Landesamt für Verfassungsschutz BERLIN VerfassungsschutzBericht Berlin 1992 2 Herausgeber: Landesamt für Verfassungsschutz Berlin Redaktion: LfV II A Mai 1993 (Redaktionsschluß: 5. April 1993) Druck: Verwaltungsdruckerei Berlin Abdruck gegen Quellenangabe gestattet, Belegexemplar erbeten Vorwort 3 Vorwort Der jährliche Verfassungsschutzbericht Berlin stellt einen wichtigen Beitrag zur Information der Bürger über die Aktivitäten und politischen Ziele extremistischer Gruppierungen in Berlin sowie über die Spionagetätigkeit gegnerischer Nachrichtendienste dar. Als Nachrichtendienst steht der Verfassungsschutz naturgemäß in einem Spannungsverhältnis zwischen den individuellen Freiheitsrechten und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit. Daher ist gerade hier nicht nur ein Höchstmaß an Rechtsstaatlichkeit geboten, sondern der Verfassungsschutz muß sich als ein der Öffentlichkeit zugewandter Nachrichtendienst verstehen. Seine Aufgabe ist die Information von Parlament, Regierung und Bevölkerung aufgrund eines gesetzlich klar definierten Auftrages. Dabei unterliegt er der Kontrolle von Parlament und Regierung. Mit dem im Januar 1993 inkraftgetretenen neuen Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin wurden das öffentliche Interesse an einem effektiven Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und das Individualinteresse des Bürgers am Schutz seiner persönlichen Daten in ausgewogener Weise zusammengeführt. Das Jahr 1992 war durch die erschreckende Welle brutaler Gewalt gegen Ausländer, vor allem Asylbewerber und deren Unterkünfte, geprägt. Höhepunkte dieser Gewalt waren die entsetzlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen sowie der Mordanschlag in Mölln. Auch wenn Berlin im bundesweiten Vergleich rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten einen hinteren Platz einnahm, so blieb auch unsere Stadt nicht von dieser Welle verschont. Die im Jahre 1992 festgestellte bundesweite Zunahme ausländerfeindlicher Übergriffe lieferte dem linksextremistisch motivierten, hauptsächlich von Autonomen getragenen militanten "Antifaschismus" auch in Berlin Anlaß zu gewalttätigen Angriffen auf erkannte oder vermeintliche Rechtsextrem isten. 4 Vorwort Diese für den demokratischen Rechtsstaat bedrohliche Entwicklung setzte sich leider auch im ersten Halbjahr 1993 fort und gipfelte in dem schrecklichen Mordanschlag von Solingen, der ein neues Ausmaß an Gegengewalt durch das linksund das ausländerextremistische Spektrum auslöste. Die Ereignisse in Solingen haben uns vor Augen geführt, daß die Sicherheitsbehörden dieses Phänomen nicht allein wirksam eindämmen können; vielmehr ist es vordringliche Aufgabe aller demokratischen Kräfte und Institutionen, gesamtgesellschaftliche Lösungsansätze gegen Ausländerund Fremdenfeindlichkeit sowie gegen jede politisch motivierte Gewalt zu finden. Berlin, im Juli 1993 Professor Dr. Dieter Heckelmann Senator für Inneres Inhaltsverzeichnis 5 Inhaltsverzeichnis Einleitung 13 1 Allgemeines 17 1.1 Personalbestand und Haushaltswirtschaft des LfV 19 1.2 Datenschutz und Auskunftserteilung 19 1.3 Aktenund Datenbereinigung 21 1.4 Parlamentarische Kontrolle 21 2 Politischer Extremismus 23 2.1 Linksextremismus 25 2.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 25 2.1.1.1 Vorbemerkung 25 2.1.1.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 28 2.1.1.2.1 Grundlagen und Ziele 28 2.1.1.2.2 Strukturen 29 2.1.1.2.3 Aktuelle Aktivitäten des Berliner RAF-Umfeldes 31 2.1.1.2.4 Ausblick 32 2.1.1.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) J34 2.1.1.3.1 Entstehung [34 2.1.1.3.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen '. 34 2.1.1.3.3 Anschläge in Berlin 35 2.1.1.3.4 Ausblick 35 2.1.1.4 Autonome 36 2.1.1.4.1 Vorbemerkung J36 2.1.1.4.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen 37 2.1.1.4.3 Militanz und Aktionsformen Autonomer 39 2.1.1.4.4 Aktuelle Aktivitäten der Autonomen 40 2.1.1.4.5 Ausblick 43 2.1.2 Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen 45 2.1.2.1 Vorbemerkung 45 2.1.2.2 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) 48 2.1.2.3 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 49 * ' i .! 6 Inhaltsverzeichnis 49 2.1.2.4 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 2.1.2.5 "Kommunistischer Bund" (KB) 50 2.1.2.6 "Gruppe K" 50 2.1.2.7 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 51 2.1.2.8 "Marxistische Gruppe" (MG) 52 2.1.2.9 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) 52 2.1.2.10 "Rote Hilfe e.V." (RH) 53 2.1.2.11 "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) 53 2.1.2.12 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) 54 2.1.2.13 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 54 2.1.2.14 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 55 2.1.2.15 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 56 2.1.2.16 "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) 57 2.1.2.17 "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) 57 2.1.2.18 "Gruppe Avanti" (ehemals: "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" - GRS -) 58 2.1.2.19 "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) 58 2.1.2.20 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) 59 2.1.2.21 "Spartakist - Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) 59 2.1.2.22 Ausblick 60 2.2 Rechtsextremismus 61 2.2.1 Vorbemerkung 61 2.2.2 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) 63 2.2.2.1 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 69 2.2.2.2 "Deutsche Alternative" (DA) 71 2.2.2.3 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 73 2.2.2.4 "Nationalistische Front" (NF) : 73 2.2.2.5 "Nationale Offensive" (NO) 76 2.2.2.6 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) 77 2.2.2.7 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e.V." (WJ) 78 2.2.2.8 "ASGARD-Bund e.V."/"Wotans Volk" 79 2.2.2.9 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) 80 2.2.2.10 "Ku-Klux-Klan" (KKK) 81 2.2.2.11 "Völkischer Freundeskreis" (VFK) 82 Inhaltsverzeichnis 7 2.2.2.12 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BW) 82 2.2.2.13 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 83 2.2.2.14 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) ..83 2.2.2.15 "Neonazikreis um Curt Müller" 84 2.2.2.16 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) 84 2.2.3 Militante Skinhead-Szene in Berlin 85 2.2.4 "Nationalfreiheitliche"/"Nationaldemokraten" 89 2.2.4.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) 91 2.2.4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 92 2.2.4.2.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 93 2.2.4.3 "Die Nationalen e.V." 94 2.2.4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) 95 2.2.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 96 2.2.5.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." 96 2.2.6 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund 98 2.2.7 Ausblick 103 2.3 Sonderthema: Weitere Polarisierung zwischen Linksund Rechtsextremisten in Berlin 106 2.3.1 Linksextremistisch motivierter militanter "Antifaschismus" im Aufwind 106 2.3.1.1 Zunehmende Organisierung im "Antifaschistischen Kampf" 106 2.3.1.2 Anschwellen der Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten 108 2.3.2 Reaktionen rechtsextremistischer Organisationen auf Angriffe von Linksextremisten 110 2.3.3 Ausblick 111 2.4 Ausländerextremismus 112 2.4.1 Vorbemerkung und Überblick 112 2.4.2 Staatsterrorismus 117 2.4.3 Palästinenser/Araber 118 2.4.3.1 PLO-Mitgliedsorganisationen 118 2.4.3.2 Islamisch-extremistische Palästinenserund Araber-Organisationen 120 8 Inhaltsverzeichnis 2.4.4 Türken 122 2.4.4.1 Linksextremistische Organisationen 122 2.4.4.2 Rechtsextremistische Organisationen 124 2.4.4.3 Islamisch-extremistische Organisationen 125 2.4.5 Kurden 126 2.4.6 Iraner 128 2.4.6.1 Regimeanhänger 129 2.4.6.2 Regimegegner 129 2.4.7 Ausblick 130 3 Spionageabwehr 133 Spionageabwehr - eine Schwerpunktaufgabe des Verfassungsschutzes 135 3.1 Allgemeiner Überblick 136 3.2 Träger der Spionageaktivitäten 137 3.2.1 Nachrichtendienste der GUS-Staaten 137 3.2.1.1 Rußland 138 3.2.1.2 Ukraine 140 3.2.1.3 GRU - der militärische Nachrichtendienst 140 3.2.2 Andere osteuropäische Nachrichtendienste 141 3.2.3 Nachrichtendienste der Krisenund Schwellenländer.... 142 3.3 Hinterlassenschaften der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste 142 3.3.1 Enttarnung von Agenten 142 3.3.2 Fortsetzung bundesweiter Maßnahmen 143 3.3.3 Überwachung des Telefonverkehrs durch das MfS 145 3.3.4 Einflußnahme des MfS auf ein früheres Presseorgan 146 3.4 Präventive Spionageabwehr 147 3.4.1 Geheimschutz in Landesbehörden 147 3.4.2 Geheimschutz in der Wirtschaft 148 3.5 Bürgerberatung 149 3.6 Ausblick 150 4 Anhang I: Kurzdarstellungen wichtiger extremistischer Organisationen 153 4.1 Linksextremismus 155 4.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 155 4.1.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 155 Inhaltsverzeichnis 9 4.1.1.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 155 4.1.1.3 Autonome 156 4.1.2 Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen 156 4.1.2.1 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) 156 4.1.2.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 156 4.1.2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 157 4.1.2.4 "Kommunistischer Bund" (KB) 157 4.1.2.5 "Gruppe K" 157 4.1.2.6 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 157 4.1.2.7 "Marxistische Gruppe" (MG) 158 4.1.2.8 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) 158 4.1.2.9 "Rote Hilfe e.V." (RH) 159 4.1.2.10 "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) 159 4.1.2.11 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) 159 4.1.2.12 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 159 4.1.2.13 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 160 4.1.2.14 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 160 4.1.2.15 "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) 160 4.1.2.16 "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) 160 4.1.2.17 "Gruppe Avanti" 161 4.1.2.18 "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) 161 4.1.2.19 "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) 161 4.1.2.20 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) 162 4.1.2.21 "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) 162 4.1.2.22 "Gruppe Arbeitermacht" (GAM) 162 4.1.2.23 "Gruppe Spartakus" (GS) 162 4.2 Rechtsextremismus 165 4.2.1 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) 165 4.2.1.1 "ASGARD-Bund e.V." 165 4.2.1.2 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BW) 165 4.2.1.3 "Deutsche Alternative" (DA) 165 4.2.1.4 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) 166 4.2.1.5 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 166 10 Inhaltsverzeichnis 4.2.1.6 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 166 4.2.1.7 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 166 4.2.1.8 "Ku-Klux-Klan" (KKK) 166 4.2.1.9 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) 167 4.2.1.10 "Nationalistische Front" (NF) 167 4.2.1.11 "Nationale Offensive" (NO) 167 4.2.1.12 "Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands - Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) 167 4.2.1.13 "Neonazikreis um Curt Müller" 168 4.2.1.14 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" 168 4.2.1.15 "Völkischer Freundeskreis" (VFK) 168 4.2.1.16 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e.V." (WJ) 168 4.2.1.17 "Wotans Volk" 168 4.2.2 "Nationalfreiheitliche"/"Nationaldemokraten" .169 4.2.2.1 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU e.V.) 169 4.2.2.1.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) 169 4.2.2.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 169 4.2.2.3 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga)....170 4.2.2.4 "Die Nationalen e.V." 170 4.2.3 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 170 4.2.3.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." 170 4.3 Ausländerextremismus 171 4.3.1 Palästinenser/Araber 171 4.3.1.1 "AL FATAH" 171 4.3.1.2 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) 171 4.3.1.3 "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) 171 4.3.1.4 "Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando" (PFLP-GC) 172 4.3.1.5 "Palästinensische Volkskampffront" (PPSF) 172 4.3.1.6 "ALSAIQA" 172 4.3.1.7 "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) 172 4.3.1.8 "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) 173 4.3.1.9 "Moslembruderschaft" (MB) 173 4.3.1.10 "Hizb Allah" [Partei Gottes] 173 4.3.1.11 AMAL 173 Inhaltsverzeichnis 11 4.3.1.12 "Hizb AI-Da'Wa Al-lslamia" [Partei des Islamischen Rufs] 174 4.3.1.13 "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PU) 174 4.3.2 Kurden 175 4.3.2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 175 4.3.3 Türken 175 4.3.3.1 "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) 175 4.3.3.2 "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) 175 4.3.3.3 "Türkische Volksbefreiungspartei/-front" (THKP/-C) 176 4.3.3.4 "Devrimci Sol" [Revolutionäre Linke] 176 4.3.3.5 "Avrupa'da Dev Gene" [Revolutionäre Jugend in Europa] 176 4.3.3.6 "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP) 176 4.3.3.7 "Wohlstandspartei" (RP) 176 4.3.3.8 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) 177 4.3.4 Iraner 177 4.3.4.1 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) 177 4.3.4.2 "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) 177 4.3.4.3 "Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran" (O.I.P.F.G.) 178 4.3.5 Iren 178 4.3.5.1 "Provisional Irish Republican Army" (PIRA) [Provisorische Irische Republikanische Armee] 178 5 Anhang II: Chronologie 179 5.1 Linksextremismus 181 5.2 Rechtsextremismus 221 5.3 Ausländerextremismus 247 6 Anhang III: Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 26. Januar 1993 255 Einleitung 13 Einleitung Das Erscheinungsbild des vereinten Deutschland war im Jahr 1992 vor allem durch die erschreckende Welle brutaler Gewalt gegen Ausländer, vor allem Asylbewerber und deren Unterkünfte, geprägt. Fast ein Jahr nach den Ausschreitungen in Hoyerswerda gingen die Bilder aus Rostock-Lichtenhagen und Mölln um die ganze Welt, und fast täglich waren Meldungen über Angriffe auf Menschen, die nicht in das rechte Weltbild paßten, in den Zeitungen des Inund Auslands zu lesen. Mit 2.285 erwiesenermaßen oder vermutlich rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten, bei denen 16 Menschen ums Leben kamen, war im vergangenen Jahr ein trauriger "Rekord" in der Geschichte der Bundesrepublik zu verzeichnen. Auch wenn Berlin im bundesweiten Vergleich einen hinteren Platz einnahm, so blieb es nicht von dieser Gewaltwelle verschont: Die Zahl der Gewalttaten stieg von 57 auf 92, die Zahl sämtlicher registrierter Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund von 389 auf 475. Wenn auch die meisten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten nicht von organisierten Neonazis durchgeführt wurden und auch eine zentrale Steuerung der Gewalttaten nicht erkennbar war, vielmehr die eher spontane, nicht langfristig vorbereitete Handlung bislang nicht einschlägig in Erscheinung getretener, meist jugendlicher Täter als charakteristisch anzusehen ist, trifft die neonazistischen und sonstigen rechtsextremistischen Organisationen die Verantwortung der geistigen Urheberschaft der Gewalttaten. Es war deshalb folgerichtig, daß der Bundesminister des Innern in den letzten Wochen des Jahres 1992 drei der wichtigsten neonazistischen Organisationen, nämlich die "Nationalistische Front" (NF), die "Deutsche Alternative" (DA) und die "Nationale Offensive" (NO) verbot und damit ein deutliches Zeichen gegen den wiedererstarkenden Rechtsextremismus in diesem Land setzte. Von den Verboten nicht betroffen war die in Berlin am stärksten vertretene Neonazi-Gruppe, die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP). Sie hat im vergangenen Jahr ihre dominierende Stellung in der Berliner Neonazi-Szene 14 Einleitung - auch bedingt durch den fortschreitenden Niedergang der "Nationalen Alternative" (NA) und die Spaltung der "Nationalistischen Front" - weiter ausbauen können. Den Organisationen der "Alten Rechten" gelang es demgegenüber nicht, von der rechtsextremistischen Welle zu profitieren; hier setzte sich die seit Jahren festzustellende Stagnation weiter fort. Auch die Gründung neuer Organisationen ("Deutsche Liga für Volk und Heimat" und "Die Nationalen") dürfte weniger zur proklamierten Einigung des "nationalen Lagers" als zu dessen weiterer Zersplitterung führen. Berliner Anhänger der RAF zeigten sich in ihrer Reaktion verunsichert über einen erstmals im Frühjahr propagierten politischen Neuorientierungsprozeß. Eine Minderheit innerhalb des hiesigen RAF-Umfeldes lehnte insbesondere die in mehreren "Kommandoerklärungen" formulierte bedingte Aussetzung der Tötungsaktionen ab. Nachdem mehrere von der Kommandoebene genannte Interventionsvoraussetzungen eintrafen, so u.a. eine vorzeitige Haftentlassung inhaftierter Gesinnungsgenossen und die "Zusammenlegung von Gefangenen" ausblieben, erschien die für diesen Fall angekündigte Wiederaufnahme des "bewaffneten Kampfes" immer wahrscheinlicher. Dem autonomen Potential, von dem nach wie vor die bedeutendste linksextremistische Gefährdung ausgeht, gelang es, über eine erhöhte Mobilisierungsfähigkeit in der alternativen Szene und in den eigenen Reihen seine Handlungsfähigkeit deutlich zu erhöhen. Die Anzahl gewalttätiger autonomer Kleingruppen und der von ihnen verübten Anschläge, zumeist Brandstiftungen und andere Sachbeschädigungen, stiegen sprunghaft an. Weiterhin ein wichtiges Aktionsfeld autonomer Agitation und Aktion war der sog. Antifaschistische Kampf. Bei einer dieser Aktionen zur "Antifaschistischen Selbsthilfe" wurde ein rechtsextremistischer Funktionär erstochen. Erwartungsgemäß setzten Autonome 1992 ihre Kampagne gegen die "Umstrukturierung" Berlins infolge der Hauptstadtund Olympiaplanungen verstärkt fort. Von Anschlägen betroffen waren insbesondere Gebäude und Maschinen u.a. beteiligter Baufirmen sowie Personenkraftwagen der Luxusklasse ("Bonzenund Nobelkarossen"). Für die Befindlichkeiten traditioneller Kommunisten blieben die Turbulenzen im Anschluß an den Zusammenbruch der Sowjetunion und ihres Einleitung 15 Hegemonialbereichs auch längerfristig prägend. Versuche, ein neues Selbstverständnis auf der Grundlage alter, d.h. marxistisch-leninistischer Werte zu finden, kam über zögerliche Anfänge nicht hinaus. Am auffälligsten manifestierte sich diese Feststellung an der organisatorischen Zersplitterung derartiger Zusammenschlüsse. Ansätze, institutionalisiert und koordiniert zusammenzuwirken, blieben auf sporadische Zusammenarbeit beschränkt. Auch andere marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen konnten lediglich allenfalls Mitgliederbestände und publizistische Möglichkeiten annähernd absichern, jedoch keinesfalls ausbauen. Erweiterte Einflußmöglichkeiten über die eigenen Reihen hinaus kam nicht zustande. Unverkennbar gewann innerhalb dieser Zusammenschlüsse der Dogmatismus an Boden, nachdem vorübergehend ein Aufeinanderzugehen zwischen Stalinisten, Maoisten und Trotzkisten bis hin zu traditionellen Kommunisten angezeigt schien. Im Bereich des 'Ausländerextremismus lag das Hauptgewicht der Arbeit des LfV Berlin auch 1992 bei der Beobachtung gewaltorientierter sicherheitsgefährdender Bestrebungen. Die Beobachtung des gewaltfreien politisch motivierten Extremismus war im Berichtszeitraum weiterhin von nachrangiger Bedeutung. Zu den Beobachtungsschwerpunkten des LfV Berlin zählten 1992 der sog. Staatsterrorismus sowie die in der Stadt bestehenden Gliederungen bzw. Gruppen gewaltorientierter pälistinensisch-arabischer Organisationen sowie extremistische bzw. gewaltorientierte Organisationen von Türken, Kurden und Iranern. Die Aktivitäten in diesem Beobachtungspektrum waren weiterhin von den in den Herkunftsländern herrschenden Konfliktund Krisensituationen bestimmt. Dazu zählten der Kurden-Konflikt in der Türkei, im Irak und Iran, das Palästinenser-Problem sowie der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. Besondere Publizität erlangte der Anschlag am 17. September 1992 im Restaurant "Mykonos" in Berlin-Wilmersdorf, bei dem vier Funktionäre der "Demokratischen Partei Kurdistans/Iran" ermordet wurden. Der Wegfall der Beobachtungssituation als Folge des Ost-West-Konflikts hat nicht dazu geführt, daß durch die in jüngster Zeit entstandenen neuen Staaten in Osteuropa keine Aufklärungsarbeit der jeweiligen Nachrichtendienste betrieben wird. 16 Einleitung Gleichwohl befinden sich die osteuropäischen Nachrichtendienste noch in einer Phase des Umbruchs, die mit einer Neubestimmung ihrer Aufklärungsziele und -mittel verbunden ist. Im Jahre 1992 konnten die Verfassungsschutzbehörden zunehmend gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete nachrichtendienstliche Aktivitäten der Krisenund Schwellenländer - zu diesen zählen vor allem Staaten des Nahen und Mittleren Ostens und die noch kommunistisch gelenkten Staaten Asiens - feststellen. Wie in den vorangegangenen Berichten werden im Anhang wichtige extremistische Organisationen in Kurzform vorgestellt und die wesentlichen extremistischen Aktivitäten im Berichtszeitraum stichwortartig aufgeführt. Schließlich wird als Anlage der Text des "Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz" (LfVG) vom und 26. Januar 1993 abgedruckt. 1 - Allgemeines - 17 1 Allgemeines 1 -Allgemeines19 1.1 Personalbestand und Haushaltswirtschaft des LfV Der 1990 eingeleitete Prozeß der Personalreduzierung und Umstrukturierung des LfV wurde 1992 nach Vorlage des Gutachtens der sogenannten BoedenKommission zur Neustrukturierung des Landesamtes für Verfassungsschutz Berlin weitgehend abgeschlossen. Die von der Politik festgelegten Personalkürzungen wurden realisiert. Zum Ende des Berichtsjahres standen dem LfV 260 Stellen zur Verfügung. Die Einnahmen und Ausgaben des LfV sind offen im Haushaltsplan von Berlin unter Kapitel 0512 nachgewiesen. Für konsumtive Sachausgaben und Investitionen standen 2,92 Mio. DM zur Verfügung. Schwerpunkt der Investitionstätigkeit war die Fortführung der 1990 begonnenen Einrichtung und Ausstattung von APC-Arbeitsplätzen. 1.2 Datenschutz und Auskunftserteilung Die bisherige Auskunftsregelung des LfV Berlin ermöglichte grundsätzlich neben der Auskunftserteilung auch die Akteneinsicht. Seit Beginn der Auskunftspraxis im Jahr 1989 haben insgesamt 1.238 Bürgerinnen und Bürger (Stand: 31. Dezember 1992) einen Antrag auf Auskunft oder Akteneinsicht gestellt. Davon waren in Dateien des LfV Berlin 576 (= 47 %) nicht erfaßt und 662 (= 53 %) gespeichert. Von den 662 gespeicherten Personen erhielten 520 (= 79 %) als "Löschungsund Vernichtungsfälle" Auskunft und - falls beantragt - Akteneinsicht (bisher wurde bis zum 31. Dezember 1992 in 302 Fällen Akteneinsichtnahme gewährt). Bei 141 (= 21 %) der erfaßten Antragsteller ist nach eingehender Relevanzprüfung festgestellt worden, daß die Daten dieses Personenkreises - unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - als sog. laufende Fälle weiterhin für die gesetzliche Aufgabenerfüllung des LfV erforderlich sind. Nach sorgfältiger Abwägung des individuellen Auskunftsanspruchs mit dem besonderen öffentlichen Geheimhaltungsinteresse konnten die Betroffenen lediglich Teilauskünfte, jedoch keine Akteneinsicht erhalten. 20 1 -AllgemeinesVon den 520 "Löschungsund Vernichtungsfällen" sind nach Aufhebung des allgemeinen Löschungsund Vernichtungsverbots für diesen Personenkreis im April 1992 im Berichtszeitraum 443 Vorgänge bereits gelöscht und vernichtet worden. Die Anfragen schlüsseln sich im einzelnen wie folgt auf: - Jahresüberblick 1989 1990 1991 1992 negativ 96 345 86 49 positiv, davon 163 334 96 69* "Löschungsund Vernichtungsfälle" 130 276 67 47 "lfd. Fälle" 33 58 29 21 insgesamt 259 679 182 118 * Ein Fall aus dem Bereich des linksextremistisch motivierten Gewaltpotentials ist noch nicht abgeschlossen. - Zuordnung der Positivfälle nach Bereichen 1989 1990 1991 1992 Linksextremismus, davon 139 278 84 55 -linksextr.mot. Gewaltpotential 77 154 55 26 -dogmatische "Neue Linke" 36 64 11 10 -"orthodoxe" Kommunisten 26 60 18 19 Rechtsextremismus 3 5 1 1 Ausländerextremimus 3 9 2 2 Sonstige 18 42 9 11 insgesamt 163 334 96 69 1 - Allgemeines - 21 1.3 Akten-und Datenbereinigung Unmittelbar nach der Aufhebung des allgemeinen Löschungsund Vernichtungsverbots für Akten, Unterlagen und Daten des LtV durch die Senatsverwaltung für Inneres im April 1992 hat das LfV Berlin mit der planmäßigen und umfassenden Bereinigung seiner Aktenund Datenbestände in allen Bereichen des Amtes begonnen. Bis zum Jahresende konnten bereits Zehntausende von Akten und personenbezogenen Daten gesperrt und aus den aktuellen Beständen ausgesondert werden. Die Löschung der gesperrten Personendaten im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) wurde inzwischen vollzogen. 1.4 Parlamentarische Kontrolle Im Berichtszeitraum fanden zwölf Sitzungen des Ausschusses für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin statt. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) erstattete Berichte zur Lage und in Einzelfällen. Der Ausschuß beriet u.a. das sog. BOEDEN-Gutachten zur Neustrukturierung des LfV und den Haushaltsplanentwurf 1993 für das LfV, stimmte der Aufhebung des Löschungsund Vemichtungsverbots, das seit dem 8. Dezember 1988 bestanden hatte, und der Geschäftsordnung der G 10Kommission des Landes Berlin zu. Zwei Sitzungen waren der Beratung des Antrags über das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vorbehalten. Der Wortlaut des inzwischen in Kraft getretenen Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 26. Januar 1993 ist im Anhang III zu diesem Bericht abgedruckt. 2 - Politischer Extremismus - 23 2 Politischer Extremismus 2 - Politischer Extremismus - 25 2.1 Linksextremismus 2.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 2.1.1.1 Vorbemerkung Im Bereich des Linksextremismus liegt das Hauptgewicht der Arbeit des UV auf denjenigen linksextremistisch motivierten Gruppen, die den Gewalteinsatz als Mittel der politischen Auseinandersetzung bejahen. Maßgeblich für die Einordnung dieser Gruppen als linksextremistisch ist deren übersteigert radikale Ablehnung der Herrschaft von Menschen über Menschen, sei es, daß zentrale Organisationsformen generell als Übel gelten, sei es, daß in der "kapitalistischen Klassengesellschaft" die Ursache aller gesellschaftlichen Mißstände ausgemacht wird. Die parlamentarische Demokratie, die lediglich der geschickten Verschleierung gesellschaftlicher Herrschaft und Unterdrückung diene, wird kompromißlos abgelehnt. Für diese Gruppen und deren Tätigkeit wird vielfach die Bezeichnung "Terrorismus" bzw. "Linksterrorismus" gebraucht. Dabei versteht man unter Terrorismus den nachhaltig geführten Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129 a Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannt sind (vor allem: Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff) oder durch andere Gewalttaten, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Träger des deutschen linksextremistisch motivierten Terrorismus sind die "Rote Armee Fraktion" (RAF) und die "Revolutionären Zellen" (RZ). Beide Gruppen verfolgen gleiche Ziele mit dem militärisch-politischen Kampf gegen das politische System in der Bundesrepublik Deutschland. Von RAF und RZ durch den Mangel eines durchgängigen ideologischen Konzepts getrennt, aber aufgrund eigener Militanz dennoch dazugehörig, stellen sich die Autonomen als in diesen Zusammenhang gehörende Erscheinung dar. Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential, Anarchisten sowie Marxisten-Leninisten und andere Gruppen in Berlin RAF-Umfeld 100 50 Autonome Anarchisten 1200 700 Revolutionär-marxistische 100 und trotzkistische Gruppen Marxisten-Leninisten Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential (1250 Personen) = Autonome RAF-Umfeld Marxisten-Leninisten und andere Gruppen (800 Personen) = Revolutionär-marxistische Gruppen }früher: "Dogmatische Neue Linke" Trotzkistische Parteien und Gruppen }früher: "Dogmatische Neue Linke" Marxisten-Leninisten Ifrüher: orthodoxe Kommunisten Mitgliederentwicklung bei linksextremistischen Organisationen und Personenzusammenschlüssen 1983-1992 1983 i1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 199111992 Revolutionär-marxistische Org. 700 | 600 450 350 350 300 300 450 650 700 Linksextr. Gewaltpotential 150 200 500 500 500 700 1000 1250 Marxistisch-leninistische Org. ! 6200 | 6400 6400 6500 6500 6200 4000 500 400 100 Gesamtzahl [ 6900 j 7000 7000 7050 7350 7000 4800 1650 2050 [ 2050 *Revolutionär-marxistische Org. E2 Linksextr. Gewaltpotential ES Marxistisch-leninistische Org. ESGesamtzahl 28 2 - Politischer Extremismus - 2.1.1.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 2.1.1.2.1 Grundlagen und Ziele Die RAF, deren'Keimzelle, ein Kreis um Ulrike MEINHOF und Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Horst MAHLER in Berlin, im Jahre 1970 entstand, suchte ihren "bewaffneten Kampf" als Stadtguerilla nach dem Vorbild südamerikanischer Terroristen aus dem Untergrund zu führen. Sich selbst hatte die RAF die Funktion einer revolutionären Avantgarde zugedacht. Seit Anfang der 80er Jahre sah sich die RAF nicht mehr nur als verlängerter Arm der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im imperialistischen Zentrum Westeuropa. Ihr "antiimperialistischer Kampf" galt insbesondere neben den Sicherheitsbehörden - dem "Repressionsapparat" - den Bereichen Politik, Militär, Kapital und Industrie, deren Verflechtungen als "militärisch-industrieller Komplex" (MIK) bezeichnet werden. Aus der Entwicklung in Osteuropa zog die RAF insofern Konsequenzen, als sie - neue, vermittelbare, d.h. der eigenen Anhängerschaft und Kreisen darüber hinaus einleuchtende, "Kampffelder" suchend - sich unmittelbar dem tagespolitischen Geschehen zuwandte. Der tödlich endende Anschlag auf den Treuhand-Manager Dr. ROHWEDDER am I.April 1991 war Teil dieser neuen Angriffslinie gegen die Strategie des internationalen Kapitals und seine Machtstrukturen. Seit 1992 befindet sich die RAF in einem politischen Neuorientierungsprozeß, dessen Ausgang derzeit nicht abzusehen ist. In einer sog. Kommandoerklärung vom 10. April 1992 und in ergänzenden Erklärungen vom Juni und August 1992 stellte die RAF die Forderung nach Freilassung der Inhaftierten aus RAF und Widerstand in den Vordergrund ihrer neuen politischen Linie und forderte dafür vom Staat eine politische Lösung, d.h. der Staat müsse zunächst alle Haftunfähigen entlassen, die verbleibenden Gefangenen umgehend zusammenlegen und auch diese zu einem späteren Zeitpunkt freilassen. Als eigene Vorleistung für diese politische Lösung kündigte die RAF die Rücknahme der Eskalation an und führte dazu u.a. aus, sie werde auf gezielte Tötungsaktionen gegen führende 2 - Politischer Extremismus - 29 Repräsentanten des Staates und der Wirtschaft verzichten. Zugleich drohte sie aber die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes an, falls der Staat den Forderungen nach Freilassung der Inhaftierten nicht entsprechen werde. Andere wesentliche Bestandteile der Erklärungen waren die Aufgabe des Avantgardeanspruchs sowie die Propagierung des Aufbaus einer "Gegenmacht von unten", zusammen mit anderen Teilen der extremistischen Linken. Mit ihren Erklärungen löste die RAF-Kommandoebene eine verstärkte Diskussion - auch unter Berliner Autonomen - zur Frage des bewaffneten Kampfes aus. In einer Vielzahl von Beiträgen in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM" vertraten Befürworter der neuen RAF-Politik und Verfechter des bewaffneten Kampfes ihre Positionen. 2.1.1.2.2 Strukturen Kommandoebene Alle wesentlichen Entscheidungen werden gemeinsam von der seit Jahren auf etwa 15 bis 20 Personen geschätzten Kommandoebene der RAF getroffen. In Berlin sind in der Vergangenheit keine Angehörigen der Kommandoebene festgestellt worden, wie auch bisher Berlin von Anschlägen dieser Gruppe verschont blieb. Alle Terroranschläge dieser Ebene wurden von - "Märtyrern" des eigenen Lagers gewidmeten - sog. Kommandos ausgeführt. So wurde der bisher letzte Anschlag der RAF, auf den Vorstandsvorsitzenden der Treuhandanstalt, Dr. Detlev Karsten ROHWEDDER, am I.April 1991, dem bei einem Überfall der RAF im April 1975 auf die Deutsche Botschaft in Stockholm getöteten Ulrich WESSEL gewidmet. Umfangreiche Textpassagen der Tatbekennung des Kommandos waren schon vom sichtbar werdenden Bestreben der RAF-Kommandoebene getragen, ein breites Widerstandsspektrum anzusprechen und Themen aufzugreifen, die traditionell eher von Autonomen oder "Revolutionären Zellen" (RZ) als Anknüpfungspunkte für ihre Aktivitäten genutzt wurden, z.B. Südafrika, Asyl-Ausländerproblematik, Frauenfragen, Luxussanierung oder "Schicki-Micki"-Läden. 30 2 - Politischer Extremismus - Militante der RAF Auch dieser zweite "kämpfende Teil" der RAF ist bisher in Berlin nicht in Erscheinung getreten. Die Militanten der RAF rekrutieren sich in erster Linie aus dem RAF-Umfeld und leben grundsätzlich in der Legalität. Sie wechseln nur für die Zeit der Attentate in die Illegalität und treten dann als "kämpfende Einheit" auf. Ihre Anschläge zielen nicht auf die Vernichtung von Menschenleben, sondern auf Sachschäden und ähneln insofern denen der "Revolutionären Zellen" (RZ). RAF-Umfeld Dem Umfeld der RAF werden von den Sicherheitsbehörden diejenigen, in der Szene als "Antiimps" bezeichneten, Personen zugerechnet, die sich vollinhaltlich mit den Zielen der RAF identifizieren und sie politischpropagandistisch unterstützen. Dieser Personenkreis umfaßt in Berlin derzeit etwa 50 Personen. Von diesen werden dem engeren RAF-Umfeld etwa 15 Personen zugerechnet, die im Verdacht stehen, die RAF durch praktische Hilfeleistung zu unterstützen. Die Zugehörigkeit zum engeren RAF-Umfeld wird u.a. durch folgende Kriterien bestimmt: Verdacht der Unterstützung der "Kommandos" oder der Militanten, z.B. durch logistische Hilfeleistung, mitverantwortliche Vorbereitung und Beteiligung an Veranstaltungen, die der Propagierung der Ziele und Forderungen der RAF dienen, Bekenntnisse zur Konzeption und Strategie der RAF (z.B. auch bei Besuchen in Haftanstalten) und nicht nur kurzfristige Einbindungen in regionale und überregionale Strukturen. "Inhaftierte der RAF" Die "Inhaftierten der RAF" sind nach eigenen Aussagen mit ihrer Verhaftung nicht mehr Mitglieder der RAF, bleiben aber Teil des revolutionären Prozesses. In Berliner Haftanstalten sitzen derzeit keine "Gefangenen der RAF" ein. 2 - Politischer Extremismus - 31 Verwandtengruppe Die "Gefangenen aus RAF und Widerstand" werden regelmäßig von "Angehörigen der politischen Gefangenen in der BRD" (Verwandtengruppe) betreut. Diese im gesamten Bundesgebiet etwa 40 Personen umfassende Gruppe, in der auch Angehörige des Berliner RAFUmfeldes mitarbeiten, besucht die Inhaftierten, unterstützt sie finanziell aus einem Spendenkonto, sorgt für Postkontakte und versucht, durch Herausgabe eines vierzehntäglich erscheinenden "Angehörigen Infos" sowie durch sonstige teils spektakuläre Aktivitäten die Forderungen der Inhaftierten zu propagieren. 2.1.1.2.3 Aktuelle Aktivitäten des Berliner RAF-Umfeldes Das Berliner RAF-Umfeld wurde offensichtlich im April 1992 von der "Kommandoerklärung" der RAF überrascht. So lehnte ein wenn auch geringer Teil von ihnen insbesondere die Rücknahme der Eskalation strikt ab, die weitaus meisten Berliner RAF-Anhänger dagegen befürworteten die Aussetzung der Tötungsaktionen. Unabhängig von der RAF-Erklärung führten Berliner RAF-Angehörige bereits Anfang 1992 einen Dialog mit anderen Gruppen, wie z.B. den Autonomen, der PDS, extremistischen Palästinensern, aber auch kirchlichen Gruppierungen, und begannen mit dem Aufbau sog. Unterstützergruppen, einer Vorstufe zur Aufbau der Gegenmacht von unten. Diese Verhaltensweise deutet darauf hin, daß wesentliche Inhalte der "Kommandoerklärung" vor der Veröffentlichung einigen maßgeblichen Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes bekannt gewesen sein mußten. Eine dieser regelmäßig tagenden Unterstützergruppen mit dem Themenschwerpunkt politische Gefangene versucht, insbesondere Studenten an Hochschuleinrichtungen im Ostteil Berlins anzusprechen, ein weiterer Zusammenschluß sucht schwerpunktmäßig den Dialog mit anderen Kreisen und veröffentlicht die Protokolle solcher Diskussionsrunden. Diese Aktivitäten und andere Indizien deuten auf funktionierende Kommunikationsbeziehungen zwischen einzelnen Aktivisten des Berliner RAF-Umfeldes und der RAF-Kommandoebene hin. Neben der Gruppenarbeit bemühen sich die Berliner RAF-Anhänger weiterhin intensiv um die Betreuung der "Inhaftierten der RAF" und das Vorantreiben der andauernden "Freilassungskampagne". So organisierten Berliner RAF- 32 2 - Politischer Extremismus - Anhänger mehrere größere Veranstaltungen, u.a. in der Humboldt-Universität, in der Hochschule der Künste und im Mehringhof sowie gemeinsame Veranstaltungen mit Autonomen in Szenekneipen. Darüber hinaus engagierten sich Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes bei zahlreichen Aktivitäten zum Thema "Gewalt gegen Ausländer" bzw. in der "Asylfrage". 2.1.1.2.4 Ausblick Der Mordanschlag auf den Vorstandsvorsitzenden der Berliner Treuhandanstalt, Dr. ROHWEDDER, am I.April 1991 und die dazu abgegebene Taterklärung machten deutlich, daß sich, bis zur Rücknahme der Eskalation aufgrund der "Kommandoerklärung" vom 10. April 1992, vor allem exponierte Personen des "politisch-ökonomischen Sektors" und der Deutschland-/ Europapolitik im Fadenkreuz der RAF befanden. Die Politik der RAF ist durch die "Kommandoerklärung" vom April und die Ergänzungen von Juni und August 1992 unberechenbarer geworden. Zwar hat die RAF in ihren Erklärungen die Rücknahme der Eskalation angekündigt, aber gleichzeitig mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes gedroht, falls ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Als mögliche Punkte für eine Verschärfung des Konfrontationsverhältnisses nennt die RAF in ihrer Erklärung vom August 1992 insbesondere die Verschleppung des Prozesses ... von Freiheit der Gefangenen ... - wie beispielsweise im Fall Bernd RÖSSNER -, die ... Ankündigung der neuen Prozeßwelle gegen ... auf Grund von Kronzeugenaussagen... und ein Verhalten des Staates, das ... keinen Raum zuläßt, in dem sich ... (''Gegenmacht von unten") organisieren kann .... Inzwischen ist ein Großteil dieser Interventionsvoraussetzungen eingetreten, d.h. der "Gefangene der RAF", Bernd RÖSSNER, wurde nicht begnadigt, sondern seine Strafe nur ausgesetzt; die "Zusammenlegung von Gefangenen" lehnten die zuständigen Stellen ab und inzwischen sind neue Prozesse gegen bereits inhaftierte frühere RAF-Mitglieder aufgrund von Kronzeugenaussagen anhängig. 2 - Politischer Extremismus - 33 Aus diesem Grunde ist ein taktisch bezogener Anschlag der RAF, insbesondere gegen Vertreter bzw. Einrichtungen des sog. Repressionsapparates . möglicherweise auch der Politik und der Wirtschaft -, zunehmend wahrscheinlicher. Auch die von Anfang an unrealistische Erwartung der RAF, die Aussetzung ihrer Anschlagstätigkeit fördere den Aufbau einer Gegenmacht von unten, hat sich bisher nicht erfüllt. Die Prognose gilt um so mehr, als die RAF nunmehr um die eigene Glaubwürdigkeit fürchten muß, wenn "Erfolge" in ihrem Sinne nicht relativ kurzfristig eintreten. Ungeachtet der Betriebsamkeit des Berliner RAF-Umfeldes mehren sich unter den Berliner RAF-Anhängern offenbar Zweifel, ob die jetzige Politik der RAF künftig überhaupt noch die Möglichkeit bietet, erfolgreich in soziale Konflikte eingreifen zu können. Eine maßgebliche Berliner RAF-Anhängerin äußerte dazu pessimistisch, die RAF sei augenblicklich zwar noch in der Lage, militärische Schläge auszuteilen, könne aber politisch nichts mehr bewegen. Trotz allem wird das Berliner RAF-Umfeld auch weiterhin bemüht sein, die Forderung nach Freilassung der Inhaftierten aus RAF und Widerstand mit für sie geeignet erscheinenden Aktivitäten zu unterstützen. Dies dürften in erster Linie Versammlungen und Demonstrationen sein. Ein anderer wesentlicher Bestandteil der neuen Politik der RAF war die Aufgabe des Anspruches, eine "revolutionäre Avantgarde" zu sein. Damit erhoffte sie sich, die Möglichkeit zu schaffen, mit anderen Gruppen, wie z.B. Autonomen, PDS, aber auch sozialkritischen christlichen Vereinigungen organisiert zusammenarbeiten zu können. Ziel dieser Öffnungspolitik war, die Beteiligung iam Aufbau einer Gegenmacht von unten, einem Sammelbecken von Personen und evtl. auch Organisationen der linksextremistischen/terroristischen Szene, zu bewirken. Darüber hinausist davon auszugehen, daß die Berliner RAF-Anhänger weiter bemüht sein werden, im Zuge des Aufbaus der Gegenmacht von unten, neue Unterstützergruppen zu bilden bzw. bestehende Gruppen auszubauen. In diesem Zusammenhang wird das Berliner RAF-Umfeld auch aktuelle Themen des übrigen linksextremistischen Spektrums aufgreifen und unterstützen. 34 2 - Politischer Extremismus - 2.1.1.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 2.1.1.3.1 Entstehung Die "Revolutionären Zellen" (RZ) bildeten sich Anfang der 80er Jahre nach der "Roten Armee Fraktion" (RAF) und neben der - heute nicht mehr existenten - "Bewegung 2. Juni" als dritte eigenständige und unabhängige Gruppe im Bereich des deutschen linksextremistisch motivierten Terrorismus. Wie für die "Bewegung 2. Juni" war auch für die RZ die Debatte in der militanten linken Szene über Strategie und Taktik der RAF konstitutiv. Kritiker der terroristischen RAF-Praxis vertraten die Position, daß nur solche Angriffe auf die bestehende Gesellschaftsund Verfassungsordnung durchgeführt werden dürften, die potentiellen Sympathisanten vermittelbar seien und deshalb einem möglichst großen relevanten Personenkreis eine Identifikation ermöglichten. Dem "bewaffneten Kampf", wie ihn, die RAF bisher aus der "Illegalität" führte, sprechen die RZ in der Regel jegliche Effizienz ab. Die Weiterführung des RZKonzeptes war dann die Losung "Bildet viele RZ!". 2.1.1.3.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen Die theoretischen Grundlagen der RZ, die ihr ideologisches Selbstverständnis und ihre Aktionsformen u.a. in ihrer Zeitschrift "Revolutionärer Zorn" vermittelten, unterscheiden sich nur unwesentlich von denen der RAF. Anders als die Kommandoebene der RAF agieren die Kleingruppen der RZ nicht aus dem Untergrund, sondern verlassen ihren normalen Lebensrhythmus nur zur! Durchführung von Aktionen ("Feierabendterrorismus"). Die schriftliche Begründung der Anschläge in Selbstbezichtigungen, mit denen die angeblichen politischen Zusammenhänge der Tat erläutert werden sollen, bildet einen unverzichtbaren Bestandteil der RZ-Aktionen. Im allgemeinen besteht die Taktik der RZ darin, mit möglichst geringem Einsatz und Risiko größtmöglichen Sachschaden anzurichten. Dieser treffe - nach dem Kalkül der RZ - den geschädigten Einrichtungen mehr als der Ausfall von Führungspersonen. Diese Attentate haben deshalb - anders als die militärischen Angriffe des Kommandobereichs der RAF - nicht unmittelbar die Tötung eines Menschen zum Ziel. 2 - Politischer Extremismus - 35 /\us dem Gebot der "Vermittelbarkeit" ihrer terroristischen Aktionen resultieren die thematischen Anknüpfungspunkte der RZ. Sie greifen auch in der breiten Öffentlichkeit diskutierte Themen wie Stadtsanierung, Ausbeutung der Dritten Welt, Ausländerund Asylproblematik und Biobzw. Gentechnologie auf. 2.1.1.3.3 Anschläge in Berlin Originäre RZ In Berlin (West) begannen die RZ ihre Anschlagstätigkeit am 17. November 1973 mit einem Sprengstoffanschlag auf ein Bürohaus der Firma ITT-Schaub Lorenz in Berlin-Charlottenburg. Seitdem folgten weitere Brandund Sprengstoffanschläge der RZ zu jeweils aktuellen Themen. Den bislang letzten in Berlin zu verzeichnenden Anschlag verübten Unbekannte am 12. Juni 1991. 1992 gab es keinen der originären RZ zuzurechnenden Anschlag in Berlin. Die autonome Frauengruppe der RZ, "Rote Zora", hat sich nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden aufgelöst. Resonanz-RZ Parallel zu den Brandund Sprengstoffanschlägen der RZ kam es in den letzten Jahren auch in Berlin zu Anschlägen von Resonanzoder Nachahmer-RZ. Seit 1979 waren, entsprechend der Forderung der RZ "Schafft viele Revolutionäre Zellen!", im gesamten damaligen Bundesgebiet Gruppierungen entstanden, die nach dem Vorbild der RZ agierten, ihre Tatausführungen jedoch einfacher gestalteten und in Selbstbezichtigungen nicht so argumentativ umfassend erläuterten, wie es von den originären RZ bekannt ist. Resonanz-RZ dürften sich personell überwiegend aus der autonomen Szene rekrutieren. Im Jahre 1992 kam es in Berlin zu keinem Anschlag einer Resonanz-RZ. 2.1.1.3.4 Ausblick Die Aufklärung von Aktionen der RZ stellt die Sicherheitsbehörden vor erhebliche Probleme, weil die den RZ eigene Strategie des "Feierabendterrorismus", die organisatorische Struktur selbständig operierender Zellen mit jeweils nur 36 2 - Politischer Extremismus - wenigen Mitgliedern und die thematische Breite der RZ, die Aktionen gegen eine Vielzahl von Sachobjekten mit angeblicher Symbolfunktion vielen Sympathisanten plausibel macht, eine Eingrenzung des möglichen Täterbereichs außerordentlich erschwert. Daraus erklärt sich auch, daß die Aktivitäten der RZ, sowohl im allgemeinen als auch unter Autonomen im besonderen, eine weitaus positivere Resonanz als die der RAF finden. Mehr als die terroristischen Aktivitäten der RZ ist ihre Vorbildfunktion für ähnliche Aktionen anderer zur Gewaltausübung bereiter Gruppen und Personen zu fürchten. Insbesondere militante Autonome orientieren sich - offenbar häufig - am Handlungsmuster der RZ. Denjenigen, die einen Zusammenschluß nach dem Muster der RZ bilden wollen, bietet der "Feierabendterrorismus" der RZ günstigere Bedingungen als die Ideologie der RAF, die ein Abtauchen in die Illegalität beinhaltet. Es ist davon auszugehen, daß es in Berlin nach wie vor einzelne intakte "Revolutionäre Zellen" bzw. Resonanz-RZ gibt, die aus aktuellem Anlaß vor allem zu Themen wie der Asylund Ausländerproblematik und der "Umstrukturierung" der Stadt im Rahmen der Hauptstadtund Olympiaplanungen jederzeit aktiv werden können. i 2.1.1.4 Autonome 2.1.1.4.1 Vorbemerkung Bei der Vielzahl heterogener, mehr oder weniger konstanter Gruppen und Zusammenschlüsse, die sich selbst als Autonome bezeichnen, sind die Übergänge zwischen gewaltablehnenden und gewaltbefürwortenden Kräften fließend. Grundsätzlich unterliegen nur diejenigen Autonomen der Beobachtung der Sicherheitsbehörden, die an gewalttätigen Aktionen mit linksextremistischem Hintergrund mitgewirkt oder diese vorbereitet haben, den Einsatz von Gewalt bei diesen Aktionen befürwortet haben oder 2 - Politischer Extremismus - 37 häufige oder enge Kontakte zu Gewalttätern oder Gewaltbefürwortern hatten, d.h. insbesondere zu Mitgliedern von Gruppen, die Gewalttaten propagieren, vorbereiten oder durchführen. 2.1.1.4.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen Bei den Autonomen, die grundsätzlich Ideologien und gesellschaftliche Normen ablehnen, d.h. selbstbestimmt leben wollen, handelt es sich um örtliche, meist nur lose strukturierte Zusammenschlüsse oder um Einzelpersonen ohne Gruppenzusammenhang mit diffusen anarchistischen, nihilistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Zielen. Sie befürworten und praktizieren militante Aktionen, wie z.B. öffentliche gewalttätige Protestaktionen, Brandund Sprengstoffanschläge, im Kampf gegen die als Schweinesystem diffamierte politische Ordnung des Grundgesetzes. Dabei bieten u.a. folgende Themen Anknüpfungspunkte für (aktuelle) Aktivitäten: Proteste gegen angeblichen (staatlichen) Faschismus, darunter Rassismus und Sexismus, sowie gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten (sog. Antifaschistischer Kampf), Proteste gegen die "Umstrukturierung" Berlins als Hauptstadt und Regierungssitz nach der Vereinigung, Proteste gegen internationale Konferenzen, Staatsbesuche und sonstige Veranstaltungen, deren Teilnehmer in der linksextremistischen Agitation als Träger imperialistischer Bestrebungen diffamiert werden, Proteste gegen den Bau und Betrieb von technischen Großprojekten, Eroberung und Verteidigung von "Freiräumen" gegenüber dem "System". Obwohl Autonome von der Grundtendenz her den Aufbau einer (eigenen) Organisation ablehnen, halten Teile des autonomen Potentials einen gewissen Grad von Organisierung für unverzichtbar. Die angestrebte Organisierung solle der auch 1992 beklagten Orientierungsund Perspektivlosigkeit 38 2 - Politischer Extremismus - entgegenwirken. Die bisher bestehenden öffentlichen Strukturen (z.B. "Infotelefone", "Infoläden" und "Vollversammlungen") sowie die verdeckten, informellen Strukturen (z.B. Telefon ketten) reichten nicht aus, die Unfähigkeit, über einzelne Kampagnen hinaus kontinuierlich nachhaltige politische Arbeit zu leisten, zu überwinden. Berliner Autonome schlossen sich daher im Frühjahr 1992 dem computergestützten Informationssystem "Spinnennetz" an. Mit diesem Informationssystem soll ein Info-Netzwerk politischer Gruppen und Infoläden aufgebaut werden, um einen gegenseitigen Nachrichtenaustausch auf europäischer Ebene zu erreichen. Als Stützpunkte in Berlin dienen hierbei verschiedene Infoläden und andere Kommunikationszentren, die schon in der Vergangenheit Teile bestehender autonomer Strukturen waren. Die überwiegende Mehrheit der Autonomen sind deutsche, zum geringeren Teil ausländische Jugendliche bzw. jüngere Erwachsene aus der Altersgruppe der 18bis 28jährigen, zumeist Schüler, Auszubildende und Studenten, die I mit der Lehre oder dem Studium nicht zurechtkommen. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Gelegenheitsjobs und den Empfang von öffentlichen Sozialleistungen. Viele Autonome wenden sich schon nach wenigen Jahren ernüchtert von der Szene ab, enttäuscht über das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit autonomer Lebensziele. Als besonders frusfierend werden die selbstgewählte gesellschaftliche Isolation, die Auseinandersetzungen zwischen "Altautonomen" und ihrem "Nachwuchs" sowie die ständigen ergebnislosen Perspektivdiskussionen empfunden. Die Zahl der Autonomen wird von den Sicherheitsbehörden bundesweit auf etwa 5.000 Personen geschätzt. Die autonome Szene in Berlin stellt mit inzwischen etwa 1.200 Personen das | weitaus größte Kontingent innerhalb des deutschen linksextremistisch motivierten Gewaltpotentials dar. Zum weiteren Anstieg des autonomen Potentials gegenüber 1991 trug wesentlich der 1992 verstärkt geführte sog. Antifaschistische Kampf bei, der sich als Aktionsund Agitationsthema äußerst mobilisierend auswirkte. Auch im Jahre 1992 gelang es den Autonomen, insbesondere Angehörige der sog. Alternativszene und anderer - subkultureller - Kreise Berlins zu aktivieren. So beteiligten sich an der hauptsächlich von Angehörigen der autonomen 2 - Politischer Extremismus - 39 Szene organisierten sog. Revolutionären 1. Mai-Demonstration erneut etwa 8.000 Personen. Überwiegend ausländische Jugendbanden, die ohne erkennbare linksextremistische Motivation in bestimmten Situationen militant-autonome Aktionsformen zum Ausgangspunkt eigener Gewalttaten machten, erhöhten ihrerseits zusätzlich den Wirkungsgrad exzessiver Attacken der verfassungsfeindlichen Kräfte. 2.1.1.4.3 Militanz und Aktionsformen Autonomer Gewalt gegen Sachen, aber auch gegen Personen, ist für viele Autonome selbstverständlich, Militanz geradezu ein Kriterium autonomer Politik. Die angewandten Aktionsformen und der dabei ausgeübte Grad von Gewalt richten sich nach den eigenen Möglichkeiten und den jeweils vorgefundenen Gegebenheiten. Sie reichen von Versammlungen und Demonstrationen über Störaktionen, Blockaden und Sachbeschädigungen bis zu Überfällen auf politische Gegner und terroristischen Anschlägen, die sich an das Handlungsmuster der "Revolutionären Zellen" (RZ) anlehnen. Die unter der Bezeichnung "Antifaschistische Selbsthilfe" zunehmend brutaler durchgeführten Angriffe auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten vervierfachten sich 1992 gegenüber 1991. Hierbei wurde auch der Tod von Anschlagsopfern in Kauf genommen bzw. in Veröffentlichungen gebilligt. Auch im letzten Berichtszeitraum behielten Autonome bei Ausschreitungen die seit Herbst 1991 verstärkt angewandte Taktik bei, in Kleingruppen zuzuschlagen und sich sofort zurückzuziehen, um ein neues Ziel anzugreifen. Verstärkte Polizeipräsenz bei Demonstrationen mit Beteiligung Autonomer führte dazu, daß viele potentielle Gewalttäter verunsichert von der Ausübung militanter Aktionen absahen. Im Zusammenhang mit als "Volxsport" betitelten Zerstörungsaktionen veröffentlichten Autonome detaillierte Sabotageanleitungen und begründeten die Wahl ihrer Anschlagsziele regelmäßig in Taterklärungen. Diese sandten sie z. T. der Presseagentur dpa oder verschiedenen Tageszeitungen zu. Eine bereits seit längerer Zeit geführte Debatte autonomer Kreise über Sinn, Anlaß und Ausmaß gewalttätiger Aktionsformen löste im Jahre 1992 innerhalb der Szene eine Polarisierung im Widerstreit konträrer Meinungen aus. Diese 40 2 - Politischer Extremismus - Entwicklung hatte u.a. zur Folge, daß sog. Reformautonome, die aus taktischen Erwägungen bereit waren, insbesondere bei Demonstrationen auf Gewalt zu verzichten, Verfechter einer exzessiven Gewaltstrategie aus den eigenen Reihen und dem übrigen linksextremistischen Spektrum tätlich angriffen. 2.1.1.4.4 Aktuelle Aktivitäten der Autonomen Berliner Autonome widmeten sich 1992 vornehmlich dem sog. Antifaschistischen Kampf. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten, ähnlich wie im Vorjahr, Aktivitäten gegen die befürchtete "Umstrukturierung" Berlins im Zuge der "Hauptstadtplanungen" sowie der Bewerbung für die Austragung der Olympischen Spiele im Jahre 2000. Abermals kam es zur Zusammenarbeit zwischen Autonomen und Angehörigen des RAF-Umfeldes. Nahezu alle Anschläge des linksextremistisch motivierten Gewaltpotentials - zumeist Sachbeschädigungen und Brandanschläge mit einfachen, aber wirksamen Mitteln - wurden von autonomen Kleingruppen begangen. Die hierbei angerichteten Schäden belaufen sich auf mehrere Mio. DM. Soweit sie Taterklärungen abgaben, traten sie u.a. unter Namen wie "Rote Antifaschistische Fraktion", "Volxsport Club Dynamo Kreuzberg", "Komitee Gegen Bonzen (KGB)", "AUTONOME SENFGURKEN", "Die Drei von der Tankstelle", "Rote BMW-Fraktion", "AUTONOME PHYSIKERiNNEN DES 20. JAHRHUNDERTS" und "autonome gruppe 'volxsport statt Olympia'" auf. "Antifaschistischer Kampf" Der sog. Antifaschistische Kampf entwickelte sich 1992 zum Hauptaktionsfeld der Autonomen. Unter dem Motto Kampf dem Faschismus auf allen Ebenen propagierten Autonome u.a., den Aufbau faschistischer Organisationen und Strukturen ... mit Mitteln der Aufklärung und in der direkten Konfrontation zu bekämpfen, staatliche(n) Rassismus, der den wachsenden Faschismus begünstigt, anzugreifen, Flüchtlinge und Antifaschistinnen tatkräftig zu unterstützen und die Organisierung und Vernetzung des antifaschistischen Widerstandes in der BRD und international voranzutreiben. Dabei haben autonome Protagonisten die - durch persönliche Betrof- 2 - Politischer Extremismus - 41 fenheit seit den Ereignissen in Hoyerswerda im September 1991 und durch weitere Übergriffe von Rechtsextremisten auf Asylbewerber und andere Ausländer hervorgerufene - erhöhte Mobilisierungsfähigkeit in der alternativen Szene und in den eigenen Reihen genutzt, um ihr Handlungspotential deutlich zu erhöhen. So stieg sowohl die Zahl der Aktivitäten als auch die Anzahl gewalttätiger autonomer Kleingruppen sprunghaft an. Angriffe auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten wurden hierbei als "Antifaschistische Selbsthilfe" deklariert [vgl. 2.3]. Aktivitäten gegen die "Umstrukturierung" Berlins Autonome haben 1992 die Kampagne gegen die "Umstrukturierung" Berlins verstärkt fortgesetzt. Im Vordergrund ihres Interesses standen hierbei die Bezirke Kreuzberg und Friedrichshain, die mit ihren Kiezen nach der Vereinigung Berlins aus vormals ghettoartiger Randlage wieder zu Innenstadtbezirken geworden waren. Die Autonomen befürchten, aufgrund verstärkter Bautätigkeit und folgender Mietsteigerungen für Wohnungen und Gewerberäume zusammen mit anderen ärmeren Kiezbewohnern an den Stadtrand gedrängt zu werden. Ihre Aktionen, insbesondere Brandanschläge und Sachbeschädigungen, richteten sich vor allem gegen Firmen, die sie mit der "Umstrukturierung" in Zusammenhang brachten, gegen sich in "ihrem Kiez" ansiedelnde kapitalkräftige Großunternehmen sowie Lokale, die sie als "Schicki-Micki-Läden" diffamierten. In diesem Zusammenhang ist eine Anfang 1992 begonnene Serie von Brandanschlägen auf Personenkraftwagen der Luxusklasse hervorzuheben. Darunter befanden sich sowohl gezielte Anschläge auf Fahrzeuge von Personen, die für die "Umstrukturierung" verantwortlich gemacht wurden, als auch zahlreiche wahllos durchgeführte Aktionen gegen "Bonzenund Nobelkarossen". Zu den gezielten Aktionen, die insbesondere Furcht und Einschüchterung erzeugen sollten, gehörten beispielsweise Brandanschläge auf die Fahrzeuge von SPD-Politikern in der Nacht zum 22. Mai 1992 in Kreuzberg und Neukölln und am 20. Juni 1992 auf den Personenkraftwagen eines in Kreuzberg tätigen Architekten. Die willkürlichen Anschläge, die in erster Linie darauf angelegt waren, "Bonzen", Makler, Geschäftsleute und "Yuppies" aus dem Kiez zu 42 2 - Politischer Extremismus - vertreiben, listeten Autonome unter der Rubrik "Volxsport" säuberlich in ihrem Sprachrohr, dem klandestin herausgegebenen Info-Blatt "INTERIM", auf. "INTERIM" veröffentlichte in diesem Zusammenhang in seiner Ausgabe vom 1. Oktober 1992 Spielregeln und Handlungsanleitungen für potentielle Nachahmer. Darin heißt es, daß man es nicht mehr hinnehme, daß immer mehr Yuppiekacknasen mit ihren Luxuskarossen in den Kiezen zu sehen seien. Deshalb sei die BERLINER WAGENSPORTLIGA IM SUPERSCHWERGEWICHT gegründet worden. Objekte der Begierde seien dabei die neue S-Klasse von Mercedes Benz, die 7er-BMW-Serie, neue Porsche, Jaguar, Rolls Royce u.Ä. (sic!). Günstigste Zeit für das Spiel sei der Abend, der eigene Kiez das beste Spielfeld, da man dort die Hinterhöfe, Fluchtwege und Zivikutschen am besten kenne. Als Spielgeräte brauche jeder Volxsportclub lediglich einen Hammer, einen mit BenzinÖl-Gemisch gefüllten Kanister, ein Stück Papier oder einen Lappen und ein Feuerzeug. Das Spiel werde durch Schlagen mit dem Hammer auf die Scheiben eröffnet. Teilnehmen könne jeder mit Freude am Volxsport. Gewonnen habe der Volxsportclub, der am Ende der Saison das größte Produkt aus der Summe an Spielen, multipliziert mit den Listenpreisen der Wagen, erreicht habe. Ein weiterer Anknüpfungspunkt für Aktionen Autonomer zum Thema "Umstrukturierung" war die beabsichtigte Öffnung der Oberbaumbrücke für den Personenindividualverkehr. Die Brücke über die Spree verbindet die Bezirke Kreuzberg und Friedrichshain und soll Teil des sog. Stadtringes zur Umfahrung der Innenstadt werden. Seit der Räumung der von etwa 100 Personen vier Tage lang besetzten Oberbaumbrücke am 8. Juli 1992 kam es wiederholt zu gewaltsamen Aktionen. Unter dem Slogan Oberbaumbrücke bleibt Stadtringlücke verübten autonome Kleingruppen vor allem Brandanschläge auf Baufahrzeuge und -gerate einer an dem Bauvorhaben beteiligten Firma. Auch Aktivitäten gegen die Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele im Jahre 2000 subsumierten Autonome unter ihre Kampagne gegen die "Umstrukturierung". In diesem Zusammenhang stahl eine autonome Gruppe mit der Bezeichnung "kommando lutz grüttke" am 2 - Politischer Extremismus - 43 5. Januar 1992 eine Gedenktafel für Carl DIEM aus dem Olympiastadion. Diverse Brandanschläge richteten sich gegen Firmen, die mit Bauprojekten bzw. mit der Bewerbungsschrift für die geplante Austragung der Olympischen Spiele befaßt waren; Taterklärungen enthielten Parolen wie Wer mit den Olympischen Ringen spielt, verbrennt sich leicht die Finger..., Kein Elitedenken, kein Leistungsund Konsumterror, keine auf Kommerz und Profit ausgerichtete Stadtplanung..., nie wieder Olympia, schon gar nicht in berlinl. Weiterhin verbreiteten Autonome Broschüren und Flugblätter, mit denen sie versuchten, den Olympischen Spielen ein negatives Image zu verschaffen und den Eindruck einer olympiafeindlichen Stimmung in der Bevölkerung zu wecken, um dadurch die Chancen für eine Entscheidung zugunsten Berlins als Austragungsort der Olympischen Spiele zu mindern. 2.1.1.4.5 Ausblick Autonome werden den 1992 intensivierten "Antifaschistischen Kampf" und hierbei insbesondere die als "Antifaschistische Selbsthilfe" deklarierten Angriffe auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten auch im Jahre 1993 weiterführen. Inwieweit dieses momentane Schwerpunktthema Triebfeder erhöhter autonomer Gewaltbereitschaft bleibt, aber auch fortgesetzt jungen Leuten Anreiz für ihren Einstieg in die autonome Szene bietet, dürfte nicht unwesentlich abhängen von Entwicklungen im militant-rechtsextremistischen Spektrum. So hätten weitere neonazistische, fremdenfeindliche Übergriffe gegen Ausländer auf das Stimmungsgefüge des autonomen Potentials einen extrem anheizenden Einfluß. Schon jetzt ist bekannt, daß Autonome in Vorbereitung militanter Aktionen vermehrt und gründlicher Anschlagsziele ausforschen wollen; bei Übergriffen auf Personen ist mit äußerster Brutalität zu rechnen. Die 1993 zu erwartende vermehrte Bautätigkeit im Zusammenhang mit der neuen Hauptstadtfunktion und der Olympiabewerbung wird die Zahl möglicher Anschlagsziele und -anlasse autonomer Kleingruppen weiter erhöhen. Bis zum 23. September 1993, dem Tag der Entscheidung des IOC über die Vergabe der Olympischen Spiele, planen Autonome eine aktionistische "heiße Phase", mit dem Ziel, Berlin weltweit als Bewerber zu diskreditieren und so die Spiele in der Stadt zu verhindern. Besonders erscheinen z.B. Betriebe, die als Lizenznehmer oder Sponsoren auftreten sowie andere "Förderer" der hiesigen 44 2 - Politischer Extremismus - Olympiawerbung gefährdet. Bei der Auswahl spektakulärer Anschlagsziele rücken voraussichtlich zunehmend auch Spielstätten der Olympiade 1936 in das Blickfeld autonomer Olympiagegner. Seitens der Autonomen könnte hierbei eine Chance gesehen werden, agitatorisch die Ablehnung der Spiele in Berlin auch Kreisen außerhalb des extremistischen Spektrums zu vermitteln, indem man die heutige Bundesrepublik mit ihrer Hauptstadt Berlin in eine diffuse historische Kontinuität zu der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und Propagandaoffensive im Umfeld der damaligen Olympiade stellt. Ihren Kampf gegen die "Umstrukturierung" wollen Autonome 1993 vor allem durch entschlossenere Militanz intensivieren. Gewalttätige Aktivisten kündigten an, "mit Volldampf" in großem Maße "Bonzenautos" (gemeint sind Nobelmarken wie Mercedes-Benz, BMW und Jaguar) in Brand zu setzen und weiterhin Gerätschaften an dem Projekt Oberbaumbrücke beteiligter Baufirmen zu zerstören. Autonome werden anhaltend bemüht sein, ihre Strukturen, insbesondere den schon 1992 verbesserten überregionalen Informationsfluß zu effektivieren. Ähnlich wie im letzten Berichtszeitraum wird dabei der weitere Aufund Ausbau des computergestützten, überwiegend von autonomen "Infoläden" getragenen Kommunikationssystems "Spinnennetz" von Bedeutung sein. Ein derartiges qualifiziertes Informationssystem könnte entscheidend zum Abbau bisheriger theoretischer Defizite des autonomen Selbstverständnisses beitragen. Förderlich für die Überwindung der weitgehenden Desintegration des autonomen Potentials, wie sie seit jeher durch Zersplitterung in "Teilbereichskämpfe" sichtbar wird, dürfte nicht zuletzt der mobilisierungswirksame "Antifaschistische Kampf" sein. Dieses Aktionsfeld ist nach autonomer Definition bereichsübergreifend angelegt, bezieht ausdrücklich "antiimperialistische", "antipatriarchalische" und "antikapitalistische" Zielsetzungen mit ein. So entstehende Ansätze für eine kontinuierliche, nachhaltige politische Arbeit könnten in Verbindung mit der ständigen Gewaltbereitschaft Autonomer zu einer erheblichen Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands und, wegen der hiesigen Konzentration des linksextremistisch motivierten Gewaltpotentials, insbesondere Berlins führen. Eine derart gefestigte autonome Bewegung böte außerdem dem RAF-Umfeld einen zuverlässiger und berechenbarer gewordenen Bündnispartner mit 2 - Politischer Extremismus - 45 erweiterten und neuen Perspektiven in der Zusammenarbeit. Sollte es zwischen beiden Strömungen des linksextremistischen Gewaltpotentials zu einer - durchaus denkbaren - intensiveren Kooperation als bisher kommen, ergäben sich zwangsläufig gesteigerte Risiken in der Gefährdungslage. 2.1.2 Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen 2.1.2.1 Vorbemerkung Neben den gewaltorientierten linksextremistisch motivierten Gruppen versuchen auch andere linksextremistische Organisationen, Parteien und Zusammenschlüsse, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland auf revolutionärem Weg zu beseitigen. Dazu zählen außer einer Reihe relativ unbedeutender anarchistischer Zirkel und Zusammenschlüsse (ca. 100 Anhänger), die eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" anstreben, marxistisch-leninistische Bünde und Parteien inklusive traditionell-kommunistische Organisationen sowie trotzkistische Vereinigungen. Den einerseits aus der kommunistischen Weltbewegung unter ideologischer Hegemonie der ehemaligen KPdSU entstandenen Parteien und Gruppen und den andererseits in der Studentenbewegung der 60er Jahre wurzelnden Organisationen ist gemeinsam, daß sie den Klassenkampf und die proletarische Revolution propagieren sowie eine kommunistische Diktatur errichten wollen. Dabei sind sie zum Teil auch bereit, Gewalt zur Durchsetzung dieses politischen Ziels anzuwenden, sobald die Situation dies ihrer Meinung nach zuläßt. In Berlin sind mehr als zehn, früher im allgemeinen Sprachgebrauch als "KGruppen" bezeichnete Organisationen, die überwiegend auch bundesweit aktiv tätig sind, mit unterschiedlichen Aktivitäten und Mitgliederstärken (insgesamt unter 500 Angehörige) vertreten. Die Situation traditioneller Kommunisten und ihrer Parteien stand im Jahre 1992 weiterhin unter den Auswirkungen des Zusammenbruchs der "sozialistischen Staatengemeinschaft" in Ostund Südosteuropa. 46 2 - Politischer Extremismus - Bestimmte zunächst schockartiges Agieren ihr politisches Handeln, ist nunmehr der Versuch einer Neuorientierungsphase zu erkennen. Nachdem sich die "Sozialistische Einheitspartei Westberlins" (SEW) bzw. ihre Nachfolgeorganisation "Sozialistische Initiative" (SI) statutengemäß am 30. Juni 1991 aufgelöst hatten, organisierte sich ein Großteil der ehem. SEW/SI-Mitglieder zunächst in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), der unmittelbaren Nachfolgerin der Ostund West-Berliner Kommunisten historisch gemeinsamen "Mutterpartei" SED. Die von der PDS über die ehemaligen SEW/SI-Mitglieder erhoffte weitere Ausdehnung auf die Westbezirke hat sich 1992 nicht erfüllt. Im Vorfeld der 4. Tagung des 3. Landesparteitages der PDS Berlin (12./13. Dezember 1992) wurde bekannt, daß die PDS auch im Westteil der Stadt eine rückläufige Mitgliederentwicklung zu beklagen hat. Konnte sich die Berliner PDS It. Zeitung "Neues Deutschland" vom 28. Oktober 1991 noch auf 434 überwiegend aus der ehemaligen SEW/SI kommende Mitglieder im Westteil der Stadt berufen, so verfügte sie 1992 lediglich noch über etwa 260 Mitglieder im Westteil Berlins. In dieser rückläufigen Mitgliederentwicklung spiegelt sich auch das früher von SEW/SI-Mitgliedern wiederholt geäußerte Unbehagen gegenüber einer als zu "liberal" empfundenen PDS wider. Eine im Vergleich zu den Eintritten in die PDS zahlenmäßig kleine Gruppe von früheren SEW/SI-Mitgliedern bildete dagegen den Kern der 1990 auf Berlin ausgedehnten "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP). 1992 waren auch erste Aktivitäten der Anfang 1991 ins Leben gerufenen Berlin-Brandenburger Organisationseinheit der DKP-Nebenorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) festzustellen. Die Anfang 1990 von ehemaligen SED-Mitgliedern im Ostteil Berlins gegründete "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) stieß unter früheren SEW/SI-Mitgliedern auch 1992 kaum auf Resonanz und blieb auf die östlichen Stadtbezirke beschränkt. Die von der PDS und hier insbesondere der "Kommunistischen Plattform" dieser Partei mit der DKP und der KPD angestrebte Zusammenarbeit kam auch 1992 über eine sporadische gemeinsame Arbeit im "Ständigen Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) nicht hinaus. 2 - Politischer Extremismus - 47 Trotz dieser negativen Entwicklung hoffen sowohl die DKP als auch die PDS weiterhin auf einen Mitgliederzuwachs aus dem ehem. SEW-Mitgliederpotent'ial. Der Trotzkismus, dessen Anhänger sich selbst als "revolutionäre Kommunisten" bezeichnen, hat seinen Ursprung in der von Leo TROTZKI am 3. September 1938 in Perigny bei Paris gegründeten "IV. Internationale" und dem dort von ihm vorgelegten "Übergangsprogramm: Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale". Darin faßte TROTZKI für ihn richtungsweisende Grundsätze zusammen und formulierte ein Ablaufmuster zur "Mobilisierung der Massen". In ihrem Statut proklamierte die "IV. Internationale" das Ziel der proletarischen Revolution im Weltmaßstab zur Errichtung einer rätedemokratischen Ordnung. Sowohl das "Übergangsprogramm" als auch die seinerzeit benannten Ziele bilden bis heute für Trotzkisten die ideologische Grundlage ihres Verständnisses von Sozialismus. Zentrale Werte der trotzkistischen Lehre sind die Theorie der "permanenten Revolution" (bruchlose Entwicklung von der demokratischen zu einer sozialistischen Umwälzung) sowie das auf "Räten" gegründete Demokratiemodell (Arbeiterselbstverwaltungsmodell zur Kontrolle der Produktions-, Arbeitsund Lebensbedingungen). Ebenfalls charakteristisch für das trotzkistische Vokabular ist der Begriff "Entrismus". Darunter verstehen Trotzkisten die konspirative Infiltration von Parteien und Massenorganisationen, wobei die trotzkistischen Unterwanderer nach außen Loyalität und Einverständnis mit den Zielen und Aufgaben der jeweiligen Organisation vorgeben. Ziel ist es, diese von innen auszuhöhlen, zu desorganisieren und einzelne Mitglieder für den Trotzkismus zu gewinnen. TROTZKIS "IV. Internationale" konnte bisher keine große politische Bedeutung gewinnen. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über taktische und organisatorische Fragen spaltete sie sich im Dezember 1953 in ein "Internationales Komitee" und ein "Internationales Sekretariat". Daraus entwickelten sich - nach vergeblichen Einigungsversuchen - viele unterschiedliche rivalisierende Gruppen, die in internationalen Dachverbänden organisiert sind, von denen jeder beansprucht, der einzige legitime Nachfolger TROTZKIS "IV. Internationale" zu sein. 48 2 - Politischer Extremismus - Angesichts seiner Zersplitterung und seiner geringen Anhängerzahl - bundesweit etwa 1.200 Personen in etwa einem Dutzend Parteien, Gruppen und Zirkeln organisiert - stellt der organisierte deutsche' Trotzkismus zur Zeit keine ernsthafte Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung dar. Gleichwohl gelingt es Trotzkisten mitunter, Diskussionen und Aktivitäten innerhalb der extremistischen Bewegung zu beeinflussen sowie durch besonderen Einsatz und "entristisches" Vorgehen auch auf Teile der demokratischen Arbeiterbewegung und auf Kampagnen einzuwirken. In Berlin sind derzeit insgesamt acht, zusammen über etwa 200 Mitglieder verfügende, trotzkistische Parteien und Gruppen, die als deutsche Sektionen der internationalen Dachverbände auftreten, aktiv. 2.1.2.2 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der schwerpunktmäßig in Bayern vertretene AB hat sich über Linienkämpfe zur künftigen revolutionären Strategie und Taktik faktisch in zwei gleich große Fraktionen gespalten. Eine "KAZ-Fraktion", benannt nach ihrem wiederbelebten Zeitungsprojekt "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ) will sich vor allem auf Propaganda und Agitation konzentrieren. Die "Zug-Fraktion", so genannt, weil sie auf Bündnisprojekte wie den "Anachronistischen Zug" u.a. zusammen mit Teilen der PDS und DKP setzt. Diese Fraktion unterhält besonders enge politische Beziehungen zur "Kommunistischen Plattform der PDS". Für den 17./18. Januar 1992 hatte der AB einen internationalen Kongreß an der Humboldt-Universität in Berlin unter dem Motto Wohin zieht der Anachronistische Zug? initiiert. Die 3. Etappe des Anachronistischen Zuges sollte - nach 1980 und 1990 - erstmals länderübergreifend angelegt sein, um, wie es hieß, gegen die vergrößerte Bundesrepublik und eine demagogische Vereinigung der Deutschen gegen äußere Feinde zu agieren. So beabsichtigte man beispielsweise, die Wegstrecke durch die damalige CSFR zu führen. Für die Planungen bildete der AB mit der PDS und der "Kommunistischen Partei Böhmen und Mähren" ein gemeinsames Arbeitssekretariat, das auch in Berlin ansässig ist. 2 - Politischer Extremismus - 49 Wegen der bekannten politischen Umbruchsituation in der Tschechoslowakei mußten die Initiatoren für 1992 auf dieses Projekt verzichten; die Planung wird jedoch fortgesetzt. 2.1.2.3 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der BWK, 1980 aus einer Spaltung des damaligen "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) hervorgegangen, propagiert weiterhin die proletarische Revolution in der BRD und Westberlin. Erklärtermaßen verzichtet der BWK auf eine Ausdehnung auf die neuen Bundesländer mit dem Argument, man sehe den Anspruch der ehemaligen DDR-Bevölkerung auf eigene Organisationsformen und wolle daher keine Spaltung der PDS. Schon seit der 11. ordentlichen BWK-Bundesdelegiertenkonferenz im März 1991 sieht sich die Organisation verpflichtet, in Berlin nur nach Abstimmung mit der SEDNachfolgepartei tätig zu werdern. Unter Hinweis darauf, daß kommunistische Politik heute im Bündnis von Organisationen, Vereinigungen etc. betrieben werden muß und nicht mehr in einer einheitlichen Partei betrieben werden kann, versucht der BWK in Berlin zusammen mit der Volksfront und der PDS über monatliche Diskussionsveranstaltungen eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Wegen der geringen Mitgliederzahl (bundesweit nicht mehr als 300, in Berlin unter 20 Personen) beschränkt sich der BWK überwiegend auf publizistische Aktivitäten. Der BWK hat 1992 seine Medienfirma "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung" (GNN), die die Organisation seit Jahren als publizistische Serviceleistung auch für andere Linksextremisten zur Verfügung stellt, zu einem Netzwerk gleichberechtigt zusammenarbeitender Verlage umstrukturiert. Es gibt seit geraumer Zeit Hinweise, daß er und die GNN nicht nur Serviceleistungen für linksterroristische Gruppierungen bereitstellen, sondern deren Konzeption und Ziele auch zumindest partiell teilen. 2.1.2.4 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Die KPD, die sich als die einzige Verfechterin eines unverfälschten MarxismusLeninismus und somit als legitime Nachfolgerin der 1933 verbotenen KPD Ernst THÄLMANNs verstanden hatte, besteht faktisch nicht mehr. Nach wie 50 2 - Politischer Extremismus - vor gibt es drei Gruppierungen, die die 1986 vollzogene Fusion mit der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) zur "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) nicht akzeptiert haben. Diese Gruppen mit Sitz in Berlin, Gelsenkirchen bzw. Stuttgart haben bundesweit etwa 70 Anhänger; in Berlin verfügen sie über kaum mehr als 30 Angehörige. Neben der monatlichen Herausgabe jeweils eigener Zentralorgane ("Roter Morgen", "Roter Blitz") entfalten sie keine nennenswerten Aktivitäten. 2.1.2.5 "Kommunistischer Bund" (KB) Der 1971 in Hamburg gegründete KB hat sich auf seinem 4. Kongreß am 20. April 1991 in Hamburg aufgelöst. Nach der Auflösung des KB organisierte sich eine PDS-orientierte "Ex-KBMehrheit" in autonomen Ortsgruppen, die in einzelnen Städten (u.a. Berlin) weiterhin unter der Bezeichnung "Kommunistischer Bund" auftreten. Die "Ex-KB-Mehrheit" versucht an die ideologische und polit-strategische Tradition des KB anzuknüpfen und propagiert die Fähigkeit zur Bündnispolitik in allen Bereichen des Widerstandes; einzelne Mitglieder arbeiten führend in der PDS/LL mit. Eine "KB-Minderheit" organisierte sich in der "Gruppe K". Seit August 1992 wird das frühere KB-Organ "ak" ("Arbeiterkampf"), das auch nach der KB-Auflösung von beiden Nachfolgeorganisationen gemeinsam herausgegeben worden war, allein von der "Ex-KB-Mehrheit" unter dem Titel "ak (neue folge) analyse & kritik-Zeitung für linke Debatte und Praxis" herausgegeben. Diese Zeitung hat eine Auflage von 4.600 Exemplaren und veröffentlicht Beiträge aus dem gesamten Spektrum des Linksextremismus. Sie hat damit Bedeutung über die Ex-KB-Zusammenhänge hinaus. 2.1.2.6 "Gruppe K" Eine Minderheitsfraktion des am 20. April 1991 aufgelösten "Kommunistischen Bundes" (KB) hat sich am 7. Juli 1991 in Dortmund neu formiert und die "Gruppe K" gegründet. 2 - Politischer Extremismus - 51 Sie hält am Ziel des Kommunismus fest; die "Gruppe K" definiert sich als Teil der antikapitalistischen, nichtreformistischen Linken mit der Zielsetzung einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Der bisherige interne Rundbrief "Bahama-News" wird seit Dezember 1992 unter dem Titel "Bahamas, Zirkular der Gruppe K" herausgegeben. Die etwa 80 Mitglieder zählende Gruppe hat ihren Sitz in Hamburg und ist derzeit in 12 Städten - u.a. in Berlin - vertreten. Hier hat die "Gruppe K" bisher noch keine nennenswerten Aktivitäten entwickelt. 2.1.2.7 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 gegründete MLPD ist bundesweit mit etwa 1.700 Mitgliedern eine der größten Organisationen innerhalb der revolutionär-marxistischen Bewegung. 1992 propagierte sie ein Kampfprogramm für die Arbeitereinheit in Ost und West und betrieb mit einer Aktion Arbeitsplätze für Millionen intensive Mitgliederwerbung. Mit der Gründung von Initiativgruppen des Parteiaufbaus, Stützpunkten und weiteren Ortsgruppen konnte die MLPD insbesondere in den neuen Bundesländern erste Erfolge verzeichnen. So sind im MLPD-Bezirk Berlin-Brandenburg in Hennigsdorf und Potsdam sowie in Berlin-Treptow und -Köpenick neue Ortsgruppen gegründet worden. Versuche, sich aus ihrer politischen Isolation zu lösen und als Partner anderer linksextremistischer Organisationen anerkannt zu werden, scheiterten auch 1992 angesichts ihrer unverändert dogmatischen Auslegung des MarxismusLeninismus. Der Parteitagsbeschluß vom Dezember 1991, zur Straffung der Organisation die Jugendverbände "ARBEITERJUGENDVERBAND/Marxisten-Leninisten" (AJV/M-L) und "Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband" (MLSV) zu vereinen und die Nebenorganisation "Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller" (MLBI) aufzulösen, ist 1992 umgesetzt worden. Am 16./17. Mai ist statt dessen die neue Jugendorganisation "REBELL" als Zusammenschluß von AJV/M-L und MLSV gegründet worden. Der MLBI wurde Anfang 1992 aufgelöst; die Berliner MLBI-Ortsgruppe hat sich im Februar 1992 aufgelöst. Die MLBI-Mitglieder sind überwiegend von der MLPD übernommen worden. 52 2 - Politischer Extremismus - Eine Ende Dezember 1991 begonnene Spendenkampagne 1 Million für den Aufbau der Partei in den fünf neuen Bundesländern wurde im Juni 1992 beendet. Das angestrebte Ziel wurde mit einem Ergebnis von 1,31 Millionen DM weit übertroffen. 2.1.2.8 "Marxistische Gruppe" (MG) Die Anfang der 70er Jahre in Bayern entstandene MG, bis zu ihrem formellen Auflösungsbeschluß am 20. Mai 1991 bundesweit mitgliederstärkste Organisation unter den revolutionär-marxistischen Zusammenschlüssen - mit zuletzt bis zu 10.000 fest in die Gruppe eingebundenen Anhängern -, wahrte bei Verzicht auf öffentliche Aktivitäten ihren internen Zusammenhalt. Seit März 1992 vertreibt die MG die Politische Vierteljahresschrift "GegenStandpunkt" und trat damit erstmals seit Mai 1991 wieder an die Öffentlichkeit. Die Publikation enthält keinen Hinweis auf die Organisation; die im Impressum genannten Personen sind allerdings sämtlich als langjährige MG-Funktionäre bekannt. Aus Berlin hat sich die MG offensichtlich zurückgezogen; es sind 1992 keinerlei Diskussionszusammenhänge oder festgefügtere Strukturen bekanntgeworden. 2.1.2.9 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Die stalinistisch geprägte Gruppe "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) wird von deutschen und ausländischen - zumeist jugendlichen - Anhängern der 1984 entstandenen "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) mit Sitz in London getragen. Die RIM vereint als Dachverband derzeit 19 maoistische Parteien und Zusammenschlüsse aus verschiedenen Ländern, darunter die auch in Deutschland tätige "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) sowie die wegen ihrer Gewalttaten gefürchtete "Kommunistische Partei Perus" (PCP), besser bekannt unter der Bezeichnung "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad). Besonders die PCP wird in RK-Flugschriften als beispielhaft für den revolutionären Kampf verherrlicht. 2 - Politischer Extremismus - 53 Die hauptsächlich in Berlin aktive Gruppierung, die hier ihre Anhängerschaft seit 1989 von etwa 15 auf bis zu ca. 100 Personen steigern konnte, ruft dazu auf, eine revolutionäre Jugendorganisation aufzubauen, die die revolutionären Jugendlichen aller Nationalitäten vereint. Bei Demonstrationen, an denen die RK-Anhänger als geschlossener Block teilnehmen, praktizieren ihre Aktivisten exzessive Gewaltformen, die selbst bei Autonomen auf Ablehnung stoßen. Deshalb und wegen ihrer stalinistischen Ausrichtung wurden die RK 1992 von anderen Linksextremisten in Berlin ausgegrenzt. Autonome betrachten die RK-Anhänger inzwischen wegen ihres agressiven Verhaltens auch gegenüber Mitdemonstranten bei Aufzügen als politische Gegner und gehen tätlich gegen sie vor. 2.1.2.10 "Rote Hilfe e.V." (RH) Die seit mehr als 15 Jahren bestehende "Rote Hilfe" versteht sich als Schutzorganisation für die gesamte Linke und setzt sich für die Betreuung von politischen Häftlingen ein. Die in Ortsgruppen gegliederte RH hat bundesweit etwa 700, in Berlin etwa 100 Mitglieder, die teilweise auch in anderen revolutionär-marxistischen Gruppen organisiert sind. In der vierteljährlich mit etwa 2.000 Exemplaren erscheinenden überregionalen Publikation "Die Rote Hilfe" wird über Prozesse und Ermittlungen berichtet. Die "Rote Hilfe Berlin" gibt zusätzlich monatlich ein "Rote Hilfe Info" als Informationsblatt mit Prozeßterminen, Berichten über Prozesse und Informationen über "Repressionsmaßnahmen" heraus. 