Landesamt für Verfassungsschutz BERLIN Landesamt für Verfassungsschutz, Auf dem Grat 2, D-14195 Berlin VerfassungsschutzBericht Berlin 1993 2 Herausgeber: Landesamt für Verfassungsschutz Berlin Redaktion: LfV II A April 1994 Druck: Verwaltungsdruckerei Berlin Abdruck gegen Quellenangabe gestattet, Belegexemplar erbeten Vorwort 3 Vorwort Der vorliegende Verfassungsschutzbericht gibt einen umfassenden Überblick über die Entwicklung extremistischer Gruppierungen und die Aktivitäten fremder Nachrichtendienste in Berlin im Jahr 1993 und erfüllt damit gegenüber der Öffentlichkeit eine Aufgabe, die sich nicht allein in der Übermittlung statistischen Materials erschöpft, sondern auch einen Beitrag zur versachlichten Diskussion über Bedrohungen unseres Rechtsstaates darstellt. Die im letzten Jahr geleistete Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz belegt zugleich, daß sich das Anfang 1993 in Kraft getretene novellierte Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz als Rechtsgrundlage der Tätigkeit des Verfassungsschutzes in der Praxis auch unter den neuen Rahmenbedingungen der werdenden Hauptstadt bewährt hat. Das Jahr 1993 war erneut durch zahlreiche Aktionen von rechtsund linksextremistischen sowie ausländischen Gruppierungen und Organisationen, die eine Gefahr für die Sicherheit unserer Stadt darstellen, geprägt. Auch wenn im Jahre 1993 ein deutlicher Rückgang der rechtsextremistischen Gewalttaten zu verzeichnen war, kann von Entwarnung nicht die Rede sein. Dies belegt die anhaltende Zunahme der Gesetzesverletzungen mit erwiesener bzw. vermuteter rechtsextremistischer Motivation, die - im Gegensatz zu dem Rückgang der Gewalttaten - um mehr als ein Drittel angestiegen sind. Eine intensive und konzentrierte Beobachtung dieses Bereichs ist daher auch für die Zukunft unablässig geboten. Im Bereich des Linksextremismus ist Berlin nach wie vor die Hochburg der autonomen Bewegung. So sind 1993 Autonome in unterschiedlicher Form in einer Weise aktiv geworden, die von Demonstrationen und Versammlungen bis zu terroristischen Anschlägen reicht. Als thematische Bezugspunkte für ihre Gewalttaten dienten den Autonomen dabei insbesondere die "Umstrukturierung" Berlins im Rahmen der Hauptstadtund Olympiaplanungen sowie der "Antifaschistische Kampf". Vorwort 4 Eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit Berlins geht jedoch von dem zunehmend auch gewalttätig ausgetragenen Konflikt zwischen Linksund Rechtsextremisten aus. Die von beiden Seiten durchgeführte gezielte Sammlung und Veröffentlichung der Namen und Anschriften der jeweiligen politischen Gegner deuten dabei auf eine weitere Verschärfung der Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten hin, die zu einer Eskalation bis hin zur Begehung von Tötungsdelikten führen könnte. Dieser Gefahr des wechselseitigen Hochschaukeins muß daher bereits im Vorfeld begegnet werden. Die extremistischen Bestrebungen von Ausländern in der Bundesrepublik haben insbesondere aufgrund der sich in der Türkei zuspitzenden innenpolitischen Auseinandersetzungen sowie des eingeleiteten Friedensprozesses im Nahen Osten zugenommen. Höhepunkt dieser Entwicklung war die durch die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) durchgeführte Anschlagswelle auf türkische Einrichtungen vom 4. November 1993, die das am 22. November 1993 durch den Bundesinnenminister ausgesprochene Verbot dieser Gruppierung zur Folge hatte. Es besteht in diesem Bereich die Gefahr, daß die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere die Hauptstadt Berlin vermehrt den Rahmen für die Austragung von ausländischen Konflikten bildet oder zum Objekt von Angriffen ausländischer Gruppierungen wird. Die Probleme auf dem Gebiet des Rechts-, Linksund Ausländerextremismus können nicht isoliert, sondern nur in ihren wechselseitigen Bezügen und Ursachen beobachtet und ausgewertet werden, was in den nächsten Jahren bei der gewachsenen politischen Bedeutung Berlins als der Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschland einen starken und allgemein anerkannten Verfassungsschutz erfordert. Daher ist es auch zukünftig geboten, das LfV Berlin bei seiner veränderten Aufgabenwahrnehmung zu unterstützen, da es für eine angemessene Reaktion auf verfassungsfeindliche Bestrebungen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine Schwächung der Funktionsfähigkeit des Amtes könnte zu unabsehbaren Folgen führen. So ist auch eine genaue Beobachtung der Tätigkeit ausländischer Dienste gerade deswegen von hoher Wichtigkeit, weil mit Wegfall des Ost-West-Konfliktes die Aktivitäten ausländischer Dienste von erheblich veränderten und nunmehr sehr vielschichtigen Faktoren gesteuert werden. Dies hängt damit zusammen, daß innerund Vorwort 5 außerhalb Europas neue Strukturen und Machtgefüge entstehen. Es ist daher sehr wichtig, frühzeitig zu erkennen, ob, auf welche Weise und durch wen nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik wahrgenommen wird. Insgesamt muß daher von einer gesteigerten Bedeutung des LfV Berlin in Zeiten des Aufund Umbruchs für den Erhalt unserer Verfassung ausgegangen werden. Den vielfältigen Bedrohungen unserer freiheitlichen Demokratie kann letztlich nur gemeinsam von Staat und Bürgern erfolgreich begegnet werden. Der Verfassungsschutzbericht versteht sich daher nicht zuletzt auch als eine Hilfe für jedermann, sich mit den Problemen des politischen Extremismus auseinanderzusetzen, Extremisten entgegenzutreten und damit selbst einen Beitrag zum Schutz unserer Demokratie zu leisten. Berlin, im Juli 1994 Prof. Dr. Dieter Heckelmann Senator für Inneres Inhaltsverzeichnis 7 Inhaltsverzeichnis Einleitung 13 1 Allgemeines 17 1.1 Neues Verfassungsschutzgesetz 19 1.2 Personalbestand und Haushaltswirtschaft des LfV 20 1.3 Auskunftserteilung und Akteneinsicht 20 1.4 Aktenund Datenbereinigung 21 1.5 Parlamentarische Kontrolle 21 1.6 Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) 23 2 Politischer Extremismus 25 2.1 Rechtsextremismus 27 2.1.1 Vorbemerkung 27 2.1.2 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) 32 2.1.2.1 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 33 2.1.2.2 "Deutsche Alternative" (DA) 34 2.1.2.3 "Nationalistische Front" (NF) 35 2.1.2.4 "Nationale Offensive" (NO) 36 2.1.2.5 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) 37 2.1.2.6 "Asgard-Bund e. V.TWotans Volk" 37 2.1.2.7 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) 38 Inhaltsverzeichnis 8 2.1.2.8 "Ku-Klux-Klan" (KKK) 38 2.1.2.9 "Völkischer Freundeskreis" (VFK) 38 2.1.2.10 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BW) 39 2.1.2.11 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 40 2.1.2.12 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V " (HNG)..... 40 2.1.2.13 "Neonazikreis um Curt Müller" 41 2.1.2.14 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) 41 2.1.2.15 "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) und "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) bzw. "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) 42 2.1.3 Militante Skinhead-Szene in Berlin 43 2.1.4 "Nationalf reiheitlicheTNationaldemokraten" 46 2.1.4.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) 46 2.1.4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 47 2.1.4.2.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 48 2.1.4.3 "Die Nationalen e. V." 49 2.1.4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 50 2.1.4.5 "Die Republikaner" (REP) 51 2.1.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 56 2.1.5.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." 56 2.1.5.2 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V." (WJ) 57 2.1.6 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund 59 2.1.6.1 Rechtsextreme Gewalt 61 2.1.7 Ausblick 65 2.1.8 Sonderthema: Weitere Polarisierung zwischen Linksund Rechtsextremisten in Berlin 67 Inhaltsverzeichnis 9 2.2 Linksextremismus 75 2.2.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 75 2.2.1.1 Vorbemerkung 75 2.2.1.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 80 2.2.1.2.1 Grundlagen und Ziele 80 2.2.1.2.2 Strukturen 82 2.2.1.2.3 Aktuelle Aktivitäten des Berliner RAF-Umfeldes 85 2.2.1.2.4 Ausblick 86 2.2.1.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 87 2.2.1.3.1 Entstehung 87 2.2.1.3.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen 88 2.2.1.3.3 Anschläge in Berlin 89 2.2.1.3.4 Ausblick 89 2.2.1.4 Autonome 90 2.2.1.4.1 Vorbemerkung 90 2.2.1.4.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen 92 2.2.1.4.3 Militanz und Aktionsformen 95 2.2.1.4.4 Aktuelle Aktivitäten 96 2.2.1.4.5 Ausblick 103 2.2.2 Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen 105 2.2.2.1 Vorbemerkung 105 2.2.2.1.1 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 108 2.2.2.1.2 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 109 2.2.2.1.3 Linksextremistische Strömungen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 110 2.2.2.1.4 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 115 2.2.2.1.5 "Marxistische Gruppe" (MG) 116 2.2.2.1.6 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD)... 116 Inhaltsverzeichnis 10 2.2.2.1.7 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) 117 2.2.2.1.8 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) 118 2.2.2.1.9 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 119 2.2.2.1.10 "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) 120 2.2.2.2 Ausblick 120 2.2.3 Sonderthema: "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.) 124 2.3 Ausländerextremismus 131 2.3.1 Vorbemerkung und Überblick 131 2.3.2 Staatsterrorismus 136 2.3.3 Palästinenser/Araber 136 2.3.3.1 Traditionelle Palästinenserorganisationen 137 2.3.3.2 Islamisch-extremistische Araberund Palästinenser-Organisationen 138 2.3.4 Türken 141 2.3.4.1 Linksextremistische Organisationen... 141 2.3.4.2 Rechtsextremistische Organisationen 144 2.3.4.3 Islamisch-extremistische Organisationen 145 2.3.5 Kurden 146 2.3.6 Iraner 147 2.3.6.1 Regimeanhänger 148 2.3.6.2 Regimegegner 148 2.3.7 Völker des ehemaligen Jugoslawien 149 2.3.8 Ausblick 150 2.3.9 Sonderthema: Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 152 Inhaltsverzeichnis 11 3 Spionageabwehr 165 3.1 Allgemeiner Überblick 167 3.2 Träger der Spionageaktivitäten 168 3.2.1 Nachrichtendienste der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 168 3.2.1.1 Entwicklung der russischen Nachrichtendienste 169 3.2.1.2 Aktivitäten russischer Nachrichtendienste 171 3.2.2 Nachrichtendienste der ehemaligen Satellitenstaaten 173 3.2.3 Nachrichtendienste der Krisenund Schwellenländer 173 3.3 Präventive Spionageabwehr 174 3.3.1 Geheimschutz in Landesbehörden und in der Wirtschaft... 175 3.3.2 Bürgerberatung 176 3.4 Hinterlassenschaften der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste 177 3.4.1 Enttarnung des HVA-Agentennetzes 177 4 Anhang I: Kurzdarstellungen wichtiger extremistischer Organisationen in alphabetischer Reihenfolge 185 4.1 Rechtsextremismus 187 4.2 Linksextremismus 197 4.3 Ausländerextremismus 207 Inhaltsverzeichnis 12 5 Anhang II: Chronologie 215 5.1 Rechtsextremismus 217 5.2 Linksextremismus 241 5.3 Ausländerextremismus 307 6 Anhang III: Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 26. Januar 1993 315 7 Abkürzungsverzeichnis Personenund Sachregister 325 7.1 Abkürzungsverzeichnis 327 7.2 Personenund Sachregister 333 Einleitung 13 Einleitung Die erschreckende Welle rechtsextremistisch motivierter Gewalt flachte im Jahre 1993 deutlich ab, Gesetzesverletzungen mit erwiesener bzw. vermuteter rechtsextremistischer Motivation nahmen jedoch in Berlin um ein Drittel zu. Damit stellt der militante Rechtsextremismus unverändert ein zentrales Bedrohungsmoment für die innere Sicherheit der Hauptstadt dar; der angerichtete Schaden für das Ansehen des vereinten Deutschland im Ausland ist mit dem Instrumentarium des institutionalisierten Verfassungsschutzes nicht meßbar. Seit 1990 hat sich die Anzahl der bekannten aktiven Neonazis in Berlin mit heute über 280 Personen mehr als verdoppelt. Das Potential erkannter gewaltbereiter Rechtsextremisten, insbesondere Skinheads, wuchs inzwischen auf 420 Personen an. Die Verbote dreier neonazistischer Vereinigungen Ende 1992 leisteten einen Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Zahlreiche Versammlungsverbote und Exekutivmaßnahmen verunsicherten und beeinträchtigten die rechtsextremistische Szene in ihrer Aktionswilligkeit und -fähigkeit. In Reaktion darauf unternahmen führende Neonazis erste Anstrengungen, den Zusammenhalt ihrer Anhänger untereinander durch juristisch nicht faßbare Zusammenschlüsse, gepaart mit informationeller konspirativer Vernetzung, über die Verbote hinweg zu sichern. Am 16. Dezember 1992 entschied in Berlin der Senator für Inneres, den Berliner Landesverband der Partei "Die Republikaner" (REP) beobachten zu lassen. Grundlage dieser Entscheidung war die Auffassung, bei dieser Partei lägen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor. Die Situation der Berliner RAF-Anhänger war im Jahre 1993 weiterhin von Diskussionen über den schon 1992 eingeleiteten "politischen Neuorientierungsprozeß" der Terrororganisation beherrscht. Anlaß für neue Kontroversen boten zudem ein Sprengstoffanschlag der RAFKommandoebene auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt (Hessen) am 27. März sowie die Festnahme Birgit HOGEFELDS und der Tod (Selbsttötung) Wolfgang GRAMS' im Verlauf einer Polizeiaktion am 27. Juni in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern). Einleitung 14 Öffentlich ausgetragene Richtungskämpfe zwischen in der Illegalität lebenden RAF-Mitgliedern und einigen der inhaftieren Genossen einerseits und der Mehrzahl der einsitzenden früheren RAF-Angehörigen andererseits u. a. über die Opportunität einer Fortsetzung des bewaffneten Kampfes führten Ende 1993 zu einem "Bruch" innerhalb des RAF-Gefüges. Unter dem demotivierenden Eindruck dieser zugespitzten Entwicklung verlor das hiesige RAF-Umfeld zusätzlich an Aktionsfähigkeit. Anders als früher gelang es den Berliner RAF-Anhängern nicht, eigene Veranstaltungen zu organisieren; so blieben die Aktivitäten im wesentlichen auf Teilnahmen an Veranstaltungen und Demonstrationen anderer Initiatoren beschränkt. Die bedeutendsten linksextremistischen Gefahren für die innere Sicherheit Berlins gehen nach wie vor von dem autonomen Potential aus. Berlin bildet mit etwa 1 200 Angehörigen die Hochburg der autonomen Bewegung in Deutschland. Auch 1993 nutzten Autonome ein breites Spektrum unterschiedlicher Aktionsformen, das von Versammlungen und Demonstrationen über Störaktionen, Blockaden, Sachbeschädigungen, Ausschreitungen bis zu Überfällen auf politische Gegner und Anschlägen terroristischer Qualität (z. B. Handgranatenattentat) reicht. Als thematische Bezugspunkte für ihre Gewalttaten dienten den Autonomen im letzten Berichtszeitraum insbesondere die "Umstrukturierung" Berlins im Rahmen der Hauptstadtund Olympiaplanungen sowie der immer rigoroser geführte "Antifaschistische Kampf. Ihre "Antifaschistische Selbsthilfe" beinhaltete gezielte Anschläge und Angriffe auf erkannte und vermeintliche Rechtsextremisten, deren Eigentum und Stützpunkte. Autonome "Antifaschisten" traten bewaffnet mit Baseballschlägern, Eisenstangen, Molotowcocktails und Messern auf. Das Hauptgewicht bei der Beobachtung des "Ausländerextremismus" lag, wie bereits in den letzten Jahren, auch 1993 bei der Aufklärung gewaltorientierter sicherheitsgefährdender Bestrebungen. Hierzu zählen der sog. Staatsterrorismus, gewaltorientierte extremistische Organisationen von Kurden, Türken und Iranern sowie im Bereich des arabischpalästinensischen Extremismus diejenigen Zusammenschlüsse, die jeglichen Kompromiß bei den Nahostfriedensverhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der PLO strikt ablehnen. Einleitung 15 Die Aktivitäten im letzten Beobachtungszeitraum waren weiterhin von den in den Herkunftsländern herrschenden Konfliktund Krisensituation bestimmt, so der Kurden-Konflikt in der Türkei, im Irak und Iran sowie die Verhandlungen über ein Teilautonomie-Abkommen für die besetzten Gebiete zwischen Israel und den Palästinensern. Besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregten zahlreiche Gewalttaten der linksterroristischen kurdischen PKK in Deutschland; der Bundesinnenminister untersagte am 22. November 1993 die Tätigkeit der PKK und ihrer Teilorganisationen. Die nachrichtendienstliche Bedrohung der Bundesrepublik durch Länder des ehemaligen Ostblocks ist insgesamt zurückgegangen. Hingegen nahmen die nachrichtendienstlichen Bemühungen der sog. Krisenund Schwellenländer, politische, wirtschaftliche und militärische Informationen sowie den Embargobestimmungen unterliegende Technologie zu beschaffen, zu. Im Zuge der Aufarbeitung der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste gelang es, den Kernbereich der früheren DDR-Auslandsspionage nahezu vollständig zu enttarnen. 1 - Allgemeines - 17 1 Allgemeines 1 - Allgemeines - 19 1.1 Neues Verfassungsschutzgesetz Seit Anfang des Jahres 1993 arbeitet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) nach neuen gesetzlichen Bestimmungen. Am 31. Januar 1993 ist das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) vom 26. Januar 1993 in Kraft getreten (GVBI. S. 33 ff.). Das bis dahin geltende, zuletzt 1989 novellierte Gesetz aus dem Jahre 1952 ist aufgehoben. Mit dem neuen LfVG hat der Berliner Gesetzgeber den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts im sog. Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 (BVerfGE 65, 1 ff.) entsprochen, Eingriffe in das Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung normenklar und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zu regeln. In Übereinstimmung mit dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. S. 2970) beschreibt das LfVG die Aufgaben, Befugnisse, Verarbeitung von Daten, Informationsübermittlung, Auskunft und Akteneinsicht sowie die Parlamentarische Kontrolle des Landesamtes für Verfassungsschutz. In Anpassung an die Gesetzeslage waren 1993 eine Reihe von gesetzesauslegenden und verfahrensregelnden Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Die Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes blieb im wesentlichen unverändert. Der Verfassungsschutz sammelt Informationen über Bestrebungen, die darauf abzielen, die freiheitlich demokratische Grundordnung ganz oder teilweise zu beseitigen. Diese Bestrebungen werden als extremistisch oder - was gleichbedeutend ist - als verfassungsfeindlich bezeichnet. Der früher bisweilen gebrauchte Begriff "radikal" wird nicht mehr verwendet, da eine nach allgemeinem Sprachgebrauch "radikale", d. h. an die Wurzel einer Fragestellung gehende Zielsetzung nicht unbedingt in o. g. Sinne verfassungsfeindlich sein muß. Der Begriff der "Verfassungsfeindlichkeit" ist von dem der "Verfassungswidrigkeit" zu unterscheiden. Letzterer bezeichnet eine Voraussetzung für das Verbot einer politischen Partei nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Auf die Verfassungswidrigkeit einer Partei läßt sich deshalb erst berufen, wenn diese vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist. 1 - Allgemeines - 20 Ergänzend wurde in den Aufgabenkatalog des Berliner Verfassungsschutzgesetzes die Sammlung von Informationen über frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen DDR aufgenommen Damit hat der Berliner Gesetzgeber - wie auch die Gesetzgeber einiger neuer Bundesländer - möglichen Gefährdungen des Rechtsstaats durch ehemalige Mitglieder der Nachrichtendienste der DDR Rechnung getragen. 1.2 Personalbestand und Haushaltswirtschaft des LfV Dem LfV standen zum Ende des Berichtszeitraumes 259 Stellen zur Verfügung. Seit dem Jahr 1990 erfolgte aufgrund der bekannten politischen Veränderungen ein Stellenabbau von bisher 86 Stellen (1990: 345, 1993: 259). Dies entspricht einem Abbau von ca. 1/4 (24,9 %) des ursprünglichen Personalbestands. In Auswirkung des Stellenabbaus wurden auch die Haushaltsmittel auf ca. 2,6 Mio. DM reduziert, die für konsumtive Ausgaben und Investitionen verwendet wurden. Wie schon in den vorangegangenen Berichtszeiträumen bildeten Investitionen im Bereich der Informationsund Kommunikationstechnik den Schwerpunkt für die Verwendung der Haushaltsmittel. 1.3 Auskunftserteilung und Akteneinsicht Das LfV erteilt seit 1989 auf Antrag Auskünfte an die Betroffenen über zu ihrer Person gespeicherte Informationen und gewährt ihnen Akteneinsicht. Während dies zunächst geschah, ohne daß das LfV ausdrücklich gesetzlich hierzu verpflichtet war, regeln nunmehr die SSSS31, 32 LfVG, unter welchen Voraussetzungen Auskünfte erteilt werden oder Akteneinsicht gewährt wird. Voraussetzung für eine Auskunft oder Akteneinsicht ist die Darlegung eines besonderen Interesses des Betroffenen an der Kenntnis evtl. beim LfV über ihn vorhandener Informationen. Diese Darlegungspflicht dient den Schutzinteressen des LfV. Sie soll es dem Amt ermöglichen, möglichen Ausforschungsversuchen vorzubeugen. 1 - Allgemeines - 21 Allerdings hat der Auskunftssuchende, auch wenn das besondere Interesse ausreichend dargelegt ist, nicht in jedem Fall Anspruch auf umfassende Auskunft oder Akteneinsicht. Grundsätzlich ausgenommen sind Informationen, die von anderen Nachrichtendiensten stammen, die dritte Personen betreffen oder die aus Gründen des öffentlichen Interesses geheimhaltungsbedürftig sind. Seit Inkrafttreten des neuen LfVG haben bis zum 31. Dezember 1993 insgesamt 211 Personen einen Antrag auf Auskunft/Akteneinsicht gemäß SSSS31, 32 LfVG gestellt. 1.4 Aktenund Datenbereinigung Die nach der Aufhebung des allgemeinen Löschungsund Vernichtungsverbotes begonnene Bereinigung von Altakten und Altdaten wurde im Herbst 1993 abgeschlossen. Das LfV geht in eine Phase der kontinuierlichen Aktenund Datenbestandspflege nach Maßgabe des neuen Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 26. Januar 1993 über. Nach Inkrafttreten des Archivgesetzes des Landes Berlin vom 29. November 1993 liegt die erwartete Rechtsgrundlage vor, um die ausgesonderten Altakten dem Landesarchiv Berlin zur Übernahme anzubieten. 1.5 Parlamentarische Kontrolle Der Ausschuß für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin trat im Berichtszeitraum zu zehn Sitzungen zusammen. Das Abgeordnetenhaus setzte ihn im Juni 1993 als 2. Untersuchungsausschuß -12. Wahlperiode - zur Aufklärung möglicher Versäumnisse der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Anschlag auf kurdische Oppositionspolitiker im Restaurant "Mykonos" in Berlin-Wilmersdorf ein. Das LfV kam den Ersuchen um Aktenvorlage und Zeugenstellung nach (vgl. 2.3.2). 1 - Allgemeines - 22 Kontrolle über das Landesamt für Verfassungsschutz in Berlin Parlamentarische Kontrolle Allgemeine Kontrolle Besondere Kontrolle G 10-Kontrolle Debatten im AbgeordneAusschuß für Verfas- G 10-Kommission: tenhaus, sungsschutz: Aktuelle Stunden, 3 Mitglieder, vom AbgeKleine und Große Anfra10 Mitglieder, aus jeder ordnetenhaus von Berlin gen; Fraktion des Abgeordneauf Vorschlag der Fraktenhauses von Berlin tionen gewählt; ggf. Untersuchungsausmindestens 1 Mitglied, schuß; Vollzug der Anordnung nahezu unbeschränkte i.d.R. nicht vor ZustimBehandlung von PetitioKontrolle. mung durch G 10-Komnen im Petitionsausschuß. mission. Landesamt für Verfassungsschutz Verwaltungskontrolle Offentlichkeitskontrolle Gerichtliche Kontrolle Dienstund Fachaufsicht Bürger Klagen gegen Maßnahder Senatsverwaltung für (Eingaben, Anfragen, men des VerfassungsInneres; Auskunftsrecht), schutzes vor den Verwaltungsgerichten. Landesbeauftragter für Medien den Datenschutz; (Berichte, Anfragen). Landesrechnungshof. 1 - Allgemeines - 23 1.6 Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) Das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz bestimmt, daß die Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 des Gesetzes unterrichtet wird. Hierzu dienen in erster Linie die seit 1990 jährlich erscheinenden Jahresberichte mit einer Gesamtauflage von 3 500 Exemplaren und ab 1994 zusätzliche Sonderberichte über die einzelnen extremistischen Organisationen und Bestrebungen. Diese Materialien werden kostenlos abgegeben und können beim Landesamt für Verfassungsschutz - Öffentlichkeitsarbeit - Auf dem Grat 2 14195 Berlin abgefordert werden. Die Konzeption "Verfassungsschutz durch Aufklärung" enthält zwei Schwerpunkte: 1. Informationen über extremistische Strategien und Aktivitäten, verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen und Tätigkeiten sowie ihre ideologischen Hintergründe zu vermitteln und 2. die Aufklärung über gesetzliche Grundlagen, Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise und Kontrolle des Verfassungsschutzes. Sie dient der geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus und der Bekämpfung der von ihm und der Spionage ausgehenden Gefahren. 1 - Allgemeines * 24 Das LfV Berlin war 1992 mit der Durchführung einer Aufklärungskampagne der Innenminister von Bund und Ländern unter dem Leitmotto "FAIRSTÄNDNIS Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß" beteiligt. Diese Kampagne wird in 1994 fortgesetzt. 2 - Politischer Extremismus - 25 2 Politischer Extremismus 2 - Politischer Extremismus - 27 2.1 Rechtsextremismus 2.1.1 Vorbemerkung Die unter dem Sammelbegriff Rechtsextremismus zusammengefaßten Parteien, Organisationen oder Gruppierungen zeichnen sich im Gegensatz zu linksextremistischen, auf dem Marxismus(-Leninismus) oder anderen Gedankengebäuden basierenden Strömungen nicht durch ein geschlossenes theoretisches Bezugssystem aus. Gemeinsam ist ihnen eine antirationalistische, antiindividualistische, die demokratische Grundüberzeugung von der fundamentalen Gleichheit aller Menschen negierende Haltung und die daraus erwachsende Ablehnung des auf dem Prinzip gleicher politischer Rechte beruhenden demokratischen Verfassungsstaates. Im Rahmen dieser gemeinsamen Grundhaltung lassen sich schlagwortartig wesentliche Elemente rechtsextremistischer "Weltanschauung" benennen, die sich in verschiedener Gewichtung und unterschiedlichen Ausprägungen feststellen lassen. Dazu zählen: ein übersteigerter, oft aggressiver Nationalismus, verbunden mit Feindschaft gegen Ausländer, Minderheiten, fremde Völker und Staaten, Antisemitismus und Rassismus, verbunden mit der Propagierung biologischer und sozialdarwinistischer Ideen, völkischer Kollektivismus, d. h. Überbewertung der aufgrund ethnischer Zugehörigkeit definierten "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Rechte und Interessen des Einzelnen, Überbetonung militärischer bzw. soldatischer Werte und hierarchischer Prinzipien ("Führer" und "Gefolgschaft"), verbunden mit der Propagierung einer entsprechenden autoritären bzw. diktatorischen staatlichen und sozialen Ordnung sowie der Überbetonung 2 - Politischer Extremismus - 28 der Notwendigkeit eines nach innen und außen starken Staates (Etatismus), Verharmlosung oder Leugnung der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ("Revisionismus"). 2 - Politischer Extremismus * 29 Neonazi-Gruppen in Berlin Gesamtzahl der Personen: ca. 280 unorganisierte Neonazis: 140 HNG: 20 Asgard-Bund/ Wotans Volk: 20 Neonazikreis um Curt MÜLLER: 10 SrA/FMJ/JF: 10 Kleinstgruppen: 30 FAP: 50 2 - Politischer Extremismus - 30 Mitgliederentwicklung bei rechtsextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen 1983 bis 1993* Neonazis: ab 1990 einschl. Mitglieder neonazist. Umfeld, ab 1991 zusätzl. nationalfreiheitlicher/ Gesamtzahl inkl. militante Rechtsextremisten nationaldemokrat. (insbes. Skinheads) Organisationen 1983 65 620 685 1984 65 620 685 1985 70 630 700 1986 65 680 745 1987 80 730 810 1988 85 900 985 1989 105 950 1055 1990 250 950 1200 1991 500 1000 1500 1992 600 1000 1600 1993 750 2650** 3400** * Bis 1990 nur der Westteil Berlins ** Seit 1993 einschließlich der Partei "Die Republikaner" (REP) 2 - Politischer Extremismus - 31 Mitgliederentwicklung bei rechtsextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen 1983 bis 1993* 3500r -*-Neonazis* -f-Mitglieder nationalfreiheitl./ 3000f nationaldemokrat. Org. -A-Gesamtzahl * Bis 1990 nur der Westteil Berlins ** Seit 1993 einschließlich der Partei "Die Republikaner" (REP) 2 - Politischer Extremismus - 32 2.1.2 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) Neonazis bekennen sich offen zum historischen Vorbild des Nationalsozialismus bzw. zu dessen von den Gebrüdern STRASSER und Ernst RÖHM repräsentierten sog. Sozialrevolutionären bzw. nationalrevolutionären Flügel. Repräsentant der sich auf STRASSER und RÖHM beziehenden Richtung des "Neuen Nationalsozialismus" war vor allem der am 24. April 1991 verstorbene Michael KÜHNEN mit seiner "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF). KÜHNEN hatte bereits 1979 seiner ersten größeren Schrift den beziehungsreichen Titel "Die zweite Revolution" gegeben. 1984 dann beschrieb er die "Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung von 1919 bis 1984", in der er nochmals grundlegend auf "das Scheitern der 2. Revolution" einging. Das Jahr 1934 ist für KÜHNEN "der entscheidende Fehler der Friedensjahre - der mangelnde Kampf gegen die Reaktion". In der Nachfolge KÜHNENS hat sich noch keine neue von den einschlägigen Kreisen anerkannte Führungspersönlichkeit herausgebildet, die die Neonazi-Gruppen bundesweit einen könnte. Derzeit bestimmen mehrere neonazistische Leitfiguren in den alten und neuen Bundesländern das politische Bild im neonazistischen Lager. Tonangebend ist dabei immer mehr der Hamburger Neonazi und Anführer der "Nationalen Liste" (NL), Christian WORCH. Unmittelbar nach der Wende in der damaligen DDR konzentrierten sich westdeutsche Neonazi-Organisationen - allen voran KÜHNENS "Deutsche Alternative" (DA) - auf die Arbeit mit ostdeutschen Gesinnungsgenossen und den Aufbau geeigneter Organisationsstrukturen. Neben der DA etablierten die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und die "Nationalistische Front" (NF) örtliche Gruppen in den neuen Bundesländern, deren Aktionismus und Gewaltbereitschaft dort anfangs radikaler hervortrat als bei den westdeutschen Neonazis. In oft provozierender Weise traten ostdeutsche Neonazis und ihre Sympathisanten regelmäßig in der Öffentlichkeit auf - manchmal 1 500 bis 2 000 Personen - und ließen sich nicht mehr durch behördliche Verbote, Demonstra- 2 - Politischer Extremismus - 33 tionen politischer Gegner beschränken und von gewalttätigen Übergriffen durch Linksextremisten zurückhalten. Bundesweit gab es Ende 1993 etwa 1 500 gruppengebundene Neonazis sowie weitere 950 neonazistische Einzelaktivisten, dazu kommen rund 5 600 militante Rechtsextremisten, insbesondere Skinheads (3 000 in den westdeutschen, 2 600 in den ostdeutschen Bundesländern) und eine unbekannte Zahl von Gewalttätern, die durch eine Vielzahl von Gewaltaktionen gegen Ausländer und deren Unterkünfte bundesweit von sich reden machen. Die Anzahl der bekannten aktiven Neonazis in Berlin ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Seit 1990 hat sich ihre Zahl, die heute über 280 beträgt, mehr als verdoppelt. Auch die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten (insbesondere Skinheads) ist inzwischen auf 420 angestiegen. Unter ihnen gelten 80 als neonazistisch aktiv.1 Gerade die militante Skinhead-Szene bildet seit dem Jahre 1990 ein bedeutsames, nach wie vor aktuelles sicherheitspolitisches Problem in der Bundesrepublik Deutschland, besonders in den neuen Bundesländern und in den östlichen Bezirken Berlins. 2.1.2.1 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die in der Tradition der historischen NSDAP stehende FAP, der bundesweit etwa 430 Mitglieder (1991: 150, 1992: 220) angehören, verfügte im Jahr 1993 über aktive Landesverbände in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Berlin. Der im Oktober 1990 gegründete Berliner Landesverband der FAP unter Führung des militanten Neonazis Lars BURMEISTER ist mit etwa 50 Aktivisten (1991: 30; 1992: 40) weiterhin die stärkste Neonazi-Gruppe in Berlin. Der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten liegt in den östlichen Bezirken Berlins, erstreckte sich aber auch auf das Land Brandenburg. Wie bisher versucht die FAP, mit Veranstaltungen und Plakataktionen die Probleme und Sorgen der Bevölkerung auszunutzen und Aggressionen gegen Ausländer zu fördern. 2 - Politischer Extremismus - 34 An internen Kameradschaftstreffen nahmen regelmäßig etwa 50 Mitglieder und Interessenten teil. Am 1. Mai 1993 führte die FAP unter dem Motto "Für ein gewaltfreies Berlin" in Berlin-Lichtenberg einen Aufzug durch. Die Demonstranten marschierten in Dreierreihen unter Führung des FAP-Bundesvorsitzenden Friedhelm BUSSE. Während des Aufzuges kam es zu Konfrontationen mit etwa 50 Gegendemonstranten. An dem Aufzug beteiligten sich etwa 100 Neonazis, darunter einige FAP-Anhänger aus Niedersachsen und Bayern. BUSSE wertete anschließend die Demonstration zum "Tag der Arbeit" als großen Erfolg. Der Landesverband Berlin der FAP beteiligte sich nicht an der sog. HESS-Kundgebung am 14. August 1993 in Fulda (Hessen), sondern plante für den 17. August eine eigenständige Veranstaltung in Cottbus (Brandenburg). Diese HESS-Demonstration war von FAP-Aktivisten zur Tarnung unter dem Motto "Höchststrafe für Kindesentführer und Kindesmörder" angemeldet worden. Umfangreiche polizeiliche Maßnahmen verhinderten jedoch die von den Neonazis geplante Aktion. Am 5. September 1993 traten Berliner F AP-Mitglieder und Anhänger im Zusammenhang mit der Veranstaltung zum "44. Tag der Heimat" auf. Sie verteilten Flugblätter mit der Überschrift "Meinungsfreiheit gilt nicht für Deutsche - Bundesinnenminister Manfred KANTHER (CDU) will nationale Opposition verbieten". Nachdem der Bundesminister des Innern am 15. September 1993 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Verbots-Antrag gegen die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) gestellt hatte, beschäftigte sich auch der Berliner Landesverband mit möglichen Reaktionen nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der FAP. Im übrigen bereitete auch der Berliner FAP-Landesverband die Teilnahme an den EuropaWahlen 1994 vor. 2.1.2.2 "Deutsche Alternative" (DA) Die von KÜHNEN 1989 als parteipolitischer Arm der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) gegründete und am 10. Dezem- 2 - Politischer Extremismus - 35 ber 1992 vom Bundesminister des Innern gem. Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. SS 3 Abs. 1 S. 1 verbotene DA hatte ihre Zentrale in Cottbus (Brandenburg) etabliert, wo auch ihr Aktionsschwerpunkt lag. Anhänger der dortigen DA nahmen an mehreren Übergriffen auf Ausländerunterkünfte in Brandenburg teil. Das Verbot traf die Mitglieder der DA nicht überraschend, da in den Medien bereits zuvor davon die Rede war. Für die DA in Berlin war die Gründung eines Landesverbandes "Reichshauptstadt" am 5. August 1992 in Finsterwalde (Brandenburg) bedeutsam. Der militante Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM wurde dort zum Landesvorsitzenden der Partei bestellt. Ehemalige Mitglieder und Anhänger der verbotenen DA entfalteten 1993 keine öffentlichen Aktivitäten in Berlin. 2.1.2.3 "Nationalistische Front" (NF) Die Mitte der 80er Jahre als "nationalrevolutionäre" Bewegung gegründete, kadermäßig organisierte "Nationalistische Front" (NF), deren organisatorischer Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen lag und die bis zur Spaltung der Organisation im Sommer 1992 bundesweit über etwa 130 Aktivisten verfügte, orientierte sich an den Ideen des von den Gebrüdern STRASSER und Ernst RÖHM repräsentierten Sozialrevolutionären Flügels des Nationalsozialismus. Führungsstreitigkeiten innerhalb der NF führten im Sommer 1992 zur Spaltung der Organisation in eine Gruppe um den bisherigen Bundesvorsitzenden SCHÖNBORN und eine konkurrierende Gruppe um Andreas POHL, die die NF verließ und seit September 1992 unter den Bezeichnungen "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) und "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) auftrat [vgl. 2.1.2.15]. Die NF wurde am 27. November 1992 wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. SS 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG vom Bundesminister des Innern bundesweit verboten und aufgelöst. 2 - Politischer Extremismus - 36 In Berlin entwickelten die Anhänger der verbotenen NF keine besonderen Aktivitäten. Dem SCHÖNBORN-Flügel dürften zwischen 20 bis 25 Personen angehören, die ihren Wohnsitz in Berlin haben. Zu den bekanntesten SCHÖNBORN-Anhängern gehört Uli BOLDT, der seit Januar 1994 Vorsitzender der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." ist. BOLDT und einige seiner Anhänger waren vor der geplanten Heldengedenkfeier am 14. November 1993 auf dem Waldfriedhof in Halbe (Dahme-Spreewald, Brandenburg) gestellt worden. 2.1.2.4 "Nationale Offensive" (NO) Ehemalige Funktionäre und Aktivisten der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) - unter Führung des früheren bayerischen FAPVorsitzenden Michael SWIERCZEK - gründeten am 3. Juli 1990 in Augsburg die völkisch-nationalistisch ausgerichtete "Nationale Offensive" (NO), die als Auffangbecken insbesondere für enttäuschte FAP-Anhänger dienen sollte. Der Vereinigung gehörten Ende 1992 bundesweit etwa 140 Personen an. Die Vereinigung wurde am 22. Dezember 1992 vom Bundesminister des Innern gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. SS 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG verboten. Trotz Verbots gaben NO-Aktivisten ihre Arbeit z. T. nicht auf. Die Fortführung ihrer Aktivitäten wurde am 21. Dezember 1993 offenbar, als in einem Waldgelände bei Selchow (Dahme-Spreewald, Brandenburg) 17 Personen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz - Fortführung der verbotenen NO - und des Versammlungsgesetzes festgenommen wurden. Unter diesen befand sich auch Bernd KASULKE, der ehemalige Vorsitzende des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der NO. Die z. T. uniformähnlich Gekleideten hatten sich um ein Lagerfeuer versammelt und Pechfackeln angezündet, um eine Wintersonnenwendfeier durchzuführen. Bei den Festgenommenen, die bis auf eine Frau aus Berlin stammten und sämtlich der verbotenen NO angehörten bzw. nahestanden, wurde u. a. Propagandamaterial der verbotenen NO gefunden sowie ein Plan zum "Ablauf der Wintersonnenwende 1993" sichergestellt. 2 - Politischer Extremismus - 37 Am. 22. Dezember 1993 fanden in Berlin gem. SS20 VereinsG Wohnungsdurchsuchungen der Teilnehmer durch die Polizei statt. Bei diesen wurde umfangreiches Beweismaterial über die Fortführung der NO sowie Schulungsund Propagandamaterial - auch der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) - aufgefunden und beschlagnahmt. Ferner wurden ein Metalltotschläger, ein Kampfmesser, ein Messer mit Hakenkreuz sowie einige Panzerfaustspitzen (Attrappen) entdeckt. Neben Aufklebern von NO und NF fand die Polizei auch Aufkleber der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO). Der ehemalige Bundesvorsitzende der verbotenen "Nationalen Offensive" (NO), Michael SWIERCZEK, gibt seit März 1993 einen monatlichen Rundbrief unter dem Titel "RECHTSKAMPF - Informationen zum Stand der Klagen gegen die Parteienverbote" heraus, der auch in Berlin in rechtsextremistischen Kreisen angeboten wird. Die Dezemberausgabe 1993 des "RECHTSKAMPF" enthält neben Beiträgen über antifaschistische Gruppen einen Bericht über den russischen Rechtsextremisten Alexander Petrowitsch BARKASCHOW. 2.1.2.5 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) Von der 1990 im Ostteil Berlins mit Unterstützung westdeutscher KÜHNEN-Anhänger von Angehörigen der dortigen Neonazibzw. Skinhead-Szene ins Leben gerufene "Nationale Alternative" (NA) - seit Februar 1991 von dem militanten Neonazi Oliver SCHWEIGERT geführtwurden im Jahre 1993 keine Aktivitäten bekannt. 2.1.2.6 "Asgard-Bund e. V."/"Wotans Volk" Der 1980 von dem militanten Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM ins Leben gerufene "Asgard-Bund e. V." versteht sich als "Gemeinschaft heidnischgermanischer Weltanschauung". Die Aktivitäten des "Asgard-Bundes", der formell etwa 20 Mitglieder umfaßt, eigentlich aber nur PRIEM als Kulisse dient, beschränkt sich auf die kommerziell offensichtlich erfolgreiche Herausgabe des seit 1979 erscheinenden Kalenders "Nordisch- 2 - Politischer Extremismus - 38 Germanischer Jahrweiser" sowie auf den Handel mit germanisierenden Devotionalien und neonazistischen Videos. Auch im "Jahrweiser 1994" erinnert PRIEM an den "feigen Mordanschlag" auf "SS-Obergruppenführer Reinhard HEYDRICH" und weist auf dessen und Rudolf HESS' Todestage hin (4. Juni 1942 bzw. 17. August 1987). Die erstmals 1987 als "Jugendgruppe des Asgard-Bundes" hervorgetretene Gruppe "Wotans Volk" nahm unter Führung PRIEMs frühzeitig Kontakt zu ostdeutschen Gesinnungsgenossen auf, vor allem zur Ostberliner Polit-Rockergruppe "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft". 2.1.2.7 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJl) Der von Angehörigen der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) und einzelnen Neonazis ins Leben gerufene lose Zusammenschluß entfaltete, in den letzten Jahren immer weniger Aktivitäten. 1992 und 1993 trat die DJl als Veranstalter von Konzerten mit dem in rechtsextremistischen Kreisen bekannten Liedermacher Frank RENNICKE auf. Die Veranstaltungen, an denen sich mehrere hundert Zuhörer, darunter zahlreiche Neonazis und Skinheads beteiligten, fanden in Berlin und im Land Brandenburg statt. 2.1.2.8 "Ku-Klux-Klan" (KKK) Der 1865 in den Südstaaten der USA gegründete militant-rassistische Geheimbund "Ku-Klux-Klan" (KKK), der sich in einem Kampf um die Erhaltung der "weißen Rasse" sieht und der Anfang der 80er Jahre auch in der Bundesrepublik Deutschland Anhänger organisierte, versuchte seit Mitte 1991 vergeblich, auch im Berliner Raum Fuß zu fassen. 2.1.2.9 "Völkischer Freundeskreis" (VFK) Der 1989 von abtrünnigen Mitgliedern der ehemaligen "Kameradschaft Berlin" der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" ins Leben gerufene VFK war zwar nach längerer Inaktivität Anfang des Jahres 1991 mit Unterstützung der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiter- 2 - Politischer Extremismus - 39 partei" (FAP) reaktiviert worden, entfaltete jedoch 1992 und 1993 keine Aktivitäten. Der VFK - eine kleine Funktionärsgruppe - verstand sich bei Gründung als Projekt für Schulungsund Aufklärungsarbeit und wollte mit seiner politischen Arbeit Kameraden aus jeder nationalen Gruppierung erreichen. Der VFK veröffentlichte in der neonazistischen Schrift "Natur Schutz=Denkzettel" ("Doppelausgabe 5 + 6"), die Anfang November 1993 in rechtsextremistischen Kreisen verbreitet worden war, einen sog. Schulungsbeitrag mit der Überschrift "Die weltanschaulichen Grundlagen des Nationalen Sozialismus". 2.1.2.10 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BVV) Die im Jahr 1988 entstandene neonazistische Kleingruppe trat in den vergangenen Jahren sporadisch mit Plakatund Klebeaktionen in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Zu den verbreiteten Parolen zählten u. a.: "Holocaust in ISRAEL - SCHLUSS MIT DER KNECHTUNG DES PALÄSTINENSISCHEN VOLKES" und "Unser Glaube ist unser Schicksal". Anhänger des B W verbreiteten in Berlin und Umgebung handtellergroße Aufkleber mit Parolen wie "Arbeiter wehrt euch! - Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche Arbeitnehmer" und "Kampf der Reaktion/und Ihr habt doch gesiegt!". In den "Nachrichten der HNG" vom November 1993, der Publikation der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) ist die Kontaktadresse des B W mit dem Namen Mathias RIDDERSKAMP angegeben. Im Verlauf des Jahres 1993 verlagerte der BW, offenbar eine reine Funktionärsgruppe, seine geringen politischen Aktivitäten nach Lübben (Oberspreewald-Lausitz, Brandenburg). 2 - Politischer Extremismus - 40 2.1.2.11 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" Die seit Jahren in den östlichen Bezirken Berlins ansässige NeonaziKleinstgruppe "Vandalen" unterhält seit der Wende gute Kontakte zu neonazistischen Organisationen in Berlin und Umgebung. Die Anhänger der "Vandalen" kleiden sich martialisch und leben nach pseudo-germanischen Ordnungsbildern und Riten. Seit 1990 beteiligten sie sich an Zusammenkünften der neonazistischen Vereinigungen "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP), "Nationalistische Front" (NF) und "Wotans Volk". Vereinzelt werden Beiträge der "Vandalen" in einschlägigen SkinheadFanzines sowie in der von dem österreichischen Rechtsextremisten Walter OCHENSBERGER vertriebenen neonazistischen Zeitschrift "Sieg-AJ-Presse-Dienst" veröffentlicht. Am 19. Juni 1993 beteiligten sich Angehörige der "Vandalen" an einer von der neonazistischen Gruppe "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) organisierten Sonnwendfeier auf einem Zeltplatz am Bützsee bei Altfriesack (Brandenburg). An der Veranstaltung nahmen ca. 150 Personen teil. 2.1.2.12 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Die 1979 gegründete, seit März 1991 von Ursula MÜLLER (Mainz) geleitete HNG verfügt als eine der mitgliederstärksten Neonazi-Organisationen bundesweit über etwa 220 Mitglieder. Ihr Ziel ist es, "nationale politische Gefangene" zu betreuen und den Kontakt Inhaftierter zur neonazistischen Szene zu fördern. Als Anlaufstelle für Gesinnungsgenossen aus dem gesamten neonazistischen Spektrum gewährt die HNG finanzielle wie auch immaterielle Hilfe und vermittelt Kontakte zu anderen Rechtsextremisten. Die Organisation, die ihre Mitglieder aus verschiedenen neonazistischen Vereinigungen rekrutiert, hat in Berlin keine Gliederung. Träger hiesiger Aktivitäten für die Organisation sind lediglich Einzelmitglieder. Die etwa monatlich erscheinende Publikation "Nachrichten der HNG" veröffentlicht regelmäßig eine "Gefangenenliste", die der Kontaktvermittlung und Betreuung inhaftierter "Kameraden" dient. Darüber hinaus 2 - Politischer Extremismus - 41 werden Leserbriefe und Zuschriften von Gesinnungsgenossen aus der Haft abgedruckt. ; 2.1.2.13 "Neonazikreis um Curt Müller" Seit fast 20 Jahren dient das Anwesen des wegen NS-Aktivitäten vorbestraften Ehepaares Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim als Anlaufund Kommunikationsstelle für rechtsextremistische, vor allem neonazistische Aktivisten aus dem Inund Ausland. Seit 1986 fanden in Gonsenheim alljährliche Feiern zur Sonnwende und zu HITLERs Geburtstag statt, an denen sich auch Berliner Neonazis beteiligten. 2.1.2.14 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Seit Jahren schleust die NSDAP-AO Propagandamaterial, das mit der Urheberangabe "NSDAP/AO: Box 6414, Lincoln, NE 68506 USA" versehen ist, auch nach Berlin. Immer wieder werden Aufkleber und Handzettel der NSDAP-AO bei Klebeund Verteilaktionen im Stadtgebiet verwendet. Die NSDAP-AO ist eine seit 1976 aktive Gruppierung mit zahlreichen, unabhängig voneinander arbeitenden und meist aus Einzelpersonen bestehenden Stützpunkten in der Bundesrepublik Deutschland. Diese beziehen umfangreiches neonazistisches Propagandamaterial von der "Auslandszentrale" der NSDAP-AO in den USA. Bundesweit gehören zu der Gruppe etwa 100 Personen. Bei dem Propagandamaterial handelt es sich um die sechsmal jährlich erscheinende Zeitschrift "NS-Kampfruf", um Flugblätter, Plakate und Aufkleber, die auch unaufgefordert an Bewohner der Bundesrepublik Deutschland versandt werden, sowie um Hakenkreuzfahnen und -armbinden. Leiter der NSDAP-AO ist der US-Bürger Gary Rex LAUCK. Da in den Vereinigten Staaten von Amerika im Gegensatz zur hiesigen Rechtslage 2 - Politischer Extremismus - 42 die Herstellung und Verbreitung neonazistischen Propagandamaterials nicht verboten ist, können dort keine juristischen Maßnahmen gegen LAUCK ergriffen werden. 2.1.2.15 "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) und "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) bzw. "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) Im Spätsommer 1992 spaltete sich von der "Nationalistischen Front" (NF) eine Gruppierung ab, die unter den Bezeichnungen "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) und "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) u. a. durch Herausgabe der Zeitschrift "Angriff' in Erscheinung trat. Neben personellen Querelen zwischen Meinolf SCHÖNBORN und Andreas POHL war vor allem ein Plan SCHÖNBORNs, ein "Nationales Einsatzkommando" (NEK) zu gründen, Anlaß der Abspaltung gewesen. Andreas POHL war bis Frühjahr 1992 stellvertretender Bundesvorsitzender bzw. stellvertretender Generalsekretär der inzwischen verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) gewesen und maßgeblich an der Spaltung der NF 1992 in einen "SCHÖNBORN-Flügel" und einen "POHL-Flügel" beteiligt. Seit Mitte 1993 stand POHL in Verbindung mit den neonazistischen Gruppen SrA und "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) bzw. der jetzigen "Direkten Aktion/Mitteldeutschland" (JF). Die SrA versteht sich nach eigener Darstellung als "Kaderund Elitepartei", die von ihren Mitgliedern militärische Einund Unterordnung sowie die Bereitschaft, "unermüdlich und diszipliniert zu arbeiten und zu kämpfen", verlangt. Demgegenüber soll das FMJ als "Massenorganisation" der Aufgabe dienen, "nationaldenkende Jugendliche zu mobilisieren und zu organisieren". Die Gruppe verfügt über Anhänger auch in Berlin - etwa 10 Personen - und vor allem in Brandenburg. Am 22. Juni 1993 hat sich das FMJ angeblich selbst aufgelöst. Damit wollte man einem möglichen Verbot zuvorkommen, das in Pressemeldungen angedeutet worden war. Tatsächlich setzte die Organisation ihre Aktivitäten zunächst unter der Bezeichnung "Kameradschaftsverbund 2 - Politischer Extremismus - 43 Mitteldeutschland", später unter der Bezeichnung "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) fort. 2.1.3 Militante Skinhead-Szene in Berlin Bei der militanten Skinhead-Szene handelt es sich um eine eigenständige, nach außen abgeschottete Subkultur, die den Hauptteil des militanten Rechtsextremismus ausmacht. Äußerliche Kennzeichen der Skinheads waren längere Zeit kahlund kurzgeschorene Köpfe, sog. Bomberjacken und Springer-Stiefel. Zunehmend läßt sich feststellen, daß dieses Erscheinungsbild nicht mehr typisch ist. Skinheads variieren z. B. durch längere Haare ihr Aussehen, um ihre "Szene"-Zugehörigkeit zu tarnen. Viele Skins verzichten aus Angst vor militanten "Antifaschisten" und türkischen Jugendlichen auf die äußerlichen Erscheinungsmerkmale. Diese Entwicklung hat sich insbesondere nach den Brandanschlägen in Mölln und Solingen noch verstärkt. Ein weiterer Grund für diese Verhaltensweise dürften die staatlichen Repressionsmaßnahmen gegen Skins (Durchsuchungsund Beschlagnahmeaktionen, Verbote von Konzerten) sein. Die Gesamtstärke der Berliner Skinheads liegt bei über 600 Personen. Davon sind 420 nach den vorliegenden Erkenntnissen eindeutig den rechtsextremistischen Skinheads zuzurechnen. Bei ihnen liegt eine ausgeprägte oder zumindest latente Gewaltbereitschaft vor, die sich insbesondere gegen Ausländer ("Kanaken"), Asylanten, vermeintlich linksorientierte Personen ("Zecken"), Homosexuelle und gegen sonstige in ihrer Vorstellungswelt Andersartige richtet. Gewaltaktionen werden zumeist nicht konkret vorbereitet und nach abgesprochenem Plan durchgeführt, sondern laufen spontan ab. Gesteigerte Aggressionsbereitschaft ist auf übermäßigen Alkoholgenuß, aufputschende SkinMusik sowie gruppendynamische Aspekte (Führer/Mitläufer, Außenseiter) zurückzuführen. Das Selbstverständnis der militanten Skinheads wird zutreffend in einem "Song" der Berliner Skinband "Landser" beschrieben: "Für Bier und Bier und nochmal Bier werde ich zum wilden Tier. 2 - Politischer Extremismus - 44 Gewalt, Gewalt, die nackte Gewalt, was anders ist, wird umgeknallt...". Skinheads treten bei rechtsextremistisch motivierten Gewaltaktionen insbesondere durch Körperverletzungen hervor. Bei den nicht gewalttätigen Vorfällen handelt es sich vorrangig um das Verwenden von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen, wie Hakenkreuz und SS-Runen. Zum soziologischen Hintergrund der militanten Skinheads läßt sich feststellen, daß dieser Personenkreis überwiegend zwischen 18 und 25 Jahre alt, fast ausschließlich ledig und männlich ist. Frauen spielen in der Skinhead-Szene nur eine unbedeutende Rolle. In vielen Fällen sind die Eltern geschieden oder ein Elternteil ist bereits verstorben. Wohnorte und Betätigungsfelder der Skins liegen etwa zu zwei Dritteln in Ostberlin. Viele Skinheads befinden sich - bedingt durch die Altersstruktur - noch in der Schulbzw. Berufsausbildung. Unter den Schülern finden sich fast nur solche Personen, die die Hauptschule besuchen. Soweit Skins eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, handelt es sich fast ausschließlich um Berufe im handwerklichen Bereich. In vielen Fällen jedoch ist die (Haupt-)Schulausbildung vorzeitig beendet, die Lehre abgebrochen oder erst gar nicht begonnen worden. Die Angehörigen der militanten Skinhead-Szene verfügen häufig nur über ein geringes Bildungsniveau. Zahlreiche Skins sind arbeitslos oder beziehen Sozialhilfe. Übergreifende Organisationsstrukturen innerhalb der Skinhead-Szene bestehen nicht. Es kommt zu eher losen, einer starken Fluktuation unterliegenden, kurzlebigen, z. T. auch spontanen Personenzusammenschlüssen. Neonazis und Skinheads pflegen untereinander Kontakte. 80 der 420 rechtsextremistischen Berliner Skinheads gehören gleichzeitig neonazistischen Organisationen an. Eine kontinuierliche, vor allem organisationsgebundene politische Arbeit ist für Skins jedoch nur von geringem Stellenwert. In vielen Fällen werden sie von den hierarchischen Strukturen der rechtsextremistischen Gruppen abgeschreckt. 2 - Politischer Extremismus - 45 Eine konkrete Steuerung von Skinhead-Aktionen durch Neonazi-Organisationen ist nicht festzustellen. Als Kommunikationsmittel der militanten Skinhead-Szene dienen Skinhead-Musik und Skinhead-Magazine (Fanzines oder Zines), in denen sie unverhüllt ihre Ideologie preisgeben, die von wesentlichen Elementen des Nationalsozialismus - Antisemitismus, Rassismus und übersteigertes Nationalbewußtsein - geprägt ist. Gewalt stellt für sie ein probates Mittel zur Lösung politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme dar. In einem "Interview" mit der rechtsextremistischen Berliner Skinhead-Band "Macht & Ehre" heißt es u. a.: - "Mein politischer Wunsch besteht daraus, ein neues Reich zu schaffen ... Wir müssen es weiß machen, sowie J ..., Moslems, Kommis, Neger und sonstige abartige Rassen ausrotten ...". Skin-Songs und Skin-Magazine sind fester Bestandteil der SkinheadSzene und dokumentieren eindeutig deren rassistische, antisemitische und nationalistische Grundmotivation. Am 3. Februar 1993 führte die Polizei auf Anordnung der Bundesanwaltschaft in sieben Bundesländern - darunter auch in Berlin - Durchsuchungsmaßnahmen gegen Hersteller und Verbreiter rechtsextremistischer Skinhead-Musik u. a. wegen des Verdachts der Gewaltverherrlichung und des Rassenhasses durch. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. In Berlin richteten sich die Maßnahmen gegen Mitglieder der rechtsextremistischen Skinbands "Landser" und "Macht & Ehre", wobei u. a. Musikkassetten sichergestellt worden sind. Am 15. Juli 1993 fanden - ebenfalls auf Anordnung der Bundesanwaltschaft - Durchsuchungsaktionen gegen Hersteller und Vertreiber rechtsextremistischer Skinhead-Magazine statt, wobei in Berlin der Herausgeber des einzigen Berliner Zines "Proißens Gloria" betroffen war. Zahlreiche schriftliche Unterlagen wurden sichergestellt. 2 - Politischer Extremismus - 46 Die staatlichen Maßnahmen haben die Szene deutlich verunsichert. Das Skinhead-Fanzine "Proißens Gloria" ist im Jahre 1993 nicht mehr herausgegeben worden. Bundesweit haben sich einige Skin-Bands aufgelöst. In Berlin wurden aufgrund der Durchsuchungsergebnisse gegen die Mitglieder der Bands "Landser" und "Macht & Ehre" Ermittlungsverfahren eingeleitet, die noch nicht abgeschlossen sind. Das Verfahren wegen Volksverhetzung gegen den Herausgeber des Zines "Proißens Gloria" ist mangels Tatverdachts eingestellt worden. 2.1.4 "Nationalfreiheitliche'VNationaldemokraten" Im Unterschied zu Neonazis orientieren sich die sich selbst als "nationalfreiheitlich" bzw. "nationaldemokratisch" bezeichnenden Organisationen der "Alten Rechten" stärker an völkisch-kollektivistischen, etatistischen, nicht unbedingt nationalsozialistischen Vorstellungen. Gewalttätige Aktionen gehen von diesen Parteien nicht aus. Die größten rechtsextremistischen Parteien sind die "Deutsche Volksunion" (DVU) mit etwa 26 000 Mitgliedern - der DVU-Vorsitzende Dr. FREY nennt höhere Zahlen -, "Die Republikaner" (REP) mit 23 000 und die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) mit 5 000 Mitgliedern. In Berlin weisen diese Organisationen zusammen mit der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) und dem Verein "Die Nationalen e. V." nominell ca. 2 650 Mitglieder auf, doch ist nur ein geringer Teil der Mitglieder tatsächlich aktiv. Mit der Gründung neuer rechtsextremistischer Organisationen ("Deutsche Liga für Volk und Heimat" und "Die Nationalen e. V.") in Berlin trat eine weitere Zersplitterung des "nationalistischen" Lagers ein, die die politische Bedeutung der "nationalfreiheitlichen'Vnationaldemokratischen" Organisationen in der Stadt eher geschwächt hat. 2.1.4.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die 1971 von dem Verleger der rechtsextremistischen "Deutschen Nationalzeitung", Dr. Gerhard FREY, gegründete mitgliederstärkste rechtsextremistische Vereinigung organisierte sich erst 1987 als Partei. 2 - Politischer Extremismus - 47 Die hohe Zahl von knapp 700 (nominellen) Mitgliedern - die tatsächliche Zahl dürfte erheblich niedriger sein - allein im Landesverband BerlinBrandenburg läßt keine Rückschlüsse auf den Umfang der Parteiaktivitäten zu. Von den Mitgliedern wird in der Regel außer der Zahlung monatlicher Beiträge und dem Abonnement FREY'scher Zeitungen keine weitere Aktivität erwartet, so daß die DVU im wesentlichen eine Institution zur finanziellen und ideellen Unterstützung der Interessen ihres Mentors ist. Die förmliche Ausdehnung der Berliner DVU auf das Land Brandenburg durch Gründung eines gemeinsamen Landesverbandes am 23. März 1991 hatte nicht zu einer Steigerung der Aktivitäten geführt. Inzwischen wurde am 28. August 1993 auf einem Parteitag in Röbel (MecklenburgVorpommern) der gemeinsame Landesverband in zwei selbständige Landesverbände für Berlin und Brandenburg getrennt. Zum Vorsitzenden des Landesverbandes Berlin wurde der langjährige DVU-Funktionär und bisherige Vorsitzende des gemeinsamen Landesverbandes, HansWerner ROLOFF, gewählt. Dem Berliner Vorstand gehören weiterhin zwei stellvertretende Vorsitzende sowie drei Beisitzer an. Vorsitzender des Landesverbandes Brandenburg ist Manfred SCHULZE, ein bisher nicht bekanntgewesenes DVU-Mitglied. Daneben wählte man einen stellvertretenden Vorsitzenden sowie drei Beisitzer. Seit Gründung des Berliner Landesverbandes der DVU sind für die DVU e. V. keine eigenen Aktivitäten mehr zu verzeichnen; die Mitglieder des Vereins sind automatisch Mitglieder der Partei. 2.1.4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 gegründete NPD befindet sich bundesweit weiterhin in einem Tief und verfügt bundesweit über etwa 5 000 Mitglieder. Der Landesverband Berlin-Brandenburg der NPD zählte gegen Jahresende 1993 etwa 90 Mitglieder. Am 21. November 1993 fand der 3. ordentliche Landesparteitag des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der NPD statt. Zum Landes- 2 - Politischer Extremismus - 48 Vorsitzenden wurde erneut Thilo KABUS und zu seinem Steilvertreter wiederum Thomas SALOMON gewählt. KABUS behauptete in seinem Rechenschaftsbericht, der Landesverband habe im zurückliegenden Jahr 41 Veranstaltungen, darunter 32 mit Gästen und neun für Mitglieder, durchgeführt. Während der Veranstaltung teilte KABUS mit, daß gegen den nichterschienenen Vorsitzenden der Jugendorganisation der Partei, der "Jungen Nationaldemokraten" (JN), Andreas STORR, ein Parteiausschlußverfahren eingeleitet worden sei. Zur Lage der NPD Berlin-Brandenburg führte KABUS u. a. aus, daß man eine Reihe von Austritten zu verzeichnen habe. Aufgrund personeller und finanzieller Schwierigkeiten beteiligte sich die NPD nicht an den Kommunalwahlen am 5. Dezember 1993 im Land Brandenburg. Zu den Europa-, Bundestagsund Bayerischen Landtagswahlen will die NPD antreten. 2.1.4.2.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die Aktivitäten des aus etwa 10 Personen bestehenden Landesverbandes Berlin-Brandenburg der JN beschränkten sich 1992/93 allein auf die Herausgabe der unregelmäßig erscheinenden Jugendzeitschrift "Denkzettel". Der Landesverband Berlin-Brandenburg der JN war 1993 in Meinungsverschiedenheiten mit der Mutterpartei NPD verwickelt. Die Partei hatte gegen den Bundesvorsitzenden der Jugendorganisation, Andreas STORR, ein Parteiausschlußverfahren wegen parteischädigenden Verhaltens eingeleitet, da STORR angeblich mehr für neonazistische Organisationen als für die NPD tätig gewesen sei. Dem Parteiausschlußverfahren gegen STORR waren längere Auseinandersetzungen zwischen NPD-Landesverband Berlin-Brandenburg und seiner Jugendorganisation, die sich als "nationale Gesinnungsund Kampfgemeinschaft" betrachtet, die "nicht Bestandteil des Systems sein will, sondern gegen dieses System kämpft", vorausgegangen. Unter Mißachtung der politischen Grundsätze des NPD-Landesverbandes unterhalten der JN-Landesvorsitzende ERIKSSON und der JN-Bundes- 2 - Politischer Extremismus - 49 Vorsitzende STORR Verbindungen zu Neonazis und waren als einzige Berliner mit Tarnnamen in einer Mpbiltelefonliste zur Vorbereitung der HESS-Veranstaltung am 14. August 1993 in Fulda aufgeführt. Tatsächlich nahmen JN-Angehörige am sog. Rudolf-HESS-Gedenkmarsch in Fulda teil, wo u. a. der stellvertretende JN-Bundesvorsitzende Holger APFEL als Redner auftrat. Andreas STORR zählt auch zu den ständigen Mitarbeitern der JN-Zeitschrift "Einheit und Kampf. Stimme des Jungen Deutschlands". In deren Ausgabe vom September 1993 wird die Einrichtung einer eigenen AntiAntifa angekündigt. Unter der Überschrift "Die antifaschistische Selbsthilfe organisieren - Nazis aufs Maul!" wird eine Anleitung für Anti-AntifaArbeit geboten, zu der es heißt: "Nutzen auch wir die Möglichkeit der gezielten Einschüchterung, um über das Prinzip der gegenseitigen Abschreckung wieder zum politischen Dialog zu gelangen." 2.1.4.3 "Die Nationalen e. V." "Die Nationalen e. V." wurden am 3. September 1991 von Angehörigen der NPD, der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) sowie ehemaligen Mitgliedern der Partei "Die Republikaner" unter dem Namen "Freiheitliche Wählergemeinschaft - 'Wir sind das Volk'" (WSDV) gegründet, um an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai 1992 teilzunehmen. Die "Wählergemeinschaft 'Die Nationalen'" kandidierte bei den B W - Wahlen 1992 mit über 40 Kandidaten in neun Berliner Bezirken und erhielt zwischen 0,16 % und 0,69 % der abgegebenen gültigen Stimmen. Trotz des für die Wählergemeinschaft enttäuschenden Wahlergebnisses wurde sie am 28. August 1992 als Verein "Die Nationalen e. V." mit Sitz in Berlin eingetragen. 2 - Politischer Extremismus - 50 "Die Nationalen e. V." gliedern sich in einen Landesverband BerlinBrandenburg und die Kreisverbände Südost und Südwest. Vorsitzender ist seit Februar 1993 Frank SCHWERDT. Unter den Beisitzern befinden sich zwei Neonazis. Einer von ihnen ist gleichzeitig verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit und für die Herausgabe der Vereinspublikation "Berlin-Brandenburger". Der sich weiterhin als "Wählergemeinschaft" verstehende Berliner Verein "Die Nationalen e. V.", der bisher nur regionale Bedeutung für Berlin hatte, stellt sich in seiner Publikation "Berlin-Brandenburger" - Ausgabe August/September 1993 - nunmehr als Modell für Mitteldeutschland vor. So will der Verein - laut "Berlin-Brandenburger" - mit der Verabschiedung einer neuen Satzung auf einer eigens hierfür einberufenen Mitgliederversammlung im Berliner Bezirk Treptow die Voraussetzungen für den Aufbau von organisatorischen Strukturen auch außerhalb Berlins und Brandenburgs geschaffen haben. Neben der personellen und organisatorischen Erweiterung in Mitteldeutschland will der Vorsitzende Frank SCHWERDT den Verein als Sammelbecken für Nationalisten anbieten. So habe sich die Publikation "Berlin-Brandenburger" - nach eigenen Angaben - zusehends zum Nachrichtenträger für das gesamte nationale Lager in Berlin und Brandenburg entwickelt. Die Auflagenhöhe sei von 500 Exemplaren auf nunmehr 12 500 Exemplare gesteigert worden. Die Schrift veröffentlicht auch Beiträge über das neonazistische "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) und andere Gruppierungen. Der ursprünglich nur von den Mitgliedern der NPD, der DLVH und unzufriedenen ehemaligen Anhängern der Partei "Die Republikaner" sowie einzelnen Neonazis getragene Verein gerät zunehmend in neonazistisches Fahrwasser. Diese Entwicklung wird u. a. bestätigt durch den Rückzug der NPD aus dem Verein seit Anfang 1993 sowie gleichzeitig festgestellter neuer Verbindungslinien zu Neonazi-Gruppen. 2.1.4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" konstituierte sich am 3. Oktober 1991 in Villingen-Schwenningen als Partei, die wegen der 2 - Politischer Extremismus - 51 befürchteten Konkurrenz von anderen Parteien der "alten Rechten" (NPD, DVU) abgelehnt wird. Der DLVH gehören bundesweit etwa 900 Mitglieder an. Am 8. Februar 1992 wurde auf einem von 80 Teilnehmern besuchten Gründungsparteitag der Landesverband Berlin-Brandenburg der "Deutschen Liga" (DL) ins Leben gerufen; zum Landesvorsitzenden wurde der ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der Partei "Die Republikaner", Frank SCHWERDT, gewählt. Auf dem Bundesparteitag der DLVH am 14. November 1993 wurde SCHWERDT wegen seiner Verbindungen zu Funktionären neonazistischer Organisationen auf Beschluß des Bundesvorstandes aus der Partei ausgeschlossen. Mit der kommissarischen Führung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg beauftragte man den bisherigen stellvertretenden Landesvorsitzenden Peter GILLIAN. Dem hiesigen Landesverband sollen 140 Mitglieder angehören. Überregionales Aufsehen erregte im Frühjahr 1992 die Ermordung eines führenden Funktionärs der Partei. Am 4. April 1992 wurde das Vorstandsmitglied der DLVH Berlin-Brandenburg, Gerhard KAINDL, in einem Kreuzberger Restaurant bei einem Überfall erstochen. Mit der Tat wird die militante türkische Gruppe "Antifasist Genclik" ("Antifaschistische Jugend") in Verbindung gebracht. Eigenständliche politische Aktivitäten des hiesigen Landesverbandes der DLVH sind im Jahre 1993 nicht bekanntgeworden. Der ehemalige Landesvorsitzende Frank SCHWERDT scheint sein Hauptaugenmerk mehr auf den ebenfalls von ihm geleiteten Verein "Die Nationalen e. V." gelenkt zu haben. Die DLVH beabsichtigt, an den bevorstehenden Wahlen auf Bundesund Landesebene teilzunehmen. 2.1.4.5 "Die Republikaner" (REP) Die Leiter der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern vereinbarten am 15. Dezember 1992, die Partei "Die Republikaner" (REP) bundesweit zu beobachten. Die Verfassungsschutzbehörden des Bun- 2 - Politischer Extremismus - 52 des und der Länder waren zu der Auffassung gelangt, daß bei der Partei "Die Republikaner" tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen. Der Bundesminister des Innern wies daraufhin das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) an, die Partei auf Bundesebene zu beobachten. In Übereinstimmung mit der Anweisung des BMI hat der Berliner Innensenator am 16. Dezember 1992 entschieden, den Berliner Landesverband der REP beobachten zu lassen. Mehrere REP-Landesverbände hatten gegen ihre Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln einstweilige Anordnungen beantragt, die von den zuständigen Verwaltungsgerichten in der Regel zurückgewiesen wurden (z. B. Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1993 - Az. 5 CE 93.2327 -); eine Ausnahme bildet wegen der abweichenden landesrechtlichen Regelung lediglich Niedersachsen (Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 29. November 1993 -Az. 10 A 1051/93-). Die REP haben außerdem im September 1993 beim Bundesverfassungsgericht ihre Organklage gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und auch ihren Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, durch die dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mittel untersagt werden sollte, zurückgezogen. Die Partei "Die Republikaner" wurde 1983 von den ehemaligen CSUBundestagsabgeordneten Ekkehard VOIGT und Franz HANDLOS und dem jetzigen Bundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER gegründet. Dem REP-Bundesvorstand gehören nach Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom August 1993 46 Personen einschließlich 16 Landesvorsitzende an, davon vier Personen aus Berlin. Die Partei mit bundesweit etwa 23 000 Mitglieder ist organisatorisch in allen Bundesländern vertreten. Sie verfügt derzeit über 16 Landtagsmandate, ein Bundestagsmandat und ein Mandat im Europaparlament. 1993 beteiligte sie sich an den Kommunalwahlen in Hessen - dort erreichte sie 8,3 % - und an den 2 - Politischer Extremismus - 53 Bürgerschaftswahlen in Hamburg, wo sie mit 4,8 % nur knapp den Einzug in die Bürgerschaft verfehlte. Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg im Dezember 1993 traten die REP nur in zwei Gemeinden an und erreichten insgesamt ein Mandat. Die REP beabsichtigen, an der Europawahl im Juni 1994 teilzunehmen. Desgleichen wollen sie sich an der Bundestagswahl, den Landtagswahlen und wohl auch an den anstehenden Kommunalwahlen beteiligen. Die Bundespartei bzw. einzelne Landesverbände geben folgende Publikationen heraus: "Der Republikaner" (bundesweit) "Die Republikaner - Nachrichten und Meinungen - Aus Berlin für Berlin" "NRWRep-Ort" "Reportage" "REPortage" Die Partei verfügt über keine selbständige Jugendorganisation. Laut Satzung sind auf jeder Parteiebene für Mitglieder im Alter zwischen 18 und 30 Jahren weisungsgebundene Arbeitskreise "Republikanische Jugend" zu bilden. Äußerungen maßgeblicher Vertreter der REP und programmatische Stellungnahmen der Partei weisen Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung auf. Die REP agitieren in ihren Progapandaschriften gegen Asylbewerber und Ausländer und befürchten einen "drohenden Verlust der nationalen Identität durch ungebremste Überfremdungsversuche ...". Ferner betonen sie völkische Elemente; die "Volksgemeinschaft" solle "tagtägliche Wirklichkeit" werden. Sie sehen sich als "Gesinnungsgemeinschaft", deren "historische Mission" in der "Rettung des deutschen Vaterlandes" bestehe. 2 - Politischer Extremismus - 54 Trotz der Distanzierung des REP-Parteivorsitzenden SCHÖNHUBER vom Nationalsozialismus ("Der Republikaner" Nr. 1/93 treten die REP kontinuierlich für die "Beendigung der Vergangenheitsbewältigung" ein, wenden sich gegen die "Umerziehung", leugnen bzw. relativieren die Kriegsschuld und stellen die Zahl der im "Dritten Reich" ermordeten Juden in Frage. Der hiesige Landesverband soll 1993 etwas über 1 700 Mitglieder umfaßt haben; darunter etwa 350 Personen in den östlichen Bezirken. Landesvorsitzender ist Dr. Werner MÜLLER (58). Dem Berliner Landesvorstand gehören z. Z. 15 Personen an. Der Berliner Landesverband führte am 23. Oktober 1993 seinen Landesparteitag durch. Nach Presseinformationen trafen sich die etwa 110 Teilnehmer in Berlin-Spandau auf einem Motorschiff und fuhren in Richtung Wannsee. Nach Polizeiinformationen hatten sich bis zu 200 Personen aus der linken Szene in der Nähe des Schiffes und auf nahegelegenen Brücken versammelt. Aufgrund der Polizeipräsenz kam es zu keinen Zwischenfällen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Wahl Dr. Werner MÜLLERs zum Berliner Spitzenkandidaten für die Europawahl 1994. Der Berliner Landesverband gibt in unregelmäßigen Abständen das InfoBlatt "Die Republikaner - Nachrichten und Meinungen - Aus Berlin für Berlin" in einer Auflage von 1 000 Exemplaren heraus. Außerdem veröffentlichen einzelne Kreisverbände Flugblätter und Broschüren, in denen sie über ihre politische Arbeit in den Bezirken berichten und ihre BVV-Mitglieder vorstellen. Darüber hinaus wird u. a. die Politik des Berliner Senats, insbesondere die Ausländerund Asylpolitik, in scharfer Form mit fremdenfeindlichem Tenor kritisiert. In ihren Veröffentlichungen fordern die Berliner REP die mittelfristige Abschiebung von Ausländern, die längere Zeit in Deutschland leben, aber nicht die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben; weiterhin sollen sofortige Abschiebungen bei Dauerarbeitslosigkeit oder Ablehnung des Asyls durchgesetzt werden. Sie verlangen die Schließung aller Grenzen, um so die Einreise krimineller Ausländer - insbesondere aus dem Ostblock - zu verhindern, und lehnen den Zuzug weiterer Ausländer grundsätzlich ab. Politisch Verfolg- 2 - Politischer Extremismus - 55 te sollen nicht auf Länder, Städte und Gemeinden verteilt, sondern in Sammellagern (weit außerhalb der Städte) zusammengefaßt werden. Diese ausländerfeindliche Haltung zeigte sich in Äußerungen einzelner REP-Mitglieder und Mandatsträger. So wurden im Jahr 1993 gegen vier Fraktionsmitglieder der REP in den Bezirken Friedrichshain und Tiergarten Strafverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Der Ausgang der Verfahren ist noch offen. Austritte einzelner REP-Mitglieder und -Funktionäre weisen darauf hin, daß es sich hier nicht um Einzelfälle rechtsextremistischer Gesinnung handelt. Zur Strategie der REP gehört es seit langem, sich in jeder Form von anderen Organisationen oder Personen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, zu distanzieren. Sie erklären, Skinheads und Rechtsextremisten hätten bei den REP nichts zu suchen. Die Abgrenzung zielt jedoch in erster Linie auf Neonazis, mit denen man keineswegs in Verbindung gebracht werden will. So wurde im November 1993 der stellvertretende Vorsitzende des REPKreisverbandes Berlin-Charlottenburg, Olaf HEMPELMANN, von seiner Parteifunktion entbunden, nachdem er eine Mahnund Gedenkkundgebung zu Ehren aller im "nationalen Befreiungskampf Gefallenen" angemeldet hatte, für die auch Neonazis und Angehörige des rechtsextremistischen Vereins "Die Nationalen e. V." mobilisiert hatten. Der Landesverband Berlin der Partei "Die Republikaner" hatte seit Beginn seiner Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin kaum öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entwickelt. Mit Ausnahme vereinzelter Info-Stände im Stadtgebiet und der Durchführung ihres Landesparteitages traten sie nicht weiter in Erscheinung. Die Lage des Berliner Landesverbandes ist derzeit durch innerparteiliche Differenzen gekennzeichnet; das zeigt sich u. a. an dem Austritt von zwei REP-Mandatsträgern aus ihrer Partei und der damit verbundenen Auflösung der REP-Fraktion im Bezirk Mitte. Darüber hinaus wurde mit der Abwahl des REP-Wirtschaftsstadtrates in Tiergarten am 26. November 1992 und der bisher erfolglosen Suche nach einem Nachfolger deutlich, daß die REP nicht in der Lage sind, geeignete Personen aus ihren eigenen Reihen zur Weiterführung der politischen Arbeit zu finden. In Übereinstimmung mit der Bundespartei ist auch der Berliner REPLandesverband darauf bedacht, seine Abgrenzung zu Rechtsextremisten und Neonazis zu verdeutlichen. So richtete der REP-Landes- 2 - Politischer Extremismus - 56 Vorsitzende im November 1993 einen Brief an das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin, in dem er mitteilte, daß der Landesvorstand in mehreren Fällen "sofortige Ordnungsmaßnahmen" beschlossen habe. Als parteischädigend wurde z. B. die Bezeichnung des Bundesinnenministers als "Systempolitiker" gewertet. Die "Einschaltung" des LfV hatte der REP-Landesvorstand vorher in einer Presseinformation angekündigt. Diese plakative Aktion enthält ein indirektes Eingeständnis rechtsextremistischer Verbindungen oder Aktivitäten von Parteimitgliedern bzw. Parteifunktionären. s 2.1.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 2.1.5.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." Die frühere "Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin" ist seit Jahren ein Sammelbecken für das gesamte rechtsextremistische Spektrum Berlins von der NPD bis hin zu eindeutig neonazistischen Gruppen. Zu Großveranstaltungen der Gemeinschaft, der etwa 30 Mitglieder angehören, erscheinen regelmäßig Hunderte von Rechtsextremisten aus allen Teilen des Bundesgebietes; die Vortragsveranstaltungen, auf denen prominente Referenten der rechtsextremistischen Szene auftreten, werden durchschnittlich von etwa 60 Zuhörern besucht. Höhepunkt ihrer Aktivitäten ist alljährlich seit dem Fall der Mauer ein gemeinsam mit der "WikingJugend e. V." (WJ) und der "Nationalistischen Front" (NF) auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Dahme-Spreewald, Brandenburg) veranstalteter "Heldengedenktag", an dem sich in früheren Jahren -1993 wurde die Feier verboten - Hunderte von Rechtsextremisten, darunter auch Gesinnungsgenossen aus Belgien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden, beteiligt hatten. Auch zum Volkstrauertag am 14. November 1993 trat - wie in den letzten drei Jahren - die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." als Anmelder der "Heldengedenkfeier" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Dahme-Spreewald, Brandenburg) auf. Zu den Organisatoren gehörten vor allem Personen aus der "Wiking-Jugend e. V." (WJ), der FAP und der "Nationalen Liste" (NL). Daneben hatten insbesondere die "Jungen 2 - Politischer Extremismus - 57 Nationaldemokraten" (JN) - die Jugendorganisation der NPD - für Halbe mobilisiert. Um die Verbote von Gedenkveranstaltungen zu unterlaufen, hatten die Organisatoren geplant, die Teilnehmer auf einen für die Sicherheitsbehörden vorher nicht identifizierbaren Veranstaltungsort umzulenken. Durch ähnliche Aktionen war es Neonazis am 14. August 1993 gelungen, in Fulda eine Kundgebung anläßlich des 6. Todestages des Führerstellvertreters Rudolf HESS durchzuführen. Das Scheitern der geplanten Aktionen und die Verhinderung der Veranstaltungen, vor allem der mit großem Propagandaaufwand als "zweites Fulda" angekündigten Gedenkfeier in Halbe, wurde in der neonazistischen Szene als deutlicher Mißerfolg empfunden. Die Veranstaltungen der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." haben mit dem demonstrativen Auftreten inund ausländischer Neonazis das besondere "Interesse" linksextremistischer militanter "Antifaschisten" gefunden. 2.1.5.2 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e. V." (WJ) Der in der Tradition der ehemaligen "Hitler-Jugend" (HJ) stehenden und nach dem Führerprinzip organisierten "Wiking-Jugend e. V." (WJ) gehören bundesweit etwa 400 Personen an; in Berlin sind es etwa 10 Aktivisten sowie einige jugendliche Anhänger. Führer des "Gau Berlin" ist in Personalunion der WJ-Bundesführer Wolfram NAHRATH. Wie in den Vorjahren konzentrierte sich die Berliner WJ-Formation auch 1993 auf gemeinsam mit anderen rechtsextremistischen, vornehmlich neonazistischen Organisationen durchgeführte Veranstaltungen. Am 27. August 1993 sprach der WJ-Bundesvorsitzende Wolfram NAHRATH zum Thema "Europa, Maastricht und der Paneuropa-Gedanke aus nationaler Sicht" auf einer Veranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V.". NAHRATH unterstrich die bekannte Haltung der "Kulturgemeinschaft" zur Europapolitik der Bundesregierung, indem er u. a. ein vereintes Europa und die "Maastrichter Verträge" strikt ab- 2 - Politischer Extremismus - 58 lehnte. Weiterhin behauptete NAHRATH, daß allein das deutsche Volk die Kosten für einen europäischen Zusammenschluß zu tragen hätte. An einem von der WJ initiierten Fußballturnier des "Gaues Berlin - Reichshauptstadt" in den Grünund Erholungsanlagen Am Kiesteich (Berlin-Spandau) am 18. September 1993 beteiligten sich etwa 100 meist jüngere Personen, darunter viele Frauen und Kinder. Neben dem WJ-Bundesvorsitzenden zählten WJ-Anhänger und einige Neonazis zu den Zuschauern. Während das Spiel ohne Zwischenfälle verlief, kam es danach an einem Imbißkiosk in der Falkenseer Chaussee zwischen Autonomen und Anhängern der WJ zu tätlichen Auseinandersetzungen. Beim Eintreffen der Polizei entfernten sich die Kontrahenten. Am Tage vor dem Spiel war während eines sog. Meetings, im "Mehringhof" auf die WJ-Veranstaltung hingewiesen worden. In einem Flugblatt forderten autonome Gruppen dazu auf, die Grünanlagen zu besetzen und das Fußballturnier zu unterbinden. 2 - Politischer Extremismus - 59 2.1.6 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund Bekanntgewordene Vorfälle mit rechtsextremistischem Bezug in Berlin 1991 -1993 1991 1992 1993 Gesamt 389 475 647 darunter: ausländerfeindlich 139 >180 212 darunter: antisemitisch 40 63 75 darunter: Gewalttaten 57 92 75* * Die 75 Gewalttaten im Jahre 1993 setzen sich zusammen aus 48 Taten im Ostund 27 im Westteil Berlins (Stand: wie Redaktionsschluß. Sofern die Vergleichszahlen vom "Durchblicke" 1. Jg. [1994] Nr. 1, "Rechtsextremismus in Berlin" abweichen, beruht dies auf einem aktuelleren Kenntnisstand.). Die Zahl der für das Jahr 1993 bekanntgewordenen Gesetzesverletzungen mit erkennbarem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund in Berlin ist gegenüber dem Vorjahr weiter erheblich von 475 auf 647 angestiegen. Darüber kann auch nicht der Rückgang der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten von 92 auf 75 hinwegtäuschen. 2 - Politischer Extremismus - 60 212 Vorfälle, darunter 54 Gewaltakte, hatten einen ausländerfeindlichen Hintergrund; 75 Gesetzesverletzungen hatten antisemitischen Charakter. 35 Vorfälle zielten gegen politische Gegner. In 91 Fällen konnten insgesamt 200 Täter bzw. Tatverdächtige festgestellt werden. Altersstruktur der Täter bzw. Tatverdächtigen Alter Anzahl unter 18 14 18 bis 25 150 26 bis 35 25 36 bis 45 8 46 und älter 3 Gesamtzahl 200 Berlin nahm auch 1993 in der bundesweiten Statistik der Gewalttaten mit erkennbarem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund einschließlich der Anschläge auf Ausländerund Asylantenwohnheime einen hinteren (11.) Platz ein. Nach dem Höchststand rechtsextremistischer Gewalt im Jahre 1992 registrierten die Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland 2 - Politischer Extremismus - 61 1993 2 232 Gewalttaten* mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation. Gegenüber der extremen Eskalation rechtsextremistischer Gewalt im Jahre 1992 mit 2 636 Gewalttaten verringerte sich die Zahl um 15 %. Dennoch waren 1993 sieben Todesopfer** dieser Gewalttaten zu beklagen. Der Anteil der in den neuen Bundesländern verübten Gewalttaten hat sich von 33 % im Jahre 1992 auf 22 % im Jahr 1993 verringert. 2.1.6.1 Rechtsextreme Gewalt Unter Berücksichtigung der fremdenfeindlichen Anschläge und Ausschreitungen in Rostock im August 1992, in Mölln im November 1992 und in Solingen im Mai 1993 und der Folgeaktionen in anderen Orten war zu befürchten, daß dieser nach oben zeigende Trend sich auch in Berlin weiter fortsetzen könnte. Der inzwischen aufgeklärte Sprengstoffanschlag auf das jüdische Mahnmal in Tiergarten am 30. August 1992 sowie die Anfang September 1992 erfolgten Brandanschläge auf ein Wohnheim für Vietnamesen in Hohenschönhausen belegen dies. Auch der Brandanschlag auf die jüdische Gedenkstätte in Sachsenhausen bei Berlin vom 25726. September 1992 wies mit aller Deutlichkeit in diese Richtung. Die tatsächliche Entwicklung war jedoch nicht einheitlich. Auch der Brandanschlag in Solingen löste in Berlin keinen "Nachahmereffekt" aus. i 1993 gab es in Berlin 75 rechtsextremistische Gewalttaten, davon 54 mit fremdenfeindlicher Motivation; es handelte sich vor allem um Körperverletzungen, wie die Übersicht "Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten in Berlin" (s. u.) zeigt. An den fremdenfeindlichen Gewalttaten sind auch weiterhin zahlreiche Skinheads beteiligt, wenngleich das Schwergewicht ihrer Aktivitäten im Umland Berlins zu liegen scheint. Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA-Jahreslageberichts 1993. 6 Ausländer und ein politischer Gegner. 2 - Politischer Extremismus * 62 Über die Verteilung der Gewalttaten über das Jahr 1993 hin gibt die Tabelle "Gewalttaten mit vermutetem oder erwiesenem rechtsextremistischen Hintergrund in Berlin 1993" (s. u.) Auskunft. Kennzeichnend und beispielhaft für Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation waren die folgenden Vorfälle: 1. Offensichtlich aus Gründen rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit überfielen am 20. März 1993 drei unbekannte, der Skinhead-Szene zuzurechnende Personen, einen angolanischen Asylbewerber in Berlin Reinickendorf. Sie stießen ihr Opfer ohne ersichtlichen Grund zu Boden und verletzten es durch einen Messerstich im Rücken. 2. Am 15. April 1993 überfielen drei unbekannte junge Männer, offensichtlich Skinheads, einen 15jährigen Jugendlichen im S-Bahnhof Springpfuhl in Berlin-Marzahn. 3. Drei der Skinhead-Szene zuzurechnende Jugendliche belästigten am 29. April 1993 eine türkische Schulklasse auf dem S-Bahnhof Ahrensfelde in Berlin-Marzahn. Die Klasse, die sich in Begleitung ihrer Lehrer befand, wurde zunächst verbal, danach tätlich angegriffen. Die Tatverdächtigen wurden kurz nach dem Überfall von der Polizei festgenommen. 4. Aus vermutlich ausländerfeindlichen Motiven schlugen acht Jugendliche zwei indische Staatsangehörige am 20. August 1993 in Berlin-Marzahn zusammen und prügelten mit Metallstangen auf sie ein. 5. Zu einem Skinhead-Überfall aus vermutlich rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit kam es am 9. Oktober 1993 in BerlinCharlottenburg, als etwa 15 der Skinhead-Szene zuzurechnende Jugendliche zwei in Jugoslawien geborene Kinder im Hinterhof ihres Wohnhauses angriffen. Die Täter - mit Gummiund Holzknüppeln bewaffnet - riefen die Worte "Ausländer raus, Jugoslawen raus, wir machen euch tot". 2 - Politischer Extremismus - 63 6. Vor einem türkischen Imbiß in Berlin-Prenzlauer Berg umringte am 29. Oktober 1993 eine sechsköpfige Skinhead-Gruppe einen irischen Staatsbürger und verletzte ihn mit Faustschlägen. Zuvor soll es aus der Gruppe zu "Heil Hitler!"Rufen und zum Zeigen des sog. Deutschen Grußes gekommen sein. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten in Berlin 1991 1992 1993 Gesamtzahl der Gewalttaten 57 92 75 Tötungsdelikte, einschl. versuchter Tötungen - 2 - Körperverletzungen 32 43 45 Sprengstoffanschläge - 3 - Brandanschläge 9 19 6 Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung 9 29 24 Zielrichtung antisemitisch - 8 3 fremdenfeindlich 35 67 54 politische Gegner 4 10 10 2 - Politischer Extremismus - 64 Gewalttaten mit vermutetem oder erwiesenem rechtsextremistischen Hintergrund in Berlin 1993 Januar 1993 7 Februar 1993 1 März 1993 5 April 1993 7 Mai 1993 10 Juni 1993 9 Juli 1993 9 August 1993 8 September 1993 5 Oktober 1993 7 November 1993 2 Dezember 1993 5 Gesamtzahl 75 Berlin (Ost) 48 Berlin (West) 27 2 - Politischer Extremismus - 65 2.1.7 Ausblick Auch wenn im Jahre 1993 ein deutlicher Rückgang der rechtsextremistischen Gewalttaten zu verzeichnen war, kann von Entwarnung nicht die Rede sein, dazu ist die Gesamtzahl der Gewalttaten noch erschreckend hoch. Neonazis und andere Rechtsextremisten haben trotz staatlicher Maßnähmen nicht aufgehört, Fremdenfeindlichkeit zu schüren und in der Bevölkerung vorhandene Ängste und Ressentiments für ihre politischen Ziele auszunutzen. Diese, rassistische Agitation und ihre Auswirkungen dürften auch weiterhin anhalten und könnten sich im Bereich des Antisemitismus sogar verstärken. Für eine solche Entwicklung auch in Berlin spricht die anhaltende Zunahme der Gesetzesverletzungen mit erwiesener bzw. vermuteter rechtsextremistischer Motivation in der Stadt, die im Gegensatz zu dem Rückgang der Gewalttaten um mehr als ein Drittel angestiegen sind. Neben rechtsextremistischen Schmierund Klebeaktionen bilden fremdenfeindliche und auch antisemitische Vorfälle einen Schwerpunkt rechtsextremistischer Gesetzesverletzungen. Diese Perspektive muß jedoch unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, daß Berlin weder in den vergangenen. Jahren noch voraussichtlich künftig ein Zentrum des deutschen Rechtsextremismus war bzw. sein wird. Die Verbote der neonazistischen Vereinigungen "Nationalistische Front" (NF), "Nationale Offensive" (NO) und "Deutsche Alternative" (DA) haben ihre Wirkung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht verfehlt. Zusammen mit zahlreichen Versammlungsverboten und Exekutivmaßnahmen führten sie zu Verunsicherungen und zur Beeinträchtigung der rechtsextremistischen Szene. Die führenden Neonazis haben sich aber inzwischen auf diese Entwicklung eingestellt und werden die Anfänge, sich in unorganisierten, nicht durch das Vereinsrecht angreifbaren "Bewegungen" zu bündeln und durch informationelle konspirative Vernetzung ihre Effektivität zu steigern, zügig fortsetzen. Ergänzt um die neonazistischen Aktivitäten in der sog. Anti-Antifa-Arbeit, die in Aufrufen zu (gewalttätigen) Aktionen gegen mißliebige Politiker, 2 - Politischer Extremismus - 66 Journalisten und "Linke", z. B. in den Publikationen "DER EINBLICK" und "Natur Schutz=Denkzettel" (NS-Denkzettel) gipfelten, werden die Strukturen von Neonazis und militanten Rechtsextremisten sich weiter verändern zu schwieriger durchschaubaren und abgrenzbaren "Bewegungen". Ihre Brisanz liegt in den rechtlich und exekutiv schwer auflösbaren Formen, in der Unberechenbarkeit ihres Aktionismus und seiner gewalttätigen Folgewirkungen sowie in den politischen Auswirkungen auf das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland. 2 - Politischer Extremismus - 67 2.1.8 Sonderthema: Weitere Polarisierung zwischen Links und Rechtsextremisten in Berlin Vernetzung Die Verbote der neonazistischen Vereinigungen "Nationalistische Front" (NF), "Nationale Offensive" (NO) und "Deutsche Alternative" (DA) und Anträge der Bundesrepublik beim Bundesverfassungsgericht nach Art. 21 Abs. 2 GG gegen die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und Hamburger "Nationale Liste" (NL) aber auch zahlreiche Vereinsverbote, Ermittlungsverfahren mit Hausdurchsuchungen, Razzien und Festnahmen führten zu Verunsicherungen und zur Beeinträchtigung der neonazistischen Szene, d. h. die Maßnahmen des Staates zur Bekämpfung des Rechtsextremismus haben eine gewisse Wirkung erzielt. Staatliche Repression kann und konnte aber rechtsextremistische oder gar neonazistische Aktivitäten nicht auf Dauer unterbinden. Das aktive neonazistische Potential bleibt erhalten und ist bemüht, für staatliche Maßnahmen künftig weniger Anlaß zu bieten. Als Konsequenz aus dieser Lage wächst in der neonazistischen Szene die Einsicht, neue taktische Konzepte entwickeln und sich auf neue Aktionsformen einstellen zu müssen. Der sog. Rudolf-HESS-Gedenkmarsch am 14. August in Fulda verdeutlichte, daß angeblich unüberbrückbare Differenzen zwischen einzelnen neonazistischen Organisationen oder Parteien zumindest bei besonderen Anlässen beigelegt werden können. In Fulda traten die beiden bisher verfeindeten Neonaziführer Friedhelm BUSSE von der FAP und Christian WORCH von der NL gemeinsam auf. Gegenwärtig ist in der neonazistischen Szene die Tendenz erkennbar, im Interesse eines gemeinsamen Zieles die konkurrierenden Gruppeninteressen zurückzustellen, um so dem staatlichen Verfolgungsdruck besser begegnen zu können. So formulierte das "Nationale Info-Telefon Hamburg" wegen der Fahndung nach den Autoren der Schrift "DER EINBLICK": 2 - Politischer Extremismus - 68 "Aufgrund der massiven Verfolgung von nationalen Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland durch Medien, Behörden, Linksextremisten und etablierten Parteien ist es unmöglich, ein breites Bündnis aller nationalen Kräfte zu schaffen und die Hindernisse der Vergangenheit zu begraben oder zu überwinden. Nur durch die Vernetzung und die echte Solidarität zwischen allen nationalen Bürgern wird es uns möglich sein, in dieser schweren Zeit das Licht der Freiheit weiterzutragen für das kommende, neue, freie und stolze Deutschland." Unter "Vernetzung" wird im genannten Zitat und an anderer Stelle keine organisatorische "Vernetzung" verstanden. Vielmehr ist eine "informationelle Vernetzung" unter Einsatz moderner technischer Mittel und der Möglichkeit einer zentralen Steuerung durch den Kreis der Führungspersonen gemeint. Die Ansätze zur "informationellen Vernetzung" über sog. Info-Telefone, Mobiltelefone und Mailboxen sind bereits erheblich fortgeschritten. In Fulda wurden zur Koordination des sog. Rudolf-HESS-Gedenkmarsches 16 Mobiltelefone eingesetzt und Tarnnamen verwendet. Die gelungene Vorbereitung und Durchführung der Neonazi-Organisationen zum HESS-Todestag am 14. August 1993 war Beweis für eine anlaßbezogene enge Verzahnung zwischen führenden Neonazi-Funktionären in zahlreichen Bundesländern zu einem Aktionsbündnis. Wegen der personellen und technischen Verflechtung, die dieses Aktionsbündnis funktionsfähig machten, kann von einer beginnenden Vernetzung zwischen Funktionsträgern unterschiedlichster neonazistischer Organisationen gesprochen werden. Der Aufbau von Informationssystemen wird als Folge der getroffenen und noch zu erwartenden Verbote von neonazistischen Organisationen und Parteien an Bedeutung gewinnen. Dies um so mehr, weil der militante Aktivistenkreis aus den verbotenen Organisationen künftig vermutlich erheblich konspirativere Verhaltensweisen auch im Hinblick auf Kommunikation und Vernetzung anwenden dürfte. 2 - Politischer Extremismus - 69 Die über die "Nationalen Info-Telefone" und die Mailboxen abrufbaren Informationen sind ausschließlich solche, die aus der Sicht der Rechtsextremisten nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Informationen, die den Sicherheitsbehörden oder den politischen Gegnern verborgen bleiben sollen, werden aus konkreten Anlässen - wie beim sog. Rudolf-HESSGedenkmarsch oder anläßlich der Heldengedenkfeier - bei persönlichen Begegnungen ausgetauscht oder über kurzfristig eingerichtete InfoTelefone nur an bekannte Personen weitergegeben. Auseinandersetzungen mit Linksextremisten (Anti-Antifa) Als Reaktion auf den "antifaschistischen Kampf" militanter Linksextremisten, der auch gezielte Angriffe auf "prominente" Neonazis einschließt, sind im neonazistischen Lager - vor allem im Umkreis von FAP, DA, NF und der Hamburger "Nationalen Liste" (NL) - Bestrebungen erkennbar, das "Nationale Lager" unter Parolen wie: "Schlagt die Linken, wo ihr sie trefft" "Schluß mit rotem Straßenterror" "Rotfront verrecke" "Zerschlagt den Kommunismus" "Skins - gegen Anarchound Rotfront-Terror" für eine Anti-Antifa-Arbeit zusammenzufassen. Entsprechend der bei Antifa-Gruppen seit Jahren üblichen Praxis, Namen, Adressen und Fotos "prominenter Faschos" zu veröffentlichen und sie damit gewissermaßen "zum Abschuß freizugeben", trägt man in Neonazi-Gruppen seit geraumer Zeit systematisch Informationen über erkannte Gegner zusammen. In einer Presseerklärung der "Anti-AntifaBonn", die Ende September 1992 an Abgeordnete des Deutschen Bundestages versandt wurde, heißt es dazu: "Wir werden es nicht mehr weiter hinnehmen, daß man uns materiell und physisch so tangiert wie bisher. Über gewaltbereite Autonome, bürgerliche Antifaschisten, linke Medien 2 - Politischer Extremismus - 70 oder Gegner überhaupt werden wir künftig alle bekannten Daten speichern." Dabei bedient man sich - wie auch das linksextremistische "Vorbild" - modernster technischer Mittel wie Computer, Fax-Geräte und Mobiltelefone. Die Gefahr gezielter Angriffe rechtsextremistischer Gewalttäter auf "linke" Einzelpersonen und Objekte und damit einer Eskalation der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten ist angesichts dieser Bestrebungen durchaus ernstzunehmen. Über eine Postfachadresse in Randers in Dänemark wird seit November/Dezember 1993 die Publikation einer Anti-Antifa namens "DER EINBLICK" mit dem Untertitel "Die nationalistische Widerstandszeitschrift gegen zunehmenden Rotfrontund Anarchoterror" verbreitet. "DER EINBLICK", der in unregelmäßiger Folge erscheinen soll, versteht sich als "unabhängiges, überparteiliches, antikommunistisches Mitteilungsblatt für alle Deutschen", "ganz gleich in welchem Verband, Organisation, Partei, Bewegung oder Gemeinschaft sie tätig sind". Die Schrift veröffentlicht Informationen über den sogenannten politischen Gegner, insbesondere über "Antifaschisten". Ziel sei jedoch nicht die Veröffentlichung allein, sondern "diese Veröffentlichungen müssen entsprechende Konsequenzen für unsere Gegner haben". Die Autoren der Schrift bezeichnen als ihr Ziel "die endgültige Zerschlagung von Anarchos, RotFront und Antifa sowie die Ausschaltung aller destruktiven, antideutschen und antinationalistischen Kräfte in Deutschland". Ihr "Beobachtungsmedium" sei in erster Linie nicht "der Mode-Linke oder der Lichterkettenidiot", ihr Augenmerk richte sich vielmehr auf "jene Personen, die ... nationalgesinnte Deutsche, junge und ältere Patrioten, Nationalisten jeglicher Form, konservative und wertbeständige Kräfte angreifen...". "Unruhige Nächte" wolle man auch den "geistigen Brandstiftern" bereiten, die in Ämtern, Parlamenten und Universitäten säßen. Zu Berlin heißt es in der Publikation: "In Berlin, wohl unbestritten Zentrum und auch Hauptausgangspunkt linker Gewalt, gibt es einen Fundus von bekann- 2 - Politischer Extremismus - 71 ten Anschriften und Organisationen, die uns die ANTIANTIFA-Berlin' zur Verfügung gestellt hat." Als "wahrscheinlich wichtigste Zentrale im Westteil der Stadt" bezeichnet die Zeitschrift den "Mehringhof, ein Komplex, der Dutzende ultralinker Vereine und Projekte beherbergt und als Postanschrift und Schaltstelle linksradikaler und gewalttätiger Publikationen dient". Unter dem Mehringhof firmierten zum Beispiel folgende linke Gruppen und Verlage: "Antifa Jugendfront, Schwarze Risse Verlag, Edelweiß-Piraten, Antifa-Versand, Ermittlungsausschuß". Unter der Anschrift Mehringhof seien auch die folgenden "wichtigsten Publikationen der Zecken" zu beziehen: "Antifa Infoblatt, Antifa Jugendinfo, Antifaschistische Infoblatt, RIOT, Kampagne 'Stoppt Nazi-Zeitungen', Interim und Durchblick". Darüber hinaus werden Namen und Anschriften von 25 Vereinigungen, Treffpunkten und Verlagen genannt, die sich in Berlin mit dem Thema "Antifaschismus" befassen. Ferner werden vier Personen mit Wohnanschriften vorgestellt, die als Journalisten oder als Verantwortliche für Flugblätter bekannt wurden. In dem Berlin betreffenden Teil der Veröffentlichung wird für die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) und für einen "Förderkreis Gerhard KAINDL" geworben. Der Letztere habe sich auf Initiative des "HOFFMANN-VON-FALLERSLEBEN-Bildungswerkes e. V." gegründet und wolle durch seine Namengebung an den Tod des Vorstandsmitgliedes der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" Berlin-Brandenburg am 4. April 1992 erinnern. Ein gegen die mutmaßlichen Herausgeber der Schrift "DER EINBLICK" beim Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB) eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde im April 1994 eingestellt. Die verbleibenden Straftatenvorwürfe (öffentliche Aufforderung zu Straftaten, SS111 StGB, und Bedrohung, SS 241 StGB) werden von den zuständigen Staatsanwaltschaften weiter verfolgt. Die in der Schrift propagierte Methodik geht im wesentlichen auf linksextremistische Vorbilder zurück. Schon seit Jahren spähen Linksextremisten Rechtsextremisten bzw. vermeintliche Rechtsextremisten systematisch aus und veröffentlichen "Steckbriefe" z. T. verbunden mit der unverhohlenen Aufforderung zu gewalttätigem Einschreiten. Ein 2 - Politischer Extremismus - 72 entsprechendes Beispiel ist auch der Überfall auf KAINDL, denn Name und Adresse des Opfers hat das autonome Szeneblatt "INTERIM" vorher veröffentlicht. "DER EINBLICK" stellt das erste zentral gestaltete Anti-Antifa-Organ deutscher Rechtsextremisten dar. Inhaber des Postfaches, über das "DER EINBLICK" bezogen werden kann, ist ein Führungskader der "Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung" (DNSB), die aufs engste mit der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) kooperiert. Frühere Überlegungen zur Gründung eines Anti-Antifa-Magazins haben offensichtlich im Sommer 1992 konkrete Gestalt angenommen. Das Organ der neonazistischen "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF), "Die Neue Front" berichtete in ihrem Heft vom August 1992 (10. Jahrgang, Nr. 78) unter der Rubrik: "Bereich Mitte", Gau Hessen, Stützpunkt Wiesbaden, folgendes: "Wiesbadener Kameraden haben uns darüber informiert, daß im September 1992 die erste Ausgabe des Anti-AntifaMagazins 'DER EINBLICK erscheinen wird. Nach dem Vorbild der bekannten linken Szeneblätter (radikal, swing, Searchlight) werden Drahtzieher der Knüppelhelden und Steinewerfer genannt." Die erste Ausgabe von "DER EINBLICK" erschien mit über einjähriger Verspätung. Ein Berliner Beispiel für die sich verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten stellt der folgende Vorgang dar: In Berlin tauchte 1993 die "Doppelausgabe 5 + 6" einer neonazistischen Druckschrift mit dem Titel "Natur Schutz=Denkzettel" auf. Zielgruppe des Rundbriefes ohne Impressum, der als Untertitel die Positionsbestimmung "VÖLKISCH REVOLUTIONÄR SOZIALISTISCH" trägt, sind laut Angaben der Redaktion "Freunde und Kameraden". Wie es heißt, wolle man "allen nationalen Sozialisten ein Forum bieten". Der "Völkische Freundeskreis Berlin" ist im "NS-Denkzettel" mit einem sog. Schulungsbeitrag unter der Überschrift "Die weltanschaulichen Grundlagen des 2 - Politischer Extremismus - 73 nationalen Sozialismus" vertreten. Das Heft enthält eine "Spucki"Werbung für die Gruppe "Sozialrevolutionäre Nationalisten" (SrN). Ausdrücklich weisen die Initiatoren darauf hin, ihr "Denkzettel" sei nicht mit der gleichnamigen "Schülerzeitschrift" der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) identisch. Die Kameradschaft "Sozialrevolutionäre Nationalisten" wurde im Juli 1991 von Mitgliedern der neonazistischen "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin), darunter Ingo HASSELBACH, gegründet. Anhänger der seit April 1993 inaktiven NA gehören zugleich dem "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS), der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) und weiteren neonazistischen Zusammenschlüssen an. Das Heft enthält neben Beiträgen zum Todestag von Rudolf HESS 1992 und neonazistischen Aktionen in Wunsiedel und Rudolstadt auch einen sog. rassekundlichen Beitrag sowie einen antisemitischen Artikel zum Tode von Heinz GALINSKI. In dem "NS-Denkzettel" wird neben massiver antisemitischer Hetze und HITLER-Zitaten ein "Manifest des revolutionären nationalistischen Befreiungskampfes" veröffentlicht. Ähnlich wie "DER EINBLICK" fordert das Manifest: "nicht irgendwelche unbekannten Ausländer sollten also das Ziel von Aktionen sein, sondern diejenigen, die in Wort und Tat verantwortlich sind für die derzeitige Lage. Dazu gehören in erster Linie Politiker, Journalisten, ..., die sich in penetranter Weise antinational und pro-multikulturell ... betätigen. Über diese Leute müssen ausgiebig und sorgfältig Informationen zusammengetragen werden. Dieser Personenkreis und seine Infrastruktur müssen das Ziel des revolutionären Widerstandes sein." Die Ausgabe Nr. 7 (= 6. Heft) des "Natur Schutz=Denkzettel" enthält weitere antisemitische, fremdenfeindliche und den Nationalsozialismus verherrlichende Beiträge. 2 - Politischer Extremismus - 75 2.2 Linksextremismus 2.2.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 2.2.1.1 Vorbemerkung Im Bereich des Linksextremismus liegt das Hauptgewicht der Arbeit des LfV auf denjenigen linksextremistisch motivierten Gruppen, die den Gewalteinsatz als Mittel der politischen Auseinandersetzung bejahen. Maßgeblich für die Einordnung dieser Gruppen als linksextremistisch ist deren übersteigert radikale Ablehnung der Herrschaft von Menschen über Menschen, sei es, daß zentrale Organisationsformen generell als Übel gelten, sei es, daß in der "kapitalistischen Klassengesellschaft" die Ursache aller gesellschaftlichen Mißstände ausgemacht wird. Die parlamentarische Demokratie, die lediglich der geschickten Verschleierung gesellschaftlicher Herrschaft und Unterdrückung diene, wird kompromißlos abgelehnt. Für diese Gruppen und deren Tätigkeit wird vielfach die Bezeichnung "Terrorismus" bzw. "Linksterrorismus" gebraucht. Dabei versteht man unter Terrorismus den nachhaltig geführten Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannt sind (vor allem: Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff) oder durch andere Gewalttaten, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Träger des deutschen linksextremistisch motivierten Terrorismus sind die "Rote Armee Fraktion" (RAF) und die "Revolutionären Zellen" (RZ). Beide Gruppen verfolgen gleiche Ziele mit dem militärisch-politischen Kampf gegen das politische System in der Bundesrepublik Deutschland. 2 - Politischer Extremismus 76 Von RAF und RZ durch den Mangel eines durchgängigen ideologischen Konzepts getrennt, aber aufgrund eigener Militanz dennoch dazugehörig, stellen sich die Autonomen als in diesen Zusammenhang gehörende Erscheinung dar. 2 - Politischer Extremismus - 77 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential, Anarchisten sowie Marxisten-Leninisten und andere Gruppen in Berlin Autonome: 1200 RAF-Umfeld: 50 Anarchisten: 100 Marxistensonstige revolutionärLeninisten*: 200 marxistische und trotzkistische Gruppen: 700 ohne "Kommunistische Plattform" (KPF) Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential (1250 Personen) Autonome RAF-Umfeld Marxisten-Leninisten und andere Gruppen (900 Personen) = Revolutionär-marxistische Gruppen } früher: "Dogmatische Neue Linke" Trotzkistische Parteien und Gruppen } früher: "Dogmatische Neue Linke" Marxisten-Leninisten } früher: orthodoxe Kommunisten 2 - Politischer Extremismus - 78 Mitgliederentwicklung bei linksextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen 1983 bis 1993 Sonstige revolutionärmarxistische und Linksextremistisches MarxistenGesamtzahl trotzkistische Gewaltpotential Leninisten Gruppen 1983 700 - 6200 6900 1984 600 - 6400 7000 1985 450 150 6400 7000 1986 350 200 6500 7050 1987 350 500 6500 7350 1988 300 500 6200 7000 1989 300 500 4000 4800 1990 450 700 500 1650 1991 650 1000 400 2050 1992 700 1250 100 2050 1993 700 1250 200* 2150 ohne "Kommunistische Plattform" (KPF) 2 - Politischer Extremismus - 79 Mitgliederentwicklung bei linksextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen 1983 bis 1993 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 * ohne "Kommunistische Plattform" (KPF) 2 - Politischer Extremismus - 80 2.2.1.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 2.2.1.2.1 Grundlagen und Ziele Die RAF, deren Keimzelle, ein Kreis um Ulrike MEINHOF und Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Horst MAHLER in Berlin, im Jahre 1970 entstand, suchte ihren "bewaffneten Kampf als Stadtguerilla nach dem Vorbild südamerikanischer Terroristen aus dem Untergrund zu führen. Sich selbst hatte die RAF die Funktion einer revolutionären Avantgarde zugedacht. Seit Anfang der 80er Jahre sah sich die RAF nicht mehr nur als verlängerter Arm der Befreiungsbewegung in der Dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im "imperialistischen Zentrum Westeuropa". Ihr "antiimperialistischer Kampf galt insbesondere neben den Sicherheitsbehörden - dem "Repressionsapparat" - den Bereichen Politik, Militär, Kapital und Industrie, deren Verflechtung als "militärischindustrieller Komplex" (MIK) bezeichnet wird. Aus der Entwicklung in Osteuropa zog die RAF insofern Konsequenzen, als sie - neue, vermittelbare, d. h. der eigenen Anhängerschaft und Kreisen darüber hinaus einleuchtende, "Kampffelder" suchend - sich unmittelbar dem tagespolitischen Geschehen zuwandte. Der tödlich endende Anschlag auf den Treuhand-Manager Dr. ROHWEDDER am 1. April 1991 war Teil dieser neuen "Angriffslinie" gegen die "Strategie des internationalen Kapitals und seine Machtstrukturen". Die RAF befand sich auch 1993 in dem 1992 begonnenen "politischen Neuorientierungsprozeß", dessen Ausgang auch weiterhin offen ist. In einer sog. Kommandoerklärung vom 10. April 1992 und in ergänzenden Erklärungen vom Juni und August 1992 hatte die RAF die Forderung nach "Freilassung der Inhaftierten aus RAF und Widerstand" in den Vordergrund ihrer neuen politischen Linie gestellt und dafür vom Staat eine "politische Lösung", d. h. der Staat müsse zunächst alle Haftunfähigen entlassen, die verbleibenden Gefangenen umgehend zusammenlegen und auch diese zu einem späteren Zeitpunkt freilassen, gefordert. Als eigene Vorleistung für diese politische Lösung hatte die 2 - Politischer Extremismus - 81 RAF die Rücknahme der Eskalation angekündigt, zugleich aber die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes angedroht, falls der Staat den Forderungen nach Freilassung der Inhaftierten nicht entsprechen werde. Diese Drohung setzte sie mit einem Sprengstoffanschlag auf den noch nicht bezogenen Neubau der Justizvollzugsanstalt Darmstadt-Weiterstadt am 27. März 1993 in die Tat um. In ihrer Erklärung am 30. März 1993 verdeutlichte die RAF-Kommandoebene - angeknüpft an das erste im Fluchtfahrzeug abgelegte Bekennerschreiben - dann auch, daß dieser Anschlag als eine Aktion zu sehen sei, mit der sie zum politischen Druck beitragen und die harte Haltung des Staates gegen die Gefangenen aufbrechen wollte. Sie habe diesen Druck nunmehr neu gesetzt und die Drohung aktualisiert, da der Staat trotz der "Rücknahme der Eskalation" durch die RAF die "Verfolgung fortschrittlicher Menschen" und "politischer Gegner des Systems" u. a. durch "Kriminalisierung antifaschistischer Aktivitäten", durch "rassistische Ausländerund Asylgesetze", "Sozialabbau", steigende Wohnungsnot und den "Aufbau Deutschlands als Militärmacht" weiter verschärft habe. Nach wie vor propagiert die RAF darüber hinaus den Aufbau einer "Gegenmacht von unten" und versucht dabei, die "weitgehend gesellschaftlich isolierte (...) radikale Linke" auf ihre Ziele einzuschwören. Die teilweise öffentlich geführten Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern der neuen RAF-Politik und den Verfechtern der Fortsetzung des bewaffneten Kampfes führte Ende 1993 zum "Bruch" innerhalb des RAF-Gefüges. Die Diskussionen um dieses Thema, das auch Berliner Autonome, vor allem in Beiträgen in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", aufgegriffen haben, halten an. 2 - Politischer Extremismus - 82 2.2.1.2.2 Strukturen Kommandoebene Alle wesentlichen Entscheidungen werden gemeinsam von der seit Jahren auf etwa 15 bis 20 Personen geschätzten Kommandoebene der RAF getroffen. In Berlin sind in der Vergangenheit keine Angehörigen der Kommandoebene festgestellt worden, wie auch bisher Berlin von Anschlägen dieser Gruppe verschont blieb. Alle Terroranschläge dieser Ebene wurden von - "Märtyrern" des eigenen Lagers gewidmeten - sog. Kommandos ausgeführt. So bekannte sich auch ein "Kommando Katharina Hammerschmidt" zu dem Anschlag auf die Justizvollzugsanstalt Darmstadt-Weiterstadt am 27. März 1993. [Anmerkung: Katharina HAMMERSCHMIDT - RAF-Angehörige - stellte sich 1974 den Sicherheitsbehörden. In der Haft erkrankte sie an einem Tumor. Sie verstarb 1975 und wird in Veröffentlichungen der RAF als Opfer eines "unmenschlichen" Strafvollzuges dargestellt.] In der schriftlichen Taterklärung zu dem Sprengstoffanschlag, bei dem ein Sachschaden von über 100 Millionen DM entstanden ist, benannten die Verfasser zahlreiche Problemfelder und waren in besonderem Maße um die Vermittelbarkeit in der Szene bemüht; sie verwiesen darin ausdrücklich auf ihre "August-Erklärung" des Jahres 1992 und stellten somit gedankliche Kontinuität her. War der Weiterstadt-Anschlag schon durchaus ein "Schlüsselereignis" - so folgten im Verlaufe des Jahres noch zwei weitere: Die Festnahmeaktion GRAMS/HOGEFELD in Bad Kleinen am 27. Juni 1993. Die "Brieffehde" zwischen den sog. hardliner-Gefangenen einerseits und den in der Justizvollzugsanstalt Celle Inhaftierten, Birgit HOGEFELD sowie der "Kommandoebene" andererseits. Diese - nach "Weiterstadt" erstmalig deutlich gewordenen - grundlegenden Unstimmigkeiten erreichten ihren Höhepunkt mit dem sog. 2 - Politischer Extremismus - 83 MÖHNHAUPT-Brief (veröffentlicht am 28. Oktober 1993 in der "Frankfurter Rundschau") und der Erwiderung der "RAF-Kommandoebene" vom 2. November 1993. Anlaß für diesen öffentlich ausgetragenen Streit war die Behauptung der "hardliner", die "Illegalen" (sprich: RAF-Kommandoebene) und mit ihnen die "Celler Gefangenen" hätten angestammte RAF-Politik verraten und "abgewickelt". In angeblichen "Geheimverhandlungen" hätten sie einen "deal" mit Vertretern aus Staat und Wirtschaft angestrebt, der die Aufgabe des bewaffneten Kampfes auf der einen und die Freilassung der Gefangenen auf der anderen Seite zum Ziel gehabt habe. Dies sei "der Bruch (...) im Zusammenhang der Gefangenen und in der politischen Beziehung zur RAF. Der Inhalt der Beziehung ist zerstört, eine andere Entscheidung als die Trennung nicht mehr möglich". In ihrer Erklärung vom 2. November 1993 wies die Kommandoebene - in einer bisher nicht gekannten drastischen Diktion - diese Vorwürfe zurück, kehrte die Spaltungsverantwortung um und versuchte, ihr Gleichgesinnte zu mobilisieren. Gleichzeitig war sie um versöhnliche Signale bemüht, indem sie erklärte: "... wir werden mit dieser Spaltung umgehen können, aber wir wollen sie nicht! vielleicht ist dies - wenn überhaupt - die letzte möglichkeit für was anderes, es liegt nun an euch. ..." Diese Auseinandersetzung hält an. Militante der RAF Auch dieser zweite "kämpfende Teil" der RAF ist bisher in Berlin nicht in Erscheinung getreten. Die Militanten der RAF rekrutieren sich in erster Linie aus dem RAF-Umfeld und leben grundsätzlich - im Gegensatz zu den Angehörigen der Kommandoebene - in der Legalität. Sie wechseln nur für die Zeit der Attentate in die Illegalität und treten dann als "Kämpfende Einheit(en)" auf. Ihre Anschläge zielen nicht auf die Vernichtung von Menschenleben, sondern auf Sachschäden und ähneln insofern denen der "Revolutionären Zellen" (RZ). 2 - Politischer Extremismus - 84 Seit geraumer Zeit ist dieser Personenkreis allerdings nicht mehr in Erscheinung getreten. Jedoch ist das Bedrohungspotential dadurch keineswegs gemindert. Seit 1992 verübte eine "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia Shehadah" (AIW) überregional mehrere Anschläge. In einem Positionspapier vom 13. Dezember 1993 äußerte sie sich zu den Grundsätzen ihrer "Politik" (vgl. 2.2.1.2.4). RAF-Umfeld Dem Umfeld der RAF werden von den Sicherheitsbehörden diejenigen, in der Szene als "Antiimps" bezeichneten Personen zugerechnet, die sich vollinhaltlich mit den Zielen der RAF identifizieren und sie politischpropagandistisch unterstützen. Dieser Personenkreis umfaßt in Berlin nach wie vor etwa 50 Personen. Einige davon müssen dem engeren RAF-Umfeld zugerechnet werden, da sie im Verdacht stehen, die RAF durch praktische Hilfeleistung zu unterstützen. Die Zugehörigkeit zum engeren RAF-Umfeld wird u. a. durch folgende Kriterien bestimmt: Verdacht der Unterstützung der "Kommandos" oder der Militanten, z. B. durch logistische Hilfeleistung, mitverantwortliche Vorbereitung und Beteiligung an Veranstaltungen, die der Propagierung der Ziele und Forderungen der RAF dienen, Bekenntnisse zur Konzeption und Strategie der RAF (z. B. auch bei Besuchen in Haftanstalten) und nicht nur kurzfristige Einbindung in regionale und überregionale Strukturen. "Inhaftierte der RAF" Die "Inhaftierten der RAF" sind nach eigenen Aussagen mit ihrer Verhaftung nicht mehr Mitglieder der RAF, bleiben aber Teil des revolutionären Prozesses. In Berliner Haftanstalten sitzen derzeit keine "Gefangenen der RAF" ein. 2 - Politischer Extremismus - 85 Verwandtengruppe Die "Gefangenen aus RAF und Widerstand" werden regelmäßig von "Angehörigen der politischen Gefangenen in der BRD" (Verwandtengruppe) betreut. Diese im gesamten Bundesgebiet bis zu 25 Personen umfassende Gruppe, in der auch Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes mitarbeiten, besucht die Inhaftierten, unterstützt sie finanziell aus einem Spendenkonto, sorgt für Postkontakt und versucht, durch Herausgabe eines 14täglich erscheinenden "Angehörigen lnfo(s)" sowie durch sonstige teils spektakuläre Aktivitäten die Forderungen der Inhaftierten zu propagieren. 2.2.1.2.3 Aktuelle Aktivitäten des Berliner RAF-Umfeldes Das gesamte Handeln der Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes war 1993 beherrscht von den Diskussionen über die neue Politik der RAF. Während einige forderten, sich von dem "ganzen alten Begriffsschrott" zugunsten einer Neubestimmung revolutionärer Politik und dem - von der RAF-Kommandoebene geforderten - Aufbau einer "Gegenmacht von unten" zu lösen, favorisierten sog. hardliner die Abkehr vom "argumentativen Wirrwarr" und eine Zurückbesinnung auf die Konfrontationspolitik und damit auf den bewaffneten Kampf. Dabei vermieden die Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes jedoch bisher eine eindeutige Parteinahme, um die vorhandenen Spaltungstendenzen nicht zu verstärken. Vermutlich aufgrund dieser intensiv geführten Diskussionen waren die Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes nicht in der Lage, eigene Veranstaltungen zu initiieren und zu organisieren. Sie beteiligten sich jedoch an zahlreichen regionalen und überregionalen Veranstaltungen und Demonstrationen. Darüber hinaus engagierten sich Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes bei zahlreichen Aktivitäten zum Thema "Gewalt gegen Ausländer". Eine dem Berliner RAF-Umfeld zuzurechnende Gruppe "Freiheit für die politischen Gefangenen" gab zu Beginn des Jahres 1993 eine Broschüre (datiert: Dezember 1992) mit dem Titel "Aber in den 80er Jahren lief es ganz anders ... und was jetzt?" heraus. Wie aus dem Vorwort dieser Veröffentlichung hervorgeht, handele es sich um eine Gruppe, "die sich 2 - Politischer Extremismus - 86 seit Frühjahr '92 nach der Veröffentlichung der sog. Kinkel-Initiative, (sic!) zur Freiheit der politischen Gefangenen getroffen hat". 2.2.1.2.4 Ausblick Die Situation der RAF sowie ihres Umfeldes und in Folge des gesamten linksterroristischen Gefährdungspotentials in der Bundesrepublik Deutschland ist derzeit gekennzeichnet durch ein in dieser Form bisher nicht gekanntes Maß an partikularistischer, eigendynamischer und somit in starkem Maße unkontrollierbarer Bewegung. Die "Einheit" der RAF ist schon länger Illusion - ob der endgültige Bruch Realität wird, hängt von den Beteiligten ab. Gesten der Versöhnlichkeit gehen bis dato ausschließlich von den "Illegalen" bzw. ihrer Anhängerschaft aus. Objektiv wäre es nun an den "hardliner"-Gefangenen, zu reagieren. Statt dessen könnte jedoch auch ihre Gefolgschaft handeln. Das wären zumindest: Teile des RAF-Umfeldes, (revitalisierte) Halblegale ("Kämpfende Einheiten") sowie "Antiimperialistische Widerstandsgruppen". Bezüglich letzterer sei beispielhaft ein bereits "etablierter", "praktizierender" Personenzusammenhang genannt - die "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia Shehadah" (AIW), die schon in ihrer Erklärung vom 13. Dezember 1993 herausgestellt hat, daß gezielte Angriffe auf einzelne Funktionsträger aus Politik und Wirtschaft unverzichtbar seien, "wenn der antiimperialistische Kampf in der BRD ein relevanter werden soll". Die AIW, die in Berlin bisher nicht aktiv war, ist jedoch derzeit nur schwerlich einer der beiden RAF-Linien definitiv zuzuordnen. Nach entsprechender positiver Grundlagenklärung könnte die AIW sehr wohl mit/neben der "neuen RAF" die Politik eines "Zusammen Kämpfen" realisieren. Am wahrscheinlichsten erscheint - nach derzeitiger Lage der Dinge - die Möglichkeit, daß die AIW anstatt der RAF (in Gänze), den "Gegenmachtgedanken" nach eigenen Vorstellungen mit Leben erfüllt und vorantreibt. Für diesen Fall wäre wohl von einem hohen Multiplikatoreneffekt auszugehen. 2 - Politischer Extremismus - 87 In den Aktivitäten der AIW könnte bereits jetzt durchaus ein erster (möglicher) Ansatz für eine Vernetzung der "Widerstandskomponenten" gesehen werden. Eine solche Entwicklung wiederum befände sich vollauf im Einklang mit der "Gegenmachttheorie", die bestehende "Divisionsgrenzen" aufheben und ein möglichst einheitliches und somit "relevantes Widerstandspotential" schaffen will. Neben dieser Möglichkeit bleibt festzustellen, daß die RAF-Kommandoebene - allen Theoriediskussionen zum Trotze - sehr wohl weiterhin in der Lage sein dürfte, "militärische Schläge" auszuteilen. Vorrangig erscheint diese Gefahr bezüglich der Interventionsfelder "Asyl und Ausmerzverhältnis". Hier muß mit ("vermittelbaren") Anschlägen direkt gegen den "Repressionsapparat" gerechnet werden. Die Arbeit der Berliner RAF-Anhänger dürfte auch zukünftig beherrscht sein von den Diskussionen über die Auseinandersetzungen innerhalb des RAF-Gefüges. Darüber hinaus ist davon auszugehen, daß sie - wie auch 1993bemüht sein werden, im Zuge des Aufbaus der "Gegenmacht von unten" neue Unterstützergruppen zu bilden bzw. bestehende Gruppen auszubauen. In diesem Zusammenhang wird das Berliner RAF-Umfeld auch wieder aktuelle Themen des übrigen linksextremistischen Spektrums, insbesondere der Autonomen, aufgreifen und unterstützen. 2.2.1.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 2.2.1.3.1 Entstehung Die "Revolutionären Zellen" (RZ) bildeten sich Anfang der siebziger Jahre nach der "Roten Armee Fraktion" (RAF) und neben der heute nicht mehr existenten "Bewegung 2. Juni" als dritte eigenständige und unabhängige Gruppe im Bereich des deutschen linksextremistisch motivierten Terrorismus. 2 - Politischer Extremismus - 88 Wie für die "Bewegung 2. Juni" war auch für die RZ die Debatte in der militanten linken Szene über Strategie und Taktik der RAF konstitutiv. Kritiker der terroristischen RAF-Praxis vertraten die Position, daß nur solche Angriffe auf die bestehende Gesellschaftsund Verfassungsordnung durchgeführt werden dürften, die potentiellen Sympathisanten "vermittelbar" seien und deshalb einem möglichst großen relevanten Personenkreis eine Identifikation ermöglichten. Dem "bewaffneten Kampf, wie ihn die RAF aus der Illegalität führte, sprechen die RZ in aller Regel jegliche "Effizienz" ab. Die Weiterführung des RZ-Konzepts war dann die Losung "Bildet viele RZ". 2.2.1.3.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen Die theoretischen Grundlagen der RZ, die ihr ideologisches Selbstverständnis und ihre Aktionsformen u. a. in ihrer Zeitschrift "Revolutionärer Zorn" vermittelten, unterscheiden sich nur unwesentlich von denen der RAF. Anders als die Kommandoebene der RAF agieren die Kleingruppen der RZ nicht aus dem Untergrund, sondern verlassen ihren normalen Lebensrhythmus nur zur Durchführung von Aktionen ("Feierabendterrorismus"). Die schriftliche Begründung der Anschläge in Selbstbezichtigungen, mit denen die angeblichen politischen Zusammenhänge der Tat erläutert werden sollen, bildet einen unverzichtbaren Bestandteil der RZ-Aktionen. Im allgemeinen besteht die Taktik der RZ darin, mit möglichst geringem Einsatz und Risiko möglichst großen Sachschaden anzurichten. Dieser schadet - nach dem Kalkül der RZ - den betroffenen Einrichtungen mehr als der Ausfall von Führungspersonen. Ihre Attentate haben deshalb - anders als die "militärischen Angriffe" des Kommandobereichs der RAF - nicht unmittelbar die Tötung eines Menschen zum Ziel. Aus dem Gebot der "Vermittelbarkeit" ihrer terroristischen Aktionen resultieren die thematischen Anknüpfungspunkte der RZ. Sie greifen auch in der breiten Öffentlichkeit diskutierte Themen wie Stadtsanierung, Ausbeutung der Dritten Welt, Ausländerund Asylproblematik und Biobzw. Gentechnologie auf. i 2 - Politischer Extremismus - 89 2.2.1.3.3 Anschläge in Berlin Originäre RZ In Berlin (West) begannen die RZ ihre Anschlagstätigkeit am 17. November 1973 mit einem Sprengstoffanschlag auf ein Bürohaus der Firma ITT-Schaub Lorenz in Berlin-Charlottenburg. Seitdem folgten weitere Brandund Sprengstoffanschläge der RZ zu jeweils aktuellen Themen. Den bislang letzten in Berlin zu verzeichnenden Anschlag verübten Unbekannte am 12. Juni 1991. 1993 gab es keinen der originären RZ zuzurechnenden Anschlag in Berlin. Resonanz-RZ Parallel zu den Brandund Sprengstoffanschlägen der RZ gab es in den letzten Jahren auch in Berlin Anschläge von Resonanzoder Nachahmer-RZ. Seit 1979 waren, entsprechend der Forderung der RZ "Schafft viele revolutionäre Zellen!", im gesamten damaligen Bundesgebiet Gruppierungen entstanden, die nach dem Vorbild der RZ Aktionen durchführten, ihre Tatausführungen jedoch einfacher gestalteten und in Selbstbezichtigungen nicht so argumentativ umfassend erläuterten, wie es von den originären RZ bekannt ist. Resonanz-RZ dürften sich personell überwiegend aus der autonomen Szene rekrutieren. Im Jahre 1993 kam es in Berlin zu keinem Anschlag einer Resonanz-RZ. 2.2.1.3.4 Ausblick Die Aufklärung von Aktionen der RZ stellt die Sicherheitsbehörden vor erhebliche Probleme, weil die den RZ eigene Strategie des "Feierabendterrorismus", die organisatorische Struktur selbständig operierender Zellen mit jeweils nur wenigen Mitgliedern und die thematische Breite der RZ, die Aktionen gegen eine Vielzahl von Sachobjekten mit angeblicher Symbolfunktion vielen Sympathisanten plausibel macht, eine Eingrenzung des möglichen Täterbereichs außerordentlich erschwert. Daraus erklärte sich auch, daß die Aktivitäten der RZ offensichtlich weit 2 - Politischer Extremismus - 90 mehr positive Resonanz als die der RAF im allgemeinen und unter Autonomen im besonderen finden. Mehr als die terroristischen Aktivitäten der RZ ist ihre Vorbildfunktion für ähnliche Aktionen anderer zur Gewaltausübung bereiter Gruppen und Personen zu fürchten. Insbesondere militante Autonome orientieren sich - offenbar häufig - am Handlungsmuster der RZ. Denjenigen, die einen Zusammenschluß nach dem Muster der RZ bilden wollen, bietet der "Feierabendterrorismus" der RZ günstigere Bedingungen als die Ideologie der RAF, die ein Abtauchen in die Illegalität beinhaltet. Obwohl in Berlin seit über zwei Jahren kein der RZ zuzurechnender Anschlag mehr zu verzeichnen war, wird weiterhin davon ausgegangen, daß es hier intakte "Revolutionäre Zellen" und ein großes Potential zur Bildung von Resonanz-RZ gibt, die aus aktuellem Anlaß jederzeit aktiv werden können. Denkbare Auslöser für Anschläge könnten die Asylund Ausländerproblematik, die sozialen Probleme, insbesondere im Ostteil und in den neuen Bundesländern, aber auch die "Umstrukturierung" Berlins und ein weiteres Ansteigen der Gewaltspirale zwischen "links und rechts" sein. 2.2.1.4 Autonome 2.2.1.4.1 Vorbemerkung Nach dem Zerfall der studentischen Protestbewegung Ende der sechziger Jahre entwickelte sich aus den von dieser vertretenen alternativen Ideen, Entwürfen und Projekten eine neue Alternativbewegung. Aus ihr formierte sich seit Mitte 1980 eine Protestform, deren Anhänger die Klassenkampf-Konzepte und die hierarchischen Strukturen der marxistisch-leninistischen Bünde und Parteien (K-Gruppen) ablehnten und dafür in der praktischen Aktion die Gewalt als Mittel des politischen Kampfes bewußt und entschlossen einsetzten. In Berlin richteten sich seinerzeit die von Gewalttätigkeiten begleiteten politischen Proteste - auch als "Teilbereichskämpfe" bezeichnet - vor allem gegen die Wohnungsund Sanierungspolitik. 2 - Politischer Extremismus - 91 Die eigentliche Stoßrichtung der gewalttätigen Proteste ging jedoch darüber hinaus. Sie wandten sich vor allem gegen die herrschenden Normen, Wertvorstellungen und Lebensweisen der differenzierten, arbeitsteiligen und auf wirtschaftliches Wachstum bedachten Industriegesellschaft. Die damaligen Aktivisten bezeichneten sich später selbst als Autonome. Das durch die Erfolge im "Häuserkampf' hervorgerufene "Wir-Gefühl" ermöglichte es der autonomen Szene, später auch in anderen "Teilbereichskämpfen" punktuell machtvoll aufzutreten. Für das Jahr 1993 ist jedoch festzustellen, daß es nicht gelungen ist, die vormals herrschende Einigkeit zu erhalten. Längst haben sich unter dem Begriff Autonome verschiedene politische Strömungen formiert. Selbst in den eigenen Reihen wird darüber geklagt, daß es inzwischen sogar notwendig geworden sei, die Ideen der Autonomie als politischen "Teilbereich der Linksradikalen" in die politische Diskussion "einzuordnen", denn es sei nicht gelungen, "mit dem Begriff der Autonomie eine neue zusammenfassende Programmatik der radikalen Linken zu schaffen". Bei der Vielzahl heterogener, mehr oder weniger konstanter Gruppen und Zusammenschlüsse sind die Übergänge zwischen gewaltablehnenden und gewaltbefürwortenden Kräften fließend. Grundsätzlich unterliegen nur diejenigen Autonomen der Beobachtung der Sicherheitsbehörden, die an gewalttätigen Aktionen mit linksextremistischen Hintergrund mitgewirkt oder diese vorbereitet haben, den Einsatz von Gewalt bei diesen Aktionen befürwortet haben oder häufige oder enge Kontakte zu Gewalttätern oder Gewaltbefürwortern hatten, d. h. insbesondere zu Mitgliedern von Gruppen, die Gewalttaten propagieren, vorbereiten oder durchführen. 2 - Politischer Extremismus - 92 2.2.1.4.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen Berlin stellt nach wie vor mit etwa 1 200 Szeneangehörigen die Hochburg der deutschlandweit mehr als 5 000 Anhänger umfassenden autonomen Bewegung dar. Teile der Berliner Autonomen, die lose strukturiert sind, arbeiten u. a. in zahlreichen Antifa-Gruppen, Anti-Umstrukturierungs-Initiativen und anarchistisch inspirierten Zusammenschlüssen mit. Die überwiegende Mehrheit der Autonomen bezeichnet sich jedoch als "freischwebend" und ist keinem dieser Bereiche schwerpunktmäßig zuzuordnen. Eine Vielzahl von Einzelinformationen bestätigt darüber hinaus, daß es sich bei den Autonomen um wenige "trendsetzende Vordenker" und viele auf Aktionen fixierte Mitläufer handelt. Autonome sind überwiegend deutsche Jugendliche bzw. jüngere Erwachsene. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt vor allem durch Gelegenheitsjobs und/oder dem Empfang von öffentlichen Sozialleistungen ("Staatsknete"). Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang eine im April 1993 in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM" veröffentlichte Charakterisierung eines autonomen Autors. Er stellt darin fest, daß viele Autonome eine "mittelständische Sozialisation" hätten, in einem bestimmten Lebensabschnitt "ihre individuelle Rebellion" gegen ihre eigene Herkunft und die herrschenden Verhältnisse" (oft mit einer extrovertierten, plakativen Radikalität)" auslebten, später aber "in den Schoß der Gesellschaft ... auf Führungsebene, als Erneuerer, als Weiterentwickler des Systems" zurückkehrten. Dieser Lebensabschnitt sei gekennzeichnet durch das Weggehen aus dem Elternhaus, Anfangen einer "gehobenen" Ausbildung - "abgesichert durch BaFöG (sic!) oder sponsored by Mami"-, Eröffnen von Freiräumen und den Wegfall von Zwängen. Mit der letzten Prüfung, die "vielleicht noch ein zwei Jahre hinausgeschoben wird", ginge dieser Lebensabschnitt zu Ende und die Identität dieser Menschen wandele sich erneut, d. h. "die Autonomen sind sozusagen Durchlauferhitzer für wildgewordene Bürgerkinder, die sich hinterher wieder in die privilegierte Klasse integrieren". 2 - Politischer Extremismus - 93 Die autonome Szene Berlins hat eine große Affinität zur sog. AlternativSzene mit mehr als 2 000 Projekten, Selbsthilfegruppen, Alternativläden, Szene-Kneipen sowie Wohnund Arbeitskollektiven. Dieser Umstand ermöglicht es den Berliner Autonomen, zu aktuellen Anlässen ein erheblich höheres Unterstützerpotential zu mobilisieren. Neben Personen aus den o. a. Zusammenhängen zählen dazu aber beispielsweise auch Angehörige zahlreicher - überwiegend ausländischer - Jugendbanden, linksextremistischer Ausländerorganisationen und von Teilen der "Subkultur" (wie z. B. soziale Randgruppen). Eine autonome Ideologie gibt es nicht, konkrete politische Ziele werden nicht formuliert. Anarchistischen Grundmustern folgend, reduziert sich autonomes Denken auf die Ablehnung staatlicher Herrschaft. Die damit verbundenen gesellschaftspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten und -pflichten widersprechen ihrer eigenen Maxime, selbstbestimmt leben zu wollen. Autonomes Handeln beschränkt sich demzufolge auf das Reagieren auf aktuelle politische Entscheidungen und Ereignisse. Hierbei geraten bestimmte Personen, Unternehmen oder sonstige Einrichtungen, die als Symbol oder als typischer Ausfluß des verhaßten Systems gelten, in das Fadenkreuz autonomer Angriffe. Mit der dadurch zum Ausdruck gebrachten Gegnerschaft zum Grundsatz der Volkssouveränität, zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, zum Gleichheitsgrundsatz und letztlich auch zum Mehrparteienprinzip werden mehrere der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Verfassungsgrundsätze bekämpft. In der autonomen Szene Berlins, die nach außen hin ein diffuses, zusammenhangloses Bild vermittelt, sind bei genauerer Betrachtung durchaus strukturelle Ansätze erkennbar. Obwohl Autonome von der Grundtendenz her den Aufbau von hierarchischen Organisationsformen ablehnen, existieren öffentliche, für jeden Interessierten erkennbare Strukturen, wie Infotelefone, Infoläden (Schwerpunkte in Kreuzberg, Friedrichshain, Prenzlauer Berg) und Vollversammlungen, die auch in einschlägigen Schriften bzw. Flugblättern publiziert werden. Daneben verfügen Berliner Autonome zudem über verdeckte, informelle Strukturen, wie z. B. Telefonketten, die nur "Insidern" bekannt sind und 2 - Politischer Extremismus - 94 von diesen genutzt werden können. Hierzu ist jedoch zu bemerken, daß diese Mittel offenbar anlaßbezogen eingesetzt werden und damit kurzfristige interne Mobilisierungsmöglichkeiten eröffnen, aber dabei nicht bzw. nicht in allen Fällen die gesamte autonome Szene Berlins erreichen. Sowohl im Bereich der öffentlichen, aber auch im Bereich der verdeckten Strukturen werden nationale und internationale Verbindungen festgestellt. Diese wurden geknüpft, da Teilen des autonomen Potentials die bisher existenten Strukturen in Berlin nicht ausreichten, um über Kampagnen hinaus zu kontinuierlich nachhaltiger politischer Arbeit zu gelangen. Das 1991 von Autonomen und Angehörigen des RAF-Umfeldes eingerichtete bundesweite computergestützte Informationssystem "SpinnenNetz" wurde 1993 auch in Berlin weiter ausgebaut. Dieses MailboxSystem, dem u. a. zahlreiche Infoläden, Freie Radios, Zeitungsprojekte und Antifa-Gruppen angeschlossen sind, dient dem gegenseitigen Nachrichtenaustausch auf nationaler und internationaler Ebene. Im Gegensatz zu anderen Arbeitsfeldern innerhalb der autonomen Szene sind die Vernetzungsbemühungen im Antifa-Bereich besonders ausgeprägt. Sie reichen von informellen Kontakten über organisierten Informationsaustausch bis hin zu Bestrebungen, parteiähnliche Organisationen aufzubauen. Auch aus autonomen Antifa-Zusammenhängen sind tiefergreifende Strukturprinzipien bekannt, die bereits beim Aufbau von Gruppen ihren jeweils geplanten Charakter festlegen. Die festgesetzten Kriterien gelten auch für das übrige autonome Spektrum. Vor allem im Hinblick auf die spätere zu leistende Arbeit und die dabei anzuwendenden Aktionsformen werden drei Organisationsformen unterschieden: "Offene Gruppen" (keine festen Mitgliederkreise, Unverbindlichkeit für die Anhänger; Treffpunkte öffentlich bekannt; leicht kontrollierbar), 2 - Politischer Extremismus - 95 "Halboffene Gruppen" (Feste Mitgliedschaften; Gruppen entscheiden, wer an Treffen teilnehmen darf; machen Treffpunkte nicht bekannt, arbeiten aber trotzdem öffentlich; größerer Schutz gegen evtl. Observationen), "Geschlossene Gruppen" (Möglichst wenige Informationen über eigene Struktur nach außen; Trefforte, -termine und sonstige Informationen werden nicht bekanntgemacht; gegenseitiges Vertrauen und gegenseitige Unterstützung bei Aktionen von besonderer Bedeutung). Mit im Wesen dieser Organisationsmodelle sind die Gründe dafür zu suchen, daß sich die Aufklärung autonomer Kleingruppen, die in der Regel als "geschlossene Gruppen" agieren, und der im wesentlichen von ihnen begangenen Sachbeschädigungen für die Sicherheitsbehörden äußerst schwierig gestaltet. 