V. Deutsche Volksunion e. V. ERNK Nationale Befreiungsfront Kurdistans FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei FAPSI Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information F.e.l.S. Für eine linke Strömung FEYKAFöderation der patriotischen Arbeiterund Kulturver Kurdistan einigungen aus der Bundesrepublik Deutschland e. V. FRVS Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 321 FSB Föderaler Dienst für Sicherheit GNN Gesellschaften für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung mbH GRU Russischer militärischer Auslandsaufklärungsdienst GS Gruppe Spartakus H HAMAS Islamische Widerstandsbewegung HJ Hitler-Jugend HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. HVA Hauptverwaltung Aufklärung IBP Islamischer Bund Palästina ICCB Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V. Köln IGD Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. IKL Internationale Kommunistische Liga (Vierte Internationalisten) IMSV Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. IPO Islamische Propaganda-Organisation IS Internationale Sozialisten ISA Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 322 JF Direkte Aktion/Mitteldeutschland JKGB Jugendund Kulturgemeinschaft Berlin e. V. JN Junge Nationaldemokraten K KBW Kommunistischer Bund Westdeutschland KFI Kurdistan-Front Irak KfsV Komitee für soziale Verteidigung KGB Komitee für Staatssicherheit KGK KLASSE GEGEN KLASSE KKK Ku-Klux-Klan KOMKAR KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPD/M-L Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KPF Kommunistische Plattform M MB Moslembruderschaft MfS Ministerium für Staatssicherheit MG Marxistische Gruppe MHP Partei der Nationalistischen Bewegung 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 323 MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands MOIS . Ministerium für Information und Sicherheit MSP Nationale Heilspartei NA Berlin Nationale Alternative Berlin NF Nationalistische Front NO Nationale Offensive NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSDAP-AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran p I PAA Partei der Arbeit Albaniens PCP Kommunistische Partei Perus PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PFLP Volksfront für die Befreiung Palästinas PFLP-GC Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando PIJ Palästinensischer Islamischer Jihad PKK Arbeiterpartei Kurdistans PLO Palästinensische Befreiungsorganisation PMOI Organisation derVolksmojahedin Iran 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 324 PUK Patriotische Union Kurdistan RAF Rote Armee Fraktion REP Die Republikaner RH Rote Hilfe e. V. RIM Revolutionär/ Internationalist Movement RK Revolutionäre Kommunisten (BRD) RP Wohlstandspartei RZ Revolutionäre Zellen SAG Sozialistische Arbeitergruppe SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SEW Sozialistische Einheitspartei Westberlins Sl Sozialistische Initiative SpAD Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands SWP Socialist Workers Party SWR Russischer ziviler Auslandsaufklärungsdienst TDKP Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 325 TID Verein der Arbeiter aus der Türkei in Berlin e. V. TKP/M-L Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten TÜB Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin U.I.S.A. Union Islamischer Studentenvereine in Europa VAA Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie VFK Völkischer Freundeskreis Berlin VIDA Verein Iranischer Demokratischer Akademiker e. V. - Bundesrepublik Deutschland VSP Vereinigte Sozialistische Partei WBDJ Weltbund der demokratischen Jugend WJ Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e V. YEK-KOM Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland * 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 327 7.2 Personenund Organisationsregister Antiimperialistische Zelle 26; 61 Anti-Nazi-Bündnis-Berlin 72 Anti-Nazi-League 72 AA/BO 49; 56 Siehe Antifaschistische Anti-Olympia-Komitee 41 Aktion/Bundesweite Organisation AOK 41 Siehe Anti-Olympia-Komitee AB 66 Siehe Arbeiterbund für den APFEL, Holger 112 Wiederaufbau der KPD ARAFAT, Yassir 149; 151; 153 ABU-NIDAL-Organisation 151; 153 Arbeiterbund für den Wiederaufbau AG Autonome Gruppen in und bei der der KPD 66 PDS 54 Arbeiterpartei Kurdistans 125; 126; AG Junge Genossinnen in und bei der 130 PDS 54 Arbeitskreis für Sicherheit in der WirtAIW 61 Siehe Antiimperialistische schaft 176 Widerstandszelle Nadia SHEHADAH ARGK 131 Siehe VolksbefreiungsarAIZ 26; 61; 62; 64; 65 Siehe Antiimmee Kurdistans perialistische Zelle ARKAN-Tiger 160 Aktionsfront Nationale Sozialisten 119 Asgard-Bund e. V./Wotans Volk 89; AL BANNA, Hassan Sabri 146; 153 91 AMGT 143; 144 Siehe Vereinigung ASW 176 Siehe Arbeitskreis für Sider neuen Weltsicht in Europa e. V. cherheit in der Wirtschaft ANF 143 Siehe Föderation für eine ATIF 138 Siehe Föderation der Arallgemeingültige, gottgefällige Ordbeiter aus der Türkei in Deutschland nung in Europa e.V. ANO 151; 153 Siehe ABU-NIDALAutonome 25; 26; 27; 30; 31; 32; 33; Organisation 34; 35; 36; 39; 40; 44; 46; 48; 49; ANS 119 Siehe Aktionsfront Natio51; 52; 54; 55; 56; 59; 60; 63; 72; nale Sozialisten 73; 74; 75; 76; 79; 80; 122; 134; 141 Antifa Berlin 51 Autonome Antifa (M) 49 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Autonome Gruppen in und bei der Organisation 49; 56 PDS 54 Antifaschistische Jugend 141 Antifasist Genclik 138; 141 Antifasist Genclik-Komitee 46 Antiimperialistische Widerstandszelle BBP 142; 143 Siehe Partei der GroNadia SHEHADAH 61 ßen Einheit 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 328 Berlin-Brandenburger 112 Deutsche Volksunion 110,115 Berliner Kulturgemeinschaft Preußen Deutsche Volksunion e.V. 110 e.V. 116; 117; 118; 124 Deutsch-Kroatisch-Slowenischer VerBSA 67 Siehe Bund Sozialistischer ein zu Berlin-Brandenburg e. V. 159 Arbeiter Deutsch-Kurdisches Kultur Zentrum BUD 142; 143 Siehe Großer Idealer (NAWCAKURD) in Berlin e. V. 131 Kreis - Türkischer Kulturverein e. V. Devrimci Sol 138; 139; 140; 145 Bund Sozialistischer Arbeiter 67 DevrimciYol 138 Bund Westdeutscher Kommunisten DFLP 151; 152 Siehe Demokratische 67 Front für die Befreiung Palästinas BURMEISTER, Lars 92; 93 DHKP/-C 140; 145 Siehe RevolutioBUSSE, Friedhelm 94 näre Volksbefreiungspartei/-front BWK 67; 68 Siehe Bund WestdeutDIDF 139 Siehe Föderation der Descher Kommunisten mokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V. Die Nationalen e. V. 96; 110; 112; 113 DA 89; 91; 95; 96 Siehe Deutsche Die Republikaner 51; 85; 86; 87; 109; Alternative 110; 113 DABK 145 Siehe Ostanatolisches