2.1.2.11 "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) Die Ende 1979 gegründete Volksfront - mit derzeit etwa 400 Mitgliedern, davon unter 20 in Berlin - versteht sich als antifaschistische Mitgliederund Bündnisorganisation. Für ihre Landesverbände und den Gesamtverband strebt die Volksfront die Rechtsform eines eingetragenen Vereins an, um insbesondere durch Anerkennung als gemeinnützige Einrichtung steuerliche Vorteile ausschöpfen zu können. Zu der derzeitigen Mitgliedschaft zählt ein hoher Anteil von Angehörigen des "Bundes Westdeutscher Kommunisten" (BWK), die in den Führungsgremien der "Volksfront" dominant vertreten sind. 54 2 - Politischer Extremismus - Die Volksfront hält weiterhin an einer Nicht-Ausweitung auf die neuen Bundesländer fest. In ihrem "Antifaschistischen Kampf" setzt die Volksfront vor allem auf die Wirkung ihrer Publikationen. So erscheint 14täglich überregional die Zeitung "Antifaschistische Nachrichten", vierteljährlich das Mitteilungsblatt "Volksecho" und das monatlich vom Berliner Volksfront-Landesverband herausgegebene "frontblatt - zeitung gegen reaktion, faschismus und krieg". Den Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit bildet ihre Bündnispolitik. Von der Berliner Volksfront gehen zur Zeit nur geringe Aktivitäten aus. 2.1.2.12 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Bei der 1986 als Zusammenschluß der Mehrheitsfraktionen der "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD) und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) gegründeten VSP deuten sich weiterhin Spaltungserscheinungen an. Die etwa 300 Mitglieder haben sich in ein revolutionär-marxistisches sowie in ein trotzkistisches Lager geteilt. Eine Mehrheit will an einer Vielfalt revolutionär-sozialistischen Positionen, die auch trotzkistische Politikansätze enthalten, festhalten. Eine trotzkistische Minderheit, die für die Neugründung einer gesamtdeutschen Sektion der "IV. Internationale" eintritt, hat 1992 außerhalb der VSP zusammen mit anderen Trotzkisten die "Gruppe Avanti" gebildet. Dem 1992 neugewählten Zentralkomitee gehört kein Mitglied der früheren KPD mehr an. Eine Spendenkampagne zur Sicherung der weiteren Erscheinungsweise des 14täglich erscheinenden Organs der VSP - "SoZ-Sozialistische Zeitung" erbrachte von erwarteten 70.000,DM nur etwa 44.000,DM bis zum Jahresende. Die VSP ist in Berlin mit einer Ortsgruppe (OG) vertreten, der unter 20 Mitglieder angehören. 2.1.2.13 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Der Aufbau des Landesverbandes der DKP Berlin-Brandenburg, einer Partei, deren Tätigkeit als formal selbständiger SED-Ableger in der Bundesrepublik 2 - Politischer Extremismus - 55 Deutschland bis dahin aufgrund der früheren östlichen Drei-Staaten-Theorie Berlin (West) aussparte, vollzog sich seit 1990 auf Initiative führender SEW/SIFunktionäre. Dieser Personenkreis, der sich als Vertreter der "reinen Lehre" betrachtete, sah sowohl in der damaligen SI als auch in der PDS keine Klassenpartei marxistisch-leninistischen Zuschnitts. 1992 konnte die DKP mit der Einrichtung von zwei Kreisorganisationen (Nordund Südkreis) und einer Betriebsgruppe für Beschäftigte bei der Deutschen Reichsbahn ihren Parteiaufbau festigen. Sie kam aber dennoch über einen Mitgliederbestand von gut 50 zählenden Mitgliedern nicht hinaus. Zu erheblichen Differenzen mit dem Bundesvorstand führte dagegen das Beharren der Berliner Bezirksorganisation auf traditionellen marxistisch-leninistischen Positionen. Die DKP beteiligte sich am 24. Mai 1992 an den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen in den Berliner Bezirken Kreuzberg und Hohenschönhausen. Sie begründete ihre Kandidatur damit, daß die PDS "ebenso wie die anderen etablierten Parteien keine Perspektive zur grundsätzlichen Veränderung der Verhältnisse" gezeigt habe. Es hätten nicht nur "Erfahrungen mit der für die Mehrheit der Menschen erfolglosen Parlamentsarbeit von CDU, SPD und FDP, sondern auch die PDS mit ihren rechtsstaatlichen Illusionen" bewirkt, daß sich Wähler "im Stich gelassen" gefühlt hätten. Die DKP erhielt insgesamt 240 Stimmen (0 Sitze). Sie gab ihre Parteizeitung "Kommunistische Korrespondenz - DKP BerlinBrandenburg" in unregelmäßigen Abständen heraus und beteiligte sich an einzelnen Aktionen anderer Gruppierungen. Ferner nahm die DKP Berlin-Brandenburg u.a. als beobachtende Organisation an den Sitzungen und Aktionen des "Ständigen Rates Marxistischer Parteien" (SMRP) teil. 2.1.2.14 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die Anfang 1991 gegründete SDAJ Berlin-Brandenburg ist die langjährige Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Die SDAJ versteht sich als revolutionäre sozialistische Arbeiterjugendorganisation, deren Aufgabe es sei, sozialistisches Klassenbewußtsein unter Jugendlichen zu verbreiten. Die SDAJ Berlin-Brandenburg besteht zur Zeit lediglich aus einer Funktionärsgruppe. 56 2 - Politischer Extremismus - 1992 beteiligten sich Mitglieder der SDAJ Berlin-Brandenburg gemeinsam mit anderen linksextremistischen Gruppen und Organisationen an Aufzügen und Demonstrationen, die teilweise zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei eskalierten. Ihre Hinwendung zur Militanz dokumentierte die SDAJ im Jahr 1992 auch mit in ihrem Organ "position" Nr. 4/92 veröffentlichten taktischen Überlegungen. Darin hieß es, die Massenbasis der revolutionären Demo bestehe aus politisierten, aber noch desorientierten Jugendlichen. Das Auf, auf zum Kampf-Geschrei, das Räuberund Gendarm-Spiel mit der Bullerei und das anschließende Straßenfest brächten oft mehr Bewußtsein als fünf Seminare zum Thema Klassenkampf. Das persönliche Erlebnis sei der beste Einstieg in die theoretische Auseinandersetzung; wörtlich: "ein Fall für uns!". Auch in "position" Nr. 10/92 rief die SDAJ zu Gewalt im "Antifaschistischen Kampf" auf. Die SDAJ Berlin-Brandenburg unterhielt 1992 enge Kontakte zur "Freien Deutschen Jugend" (fdj), einer ehemaligen DDR-"Massenorganisation". Beide Zusammenschlüsse führten gemeinsam Veranstaltungen und Seminaren durch. 2.1.2.15 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Die KPD wurde kurz nach Öffnung der innerdeutschen Grenzen am 31. Januar 1990 in Ost-Berlin von ehemaligen SED-Mitgliedern als Konsequenz aus ihrer Distanzierung zur stalinistischen Vergangenheit der SED und dem dadurch erfolgten Mißbrauch der kommunistischen Ideale gegründet. Sie versteht sich als marxistisch-leninistische Partei mit gesamtdeutschem Anspruch und als unmittelbare Nachfolgerin jener KPD, die 1946 in der SED aufgegangen war. Die KPD beschäftigte sich im wesentlichen auch 1992 mit dem Aufbau ihrer Parteiorganisation. Ferner beteiligte sie sich an einzelnen Aktionen anderer Gruppierungen, die sich gegen Faschismus und Ausländerfeindlichkeit wandten. Medienwirksam profilierte sich die KPD im Oktober 1992 mit der Bekanntgabe der Aufnahme des ehem. DDR-Staatsund Parteichefs Erich HONECKER in ihre Reihen. 2 - Politischer Extremismus - 57 Die KPD gehört zu den Gründungsmitgliedern des "Ständigen Rates Marxistischer Parteien" (SMRP) und verfügt in Berlin über etwa 40 Mitglieder. Als Publikation gibt sie die Monatsschrift "Trotz alledem!" heraus. 2.1.2.16 "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) Am 21. April 1991 konstituierten sich in Berlin vier marxistisch-orientierte Organisationen bzw. Parteien zum SRMP. Ziel des Zusammenschlusses ist nach der erklärten Absicht seiner Gründer, zur Bildung einer einheitlichen revolutionären Klassenpartei beizutragen. Die beteiligten Parteien wollen unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit solidarisch zusammenarbeiten. Zu den Gründungsorganisationen gehörten die revolutionär-marxistischen Partei "Die Nelken", die von ehemaligen SED-Mitgliedern am 31. Januar 1990 in Berlin wiedergegründete "Kommunistische Partei Deutschland" (KPD), die "Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands" (USPD) und die "Kommunistische Plattform (Berlin) in der PDS". Die zunächst erwartete Zusammenarbeit auch mit anderen revolutionärmarxistischen Gruppen konnte im SRMP offensichtlich nicht umgesetzt werden. Erkennbare Überlegungen zur Neustrukturierung einer einheitlichen kommunistischen Bewegung bzw. wesentliche Aktivitäten waren nicht feststellbar. 2.1.2.17 "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) Der 1972 gegründete BSA ist die deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI), eines internationalen trotzkistischen Dachverbandes. Überregional gibt er die Wochenzeitung "neue ARBEITERPRESSE" heraus. Der BSA hat bundesweit unter 100 Mitglieder. Neben monatlichen Diskussionsveranstaltungen, sog. neue ARBEITERPRESSE-Treffs im Ostteil Berlins, gehen kaum nennenswerte Aktivitäten vom BSA aus. 58 2 - Politischer Extremismus - 2.1.2.18 "Gruppe Avanti" (ehemals: "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" - GRS -) Ende 1989 wurde von Mitgliedern des internationalen trotzkistischen Dachverbandes "IV. Internationale (Vereinigtes Sekretariat)" (VS) exklusiv für die Arbeit in der damaligen DDR die GRS gegründet. Nach enger Zusammenarbeit mit Mitgliedern einer trotzkistischen Plattform in der VSP kam es am 30./31. Mai 1992 zur Bildung einer bundesweit vertretenen "Arbeitsgemeinschaft Revolutionärer Sozialistinnen" (AGRS). Die zuvor z.T. aus der VSP ausgetretenen Anhänger des VS und die etwa 30 Angehörigen der GRS, die in der AGRS zusammenarbeiteten, haben sich im September 1992 zu der "Gruppe Avanti" zusammengeschlossen. Die GRS hat daraufhin ihren Namen aufgegeben; ihre Mitglieder bezeichnen sich seitdem als Mitglieder der Vierten Internationale. Der überregionale Zusammenschluß ist u.a. in Berlin mit einer Avanti-Gruppe vertreten. Die "IV Internationale (VS)" hat seit einiger Zeit ihre mehrere Tausend Anhänger in Europa auf den revolutionären Antirassismus als Schwerpunktaufgabe festgelegt. 2.1.2.19 "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) Die 1979 aus einer Gruppe um die Zeitschrift "Internationale Arbeiterkorrespondenz" hervorgegangene ISA ist die deutsche Sektion der in Paris ansässigen trotzkistischen "IV. Internationale (Internationales Zentrum für ihren Wiederaufbau)" -IZ-. Die ISA verfolgt insbesondere die Strategie des Entrismus: Ihre Anhänger sind angehalten, Mitglieder demokratischer Parteien bzw. der Gewerkschaften zu werden, dort aber zunächst nicht offen als Trotzkisten aufzutreten. Eigene Aktivitäten hat die ISA zugunsten ihrer 1989 gegründeten Tarnorganisation "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) aufgegeben. Nach der Vorstellung der ISA soll die VAA zum organisierenden Rahmen von gleichberechtigten Kräften von Arbeiterkämpfern, Gewerkschaftern, Sozialdemokraten und den Mitgliedern der ISA für unabhängige Arbeiterpolitik, für eine wirkliche unabhängige politische Vertretung der Bedürfnisse des Kampfes der Arbeiterklasse und der Jugend werden. 2 - Politischer Extremismus - 59 Aus der VAA, deren Bundesgeschäftsstelle sich in Berlin-Charlottenburg befindet, will die ISA neue Mitglieder rekrutieren. Mit der VAA gelang es der ISA, auch in den neuen Bundesländern "Arbeitskreise" aufzubauen. 2.1.2.20 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Die SAG, deutsche Sektion der trotzkistischen "Internationalen Sozialisten" (IS), konnte ihre Aktivitäten in Berlin im Jahre 1992 weiter ausbauen. Mit wöchentlichen "öffentlichen" Treffen will sie ihre Ideen und Theorien verbreiten und Mitgliederwerben. Wenig Erfolg konnte die SAG mit ihrem bisherigen massiven Einsatz in der "Antifa"-Bewegung erzielen. Obwohl in Berlin maßgeblich Vertreter der SAG teilweise als Initiatoren an fast allen Treffen in diesem Bereich teilnahmen, gelang es der SAG nicht, ihren immer wieder erhobenen Führungsanspruch durchzusetzen. Autonome erläuterten dazu, daß die SAG zu wenig auf die "physische Konfrontation" setze. 2.1.2.21 "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) Die SpAD, deutsche Sektion der trotzkistischen "Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)" (IKL), gehörte auch 1992 zu den in Berlin aktivsten linksextremistischen Organisationen. Neben ihrem überregional monatlich erscheinenden Organ "Spartakist" gab sie zahlreiche Flugschriften zu aktuellen Themen heraus. In ihrem Stützpunkt in Berlin-Wedding führte die SpAD mehrmals Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen Themen mit bis zu 30 Teilnehmern sowie Schulungsreihen zum Marxismus durch. Derartige Schulungen begreift die SpAD als Beitrag für den von ihr angestrebten Aufbau einer revolutionären Partei. Auch über ihre Tarnorganisationen "Komitee für soziale Verteidigung" (KfsV) versucht die SpAD, politischen Einfluß zu gewinnen. Hier hat die SpAD die Solidarität für verfolgte Repräsentanten der ehemaligen DDR und für andere Altkommunisten zu einem ihrer Hauptaktionsfelder erklärt. Das Wirtschaftsunternehmen der SpAD, die "Verlag Avantgarde GmbH", hat im März 1992 den Sitz von Hamburg nach Berlin-Reinickendorf verlegt. 60 2 - Politischer Extremismus - 2.1.2.22 Ausblick Die Situation aller marxistischen-lenistischen und sonstigen revolutionärmarxistischen Zusammenschlüsse ist zur Zeit von Stagnation geprägt. Zwar konnten alle diese Organisationen ihre Mitgliederstände und publizistischen Möglichkeiten weitgehend erhalten, zeigten sich aber trotz des Aufgreifens aktueller Themen (u.a. des "Antifaschistischen Kampfes") unfähig, mehr Einfluß oder gar neue Mitglieder zu gewinnen. Hoffnungsvolle Ansätze wie eine echte Zusammenarbeit im "Ständigen Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) wurden bisher vertan. Man zog sich statt dessen wieder mehr und mehr auf die ureigenen politischen Positionen zurück. Ein Aufeinanderzugehen - wie es nach dem Zusammenbruch des "realen Sozialismus" angezeigt schien - fand nicht statt. Traditionelle Marxisten-Leninisten, Stalinisten, Maoisten und Trotzkisten stehen sich nach wie vor ideologisch unversöhnlich gegenüber. Auch die Erwartung traditionell-kommunistischer Organisationen wie der DKP und der 1990 neugegründeten KPD, auf ein potentielles Mitgliederreservoir aus der ehemaligen SEW/SI zurückgreifen zu können, hat sich nicht erfüllt. Beide Organisationen hoffen nun, daß der erkennbare Mitgliederrückgang bei der PDS ihnen noch einmal Zulauf aus den Reihen "linientreuer Kommunisten" beschert. Dazu schrieb die DKP Berlin-Brandenburg in ihrem Organ "Kommunistische Korrespondenz" (3/92): Die DKP muß darauf orientieren, bald enttäuschte PDS-Wähler für die Unterstützung revolutionärer Veränderungen zu gewinnen. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, bleibt abzuwarten. 2 - Politischer Extremismus - 61 2.2 Rechtsextremismus 3 2.2.1 Vorbemerkung Den unter dem Sammelbegriff Rechtsextremismus zusammengefaßten Parteien, Organisationen oder Gruppierungen ist eine antirationalistische, antiindividualistische, die demokratische Grundüberzeugung von der fundamentalen Gleichheit aller Menschen negierende Haltung und die daraus erwachsende Ablehnung des auf dem Prinzip gleicher politischer Rechte beruhenden demokratischen Verfassungsstaates gemeinsam. Zu den wesentlichen Elementen rechtsextremistischer "Weltanschauung" zählen: ein übersteigerter, oft aggressiver Nationalismus, verbunden mit Feindschaft gegen Ausländer, Minderheiten, fremde Völker und Staaten, Antisemitismus und Rassismus, verbunden mit der Propagierung biologischer und sozialdarwinistischer Ideen, völkischer Kollektivismus, d.h. Überbewertung der aufgrund ethnischer Zugehörigkeit definierten "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Rechte und Interessen des Einzelnen, Überbetonung militärischer bzw. soldatischer Werte und hierarchischer Prinzipien, verbunden mit der Propagierung einer entsprechenden autoritären bzw. diktatorischen staatlichen und sozialen Ordnung sowie der Überbetonung der Notwendigkeit eines nach innen und außen starken Staates. Gemeinsam ist den rechtsextremistischen Gruppierungen schließlich die Verharmlosung oder Leugnung der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ("Revisionismus"). Rechtsextremisten in Berlin 1983-1992 i1983|1984|1985|1986|1987,1988 1989I1990 1991i1992 Neonazis 65 65 70 65 80 85 105 j 250 500 I 600 Organisierte Rechtsextremisten 620 620 630 680 730 900 950 950 1000 1000 Gesamtzahl 685 685 700 745 810 985 , 1055 1200 1500 [ 1600 *Neonazis ZaOrganisierte Rechtsextremisten ESGesamtzahl 2 - Politischer Extremismus - 63 2.2.2 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) Nach dem Tod des prominentesten Repräsentanten des sich offen zum historischen Vorbild des Nationalsozialismus bzw. zu dessen von den Gebrüdern STRASSER und Ernst RÖHM repräsentierten Sozialrevolutionären Flügel bekennenden Neonazismus, des am 25. April 1991 verstorbenen Michael KÜHNEN, hat sich keine neue Führungspersönlichkeit herausgebildet, die die Neonazigruppen bundesweit einen könnte. Das weiterhin nach einem charismatischen Führer suchende neonazistische Lager wird derzeit von mehreren regionalen Führern in den alten und in den neuen Bundesländern geprägt. Treibende Kraft bei der Organisation und kämpferischen Umsetzung neonazistischen Handelns in Deutschland ist dabei in zunehmendem Maße der Hamburger Neonazi Christian WORCH. WORCH ist einer der Initiatoren des Aufbaus einer sog. Anti-"Antifa"Kampagne, die als Antwort auf gewalttätige Übergriffe von Linksextremisten der Sammlung von Informationen über politische Gegner dient und als neue übergreifende Aktionsgemeinschaft neonazistischer Gruppen entwickelt werden soll. Die nach der Wende in der ehemaligen DDR begonnene und nach der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 fortgesetzte Aufbauarbeit neonazistischer Organisationen in den neuen Bundesländern wurde im Jahr 1992 verstärkt. Insbesondere die zu Lebzeiten KÜHNENS gegründete "Deutsche Alternative" (DA) und ihr nahestehende Organisationen konnten - vor allem in Brandenburg, Sachsen und im Großraum Berlin, aber auch in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern - schon sehr früh Fuß fassen. Cottbus (Brandenburg) wurde zu einem Aktionszentrum der DA. Neben der DA bauten die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und die "Nationalistische Front" (NF) sowie die "Nationale Offensive" (NO) örtliche Gruppen in den neuen Bundesländern auf, deren Aktionismus und Gewaltbereitschaft dort radikaler hervortritt als bei den westdeutschen Neonazis. In oft provozierender Weise traten ostund westdeutsche Neonazis und ihre Sympathisanten regelmäßig in der Öffentlichkeit auf - manchmal 1.500 bis 2.000 Personen - und ließen sich kaum mehr durch 64 2 - Politischer Extremismus - staatliche Verbote, Demonstrationen politischer Gegner oder gewalttätige Übergriffe von Linksextremisten zurückhalten. Bundesweit gibt es etwa 2.000 Neonazis (1991: etwa 1.700) und 6.400 (4.200) militante Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads, davon 2.600 (1.200) in den westdeutschen, 3.800 (3.000) in den ostdeutschen Bundesländern sowie eine unbekannte Zahl nichtorganisierter rechtsextremistischer Gewalttäter, die durch eine in der Nachkriegszeit noch nie dagewesene Zahl von Gewaltakten gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte bundesweit von sich reden machten. Die erschreckende Welle brutaler Gewalt, die im Spätsommer 1991 in Hoyerswerda begann und fast genau ein Jahr später mit schwersten rechtsextremistischen Ausschreitungen in Rostock und anderen Städten der neuen Länder kulminierte, prägte das Erscheinungsbild des Jahres 1992. Rechtsextremistische Gewaltaktionen gegen Personen und Sachen haben im Jahre 1992 auch in Berlin weiter zugenommen. Während die beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erfaßten Gewalttaten des Jahres 1992 mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation bundesweit auf 2.285 Vorfälle, bei denen 16 Menschen getötet wurden, anstieg, ereigneten sich in Berlin im vergangenen Jahr 92 Gewalttaten, bei denen zwei Menschen ums Leben kamen. [Anmerkung: Der Fall des in einem besetzten Haus in Berlin-Friedrichshain lebenden 27jährigen Silvio M., der am 21. November 1992 auf dem U-Bahnhof Samariterstraße im Verlauf einer tätlichen Auseinandersetzung mit einer Gruppe anscheinend rechtsgerichteter Jugendlicher mit einem Messer erstochen wurde, bleibt hier unberücksichtigt, da die Auswertung der Ermittlungsunterlagen den anfänglich zu vermutenden rechtsextremischen Hintergrund nicht bestätigt hat.] Am 25. April 1992 wurde in Berlin-Marzahn in der Nähe eines Einkaufszentrums ein 29jähriger Vietnamese durch einen Messerstich tödlich verletzt. Der 21jährige Täter gab zu, in angetrunkenem Zustand grundlos eine Gruppe vietnamesischer Händler, die unverzollte Zigaretten verkauften, provoziert zu haben, indem er ihre Kartons umstieß. Als Motiv gab 2 - Politischer Extremismus - 65 er an, "etwas gegen Schmuggel" zu haben. Bei der anschließenden Auseinandersetzung stach er einen der Vietnamesen mit seinem Butterflymesser nieder. [Anmerkung: Am 8. Oktober 1992 wurde der Täter, der nach eigenen Angaben der rechtsextremistischen DVU nahesteht, wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.] Am 29. August 1992 überfielen zwei Skinheads in Berlin-Charlottenburg zwei deutsche Stadtstreicher, indem sie mit einem Baseballschlager auf diese einschlugen; einer der Angegriffenen wurde dabei so schwer verletzt, daß er am 5. September verstarb. Die Beschuldigten, die zum Tatzeitpunkt stark alkoholisiert waren, hatten zuerst Ausländer von einem Kinderspielplatz vertrieben und dann die ebenfalls dort aufhältlichen Stadtstreicher angegriffen. [Anmerkung: Gegen einen der Tatverdächtigen ermittelte der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Gründung einer Teilorganisation des rassistischen Geheimbundes "Ku-Klux-Klan". Das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt, da der Nachweis der Bildung einer terroristischen Vereinigung i.S. des SS 129 a StGB nicht geführt werden konnte. Am 22. Februar 1993 wurde er wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.] Die Gesamtzahl aller im Jahr 1992 bekanntgewordenen Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund ist in Berlin gegenüber dem Vorjahr weiter angestiegen (1991: 389; 1992: 475). Dabei haben vor allem die fremdenfeindlichen Straftaten einen deutlichen Anstieg zu verzeichnen (1991: 139; 1992: über 180). An den fremdenfeindlichen Gewalttaten sind auch weiterhin zahlreiche Skinheads beteiligt, wenngleich das Schwergewicht ihrer Aktivitäten im Umland Berlins zu liegen scheint. Die weitaus meisten Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund wurden nicht von organisierten Neonazis, sondern von unorganisierten Rechtsextremisten (insbesondere Skinheads) durchgeführt, möglicherweise spontan, aus der Situation heraus oder mit kurzfristiger Verabredung. Geistige Urheber sind jedoch die neonazistischen Organisationen, die mit ihrem einschlägigen Propagandamaterial und ihrem Auftreten bei Veranstaltungen, die auch von Skinheads besucht werden, den für eine rechtsextremistische Beeinflussung besonders empfänglichen Skinheads eine Orientierung und scheinbare Lösungswege ihrer Probleme bieten. 66 2 - Politischer Extremismus - Der nach den fremdenfeindlichen Anschlägen und Ausschreitungen in Rostock vom 22. - 26. August 1992 und den Folgeaktionen in anderen Orten sprunghaft angestiegene Trend wirkte sich auch in Berlin quantitativ wie qualitativ aus, wie der - inzwischen aufgeklärte - Sprengstoffanschlag auf das jüdische Mahnmal in Tiergarten vom 30. August 1992, die Anfang September 1992 verübten Brandanschläge auf ein Wohnheim für Vietnamesen in Hohenschönhausen und der Brandanschlag auf die jüdische Gedenkstätte in Sachsenhausen bei Berlin vom 25./26. September 1992 belegen. Dennoch bildete Berlin - wie bereits im Vorjahr - keinen Schwerpunkt auf dem Gebiet rechtsextremistischer Gewalt, sondern nimmt in der bundesweiten Statistik einen hinteren Platz ein. Die Zahl der namentlich bekannten Neonazis in Berlin ist auf über 210 angestiegen (1991: 180). Die meisten von ihnen sind 18 bis 25 Jahre alt. Dem neonazistischen Umfeld in Berlin gehören etwa 100 Personen an. Zusammen mit den im Jahre 1992 festgestellten etwa 340 militanten Rechtsextremisten (vor allem Skinheads) umfaßt das gesamte neonazistische und militant-rechtsextremistische Spektrum Berlins über 600 Personen. Altersstruktur der namentlich bekannten Neonazis Alter Anzahl unter 18 4 18-25 148 26 - 35 49 36-45 8 über 46 4 Gesamtzahl 213 (davon 22 Frauen) Rechtsextremistisch orientierte Skinheads machen etwa die Hälfte der neonazistischen und militant-rechtsextremistischen Szene aus; nur ein geringer Teil hat sich neonazistischen Organisationen (insbesondere der FAP) angeschlossen, im übrigen bilden sie lose Gruppierungen (in Berlin acht erkannte Gruppierungen) ohne übergreifende Strukturen. 2 - Politischer Extremismus - 67 Altersstruktur der festgestellten rechtsextremistischen Skinheads in Berlin Alter Anzahl unter 18 24 18-25 272 26 - 35 39 36-45 1 über 46 " Gesamtzahl 336 (davon 26 Frauen) Von den etwa 150 organisierten Berliner Neonazis sind die meisten in den folgenden Organisationen aktiv: Deutsche Alternative (DA) Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Nationale Alternative Berlin (NA Berlin) Nationale Offensive (NO) Nationalistische Front (NF) Vor dem Hintergrund rechtsextremistischer Gewalt und des Aufstrebens eines neuen Nationalsozialismus in Deutschland, der im Inund Ausland zu großer Besorgnis Anlaß gibt und dem Ansehen des wiedervereinigten Deutschlands schadet, hat der Bundesminister des Innern gemäß SS 3 des Vereinsgesetzes i.d.F. vom 17. Dezember 1990 am 27. November 1992 die "Nationalistische Front" (NF), am 10. Dezember 1992 die "Deutsche Alternative" (DA) und am 22. Dezember 1992 die "Nationale Offensive" (NO) bundesweit verboten. Diese Verbote wurden auch in Berlin vollzogen. Bei zahlreichen Wohnungsdurchsuchungen wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Die betroffenen Organisationen haben gegen die Verbotsverfügungen Rechtsmittel eingelegt. Neonazi-Gruppen in Berlin Gesamtzahl der Personen: ca. 150 Neonazistische Kleinstgruppen mit jeweils unter 10 Personen VFK BW Asgard-Bund WJ 10 Vandalen 10 NF 15 20 2 - Politischer Extremismus - 69 2.2.2.1 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die in der Tradition der historischen NSDAP stehende FAP, der bundesweit etwa 220 Mitglieder (1991: 150) angehören, verfügte im Jahr 1992 über drei aktive Landesverbände in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Berlin. Der im Oktober 1990 gegründete Berliner Landesverband der FAP unter Führung des militanten Neonazis Lars BURMEISTER ist mit etwa 40 Mitgliedern (1991: 30) weiterhin die stärkste Neonazi-Gruppe in Berlin. Der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten liegt in den östlichen Bezirken Berlins. Hier versucht die FAP, mit Veranstaltungen und Plakataktionen die Probleme und Sorgen der Bevölkerung auszunutzen und Aggressionen gegen Ausländer zu fördern. Der Bundesvorstand der FAP unter Leitung des Bundesvorsitzenden Friedhelm BUSSE beschloß im Februar 1992, die politische Arbeit auf die "Reichshauptstadt" Berlin zu konzentrieren. Die FAP-Parteiführung unterstützte den Berliner Landesverband, der als "Wählergemeinschaft FAP" bei den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen am 24. Mai 1992 im Bezirk Prenzlauer Berg kandidierte, in seinem Wahlkampf durch finanzielle und materielle Hilfe. Höhepunkt der FAP-Wahlkampfaktion war das als "Propagandamarsch" angemeldete öffentliche Auftreten bis zu 100 FAP-Anhängern unter der Führung BUSSEs und BURMEISTERs am 1. Mai 1992 im Bezirk Prenzlauer Berg. Die Polizei, die am Aufmarschort (S-Bahnhof Ernst-Thälmann-Park) massive Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten verhinderte, nahm bei Vorkontrollen 12 Neonazis aufgrund von Verstößen gegen das Versammlungsverbot vorläufig fest. Die Festgenommenen, darunter BURMEISTER, hatten Gaspistolen und andere gefährliche Gegenstände bei sich. Daraufhin verzichtete die FAP auf den "Propagandamarsch". Nach einer kurzen Kundgebung schob die Polizei die Neonazis auf das Bahnhofsgelände ab. Dort löste sich die FAPAnsammlung unter dem Steinhagel von Linksextremisten endgültig auf. Unbeeindruckt von ihrem Mißerfolg bei den BW-Wahlen (die "Wählergemeinschaft" erhielt lediglich 228 Stimmen = 0,37 %) setzte die Berliner FAP ihre Aktivitäten vor allem in den östlichen Bezirken fort und 70 2 - Politischer Extremismus - stellte sich bei Klebeaktionen im Stadtgebiet als "national-revolutionäre" und "radikal-sozialistische" Partei vor. An internen Kameradschaftstreffen nahmen regelmäßig zwischen 40 und 80 Mitglieder und Interessenten teil. Auf die zunehmende Bereitschaft der FAP-Aktivisten zu militanten Aktionen weist u.a. hin, daß die Polizei anläßlich einer Personenkontrolle am 26. August 1992 im Bezirk Prenzlauer Berg bei einer Gruppe von FAPAnhängem Waffen und Schlagwerkzeuge fand. Im Laufe des Jahres 1992 beteiligten sich die Berliner FAP-Angehörigen gemeinsam mit anderen Rechtsextremisten aus den neuen und alten Bundesländern an bundesweiten Veranstaltungen, wie z.B. an einer Kundgebung am 20. Juni 1992 auf dem Marktplatz in Biebelsheim (RheinlandPfalz) aus Anlaß des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 sowie gegen die Errichtung einer Mülldeponie auf den Gräbern deutscher Soldaten oder am 15. August 1992 an einer Demonstration mit Kundgebung in Rudolstadt (Thüringen) anläßlich des 5.Todestages des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS. Wie im Jahr 1991 beabsichtigten auch 1992 die Berliner FAP-Anhänger, an einer von der rechtsextremistischen "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." für den 15. November 1992 geplanten "Heldengedenkfeier" in Halbe (Brandenburg) teilzunehmen [vgl. 2.2.5.1]. Nach dem polizeilichen Verbot der Veranstaltung beteiligten sich zahlreiche Berliner FAP-Anhänger an einer Spontankundgebung vor dem Kriegerdenkmal in Waldow (Brandenburg). Am Vorabend der geplanten "Heldengedenkfeier" hatte in einer Gaststätte in Berlin-Köpenick in Anwesenheit des Bundesvorsitzenden BUSSE der "3. ordentliche Parteitag" des Landesverbandes Berlin der FAP stattgefunden. An der Zusammenkunft beteiligten sich bis zu 300 Personen, darunter etwa 100 FAP-Mitglieder und -Sympathisanten aus Berlin, Angehörige anderer neonazistischer Organisationen, wie der "Nationalistischen Front" (NF), der "Nationalen Offensive" (NO), der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) und der "Vandalen". 