2.2.1.4.3 Militanz und Aktionsformen Gewalt gegen Sachen, aber auch gegen Personen, ist für viele Autonome selbstverständlich - Militanz geradezu ein Kriterium autonomer Politik. Ein Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung, so erklären Autonome, werde es erst geben, wenn die Macht des imperialistischen Systems durch Widerstand von unten gebrochen sei. Dabei müßten politische Bewegungen, militante Aktionen sowie Angriffe auf Eigentum und sogar auf das Leben der Repräsentanten dieses Systems zusammenwirken. Nach eigenen Aussagen bewegten sich ihre Aktionen auf drei Ebenen: "Die erste Ebene bezieht sich darauf, mit vielen anderen auf Demos zu gehen, politische Kampagnen zu organisieren, d. h. völlig legal politische Arbeit zu machen. Als zweite Ebene verstehe ich, mit vielen anderen nachts loszuziehen, Schlösser zuzukleben, halt eine Art Massenmili- 2 - Politischer Extremismus - 96 tanz ein dritter Teil ... sind dann die klandestinen militanten Aktionen, wie Brandsätze deponieren etc.". Im Jahre 1993 lieferte der autonomen Szene Berlins insbesondere der Themenbereich "Umstrukturierung" Berlins im Rahmen der Hauptstadtund vor allem der Olympia-Planungen, aber auch das Thema "Antifaschismus" in Verbindung mit den ausländerfeindlichen Übergriffen sowie der Debatte um die Änderung des Asylrechts zu Beginn des Jahres Impulse für die Ausübung linksextremistisch motivierter Gewalt. Die angewandten Aktionsformen und der dabei ausgeübte Grad von Gewalt richteten bzw. richten sich nach den eigenen Möglichkeiten und den jeweils vorgefundenen Gegebenheiten. Sie reichten bzw. reichen von Versammlungen und Demonstrationen über Störaktionen, Blockaden und Sachbeschädigungen bis zu Überfällen auf politische Gegner und terroristischen Anschlägen autonomer Kleingruppen, die sich an das Handlungsmuster der "Revolutionären Zellen" (RZ) anlehnen. Bei Ausschreitungen verfolgten Autonome auch 1993 weiterhin die Taktik, in Kleingruppen "zuzuschlagen" und sich sofort zurückzuziehen, um ein neues Ziel "anzugreifen". Verstärkte Polizeipräsenz bei Demonstrationen mit Beteiligung Autonomer führte dazu, daß viele potentielle Gewalttäter verunsichert von der Ausübung militanter Aktionen absahen. Im Zusammenhang mit als "Volxsport" betitelten Zerstöraktionen veröffentlichten Autonome detaillierte Sabotageanleitungen und begründeten die Wahl ihrer Anschlagsziele regelmäßig in Taterklärungen. Diese sandten sie z. T. der Presseagentur dpa oder verschiedenen Tageszeitungen zu. 2.2.1.4.4 Aktuelle Aktivitäten Hauptanknüpfungspunkte für Aktivitäten Berliner Autonomer sind - wie auch 1993 zu beobachten war - folgende Themen: Proteste gegen die "Umstrukturierung" Berlins als Hauptstadt, Regierungssitz und möglichen Austragungsort für die Olympischen Spiele im Jahre 2000 (galt nur bis zum 23. September 1993), 2 - Politischer Extremismus - 97 Proteste gegen angeblichen (staatlichen) Faschismus, darunter Rassismus und Sexismus, sowie gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten (sog. Antifaschistischer Kampf), Proteste gegen internationale Konferenzen, Staatsbesuche und sonstige Veranstaltungen, deren Teilnehmer in der linksextremistischen Agitation als Träger imperialistischer Bestrebungen propagiert werden, Proteste gegen den Bau und Betrieb von technischen Großanlagen und den Ausbau des Straßenund Brückennetzes Berlins nach der Vereinigung. Wiederholt war dabei auch 1993 eine Zusammenarbeit mit Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes festzustellen. Insbesondere durch medienwirksame Aktivitäten im Rahmen der AntiOlympia-Kampagne versuchten Berliner Autonome im Jahre 1993, ihre geschwächte und in verschiedene Strömungen gespaltene Szene wieder zu einen und aus der teilweise herrschenden Lethargie zu führen. Trotz dieser Bemühungen mußten sie anläßlich der von ihr zu Schwerpunkten erklärten Großereignisse, Anti-Olympia-Demonstrationen am 18. April und 18. September 1993 sowie "Revolutionäre 1, Mai-Demonstration", empfindliche Mißerfolge hinnehmen. Die Gründe hierfür dürften vor allem darin liegen, daß es den führenden Angehörigen der autonomen Szene nicht gelungen ist, die bestehenden Ost-Westund Generationskonflikte zu lösen sowie die Differenzen zwischen weiblichen und männlichen Szeneangehörigen zu überbrücken. Auch haben konsequente Polizeieinsätze die geplanten Ausschreitungen weitgehend verhindert. In bezug auf den 1. Mai 1993 haben darüber hinaus nicht zuletzt u. a. Auseinandersetzungen im Vorfeld - die Autonomen hatten dem im Frühjahr 1993 ins Leben gerufenen 1. Mai-Vorbereitungsplenum Dominanz von "einigen ML-Gruppen und Stalinisten" vorgeworfen und erst im April ein eigenes 1. Mai-Vorbereitungsplenum gegründetnach eigenen Angaben zur "schlechtesten 1. Mai Demo aller Zeiten" geführt. 2 - Politischer Extremismus - 98 Die Aktivitäten der autonomen Szene schlugen sich wegen der o. g. Mißstände auch 1993 wieder im wesentlichen in Anschlägen von Kleingruppen nieder, vor allem zum Thema "Umstrukturierung". Aktivitäten gegen die "Umstrukturierung" Berlins Berliner Autonome führen seit der Wiedervereinigung der Stadt und insbesondere nach der Entscheidung des Deutschen Bundestages für Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz eine Kampagne gegen die "Umstrukturierung der Stadt". Als Begründung für die zahlreichen gewalttätigen Aktionen dient hierbei nach wie vor die Befürchtung, infolge verstärkter Bautätigkeit, sog. Luxusmodernisierungen und folgender Mietsteigerungen für Wohnungen und Gewerberäume zusammen mit anderen ärmeren Kiezbewohnern aus dem Innenstadtbereich verdrängt zu werden. Im Vordergrund ihres Interesses stehen hierbei weiterhin die Bezirke Kreuzberg und Friedrichshain, die mit ihren Kiezen nach der Vereinigung Berlins aus vormals ghettoartiger Randlage wieder zu Innenstadtbezirken geworden sind. Die Aktionen, insbesondere Brandanschläge und Sachbeschädigungen, richteten sich vor allem gegen Firmen, die sie mit der "Umstrukturierung" in Zusammenhang brachten, gegen sich in "ihrem Kiez" ansiedelnde kapitalkräftige Großunternehmen sowie Lokale, die sie als "SchickiMicki-Läden" diffamierten. In diesem Zusammenhang ist eine Anfang 1992 begonnene und auch 1993 fortgesetzte Serie von Brandanschlägen auf Personenkraftwagen der Luxusklasse hervorzuheben. Darunter befanden sich sowohl gezielte Anschläge auf Fahrzeuge von Personen, die für die "Umstrukturierung" verantwortlich gemacht wurden, als auch zahlreiche wahllos durchgeführte Aktionen gegen "Bonzenund Nobelkarossen". Zu den gezielten Aktionen, die insbesondere Furcht und Einschüchterung erzeugen sollten, gehörten beispielsweise Anschläge einer Gruppierung, die Taterklärungen mit dem Slogan "KLASSE GEGEN KLASSE" unterzeichneten. Hierbei handelt es sich um unbekannte autonome Gewalttäter mit revolutionär-marxistischer Ausrichtung. Sie verübten 1993 Brandund Sprengstoffanschläge auf das Eigentum von Bezirkspolitikern aus Kreuzberg und Neukölln, von in Kreuzberg tätigen 2 - Politischer Extremismus - 99 Architekten sowie auf ein sog. Schicki-Micki-Restaurant und ein Spezialitätengeschäft in Kreuzberg. An mehrere Geschäftsinhaber und Bewohner von Dachgeschoßwohnungen sandten sie Drohbriefe. Ziel ihrer Aktionen ist die sog. Mittelschicht, der vorgeworfen wird, von der "Umstrukturierung" zu profitieren und sich in den Kiezen breitzumachen. Die willkürlichen Anschläge richteten sich in erster Linie gegen "Bonzen", Makler, Geschäftsleute und "Yuppies"; die Taterklärungen wurden wie bereits zuvor regelmäßig unter der Rubrik "Volxsport" in dem klandestin herausgegebenen autonomen Szeneblatt "INTERIM" veröffentlicht. Auch Aktivitäten gegen die Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele im Jahre 2000 subsumierten Autonome unter ihre Kampagne gegen die "Umstrukturierung". Insbesondere bauliche Großprojekte und sich daraus ergebende Veränderungen in der Wohnstruktur ihres Umfeldes sowie befürchtete generelle Preissteigerungen und Schulden im Landeshaushalt waren ihnen hierbei ein Dorn im Auge. Anfang Januar 1993 spielten Berliner Autonome, deren Vordenker sich in einem "Anti-Olympia-Komitee" (AOK) zusammengeschlossen hatten, der Presse ein "Strategiepapier" zu, in dem sie als Protestmöglichkeiten aufführten: Direkte Angriffe auf IOC-Mitglieder "bei einem ihrer zahlreichen besuche hier in berlin müßte einem von diesen korrupten geldsäcken am besten die fresse poliert werden und die wagensportliga zuschlagen, auch eine gelungene kübelaktion während eines galafressens wäre angebracht." Attacken gegen "Olympiastrategen" "brandanschläge wie auf cad-map im Oktober müssen ausgeweitet und verstärkt werden (...). auch weitere 'besuche' bei olympiaarchitektenbüros ... sind sinnvoll, dadurch wird ihre planung ganz konkret behindert und verzögert." Propagandistische Aktionen "z.b. brandanschläge auf pkws der olympia gmbh (...). breite angriffe auf die offiziellen Sponsoren wie hertie, berliner bank, 2 - Politischer Extremismus - 100 daimler-benz etc., deren filialen nun wirklich überall in der stadt zu finden sind." Störung von Großveranstaltungen "analog zu dem umfunktionieren der heuchler-demo vom 8. november kann jede großveranstaltung zu Olympia ebenfalls umgedreht werden." Das "Strategiepapier" folgt weitgehend der Vorgehensweise der Amsterdamer "Nolympics", die mit vielfältigen legalen und illegalen (militanten) Aktionen gegen die Bewerbung Amsterdams für die Austragung der Olympischen Spiele im Jahre 1992 agierten und u. a. letztendlich eine Entscheidung gegen ihre Stadt bewirkten. Gewalttätige Aktionen (überwiegend Brandanschläge und Sachbeschädigungen) richteten sich insbesondere gegen Lizenznehmer der Berlin 2000 Marketing GmbH, die für Olympia 2000 Berlin warben. Hervorzuheben sind hier Brandanschläge gegen die Kaufhäuser KaDeWe und Hertie am 14. April 1993 sowie diverse Sachbeschädigungen und Brandanschläge zum Nachteil der Deutschen Bundespost (Fahrzeuge der Telekom). Weiterhin verbreiteten Autonome Broschüren und Flugblätter, mit denen sie versuchten, den Olympischen Spielen ein negatives Image zu verschaffen und den Eindruck einer olympiafeindlichen Stimmung in der Bevölkerung zu wecken. Diese Aktivitäten sowie versandte Schmähschriften an IOC-Mitglieder und Protestaktionen am Hauptsitz des IOC in Lausanne/Schweiz sollten die Chancen für eine Entscheidung zugunsten Berlins als Austragungsort der Olympischen Spiele mindern. Höhepunkt der Anti-Olympia-Kampagne Berliner Autonomer sollten die Großdemonstrationen am 18. April 1993 anläßlich des Besuchs der IOCPrüfungskommission in Berlin und am 18. September 1993 vor der Entscheidung des Austragungsorts der Olympischen Spiele im Jahre 2000 am 23. September 1993 in Monte Carlo/Monaco sein. Die autonomen Aktivisten mußten hierbei jedoch erhebliche Mißerfolge hinnehmen. So beteiligten sich zwar bis zu 10 000 Personen, darunter ein Großteil der autonomen Szene Berlins, an den Aufzügen, die ur- 2 - Politischer Extremismus - 101 sprünglich geplante Militanz wurde jedoch durch konsequentes Eingreifen der Polizei nahezu vollständig verhindert. "Antifaschistischer Kampf" Obwohl auch die Berliner Autonomen grundsätzlich starre Ideologien ablehnen und ihr Hauptaugenmerk auf ein selbstbestimmtes Leben - bei grundsätzlicher Gegnerschaft zum Staat und zu den gesellschaftlichen Normen - richten, liegen die Wurzeln ihrer Gewaltaktionen gegen Rechtsextremisten und vermeintliche Rechtsextremisten in einer engen Anlehnung an die sog. Antifaschismusarbeit revolutionärer Marxisten. Diese stellen ihre 'Antifaschismusarbeit" gestern wie heute in einen historischen Zusammenhang mit der 1932 von der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) ausgerufenen "Einheitsfront" (später "Antifaschistische Aktion") und entwickelten folgende Positionen: "Die BRD ist in Kontinuität zum NS-Staat entstanden. Die ökonomischen und politischen Grundstrukturen blieben bestehen und wurden weiterentwickelt. Die geschichtliche Trennung von faschistischer und bürgerlicher Herrschaft ist so nicht aufrechtzuerhalten. Faschismus ist keine Form bürgerlicher Herrschaft, sondern an den Inhalten wie z. B. unterschiedliche Wertigkeit von Menschen, Autoritätshörigkeit, patriarchale Strukturen, Leistungsethos ... festzumachen. Die BRD organisiert selbst faschistische Praxis. - Das gleiche System, das sich hier demokratisch gebärdet, ist für Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen in anderen Teilen der Welt verantwortlich, z. B. durch direkte Unterstützung faschistischer Militärdiktaturen, wie die der Türkei. Der Imperialismus ist faschistisch. Wenn die kapitalistischen Interessen gefährdet wären, so würden auch hier zu ihrer Verteidigung, faschistische Poten- 2 - Politischer Extremismus - 102 tiale, eskaliert werden. Faschismus ist integraler Bestandteil westeuropäischer Demokratie. Die Herrschenden haben ein Interesse an der Existenz (neo)faschistischer Gruppen als Herrschaftsreserve, Abgrenzungsmöglichkeiten gegen Rechts, Testballon für regressive Maßnahmen, Bindung des Widerstandes usw.". Unter dem Motto "Kampf dem Faschismus auf allen Ebenen" propagierten Berliner Autonome auch 1993 u. a., den Aufbau "faschistischer Organisationen und Strukturen ... mit Mitteln der Aufklärung und in der direkten Konfrontation" zu bekämpfen, "staatliche(n) Rassismus, der den wachsenden Faschismus begünstigt", anzugreifen, "Flüchtlinge und Antifaschistinnen tatkräftig" zu unterstützen und die "Organisierung und Vernetzung des antifaschistischen Widerstandes in der BRD und international" voranzutreiben. Die Palette des "Gegenterrors" reichte dabei von der Ausforschung von "Fascho-Treffpunkten", "Fascho-Gruppen" und "Faschos" und der Veröffentlichung der so gewonnenen Daten in Broschüren, Szene-Zeitschriften und "Steckbriefen" über Aufrufe zur Gewaltanwendung gegen Verbreiter sog. Nazi-Zeitungen, bis hin zu Gewaltaktionen gegen "NaziAufmärsche" und gezielten Anschlägen und Angriffen auf erkannte oder vermeintliche Rechtsextremisten (als "antifaschistische Selbsthilfe" deklariert), deren Eigentum und Stützpunkte. 1993 waren in Berlin wiederholt auch Politiker bzw. deren Büros oder Fahrzeuge autonomen antirassistischen Aktivitäten ausgesetzt. Bundestagsabgeordneten wurden im Mai 1993 vor der Abstimmung des "Asylkompromisses" im Bundestag Drohbriefe zugesandt und nach der Abstimmung u. a. das Büro einer Berliner Bundestagsabgeordneten -"EINE VON 521 'BEFÜRWORTER/-INNEN DES RASSISTISCHEN ASYLKOMPROMISSES"'im Juni 1993 zur "Ent-Anonymisierung" mit Parolen besprüht und durch Zuund Verkleben der Schlösser beschädigt. Neben der Selbstbezichtigung einer "autonom-antirassistische(n) Gruppe" veröffentlichte das autonome Szeneblatt "INTERIM" in diesem Zusammenhang die Namen und Anschriften verschiedener CDUund SPD-Politiker als weitere "potentielle Angriffsziele". 2 - Politischer Extremismus - 103 Autonome und ihnen zuzurechnende militante Antifa-Gruppen-Anhänger zeigten sich bei ihren Aktionen schwer bewaffnet (u. a. mit Baseballschlägern, Eisenstangen, Molotowcocktails, Messern und Steinen) und häufig vermummt. Dabei hat die Häufigkeit gewalttätiger Aktionen nach dem sprunghaften Anstieg in 1992 im Jahre 1993 nochmals leicht zugenommen. Der von den Autonomen und den ihnen zuzurechnenden militanten Antifa-Gruppen-Anhängern propagierte sog. antifaschistische Kampf dient nach Bekundungen Autonomer gleichzeitig als Hebel zur Vermittlung "antiimperialistischer Politik", als Vehikel zur erwünschten Auseinandersetzung mit der Staatsmacht sowie als Möglichkeit, Jugendliche zu politisieren, die "Zunahme revolutionärer antifaschistischer Gewalt" zu fördern und die eigenen Strukturen über die Organisation dieses Kampfes zu verbessern. Analog dazu haben sich militante Antifa-Gruppen-Anhänger in letzter Zeit vor allem über sog. Info-Telefone und Infoläden noch stärker vernetzt. Weiter ausgebaut wurde auch der Einsatz moderner Computertechnik im Zuge des bundesweiten Informationssystems "SpinnenNetz", das auch das europäische Ausland einbezieht und bis in die USA reicht. Ein vorläufiger Höhepunkt der Organisationswelle im "antifaschistischen Kampf Autonomer ist der Versuch, eine "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) ins Leben zu rufen. Folgerichtig waren es in Berlin auch 1993 vornehmlich Anhänger autonomer Antifa-Gruppen, die die Vernetzung der autonomen Szene insgesamt weiter vorangetrieben haben. 2.2.1.4.5 Ausblick Der autonomen Szene Berlins ist es auch 1993 nicht gelungen, zu einheitlichem, kontinuierlichem Handeln zu gelangen. Autonome Aktivitäten sind zunehmend bestimmt von individuellen bis hin zu egoistischen Interessen einzelner bzw. einzelner Gruppen. Unter den Berliner Autonomen zeichnen sich bisher folgende Richtungen ab: 2 - Politischer Extremismus - 104 Autonome, für die militantes Vorgehen im Mittelpunkt ihres Interesses steht, Autonome, vorwiegend "Alt-Autonome", die durch Vermittlung politischer Inhalte versuchen, die autonome Szene wieder zu gemeinsamem Handeln zu bewegen, Autonome, die sich mit kommunistischem Gedankengut beschäftigen und versuchen, ihr Handeln ideologisch zu begründen, Autonome, die - über die Vernetzung separat arbeitender Zusammenhänge hinaus - verbindliche Organisationsstrukturen anstreben (z. B. "F.e.l.S." [vgl. 2.2.3]). Diese Spaltung der autonomen Szene hatte zur Folge, daß die Anhänger der verschiedenen Strömungen teilweise nicht mehr miteinander kommunizierten, teilweise sogar gegeneinander argumentierten. So wurde z. B. die Gruppe "KLASSE GEGEN KLASSE" von anderen Autonomen in Beiträgen in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM" heftig kritisiert. Ein breiter Meinungsaustausch findet derzeit nicht statt, die Diskussionen werden überwiegend in kleineren Zirkeln geführt. Sollte es der autonomen Szene Berlins nicht gelingen, diese Mißstände zu überwinden, ist es wahrscheinlich, daß sie jetzt und in der nahen Zukunft nicht in der Lage sein wird, eigene Großveranstaltungen zu planen, zu organisieren und durchzuführen. Dennoch muß immer mit der Beteiligung an von anderen Organisationen und Zusammenhängen initiierten Veranstaltungen und in diesem Zusammenhang mit Ausschreitungen autonomer Gewalttäter gerechnet werden. Einen deutlichen Schwerpunkt dürften aber vorerst weiterhin die Aktionen autonomer Kleingruppen bilden, nicht zuletzt auch deshalb, weil diese Aktionsform nur selten "repressive" staatliche Maßnahmen nach sich zieht. Einen Kristallisationspunkt für derartige Gewalttaten könnten zukünftig die Baumaßnahmen am Potsdamer Platz (Berlin-Mitte) darstellen. 2 - Politischer Extremismus - 105 Darüber hinaus sind im "antifaschistischen Kampf Sachbeschädigungen und Anschläge vorzugsweise auf Pkw und Objekte von "Faschisten" wahrscheinlich. Auch ist - als "antifaschistische Selbsthilfe" deklariert - mit Angriffen auf tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten zu rechnen. Abgewartet werden muß derzeit, ob sich die autonome Szene gegenüber den Bemühungen der RAF, die "radikale Linke" im Zuge ihres Konzeptes "Gegenmacht von unten" zusammenzuführen, öffnet. Die Folge wäre eine Verschärfung der Gefährdungslage durch das linksextremistisch motivierte Gewaltpotential. 2.2.2 Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen 2.2.2.1 Vorbemerkung Neben den vorgenannten linksextremistisch motivierten Gruppen und einer Reihe relativ unbedeutender anarchistischer Zirkel und Zusammenschlüsse (ca. 100 Anhänger), die eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" anstreben, versuchen auch andere linksextremistische Organisationen, Parteien und Zusammenschlüsse, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland auf revolutionärem Weg zu beseitigen. Dazu zählen marxistisch-leninistische Bünde und Parteien inklusive traditionell-kommunistische Organisationen sowie trotzkistische Vereinigungen. Den einerseits aus der kommunistischen Weltbewegung unter ideologischer Hegemonie der ehemaligen KPdSU entstandenen Parteien und Gruppen und den andererseits in der Studentenbewegung der 60er Jahre wurzelnden Organisationen ist gemeinsam, daß sie den Klassenkampf und die proletarische Revolution propagieren sowie eine kommunistische Diktatur errichten wollen. Dabei sind sie z. T. auch bereit, Gewalt zur Durchsetzung dieses politischen Ziels anzuwenden, sobald die Situation dies ihrer Meinung nach zuläßt. 2 - Politischer Extremismus - 106 Die traditionellen "orthodoxen" Kommunisten und ihre auch in Berlin (ca. 200 Mitglieder) aktiven Parteien "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) - Ost - versuchen, nach dem Zusammenbruch der "sozialistischen Staatengemeinschaft" in Ostund Südosteuropa einen zweiten Anlauf des Sozialismus zu rechtfertigen. Sie wehren sich dabei am entschiedensten gegen die Ablehnung der Stalinschen Sowjetunion und behaupten weiterhin, es hätte ohne die Anwendung stalinistischer Methoden weder eine Großmacht UdSSR mit starker Industrie noch den sowjetischen Sieg im zweiten Weltkrieg gegeben. Für sie und eine Vielzahl der früher im allgemeinen Sprachgebrauch als "K-Gruppen" bezeichneten Organisationen spielt die positive Auseinandersetzung mit dem "Stalinismus" eine wesentliche Rolle, allerdings wird der Begriff auf die verschiedensten Arten ausgelegt. Die in Berlin (ca. 500 Angehörige) vertretenen marxistisch-leninistischen Bünde und Parteien wie "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB), "Gruppe K", verbliebene Splittergruppen der 1968 gegründeten "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/M-L), die alle (derzeit drei mit Sitz in Berlin, Gelsenkirchen und Stuttgart) den Namen "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) für sich beanspruchen, "Rote Hilfe e. V." (RH) und "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP), sind überwiegend auch bundesweit aktiv, insbesondere durch die regelmäßige Herausgabe von Publikationen. Die trotzkistischen Organisationen hingegen lehnen den "Stalinismus" grundsätzlich ab und fühlen sich durch den "Untergang der sozialistischen Diktaturen" in ihrer Haltung bestätigt. Der Trotzkismus, dessen Anhänger sich selbst als "revolutionäre Kommunisten" bezeichnen, hat seinen Ursprung in der von Leo TROTZKI am 3. September 1938 in Perigny bei Paris gegründeten "IV. Internationale" und dem dort von ihm vorgelegten "Übergangsprogramm: Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale". Darin faßte TROTZKI für ihn richtungsweisende Grundsätze zusammen und formulierte ein Ablaufmuster zur "Mobilisierung der Massen". In ihrem Statut proklamierte die "IV. Internationale" das Ziel der proletarischen Revolution im Weltmaßstab zur Errichtung einer rätedemokratischen Ordnung. 2 - Politischer Extremismus - 107 Sowohl das "Übergangsprogramm" als auch die seinerzeit benannten Ziele bilden bis heute für Trotzkisten die ideologische Grundlage ihres Verständnisses von Sozialismus. TROTZKIS "IV. Internationale" konnte bisher keine große politische Bedeutung gewinnen. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über taktische und organisatorische Fragen spaltete sie sich im Dezember 1953 in ein "Internationales Komitee" und ein "Internationales Sekretariat". Daraus entwickelten sich - nach vergeblichen Einigungsversuchen - viele unterschiedliche, rivalisierende Gruppen, die in internationalen Dachverbänden organisiert sind, von denen jeder beansprucht, der einzige legitime Nachfolger TROTZKIS "IV. Internationale" zu sein. Angesichts seiner Zersplitterung und seiner geringen Anhängerzahl - bundesweit etwa 1 300 Personen in über einem Dutzend Parteien, Gruppen und Zirkeln organisiert - stellt der organisierte deutsche Trotzkismus z. Z. keine ernsthafte Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung dar. Gleichwohl gelingt es Trotzkisten mitunter, Diskussionen und Aktivitäten innerhalb der extremistischen Bewegung zu beeinflussen sowie durch besonderen Einsatz auch auf Teile der demokratischen Arbeiterbewegung und auf Kampagnen einzuwirken. In Berlin sind derzeit insgesamt acht, zusammen über etwa 200 Mitglieder verfügende, trotzkistische Parteien und Gruppen, die als deutsche Sektionen der internationalen Dachverbände auftreten, aktiv. Sie können sich wegen fehlenden Mitgliederzuwachses kaum öffentlich wirksam behaupten. Der "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA), die "Gruppe Avanti", die "Gruppe Spartakus" (GS) und die "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) mit ihrer Tarnorganisation "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) treten bei Großveranstaltungen lediglich mit Flugschriftenaktionen in Erscheinung. Bei eigenen Veranstaltungen bleiben sie überwiegend isoliert, da sie verschiedenen - konkurrierenden - Dachverbänden des internationalen Trotzkismus angehören. Schwerpunktmäßig engagieren sie sich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus/Antirassismus" und für den "Internationalen Sozialismus". 2 - Politischer Extremismus - 108 Wegen der Vielzahl der marxistisch-leninistischen und sonstigen revolutionär-marxistischen Zusammenschlüsse wird im Anschluß nur eine Auswahl der in Berlin aktivsten Parteien/Gruppen näher dargestellt (in alphabetischer Reihenfolge). 2.2.2.1.1 "Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Der BWK, 1980 aus einer Spaltung des damaligen "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) hervorgegangen, propagiert weiterhin die "proletarische Revolution". Nachdem er 1991 auf eine Ausdehnung auf die neuen Bundesländer verzichtete - mit dem Argument, man sehe den Anspruch der ehemaligen DDR-Bevölkerung auf eigene Organisationsformen und wolle daher keine Spaltung der PDS - beschloß die 13. ordentliche Delegiertenkonferenz des BWK am 13714. März 1993, als Arbeitsgemeinschaft in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) mitzuarbeiten. Damit ist der BWK die erste und bisher einzige "sozialistisch-kommunistische" Gruppe aus dem alten Bundesgebiet, die Bereitschaft zeigte, ihre Eigenständigkeit aufzugeben und ihre regionalen Gliederungen organisiert in den PDS-Landesverbänden als "Arbeitsgemeinschaften" mitwirken zu lassen. Der BWK, dem bundesweit etwa 300 und in Berlin weniger als 20 Mitglieder angehören, tritt seit Jahren kaum noch mit eigenständiger kommunistischer Politik in Erscheinung. Auch seine Bündnisorganisation "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) mußte erhebliche Mitgliedereinbußen hinnehmen (von etwa 500 Mitgliedern 1990 ist ein Rückgang auf jetzt ca. 200 zu verzeichnen). In seiner politischen Arbeit stützt sich der BWK auf Medienfirmen, die "Gesellschaften für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung mbH" (GNN), mit Sitzen in Berlin, Frankfurt/M., Hamburg, Hannover, Köln, München, Stuttgart und Schkeuditz (Sachsen), zu denen z. T. enge personelle Verflechtungen bestehen. Die 14täglich überregional erscheinende Publikation "Politische Berichte" entstand vor 13 Jahren als Zeitung des BWK; heute setzt sich der Herausgeberkreis aus Linksextremisten verschiedenster ideologischer Provenienz zusammen. 2 - Politischer Extremismus - 109 2.2.2.1.2 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Trotz des Fortbestehens des 1956 vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Verbots der KPD wurde am 25. September 1968 die Neukonstituierung einer legalen kommunistischen Partei, der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) verkündet; sie feierte im Jahre 1993 ihr 25jähriges Bestehen. Die lange Jahre DDR-getreue DKP hat einen erheblichen Mitgliederschwund zu verzeichnen. Zeitweise, bis in die 80er Jahre, behauptete die DKP, fast 50 000 Mitglieder zu haben; heute gehören der Partei noch etwa 6 000, in Berlin mehr als 100 Mitglieder an. Die DKP gliedert sich in Bezirks-, Kreisund Grundorganisationen; ihren Sitz hat sie in Essen. Der Aufbau einer Parteiorganisation in Berlin begann 1990 auf Initiative von ehemaligen Mitgliedern der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) bzw. ihrer Nachfolgeorganisation "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) und der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW) bzw. ihrer damaligen Nachfolgeorganisation "Sozialistische Initiative" (SI). Am 20. November 1991 wurde die DKP Bezirksorganisation (BO) "Berlin-Brandenburg" gegründet. Mit der Mitgliedergewinnung tat sich die DKP schwer. Der erhoffte Zulauf von "unzufriedenen" PDS-Anhängern oder aus dem seinerzeit erheblichen Mitgliederpotential der SEW/SI blieb aus; erst 1993 konnten im Ostteil Berlins vereinzelt neue Mitglieder gewonnen werden, die sich in einer "Gruppe Hellersdorf" organisierten. Die BO Berlin-Brandenburg besteht formell nicht mehr. Auf Beschluß des DKP-Parteivorstandes vom 26. Juni 1993 sollte die BO in die Bezirke "Berlin-Ost", "Berlin-West" und Brandenburg neu gegliedert werden. Ausschlaggebend für den Beschluß dürften unterschiedliche Vorstellungen darüber gewesen sein, wie, in welche Richtung und mit welchen Kräften sich eine kommunistische Partei in der jetzigen Zeit weiterentwickeln sollte. Die Mehrheit der Berliner DKP-Mitglieder beurteilte diesen Beschluß jedoch als politisch und organisationspolitisch falsch und fordert weiterhin eine einheitliche Bezirksorganisation. Einzelne Mitglieder sind aufgrund des "parteischädigenden Beschlusses" aus der DKP ausgetreten. Derzeit besteht die DKP in Berlin und Brandenburg aus der BO "BerlinOst" mit der Grundorganisation "Berlin-Hellersdorf" und der BO "BerlinBrandenburg (Berlin-'West1)" mit den Kreisorganisationen "Berlin-Nord", 2 - Politischer Extremismus - 110 "Berlin-Süd" und "Oder-Spree" sowie einer Grundorganisation "Reichsbahn". Die Gründung einer Grundorganisation "Gesundheitswesen" sowie von "Wohngebietsgruppen" auf Stadtgebietsebene sind vorgesehen. Mitglieder der DKP unterhielten 1993 enge Verbindungen zu Angehörigen der "Kommunistischen Plattform" der PDS und der KPD (Ost) und veranstalteten im wesentlichen parteiinterne Treffen, ohne größere Wirkung in der Öffentlichkeit zu erzielen. 2.2.2.1.3 Linksextremistische Strömungen in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) PDS - Nachfolgeorganisation der SED Die PDS ist aus der Staatspartei der früheren DDR, der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED), hervorgegangen. Sie hat deren juristisches und politisches Erbe angetreten. Auf ihrem Sonderparteitag am 879. und 16717. Dezember 1989 beschloß die SED, sich in eine "Partei des Demokratischen Sozialismus" (SED-PDS) umzubenennen. Anfang Februar 1990 legte die SED endgültig ihren Parteinamen ab und nannte sich nur noch "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). In ihrem auf dem ersten Parteitag (24725. Februar 1990) angenommenen Statut bezeichnete sich die PDS nicht mehr als Klassenpartei, sondern als sozialistische Partei, die eine progressive Alternative zum Kapitalismus anstrebt. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -Senatoren der Länder hatte mit Beschluß vom 15. Dezember 1990 ihren Arbeitskreis IV (Verfassungsschutz) beauftragt, einen Bericht mit einer Bewertung zur Frage der Verfassungsfeindlichkeit der PDS zu erstellen. Der Arbeitskreis IV stellte auf seiner Sitzung am 5. Februar 1991 hierzu folgendes fest: 2 - Politischer Extremismus - 111 "Angesichts der bisherigen Entwicklung der PDS (z. B. Rechtsnachfolge der SED, fast ausschließlicher Mitgliederbestand aus der ehemaligen SED, "Kommunistische Plattform") und des Zustroms von Linksextremisten aus den westlichen Bundesländern erscheint es zweifelhaft, ob sich die PDS an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung orientieren wird. Der AK IV hält es für notwendig, den noch laufenden Prozeß weiter zu verfolgen." Ausgehend von diesem Beschluß beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin seit dem 5. Mai 1991 diesen Orientierungsprozeß innerhalb der PDS durch die Sichtung offen zugänglicher Materialien. Gründung der "Kommunistischen Plattform" (KPF) innerhalb der PDS Am 30. Dezember 1989 wurde von Kommunisten innerhalb der PDS die "Kommunistische Plattform" (KPF) als eigenständiger Personenzusammenschluß gegründet. Die Konstituierung erfolgte unter Beachtung des Parteistatuts, nach dem innerhalb der PDS Plattformen gebildet werden können, die die programmatische Arbeit der Partei und ihre Strukturen unterstützen. Die KPF firmiert unter folgender Anschrift: Parteivorstand der PDS Bundeskoordinierungsrat der Kommunistischen Plattform der PDS Kleine Alexanderstraße 28 10178 Berlin. Nach Angaben des PDS-Sprechers Hanno HARNISCH werden der KPF "deutlich unter 5 000" Anhänger zugerechnet. 2 - Politischer Extremismus - 112 Ziele / programmatische Ausrichtung der KPF Von Beginn an orientiert sich die KPF am Marxismus-Leninismus. In anläßlich der Gründung der KPF herausgegebenen "Thesen zum inhaltlichen Selbstverständnis der kommunistischen Plattform der SED-PDS" wurde hierzu ausgeführt: "Die revolutionäre Arbeiterbewegung mit den Wissenschaftlichen Kommunismus, mit den Marxismus-Leninismus zu verbinden, aufgrund der marxistisch-leninistischen Analyse der realen Gesellschaftsentwicklung Strategie und Taktik zu bestimmen und Politik zu organisieren - ist vornehmste Aufgabe der Kommunisten und sie bleibt es." Zur Rolle der KPF innerhalb der PDS nahmen die beiden Sprecher der KPF, Eberhard CZICHON und Heinz MAHROHN, im Heft 11/1992 der "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS" Stellung. Unter der Überschrift "Drei Jahre Kommunistische Plattform der PDS" stellten sie hierzu fest: Die KPF habe sich im Dezember 1989 gegründet, um sozialistisches Gedankengut zu bewahren, dem Verfall der SED-PDS entgegenzuwirken und eine Brücke zu anderen kommunistischen Parteien zu bilden. Die PDS habe allen Angriffen widerstanden, weil sie konsequent LENINs Konzept einer "linkssozialistischen Partei", in der unterschiedliche Schattierungen vertreten seien, durchgesetzt habe. Dieses Konzept sei den heutigen Bedingungen des Klassenkampfes angemessen. Deshalb stehe die "Kommunistische Plattform" in seiner Tradition und habe aktiv mitgewirkt, es in der PDS anzuwenden. Ihre langfristigen politischen Erwartungen formulierten die beiden Sprecher der KPF im Februar 1993 in einem Entwurf zu "Thesen für eine politische Erklärung von Kommunistinnen und Kommunisten in der PDS": "Der Übergang zu einer neuen Zivilisationsstufe, die revolutionäre Transformation der alten, der Klassengesellschaft, in eine neue, klassenlose Gesellschaft, dieser Übergang wird ein komplizierter, langwieriger, mehrere Phasen umfassender historischer Prozeß des erbitterten Klassenkampfes sein (...) 2 - Politischer Extremismus - 113 Wie sich die sozialistische Gesellschaft dialektisch entwickeln wird und wie sich ihre Transformation in eine klassenlose kommunistische Gesellschaft vollzieht, können wir heute nicht beschreiben." Zusammenarbeit mit anderen linksextremistischen Parteien Nach ihrer Satzung läßt sich die KPF bei ihrer politischen Arbeit von internationalistischen Gesichtspunkten leiten. Im Interesse der Aktionseinheit strebt sie ein breites Bündnis mit kommunistischen Parteien und Gruppierungen im Inund Ausland an. Besonders eng arbeitet die KPF mit der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) und der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD, Sitz Berlin) zusammen. Zwischen den drei Gruppierungen sind Unterschiede in der ideologischen Ausrichtung kaum noch erkennbar. Ihre Vertreter veröffentlichten 1993 mehrere gemeinsame Erklärungen: Zum 175. Geburtstag von Karl MARX, zur "Kriminalisierung von DDRPolitikern", zum 75. Jahrestag der Novemberrevolution 1918 in Deutschland sowie - nur von KPF und DKP - zum "modernen Antikommunismus". Der PDS-Vorsitzende Lothar BISKY wies in einem Interview mit der DKP-Zeitung "Unsere Zeit" (UZ) darauf hin, daß auf den offenen Listen der PDS für die Wahlen 1994 auch Kommunisten, DKP-Mitglieder eingeschlossen, kandidieren könnten: "Einen Beschluß, daß Kommunisten nicht auf Listen der PDS kommen sollen, gibt es nicht. Ich würde das auch für einen Verlust halten. Ich persönlich jedenfalls." (UZ vom 29. Oktober 1993) Dieses Angebot richtete die Partei aber ausschließlich - so der PDSWahlkampfleiter Andre BRIE - an das "Demokratische Kommunistische Spektrum"; von der "stalinistischen" MLPD (vgl. 2.2.2.1.6) distanzierte sich die PDS. 2 - Politischer Extremismus - 114 Gegenüber gewalttätigen Extremisten - wie den Autonomen - zeigte die PDS hingegen keine Berührungsängste. In der PDS-Mitgliederzeitschrift "Disput" hieß es beispielsweise: "Die PDS hat einen guten Stand in der wissenschaftlichen Analyse der faschistischen Entwicklungen. Sie wird aber in der Konsequenz viel stärker auf außerparlamentarische Aktionen und Selbsthilfe setzen müssen. Töricht wäre es, autonome Gruppen bei unterstützenswerten Aktivitäten allein zu lassen, z. B. wenn es um die 'konkrete Verhinderung von Nazitreffen' geht." ("Disput" Nr. 17, erstes Septemberheft 1993, Seite 15) Zu kommunistischen Parteien im Ausland unterhielt die PDS vielfältige Kontakte. Dem Pressedienst der PDS vom 8. Mai 1992 zufolge sprach der PDS-Ehrenvorsitzende Hans MODROW während eines China-Aufenthaltes mit Vertretern der "Kommunistischen Partei Chinas" (KPCh) über eine verstärkte Zusammenarbeit der Parteien. Die Fraktion Linke Liste-PDS des sächsischen Landtages reiste vom 4. bis 9. Oktober 1993 auf Einladung der "Kommunistischen Partei Österreichs" (KPÖ) nach Wien. Vertreter beider Parteien vereinbarten dort, die Kontakte fortzusetzen und regelmäßig Materialien auszutauschen. Äußerungen von PDS-Funktionären zur KPF Der PDS-Sprecher Hanno HARNISCH bestätigte im Dezember 1993, die KPF wolle nicht alle theoretischen Grundlagen des Kommunismus über Bord werfen und betrachte die Geschichte des Sozialismus teilweise "verherrlichend". Der PDS-Vorsitzende Lothar BISKY erklärte auf die Frage nach seinem Verhältnis zur KPF: "Ich bin froh, daß es die Kommunistische Plattform gibt. Sie ist, scheint mir, sehr aktiv und eine wichtige Kraft. Ich bin auch ständig im Gespräch mit ihr. Ich selber gehöre ihr nicht 2 - Politischer Extremismus - 115 an. Aber daß es sie gibt, ist ungeheuer wichtig für die PDS. In der Programmdiskussion - so ist mein Eindruck - hat sie uns zu einer Reihe von Gedanken verholfen. Ich habe überhaupt keine Lust, mich von der Kommunistischen Plattform in der PDS in irgendeiner Weise abzugrenzen." (DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" Nr. 3 vom 5. Februar 1993) 2.2.2.1.4 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Die am 31. Januar 1990 noch in der damaligen DDR gegründete KPD will an das Jahr 1946 anknüpfen, in dem aus dem Zusammenschluß von KPD und SPD in der damaligen Ostzone die SED entstanden ist. Mit der Begründung "wir verstehen uns wieder als die selbständige KPD" will sie die ehemaligen SED-Mitglieder, die "treu zu ihren kommunistischen Idealen stehen" in der KPD vereinen, da die SED-Nachfolgeorganisation PDS ihnen "keine Heimat" sein könne. Der erwartete Massenzulauf von Kommunisten blieb jedoch aus. Die mitgliederschwache KPD mit Sitz in Berlin hat Landesorganisationen in Berlin, Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Ortsgruppen bzw. Stadtorganisationen u. a. in Erfurt, Frankfurt/O. und Hoyerswerda. Die KPD, die auf die "Revolution des Volkes und die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft" hinwirken will und der bundesweit ca. 200, in Berlin ca. 40 Mitglieder angehören, bemüht sich um den Aufbau einer einheitlichen kommunistischen Partei. Zwar fanden kontinuierlich Treffen, u. a. mit Vertretern der DKP, der KPD-Splittergruppen sowie anderer revolutionär-marxistischen Organisationen und der "Kommunistischen Plattform" der PDS statt; eine kontinuierliche Zusammenarbeit scheiterte jedoch bisher. Die KPD äußerte sich dazu in ihrer Monatsschrift "Trotz alledem" Nr. 9, vom September 1993, wie folgt: "Unsere Partei ist an drei Versuchen der Koordinierung kommunistischer Parteien, Organisationen, Gruppen und Einzelpersönlichkeiten beteiligt. Sind das nicht zwei Gremien zu viel, wo es doch um eine einheitliche und starke kommunistische Partei in Deutschland geht?"... "Besinnen wir uns auf unsere Einheit, sie ist bitter nötig." Die bisherige Monatsschrift "Trotz alledem" soll künftig als "theoretische, marxistisch-leninistische Zeitschrift der KPD" herausgegeben werden. 2 - Politischer Extremismus - 116 Ab Januar 1994 wird zusätzlich eine weitere Publikation unter dem "traditionsreichen" Titel "Die Rote Fahne - Zeitung der Kommunistischen Partei Deutschlands" erscheinen. 2.2.2.1.5 "Marxistische Gruppe" (MG) Nachdem die MG im Mai 1991 unter Hinweis auf den staatlichen "Verfolgungswahn" ihren Beschluß zur Selbstauflösung bekanntgegeben hatte, stellte sie vorübergehend alle öffentlichen Aktivitäten ein, wahrte aber intern weiterhin ihren Zusammenhalt. Seit März 1992 vertreibt die MG, der wie bereits zum Zeitpunkt ihrer Auflösung bundesweit etwa 10 000 Mitglieder zugerechnet werden (in Berlin mit einer Funktionärsgruppe vertreten), die "Politische Vierteljahresschrift GEGENSTANDPUNKT". Auch 1993 setzte sie ungeachtet ihrer "Auflösung" mit "GEGENSTANDPUNKTe-Diskussionsgruppen" u. a. in Berlin ihre politische Arbeit fort. Als revolutionär-marxistischer Zusammenschluß propagiert die MG bei partieller Anlehnung an die ideologischen Klassiker des Linksextremismus und unter Berufung auf eigene Erkenntnismethoden zur Analyse der Wirklichkeit die gewaltsame Zerschlagung der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Grundgesetzes zugunsten einer kommunistischen Gesellschaftsform. Ihre Arbeitsweise zeugt von Eigenschaften eines sektiererischen Geheimbundes. 2.2.2.1.6 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die MLPD konnte als eine der wenigen kommunistischen Parteien Mitgliederzuwachs verzeichnen und sich in den neuen Bundesländern verankern; sie zählt jetzt etwa 2 000 Mitglieder. Eigenen Angaben zufolge soll die Mitgliederzahl um 20 Prozent und die ihres Jugendverbandes "REBELL" um über 90 Prozent gestiegen sein. Mit der Gründung der MLPD-Landesverbände Berlin-Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen mit professionell arbeitenden Landesleitungen sowie der organisatorischen Verankerung in etwa 20 Städten in den neuen Bundesländern, konnte sich die MLPD bundesweit weiter stabilisieren. 2 - Politischer Extremismus - 117 Die MLPD geht in ihrer Einschätzung der jetzigen politischen Lage davon aus, daß eine neue Opposition mit einem Kern "kämpferischer Arbeiter" bereits im Entstehen ist. Sie fordert weiterhin den "Aufbau des echten Sozialismus" und beruft sich dabei auf die Lehren von MARX, ENGELS, LENIN, STALIN und insbesondere Mao ZEDONG. Für die Theorie und Praxis der Parteiarbeit hat die MLPD Ende 1993 eine Broschüre "Die Maotsetungideen und die Lehre von der Denkweise" herausgegeben, die für 1994 ein Maßstab zur Durchführung einer "agitatorischen Offensive für den echten Sozialismus" sein soll. Auch 1993 gelang es der MLPD nicht, sich aus ihrer politischen Isolation zu lösen. Versuche, zu den 1994 anstehenden Wahlen Bündnisse u. a. mit der PDS einzugehen, scheiterten; die PDS lehnt die MLPD als "sektiererische" Organisation ab. So will die MLPD jetzt bundesweit als "MLPD/Offene Liste" mit der Hauptlosung "Für den echten Sozialismus" zu den kommenden Bundestagswahlen kandidieren. Die Landesleitung der MLPD in Berlin-Brandenburg hat ihre "offene Liste für alle fortschrittlichen Kräfte" bereits am 15. Dezember abgeschlossen. In Berlin verfügt die MLPD seit dem 4. Dezember mit dem "Treff Neuer Weg" über einen eigenen Veranstaltungsort. Der "Treff' in BerlinNeukölln, Reuterstraße 15, soll auch "Anziehungspunkt für die Werktätigen und Anlaufstelle für die MLPD" sein. Die Landesleitung hat ihren Sitz in Berlin. Politisch soll insbesondere im Ostteil Berlins und Brandenburg der Parteiaufbau mit der Aktion "Arbeitsplätze für Millionen" verbunden werden. Auch der Jugendverband "REBELL" ist im Bezirk Berlin-Brandenburg mit seinen Ortsgruppen in Berlin-Neukölln und -Treptow sowie in Potsdam 1993 offensiv in Erscheinung getreten. 2.2.2.1.7 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Aktivitäten der seit 1991 als "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) auftretenden Anhänger der peruanischen Terrororganisation "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad), identisch mit der "Kommunistischen Partei Perus" (PCP), haben nach dem 1, Mai 1993 merklich nachgelassen. 2 - Politischer Extremismus - 118 Die RK, die bundesweit über ca. 150, in Berlin ca. 100 Anhänger verfügen, ordnen sich dem von der PCP geführten internationalen Dachverband "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM), Sitz: London, unter. Die Inaktivität dürfte mit der scheinbaren "Kapitulation" des "Sendero Luminoso" zusammenhängen, der nach Verhaftungen seiner maßgeblichen Führer -seit September 1992 sitzt u.a. ihr Anführer Abimael GUZMAN, zu lebenslanger Haft verurteilt, in einer unterirdischen Zelle - möglicherweise den bewaffneten Kampf gegen Staat und Gesellschaft nicht weiterführen wird. Hatten die RK, die den bewaffneten Kampf gegen Staat und Gesellschaft auch in Deutschland fordern, Anfang 1993 noch massiv mit Flugschriftenaktionen für ihre Ziele, u. a. "Revolution hier und überall auf der Welt" und die Freilassung des PCP-Anführers, geworben, kam es nach dem 1. Mai nur noch zu vereinzelten Teilnahmen an Kundgebungen bzw. zu sporadischen Flugschriftenaktionen. Am 1. Mai 1993 kam es zu erheblichen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen RK-Anhängern und Autonomen. Diese erhoben, nachdem sie wiederholt auf eine Ausgrenzung der RK von Demonstrationen bestanden hatten, die Forderung, "Die RIM muß politisch isoliert werden!!". Eine solche Ausgrenzung wird zwar von anderen, insbesondere organisierten Linksextremisten abgelehnt, aufgrund ihres gewalttätigen Vorgehens bleiben die RK-Anhänger jedoch ohnehin überwiegend isoliert. 2.2.2.1.8 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Die SAG, deutsche Sektion der trotzkistischen "Internationalen Sozialisten" (IS), konnte im Jahre 1993 ihre Mitgliederzahl von bundesweit ca. 250, in Berlin ca. 40 Mitgliedern stabilisieren. Bundesweit und auch in Berlin fanden die regelmäßig durchgeführten "öffentlichen" Veranstaltungen erheblichen Zuspruch. Mit öffentlicher Agitation und Zeitungsverkauf sucht die Berliner Ortsgruppe den Kontakt zu Interessenten. Die SAG will versuchen, die "kämpferischsten Teile der Arbeiterklasse in einer revolutionären Partei" zusammenzuschließen und setzt sich für einen "Staat auf der Basis von Arbeiterräten" ein. 2 - Politischer Extremismus - 119 Derzeit bemüht sie sich, die Studenten stärker in ihre politische Arbeit einzubinden und forciert deshalb massiv den Aufbau von "Sozialistischen Studentengruppen" (SSG). Diese sollen offen sein für Studenten aus dem "linksreformistischen Milieu"; die SAG-Mitglieder wurden angehalten, die SSG "ohne Druck" offensiv auf die SAG zu orientieren. Neben der "SSG Berlin" sind bereits SSG in Aachen, Frankfurt/M. und in München als Studentenorganisationen der SAG gegründet worden. 2.2.2.1.9 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die bereits am 475. Mai 1968 gegründete SDAJ, mit zeitweise über 15 000 Mitgliedern in den alten Bundesländern, bildete erst Anfang 1991 einen Landesverband Berlin-Brandenburg. Sie hat derzeit ca. 400 Mitglieder; der "SDAJ Berlin-Brandenburg" gehören weniger als 30 Mitglieder an, die teilweise auch in der DKP organisiert sind. Die SDAJ ist Mitglied des "Weltbundes der demokratischen Jugend" (WBDJ), einer internationalen Vereinigung von Jugendorganisationen "demokratisch-antiimperialistischen Charakters". Der WBDJ wurde 1945 als KPdSU-gesteuerte Frontorganisation gegründet, sein Sitz ist Budapest. Die SDAJ, eine traditionelle Bündnisorganisation der DKP, beruft sich auf die wissenschaftliche Weltanschauung von MARX, ENGELS und LENIN. Um ihre "sozialistische Zielsetzung" zu erreichen, hält die SDAJ die Existenz einer kommunistischen Partei oder zumindest von kommunistischen Strukturen für notwendig. Aus ihrem Selbstverständnis als revolutionäre sozialistische Arbeiterjugendorganisation heraus befürwortet sie auch weiterhin gewaltsame Formen des politischen Kampfes. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Autonomen und zur Akzeptanz militanter Aktionsformen - besonders im Aktionsfeld "Antifaschismus" - hat zugenommen und wurde 1993 z. T. auch in die Praxis umgesetzt. Die "SDAJ Berlin-Brandenburg", bisher organisatorisch nur in Berlin vertreten, gründete am 21. Dezember 1993 in Rüdersdorf eine erste SDAJGruppe in Brandenburg mit etwa 15 Jugendlichen. Aufgrund der "Neugliederung" der DKP-Bezirksorganisation BerlinBrandenburg (vgl. 2.2.2.1.2) erklärten im Oktober 1993 zahlreiche SDAJ-Mitglieder ihren Austritt aus der DKP mit der Begründung, daß die 2 - Politischer Extremismus - 120 Politik des Parteivorstandes der DKP "auf Annäherung an die PDS bzw. die Umgestaltung der DKP zu einem Traditionspflegeverein zielt". 2.2.2.1.10 "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) Bei der SpAD, deutsche Sektion der trotzkistischen "Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)" (IKL), die bundesweit über ca. 120, in Berlin ca. 100 Mitglieder verfügt, stagniert die Anhängerschaft. Die SpAD verteidigt weiterhin den "realen Sozialismus" - einschließlich stalinistischer Erscheinungen - und isoliert sich damit selbst gegenüber anderen marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Organisationen. Ihre in Berlin regelmäßig durchgeführten Veranstaltungen fanden im Jahre 1993 kaum noch Zuspruch, von Autonomen wurden sie sogar wegen ihrer stalinistischen Prägung tätlich angegriffen. Mit ihrer Tarnorganisation "Komitee für soziale Verteidigung" (KfsV) engagiert sich die SpAD weiterhin für "verfolgte" Repräsentanten des ehemaligen SED-Regimes, vor allem in Form von Protestkundgebungen. Darüber hinaus schloß sie im Jahre 1993 eine gezielte Kampagne für die Unterstützung ihres Parteiorgans "Spartakist" - besonders in Berlin - erfolgreich ab. Im Dezember 1993 verlegte sie ihren Sitz in Berlin aus dem Bezirk Reinickendorf in den Ostteil der Stadt. Einzelne Berliner Funktionäre zogen 1993 im Parteiauftrag nach Nordrhein-Westfalen, um dort in Duisburg eine neue SpAD-Gruppe aufzubauen. 2.2.2.2 Ausblick Die Situation aller marxistisch-leninistischen und sonstigen revolutionärmarxistischen Zusammenschlüsse bleibt weiterhin - mit wenigen Ausnahmen - von Stagnation geprägt. Obwohl im Jahre 1993 zahlreiche Gedenktage und "Jubiläen" wie 2 - Politischer Extremismus - 121 60. Jahrestag der letzten KPD-ZK-Tagung unter Ernst THÄLMANN (7. Februar 1933), 25 Jahre SDAJ (475. Mai 1968), 175. Geburtstag von Karl MARX (5. Mai 1818), 50. Jahrestag der Auflösung der "Kommunistischen Internationale" (9. Juni 1943), 20. Todestag von Walter ULBRICHT (1. August 1973), 55. Jahrestag der Gründung der trotzkistischen "Internationale" (3. September 1938), 25 Jahre DKP (25. September 1968), 100. Geburtstag von Mao ZEDONG (26. Dezember 1893) und 75. Jahrestag der Gründung der KPD (Jahreswende 1918/1919) zu gemeinsamen "Feiern" Anlaß gegeben hätten, agierten die Organisationen weitestgehend unabhängig voneinander. Auch verschiedene Ansätze für den Aufbau einer einheitlichen kommunistischen Partei führten zu keinem Erfolg; sie verliefen in zu vielen Initiativen. So blieben z. B. der "Ständige Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) oder der Verein "Sozialistische Theorie und Arbeiterbewegung e. V." 2 - Politischer Extremismus - 122 (STab) bzw. die Initiative "Sozialistisch-Kommunistische Aktionseinheit" mit wechselnden Beteiligungen von Vertretern des AB, des BWK, der DKP, der KPD-Splittergruppen, der KPD (Ost) und auch der "Kommunistischen Plattform" der PDS 1993 auf der Strecke. Obwohl von allen Beteiligten ein "Höchstmaß an Toleranz" gefordert wurde, um sich gegen die "gefährliche imperialistische Entwicklung in Deutschland" zusammenzuschließen, stehen sich die Gruppierungen auch weiterhin teilweise ideologisch unversöhnlich gegenüber. Es bleibt abzuwarten, ob zu den im Jahre 1994 anstehenden Europaund Bundestagswahlen bzw. zu einzelnen Landtagsund Kommunalwahlen noch Bündnisse geschlossen werden können. Erste Versuche von Gruppen aus diesem Bereich des Linksextremismus, dem AB und BWK, der DKP und KPD (Ost) sowie der MLPD, Wahlbündnisse mit der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) einzugehen, scheiterten nach Aussagen der genannten Gruppen an der ablehnenden Haltung des Parteivorstandes der PDS. Er soll in diesem Zusammenhang von "Anbiederung sektiererischer Gruppen" gesprochen haben. Die Bemühungen der traditionellen Marxisten-Leninisten, Stalinisten, Maoisten und Trotzkisten, Einfluß auf Aktivitäten zu aktuellen Anlässen zu nehmen, führten 1993 trotz ihrer relativ großen Anhängerschaft -zumindest in Berlin - ebenfalls nicht zum Erfolg und machten ihre Isolation innerhalb des linksextremistischen Lagers deutlich. Vor allem die Autonomen, mit ca. 1 200 Personen das größte linksextremistische Potential in Berlin, lehnen eine Zusammenarbeit mit diesen "stalinistischen Politsekten" ab, weil durch sie "autonome Diskussionen" verhindert würden. Darüber hinaus waren sie auch nicht in der Lage, größeren Einfluß auf die "Arbeiterbewegung" zu nehmen, auf Demonstrationen oder bei Streikaktionen gegen "Arbeitsplatzvernichtung" wirkten sie wie Fremdkörper. Die Niederlage des "realen Sozialismus" durch den Zusammenbruch der "sozialistischen Staatengemeinschaft" in Ostund Südosteuropa hat die Stagnation in diesem Teil des linksextremistischen Potentials noch verfestigt. Es ist wegen ihres Dogmatismus' auch nicht absehbar, daß die marxistisch-leninistischen und sonstigen revolutionär-marxistischen Gruppierungen in absehbare Zeit größeren Zulauf zu verzeichnen haben werden. Trotz ihres erheblichen publizistischen Aufwands dürften sie auch weiterhin keinen ernst zu nehmenden Einfluß auf die politische 2 - Politischer Extremismus - 123 Landschaft in Berlin und in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt gewinnen können. Der Orientierungsprozeß der PDS, insbesondere der Einfluß der KPF innerhalb der Partei, konnte im Jahre 1993 noch nicht abschließend bewertet werden. Es ließ sich keine verläßliche Aussage machen, ob die von Führungskräften propagierte Überwindung der überkommenen Strukturen und Anschauungen und damit der Kommunistischen Plattform sowie die Entwicklung zur linkssozialistischen Partei im freiheitlichen demokratischen Staatsgefüge erreicht wurde. i 2 - Politischer Extremismus - 124 2.2.3 Sonderthema: "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.) Im Laufe des Jahres 1991 wurden innerhalb der autonomen Bewegung erstmals ernsthafte Bemühungen erkennbar, über (spontane) Aktivitäten zu aktuellen politischen Ereignissen ("Teilbereichskämpfe") hinaus durch Organisierungsbestrebungen zu einheitlichem, kontinuierlicherem Handeln zu gelangen. Ausgelöst durch ein "Diskussionspapier zur AUTONOMEN ORGANISIERUNG" der Göttinger "Autonomen Antifa (M)", das im September 1991 auch im autonomen Szeneblatt "INTERIM" veröffentlicht worden war, entstanden bundesweit Diskussionszusammenhänge, die den Ausgangspunkt für die nachfolgende und noch heute andauernde Organisationsdebatte innerhalb der autonomen Bewegung bildeten. Zu diesen neuen Gruppierungen gehört in Berlin der Personenzusammenschluß mit der Bezeichnung "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.). "Für eine linke Strömung", abgekürzt F.e.l.S. (auch Fels), ist ein Personenzusammenschluß, der nach eigenen Angaben im Oktober/November 1991 aus "Teilen der linksradikalen Bewegung" in Berlin hervorgegangen ist. Ihm gehören derzeit ca. 20 Personen an, die je zur Hälfte aus der autonomen Szene und anderen linksextremistischen Zusammenhängen stammen. Die Gruppe bildete sich in der Folge der sog. Heinz Schenk-Debatte, die unter dem Leitgedanken "Die Autonomen machen keine Fehler, sie sind der Fehler" im wesentlichen über Beiträge in "INTERIM" Sinn und Zukunft autonomer Politikformen in Frage stellte. In den Beiträgen, die sämtlich unter Pseudonymen veröffentlicht wurden, wurde u. a. behauptet, daß die Autonomen am Beginn ihrer Entwicklung stehen geblieben und somit geschichtslos wären. Die autonome Bewegung sei eine Art Jugendkultur ohne "altersübergreifende Bewegung", damit könnten zwar kurzfristige Erfolge errungen, eine langfristige linke Politik und damit ein revolutionärer Prozeß jedoch nicht erreicht werden. Schlagwortartig können die Kritikpunkte an den Autonomen etwa wie folgt zusammengefaßt werden: 2 - Politischer Extremismus - 125 "Kampagnenheinzerei", das ständige Springen von einem Highlight zum nächsten, wobei die Themen in der Regel vom politischen Gegner bestimmt werden (also sog. Feuerwehrpolitik), Subjektivismus der Autonomen, der nur die eigene Betroffenheit als Motiv für politisches Engagement anerkennt, aber gesellschaftlich relevante Themen (wie z. B. die Politik der "Treuhand") außen vor läßt, "Ghettomentalität", Kritik an unverbindlichen Organisationsformen und am fehlenden geschichtlichen Bewußtsein. Inzwischen initiiert und organisiert die Gruppe F.e.l.S. seit längerer Zeit regionale und überregionale Treffen und Seminare, um mit anderen Gruppen ins Gespräch zu kommen, die ebenfalls die Organisationsfrage diskutieren bzw. diskutieren wollen. Mit ihrer Kritik an der autonomen Bewegung verbindet die Gruppe F.e.l.S. die Forderung nach neuen "revolutionären Strukturen". Unter Rückgriff auf marxistisch/leninistische Erklärungsmuster versucht sie, die Debatte über revolutionäre Organisierung wiederzubeleben. In mehreren Beiträgen im Berliner autonomen Szeneblatt "INTERIM" skizzierte die Gruppe ihr Selbstverständnis, hierin heißt es: Die losen und atomisierten Strukturen der Autonomen böten kaum Möglichkeiten für grundlegende Diskussionen. Man könne zwar Aktionen machen, sich an Revolten beteiligen oder auch einfach nur oppositionell leben; damit aber aus der Wut eine bewußte Bewegung für eine andere Gesellschaft entstehe, brauche man Theorie. Sich gerade jetzt von 150 Jahren sozialistisch-revolutionärer Geschichte mit ihren verschiedenen Strömungen abzukehren, sei "kleinkariert und beknackt". Zum Verhältnis von Reform und Revolution bemerkte die Gruppe: Reformen seien nur dann sinnvoll, wenn dadurch die Kampfbedingungen für systemfeindliche Bewegungen verbessert würden. Es gehe darum, gegnerische Macht zurückzudrängen und das entstehende Vakuum auszunutzen. Revolution sei ein Prozeß, der nicht erst mit dem 2 - Politischer Extremismus - 126 bewaffneten Aufstand beginne und auch nicht mit der Machtübernahme ende. Zur Frage ihrer Zielsetzung hinsichtlich eines überregionalen Zusammenschlusses zu einer Organisation hat die Gruppe F.e.l.S. im Sommer 1993 Stellung genommen: Aus ihrer Arbeit müsse ersichtlich werden, daß sie die unterschiedlichsten Unterdrückungsverhältnisse bekämpfe und nicht nur Teilaspekte des Systems. Unterdrückung habe nicht nur ein Zentrum und eine Wurzel. Deswegen sei die allmähliche, unscheinbare Eroberung von Stellungen in einer Gesellschaft für eine "Gegenmacht von unten" oft wichtiger als die spektakuläre Konfrontation mit der Polizei oder staatlichen Behörden; also: Das bestehende System von innen her in Frage stellen. Praktische Arbeit sei angesagt - Schwerpunkte: Antifaschismus und Widerstand gegen die Umstrukturierung von oben. Die Stoßrichtung der Umstrukturierung sei rassistisch bis faschistisch, sexistisch und ausbeutungsverschärfend. Wörtlich: "Wir haben uns den Widerstand gegen diese Veränderungen zum Schwerpunkt gesetzt, weil wir glauben, daß sich so ein breites Konzept von Widerstand an unterschiedlichsten Stellen entwickeln läßt". Seit Anfang 1993 gibt die Gruppe F.e.l.S. eine eigene -recht ansprechend gestaltete - Zeitschrift als Diskussionsforum für die Organisationsdebatte heraus; nach der Nullnummer sind bisher zwei weitere Ausgaben mit einer Auflage von angeblich 2 000 Exemplaren erschienen. Der Name des Blattes "ARRANCA! - Zeitung für eine radikale Linke" - leitet sich aus dem Spanischen ab ("starten, anfangen"). Die Initiatoren verstehen dieses Wort als Imperativ "leg endlich los!": 2 - Politischer Extremismus - 127 "Wir legen los, weil wir es notwendig finden, für die Organisationsdiskussion jenseits der Vorschläge zum 'Aufbau einer kommunistischen Partei' eine eigene Zeitung zu schaffen." Folgerichtig setzen sich die Autoren der bisher erschienenen Ausgaben schwerpunktmäßig mit Organisationsfragen auseinander. Daneben werden u. a. Berichte über radikale politische Organisationen - vor allem in Lateinamerika - veröffentlicht. Um dem weit verbreiteten Aktionismus entgegenzutreten und zu einer kontinuierlichen, unspektakulären Arbeit für die revolutionäre Linke zu kommen, konzentriert sich die Gruppe F.e.l.S. nach eigenen Angaben neben offenen Schulungen und inhaltlicher Arbeit auch auf den Aufbau einer überregionalen Struktur. Zur Frage, welche gemeinsame praktische Initiative hierzu denkbar sei, erklärt F.e.l.S.: "Sinnvoll erscheint es uns, die Initiativen der Antifaschistischen Aktion - Bundesweite Organisation aufzugreifen. Wir halten die AA-BO für den wichtigsten Organisationsansatz in der undogmatischen Linken in der BRD im Augenblick und fänden es gut, eine gemeinsame Praxis nicht parallel, sondern - soweit möglich - im Zusammenhang mit der AA-BO zu entwickeln." Inzwischen hat sich die Gruppe F.e.l.S. der AA/BO angeschlossen. Durch ihre Mitarbeit in der AA/BO und die Ausrichtung von eigenen Veranstaltungen und Seminaren unterhält sie bundesweit umfangreiche Beziehungen zu den verschiedensten autonomen und antiimperialistischen Gruppierungen. Zu ihnen zählt u. a. die militante "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen ("M" steht für Mittwoch, den Tag, an dem sich diese Gruppe regelmäßig trifft), die die AA/BO initiiert hat und inzwischen deren führende Kraft ist. Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes betrachteten in der Entstehungsphase von F.e.l.S. - offenbar im Zusammenhang mit ihren Be- 2 - Politischer Extremismus - 128 mühungen, den "Gegenmacht von unten"-Gedanken praktisch umzusetzen - aufmerksam diesen neuen Organisationsansatz. Die Gruppe F.e.l.S. ihrerseits nahm im Hinblick auf die Aktivitäten der RAF in der Ausgabe Nummer 1 (Sommer '93) ihrer Zeitschrift "ARRANCA! - Zeitung für eine radikale Linke" in bemerkenswerter Weise Stellung zu dem Anschlag auf den Neubau der JVA in Weiterstadt: Die Veränderungen der RAF seien eines der wichtigsten Anzeichen für eine "Neuzusammensetzung der Linken". Die Ausstrahlung der RAF auf die gesamte Linke sei sehr hoch einzuschätzen. Ihre "moralische Integrität", ihr langer Atem und die Tatsache, daß sie seit über 20 Jahren immer wieder den Staat anzugreifen vermochte, gäben ihr eine besondere Rolle in einer linken Neuorientierung. Die Art des Anschlages und der Grundtenor der Erklärung seien "ein Schritt hin zu einem organischen, gleichberechtigten Verhältnis von bewaffneter und politischer Linken". Drei Punkte seien entscheidend: Die RAF bemühe sich spürbar, bisherige Ansätze zu überdenken und dabei mit sich selber hart ins Gericht zu gehen. Sowohl der Anschlag als auch die Erklärung richteten sich nicht nur an die politische Linke; diesmal seien vor allem "die sozialen Knackis" direkt angesprochen worden, die bei der Forderung "die politischen Gefangenen müssen raus" vorher unter den Tisch gefallen seien. Der Anschlag habe gezeigt, daß bewaffnete Politik mehr als symbolisch sein könne: Der "High-TECH Knast" könne nicht mehr bezogen werden. Trotz dieser vergleichsweise positiven Bewertung der RAF verwahrten sich Mitglieder der Gruppe F.e.l.S. bei einer Pressekonferenz am 15. September 1993 nach Bekanntwerden der anläßlich der Vorgänge in Bad Kleinen sichergestellten Unterlagen jedoch gegen Unterstellungen, mit der RAF zusammengearbeitet zu haben. Gleichzeitig wiesen sie 2 - Politischer Extremismus - 129 aber darauf hin, es liege auf der Hand, daß sich eine linke Gruppe wie die RAF für ihre Arbeit interessiere. [Anmerkung: Aus dem in Zusammenhang mit den Ereignissen in Bad Kleinen sichergestellten Schriftgut geht hervor, daß der RAF-Kommandoebene offenbar detaillierte Berichte über die Gruppe F.e.l.S. vorgelegen haben.] Mitte Oktober 1993 äußerte sich die Gruppe F.e.l.S. zu dem Bemerken, daß die RAF F.e.l.S. offensichtlich großes Interesse entgegenbringe, in der Publikation "die tageszeitung" vom 15. Oktober 1993 wie folgt: "Wir wissen nicht, ob es dieses große Interesse gibt (...) Es weckt das Interesse vieler, wenn einige wenige gegen den Strom der Zeit, gegen den Zusammenbruch aller möglichen Zusammenhänge, etwas Neues anfangen wollen. Das wird wohl auch bei der RAF so sein. Es wird außerdem Leute geben, die aus politischen oder persönlichen Gründen brieflichen Kontakt mit der RAF halten. Personen, die sich entschieden haben, nicht den bewaffneten Kampf zu führen, die die Diskussionen mit der RAF aber weiterhin führen wollen." Die Gruppe F.e.l.S. ist der autonomen Szene zuzurechnen. Sie zählt hier jedoch zu einer seit einiger Zeit zu beobachtenden Strömung, die Organisierung mit dem Ziel einer neuen politischen Organisation anstrebt. In diesem Zusammenhang beschäftigt sie sich zwar mit leninistischen Revolutionsstrategien, betont jedoch, daß für sie eine Organisation mehr als ein "Kampfinstrument" sei. Insofern unterschieden sich ihre Vorstellungen wesentlich von Parteikonzepten leninistischer Tradition. Um ihrem Anspruch, zum Entstehen einer neuen linken Organisation beizutragen, gerecht werden zu können, hält F.e.l.S. die Beschäftigung mit theoretischen Grundlagen für unverzichtbar. Ein Konzept für eine andere Gesellschaft ließe sich nur entwickeln, wenn man eine "Vorstellung von Geschichtlichkeit, von Notwendigkeiten und der Langatmigkeit der Umwälzung" habe. Deshalb habe sie den Bruch mit der bisherigen Praxis der Autonomen, die sie als "subjektivistisch, unreflektiert, geschichtslos und sich gesellschaftlich selbst isolierend" begriffen habe, vollzogen. 2 - Politischer Extremismus - 130 F.e.l.S. widmet sich vor allem dem sog. antifaschistischen Kampf gegen tatsächlichen oder unterstellten Rechtsextremismus sowie dem "Widerstand" gegen die "Umstrukturierung von oben", die sie als "rassistisch, faschistisch, sexistisch und ausbeutungsverschärfend" bezeichnet. Darüber hinaus bemüht sie sich, bundesweit Anhänger für ihre Ziele zu gewinnen. Nach eigenen Angaben strebt die Gruppe F.e.l.S. innerhalb des autonomen Spektrums ein Revolutionsund Organisationskonzept an, bei dem es nicht nur um die Frage der politischen Macht, "sondern schon jetzt auch um die anderen Felder notwendiger Umwälzung" gehe. [Anmerkung: Vor dem Hintergrund, daß die RAF derzeit bemüht ist, die "weitestgehend gesellschaftlich isolierte (...) radikale Linke" (HOGEFELD) auf ihr neues Konzept ("Soziale Aneignungsprozesse" => "Gegenmacht von unten" => "Neuer internationaler Kampf für die internationale Umwälzung") einzuschwören, wird auf die partielle Parallelität in der Diktion hingewiesen.] Auch wenn sich ihr Ansatz auf politische Arbeit beschränke, seien andere Kampfformen (sprich: militantes Vorgehen) anzuerkennen. Damit lehnt die Gruppe - wie andere Autonome - das Gewaltmonopol des Staates ab. Darüber hinaus fordert sie den Aufbau einer "revolutionären Organisation" mit dem Ziel, die bestehende Gesellschaftsordnung abzuschaffen. 2 - Politischer Extremismus - 131 2.3 Ausländerextremismus 2.3.1 Vorbemerkung und Überblick Zu den gesetzlichen Aufgaben des LfV Berlin gehört u. a. die Beobachtung von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dieser Arbeitsbereich wird von den Verfassungsschutzbehörden zur Vereinfachung häufig mit dem Begriff "Ausländerextremismus" umschrieben. Er soll jedoch mehr umfassen als nur die "extremistische" Komponente, d. h. die gegen die Grundlagen unserer Verfassung gerichteten Bestrebungen von Ausländern. Der Arbeitsbegriff "extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern" präzisiert die Gefahren, die von politisch motivierten Gewalttaten und von der Vorbereitung solcher Gewalttaten durch in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Ausländergruppen drohen. Unter dem Begriff "Ausländerextremismus" muß zusätzlich die Beobachtung terroristischer und staatsterroristischer Bestrebungen gefaßt werden. Dazu zählen auch bestimmte geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte, die zum Ziel haben, Terroranschläge vorzubereiten bzw. durchzuführen oder Oppositionelle und Regimegegner auszuforschen oder zu bedrohen bzw. einzuschüchtern, in Einzelfällen sogar zu liquidieren. Grundsätzlich lassen sich drei Erscheinungsformen extremistischer und sicherheitsgefährdender bzw. gewaltsamer Bestrebungen unterscheiden. Extremistische Organisation bzw. Gruppen richten ihre Aktivitäten und Aktionen meist nicht gegen unsere freiheitliche demokratische Staatsordnung, sondern setzen ihre im jeweiligen Heimatland begründeten innenpolitischen Auseinandersetzungen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland fort. Auslösend dafür sind vor allem die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den Heimatländern oder ungelöste Konflikte in einigen Regionen, 2 - Politischer Extremismus - 132 wie z. B. in der Türkei und im Nahen Osten. Wichtigstes Aktionsmittel extremistischer Organisationen bzw. Gruppen ist die Agitation - in der Regel die Verbreitung von Propagandaschriften - und öffentlichkeitswirksame Protestveranstaltungen. Nicht selten schlägt jedoch ein zunächst berechtigtes politisches Engagement bei einigen Gruppen in Radikalität um und mündet in Gewaltanwendung. Häufig gehen diese Gruppen Aktionsbündnisse mit politisch oder ideologisch verwandten Gruppen -auch des Gastlandes - ein. Als Beispiel dafür seien die Zusammenarbeit einiger militanter linksextremistischer türkischer Gruppen mit deutschen Autonomen und ihr gemeinsames Agieren bei gewalttätigen Ausschreitungen erwähnt. Terroristische Organisationen und Gruppen wenden - wie die Bezeichnung deutlich besagt - schwerste Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele an. Die vielfältige Form des z. T. "internationalen" Terrorismus zwingt die Verfassungsschutzbehörden zur Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden. Die terroristischen Aktionen reichen von Flugzeugentführungen und Mord bis hin zu Sprengstoffanschlägen, wobei der Tod Unschuldiger zumindest billigend in Kauf genommen wird. Träger terroristischer Gewalttaten im Bereich des 'Ausländerextremismus" waren in der Vergangenheit u. a. palästinensische und islamisch-extremistische Terrororganisationen und Gruppen, die sich die Vernichtung des Staates Israel zum Ziel gesetzt haben und eine Lösung des Palästina-Problems auf dem Verhandlungswege strikt ablehnen. Zu erwähnen ist in diesem Bereich auch die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die im Berichtszeitraum in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen westeuropäischen Ländern zahlreiche Gewaltaktionen gegen türkische Konsulate und Einrichtungen - u . a . Brandanschläge und Besetzungen mit Geiselnahmen.durchgeführt und damit eindeutig die Schwelle zum Terrrorismus überschritten hat. Unter "Staatsterrorismus" versteht man im allgemeinen sowohl die Durchführung terroristischer Aktionen durch staatliche Stellen gegen Einrichtungen und Bürger eines anderen Staates unterhalb der Schwelle eines offenen Krieges (man spricht von "Ersatzkrieg") 2 - Politischer Extremismus - 133 als auch die von Regierungen bzw. staatlichen Stellen ausgehenden Repressionsmaßnahmen gegen im Ausland lebende Oppositionelle und Regimegegner. Die terroristischen Mittel reichen von Bedrohung und Nötigung über Körperverletzung bis zu Entführung und Mord. Staatsterroristische Aktionen werden von staatlichen oder halbstaatlichen Institutionen -zumeist von den in diplomatischen Vertretungen tätigen nachrichtendienstlichen Mitarbeitern der fremden Macht - geplant, personell, logistisch und technisch vorbereitet sowie in der Durchführung gesteuert und unterstützt. Die unmittelbare Tatausführung erfolgt in der Regel durch einreisende Terrorkommandos oder durch angeworbene - auch in der Bundesrepublik Deutschland ansässige - Einzelpersonen anderer Nationalität. Das Hauptgewicht der Arbeit des LfV Berlin im Bereich des "Ausländerextremismus" lag, wie bereits in den letzten Jahren, auch 1993 bei der Beobachtung gewaltorientierter sicherheitsgefährdender Bestrebungen. Die Beobachtung des gewaltfreien politisch motivierten Extremismus war im Berichtszeitraum nicht nur von nachrangiger Bedeutung, sondern erfuhr eine weitere Reduzierung. Dies betraf nach dem Scheitern der kommunistischen Ideologie insbesondere das linksextremistische Spektrum. Bei einer Reihe von Organisationen aus diesem Bereich entfielen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine weitere Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. Gleichwohl muß festgestellt werden, daß der Niedergang des orthodoxen Kommunismus keine Reduzierung der Sicherheitsbedrohung durch extremistische Ausländer bedeutet. Die größte Gefahr für die innere Sicherheit geht weiterhin von den terroristischen Organisationen und Gruppen aus. Diese werden entweder - wie die vom Iran unterstützte "Hizb Allah" (Partei Gottes) - durch religiösen Fanatismus motiviert oder verfolgen - wie beispielsweise die palästinensische "AbuNidal-Organisation", die "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC) und die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) - primär keine ideologischen Ziele. 