Die Tschetniks 160 Gebietskomitee Direkte Aktion/Mitteldeutschland 89; Demokratische Front für die Befreiung 91 Palästinas 151; 152 DJI 89; 91 Siehe Deutsche JugendiDemokratische Partei Kurdistans-Irak nitiative Berlin 130 DKP 66; 68; 69; 72; 73 Siehe DeutDENER, Halim 134; 135 sche Kommunistische Partei Denkzettel 112 DLVH 25; 44; 110; 112 Siehe DeutDer Einblick 98; 99 sche Liga für Volk und Heimat Der Umzug platzt 41 DN 89; 91; 95; 96 Siehe Deutsche Deutsche Alternative 89; 95; 96 Nationalisten Deutsche Jugendinitiative Berlin 89; DPK-Irak 130 Siehe Demokratische 91 Partei Kurdistans-Irak Deutsche Kommunistische Partei 66; DRP 111 Siehe Deutsche 68 Reichspartei Deutsche Liga für Volk und Heimat dup 41 Siehe Der Umzug platzt 25; 37; 44; 47; 110; 112; 141 DVU 109; 110; 111; 115; 116 Siehe Deutsche Nationalisten 89; 91; 95 Deutsche Volksunion Deutsche Reichspartei 111 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 329 DVU e.V. 110 Siehe Deutsche Föderation Kurdischer Vereine in Volksunion e. V. Deutschland 131 Freiheit 93 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei 89; 91; 92; 120 Edelweiß-Piraten 72; 73 Freundeskreis Revolutionärer VolksENGELS, Friedrich 71; 72; 73 sozialisten 89; 91 ERBAKAN, Necmettin 143; 144 FREY, Gerhard 110; 111; 115; 116 ERNK 131; 132; 133; 134; 135; 136 FRVS 89; 91 Siehe Freundeskreis Siehe Nationale Befreiungsfront Revolutionärer Volkssozialisten Kurdistans FSB 168 Siehe Föderaler Dienst für Ezz Al-Din Al-Kassem-Brigade 148 Sicherheit Für eine linke Strömung 46; 49 F.e.l.S. 46; 49 Siehe Für eine linke I deg " Strömung Gesellschaften für NachrichtenerfasFAP 89; 91; 92; 93; 94; 96; 112; 113; sung und Nachrichtenverbreitung 120 Siehe Freiheitliche Deutsche mbH 68 Arbeiterpartei GESTRICH, Susan 117 FAPSI 168 Siehe Föderale Agentur GHODS-Streitkräfte 172 für Regierungsverbindung und InGNN 68 Siehe Gesellschaften für formation Nachrichtenerfassung und NachFATAH 150; 151; 153 richtenverbreitung mbH FATAH-Revolutionsrat 153 GRAMS, Andreas 57 FEYKA-Kurdistan 131 Großer Idealer Kreis - Türkischer KulFöderale Agentur für Regierungsverturverein Berlin e. V. 142 bindung und Information 168 GRU 167; 168 Siehe Russischer miFöderaler Dienst für Sicherheit 168 litärischer AuslandsaufklärungsFöderation der Arbeiter aus der Türkei dienst in Deutschland e. V. 138 Gruppe Avanti 67 Föderation der Demokratischen ArGruppe Spartakus 67 beitervereine aus der Türkei in der Gruppe K 66 Bundesrepublik Deutschland e. V. GS 67 Siehe Gruppe Spartakus 139 GUZMAN, Abimael 72 Föderation für eine allgemeingültige, gottgefällige Ordnung in Europa 143 I 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 330 H IKL 73 Siehe Internationale Kommunistische Liga (Vierte InternationaliHABBASH, George 152 sten) HAMAS 146; 147; 148; 149; 150; 151; IMSV 157; 158 Siehe Iranische Mos152 Siehe Islamische Widerstandslemische Studenten-Vereinigung bewegung Bundesrepublik Deutschland e. V. Hammer-Skins 103 Informationsblatt der FAP für MittelHauptverwaltung Aufklärung 170 deutschland - Aufbruch 92 HAUSMANN, Alexander 116 Infotelefon 33 HAWATMEH, Nayef 152 INTERIM 40; 41; 45; 76; 79 HAWATMEH-Flügel 151 Internationale Kommunistische Liga HEß, Rudolf 35; 48; 92; 121 (Vierte Internationalisten) 73 Hilfsorganisation für nationale politiInternationale Sozialisten 72 