2 - Politischer Extremismus - 71 2.2.2.2 "Deutsche Alternative" (DA) Die von dem am 25. April 1991 verstorbenen Neonazi Michael KÜHNEN maßgeblich gestaltete "Deutsche Alternative" (DA) wurde am 5. Mai 1989 in Bremen gegründet. Sie ging aus dem Landesverband Bremen der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) hervor. Nach ihrem auf dem Gründungsparteitag verabschiedeten Programm sieht die DA ihre Hauptaufgabe darin, den weitverbreiteten Protest der Wähler politisch auszudrücken und in konkrete deutsch-alternative Politik umzusetzen. Deshalb verstehe sich die DA als nationale Protestpartei. Bundesweit gehörten der DA im Dezember 1992 etwa 340 Personen an; die Mitgliederzahl des Landesverbandes "Reichshauptstadt" betrug etwa 20. Die DA fordert u.a. die Neuvereinigung aller in Mitteleuropa geschlossen siedelnden Deutschen, Schluß mit der Verzichtspolitik im Hinblick auf die deutschen Ostgebiete und als Fernziel die Rückgewinnung der geraubten Ostgebiete. Die DA plädiert für einen nationalen Befreiungskampf und setzt sich bedingungslos für die Wiederherstellung der deutschen Ehre und des Deutschen Reiches ein. Die DA dehnte seit 1990 ihre Aktivitäten auf das Gebiet der neuen Bundesländer aus und machte Brandenburg zu ihrem Hauptaktionsfeld. In Berlin verzichtete die DA zunächst auf eine eigenständige Organisationsgründung zugunsten der bereits bestehenden, auf Berlin beschränkten "Nationalen Alternative" (NA). Dennoch gehörten Berliner Neonazis, wie z.B. der jetzige Vorsitzende der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin), Oliver SCHWEIGERT, und der Anführer der Neonazi-Gruppe "ASGARD-Bund e.V."/"Wotans Volk", ArnulfWinfried PRIEM, sowie einige Mitbegründer der NA Berlin der DA als Mitglieder an, engagierten sich jedoch in der die gleichen politischen Ziele verfolgenden NA. 72 2 - Politischer Extremismus - Seit Mitte 1991 bemühten sich die Anhänger KÜHNENS, neue selbständige Regionalorganisationen unter verschiedenen Namen zu gründen, um dadurch staatliche Verbote zu erschweren. Auf einem "Bundesparteitag" der DA scheiterten im September 1991 sowohl der Versuch, die DA zu einer nordrhein-westfälischen Landespartei mit Sitz in Duisburg zu machen, als auch der Antrag, die DA in eine regionale Partei für Brandenburg mit Sitz in Cottbus umzuwandeln. Nach dem Rücktritt des kommissarischen Bundesvorsitzenden Michael THIEL wurde ein neuer Bundesvorstand unter Vorsitz von Frank HÜBNER aus Cottbus gewählt. Als Antwort auf den stetigen Niedergang der NA Berlin gründeten Berliner Neonazis am 5. August 1992 in Finsterwalde (Brandenburg) den Landesverband "Reichshauptstadt" der DA; zum Landesvorsitzenden wurde der militante Berliner Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM gewählt. Mitteilungsblatt der DA wurde der seit Anfang 1992 erscheinende "Brandenburger Beobachter", von dem im Jahre 1992 fünf Ausgaben erschienen. Nach dem polizeilichen Verbot einer für den 7. November 1992 in Frankfurt/Oder angemeldeten neonazistischen Demonstration (Zur Erinnerung an die friedliche Revolution in Mitteldeutschland im Herbst 1989) beteiligten sich Berliner DA-Anhänger an einer ersatzweise abgehaltenen Saalveranstaltung ihrer Organisation im Jugendfreizeitheim in Lübbenau (Brandenburg), an der etwa 120 Personen, überwiegend Mitglieder und Anhänger der DA, teilnahmen. Wie die Angehörigen anderer neonazistischer Organisationen hatten auch die Mitglieder und Anhänger der Berliner DA die Teilnahme an der geplanten "Heldengedenkfeier" am 15. November 1992 beabsichtigt. Nach deren Verbot beteiligten sie sich an einer Spontankundgebung vor dem Kriegerdenkmal in Waldow (Brandenburg). Als Reaktion auf die Welle rechtsextremistischer Gewalt in Deutschland, an der auch Anhänger der DA beteiligt waren, erließ der Bundesminister des 2 - Politischer Extremismus - 73 Innern am 8. Dezember 1992 gemäß SS 3 Vereinsgesetz ein Verbot der DA, das am 10. Dezember 1992 vollstreckt wurde. Die Verbotsverfügung wurde dem Bundesvorsitzenden der DA, Frank HÜBNER, und dessen Vertreter, Rene KOSWIG, zugestellt. Im Rahmen der bundesweiten Exekutivmaßnahmen gegen die DA wurden auch die Wohnungen von drei Berliner DA-Aktivisten durchsucht und Propagandamaterial sichergestellt. 2.2.2.3 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Die Bedeutung der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) in der sich die Anhänger Michael KÜHNENS zusammengefunden hatten, ging nach dessen Tod erheblich zurück; vermutlich verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung nur noch eine Funktionärsgruppe zur Herausgabe der von KÜHNEN ins Leben gerufenen Zeitschrift "Die Neue Front". Nach einjähriger Unterbrechung erschienen im Jahr 1992 erstmals wieder zwei Ausgaben dieser Publikation. Eine kleine Gruppe mit dem Namen "Kameradschaft Berlin der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" war erstmals im Jahr 1988 bekanntgeworden, entwickelte aber in den folgenden Jahren unter dieser Bezeichnung keine Aktivitäten in Berlin. Auch der im Jahr 1990 bekanntgewordene "Berliner Block", ein Zusammenschluß von Anhängern der "Deutschen Alternative" und der "Nationalen Alternative Berlin" sowie der Neonazi-Gruppe "Wotans Volk", trat im Jahr 1992 nicht mehr in Erscheinung. 2.2.2.4 "Nationalistische Front" (NF) Die Mitte der 80er Jahre als "nationalrevolutionäre" Bewegung gegründete, kadermäßig organisierte "Nationalistische Front" (NF), deren organisatorischer Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen lag und die bis zur Spaltung der Organisation im Sommer 1992 bundesweit über etwa 130 Aktivisten 74 2 - Politischer Extremismus - verfügte, orientierte sich an den Ideen des von den Gebrüdern STRASSER und Ernst RÖHM repräsentierten Sozialrevolutionären Flügels des Nationalsozialismus. Seit Ende 1991 verbreitete der Bundesvorsitzende der NF, Meinolf SCHÖNBORN, Aufrufe zu Bildung eines am Vorbild der Freikorps und der Waffen-SS orientierten "Nationalen Einsatzkommandos" (NEK), zu dessen Aufgaben die Aufstellung kadermäßig gegliederter hochmobiler Verbände, die Ausbildung für den politischen Kampf auf der Straße sowie die Planung und Koordinierung überraschend durchgeführter zentraler Aktionen zählen sollten. Gegen SCHÖNBORN und andere NF-Aktivisten wurde daraufhin vom Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verabredung eines Verbrechens (Gründung einer terroristischen Vereinigung) eingeleitet. Im Zuge dieses Verfahrens kam es im März und im Juni 1992 in mehreren Bundesländern zu Durchsuchungsmaßnahmen, bei denen Waffen und logistisches Gerät sichergestellt wurden. Die Pläne SCHÖNBORNs lösten innerhalb der NF-Führung schwere Differenzen aus; besonders der stellvertretende Bundesvorsitzende und langjährige Führer der Berliner NF-Ortsgruppe, Andreas POHL, übte massive Kritik an SCHÖNBORNs Vorhaben und an dessen autoritärem Führungsstil. Im Rahmen der Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen am 24. Mai 1992 kandidierte die NF im Bezirk Hohenschönhausen und erhielt 136 (0,31 %) von 43.602 abgegebenen gültigen Stimmen. Bis zur Spaltung der Organisation im Sommer 1992 trat die Berliner NF, die seit Anfang 1992 von Enno GEHRMANN geführt wurde, wiederholt im Stadtgebiet mit Klebeund Schmieraktionen sowie mit der Verteilung von NF-Propagandamaterial und mit Interessentenveranstaltungen auch außerhalb Berlins in Erscheinung. Den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten verlagerte die Berliner NF-Ortsgruppe zunehmend in das Berliner Umland, wo sie einen gewissen Mitgliederzuwachs verzeichnen konnte. Sie erweiterte ihren Aktionskreis durch neue Stützpunkte in Königs Wusterhausen und Hennigsdorf (Brandenburg). Die engen Verbindungen zu NF-Stützpunkten in Kremmen und Potsdam (Brandenburg), denen zahlreiche Skinheads angehören, wurden weiter 2 - Politischer Extremismus - 75 intensiviert. Mit NF-Publikationen, die in einschlägigen Skinhead-Lokalen Berlins, z.B. im "Judith-Auer-Club" in Berlin-Lichtenberg, verbreitet wurden, versuchte die NF zudem, Skinheads zu werben und anzupolitisieren. Große Resonanz unter Skinheads fand in diesem Zusammenhang ein von der NF organisiertes Konzert mit dem rechtsextremistischen Liedermacher Frank RENNICKE am 19. Juni 1992 in Falkensee (Brandenburg), das von etwa 250 Zuhörern besucht wurde. Der seit dem Frühjahr 1992 schwelende Führungsstreit innerhalb der NF führte im Sommer 1992 zur Spaltung der Organisation in eine Gruppe um den bisherigen Bundesvorsitzenden SCHÖNBORN und eine konkurrierende Gruppe um Andreas POHL. Nachdem etwa 40 Anhänger SCHÖNBORNs am 27. Juni 1992 in Hetendorf (Niedersachsen) den bisherigen Bundesvorsitzenden in seinem Amt bestätigt hatten, versammelten sich am 8. August 1992 etwa 60 Anhänger POHLs, unter ihnen 15 Mitglieder und Anhänger des "Stützpunktes Berlin" (bis Juli 1992: Ortsgruppe Berlin) der NF, zu einem "Sonderparteitag" in Flatow (Brandenburg), wählten POHL zum Bundesvorsitzenden und bestimmten Berlin zum Hauptsitz der NF. Nach Anerkennung der Wahl SCHÖNBORNs zum Bundesvorsitzenden der NF durch den Bundeswahlleiter verließ die POHL-Gruppe die NF und trat seit September 1992 unter den Bezeichnungen "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) und "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ) auf. In ihrem Mitteilungsblatt "Angriff" stellt sich die SrA als Kaderund Elitepartei, das FMJ als Massenorganisation dar. Neben den Anhängern POHLs, die sich inzwischen weitgehend in der SrA organisiert haben, existiert in Berlin weiterhin eine Gruppe von SCHÖNBORN-Gefolgsleuten. Am 27. November 1992 hat der Bundesminister des Innern als Reaktion auf die Welle rechtsextremistischer Gewalttaten ein Verbot der NF gemäß SS 3 Vereinsgesetz erlassen. Die Verfügung umfaßte auch das Verbot von Ersatzorganisationen. Nach Feststellung des Bundesministers des Innern ziele die NF in aggressiv-kämpferischer Weise darauf ab, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. 76 2 - Politischer Extremismus - Von den in Vollzug des Vereinverbots durchgeführten Exekutivmaßnahmen waren auch mehrere Berliner NF-Aktivisten betroffen. 2.2.2.5 "Nationale Offensive" (NO) Ehemalige Funktionäre und Aktivisten der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) - unter Führung des früheren bayerischen FAP-Vorsitzenden Michael SWIERCZEK - gründeten am 3. Juli 1990 in Augsburg die völkischnationalistisch ausgerichtete "Nationale Offensive" (NO), die als Auffangbecken insbesondere für enttäuschte FAP-Anhänger dienen sollte. Der Vereinigung gehörten Ende 1992 bundesweit etwa 140 Personen an. In ihrem Programm fordert die NO, deren erklärtes Ziel es ist, zu einer wahrhaft revolutionären Gesinnungsund Kampfgemeinschaft zu werden, Einwanderungsstopp und schrittweise Rückführung der Ausländer in ihre Heimatländer - Kulturvermischung ist Völkermord und die sofortige Ausweisung aller kriminellen und arbeitslosen Ausländer. Im Zuge der Intensivierung ihrer Bemühungen, vor allem in den neuen Bundesländern Fuß zu fassen, gründete die NO am 8. August 1992 in Berlin ihren Landesverband Berlin-Brandenburg. Erstmals im Oktober 1992 erschien das an Freunde und Sympathisanten gerichtete monatliche Mitteilungsblatt "DAS TOR", in dem sich die NO vor allem mit aktuell-politischen, geschichtlichen und kulturellen Themen befassen wollte. Die ersten Hefte enthielten u.a. Beiträge zu folgenden Themen: 3. Oktober - Tag der deutschen Einheit?; Ausländerterror, Ausländer rein - Deutsche weg? und Reichskristallnacht. Die Aktivitäten des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der NO, der nicht über den Kreis einer Funktionärsgruppe hinauskam, beschränkten sich im übrigen auf kleinere Zusammenkünfte und auf die Teilnahme an bundesweiten Demonstrationen und Veranstaltungen. So nahmen Berliner NO-Anhänger am 3. Oktober 1992 an einer von der NO angemeldeten Demonstration in Dresden teil. An der Veranstaltung, die unter dem Motto Einigkeit und Recht und Freiheit - Gemeinsam demonstrie- 2 - Politischer Extremismus - 77 ren - Zusammen kämpfen! stand, beteiligten sich insgesamt etwa 600 Neonazis. Berliner NO-Anhänger waren auch unter den etwa 500 Neonazis, die sich am 15. November 1992 trotz des polizeilichen Verbots der seit 1990 alljährlich von Rechtsextremisten veranstalteten "Heldengedenkfeier" in der Nähe des geplanten Veranstaltungsortes Halbe (Brandenburg) versammelten und später in Waldow (Brandenburg) an einer Spontankundgebung teilnahmen. Als Reaktion auf die Welle rechtsextremistischer Gewalt im Verlauf des Jahres 1992 erließ der Bundesminister des Innern am 22. Dezember 1992 gemäß SS 3 Vereinsgesetz ein Verbot der NO. Im Zuge der Vollstreckung der Verbotsverfügung kam es am selben Tag zu einer polizeilichen Hausdurchsuchung bei dem Vorsitzenden des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der NO. 2.2.2.6 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) Die 1990 im Ostteil Berlins mit Unterstützung westdeutscher KÜHNENAnhänger von Angehörigen der dortigen Neonazibzw. Skinhead-Szene ins Leben gerufene "Nationale Alternative" (NA), seit Februar 1991 von dem militanten Neonazi Oliver SCHWEIGERT geführt, verlor im Jahre 1992 weiter an Bedeutung. SCHWEIGERT, der bei der Bundestagswahl 1990 als Einzelbewerber für die NA im Wahlkreis Berlin-Lichtenberg 4 dreißig Stimmen erhalten hatte (0,2 %), kandidierte bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung (BW) Lichtenberg am 24. Mai 1992 im Rahmen der rechtsextremistischen Wählergemeinschaft "Die Nationalen", einem Zweckbündnis von NPD, "Deutscher Liga für Volk und Heimat" und neonazistischer Einzelbewerber; in Lichtenberg erzielten "Die Nationalen" mit 339 Stimmen (0,46 %) eines ihrer besten Resultate. Die Aktivitäten der inzwischen auf etwa 15 Anhänger (1991: etwa 20) geschrumpften NA Berlin beschränkten sich im Jahre 1992 weitgehend auf interne Zusammenkünfte und die Teilnahme an bundesweiten rechtsextremistischen Veranstaltungen, wie der von Neonazis am 4. April 1992 in 78 2 - Politischer Extremismus - Dresden veranstalteten Demonstration aus Anlaß der Freisprüche in dem Strafprozeß um den erschossenen Neonazi-Anführer Rainer SONNTAG und der am 15. August 1992 in Rudolstadt (Thüringen) aus Anlaß des 5. Todestages des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS abgehaltenen Kundgebung, an der sich etwa 1.500 Rechtsextremisten aus den alten und neuen Bundesländern beteiligten. Weiterhin verbreiteten Anhänger der NA Berlin handtellergroße Aufkleber mit Parolen wie Mit unseren Fahnen ist der Sieg!; Zerschlagt die kommunistische Pest!; Stoppt die Macht der Kirche - Tritt aus; Ausländer raus - Oi-Skins und Asylanten raus! Deutscher sei stolz, ein Deutscher zu sein. 2.2.2.7 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e.V." (WJ) Der in der Tradition der ehemaligen "Hitler-Jugend" (HJ) stehenden und nach dem Führerprinzip organisierten "Wiking-Jugend" (WJ) gehören bundesweit etwa 400 Personen an; in Berlin sind es etwa 10 Aktivisten sowie einige jugendliche Anhänger. Führer des "Gau Berlin" ist in Personalunion der WJ-Bundesführer Wolfram NAHRATH. Ihre Aktivitäten konzentriert die Berliner WJ-Formation auf gemeinsam mit anderen rechtsextremistischen, vornehmlich neonazistischen Organisationen durchgeführte Veranstaltungen, wie das von der "Nationalistischen Front" (NF) organisierte Konzert des rechtsextremistischen Liedermachers Frank RENNICKE am 19. Juni 1992 in Falkensee (Brandenburg) oder die Planung der jährlichen "Heldengedenkfeier" in Halbe (Brandenburg), bei deren Gestaltung der WJ in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle zukam. Nach dem polizeilichen Verbot der für den 15. November 1992 geplanten Veranstaltung hielt die WJ zusammen mit anderen rechtsextremistischen, vor allem neonazistischen Vereinigungen eine von dem WJBundesführer Wolfram NAHRATH geleitete Ersatzkundgebung in Waldow (Brandenburg) ab, an der sich insgesamt 250 Personen beteiligten. Daneben führte die Berliner WJ im Jahre 1992 regelmäßig Gesangs-, Volkstanzund sog. Heimabende durch und beteiligte sich an einem in 2 - Politischer Extremismus - 79 Hetendorf (Kreis Celle) abgehaltenen bundesweiten Pfingstlager der "Wiking-Jugend". In der Öffentlichkeit trat die WJ wiederholt mit Propagandaaktionen in Erscheinung. Dabei wurden in einigen Berliner Bezirken Werbeaufkleber mit den Parolen Gau Berlin - Mehr sein als Schein und Gau Berlin - Reih' dich ein verbreitet sowie auf Verteilerkästen der BEWAG und auf öffentliche Papierkörbe der Schriftzug "WIKING JUGEND" sowie Odalrunen gesprüht. Höhepunkt der WJ-Aktivitäten war am 6. Dezember 1992 eine bundesweite Veranstaltung aus Anlaß des 40jährigen Bestehens der "Wiking-Jugend", die von etwa 200 Personen, darunter etwa 20 Berliner WJ-Anhänger, besucht wurde. Die Zusammenkunft fand in Kleinmachnow vor den Toren Berlins statt. Unter den Gästen befanden sich auch Angehörige der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) sowie der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V.". Neben Ansprachen führender WJ-Funktionäre wurden Musikund Volkstanzdarbietungen geboten. 2.2.2.8 "ASGARD-Bund e.V."/"Wotans Volk" Wie in den Vorjahren beschränkten sich auch im Jahre 1992 die Aktivitäten des von dem militanten Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM geführten "ASGARD-Bundes", einer Funktionärsgruppe, die sich als "Gemeinschaft heidnisch-germanischer Weltanschauung" versteht, auf die - kommerziell offensichtlich erfolgreiche - Herausgabe des seit 1979 erscheinenden "Nordisch-Germanischen Jahrweisers", eines bei Neonazis und Angehörigen heidnischer Gemeinschaften im Inund Ausland beliebten Kalenders, sowie auf den Handel mit germanisierenden Devotionalien und neonazistischen Videos. Die erstmals 1987 als "Jugendgruppe des ASGARD-Bundes" hervorgetretene Gruppe "Wotans Volk" nahm unter Führung PRIEMs frühzeitig Kontakt zu ostdeutschen Gesinnungsgenossen auf, vor allem zur Ostberliner PolitRockergruppe "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft". 80 2 - Politischer Extremismus - Wie bereits in den Vorjahren unternahm PRIEM mit seinen Gesinnungsgenossen auch im Jahr 1992 Exkursionen in die Berliner Umgebung, um Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges nach Waffen und Militaria abzusuchen. Diese Vorgehensweise stieß selbst in den Reihen von Neonazis auf Ablehnung und führte zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen PRIEM und Anhängern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). PRIEMs Gruppe "Wotans Volk" verbreitete im Rahmen der im Jahr 1992 initiierten "Anti-Antifa-Kampagne" Propagandamaterial mit den Parolen: Stoppt ANTIFAtzke! Asyl beibehalten - brauche meinen Drogendealer, Gastarbeiter - Nein Danke!, Don't worry be Nazi, ANTIFAtzke ? - Anpissen. Der seit Jahren in der Berliner Neonazi-Szene aktive PRIEM, der seit August 1992 auch Vorsitzender des Landesverbandes "Reichshauptstadt" der "Deutschen Alternative" (DA) war, ist durch seine vielfältigen Aktivitäten und sein aggressives Auftreten zu einer bevorzugten Zielscheibe militanter "Antifa"-Gruppen geworden. So verübten bisher unbekannte Täter am 29. Oktober 1992 einen Brandanschlag auf das Kraftfahrzeug PRIEMs. 2.2.2.9 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) Die DJI trat im Jahr 1992 in Berlin kaum in Erscheinung. Der lose Zusammenschluß von Anhängern der ehemaligen neonazistischen "Bewegung" sowie einigen Angehörigen der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) und unorganisierten Neonazis zeigte sich erstmals 1986 mit Flugblattaktionen in der Öffentlichkeit. Im Rahmen einer von Angehörigen der NF am 1. Februar 1992 in Kremmen (Brandenburg) durchgeführten Störaktion gegen ZDF-Dreharbeiten zu einem Film über das "Dritte Reich" wurden zahlreiche Exemplare eines unter 2 - Politischer Extremismus - 81 der Bezeichnung DJI verfaßten Flugblattes an die anwesenden Schauspieler und Statisten verteilt. In dem schon seit längerer Zeit bekannten Flugblatt mit, dem Titel "Aktion Sühneklappspaten" werden Wiedergutmachungsleistungen für NS-Opfer diffamiert und antisemitische Ressentiments mobilisiert. Die DJI trat auch als Veranstalter eines von der NF organisierten Konzerts mit dem in rechtsextremistischen Kreisen bekannten Liedermacher Frank RENNICKE auf. An der Veranstaltung, die am 19. Juni 1992 in Falkensee (Brandenburg) stattfand, beteiligten sich etwa 250 Zuhörer, darunter zahlreiche Neonazis und Skinheads. RENNICKE trug Lieder gegen den Zeitgeist vor, polemisierte gegen religiöse Minderheiten und sprach sich dabei gegen alles Fremdländische aus. 2.2.2.10 "Ku-Klux-Klan" (KKK) Der 1865 in den Südstaaten der USA gegründete militant-rassistische Geheimbund "Ku-Klux-Klan" (KKK), der sich in einem Kampf um die Erhaltung der "weißen Rasse" sieht und der Anfang der 80er Jahre auch in der Bundesrepublik Deutschland Anhänger organisierte, versuchte seit Mitte 1991, auch im Berliner Raum Fuß zu fassen. Hinweise auf eine Berliner Ku-Klux-Klan-Gruppe mit dem Namen "White Storm Berlin" sowie Flugblätter dieser Gruppe, in denen in volksverhetzender und beleidigender Weise gegen Farbige, Juden und Ausländer agitiert wird, wurden im Dezember 1991 bekannt. Zu dem Material gehörte auch die von der Klan-Gruppe vertriebene Schrift "Das Feuerkreuz". Ein vom Generalbundesanwalt im Februar 1992 u.a. gegen Berliner Neonazis, die eine eigenständige Klan-Gruppe aufbauen wollten, wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung eingeleitetes Ermittlungsverfahren nach SS 129 a StGB mußte mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt werden. 82 2 - Politischer Extremismus - 2.2.2.11 "Völkischer Freundeskreis" (VFK) Der 1989 von abtrünnigen Mitgliedern der ehemaligen "Kameradschaft Berlin" der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" ins Leben gerufene VFK war zwar nach längerer Inaktivität Anfang des Jahres 1991 mit Unterstützung der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) reaktiviert worden, entfaltete jedoch im Jahr 1992 keine Aktivitäten. Der VFK - eine kleine Funktionärsgruppe - verstand sich bei Gründung als Projekt für Schulungsund Aufklärungsarbeit und wollte mit seiner politischen Arbeit Kameraden aus jeder nationalen Gruppierung erreichen. 2.2.2.12 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BVV) Die im Jahr 1988 entstandene neonazistische Kleingruppe trat in den vergangenen Jahren sporadisch mit Plakatund Klebeaktionen in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Zu den verbreiteten Parolen zählten u.a.: Holocaust in ISRAEL - SCHLUSS MIT DER KNECHTUNG DES PALÄSTINENSISCHEN VOLKES Der Putz bröckelt ab! - Hau weg den Dreck!!! Auflösung und Zerschlagung aller antifaschistischen Parteien und Organisationen! Kampf dem alleszerstörenden Liberalismus! Für artgerechte Umweltund Volkspolitik! Aktivisten des BW klebten z.B. im März und September 1992 in den Berliner Bezirken Steglitz und Spandau handtellergroße Aufkleber mit Parolen wie Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche Arbeitnehmer Laßt Euch Eure Arbeitsplätze nicht wegnehmen Unser Glaube ist unser Schicksal 2 - Politischer Extremismus - 83 an Fassaden und Hausbriefkästen einiger Mietshäuser sowie an Bushaltestellen, Straßenbeleuchtungsmasten und Gartenzäune. 2.2.2.13 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" Die seit Jahren in den östlichen Bezirken Berlins ansässige Neonazi-Kleinstgruppe "Vandalen" unterhält seit der Wende gute Kontakte zu neonazistischen Organisationen in Berlin und Umgebung. Die Anhänger der "Vandalen" kleiden sich martialisch und leben nach pseudo-germanischen Ordnungsbildern und Riten. Seit 1990 beteiligten sie sich an Zusammenkünften der neonazistischen Vereinigungen "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP), "Nationalistische Front" (NF) und "Wotans Volk". Vereinzelt werden Beiträge der "Vandalen" in einschlägigen SkinheadFanzines sowie in der von dem österreichischen Rechtsextremisten OCHENSBERGER vertriebenen neonazistischen Zeitschrift "Sieg" veröffentlicht. 2.2.2.14 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Die 1979 gegründete, seit März 1991 von Ursula MÜLLER (Mainz) geleitete HNG verfügt als eine der mitgliederstärksten Neonazi-Organisationen bundesweit über etwa 220 Mitglieder. Ihr Ziel ist es, "nationale politische Gefangene" zu betreuen und den Kontakt Inhaftierter zur neonazistischen Szene zu fördern. Als Anlaufstelle für Gesinnungsgenossen aus dem gesamten neonazistischen Spektrum gewährt die HNG finanzielle sowie auch immaterielle Hilfe und vermittelt Kontakte zu anderen Rechtsextremisten. Die Organisation, die ihre Mitglieder aus verschiedenen neonazistischen Vereinigungen rekrutiert, hat in Berlin keine Gliederung. Träger hiesiger Aktivitäten für die Organisation sind lediglich Einzelmitglieder. Am 8. August 1992 beteiligten sich Berliner Neonazis an einer Gemeinschaftsveranstaltung der HNG, die in Berlin-Lichtenberg stattfand. Die von 84 2 - Politischer Extremismus - der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und der "Deutschen Alternative" (DA) unterstützte Veranstaltung, an der insgesamt etwa 50 Neonazis aus Berlin, Brandenburg und anderen Bundesländern teilnahmen, stand unter dem Motto Gegen politische Repressionen! Gemeinsam schlagen wir den Staatsschutzterror zurück!. Die etwa monatlich erscheinende Publikation "Nachrichten der HNG" veröffentlicht nach wie vor regelmäßig eine "Gefangenenliste", die der Kontaktvermittlung und Betreuung inhaftierter "Kameraden" dient. Darüber hinaus werden Leserbriefe und Zuschriften von Gesinnungsgenossen aus der Haft abgedruckt. 2.2.2.15 "Neonazikreis um Curt Müller" Seit fast 20 Jahren dient das Anwesen des wegen NS-Aktivitäten vorbestraften Ehepaares Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim als Anlaufund Kommunikationsstelle für rechtsextremistische, vor allem neonazistische Aktivisten aus dem Inund Ausland. Auch 1992 fanden in Gonsenheim die alljährlichen Sonnwendund HITLERGeburtstagsfeiern statt, an denen sich auch Berliner Neonazis, darunter Angehörige des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpatei" (FAP) und der Neonazi-Gruppe "Vandalen" beteiligten. 