2 - Politischer Extremismus - 134 In Berlin waren im Jahre 1993 nach Angaben des Statistischen Landesamtes 406 637 Ausländer melderechtlich erfaßt (Stand: 31. Dezember 1993). Der Anteil der ausländischen Mitbürger an der Gesamtbevölkerung in Berlin betrug 1993 etwas über 11,7 %. Den höchsten Anteil von Ausländern in Berlin stellten wie in den Vorjahren die 138 457 (1992: 138 738) türkischen Staatsangehörigen. Ferner waren in Berlin etwa 70 000 Angehörige von Völkern des ehemaligen Jugoslawien sowie etwa 13 000 Angehörige verschiedener arabischer Staaten melderechtlich erfaßt. Der Anteil der Ausländer, die extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen zuzurechnen sind, betrug 1993 mit etwa 2 900 Personen ca. 0,7 %. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl um rund 500 Personen, blieb jedoch prozentual aufgrund des höheren Ausländeranteils an der Gesamtbevölkerung gleich. Beobachtungsschwerpunkte des LfV Berlin waren im Berichtszeitraum der sog. Staatsterrorismus, gewaltorientierte extremistische Organisationen von Kurden, Türken und Iranern sowie im Bereich des arabischpalästinensischen Extremismus diejenigen in Berlin bestehenden Organisationen und Gruppen, die jeglichen Kompromiß bei den NahostFriedensverhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der PLO strikt ablehnen und bei denen besonders seit der Unterzeichnung des "Gaza-Jericho-Teilautonomieabkommens" am 13. September 1993 eine zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft zu beobachten ist. Charakteristisch für die Beobachtungsschwerpunkte ist, daß sich die Anlässe, bei denen es in der Bundesrepublik Deutschland zu Gewaltausübung kommt, fast immer auf ungelöste Konflikte in den jeweiligen Heimatländern zurückzuführen sind. Sie finden ihre Fortsetzung auf deutschem Boden, wobei einige Ausländerorganisationen bzw. Gruppen - wie das Beispiel der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zeigt - besonders schnell und gewalttätig auf Vorfälle in der Heimatregion reagieren. 2 - Politischer Extremismus - 135 Extremistische Ausländergruppen in Berlin Oppositionelle Iraner: 35 Linksextremistische Araber/Palästinenser: 175 Regimetreue Iraner: 25 Islamisch-extremistische Araber/Palästinenser: 320 Kurden - PKK -: 500 Linksextremistische Türken: 235 IslamischRechtsextremistische extremistische Türken: 600 Türken: 1050 2 - Politischer Extremismus - 136 2.3.2 Staatsterrorismus Träger staatsterroristischer Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland waren nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit die Nachrichtendienste des Irak, Libyens, Syriens und des Iran. Seit der Schließung der Berliner Außenstellen der Botschaften dieser drei Staaten und seit dem Abzug des gesamten Personals - einschließlich der nachrichtendienstlichen Mitarbeiter dieser Außenstellen - im Jahre 1992 wurden keine staatsterroristischen Aktivitäten des irakischen, libyschen und syrischen Nachrichtendienstes in Berlin bekannt. Es gilt jedoch als sicher, daß sie ihre Ausforschungsbemühungen gegen oppositionelle Gruppierungen und Einzelpersonen im Ausland weiterhin fortsetzen. Dagegen beweist das Attentat auf vier iranisch-kurdische Oppositionelle am 17. September 1992 im Restaurant "Mykonos" in Berlin, das nach derzeitigem Ermittlungsstand vermutlich von Agenten des iranischen Nachrichtendienstes VEVAK geplant und vorbereitet wurde, daß der Iran bei der Verfolgung politischer Gegner im Ausland weiterhin - ohne Rücksicht auf außenpolitische Belange - terroristische Mittel einzusetzen bereit ist. Der Ende Oktober 1993 vor dem Berliner Kammergericht begonnene Prozeß gegen fünf mutmaßliche Tatbeteiligte an dem Anschlag - vier Libanesen und der in Berlin ansässige Iraner und führende Funktionär der "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Kazem DARABI - dauert gegenwärtig noch an. 2.3.3 Palästinenser/Araber In Berlin leben derzeit 13 000 Angehörige arabischer Staaten sowie einige Tausend - sich z. T. illegal aufhaltende - Palästinenser. Im Vergleich zu diesen Zahlen ist das extremistische Kernpotential unter den Arabern einschließlich der Palästinenser verhältnismäßig gering und bei einer gewissen Fluktuation mit schätzungsweise weniger als 500 Personen annähernd gleichgeblieben. 2 - Politischer Extremismus - 137 Aufgrund der im Rahmen der Nahost-Friedensverhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der PLO erzielten Ergebnisse über die Selbstbestimmung der Palästinenser im Gaza-Streifen und in Jericho zeichnet sich in Berlin eine Spaltung der Palästinenser ab. Der vorwiegend unter den FATAH-Anhängern zu beobachtenden Friedensbereitschaft steht eine wachsende Radikalisierung bzw. Gewaltbereitschaft derjenigen Organisationen gegenüber, die den erzielten Kompromiß ablehnen (sog. Ablehnungsfront). Zu den die Ablehnungsfront unterstützenden Organisationen gehören u. a. die Palästinenser-Organisationen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC) "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PU) "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) - radikaler HAWATMEH-Flügel und darüber hinaus die im Libanon operierende, vom Iran unterstützte islamisch-extremistische "Hizb Allah". 2.3.3.1 Traditionelle Palästinenserorganisationen Die "FATAH" in Berlin verhielt sich mit ihren etwa 100 Mitgliedern auch 1993 weitgehend inaktiv. Wurden die von der PLO ausgehandelten Ergebnisse der Nahost-Friedensverhandlungen anfänglich noch vom Großteil der in Berlin lebenden FATAH-Anhänger begrüßt, machte sich am Ende des Jahres eine allgemeine Skepsis breit. Führende Funktionäre der FATAH versuchten insbesondere nach dem Zustandekommen des Abkommens für den erzielten Kompromiß zu werben. Dieser Aktionismus ist wohl auch von der Furcht geprägt, daß die Mitglieder der Berliner FATAH-Gliederung zu den palästinensischen islamischen Organisationen abwandern 2 - Politischer Extremismus - 138 könnten, zumal diese an den Berliner Hochschulen aktiven Gruppierungen starken Zulauf verzeichnen. Im Sommer 1993 wurde in Berlin-Pankow mit dem Büro der PLO der letzte zentrale Stützpunkt geschlossen. Der Berliner Gruppe der PFLP gehörten im Jahre 1992 etwa 25 , Palästinenser an, die Verhandlungen mit der israelischen Regierung konsequent ablehnen. Auf einer Veranstaltung am 21. April 1993 in der Technischen Universität Berlin wurde diese Haltung von führenden Funktionären der Organisation bekräftigt, wobei in deren Redebeiträgen eine deutliche Annäherung an die Positionen der HAMAS zu verzeichnen war. Nach der Spaltung der DFLP in einen radikalen (HAWATMEH-) und in einen eher gemäßigten (ABED RABBO-)Flügel gehören die in Berlin ansässigen 30 DFLP-Mitglieder fast ausnahmslos dem radikalen Flügel an. Die Sicherheitsbedrohung wird derzeit als gering eingeschätzt. Anhänger der PFLP-GC und der ANO gehören zu den entschiedensten Gegnern von Friedensverhandlungen mit Israel. Die Gruppierungen verfügen in Berlin über keine Organisationsstruktur. In den letzten Jahren wurden nur Einzelmitglieder bekannt. Dennoch stellen beide Organisationen ein akutes Sicherheitsrisiko dar, da ihre Führer mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die FATAH gedroht haben. 2.3.3.2 Islamisch-extremistische Araberund PalästinenserOrganisationen Die in Berlin ansässigen islamisch-extremistischen Araberund Palästinenser-Organisationen stellen nach wie vor eine latente Bedrohung der inneren Sicherheit Berlins dar. Insbesondere die seit Ende 1992 verstärkt auftretende HAMAS-Anhängerschaft erhielt wegen ihrer konsequent ablehnenden Haltung zu den Nahost-Friedensverhandlungen einen starken Zulauf. 2 - Politischer Extremismus - 139 Folgende islamisch-extremistische Palästinenserund Araber-Organisationen verfügten 1993 über Gliederungen in Berlin: "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PU) "Partei Gottes" (Hizb Allah) "Partei des islamischen Rufs/der Islamischen Mission" (Hizb AI-Da'Wa Al-Islamia) "AMAL-Bewegung" "Moslembruderschaft" mit ihrer radikalen Abspaltung "Islamische Avantgarden". Die Zentralen dieser Organisationen befinden sich in den von Israel besetzten Gebieten, im Libanon und im Iran. In Berlin dienen neben verschiedenen Moscheen vielfach Privatwohnungen als Trefforte, wo in kleinen Zirkeln eine rege Propagandatätigkeit betrieben wird. Mittlerweile ist die Zahl der Anhänger islamischextremistischer Gruppen (einschließlich der Sympathisanten) weitaus höher als die der in Berlin aktiven PLO-Mitgliedsorganisationen, was u. a. auf eine rege Propagandatätigkeit an den Berliner Hochschulen und an einzelnen Berliner Moscheen zurückzuführen ist. Darüber hinaus war im Jahr 1993 eine deutliche Annäherung von islamisch-extremistischen Palästinenser-Organisationen und einigen türkischen islamisch-extremistischen Gruppierungen zu verzeichnen. So führten erstmalig etwa 800 Anhänger von türkischen und palästinensischen Organisationen im Januar 1993 aus Anlaß der "Deportation von 415 Palästinensern" eine gemeinsame Demonstration in Berlin durch. Die "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) strebt seit ihrer Gründung die Vernichtung des Staates Israel an. Sie ist dort in den letzten Jahren mit zahlreichen terroristischen Gewalttaten in Erscheinung getreten. Aufgrund ihrer konsequenten antiisraelischen Haltung können Anschläge dieser Organisation - insbesondere vor dem Hintergrund der 2 - Politischer Extremismus - 140 Vereinbarungen zwischen der israelischen Regierung und der PLO - auch außerhalb Israels nicht mehr ausgeschlossen werden. Nach derzeitiger Erkenntnislage ist die HAMAS als eine der potentiell gefährlichsten palästinensischen Organisationen anzusehen. In Berlin verfügt sie unter den politisch aktiven Palästinensern mittlerweile über eine der größten Anhängerschaften und verzeichnet seit einiger Zeit auch Zulauf aus Kreisen der "traditionellen" Palästinenserorganisationen. Die konspirativ agierende Berliner HAMAS-Gliederung trat neben ihrer Beteiligung an der erwähnten Demonstration im Januar 1993 nur noch mit einer Großveranstaltung am 5. Dezember 1993 in der Alten Mensa der Technischen Universität in Erscheinung. Unter dem frenetischen Beifall der 500 Teilnehmer - darunter auch zahlreiche Angehörige der PLO - polemisierte der aus Jordanien angereiste Hauptredner in aggressiv antisemitischer Weise unter Verwendung von Koranversen gegen die Verständigung zwischen Israel und der PLO. Ähnlich wie die "Islamische Widerstandsbewegung" HAMAS bekämpfen die im "Palästinensischen Islamischen Jihad" (PU) aktiven Fraktionen den Staat Israel. In Berlin treten Anhänger des PU vorwiegend im Umfeld der HAMAS in Erscheinung. Nach derzeitiger Einschätzung ist dessen Anhängerzahl weitaus geringer als die der HAMAS. Neben den vorgenannten palästinensischen Organisationen gehören die islamisch-extremistische "Moslembruderschaft" sowie die vom Iran beeinflußte "Hizb Allah" zu den Gegnern von Friedensverhandlungen mit Israel. Man muß befürchten, daß die gegenwärtigen gewalttätigen Auseinandersetzungen im Gazastreifen und in Jericho auch auf Europa übergreifen. Mittlerweile drohen führende Funktionäre islamisch-extremistischer Organisationen mit einer Ausweitung gewalttätiger Aktionen auch außerhalb Israels als Reaktion auf die derzeitige politische Entwicklung im Nahen Osten. Daraus könnten sich Bedrohungselemente für die öffentliche Sicherheit Berlins ergeben, da in Berlin eine größere palästinensische Gemeinde ansässig ist, die sich sowohl aus Befürwortern als auch aus Gegnern der Friedensverhandlungen zusammensetzt. 2 - Politischer Extremismus - 141 2.3.4 Türken Von den 1993 in Berlin gemeldeten 138 457 türkischen Staatsangehörigen waren etwa 1 900 (ca. 1,4 %) in extremistischen bzw. extremistischbeeinflußten Vereinigungen organisiert. Insbesondere bei letzteren ist jedoch zu berücksichtigen, daß deren politische Ziele nicht von allen Angehörigen vorbehaltlos unterstützt werden. Häufig ist es die Pflege sozialer Kontakte zu Landsleuten, die zum Besuch von Veranstaltungen dieser Organisationen motiviert. Das extremistische Kernpotential macht daher einen zahlenmäßig geringen Teil der Anhängerschaft aus. 2.3.4.1 Linksextremistische Organisationen Zu den gewaltorientierten Organisationen der türkischen Neuen Linken, die im Jahre 1993 in Berlin Aktivitäten entwickelten, zählten insbesondere die Organisationen "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) und die seit 1983 in der Bundesrepublik Deutschland verbotene "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke). Wie im Vorjahr waren in Berlin die Anhänger zweier Fraktionen ("Maoisten" und "Partizan") der weitgehend zersplitterten TKP/M-L als Gewaltpotential von Bedeutung. Sympathisanten verschiedener Abspaltungen waren im Berichtszeitraum an mehreren, z. T. selbst organisierten Demonstrationen beteiligt. Ihre Proteste richteten sich im allgemeinen gegen die bundesdeutsche "Ausländerpolitik". Auch Ereignisse wie der Tod des türkischen Jugendlichen Mete EKSI, der im November 1991 an den Folgen einer tätlichen Auseinandersetzung mit einer Gruppe deutscher Jugendlicher verstorben war, wurden für propagandistische Zwecke genutzt. Bei einer Demonstration am 20. April 1993, an der sich auch deutsche Autonome beteiligten, kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und der Polizei. 2 - Politischer Extremismus - 142 Das unfriedliche Bild verstärkte sich durch die Protestaktionen, die Anhänger der TKP/M-L gemeinschaftlich mit Anhängern der TDKP und der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Anlaß des Besuches der türkischen Ministerpräsidentin Tansu CILLER im September 1993 in Berlin durchführten. Die Fraktion "Maoisten" der TKP/M-L, die dem Dachverband "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) - einem Zusammenschluß von etwa 19 maoistischen Parteien und Gruppen aus verschiedenen Ländern - angehört, führte auch im Jahr 1993 Protestveranstaltungen sowie Spendensammlungen zur Unterstützung des inhaftierten Führers der ebenfalls der RIM angehörenden peruanischen Terror-Organisation "Sendero Luminoso" ("Leuchtender Pfad"), Abimael GUZMAN, durch. Die militante türkische Gruppe "Antifasist Genclik" ("Antifaschistische Jugend") ist - insbesondere nachdem sie in der Öffentlichkeit mit der Ermordung des Vorstandsmitgliedes der "Deutschen Liga für Volk und Heimat", Gerhard KAINDL, am 4. April 1992 in Verbindung gebracht wurde - nur noch gemeinsam mit anderen Gruppen durch Flugblätter, vor allem gegen das Ermittlungsverfahren im Mordfall KAINDL, öffentlich in Erscheinung getreten. Innerhalb der gewaltorientierten "Devrimci Sol" findet gegenwärtig ein Machtkampf statt, der seinen Ursprung in der Türkei hat und unter den Anhängern der Organisation nunmehr auch gewalttätig im Bundesgebiet und in Berlin ausgetragen wird. Die genauen Hintergründe der Auseinandersetzungen wurden erstmals Anfang März 1993 bekannt. Danach haben sich innerhalb der "Devrimci Sol" - zunächst in der Türkei - zwei miteinander verfeindete Fraktionen gebildet, ein sog. "KARATAS-Flügel" (benannt nach dem bisherigen Devrimci Sol-Führer Dursun KARATAS) und ein oppositioneller sog. "YAGAN-Flügel" (benannt nach dem am 6. März 1993 in der Türkei von der Polizei getöteten Funktionär der "Devrimci Sol", Bedri YAGAN). Dursun KARATAS wird u. a. autoritärer Führungsstil, luxuriöses Leben und die Gefährdung von "Genossen" vorgeworfen; insbesondere wird ihm die Schuld am Tod Bedri YAGANs angelastet. Die Auseinandersetzungen werden seit März 1993 nunmehr auch in der Bundesrepublik Deutschland zwischen den Anhängern der beiden Frak- 2 - Politischer Extremismus - 143 tionen offen ausgetragen. Am 3. März 1993 kam es in Köln und am 14. April 1993 in Hamburg zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Eine vom "YAGAN-Flügel" initiierte Veranstaltung am 17. April 1993 im "Haus Am Köllnischen Park" in Berlin-Mitte mit etwa 300 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet verlief aufgrund polizeilicher Präsenz ohne Störungen. Im Vorfeld dieser Veranstaltung war es in Berlin zu mindestens drei Zusammenstößen zwischen den konkurrierenden "Devrimci Sol"-Flügeln mit Schußwaffengebrauch gekommen, wobei ein Mitglied des "YAGANFlügels" eine Schußverletzung erlitt. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Flügeln innerhalb der "Devrimci Sol" am 1. Mai 1993. An diesem Tage kam es vor dem Grundstück Kottbusser Damm 74 in Berlin-Neukölln zu einem Schußwechsel, in dessen Verlauf ein Angehöriger des "YAGAN-Flügels", der türkische Staatsangehörige Ercan SAKAR, tödlich verletzt wurde. Im Zusammenhang mit der Tötung von Ercan SAKAR führten die Anhänger des "YAGAN-Flügels" am 4. Mai 1993 eine Mahnwache sowie am 6. Mai 1993 eine als Trauerzug angemeldete Demonstration durch. Beide Veranstaltungen verliefen störungsfrei. In einem offenen Brief forderte KARAT AS im Juni 1993 die Anhänger des "YAGAN-Flügels" ultimativ zur Unterwerfung auf und drohte ihnen andernfalls mit unnachgiebiger Verfolgung. Im Gegenzug verurteilte der "YAGAN-Flügel" KARATAS sowie den Mörder Ercan SAKARs zum Tode. Es ist daher davon auszugehen, daß es zu weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den konkurrierenden Flügeln der "Devrimci Sol" kommen wird, zumal Anhänger beider Fraktionen bewaffnet sein sollen. Gezielte Anschläge gegen Einzelpersonen können ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. 2 - Politischer Extremismus - 144 2.3.4.2 Rechtsextremistische Organisationen Unter den rechtsextremistischen türkischen Organisationen waren im Jahr 1993 für die innere Sicherheit Berlins vor allem die Vereinigungen "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BÜD) und "Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) von Bedeutung, die gemeinsam über etwa 600 Mitglieder verfügen. Für Großveranstaltungen konnte in der Vergangenheit jedoch ein Mehrfaches des Anhängerpotentials mobilisiert werden. Der bisher an den Zielen der von Alparslan TÜRKES geführten "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) orientierte BÜD hat sich Anfang 1993 gespalten. Parallel zur ebenfalls Anfang des Jahres vollzogenen Aufspaltung der "Mutterpartei" in der Türkei trennten sich die Anhänger und Gegner des MHP-Vorsitzenden auch in Berlin. Die Anhänger TÜRKES' gründeten die TÜB; der BÜD vertritt seitdem die Ziele der von der MHP abgespaltenen "Partei der Großen Einheit" (BBP). Beide Vereinigungen sind nationalistisch, antikommunistisch und antizionistisch orientiert. Während die TÜB jedoch eher laizistisch eingestellt ist, überwiegt beim BÜD nunmehr die religiöse Komponente. Seit der Spaltung des BÜD wurden wiederholt Feindseligkeiten zwischen dem BÜD und der neugegründeten TÜB festgestellt, die jedoch ihren Ursprung weniger im ideologischen als im materiellen Bereich haben. Nach herrschender Meinung unter den Mitgliedern der TÜB stehen die Vereinsräume des BÜD im Bezirk Wedding der TÜB zu. Die Feindseligkeiten gipfelten am 6. Dezember 1993 in einer Schießerei zwischen den Angehörigen beider Vereinigungen vor dem Sitz der TÜB in Kreuzberg, bei der jedoch niemand verletzt wurde. Dem Schußwechsel sollen Provokationen von Angehörigen der TÜB vor dem Vereinssitz des BÜD in Wedding vorausgegangen sein. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen wurden zwei Personen vorläufig festgenommen. 2 - Politischer Extremismus - 145 Gegen einen Tatverdächtigen erging Haftbefehl wegen versuchten Totschlags. 2.3.4.3 Islamisch-extremistische Organisationen Die islamisch-extremistischen türkischen Organisationen bilden mit etwa 18 000 Mitgliedern den zahlenmäßig stärksten Bereich des "Ausländerextremismus" in der Bundesrepublik Deutschland. In Berlin wird die Zahl ihrer Anhänger auf über 1 000 geschätzt. Diese Gruppen orientieren sich überwiegend an den Zielen der islamisch-fundamentalistischen "Wohlstandspartei" (RP) in der Türkei, deren Hauptziel die Errichtung einer islamischen Staatsordnung in ihrem Heimatland ist. Die Ziele der RP werden im Bundesgebiet und in Berlin von der "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT) mit Sitz in Köln vertreten. An einer von der AMGT aus Anlaß des "Jerusalemtages" organisierten Demonstration am 20. März 1993 beteiligten sich über 5 000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet. Unter den Teilnehmern befanden sich auch zahlreiche Anhänger arabisch-palästinensischer Organisationen, u. a. "Hizb Allah" und HAMAS. Der Hauptredner der Abschlußkundgebung rief zur Gründung eines islamischen Staates Palästina und zur Vernichtung des Staates Israel auf. Die Berliner Repräsentanten des von dem "türkischen KHOMEINI" Cemaleddin KAPLAN geführten islamisch-fundamentalistischen "Verbandes der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V." (ICCB), das "Muslimen Treffund Kulturzentrum" und die "Mehmet Akif Moschee", sind im Jahre 1993 nicht durch öffentliche Aktivitäten in Erscheinung getreten. 2 - Politischer Extremismus - 146 2.3.5 Kurden Die mit Abstand aktivste Vereinigung extremistischer Kurden in Berlin und im übrigen Bundesgebiet ist seit Jahren die gewaltorientierte linksextremistische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Sie strebt die Errichtung eines selbständigen kurdischen Nationalstaates unter ihrer alleinigen Führung an. Zur Durchsetzung ihrer Ziele bedient sie sich in der Türkei terroristischer Mittel und versucht durch gewalttätige Aktionen gegen türkische Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen dem militärischen Arm der PKK, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), und dem türkischen Militär führte in Westeuropa - insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland - zu einer Zunahme der Militanz seitens der PKK. Höhepunkte dieser Entwicklung waren zwei europaweite, zeitlich abgestimmte Anschlagserien am 24. Juni und 4. November 1993. Als Konsequenz dieser Eskalation der Gewalt verfügte der Bundesminister des Innern am 22. November 1993 ein Verbot der PKK einschließlich ihrer Teilund Nebenorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland. In Berlin ist das "Kurdische Kulturzentrum BOTAN in Berlin e. V." von der Verbotsverfügung betroffen. Die PKK hat ihre Mitglieder in Europa in sog. Gebietskomitees organisiert. In der Bundesrepublik Deutschland bestehen Gebietskomitees in den meisten Großstädten - so auch in Berlin -, die aus Gründen der besseren Kontrolle in sog. Abschnitten zusammengefaßt sind. Dem Berliner Gebietskomitee gehören nach aktuellen Schätzungen etwa 500 Mitglieder und Anhänger an. Treffund Versammlungsort war bis zum Verbot das "Kurdische Kulturzentrum BOTAN in Berlin e. V." im Bezirk Kreuzberg. Seit Ende 1993 dienen Räumlichkeiten in der Zossener Straße 41 im selben Bezirk als neues Kommunikationszentrum der Berliner PKK-Anhängerschaft. Die Aktivitäten des Berliner Gebietskomitees der PKK orientierten sich auch im Jahr 1993 vor allem an Ereignissen in der Türkei. Mit einer Viel- 2 - Politischer Extremismus - 147 zahl von Protestkundgebungen, mit Mahnwachen und Hungerstreikaktionen bekundeten die Berliner PKK-Anhänger ihre Solidarität mit den "Kämpfern" in Kurdistan. Durch ihre Teilnahme an bundesweiten Großkundgebungen in Bonn, Frankfurt/M. und Kassel bewies die Berliner PKK-Gliederung erneut, daß es ihr gelingt, über ihre eigentliche Anhängerschaft hinaus eine große Anzahl von Sympathisanten zu mobilisieren. Eine ausführliche Darstellung der PKK und der zu ihrem Verbot führenden Ereignisse findet sich als Sonderthema unter Abschnitt 2.3.9. 2.3.6 Iraner In Berlin waren im Jahre 1992 etwa 6 600 iranische Staatsangehörige gemeldet. Der politische Extremismus unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Iranern hat seine Ursache in den seit Jahrzehnten schwelenden politischen, religiösen und sozialen Konflikten im Iran, die auch nach der islamischen Revolution 1979 anhielten und vermehrt außerhalb des Iran ausgetragen werden. Seit der Machtübernahme durch die Anhänger des Ayatollah KHOMEINI bedroht der Iran mit seiner eigenen Interpretation des Islam andere Staaten und versucht, in einer Art "Kulturexport" seine Auffassung vom Islam weltweit - insbesondere aber in den arabischen Ländern - zu verbreiten. So unterstützt das iranische Regime finanziell eine Vielzahl islamisch-extremistischer Oppositionsgruppen in anderen, nicht nur arabischen Ländern. Bestes Beispiel für eine derartige Einflußnahme war die aktive Rolle des Iran bei der Gründung der terroristischen Hizb Allah im Libanon. Darüber hinaus verfolgt die iranische Führung Dissidenten und Oppositionelle in aller Welt und bestraft sie sogar mit dem Tode. Für die Ausspähung von Regimegegnern setzt der Iran nachrichtendienstliche Mitarbeiter ein, die z. T. in diplomatischen Vertretungen und sonstigen iranischen Einrichtungen tätig sind und mit staatstreuen, in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Anhängern zusammenarbeiten. 2 - Politischer Extremismus - 148 C 2.3.6.1 Regimeanhänger Bei den außerhalb des Iran lebenden Anhängern des Regimes der Islamischen Republik Iran handelt es sich mehrheitlich um vom Iran geförderte Studenten, die unter dem Dachverband "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) in regionalen Vereinen organisiert sind. Zu deren Hauptaufgaben gehören - neben der Ausspähung von Dissidenten und Oppositionellen - die politisch-religiöse Schulung und Beeinflussung von Studenten sowie die Verbreitung islamischen Gedankenguts im Sinne der iranischen Mullahs, was mitunter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Regimegegnern führte. In Berlin ist der "Verein Islamischer Studenten in Berlin e. V." (VIS) der U.I.S.A. angeschlossen. Die etwa 20 Mitglieder umfassende Organisation verhielt sich seit dem Mordanschlag auf vier oppositionelle iranische Kurden am 17. September 1992 im Restaurant "Mykonos" und der Festnahme ihres führenden Funktionärs und mutmaßlichen Mittäters Kazem DARABI weitgehend passiv. Die seitdem zu beobachtende Inaktivität dürfte auf eine entsprechende Weisung iranischer Stellen zurückzuführen sein. 2.3.6.2 Regimegegner Auch 1993 blieb die ideologische Zersplitterung der iranischen Oppositionsgruppen bundesweit kennzeichnend für deren Unvermögen, die Aufmerksamkeit der breiten deutschen Öffentlichkeit gemeinsam auf ihre Ziele zu lenken. Trotz der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage im Iran und der Verfolgung, der iranische Oppositionsbewegungen in ihrem Heimatland ausgesetzt sind, gelang es ihnen nicht, unter den Iranern im Ausland aus der wachsenden Unzufriedenheit Kapital für ihre politischen Ziele zu schlagen. Von den Oppositionsgruppen trat 1993 in Berlin nur eine Ortsgruppe der "Iranischen Moslemischen Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V." (IMSV), die die Ziele der "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) unterstützt, mit geringen Aktivitäten in der Öffentlichkeit in Erscheinung. 2 - Politischer Extremismus - 149 Die PMOI, die einst KHOMEINI unterstützt hatte und später im Iran erbittert verfolgt wurde, kämpft jetzt vom Irak aus - u. a. mit militärischen und terroristischen Mitteln -, um im Iran eine Veränderung der politischen Verhältnisse herbeizuführen. Der Berliner IMSV-Gliederung sind schätzungsweise 25 Mitglieder und Sympathisanten zuzurechnen. Zu den Schwerpunkten ihrer hiesigen Aktivitäten gehörten im Berichtszeitraum Propagandaarbeit in der Öffentlichkeit mit Vertrieb von Zeitschriften, Büchern, Videos und vereinzelte Informationsveranstaltungen, die jedoch nur geringe Öffentlichkeitswirkung erreichten. Primär nutzte die IMSV 1993 ihre logistische Basis Berlin zur Beschaffung finanzieller Mittel durch Spendensammlung zur Finanzierung des "Befreiungskampfes" ihrer Mutterorganisation PMOI und der Vereinigung auf Bundesebene. Die in der Vergangenheit zu beobachtenden Gewalttaten von IMSVAnhängern reichten von Besetzungsaktionen iranischer Einrichtungen bis zu Steinwürfen gegen prominente Politiker aus dem Iran, die sich zu Besuch in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Obwohl die Organisation 1993 in Berlin nicht mit Gewalttaten in Erscheinung trat, sind derartige Aktivitäten auch künftig nicht auszuschließen, da die IMSV erfahrungsgemäß politische Ereignisse im Iran zum Anlaß eigener, auch gewaltorientierter Aktionen nimmt. 2.3.7 Völker des ehemaligen Jugoslawien In Berlin waren im Jahre 1993 über 70 000 Bürger der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien gemeldet. Von diesen sind nur sehr wenige in extremistischen Vereinigungen politisch aktiv. Wenn auch das Verhältnis zwischen den in Berlin lebenden Angehörigen der Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien durch die Entwicklung des Bürgerkriegs in ihrer früheren Heimat stark belastet wurde, kam es im Jahr 1993 nicht zu der vielfach befürchteten gewalttätigen Konfrontation zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen. Nur vereinzelt entluden sich die Spannungen - häufig unter Alkoholeinfluß - in tätlichen Auseinandersetzungen, die in einem Fall zum Tod eines der Beteiligten führten: Ein kroatischer Staatsangehöriger, der sich öffentlich mit seinen 2 - Politischer Extremismus - 150 Kriegstaten in Bosnien brüstete, wurde von einem bosnischen Muslim erstochen. Anfang März 1993 wurde auf eine serbisch-orthodoxe Kirche im Bezirk Wedding ein vermutlich politisch motivierter Brandanschlag verübt, der jedoch nur geringen Sachschaden anrichtete. Im Zusammenhang mit den Bürgerkriegsereignissen führten Angehörige der verschiedenen Volksgruppen im Jahre 1993 fünf Demonstrationen mit bis zu 1 000 Teilnehmern durch, an deren Rande es vereinzelt zu verbalen Auseinandersetzungen mit Passanten kam. 2.3.8 Ausblick Angesichts der entschiedenen Ablehnung der mit dem Gaza-JerichoAbkommen vom 13. September 1993 erreichten Verständigung zwischen der israelischen Regierung und der PLO durch radikale palästinensische Gruppen wie PFLP, ANO und PFLP-GC sowie vor allem durch die islamisch-extremistischen Gruppen HAMAS und PU ist zu befürchten, daß die gegenwärtigen gewalttätigen Auseinandersetzungen im Gazastreifen auch auf Europa übergreifen. Führende Vertreter islamisch-extremistischer Organisationen drohen mit einer Ausweitung gewalttätiger Aktionen auch außerhalb Israels. Anschläge der konspirativ arbeitenden "Islamischen Widerstandsbewegung" HAMAS, die als eine der potentiell gefährlichsten palästinensischen Organisationen anzusehen ist, können auch in Deutschland nicht mehr ausgeschlossen werden. Eine weitere Gefahr für die innere Sicherheit Berlins stellt die PKK dar. Auch in der Bundesrepublik Deutschland war aufgrund verschärfter Auseinandersetzungen in der Türkei eine deutliche Zunahme der Militanz der PKK festzustellen, die schließlich zu ihrem Betätigungsverbot führte. Die PKK wird versuchen, das Verbot auf vielfältige Art zu umgehen und ihre Aktivitäten voraussichtlich konspirativer gestalten. Eine Abnahme des Bedrohungspotentials ist nicht zu erwarten. 2 - Politischer Extremismus - 151 Von den gewaltorientierten linksextremistischen Türken-Organisationen und Gruppen sind insbesondere die Anhänger der Fraktionen "Maoisten" und "Partizan" der weitgehend zersplitterten TKP/M-L und die militante türkische Gruppe "Antifasist Genclik" ('Antifaschistische Jugend") als Gefährdungspotential weiterhin von Bedeutung. Es ist davon auszugehen, daß der Machtkampf innerhalb der "Devrimci Sol" zu weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den konkurrierenden Flügeln führen wird, die möglicherweise auch unter Einsatz von Waffen ausgetragen werden. Gezielte Anschläge gegen Einzelpersonen können nicht ausgeschlossen werden. Die Lage im ehemaligen Jugoslawien hat im Jahr 1993 nicht zu der vielfach befürchteten gewalttätigen Konfrontation zwischen den in Berlin lebenden etwa 55 000 Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen geführt. Bei den anhaltenden Spannungen insbesondere im Krisengebiet Bosnien ist jedoch zu befürchten, daß dieser Konflikt Auswirkungen auf das bisher überwiegend friedliche Zusammenleben der genannten Volksgruppen in Berlin hat und zu einer ernstzunehmenden Bedrohung der inneren Sicherheit Berlins werden könnte. 2 - Politischer Extremismus - 152 2.3.9 Sonderthema: Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Einleitung Die Kurden kämpfen seit Jahrzehnten für einen eigenen souveränen Staat, der ihnen in ihrer mehr als 2 500jährigen Geschichte bisher verwehrt wurde. Auf über 20 Millionen Menschen wird das kurdische Volk geschätzt, das etwa zur Hälfte in der Türkei und zu einem Viertel im Iran lebt. Der Rest verteilt sich auf die Länder Irak, Syrien und zu einem kleinen Teil auf Gebiete der ehemaligen Sowjetunion. Außerhalb dieser Siedlungsgebiete leben die meisten Kurden vermutlich in der Bundesrepublik Deutschland, wo sie Schätzungen zufolge eine bis zu 500 000 Personen starke Bevölkerungsgruppe ausmachen. In Berlin wird ihre Zahl auf 35 000 bis 50 000 Personen geschätzt. Die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kurden kamen zunächst als "Gastarbeiter", später als Flüchtlinge oder wurden hier geboren. Rund 90 % von ihnen sind türkische Staatsangehörige. Die Sprache der Kurden ist indogermanischen Ursprungs und dem Iranischen ähnlich. Die Mehrheit der Kurden sind Muslime; etwa 80 % gehören der sunnitischen, die restlichen 20 % der schiitischen Glaubensrichtung an. Das Streben nach Autonomie, Verfolgung und Repressalien, denen die Kurden in ihren Heimatländern ausgesetzt sind, wirken sich auf ihre politischen Aktivitäten in den jeweiligen Gastländern aus. Die meisten Kurden-Organisationen - hier sind vor allem die in der "Kurdistan-Front Irak" zusammengeschlossenen Parteien und Organisationen "Demokratische Partei Kurdistans-Irak" (DPK-I), "Vereinigung der kurdischen Studenten in Europa e. V " (KSSE), "Patriotische Union Kurdistans" (PUK) sowie "KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan" (KOMKAR) zu nennen - werden fast ausschließlich propagandistisch aktiv. Die in der Türkei terroristisch operierende "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 2 - Politischer Extremismus - 153 ging jedoch auf deutschem Boden in der Vergangenheit und bis zu ihrem Verbot am 26. November 1993 wiederholt gewaltsam gegen türkische Einrichtungen vor und verübte zahlreiche Straftaten von Sachbeschädigungen und gefährlichen Körperverletzungen über Entführungen und Brandanschlägen bis hin zu Mordtaten. Die zunehmende Gewaltbereitschaft der PKK stellt nicht nur eine erhebliche Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik dar, sondern belastet auch in besonders starkem Maße zunehmend das Verhältnis zwischen den hier lebenden Kurden und Türken. Entstehung Mitte der 70er Jahre bildete sich an der Universität Ankara um den Studenten der politischen Fakultät Abdullah ÖCALAN eine Gruppe, die bis 1978 unter der Bezeichnung "APOCULAR" - in Anlehnung an dessen Spitznamen "APO" (Onkel) - auftrat. Aus dieser Gruppe ging die PKK hervor, die am 27. November 1978 offiziell gegründet wurde. Als deren Generalsekretär und unumschränkter Führer amtiert seither ÖCALAN. Der Sitz des Zentralkomitees (ZK) befindet sich in Damaskus (Syrien), wo sich auch ÖCALAN zeitweilig aufhalten soll. Bereits kurz nach der Gründung begann die PKK mit dem Aufbau von Teilorganisationen im Ausland - insbesondere im westlichen Europa -, das wegen der großen Zahl der hier lebenden Kurden hierfür geradezu prädestiniert war. Die Partei bezeichnet ihre Aktivitäten in den verschiedenen europäischen Ländern als eine "Arbeit hinter der Front", um Kader "ideologisch - politisch und militärisch" zu schulen und auf eine "baldige Rückkehr" vorzubereiten. Daneben dient die Parteiarbeit in diesem Bereich der finanziellen Unterstützung der PKK. Zudem soll die PKK in Europa im Falle "einer möglichen Niederlage ... in der Heimat" eine "Reserveorganisation" bilden, um "von hier aus zu leiten und zu steuern" und den "nationalen Befreiungskampf erfolgreich weiterzuführen. 2 - Politischer Extremismus - 154 Struktur Die PKK verfügt über zwei Hauptorganisationen: Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) und die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK). Während die ARGK als militärischer Arm den bewaffneten Kampf in der Türkei führt, ist die ERNK auf internationaler Ebene für die "Öffentlichkeitsarbeit" der PKK tätig. Um den Einfluß der PKK auf möglichst alle Lebensbereiche der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kurden auszudehnen und damit die Parteiarbeit wirksamer zu gestalten, gründete die ERNK im Laufe der letzten Jahre "patriotische" sog. "YGruppen" (Yekitiya=UnionA/erband) u. a. für Arbeiter, Jugend, Frauen, Intellektuelle und Studenten. Als legale Gliederungen der PKK gab es - bis zum Verbot am 26. November 1993 - in der Bundesrepublik Deutschland eine Vielzahl eingetragener kurdischer Arbeiterund Kulturvereine, die sich im April 1984 zur "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus der Bundesrepublik Deutschland e. V." (FEYKA-Kurdistan) mit Sitz in Köln zusammengeschlossen haben. Berliner Mitgliedsverein der FEYKA-Kurdistan war das am 6. Januar 1990 gegründete "Kurdische Kulturzentrum BOTAN in Berlin e. V " (Sitz bis zum Verbot am 26. November 1993: Kreuzberg, Kottbusser Straße 8). Die Vereinsräume dienten Berliner PKK-Mitgliedern und -Sympathisanten als Treffund Versammlungsort. Ferner bestehen in vielen deutschen Bundesländern sog. KurdistanKomitees, deren Aufgabe es u. a. ist, Beziehungen zu anderen Vereinen, Interessengruppen und Medien zu knüpfen, um für die kurdische Sache zu werben und Parteipropaganda zu treiben. Die PKK unterteilt ihre Anhängerschaft in drei Gruppen: Kader (Vollmitglieder), Kaderanwärter (Kandidaten) sowie Sympathisanten. 2 - Politischer Extremismus - 155 Kader sind hauptberufliche "Revolutionäre" oder "Politiker" Sie benutzen Decknamen und gefälschte Pässe. Bei öffentlichen Parteiaktivitäten verhalten sich Kader äußerst konspirativ und überlassen z. B. die Anmeldung von Demonstrationen und Veranstaltungen den Sicherheitsbehörden bereits bekannten Aktivisten der Organisation. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Zahl der Mitglieder und Anhänger der PKK auf 3 800, in Berlin auf etwa 500 geschätzt. Am Beispiel des von der ERNK initiierten "2. Kurdistan Festivals" am 4. September 1993 im Frankfurter Waldstadion, an dem nach Polizeiangaben 45 000, nach Angaben des Veranstalters bis zu 100 000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland teilgenommen haben, zeigte es sich erneut, daß es der PKK bei Großveranstaltungen stets gelingt, über ihre Mitglieder und Anhänger hinaus eine große Zahl von Sympathisanten zu mobilisieren. Finanzierung Die PKK finanziert ihren Parteiapparat und die militärischen Aktionen ihrer "Kampforganisation" ARGK in der Türkei im wesentlichen durch Sammlungen, Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus dem Verkauf von Publikationen und Überschüssen aus parteieigenen Unternehmen (z. B. AGRI-Verlag in Köln) sowie in zunehmendem Maße durch Schutzgelderpressung. Das "Spendenaufkommen" beläuft sich bundesweit jährlich auf mehrere Millionen DM. In Berlin werden Beträge bis zu einer Million DM "gesammelt". Anfang März 1993 hat die Berliner Polizei eine-Sonderkommission zur Bekämpfung von Spendenerpressungen bei türkischen Geschäftsleuten durch Angehörige extremistischer türkischer und kurdischer Organisationen eingerichtet, die sich schwerpunktmäßig mit den Aktivitäten der PKK befaßt. Der Polizei gelang in diesem Zusammenhang die Festnahme von zwei Funktionären der Berliner Gliederung der PKK, gegen die im November 1993 vor dem Landgericht Berlin ein Prozeß eröffnet wurde. Die türkische Regierung behauptete wiederholt, die PKK finanziere ihren Kampf im wesentlichen durch Einkünfte aus dem Rauschgifthandel. Den deutschen Sicherheitsbehörden liegen hierzu keine bestätigenden 2 - Politischer Extremismus - 156 Informationen vor. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, daß "Drogendealer" kurdischer Nationalität einen Teil ihrer Gewinne der PKK "spenden", doch liegen keine Erkenntnisse vor, daß diese "Dealer" ihre Geschäfte im Auftrag der PKK betreiben. Kampf des türkischen Militärs gegen die PKK Obwohl die türkische Regierung seit Jahren die Existenz eines "kurdischen Problems" leugnet, zwingt sie der Guerillakrieg der PKK, sich diesem Problem öffentlich zu stellen. Seit dem von der PKK im Frühjahr 1990 erstmals organisierten Volksaufstand in der Osttürkei (sog. Serihildan, vergleichbar mit der palästinensischen Intifada) herrscht in der Region faktisch Kriegsrecht. Mit immer drastischeren Maßnahmen versucht Ankara, ein weiteres Erstarken der PKK zu verhindern. Zwar annullierte die türkische Regierung - nicht zuletzt wegen der Forderungen der inund ausländischen Öffentlichkeit nach mehr Demokratie - Anfang April 1991 die Paragraphen des türkischen Gesetzbuches, mit denen die freie Meinungsäußerung weitgehend eingeschränkt wurde, sowie das Gesetz Nr. 2932, das die öffentliche Verwendung der kurdischen Sprache verbot. Aber bereits am 12. April 1991 wurde - von der Weltöffentlichkeit kaum beachtet - das "Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus" (sog. Antiterrorgesetz) verabschiedet, das nach Ansicht der PKK eine weitaus schärfere Verfolgung der Kurden zuläßt. Anfang März 1992 nahm die türkische Luftwaffe ihre Angriffe auf mutmaßliche Stützpunkte und Lager der PKK im Norden des Irak wieder auf. Im Zusammenhang mit diesen Militäraktionen führten Anhänger der PKK am 11/12. März 1992 in verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland massive, größtenteils gewalttätige Protestaktionen gegen türkische Einrichtungen durch, in deren Verlauf über 270 Personen vorübergehend festgenommen wurden. Die PKK erklärte im Frühjahr 1992 die Bundesrepublik Deutschland wegen ihrer umfangreichen Militärhilfen an die Türkei, ohne die der "Vernichtungskampf" gegen die Kurden nicht denkbar sei, zur "Kriegspartei" und zum "Hauptfeind Nummer 2". 2 - Politischer Extremismus - 157 Waffenstillstandsangebot Der Generalsekretär der PKK, Abdullah ÖCALAN, verkündete auf einer Pressekonferenz am 17. März 1993 in Libanon einen vom 20. März 1993 bis zunächst zum 15. April 1993 befristeten einseitigen Waffenstillstand, um gegenüber der türkischen Regierung seine Bereitschaft für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage zu bekunden. Dieser Waffenstillstand wirkte sich offensichtlich auf die Feierlichkeiten zum kurdischen Neujahrsfest (Newroz) am 21. März 1993 in der Türkei aus. Im Gegensatz zu den Vorjahren zeigten sowohl die türkischen Sicherheitskräfte als auch die PKK-Aktivisten Zurückhaltung, so daß es nur zu kleineren Zwischenfällen kam. Während des von der PKK verkündeten einseitigen Waffenstillstandes führte Abdullah ÖCALAN in Libanon Verhandlungen mit führenden Vertretern anderer kurdischer Organisationen, u. a. der "Patriotischen Union Kurdistans" (PUK) und der "Sozialistischen Partei Kurdistans" (PSK). In einem gemeinsamen Protokoll verpflichteten sie sich, zur friedlichen Lösung des Kurdenkonflikts und zur Verbesserung der Beziehungen zwischen ihren Organisationen beizutragen. Diese Erklärung steht offensichtlich im Zusammenhang mit dem Aufbau einer "Kurdischen Front". Bereits in der Vergangenheit gab es mehrfach Bestrebungen, eine "Einheitsfront" aller kurdischen Organisationen zu schaffen, die jedoch bisher am Alleinvertretungsanspruch der PKK für alle Kurden und aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über den "richtigen Weg" zur Lösung der Kurden-Frage - insbesondere der Anwendung von Gewalt - scheiterten. Am 21. März 1993 verlängerte ÖCALAN auf einer Pressekonferenz den Waffenstillstand auf unbefristete Zeit. Am 24. Mai 1993 kam es in der Nähe der türkischen Stadt Bingöl zu einem "Massaker" von PKKAngehörigen an Zivilisten und unbewaffneten Soldaten. Dabei wurden 35 Personen getötet. Das türkische Militär führte daraufhin Ende Mai 1993 einen Vergeltungsschlag gegen PKK-Guerillaeinheiten, bei dem etwa 70 PKK-Angehörige getötet und etwa 50 gefangengenommen wurden. Die faktische Beendigung des Waffenstillstandes durch die PKK am 24. Mai 1993 führte dazu, daß die von der türkischen Regierung bereits an diesem Tage erlassene Teilamnestie für PKK-Sympathisanten 2 - Politischer Extremismus - 158 nicht in Kraft trat. Am 8. Juni 1993 hob ÖCALAN seinen einseitigen Waffenstillstand auf und drohte der Türkei mit einem "Krieg an allen Fronten". Für den Fall einer Fortsetzung der Offensiven durch die türkische Armee kündigte ÖCALAN einen "blutigen Sommer" an. Seine Organisation werde auch die "wirtschaftlichen und touristischen Interessen" der Türkei - nicht wie bisher nur auf Ostanatolien beschränkt - im ganzen Land attackieren. Europaweite Gewaltaktionen Am 24. Juni 1993 kam es in verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland (u. a. in Hamburg, Hannover, Köln, Bonn, Duisburg, Düsseldorf, Stuttgart und Karlsruhe) durch Anhänger und Sympathisanten der PKK zu Sachbeschädigungen an Gebäuden, in denen türkische Banken und Reisebüros sowie Filialen der staatlichen türkischen Luftfahrtgesellschaft Turkish Airlines ihre Büros haben. Daneben wurde in München das türkische Generalkonsulat von 13 Kurden vorübergehend besetzt; es wurden Geiseln genommen. Die Aktion endete nach über 14 Stunden unblutig. [Anmerkung: Der Generalbundesanwalt hat am 17. Februar 1994 gegen die 13 "Konsulatsbesetzer" Anklage wegen gemeinschaftlicher Geiselnahme und versuchter Nötigung der Bundesregierung und des Bundeskanzlers erhoben.] Zeitgleich zu den Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland kam es zu vergleichbaren Aktionen in der Schweiz, in Frankreich, in Dänemark und Schweden. In Bern wurden bei einer Demonstration vor der türkischen Botschaft ein Kurde erschossen und ein Polizist verletzt. In Berlin wurden lediglich in drei türkischen Banken in Kreuzberg und Charlottenburg die Geschäftsräume einschließlich technischer Einrichtungen mit Eisenstangen, Holzlatten und Beilen verwüstet. Anlaß dieser europaweiten Aktionen war die Behauptung der ERNKZentrale in Köln, daß der von der PKK angebotene Waffenstillstand von der türkischen Regierung einseitig gebrochen worden sei. 2 - Politischer Extremismus - 159 Anschläge gegen den Tourismus Nachdem die PKK bereits Anfang des Jahres 1993 wegen ihrer geplanten "Großoffensive gegen die Quellen der türkischen Wirtschaft" (gemeint ist u. a. Tourismus) mehrmals vor Reisen in die Türkei gewarnt hatte und dort ab Ende Juni 1993 auch mehrere Bombenanschläge verübt worden waren, die von den Sicherheitsbehörden - obwohl öffentlich von der PKK wiederholt dementiert - dieser zugeschrieben wurden, bekannte sich die Partei im Sommer 1993 zu mehreren Entführungen von Touristen - darunter auch zwei Deutsche - in der Osttürkei. In Publikationen der PKK wurde den Touristen vorgeworfen, ohne die "erforderliche Erlaubnis" der PKK in diese Gebiete eingereist zu sein. Auf einer Pressekonferenz am 25. August 1993 in Bonn erklärte der Europavertreter der ERNK, die Touristen kämen erst frei, wenn die betroffenen Regierungen direkt mit der kurdischen Seite verhandelten. Die europäischen Staaten sollten seiner Meinung nach mehr Druck auf die Türkei ausüben und ihre Unterstützung der Türkei im Kampf gegen die Kurden einstellen, damit es zu einer "gerechten Lösung" der Kurdenfrage komme. Die entführten Touristen - darunter auch die zwei Deutschen - kamen am 14. September 1993 frei. Pressemeldungen zufolge konnten die deutschen Touristen fliehen, während die übrigen Geiseln von der PKK aus der Haft entlassen wurden. Türkische Behörden wiederum warfen den Entführten "Kollaboration" vor und verdächtigten sie der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Am 28. September 1993 erklärte der Generalsekretär der PKK, Abdullah ÖCALAN, auf einer Pressekonferenz in Libanon, der Krieg werde von der militärischen auf die ökonomische Ebene ausgedehnt. Er warnte erneut Touristen, in die Türkei zu reisen und erklärte wörtlich: "Wir haben schon mehrmals Warnungen ausgesprochen. Der Tourismus unterstützt die Kriegswirtschaft. Bis heute ist kein Tourist ums Leben gekommen. Wenn in Zukunft Menschen sterben sollten, kann uns niemand dafür verantwortlich machen ...". Verschärfung des Konflikts in der Türkei Die Kämpfe zwischen den türkischen Militäreinheiten und der ARGK im Südosten der Türkei nahmen in der Folgezeit zu und führten auf Seiten 2 - Politischer Extremismus - 160 der PKK zu erheblichen Verlusten. Am 22. Oktober 1993 wurde Presseberichten zufolge in der südosttürkischen Stadt Lice durch Angehörige der ARGK ein General getötet. Den anschließenden schweren Kämpfen zwischen der ARGK und dem türkischen Militär sollen mehrere hundert Menschen zum Opfer gefallen sein. Die türkische Ministerpräsidentin Tansu CILLER bildete Ende Oktober 1993 ihr Kabinett um und entließ den bisherigen Innenminister wegen seiner "Kurdenpolitik". Presseberichten zufolge beabsichtigt die türkische Staatsführung, die PKK in diesem Winter "auszurotten". Der türkische Staatspräsident Süleyman DEMIREL schloß "jeden Kuhhandel und jedes Zugeständnis an die PKK" aus. Die Armeeführung kündigte einen "Vernichtungskrieg" unter Einsatz modernster und schwerster Waffen gegen die PKK an. Erneute europaweite Gewaltaktionen Am 4. November 1993 verübten mutmaßliche Anhänger und Sympathisanten der PKK bundesweit nahezu zeitgleich Anschläge auf türkische Einrichtungen. In 31 Städten der alten Bundesländer (mit Ausnahme SchleswigHolsteins und des Saarlandes) kam es zu annähernd 60 versuchten bzw. vollendeten Überfällen und Brandanschlägen auf türkische diplomatische Vertretungen und türkische Einrichtungen wie Banken, Reisebüros sowie von Türken betriebene Gaststätten und Vereinslokale. Es entstand Sachschaden in Höhe von mehreren hunderttausend Mark. Der folgenschwerste Anschlag ereignete sich in Wiesbaden. Bei einem Brandanschlag auf eine Gaststätte wurde ein türkischer Staatsangehöriger tödlich, mehrere Personen wurden z. T. schwer verletzt. Auch in anderen europäischen Ländern, u. a. Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Dänemark, kam es zu ähnlichen Anschlägen. In Berlin waren drei türkische Objekte Ziele von Brandanschlägen, bei denen jedoch kein Personenschaden entstand. An einem Tatort wurden Flugblätter zurückgelassen, in denen die Aktionen mit dem "Völkermord in Kurdistan" begründet wurden. 2 - Politischer Extremismus - 161 Verbot der PKK Mit den Aktionen am 4. November 1993 demonstrierte die PKK eine deutlich verstärkte Gewaltbereitschaft. Die Partei nahm offenbar bewußt in Kauf, daß auch Menschen zu Schaden kamen. Damit hatte die PKK auch in der Bundesrepublik Deutschland deutlich die Schwelle zum Terrorismus überschritten. Bereits in der Vergangenheit hatten Gewalttaten von PKK-Aktivisten zu mehreren Prozessen vor deutschen Gerichten geführt: Seit dem 24. Oktober 1989 wird vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) in Düsseldorf gegen ehemalige Funktionäre der PKK wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (SS 129a StGB) und anderer Delikte verhandelt. Z. Z. stehen noch vier von ehemals 19 Angeklagten vor Gericht. Am 8. Januar 1991 begann vor dem 3. Strafsenat des OLG Celle gegen ursprünglich vier ehemalige PKK-Angehörige wegen der Beteiligung an der Ermordung eines PKK-Funktionärs ein Prozeß. Drei Angehörige wurden im Sommer 1992 zu Bewährungsstrafen verurteilt, der vierte Angeklagte wurde am 1. November 1993 zu 11 Jahren Freiheitsstrafe wegen gemeinschaftlichen Totschlags verurteilt. Der am 23. September 1992 vor dem 5. Strafsenat des OLG Stuttgart eröffnete Prozeß gegen einen ehemaligen PKK-Angehörigen wurde am 9. Dezember 1992 mit seiner Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Totschlags (Strafmaß: 13 Jahre) beendet. Der Ermordete stand innerhalb der PKK im Verdacht, Agent einer anderen Organisation gewesen zu sein. Nach der zweiten bundesweiten Gewaltwelle der PKK hat der Bundesminister des Innern am 22. November 1993 die Tätigkeit der PKK in der Bundesrepublik Deutschland untersagt und ihre Teilorganisationen - u. a. ERNK und FEYKA-Kurdistan sowie deren Mitgliedsorganisationen - in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Am 26. November 1993 wurde die Verbotsverfügung bundesweit vollzogen. 2 - Politischer Extremismus - 162 Die Verbotsverfügung erstreckt sich bundesweit auf 35 Organisationen, Vereine und Einrichtungen. In Berlin ist das "Kurdische Kulturzentrum BOTAN in Berlin e. V." davon betroffen. Im Zuge der polizeilichen Vollzugsmaßnahmen wurden am 26. November 1993 in Berlin die Vereinsräume im Hause Kottbusser Straße 8 in Kreuzberg und die Wohnungen von drei Vorstandsmitgliedern sowie von drei Berliner PKK-Aktivisten durchsucht und umfangreiches Propagandamaterial sichergestellt. Der Berliner Innensenator Prof. Dr. HECKELMANN bezeichnete in einer Pressemitteilung das Verbot der PKK als "zwingend geboten". Mit ihren Reaktionen und der unverhohlenen Ankündigung von Terroranschlägen gegen Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland und gegen Touristen in der Türkei habe sich die PKK endgültig entlarvt und selbst den Beweis erbracht, daß es sich bei ihr um eine "terroristische Vereinigung" handele. Das Verbot der PKK in der Bundesrepublik Deutschland führte zu Solidaritätsbekundungen verschiedener kurdischer Organisationen, die sich bisher von der PKK distanziert hatten. Zahlreiche deutsche Sympathisanten setzen sich für die Aufhebung des Verbots ein. Gegen die Verbotsverfügung des Bundesminister des Innern haben die vom Verbot betroffenen Organisationen inzwischen Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben. Ausblick In einer Sonderausgabe des ERNK-Organs "Kurdistan Report" vom Dezember 1993 nahm der Europavertreter der ERNK zu den Auswirkungen des Verbots auf die künftige Arbeit der PKK in der Bundesrepublik Deutschland Stellung. Er erklärte, das Verbot habe für die PKK keine große Bedeutung, da über eine Organisation des kurdischen Volkes nur das Volk selbst entscheiden könne. Die PKK sei zudem in Europa gar nicht offiziell gegründet worden; von dem Verbot betroffen seien nur "die legalen Vereine, in denen kurdische Patrioten sich getroffen haben". 2 - Politischer Extremismus - 163 Auf die Frage, ob die PKK auch nach dem Verbot in Deutschland aktiv sein werde und ob man über neue Organisationsformen nachdenke, antwortete der ERNK-Vertreter: "Allein in Deutschland gibt es 200 000 kurdische Familien, die mich jeden Tag aufnehmen können. Alle ihre Häuser sind für mich Vereine. Unser Meer ist das Volk selbst. Und wir führen unsere Aktivitäten Tag und Nacht in diesen 200 000 Vereinen. Auch dieses Interview z. B. führen wir in den Wohnräumen eines kurdischen Patrioten. Morgen werden wir eine andere Sitzung in dem Haus eines anderen Patrioten durchführen. Es gibt sowieso keine Möglichkeit dies zu verhindern." Auch wenn die vom ERNK-Vertreter genannte Zahl der PKK-Sympathisanten aus propagandistischen Gründen stark überhöht sein dürfte, ist die Ankündigung, die PKK-Anhänger würden sich in der Bundesrepublik nach dem Verbot noch konspirativer verhalten, als realistisch anzusehen. Daneben werden in der Zukunft zweifellos zahlreiche neue Vereine ins Leben gerufen, deren Steuerung bzw. Beeinflussung durch die PKK nicht ohne weiteres nachzuweisen sein wird. Solange es nicht zu einer für die Kurden befriedigenden Regelung durch die türkische Regierung kommt und die kriegerischen Auseinandersetzungen in Türkisch-Kurdistan andauern, wird die PKK - auch in Deutschland - mit der Sympathie und Unterstützung eines nicht unerheblichen Teils der kurdischen Bevölkerung rechnen können. 3 - Spionageabwehr * 165 3 Spionageabwehr 3 - Spionageabwehr - 167 3.1 Allgemeiner Überblick Auch im Jahr 1993 blieb die Bundesrepublik Deutschland wegen ihrer politischen Bedeutung, ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft und ihrer wissenschaftlich-technischen Ressourcen ein lohnendes Ausspähungsziel für fremde Nachrichtendienste. Etliche Staaten sind weiterhin bestrebt, sich durch Auslandsspionage einen Informationsvorsprung in politischen, wirtschaftlichen und militärischen Fragen zu verschaffen und dieses Wissen im nationalen Interesse zu nutzen. Die voranschreitende Demokratisierung in den Ländern des ehemaligen Ostblocks und ihre meist auf Verständigung in Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Außenpolitik bedeuten nicht immer auch ein Nachlassen der Spionageaktivitäten. So haben u. a. die russischen Nachrichtendienste im Berichtszeitraum ihre Auslandsaufklärung hier fortgesetzt. Jedoch wird das Bestreben der Nachrichtendienste östlicher Länder immer deutlicher, außenpolitische Verwicklungen möglichst zu vermeiden. Stärker als früher wird zwischen dem Risiko nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung und ihrem Nutzen abgewogen. Im Zweifel entscheiden sich diese Nachrichtendienste zunehmend für eine Vorgehensweise, die der deutschen Spionageabwehr möglichst wenige Ansätze bietet. Das heißt, nicht die Ausspähungsbemühungen fremder Nachrichtendienste, sondern die Methoden ihrer Aufklärungsarbeit haben sich verändert. Dennoch bleibt festzustellen, daß im Berichtszeitraum die nachrichtendienstliche Bedrohung der Bundesrepublik durch die Länder des ehemaligen Ostblocks insgesamt zurückgegangen ist. Mit Sorge werden dagegen die anwachsenden nachrichtendienstlichen Aktivitäten der sogenannten Krisenund Schwellenländer, insbesondere des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens beobachtet. Deren Geheimdienste werden bei der Beschaffung politischer, wirtschaftlicher und mili- 3 - Spionageabwehr - 168 tärischer Informationen sowie kriegsfähiger Güter und den Embargobestimmungen unterliegender Technologie eingesetzt. Bei einigen dieser Staaten sind die Übergänge zwischen den nachrichtendienstlichen Operationen und staatsterroristischen Aktionen fließend. Die Aufarbeitung der Hinterlassenschaften der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste verlangte im Jahre 1993 nochmals den vollen Einsatz aller Verfassungsschutzbehörden. Dabei ist es gelungen, das Agentennetz der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des MfS, d. h. den Kernbereich der früheren Auslandsspionage der DDR, nahezu vollständig zu enttarnen. Die einzelnen Fälle wurden inzwischen dem Generalbundesanwalt zur strafrechtlichen Würdigung zugeleitet. Durch die Enttarnung konnte vor allem die Gefahr einer Reaktivierung von HVA-Agenten durch fremde Nachrichtendienste weitgehend gebannt werden. 3.2 Träger der Spionageaktivitäten 3.2.1 Nachrichtendienste der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Außer der Russischen Föderation sehen auch die meisten anderen Staaten der GUS den Aufbau von Auslandsaufklärungsdiensten als einen notwendigen Bestandteil ihrer nationalen Souveränität an. Unmittelbar nach Erklärung ihrer Unabhängigkeit begannen die ehemaligen Sowjetrepubliken der im Dezember 1991 aufgelösten UdSSR mit der Gründung eigener Nachrichtendienste, von denen die meisten auf den vorgefundenen KGB-Strukturen basieren. Nachrichtendienstliche Aktivitäten dieser Länder gegen die Bundesrepublik Deutschland sind bisher nur bei den russischen Nachrichtendiensten eindeutig belegt. Die Russische Föderation verfügt nach wie vor über ein erhebliches nachrichtendienstliches Potential auf deutschem Territorium. 3 - Spionageabwehr - 169 Ferner darf nicht übersehen werden, daß die Nachrichtendienste der GUS miteinander kooperieren. Nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden stellen die russischen Nachrichtendienste einen Teil der Erkenntnisse über die Bundesrepublik Deutschland auch den Partnerdiensten aus der GUS zur Verfügung. 3.2.1.1 Entwicklung der russischen Nachrichtendienste Die größten Anstrengungen bei Übernahme und Konsolidierung der sowjetischen Hinterlassenschaften unternahm die Russische Föderation. So wurden die alten KGB-Strukturen z. T. dezentralisiert, umorganisiert, mehrfach umbenannt und an der Spitze größtenteils neu besetzt. Außerdem wurde für die Nachrichtendienste erstmalig eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die sich an rechtsstaatlichen Normen orientiert. Derzeit verfügt die Russische Föderation über vier voneinander unabhängige Nachrichtendienste: Russischer ziviler Auslandsaufklärungsdienst SWR Der SWR ist als selbständige Behörde im wesentlichen aus der für die Auslandsaufklärung der früheren Sowjetunion zuständigen 1. Hauptverwaltung des KGB hervorgegangen. Leiter des SWR ist Jewgenij PRIMAKOW. Inzwischen ist der promovierte Wirtschaftswissenschaftler der einzige Leiter an der Spitze eines russischen Nachrichtendienstes, der vor der Auflösung der UdSSR in sein Amt gelangt war. Russischer militärischer Auslandsaufklärungsdienst GRU Der militärische Auslandsaufklärungsdienst GRU blieb von Umstrukturierungen und personellen Veränderungen weitgehend verschont. Als Leiter fungiert seit August 1992 General Fedor LADYGIN. Nach dem Gesetz über die Auslandsaufklärung, das im Juli 1992 verabschiedet wurde, ist die GRU dem Verteidigungsministerium der Russischen Föderation unterstellt. 3 - Spionageabwehr - 170 Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information (FAPSI) Die "Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information beim Präsidenten der Russischen Föderation" (FAPSI) ist ein neuer eigenständiger Nachrichtendienst. In diesem Dienst wurden Teile des ehemaligen KGB, die für Chiffrierwesen/Sicherheit der Nachrichtenverbindungen und für Fernmeldeaufklärung in Auslandseinrichtungen zuständig waren, zusammengefaßt und zu einem Dienst für Fernmeldeund elektronische Aufklärung verschmolzen. Im Aufklärungsbereich soll der Dienst ausländische Fernmeldeverkehre erfassen, entschlüsseln und im Inund Ausland - vornehmlich mit technischen Mitteln - in Sicherheitsbereiche ausländischer Objekte eindringen. Im Abwehrbereich hat die Agentur die Aufgabe, für die Sicherheit der russischen Kommunikationseinrichtungen der Regierung, der Armee und wichtiger Wirtschaftsbetriebe Sorge zu tragen. Föderaler Dienst für Spionageabwehr FSK Die innerrussischen Turbulenzen des Jahres 1993 spiegeln sich in der Entwicklung des zivilen Inlandsdienstes wider. Nach der Auflösung des KGB war 1992 zunächst das "Sicherheitsministerium der Russischen Föderation" (MBR) geschaffen worden, zu dessen Aufgaben neben der Bekämpfung von Schmuggel, Korruption, Drogenhandel und Terrorismus die zivile Spionageabwehr innerhalb der Russischen Föderation sowie die militärische Spionageabwehr in den russischen Streitkräften zählte. Am 21. Dezember 1993 wurde das MBR durch einen JELZINErlaß aufgelöst. Offiziellen Verlautbarungen zufolge hatte sich das MBR als "nicht reformierbar" erwiesen. Im Januar 1994 wurde daraufhin der "Föderale Dienst für Spionageabwehr (FSK)" gegründet. Die Umstrukturierung der Nachrichtendienste der Russischen Föderation kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei der Aufgabenzuweisung 3 - Spionageabwehr - 171 und den Arbeitsmethoden der Dienste deutliche Parallelen zum früheren KGB der UdSSR erkennbar sind. Dies gilt insbesondere für die personelle Zusammensetzung im Bereich der Auslandaufklärung, die sich weiterhin auf erfahrene und kompetente ND-Offiziere aus der KGB-Ära stützt. Für die russische Auslandsaufklärung zählt nach wie vor die Bundesrepublik Deutschland zu den wichtigsten Zielländern in Westeuropa. 3.2.1.2 Aktivitäten russischer Nachrichtendienste Einen beträchtlichen Teil ihrer Informationen gewinnen fremde Nachrichtendienste über ihre "Legalen Residenturen". Dabei handelt es sich um getarnte Stützpunkte in amtlichen oder halbamtlichen Auslandsvertretungen. Die dort tätigen ND-Offiziere genießen diplomatischen Schutz. Sie können daher für ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Russische Föderation unterhält in ihren Berliner Vertretungen "Legale Residenturen" ihrer Auslandsnachrichtendienste, deren Personalbestand unverändert hoch ist. Die dort in getarnten Positionen tätigen ND-Offiziere bemühten sich im Berichtszeitraum verstärkt um Kontakte zu Vertretern der Wirtschaft und zu Berliner Landesbehörden. Bei der Informationsgewinnung spielt die Methode der "offenen Gesprächsabschöpfung" eine immer größere Rolle. Typische dabei ist, daß Angehörige der russischen Nachrichtendienste unter Ausnutzung ihrer diplomatischen Tarnpositionen vertrauensvolle Beziehungen zu Personen knüpfen, die für sie von nachrichtendienstlichem Interesse sind. Häufig wird versucht, diese Beziehungen über den offiziellen politischen oder geschäftlichen Rahmen hinaus auf den privaten Bereich auszudehnen. Hier liegt die Gefahr eines zumeist unmerklichen Einstiegs in eine nachrichtendienstliche Verbindung, da die deutschen Gesprächspartner aufgrund des gewandelten Klimas in den politischen Beziehungen zu Rußland oft völlig arglos sind. 3 - Spionageabwehr - 172 Das Interesse der russischen Nachrichtendienste zielt neben der politischen Spionage auf Informationen aus den Bereichen Wissenschaft und Technik. Zu den bevorzugten Ausspähungsobjekten gehören ferner u. a. deutsche Meldebehörden. Wie russische ND-Offiziere im einzelnen vorgehen, um Informationen über ihre Aufklärungsbereiche zu gewinnen, zeigt beispielhaft folgender Berliner Fall: Ein als Botschaftssekretär getarnter ND-Offiziere wandte sich 1993 an den Leiter einer Berliner Meldestelle. Als Vorwand diente ihm ein von dieser Meldestelle ausgestellter vorläufiger deutscher Reisepaß, der von dem russischen "Diplomaten" angeblich in der Berliner Vertretung der Russischen Föderation gefunden worden war. Da in derartigen Fällen aufgefundene Reisedokumente stets dem Landeseinwohneramt zugeleitet werden, was den Mitarbeitern ausländischer Vertretungen allgemein bekannt ist, schöpfte der Meldestellenleiter Verdacht und unterrichtete seinen Geheimschutzbeauftragten über diese merkwürdigen Kontaktaufnahme, der seinerseits das LfV Berlin informierte. In der Folgezeit nahm der ND-Offizier seinen Erstkontakt zum Anlaß, sich mit dem Meldestellenleiter außerhalb der Dienstzeit zu einem Gedankenaustausch zu verabreden. Diese Treffen fanden mit Kenntnis des LfV Berlin u. a. in Gaststätten statt. Der russische ND-Offizier zeigte sich an Gesetzen, Dienstvorschriften und Vordrucken, insbesondere zur Beantragung von Reisepässen und Personalausweisen sowie an Verwaltungsverfahren bei der Bearbeitung von Paßanträgen interessiert. Er gab vor, sich für eine spätere Tätigkeit in Rußland einen "Wissensvorsprung" auf diesem Gebiet verschaffen zu wollen. Er versprach sich von diesen Kenntnissen gute Chancen, später in Moskau bei einer entsprechenden Behörde unterzukommen. 3 - Spionageabwehr - 173 In Absprache mit dem LfV Berlin wurden dem ND-Offizier daraufhin bis zu seiner Abberufung nach Moskau nur allgemein zugängliche Unterlagen ausgehändigt. Der vorstehende Fall zeigt, wie sich der einzelne durch frühzeitige Unterrichtung der zuständigen Stellen vor möglichen nachrichtendienstlichen Verstrickungen bewahren kann. Das LfV Berlin steht Betroffenen in solchen Fällen mit Rat und Tat zur Seite (vgl. 3.3.2 - Bürgerberatung). 3.2.2 Nachrichtendienste der ehemaligen Satellitenstaaten Die Entwicklung der Nachrichtendienste in den ehemaligen Satellitenstaaten des Ostblocks war auch im Berichtszeitraum mit den dortigen Demokratisierungsprozessen eng verknüpft. Der außenpolitische Kurs dieser Länder ist vorwiegend auf eine Annäherung an westeuropäische Staaten und Institutionen ausgerichtet. Die Bemühungen haben im Jahr 1993 zu einem weiteren Rückgang der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten nachrichtendienstlichen Aktivitäten geführt. Von offiziellen Stellen Ungarns und der Tschechischen Republik wurde sogar öffentlich erklärt, künftig auf jegliche Spionage gegen Deutschland zu verzichten. Eine ähnliche Tendenz ist auch in der polnischen Politik zu erkennen, obwohl die polnischen Auslandsnachrichtendienste noch immer verhältnismäßig stark besetzte Stützpunkte (Legale Residenturen) in den diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Landes in der Bundesrepublik Deutschland unterhalten. 