sche Gefangene und deren AngehöInternationale Sozialistische Arbeiterrige e. V. 91; 93; 124 organisation 67 HITLER, Adolf 46; 48; 124 IPO 156; 157 Siehe Islamische ProHitler-Jugend 117 paganda-Organisation Hizb Allah 149; 151; 153; 154; 156 Iranische Moslemische StudentenHJ 117 Siehe Hitler-Jugend Vereinigung Bundesrepublik HNG 91; 93; 94; 124 Siehe HilfsorDeutschland e. V 157; 158 ganisation für nationale politische IS 72 Siehe Internationale Sozialisten Gefangene und deren Angehörige e. ISA 67 Siehe Internationale SozialiV. stische Arbeiterorganisation HNG-Nachrichten 94 Islamische Avantgarden 146 HOGEFELD, Birgit 57; 58; 60; 65 Islamische Föderation in Berlin 147 HÜTTL, Wolfgang 116 Islamische Gemeinschaft in DeutschHVA 170 Siehe Hauptverwaltung land e. V. 146 Aufklärung Islamische Gruppe 154 Islamische Propaganda-Organisation I 156 Islamische Widerstandsbewegung IBP 148 Siehe Islamischer Bund Pa147; 151 lästina Islamischer Bund Palästina 148 ICCB 144 Siehe Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V. Köln IGD 146 Siehe Islamische Gemein- J 2 173 schaft in Deutschland e. V. 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 331 JF 89; 91 Siehe Direkte AktiKommunistische Partei Deutschlands on/Mitteldeutschland 66; 68; 69 JIBRIL, Ahmed 152; 153 Kommunistische Partei DeutschJKGB 139 Siehe Jugendund Kulturlands/Marxisten-Leninisten 66 gemeinschaft Berlin e. V. Kommunistische Partei Perus 71 JN 112 Siehe Junge NationaldemoKommunistische Plattform 69 kraten Kommunistischer Bund WestdeutschJugendund Kulturgemeinschaft Berlin land 67 e.V. 139 KPD 66; 68; 69; 70 Siehe KommuniJunge Nationaldemokraten 112 stische Partei Deutschlands Junge Welt 57 KPD/M-L 66 Siehe Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten- I K I Leninisten KPdSU 65; 73 KABUS, Thilo 111 KPF 69 Siehe Kommunistische KAINDL, Gerhard 25; 37; 44; 45; 46; Plattform 47; 48; 59; 141 KRAUSE, Rudolf 116 KAPLAN, Cemaleddin 144 Kroatische Demokratische Union e. V. KARATAS, Dursun 140; 145 159 KARATAS-Flügel 139; 140 Ku-Klux-Klan 105 KBW 67 Siehe Kommunistischer Kurdisches Kulturzentrum BOTAN in Bund Westdeutschland Berlin e.V. 132 KFI 130 Siehe Kurdistan-Front Irak Kurdistan-Front Irak 130 KfsV 73 Siehe Komitee für soziale Verteidigung KGB 167; 168; 170 KGK 26; 32; 35; 78 Siehe KLASSE LADYGIN, Fedor 167 GEGEN KLASSE LAUCK, Gary Rex 94 K-Gruppen 66 LENIN, Wladimir I. 71; 72; 73 KHOMEINI 156 KKK 105 Siehe Ku-Klux-Klan M KLASSE GEGEN KLASSE 26; 32; 33; 35; 74; 75; 76; 77; 78; 79; 80; 81 MaoZEDONG 71; 72 Komitee für soziale Verteidigung 73 MARX, Karl 71; 72; 73 KOMKAR 130 Siehe KOMKARMarxistische Gruppe 70 Verband der Vereine aus Kurdistan Marxistisch-Leninistische Partei KOMKAR-Verband der Vereine aus Deutschlands 71 Kurdistan 130 MB 146 Siehe Muslimbruderschaft 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 332 Mehmet Akif Moschee e. V. 144 Nationaler Widerstandsrat Iran 157; MfS 170; 178; 179 Siehe Ministerium 158 für Staatssicherheit Nationales Info-Telefon Berlin 122 MG 70 Siehe Marxistische Gruppe Nationalistische Front 89 MHP 141; 142 Siehe Partei der NaNationalsozialistische Deutsche Artionalistischen Bewegung beiterpartei 92 Milli's Tanz auf dem Eis 64 Nationalsozialistische Deutsche ArMinisterium für Information und Sibeiterpartei - Auslandsund Aufbaucherheit 172 