2.2.2.16 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Wie in den Vorjahren tauchte im Jahre 1992 in Berlin wiederholt Propagandamaterial der NSDAP-AO im Stadtbild auf. In verschiedenen Berliner Bezirken wurden Plakate und handtellergroße Aufkleber mit den Parolen Trotz Verbot nicht tot!; Ausländer Raus!; Wir sind wieder dal; Die Juden sind unser Unglück! und NS-Verbot aufheben! u.a. an Hauswänden einiger Mietshäuser, an Bauwagen und Verkehrszeichen angebracht. Das Propa- 2 - Politischer Extremismus - 85 gandamaterial war mit einem Hakenkreuz und der Urheberangabe "NSDAP/AO: Box 6414, Lincoln, NE 68 506 USA" versehen. Bei der NSDAP-AO handelt es sich um eine seit 1976 aktive Gruppierung mit zahlreichen, unabhängig voneinander arbeitenden und meist aus Einzelpersonen bestehenden Stützpunkten in der Bundesrepublik Deutschland. Diese beziehen umfangreiches neonazistisches Propagandamaterial von der "Auslandszentrale" der NSDAP-AO in den USA. Bundesweit gehören der Gruppe etwa 100 Mitglieder an. Bei dem Propagandamaterial handelt es sich um die sechsmal jährlich erscheinende Zeitschrift "NS-Kampfruf", um Flugblätter, Plakate und Aufkleber, die auch unaufgefordert an Bewohner der Bundesrepublik Deutschland versandt werden, sowie um Hakenkreuzfahnen und -arminden. Leiter der NSDAP-AO ist der US-Bürger Gary Rex LAUCK. Da in den Vereinigten Staaten von Amerika im Gegensatz zur hiesigen Rechtslage die Herstellung und Verbreitung neonazistischen Propagandamaterials nicht verboten ist, können dort keine juristischen Maßnahmen gegen LAUCK ergriffen werden. 2.2.3 Militante Skinhead-Szene in Berlin Die militante Skinhead-Szene in Berlin ist in ihrer Mehrheit nach wie vor von rechtsextremistischen Verhaltensmustern geprägt. Das Verhalten dieser rechtsextremistisch motivierten Skinheads wird u.a. überaus stark durch Gewalt, rassistische Fremdenfeindlichkeit sowie durch Verwenden von rechtsextremistischen Kennzeichen bestimmt. Die Gesamtstärke der Berliner Skinheads dürfte bei ungefähr 600 liegen. Fast 340 Personen wurden inzwischen namentlich bekannt, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte oder Erkenntnisse über rechtsextremistische Bestrebungen vorliegen. 139 von ihnen sind wegen ihrer Beteiligung an Gewalttätigkeiten eindeutig der militanten Skinhead-Szene zuzuordnen. 86 2 - Politischer Extremismus - Aufgrund der auf Dauer angelegten neonazistischen Aktivitäten und/oder der Verbindungen zur neonazistischen Szene bzw. Mitgliedschaften in neonazistischen Gruppen, wie der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), der "Deutschen Alternative" (DA), der "Nationalen Alternative" (NA) und der "Nationalistischen Front" (NF), sind 72 Skinheads als aktive Neonazis anzusehen, 38 von ihnen sind als militant einzustufen. Die häufig auf politische Feindbilder, wie "Zecken" (Linke) und "Kanaken" (Ausländer), fixierte latente Gewaltbereitschaft innerhalb der SkinheadSzene ist sehr hoch. Sehr häufig werden bei Skinhead-Treffen brutale Vorstellungen wie Zecken und Kanaken aufmischen und klatschen geäußert. Nach den bisherigen Erkenntnissen ist bei den Skinheads allerdings die Bereitschaft, über diese verbalen Äußerungen hinaus konkrete Gewalttaten planvoll vorzubereiten und durchzuführen, nicht üblich. Typischer sind spontan begangene Gewalttaten, wobei Aggressionen durch Alkoholexzesse, aufputschende Skin-Musik und Gruppenzwänge gesteigert bzw. ausgelöst werden. Das aus aggressivem Nationalismus und rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit gewaltgeneigte Verhalten von Skinheads spiegelt sich auch in den bekanntgewordenen und von Skinheads ausgelösten 58 Vorfällen mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation wider, wenngleich eine Unterscheidung zwischen rechtsextremistischen Skinheads und anderen rechtsextremistischen Straftätern kaum noch möglich erscheint. Insbesondere die jugendlichen, rechtsextremistisch motivierten Gewalttäter sind durchweg beeinflußt von den Verhaltensmustern der Skinheads und ihren Feindbildern. Hervorzuheben ist ein in jüngster Zeit beginnender Anstieg von Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und "Linken", die zum Teil auf gewalttätige Angriffe von Linksextremisten auf Skinheads oder ihre Trefforte zurückzuführen sind. Die Schwerpunkte der bekanntgewordenen rechtsextremistisch motivierten Skinhead-Aktivitäten und die Trefforte liegen zu 75 % in den östlichen 2 - Politischer Extremismus - 87 Bezirken (Schwerpunktbezirke: Prenzlauer Berg, Marzahn, Kaulsdorf und Lichtenberg; im Westteil Berlins: Schöneberg und Charlottenburg). Hinsichtlich der Skinhead-Aktivitäten und der relativ häufig wechselnden Trefforte ist die Tendenz eines "freiwilligen" Ausweichens in das Berliner Umland erkennbar. Gründe hierfür sind u.a. die ablehnende Haltung einiger Betreiber der Trefforte gegenüber Skinheads, die erfolgreichen Maßnahmen der Berliner Polizei und die jüngsten Angriffe politischer Gegner auf Skinheads. Die in der Vergangenheit vereinzelt aufgetauchten Skinhead-Personenzusammenschlüsse mit eigenen Gruppennamen, wie z.B. "Frohnauer Sturmtruppe", "Wilhelmsruher Türkenjäger" u.a., sind im Jahre 1992 nicht mehr festgestellt worden. Übergreifende Organisationsstrukturen innerhalb der Skinhead-Szene bestehen nicht. Es kommt aber zu eher losen, einer starken Fluktuation unterliegenden, kurzlebigen, z.T. auch spontanen Personenzusammenschlüssen, die sich nach relativ kurzer Zeit wieder auflösen, um sich in anderer Besetzung und mit neuer Bezeichnung erneut zu bilden. Zur Zeit sind acht Skinhead-Personenzusammenschlüsse in Berlin mit rechtsextremistischer Ausrichtung aktiv, darunter "Lichtenberger Kameradschaftsbund", Umfeld Pfarrstraße 111, Gruppe im Umfeld "Judith-Auer-Club", "Tempelhofer". Die Stärke der einzelnen Gruppen schwankt zwischen 10 und 40 Personen. Darüber hinaus verändert sich auch das äußere Erscheinungsbild der Skinheads (Glatze, Bomberjacke, Doc-Marten-Stiefel). Während es in der Vergangenheit schon aufgrund dieses Erscheinungsbildes möglich war, eine Zuordnung von Personen zur Skinhead-Szene zu treffen, so kann nunmehr festgestellt werden, daß Skinheads z.B. durch längere Haare ihr Aussehen variieren, um ihre "Szene"-Zugehörigkeit zu verschleiern. 88 2 - Politischer Extremismus - Kontakte und Verbindungen zwischen Neonazis und Skinheads bestehen nach wie vor und werden weiter ausgebaut. Hinweise dafür sind u.a., die Teilnahme von Skinheads an Neonazi-Treffen und -Plakataktionen, das Auftauchen von Neonazis und neonazistischem Propagandamaterial bei Konzerten von Skinheads-Bands und in den einschlägig bekannten "Szenetrefforten" sowie die zu verzeichnende Abwanderung von Skinheads in rechtsextremistische Parteien und Organisationen. Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die Skinhead-Szene in Berlin eine eigenständige, nach außen abgeschottete, zum Teil militante, überwiegend rechtsextremistisch motivierte Subkultur darstellt, die partiell mit dem organisierten Neonazismus vernetzt ist. Wegen ihrer ungehemmten Gewaltbereitschaft verstärken die Skinheads die militante Potenz des Neonazismus. Durch ihre Ausschreitungen verleihen sie neonazistischen Auftritten häufig erst ihren gefährlichen und spektakulären Charakter. Eine konkrete Steuerung von Skinhead-Aktionen durch Neonazi-Organisationen ist nicht festzustellen. Hier wirkt sich jedoch die einschlägige Propaganda neonazistischer Organisationen auf die orientierungslosen und für eine rechtsextremistische Beeinflussung besonders empfänglichen Skinheads aus. Eines der wichtigsten Medien für die Ausprägung und Verbreitung offen rassistischen und neonazistischen Gedankenguts in der Skinhead-Szene stellt die von Skinhead-Bands - in Berlin sind dies die rechtsextremistischen Bands "Landser", "Macht und Ehre" und "Walhalla" - getragene "Oi-Musik" dar. Ursprünglich Ausdruck des spezifischen Lebensgefühls der eher unpolitischen Skinhead-Subkultur - der Begriff "Oi" ist angeblich von der englischen Übersetzung der NS-Organisation "Kraft durch Freude" (Strength through joy) abgeleitet und sollte signalisieren, daß Spaß und nicht politische Agitation im Vordergrund stehe - bezeichnet "Oi" heute die von den eindeutig rechtsextremistisch orientierten "White Power-Skins" oder "Boneheads" favorisierte Musik. 2 - Politischer Extremismus - 89 Die Texte der Songs sind geprägt von einem militanten, gewaltverherrlichenden, besonders menschenverachtenden Rassismus, der häufig offen zur Gewalt gegen Fremde und sonstige Feinde der "weißen Rasse" aufruft. Ihre politischen Vorstellungen artikulieren die Bands außer in ihren Texten auch in Interviews, die sie den zahlreichen in der Szene existierenden "Fanzines" (= Fan-Magazinen) gewähren. Die emotional aufstachelnde Wirkung, die von der mit brutal-dröhnenden "Heavy-Metal"-Klängen vorgetragenen "Oi-Musik" auf die alkoholisierten "Glatzen" ausgeht, ist gar nicht zu überschätzen; so kommt es regelmäßig am Rande oder im Anschluß von Skinhead-Konzerten zu Ausschreitungen mit exzessiver Gewaltanwendung. 2.2.4 "Nationalfreiheitliche"/"Nationaldemokraten" Im Unterschied zu Neonazis orientieren sich die sich selbst als "nationalfreiheitlich" bzw. "nationaldemokratisch" bezeichnenden Organisationen der "Alten Rechten" stärker an völkisch-kollektivistischen, statistischen, nicht unbedingt nationalsozialistischen Vorstellungen. Gewalttätige Aktionen gehen von diesen Parteien nicht aus. Die größten rechtsextremistischen Parteien sind die "Deutsche Volksunion" (DVU) mit etwa 26.000 Mitgliedern [der DVU-Vorsitzende Dr. FREY nennt höhere Zahlen] und die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) mit 5.000 Mitgliedern. Unmittelbar nach Öffnung der Grenzen versuchten NPD und DVU mit großem propagandistischen Aufwand, Anhänger in der damaligen DDR zu gewinnen. Die Hoffnung, den schwindenden Einfluß in Westdeutschland durch erhebliche Zugewinne in Ostdeutschland ausgleichen zu können, erfüllten sich jedoch nicht. Lediglich die DVU konnte in den neuen Bundesländern Mitgliederzuwächse verbuchen. Nach einer Phase der politischen Lethargie bemühten sich die Landesverbände Berlin-Brandenburg der NPD und der DVU vor dem Hintergrund der Wahlerfolge von Rechtsextremisten bzw. -radikalen in Bremen, BadenWürttemberg und Schleswig-Holstein, ihre in Berlin bedeutungslosen Positionen zu überwinden. Praktische Erfolge sind jedoch bisher ausgeblieben. Gewalttaten mit vermutetem oder erwiesenem rechtsextremistischen Hintergrund in Berlin Gesamt: 92 (Ost 60 / West 32) 2 - Politischer Extremismus - 91 Die von unzufriedenen Mitgliedern aus NPD und "Republikanern"* gegründete "Deutsche Liga für Volk und Heimat", die sich selbst als neue rechte Sammlungspartei versteht, bildete am 8. Februar 1992 einen Landesverband in Berlin-Brandenburg. Im September 1991 gründeten Angehörige der NPD, der Deutschen Liga, der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) sowie der "Republikaner"* die "Freiheitliche Wählergemeinschaft 'Wir sind das Volk'" (WSDV), die unter dem Namen "Die Nationalen" als Wählergemeinschaft an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) im Mai 1992 teilnahm und in den neun Berliner Bezirken, in denen sie sich zur Wahl stellte, zwischen 0,16 % und 0,69 % der abgegebenen gültigen Stimmen erhielt. Zusammen weisen diese vier Organisationen in Berlin nominell über 1.000 Mitglieder auf, doch ist nur ein geringer Teil der Mitglieder tatsächlich aktiv. Mit der Gründung neuer rechtsextremistischer Organisationen ("Deutsche Liga für Volk und Heimat" und "Die Nationalen e.V.") in Berlin trat eine weitere Zersplitterung des "nationalistischen" Lagers ein, die die politische Bedeutung der "nationalfreiheitlichen"/"nationaldemokratischen" Organisationen in der Stadt eher schwächen als stärken dürfte. 2.2.4.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die 1971 von dem Verleger der rechtsextremistischen "Deutschen Nationalzeitung", Dr. Gerhard FREY, gegründete mitgliederstärkste rechtsextremistische Vereinigung organisierte sich erst 1987 als Partei. Die hohe Zahl von über 700 (nominellen) Mitgliedern - die tatsächliche Zahl dürfte erheblich niedriger sein - allein im Landesverband BerlinBrandenburg läßt keine Rückschlüsse auf den Umfang der Parteiaktivitäten Nach den Angaben des Verfahrensbevollmächtigten in dem Verwaltungsstreitverfahren der Partei "Die Republikaner" gegen das Land Berlin im Sommer 1993, mit dem die Partei das Ziel verfolgte, dem LfV Berlin zu untersagen, die "Republikaner" im Verfassungsschutzbericht 1992 als rechtsextremistische Partei zu bezeichnen und über sie zu berichten, handelte es sich ausschließlich um ehemalige Mitglieder dieser Partei. 92 2 - Politischer Extremismus - zu: von den Mitgliedern wird in der Regel außer der Zahlung monatlicher Beiträge und dem Abonnement FREY'scher Zeitungen keine weitere Aktivität erwartet, so daß die DVU im wesentlichen eine Institution zur finanziellen und ideellen Unterstützung der Interessen ihres Mentors ist. Die förmliche Ausdehnung der Berliner DVU auf das Land Brandenburg durch Gründung eines gemeinsamen Landesverbandes am 23. März 1991 hat nicht zu einer Steigerung der Aktivitäten geführt und stieß bisher auch nur auf geringe Resonanz. Die Berliner DVU verzichtete denn auch auf eine Beteiligung an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) im Mai 1992. Obwohl die "Deutsche Volksunion" (DVU) weiterhin bemüht ist, durch Gründung neuer Landesverbände und durch medienwirksame Auftritte ihres Bundesvorsitzenden Dr. FREY Aufmerksamtkeit zu erzeugen, ist es zu den geplanten Gründungen von selbständigen Landesund Kreisverbänden in Berlin und Brandenburg bisher - mit Ausnahme der Gründung des DVUKreisverbandes in Schwedt/Oder am 25. April 1992 - nicht gekommen. Die im Rahmen einer Veranstaltung mit Dr. FREY in Königs Wusterhausen geplante Gründung eines eigenständigen DVU-Landesverbandes Brandenburg konnte nicht vollzogen werden, da die Veranstaltung wegen befürchteter Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern polizeilich verboten und auf die Durchführung einer Ersatzveranstaltung angesichts der geringen Beteiligung verzichtet wurde. 2.2.4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 gegründete NPD befindet sich bundesweit weiterhin in einem Tief. Die Partei verfügt insgesamt nur noch über etwa 5.000 Mitglieder (1991: 6.100). Durch das schlechte Abschneiden bei den Landtagswahlen in BadenWürttemberg im April 1992 (0,9 %) geriet die NPD wiederum in eine finanzielle Notlage, da sie Wahlkampfkostenvorauszahlungen in Höhe von etwa 1,2 Millionen DM zurückerstatten muß. Die fortbestehenden personellen und materiellen Unzulänglichkeiten erschweren eine geregelte Parteiarbeit. 2 - Politischer Extremismus - 93 So war auch die NPD im Bereich Berlin-Brandenburg bisher nicht in der Lage, ihre personellen und finanziellen Schwierigkeiten zu überwinden. Nach der Schaffung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg am 15. Juni 1991 stieg die Mitgliederzahl zwar auf 200 an, ging jedoch bis Ende 1992 auf 175 Personen zurück. Auch ist es dem NPD-Landesverband BerlinBrandenburg bisher nicht gelungen, in Brandenburg funktionierende Organisationseinheiten zu bilden. Darüber hinaus gingen die Aktivitäten in Berlin merklich zurück. So organisierte der Landesverband Berlin-Brandenburg 1992 nur noch zwei Veranstaltungen, die von 35 bzw. 30 Personen besucht wurden. An dem traditionellen "Deutschlandtreffen" der NPD, das am 3. Oktober 1992 in Arnstadt (Thüringen) stattfand, sollen sich etwa 30 Mitglieder des hiesigen Landesverbandes beteiligt haben. Große Hoffnungen setzte der NPD-Landesverband auf die Beteiligung an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai 1992, zu denen er gemeinsam mit anderen Rechtsextremisten - darunter auch Neonazis - unter dem Dach der Wählergemeinschaft "Die Nationalen" antrat. Mit einem Wahlergebnis, das für "Die Nationalen" in den einzelnen Bezirken zwischen 0,16 % und 0,69 % lag, gelang es der NPD jedoch wiederum nicht, aus ihrer politischen Bedeutungslosigkeit herauszutreten. Auf dem am 12. September 1992 in Berlin abgehaltenen ordentlichen Landesparteitag der NPD Berlin-Brandenburg wurde der nicht mehr kandidierende Landesvorsitzende Lutz REICHEL von dem früheren Bundesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), Thilo KABUS, abgelöst. 2.2.4.2.1 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die Aktivitäten des aus etwa 15 Personen bestehenden Landesverbandes Berlin-Brandenburg der JN beschränkten sich 1992 allein auf die Herausgabe der vierteljährlich erscheinenden Jugendzeitschrift "Denkzettel". 94 2 - Politischer Extremismus - 2.2.4.3 "Die Nationalen e.V.1' Seit Mitte 1991 stellten in Berlin vertretene rechtsextremistische und neonazistische Parteien und Gruppierungen Überlegungen hinsichtlich einer Teilnahme an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai 1992 an. In realistischer Einschätzung der geringen Erfolgsaussichten im Falle einer jeweils eigenständigen Kandidatur gründeten am 3. September 1991 Angehörige der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) und der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) die "Freiheitliche Wählergemeinschaft 'Wir sind das Volk'" (WSDV). An der Gründung beteiligten sich auch Mitglieder der Partei "Die Republikaner" (REP)*. In ihrer Satzung vom September 1991 ("Lichtenberger Erklärung") bezeichnete sich die "Wählergemeinschaft" als eine von bestehenden Parteien enttäuschte Gemeinschaft deutscher Wähler im Land Brandenburg und in Berlin und erklärte u.a., in Zukunft auch bei Landtagswahlen und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus zu kandidieren. Seit dem 28. August 1992 ist die Vereinigung unter ihrem jetzigen, seit Januar 1992 geführten Namen "Die Nationalen" im Vereinsregister beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eingetragen. Anläßlich der Wahien zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) im Mai 1992 bewarben sich für die "Wählergemeinschaft" 46 Kandidaten in neun Bezirken um Mandate. "Die Nationalen" errangen in den östlichen Bezirken Lichtenberg 339 (0,46 %), Treptow 153 (0,29 %), Marzahn 235 (0,38 %) und Pankow 132 (0,26 %) und in den westlichen Bezirken Wedding 402 (0,69 %), Spandau 167 (0,16 %), Tempelhof 358 (0,38 %), Neukölln 453 (0,35 %), Reinickendorf 244 (0,19 %), der abgegebenen gültigen Stimmen. siehe Fußnote zu 2.2.4, S. 86 2 - Politischer Extremismus - 95 Trotz dieses enttäuschenden Abschneidens setzten die "Nationalen" ihre politische Arbeit über den Wahltag hinaus fort und veröffentlichten in den Monaten Juli, Oktober und November 1992 ihr Mitteilungsblatt "Berlin-Brandenburger". Mit der Gründung des Kreisverbandes Berlin-Südost im August 1992 versuchten "Die Nationalen", ihre personelle und organisatorische Basis zu stabilisieren. Nach nicht bestätigten Informationen sollen den "Nationalen" etwa 50 Personen angehören. 2.2.4.4 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) Die ausgebliebenen Wahlerfolge der NPD und der damalige Niedergang der Partei "Die Republikaner" (Rep) führten bei beiden Organisationen 1990/91 zu einer Austrittsbewegung. Dissidenten um den ehemaligen NPD-Vorsitzenden MUßGNUG und den ehemaligen Rep-Funktionär NEUBAUER bildeten unter der Bezeichnung "Deutsche Allianz-Vereinigte Rechte" einen Zusammenschluß, um eine neue rechte Sammlungspartei ins Leben zu rufen. Unter ihrem jetzigen Namen "Deutsche Liga für Volk und Heimat" konstituierte sich die Formation am 3. Oktober 1991 in Villingen-Schwenningen als Partei, die wegen der befürchteten Konkurrenz von anderen Parteien der "Alten Rechten" (NPD, DVU) abgelehnt wird. Der "Deutschen Liga" gehören bundesweit etwa 800 Mitglieder an. Am 8. Februar 1992 wurde auf einem von 80 Teilnehmern besuchten Gründungsparteitag der Landesverband Berlin-Brandenburg der "Deutschen Liga" ins Leben gerufen; zum Landesvorsitzenden wurde der ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der "Republikaner", Frank SCHWERDT, gewählt. Dem hiesigen Landesverband sollen 140 Mitglieder angehören. Überregionales Aufsehen erregte im Frühjahr 1992 die Ermordung eines führenden Funktionärs der Partei. Am 4. April 1992 wurde das Vorstandsmitglied der "Deutschen Liga" Berlin-Brandenburg, Gerhard KAINDL, in einem Kreuzberger Restaurant bei einem Überfall von noch unbekannten Vermummten - nach Zeugenaussagen Ausländer - erstochen. Die Täter werden unter Angehörigen der militanten "Antifa"-Bewegung vermutet. 96 2 - Politischer Extremismus - Geplant gewesene spektakuläre Aktionen der "Deutschen Liga" im Vorfeld der Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen, an denen sie sich unter dem Dach der Wählergemeinschaft "Die Nationalen" beteiligte, wie eine Wahlkundgebung mit dem "Revisionisten" David IRVING in BerlinKarlshorst und eine demonstrative Aktion vor dem Gebäude der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, wurden von der Polizei wegen befürchteter Ausschreitungen verboten. 2.2.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 2.2.5.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." Die frühere "Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin" ist seit Jahren ein Sammelbecken für das gesamte rechtsextremistische Spektrum Berlins von der NPD bis hin zu eindeutig neonazistischen Gruppen. Zu Großveranstaltungen der Gemeinschaft, der etwa 20 Mitglieder angehören, erscheinen regelmäßig Hunderte von Rechtsextremisten aus allen Teilen des Bundesgebietes; die Vortragsveranstaltungen, auf denen prominente Referenten der rechtsextremistischen Szene auftreten, werden durchschnittlich von etwa 60 Zuhörern besucht. Höhepunkt ihrer Aktivitäten ist alljährlich seit dem Fall der Mauer ein gemeinsam mit der "Wiking-Jugend e.V." (WJ) und der "Nationalistischen Front" (NF) auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Kreis Königs Wusterhausen, Brandenburg) veranstalteter "Heldengedenktag", an dem sich 1991 etwa 500 Rechtsextremisten, darunter auch Gesinnungsgenossen aus Belgien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden, beteiligt hatten. Die Veranstaltungen der "Kulturgemeinschaft" haben mit dem demonstrativen Auftreten inund ausländischer Neonazis das besondere "Interesse" iinksextremistischer militanter "Antifaschisten" gefunden. So überfielen am 21. Februar 1992 etwa 20 teilweise vermummte Autonome Teilnehmer einer Veranstaltung der "Kulturgemeinschaft", schlugen mit Eisenstangen und Holzlatten auf die "Faschos" ein und verletzten dabei fünf Personen. 2 - Politischer Extremismus - 97 Die von der "Kulturgemeinschaft" für den 15. November 1992 angemeldete "Heldengedenkfeier" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe wurde vom Polizeipräsidenten in Potsdam mit Verfügung vom 2. November verboten. Das Verwaltungsgericht Potsdam bestätigte in zweiter Instanz das Verbot der Polizei dieser für den Volkstrauertag geplanten Veranstaltung sowie die polizeiliche Verbotsverfügung gegen eine beabsichtigte Gegendemonstration linker Gruppen in Halbe. Versuche einzelner Gruppen von Neonazis und anderer Rechtsextremisten, trotz des Verbots am 15. November nach Halbe zu gelangen, wurden aufgrund polizeilicher Maßnahmen bereits im Vorfeld verhindert. Dennoch gelang es Angehörigen der neonazistischen Organisationen "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP), "Nationalistische Front" (NF), "Nationale Offensive" (NO), "Wiking-Jugend e.V." (WJ), "Deutsche Alternative" (DA) sowie NPD-Anhängern, kurzfristig "Gedenkveranstaltungen" an Ausweichorten im Land Brandenburg durchzuführen. So versammelten sich etwa 500 Angehörige der genannten rechtsextremistischen Organisationen auf dem Marktplatz in Golßen (Kreis Luckau) und fuhren im Konvoi in das nahegelegene Waldow (Kreis Lübben). Vor dem dortigen Kriegerdenkmal fanden sich noch insgesamt 250 Personen ein, die an einer von dem WJ-Bundesführer Wolfram NAHRATH geleiteten Ersatzveranstaltung mit Kranzniederlegung und Fanfarenspiel teilnahmen. Unabhängig davon versammelten sich etwa 50 NF-Anhänger aus Berlin und Umgebung sowie Angehörige der FAP in uniformähnlicher Kleidung auf dem Waldfriedhof in Stahnsdorf (Kreis Potsdam), wo unter Führung des früheren stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NF, Andreas POHL, ebenfalls eine Kranzniederlegung stattfand. Vertreter der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." waren unter Beachtung des Versammlungsverbots bei keiner der beiden Ersatzveranstaltungen anwesend. Trotz eines großen Polizeiaufgebots in und um Halbe kam es zu vereinzelten Zusammenstößen von Rechtsextremisten und Autonomen. Anläßlich polizeilicher Kontrollen wurden etwa 40 Personen vorübergehend festgenommen; bei ihnen wurden u.a. Schlagringe und Messer sichergestellt. 98 2 - Politischer Extremismus - 2.2.6 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund Die Zahl der für das Jahr 1992 bekanntgewordenen Gesetzesverletzungen mit erkennbarem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund in Berlin ist gegenüber dem Vorjahr von 389 auf 475 angestiegen. [Anmerkung: Es ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den in diesem Abschnitt angeführten Zahlen nur um die dem LfV Berlin bekanntgewordenen Gesetzesverletzungen handelt. Darüber hinaus ist von einer Dunkelziffer unbekannter Größe auszugehen, da erfahrungsgemäß eine Vielzahl von entsprechenden Fällen nicht angezeigt wird oder der politische Hintergrund nicht unmittelbar erkennbar ist. Die Zahlenangaben für 1992 sind zudem nur bedingt mit denen des Jahres 1991 vergleichbar, da 1992 im Unterschied zu den Vorjahren nicht mehr die im Berichtszeitraum bekanntgewordenen, sondern nur noch die vom 01.01. -31.12. tatsächlich vorgefallenen Gesetzesverletzungen gezählt wurden.] Besonders auffällig ist die hohe Zahl von rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Personen und Sachen, die von 57 im Jahr 1991 auf 92 im Berichtszeitraum angestiegen ist. 60 (65 %) aller bekanntgewordenen Gewalttaten wurden in den östlichen Bezirken Berlins verübt. Fast 2/3 der Gewalttaten richteten sich gegen Ausländer, Asylantenunterkünfte und Wohnheime, in denen Ausländer untergebracht sind. Von den 92 im Jahr 1992 bekanntgewordenen Gewalttaten mit erkennbarem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund-sind sechs Vorfälle mit Körperverletzung bis hin zum Totschlag besonders hervorzuheben: 1. Offensichtlich aus Gründen rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit griffen vier Skinheads am 4. Februar 1992 in Berlin-Neukölln einen türkischen Staatsangehörigen und seine schwangere Freundin an. Der türkische Staatsangehörige wurde niedergeschlagen und beraubt. 2. Sechs unbekannt gebliebene Skinheads belästigten am 7. März 1992 eine 70jährige Frau auf dem U-Bahnhof Bismarckstraße (BerlinCharlottenburg). Ein der Frau zu Hilfe kommender Türke wurde mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen und mit einer Rasierklinge am Arm verletzt. 2 - Politischer Extremismus - 99 3. Am 24. April 1992 wurde ein Vietnamese von einem - nach eigenen Angaben der rechtsextremistischen DVU nahestehenden - 21jährigen in Berlin-Marzahn im Verlauf einer von dem Täter provozierten Auseinandersetzung mit einer Gruppe vietnamesischer Zigarettenverkäufer erstochen. [Anmerkung: Der Täter wurde am 8. Oktober 1992 in erster Instanz wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.] 4. Offensichtlich aus Gründen rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit wurde eine farbige deutsche Frau in Berlin-Marzahn angegriffen. Die Frau wurde durch Fußtritte und Faustschläge schwer mißhandelt. 5. Am 29. August 1992 erschlugen zwei Skinheads in alkoholisiertem Zustand einen Stadtstreicher in Berlin-Charlottenburg. Die Täter waren, nachdem sie sich auf einem Spielplatz mit Ausländern verbal auseinandergesetzt hatten, nach Hause gegangen. In der Absicht, die Ausländer zu vertreiben, kamen sie mit einem Baseballschläger bewaffnet zurück. Da die Ausländer sich jedoch bereits entfernt hatten, mißhandelten die Täter zwei auf dem Spielplatz aufhältliche Stadtstreicher. Einer der Stadtstreicher erlag seinen schweren Verletzungen. [Anmerkung: Einer der Täter ist als Neonazi bekannt und vermutlich Anhänger des "Ku-Klux-Klan" (KKK); am 22.' Februar 1993 wurde er wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitstrafe von sechs Jahren verurteilt.] 6. Am 14. November 1992 forderten drei unbekannte Skinheads in Berlin-Kaulsdorf einen nicht im Dienst befindlichen Polizeibeamten auf, "Heil Hitler" zu rufen. Als der Beamte dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde er mit einer Pistole bedroht und schließlich niedergeschlagen. Die Zahl der im Berichtszeitraum registrierten fremdenfeindlich motivierten Vorfälle betrug über 180; davon waren 67 mit Gewalt verbunden. 