3.2.3 Nachrichtendienste der Krisenund Schwellenländer Die anwachsenden nachrichtendienstlichen Aktivitäten der sogenannten Krisenund Schwellenländer in der Bundesrepublik Deutschland erfordern seit einiger Zeit die besondere Aufmerksamkeit der Spionageabwehr. Zu diesen Ländern zählen im wesentlichen die vom Islam geprägten Staaten Nordafrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens und die kommunistisch gelenkten Staaten im asiatischen Raum. 3 - Spionageabwehr - 174 Die Geheimdienste dieser Staaten unterhalten im Bundesgebiet zahlreiche Stützpunkte, u. a. in "Legalen Residenturen". Die dort abgetarnten ND-Offiziere befassen sich sowohl mit den in Deutschland lebenden Regimegegnern als auch mit der Beschaffung politischer, wirtschaftlicher und militärischer Informationen sowie kriegsfähiger Güter und Embargobestimmungen unterliegender Technologie. Diese Produkte werden für den Aufund Ausbau atomarer, biologischer und chemischer Waffenprogramme benötigt. Bei einem Teil dieser Staaten sind die Übergänge zwischen nachrichtendienstlichen Operationen und staatsterroristischen Aktionen fließend. Da der Export "Sensitiver Güter" und herkömmlicher Kriegswaffen in der Bundesrepublik Deutschland strengen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen ist, versuchen die betreffenden Länder diese Beschränkungen mit Hilfe ihrer Nachrichtendienste oder spezieller Organisationen, die mit geheimdienstlichen Methoden arbeiten, zu unterlaufen. Sie stützen sich dabei auf ein weitverzweigtes internationales Beschaffungsnetz, in das auch im Bundesgebiet ansässige Firmen eingebunden wird. Dabei handelt es sich um meist mittelständische Unternehmen, die entweder bereit sind, gegen Exportbestimmungen zu verstoßen, oder die sich der rüstungstechnischen Verwertung ihrer Lieferungen nicht bewußt sind. Zu den Aufgabenschwerpunkten der Spionageabwehr gehört daher, die Beschaffungsstrukturen fremder Nachrichtendienst aufzuklären und den illegalen Export kriegsfähiger Güter und entsprechender Technologie in Zusammenarbeit mit Zoll und Polizei zu verhindern. i 3.3 Präventive Spionageabwehr Zu den wesentlichen vorbeugenden Maßnahmen auf dem Gebiet der Spionageabwehr gehören personeller und materieller Geheimschutz in den Behörden des Landes Berlin und in schutzbedürftigen Firmen der Berliner Wirtschaft. Das LfV Berlin wirkt hierbei beratend und unterstützend mit. 3 - Spionageabwehr - 175 3.3.1 Geheimschutz in Landesbehörden und in der Wirtschaft Einen Aufgabenschwerpunkt des LfV bildet die Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen von Dienstkräften des Landes Berlin, die in sicherheitsempfindlichen Bereich beschäftigt werden sollen oder dort bereits tätig sind. Die Sicherheitsüberprüfungen der eigenen Dienstkräfte führt das LfV in eigener Zuständigkeit durch. Es entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß eine Sicherheitsüberprüfung nur mit Zustimmung des zu Überprüfenden erfolgen darf. Die erforderlichen personenbezogenen Daten werden von den Betroffenen selbst an den für sie zuständigen Geheimschutzbeauftragten (GSB) der Dienststelle mitgeteilt, in der sie arbeiten. Der GSB als "Herr des Verfahrens" veranlaßt die Sicherheitsüberprüfungen und bittet dabei das LfV im Rahmen der Amtshilfe um Mitwirkung. Die Überprüfungsergebnisse des LfV dienen dem jeweiligen GSB als Entscheidungshilfe. Im Jahr 1993 wurden in Berlin 1 795 Personen einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Die Mitwirkung des LfV Berlin erstreckt sich auch auf Maßnahmen des materiellen Geheimschutzes. Dies sind organisatorische und technische Vorkehrungen, mit denen Verschlußsachen zu schützen sind. Das LfV wertet dazu Methoden und Vorgehensweisen fremder Nachrichtendienste, aber auch extremistischer Gruppierungen aus. Durch den Geheimschutz in der Wirtschaft sollen Unternehmen, die der Geheimhaltung unterliegende staatliche Aufträge ausführen, vor Ausspähung durch fremde Nachrichtendienste und Sabotage geschützt werden. Dabei wird die jeweilige Firma in die Geheimschutzbetreuung aufgenommen und im Rahmen der Mitwirkungspflichten des LfV in Folgeberatungen auf dem Gebiet des personellen und materiellen Geheimschutzes auf Ersuchen der hierbei federführenden Senatsverwaltungen für Wirtschaft und Technologie einbezogen. Das Verfahren ist im einzelnen im Handbuch für den Geheimschutz in der Wirtschaft, das vom Bundesministerium für Wirtschaft herausgegeben wird, geregelt. 3 - Spionageabwehr - 176 3.3.2 Bürgerberatung Die präventive Arbeit der Spionageabwehr hat nicht allein zum Ziel, die Anwerbung von Bürgern durch fremde Geheimdienste zu erschweren; sie hat auch die Aufgabe, bereits nachrichtendienstlich verstrickten Personen zu helfen. Strafbar macht sich nach dem Strafgesetzbuch nicht nur derjenige, der für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, sondern auch derjenige, der sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt. Dabei reicht schon eine mündliche Erklärung - z. B. gegenüber einem Angehörigen eines fremden Geheimdienstes - aus. Die Strafbarkeit entfällt nicht, wenn der Täter - entgegen seiner Erklärung - keine nachrichtendienstliche Tätigkeit entfaltet. Das Strafrecht enthält jedoch Bestimmungen, nach der das Gericht die Strafe mildern oder gänzlich von einer Bestrafung absehen kann, wenn ein Betroffener sich freiwillig gegenüber einer Behörde offenbart. Jedem von einem Anbahnungsversuch fremder Geheimdienste betroffenen Bürger ist deshalb zu raten, sich vertrauensvoll an die zuständige Spionageabwehrbehörde zu wenden. Das LfV Berlin steht jederzeit - auch in Zweifelsfällen - für ein vertrauliches Gespräch zur Verfügung. Ratsuchende werden gebeten, sich an die Beratungsstelle des LfV Berlin zu wenden, die unter der Telefonnummer 867 42 16 zu erreichen ist. Im Jahre 1993 setzten sich über 100 Bürgerinnen und Bürger mit der Beratungsstelle in Verbindung. 3 - Spionageabwehr - 177 3.4 Hinterlassenschaften der ehemaligen DDRNachrichtendienste 3.4.1 Enttarnung des HVA-Agentennetzes Schon bald nach den historischen November-Ereignissen des Jahres 1989, die damals den vorläufigen Höhepunkt im politischen Wandlungsprozeß der DDR markierten, hatten die Bürgerbewegungen begonnen, sich gegen das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) aufzulehnen. Mit ihren Aktivitäten - Besetzung von Dienststellen, Verhinderung von Aktenvernichtung, Sicherung von Beweismitteln etc. - hatten sie sich an die Spitze der Bewegung zur Auflösung des MfS gestellt. Aus heutiger Sicht ist jedoch nur schwer nachvollziehbar, weshalb solche Maßnahmen nicht auch gegen die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) gerichtet waren. Möglicherweise ließen sich die Bürgerrechtler von der Vorstellung leiten, daß die HVA als elitärer Auslandsnachrichtendienst nichts mit dem Repressionsapparat des übrigen Staatssicherheitsdienstes gemein hatte. Sie haben sich in dieser Frage offensichtlich von maßgeblichen HVA-Angehörigen täuschen lassen. Tatsächlich war die HVA integraler Bestandteils des MfS und mit den anderen Teilen des Ministeriums auf vielfältigste Weise verflochten. Die HVA blieb von den damaligen Ereignissen weitgehend unberührt, so daß sie - von jeglicher demokratischer Kontrolle unbehelligt - ihren Apparat selbst auflösen konnte. Für die Verfassungsschutzbehörden galt es seitdem als gesicherte Erkenntnis, daß dabei Akten, Karteien und elektronische Datenträger nahezu vollständig vernichtet wurden und somit keine Unterlagen mehr vorhanden waren, die der Enttarnung von Agenten hätten dienen können. Bei dieser Sachlage wähnten sich HVA-Agenten vor Strafverfolgung sicher und glaubten, daß ihre z. T. langjährige Spionagetätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Dauer ungesühnt bliebe. Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb es bislang nur in wenigen Aus- 3 - Spionageabwehr - 178 nahmefällen zu freiwilligen Offenbarungen gegenüber den Verfassungsschutzoder Strafverfolgungsbehörden gekommen ist. 1993 hat sich diese unbefriedigende Situation grundlegend geändert. Es konnten authentische Materialien aufgespürt werden, deren Existenz offensichtlich sogar den meisten früheren HVA-Offizieren unbekannt war. Mit Hilfe dieser Materialien ist es im Berichtszeitraum gelungen, das von der HVA gegen die Bundesrepublik Deutschland eingesetzte Agentennetz nahezu vollständig aufzudecken. Dabei ging es nicht nur darum, Agenten wegen ihrer früheren Verratstätigkeit einer gerechten Strafverfolgung zuzuführen, sondern auch um das Ziel, künftigen Spionageschaden von der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Es hat sich nämlich gezeigt, daß fremde Geheimdienste interessiert sind, frühere HVA-Agenten zu übernehmen und für Spionagezwecke zu reaktivieren. Mit der Enttarnung der Agenten kann dieser Gefahr wirksam begegnet werden. Das komplexe Material erforderte im Berichtszeitraum eine überaus aufwendige Bearbeitung, die von einzelnen Verfassungsschutzämtern nicht zu leisten gewesen wäre. In einem bisher einmaligen Einsatz wurde daher Personal aus mehreren Verfassungsschutzbehörden - auch des LfV Berlin - für diese Aufgabe zusammengezogen. Nur so konnte bis zum Jahresende 1993 der größte Teil der Unterlagen aufbereitet und dem Generalbundesanwalt, der über die Strafverfolgung der Betroffenen befindet, zugeleitet werden. Die Materialien beinhalten nicht nur Personalien von Agenten und Kontaktpersonen, sondern bieten in ihrer Gesamtheit erstmals die Möglichkeit, die von der HVA ausgegangenen Spionageaktivitäten quantitativ und qualitativ zuverlässig zu beurteilen. In zahlreichen Fällen wurden bereits vorhandene Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden durch die neue Informationslage bestätigt. Darüber hinaus gibt das HVA-Material weitere Aufschlüsse über Arbeitsweise und Aufgabenschwerpunkte der Auslandsaufklärung. So wurde z. B. deutlich, daß etwa ein Drittel aller Agenten nicht von der HVA-Zentrale, sondern von den weitgehend selbständigen MfS-Bezirks- 3 - Spionageabwehr - 179 Verwaltungen geführt wurde. Selbst hochwertige Agenten wurden nicht immer von der HVA-Zentrale übernommen, sondern in der operativen Verantwortung der für die Auslandsaufklärung zuständigen Abteilung XV der MfS-Bezirksverwaltungen belassen. In erster Linie war die Spionage der HVA gegen die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland gerichtet, danach folgten die Bereiche - . Staatsund Verwaltungsapparat (einschl. Sicherheitsbehörden), Politik (Parteien, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Institutionen) sowie Militär. Die eher nachrangige Ausspähung des militärischen Bereichs dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die DDR für diese Aufgabe noch einen eigenständigen Geheimdienst unterhielt, der dem ehemaligen Ministerium für Nationale Verteidigung zugeordnet war. Für die Informationsbeschaffung hat die HVA Spione unterschiedlicher Kategorien und Bezeichnungen eingesetzt, von denen im Rahmen dieses Berichts nur die wichtigsten kurz beschrieben werden können. Hauptsächlich stützte sie sich auf sogenannte Objektquellen, also auf solche Agenten, die selbst in einem Ausspähungsobjekt tätig waren oder auf andere Weise direkten Zugang dazu hatten. Fester Bestandteil des Beschaffungssystems waren aber auch solche Agenten, die selbst keine unmittelbaren Möglichkeiten zur Erkenntnisgewinnung hatten, sondern ihre Informationen erst von sogenannten Kontaktpersonen erlangen mußten. Sie wurden Abschöpfungsquellen genannt und hatten einen beträchtlichen Stellenwert, weil es sich bei den von ihnen regelmäßig abgeschöpften Kontaktpersonen nicht selten um einflußreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik handelte. [Anmerkung: Als Kontaktperson bezeichnete das MfS Personen, "die über Zugang zu operativ bedeutsamen Informationen bzw. über Möglichkeiten zur aktiven politischen Einflußnahme verfügen, die relativ beständig abgeschöpft, zur Durchführung aktiver Maßnahmen genutzt 3 - Spionageabwehr - 180 und zu anderen operativen Handlungen veranlaßt werden, ohne daß sie den nachrichtendienstlichen Charakter dieser Tätigkeit kennen"; Quelle: "Richtlinie Nr. 2/79 für die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im Operationsgebiet", veröffentlicht in: "Die inoffiziellen Mitarbeiter; Richtlinien, Befehle, Direktiven", Teil II, S. 919-920, Veröffentlichung des BUSt, Reihe A: Dokumente; April 1992.] Nach Verständnis der HVA sollte Zusammenarbeit mit Kontaktpersonen zwar so gestaltet werden, daß diese den nachrichtendienstlichen Hintergrund nicht erkennen konnten. Dennoch sind Fälle bekannt, in denen sich Kontaktpersonen im Laufe der Zeit durch die Intensität der Verbindungen zu tatsächlichen Agenten entwickelt haben. Es wird daher in jedem Einzelfall von den Strafverfolgungsbehörden zu klären sein, ob eine Kontaktperson unwissentlich zu Spionagezwecken mißbraucht wurde oder aber den wahren Grund erkannt und die entsprechenden Beziehungen dennoch fortgesetzt hat. Ihren ständigen Bedarf an Agenten mit guten Zugangsmöglichkeiten versuchte die HVA u. a. mit der Werbung sogenannter Perspektiv-IM zu decken. Dabei handelte es sich um Personen, die zum Zeitpunkt der nachrichtendienstlichen Werbung noch in der Berufsausbildung oder am Beginn ihrer beruflichen Karriere standen, von denen aber anzunehmen war, daß sie später in wichtige Positionen gelangen könnten. Obwohl der eigentliche Spionageauftrag somit auf die Zukunft gerichtet war, wurde der "qualifizierte Agentennachwuchs" auch schon während der Vorbereitungsphase mit der Durchführung geheimdienstlicher Aufträge betraut. Dies gehörte zum System, um die Betroffenen ausweglos in die Spionagetätigkeit zu verstricken und möglichst dauerhaft an die HVA zu binden. Für diese Agentenkategorie sind die Fälle typisch, in denen sich Studenten zur Zusammenarbeit mit der HVA bereit fanden und dafür während ihrer Studienzeit regelmäßige finanzielle Unterstützung erhielten; monatliche "Ausbildungsbeihilfen" von über DM 1 000 waren für solche Agenten nicht ungewöhnlich. Einen erstaunlichen hohen Aufwand hielt die HVA für erforderlich, um ihr operatives Beschaffungsnetz zu sichern und logistisch abzustützen. So waren fast ein Viertel aller HVA-verpflichteten Agenten nicht originär 3 - Spionageabwehr - 181 für Informationsbeschaffung zuständig, sondern hatten Aufträge im Führungsund Verbindungswesen und andere einzelfallbezogene Sonderaufgaben zu erfüllen. Zum Führungsund Verbindungswesen gehörten z. B. solche Agenten, die andere bei der Durchführung nachrichtendienstlicher Aufträge anleiteten, oder solche, die für den sicheren Transport von Spionagematerial und Geld zu sorgen hatten. Andere wiederum stellten ihre Wohnungen als Deckanschriften oder auch als Funkstationen zur Verfügung. Einzelfallbezogene Sonderaufgaben konnten z. B. darin bestehen, andere Agenten bei ihrer geheimdienstlichen Tätigkeiten abzuschirmen oder Agenten aus der DDR Unterschlupf und andere Betreuungen zu gewähren. Die besonderen Gegebenheiten zwischen den beiden deutschen Staaten boten der HVA hervorragende Ausgangsbedingungen bei ihren Aktivitäten zur Werbung neuer Agenten. So war es wegen der häufigen Aufenthalte von Bundesbürgern in der DDR möglich, den weitaus größten Teil aller nachrichtendienstlichen Ansprachen und Werbungen auf eigenem Territorium durchzuführen. Die HVA-Führungsoffiziere waren damit selbst keiner persönlichen Gefahr ausgesetzt und konnten überdies auch psychologische Momente, die aus Bedrängnis und Verunsicherung der angesprochenen Personen resultierten, für die Werbungen ausnutzen. Ablehnende Haltungen wurden nicht selten dadurch überwunden, indem mit beruflichen und anderen Nachteilen für die in der DDR lebenden Verwandten und Bekannten gedroht wurde. Insgesamt hat die HVA in über 80 Prozent aller Fälle die nachrichtendienstlichen Erstkontakte in der DDR oder in anderen "sozialistischen" Ländern hergestellt. Sofern es unumgänglich war, Werbungsgespräche in Berlin (West) oder im übrigen Bundesgebiet durchzuführen, wurden damit nur in absoluten Ausnahmefällen HVA-Offiziere beauftragt. Vorwiegend sind solche Aufträge von bereits erprobten Agenten oder aber von in der DDR lebenden inoffiziellen Mitarbeitern (IM) der HVA erledigt worden, die zu diesem Zweck kurzfristig in den Westen kamen (Operative Reisekader). 3 - Spionageabwehr - 182 Die HVA ging offensichtlich davon aus, daß die übergroße Mehrheit ihrer Agenten politisch und ideologisch vom DDR-System überzeugt war und sich aus diesem Grunde in den Dienst der HVA gestellt hat. Eine solche Einschätzung der Motivlage war entweder von erstaunlicher Realitätsferne geprägt, oder aber sie stellt den Versuch der Führungsoffiziere dar, ihre Agenten einem von der MfS-Führung vorgegebenen Wunschprofil anzupassen. Der ideologisch überzeugte Täter wurde stets als der wertvollere angesehen, dem man auch ein höheres Vertrauen entgegenbringen konnte. Die Realität sah freilich anders aus: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden die Agenten sowohl mit regelmäßigen Zahlungen als auch mit Sonderzuwendungen zu besonderen Anlässen entlohnt. Nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden besteht kein Zweifel, daß die meisten Agenten ihre Verratstätigkeit aus finanziellen Erwägungen ausgeübt haben. Trotz ihrer desolaten wirtschaftlichen Situation hat die DDR enorme Devisenbeträge für die Spionage aufgewendet; Spitzenagenten haben im Laufe ihrer geheimdienstlichen "Karriere" nicht selten Verratsgelder in sechsund siebenstelliger Größenordnung kassiert. Zum Zeitpunkt des Niedergangs der DDR waren in der Bundesrepublik Deutschland - einschließlich Berlin (West) - etwa 1 500 HVA-Agenten im Einsatz, von denen die meisten bereits lange Jahre ihre Verratstätigkeit ausgeübt hatten. Etwa die Hälfte von ihnen stand seit über 10 Jahren im Sold der HVA; z. T. konnte der Beginn ihrer Agententätigkeit sogar bis in die fünfziger Jahre zurückverfolgt werden. Insgesamt hat die DDR durch dieses "Heer von Spionen" der Bundesrepublik Deutschland einen immensen materiellen und immateriellen Schaden zugefügt. Z. T. hatten HVA-Agenten Positionen inne, aus denen sie die Sicherheit der Bundesrepublik und ihrer Partner unmittelbar beeinträchtigen konnten. Der. in der NATO eingeschleuste Agent "TOPAS" ist für diese Kategorie exemplarisch; auch er konnte im Berichtszeitraum enttarnt werden.. 3 - Spionageabwehr - 183 In der öffentlichen Diskussion wird der HVA gelegentlich das zweifelhafte Attribut beigegeben, einer der erfolgreichsten Geheimdienste gewesen zu sein. Eine solche Glorifizierung verkennt jedoch, daß die "Erfolge" der HVA vielfach mit Mitteln und Methoden erreicht wurden, die außerhalb rechtsstaatlicher Normen liegen. Es galt die Devise: Der Zweck heiligt die Mittel. Allen Versuchen maßgeblicher MfS-Angehöriger, sich mit demokratisch legitimierten und kontrollierten Nachrichtendiensten auf eine Stufe zu stellen, ist daher eine klare Absage zu erteilen. Mit der Enttarnung und Neutralisierung des HVA-Agentennetzes haben die Verfassungsschutzbehörden im Jahr 1993 einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der Hinterlassenschaften der ehemaligen DDRNachrichtendienste geleistet. Die strafrechtliche Würdigung dieser Fälle, die Ermittlung weiterer unentdeckter Agenten anderer MfS-Diensteinheiten - z. B. der Hauptabteilung II (Spionageabwehr) - ist nunmehr hauptsächlich eine Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, die nach dem Stasi-Unterlagengesetz auch Zugang zu den größtenteils noch vorhandenen Akten des MfS bei der GAUCK-Behörde haben. Den Verfassungsschutzbehörden sind diese Materialien dagegen nur zugänglich, wenn es sich um aktuelle, d, h. fortwirkende Spionagefälle handelt. Das LfV Berlin wird sich nunmehr anderen Fragestellungen zuwenden. So ist z. B. weiterhin zu beobachten, ob von politisch motivierten Zusammenschlüssen ehemaliger MfS-Angehöriger konkrete Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehen. Für den Berichtszeitraum kann diese Frage verneint werden. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 185 4 Anhang I Kurzdarstellungen wichtiger extremistischer Organisationen in alphabetischer Reihenfolge 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 187 4.1 Rechtsextremismus "Asgard-Bund e. V." Der militante Berliner Neonazi und ehemalige Berliner Vorsitzende der im Dezember 1992 verbotenen "Deutschen Alternative" (DA), ArnulfWinfried PRIEM, ist seit Jahren Vorsitzender des im Jahre 1980 bekanntgewordenen Vereins "Asgard-Bund e. V.". Dieser Verein will sich als Gemeinschaft verstehen, die eine "heidnisch-germanische Weltanschauung" propagiert. Zu den Aktivitäten des "Asgard-Bundes" gehören die Herausgabe des Kalenders "Nordisch=Germanischer Jahrweiser" sowie der Handel mit germanisierenden Devotionalien und neonazistischen Videos. Publikation: "Nordisch=Germanischer Jahrweiser". "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." Die im März 1983 von oppositionellen Berliner NPD-Mitgliedern gegründete, 1993 etwa 30 Mitglieder umfassende Vereinigung hat sich seit 1988 mit ihren Vortragsveranstaltungen zu einem Anziehungspunkt und Sammelbecken für Berliner Rechtsextremisten unter Einschluß neonazistischer Gruppen entwickelt. Seit dem Beitritt der neuen Bundesländer versucht die "Gemeinschaft" mit ihren Aktivitäten, die verschiedenen Strömungen innerhalb der rechtsextremistischen Szene Berlins und seines Umlandes zu integrieren. "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BVV) Die im Jahr 1988 in Berlin entstandene neonazistische Kleinstgruppe trat in den vergangenen Jahren nur sporadisch mit Plakatund Klebeaktionen öffentlich in Erscheinung. Anhänger des B W verbreiteten in Berlin und Umgebung handtellergroße Aufkleber mit den Parolen wie "Arbeiter wehrt euch! - Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche Arbeitnehmer" und "Kampf der Reaktion/und Ihr habt doch gesiegt!" sowie "Unser Glaube ist unser Schicksal". 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 188 In den "Nachrichten der HNG" vom November 1993, der Publikation der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) ist die Kontaktadresse des B W mit Mathias RIDDERSKAMP angegeben. Im Verlauf des Jahres 1993 verlagerte der B W seine geringen politischen Aktivitäten nach Lübben (Brandenburg). "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) Der von Angehörigen der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) und einzelnen Neonazis ins Leben gerufene lose Zusammenschluß entfaltete in den letzten Jahren immer weniger Aktivitäten. 1992 und 1993 trat die DJI als Veranstalter von Konzerten mit dem in rechtsextremistischen Kreisen bekannten Liedermacher Frank RENNICKE auf. Die Veranstaltungen, an denen sich mehrere hundert Zuhörer, darunter zahlreiche Neonazis und Skinheads beteiligten, fanden in Berlin und im Land Brandenburg statt. "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Am 3. Oktober 1991 von ehemaligen Angehörigen der NPD sowie der Partei "Die Republikaner'" offiziell gegründete, aus dem "Förderverein Vereinigte Rechte" hervorgegangene Partei mit bundesweit etwa 900 Mitgliedern. Dem am 8. Februar 1992 gegründeten Landesverband Berlin-Brandenburg der DLVH gehören etwa 140 Personen an. "Deutsche Volksunion e. V." (DVU e. V.) einschließlich: "Aktion Oder-Neiße" (AKON), * "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur" (DSVK), "Ehrenbund Rudel" (ER), * "Initiative für Ausländerbegrenzung" (l.f.A.), * "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA). 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 189 1971 von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY als "überparteiliches" Sammelbecken der "Verfassungstreuen Rechten" gegründete Kernorganisation der "National-Freiheitlichen". Seit Gründung des Berliner Landesverbandes der DVU sind für die DVU e. V. keine Aktivitäten mehr zu verzeichnen; die Mitglieder des Vereins sind automatisch Mitglieder der Partei. Publikation: "Deutsche National-Zeitung", Aufl.: 50 000; "Deutsche Wochen-Zeitung'T'Deutscher Anzeiger", Aufl.: 30 000. "Deutsche Volksunion" (DVU) 1987 auf Initiative Dr. FREYs gegründete Partei. Die DVU ist mit inzwischen etwa 26 000 Mitgliedern (Dr. FREY nennt höhere Zahlen) die mit Abstand größte Partei im rechtsextremistischen Spektrum. Der 1988 gegründete Berliner Landesverband ist mit knapp 700 Mitgliedern die zahlenmäßig größte rechtsextremistische Organisation in Berlin. "Die Nationalen e. V." "Die Nationalen e. V." wurden im September 1991 von Angehörigen der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und ehemaligen Mitgliedern der Partei "Die Republikaner" unter dem Namen "Freiheitliche Wählergemeinschaft 'Wir sind das Volk'" als Zweckgemeinschaft für die Teilnahme an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai 1992 gegründet. Dem Verein gehören etwa 80 Personen an. Hauptaktivität ist z. Z. die Herausgabe ihrer Publikation "Berlin-Brandenburger", die in verschiedenen Bundesländern verbreitet wird. In dieser Zeitung bietet sich der Verein als Forum für verschiedene rechtsextremistische und neonazistische Strömungen an. Publikation: "Berlin-Brandenburger". 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 190 "Die Republikaner" (REP) Die 1983 gegründete Partei "Die Republikaner" umfaßte 1993 bundesweit etwa 23 000 Mitglieder. Der Berliner REP-Landesverband hatte ca. 1 700 Mitglieder, davon ca. 20 % in den östlichen Bezirken Berlins. Nach den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai 1992 zogen die REP in zwanzig Bezirksparlamente ein. Publikation: "Die Republikaner - Nachrichten und Meinungen - Aus Berlin für Berlin". "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Der am 20. Oktober 1990 gegründete Landesverband Berlin der FAP ist mit etwa 50 Aktivisten die größte neonazistische Organisation Berlins. Bundesweit gehören der FAP etwa 430 Mitglieder an. Auch im Jahre 1993 entfaltete der Berliner FAP-Landesverband zahlreiche Aktivitäten in Berlin und Umgebung (vgl. Anhang II: Chronologie). Im Berichtszeitraum erschienen drei Ausgaben seiner Publikation "Aufbruch ...". Publikation: "Aufbruch - Informationsblatt der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei für Mitteldeutschland". "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS) Der FRVS - eine im April 1993 ins Leben gerufene neonazistische Kleingruppe in Berlin - will u. a. die "Schaffung der Volksgemeinschaft als bewußte und gewollte Solidargemeinschaft freier und gleichberechtigter Volksgenossen innerhalb eines souveränen Nationalstaates" und die "weltweite Vernichtung des Imperialismus und die darauffolgende Organisierung der befreiten Völker in souveränen Nationalstaaten in Form von sozialistischen Volksrepubliken". Die Gruppe verbreitet ein neonazistisches Propagandaheft. Mit Hilfe der Publikation wollen die Initiatoren aus ihrer Sicht über "Ursachen, Hintergründe und Ziele" ihres "Kampfes" informieren. Das Blatt soll zum Erhalt von "Volk", "Heimat" und der "ganzen weißen Welt" beitragen. Ferner verbreitete der FRVS im 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 191 Berliner Stadtgebiet handtellergroße Aufkleber mit den Parolen "Wir kämpfen für Deutschland - Das Regime behandelt uns wie Dreck", "Vorwärts für einen deutschen Sozialismus" und "Volksgemeinschaft gegen Kapitalismus und Imperialismus". Publikation: "Stadtrebell - Kampfblatt des Freundeskreises Revolutionärer Volksgenossen". "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) Die HNG ist Sammelbecken und Solidargemeinschaft sowie zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Sie ist eine der mitgliederstärksten neonazistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland. In Berlin ohne Gliederung, sondern nur Einzelmitglieder. Publikation: "Nachrichten der HNG". "Ku-Klux-Klan" (KKK) 1865 in den Südstaaten der USA gegründeter militant-rassistischer Geheimbund. 1991 wurden einige KKK-Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland bekannt; auch in Berlin und der näheren Umgebung versuchte der KKK, seit Mitte 1991 Fuß zu fassen. Militante Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads Die militante rechtsextremistische Szene zeichnet für zahlreiche Gesetzesverletzungen bis hin zu Gewalttaten verantwortlich. Eine Trennung zwischen militanten Skinheads und sonstigen militanten Rechtsextremisten ist dabei häufig nur schwer möglich. Bei der militanten Skinhead-Szene handelt es sich um eine eigenständige, nach außen abgeschottete, mit geringem geistigen Niveau versehene Subkultur, die den Hauptteil des militanten Rechtsextremismus ausmacht. Übergreifen- 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 192 de Organisationsstrukturen innerhalb der Skinhead-Szene bestehen nicht. Es kommt zu eher losen, einer starken Fluktuation unterliegenden, kurzlebigen, z. T. auch spontanen Personenzusammenschlüssen. Die Gesamtstärke der Berliner Skinheads dürfte bei über 600 Personen liegen. Hier sind 420 Personen bekannt, die den rechtsextremistischen Skinheads zuzurechnen sind und bei denen eine ausgeprägte oder zumindest latente Gewaltbereitschaft vorliegt, die sich insbesondere gegen Ausländer ("Kanaken"), Asylanten, vermeintlich linksorientierte Personen ("Zecken"), Homosexuelle und gegen sonstige in ihrer Vorstellungswelt Andersartige richtet. Von den insgesamt 75 rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten im Jahre 1993 sind 16 (ca. 21 %) eindeutig den militanten Skinheads zuzuordnen. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 aus der "Deutschen Reichspartei" (DRP) und anderen rechtsextremistischen Organisationen hervorgegangene NPD umfaßte 1993 bundesweit etwa 5 000 Mitglieder. Der Landesverband Berlin-Brandenburg der NPD hatte zum Jahresende 1993 etwa 90 Mitglieder. Die NPDJugendorganisationen "Junge Nationaldemokraten" (JN) umfaßte 1993 bundesweit etwa 200, in Berlin ca. 10 Mitglieder. Publikation: "Deutsche Stimme". "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) 1990 im ehemaligen Berlin (Ost) von Angehörigen der Ost-Berliner Neonazibzw. Skinhead-Szene ins Leben gerufene Gruppierung. Sie meldete sich offiziell bei der ehemaligen Volkskammer der DDR an, die sie in das dort geführte Parteienregister eintragen ließ. Die NA Berlin mußte im Jahr 1993 einen Mitgliederschwund hinnehmen und verlor dadurch immer mehr an Bedeutung. Aktivitäten wurden nicht bekannt. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 193 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Seit 1976 aktive Gruppe, die mehrere Stützpunkte in der Bundesrepublik Deutschland unterhält. Die in Berlin tätigen Anhänger dieser Gruppe beziehen umfangreiches neonazistisches Propagandamaterial von der "Auslandszentrale" der NSDAP-AO in Lincoln/Nebraska (USA). Die mit neonazistischen Parolen versehenen und in den USA straffrei hergestellten Aufkleber und Handzettel werden bei Klebeund Verteilaktionen verwendet. Publikation: "NS Kampfruf (aus USA). "Neonazikreis um Curt Müller" Seit 1974 bekannter Versammlungszirkel ohne jegliche Organisationsstruktur. Das Anwesen der Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in MainzGonsenheim ist Treffpunkt und Kontaktstelle rechtsextremistischer, insbesondere neonazistischer Aktivisten aus dem Inund Ausland. Seit 1986 beschränken sich die Aktivitäten im wesentlichen auf die Durchführung von Sonnwendund HITLER-Geburtstagsfeiem. Berliner Neonazis nahmen an derartigen Veranstaltungen teil. "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA)/ "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) jetzt "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) Die SrA sowie die zu dieser Kadergruppe gehörende Vorfeldorganisation FMJ wurden noch vor dem bundesweiten Verbot der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) - 27. November 1992 - als Abspaltung der NF von Berliner und brandenburgischen NF-Aktivisten gegründet. Nach eigener Darstellung sollten die SrA als "Kaderund Elitepartei" mit Bereitschaft, "unermüdlich und diszipliniert zu arbeiten und zu kämpfen" sowie das FMJ als Massenorganisation "national denkende Jugendliche zu mobilisieren und zu organisieren", eingesetzt werden. Nach der öffentlichen Ankündigung von Verbotsmaßnahmen löste sich die Gruppierung zum Schein am 22. Juni 1993 auf. Die Neonazi-Gruppe, 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 194 die etwa 100 Anhänger vorwiegend in Brandenburg hat, setzte ihre Aktivitäten zunächst unter der Bezeichnung "Kameradschaftverbund Mitteldeutschland", später unter der Bezeichnung "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) fort. In Berlin existiert lediglich eine kleine Funktionärsgruppe. Publikationen: Info-Hefte "Angriff', "AKTIV" und "IN AKTION". "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" Die seit Jahren in den östlichen Bezirken ansässige neonazistische Kleinstgruppe hat Kontakte zur FAP und anderen neonazistischen Organisationen in Berlin und Umgebung. Vereinzelt werden Beiträge der "Vandalen" in einschlägigen Skinhead-Fanzines sowie in dem von österreichischen Rechtsextremisten vertriebenen Info-Blatt AJ-Presse-Dienst "Sieg" veröffentlicht. Am 19. Juni 1993 beteiligten sich Angehörige der "Vandalen" an einer von der neonazistischen Gruppe "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) organisierten Sonnwendfeier auf einem Zeltplatz am Bützsee bei Altfriesack (Brandenburg). An der Veranstaltung nahmen insgesamt 120 bis 150 Personen teil. "Völkischer Freundeskreis Berlin" (VFK) Der im Jahr 1989 von abtrünnigen Mitgliedern der ehemaligen "Kameradschaft Berlin" der GdNF ins Leben gerufene VFK - eine kleine Funktionärsgruppe - wurde zwar nach längerer Inaktivität Anfang des Jahres 1991 mit Unterstützung der Berliner FAP reaktiviert, entfaltete jedoch in den Jahren 1992/93 keine wesentlichen Aktivitäten. Bei Gründung verstand sich der VFK als "Projekt für Schulungsund Aufklärungsarbeit" mit dem Ziel, "Kameraden aus jeder nationalen Gruppierung" zu erreichen. In der neonazistischen Druckschrift mit dem Titel "(N)atur (S)chutz=Denkzettel", die im Oktober/November 1993 bekannt wurde, veröffentlichte der VFK einen Beitrag mit der Überschrift "Die weltanschaulichen Grundlagen des Nationalen Sozialismus". Publikationen: "(N)atur (S)chutz=Denkzettel". 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 195 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e V." (WJ) Der in der Tradition der ehemaligen "Hitler-Jugend" (HJ) stehenden und nach dem Führerprinzip organisierten WJ gehören bundesweit etwa 400 Personen an. In Berlin sind es etwa zehn Aktivisten sowie einige jugendliche Anhänger. Nach eigenen Angaben bietet die WJ ihren Anhängern "Heimabende, Wochenendfahrten, Ferienlager, körperliche Ertüchtigung in jeder Form sowie saubere Kameradschaft im Kreis Gleichgesinnter". Die Angehörigen des "Gaues Berlin" nahmen auch an Veranstaltungen rechtsextremistischer, vornehmlich neonazistischer Organisationen teil. Am 18. September 1993 fand ein Fußballturnier des Berliner WJ-Gaues in den Grünund Erholungsanlagen Am Kiesteich in Berlin-Spandau statt. Unter den Akteuren und Zuschauern, insgesamt etwa 100 Personen, befanden sich Neonazis, WJ-Anhänger und der in Berlin wohnhafte Bundesvorsitzende der WJ, Wolfram NAHRATH. Publikation: "Wikinger". "Wotans Volk" Die von dem militanten Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM gegründete Kleinstgruppe gibt Schulungsund Propagandamaterial heraus und nennt sich zeitweilig auch "Hauptschulungsamt Wotans Volk" bzw. "Freizeitverein Wotans Volk - Reichshauptstadt Berlin". Im Rahmen der im Jahr 1992 initiierten Anti-Antifa-Kampagne setzte die Gruppe Propagandamaterial u. a. mit den Parolen: "Für deutschen Glauben - Rasse und Volkssturm", "ANTIFATZKE in die Zwangsjacke!" und "Rassenmischung?? NEE DANKE!!!" in Umlauf. PRIEM und seine Anhänger verfügen über Verbindungen zu deutschen und ausländischen Neonazis sowie zu anderen Rechtsextremisten. I 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 197 4.2 Linksextremismus "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der stalinistisch ausgerichtete AB, 1973 durch Zusammenschluß "Sozialistischer Betriebsgruppen" mit "Arbeiter-Basis-Gruppen" in Bayern entstanden, hat sich über Linienkämpfe faktisch in zwei gleich große Fraktionen gespalten. Bundesweit verfügt der AB über etwa 200 Anhänger, in Berlin besteht eine Splittergruppe. j Organ: "KAZ-Kommunistische Arbeiterzeitung", mtl., Aufl.: 1 500. Autonome Lose strukturierte Zusammenschlüsse - teilweise auch Einzelpersonen ohne Gruppenzusammenhang - mit diffusen anarchistischen, nihilistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Zielen. Sie befürworten und praktizieren militante Aktionen, wie öffentliche gewalttätige Protestaktionen, aber auch Brandund Sprengstoffanschläge, im Kampf gegen "das System". Die Zahl der Autonomen wird bundesweit auf mehr als 5 000 Personen geschätzt, auf Berlin entfallen davon etwa 1 200. Organe: "radikal", "INTERIM", "Besetzerinnen Zeitung". "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) Der 1971 gegründete BSA, dem bundesweit unter 100 Mitglieder angehören, sieht im Kampf gegen "Stalinismus und Kapitalismus" die zentrale Achse seines Programms. Er gehört dem internationalen trotzkistischen Zusammenschluß "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) als deutsche Sektion an. Organ: "neue ARBEITERPRESSE", wo., Aufl.: 1 300. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 198 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der 1980 als Abspaltung des "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) gegründete BWK strebt die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates" an. Der BWK verfügt bundesweit über etwa 300 Mitglieder; in Berlin sind unter 20 Personen im BWK organisiert. Organ: "Politische Berichte", 14tgl., Aufl.: 1 200. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die DKP wurde 1968 von früheren Funktionären der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) gegründet. Sie hatte jahrelang bedingungslos die Linie der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) übernommen und die Identität ihrer politischen Zielsetzung mit der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) betont. Erst im November 1991 gründete die DKP eine Bezirksorganisation (BO) "Berlin-Brandenburg". Diese BO wurde auf Beschluß des DKP-Parteivorstandes vom 26. Juni 1993 in die Bezirke "Berlin-Ost", "Berlin-West" und in Brandenburg mit dem "Oder-Spree-Kreis" neu gegliedert. Die DKP hat derzeit etwa 6 000 Mitglieder in den alten Bundesländern, von denen mehr als 100 in den Berliner Bezirken organisiert sind. Publikationen: "Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP", 14tgl., Aufl.: etwa 14 000. "Kommunistische Korrespondenz"-Zeitung der DKP Berlin-Brandenburg, 5- bis 6mal jährl. "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.) Im Laufe des Jahres 1991 wurden innerhalb der autonomen Bewegung erstmals ernsthafte Bemühungen erkennbar, über (spontane) Aktivitäten zu aktuellen politischen Ereignissen ("Teilbereichskämpfe") hinaus durch Organisierungsbestrebungen zu einheitlichem kontinuierlicherem Handeln zu gelangen. Ausgelöst durch ein "Diskussionspapier 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 199 zur AUTONOMEN ORGANISIERUNG" der Göttinger "Autonomen Antifa (M)", das im September 1991 auch in der autonomen Szenezeitschrift "INTERIM" veröffentlicht worden war, entstanden bundesweite Diskussionszusammenhänge, die den Ausgangspunkt für die darauffolgende und noch heute andauernde Organisationsdebatte innerhalb der autonomen Bewegung bildeten. Zu diesen neuen Gruppierungen gehört in Berlin der Personenzusammenschluß mit der Bezeichnung "Für eine linke Strömung" (F.e.l.S.), der nach eigenen Angaben im Oktober/ November 1991 aus "Teilen der linksradikalen Bewegung" in Berlin hervorgegangen ist. Als Ziel definiert die Gruppe F.e.l.S., insbesondere die autonome Szene aus ihrer "Kampagnenheinzerei", ihrem "Subjektivismus", ihrer "Ghettomentalität" und ihrer allgemeinen Kritik an verbindlichen Organisationsformen zu führen und zusammen mit anderen Gruppierungen der "revolutionären Linken" die "unterschiedlichsten Unterdrückungsarten" zu bekämpfen. Schwerpunkt sei der "Antifaschistische Kampf und der Kampf gegen die "Umstrukturierung", die als "rassistisch bis faschistisch, sexistisch und ausbeutungsverschärfend" bezeichnet wird. Für die als grundlegend erachtete Theoriearbeit führt die Gruppe F.e.l.S. regelmäßig - auch bundesweit - Schulungen und Seminare durch. Zur Theorievermittlung gibt sie auch die Zeitschrift "ARRANCA" heraus. Der Titel, aus dem Spanischen abgeleitet, wird als Losung "leg endlich los!" verstanden. Auch wenn sich ihr Ansatz auf politische Arbeit beschränke, seien andere Kampfformen (sprich: militantes Vorgehen) anzuerkennen. Die Gruppe - etwa 20 Personen stark, je zur Hälfte aus der autonomen Szene und anderen linksextremistischen Zusammenhängen, darunter auch "Genossinnen aus der DDR" - hat sich inzwischen der "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) angeschlossen, deren "geistiger Kopf die militante "autonome Antifa (M)" aus Göttingen ist. Der AA/BO, die von der Gruppe F.e.l.S. als wichtigster Organisationsansatz in der undogmatischen Linken in der BRD angesehen wird, arbeiten zahlreiche autonome und "antiimperialistische" Gruppierungen aus der gesamten Bundesrepublik mit. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 200 "Gruppe Avanti" Die "Gruppe Avanti" ist im September 1992 aus einem Zusammenschluß von Anhängern der internationalen trotzkistischen Bewegung "IV. Internationale (Vereinigtes Sekretariat)" (VS) entstanden. Ihr gehören ehemalige Mitglieder der VSP sowie die Angehörigen der "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" (GRS) an. Die GRS hat mit dem Zusammenschluß ihren Namen aufgegeben; ihre Mitglieder bezeichnen sich jetzt als Mitglieder der Vierten Internationale. Ziel der Gruppe ist die "Herstellung verbindlicher Strukturen der Vierten Internationale sowie die Rekonstruktion einer Sektion in Gesamtdeutschland". Publikation: "Avanti-Zeitung der Gruppe Avanti/Vierte Internationale", mtl., Aufl.: 500. "INPREKORR-Internationale Pressekorrespondenz - deutschsprachiges Informationsorgan des Vereinigten Sekretariats der IV. Internationale in der Bundesrepublik Deutschland", mtl., Aufl.: 1 000. "Gruppe K" Die aus einer Minderheitsfraktion des im April 1991 aufgelösten "Kommunistischen Bundes" (KB) hervorgegangene Gruppe mit etwa 80 Mitgliedern wurde am 7. Juli 1991 in Dortmund formell gegründet. Sie hält ideologisch am Ziel des Kommunismus fest. Ein Hauptzweck der Organisation liegt nach eigenem Bekunden in den Bereichen der Analyse sowie der Theorieund Strategieentwicklung. Publikation: "Bahamas", alle 2 bis 3 Monate, Aufl.: 1 000. "Gruppe Spartakus" (GS) Diese Splittergruppe wurde 1983 als "Gruppe IV Internationale" von Personen gegründet, die aus der damaligen "Trotzkistischen Liga Deutschlands" (TLD) ausgeschlossen worden waren. Seit August 1990 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 201 ist diese Gruppe deutsche Sektion der internationalen trotzkistischen Bewegung "Bolschewistische Tendenz" (BT) mit Kontaktadressen in Berlin und Hamburg. Publikationen: "Trotzkistisches Bulletin", unreg. "BOLSCHEWIK", unreg. "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) Die 1979 gegründete ISA, deutsche Sektion der "IV. Internationale (Internationales Zentrum für ihren Wiederaufbau)" - IZ -, ging aus einer Gruppe um die trotzkistische Zeitschrift "Internationale Arbeiterkorrespondenz" (IAK) hervor und umfaßt etwa 250 Mitglieder, davon etwa 20 in Berlin. Organ: "Sozialistische Arbeiterzeitung" (SAZ), dt. Beilage der mtl. Zeitschrift "Internationale Tribüne - La Verite", die vom Generalrat der "IV. Internationale (IZ)" herausgegeben wird. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Am 31. Januar 1990 in Ost-Berlin für das Gebiet der ehemaligen DDR (wieder-)gegründete "orthodox-kommunistische" Kernorganisation mit gesamtdeutschem Anspruch. Ihr gehören ca. 200 Mitglieder, in Berlin ca. 40 an. Publikation: "Trotz alledem - Monatsschrift der Kommunistischen Partei Deutschlands". "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 1968 als "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/M-L) gegründet, 1980 in KPD umbenannt. 1986 Fusion der Mehrheitsfraktion mit der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) zur "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP). 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 202 Verblieben sind Splittergruppen, von denen jede für sich den bisherigen Parteinamen beansprucht und die insgesamt etwa 80, in Berlin etwa 30 Mitglieder umfassen. Organe: "Roter Morgen", 14tgl., Aufl.: 700. "Roter Blitz", unreg., Aufl.: jeweils 200 bis 300. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete, aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) hervorgegangene MLPD bekennt sich zur Theorie des Marxismus-Leninismus in seiner Interpretation durch Mao ZEDONG. In der MLPD sind bundesweit 2 000 Mitglieder organisiert, in Berlin gehören ihr über 100 Personen an. Zentralorgan: "Rote Fahne", wo., Aufl.: 7 500. Nebenorganisation: "REBELL'-Jugendverband der MLPD. "Marxistische Gruppe" (MG) Die Anfang der 70er Jahre aus "Roten Zellen" hervorgegangene MG hat sich am 20. Mai 1991 formell selbst "aufgelöst". Intern wahrte sie jedoch ihren Zusammenhalt. Der MG werden bundesweit wie bereits zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 10 000 Mitglieder zugerechnet. Publikation: "GEGENSTANDPUNKT Politische Vierteljahreszeitschrift", Aufl.: über 6 000. "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Die "Kommunistische Plattform" (KPF) wurde am 30. Dezember 1989 von Kommunisten innerhalb der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) als eigenständiger Personenzusammenschluß gegründet. Ihr werden It. Angaben aus PDS-Kreisen bundesweit "deutlich unter 5 000" Anhänger zugerechnet. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 203 Die KPF orientiert sich am Marxismus-Leninismus; sie versteht sich als "eine Brücke" zu anderen kommunistischen Parteien und strebt deshalb ein breites Bündnis mit anderen kommunistischen Parteien und Gruppierungen im Inund Ausland an. "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Ein nach stalinistischem Prinzip organisierter Zusammenschluß von deutschen Anhängern der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM). Diesem 1984 entstandenen Dachverband (Sitz: London) gehören derzeit 19 revolutionäre Parteien und Zusammenschlüsse aus verschiedenen Ländern an. Als deutsche Gruppierung der RIM verfügen die RK - mit regionalem Schwerpunkt in Berlin - über etwa 150 Anhänger. Publikation: "Aufstand-Zeitung der Revolutionären Kommunisten (BRD)", unreg. "Revolutionäre Zellen" (RZ) Kleingruppen ohne erkennbare Struktur, die mit z. T. schweren Sprengstoffund Brandanschlägen, Sabotageakten und "Bestrafungsaktionen", wie Knieschüssen, ein auf Breitenwirkung angelegtes -teilweise "sozialrevolutionäres" Konzept - verfolgen. Die RZ knüpfen hierbei in der Regel an aktuelle gesellschaftliche Probleme an. "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, die sich in einem "bewaffneten antiimperialistischen Kampf sah und über militärische Offensiven eine "einheitliche antiimperialistische Front in Westeuropa" als Zwischenetappe zu einer kommunistischen Gesellschaft ansetzte ("Frontkonzept"). Im Jahre 1992 beendete die "RAF-Kommandoebene" (illegaler Kern aus etwa 15 Personen bestehend - Kommandobereich) in entsprechenden Erklärungen "offiziell" dieses "Frontkonzept". Nunmehr strebt sie an, über "soziale Aneignungsprozesse" und den Aufbau einer "Gegenmacht von unten" zu einem "neuen internationalen Kampf für die Umwelt" zu gelangen. Vor diesem Hintergrund erklärte sie eine zeitweilige "Rücknahme der 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 204 Eskalation" ("Kommandoerklärung" vom 10. April 1992). Die Dauer dieser "Kampfpause hänge jedoch vom Verhalten des Staates bezüglich einiger zentraler Anliegen des Kommandobereiches ab. Diese "neue Politik" der "RAF-Kommandoebene" wird von einem Teil der inhaftierten RAF-Mitglieder ("hardliner'-Gefangene) abgelehnt. Das bundesweit aus ca. 250, in Berlin aus ca. 50 Personen bestehende RAF-Umfeld, unterstützt die RAF propagandistisch und übt als Sprachrohr der RAF eine wichtige Vermittlerrolle aus. "Rote Hilfe e. V." (RH) 1975 gegründete Rechtsund Hafthilfeorganisation der "Neuen Linken", die maßgeblich von Mitgliedern/ehemaligen Mitgliedern mehrerer K- Gruppen getragen wird und bundesweit über 700, in Berlin über etwa 100 Mitglieder verfügt. Publikation: "Die Rote Hilfe", vj., Aufl.: 1 800. In Berlin: "Rote Hilfe Info", mtl. "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Die 1969/70 aus dem Frankfurter SDS hervorgegangene SAG ist die deutsche Sektion der internationalen Strömung "Internationale Sozialisten" (IS), die ihren Ursprung in Großbritannien hat. Die etwa 250 Mitglieder sind in mehreren Ortsgruppen, u. a. in Berlin mit ca. 40 Mitgliedern organisiert. Die SAG erstrebt über Betriebsund Gewerkschaftsarbeit den Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei. Publikation: "Klassenkampf, mtl., Aufl.: 3 500. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 205 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die am 475. Mai 1968 bei Essen gegründete SDAJ wird von der DKP als "Kaderreserve" angesehen. Sie ist seit Anfang 1991 auch in Berlin mit dem Landesverband "Berlin-Brandenburg" vertreten. Die SDAJ hat ca. 400 Mitglieder; der "SDAJ Berlin-Brandenburg" gehören unter 30 Mitglieder an. Publikation: "position-Magazin der SDAJ", zweimonatl., Aufl.: 600. "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) Der im Januar 1990 in Berlin gegründeten SpAD, deutsche Sektion der "Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)" (IKL), gehören etwa 120 Mitglieder an. Vorläuferorganisationen waren die 1974 gegründete "Trotzkistische Liga Deutschlands" (TLD) sowie die 1989 auf dem Gebiet der damaligen DDR gegründeten "SpartakistGruppen". Organ: "Spartakist", mtl., Aufl.: 1 000. "Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) Die 1986 aus einer Fusion der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) hervorgegangene VSP umfaßt bundesweit unter 300 Mitglieder, die in zahlreichen Ortsgruppen u. a. in Berlin organisiert sind. Organ: "SoZ-Sozialistische Zeitung", 14tgl., Aufl.: 2 000. "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) 1989 mit dem Ziel, Gewerkschaftler, Sozialdemokraten und Jugendliche zur Mitarbeit zu gewinnen, von der ISA gebildete Tarnorganisation. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 206 Organ: "Freie Tribüne für Arbeitnehmerpolitik", wo., Aufl.: etwa 1 000. "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) 1979 von der damaligen KPD/ML gegründete "antifaschistische" Bündnisorganisation mit einem hohen Anteil von Mitgliedern des BWK und der VSP; in den Führungsgremien dominieren inzwischen Mitglieder des BWK. Die Volksfront hat derzeit 200 Mitglieder, von denen unter 20 im "Landesverband Westberlin" organisiert sind. Publikationen: "Antifaschistische Nachrichten", 14tgl., Aufl.: 600. In Berlin: "frontblatt", mtl., Aufl.: 300. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 207 4.3 Ausländerextremismus "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) Die 1972 von Hassan Sabri AL BANNA alias "Abu NIDAL" gegründete ANO, deren Hauptstützpunkte in Libyen und im Irak liegen, gehört zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Seit ihrer Gründung hat sie für zahlreiche Terrorakte, u. a. in Westeuropa, verantwortlich gezeichnet. Sie verfügt im Bundesgebiet, so auch in Berlin, nur über Einzelmitglieder. "AL FATAH" Ende der 50er Jahre gegründete, zahlenmäßig stärkste PLO-Mitgliedsorganisation unter Führung von Yassir ARAFAT. Die FATAH hat ihren Hauptstützpunkt in Tunis (Tunesien). In der Vergangenheit war sie für zahlreiche Terrorakte verantwortlich (z. B. 1972 auf die israelische Olympia-Mannschaft in München). Von ihrem erklärten Ziel - der Befreiung Palästinas durch Zerstörung des Staates Israel und der Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates - hat die FATAH aufgrund der erzielten Ergebnisse bei den Nahost-Friedensverhandlungen Abstand genommen. In Berlin besteht eine Gliederung der FATAH mit etwa 100 Mitgliedern (bundesweit ca. 500), die zum großen Teil die mit Israel erzielte Kompromißlösung unterstützt. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die am 27. November 1978 in der Türkei gegründete PKK unter Leitung von Abdullah ÖCALAN mit Sitz in Damaskus (Syrien) erstrebt die Schaffung eines unabhängigen Kurdistan auch unter Einsatz terroristischer Mittel. Seit 1979 ist die PKK in der Bundesrepublik Deutschland aktiv und durch zahlreiche - z. T. auch unfriedliche - Aktionen in Erscheinung getreten. Wegen der in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland verübten Morde an PKK-Dissidenten stehen in Düsseldorf derzeit mehrere PKK-Mitglieder vor Gericht. Dem Berliner Gebiets- 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 208 komitee der PKK gehören etwa 500 Mitglieder und Anhänger an (bundesweit 3 800). Der Bundesminister des Innern hat am 22. November 1993 die PKK und einige ihrer Teilund Nebenorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Von dem Verbot sind insgesamt 35 Institutionen betroffen (vgl. Sonderthema 2.3.9 Die "Arbeiterpartei Kurdistans" [PKK]). "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) Die DFLP ist in Israel und in den von Israel besetzten Gebieten durch zahlreiche Terrorakte in Erscheinung getreten. In der Bundesrepublik Deutschland sind Terrorakte von der DFLP bisher nicht durchgeführt worden. Die 1969 gegründete Organisation mit Sitz in Damaskus (Syrien) unter Leitung von Nayef HAWATMEH ist seit etwa 1991 in einen eher gemäßigten und einen radikalen Flügel gespalten. Während der gemäßigte Flügel um Yassir ABED RABBO die mit Israel erzielte Kompromißlösung unterstützt, lehnt der radikale Flügel um HAWATMEH diese ab. In Berlin besteht eine Gliederung der DFLP mit etwa 30 Mitgliedern (bundesweit ca. 150), die mit wenigen Ausnahmen dem radikalen Flügel angehören. "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Die Gruppe ging 1978 aus der "Türkischen Volksbefreiungspartei/-front" (THKP/-C) als konspirativ arbeitender Zusammenschluß hervor. Sie strebt in der Türkei eine kommunistische Gesellschaftsordnung durch einen bewaffneten Volkskrieg an. Trotz des Verbots vom 9. Februar 1983 durch den Bundesminister des Innern sind Anhänger der Organisation nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. Anfang 1993 spaltete sich die Organisation in zwei verfeindete Fraktionen, eine sog. KARATAS-Gruppe und eine oppositionelle sog. YAGAN-Gruppe. Die Machtkämpfe zwischen den beiden Fraktionen werden europaweit gewaltsam ausgetragen. In Berlin verfügen beide Fraktionen über insgesamt etwa 50 Mitglieder und Anhänger (bundesweit ca. 500). 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 209 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Die 1982 im Libanon gebildete, vom Iran gesteuerte "Hizb Allah", die sich in den letzten Jahren zur stärksten Kraft unter den pro-iranischen Schiiten-Organisationen entwickelte, hat sich die Schaffung einer Islamischen Republik Libanon zum Ziel gesetzt. Sie ist für zahlreiche Terrorakte im Libanon verantwortlich, u. a. die Entführung der Deutschen SCHMIDT und CORDES. Angehörige der "Hizb Allah" stehen im Verdacht, an den Vorbereitungen und an der Ausführung des Mordanschlages auf vier kurdische Oppositionspolitiker am 17. September 1992 im Restaurant "MYKONOS" beteiligt gewesen zu sein. In Berlin verfügt die "Hizb Allah" über etwa 50 Mitglieder (bundesweit ca. 350). "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Bei der 1987 gegründeten HAMAS handelt es sich um den palästinensischen Zweig der 1928 in Ägypten gegründeten "Moslembruderschaft". Die HAMAS tritt für den Jihad (Heiligen Krieg) gegen Israel und die Errichtung eines islamischen Staates in Israel und den von Israel besetzten Gebieten ein. Bisher operierte sie terroristisch ausschließlich in den von Israel besetzten Gebieten, wo sie auch ihre Hauptstützpunkte hat. In Berlin verfügt sie über etwa 50 Mitglieder, wobei die Zahl der Sympathisanten weitaus höher liegen dürfte. "Moslembruderschaft" (MB) Die bereits 1928 in Ägypten gegründete "Moslembruderschaft" ist ein Zusammenschluß radikaler sunnitischer Muslime, der hauptsächlich in Ägypten und Syrien mit Gewalt die dortigen Regime stürzen will. In Berlin leben etwa 50 Mitglieder der MB (bundesweit ca. 800). "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) Bei der 1965 gegründeten PMOI handelt es sich um eine islamischfundamentalistische Organisation marxistischer Prägung mit Sitz in Bagdad (Irak). Sie zielt auf den gewaltsamen Sturz des Mullah-Regimes 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 210 im Iran. Die PMOI verfügt in der Bundesrepublik Deutschland über etwa 750 Mitglieder, davon 25 in Berlin. "Palästinensische Volkskampffront" (PPSF) Die 1967 gegründete PPSF unter Leitung von Dr. Samir GHOUSHA mit Sitz in Damaskus (Syrien) lehnt eine politische Lösung der "PalästinaFrage" ab und fordert die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes bis zur völligen Vernichtung Israels. In der Bundesrepublik Deutschland hat die PPSF bisher keine Terrorakte verübt. In Berlin gibt es - wie im übrigen Bundesgebiet - nur Einzelmitglieder der PPSF. "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PU) Die Ursprünge des PU gehen auf verschiedene fundamentalistische Bewegungen zurück, die zumeist unter dem Einfluß der sunnitischextremistischen "Moslembruderschaft" standen. Der PU wurde Ende der 70er Jahre gegründet. In den 80er Jahren und Anfang 1990 kristallisierten sich insbesondere vor dem Hintergrund persönlicher Auseinandersetzungen, ideologischer Meinungsverschiedenheiten und Verbindungen zu verschiedenen Ländern und Organisationen sechs Fraktionen der Bewegung heraus. Ziel aller Fraktionen des PU ist dje Errichtung eines islamischen Staates Palästina und die Vernichtung des Staates Israel. Dieses Ziel ist nach Auffassung des PU nur unter Einsatz von Gewalt zu erreichen. Die Bewegung übernahm bereits die Verantwortung für zahlreiche in Israel und den besetzten Gebieten sowie außerhalb Israels begangene Anschläge. Der PU hat angekündigt, auch außerhalb des Nahen Ostens gegen israelische Ziele vorzugehen. In Berlin sind bislang nur Einzelmitglieder bekanntgeworden. "Partei der Großen Einheit" (BBP) Die BBP hat sich Anfang 1993 von der MHP abgespalten. Grund für die Spaltung war hauptsächlich die Kritik am Führungsverhalten von Alparslan TÜRKES. Beide Parteien sind nationalistisch und antizioni- 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 211 stisch orientiert, unterscheiden sich jedoch in ihrer Einstellung zum Laizismus. Bei der BBP überwiegt derzeit die religiöse Komponente. Die Berliner Anhänger der BBP sind in der Vereinigung "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BÜD) organisiert. "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) Die 1957 gegründete und durch das Militär in der Türkei 1980 verbotene MHP wurde Anfang 1993 nach Auflösung ihrer Nachfolgepartei, "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP), erneut ins Leben gerufen. Die von Alparslan TÜRKES geführte MHP ist eine laizistische, nationalistische Partei mit antikommunistischer und antizionistischer Haltung. Zum gegenwärtigen Anhängerpotential der Partei in der Bundesrepublik Deutschland können derzeit aufgrund der starken Fluktuation keine Angaben gemacht werden. Die Berliner Anhänger der MHP sind in der "Türkischen Idealistengemeinschaft" (TÜB) organisiert. "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) Die 1980 gegründete marxistisch-leninistische TDKP, die den gewaltsamen Umsturz in der Türkei propagiert, verfügt in Berlin über etwa 60 Anhänger (bundesweit ca. 800). Von ihren Mitgliedern bzw. Anhängern sind in der Bundesrepublik Deutschland Gewaltaktionen ausgegangen. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) Die 1972 gegründete TKP/M-L ist in mehrere Fraktionen gespalten. In Berlin sind die Fraktionen "Maoisten" und "Partizan" als Gewaltpotential von Bedeutung. Während die etwa 40 Personen starke Fraktion "Maoisten" über keine festen Strukturen verfügt, sind die etwa 50 Angehörigen der "Partizan" im "Verein der Arbeiter aus der Türkei in Berlin e. V." (TID) organisiert. Bundesweit verfügt die TKP/M-L über ca. 1 550 Mitglieder. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 212 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Nach dem Sieg der islamischen Revolution im Iran wurde die Anfang der 60er Jahre gegründete U.I.S.A. durch die islamisch-fundamentalistischen Kräfte zu einer regimetreuen Organisation umgestaltet. Mitglieder der bundesweit ca. 350, in Berlin etwa 25 Personen umfassenden U.I.S.A. sind in der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit durch Gewalttaten in Erscheinung getreten. "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Die 1967 gegründete PFLP unter Leitung von Dr. George HABBASH mit Sitz in Damaskus (Syrien) will ihr politisches Ziel, die Schaffung eines panarabischen Staates, mit den Mitteln des Guerilla-Krieges - insbesondere durch organisierten Terror - erreichen. In der Vergangenheit hat die PFLP zahlreiche Terroranschläge gegen Israel und "mißliebige" europäische Staaten verübt. Die PFLP verfügt in Berlin über eine Gliederung mit etwa 25 Mitgliedern (bundesweit ca. 180). "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC) Die 1968 gegründete PFLP-GC unter Leitung von Ahmed JIBRIL mit Sitz in Damaskus (Syrien) zählt zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Sie zeichnete für zahlreiche Terrorakte in Israel und den von Israel besetzten Gebieten sowie in Westeuropa verantwortlich. 1986 und 1988 gelang es deutschen Sicherheitsbehörden, Anschlagsvorbereitungen von PFLP-GC-Angehörigen in der Bundesrepublik Deutschland aufzudecken. Im Bundesgebiet und in Berlin verfügt die PFLP-GC nur über Einzelmitglieder. "Wohlstandspartei" (RP) Nachfolgeorganisation der 1972 gegründeten und durch das Militär in der Türkei 1980 verbotenen "Nationalen Heilspartei" (MSP). Die RP ist eine nationalistische, islamisch-fundamentalistische Partei, die sich gegen den Laizismus wendet. Bundesweit verfügt die von dem MSP- 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 213 Gründer Necmettin ERBAKAN geführte RP über ca. 13 650, in Berlin über etwa 1 000 Anhänger. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 215 5 Anhang II Chronologie 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 217 5.1 Rechtsextremismus 1. Januar Brandanschlag auf ein türkisches Reisebüro in BerlinKreuzberg. Unbekannte Täter zerstörten eine Türfensterscheibe und warfen durch die Öffnung brennende Wunderkerzen, Feuerwerkskörper und eine brennende Streichholzschachtel. 3. Januar Überfall auf einen mosambikanischen Staatsangehörigen in Berlin-Hohenschönhausen. Das Opfer wurde von sechs unbekannten Tätern, die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind, mit Baseballschlägern und Fußtritten angegriffen. 6. Januar Schüsse auf ein Wohnheim für ausländische Arbeitnehmer in Berlin-Marzahn. Unbekannte Täter gaben auf ein Fenster des Heimes neun Schüsse mit einer Luftdruckwaffe ab. 8. Januar Körperverletzung zum Nachteil eines Türken auf dem U-Bahnhof Westphalweg in Berlin-Tempelhof. Nach vorangegangenen Beleidigungen kam es zu Streitigkeiten, in deren Verlauf ein Türke durch zwei unbekannt gebliebene Personen auf das Gleisbett der U-Bahn Linie 6 geworfen und durch Fußtritte daran gehindert wurde, den Bahnsteig wieder zu erreichen. 11. Januar Auffinden einer mit Draht befestigten Schweinekopfhälfte an einem Eisengitter des Grundstücks Oranienburger Straße 34 (Berlin-Mitte), in dem u. a. die Firmen "Arbeitsgemeinschaft Neue Synagoge Berlin" sowie "Berlin GmbH Synagoge" untergebracht sind. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 218 12. Januar Gemeinschaftlicher Straßenraub zum Nachteil eines US-Staatsbürgers in Berlin-Köpenick. Auf die Frage, ob er Ausländer sei, die der Amerikaner bejahte, wurde er von fünf Jugendlichen, bei denen es sich offensichtlich um Skinheads handelte, festgehalten, mit Messern bedroht und seines Geldes sowie persönlicher Papiere beraubt. Einer der Täter schnitt ihm die Haare ab. 14. Januar Gründung des Kreisverbandes Berlin-Südwest des rechtsextremistischen Vereins "Die Nationalen e. V." und Wahl eines vierköpfigen Vorstandes. 16. Januar "Reichsgründungsfeier" des Landesverbandes BerlinBrandenburg der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit etwa 60 Teilnehmern in einer Gaststätte in Berlin-Spandau. 18. Januar Beschädigung eines Namensschildes des Bezirksverbandes Pankow der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Unbekannte Täter ritzten ein Hakenkreuz ein. Gleiches geschah mit dem Schild einer PDS-Abgeordneten des Europa-Parlamentes im selben Haus. 24. Januar Gemeinsame "Reichsgründungsfeier" der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V " und des bis zu diesem Zeitpunkt nicht in Erscheinung getretenen Vereins "HOFFMANN-VON-FALLERSLEBEN-Bildungswerk e. V." mit etwa 95 Teilnehmern in einer Gaststätte in Berlin-Reinickendorf. 25. Januar Brandanschlag auf einen Pkw in Berlin-Prenzlauer Berg. Unbekannte setzten nach Einschlagen der Heckscheibe den Innenraum eines Pkw in Brand. Auf der Heckklappe befanden sich mehrere Hakenkreuze und die Worte "Linke raus" und "Sieg Heil". 5 - Anhang II: Chronologie 1993 219 3. Februar Bundesweite Durchsuchungsaktion der Polizei gegen Skinhead-Musikbands. In Berlin durchsuchte die Polizei die Wohnungen von Mitgliedern der Bands "Landser" und "Macht und Ehre". Gegen die Beschuldigten wird wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß und Gewaltdarstellung ermittelt. 3. Februar Zünden eines Feuerwerkskörpers an der Wohnungstür eines vietnamesischen Staatsangehörigen in Berlin-Altglienicke. Am Tatort wurde ein handschriftlicher Zettel mit den Parolen "Ausländer raus", "Heil Hitler" und einem Hakenkreuz vorgefunden. 6. Februar Mitgliederversammlung des Landesverbandes BerlinBrandenburg der "Deutschen Volksunion" (DVU) mit etwa 25 Personen in einer Gaststätte in BerlinReinickendorf. 7. Februar Marschübungen von etwa 25 Mitgliedern und Sympathisanten des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) auf dem Gelände der ehemaligen "Gesellschaft für Sport und Technik" (GST-Motorsport Hirschgarten), nahe dem S-Bahnhof Hirschgarten in Berlin-Köpenick. 879. Februar Farbschmierereien neonazistischen Inhalts und Vandalismus vermutlich aus Gründen rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit in einem Freizeitheim in Berlin-Charlottenburg. 10. Februar "Erweiterte Amtsträgertagung" des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Wedding. An dem Treffen nahmen etwa 30 Personen teil, darunter der NPD-Bundesvorsitzende Günter DECKERT. 5 -Anhang II: Chronologie 1993220 14. Februar Feststellung mehrerer Hakenkreuze an Fassaden, Fenstern und Türen eines Gymnasiums in BerlinKaulsdorf. Ferner schmierten die Täter Parolen wie "Rotfront verrecke", "Sieg Heil", "Ausländer raus", "Deutschland den Deutschen" und "Türken raus". 15. Februar Ordentliche Hauptversammlung des rechtsextremistischen Vereins "Die Nationalen e. V." im Vereinshaus einer Laubenkolonie in Berlin-Treptow. 18. Februar Informationsabend der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V " mit etwa 25 Teilnehmern in einer Gaststätte in Berlin-Zehlendorf. 23. Februar Gedenkveranstaltung des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Friedrichsfelde aus Anlaß des 63. Todestages des Nationalsozialisten Horst WESSEL. 23. Februar Antisemitische Farbschmierereien an einem Optikerladen in Berlin-Schmargendorf. Unbekannte sprühten auf die Schaufensterscheiben die Schriftzüge "Du Jude Du". 28. Februar Kranzniederlegung an der Grabstelle Horst WESSELS auf dem Friedhof St. Nicolai in Berlin-Prenzlauer Berg. Einige Neonazis, darunter Angehörige des Landesverbandes Berlin der FAP, gedachten nachträglich des 63. Todestages (23. Februar) des Nationalsozialisten Horst WESSEL. 6. März Skinhead-Überfall auf Ausländer in Berlin-Marzahn. Skinheads hinderten einen mosambikanischen Staatsangehörigen am Verlassen eines Nachtbusses. Sie schlugen ihm mehrmals ins Gesicht, entwendeten dem Opfer Bargeld und seinen Reisepaß. Polizeibeamte konnten die Täter stellen. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 221 8. März Gemeinsame Veranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." und des Vereins "Die Nationalen e. V " im Vereinshaus einer Gartenkolonie in Berlin-Treptow mit etwa 100 Teilnehmern. Im Mittelpunkt stand ein Referat zum Thema "Europa und das Deutsche Reich!". 1. Dekade März 1993 Erscheinen der Ausgabe Nr. 1/1993 der vom Verein "Die Nationalen e. V " herausgegebenen Zeitung "Berlin-Brandenburger". 