organisation 91; 93 Ministerium für Staatssicherheit 178 Nationalsozialistische Deutsche ArMLPD 71 Siehe Marxistischbeiterpartei - Auslandsund Aufbauleninistische Partei Deutschlands organisation 94 MOIS 172 Siehe Ministerium für InNatur Schutz=Denkzettel 92; 93; 99 formation und Sicherheit NAWCAKURD 131 Mojahed 158 Neonazikreis um Curt Müller 91 MÖLLER, Irmgard 59; 60 Neues Deutschland 77 - MSP 143 Siehe Nationale Heilspartei NF 89; 91; 118 Siehe Nationalistische MÜLLER, Curt und Ursula 124 Front MÜLLER, Ursula 124 NIDAL, Abu 153 MÜLLER, Werner 113; 114 NO 89; 91 Siehe Nationale Offensive Muslimbruderschaft 146; 147; 148 NPD 109; 110; 111 Siehe NationalMuslimen Treffund Kulturzentrum demokratische Partei Deutschlands e.V. 144 NSDAP 92 Siehe Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ll N l| NSDAP-AO 91; 92; 93; 94; 95; 97 Siehe Nationalsozialistische DeutNA Berlin 95 Siehe Nationale Altersche Arbeiterpartei - Auslandsund native Berlin Aufbauorganisation Nachrichten der HNG 93 NS-Denkzettel 97; 99 NAHRATH, Wolfram 117 NS-KAMPFRUF 93; 94; 95 Nationaldemokratische Partei NWRI 157; 158 Siehe Nationaler WiDeutschlands 111 derstandsrat Iran Nationale Alternative Berlin 95 Nationale Befreiungsfront Kurdistans 131 ' deg ~" Nationale Heilspartei 143 ÖCALAN, Abdullah 130; 132 Nationale Liste 120 Organisation der Volksmojahedin Iran Nationale Offensive 89 157 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 333 Ostanatolisches Gebietskomitee 145 PUK 130 Siehe Patriotische Union Kurdistans p 1 PAA 138 Siehe Partei der Arbeit Albaniens RABBO, Yassir Abd 152 Palästinensische BefreiungsorganisaRadikale Serbische Partei 160 tion 151 RADJAVI, Masoud 158 Palästinensischer Islamischer Jihad RAF 25; 26; 27; 36; 48; 54; 55; 56; 57; 151 58; 59; 60; 61; 63; 64; 65 Siehe Partei der Arbeit Albaniens 138 Rote Armee Fraktion Partei der Großen Einheit 142 RAZNJATOVIC, Zeljko 160 Partei der Nationalistischen Bewegung REBELL 71 141 REP 51; 85; 86; 87; 110; 113; 114; Patriotische Union Kurdistans 130 115; 116; 123 Siehe Die RepublikaPCP 71; 72 Siehe Kommunistische ner Partei Perus Republikanisches Informationstelefon PETRI, Michael 95; 96 123 PFLP 150; 152 Siehe Volksfront für Revolutionäre Garden 172 die Befreiung Palästinas Revolutionäre Kommunisten (BRD) 71 PFLP-GC 150; 152; 153 Siehe Revolutionäre Kommunistische Partei Volksfront für die Befreiung Palästider Türkei 138; 139 nas - Generalkommando Revolutionäre Linke 138; 139 PIJ 151 Siehe Palästinensischer IsRevolutionäre Volksbefreiungspartei/lamischer Jihad front 140 PKK 125; 126; 130; 131; 132; 134; Revolutionäre Zellen 26; 63; 80 135; 136; 137 Siehe Arbeiterpartei Revolutionärer Weg 138 Kurdistans * Revolutionary Internationalist MovePLO 151; 153 Siehe Palästinensiment 71 sche Befreiungsorganisation RH 66 Siehe Rote Hilfe e. V. PMOI 157; 158; 159 Siehe OrganisaRIM 71 Siehe Revolutionary Internation der Volksmojahedin Iran tionalist Movement Politische Vierteljahresschrift RK 71; 72 Siehe Revolutionäre GEGENSTANDPUNKT 70 Kommunisten (BRD) PRIEM, Arnulf-Winfried 89; 97 RÖHM, Ernst 88 PRIMAKOW, Jewgenij 167 Rote Armee Fraktion 26; 56; 80 Proißens Gloria 103 Rote Hilfe e. V. 66 RoteZora 64 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 334 RP 143 Siehe Wohlstandspartei SpAD 73 Siehe Spartakist - ArbeiterRussischer militärischer Auslandsaufpartei Deutschlands klärungsdienst 167 Spartakist - Arbeiterpartei DeutschRussischer ziviler Auslandsaufklälands 73 rungsdienst 167 SpinnenNetz 33 RZ 26; 63; 64; 80 Siehe RevolutionäSTALIN, JosifW. 