100 2 - Politischer Extremismus - Für 1992 wurden 63 antisemitische Vorfälle festgestellt. In acht Fällen handelte es sich um Gewalttaten, von denen drei besonders hervorzuheben sind. 1. Das Mahnmal zum Gedenken an die Deportation Berliner Juden im "Dritten Reich" auf der Putlitzbrücke in Berlin-Tiergarten war am 30. August 1992 Ziel eines Sprengstoffanschlages. Durch die Wucht der Detonation wurde die schwere Granitplatte des Mahnmals verschoben und eine Stütze weggerissen. Die Polizei konnte die Täter ermitteln. Ihnen wird auch der Sprengstoffanschlag am 17. Juni 1992 auf ein Asylbewerberwohnheim in Berlin-Wedding angelastet. [Anmerkung: Die Täter wurden am 17. März 1993 wegen der beiden Sprengstoffanschläge zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten bzw. von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.] 2. Unbekannte Täter verübten am 9. Oktober 1992 einen Brandanschlag auf das jüdische Mahnmal in der Levetzowstraße in Berlin-Tiergarten. 3. Die Grabstätte der Familie des ehemaligen Reichsaußenministers Walther RATHENAU auf dem Waldfriedhof in Berlin-Oberschöneweide wurde am 13. Dezember 1992 von Unbekannten geschändet. Die Täter beschmierten den Grabstein mit antisemitischen Parolen und Hakenkreuzen. 17 Vorfälle erfüllten den Straftatbestand der Beleidigung auf antisemitischer Grundlage, der Volksverhetzung oder Bedrohung. Mit antisemitischem Bezug wurden 38 Schmier-, Klebeund Verteilaktionen festgestellt. 31 Vorfälle richteten sich gegen "Linke". Neben zehn Gewalttaten, darunter drei Brandanschläge, handelte es sich vorwiegend um Schmierund Klebeaktionen. Berlin nimmt in der bundesweiten Statistik der Gewalttaten mit erkennbarem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund insgesamt eine hintere Position (11), bei den Körperverletzungen den fünften Platz ein. Die meisten Brandund Sprengstoffanschläge wurden in den alten Bundesländern in 2 - Politischer Extremismus - 101 Nordrhein-Westfalen (132), Baden-Württemberg (95) und Niedersachsen (73) verübt; von den neuen Bundesländern sind vor allem Brandenburg (55), Sachsen (50) und Sachsen-Anhalt (44) zu nennen. In Berlin waren im Jahr 1992 22 derartige Anschläge zu verzeichnen. Bei 78 rechtsextremistischen Gesetzesverstößen des Jahres 1992 wurden insgesamt 199 Täter bzw. Tatverdächtige namentlich festgestellt. Im einzelnen stellt sich deren Altersstruktur wie folgt dar: Altersstruktur der Täter bzw. Tatverdächtigen Alter Anzahl unter 18 36 18-25 135 26-35 25 36-45 2 über 46 1 Gesamtzahl 199 102 2 - Politischer Extremismus - Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten 1992 1991 Gesamtzahl der Gewalttaten gegen 92 57 Personen/Sachen Gewalttaten gegen Personen 45 32 davon Tötungsdelikte 2 - Angriffe gegen vermeintl./ tatsächl. polit. Gegner 10 4 Sprengstoffanschläge 3 - Brandanschläge 19 9 Sachbeschädigungen (soweit nicht Brandoder 29 9 Sprengstoffanschlage) Antisemitisch motivierte Gewalttaten 8 - Fremdenfeindl. motivierte Gewalttaten 67 35 Anmerkung: Wegen der Aufschlüsselung der Gesamtzahl der Gewalttaten nach Tatart, Tatmittel, Tatmotiv kommt es zu Mehrfachnennungen (z.B. wird ein Brandanschlag gegen ein Asylbeweberheim, bei dem Personen verletzt werden, in drei Kategorien erfaßt), so daß die Gesamtzahl der Gewalttaten niedriger ist als die Summe der in den einzelnen Sparten aufgeführten Zahlen. 2 - Politischer Extremismus - 103 2.2.7 Ausblick Auch wenn die seit dem Spätsommer 1991 sich entwickelnde Welle ausländerfeindlich motivierter Gewalt, die durch die Namen Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen repräsentiert wird und die Anlaß zu tiefer Sorge im lnund Ausland bot, sich seit dem Jahresende 1992 deutlich abgeschwächt hat, kann von einem Ende der rechtsextremistischen Gewalt noch keine Rede sein. Neonazis und andere Rechtsextremisten werden auch weiterhin versuchen, Fremdenfeindlichkeit zu schüren und in der Bevölkerung vorhandene Ängste und Ressentiments für ihre politischen Ziele auszunutzen. Gerade in Berlin und in den neuen Bundesländern finden Rechtsextremisten durch die spürbar werdenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern Ansatzpunkte für ihre aggressive Agitation, indem sie Asylproblematik, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Ausländerkriminalität in einen Topf werfen und einfache Lösungen mit Parolen wie "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen" anbieten. Auf der anderen Seite hat die Welle rechtsextremistischer Gewalt, die im Jahr 1992 einen kaum noch zu übertreffenden brutalen Höhepunkt erreicht hat, die schweigende Mehrheit aufgerüttelt und auch an den Orten der Gewalt anscheinend zu einem Umdenken bei vielen vor kurzem noch beifallklatschenden Menschen geführt. Die vielfachen Aktivitäten, in denen Hunderttausende ihre Ablehnung von Gewalt und Fremdenhaß zum Ausdruck brachten und den fatalen Eindruck eines stillschweigenden Einverständnisses der "schweigenden Mehrheit" mit den Gewaltexzessen korrigierten, bieten zusammen mit dem entschiedenen Einsatz staatlicher Machtmittel gegen politische Gewalttäter die Chance, die rechtsextremistisch motivierte Gewalt nachhaltig einzudämmen. Da nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden nichts für eine zentrale (überregionale) Steuerung der rechtsextremistischen Gewalttaten spricht, wäre es allerdings ein Trugschluß zu glauben, der festzustellende Rückgang der Gewalttaten seit Dezember 1992 sei auf die Ende des Jahres 104 2 - Politischer Extremismus - ausgesprochenen Organisationsverbote von NF, DA und NO zurückzuführen. Organisationsverbote allein reichen nicht aus, um den Rechtsextremisten entscheidend Einhalt zu gebieten; sie setzen jedoch ein unübersehbares Zeichen nach Innen und nach Außen und führen zu (vorübergehender) Verunsicherung bei den Betroffenen. Hartgesottene Neonazis schrecken Verbote jedoch nicht ab, sie suchen sich neue politische Agitationsfelder oder tauchen gar in der Illegalität unter. In ihrer extremistischen Einstellung (noch) nicht gefestigte junge Anhänger und Sympathisanten könnten jedoch durch Organisationsverbote von einer weiteren Zuwendung zum Neonationalsozialismus abgehalten werden. Anlaß zu weiterer Sorge bereitet die zunehmende Eskalation der Gewalt zwischen Linksund Rechtsextremisten. Als Reaktion auf den "antifaschistischen Kampf" militanter Linksextremisten, der auch gezielte Angriffe auf "prominente" Neonazis, wie auf den niedersächsischen FAP-Führer Thorsten HEISE und den Berliner Neonazi-Funktionär Arnulf-Winfried PRIEM, sowie die Ermordung des Funktionärs der "Deutschen Liga" Gerhard KAINDL, einschließt, wurde im neonazistischen Lager - vor allem im Umkreis von FAP, DA, NF und der Hamburger "Nationalen Liste" (NL)'begonnen, das "Nationale Lager" für eine "Anti-AntifaArbeit" zusammenzufassen. Dieser Versuch einer organisierten Gewaltstrategie gegen "Links" dürfte auch in Zukunft fortgesetzt werden. Entsprechend der bei "Antifa"-Gruppen seit Jahren üblichen Praxis, Namen, Adressen und Fotos "prominenter Faschos" zu veröffentlichen und sie damit gewissermaßen "zum Abschuß freizugeben", trägt man in Neonazigruppen seit geraumer Zeit systematisch Informationen über erkannte Gegner zusammen. In einer Presseerklärung der "Anti-Antifa-Bonn", die Ende September 1992 an Abgeordnete des Deutschen Bundestages versandt wurde, heißt es dazu: Wir werden es nicht mehr weiter hinnehmen, daß man uns materiell und physisch so tangiert wie bisher. Über gewaltbereite Autonome, 2 - Politischer Extremismus - 105 bürgerliche Antifaschisten, linke Medien oder Gegner überhaupt werden wir künftig alle bekannten Daten speichern. Dabei bedient man sich - wie auch das linksextremistische "Vorbild" - modernster technischer Mittel wie Computer, Fax-Geräte und Mobiltelefone. Die Gefahr gezielter Angriffe rechtsextremistischer Gewalttäter auf "linke" Einzelpersonen und Objekte und damit einer Eskalation der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten ist angesichts dieser Bestrebungen durchaus ernstzunehmen. Dies belegen u.a. zwei von unbekannten rechtsextremistischen Gewalttätern am 31. August 1992 und 12. Dezember 1992 in Berlin verübte Brandanschläge auf von "Linken" benutzte Einrichtungen. Dabei handelt es sich um ein besetztes Haus in Prenzlauer Berg sowie um einen Jugendclub in Köpenick. Rechtsterroristische Organisationsstrukturen sind in Berlin gegenwärtig nicht erkennbar. Allerdings sind mehrere Ermittlungsverfahren gemäß SS 129 a und SS 129 StGB (Verdacht der Gründung einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung), wie sie gegen Mitglieder der inzwischen verbotenen NF in Braunschweig, gegen den ehemaligen NF-Vorsitzenden SCHÖNBORN wegen Aufbaus des "Nationalen Einsatzkommandos" (NEK) und gegen weitere Personen wegen der Gründung einer Teilorganisation des militant-rassistischen amerikanischen Geheimbundes "Ku-Klux-Klan" (KKK) auf deutschem Boden eingeleitet wurden, ein deutliches Warnzeichen. Wenngleich die aufgrund festgestellter Verbindungen nach Berlin hier geführten Ermittlungsverfahren inzwischen in wesentlichen Teilen eingestellt wurden, sind sie als unübersehbare Hinweise zu verstehen, daß "Terrorismus von rechts" auch in Berlin möglich ist. 106 2 - Politischer Extremismus - 2.3 Sonderthema: Weitere Polarisierung zwischen Linksund Rechtsextremisten in Berlin 2.3.1 Linksextremistisch motivierter militanter "Antifaschismus" im Aufwind 2.3.1.1 Zunehmende Organisierung im "Antifaschistischen Kampf" Die im Jahre 1992 zu beobachtende bundesweite Zunahme ausländerfeindlicher Übergriffe lieferte dem linksextremistisch motivierten, hauptsächlich von Autonomen getragenen militanten "Antifaschismus/Antirassismus" auch in Berlin neue Nahrung. Dabei diente der von Autonomen, insbesondere seitens der ihnen zuzurechnenden militanten 'Antifa"-Gruppenanhänger, propagierte 'Antifaschistische Kampf" nach Bekundungen Autonomer gleichzeitig als Hebel zur Vermittlung "antiimperialistischer Politik", als Vehikel zur erwünschten Auseinandersetzung mit der Staatsmacht sowie als Möglichkeit, Jugendliche zu politisieren, die "Zunahme revolutionärer antifaschistischer Gewalt" zu fördern und die eigenen Strukturen über die Organisierung dieses Kampfes zu verbessern. Insbesondere im Hinblick auf die Organisierung des militanten "Antifaschistischen Kampfes" und den Aufund Ausbau entsprechender Strukturen und Kommunikationsmittel stellt Berlin einen Drehund Angelpunkt dar. So wurde in Berlin bereits 1985 mit der Gründung einer "Jugendgruppe gegen Faschismus und Rassismus" eine der Keimzellen für den militanten Antifaschismus im gesamten Bundesgebiet gelegt. Diese Gruppe mit Kontaktadresse im Mehringhof in Berlin-Kreuzberg, Gneisenaustraße 2 a, breitete sich später unter der Anleitung sog. Altautonomer als "ANTIFA-JUGENDFRONT" (AJF) über das gesamte Bundesgebiet einschließlich der neuen Bundesländer aus. 2 - Politischer Extremismus - 107 Unter der Kontaktadresse des Mehringhofs werden inzwischen auch die klandestin hergestellten "Zentralorgane" der bundesweiten militanten Antifaschismus-Bewegung vertrieben. Dazu zählen die Zeitschriften "Antifa Jugendinfo", "ANTIFA jugendinfo berlin Latscher" und "Antifaschistisches Infoblatt". Darüber hinaus fungiert der Mehringhof als Kontaktadresse für die verdeckt arbeitende "Antifa"-Jugendgruppe "Edelweiß-Piraten" und einen "ANTIFAVERSAND", der u.a. "ANTIFA-KALENDER", T-Shirts mit "antifaschistischen Aufschriften", Sticker, Bücher und Broschüren (u.a. "TIPS und TRIX FÜR ANTIFAS") verbreitet. Unterstützt wird die Organisierung der militanten "Antifa"-Bewegung auch durch das autonome Info-Blatt "INTERIM", das ebenfalls den Mehringhof als Kontaktadresse angibt. Als vorläufigen Höhepunkt der Organisierungswelle im "Antifaschistischen Kampf" riefen Berliner Autonome und "Antifa"-Gruppenanhänger im Juli 1992 in Wuppertal gemeinsam mit Gleichgesinnten aus Bonn, Braunschweig, Bünde, Gifhorn, Göttingen, Guben, Halle, Köln, Mainz, Wiesbaden, Münster, Passau und Wuppertal eine "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" ins Leben, deren formelle Gründung für das Frühjahr 1993 vorgesehen ist. Parallel dazu haben sich Autonome und militante "Antifa"-Gruppenanhänger im Jahre 1992 vor allem über sog. Infotelefone und Infoläden noch stärker vernetzt. Neu ist dabei der Einsatz moderner Computertechnik im Zuge eines bundesweiten Informationssystems, das auch das europäische Ausland einbezieht und bis in die USA reicht. Dieses, "Spinnennetz" genannte, hauptsächlich von Infoläden auch mit Stützpunkten in Berlin getragene System ermöglicht den Zugriff auf neueste Informationen aus der linksextremistisch motivierten Gewaltszene und übermittelt Ereignisberichte, Handlungsanleitungen und Aktionsund Demonstrationsaufrufe. 108 2 - Politischer Extremismus - Eine Gruppe "Antifa Bites Berlin" erläuterte dazu in der Szene-Zeitung "Weddinger Neueste Zeitung" (Weihnachtsausgabe 1992): "Wer Interesse hat an aktuellen Infos, Hintergrundnachrichten und/oder Diskussionsbeiträgen aus dem Antifa-Bereich hat, sollte mal in einen unserer Ordner schauen. Diese befinden sich im Infoladen Daneben, Rigaer Str. 84 bzw. später Liebigstr. 34, Friedelhain und im Infoladen Omega, Sparrstr. 21, Wedding. Dort werden aktuelle Meldungen wöchentlich aus Mailboxen heraus abgeheftet... Wenn ihr Informationen über Antifa-Aktionen, Veranstaltungen, Antifa-Mobilisierungen, Fascho-Übergriffe, Fascho-Strukturen und/oder anderes aus den Bereichen Antifa/Antirassismus habt, dann bitten wir Euch, diese uns zugänglich zu machen ... Diese Mailboxarbeit hat für uns den Sinn einer informellen Vernetzung und des brdund darüber hinaus weiten Infoaustausch. (Gegen-) Informationen sollen hierbei als Grundlage für linksradikale Öffentlichkeitsarbeit dienen." "Antifa Bites Berlin" stellt in diesem Zusammenhang noch einmal klar: "Antifaschismus bedeutet in so einer offenkundigen Situation ('Die Brandstifter sitzen in Bonn') nicht nur den direkten Angriff gegen Faschisten, sondern ist zwangsläufig auch gegen den Staat gerichtet." 2.3.1.2 Anschwellen der Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten Den Ankündigungen Autonomer, künftig "systematischen Gegenterror gegen neonazistische und rassistische Gewalt und ihre Akteure" im Zuge "offensiver Militanz" ausüben zu wollen ("radikal", Nr. 144 vom Oktober 1991), haben Berliner Autonome 1992 Taten folgen lassen. Die Palette des "Gegenterrors" reichte dabei von der Ausforschung von "Fascho-Treffpunkten", "Fascho-Gruppen" und "Faschos" und der Veröffentlichung der so gewonnenen Daten in Broschüren, Szene-Zeitschriften und 2 - Politischer Extremismus - 109 "Steckbriefen" über Aufrufe zur Gewaltanwendung gegen Verbreiter sog. NaziZeitungen, Gewaltaktionen gegen "Nazi-Aufmärsche" und gezielten Anschlägen und Angriffen auf erkannte oder vermeintliche Rechtsextremisten und ihre Stützpunkte bis hin zu einem tödlichen Messerangriff auf den Funktionär der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga), Gerhard KAINDL Dabei hat sowohl die Häufigkeit als auch die Brutalität solcher Aktionen gegenüber früheren Jahren erheblich zugenommen. Autonome und ihnen zuzurechnende militante "Antifa"-Gruppenanhänger zeigten sich bei solchen Aktionen schwer bewaffnet, u.a. mit Baseballschlägern, Eisenstangen, Molotowcocktails, einer Schrotflinte mit auswechselbarem Lauf, Schreckschußpistolen mit pyrotechnischer Munition, Luftgewehren, Macheten, Messern und Steinen. Häufig traten sie vermummt auf. Hervorzuheben ist, daß die Akteure inzwischen nach dem Motto "Schlagt die Glatzen, bis sie platzen" sogar den Tod von Menschen billigend in Kauf nehmen. So veröffentlichte das Berliner autonome Info-Blatt "INTERIM" vom 16. April 1992 aus Anlaß des Todes von Gerhard KAINDL "Gedanken zum Tod eines Faschisten". Darin wird festgestellt: Zum erstenmal sei ein Nazi bei einer selbstbestimmten antifaschistischen Aktion ums Leben gekommen, ein Risiko, das jeder militante Angriff in sich berge. Trotzdem seien solche aktiven Angriffe unerläßlich. "Antifaschistischer Selbstschutz" bedeute nicht, erst dann an Gegenwehr zu denken, wenn man selber bedroht sei. Vielmehr müsse man die Faschisten immer und überall angreifen und ihre Strukturen zerstören. Daß in einer direkten Konfrontation die Möglichkeit der Tötung eines Faschisten liege, sei ein tragbares Risiko. Eine Berliner "Antifa"-Gruppe richtete sogar an die RAF die Forderung, ihre Anschlagsziele zu verlagern und "Fascho-Führer" zu liquidieren ("INTERIM" vom 16. Juli 1992). Die Zahl der bekanntgewordenen Aktionen gegen Rechtsextremisten bzw. vermeintliche Rechtsextremisten und ihre Stützpunkte hat sich in Berlin gegenüber dem Jahre 1991 (16) im Jahre 1992 mehr als vervierfacht (69). 110 2 - Politischer Extremismus - 2.3.2 Reaktionen rechtsextremistischer Organisationen auf Angriffe von Linksextremisten Die bundesweit ständig zunehmende Zahl tätlicher Angriffe auf Angehörige des "Nationalen Lagers" hat in der rechtsextremistischen Szene nicht nur Beunruhigung hervorgerufen, sondern auch Überlegungen ausgelöst, wie man diesen Angriffen wirkungsvoll entgegentreten kann. Rechtsextremisten begannen im Herbst 1992 schließlich auf maßgebliche Initiative des Hamburger Funktionärs der "Nationalen Liste" (NL), Christian WORCH, eine "Anti-Antifa-Kampagne". In einer "Pressemitteilung", die einer Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 24. September 1992 durch die Post zuging, wurde in diesem Zusammenhang die Gründung einer "Anti-Antifa-Bonn" bekanntgegeben. In der Mitteilung hieß es: Wir werden nicht mehr weiter hinnehmen, daß man uns materiell und physisch so tangiert wie bisher. Über gewaltbereite Autonome, bürgerliche Antifaschisten, linke Medien oder Gegner überhaupt werden wir künftig alle Daten speichern. Ziel der "Anti-Antifa-Kampagne" sei es, den Gegner "aus der Anonymität der Masse herauszureißen und durch gezielte Feindaufklärung linken Angriffen vorzubeugen und diese zu verhindern". Die Bonner "Anti-Antifa" begründete das Errichten einer solchen Organisation u.a. mit der Behauptung: "Allein in den letzten zwölf Monaten hat es mehr als dreißig (!) gewaltsame Angriffe auf Volkstreue Deutsche ... gegeben (...) Ein Bonner Kamerad wurde von mehr als zwanzig Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Ein weiterer Kamerad wurde durch Schläge mit Baseballschlägern so zugerichtet, daß seine Schädeldecke offenlag, Unmengen von Blut und Hirnmasse heraussickerte. Seit dieser Zeit besitzt unser Kamerad keinen Geruchsund Geschmackssinn mehr." 2 - Politischer Extremismus - 111 Auch in Berlin sind erste Bemühungen, eine "Anti-Antifa" aufzubauen, feststellbar. So propagierte der Vorsitzende des Landesverbands "Reichshauptstadt" der verbotenen "Deutschen Alternative" (DA), Arnulf-Winfried PRIEM, unter dem Motto "ANTIfatzke in die ZWANGSJACKE!" Aufklärungsmaßnahmen gegen den politischen Gegner und forderte seine Anhänger auf, Daten über "Antifa"Kämpfer und ihre Stützpunkte zusammenzutragen. Ein "erkannter Gegner" sei nur ein "halber Gegner". Diesen könne man aus seiner Anonymität reißen und auch "besuchen" und mit ihm "diskutieren". PRIEM setzte auch eine erste Anschriftenliste von Berliner "Antifa"-Trefforten und Propagandaaufkleber für eine "Anti-Antifa" in Umlauf. Die Gegenaktionen von Rechtsextremisten beschränkten sich 1992 in Berlin überwiegend auf Schmierund Klebeaktionen mit Parolen wie "Schluß mit dem roten Straßenterror!" und "Rotfront verrecke!" 2.3.3 Ausblick Schon der,steile Anstieg der Zahl der Aktionen von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten in Berlin belegt, daß die von Autonomen als notwendige "antifaschistische Selbsthilfe" deklarierte Gewalt gegen politische Gegner künftig zu einem Bedrohungsmoment für die innere Sicherheit werden könnte. Dies gilt um so mehr, als die Ansätze zur "Organisierung" im "Antifaschistischen Kampf" im letzten Jahr vorangekommen sind und die offensive "antifaschistische Selbsthilfe" die bundesweite autonome Bewegung gestärkt und ihr neuen Zulauf gebracht hat. Die Zahl der Autonomen ist in den letzten Monaten bundesweit kontinuierlich auf fast 5.000 und in Berlin von bisher 1.000 auf etwa 1.200 Personen gestiegen. Auch die nunmehr festzustellenden Bemühungen von Rechtsextremisten, ihre Organisationsdefizite abund eine "Anti-Antifa" aufzubauen, im Kampf gegen links stärker als bisher zusammenzuarbeiten und die Gewaltaktionen von Linksextremisten mit gleicher Münze heimzuzahlen, lassen den Schluß zu, daß ein Ende des "Hochschaukeins" der politischen Extreme noch lange nicht in Sicht ist. 112 2 - Politischer Extremismus - 2.4 Ausländerextremismus 2.4.1 Vorbemerkung und Überblick Zu den gesetzlichen Aufgaben des LfV Berlin gehört u.a. die Beobachtung von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dieser Arbeitsbereich wird von den Verfassungsschutzbehörden zur Vereinfachung häufig mit dem Begriff "Ausländerextremismus" umschrieben. Er soll jedoch mehr umfassen als nur die "extremistische" Komponente, d.h. die gegen die Grundlagen unserer Verfassung gerichteten Bestrebungen von Ausländern. Der Arbeitsbegriff "extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern" beschreibt deutlicher die Gefahren, die von politisch motivierten Gewalttaten und von der Vorbereitung solcher Gewalttaten durch die in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Ausländergruppen drohen. Unter dem Begriff "Ausländerextremismus" muß aber auch die Beobachtung terroristischer und staatsterroristischer Bestrebungen gefaßt werden. Dazu zählen auch bestimmte geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte, die zum Ziel haben, Terroranschläge vorzubereiten bzw. durchzuführen oder Oppositionelle und Regimegegner auszuforschen oder zu bedrohen bzw. einzuschüchtern, in Einzelfällen sogar zu liquidieren. Grundsätzlich lassen sich drei Erscheinungsformen extremistischer und sicherheitsgefährdender bzw. gewaltsamer Bestrebungen unterscheiden: Extremistische Organisationen bzw. Gruppen richten ihre Aktivitäten und Aktionen meist nicht gegen unsere freiheitliche demokratische Staatsordnung, sondern setzen ihre im jeweiligen Heimatland begründeten innenpolitischen Auseinandersetzungen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland fort. Auslösend dafür sind vor allem die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den Heimatländern oder ungelöste Konflikte in einigen Regionen, wie z.B. in der Türkei und im Nahen Osten. Wichtigstes Aktionsmittel extremistischer Organisationen bzw. Gruppen ist die Agitation, in der Regel Propa- 2 - Politischer Extremismus - 113 gandaschriften und öffentlichkeitswirksame Protestveranstaltungen. Nicht selten schlägt jedoch ein zunächst berechtigtes politisches Engagement bei einigen' Gruppen in Radikalität um und mündet in Gewaltanwendung. Häufig gehen sie Aktionsbündnisse mit politisch oder ideologisch verwandten Gruppen, auch des Gastlandes, ein. Als Beispiel dafür seien die Zusammenarbeit einiger militanter linksextremistischer türkischer Gruppen mit deutschen Autonomen und ihr gemeinsames Agieren bei gewalttätigen Ausschreitungen erwähnt. Terroristische Organisationen und Gruppen wenden, wie die Bezeichnung deutlich sagt, schwerste Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele an. Diese vielfältige Form des zum Teil "internationalen" Terrorismus zwingt die Verfassungsschutzbehörden zu einer Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden. Die terroristischen Aktionen reichen von Flugzeugentführungen und Mord bis hin zu Sprengstoffanschlägen, wobei der Tod Unschuldiger billigend in Kauf genommen wird. Träger terroristischer Gewalttaten Im Bereich des "Ausländerextremismus" waren in der Vergangenheit u.a. palästinensische und islamisch-extremistische Terrororganisationen und Gruppen, die sich die Vernichtung des Staates Israel zum Ziel gesetzt haben und eine Lösung des Palästina-Problems auf dem Verhandlungswege strikt ablehnen. Zu erwähnen sind auch terroristische Organisationen aus anderen Regionen, wo ebenfalls schwere Konflikte herrschen, wie z.B. die "Provisional Irish Republican Army" (PIRA) und die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), auch wenn diese im Berichtszeitraum in der Bundesrepublik Deutschland keine terroristischen Aktionen durchführten. Unter "Staatsterrorismus" versteht man im allgemeinen sowohl die Durchführung terroristischer Aktionen durch staatliche Stellen gegen Einrichtungen und Bürger eines anderen Staates unterhalb der Schwelle eines offenen Krieges ("Ersatzkrieg") als auch die von Regierungen bzw. staatlichen Stellen ausgehenden Repressionsmaßnahmen gegen im Ausland lebende Oppositionelle und Regimegegner. Die terroristischen Mittel reichen von Bedrohung und Nötigung über Körperverletzung bis zu Entführung und Mord. Staatsterroristische Aktionen werden von staatlichen oder parastaatlichen Institutionen - zumeist von den in diplomatischen Vertretungen tätigen nachrichtendienstlichen Mitarbeitern der fremden Macht - geplant, personell, logistisch und technisch 114 2 - Politischer Extremismus - vorbereitet sowie in der Durchführung gesteuert und unterstützt. Die unmittelbare Tatausführung erfolgt in der Regel durch einreisende Terrorkommandos oder durch angeworbene - auch in der Bundesrepublik Deutschland ansässige - Einzelpersonen anderer Nationalität. Im Bereich des "Ausländerextremismus" lag das Hauptgewicht der Arbeit des LfV Berlin auch 1992 bei der Beobachtung gewaltorientierter sicherheitsgefährdender Bestrebungen. Die Beobachtung des gewaltfreien politisch motivierten Extremismus war im Berichtszeitraum weiterhin von nachrangiger Bedeutung. Als Folge des Zusammenbruchs der kommunistischen Regime und der fortschreitenden Demokratisierung in Osteuropa erfuhr die Beobachtung zahlreicher extremistischer Ausländerorganisationen - nicht nur im orthodox-kommunistischen Spektrum - eine weitere Reduzierung bzw. völlige Einstellung. Als Beispiel seien hier die orthodox-kommunistische "Tudeh-Partei Iran" und ihre Nebenorganisationen sowie einige Kurden-Organisationen erwähnt. Bei weiteren Organisationen erfolgte eine Streichung als Beobachtungsobjekte, weil nach übereinstimmender Beurteilung der Verfassungsschutzbehörden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine weitere Beobachtung nicht mehr gegeben waren. In Berlin waren im Jahre 1992 nach Angaben des Statistischen Landesamtes 385.911 Ausländer melderechtlich erfaßt (Stand: 31.12.1992). Der Anteil der ausländischen Mitbürger an der Gesamtbevölkerung in Berlin betrug 1992 etwa 11 %. Den höchsten Anteil von Ausländern in Berlin stellten 1992 wie in den Vorjahren die 138.738 türkischen Staatsangehörigen. Ferner waren in Berlin etwa 55.000 Angehörige des ehemaligen Jugoslawien, ca. 13.000 Angehörige verschiedener arabischer Staaten, etwa 6.500 Iraner und etwa 1.200 irische Staatsangehörige melderechtlich erfaßt. Die Zahl der in Berlin - zum Teil illegal - aufhältlichen Palästinenser wurde weiterhin auf über 10.000 geschätzt. Der Anteil der Ausländer, die extremistischen oder extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen angehören, betrug 1992 mit ca. 2.400 Personen 0,7 %. Im Vergleich zum Vorjahr verringerte er sich um ca. 300 Personen, bzw. 0,1 %. 