14. März Veranstaltung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) zur Verleihung des "Emil-Maier-DornPreises". Der "Emil-Maier-Dorn-Preis" war 1987 vom Berliner NPD-Landesverband gestiftet worden und wird an Personen verliehen, die sich mit "Leistungen im politischen, literarischen und künstlerischen Bereich" zugunsten der deutschen Interessen hervorgetan haben. An der Veranstaltung in einer Gaststätte in BerlinSpandau nahmen etwa 45 Personen teil. 17. März Urteil gegen zwei Berliner Rechtsextremisten wegen Sprengstoffanschlägen. Das Landgericht Berlin verurteilte zwei Berliner (im Alter von 32 und 36 Jahren) zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten bzw. zwei Jahren und neun Monaten u. a. wegen Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen und Herstellung von Schußwaffen sowie Verstoßes gegen das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen. Die Verurteilten hatten am 30. August 1992 Sprengstoffanschläge auf das jüdische Mahnmal an der Putlitzbrücke in BerlinTiergarten und am 17. Juni 1992 auf ein Asylbewerberheim in Berlin-Wedding verübt. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 222 20. März Überfall auf einen angolanischen Asylbewerber in Berlin-Reinickendorf. Drei unbekannte, der Skinhead-Szene zuzurechnende Personen stießen ihr Opfer ohne ersichtlichen Grund zu Boden und verletzten es im Rücken durch einen Messerstich. 27. März Zusammenkunft von Anhängern des "Förderwerkes Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg. 30. März Vortragsveranstaltung des Landesverbandes BerlinBrandenburg der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in BerlinCharlottenburg. Vor etwa 40 Teilnehmern sprach das NPD-Parteivorstandsmitglied Manfred AENGENVOORT zum Thema "Was kostet Europa?". April Verbreitung eines 24seitigen Skin-Fanzines mit dem Titel "MIDGARD" in rechtsextremistischen Berliner Kreisen. Die 4. Ausgabe wird von einer "Skingirl-FrontDeutschland" (SFD) herausgegeben und stellt nach Angaben der "Redaktion" einen "Rundbrief an die Kameradinnen der 'SFD'!" dar. April Bekanntwerden der 100. Ausgabe der neonazistischen Schrift "NS KAMPFRUF" vom März/April 1993. Das Heft wird von der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) P.O. Box 6414, Lincoln, NE 68506 USA, herausgegeben. 3. - 5. April Flugblattaktion des Kreisverbandes Ost der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in BerlinTreptow. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 223 FAP-Anhänger verteilten in Mietshäusern Propagandablätter mit der Überschrift "Wer ist die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei?". 8. April Teilnahme von etwa 30 Mitgliedern und Anhängern des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an einem Informationsabend des Vereins "Die Nationalen e. V.". An der Veranstaltung im Vereinshaus einer Gartenkolonie in Berlin-Treptow beteiligten sich etwa 50 Personen. 11. April Versuchte räuberische Erpressung gegen den türkischen Angestellten eines Imbiß-Standes in BerlinTreptow. Sechs bis acht unbekannte Täter forderten von ihm Geld und beschimpften ihn mit fremdenfeindlichen Parolen. Sie zerschlugen die Eingangstür und teilweise die Inneneinrichtung des Imbiß-Standes. 14715. April Klebeaktion der neonazistischen Gruppe "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) in verschiedenen Bereichen der Berliner Bezirke Tempelhof und Steglitz. Die FMJ-Akteure verklebten in mehreren Straßenzügen an Bushaltestellen, Verteilerkästen der Bewag sowie Hausbriefkästen Propagandamaterial ihrer Organisation. 15. April Auf dem S-Bahnhof Springpfuhl in Berlin-Marzahn wurde ein 15jähriger durch drei Unbekannte, offensichtlich Skinheads, mehrmals getreten, seiner "AntiNazi"-Aufnäher und seiner Uhr beraubt. 17./18. April Teilnahme von etwa 20 Berliner Mitgliedern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an einem Treffen auf dem Anwesen der Neonazis Ursula und Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim aus Anlaß des Geburtstages von Adolf HITLER (20. April). 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 224 26. April Bekanntwerden eines Einbruchs in die z. Z. nicht genutzte Residenz der Botschaft der Republik Sambia, Tschaikowskistraße 47 (Berlin-Niederschönhausen). Die Täter hinterließen aus vermutlich rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit an Wänden und auf dem Fußboden Farbschmierereien; u. a. lautete eine Parole "Ob Ost oder West, weg mit der Ausländerpest". 29. April Gefährliche Körperverletzung durch Skinheads. Drei der Skinhead-Szene zuzurechnende Jugendliche belästigten eine Schulklasse türkischer Schülerinnen und Schüler auf dem S-Bahnhof Ahrensfelde (BerlinMarzahn). Die Klasse, die sich in Begleitung ihrer Lehrer befand, wurde zunächst verbal, danach tätlich angegriffen. Die Tatverdächtigen wurden kurz nach dem Überfall von der Polizei festgenommen. 1, Mai Demonstration von Mitgliedern und Anhängern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) unter dem Motto "Für ein gewaltfreies Berlin" in BerlinLichtenberg. An dem Aufzug beteiligten sich etwa 100 Neonazis, darunter auch FAP-Anhänger aus Niedersachsen und Bayern sowie der FAP-Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE. Während des Aufzuges kam es zu Konfrontationen mit etwa 50 Gegendemonstranten. 8. Mai Verbreitung von Aufklebern der neonazistischen Gruppe "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) an Gäste im ehemaligen Kulturhaus "Ottomar Geschke" in Berlin-Karow. Das Propagandamaterial ist unterzeichnet mit "FMJ 1420 Veiten PSF 67 - Eine starke Truppe". 10. Mai Gefährliche Körperverletzung durch Angehörige der Skinhead-Szene in Berlin-Hellersdorf. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 225 Zwei Skinheads verletzten eine gebürtige Polin mit einem Rasiermesser an der rechten Hand und riefen ausländerfeindliche Parolen. 15. Mai Gemeinsame Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." sowie des Vereins "Die Nationalen e. V." und erstmals auch des "Studentenbundes Schlesien" (SBS) zum Thema "Deutschland und Rußland als Verbündete in der antiamerikanischen Weltrevolution". An der Veranstaltung in einer Gaststätte in BerlinTreptow nahmen etwa 60 Personen teil. 15. Mai Mitgliederversammlung des Landesverbandes BerlinBrandenburg der rechtsextremistischen "Deutschen Volksunion" (DVU) mit etwa 35 Personen in einer Gaststätte in Berlin-Reinickendorf. 23. Mai Flugblattaktion von etwa 35 Mitgliedern und Anhängern des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Lichtenberg. In dem Flugblatt informiert die FAP über den Ablauf ihrer Mai-Demonstration "Berlin-Lichtenberg". 26. Mai Plakataktion von etwa 30 Anhängern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in BerlinLichtenberg. Die FAP-Angehörigen wurden beim Kleben ihrer Plakate mit der Parole "national - radikal - sozial" von der Polizei angetroffen. Sie waren mit Funkgeräten ausgestattet. 2. Juni Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in BerlinSchöneberg, an der etwa 55 Personen teilnahmen. Im Mittelpunkt stand ein Referat des Vorsitzenden der rechtsextremistischen "Gesellschaft für Freie Publi 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 226 zistik e. V." und früheren "Chefideologen" der NPD, Dr. Rolf KOSIEK, zum Thema "Auswege aus den geschichtlichen Irrungen der Deutschen". 4. Juni Einbruch in einen Bauwagen nahe der Bundesstraße 2 (Berlin-Weißensee). Die Täter schmierten auf eine Tischplatte die Parolen "Linke raus" "Sieg Heil" (mit Hakenkreuzen) "Wir hauen die Linken auf die Fresse, dann sind sie nicht mehr ganz so kesse" "Wir Nazis waren hier und tranken euer Bier". 5. Juni Flugblattverteilaktion Berliner FAP-Aktivisten in Ruhlsdorf (Brandenburg). Fünf uniformähnlich gekleidete Personen, darunter der Berliner FAP-Vorsitzende Lars BURMEISTER, marschierten mit einer FAP-Fahne durch den Ort und verteilten Flugblätter ihrer Partei an die Haushalte. 7. Juni Sachbeschädigung unter Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in BerlinWedding. Unbekannte Täter beschmierten die Eingangstür einer Gaststätte mit Hakenkreuzsymbolen und SS-Runen. 9. Juni Polizeiliche Durchsuchung von Wohnund Nebenräumen bei fünf Berliner Aktivisten der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) aufgrund von Anträgen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sowie wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Polizei fand Plakate, Propagandamittel, Transparente sowie Material der FAP. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 227 12./13. Juni Klebeund Plakataktion des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Cottbus (Brandenburg). Die Polizei stellte mehrere Plakate der FAP sowie Aufkleber gegen das Ausländerwahlrecht fest. 15. Juni Zwei unbekannte männliche Personen verteilten vor der 2. Gesamtschule in Berlin-Buch (Pankow) Exemplare des vom Landesverband Berlin-Brandenburg der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) herausgegebenen Mitteilungsblattes "Denkzettel - Berlins nationalistische Jugendzeitung". 17. Juni Veranstaltung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg aus Anlaß des 40. Jahrestages des Volksaufstandes in der ehemaligen DDR und Ostberlin. 17. Juni Gemeinsame Veranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." und des Vereins "Die Nationalen e. V." in der Kantine eines Elektrowerkes in Berlin-Treptow. Vor etwa 50 Personen sprach ein Referent zum Thema "Der 17. Juni 1953". 19. Juni Klebeaktion der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in Berlin-Weißensee. Polizeibeamte stellten Aufkleber und Plakate der NPD u. a. mit folgendem Inhalt "Kein Wahlrecht für Ausländer!" und "Stoppt den Haß gegen Deutsche!!! Ausländerstopp sofort!!!" fest. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 228 19. Juni Teilnahme von Berliner Neonazis an einer vom "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) organisierten Sonnenwendfeier auf einem Zeltplatz am Bützsee bei Altfriesack, nördlich von Kremmen (Brandenburg). An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 120 bis 150 Personen. 22. Juni Mitteilung der neonazistischen Gruppe "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ), sie habe sich aufgelöst; tatsächlich erfolgte diese Mitteilung aus taktischen Gründen, um einem möglichen Verbot auszuweichen. 26. Juni Teilnahme von 400 bis 500 Berliner Neonazis und Skinheads an einem Konzert des rechtsextremistischen Liedermachers Frank RENNICKE im "Europahaus" in Berlin-Köpenick. 1. Juli Mitgliederversammlung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg. An dem Treffen beteiligten sich etwa 25 Personen. Der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Berlin-Brandenburg, Thomas SALOMON, kündigte verstärkte Aktivitäten seiner Partei an. 10. Juli Beteiligung von etwa 30 Mitgliedern und Anhängern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) - Landesverband Berlin - am außerordentlichen Parteitag ihrer Organisation in Reifenstein, Landkreis Worbis (Thüringen). Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Wahl der Kandidaten zur Europawahl 1994, unter ihnen der FAP-Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE und der Berliner Landesvorsitzende Lars BURMEISTER, 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 229 14. Juli Bundesweite Durchsuchungsaktionen der Polizei wegen Folgeaktivitäten der verbotenen neonazistischen "Deutschen Alternative" (DA). Neben Exekutivmaßnahmen gegen DA-Angehörige in fünf anderen Bundesländern durchsuchte die Polizei in Berlin die Wohnung des ehemaligen Vorsitzenden des Landesverbandes "Reichshauptstadt" der DA, Arnulf-Winfried PRIEM, und beschlagnahmte diverses Schriftmaterial. 15. Juli Brandanschlag auf ein türkisches Lebensmittelgeschäft in Berlin-Wedding. Aus vermutlich rassistischen Motiven warfen unbekannte Täter die Schaufensterscheibe ein und verbrachten anschließend ein Brandmittel in den Laden. Eintreffende Polizeikräfte konnten das Feuer löschen. 15. Juli Durchsuchungsaktionen gegen Hersteller und Vertreiber rechtsextremistischer Skinhead-Magazine in sechs Bundesländern. In Berlin richtete sich die Maßnahme gegen den Herausgeber des Skinhead-Fanzines "Proißens Gloria". Es wurde zahlreiches Schriftmaterial gefunden. 22. Juli Schändung des jüdischen Friedhofs in BerlinPrenzlauer Berg. Unbekannte Täter stürzten sechs Grabsteine unterschiedlicher Größe um. Der Friedhof war zur Tatzeit verschlossen. 25. Juli Schmieraktion in Berlin-Hellersdorf. Unbekannte beschmierten die Giebelwand eines Hauses mit dem Schriftzug "Stoppt die Terrormieten", "Deutsche wehrt euch" und "Jetzt NSDAP" (ergänzt mit einem Hakenkreuz). Ferner wurde in der Nähe dieses Hauses ein Aufkleber mit dem Text "Wir kämpfen für Deutschland. Das Regime behandelt uns 5 -Anhang II: Chronologie 1993230 wie Dreck" festgestellt. Laut Impressum zeichnet ein "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS) für den Aufkleber verantwortlich. 30. Juli Vortragsveranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Prenzlauer Berg. Der NPD-Generalsekretär Ulrich EIGENFELD sprach vor ca. 35 Besuchern zum Thema "Nationaldemokratie - Strategie für den Erfolg". 3. August Tätlicher Angriff mit vermutlich rechtsextremistischem Hintergrund auf einen Araber in Berlin-Charlottenburg. Drei unbekannte Täter beschimpften den irakischen Staatsbürger mit ausländerfeindlichen Äußerungen und stießen ihn anschließend in eine Schaufensterscheibe. 5. August Mitgliederversammlung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg. 8. August Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Waldesruh (Kreis Strausberg). 8. August Fremdenfeindlicher Übergriff auf einen türkischen Staatsbürger in Berlin-Weißensee. Nach vorausgegangenen Unstimmigkeiten in einem Imbiß verfolgten mehrere Täter das Opfer, beschossen es mit einer Gaspistole und schlugen schließlich mit Zaunlatten auf den flüchtenden Mann ein. 14. August Teilnahme einzelner Berliner Neonazis an der sog. HESS-Kundgebung in Fulda (Hessen). Es beteiligten sich insgesamt etwa 800 Rechtsextremisten aus dem Inund Ausland. Zunächst verhin 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 231 derte in Bischofferode starke Polizeipräsenz einen Aufmarsch der bundesweit angereisten Rechtsextremisten. Schließlich verlegte man die geplante Demonstration auf Weisung des Hamburger Neonazi Christian WORCH nach Fulda. 17. August Feststellung der Schändung einer jüdischen Gedenktafel in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte Personen beschmierten eine Tafel zum Andenken an ein Theater des jüdischen Kulturverbandes. Die Täter sprühten das Wort "Lüge" auf die Metallplatte. 17. August Versuchte "Gedenkveranstaltung" Berliner Neonazis und Skinheads in Cottbus (Brandenburg) aus Anlaß des 6. Todestages des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS. Die Polizei verhinderte die Durchführung des Treffens. 20. August Gefährliche Körperverletzung aus vermutlich ausländerfeindlicher Motivation. Acht Jugendliche schlugen zwei indische Staatsangehörige in Berlin-Marzahn zusammen und prügelten mit Metallstangen auf sie ein. 20. August Volksverhetzende und antisemitische Äußerungen. Ein Berliner Ehepaar wurde auf dem Weg zur Synagoge in der Fasanenstraße (Berlin-Charlottenburg) von einer männlichen Person mit den Worten "Sie verdammten Judenschweine" beleidigt. 27. August Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." zum Thema "Europa, Maastricht und der Paneuropa-Gedanke aus nationaler Sicht". Die Veranstaltung, die von etwa 60 Personen besucht wurde, fand in einer Gaststätte in Berlin-Schöneberg statt. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 232 28. August Parteitag des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der "Deutschen Volksunion" (DVU) in Röbel (Mecklenburg-Vorpommern) mit etwa 50 Teilnehmern. Der Landesverband Berlin-Brandenburg trennte sich in zwei selbständige Landesverbände Berlin und Brandenburg. 28. August Flugblattaktion des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in RibnitzDammgarten (Mecklenburg-Vorpommern). Anhänger der FAP verteilten mehrere hundert Flugblätter mit der Überschrift "Uns reicht's!". In dem Flugblatt wird gegen "Arbeitslosigkeit!", "Wohnungsnot!" und "Ausländerflut!" polemisiert. 1. September Illegales Plakatieren des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Anhänger der FAP verklebten im Stadtgebiet etwa 1 200 Plakate mit der Aufschrift "Wir fordern: Höchststrafen für Kindesmißbrauch und Drogenkriminalität - denn Mord darf nicht mit Freispruch enden!". 2. September Mitgliederversammlung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit etwa 15 Personen in einer Gaststätte in BerlinCharlottenburg. 4. September Fahrt Berliner Neonazis nach Frankfurt/Oder aus Anlaß einer dort von Anhängern des "linken Spektrums" initiierten Demonstration mit dem Motto "Offene Grenzen für alle". Die Neonazis sammelten zur Abwehr möglicher Angriffe Pflastersteine, vernagelten und verbarrikadierten Fenster und Türen ihrer Aufenthaltsräume. 4. September Neonazistische Schmierereien an einem Bus aus Polen und Beschädigung des Fahrzeuges. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 233 Unbekannte Täter schmierten mit einem Filzstift auf die Seitenwand eines in Berlin-Hohenschönhausen geparkten polnischen Busses vier Hakenkreuze sowie den Schriftzug "Sieg Heil" und zerstörten eine Scheibe des Fahrzeuges. 5. September Propagandaund Störaktion Berliner Rechtsextremisten vor und in der Sömmeringhalle (Berlin-Charlottenburg) im Zusammenhang mit der Veranstaltung zum "44. Tag der Heimat". Mitglieder und Anhänger des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) verteilten Flugblätter ihrer Organisation. Daneben verteilten Anhänger des rechtsextremistischen Vereins "Die Nationalen e. V." ihre Publikation "Berlin-Brandenburger". Im Verlauf der Veranstaltung entrollten weitere Rechtsextremisten Transparente mit den Aufschriften: "Verzicht ist Verrat", "Bonn Krematorium für gesamtdeutsche Fragen", "Vorwärts zur deutschen Revolution" und "Deutschland ist größer als die BRDNPD". Im Anschluß versuchten etwa 15 bis 20 Personen, den Bühnenbereich in der Halle zu betreten. Zwischen Ordnern und den Rechtsextremisten kam es unter lautstarken Mißfallensbekundungen der Anwesenden zu verbalen Auseinandersetzungen mit kleinen Handgreiflichkeiten. 9. September Propagandaaktion von Mitgliedern und Anhängern des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Cottbus. Die Berliner FAP-Aktivisten verteilten mehrere Hundert Exemplare der ersten Ausgabe des FAP-Informationsblattes "Aufbruch". 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 234 11712. Sept. Teilnahme von Anhängerinnen der Berliner "SkingirlFront" am "1. Treffen der Skingirl-Front Deutschland" (SFD) auf dem Gelände der "Wiking-Jugend e. V." in Hetendorf (Niedersachsen). 15. September Schmieraktion und versuchter Brandanschlag vermutlich neonazistischer Kreise und/oder sog. Teufelsanbeter in einer Friedhofskapelle. Unbekannte Täter drangen in die Kapelle des Friedhofs Biesdorf, Alt Biesdorf (Berlin-Marzahn), ein. Ein Versuch, den Altar anzuzünden, mißlang. Das Altarkreuz wurde auf die Spitze gestellt. An die Wände schmierten sie Hakenkreuze sowie die Schriftzüge "Judenschweine", "Luzifer" und "Church of Satan". Außerdem legten sie im Innenraum rohes Fleisch ab. 18. September Fußballturnier des "Gaues Berlin - Reichshauptstadt" der "Wiking-Jugend e. V." '(WJ) in Berlin-Spandau mit etwa 100 Personen. Nach dem Spiel kam es zwischen Autonomen und Anhängern der WJ zu tätlichen Auseinandersetzungen. Beim Eintreffen der Polizei entfernten sich die Kontrahenten. 18. September Brandanschläge gegen zwei türkische Imbiß-Stände in Berlin-Lichtenberg. 18. September Teilnahme Berliner Mitglieder der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) am "25. ordentlichen Bundesparteitag" ihrer Partei in Coppenbrügge (Niedersachsen). Der bisherige NPD-Vorsitzende Günter DECKERT wurde von den etwa 250 Delegierten in seinem Amt bestätigt. 18. September Feststellung von Aufklebern der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Auf 5 - Anhang II: Chronologie 1993 * 235 bauorganisation" (NSDAP-AO) an Hauswänden und Verkehrszeichen in Berlin-Pankow. Die Aufkleber mit Hakenkreuz enthalten die Parolen: "Wir sind wieder da!" und "Kauft nicht bei Juden!". 20. September Veranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V " in einer Gaststätte in BerlinCharlottenburg. Vor etwa 50 Personen gab die Vereinsvorsitzende, Dr. Ursula SCHAFFER, eine geschichtliche "Betrachtung über Südtirol". 21. September Versammlung des Kreisverbandes Neukölln der "Deutschen Volksunion" (DVU) in einer Gaststätte in Berlin-Neukölln. An dem Treffen beteiligten sich etwa 20 Personen. September Erscheinen der Zeitung "Berlin-Brandenburger" vom August/September, Publikation des rechtsextremistischen Vereins "Die Nationalen e. V". Oktober Bekanntwerden einer Propagandaschrift der Berliner Neonazi-Gruppe "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS) mit dem Titel "Stadtrebell". 2. Oktober "Großkundgebung" der "Deutschen Volksunion" (DVU) in der Nibelungenhalle in Passau. An der Veranstaltung, die unter dem Motto "Deutschland muß leben!" stand, beteiligten sich ca. 2 000 Personen. Der Landesverband Berlin nahm mit etwa 30 Personen an der Kundgebung teil. Neben dem Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard FREY sprach der Vorsitzende der "Liberaldemokratischen Partei Rußlands", Wladimir SCHIRINOWSKI, zum Thema "Deutsche und Russen - Freunde für immer". 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 236 9. Oktober Skinhead-Überfall aus zu vermutender rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit in Berlin-Charlottenburg. Etwa 15 der Skinhead-Szene zuzurechnende Jugendliche griffen zwei in Jugoslawien geborene Kinder im Hinterhof ihres Wohnhauses an. Die Täter, mit Gummiund Holzknüppeln bewaffnet, riefen die Worte "Ausländer raus, Jugoslawen raus, wir machen euch tot". 12. Oktober Feststellung eines Hakenkreuz-Aufklebers an einem Verkehrszeichen in Berlin-Pankow. Das von Anhängern der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) verbreitete Propagandamaterial war mit der Parole "Wir sind wieder da!" versehen. 19. Oktober Antisemitische Aktion an der Gedenktafel "50 Jahre Deportation von Juden" am S-Bahnhof Grunewald (Berlin-Wilmersdorf). Eine Polizeibesatzung stellte während ihrer Streifenfahrt vor der Gedenktafel zwei Schweineköpfe fest, die dort von unbekannten Tätern abgelegt worden waren. 22. Oktober Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in einer Gaststätte in BerlinSchöneberg. Vor etwa 90 Besuchern sprach der Vorsitzende des "Thule-Seminars e. V." und Herausgeber der Zeitschrift "Elemente", Dr. Pierre KREBS, zum Thema "Die Strategie der kulturellen Revolution!". 24. Oktober Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Kaulsdorf mit etwa 25 Personen und dem Bundesvorsitzenden der Partei, 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 237 Friedhelm BUSSE. Er ging auf ein mögliches Verbot der FAP ein. 31. Oktober Neonazistische Farbschmierereien in einer Kindertagesstätte in Berlin-Hellersdorf. In einem Raum des Gebäudes hinterließen die Täter Hakenkreuzschmierereien und die Schriftzüge "Zecken verrecken, Ausländer raus". November Bekanntwerden der neonazistischen Druckschrift mit dem Titel "Natur Schutz*Denkzettel" ("NS-Denkzettel"), Doppelausgabe 5 + 6. Inhaltlich dominieren Beiträge mit massiver antisemitischer Hetze in Wort und Bild sowie Texte und Illustrationen martialischer Prägung. Neonazistische Zusammenschlüsse, wie die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG), der "Völkische Freundeskreis Berlin" (VFB), "Sozialrevolutionäre Nationalisten", "WEISSER ARISCHER WIDERSTAND" (WAW) und der "Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten" (FRVS), stellen sich selbst dar oder werden positiv gewürdigt. 10. November Versuchter Sprengstoffanschlag auf den aus der Szene ausgestiegenen Neonazi Ingo HASSELBACH. Ein an ihn adressiertes und von seiner Mutter geöffnetes Päckchen war mit einer in Buchform getarnten Vorrichtung mit 650 Gramm Sprengstoff versehen, die lediglich aufgrund einer Fehlschaltung nicht zündete. 13. November Verteilaktion des Berliner Landesverbandes der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Potsdam und Neuruppin (Brandenburg). FAP-Angehörige verteilten Exemplare der Schrift "Aufbruch - Informationsblatt der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei für Mitteldeutschland", 2. Ausgabe, November. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 238 14. November Teilnahme von Mitgliedern des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) am Bundesparteitag in Pfungstadt bei Darmstadt (Hessen). 14. November Verbote geplanter "Heldengedenkfeiern" der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." in Halbe sowie in Seelow bzw. Schwedt/Oder (Brandenburg). Trotz polizeilicher Verbote fuhren etwa 35 Berliner FAP-Mitglieder und -Anhänger Richtung Niedersachsen, um an einer geplanten Ausweichveranstaltung im Raum Hameln/Hildesheim teilzunehmen. Die Polizei nahm in Genthin (Brandenburg) alle Personen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz vorübergehend in Gewahrsam. Die vorgesehene Veranstaltung im Großraum Hameln konnte durch weitere Festnahmen, u. a. der aus Nordrhein-Westfalen und Hamburg anreisenden Rechtsextremisten, verhindert werden. Bundesweit sind etwa 200 Rechtsextremisten auf dem Weg zu weiteren geplanten "Heldengedenkfeiern" von der Polizei in Gewahrsam verbracht bzw. festgenommen worden. 18. November Teilnahme Berliner Neonazis an einer Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." zum Thema "Der nordische Gedanke als Auftrag". An der Zusammenkunft, die in einer Gaststätte in der Nähe des Ortes Zepernick (Brandenburg) stattfand, beteiligten sich etwa 75 Personen. 20. November "Geschlossene" Mitgliederversammlung des Landesverbandes Berlin der "Deutschen Volksunion" (DVU) in einer Gaststätte in Berlin-Reinickendorf. Der Landesvorsitzende, Hans-Werner ROLOFF, nahm vor etwa 25 Besuchern zu aktuellen tagespolitischen Themen Stellung. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 239 20. November Verteilaktion von Berliner FAP-Anhängern in Bernau (Brandenburg). FAP-Aktivisten verteilten etwa 400 Exemplare ihres Informationsblattes "Aufbruch", 2. Ausgabe, November. 21. November "3. ordentlicher Landesparteitag" des NPD-Landesverbandes Berlin-Brandenburg. An der Veranstaltung in einer Gaststätte in BerlinWedding beteiligten sich etwa 25 Personen. Der bisherige NPD-Landesvorsitzende Thilo KABUS wurde in seinem Amt bestätigt. Zum stellvertretenden Landesvorsitzenden wurde erneut Thomas SALOMON gewählt. November Erscheinen der Broschüre "DER EINBLICK". Seit Ende November wird über ein Postfach in Dänemark die erste Ausgabe dieser "nationalistischen Widerstandszeitschrift gegen zunehmenden Rotfrontund Anarchoterror" vertrieben. Die Autoren der Schrift bezeichnen als ihr Ziel "die endgültige Zerschlagung von Anarchos, Rot-Front und Antifa sowie die Ausschaltung aller destruktiven, antideutschen und antinationalistischen Kräfte in Deutschland". Angriffe auf politische Gegner sollen geplant und konzentriert erfolgen. Die Schrift ruft zur Gründung regionaler "AntiAntifa-Gruppen" auf und nennt oder beschreibt Objekte und Personen. Berlin wird als Zentrum und "Hauptausgangspunkt linker Gewalt" bezeichnet. November Bekanntwerden des neonazistischen Info-Blattes mit dem Titel "Rechtskampf - Informationen zum Stand der Klagen gegen die Parteienverbote" vom November 1993. Die in Kreisen von Anhängern der verbotenen "Nationalen Offensive" (NO) verbreitete Propagandaschrift enthält u. a. Beiträge wie "Das Recht in den Klauen 5 -Anhang II: Chronologie 1993 * 240 staatlicher Interessen?", "Welch ein Staat ist Israel?" sowie "Lenin und seine Ansichten über Verbote". 4. Dezember Propagandaaktion des Berliner FAP-Landesverbandes in Fürstenwalde (Brandenburg). Anhänger der FAP verteilten ihr Informationsblatt "Aufbruch". 20. Dezember Sachbeschädigung an der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Berlin, Fraenkelufer 10 - 16, Berlin-Kreuzberg. Aus vermutlich antisemitischen Gründen warfen unbekannte Täter die Scheibe eines Rundbogenfensters ein. 21. Dezember Verhinderung einer geplanten Sonnenwendfeier von Berliner Anhängern der verbotenen neonazistischen Organisationen "Nationale Offensive" (NO) und "Nationalistische Front" (NF). In einem Waldstück bei Selchow (Brandenburg) nahm die Polizei 17 Personen, darunter den ehemaligen Vorsitzenden des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der NO, Bernd KASULKE, fest. 21/22. Dez. Unbekannte Täter schändeten auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Prenzlauer Berg dortige Ruhestätten und warfen Grabtafeln und Grabsteine um. 28. Dezember Mitgliederversammlung des Berliner Landesverbandes der "Deutschen Volksunion" (DVU) in einer Gaststätte in Berlin-Steglitz. Im Mittelpunkt der Zusammenkunft stand die Neuwahl des Kreisvorstandes für Berlin-Steglitz. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 241 5.2 Linksextremismus 1. Januar Ausschreitungen in Berlin-Kreuzberg. Kurz nach Mitternacht errichteten etwa 100 Gewalttäter in der Adalbertstraße Barrikaden, zündeten sie teilweise an und bewarfen Polizeibeamte und -fahrzeuge mit Steinen, Farbeiern und Feuerwerkskörpern. 9. Januar Beschädigung eines Baggers der an dem Bauvorhaben Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) beteiligten Firma Kemmer in Strausberg (Brandenburg). In einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 223, vom 14. Januar, veröffentlichten Taterklärung bezichtigt sich eine der autonomen Szene zuzurechnende Gruppe mit der Bezeichnung "AUTONOME NERVENSÄGEN", Hydraulikschläuche und Kabel beschädigt sowie Zucker in den Tank des Baggers geschüttet zu haben. 15./16. Januar Beschädigung des Fahrzeuges des prominenten Hamburger Neonazis Christian WORCH in BerlinWedding. Der Pkw war geparkt vor dem Wohnhaus des ehemaligen Vorsitzenden des Landesverbandes "Reichshauptstadt" der inzwischen verbotenen "Deutschen Alternativen" (DA), Arnulf-Winfried PRIEM. Das autonome Szeneblatt "INTERIM" veröffentlichte die Selbstbezichtigung einer Gruppe mit der Bezeichnung "VSC (Volxsportclub) Antifa Berlin (Amateure)" unter der Überschrift "Wagensportliga Amateurklasse Antifa 2. Spiel-Woche" (alle 4 Reifen platt, Lackzerkratzt [sic!]"). 17. Januar Brandanschlag in Berlin-Mitte auf eine Sattelzugmaschine einer Speditionsfirma, die - u. a. durch Aufschriften auch für Außenstehende erkennbar - für das 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 242 an dem Bauvorhaben Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) beteiligte Unternehmen Kemmer arbeitet. Vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe setzten das Führerhaus in Brand. 17. Januar Angriff auf sog. Hooligans in Berlin-Friedrichshain. Etwa 20 der örtlichen autonomen Szene zuzurechnende Personen durchstreiften die Umgebung der Kinzigstraße und griffen auf der Frankfurter Allee drei Personen der Hooligan-Szene an. Polizeibeamte, die zuvor auf die Gruppe aufmerksam geworden waren, nahmen sechs Gewalttäter vorläufig fest. 18. Januar Fäkalienanschlag in Berlin-Kreuzberg auf einen Pkw der Luxusklasse. Drei der autonomen Szene zuzurechnende Personen rissen die Beifahrertür eines an einer roten Ampel haltenden Pkw der Marke Daimler-Benz auf und schütteten aus einem Eimer Fäkalien in das Wageninnere. In einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM" veröffentlichten Taterklärung bezichtigt sich eine der autonomen Szene zuzurechnende Gruppe mit der Bezeichnung "Der Exkreminator" des Anschlages als praktischen Widerstand gegen die, die uns mit ihrer Umstrukturierung und ihrem Profitstreben angreifen. 20. Januar Brandanschlag auf das Kino "Babylon", Rosa-Luxemburg-Platz 30 (Berlin-Mitte). Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter setzten in den Räumlichkeiten des Kinos Computerpapier in Brand, beschädigten den Panzergeldschrank und sprühten auf ein Veranstaltungsplakat ein Hakenkreuz. Hintergrund dürfte eine geplante Diskussionsveranstaltung zu einem Film über die Ereignisse um die Maueröffnung 1989 sein, an der neben Vertretern des "Neuen Forum", der SPD und der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) auch der Berliner Bun- 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 243 destagsabgeordnete Heinrich LUMMER (CDU) teilnehmen sollte. 21. Januar Brandanschlag auf einen Pkw in Berlin Schöneberg. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter schlugen mit einem Kalksandstein die Heckscheibe eines BMW der 3er Serie ein und warfen eine Brandflasche in das Wageninnere. Das Fahrzeug brannte weitgehend aus. 22. Januar Veranstaltung des autonomen "Antifaschisten Info Blattes" zum Prozeß gegen Gerhard BÖGELEIN. Eingeladen waren Vertreter autonomer Gruppen aus Hamburg, Kiel und Neumünster. Im Rahmen einer bundesweiten Veranstaltungsreihe unter dem Motte "Gegen das Vergessen - Freiheit für Gerhard BÖGELEIN" referierten vier "Widerstandskämpfer" vor etwa 80 Personen, die überwiegend der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) zuzurechnen waren, über die Hintergründe des Prozesses und die "Freilassungskampagne". BÖGELEIN war im Mai 1992 vom Landgericht Hamburg wegen eines im Juni 1947 begangenen Mordes an dem damaligen "Stabsrichter der Kriegsgerichtsbarkeit", Erich KALLMERTEN, im Kriegsgefangenenlager Klaipeda (ehemalige Sowjetunion) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. 24. Januar Aktionen gegen eine Veranstaltung der rechtsextremistischen "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V." und des "HOFFMANN-VON-FALLERSLEBENBildungswerkes e. V.". Etwa 20 - 30 Personen aus einer Ansammlung von insgesamt ca. 80 Angehörigen der autonomen Szene zogen vom U-Bahnhof Borsigwerke (Berlin-Reinickendorf) zum Veranstaltungslokal "St. Hubertus", Schulzendorfer Straße 3, um die traditionelle "Reichsgründungsfeier" der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 244 e. V." zu stören. Eine Fensterscheibe des Lokals wurde - vermutlich aus der Gruppe Autonomer - durch einen Steinwurf zerstört. Die Polizei verhinderte weitere Ausschreitungen. 24. Januar Sachbeschädigungen an verschiedenen Geschäften in Berlin-Friedrichshain. Etwa 150 Angehörige der örtlichen autonomen Szene warfen die Fensterscheiben mehrerer Geschäfte ein, setzten im Vorraum einer Bank einen Geldautomaten in Brand und errichteten Barrikaden auf der Frankfurter Allee/Samariterstraße. Wie aus einem in der Publikation "die tageszeitung" (taz) vom 26. Januar abgedruckten Interview mit einem Autonomen hervorgeht, handelte es sich bei den Ausschreitungen um Reaktionen auf die Ermordung von Kerstin WINTER, einer Angehörigen der Freiburger autonomen Antifa-Szene, die am 22. Januar mit einer ihr zugesandten Paketbombe getötet worden war. Für den Mordanschlag machen Autonome Rechtsextremisten verantwortlich. 25. Januar Demonstration vom Wittenbergplatz (Berlin-Schöneberg) zum Adenauerplatz (Berlin-Charlottenburg) anläßlich der Tötung von Kerstin WINTER. Bis zu 250 Personen, überwiegend Frauen, darunter viele Angehörige des autonomen Spektrums, zogen unter dem Motto "Wandelt Trauer in Wut und Wut in Widerstand" über den Kurfürstendamm. Transparente trugen Aufschriften wie "Kerstin von Faschisten ermordet - Kampf dem Rechtsterror" und "Kampf dem Faschismus - Sexismus - Rassismus". 25726. Januar Beschädigungen an über 30 Fahrzeugen der Deutschen Bundespost Telekom und einem dazwischen geparkten Privat-Pkw an insgesamt drei Tatorten in Berlin-Mitte. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 245 Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter zerstachen Reifen und sprühten u. a. die Parolen "No Olympic", "NOIympic's in Berlin" und "No Berlin". Die Sachbeschädigungen dürften im Zusammenhang mit der Übergabe der Berliner Bewerbungsschrift für die Austragung der Olympischen Spiele im Jahr 2000 an das IOC am 27. Januar stehen. Die Telekom-Fahrzeuge waren mit Olympia-Werbeaufklebern versehen. 26. Januar Sachbeschädigungen auf dem Güterbahnhof Tempelhof/Hoeppnerstraße an Baufahrzeugen der an dem Bauvorhaben Oberbaumbrücke beteiligten Firma Kemmer. Das autonome Szeneblatt "INTERIM", Nr. 226, vom 4. Februar, veröffentlichte ein Schreiben einer der autonomen Szene zuzurechnenden Gruppe mit der Bezeichnung "BbB (Bürger/innen beobachten Bauunternehmen)" an das Unternehmen. Darin heißt es, "daß am 26.01. 10 Reifen an 3 Bauwagen und 1 Lkw ihre Luft verloren haben". Die Baufirma beteilige sich an Aufträgen, die "gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gerichtet" seien. Die Sachbeschädigungen seien als Denkanstoß zur Überprüfung der Firmenpolitik, insbesondere des "Engagements an der Oberbaumbrücke" zu verstehen. 27. Januar Demonstration vom Rosa-Luxemburg-Platz (BerlinMitte) zum S-Bahnhof Schönhauser Allee (BerlinPrenzlauer Berg) anläßlich der Ermordung von Kerstin WINTER. Etwa 1 000 Personen, darunter zahlreiche z. T. vermummte Angehörige insbesondere der autonomen Szene im Ostteil der Stadt sowie einzelne Angehörige des RAF-Umfeldes und der militant-maoistischen "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM), verhielten sich z. T. äußerst aggressiv. Man beschädigte Schaufensterscheiben und Kraftfahrzeuge. Polizei- 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 246 beamte wurden mit Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen. Die Polizei verhinderte größere Ausschreitungen. 30. Januar Sachbeschädigungen in Berlin-Friedrichshain an einem Pkw der Luxusklasse. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter besprühten einen Pkw der Marke Daimler-Benz u. a. mit der Parole "Bonzen raus". 30. Januar Beteiligung eines breiten linksextremistischen Spektrums an einer Demonstration vom Martin-GropiusBau, Stresemannstraße (Berlin-Kreuzberg), zum Bebelplatz (Berlin-Mitte) anläßlich des 30. Jahrestages der Ernennung Adolf HITLERs zum Reichskanzler. Angemeldet wurde die Veranstaltung, die unter dem Motto "Aufstehen und Widerstehen - gemeinsam gegen Rechts" stand, von der "Friedenskoordination Berlin" und einem "Bündnis 30. Januar". An dem Aufzug beteiligten sich bis zu 6 500 Personen, darunter Mitglieder der trotzkistischen "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD), der maoistisch ausgerichteten "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) und der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) Berlin/Brandenburg sowie etwa 60 Angehörige der autonomen Szene insbesondere aus Ost-Berlin und Anhänger autonomer Antifa-Gruppen. 30. Januar Besetzung der neubezogenen Landesgeschäftsstelle der Partei "Grüne/Alternative Liste", Oranienstraße 25 (Berlin-Kreuzberg). Mehrere Personen, die der autonomen Szene zuzurechnen sind, drangen in die Räume ein und verbarrikadierten sie von innen. Beim Eintreffen der Polizei flüchteten sie über den Hintereingang und die Dächer der umliegenden Häuser. Zwei Personen wurden als Tatverdächtige festgenommen. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 247 In Flugblättern begründen die "Besetzerinnen" die Aktion damit, daß die "Grünen/AL" "mittlerweile für eine vorgeblich nicht staatlich durch alte kiezmafiaähnlich organisierte und durch überk(n)ommene Eigentumsverhältnisse abgesicherte Umstrukturierung der modernistischen neukapitalistischen Variante" stehen würden. 31. Januar Angriffe gegen einen vermeintlichen Rechtsextremisten auf dem Verbindungsweg zwischen FranzStenzer-Straße und Märkische Allee (Berlin-Marzahn). Vier, der autonomen Szene zuzurechnenden Personen verfolgten einen in der rechtsextremistischen Szene verkehrenden Mann mit einem Kleinbus einer Mietwagenfirma. Nachdem sie ihn angehalten und als "Scheiß Nazi" beschimpft hatten, raubten die Täter seine sog. Bomberjacke, den Ausweis, Führerschein und einen Walkman. Offensichtlich dieselbe Gruppe raubte einige Stunden später einem anderen Opfer im Bereich Ehrlichstraße/Heiligenberger Straße (Berlin-Karlshorst) eine "Bomberjacke", einen Walkman und Schlüssel. 2. Februar Versuchter Brandanschlag in Berlin-Prenzlauer Berg auf ein Polizeifahrzeug. Unbekannte, der örtlichen autonomen Szene zuzurechnende Täter versuchten, mit einem Brandsatz ein vor der Polizeidienststelle Schönhauser Allee 22 abgestelltes Polizeifahrzeug in Brand zu setzen. Die Zündvorrichtung funktionierte jedoch nicht. 6. Februar Angriffe Autonomer gegen einen Vertreter der "Neuen Rechten" Frankreichs in Berlin-Mitte. Etwa 20 Angehörige der autonomen Szene drangen in die Räume der "Neuen Gesellschaft für Literatur", Rosenthaler Straße 38, ein, führten den als Gastredner eingeladenen Alain de BENOIST aus den Räumen und schlugen ihm in das Gesicht. De BENOIST sollte 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 248 an einer von der "Kunst & Kultur GmbH" und dem Radiosender "DS-Kultur" organisierten Diskussionsveranstaltung zum Thema "In den Grenzen der Aufklärung: Welchen Wert hat das Fremde" zwischen Vertretern der "Alten Linken" und "Neuen Rechten" teilnehmen. Die Veranstaltung wurde aufgrund dieser Aktion und weiterer angekündigter Störungen letztendlich abgesagt. 15. Februar Angriff gegen einen vermeintlichen Rechtsextremisten in Berlin-Tiergarten. Drei der autonomen Szene zuzurechnende Personen bedrohten an einer BVG-Haltestelle in der Beussel-/ Seestraße einen 22jährigen Mann mit einem Messer, raubten ihm u. a. Geld, den Personalausweis, eine Monatskarte, die Bomberjacke, einen Walkman und die Wohnungsschlüssel. Die Täter entfernten sich mit den Worten "Scheiß Nazi, das sollte Euch eine Lehre sein". 16. Februar Brandanschlag auf einen Pkw der Luxusklasse vor dem Grundstück Reichenberger Straße 133 (BerlinKreuzberg). Fünf bis sechs vermummte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter schlugen die Seitenscheibe eines Daimler Benz Cabrio 560 SEC, der auf eine Sanierungsfirma in Neumünster zugelassen ist, ein und warfen einen brennenden flaschenähnlichen Gegenstand in das Wageninnere. Der Pkw brannte aus. 18. Februar Selbstbezichtigung einer der autonomen Szene zuzurechnenden Gruppe mit der Bezeichnung "Die autonomen Sandmänner/frauen" zu einem angeblichen Anschlag gegen Baufahrzeuge der an dem Bauvorhaben Oberbaumbrücke beteiligten Firma Kemmer in Steinstücken (Berlin-Zehlendorf). 5 -Anhang II: Chronologie 1993249 19. Februar Störungen der Eröffnungsveranstaltung zum Bezug der neuen Landesgeschäftsstelle der Partei "Grüne/ Alternative Liste", Oranienstraße 25 (Berlin-Kreuzberg). Etwa 10 der autonomen Szene zuzurechnende Personen klebten im Eingangsbereich des Gebäudes Plakate. 24. Februar Sachbeschädigung an einem Schreibwarengeschäft Alt-Lietzow 7 (Berlin-Charlottenburg). Unbekannte, vermutlich Angehörige der autonomen Gruppierung "Edelweiß Piraten", zerstörten die Seitenscheibe des Schaufensters. Zwei Tage zuvor hatte die Inhaberin des Geschäftes Flugblätter dieser Gruppe erhalten, in denen dazu aufgefordert wird, keine "faschistischen, rassistischen" bzw. "antisemitischen Zeitungen" zu verkaufen. 24. Februar Angriff gegen des Programm-Kino "Sputnik", Hasenheide 54 (Berlin-Kreuzberg). Sechs bis acht unbekannte vermummte Personen besprühten nach Ende der letzten Vorstellung den Vorführer mit Tränengas und beschädigten zwei Spulen des gezeigten Films "Terror 2000" mit Säure. Der Film behandelt in satirischer Form u. a. die Vereinigung Deutschlands. 6. März Angriffe gegen vermeintliche Rechtsextremisten in Berlin-Köpenick. Vermutlich autonome Gewalttäter, die sich in einer Gruppe von 25 Personen in einer Wohnung des Hauses Elcknerplatz 2 aufhielten, bewarfen fünf Passanten u. a. mit Kleinpflastersteinen und Flaschen und beschossen sie mit Katapultund Luftdruckmunition. Einer der Geschädigten, die offenbar wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes für Rechtsextremisten gehalten wurden, erlitt eine Platzwunde am Kopf. 5 -Anhang II: Chronologie 1993250 8. März Demonstration zum Internationalen Frauentag unter dem Motto "Widerstand war, ist, wird immer sein, so lange es noch Kapitalismus, Sexismus, Rassismus, Faschismus, Antisemitismus gibt!" Veranstalter des Aufzuges waren "Autonome Frauengruppen". Bis zu 700 Anhänger verschiedener "Frauenund Lesbengruppen" zogen vom Rosenthaler Platz zum RosaLuxemburg-Platz (Berlin-Mitte). Ein Polizeifahrzeug wurde mit einem Farbbeutel beworfen. 10. März Drohschreiben der Gruppierung "Klasse gegen Klasse" an den Chefredakteur der Publikation "die tageszeitung" (taz), Gerd NOWAKOWSKI. In dem an die Berliner Lokalredaktion der taz gerichteten Schreiben, dem eine Broschüre sowie eine 9-Millimeter-Revolver-Patrone beigefügt waren, fordern die Absender den Abdruck der Beilage und drohen im Falle der Verweigerung mit Knieschüssen auf den Journalisten. In der mitversandten, von der Gruppierung "Klasse gegen Klasse" herausgegebenen Broschüre sind Texte zu den Themen "Klassenkampf und "Umstrukturierung" sowie eine "AUSWAHL VON PROLETARISCHEN KLASSENANGRIFFEN AB APRIL 1992" zusammengestellt. 12. März Beschädigung eines BVG-Busses, Scharnweberstraße (Berlin-Friedrichshain). Etwa fünf vermummte unbekannte Täter, die der örtlichen autonomen Hausbesetzerszene zuzurechnen sind, zerstörten vier Seitenscheiben eines vorbeifahrenden BVG-Busses durch Steinwürfe. Busfahrer und Fahrgäste blieben unverletzt; die Täter konnten unerkannt flüchten. 5 -Anhang II: Chronologie 1993251 12713. März Beschädigung mehrerer Zeitungskioske. Unbekannte Täter, vermutlich Anhänger der verdeckt arbeitenden autonomen Antifa-Gruppe "Edelweiß Piraten", verklebten in den Berliner Bezirken Hohenschönhausen, Prenzlauer Berg, Lichtenberg, Friedrichshain und Marzahn die Schlösser von mindestens acht Zeitungskiosken. 13. März Beschädigung eines Schleppers der Firma Kemmer. Eine Gruppierung mit der Bezeichnung "Die Zuckersüssen" bezichtigt sich in einer von dem autonomen Szeneblatt "INTERIM, Nr. 233, vom 25. März, veröffentlichten Taterklärung, Zucker und Montageschaum in Tank und Motor des Schiffes geschüttet zu haben. Die Bekennung ohne Ortsangabe endet mit der Parole "KEIN AUSBAU DER OBERBAUMBRÜCKE". 13. März Farbschmierereien auf den U-Bahnhöfen Moritzplatz und Prinzenstraße (Berlin-Kreuzberg) im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne. Zwei der autonomen Szene zuzurechnende Täter malten mittels einer Schablone Olympia-Maskottchen mit durch rote Farbe angedeutetem Kopfschuß auf Wände der U-Bahnhöfe. 14./15. März Beschädigungen an 29 Filialen der Berliner Bank. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter schlugen an acht Zweigstellen Schaufensterscheiben ein und verklebten an 21 Depositenkassen Türschlösser. Drei Täter konnten gestellt werden. 15./24. März Beschädigungen an einer Filiale der Berliner Bank, Kaiser-Wilhelm-Straße 72 (Berlin-Lankwitz), im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter verklebten dreimal das Schloß des Nachttresors. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 252 19721. März Beschädigung mehrerer Pkw der Luxusklasse in den Berliner Bezirken Kreuzberg, Neukölln und Hohenschönhausen im Rahmen der Kampagne Autonomer gegen die "Umstrukturierung" Berlins. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, zerstachen zahlreiche Reifen an insgesamt 16 Fahrzeugen, davon 13 der Marke DaimlerBenz. An einer Karosse schlug man die Scheinwerfer ein. 20. März Demonstration in Berlin-Tiergarten gegen die geplante Asylrechtsänderung durch Neufassung des Artikels 16 Grundgesetz. Etwa 70 Angehörige der autonomen Szene, Anhänger verschiedener Antifa-Gruppen sowie vereinzelt der trotzkistischen "IV. Internationale", führten vom U-Bahnhof Turmstraße einen "antifaschistischen Spaziergang" zur Putlitzbrücke durch. 20. März Erneute Sachbeschädigung an einer Filiale der Berliner Bank, Johannisthaler Chaussee 295 (BerlinBuckow). Unbekannte Täter schlugen die provisorisch reparierte Schaufensterscheibe ein. 21. März Sprühaktion in Berlin-Charlottenburg gegen die Bewerbung Berlins für die Austragung der Olympischen Spiele im Jahre 2000. Unbekannte Täter, vermutlich Anhänger des von Autonomen dominierten "Anti-Olympia-Komitees" (AOK), sprühten am Südtor des Olympiastadions, Coubertinplatz, mit Schablonen die Parolen "Volxsport statt Olympia 2000", "No Olympic City" sowie das Bärensymbol "Olympia 2000". 21. März Farbanschlag auf eine Filiale der Deutschen Bank, Frankfurter Allee 52 (Berlin-Friedrichshain). 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 253 Unbekannte, der örtlichen autonomen Szene zuzurechnende Täter bewarfen die Zweigstelle mit Farbbeuteln. 25. März Farbschmierereien in Berlin-Tiergarten, Straße des 17. Juni, im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Unbekannte Täter, wahrscheinlich Angehörige der autonomen Szene, beschmierten einen Sattelzuganhänger aus Hamburg u. a. mit den Parolen "Kampf dem Olympiawahn in Berlin 2000" und "Kampf den IOC-Establishment NO Olympic". . 25726. März Beschädigung mehrerer Fahrzeuge auf dem Grundstück Oranienstraße 185 (Berlin-Kreuzberg) im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter, zerstachen in einem Hinterhof insgesamt 14 Reifen von fünf Fahrzeugen einer dort ansässigen Metallbaufirma, die u. a. im Auftrage des "Förderkreises Olympia 2000 e. V." Arbeiten ausführt. Auf zwei Pkw schmierte man die Schriftzüge "NO Olympic" bzw. "wg Olympia". 26. März Demonstration in Berlin-Wedding gegen die geplante Änderung des Artikels 16 Grundgesetz. Etwa 25 der autonomen Szene zuzurechnende Teilnehmer führten unter dem Motto "Gegen Asylkompromiß" einen Aufzug vom U-Bahnhof Amrumer Straße zum U-Bahnhof Leopoldplatz durch. 28729. März Beschädigung mehrerer Baufahrzeuge einer an dem Bauvorhaben Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) beteiligten Firma. Angehörige einer "Autonomen Gruppe Henry Maske" setzten auf dem Grundstück Ziegelstraße 5 (BerlinMitte) einen Vorderlader in Brand. Das Führerhaus 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 254 wurde erheblich beschädigt. Eigentümer des Fahrzeuges ist ein Unternehmen, das als Subunternehmen Aufträge für die Firma Kemmer ausführt. 31. März/ 1. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter verklebten Türschlösser von Filialen des "Deutschen Reisebüros" (DER), Kurfürstendamm 17 und Augsburger Straße 27 (Berlin-Charlottenburg). Anlaß dürften Olympia-Werbeplakate in den Auslagen der Geschäftsstellen gewesen sein. 1. April Sachbeschädigung im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. In einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 235, vom 8. April, unter der Überschrift "In Berlin ist der Bär los! ANTI-OLYMPIA 2000!" abgedruckten Taterklärung bezichtigt sich eine Gruppe mit der Bezeichnung "Die Berliner Pandas", an 60 Geschäftslokalen von Olympia-Sponsoren und -Unterstützern u. a. Türschlösser verklebt zu haben. 1. April Vollversammlung im Mehringhof, Gneisenaustraße 2a (Berlin-Kreuzberg), zur Vorbereitung der sog. Revolutionären 1. Mai-Demonstration. An der Veranstaltung nahmen bis zu 150 Personen, überwiegend Angehörige der autonomen Szene so wie zum geringen Teil linksextremistischer Organisationen, so die "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD), "Bolsevik Partizan" und "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK), teil. 2. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. Vermutlich Angehörige der autonomen Szene steckten eine Nadel in das Schloß des Bewag-Kunden- 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 255 treffs, Tempelhofer Damm 140 (Berlin-Tempelhof), und füllten es mit Klebstoff. 4. April Spontanaufzug von Angehörigen der (autonomen) Hausbesetzerszene in Berlin-Friedrichshain. Polizeibeamte stellten ein an der Fassade des Hauses Schreinerstraße 47 angebrachtes Anti-OlympiaTransparent mit der Aufschrift "Olympia-Bonzen angreifen ..." wegen Verdachts einer Straftat sicher. Innerhalb weniger Minuten versammelten sich - u. a. über eine Telefonkette alarmiertetwa 150 Personen vor dem Haus. Ca. 100 von ihnen bildeten einen Protestzug, der durch die umliegenden Straßen führte. 4. April Beteiligung von etwa 150 Angehörigen der autonomen Szene an einer Fahrraddemonstration mehrerer alternativer Gruppen unter dem Motte "NOIympia". Der Fahrradkorso führte mit anfänglichen 350 Personen vom Roten Rathaus (Berlin-Mitte) zur Rummelsburger Bucht (Berlin-Treptow). Am Endplatz hielten etwa 800 Personen eine Kundgebung ab. Bis auf einzelne Sachbeschädigungen am Rande der Fahrroute kam es zu keinen Zwischenfällen. 4. April Angriffe auf Polizeibeamte in Berlin-Schöneberg. Etwa 40 Personen, Bewohner des Hauses Mansteinstraße 10 sowie Schaulustige, griffen Polizeibeamte an, die gegen die Olympia-Bewerbung gerichtete Farbschmierereien entfernen wollten. Sie attackierten dabei u. a. mit Fußtritten und Faustschlägen die eingesetzten Beamten. Eine Frau wurde vorübergehend wegen Widerstands festgenommen. 4./5. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne in Berlin-Kreuzberg. Vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe bekennen sich in einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 235, vom 8. April, veröffentlichten Tat- 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 256 erklärung, die Schlösser der Eingangstür sowie von Fahrzeugen der Firma R & F-Logistik, Bevemstraße 4, unbrauchbar gemacht zu haben. Weiterhin hätten sie die Firmenautos beschmiert und Luft aus den Reifen gelassen. Das Unternehmen sei für die Verteilung der Broschüre "Berlin 2000 - Das Olympia-Magazin" verantwortlich. 576. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Personen zerstörten fünf Schaufensterscheiben einer Geschäftsstelle der Deutschen Bundespost Telekom, Karl-Marx-Straße 130 (Berlin-Neukölln). An die Aussenfassade sprühten sie die Worte "Telekom NOIympia", an eine Scheibe klebten sie einen Aufkleber mit dem Text "Olympia Nein Danke". 6. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. Vermutlich Angehörige der autonomen Szene zerstachen am Weigandufer (Berlin-Neukölln) drei Reifen und schlugen vier Fenster eines Firmenfahrzeuges des Unternehmens Siemens ein. Auf eine Seite des VW-Transporter sprühten sie den Schriftzug "Gegen Olympia". 6. April "Autonome" Vollversammlung im Mehringhof, Gneisenaustraße 2a (Berlin-Kreuzberg), zur Vorbereitung der sog. Revolutionären 1. Mai-Demo. Etwa 30 Personen, überwiegend Autonome sowie einzelne Angehörige der türkischen "Bolsevik Partizan", diskutierten ergebnislos über die eventuelle Bildung eines sog. "schwarzen" bzw. "autonomen" Blocks während des Aufzuges, Teilnehmer äußerten die Befürchtung, daß man aufgrund fehlender Repräsentanz in der Vorbereitungsgruppe für die Demonstration 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 257 während des Aufzuges insbesondere gegenüber den sog. K-Gruppen nicht genügend eigene Inhalte vermitteln könnte. 7. April Vollversammlung im Mehringhof, Gneisenaustraße 2a (Berlin-Kreuzberg), unter dem Motto "Volxsport statt Olympia" zur Vorbereitung von Protestaktionen anläßlich des Besuchs der IOC-Prüfungskommission in Berlin vom 17. bis 21. April. Bis zu 120 Personen, überwiegend Angehörige der autonomen Szene, wurden von führenden Autonomen in die Planungen eingewiesen. Danach sollten im Rahmen des sog. Lappenund Parolen-Krieges verstärkt Transparente, Plakate und Farbschmierereien für die die IOC-Prüfungskommission ein negatives Stadtbild erzeugen. Es hieß, sofern man in Erfahrung bringen könne, wann die IOC-Mitglieder anreisten und in welchem Hotel sie abstiegen, wolle man ihnen einen "entsprechenden Empfang" bereiten. Den Höhepunkt sollte die Anti-Olympia-Demo am 18. April darstellen. 8. April Angriffe gegen einen vermeintlichen Rechtsextremisten in Berlin-Schöneberg. Fünf der autonomen Szene zuzurechnende Täter fragten auf dem U-Bahnhof Kleistpark einen Mann, ob er "Rechts" sei. Nach dessen Bestätigung schlugen und traten sie ihn und raubten ihm Geld und Papiere. Das Opfer mußte sich in ärztliche Behandlung begeben. 879. April Brandanschlag auf eine Bank im Rahmen der AntiOlympia-Kampagne. Vermutliche Angehörige einer autonomen Kleingruppe entzündeten den Briefkasten einer Filiale der Berliner Bank, Drakestraße 48a (Berlin-Steglitz). Diverse Vordrucke und Briefe verbrannten. Die Täter hinterließen einen Aufkleber mit der Aufschrift "Volxsport statt Olympia 2000". 5 - Anhang II: Chronologie 1993 * 258 8./13. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. Vermutlich Angehörige autonomer Kleingruppen ramponierten während bzw. unmittelbar vor und nach dem Oster-Wochenende an Gebäudefronten mehrerer Unternehmen zahlreichen Außenanlagen. 10. April Angriffe gegen vermeintliche Rechtsextremisten in Berlin-Lichtenberg und -Friedrichshain. Eine Gruppe von vier der autonomen Szene zuzurechnenden Personen beschimpfte auf dem S-Bahnhof Friedrichsfelde-Ost einen Fahrgast als "FaschoSchwein", griff ihn u. a. mit einer Stahlrute und einem Butterflymesser an und raubte im eine Lederjacke mit Geld, Papieren und Schlüsseln. Auf dem nächstgelegenen S-Bahnhof Springpfuhl soll die Tätergruppe nach Zeugenaussagen eine weitere Person attackiert haben. Auf dem S-Bahnhof Ostkreuz schlugen bis zu 30 vermutliche Angehörige der autonomen Szene auf zwei Jugendliche ein und raubten einem weiteren eine Jeansjacke. 11./12. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Personen, zerstachen auf dem Grundstück Lefevrestraße 2 (Berlin-Schöneberg), die Reifen eines Fahrzeuges der Firma Schamoni Medien GmbH (Radio Hundert,6) und zerkratzten zwei Olympia-Werbeaufkleber. Sie hinterließen einen Aufkleber mit folgender Aufschrift: "Das IOC kommt Olympia 2000 verhindern Demo 18.04. 15.00 Uhr Checkpoint Charlie". 13. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne in Berlin-Friedrichshain. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter zerstachen auf dem Grundstück Landsberger 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 259 Allee 77 drei Reifen eines mit Olympia-Werbeaufklebern versehenen Pkw aus Zossen (Brandenburg). 13. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne in Berlin-Friedrichshain. Vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe beschädigten auf dem Grundstück Frankfurter Allee 21a eine Schaufensterscheibe der Berliner Bank und beschmierten die Hauswand mit dem Schriftzug "IOC Bonzen angreifen". 13/14. April Brandanschläge im Rahmen der Anit-Olympia-Kampagne in Berlin-Schöneberg und -Neukölln. Vermutlich Angehörige der autonomen Szene deponierten in den Kaufhäusern KaDeWe, Tauenzienstraße 21, und Hertie, Karl-Marx-Straße 92-98, Brandsätze, die gegen Mitternacht zündeten. Es entstand z. T. erheblicher Sachschaden. Zu den Anschlägen bekannte sich eine Gruppe mit der Bezeichnung "kommando na na nawrocki". 15. April Angriff gegen vermeintliche Rechtsextremisten in Berlin-Friedrichshain. 15-20 Personen, vermutlich Angehörige der örtlichen autonomen Szene, beschimpften an der Einmündung Frankfurter Allee/Kinzigstraße acht Jugendliche als "Faschos", schlugen zwei von ihnen und entwendeten einem weiteren das Fahrrad. 15716. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne in Berlin-Pankow. Vermutlich Angehörige der autonomen Szene warfen mit einem Pflasterstein die Schaufensterscheibe des "Telekom-Center Spitze", Prenzlauer Promenade 184, ein und klebten einen Zettel mit der Aufschrift "fuck Olympia af/bs + Kommando Gaston". 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 260 16. April Brandanschlag auf die Berliner Parteizentrale der SPD, Müllerstraße 163 (Berlin-Wedding). Vermutlich Angehörige der autonomen Frauenbewegung drangen über ein Baugerüst in einen Büroraum des SPD-Landesverbandes ein, gössen aus einem 10-Liter-Benzinkanister Kraftstoff auf den Teppichboden und legten einen Pappkarton mit einer Zündvorrichtung ab. Der Brandsatz wurde von Reinigungskräften entdeckt und von Polizeibeamten kurz nach dem Entzünden unschädlich gemacht. In einer Taterklärung wendet sich eine Gruppierung mit der Bezeichnung "FrauenLesben" gegen "Die Annexion und Abwicklung der DDR, die faktische Außerkraftsetzung des Grundrechts auf Asyl, den abzusehende^) Einsatz der Bundeswehr bei UNOEinsätzen, Berlin als Hauptstadt und die Propagandamaschine für Olympia 2000 in Berlin ...". Der SPD werfen sie vor, als größte Oppositionspartei "wieder einmal an der Durchsetzung imperialistischer Interessen dieses Landes maßgeblich beteiligt" zu sein. 16. April Brandanschlag auf Fahrzeuge der Firma WV Staamann, Ollenhauerstraße 7 (Berlin-Reinickendorf) im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Unbekannte Täter gelangten durch Zerstören der Seitenscheibe bzw. durch Öffnen unverriegelter Türen in das Innere von drei Pkw, schütteten Benzin hinein und entzündeten es. Die Fahrzeuge brannten aus, zwei weitere wurden beschädigt. 16. April Sachbeschädigung im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne in Berlin-Prenzlauer Berg. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe, warfen in dem Gebäude Greifswalder Straße 87/88 mit einem Pflasterstein eine Schaufensterscheibe der Sparkasse ein und brachten einen Aufkleber mit der Aufschrift "Kommando Gaston gegen Olympic Sponsis" an. 5 -Anhang II: Chronologie 1993261 16. April Sachbeschädigung im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne in Berlin-Hohenschönhausen. Vermutlich Angehörige der örtlichen autonomen Szene warfen eine Schaufensterscheibe der Sparkasse, Konrad-Wolf-Straße 1, ein, die mit OlympiaWerbeaufklebern versehen war. 16./19. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne in Berlin-Wilmersdorf. Vermutlich linksextremistisch motivierte Gewalttäter warfen die Scheibe der Eingangstür einer Versicherungsgesellschaft, Güntzelstraße 55, ein. In der Auslage befanden sich Werbeartikel der Berlin 2000 Marketing GmbH. 18. April Anti-Olympia-Demonstration. Etwa 9 000 Personen, darunter ca. 900 Angehörige der autonomen Szene, zogen friedlich vom "Checkpoint Charlie" (Berlin-Kreuzberg) zum Gendarmenmarkt (Berlin-Mitte). Angehörige autonomer Kleingruppen bewarfen mehrmals Polizeibeamte mit Steinen und Feuerwerkskörpern. Insbesondere vor dem Sitz der Olympia 2000 GmbH, Breite Straße (Berlin-Mitte), versuchten sie, größere Ausschreitungen zu initiieren. Ein konsequentes Eingreifen der eingesetzten Polizeibeamten unterband die beginnenden Krawalle. Etwa 400 Angehörige der autonomen Szene, mobilisiert durch Aufrufe während der Anti-OlympiaDemonstration, versuchten, in den Abendstunden zum Hotel Kempinski, Kurfürstendamm 27 (Berlin-Charlottenburg), vorzudringen, um dort einen eventuellen Aufenthalt von IOC-Mitgliedern zu stören. Polizeibeamte verhinderten Ausschreitungen. In Kreuzberg und Prenzlauer Berg verübten autonome Kleingruppen vereinzelte Sachbeschädigungen. Befürchtete größere Aktionen blieben jedoch aus. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 262 18. April Versuchter Brandanschlag auf einen Pkw im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne in Berlin-Lankwitz. Vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe legten in der Frobenstraße 31 einen Brandsatz unter einen mit diversen Olympia-Werbeaufklebern versehenen Mercedes Benz, der jedoch nicht zündete. Bei einer Taxizentrale ging eine Bombendrohung ein, in der mitgeteilt wurde, daß in der Frobenstraße in Lankwitz im Rahmen einer Anti-Olympia-Aktion mehrere Sprengsätze "hochgehen" würden. Bei einer Absuche des betreffenden Bereichs wurden jedoch keine weiteren Laborate gefunden. 18./19. April Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. Anläßlich des Besuch der IOC-Prüfungskommission vom 17.-21. April in Berlin zerstörten Angehörige einer der autonomen Szene zuzurechnenden Gruppe mit der Bezeichnung "Die Ruhestörerinnen" Schaufensterscheiben von drei Filialen der Schreibwarenhandlung McPaper. In einer von dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 237, vom 22. April, veröffentlichten Taterklärung wenden sich die Täter gegen "Olympia, Umstrukturierung und Hauptstadtwahn". Das Selbstbezichtigungsschreiben endet mit der Parole "IOC und alle anderen Bonzen angreifen". 19. April Nicht angemeldeter Fahrradkorso im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne. Etwa 400 Personen, darunter ca. 100 Angehörige des linksextremistisch motivierten Gewaltpotentials, fuhren vom Alexanderplatz (Berlin-Mitte) in Richtung Kurfürstendamm (Berlin-Charlottenburg) und versuchten, in die von der Polizei abgesperrten Bereiche um das Hotel Kempinski einzudringen. Zu der Demonstration war während der Anti-Olympia-Demonstration am 18. April mobilisiert worden. 5 -Anhang II: Chronologie 1993263 Die Polizei nahm 40 Personen vorläufig fest und stellte u. a. 20 Fahrräder, einen Metallschlagstock, ein Butterflymesser und einen Gasrevolver sicher. 20. April Angriffe gegen Polizeibeamte in Berlin-Friedrichshain. Vermutlich linksextremistisch motivierte Gewalttäter streuten auf die Frankfurter Allee, Höhe Haus Nr. 41, sog. Krähenfüße und bewarfen ein vorbeifahrendes Polizeifahrzeug mit Molotowcocktails. Ein Brandsatz verfehlte das Fahrzeug, ein weiterer prallte auf das Dach, ohne zu zünden. Ein Reifen wurde durch die Krähenfüße beschädigt. 20. April Bombendrohung gegen das Hotel Kempinski, Kurfürstendamm 27 (Berlin-Charlottenburg). Vermutlich Angehörige der autonomen Szene riefen kurz nach 00.00 Uhr bei der Rezeption des Hotels an und sprachen eine Bombendrohung aus. Danach war die Zündung eines Sprengsatzes gegen 02.00 Uhr in der Hotelhalle vorgesehen. Weitere Informationen hierzu sollten in einem weiteren Telefonanruf folgen. Es wurde weder ein Sprengsatz gefunden, noch meldeten sich die Anrufer ein weiteres Mal. 20./21. April Brandanschlag auf Fahrzeuge der Deutschen Bundespost Telekom in Berlin-Wedding im Rahmen der AntiOlympia-Kampagne. Vermutlich Angehörige einer örtlichen autonomen Kleingruppe überschütteten auf dem Grundstück Soldiner Straße 81 sechs Telekom-Servicefahrzeuge mit Benzin und entzündeten diese. Zwei Fahrzeuge brannten aus, zwei weitere wurden beschädigt. Die Feuerwehr verhinderte ein Übergreifen der Flammen auf weitere Fahrzeuge. Zu der Tat bekannte sich eine "Volxsportgruppe NOIympisches Feuer". 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 264 22. April Vollversammlung Autonomer im Versammlungsraum des Mehringhofs, Gneisenaustraße 2a (Berlin-Kreuzberg), zur Vorbereitung der sog. Revolutionären 1. Mai-Demonstration. Nachdem es in dem Vorbereitungsplenum aufgrund von Differenzen zwischen Autonomen und Anhängern der sog. K-Gruppen über Inhalte und Ziele des Aufzuges sowie über die Beteiligung von Angehörigen der stalinistisch-maoistischen "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) fast zu einer Spaltung gekommen war und das Projekt einer gemeinsamen Demonstration zu scheitern drohte, führten Autonome eine eigene "Vorbereitungsveranstaltung" durch. Bis zu 200 Personen, überwiegend Angehörige der autonomen Szene sowie zum geringeren Teil Anhänger der türkischen Organisation "Bolsevik Partizan" und "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V." (ATIF) wurden darüber informiert, daß sich die verschiedenen Strömungen im Vorbereitungsplenum geeinigt hätten und es nunmehr einen gemeinsamen Demonstrationszug geben werde. Um jedoch gegenüber den sog. K-Gruppen, die am Anfang des Zuges laufen sollten, Eigenständigkeit zu demonstrieren, sei man übereingekommen, einen gesonderten autonomen Block mit einem eigenen Leittransparent zu bilden. 23. April Sachbeschädigungen an einem Pkw der Luxusklasse in Berlin-Zehlendorf im Rahmen der Kampagne Autonomer gegen die "Umstrukturierung" Berlins. Vermutlich Angehörige der autonomen Szene zerschnitten das Verdeck eines Saab 900 Cabrio, legten einen Benzinkanister auf den Beifahrersitz und entzündeten diesen. Ein hierdurch entstandener Schwelbrand konnte vom Besitzer des Fahrzeuges gelöscht werden. Halter des Pkw ist die Münchner Firma ORSYS Organisationssysteme für Unternehmen. 5 -Anhang II: Chronologie 1993265 26. April Sachbeschädigungen an einem Zeitungskiosk, Armenische Straße 12 (Berlin-Wedding) und drei weiteren Zeitungsgeschäften. Unbekannte Angehörige einer Gruppierung mit der Bezeichnung "radikale antiimperialistinnen" verklebten an dem Weddinger Kiosk zwei Schlösser und befestigten zwei Plakate mit der Aufschrift "Dieses Geschäft ist zur Entfernung faschistischer Zeitungen aus unserem Angebot kurzfristig vorübergehend geschlossen". In einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 239, vom 6. Mai, veröffentlichten Taterklärung bezichtigt sich die dem autonomen Spektrum zuzurechnende Gruppe, weitere Zeitungsgeschäfte (S-Bahnhof Hackescher Markt - Berlin-Mitte -, Alt-Moabit 78 - Berlin-Tiergarten - und Schlangenbader Straße 25 - Berlin-Wilmersdorf -) "zeitweilig für den Publikumsverkehr gesperrt" zu haben, "um den Inhaber die Möglichkeit zu geben,, aus ihren Geschäften rassistische und faschistische Zeitungen wie die "NationaleZeitung" und die "Deutsche Wochen-Zeitung" zu entfernen". 