71 re Zellen STEINMETZ, Klaus 36; 57 STORR, Andreas 112 STRASSER, Gregor und Otto 88 SWP 72 Siehe Socialist Workers SAG 72 Siehe Sozialistische ArbeiParty tergruppe SWR 167; 168 Siehe Russischer ziSCHLIERER, Rolf 110; 116 viler Auslandsaufklärungsdienst SCHÖNHUBER, Franz 110; 115; 116 SCHWERDT, Frank 112 SDAJ 72; 73 Siehe Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend TDKP 138; 139 Siehe Revolutionäre SED 54; 68; 69; 70; 73; 175 Siehe Kommunistische Partei der Türkei Sozialistische Einheitspartei Thule-Netz 112 Deutschlands TID 138 Siehe Verein der Arbeiter Sendero Luminoso 71 aus der Türkei in Berlin e. V. SESELJ, Vojislav 160 TKP/M-L 134; 137; 138; 139; 145 Seselj-Partei 160 Siehe Türkische Kommunistische SEW 68 Siehe Sozialistische EinPartei / Marxisten-Leninisten heitspartei Westberlins TKP/M-L Partizan 138 Sl 68 Siehe Sozialistische Initiative TÜB 142 Siehe Türkische IdealistenSkinhead 85; 88; 90; 100; 101; 102; gemeinschaft in Berlin 104; 105; 120 * TÜRKES, Alparslan 141; 142 t Türkische Idealistengemeinschaft in Socialist Workers Party 72 Berlin 142 Sozialistische Arbeitergruppe 72 Türkische Kommunistische ParSozialistische Deutsche Arbeiterjugend tei/Marxisten-Leninisten 134; 137; 72 138 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands 68 Sozialistische Einheitspartei Westberlins 68 U.I.S.A. 155; 156; 158 Siehe Union Sozialistische Initiative 68 Islamischer Studenten in Europa 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Organisationsregister - 335 Union Islamischer Studenten in EuroVolksfront für die Befreiung Palästinas pa 155 150; 152 Volksfront für die Befreiung Palästinas -Generalkommando 150; 152 Volksfront gegen Reaktion, FaschisVAA 67 Siehe Vereinigung der Armus und Krieg 68 beitskreise für Arbeitnehmerpolitik VSP 66 Siehe Vereinigte Sozialistiund Demokratie sche Partei Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft 89; 91 W VASILJKOVIC, Dragan 160 Verband der Islamischen Vereine und WBDJ 73 Siehe Weltbund der demoGemeinden e. V. Köln 144 kratischen Jugend Verein der Arbeiter aus der Türkei in Wehrt Euch 103 Berlin e.V. 138 Weltbund der demokratischen Jugend Verein Iranischer Demokratischer 73 Akademiker e. V. - Bundesrepublik Widerstand 54 Deutschland 159; 174 Wiking-Jugend e. V. 88; 89; 97; 117 Verein Schwedische Gardine & ReWJ 88; 89; 117; 118 Siehe Wikingdaktion Mitteldeutsche GefangenenJugend e. V. stimme 94 Wohlstandspartei 143; 144 Vereinigte Sozialistische Partei 66 Wohlstands-Partei 139 Vereinigung der Arbeitskreise für ArWORCH, Christian 119 beitnehmerpolitik und Demokratie 67 Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V. 143 YAGAN-Flügel 139 Verwaltung Aufklärung 178 YASSIN, Ahmed 149 VFK 89; 91 Siehe Völkischer FreunYAZICIOGLU, Muhsin 142 deskreis Berlin YEK-KOM 131 Siehe Föderation VIDA 159; 174 Siehe Verein IraniKurdischer Vereine in Deutschland scher Demokratischer Akademiker YILMAZ, Kani 136 e. V. - Bundesrepublik Deutschland Völkischer Freundeskreis Berlin 89; 91 Zur Sache 113 Volksbefreiungsarmee Kurdistans 131 2 JAHRE Klasse gegen Klasse 77 VOLKSFRONT 68