1. Mai "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" vom Oranienplatz (Berlin-Kreuzberg) zum Alexanderplatz (BerlinMitte). An dem Aufzug beteiligten sich bis zu 5 500 Personen, darunter etwa 500 gewaltbereite Demonstranten, insbesondere Autonome aus Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Neben MLPD-Angehörigen verteilten Mitglieder der "Spartakist - Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD), "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) und "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) (Gruppe Stuttgart) am Rande des Aufzuges Flugblätter. Ferner nahmen Angehörige der Fraktion "Bolsevik Partizan" der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), Aktivisten der "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutsch- 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 266 land e. V." (ATIF) sowie Mitglieder der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) und türkische Kinder/ Jugendliche (sog. Türken-Kids) teil. Schon in der Anfangsphase kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und RKAngehörigen, die sich - entgegen einer in der Vorbereitungsphase seitens der Veranstalter ausgesprochenen "Duldung" hinter den anderen Marschblöcken - in den Demonstrationszug drängelten. Als Polizeibeamte den Lautsprecherwagen der RK aus dem Demonstrationsfeld entfernten, wurden sie von Angehörigen des Blocks der Autonomen bejubelt. Nach diesen Auseinandersetzungen setzten sich zunehmend vor allem Autonome in Kleingruppen von dem Aufzug ab. Der entstandene "Frust", die Schlägereien mit den RK nicht aus eigener Kraft beendet zu haben, schlug bei den Autonomen in Aggressivität gegenüber ihrem "alten Feindbild", Polizeibeamte, um. Mit Steinen, Molotowcocktails und Feuerwerkskörpern griff man die Ordnungshüter an. Konsequentes Eingreifen der Polizei verhinderte größere Ausschreitungen. 1. Mai Aktion gegen einen Aufmarsch der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Lichtenberg. Bis zu 80 Angehörige der autonomen Szene versuchten, nachdem sie frühzeitig mit einer Vorhut die Lage sondiert hatten, den FAP-Aufzug zu stören. Nach Angaben der Polizei wurden 31 dem "linken Spektrum" zuzuordnende Personen vorläufig festgenommen, gegen 25 wurden Strafverfahren eingeleitet. 1. Mai Gewalttätige Aktionen Autonomer anläßlich einer Tagung der rechtsextremistischen "Deutsch-Europäischen Studiengesellschaft" (DESG) im Hotel "Forsthaus Paulsborn", Am Grunewaldsee (Berlin-Zehlendorf). 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 267 Etwa 80 Angehörige der autonomen Szene versammelten sich vor dem Hotel, verteilten im Gartenlokal Flugblätter an die Gäste, hingen ein Transparent mit der Aufschrift "BERLINERINNEN helft, das Treffen der NEONAZIELITE hier und heute zu VERHINDERN" an den Gartenzaun des Hotels und streuten auf dem anliegenden Parkplatz sog. Krähenfüße aus. Später blockierten zum Teil vermummte Angehörige der Gruppe die Eingänge des Hotels, schlugen einen mutmaßlichen Veranstaltungsteilnehmer zu Boden und raubten seine Herrenhandtasche. Einen weiteren Gast, der die Täter beim Streuen der sog. Krähenfüße fotografierten wollte, warfen sie auf einen geparkten Pkw, anschließend entwendeten sie ihm gewaltsam den Fotoapparat. Gegen das Hotel wurde eine telefonische Bombendrohung ausgesprochen. 1. Mai Ausschreitungen Autonomer und gewalttätiger alkoholisierten Jugendlicher in mehreren Berliner Bezirken, insbesondere in Kreuzberg und Prenzlauer Berg. Etwa 500 Gewalttäter bewarfen in der Umgebung der Adalbertstraße bzw. des U-Bahnhofs Kottbusser Tor Polizeibeamte mit Steinen und Flaschen, verbrachten Hindernisse auf die Fahrbahn, setzten diese sowie einen Pkw und zwei Lkw in Brand; diverse Kfz und Telefonzellen wurden demoliert. In der Umgebung des Helmholtzplatzes errichtete man mit umgestürzten Bauwagen, Maschendraht und Baumaterialien - stellenweise brennende - Barrikaden. Die Täter bewarfen Polizeibeamte mit Steinen und zerstörten etliche Schaufensterscheiben. 1. Mai Zerstörungen an zwei Arbeitsämtern. Autonome Gewalttäter schlugen am Arbeitsamt II in Berlin-Neukölln 26 Fensterscheiben und am Arbeitsamt V in Berlin-Wedding acht Fensterscheiben ein. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 268 In einer Taterklärung wenden sich "Einige Autonome" "gegen die vollständige staatliche Kontrolle aller Lohnarbeiterinnen über den Sozialversicherungsnachweis". 2. Mai Brandanschlag auf einen Pkw, Schöneberger Straße/ Schöneberger Ufer (Berlin-Kreuzberg), im Rahmen der Kampagne Autonomer gegen die "Umstrukturierung" Berlins. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe, schlugen eine Seitenscheibe eines Mercedes-Benz 190 ein und setzten den vorderen Sitzbereich des Fahrzeuges in Brand. Es entstand geringer Sachschaden. 3. Mai Brandanschlag auf einen Pkw (BMW 316i), Palisadenstraße/Lebuser Straße (Berlin-Friedrichshain). Vermutlich Angehörige der autonomen Szene brachten an dem Fahrzeug des Vaters der Berliner HallenVizeweltmeistern im Weitsprung, Susan TIEDTKE, einen Brandsatz an, der in den Morgenstunden zündete. Das Fahrzeug brannte aus. Die Tat ist der als "Wagensportliga" betitelten Anschlagserie Autonomer gegen sog. Bonzen-Autos zuzurechnen. Hinweise, daß es sich um einen gezielten Anschlag gegen die Sportlerin oder um eine Aktion im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne gehandelt hat, liegen nicht vor. 4. Mai Versuchter Brandanschlag, vermutlich aus Kreisen Autonomer, auf das Lokal "Passage", Volkradstraße 65 (Berlin-Friedrichsfelde). Die Brandmittel, mehrere Molotowcocktails und ein 5-Liter-Benzinkanister, zündeten nicht. Ein ebenfalls von den Tätern gelegter Gardinenbrand erlosch von selbst und verursachte nur geringen Sachschaden. Das Lokal ist als Treffpunkt rechtsextremistischer, insbesondere neonazistischer Aktivisten bekannt. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 269 5. Mai Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, warfen mit einem Kleinpflasterstein bei dem Schreibwarengeschäft McPaper, Boxhagener-/ Simon-Dach-Straße (Berlin-Friedrichshain), die Scheiben der Eingangstür und der Schaufenster ein. 6. Mai Farbschmierereien in Berlin-Kreuzberg gegen den Ausbau der Oberbaumbrücke und gegen die Austragung der Olympischen Spiele in Berlin. Acht der autonomen Szene zuzurechnende Personen näherten sich in der Nähe der Oberbaumbrücke in vier Paddelbooten dem südlichen Ufer der Spree, betraten es in Höhe der Falckensteinstraße und sprühten an das Haus Nr. 46 die Parolen "Kein Auto über diese Brücke", "Dschungel in die Stadt", "Affen statt Auto (Symbol)" sowie "No Olympia (Symbol olympische Ringe)". 778. Mai Brandanschlag auf das Fahrzeug des ehemaligen MdA Rudolf KENDZIA, seinerzeit Abgeordneter der Partei "Die Republikaner" (REP). Eine "Autonome Antifa-Gruppe" setzte seinen Pkw am Beifußweg (Berlin-Rudow) in Brand. Es entstand leichter Sachschaden. In einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 240, vom 13. Mai, veröffentlichten Taterklärung verweisen die Täter auf die "Geschichte" des Geschädigten, der Funktionär mehrerer rechtsextremistischer Organisationen war. Darüber hinaus bezichtigt sich die Gruppe, die Häuser von vier Burschenschaften, die sie als "Ausdruck von rassistischen und sexistischen Männerbuenden" und als "Rekrutierungsund Mobilisierungsfeld der Neuen Rechten" ablehnen, mit Parolen beschmiert zu haben. 5 -Anhang II: Chronologie 1993270 14. Mai Erneuter Brandanschlag auf den Pkw des ehemaligen MdA Rudolf KENDZIA, seinerzeit Abgeordneter der Partei "Die Republikaner" (REP). Zwei vermummte Personen, vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe, setzten sein Fahrzeug am Beifußweg (Berlin-Rudow) in Brand. Sie konnten unerkannt flüchten. Das Auto brannte vollständig aus. Ihren Anschlag begründeten die Täter in einer Bekennung, die sie den Presseagenturen dpa, AP und ADN sowie der Zeitung "Der Tagesspiegel" zusandten. Darin beschreiben die unbekannten Verfasser - ohne Gruppenbezeichnung - den politischen Lebenslauf KENDZIAs, u. a. dessen Wirken für verschiedene rechtsextremistische Organisationen wie die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) sowie für das "HOFFMANN-VON-FALLERSLEBEN-Bildungswerke.V". Ziel des Anschlags sei gewesen, "diesen Herrn KENDZIA aus seiner Ruhe zu schrecken, seine Mobilität einzuschränken und seine Machenschaften einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen". 14. Mai Brandanschlag auf den Pkw des Weddinger Stadtrates für Umweltschutz, Hermann VOSS, in der Wirmerzeile (Berlin-Charlottenburg). Unbekannte Täter zündeten unter dem Fahrzeug des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Partei "Die Republikaner" (REP) zwei Brandsätze. Es entstand erheblicher Sachschaden. In einer der Zeitung "Der Tagesspiegel" zugesandten Bekennung werfen die Täter mit der Bezeichnung "Antifaschistische Gruppe 21. November" den Republikanern vor, "mit militanten Faschisten" zusammenzuarbeiten und als "etablierte Faschisten... ihre Weltanschauung in der Gesellschaft zu verbreiten und gleichzeitig Angriffe von rechtsextremistischen Gruppen zu vermitteln und zu verharmlosen." 5 -Anhang II: Chronologie 1993271 Die Gruppenbezeichnung "Antifaschistische Gruppe 21. November" ist bisher nicht verwendet worden. Das Datum 21. November könnte sich auf die Tötung des Hausbesetzer Silvio MEIER durch in der autonomen Szene als "Rechte" bezeichnete Täter beziehen. 16. Mai Brandanschläge auf die Fahrzeuge von zwei SPDPolitikern in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte Täter setzten in der Görlitzer Straße mit einem Brandsatz, den sie unter dem Fahrzeug deponierten, den Pkw des ehemaligen AL-Politikers Volker HÄRTIG in Brand. Der Wagen wurde erheblich beschädigt. Wenige Minuten später brannte in der Lübbener Straße ein von dem Kreuzberger Bezirksverordneten Michael RÄDLER genutzte Wagen. Durch das Feuer wurden zwei weitere Autos beschädigt. Zu der Tat bekannte sich eine Gruppierung "KLASSE GEGEN KLASSE". 17./18. Mai Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne aus Kreisen Autonomer. Unbekannte Täter schlugen in der Harzer Straße (Berlin-Neukölln) die Frontscheibe eines Fahrzeuges der Firma SIEMENS AG ein, zerstachen zwei Reifen und sprühten die Parole "No Olympia" auf eine Fahrzeugseite. An einem anderen Fahrzeug, Besitzer ist die Firma SIEMENS Nixdorf Informationssystem AG aus Paderborn, das im Bereich Harzer-/Bouchestraße (BerlinNeukölln) abgestellt war, zerstachen sie ebenfalls zwei Reifen. Außerdem beschädigten sie einen unweit geparkten privaten Pkw; ein Reifen wurde zerstochen, ein Olympia-Werbeaufkleber mit Farbe besprüht. Zu den Sachbeschädigungen an den SIEMENSFirmenfahrzeugen bekannte sich eine Gruppe ohne Bezeichnung. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 272 17./18. Mai Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne Autonomer. Unbekannte Täter zerstachen in der Köpenicker Straße (Berlin-Mitte) sieben Reifen von vier Pkw der Berliner Wasserbetriebe. Auf zwei Fahrzeugen brachten sie mit Farbe die Parolen "No Olympic" und "Samaranch - Faschist" bzw. "No Olympics" an. 18. Mai Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne Autonomer in Berlin-Mitte. Sechs bis sieben vermummte Angehörige einer Gruppe mit der Bezeichnung "Autonome Klangliebhaber/innen" warfen die Scheiben des "City Studios" der privaten Hörfunkstation Hundert,6, Spandauer Straße 5, sowie eine Schaufensterscheibe der "Universitätsbuchhandlung am Alex GmbH", Spandauer Straße 2, ein. Die Täter konnten unerkannt flüchten. 18719. Mai Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne Autonomer. Unbekannte Täter zerstachen in der Palisadenstraße/ Strausberger Straße (Berlin-Friedrichshain) die Reifen von 12 Fahrzeugen der Deutschen Bundespost Telekom. An acht Wagen sprühten sie mit blauer und schwarzer Farbe die Anti-Olympia-Parole "Samaranch Faschist" und "No Olympia". Zu der Tat bekannte sich eine Gruppe mit der Bezeichnung "Die Gratulanlnnen". 18719. Mai Sachbeschädigungen an mehreren Zeitungsgeschäften. Vermutlich inspiriert durch die von der autonomen Gruppierung "Edelweiß Piraten" unter dem Motte "Stoppt Nazizeitungen" initiierte Kampagne gegen den Verkauf von "rechtsradikalen" Publikationen, verklebten unbekannte Täter, die sich als "Antifaschistinnen 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 273 und Antifaschisten" bezeichnen, nach eigenen Angaben 32 Schlösser an 17 Zeitschriftenläden in acht Berliner Bezirken. 18./19. Mai Sachbeschädigungen im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne Autonomer in Berlin-Friedrichshain. Unbekannte Täter zerschlugen in der Bossestraße die Frontscheibe eines Mercedes-Benz und sprühten auf die Motorhaube die Parole "No Olympic". Ein zweiter Schriftzug auf der Heckscheibe wurde nur unvollständig angebracht. Vermutlich wurden die Täter bei der Ausführung gestört. 19./20. Mai Ausschreitungen in Berlin-Friedrichshain. Eine Gruppe von etwa 50 der örtlichen autonomen Szene zuzurechnenden Personen zog randalierend durch den Bereich Frankfurter Tor, Frankfurter Allee, Kreutziger Straße, Leibigstraße. Dabei wurden Schaufensterscheiben mehrerer Geschäfte eingeworfen, Hindernisse auf die Fahrbahn gebracht, Polizeibeamte mit Zwillen beschossen und die Reifen eines Polizeifahrzeuges zerstochen. Verlautbarungen aus der autonomen Szene zufolge handelte es sich bei den Ausschreitungen um Sympathie-Aktionen für autonome Gewalttäter in Dänemark. Nach Bekanntwerden des zustimmenden Votums der dänischen Bevölkerung für die Unterzeichnung der sog. Maastrichter Verträge durch ihre Regierung waren in Kopenhagen militante Linksextremisten exzessiv gewalttätig u. a. gegen Polizeibeamte vorgegangen. 23. Mai Ausstellung von Diebesgut im "Anti-OlympischenInstitut", Haus der Demokratie, Friedrichstraße 165 (Berlin-Mitte). Neben entwendeten Olympia-Fahnen wurde ein Fragment der im Januar 1992 von einem "kommando lutz 5 -Anhang II: Chronologie 1993274 grüttke" aus dem Olympiastadion gestohlenen bronzenen Gedenktafel für Carl DI EM ausgestellt. 24. Mai Störung der Eröffnungsfeier für das Deutsche Olympische Institut, Am Kleinen Wannsee 6a (Berlin-Zehlendorf). Sechs der autonomen Szene zuzurechnende Personen näherten sich auf zwei Tretbooten der Wasserseite des Grundstückes, entrollten ein im sog. Lappenkrieg verwendetes Anti-Olympia-Transparent und versuchten, mit Megaphonen und Sirenen die Feier akustisch zu stören. Ohne eine nachhaltige Wirkung erzielt zu haben, zogen sie sich nach kurzer Zeit zurück. In dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 242, vom 27. Mai, ist ein Bericht der Gruppe mit der Bezeichnung "Die von der Doggerbank" abgedruckt. 24. Mai Brandanschlag auf ein Fahrzeug der Deutschen Bundespost Telekom auf dem Grundstück Halleschen Ufer 30 (Berlin-Kreuzberg). Eine unbekannte autonome Gruppe mit der Bezeichnung "noIymPigcity" setzte auf dem Unternehmensgelände der Post einen mit einem Olympia-Werbeaufkleber versehenen VW-Golf in Brand. In einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 242, vom 27. Mai, veröffentlichten kurzen Bekennung verweisen die Täter darauf, daß die Deutsche Bundespost Telekom "Gesellschafter der Olympia GmbH" (richtig: Berlin 2000 Marketing GmbH) ist. 24. Mai Sachbeschädigungen Autonomer im Hotel Alsterhof, Augsburger Straße 5 (Berlin-Schöneberg), im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne. Unbekannte Täter schmierten Farbei, verschütteten Buttersäure und brachten Anti-Olympia-Aufkleber an. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 275 26. Mai Beteiligung von Angehörigen linksextremistischer Gruppen an der Demonstration gegen die geplante Änderung des Artikels 16 Grundgesetz. Etwa 100 Angehörige der autonomen Szene, 30 der "Türkischen Kommunistischen Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/M-L) und einzelne Anhänger der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) zogen weitgehend friedlich vom Kurfürstendamm (Berlin-Charlottenburg) zum Preußischen Landtag (Berlin-Mitte). Vermutlich im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Asylrechtsänderung wurde in der darauffolgenden Nacht eine Scheibe der Berliner SPD-Parteizentrale, Müllerstraße 163 (Berlin-Wedding), eingeworfen. Der Täter konnte festgenommen werden. 29. Mai Beteiligung von Angehörigen der autonomen Szene an einer Demonstration anläßlich des Brandanschlages auf ein von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Haus in Solingen. Etwa 400 Angehörige der autonomen Szene beteiligten sich an einem kurzfristig angemeldeten Aufzug vom Breitscheidzum Adenauerplatz (Berlin-Charlottenburg), an dem insgesamt etwa 4 500 Personen teilnahmen. Im Anschluß an die Demonstration wurden auf dem Rückweg zum Breitscheidplatz mehrere Fensterscheiben zerstört und einige Pkw beschädigt. Ständig wechselnde Kleingruppen bewarfen Polizeibeamte mit Flaschen. Kurz vor Mitternacht kam es im Bereich Oranienplatz (Berlin-Kreuzberg) zu einem spontanen Aufzug von bis zu 150 Personen, aus dem heraus vereinzelt Feuerwerkskörper geworfen wurden und ein Müllcontainer auf die Fahrbahn gestürzt wurde. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 276 29./30. Mai Angriff gegen vermeintliche Rechtsextremisten in Berlin-Treptow. Etwa 20 der autonomen Szene zuzurechnende Täter warfen Fensterscheiben der Gaststätte "Bürgertreff' ein, warfen Molotowcocktails und bedrohten einen Jugendlichen mit einer Pistole. In der Umgebung des Tatorts nahmen Polizeibeamte eine Gruppe von 10 Personen vorläufig fest und stellten Gasrevolver, Baseballschläger sowie einen Schlagstock mit Reizgas sicher. 31. Mai Angriff gegen Träger von Olympia-Werbetafeln auf dem Alexanderplatz (Berlin-Mitte). Zwei der autonomen Szene zuzurechnende Frauen griffen zwei mit Olympia-Werbetafeln und weiterem Werbematerial auf dem Alexanderplatz umherlaufende Personen an. Die Frauen riefen "Scheiß Olympia", "Scheiß Olympia-Typen verpißt euch", rissen einem Angegriffenen eine "Olympia-Mütze" vom Kopf und beschädigten u. a. die Werbetafeln. 3/4. Juni Sachbeschädigungen an Fahrzeugen der Deutschen Bündespost Telekom im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne Autonomer. Vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe besprühten auf einem Betriebsgelände der Deutschen Bundespost Telekom, Hellersdorfer Straße 80 (BerlinHellersdorf), vier Pkw des Unternehmens mit den Parolen "Olympia-Bonzen in den Arsch treten", "Olympia verhindern", "NOIympia" und "Volxsport". 5. Juni Beteiligung von bis zu 400 Angehörigen der autonomen Szene sowie einigen Anhängern der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) an einer Demonstration vom Oranienplatz (Berlin-Kreuzberg) zum Karl-Marx-Platz (Berlin-Neukölln) des Brandanschlages auf Ausländer in Solingen. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 277 Nach Beendigung der Abschlußkundgebung zogen unter der Führung der RK-Anhänger etwa 100 Demonstranten zum U-Bahnhof Kottbusser Tor (BerlinKreuzberg), entzündeten dort ein Feuer und bewarfen einschreitende Polizeibeamte u. a. mit einem sog. Molotowcocktail, der die Kleidung eines Beamten in Brand setzte. Anschließend zogen sie krakeelend durch die Straßen Kreuzbergs. 6. Juni Beteiligung von Angehörigen der autonomen Szene an Protestaktionen anläßlich der Anwesenheit des Bundeskanzlers Dr. Helmut KOHL bei dem Festakt zur Wiedereinweihung des Berliner Doms. Bis zu 600 Personen, darunter etliche Angehörige der autonomen Szene, warfen dem deutschen Regierungschef lautstark vor, den Opfern des Brandanschlages in Solingen nicht die letzte Ehre erwiesen zu haben; sie skandierten Parolen wie "Feigling", "Mörder" und "Heuchler" und warfen vereinzelt Eier. Als drei Demonstranten, die sich als Chormitglieder getarnt hatten, versuchten, kurzfristig den Eingang des Doms mit einem Transparent ("Die Brandstifter sitzen in Bonn") zu versperren, kam es zu einer Rangelei mit Sicherheitskräften. 10. Juni Sachbeschädigungen in Berlin-Friedrichshain. Etwa 10 vermummte Personen, vermutlich Angehörige der örtlichen autonomen Szene, warfen in der Frankfurter Allee die Schaufensterscheiben von drei Geschäften und zwei Banken ein. In einer in der "INTERIM", Nr. 245, vom 17. Juni, veröffentlichten Erklärung stellen die Täter - ohne Gruppenbezeichnung - die Tat als "direkte Reaktion auf die in den Tagen zuvor stattgefundenen faschistischen Brandanschläge auf mindestens 7 von türkischen Menschen bewohnten Häusern (sic!)" dar. 278 10. Juni Brandanschlag auf einen Pkw (BMW), Urbanstraße (Berlin-Kreuzberg). Unbekannte Angehörige der Gruppe "Klasse gegen Klasse" deponierten unter dem Fahrzeug einen Brandsatz; dieser zündete kurz vor Mitternacht. Bereits am 5. Juni war im Hausbriefkasten der Familie des Fahrzeughalters, die eine Dachgeschoßwohnung in der Urbanstraße bewohnt, ein Drohbrief von "Klasse gegen Klasse" gefunden worden. Die Verfasser polemisieren gegen "Mietspekulanten", die die in Kreuzberg lebenden Menschen "mit Luxusmodernisierungen und Eigentumsumwandlungen vertreiben" wollten. Den bedrohten Dachgeschoßbewohnern werfen sie vor, als "naive Schmarotzer" von dieser "Umstrukturierung" zu profitieren. 12. Juni Brandanschlag auf das Fahrzeug eines ehemaligen Mitgliedes der Partei "Die Republikaner" (REP) in Berlin-Buckow. Zu der Tat bekannte sich eine "Antifaschistische Gruppe", die der autonomen Szene zuzurechnen ist. 12. Juni Beteiligung Berliner Autonomer an der Demonstration unter dem Motto "GEGEN DEN BRAUNEN GÜRTEL UM BERLIN" in Schwedt/Brandenburg. Zahlreiche Angehörige der autonomen Szene aus Berlin beteiligten sich an Ausschreitungen im Rahmen des von verschiedenen Antifa-Gruppen aus Brandenburg und Berlin initiierten und von der PDS Schwedt angemeldeten Aufzuges. Polizeibeamte, Bewohner von an der Wegstrecke liegenden Häusern und unbeteiligte Passanten wurden mit Steinen und Leuchtmunition beschossen sowie teilweise mit Knüppeln tätlich angegriffen. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 279 17718. Juni Aktionen autonomer Kreise gegen einen Jugendclub, Welsestraße (Berlin-Hohenschönhausen). Einer in der "INTERIM", Nr. 246, vom 24. Juni, abgedruckten Taterklärung zufolge verschütteten "Autonome Antifas" in dem Jugendclub Buttersäure und brachten ein Plakat an, in dem sie sich dagegen wenden, daß sich dort auch "Nazis" treffen. 19. Juni Sachbeschädigungen an einem Pkw eines Mitgliedes der Burschenschaft "Cartellverband katholisch deutscher Studentenvereinigungen". In einer "INTERIM", Nr. 246, vom 24. Juni, abgedruckten Taterklärung einer der autonomen Szene zuzurechnenden Gruppe mit der Bezeichnung "Euer autonomer Nachwuchs" heißt es u. a.: "MIT UNSERER AKTION WOLLEN WIR AUF DIESE ÖFFENTLICH UNBEACHTETE, KONSERVATIV-NATIONALISTISCHE BIS RECHTSEXTREME, UNGLAUBLICH EINFLUßREICHE KRAFT, DIE BURSCHENSCHAFTEN VERKÖRPERN, AUFMERKSAM MACHEN UND IHNEN WENIGSTENS ALS ANFANG DIE STRAßE, DEN ÖFFENTLICHEN RAUM STREITIG ZU MACHEN!" 20. Juni Sachbeschädigung an einem Pkw im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, zerstachen in Berlin-Pankow, Dettelbacher Weg, zwei Reifen eine mit Olympia-Werbeaufklebern versehenen Mercedes-Benz. 21. Juni Beteiligung von Linksextremisten an einer Spontandemonstration anläßlich des Todes einer Mutter und ihres Kindes infolge einer Brandstiftung im Haus Blücherstraße 31 (Berlin-Kreuzberg) in der Vornacht. Angehörige der autonomen Szene und des RAFUmfeldes, der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) und der "Türkischen Kommunistischen Partei/ 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 280 Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) zogen innerhalb des bis zu 650 Personen umfassenden Aufzuges vom Hermannplatz (Berlin-Neukölln) zum Haus Blücherstraße 31. In Reden wurde die Brandstiftung als rassistisch motiviert dargestellt und dem Staat vorgeworfen, diesen Rassismus zu unterstützen. Ein rassistisch/ausländerfeindliches Motiv ist bisher nicht belegt. 23. Juni Teilnahme Berliner Autonomer an Störungen der Eröffnungsfeier für das Olympische Museum in Lausanne/Schweiz. Bis zu 50 Angehörige der autonomen Szene aus Berlin beteiligten sich u. a. mit Sprechchören an den Aktionen gegen die Eröffnung des Olympischen Museums. Die Schweizer Polizei verdrängte die Demonstranten und schob 25 von ihnen nach Deutschland ab. Bei einer Durchsuchung wurde u. a. blaue Farbe gefunden, die vermutlich zu Farbschmierereien in der Umgebung des Olympischen Museums verwendet werden sollte. 24. Juni Diebstahl einer Reichskriegsflagge aus einem Laden, Yorckstraße 56 (Berlin-Schöneberg). Vier unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Personen entwendeten aus der Auslage eines Anund Verkaufsladens eine Reichskriegsflagge und drohten: "Das war eine Warnung, diese Nazi-Scheiße nehmen wir mit, die hat nichts im Laden zu suchen". Zwei der Täter waren vermummt. 24725. Juni Sachbeschädigungen und Farbschmierereien im Haus Alt-Reinickendorf 38 (Berlin-Reinickendorf), in dem sich auch das Bürgerbüro der CDU-Bundestagsabgeordneten Gabriele WIECHATZEK befindet. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, steckten in die Schlösser des Vorderund Hintereinganges Drahtstifte, verklebten sie und 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 281 sprühten die Worte "Heuchlerin" und "Wiechatzek Brandstifterin". Von einem Hausbewohner wurde ein von einer "autonom-antirassistischen Gruppe" herausgegebenes Bekennerschreiben gefunden, in dem die Entscheidung des Deutschen Bundestages zur Asylrechtsänderung im Artikel 16 des Grundgesetzes als "rassistisch" diffamiert wird und - "als Beitrag zur 'EntAnonymisierung'" - die Namen, Wohnanschriften und Telefonnummern von Berliner Bundestagsabgeordneten der Parteien CDU, FDP und SPD aufgelistet sind. 25727. Juni Sachbeschädigung im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne Autonomer. Vermutlich Angehörige der autonomen Szene beschädigten mittels kleiner Gullydeckel und Pflastersteine ein Firmenfahrzeug des Bankhauses Lübbecke & Co., Fasanenstraße 5 (Berlin-Charlottenburg), das mit mehreren Olympia-Werbeaufklebern versehen war. 29. Juni Brandanschlag auf einen Pkw der Luxusklasse, Weigandufer/Innstraße (Berlin-Neukölln). Unbekannte Täter schlugen die Heckscheibe eines Mercedes-Benz 500 SEL ein und setzten den Innenraum mit Vergaserkraftstoff in Brand. Das Fahrzeug brannte aus. Halter ist eine Berliner Immobilienfirma. Zu dem Anschlag bekannte sich eine "Autonome Gruppe Bonzen raus und Schluß". 29. Juni Versuchter Einbruch in eine Dachgeschoßwohnung in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der Gruppe "Klasse gegen Klasse", versuchten in eine Dachgeschoßwohnung einzudringen. Die Wohnungsmieterin hatte Anfang Juni ein Drohschreiben erhalten. 4. Juli Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der "linken" und "rechten" Szene am Breitscheidplatz (Berlin-Charlottenburg). 5 -Anhang II: Chronologie 1993282 Aus ungeklärter Ursache gerieten mehrere, zum Teil mit Hiebund Stichwerkzeugen bewaffnete Personen beider Seiten in Streit. Hierbei setzten einzelne die mitgeführten Waffen gegen die Kontrahenten gezielt ein. Eine Person, die in das Handgemenge geraten war, wurde durch einen Messerstich schwer verletzt. 5. Juli Brandanschläge auf Polizeidienststellen in BerlinPrenzlauer Berg und -Friedrichshain anläßlich der Verhaftung bzw. Tötung der RAF-Mitglieder Birgit HOGEFELD und Wolfgang GRAMS am 27. Juni in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern). Fünf vermummte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter warfen am Grundstück Schönhauser Allee 22 einen Molotowcocktail gegen die Eingangstür einer Polizeidienststelle und zwei weitere in Richtung eines davor geparkten Polizeifahrzeuges. Während einer nicht zündete, verursachte der andere geringen Sachschaden. Auf ihrer Flucht beschädigten die unbekannten Täter außerdem ein Privatfahrzeug. Etwa zur gleichen Zeit warfen weitere unbekannte Täter am Objekt Friedenstraße 31 Molotowcocktails gegen die Eingangstüren von Dienststellen der Polizei und des Landeseinwohneramtes sowie auf ein geparktes Polizeifahrzeug. Eine Haustür fing Feuer, konnte jedoch von Polizeibeamten gelöscht werden; an der zweiten Tür blieben Rußschwärzungen zurück. Ein Reifen des Polizeifahrzeuges platzte und zerschmolz schließlich teilweise. Am 8. Juli gingen bei der Zeitung "Der Tagesspiegel" und bei der Presseagentur dpa Taterklärungen ein, die mit "6.7.93 autonome gruppen" unterzeichnet sind. Darin werden die Polizeiwachen als "Teil des Polizeiapparates" bezeichnet "der als letztes Opfer Wolfgang Grams am 27.6. in Bad Kleinen ermordet hat". 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 283 6. Juli Angriff auf mutmaßliche Rechtsextremisten in einer Wohnung des Hauses Engeldamm 22 (Berlin-Mitte). Vier vermummte Täter klingelten an der Wohnungstür und drangen nach Öffnen durch den Wohnungsinhaber gewaltsam in die Räume ein, schlugen auf die anwesenden drei Personen ein, fesselten sie mit Klebeband, durchwühlten und beschädigten Einrichtungsgegenstände und stahlen persönliche Sachen der Opfer. Die Überfallenen mußten mit blutenden Kopfverletzungen in Krankenhäusern behandelt werden. Die Täter sollen nach Angaben der Geschädigten der autonomen Hausbesetzerszene angehören. 7. Juli Brandanschlag auf einen Pkw der Marke MercedesBenz 190 vor dem Grundstück Richardplatz 19 (Berlin-Neukölln). Vermutlich Angehörige der autonomen Szene setzten das von Daimler-Benz gesponserte, zur Olympia-Werbung u. a. mit entsprechendem Logo beklebte Fahrzeug in Brand; Der Motorraum des Wagens brannte aus. Drei weitere in unmittelbarer Nähe geparkte Pkw Mercedes-Benz wurden ebenfalls beschädigt. 7. Juli "Antifaschistische" Farbschmierereien an einem Zeitungskiosk in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter besprühten auf dem Grundstück Reichenberger Straße 72a die Jalousie eines Zeitungskioskes mit der Parole "Wer Nazizeitungen verkauft kriegt Ärger". 8. Juli Sachbeschädigung an einer Satellitenantennenanlage der Deutschen Bundespost Telekom im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Unbekannte Täter durchtrennten auf dem Grundstück Gotlindestraße 91 (Berlin-Lichtenberg) die Kabel dreier Satellitenantennen, die den Bereich Berlin-Mitte und -Friedrichshain mit Kabelfernsehempfang versorgen. Weiterhin beschädigten sie die Sicherungskästen 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 284 und klebten an eine der beschädigten Antennen zwei Anti-Olympia-Aufkleber. Die Unterbrechung des Fernsehempfanges, von der rund 90 000 Haushalte betroffen waren, dauerte von 01.00 bis gegen 15.00 Uhr. Zu dem Anschlag bekannte sich eine "AUTONOME GRUPPE MIT KNEIFZANGEN GEGEN OLYMPIA". 8. Juli Angriff auf Angehörige der "rechten" Szene, Rigaer Straße/Zellestraße (Berlin-Friedrichshain). Etwa 20 der autonomen Hausbesetzerszene zuzurechnende Täter griffen u. a. mit Eisenstangen und Holzlatten neun Personen an, als diese ein Lokal verließen. Den Geschädigten gelang es, zwei Pkw zu erreichen und letztendlich zu flüchten. Zuvor beschädigten die Autonomen beide Autos erheblich. Vier Insassen wurden leicht verletzt. 17.-19. Juli Drohschreiben der autonomen Gruppe "Klasse gegen Klasse" an Geschäftsinhaber in Berlin-Kreuzberg. Bisher wurden sieben Geschäfte, darunter fünf Läden für Bekleidungsartikel bekannt, die gleichlautende Post erhalten haben. Den Betroffenen wird vorgeworfen, "den weiteren boden für schmierige karrieristen, yuppies, Spekulanten und ähnlichem (sic!) pack (zu bereiten), das für die Vertreibung angestammter kiezbevölkerung sorgt". 23. Juli Sachbeschädigungen an einer Bank im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Unbekannte Täter schlugen zwei Schaufensterscheiben des Bankhauses Lübbecke & Co., Rosenthaler Straße 28 - 31 (Berlin-Mitte), ein und veränderten den Text eines Olympia-Werbeaufklebers in "NOIympia 2000 Uhr Ihr lernt es nie". 23. Juli Sachbeschädigungen in Berlin-Lichtenrade an Fahrzeugen der Luxusklasse im Rahmen der AntiOlympia-Kampagne Autonomer. 5 -Anhang II: Chronologie 1993285 Kurz nach Mitternacht wurden durch Polizeibeamte bei einer Überprüfung von vier Jugendlichen insgesamt 19 zuvor abgebrochene "Mercedes-Sterne" und ein Block mit 26 Anti-Olympia-Aufklebern sichergestellt. Als Tatmotiv gaben die aufgegriffenen Minderjährigen an, daß es sich bei den beschädigten Pkw um sog. Bonzenautos gehandelt habe. 26. Juli Brandanschlag auf einen Pkw der Luxusklasse im Rahmen der Kampagne Autonomer gegen die "Umstrukturierung" Berlins. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der Kreuzberger autonomen Szene, setzten einen BMW der 7er Reihe in Brand. Das Fahrzeug wurde vollständig zerstört. Anfang August Autonomer Zusammenschluß übersendet IOC Agitationsschrift. Unter der Überschrift "Berlin bleibt N'Olympic City" sandte eine "Autonome Gruppe mit Kneifzangen gegen Olympia" dem IOC ein Schreiben zu. Die Verfasser protestieren darin gegen die Kommerzialisierung der Olympischen Spiele und kündigen militante Aktionen an. 5. August Brandanschlag auf einen Pkw der Luxusklasse in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter setzten am Paul-Lincke-Ufer 8 mittels eines Gemisches aus Pattex und Vergaserkraftstoff einen Mercedes-Benz 300 SE aus Italien in Brand. Das Fahrzeug brannte vollständig aus. In einer den Zeitungen "BERLINER MORGENPOST" und "die tageszeitung" zugeleiteten Taterklärung wenden sich die Täter mit der Bezeichnung "Autonome Gruppe 'Züri brennt'" gegen "Bonzen, Bänker und Spekulanten" sowie gegen "Olympiawahn und Hauptstadtplan". 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 286 2. Woche August Vermutlich autonomer Zusammenschluß übersendet IOC-Präsidenten Juan Antonio SAMARANCH Schmähschrift. Unbekannte Verfasser, die sich "Begrüßungskomitee" nennen, werfen SAMARANCH seine faschistische Vergangenheit vor und kündigen für den Fall eines Besuches von ihm in Berlin militante Aktionen an. 9. August Brandanschlag unbekannter Täter auf einen Pkw (Peugeot) und ein Motorrad Gröbenufer 3 (BerlinKreuzberg) im Rahmen der Kampagne Autonomer gegen die "Umstrukturierung" Berlin. Während das an dem Auto angebrachte Laborat entflammte, ohne Schaden anzurichten, zündete der zweite Brandsatz nicht. Halter der Fahrzeuge ist eine in München ansässige Gesellschaft für moderne Fachwerkkonstruktion. 11. August Drohschreiben gegen Busunternehmen im Zusammenhang mit dem 6. Todestag des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS. Eine bisher nicht in Erscheinung getretene "Autonome Gruppe Ursula Götze" versandte zumindest an einen Reisebusbetreiber ein Drohschreiben, in dem sie militante Aktionen für den Fall ankündigt, daß die Firma "Faschisten" zu geplanten Gedenkveranstaltungen fahre. 12./13. August Brandanschlag auf ein Fahrzeug der Deutschen Bundespost Telekom im Rahmen der Anti-OlympiaKampagne Autonomer. Das Fahrzeug, das in der Brachvogelstraße (BerlinKreuzberg) geparkt war, brannte vollständig aus. Zwei vor bzw. hinter diesem Wagen geparkte Pkw wurden ebenfalls beschädigt. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 287 12713. August Sachbeschädigungen an Einrichtungen von OlympiaSponsoren. "AUTONOME GRUPPEN" demolierten sechs Schaufensterscheiben und die Eingangstür einer Filiale der Berliner Bank, Prinzenstraße 81 sowie drei Schaufensterscheiben der Firma Eduard WINTER (VAG) auf dem Grundstück Hasenheide 74 (jeweils Berlin-Kreuzberg). 14. August Aktivitäten Berliner Autonomer anläßlich des 6. Todestages des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS. Autonome hatten sich seit Monaten bundesweit mit der Vorbereitung von Aktionen gegen mögliche Aktivitäten von Rechtsextremisten anläßlich des 6. Todestages von Rudolf HESS beschäftigt. Da bis zuletzt keine zentralen Versammlungsorte von Rechtsextremisten bekannt wurden bzw. angemeldete Veranstaltungen verboten worden waren, blieb es bei der Planung, in den Städten Kulmbach (Bayern) und Weimar (Thüringen) Demonstrationen durchzuführen. Berliner Autonome hatten sich nur in geringem Maße an den Vorbereitungsveranstaltungen beteiligt und wollten mit zwei Bussen und einigen Pkw in Richtung Weimar fahren. Auf der Fahrtstrecke sollten Meldestellen eingerichtet werden, um den Konvoi zu evtl. bekanntwerdenden Trefforten von Rechtsextremisten dirigieren zu können. Nachdem sich die Teilnehmer vor Antritt der Fahrt telefonisch bei der zentralen Info-Stelle in Nürnberg gemeldet hatten, brach man mit zwei nicht voll besetzten Bussen und einigen Pkw in Richtung Bischofferode auf. Im Laufe des Tages fuhr der Konvoi mit etwa 100 Personen, darunter ein Pkw mit Anhänger der SpAD, teilweise durch Polizeikontrollen getrennt, nach Thüringen, Braunlage und Göttingen. Dort erfuhr man, daß die Demonstration der Rechtsextremisten in Fulda (Hessen) stattfand. Als die Teilnehmer feststellten, daß das Kommunikationssystem zusammen- 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 288 gebrochen war, kein Kontakt zu Aktivisten aus anderen Städten bestand, die zentrale Info-Stelle in Nürnberg von der Polizei ausgehoben worden war und man darüber hinaus vermutete, daß die Polizei eine Fahrt nach Fulda verhindern würde, fuhr man frustriert nach Berlin zurück. 16. August Demonstration gegen den Besuch des Präsidenten des IOC, Juan Antonio SAMARANCH, in Berlin. Bis zu 150 Personen versammelten sich gegen 19.00 Uhr auf dem Breitscheidplatz (Berlin-Charlottenburg) zu einer schon vor Wochen u. a. von dem "AntiOlympia-Komitee" (AOK), einem durch Autonome dominierten Zusammenschluß, für den Fall des Besuches angekündigten Kundgebung. Unter den Demonstranten befanden sich etwa 50 Angehörige der autonomen Szene. Nach Ende der Kundgebung setzten sich einige Teilnehmer zu einer spontanen Demonstration in Richtung Kreuzberg in Bewegung. Bis zu 100 Personen, überwiegend Angehörige der autonomen Szene, die teilweise erst auf der Wegstrecke zum Aufzug stießen, zogen zum Mehringhof (Berlin-Kreuzberg). Hierbei kam es teilweise zu massiven Polizeieinsätzen, als versucht wurde, Häuser mit Farbe zu besprühen. 18./19. August Farbschmierereien an Wohnund Geschäftsadressen von Bundestagsabgeordneten in Berlin, die am 26. Mai für die Asylrechtsänderung gestimmt hatten bzw. die Regelung des SS 218 StGB unterstützen. Unbekannte, dem autonomen Spektrum zuzurechnende Täter, die sich selbst als "Gruppen aus dem antirassistische, internationalistischen, feministischen und lesbischen Widerstand" bezeichnen, schmierten Parolen und warfen Farbbeutel. 5 -Anhang II: Chronologie 1993289 21. August Beteiligung Autonomer an der Demonstration "gegen Rassismus in Marzahn" vom S-Bahnhof Marzahn zur Allee der Kosmonauten. Bis zu 100 Angehörige der autonomen Szene, überwiegend aus Kreuzberg, nahmen in einem Block an dem etwa 1 500 Personen umfassenden Aufzug teil, der von verschiedenen Gruppierungen des gesellschaftlichen und politischen Spektrums durchgeführt wurde. Wegen der intensiven Vorkontrollen durch die Polizei entledigten sich einige der Teilnehmer auf dem Weg zum Antreteplatz diverser Gegenstände, die vermutlich für militante Aktionen vorgesehen waren. Während des Aufzuges kam es vereinzelt zu Steinoder Flaschenwürfen und zum Abschießen von Leuchtspurmunition. Aus verschiedenen Etagen des Hochhauses Allee der Kosmonauten 202 provozierten Jugendliche durch das Zeigen des "Hitlergrußes", das Rufen von neonazistischer Parolen und gezieltes Werfen von Feuerwerkskörpern. Einige Demonstrationsteilnehmer nahmen daraufhin Steine aus dem Schotterbett der Straßenbahn und versuchten, das Hochhaus zu stürmen. Durch massierten Polizeieinsatz unter Schlagstockgebrauch konnte dies verhindert werden. Nach Beendigung des Aufzuges gingen Gewalttäter mit Steinwürfen gegen eine Filiale der Dresdner Bank vor; einige Teilnehmer plünderten einen Imbißstand. 24725. August Beschädigung eines Pkw mit Olympia-Aufklebern in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte Täter, vermutlich Aktivisten der autonomen Anti-Olympia-Kampagne, zerstachen in der Wassertorstraße die Reifen des Fahrzeuges. Der auf dem Kofferraumdeckel befindliche Olympia-Aufkleber wurde mit gelber Farbe unkenntlich gemacht. 5 -Anhang II: Chronologie 1993290 26. August Brandanschlag gegen ein Geschäftsauto in BerlinKreuzberg. Angehörige der Gruppe "Klasse gegen Klasse" setzten am Erkelenzdamm/Oranienstraße (BerlinKreuzberg) mittels einer Brandflasche einen Ford Kombi in Brand. Es entstand Totalschaden. Durch auslaufenden Kraftstoff wurde ein dahinter geparkter Lkw mit Anhänger ebenfalls in Brand gesetzt. In einer dem italienischen Spezialitätengeschäft ALIMENTÄR! & VINI, Skalitzer Straße/Mariannenstraße, zugeleiteten Taterklärung drohen die Täter mit weiteren Anschlägen, falls die Inhaber nicht "das weite suchen". 31. August Brandanschläge auf zwei Fahrzeuge des Radiosenders Hundert,6 im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne. Zu der Tat bekannte sich ein "Autonomes Kommando Unkraut Ex für 100,6". Beide Firmenwagen, an denen die Täter zeitzündergesteuerte Brandsätze montiert hatten, waren unweit des Funkhauses in der Wangenheimstraße (BerlinWilmersdorf), abgestellt; sie brannten völlig aus. Ein neben den Anschlagszielen geparktes Fahrzeug wurde ebenfalls beschädigt. 6. September Sachbeschädigungen an Fahrscheinentwertern und Fahrscheinautomaten auf mindestens acht U-Bahnhöfen in den Bezirken Kreuzberg, Mitte, Schöneberg, Tempelhof, Wedding und Zehlendorf. Unbekannte Täter, die dem autonomen Spektrum zuzuordnen sind, sprühten Dichtungsschaum in die Fahrscheinauswurfschächte bzw. in die Entwerterschlitze. In einem Bekennerschreiben verurteilt die Gruppe mit der Bezeichnung "Graue Panther, Juniorenfraktion" die Olympia-Werbung der BVG sowie angekündigte Fahrpreiserhöhungen. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 291 10. September Propagandaaktion sechs der autonomen Szene zuzurechnender Olympia-Gegner in Berlin-Kreuzberg, -Neukölln, -Wedding und -Moabit. Sie warben mit Flugblättern, Transparenten und einem Lautsprecherwagen für die Teilnahme an der "finalen" Anti-Olympia-Demonstration am 18. September. 2. Dekade Störungen von Sendungen des Radiosenders Hunderte. Unbekannte Täter überlagerten an mehreren Tagen mit einem mobilen Störsender das Programm des privaten Rundfunksenders Hundert,6 und verbreiteten Anti-Olympia-Parolen. Betroffen waren Hörer in Teilen der Bezirke Kreuzberg (Moritzplatz) und Charlottenburg (Bleibtreustraße). 11. September Drohung gegen einen Kreuzberger Geschäftsinhaber. Eine unbekannte männliche Person kündigte telefonisch die Inbrandsetzung des Ladens "ALIMENTARI & VINI" für den selben Tag an. 13. September Brandanschlag auf Fahrzeuge der Deutschen Bundespost Telekom im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter setzten auf dem Hof des Postamtes 610, Ritterstraße 6 (Berlin-Kreuzberg), mehrere Servicefahrzeuge des Bundesunternehmens in Brand. Es entstand ein Sachschaden von ca. 60 000 DM. Zu der Tat, die gegen die Olympia-Unterstützung der Telekom gerichtet war, bekannten sich 'Autonome Gruppen gegen Hauptstadt und Olympia". 15. September Sprengstoffanschlag auf Einrichtungen von OlympiaSponsoren. Unbekannte, dem autonomen Spektrum zuzurechnende militante Olympia-Gegner, deponierten jeweils gleichartige Sprengsätze mit Zündverzögerung an 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 292 Türen bzw. Fenstern, die nahezu gleichzeitig detonierten. Betroffen waren die Unternehmen Hertie, Mercedes-Benz und Berliner Bank. In einer Taterklärung einer Gruppe "resistencia" bekennen sich die Täter darüber hinaus zu einem Brandanschlag auf eine Polizeiwache in der Bulgarischen Straße (Berlin-Treptow), mit dem gezeigt werden sollte, daß die Olympischen Spiele durch die Polizei nicht zu schützen seien. 16. September Sachbeschädigungen Autonomer in der Pfarr-/Hauffstraße (Berlin-Lichtenberg). Etwa 15 dem Umfeld der überwiegend von Autonomen besetzten Häuser in der Pfarrstraße zuzurechnende Täter bewarfen, teilweise vermummt, verkehrsbedingt wartende Kfz mit verschiedenen Gegenständen. Es entstand Sachschaden. 17./18. Sept. Sachbeschädigungen am Pkw eines Autohändlers im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, zerstachen auf dem Kundenparkplatz eines Autohauses, Altendorfer Weg/Rhinstraße (Berlin-Hohenschönhausen), die Reifen von sieben Fahrzeugen und beschmierten diese mit Anti-OlympiaParolen. 18. September Anläßlich eines Fußballspieles des "Gaues BerlinReichshauptstadt der Wiking-Jugend e. V." (WJ) kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und Anhängern der WJ. Beim Eintreffen der Polizei entfernten sich die Kontrahenten. 18. September "Finale" Anti-Olympia-Demonstration unter dem Motto "Olympia ... und tschüß" vom Roten Rathaus (BerlinMitte) zum Senefelderplatz (Berlin-Prenzlauer Berg). An dem Aufzug beteiligten sich insgesamt etwa 10 000 Personen. Folgende Blockbildung war zu er- 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 293 kennen: Autonome, "Frauen und Lesben", "Wagenburgler'VHausbesetzer. Bis auf einige Sachbeschädigungen und Farbschmierereien verlief die Demonstration friedlich. Die Polizei unterband geplante Ausschreitungen durch dichte Begleitung des autonomen Blocks. 20. September Sachbeschädigungen an zwei Filialen der Berliner Bank, Residenzstraße 153 (Berlin-Reinickendorf) und Gotzkowskystraße 8 (Berlin-Moabit) im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. 21. September Bombendrohung gegen das KaDeWe, Tauentzienstraße 21 (Berlin-Schöneberg), im Rahmen der AntiOlympia-Kampagne. 23. September Veranstaltungen der autonomen Szene zur Entscheidung über den Austragungsort der Olympischen Spiele im Jahre 2000. Autonome besuchten überwiegend den zentralen Veranstaltungsort an der Oberbaumbrücke (Berlin-Kreuzberg). Etwa 1 000 Personen verfolgten über eine Leinwand die Fernsehübertragung. Angehörige des "AntiOlympia-Komitees" (AOK) heizten die Stimmung gegen die Berlinbewerbung in Monaco an. Nach der Entscheidung für Sydney brach frenetischer Jubel aus. Zunehmend alkoholisierte Straftäter begingen Sachbeschädigungen an Baumaterialien auf der Oberbaumbrücke. Nachdem die Polizei die Störer abgedrängt hatte, begaben sie sich zur Falckensteinstraße/Schlesische Straße. Dort kam es bis in die Nacht zu Auseinandersetzungen Autonomer aus dem Kreuzberger "Kiez" mit der Polizei. An der Fete im sog. Tränenpalast (Bahnhof Friedrichstraße), die vom alternativen Spektrum ausgerichtet wurde, beteiligten sich auch Autonome. Nach Verkündung des Austragungsortes für die Olympischen Spiele im Jahre 2000 kam es beim Abgang auf dem 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 294 Bahnhof Friedrichstraße zu einer Schlägerei zwischen Angehörigen der "linken Szene" und Anhängern des Fußballclubs FC Berlin. 23. September Versuchter Sprengstoffanschlag auf eine Filiale der Berliner Sparkasse, Heckerdamm 240 (Berlin-Charlottenburg), im Rahmen der Anti-Olympia-Kampagne Autonomer. Zu der Tat bekannte sich eine Gruppierung namens "Autonome Druckwelle gegen's Olympiasponsorring (sic!)". In der Annahme, es handele sich um ein Hoffenster der Sparkasse, sprengten die unbekannten Täter jedoch ein danebenliegendes Fenster der Lebensmittelkette Meyer & Beck Handels-KG. 172. Oktober Teilnahme von etwa 400 Autonomen aus Berlin an dem sog. Einheizfestival auf der Insel der Jugend in Treptow anläßlich des Jahrestages der Vereinigung Deutschlands. Nach Abschluß des Rockspektakels, das von etwa 3 000 Personen besucht worden war, kam es zu Plünderungen mehrerer Versorgungsstände. Von abziehenden Besuchern wurde ein Dienstfahrzeug des Bundesgrenzschutzes beschädigt. 1. Oktober Beschädigung mehrerer Geschäfte in Berlin-Friedrichshain aus Protest gegen die an diesem Tag gefällten Urteile im Prozeß um die Tötung des Hausbesetzers Silvio MEIER. In den Abendstunden zerstörten ca. 20 - 25 vermummte Personen Schaufensterscheiben an den Gebäuden Frankfurter Allee 5 - 23. In einem Bekennerschreiben, veröffentlicht in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 256, vom 7. Oktober, wird der Justiz vorgeworfen, "die faschistischen Morde zu verharmlosen", die Täter als unpolitische 5 -Anhang II: Chronologie 1993295 Einzeltäter darzustellen und den Opfern zu unterstellen, durch ihr "provokantes Auftreten" den Tod von Silvio MEIER mitverschuldet zu haben. 576. Oktober Beschädigung der Schlösser mehrerer Kioske und anderer Zeitungsgeschäfte im Rahmen der Kampagne "Stoppt Nazizeitungen". Unbekannte Täter verklebten in den Bezirken Charlottenburg, Mitte, Neukölln und Schöneberg die Türschlösser von mindestens 16 Zeitungshandlungen. 9. Oktober Beteiligung von etwa 150 Berlinern und Berlinerinnen, darunter zahlreiche Angehörige des hiesigen RAFUmfeldes und einzelne Autonome, an einer von insgesamt 500 Personen besuchten Demonstration/Kundgebung "Für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Irmgard Möller" in Lübeck. Während der weitgehend friedlich verlaufenen Veranstaltung ist der Anschlag der RAF auf die JVA Weiterstadt von Sprechern der Kundgebung mit den Worten "Der richtige Weg zum richtigen Zeitpunkt" verteidigt worden. 14715. Oktober Aktionen gegen die Firma Rentaco. In der Nacht beschmierten unbekannte Täter auf dem Grundstück Heerstraße 67F (Berlin-Charlottenburg) die Fassade des dortigen Reihenhauses und das Garagentor mit den Worten "SOLI FÜR POTSDAM", "67 F SPEKULANTEN" bzw. mit dem "Hausbesetzerzeichen (Blitzsymbol im Kreis)". Zwischen Haustür und Fußleiste wurde eine stark ätzende und übelriechende Flüssigkeit eingeleitet. Der Betroffene ist Geschäftsführer der Firma RPE-Rentaco Projektentwicklungs-Gesellschaft mbH, die mit Hausräumungen in Potsdam in Verbindung gebracht wird. In der gleichen Nacht wurde die Hauswand eines Wohnhauses, Caspar-Theyß-Straße 12 (Berlin- 5 - Anhang II: Chronologie 1993 296 Wilmersdorf), mit den Worten "Spekulanten Schwein" und die Haustür mit Buttersäure beschmiert. Der Geschädigte ist Geschäftsinhaber einer Maklerfirma, die in Potsdam Wohnungen räumen ließ. Außerdem wurden auf das Grundstück der Firma Rentaco Finanz & Boden Management AG, Frobenstraße 77 - 81 (Berlin-Steglitz), zwei mit Farbei gefüllte Plastikflaschen geworfen. In einer mit "Autonome Gruppen" unterzeichneten Erklärung werfen die Täter den Betroffenen vor, für die Räumung der u. a. von Autonomen besetzten "Tanzfabrik" in Potsdam verantwortlich gewesen zu sein. 18. Oktober Handgranatenanschlag auf das Restaurant "Auerbach", Köpenicker Straße 174 (Berlin-Kreuzberg). Höchstwahrscheinlich Angehörige der Gruppe "Klasse gegen Klasse" warfen eine Splittergranate russischer Herkunft durch die Schaufensterscheibe des Lokals. Es entstand Sachschaden in Höhe von ca. 100 000 DM. 21. Oktober Sprengstoffanschlag auf das Lebensmittelgeschäft "ALIMENTARI & VINI", Skalitzer Straße 23 (BerlinKreuzberg). Angehörige der Gruppierung "Klasse gegen Klasse" zündeten am Gitter vor dem Schaufenster einen Sprengkörper, bestehend aus einer mit Sprengstoff gefüllten Taschenlampe und einem hochsensiblen Zünder. Die Schaufensterscheibe wurde beschädigt. In einem Bekennerschreiben drohen die Täter dem Inhaber u. a. ultimativ mit einem massiven weiteren Anschlag, wenn er sein Geschäft nicht bis Ende Januar nächsten Jahres aufgebe. 22. Oktober Brandanschlag auf einen Pkw der Luxusklasse im Weidenweg/Löwestraße (Berlin-Friedrichhain). In einer Taterklärung bekennt sich eine "autonome 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 297 Zelle", ein Fahrzeug der Marke Daimler angezündet zu haben und wendet sich gegen "bonzen, spekulantinnen und miethaie". 30. Oktober Brandanschlag auf den Pkw des früheren Landesvorsitzenden der Partei "Die Republikaner" (REP), Carsten PAGEL. Unbekannte Täter brachten an den Vorderrädern des vor dem Grundstück Ritterlandweg 54a (BerlinReinickendorf) abgestellten BMW518i einen Brandsatz mit Zeitzünder an. Durch den Brand wurden die neben dem Fahrzeug abgestellten Pkw ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Es entstand Sachschaden in Höhe von ca. 64 000 DM. Zu dem Anschlag veröffentlichte das autonome Szeneblatt "INTERIM", Nr. 261, vom 11. November, ein Bekennerschreiben mit dem Signum "eine autonome Gruppe". 1. November Brandanschlag auf ein Baufahrzeug der Firma ALBA. Am Morgen wurde auf dem Recyclinghof des privaten Entsorgungsunternehmens, Ziegrastraße 2-48 (BerlinNeukölln), durch unbekannte Täter ein Bagger in Brand gesetzt. Es entstand Sachschaden in Höhe von ca. 300 000 DM. In einem bei dem Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN) GmbH eingegangenen und mit "Autonome lodernde Bagger Aktion" unterzeichneten Tatbekenntnis verurteilen die Verfasser die Beteiligung des Unternehmens an der Räumung der Wagenburg am Engelbecken. 1. November Brandanschlag auf Baufahrzeuge der Firma Karl Weiss Hoch-, Tiefund Rohrleitungsbau GmbH & Co. Am Abend wurde durch unbekannte Täter auf der Großbaustelle am Potsdamer Platz, Bellevue-/Ebertstraße (Berlin-Tiergarten), ein Bagger des Unternehmens in Brand gesetzt. Es entstand Totalschaden. Die 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 298 Tat, zu der keine Bekennung veröffentlicht wurde, steht vermutlich im Zusammenhang mit der geplanten Bebauung des Potsdamer Platzes. 3. November Aktion gegen den Stadtrat für Gesundheit und Umweltschutz im Bezirksamt Neukölln, Bernd BRUSCHKE, Angehöriger der Partei "Die Republikaner" (REP). In den Redaktionen der "tageszeitung" (taz) und der Nachrichtenagentur ADN ging ein Bekennerschreiben ein, das mit "Autonomen Gruppen" unterzeichnet ist. Darin heißt es u. a.: "Wir haben am 3.11.93 die Wohnungstür des REP Gesundheitsstadtrates von Neukölln Bernd Bruschke, Wermuthweg 3, achte Etage, Berlin-Neukölln besprüht, mit Buttersäure versaut und die Schlösser verklebt. - Laßt uns die Faschisten treffen wenn wir sie schlagen.". Zu dem Sachverhalt wurde durch die örtlich zuständige Polizeidienststelle eine Anzeige wegen Sachbeschädigung aufgenommen, aus der hervorgeht, daß am 4. November unbekannte Täter mit roter Farbe im Flur des Wohnhauses BRUSCHKEs "Vorsicht REP" sprühten. 9. November Brandanschlag auf den Pkw des Cheflektors des Ullstein Verlages GmbH & Co. KG, Dr. Rainer ZITELMANN. Unbekannte Täter setzten in den frühen Morgenstunden den auf dem Hof des Hauses Schmiljanstraße 25 (Berlin-Steglitz) abgestellten Pkw in Brand. Durch den Anschlag wurde ein weiterer Pkw in Mitleidenschaft gezogen. In einem Bekennerschreiben, das mit "Autonome Gruppen" unterzeichnet ist, wird dem Geschädigten vorgeworfen, "rassistische Propaganda unters Volk zu bringen". 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 299 9. November Teilnahme Autonomer an der Besetzung der künftigen Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland in der Neuen Wache, Unter den Linden (BerlinMitte). Etwa 15 Personen, darunter Autonome, beteiligten sich an der Aktion, indem sie ihre Füße an die Gittertüren des Eingangs ketteten. Die Polizei beendete nach zwei Stunden die Besetzung und nahm zehn Teilnehmer fest. Etwa 30 weitere Demonstranten, die vor der Neuen Wache ein Transparent mit der Aufschrift "Jetzt erst recht - gegen alten und neuen Faschismus" entrollt hatten, protestierten gegen das Vorgehen der Polizei. 9. November Demonstration der den Autonomen zuzurechnenden "Antifaschistischen Initiative Moabit" (AIM) zum Gedenken an die Opfer der Naziherrschaft. Etwa 700 Personen, darunter Punker, Autonome und Hausbesetzer, beteiligten sich an der Demonstration mit Abschlußkundgebung vor dem Mahnmal auf der Putlitzbrücke (Berlin-Tiergarten). Der Demonstrationszug wurde von einem Lautsprecherwagen des Mehringhofes begleitet. Zu Ausschreitungen kam es an der Perleberger Straße (Berlin-Tiergarten), wo Flaschen und Steine auf Polizisten geworfen wurden. 12. November Brandanschlag auf einen in einer Garage, Geibelstraße 32b (Berlin-Tempelhof), abgestellten Mercedes Benz 190. Dem Feuer war eine Explosion vorausgegangen. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 45 000 DM. Wahrscheinlich galt der Anschlag dem Pkw des stellvertretenden Landesvorsitzenden der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) und seinerzeitigem Wahlkandidaten der ebenfalls rechtsextremistischen Gruppierung "Die Nationalen", Karl-Heinz PANTELEIT, Geibelstraße 34b (Berlin-Tempelhof). Tatsächlich setzten unbekannte 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 300 Täter das Fahrzeug eines anderen Halters in Brand. In den Tagen vor dem Anschlag waren im Bereich des späteren Tatorts anonyme Plakate geklebt worden, auf denen PANTELEIT als Deutsche Liga-Funktionär und als Mitglied der "Nationalen" mit voller Anschrift genannt wurde. 14. November Störung der Einweihung der Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland. Etwa 400 Personen, darunter Angehörige der autonomen Szene, störten die offizielle Einweihungsfeier der Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland in der Neuen Wache, Unter den Linden (Berlin-Mitte). Sie versammelten sich auf dem gegenüberliegenden Gehweg, von wo aus sie mit Rufen wie "Nazis raus!" und "Deutsche Täter sind keine Opfer!" sowie mit Pfiffen aus Trillerpfeifen lautstark protestierten und Transparente zeigten. Die Polizei nahm sieben Personen fest. 14. November Sachbeschädigungen und Farbschmierereien an Kriegsdenkmälern. Zu den Aktionen gegen Kriegsdenkmäler im Volkspark Schöneberg und an der Urban-/Baerwaldstraße (Berlin-Kreuzberg) bekannte sich in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 262, vom 18. November, eine "AG Denkmalschmutz". 16. November Kundgebung "Gegen Rechtsradikalismus in Berlin". An dem Aufzug in Berlin-Marzahn beteiligten sich etwa 400 Personen, unter ihnen Angehörige der autonomen Szene und der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Der Protest richtete sich gegen eine Kundgebung der Partei "Die Republikaner" (REP) zum Gedenken an die Tötung eines früheren Parteimitgliedes; der Aufzug 5 -Anhang II: Chronologie 1993301 war jedoch bereits zuvor von der Polizei verboten worden. Im Anschluß an die Demonstration kam es zu Ausschreitungen. 17. November Ausschreitungen vor dem Lokal "Letzter Versuch", Lychener Straße 64 (Berlin-Prenzlauer Berg). Anläßlich einer Geburtstagsfeier von "Rechtsradikalen" kam es vor der Gaststätte zu einer Ansammlung von etwa 50 Angehörigen der "rechten" und etwa 100 Angehörige der "linken" Szene. Durch das Einschreiten der Polizei wurden Krawalle verhindert. Sie erteilte den Beteiligten einen Platzverweis. 17. November Brandanschlag auf das "Kulturhaus Ottomar Geschke", Blankenburger Chaussee 1 (Berlin-Weißensee). Unbekannte Täter schlugen auf der Rückseite des Gebäudes eine Scheibe ein und leiteten eine brennbare Flüssigkeit in das Gebäudeinnere. Der Zündsatz erlosch von selbst, es entstand kein Brandschaden. In der Vergangenheit galt der Jugendclub als Treffpunkt von Angehörigen der "rechten" Szene. 19. November Bombenund Brandanschläge in Berlin-Zehlendorf. Angehörige der Gruppe "Klasse gegen Klasse" brachten auf den Terrassen der Einfamilienhäuser Am Wieselbau 40 und Am Hegewinkel 74 selbstgebaute Rohrbomben zur Explosion und setzten in unmittelbarer Nähe zu den Tatorten hochwertige Pkw der Marken BMW und Porsche in Brand. In einem Bekennerschreiben wenden sich die Täter gegen die Beteiligung der Geschädigten an "Umstrukturierungsmaßnahmen". Beide Häuser sind von Personen bewohnt, die unmittelbar mit Baumaßnahmen in Berlin-Kreuzberg in verantwortlicher Position zu tun haben. 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 302 21. November Kundgebung und Demonstration aus Anlaß des ersten Todestages des Hausbesetzers Silvio MEIER. Vor dem U-Bahnhof Samariterstraße (Berlin-Friedrichshain) versammelten sich etwa 200 Personen, darunter Angehörige der autonomen Szene, zu einer Kundgebung mit anschließender Demonstration. Die friedlich verlaufene Veranstaltung stand unter dem Motte: "Wir vergeben nichts!! Wir vergessen nichts!! Wandelt Wut und Trauer in Widerstand!". 23. November Erneuter Brandanschlag auf das "Kulturhaus OttomarGeschke", Blankenburger Chaussee 1 (BerlinWeißensee). Unbekannte Täter schlugen zwei Fenster ein und warfen Brandsätze in zwei Räume des Jugendklubs, der als Treffpunkt der "rechtsradikalen" Szene gilt. Die Feuerwehr löschte das Feuer. 23. November Sachbeschädigung an einem Fahrzeug der Firma Rüdiger Brandenburg GartenLandschaftsund Sportplatzbau GmbH. Unbekannte Täter zerstachen auf dem Gelände des Firmenfuhrparks, Hegauer Weg 37 (Berlin-Zehlendorf), Reifen an einem Arbeitsfahrzeug. Der Anschlag steht im Zusammenhang mit Protesten gegen Baumaßnahmen des Unternehmens auf dem Areal der geräumten "Wagenburg am Engelbecken". Zu der Tat bekannte sich eine "AG Baustop". 23. November Brandanschlag auf einen Jugendclub. Unbekannte Täter verübten auf den Jugendklub "Zum Horn", Hoernlestraße 51 (Berlin-Köpenick), einen Brandanschlag. Sie schlugen zwei Fenster ein und warfen zwei Brandsätze in die Räume. Die Flammen wurden von der Feuerwehr gelöscht. Zu dem Brandanschlag bekannte sich im autonomen Szeneblatt "INTERIM", Nr. 264, vom 2. Dezember, "eine antifa 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 303 gruppe", die dem "hoernleclub" als zentralen Treffpunkt für "faschist/innen aus der gegend köpenick und umland" beschreibt. 28. November Erneute Aktion gegen den Neuköllner Stadtrat für Gesundheit und Umweltschutz, Bernd BRUSCHKE, Angehöriger der Partei "Die Republikaner" (REP). Nachdem es mehrmals an seiner Wohnungstür, Wermuthweg 3 (Berlin-Neukölln), geklingelt hatte, stellt der Politiker fest, daß unbekannte Täter das Schloß an seinem Briefkasten mit einer Klebemasse unbrauchbar gemacht hatten. 29. November Brandanschlag auf einen Pkw der Marke Mercedes Benz. Unbekannte Täter warfen vor dem Haus Urbanstraße 116 (Berlin-Neukölln) mit einem Kleinpflasterstein eine Scheibe des Pkw ein und setzten das Fahrzeug, vermutlich mittels Brandbeschleuniger, in Brand. Der Pkw Kombi wurde durch das Feuer stark beschädigt. Halter ist ein türkischer Staatsangehöriger. 13. Dezember Sachbeschädigung und Plakate mit politischem Inhalt. Unbekannte Angehörige einer "Lesben/Frauengruppe" verklebten das Türschloß eines Tabakwarengeschäftes in der Barbarossastraße 43 (Berlin-Schöneberg) mit einer Klebemasse. Außerdem brachten sie an der Hauswand und an der Jalousie des Geschäftes zwei Plakate an mit folgendem Inhalt: "Meinungsfreiheit ... endet dort, wo Menschenrechte angegriffen werden" und "Hier werden Neonazi-Zeitungen verkauft: Junge Freiheit, Deutsche Nationalzeitung, Deutsche Wochenzeitung, boykottieren wir diesen Laden. Keine Verbreitung von Neonazi-Propaganda". 17. Dezember Beteiligung Autonomer an einer Solidaritätsdemonstration für die verhafteten Tatverdächtigen im Fall "Kaindl". 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 304 Etwa 1 000 Personen, darunter Autonome und Angehörige verschiedener Antifa-Gruppen, beteiligten sich an einer Solidaritätsdemonstration von der Cranien-/ Adalbertstraße zum Schlesischen Tor (Berlin-Kreuzberg). Die Demonstration stand unter dem Motto: "Gegen Naziterror und Bullenwillkür! Helft den verfolgten und gesuchten Antifas! Lückenlose Aufklärung der Zusammenarbeit von BullenA/erfassungsschutz und Nazis im Fall 'Kaindl'!" Aufgrund der einschließenden Begleitung durch die Polizei kam es nicht zu Ausschreitungen. 18. Dezember Demonstrative Aktion vor einem Zeitungskiosk. Im Rahmen der Kampagne "Stoppt Nazi-Zeitungen" versammelten sich vor dem Zeitungskiosk Grußdorfstraße 11 (Berlin-Reinickendorf) etwa 10 Personen. Sie zeigten ein Transparent mit der Aufschrift: "Trotz der Ereignisse in letzter Zeit bietet dieser Laden rechtsextreme Zeitungen an, sollte man dagegen nicht etwas unternehmen? Organisiert den antifaschistischen Widerstand" und verteilten Handzettel, in denen auf den Verkauf von "rechtsradikalen" Zeitungen durch diesen Kiosk hingewiesen wurde. Die Polizei erteilte den Beteiligten einen Platzverweis, um den Bereich unmittelbar vor dem Kiosk für das Tagesgeschäft freizumachen. 18. Dezember Solidaritätskundgebungen für die verhafteten Tatverdächtigen im Fall "Kaindl" unter dem Motto "Sofortige Freilassung der türkischen und kurdischen Antifaschisten". Hierzu hatte ein "Bündnis: Frauen gegen imperialistische Kriege" in einem Flugblatt mit der Überschrift: "Schluß mit der Kriminalisierung von antifaschistischem und revolutionärem Widerstand" aufgerufen. An den Veranstaltungen, die sich auch gegen das PKK-Verbot richteten, beteiligten sich vor dem Rathaus Neukölln (Berlin-Neukölln) und am Kottbusser 5 -Anhang II: Chronologie 1993305 Tor (Berlin-Kreuzberg) jeweils bis zu 30 Personen, je zur Hälfte Ausländer. Beide Aktionen verliefen ohne Zwischenfälle und fanden bei den Passanten kaum Beachtung. 19. Dezember Sachbeschädigungen an Hausfassaden im Rahmen der Kampagne gegen die "Umstrukturierung" Berlins. Unbekannte Täter warfen zwei mit roter Farbe gefüllte Flaschen gegen die Wand des Hauses Gütergotzer Straße 11 (Berlin-Zehlendorf). Es entstand Sachschaden an der Hausfassade sowie an der Hauswand des Nachbargrundstücks. In dem Gebäude hat ein Architektenbüro seinen Firmensitz, das zur Zeit an einem Bauvorhaben in BerlinKreuzberg beteiligt ist. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 307 5.3 Ausländerextremismus 8. Januar Festveranstaltung der Berliner Gliederung der "FATAH" aus Anlaß des 28. Jahrestages der Gründung der Organisation mit etwa 300 Teilnehmern. 9. Januar Solidaritätsveranstaltung der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (Bewegung)" (TKP/ M-L Hareketi) für die "Opfer" ihres "Revolutionären Kampfes" in der Türkei mit etwa 200 Teilnehmern. 23. Januar Demonstration, initiiert von der "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT), zum Thema "Solidarität mit den 415 deportierten Palästinensern" mit etwa 800 Teilnehmern. 28. Januar Mahnwache der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Solidarität mit der in Brüssel laufenden Hungerstreikaktion der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) gegen "Menschenrechtsverletzungen in der Türkei". 13. Februar Demonstration der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) unter dem Motto "Solidarität mit den im Hungerstreik befindlichen Kurden in Brüssel" mit über 350 Teilnehmern. 14. Februar Veranstaltung der Berliner Gliederung der "Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) anläßlich des 24. Jahrestages der Gründung der Organisation mit etwa 120 Teilnehmern. 16.-18. Februar Hungerstreik von Anhängern der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Solidarität mit der in Brüssel seit dem 24. Januar 1993 laufenden Hungerstreikaktion der "Nationalen Befreiungsfront 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 308 Kurdistans" (ERNK) gegen "Menschenrechtsverletzungen in der Türkei". Daran beteiligten sich bis zu 25 Personen. 6. März Protestkundgebung aus Anlaß der Eröffnung der "Internationalen Tourismus-Börse" (ITB) zum Thema "Tourismusboykott in die Türkei". Unter den etwa 150 Teilnehmern befanden sich neben Mitgliedern der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) auch zahlreiche deutsche Sympathisanten. 13. März Veranstaltung der Berliner Gliederung der "FATAH" unter Leitung des PLO-Vertreters in der Bundesrepublik Deutschland, Abdallah FRANGI, im Zusammenhang mit der Nahost-Konferenz mit etwa 60 Teilnehmern. 20. März Demonstration der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Anlaß des kurdischen Neujahrsfestes "Newroz" mit über 400 Teilnehmern. 20. März Demonstration, initiiert von der "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT), anläßlich des sog. Jerusalemtages mit etwa 5 000 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet. 21. März Demonstration des "Vereins der Arbeiter aus der Türkei in Berlin e. V." (TID) zum kurdischen Neujahrsfest "Newroz" mit etwa 200 Teilnehmern, darunter etwa 100 Anhänger der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP). 11. April Veranstaltung der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zum Thema "Kurdistan" mit bis zu 700 Teilnehmern, darunter auch einige Anhänger anderer linksextremistischer Kurdenorganisationen sowie der "Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L). 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 309 17. April Veranstaltung des "YAGAN"-Flügels der "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) mit etwa 300 z. T. auswärtigen Teilnehmern. 20. April Demonstration der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) für den im November 1991 an den Folgen einer tätlichen Auseinandersetzung mit einer Gruppe deutscher Jugendlicher verstorbenen türkischen Jugendlichen Mete EKSI unter der Losung "Gerechtigkeit für Mete Eksi" mit bis zu 90 Teilnehmern, darunter deutsche Autonome. Am Rande der Demonstration kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. 21. April Vortragsveranstaltung der Berliner Gliederung der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) zum Thema "Islamische Bewegung und Nahost-Konferenz" mit etwa 100 Teilnehmern. 30. April Veranstaltung der Fraktion "Bolsevik Partizan" der "Türkischen Kommunistischen Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/M-L) zur Vorstellung einer neuen Zeitschrift mit dem Namen "Yeni Dünya lein" ("Für eine neue Welt") mit etwa 200 Teilnehmern. 1. Mai Zusammenstoß und Schußwechsel zwischen den Anhängern der verfeindeten Fraktionen der "Devrimci Sol", "YAGAN"und "KARATAS"-Flügel, in Kreuzberg. An der Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen beteiligten sich etwa 40 Personen. Der türkische Staatsangehörige Ercan SAKAR, Mitglied des "YAGAN"-Flügels, wurde dabei durch Schüsse tödlich verletzt. 6. Mai Trauerzug des "YAGAN"-Flügels der "Devrimci Sol" für den am 1. Mai 1993 getöteten Ercan SAKAR unter 5 -Anhang II: Chronologie 1993 - 310 dem Motto "Das Morden muß ein Ende haben!" mit etwa 300 Teilnehmern. 8. Mai Informationsveranstaltung der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zum Stand der Verhandlungen zwischen der PKK und anderen kurdischen Organisationen in Kurdistan mit etwa 200 Teilnehmern. 29. Mai Beteiligung von etwa 1 000 Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) an einer internationalen Großdemonstration in Bonn unter dem Motto "Für ein freies Kurdistan". 24. Juni Überfälle auf drei türkische Banken in Berlin im Rahmen einer zeitlich abgestimmten europaweiten Anschlagsserie der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) mit erheblichen Sachschäden. An den Überfällen in Berlin waren jeweils bis zu 10 Personen beteiligt. 26. Juni Versuch einer Protestkundgebung von etwa 120 Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) gegen den türkischen "Staatsterrorismus". Die Kundgebung war von der Polizei verboten worden. Nach der Aufforderung der Polizei, den Veranstaltungsort zu räumen, kam es zu Handgreiflichkeiten mit einigen Demonstranten; acht Personen wurden vorläufig festgenommen. 26. Juni Informationsveranstaltung der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zur "aktuellen Situation in Kurdistan" mit etwa 200 Teilnehmern. 3. Juli Solidaritätsund Folkloreveranstaltung der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) mit über 1 000 Teilnehmern. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 311 22. August Veranstaltung der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zur aktuellen Lage in Kurdistan mit etwa 400 Teilnehmern. 4. September Beteiligung von über 1 000 Berliner Mitgliedern und Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) an dem "2. Internationalen Kurdistan-Festival" im Frankfurter Waldstadion. Auf der Rückfahrt nach Berlin verunglückte einer der Reisebusse. Vier Teilnehmer der Veranstaltung wurden getötet und weitere Businsassen erlitten Verletzungen. 11. September Trauerzug der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zum Gedenken an die vier Opfer des Busunglücks am 4./5. September 1993 mit über 3 000 Teilnehmern. 16. September Protestveranstaltung von Berliner Anhängern der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) vor dem Gebäude des Fernsehsenders SAT 1 aus Anlaß der Ermordung von kurdischen Mitgliedern des türkischen Parlaments in der Türkei mit etwa 20 Teilnehmern. Der Protest richtete sich gegen die angeblich unzureichende Berichterstattung der deutschen Medien über derartige Ereignisse. 21. September Protestaktionen anläßlich des Besuchs der türkischen Ministerpräsidentin Tansu CILLER in Berlin. Etwa 80 Mitglieder und Sympathisanten linksextremistischer Kurdenund Türken-Organisationen, darunter die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) und die "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP), nahmen daran teil. Am Rande der Protestaktionen kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen den Demonstranten und der 5 -Anhang II: Chronologie 1993 * 312 Polizei, in deren Verlauf vier Personen vorläufig festgenommen wurden. 16. Oktober Kulturveranstaltung der "Türkischen Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) mit etwa 2 000 Personen. Im Anschluß an die Veranstaltung demonstrierten einige Teilnehmer gegen die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) vor deren Treffund Versammlungsort in der Kottbusser Straße 8 in Kreuzberg. 30. Oktober Beteiligung von etwa 300 Mitgliedern und Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Berlin an einer Großdemonstration der PKK in Köln wegen der Militäreinsätze gegen die PKK im Südosten der Türkei. 4. November Brandanschläge von jugendlichen Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) auf drei türkische Einrichtungen in Berlin im Rahmen einer europaweiten zeitlich abgestimmten Aktionsserie der PKK. 6. November Veranstaltung des Vereins "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BÜD) mit dem aus der Türkei angereisten Generalsekretär der "Partei der Großen Einheit" (BBP), Muhsin YAZICIOGLU, mit etwa 400 Teilnehmern. 12. November Veranstaltung der Berliner Gliederung der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) unter dem Motto "Kein Frieden mit dem Zionismus" mit etwa 50 Teilnehmern. 20. November Beteiligung von etwa 350 Mitgliedern und Sympathisanten der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) an einer Großdemonstration der PKK in Bonn. Die Demonstration richtete sich gegen die bundesweit durchgeführten Durchsuchungen von Räumen der 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 313 PKK-orientierten Vereine nach der europaweiten Anschlagsserie der PKK am 4. November 1993. 26. November Verbot der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) einschließlich ihrer Teilund Nebenorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland durch den Bundesminister des Innern. In Berlin ist das "Kurdische Kulturzentrum BOTAN in Berlin e. V." von der Verbotsverfügung betroffen. 27. November Kulturund Folkloreveranstaltung von Anhängern der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Anlaß des 15. Jahrestages der Gründung der PKK mit etwa 300 Teilnehmern. 5. Dezember Veranstaltung der "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS) zum Thema "Gaza-Jericho-Abkommen" mit etwa 500 Teilnehmern. 6. Dezember Schießerei zwischen den Anhängern des Vereins "Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V." (BÜD) und der von ihr abgespaltenen "Türkischen Idealistengemeinschaft in Berlin" (TÜB) in Kreuzberg. Dabei wurden keine Personen verletzt. 6. Dezember Entdeckung einer "Bomben-Attrappe" im Briefkasten des Rathauses Kreuzberg. Die aus einer Batterie, einem Elektronik-Bauteil und einem Vorhängeschloß bestehende Attrappe ohne Sprengstoff war mit einer "Presseerklärung" zum Verbot der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) umwickelt. 6. Dezember Beginn eines unbefristeten Hungerstreiks von Mitgliedern und Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in den Räumen des "Kurdischen Kulturzentrums BOTAN in Berlin e. V." aus Protest gegen das Verbot der PKK in der Bundesrepublik Deutschland mit zeitweise über 40 Teilnehmern. 5 - Anhang II: Chronologie 1993 - 314 16. Dezember Pressekonferenz in den Vereinsräumen des "Kurdischen Kulturzentrums BOTAN in Berlin e. V." im Zusammenhang mit dem Verbot der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und ihrer Teilorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Anwesend waren etwa 100 Mitglieder und Sympathisanten der PKK. 17. Dezember Bundesweite "Kulturveranstaltung" des "KARATAS"Flügels der "Devrimci Sol" in Kreuzberg mit etwa 200 Teilnehmern. 18. Dezember Protestkundgebung der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) vor dem Rathaus Neukölln gegen das Verbot der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in der Bundesrepublik Deutschland mit etwa 20 Teilnehmern. 18. Dezember Anreise von etwa 1 000 Mitgliedern und Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Berlin zur Teilnahme an einer geplanten Festveranstaltung der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) in Kassel. Da die Veranstaltung zwischenzeitlich verboten worden war, kam es in der Kasseler Innenstadt zu einer spontanen Demonstration der aus verschiedenen Bundesländern vergeblich angereisten mehreren Tausend Kurden mit unfriedlichem Verlauf und zu Blockaden auf der Autobahn vor Kassel. 31. Dezember Jahresabschlußfeier von Berliner Anhängern der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), zugleich Einweihung der neuen Vereinsräume des "Kurdischen Kulturzentrums BOTAN in Berlin e. V." im Hause Zossener Straße 41 in Kreuzberg. 6 -Anhang III: LfVG315 6 Anhang III Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 26. Januar 1993 6 -Anhang III: LfVG317 Gesetz über das Landesarnt für Verfassungsschutz (LfVG) Vom 26. Januar 1993 pas Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen: SS4 Zusammenarbeit Erster Abschnitt (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes Aufgaben und Befugnisse zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondes Landesamtes für Verfassungsschutz dere in gegenseitiger Unterstützung und Information sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen (wie z. B. das nachSS1 richtendienstliche Informationssystem des Bundes und der LänZweck des Verfassungsschutzes der (NADIS) und die Schule für Verfassungsschutz). Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der SicherGeltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das heit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. SS2 Organisation SS5 (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden ausschließAufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz lich vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Es (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, den wird als obere Landesbehörde geführt und untersteht der AufSenat von Berlin und andere zuständige staatliche Stellen über sicht der Senatsverwaltung für Inneres. Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu unter(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeirichten. Dadurch soll diesen Stellen insbesondere ermöglicht lichen Dienststelle nicht angegliedert werden. werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen. SS3 (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt und wertet das Dienstkräfte Landesamt für Verfassungsschutz Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Daten, Auskünfte, Nachrichten und Die Diensikräfte des Landesamtes für Verfassungsschutz Unterlagen aus über haben neben den allgemeinen Beamtenpflichten die sich aus dem Wesen des Verfassungsschutzes und ihrer dienstlichen Stellung 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische ergebenden besonderen Pflichten. Sie haben sich jederzeit für Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin einzuBeeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane setzen. Die Funktion des Amtsleiters soll nur einer Person überdes Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum tragen werden, die die Befähigung zum Richteramt besitzt. Ziele haben. 6 -Anhang III: LfVG318 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten 4. die Ablösbarkcit der Regierung und ihre Verantwortlichkeil im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde gegenüber der Volksvertretung, Macht, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und durch Anwendung von Gewalt oder daraufgerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Deutschland gefährden, (3) Im Sinne dieses Gesetzes sind 4. frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines LanDDR im Geltungsbereich dieses Gesetzes. des solche, die daraufgerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt auf Ersuchen staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes der zuständigen öffentlichen Stellen mit Gebiet abzutrennen, 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Landes solche, die daraufgerichtet sind, den Bund, die LänGegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die der oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeil Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen könerheblich zu beeinträchtigen. nen, (4) Auswärtige Belange im Sinne des SS 5 Abs. 2 Nr. 3 werden 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sichernur gefährdet, wenn innerhalb des Geltungsbereichs des Grundheilsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungsgesetzes Gewalt ausgeübt oder durch Handlungen vorbereitet wichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, wird und diese sich gegen die politische Ordnung oder Einrichtungen anderer Staaten richten. 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die KenntSS7 nisnahme durch Unbefugte, Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit 4. bei sonstigen Überprüfungen, soweit dies im Einzelfall zum des Landesamtes für Verfassungsschutz Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, darf das oder für Zwecke der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Landesamt Tür Verfassungsschutz bei der Wahrnehmung seiner Näheres wird in einer durch die Senatsverwaltung für InneAufgaben nach SS 5 Abs. 2 nur tätig werden, wenn im Einzelfall tatres zu erlassenden Verwaltungsvorschrifl bestimmt. sächliche Anhaltspunkte für den Verdacht der dort genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz an der Sicherheitsüberprüfung nach Absatz 3 Nr. 1 und 2 setzt im Einzel(2) Zur Erfüllung seiner Aufgaben darf das Landesamt für Verfall voraus, daß die zu überprüfende Person zugestimmt hat. In fassungsschutz nur die dazu erforderlichen Maßnahmen ergreidie Sicherheitsüberprüfung dürfen mit ihrer Zustimmung der fen; dies gilt insbesondere für die Erhebung und Verarbeitung Ehegatte, Verlobte oder die Person, die mit der betroffenen Perpersonenbezogener Informationen. Von mehreren möglichen son in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, miteinbezogen werden. und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige auszuwählen, die den einzelnen, insbesondere in seinen Grundrechten, und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme hat zu unterbleiben, wenn sie einen Nachteil herbeiSS6 führt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Begriffsbestimmungen Erfolg steht. Sie ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. (1) Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 2 Nr. 1 und 3 sind politisch motivierte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen oder (3) Soweit in diesem Gesetz besondere Eingriffsbefugnisse das Betätigungen von Organisationen, Personenzusammenschlüssen Vorliegen gewalttätiger Bestrebungen oder daraufgerichtete Vorohne feste hierachische Organisationsstrukturen (unorganisierte bereitungshandlungen voraussetzen, ist Gewalt die Anwendung Gruppen) oder Einzelpersonen gegen die in SS 5 Abs. 2 bezeichnekörperlichen Zwanges gegen Personen oder eine nicht unerhebten Schutzgüter. Für eine Organisation oder einen Personenzuliche Einwirkung auf Sachen. sammenschluß ohne feste hierachische Organisationsstruktur 'unorganisierte Gruppe) handelt, wer sie in ihren Bestrebungen SS8 nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von EinzelpersoBefugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz nen, die nicht in einer oder für eine Organisation oder in einem oder für einen Personenzusammenschluß ohne feste hierachische (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die zur ErfülOrganisationsstruktur (unorganisierte Gruppe) handeln, sind lung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließBestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwenlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, dung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungssoweit die Bestimmungen dieses Gesetzes dies zulassen. weise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nach Maßgabe beschädigen. dieses Gesetzes Methoden und Gegenstände einschließlich tech(2) Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, die gegen die freinischer Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie insheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sind besondere den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersosolche, die auf die Beseitigung oder Außerkraftsetzung wesentnen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere licher Verfassungsgrundsätze abzielen. Hierzu gehören: und Tarnkennzeichen anwenden. Diese sind in einer von der Senatsverwaltung für Inneres zu erlassenden Verwaltungsvor1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und schrifi zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die AnordAbstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgenung solcher Informationsbeschaffung regelt. Die Verwaltungsbung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung vorschrift ist dem Ausschuß für Verfassungsschutz des Abgeordauszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelnetenhauses von Berlin zur Kenntnis zu geben. Die Behörden des barer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, Landes sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige technische Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der (3) Polizeiliche Befugnisse stehen dem Landesamt für VerfasRechtssprechung an Gesetz und Recht, sungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentariAmtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht schen Opposition, befugt ist. 6 -Anhang III: LfVG319 (4) Das Landesamt Tür Verfassungsschutz ist an die allgemeiMaßgabe des SS7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz nen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetvom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), zuletzt geändert durch zes). Gesetz vom 27. Mai 1992 (BGBl. I S. 997), verwendet werden. Die auf Grund der Erhebungen nach Absatz 1 gespeicherten Informationen sind nach Maßgabe des SS 14 Abs. 2 zu löschen. SS9 Besondere Formen der Datenerhebung SS10 (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen Registereinsicht durch das einschließlich personenbezogener Daten mit den Mitteln gemäß Landesamt für Verfassungsschutz SS8 Abs. 2 erheben, wenn (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Aufklärung 1, sich ihr Einsatz gegen Organisationen, Personenzusammenschlüsse ohne feste hierachische Organisationsstrukturen -- von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätig(unorganisierte Gruppen), in ihnen oder einzeln tätige Persokeiten für eine fremde Macht oder nen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den -- von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder Verdacht der Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freibestehen, heitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder 2, auf diese Weise Erkenntnisse über gewalttätige Bestrebundie Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, gen oder geheimdienstliche Tätigkeiten gewonnen werden oder können, -- von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforderlichen Quellen erschlosBelange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sen werden können oder von öffentlichen Stellen geführte Register, z. B. Melderegister, 4. dies zum Schutz der Dienstkräfte, Einrichtungen, GegenPersonalausweisregister, Paßregister, Führerscheinkarteien, Wafstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz fenscheinkarteien, einsehen. gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (2) Eine solche Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die darf mit technischen Mitteln ausschließlich bei der Wahrnehregisterrührende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet mung der Aufgaben auf dem Gebiet der Spionageabwehr und des würde, und gewaltbereiten politischen Extremismus heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden. Eine solche Maßnahme ist nur zulässig, 2. die betroffene Person durch eine anderweitige Aufklärung wenn sie im Einzelfall zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder unverhältnismäßig beeinträchtigt würde und einer Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist, ein 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder konkreter Verdacht in bezug auf eine Gefährdung der vorstehenein Berufsgeheimnis der Einsichtnahme nicht entgegensteht. den Rechtsgüter besteht und der Einsatz anderer Methoden und Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung keine Aussicht (3) Die Anordnung für die Maßnahme nach Absatz 1 trifft der auf Erfolg bietet. Satz 1 und 2 gelten entsprechend für einen verLeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, im Falle der Verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufhinderung der Vertreter. nahmen und Bildaufzeichnungen in Wohnungen. (4) Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur (3) Die Erhebung nach Absatz 1 und 2 ist unzulässig, wenn die zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. Erforschung des Sachverhalts auf andere, die betroffene Person Gespeicherte Informationen sind zu löschen und Unterlagen zu weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werBeeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Inforden. mationen aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine (5) Über die Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu Auskunft nach SS27 gewonnen werden können. Die Anwendung führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommene Stelle, eines Mittels gemäß SS8 Abs. 2 soll erkennbar im Verhältnis zur die Namen der Betroffenen, deren Daten für eine weitere VerBedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Die Maßwendung erforderlich sind, sowie der Zeitpunkt der Einsichtnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist nahme hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufoder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht zubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen auf diese Weise erreicht werden kann. Daten, die für das Verzu sichern und, soweit sie für die Aufgabenerfüllung des Landesständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich amtes für Verfassungsschutz nach SS 5 Abs. 2 nicht mehr benötigt sind, sind unverzüglich zu löschen. Die Löschung kann unterbleiwerden, am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Erstelben, wenn die Informationen von anderen, die zur Erfüllung der lung folgt, zu vernichten. Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall dürfen die Daten nicht verwertet werden. Zwei ter A b s c h n i t t (4) Ein Eingriff, der in seiner Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommt, Datenverarbeitung bedarf der Zustimmung des Senators für Inneres, im Falle der Verhinderung derjenigen des Vertreters. SS11 (5) Bei Erhebungen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Speicherung, Veränderung und Nutzung Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegepersonenbezogener Informationen heimnisses gleichkommen, insbesondere durch Abhören und (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung Aufzeichnen des nicht Öffentlich gesprochenen Wortes mit dem seiner Aufgaben rechtmäßig erhobene personenbezogene Inforverdeckten Einsatz technischer Mittel, sowie nach Absatz 2 ist der mationen speichern, verändern und nutzen, wenn Eingriff nach seiner Beendigung der betroffenen Person mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks des Eingriffs ausge1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeischlossen werden kann. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn ten nach SS5 Abs. 2 vorliegen oder sich auch nach fünf Jahren noch nicht abschließend beurteilen 2. dies für die Erforschung oder Bewertung von gewalttätigen läßt, ob diese Voraussetzung vorliegt. Die durch Maßnahmen im Bestrebungen oder geheimdienstlichen Tätigkeiten nach SS 5 Sinne des Satzes 1 erhobenen Informationen dürfen nur nach Abs. 2 erforderlich ist oder 6 -Anhang III: LfVG320 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher (5) Personenbezogene Informationen, die ausschließlich zu Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur erforderlich ist oder Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese 4. es auf Ersuchen der zuständigen Stelle nach SS 5 Abs. 3 tätig Zwecke und zur Verfolgung der in der jeweiligen Fassung des wird. Berliner Datenschutzgesetzes als Straftaten bezeichneten Handlungen verwendet werden. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 5 Abs. 3 dürfen in automatisierten Dateien nur personenbezogene Informationen über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung SS15 unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werBerichtigung und Sperrung personenbezogener den. Informationen in Akten (3) In Dateien gespeicherte Informationen müssen durch Aktenrückhalt belegbar sein. (1) Stellt das Landesamt für Verfassungsschutz fest, daß in Akten gespeicherte personenbezogene Informationen unrichtig (4) In Dateien ist die Speicherung von Informationen aus der sind, oder wird ihre Richtigkeit von dem Betroffenen bestritten, Intimsphäre der betroffenen Person unzulässig. so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. SS12 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat personenbezoSpeicherung, Veränderung und Nutzung gene Informationen in Akten zu sperren, wenn es im Einzelfall personenbezogener Informationen von Minderjährigen feststellt, daß ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen von Die Speicherung personenbezogener Informationen über MinBetroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine Auf. derjährige, die das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben, ist unzugabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Informalässig. tionen sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhe. SS13 bung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachSpeicherungsdauer träglich entfallen. (1) Das Landesamt Tür Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche SS16 Maß zu beschränken. Die in Dateien gespeicherten InformatioDateianordnungen nen sind bei der Einzelfallbearbeitung, spätestens aber fünf Jahre nach Speicherung der letzten Information, auf ihre Erforderlich(1) Für jede automatisierte Datei beim Landesamt für Verfaskeit zu überprüfen. Sofern die Informationen Bestrebungen nach sungsschutz sind in einer Dateianordnung, die der Zustimmung SS 5 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 betreffen, sind sie spätestens zehn Jahre der Senatsverwaltung für Inneres bedarf, im Benehmen mit dem nach der zuletzt gespeicherten relevanten Information zu Berliner Datenschutzbeauftragten festzulegen: löschen. !.. Bezeichnung der Datei, (2) Sind Informationen über Minderjährige in Dateien oder in 2. Zweck der Datei, Akten, die zu ihrer Person geführt werden, gespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen der Speicherungen, Überund spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es mittlung und Nutzung (betroffener Personenkreis, Arten der sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere ErkenntDaten), nisse nach SS 5 Abs. 2 angefallen sind, die zur Erfüllung der Auf4. Eingabeberechtigung, gaben im Sinne dieses Gesetzes eine Fortdauer der Speicherung rechtfertigen. 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, SS14 Berichtigung, Löschung und Sperrung 7. Protokollierung, personenbezogener Informationen in Dateien 8. Datenverarbeitungsgeräte und Betriebssystem, (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien 9. Inhalt und Umfang von Textzusätzen, die der Erschließung gespeicherten personenbezogenen Informationen zu berichtigen, von Akten dienen. wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige Interessen der betroffe(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angemessenen nen Person beeinträchtigt sein können. Abständen die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Informationen zu löschen, SS17 wenn ihre Speicherung irrtümlich erfolgt war, unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforGemeinsame Dateien derlich ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Person Bundesgesetzliche Vorschriften über die Datenverarbeitung in nicht beeinträchtigt werden. gemeinsamen Dateien der Verfassungsschutzbehörden des Bun(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien des und der Länder bleiben unberührt. gespeicherten personenbezogenen Informationen zu sperren, wenn die Löschung unterbleibt, weil Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Interessen der Dritter Abschnitt betroffenen Person beeinträchtigt würden; gesperrte InformatioInformationsiibermittlung nen sind entsprechend zu kennzeichnen und dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Person verwendet werden. SS18 (4) In Dateien gelöschte Informationen sind gesperrt. UnterlaGrundsätze bei der Informationsübermittlung gen sind zu vernichten, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben nach durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 5 nicht oder nicht mehr erforderlich sind, es sei denn, daß ihre Aufbewahrung zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Die Übermittlung von personenbezogenen Informationen ist betroffenen Person notwendig ist. Die Vernichtung unterbleibt, aktenkundig zu machen. In der entsprechenden Datei ist die wenn die Unterlagen von anderen, die zur Erfüllung der AufInformationsübermittlung zu vermerken. Vor der Informationsgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufübermittlung ist der Akteninhalt im Hinblick auf den Übermittwand getrennt werden können. lungszweck zu würdigen und der Informationsübermittlung zu- 6 -Anhang III: LfVG321 gründe zu legen. Erkennbar unvollständige Informationen sind mung erteilt hat. Das Landesamt für Verfassungsschutz führt v0 r der Übermittlung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit durch über die Auskunft nach Satz 1 einen Nachweis, aus dem der ginholung zusätzlicher Auskünfte zu vervollständigen. Zweck der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, SS19 gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten. Informationsübermittlung zwischen den Der Empfänger darf die übermittelten personenbezogenen InforVerfassungsschutzbehörden mationen nur fur den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermitOas Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet das Bundestelt wurden. Der Empfanger ist auf die Verwendungsbeschränamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden kung und darauf hinzuweisen, daß das Landesamt für Verfasder Länder über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis zur Erfülsungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenomlung der Aufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. mene Verwendung der Informationen zu bitten. SS20 SS24 Informationsübermittlung an den Übermittlung von Informationen Bundesnachrichtendienst und den an die Stationierungstreitkräfte Militärischen Abschirmdienst Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Das Landesamt fur Verfassungsschutz übermittelt dem Informationen an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst übermitteln, soweit die Bundesrepublik Deutschland dazu im die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich persoRahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkomnenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür men zwischen den Parteien des Nordatlantikpaktes über die bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepuder empfangenden Stellen erforderlich ist. Handelt das Landesblik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom amt für Verfassungsschutz auf Ersuchen, so ist es zur Übermitt3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183) verpflichtet ist. Die Überlung nur verpflichtet und berechtigt, wenn sich die Voraussetzunmittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf gen aus den Angaben der ersuchenden Behörde ergeben. hinzuweisen, daß die übermittelten Informationen nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS21 Informationsübermittlung an SS25 Strafverfolgungsbehörden in Angelegenheiten des Übermittlung von Informationen an Staatsund Verfassungsschutzes öffentliche Stellen außerhalb des Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt den StaatsGeltungsbereichs des Grundgesetzes anwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltlichen SachleiDas Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene tungsbefugnis, den Polizeibehörden des Landes die ihm bekanntInformationen an ausländische öffentliche Stellen sowie an übergewordenen Informationen einschließlich personenbezogener oder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die ÜbermittDaten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die lung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erhebÜbermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten, licher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die die im Zusammenhang mit Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der BundesSS5 Abs. 2 stehen, erforderlich ist. republik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen. Die Übermittlung SS22 ist nur im Einvernehmen mit dem Bundesamt für VerfassungsÜbermittlung von Informationen schutz zulässig. Sie ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger an den öffentlichen Bereich ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten personenbezogenen Informationen nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, (1) Die im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerfüllung zu dem sie ihm übermittelt wurden, und das Landesamt für Vergewonnenen, nicht personenbezogenen Erkenntnisse des fassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenomLandesamtes für Verfassungsschutz können an andere Behörden mene Verwendung der Informationen zu bitten. und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermittelt werden, wenn sie für die Aufgabenerfüllung SS26 der empfangenden Stellen erforderlich sein können. Unterrichtung der Öffentlichkeit (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezoDie Senatsverwaltung für Inneres und das Landesamt für Vergene Informationen an inländische Behörden und juristische Perfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit mindestens einsonen des öffentlichen Rechts übermitteln, wenn dies zur Erfülmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2. lung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Dabei ist die Übermittlung von personenbezogenen InformatioInformationen zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nen nur zulässig, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des nach SS5 Abs. 2 oder zur Strafverfolgung benötigt oder nach SS5 Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder Abs. 3 tätig wird. unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Inter(3) Die empfangende Stelle von Informationen nach Absatz 2 essen der Allgemeinheit an sachgemäßen Informationen das ist darauf hinzuweisen, daß sie die übermittelten personenbezoschutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. genen Informationen nur zu dem Zweck verwenden darf, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt wurden. SS27 Übermittlung von Informationen an das SS23 Landesamt für Verfassungsschutz Übermittlung von Informationen an (1) Die Behörden des Landes und die sonstigen der Aufsicht Personen und Stellen außerhalb des des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentÖffentlichen Bereichs lichen Rechts übermittein von sich aus dem Landesamt für VerPersonenbezogene Informationen dürfen an Personen oder fassungsschutz die ihnen bekanntgewordenen Informationen, Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermittelt insbesondere personenbezogene Daten, über Bestrebungen nach werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen SS 5 Abs. 2, die durch Anwendung von Gewalt oder daraufgerichdemokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sichertete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, und über geheimheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und der Senadienstliche Tätigkeiten. Die Staatsanwaltschaften und, vorbehalttor für Inneres oder sein Vertreter im Einzelfall seine Zustimlich der staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei 6 -Anhang III: LfVG322 übermitteln darüber hinaus auch andere im Rahmen ihrer Aufbensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an gabenerfüllung bekanntgewordene Informationen über Bestreausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermitbungen im Sinne des SS5 Abs. 2. telt werden, (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz kann von jeder der SS30 in Absatz 1 genannten öffentlichen Stellen verlangen, daß sie ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen Nachberichtspflicht einschließlich personenbezogener Daten übermittelt, wenn die Erweisen sich Informationen nach ihrer Übermittlung nach Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder den Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichnur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur durch eine den tig, so hat die übermittelnde Stelle ihre Informationen unverzüg. Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden könlieh gegenüber der empfangenden Stelle zu ergänzen oder zu nen. Es dürfen nur die Informationen übermittelt werden, die bei berichtigen, wenn dies zu einer anderen Bewertung der Informader ersuchten Behörde bereits bekannt sind. tionen führen könnte oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person erforderlich ist. Die Ergänzung oder (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht Ersuchen Berichtigung ist aktenkundig zu machen und in den entsprechennicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Perden Dateien zu vermerken. son dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (4) Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozeßordnung Vierter Abschnitt bekanntgeworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Auskunftserteilung Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, SS31 begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für VerfasAuskunft an den Betroffenen sungsschutz nach Satz 1 übermittelten Informationen findet der Absatz 3, auf die dazugehörenden Unterlagen findet der Absatz 4 (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt einer natürdes SS7 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende lichen Person über die zu ihr gespeicherten Informationen auf Anwendung. Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit die Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Die Auskunftsverpfiichtung (5) Vorschriften zur Informationsübermittlung an das Landeserstreckt sich nicht auf Informationen, die nicht der alleinigen amt für Verfassungsschutz nach anderen Gesetzen bleiben unbeVerfügungsberechtigung des Landesamtes für Verfassungsschutz rührt. unterliegen, sowie auf die Herkunft der Informationen und die (6) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelEmpfänger von Übermittlungen. ten Informationen nach ihrem Eingang unverzüglich darauf zu (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf den Antrag überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner in SS 5 genannten Aufablehnen, wenn das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung gaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforseiner Tätigkeit oder ein überwiegendes Geheimhaltungsinterderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die esse Dritter gegenüber dem Interesse der antragstellenden Person Vernichtung unterbleibt, wenn die Trennung von anderen Inforan der Auskunftserteilung überwiegt. In einem solchen Fall hat mationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht das Landesamt für Verfassungsschutz zu prüfen, ob und inwieoder nur mit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem weit eine Teilauskunft möglich ist. Ein Geheimhaltungsinteresse Fall sind die Informationen gesperrt und entsprechend zu kennliegt vor, wenn zeichnen. 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Aus(7) Soweit andere gesetzliche Vorschriften nicht besondere kunftserteilung zu besorgen ist, Regelungen über die Dokumentation treffen, haben das Landesamt für Verfassungsschutz und die übermittelnde Stelle die Infor2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können mationsübermittlung aktenkundig zu machen. oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweisen des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, SS28 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst Übermittlungsverbote dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten Die Übermittlung von Informationen nach den Vorschriften würde oder dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 4. die Informationen oder die Tatsache der Speicherung nach 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, daß die. einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere Informationen zu löschen oder für die empfangende Stelle wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter, nicht mehr bedeutsam sind, geheimgehalten werden müssen. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, Die Entscheidung nach Satz 1 und 2 trifft der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder ein von ihm besonders beauf3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücktragter Mitarbeiter. sichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen das (3) Die Ablehnung einer Auskunft ist zumindest insoweit zu Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen oder begründen, daß eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung der Verweigerungsgründe gewährleistet wird, ohne dabei den Zweck 4. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegender Auskunftsverweigerung zu gefährden. Die Gründe der Ablehstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimnung sind in jedem Fall aktenkundig zu machen. haltungspflichten odervon Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, (4) Wird die Auskunftserteilung ganz oder teilweise abgelehnt, bleibt unberührt. ist die betroffene Person daraufhinzuweisen, daß sie sich an den Berliner Datenschutzbeauftragten wenden kann. Dem Berliner SS29 Datenschutzbeauftragten ist auf sein Verlangen Auskunft zu Minderjährigenschutz erteilen, soweit nicht der Senator für Inneres im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten gefährdet würde. Mitteilungen des Berliner Datenschutzbeaufüber das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften tragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen Erkenntnisstand des Landesamtes für Verfassungsschutz zulasder Speicherung nach SS 13 Abs. 2 erfüllt sind. sen, soweit es nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten Der Kontrolle durch den Berliner Datenschutzbeauftragten über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Leunterliegen nicht personenbezogene Informationen, die der Kon- 6 -Anhang III: LfVG323 trolle durch die Kommission nach SS2 des Gesetzes zur AusfühSS35 rung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 16. Juli 1991 Aufgaben und Befugnisse des Ausschusses (GVB1. S. 172) unterliegen, es sei denn, die Kommission ersucht den Berliner Datenschutzbeauftragten, die Einhaltung der Vor(1) Der Senat hat den Ausschuß umfassend über die allgeschriften über den Datenschutz bei bestimmten Vorgängen oder meine Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und über jn bestimmten Bereichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten; er berichdarüber zu berichten. tet auch über den Erlaß von Verwaltungsvorschriften. Der Ausschuß hat Anspruch auf Unterrichtung. SS32 (2) Der Ausschuß hat auf Antrag mindestens eines seiner MitAkteneinsicht glieder das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in (1) Sind personenbezogene Daten in Akten gespeichert, so Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verleann dem Betroffenen auf Antrag Akteneinsicht gewährt werden, fassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von deren Dienstsoweit Geheimhaltungsinteressen oder schutzwürdige Belange kräften. Die Befugnisse des Ausschusses nach Satz 1 erstrecken Dritter nicht entgegenstehen. SS31 gilt entsprechend. sich nur auf Gegenstände, die der alleinigen Verfügungsberechtigung des Landesamtes für Verfassungsschutz unterliegen. (2) Die Einsichtnahme in Akten oder Aktenteile ist insbesondere dann zu versagen, wenn die Daten des Betroffenen mit (3) Der Senat kann die Unterrichtung über einzelne Vorgänge Daten Dritter oder geheimhaltungsbedürftigen sonstigen Inforverweigern und bestimmten Kontrollbegehren widersprechen, mationen derart verbunden sind, daß ihre Trennung auch durch wenn dies erforderlich ist, um vom Bund oder einem deutschen Vervielfältigung und Unkenntlichmachung nicht oder nur mit Land Nachteile abzuwenden; er hat dies vor dem Ausschuß zu unverhältnismäßig großem Aufwand möglich ist. In diesem Fall begründen. ist dem Betroffenen zusammenfassende Auskunft über den Akteninhalt zu erteilen. (4) Das Abgeordnetenhaus kann den Ausschuß für einen bestimmten Untersuchungsgegenstand als Untersuchungsausschuß (Artikel 33 der Verfassung von Berlin) einsetzen. SS3 des Fünfter Abschnitt Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des AbgeordnetenParlamentarische Kontrolle hauses von Berlin vom 22. Juni 1970 (GVB1. S. 925), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juni 1991 (GVB1. S. 154), findet keine SS33 Anwendung. Ausschuß für Verfassungsschutz (5) Für den Ausschuß gelten im übrigen die Bestimmungen (1) In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes unterliegt der der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Senat von Berlin der Kontrolle durch den Ausschuß für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin. Die Rechte des Abgeordnetenhauses und seiner anderen Ausschüsse bleiben unberührt. (2) Der Ausschuß für Verfassungsschutz besteht in der Regel Sechster Abschnitt aus höchstens zehn Mitgliedern. Die Fraktionen wählen die auf Schluß Vorschriften sie entfallenden Mitglieder und machen sie dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin namhaft. Die Fraktionen werden SS36 nach ihrer Mitgliederzahl beteiligt, wobei jede Fraktion mindeEinschränkung von Grundrechten stens durch ein Mitglied vertreten sein muß. Eine Erhöhung der im Satz 1 bestimmten Mitgliederzahl ist nur zulässig, soweit sie Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverzur Beteiligung aller Fraktionen notwendig ist. letzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes ein(3) Scheidet ein Mitglied aus dem Abgeordnetenhaus oder geschränkt werden. seiner Fraktion aus, so verliert es die Mitgliedschaft im Ausschuß für Verfassungsschutz. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein SS37 neues Mitglied zu benennen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied Anwendbarkeit des Berliner Datenschutzgesetzes aus dem Ausschuß ausscheidet. Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 durch das Landesami für Verfassungsschutz finden die SSSS 10 bis 17 und 19 Abs. 2 bis 4 SS34 des Berliner Datenschutzgesetzes in der Fassung vom 17. DezemGeheimhaltung ber 1990 (GVBI. 1991 S. 16, 54), zuletzt geändert durch Gesetz Die Öffentlichkeit wird durch einen Beschluß des Ausschusses vom 22. Oktober 1992 (GVBI. S. 314), keine Anwendung. ausgeschlossen, wenn das öffentliche Interesse oder berechtigte Interessen eines einzelnen dies gebieten. Sofern die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, sind die Mitglieder des Ausschusses zur SS38 Verschwiegenheit über Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen Inkrafttreten, Außerkrafttreten dabei bekanntgeworden sind. Das gleiche gilt auch für die Zeit (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im nach dem Ausscheiden aus dem Ausschuß. Die Verpflichtung zur Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. Verschwiegenheit kann von dem Ausschuß aufgehoben werden, soweit nicht berechtigte Interessen eines einzelnen entgegenste(2) Gleichzeitig tritt das Gesetz über das Landesamt für Verfashen oder der Senat widerspricht; in diesem Fall legt der Senat sungsschutz in der Fassung vom 31. Juli 1989 (GVBI. S. 1545) dem Ausschuß seine Gründe dar. außer Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Der Regierende Bürgermeister Diepgen 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 325 7 Abkürzungsverzeichnis Personenund Sachregister 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 327 7.1 Abkürzungsverzeichnis A AB Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD AMGT Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V. ANO Abu-Nidal-Organisation ARGK Volksbefreiungsarmee Kurdistans B BBP Partei der Großen Einheit BSA Bund Sozialistischer Arbeiter BÜD Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V. BW Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen BWK Bund Westdeutscher Kommunisten D DA Deutsche Alternative Dev Sol Revolutionäre Linke DFLP Demokratische Front für die Befreiung Palästinas DJI Deutsche Jugendinitiative Berlin DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DPK-I Demokratische Partei Kurdistans-Irak DVU Deutsche Volksunion DVU e. V. Deutsche Volksunion e. V. 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 328 _E ERNK Nationale Befreiungsfront Kurdistans F * FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei FAPSI Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information der Russischen Föderation FEYKAFöderation der patriotischen Arbeiterund KulturverKurdistan einigungen aus der Bundesrepublik Deutschland e. V. FMJ Förderwerk Mitteldeutsche Jugend vgl. Direkte Aktion/Mitteldeutschland (JF) FRVS Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten FSK Föderaler Dienst für Spionageabwehr G GdNF Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front GRU Russischer militärischer Auslandsaufklärungsdienst GS Gruppe Spartakus GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten H HAMAS Islamische Widerstandsbewegung HJ Hitler-Jugend HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. HVA Hauptverwaltung Aufklärung 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 329 I ICCB Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V. IM Inoffizieller Mitarbeiter IMSV Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. ISA Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation J JF Direkte Aktion Mitteldeutschland JN Junge Nationaldemokraten K KGB Komitee für Staatssicherheit KKK Ku-Klux-Klan KOMKAR KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPD Kommunistische Partei Deutschlands" KSSE Vereinigung der kurdischen Studenten in Europa e. V. M MB Moslembruderschaft MBR Sicherheitsministerium der Russischen Föderation MfS Ministerium für Staatssicherheit MG Marxistische Gruppe" MHP Partei der Nationalistischen Bewegung 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 330 MIK militärisch-industrieller Komplex MLPD Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands N NA Berlin Nationale Alternative Berlin NATO Organisation der Signatarmächte des Nordatlantikpaktes ND Nachrichtendienst NEK Nationales Einsatzkommando NF Nationalistische Front NL Nationale Liste NO Nationale Offensive NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSDAP-AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation "p PFLP Volksfront für die Befreiung Palästinas PFLP-GC Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando PU Palästinensischer Islamischer Jihad PKK Arbeiterpartei Kurdistans PLO Palästinensische Befreiungsorganisation PMOI Organisation der Volksmojahedin Iran PSK Sozialistische Partei Kurdistan PUK Patriotische Union Kurdistan 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 331 R REP Die Republikaner RH Rote Hilfe e. V. RIM Revolutionäre Internationale Bewegung RK Revolutionäre Kommunisten (BRD) RP Wohlstandspartei RZ Revolutionäre Zellen S SAG Sozialistische Arbeitergruppe SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SEW Sozialistische Einheitspartei Westberlins SpAD Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands SrA Sozialrevolutionäre Arbeiterfront vgl. Direkte Aktion/Mitteldeutschland (JF) SWR Russischer ziviler Auslandsaufklärungsdienst T TDKP Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei TKP/M-L Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten TÜB Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin U UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 332 U.I.S.A. Union Islamischer Studentenvereine in Europa V VAA Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie VEVAK Ministerium für Information und Sicherheit des iranischen Volkes VFK Völkischer Freundeskreis Berlin VIS Verein Islamischer Studenten in Berlin e. V. VSP Vereinigte Sozialistische Partei W WJ Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e V. WSDV (Freiheitliche Wählergemeinschaft-) Wir sind das Volk 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 333 7.2 Personenund Sachregister A AA/BO, siehe Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation; 103; 127 AB, siehe Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD; 106; 122 Abu-Nidal-Organisation, 133; 137 AIW, siehe Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia Shehadah; 84; 86; 87 AMAL-Bewegung, 139 AMGT, siehe Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V.; 145 Angehörigen lnfo(s), 85 Angriff, 42 ANO, siehe Abu-Nidal-Organisation; 137; 138; 150 Anti-Olympia-Komitee, 99 Antifa-Gruppen, 92; 94; 103 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation, 703 Antifaschistische Jugend, siehe Antifasist Genclik; 51; 142; 151 Antifasist Genclik, 51; 142; 151 Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia Shehadah, 84; 86 AOK, siehe Anti-Olympia-Komitee; 99 APFEL, Holger, 49 APOCULAR, 153 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, 106 Arbeiterpartei Kurdistans, 732; 733; 734; 742; 746; 752 ARGK, siehe Volksbefreiungsarmee Kurdistans; 146; 154; 155; 159; 160 ARRANCA! - Zeitung für eine radikale Linke, 726; 728 Asgard-Bund e. V., 37; 38 Autonome, 76; 81; 87; 90; 91; 92; 93; 94; 95; 96; 97; 98; 99; 100; 101; 102; 103; 104; 114; 118; 119; 120; 122; 124; 125; 129; 130 Autonome Antifa (M), 724; 727 B BAADER, Andreas, 80 BARKASCHOW, Alexander P., 37 BBP, siehe Partei der Großen Einheit; 144 Berlin-Brandenburger, 50 Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V., 36; 56; 57 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 334 Bewegung 2. Juni, 87; 88 BISKY, Lothar, 113; 114 BOLDT, Uli, 36 BRIE, Andre, 113 BSA, siehe Bund Sozialistischer Arbeiter, 107 BÜD, siehe Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V.; 144 Bund Sozialistischer Arbeiter, 107 Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen, 39 Bund Westdeutscher Kommunisten, 108 BURMEISTER, Lars, 33 BUSSE, Friedhelm, 34; 67 B W , siehe Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen; 39 BWK, siehe Bund Westdeutscher Kommunisten; 108; 122 C CILLER, Tansu, 142; 160 CZICHON, Eberhard, 112 D DA, siehe Deutsche Alternative; 32; 34; 35; 65; 67; 69 Dänische Nationalsozialistische Bewegung, 72 DARABI, Kazem, 136; 148 DEMIREL, Süleyman, 160 Demokratische Front für die Befreiung Palästinas, 137 Demokratische Partei Kurdistans-Irak, 152 Denkzettel, 48; 73 DER EINBLICK, 66; 67; 70; 71; 72; 73 Der Republikaner, 53; 54 Deutsche Alternative, 32; 34; 65; 67 Deutsche Jugendinitiative Berlin, 38 Deutsche Kommunistische Partei, 106; 109; 113 Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin, 56 Deutsche Liga, 51 Deutsche Liga für Volk und Heimat, 46; 49; 50; 71; 142 Deutsche Nationalzeitung, 46 Deutsche Volksunion, 46 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 335 Devrimci Sol, 141; 142; 143; 151 DFLP, siehe Demokratische Front für die Befreiung Palästinas; 137; 138 Die Maotsetungideen und die Lehre von der Denkweise, 117 Die Nationalen e. V., 46; 49; 50; 51; 55 Die Neue Front, 72 Die Republikaner, 46; 49; 50; 51; 52; 55 Die Republikaner - Nachrichten und Meinungen - Aus Berlin für Berlin, 53 Die Rote Fahne - Zeitung der Kommunistischen Partei Deutschlands, 116 Direkte Aktion/Mitteldeutschland, 42; 43 Disput, 114 DJI, siehe Deutsche Jugendinitiative Berlin; 38 DKP, siehe Deutsche Kommunistische Partei; 106; 109; 110; 113; 115; 119; 120; 121; 122 DL, siehe Deutsche Liga; 51 DLVH, siehe Deutsche Liga für Volk und Heimat; 46; 49; 50; 51 DNSB, siehe Dänische Nationalsozialistische Bewegung; 72 DPK-I, siehe Demokratische Partei Kurdistans-Irak; 152 DVU, 46; 47; 51 DVU e. V , 47 E Einheit und Kampf. Stimme des Jungen Deutschlands, 49 EKSI, Mete, 141 ENGELS, Friedrich, 117; 119 ENSSLIN, Gudrun, 80 ERIKSSON, Steffen, 48 ERNK, siehe Nationale Befreiungsfront Kurdistans; 154; 155; 158; 159; 161; 162; 163 F F.e.l.S., siehe Für eine linke Strömung; 104; 124; 125; 126; 127; 128; 129; 130 FAP, siehe Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei; 32; 33; 34; 36; 39; 40; 49; 56; 67; 69 FAPSI, siehe Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information; 170 FATAH, 137; 138 FEYKA-Kurdistan, 154; 161 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 336 FMJ, siehe Förderwerk Mitteldeutsche Jugend; 35; 40; 42; 50 Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information, 170 Föderaler Dienst für Spionageabwehr, 170 Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus der Bundesrepublik Deutschland, 154 Förderkreis Gerhard KAINDL, 71 Förderwerk Mitteldeutsche Jugend, 35; 40; 42; 50 Freiheit für die politischen Gefangenen, 85 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei, 32; 33; 34; 36; 39; 40; 49; 67 Freiheitliche Wählergemeinschaft - "Wir sind das Volk", 49 Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten, 73 FREY, Gerhard, 46; 47 FRVS, siehe Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten; 73 FSK, siehe Föderaler Dienst für Spionageabwehr, 170 Für eine linke Strömung, 124 G GALINSKI, Heinz, 73 GAUCK, Joachim, 183 GdNF, siehe Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front; 32; 34; 72 GEGENSTANDPUNKT, 116 Gesellschaften für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung mbH, 108 Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front, 32; 34; 38; 72 GILLIAN, Peter, 51 GNN, siehe Gesellschaften für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung mbH; 108 GRAMS, Andreas, 82 Großer Idealer Kreis - Türkischer Kulturverein Berlin e. V., 144 GRU, siehe Russischer militärischer Auslandsaufklärungsdienst; 169 Gruppe Avanti, 107 Gruppe K, 106 Gruppe Spartakus, 707 GS, siehe Gruppe Spartakus; 107 GUZMAN, Abimael, 118; 142 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 337 H HAMAS, siehe Islamische Widerstandsbewegung; 137; 138; 139; 140; 145; 150 HAMMERSCHMIDT, Katharina, 82 HANDLOS, Franz, 52 HARNISCH, Hanno, 111; 114 HASSELBACH, Ingo, 73 Hauptverwaltung Aufklärung, 768; 777 HECKELMANN, Dieter, 762 HEMPELMANN, Olaf, 55 HESS, Rudolf, 34; 38; 49; 57; 67; 68; 69; 73 HEYDRICH, Reinhard, 38 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V., 39; 40; 71; 73 HITLER, Adolf, 41; 73 Hitler-Jugend, 57 Hizb AI-Da'Wa Al-Islamia, siehe Parteides islamischen Rufs/der Islamischen Mission; 139 Hizb Allah, 733; 737; 739; 740; 745; 747 HJ, siehe Hitler-Jugend; 57 HNG, siehe Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. ; 39; 40; 71; 73 HOGEFELD, Birgit, 82; 130 HVA, siehe Hauptverwaltung Aufklärung; 168; 177; 178; 179; 180; 181; 182; 183 I ICCB, siehe Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V.; 145 IKL, siehe Internationale Kommunistische Liga (Vierte Internationalisten); 120 IMSV, siehe Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland; 148; 149 INTERIM, 72; 81; 92; 99; 102; 104; 124; 125 Internationale Kommunistische Liga (Vierte Internationalisten), 720 Internationale Sozialisten, 778 Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation, 707 Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland, 748 IS, siehe Internationale Sozialisten; 118 ISA, siehe Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation; 107 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 338 Islamische Avantgarden, 139 Islamische Widerstandsbewegung, 137; 139; 140; 150 J JELZIN, Boris, 170 JF, siehe Direkte Aktion/Mitteldeutschland; 42; 43 JN, siehe Junge Nationaldemokraten; 48; 49; 57; 73 Junge Nationaldemokraten, 48; 57; 73 K K-Gruppen, 90; 106 KABUS, Thilo, 48 KAINDL, Gerhard, 51; 72; 142 Kameradschaftsverbund Mitteldeutschland, 43 KANTHER, Manfred, 34 KAPLAN, Cemaleddin, 145 KARATAS, Dursun, 142; 143 KARATAS-Flügel, 142 KASULKE, Bernd, 36 KBW, siehe Kommunistischer Bund Westdeutschland; 108 KfsV, siehe Komitee für soziale Verteidigung; 120 KGB, 168; 169; 170; 171 KHOMEINI, 147; 149 KINKEL, Klaus, 86 KKK, siehe Ku-Klux-Klan; 38 KLASSE GEGEN KLASSE, 98; 104 Komitee für soziale Verteidigung, 120 KOMKAR, siehe KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan; 152 KOMKAR-Verband der Vereine aus Kurdistan, 152 Kommando Katharina Hammerschmidt, 82 Kommunistische Internationale, 121 Kommunistische Partei Chinas, 114 Kommunistische Partei Deutschlands, 106; 113; 115 Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten, 106 Kommunistische Partei Österreichs, 114 Kommunistische Partei Perus, 117 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 339 Kommunistische Plattform, 110; 111; 112; 122; 123 Kommunistischer Bund Westdeutschland, 108 KPCh, siehe Kommunistische Partei Chinas; 114 KPD, siehe Kommunistische Partei Deutschlands; 106; 110; 113; 115; 122 KPD/M-L, siehe Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten; 106 KPdSU, 105; 119 KPF, siehe Kommunistische Plattform; 111; 112; 113; 114; 123 KPÖ, siehe Kommunistische Partei Österreichs; 114 KSSE, siehe Vereinigung der kurdischen Studenten in Europa e. V.; 152 Ku-Klux-Klan, 38 KÜHNEN, Michael, 32; 34; 37 Kurdisches Kulturzentrum BOTAN in Berlin e. V., 146; 154; 162 Kurdistan Report, 162 Kurdistan-Front Irak, 152 Kurdistan-Komitees, 154 L LADYGIN, Fedor, 169 Landser, 43; 45; 46 LAUCK, Gary Rex, 41; 42 LENIN, Wladimir I., 112; 117; 119 Leuchtender Pfad, siehe Sendern Luminoso; 117; 142 M Macht & Ehre, 45; 46 MAHLER, Horst, 80 MAHROHN, Heinz, 112 Mao ZEDONG, 117; 121 MARX, Karl, 113; 117; 119; 121 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands, 116 Marxistische Gruppe, 116 MBR, siehe Sicherheitsministerium der Russischen Föderation; 170 MEINHOF, Ulrike, 80 MfS, siehe Ministerium für Staatssicherheit; 168; 177; 178; 179; 182; 183 MG, siehe Marxistische Gruppe; 116 MHP, siehe Partei der Nationalistischen Bewegung; 144 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 340 Ministerium für Staatssicherheit, 177 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS, 112 MLPD, siehe Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands; 113; 116; 117; 122 MODROW, Hans, 114 MOHNHAUPT, Brigitte, 83 Moslembruderschaft, 139; 140 MÜLLER, Curt und Ursula, 41 MÜLLER, Ursula, 40 MÜLLER, Werner, 54 Mutterpartei, 144 N NA, siehe Nationale Alternative; 37; 73 NA Berlin, siehe Nationale Alternative Berlin; 37; 73 Nachrichten der HNG, 39; 40 NAHRATH, Wolfram, 57; 58 Nationaldemokratische Partei Deutschlands, 46; 47 Nationale Alternative, 37 Nationale Alternative Berlin, 37; 73 Nationale Befreiungsfront Kurdistans, 154 Nationale Liste, 32; 56; 67; 69 Nationale Offensive, 36; 37; 65; 67 Nationales Einsatzkommando, 42 Nationales Info-Telefon Hamburg, 67 Nationalistische Front, 32; 35; 37; 40; 42; 56; 65; 67 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation, 37; 41; 72 NATO, 182 Natur Schutz=Denkzettel, 39; 66; 72; 73 NEK, siehe Nationales Einsatzkommando; 42 Neonazikreis um Curt Müller, 41 NF, siehe Nationalistische Front; 32; 35; 36; 37; 38; 40; 42; 56; 65; 67; 69 NL, siehe Nationale Liste; 32; 56; 67; 69 NO, siehe Nationale Offensive; 36; 37; 65; 67 Nordisch-Germanischer Jahrweiser, 38 NPD, siehe Nationaldemokratische Partei Deutschlands; 46; 47; 48; 49; 50; 51; 56; 57; 73 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 341 NRWRep-Ort, 53 NS-Denkzettel, siehe Natur Schutz=Denkzettel; 72; 73 NS-Kampfruf, 41 NSDAP, 33 NSDAP-AO, siehe Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation; 37; 41; 72 O OCHENSBERGER, Walter, 40 ÖCALAN, Abdullah, 153; 157; 158; 159 * Organisation der Volksmojahedin Iran, 148 P Palästinensischer Islamischer Jihad, 137; 139; 140 Partei der Großen Einheit, 144 Partei der Nationalistischen Bewegung, 144 Partei des Demokratischen Sozialismus, 108; 109; 110; 122 Partei des islamischen Rufs/der Islamischen Mission, 139 Partei Gottes, siehe Hizb Allah; 133; 139 Patriotische Union Kurdistans, 152; 157 PCP, siehe Kommunistische Partei Perus; 117; 118 PDS, siehe Partei des Demokratischen Sozialismus; 108; 109; 110; 111; 112; 113; 114; 115; 117; 122; 123 PFLP, siehe Volksfront für die Befreiung Palästinas; 137; 138; 150 PFLP-GC, siehe Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando; 133; 137; 138; 150 PU, siehe Palästinensischer Islamischer Jihad; 137; 139; 140; 150 PKK, Arbeiterpartei Kurdistans; 132; 133; 134; 142; 146; 147; 150; 152; 153; 154; 155; 156; 157; 158; 159; 160; 161; 162; 163 PLO, siehe Palästinensische Befreiungsorganisation; 134; 137; 138; 139; 140; 150 PMOI, siehe Organisation der Volksmojahedin Iran; 148; 149 POHL, Andreas, 35; 42 Politische Berichte, 108 PRIEM, Arnulf-Winfried, 35; 37; 38 PRIMAKOW, Jewgenij, 169 Proißens Gloria, 45; 46 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister r 342 PSK, siehe Sozialistische Partei Kurdistans; 157 PUK, siehe Patriotische Union Kurdistans; 152; 157 R RAF, siehe Rote Armee Fraktion; 75; 76; 80; 81; 82; 83; 84; 85; 86; 87; 88; 90; 94; 97; 105; 127; 128; 129; 130 REBELL, 116; 117 RECHTSKAMPF - Informationen zum Stand der Klagen gegen die Parteienverbote, 37 RENNICKE, Frank, 38 REP, siehe Die Republikaner, 46; 51; 52; 53; 54; 55; 56 REPortage, 53 Reportage, 53 Republikanische Jugend, 53 Revolutionäre Kommunisten (BRD), 117 Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei, 141 Revolutionäre Linke, siehe Devrimci Sol; 141 Revolutionäre Zellen, 75; 83; 87; 90; 96 Revolutionärer Zorn, 88 Revolutionary Internationalist Movement, 118; 142 RH, siehe Rote Hilfe e. V.; 106 RIDDERSKAMP, Mathias, 39 RIM, siehe Revolutionary Internationalist Movement; 118; 142 RK, siehe Revolutionäre Kommunisten (BRD); 117; 118 RÖHM, Ernst, 32; 35 ROHWEDDER, Detlev Karsten, 80 ROLOFF, Hans-Werner, 47 Rote Armee Fraktion, 75; 80 Rote Hilfe e. V., 106 RP, siehe Wohlstandspartei; 145 Russischer militärischer Auslandsaufklärungsdienst, 769 Russischer ziviler Auslandsaufklärungsdienst, 169 RZ, siehe Revolutionäre Zellen; 75; 76; 83; 87; 88; 89; 90; 96 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 343 ^ SAG, siehe Sozialistische Arbeitergruppe; 118; 119 SAKAR, Ercan, 143 SALOMON, Thomas, 48 SCHÖNBORN, Meinolf, 35; 36; 42 SCHÖNHUBER, Franz, 52; 54 SCHULZE, Manfred, 47 SCHWEIGERT, Oliver, 37 SCHWERDT, Frank, 50; 51 SDAJ, siehe Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend; 119; 121 SED, siehe Sozialistische Einheitspartei Deutschlands; 109; 110; 115; 120 Sendero Luminoso, 117; 118; 142 SEW, siehe Sozialistische Einheitspartei Westberlins; 109 SI, siehe Sozialistische Initiative; 109 Sicherheitsministerium der Russischen Föderation, 170 Sieg-AJ-Presse-Dienst, 40 Skinhead, 33; 37; 38; 40; 43; 44; 45; 46; 55; 61; 62; 63 Sozialistisch-Kommunistische Aktionseinheit, 122 Sozialistische Arbeitergruppe, 118 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend, 119 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, 109; 110 Sozialistische Einheitspartei Westberlins, 109 Sozialistische Initiative, 109 Sozialistische Partei Kurdistans, 157 Sozialistische Studentengruppen, 119 Sozialistische Theorie und Arbeiterbewegung e. V., 121 Sozialrevolutionäre Arbeiterfront, 35; 42 Sozialrevolutionäre Nationalisten, 73 SpAD, siehe Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands; 120 Spartakist, 120 Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands, 120 SpinnenNetz, 94; 103 SrA, siehe Sozialrevolutionäre Arbeiterfront; 35; 42 SRMP, siehe Ständiger Rat Marxistischer Parteien; 121 SrN, siehe Sozialrevolutionäre Nationalisten; 73 SSG, siehe Sozialistische Studentengruppen; 119 STab, siehe Sozialistische Theorie und Arbeiterbewegung e. V.; 122 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 344 STALIN, JosifW., 117 Ständiger Rat Marxistischer Parteien, 121 STORR, Andreas, 48; 49 STRASSER, Gregor und Otto, 32; 35 SWIERCZEK, Michael, 36; 37 SWR, siehe Russischer ziviler Auslandsaufklärungsdienst; 169 T TDKP, siehe Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei; 141; 142 THÄLMANN, Ernst, 121 TKP/M-L, siehe Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten; 141; 142; 151 TOPAS, 182 Trotz alledem, 115 TROTZKI, Leo, 106; 107 TÜB, siehe Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin; 144 TÜRKES, Alparslan, 144 Türkische Idealistengemeinschaft in Berlin, 144 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten, 141 U U.I.S.A., siehe Union Islamischer Studentenvereine in Europa; 136; 148 ULBRICHT, Walter, 121 Union Islamischer Studentenvereine in Europa, 136; 148 Unsere Zeit, 113; 115 UZ, siehe Unsere Zeit; 113 V VAA, siehe Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie; 107 Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft, 38; 40 Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V., 145 Verein Islamischer Studenten in Berlin e. V., 148 Vereinigte Sozialistische Partei, 106 Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie, 107 7 - Abkürzungsverzeichnis, Personenund Sachregister - 345 Vereinigung der kurdischen Studenten in Europa e. V., 752 Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V., 145 VFK, siehe Völkischer Freundeskreis; 38; 39 VIS, siehe Verein Islamischer Studenten in Berlin e. V.; 148 VOIGT, Ekkehard, 52 Völkischer Freundeskreis, 38 Volksbefreiungsarmee Kurdistans, 146; 154 Volksfront, siehe Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg; 108 Volksfront für die Befreiung Palästinas, 137 Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando, 733; 737 Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg, 708 VSP, siehe Vereinigte Sozialistische Partei; 106 W Wählergemeinschaft "Die Nationalen", 49 WBDJ, siehe Weltbund der demokratischen Jugend; 119 Weltbund der demokratischen Jugend, 779 Wiking-Jugend e. V , 56; 57 WJ, siehe Wiking-Jugende. V.; 56; 57; 58 Wohlstandspartei, 745 WORCH, Christian, 32; 67 Wotans Volk, 37; 38; 40 WSDV, siehe Freiheitliche Wählergemeinschaft - "Wir sind das Volk"; 49 Y Y- Gruppen, 754 YAGAN, Bedri, 742 YAGAN-Flügel, 742; 743