2 - Politischer Extremismus - 115 Zu den Beobachtungsschwerpunkten des LfV Berlin zählten 1992 der sog. Staatsterrorismus sowie die in der Stadt bestehenden Gliederungen bzw. Gruppen gewaltorientierter palästinensisch-arabischer Organisationen sowie extremistische bzw. gewaltorientierte Organisationen von Türken, Kurden und Iranern. Die Aktivitäten in diesem Beobachtungsspektrum waren weiterhin von den in den Herkunftsländern herrschenden Konfliktund Krisensituationen bestimmt. Zu nennen sind der Kurdenkonflikt in der Türkei, im Irak und Iran, das Palästinenser-Problem sowie der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. Einen weiteren Beobachtungsschwerpunkt bildete die terroristische "Provisional Irish Republican Army" (PIRA), die zuletzt in den Jahren 1987 bis 1990 mit einer Reihe von Anschlägen gegen britische Einrichtungen und Staatsbürger in der Bundesrepublik Deutschland in Erscheinung trat. Im Berichtszeitraum wurden im Bundesgebiet und in Berlin zwar keine Stützpunkte oder nennenswerte Aktivitäten der PIRA festgestellt, nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden ist die Gefahr von Anschlägen wegen der nun nicht mehr isolierten Lage Berlins sowie des durch die deutsche Vereinigung vergrößerten "Operationsbzw. Ruheraumes" erheblich gestiegen. Erfahrungsgemäß gehört es zur Taktik der PIRA, mit Kommandos zur Vorbereitung - teilweise mit Unterstützung von oft unwissenden Einheimischen z.B. bei der Anmietung von Wohnungen oder Fahrzeugen - einzureisen und nach Durchführung von Anschlägen anschließend sofort das betreffende Land zu verlassen. Es bedarf daher einer aufmerksamen Beobachtung in Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden, um mögliche Anschläge zu verhindern. Ein weiteres Problem stellt das unorganisierte, politisch motivierte Gewaltpotential jugendlicher Ausländer, insbesondere Türken, dar. Im zunehmenden Maße reagierten Gruppen von Ausländern mit Gewalt gegen von Skinheads und Neonazis initiierte ausländerfeindliche Aktionen, wobei sich die mit deutschen Autonomen zusammenarbeitende türkische Gruppe "Antifasist Genclik" (Antifaschistische Jugend) besonders hervortat. Als Folge der zahlreichen gewalttätigen Übergriffe deutscher Rechtsextremisten auf Ausländer, insbesondere auf Asylsuchende, ist in diesem Bereich seit dem zweiten Halbjahr 1992 eine zunehmende Gewaltbereitschaft feststellbar, die nicht - wie bislang - allein den Selbstschutz vor Überfällen, sondern nunmehr auch die "Jagd" nach vermeintlichen Neonazis zum Ziel hat. Extremistische Ausländergruppen in Berlin Rechtsextremistische und extrem-nationalistische 550 türkische Organisationen Islamischextremistische türkische Organisationen Linksextremistische türkische Organisationen ^ QQ. Kurden , .. 150 1--1020 Regimetreue IranerOrganisationen 20 Oppositionelle Iraner-Organisationen Extremistische Araber-/Palästinenser290 Organisationen Islamisch-extremistische Araber-/Palästinenser-Organisationen 2 - Politischer Extremismus - 117 2.4.2 Staatsterrorismus Träger staatsterroristischer Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland waren in der Vergangenheit nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden die Geheimdienste Iraks, Libyens, Syriens und des Iran. Bis zum 3. Oktober 1990 waren die Botschaften der genannten Staaten in der ehemaligen DDR ideale Ausgangspunkte für Aktionen im Westteil Berlins. Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurden die diplomatischen Vertretungen dieser Staaten im Ostteil Berlins zunächst in Außenstellen der Bonner Botschaften der jeweiligen Staaten umgewandelt und die Zahl der Mitarbeiter erheblich reduziert. Die bisherige Botschaft Irans in der ehemaligen DDR wurde 1991 in ein Generalkonsulat umgewandelt. Die Berliner Außenstellen der Botschaften Iraks und Libyens wurden Anfang 1992, die Außenstelle der syrischen Botschaft Ende 1992 geschlossen und das gesamte Personal der drei Außenstellen abgezogen. Von den Nachrichtendiensten Libyens, Syriens und des Irak wurden im Jahre 1992 keine staatsterroristischen Aktivitäten bekannt. Am 17. September 1992 wurden im Restaurant "Mykonos" in Berlin-Wilmersdorfvier oppositionelle kurdische Politiker ermordet. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen ergaben sich Hinweise, daß der Anschlag im Auftrag des iranischen Nachrichtendienstes VEVAK ausgeführt worden sein könnte. Als einer der mutmaßlichen Täter wurde der in Berlin ansässige führende Funktionär der dem Mullah-Regime treu ergebenen "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Kazem D. ermittelt, der über enge Verbindungen zu der vom Iran gesteuerten terroristischen "Hizb Allah" verfügt und der in Verdacht stand, für den Iran nachrichtendienstlich tätig zu sein; die Ermittlungen in diesem Fall dauern noch an. [Anmerkung: Die nach Redaktionsschluß eingegangene Anklageschrift des Generalbundesanwalts beschuldigt D., als "Agent des iranischen Nachrichtendienstes VEVAK und Angehöriger der islamischen revolutionären Garden 'Pasdaran'", den ihm im Sommer 1992 erteilten nachrichtendienstlichen Auftrag, die kurdischen Oppositionspolitiker anläßlich ihres Berlin-Aufenthalts zu liquidieren, durchgeführt und für die Ausführung der Tat ihm seit langem persönlich bekannte "Hizballah-Kämpfer" angeworben zu haben.] 118 2 - Politischer Extremismus - 2.4.3 Palästinenser/Araber Arabische und palästinensische Extremisten stellen seit Jahren eine ständige Gefahr für die innere Sicherheit Berlins dar. Das Ausmaß dieser Gefährdung wird hauptsächlich von der politischen Situation im Nahen Osten, dem Verhalten der dort wirkenden politischen Kräfte sowie von Ereignissen von besonderer Bedeutung bestimmt. Viel dürfte davon abhängen, ob es gelingt, den arabisch-israelischen Konflikt, um dessen Beilegung sich die Weltmächte und die Konfliktparteien seit Oktober 1991 bemühen, auf dem Verhandlungswege einer Lösung näher zu bringen. Träger der sicherheitsgefährdenden Bestrebungen sind einerseits die in der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) zusammengeschlossenen Palästinenser-Organisationen sowie aus diesen hervorgegangene radikale Splittergruppen und andererseits islamisch-fundamentalistische Palästinenserund Araber-Organisationen. Diese Organisationen und Gruppen operieren sowohl im Nahen Osten als auch in Europa. Ihre latente Gewaltbereitschaft kann je nach der schwer kalkulierbaren politischen Entwicklung im Nahen Osten zu einer schweren Gefahr werden. In Berlin leben derzeit etwa 13.000 Angehörige arabischer Staaten sowie etwa 10.000 - zum Teil illegal aufhältliche - Palästinenser. Im Vergleich zu diesen Zahlen ist das extremistische Kernpotential unter den Arabern einschließlich den Palästinensern mit - nach hiesiger Schätzung - etwa 470 Personen verhältnismäßig gering. 2.4.3.1 PLO-Mitgliedsorganisationen Etwa 180 dieser 470 Personen sind in den folgenden PLO-Mitgliedsorganisationen organisiert: "AL FATAH" "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) "Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando" (PFLP-GC) "Palästinensische Volkskampffront" (PPSF) "AL SAIQA". 2 - Politischer Extremismus - 119 In Berlin gab es weiterhin Zellen und Einzelmitglieder von palästinensischen Terrororganisationen bzw. -gruppen, die sich von der PLO abgespalten haben. Zu nennen waren insbesondere die "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) sowie die "Abu-Moussa-Gruppe". Im Jahr 1992 boten die vorgenannten Palästinenser-Organisationen bzw. -gruppen folgendes Erscheinungsbild: Die "FATAH" in Berlin mit ihren weiterhin etwa 100 Mitgliedern verhielt sich weitgehend inaktiv. Unter den Mitgliedern bestehen zwiespältige Meinungen über die seit Oktober 1991 andauernden Nahost-Friedensverhandlungen. Einerseits verbiete es der Stolz der Palästinenser, mit Israel zu verhandeln, andererseits sehe man darin die vielleicht einzige Möglichkeit, einen unabhängigen palästinensischen Staat zu errichten. Angesichts des von radikalen und islamisch-fundamentalistischen Palästinenser-Organisationen auf ARAFAT ausgeübten Drucks forderten Funktionäre der FATAH ihre Mitglieder auf, im Bundesgebiet und in Berlin lebenden Palästinensern mit politischer Überzeugungskraft die Notwendigkeit der Friedensverhandlungen zu verdeutlichen und auch im Lager des radikalen politischen Gegners Freunde zu gewinnen. Diese Forderung der FATAH-Funktionäre ist offensichtlich von der Furcht bestimmt, daß viele Mitglieder zu den palästinensischen islamisch-fundamentalistischen Organisationen, die den bedingungslosen Kampf gegen Israel befürworten, überwechseln. Der Berliner Gruppe der PFLP gehörten im Jahre 1992 etwa 25 Palästinenser an, die konspirativ in Zellen arbeiten. Die Gruppe wurde von einem Kollektiv geleitet. Im Jahre 1992 trat die Gruppe nur durch kleine Veranstaltungen in Erscheinung, die alle störungsfrei verliefen. Die PFLP gehört zu den radikalen, die Nahost-Friedensverhandlungen strikt ablehnenden Palästinenser-Organisationen. Insofern geht von ihr weiterhin eine latente Sicherheitsbedrohung aus. In Berlin gehörten der DFLP im Jahre 1992 etwa 30 Mitglieder an. Die Ende 1990 erfolgte Spaltung in einen radikalen und in einen eher 120 2 - Politischer Extremismus - gemäßigten Flügel konnte auch 1992 nicht überwunden werden. Während der radikale Flügel die Nahost-Friedensverhandlungen solange ablehnt, bis die PLO vom Ausland anerkannt wird, unterstützt der andere Flügel die Politik ARAFATS und seine Bereitschaft zur Fortsetzung der Verhandlungen. Die Sicherheitsbedrohung durch die DFLP ist gegenwärtig als sehr gering einzuschätzen. Die übrigen obengenannten Palästinenser-Organisationen, wie die PFLP-GC, ANO, SAIQA und PPSF, verfügten 1992 in Berlin nach den Erkenntnissen des LfV Berlin über keine Gliederungen, sondern nur über Einzelmitglieder bzw. Anhänger. Dennoch ist die insbesondere von der PFLP-GC und der ANO ausgehende Gefahr von Anschlägen weiterhin gegeben. 2.4.3.2 Islamisch-extremistische Palästinenserund AraberOrganisationen Im Gegensatz zu den Mitgliedsorganisationen der PLO, die unter der Führung von Yassir ARAFAT mehrheitlich politische Lösungen anstrebt, stellten auch im Jahre 1992 islamisch-extremistische Palästinenserund Araber-Organisationen eine latente Bedrohung der inneren Sicherheit Berlins dar. Diese Organisationen erhielten wegen ihrer konsequenten anti-israelischen Haltung, die in dem Ziel der Vernichtung des Staates Israel gipfelt, einen starken Zulauf an Mitgliedern und Anhängern, u.a. auch aus Organisationen, die der PLO angehören und bisher als gemäßigt galten. Folgende islamisch-extremistische Palästinenserund Araber-Organisationen verfügten 1992 in Berlin über Gliederungen: "Hizb Allah" (Partei Gottes) "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PU) "Hizb AI-Da'Wa Al-Islamia" ("Partei des Islamischen Rufs der Islamischen Mission") AMAL-Bewegung 2 - Politischer Extremismus - 121 "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) "Moslem-Bruderschaft" mit ihrer radikalen Abspaltung "Islamische Avantgarden". Diese Organisationen, die ihre Zentralen in den israelisch besetzten Gebieten, im Libanon und im Iran haben, verfügten im Berichtszeitraum in Berlin zusammen über etwa 280 aktive Mitglieder. Trefforte dieses Personenkreises waren überwiegend verschiedene Moscheen in Berlin. Die Anhängerschaft der islamisch-extremistischen Organisationen und Gruppen in Berlin ist um ein Vielfaches höher als die der in Berlin aktiven PLO-Mitgliedsorganisationen. Von einem mobilisierbaren Potential von einigen tausend Personen muß aufgrund der Teilnehmerzahlen an Veranstaltungen dieser Organisationen in den vergangenen Jahren ausgegangen werden. Bei der "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS) konnte 1992 ein Ausbau ihrer Strukturen festgestellt werden. Der Berliner Fraktion gehören derzeit etwa 50 Mitglieder an. Wegen der ideologischen Verwandtschaft zum "Palästinensischen Islamischen Jihad" (PU) agieren beide Organisationen vielfach gemeinsam. Die von der islamisch-extremistischen "Hizb Allah" ausgehende Gefahr für die innere Sicherheit Berlins wurde durch einen Mordanschlag am 17. September 1992 in Berlin-Wilmersdorf deutlich. Gegen 23.00 Uhr betraten zwei Täter das Restaurant "Mykonos" in Berlin-Wilmersdorf, Prager Straße 2 a, und feuerten mit einer verdeckt mitgeführten Maschinenpistole mehrere Salven auf eine achtköpfige Gruppe iranischer Oppositionspolitiker, zum Teil kurdischer Volkszugehörigkeit, ab. Dabei wurden vier Funktionäre der oppositionellen "Demokratischen Partei Kurdistans/Iran" (DPK/I), darunter deren Generalsekretär und der für Europa zuständige Vertreter der Partei, getötet. Unter den zunächst vorläufig Festgenommenen befanden sich auch einige hier als Mitglieder bzw. Anhänger der "Hizb Allah" bekannte libanesische und iranische Staatsangehörige. Am 8. Oktober 1992 wurde der seit langem in Berlin ansässige iranische Staatsangehörige Kazem D. festgenommen. D. steht unter dem Verdacht, maßgeblich an den Vorbereitungen des Mordanschlages beteiligt gewesen zu sein. Der nach Erkenntnissen des LfV Berlin für den Iran nachrichtendienstlich tätige D. ist führender Funktionär der regimetreuen iranischen "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) und ein- 122 2 - Politischer Extremismus - flußreiches Mitglied der "Hizb Allah" in Berlin. Die "Hizb Allah" verfügt in Berlin über etwa 50 Mitglieder. Sowohl bei der "Hizb Allah" als auch bei der U.I.S.A. [vgl. 2.4.6.1] handelt es sich um Organisationen, die vom Iran gesteuert werden. 2.4.4 Türken Die Aktivitäten der in Berlin im Bereich des politischen Extremismus organisierten Türken stellen ein Spiegelbild der tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konflikte in der Türkei dar. Die Zahl der in extremistischen bzw. extremistisch-beeinflußten Vereinigungen organisierten Türken betrug Ende 1992 etwa 1.700, d.h. ca.-1,2 % der in Berlin im Jahre 1992 melderechtlich erfaßten 138.738 türkischen Staatsangehörigen. Bei der Beurteilung des "Ausländerextremismus" im allgemeinen und insbesondere beim türkischen Extremismus sollte jedoch berücksichtigt werden, daß nicht alle Angehörigen extremistisch-beeinflußter Organisationen deren Zielsetzung vorbehaltlos unterstützen. Vielfach werden Kontakte zu Landsleuten, die Möglichkeit der Pflege von Sitten und Gebräuchen und Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsproblemen gesucht. Oft erliegen jedoch Ausländer dem mit der Hilfe verbundenen Einfluß indoktrinierender Funktionäre. 2.4.4.1 Linksextremistische Organisationen Zu den gewaltorientierten Organisationen der türkischen Neuen Linken, die im Jahre 1992 in Berlin Aktivitäten entwickelten, zählen die Organisationen "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) "Türkische Volksbefreiungspartei/-front" (THKP/-C) "Devrimci Yol" (Revolutionärer Weg) und die verbotene "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke"), die seit ihrem Verbot 1983 auch die Tarnbezeichnung "Avrupa'da Dev Gene" ("Revolutionäre Jugend in Europa") benutzt. 2 - Politischer Extremismus - 123 Die TKP/M-L ist in mehrere Fraktionen zerfallen. In Berlin sind nur die Fraktionen "Maoisten" und "Partizan" als Gewaltpotential von Bedeutung. Während die etwa 40 Aktivisten der "Maoisten" keinen festen Vereinssitz haben, sind die etwa 50 Mitglieder bzw. Anhänger der Fraktion "Partizan" im "Verein der Arbeiter aus der Türkei in Berlin e.V." (TID) mit Sitz im Mehringhof in Kreuzberg organisiert. Mitglieder bzw. Anhänger beider Fraktionen der TKP/M-L haben sich im Berichtszeitraum gemeinsam mit der Gruppe "Antifasist Genclik" und deutschen Autonomen an gewalttätigen Aktionen, u.a. im Anschluß an Demonstrationen, beteiligt. Darüber hinaus dürften sie auch für zumindest einige Übergriffe auf türkische Reisebüros bzw. Bankfilialen verantwortlich zeichnen. Die "maoistische" Fraktion der TKP/M-L gehört zusammen mit der stalinistisch geprägten deutschen Gruppe "Revolutionäre Kommunisten" (RK) dem Dachverband "Revolutionary International Movement" (RIM) mit Sitz in London an, dem etwa 19 maoistische Parteien und Gruppen aus verschiedenen Ländern angehören. Im Berichtszeitraum beteiligte sich die Fraktion "Maoisten" der TKP/M-L an mehreren Protestveranstaltungen der RIM aus Anlaß der Verurteilung des Führers der ebenfalls der RIM angehörenden peruanischen Terror-Organisation "Sendero Luminoso" ("Leuchtender Pfad"), Abimael GUZMAN, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Fraktion "Partizan" führte im Jahre 1992, wie in den Jahren zuvor, eine Spendensammlung zur Unterstützung des "revolutionären Kampfes in der Türkei" durch, bei der in einigen bekanntgewordenen Fällen türkische Geschäftsleute, teilweise unter Androhung von Gewalt, zum Spenden genötigt wurden. In diesem Zusammenhang ist von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen, da sich erfahrungsgemäß viele Betroffene aus Furcht vor Repressalien nicht den Polizeibehörden offenbaren. Zu den gewaltorientierten Türken-Organisationen bzw. -Gruppen zählten im Jahre 1992 auch die im Februar 1983 in der Bundesrepublik Deutschland verbotene "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke") bzw. ihre Nachfolgeorganisation "Avrupa'da Dev Gene" ("Revolutionäre Jugend in Europa") sowie insbesondere die äußerst militante türkische Gruppe "Antifasist Genclik" (Antifaschistische Jugend). 124 2 - Politischer Extremismus - Hauptziel der Gruppe "Antifasist Genclik", die 1989 gegründet wurde und der etwa 30 überwiegend junge Türken sowie einige Deutsche aus dem sog. "Antifa"-Bereich angehören, ist die Bekämpfung des Faschismus in der BRD nicht nur auf der friedlichen legalen Ebene, sondern auch mit Gewalt. Die 'Gruppe bedient sich der Strukturprinzipien einer sog. geschlossenen Gruppe, d.h. gemeinsamer politischer und ideologischer Grundgedanke, innere Abgeschlossenheit, keine Führungspersonen und strikte Abschottung nach außen. Durch die bei der Gruppe "Antifasist Genclik" latent vorhandene Gewaltbereitschaft reagieren deren Angehörige spontan aggressiv. Diese Unberechenbarkeit wird zuweilen selbst von deutschen Autonomen scharf kritisiert und abgelehnt. Neben den vorgenannten gewaltorientierten Organisationen und Gruppen gibt es darüber hinaus ein zahlenmäßig nicht genau bestimmbares unorganisiertes Gewaltpotential, insbesondere unter jungen Türken (sog. Jugendbanden), das sich in der Vergangenheit wiederholt an Ausschreitungen und Plünderungen beteiligt hat. Zwar liegen den Handlungen der meisten dieser Jugendlichen keine politischen Motive zugrunde, gleichwohl bemühen sich sowohl die Gruppe "Antifasist Genclik" als auch die TKP/M-L ständig, dieses Gewaltpotential für ihre Zwecke zu nutzen. 2.4.4.2 Rechtsextremistische Organisationen Die rechtsextremistischen Türken-Organisationen in Berlin verbreiten das Gedankengut der extrem nationalistischen, laizistischen "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP) in der Türkei. In Berlin gibt es vier MCP-orientierte Vereinigungen, mit insgesamt etwa 550 Mitgliedern, die in der Vergangenheit auch unter der Bezeichnung "Idealistenvereine" bekannt wurden: "Großer Idealer Kreis Türkischer Kulturverein Berlin e.V." (BÜD) "Türkische Gemeinschaft in Berlin e.V." (BTO) "Vereinigung der türkischen Jugend in Berlin e.V." (BTGB) und "Türkischer Studentenund Jugendverein e.V." (TÖGD). Diese Vereinigungen waren 1992 in der Lage, für Großveranstaltungen bis zu 2.500 Personen zu mobilisieren. 2 - Politischer Extremismus - 125 Am 15. März 1992 führte die mitgliederstärkste Vereinigung, der BÜD, einen Aufzug unter dem Motto "Moralische Unterstützung der Menschen in Aserbaidschan" durch, an dem sich etwa 2.500 Personen beteiligten, darunter ein aus der Türkei angereister Abgeordneter der "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP). Wichtigstes Ereignis im Jahre 1992 war eine Großveranstaltung der "Idealistenvereine" am 17. April 1992 in der Vereinsräumen des BÜD, auf der als Hauptredner der aus der Türkei angereiste Vorsitzende der MCP, Alparslan TÜRKES, auftrat. An dieser Veranstaltung beteiligten sich etwa 1.000 Personen. Ansonsten beschränkten die genannten Organisationen in Berlin ihre Aktivitäten im Berichtszeitraum überwiegend auf interne Zusammenkünfte und Veranstaltungen aus Anlaß nationaler und religiöser Feiertage. Sicherheitsgefährdende Aktivitäten gingen auch 1992 von den "Idealistenvereinen" nicht aus. 2.4.4.3 Islamisch-extremistische Organisationen Die islamisch-extremistischen Türken bilden mit etwa 17.000 Mitgliedern den mitgliederstärksten Bereich des "Ausländerextremismus" in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Gruppen, deren Mitgliederzahl in Berlin auf etwa 1.000 Personen geschätzt wird, orientieren sich an den Zielen der islamisch-fundamentalistischen "Wohlstandspartei" (RP) in der Türkei, deren Hauptziel die Errichtung einer islamischen Staatsordnung in der Türkei nach dem Muster der Islamischen Republik Iran ist. Die Ziele der RP werden im Bundesgebiet und in Berlin von der "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) mit Sitz in Köln vertreten. Ihre Anhänger sind bestrebt, in der Öffentlichkeit jeden Eindruck einer Mitgliedbzw. Anhängerschaft zur AMGT bzw. zur RP zu vermeiden. Wichtigstes Ereignis der AMGT im Berichtszeitraum war ihr Jahreskongreß am 10. Mai 1992 in der Deutschlandhalle in Berlin. An dem Kongreß beteiligten 126 2 - Politischer Extremismus - sich zwischen 15.000 und 20.000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet und benachbarten Ländern, u.a. Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Österreich. Der als Ehrengast geladene Vorsitzende der "Wohlstandspartei" (RP), Necmettin ERBAKAN, erklärte in seiner Rede u.a., im Gegensatz zum dekadenten und innerlich verfaulten Westen sowie seiner entarteten christlichen Religion stehe der Islam an der Schwelle zu einer besseren und gerechteren Ordnung. Die weltweite politische Entwicklung bedürfe daher einer Partei an der Macht, die eine islamische Politik betreibe. Als weitere islamisch-extremistische Türken-Vereinigung in Berlin ist das "Muslimen Treffund Kulturzentrum" zu nennen, dem etwa 20 Mitglieder angehören. Diese Vereinigung bezeichnet sich als Berliner Repräsentantin des islamisch-fundamentalistischen "Verbandes der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) mit Sitz in Köln, dessen Leiter Cemaleddin KAPLAN der "türkische KHOMEINI" genannt wird. Ziel des Verbandes ist die Schaffung eines islamischen Staates in der Türkei durch eine islamische Revolution nach dem Beispiel KHOMEINIS. Die islamisch-extremistischen Türken in Berlin entwickelten 1992 keine Aktivitäten, die die innere Sicherheit Berlins gefährdeten. 2.4.5 Kurden Das fast geschlossene Siedlungsgebiet der Kurden verteilt sich auf die Türkei, den Irak, den Iran und Syrien sowie auf die frühere UdSSR. Die Zahl der in diesen Gebieten lebenden Kurden wird auf ca. 20 Millionen geschätzt. Etwa die Hälfte von ihnen lebt im Osten der Türkei, dem ärmsten Gebiet des Landes; jeweils ca. ein Viertel lebt im Irak und im Iran. Die Anzahl der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kurden verschiedener Nationalitäten wird auf etwa 300.000 bis 400.000, in Berlin auf ca. 35.000 bis 50.000 Personen geschätzt. Der politische Extremismus kurdischer Gruppen ist eine Folge der seit Jahrzehnten vergeblich erhobenen Forderungen der Kurden nach Unabhängigkeit bzw. Autonomie und kultureller Selbstbestimmung innerhalb der Staaten, in denen das kurdische Volk heute lebt. 2 - Politischer Extremismus - 127 Die mit Abstand aktivste Vereinigung extremistischer Kurden in Berlin und im übrigen Bundesgebiet ist seit Jahren die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Ziel der insbesondere in der Türkei terroristisch operierenden PKK ist ein selbständiger, kommunistisch geprägter kurdischer Nationalstaat unter ihrer alleinigen Führung. In Verfolgung dieses Zieles verübte die PKK in der Vergangenheit auch in Westeuropa, insbesondere auf deutschem Boden, eine Reihe schwerster Straftaten - von gefährlicher Körperverletzung über Entführungen und Brandanschlägen bis hin zu Mordtaten -, die sich vor allem gegen Angehörige konkurrierender Kurden-Organisationen und abtrünnige Mitglieder richteten. Die PKK ist eine straff organisierte, den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus verpflichtete Kaderpartei. Ihre Mitglieder sind der Partei gegenüber zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet; sie verhalten sich konspirativ und benutzen - auch untereinander - Decknamen. Oberste Organe in Europa sind das Exekutivund das Zentralkomitee, dem zahlreiche Gebietskomitees unterstellt sind. In der Bundesrepublik Deutschland bestehen Gebietskomitees in den meisten Großstädten, so auch in Berlin, die aus Gründen einer besseren Kontrolle in einen Nord-, Mittelund Südabschnitt zusammengefaßt wurden. Dem Berliner Gebietskomitee der PKK gehörten im Jahre 1992 etwa 150 Mitglieder bzw. Anhänger an. Treffund Versammlungsort ist das "Kurdische Kulturzentrum BOTAN in Berlin e.V." im Bezirk Kreuzberg. Anläßlich von Großveranstaltungen der PKK außerhalb Berlins gelang es den Berliner PKK-Mitgliedern in letzter Zeit, eine große Anzahl von Sympathisanten zur Teilnahme zu mobilisieren. Schwerpunkte der Aktivitäten des Berliner Gebietskomitees der PKK bildeten im Berichtszeitraum vor allem Aktionen aus Protest gegen die Angriffe der türkischen Armee auf Stützpunkte und Einheiten der PKK im türkisch-irakischen Grenzgebiet, die jährlich in Europa durchgeführte Spendensammlung zur Unterstützung des "Kampfes in der Türkei" sowie die sog. Delegiertenwahlen für ein "Kurdisches Nationalparlament". Neben friedlich verlaufenen Demonstrationen, Kundgebungen und Hungerstreikaktionen kam es besonders im Bundesgebiet in mehreren Großstädten 128 2 - Politischer Extremismuszu zahlreichen Sachbeschädigungen, vereinzelt auch zu Brandanschlägen, von denen türkische Einrichtungen, u.a. Konsulate, Reisebüros und Bankfilialen, betroffen waren. In Berlin kam es nur vereinzelt zu solchen Aktionen. Am 15. August 1992, dem 8. Jahrestag des Beginns der Guerillatätigkeit der PKK in der Türkei, startete die PKK in Westeuropa ihre jährliche Spendenkampagne, bei der sie sich zum Ziel gesetzt hatte, europaweit 10 Millionen DM zu sammeln. In Aufrufen, auch in deutscher Sprache, verheimlichte die PKK nicht, daß die Spenden u.a. dringend für den Kauf von Waffen für ihren militärischen Arm in der Türkei, die "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK), benötigt würden. Wichtigstes Ereignis der PKK in Europa wie auch des Gebietskomitees der Partei in Berlin war im Berichtszeitraum die mit großem Propagandaaufwand angekündigte und im November/Dezember 1992 durchgeführte "Wahl eines Kurdischen Nationalparlaments". In 35 sog. Wahlbezirken bzw. Gebietskomitees wurden im November 1992 in einer ersten Phase 153 "Delegierte", darunter fünf aus Berlin, gewählt; diese wählten in einer zweiten Phase im Dezember 1992 aus ihren Reihen 15 "Abgeordnete". Diese "Abgeordneten", unter denen sich aber kein "Berliner" befindet, sollen die "Kurden aus Europa" im "Kurdischen Nationalparlament" vertreten. Die PKK führte die "Wahlen" in Deutschland trotz einer Untersagung des Bundesministers des Innern durch. Die Untersagung war u.a. damit begründet worden, die "Wahlen" stellten eine Beeinträchtigung der Souveränität völkerrechtlich anerkannter Staaten sowie eine Anmaßung hoheitlicher Rechte auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland dar. 2.4.6 Iraner Der politische Extremismus unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Iranern - in Berlin waren im Jahre 1992 etwa 6.500 iranische Staatsangehörige melderechtlich erfaßt - hat seine Wurzeln in den seit Jahrzehnten andauernden politischen, religiösen und sozialen Konflikten im Iran, die 1979 in der islamischen Revolution und der Übernahme der Macht durch Ayatollah KHOMEINI kulminierten. Dessen Interpretation des Islam bedroht mit ihrer Militanz andere Staaten und greift zu Gewaltmitteln gegen Andersdenkende. Das Regime verfolgt darüber hinaus Dissidenten und Oppositionelle in aller Welt und bestraft sie sogar mit dem Tode. Dabei setzt es nachrichtendienst- 2 - Politischer Extremismus - 129 liehe Mitarbeiter ein, die zu ihrer illegalen Tätigkeit in andere Länder entsandt werden bzw. verdeckt in staatlichen, iranischen Einrichtungen tätig sind. Bei der Beobachtung des politischen Extremismus/Terrorismus unter Iranern in der Bundesrepublik Deutschland unterscheiden die Verfassungsschutzbehörden zwei Bereiche. Zum einen stellen die fanatischen Anhänger des Mullah-Regimes im Iran eine ständige Bedrohung der inneren Sicherheit Deutschlands dar. Zum anderen bilden die in Deutschland aktiven, zum Teil in Vereinigungen organisierten iranischen Oppositionellen einen Gefahrenherd. 2.4.6.1 Regimeanhänger Die außerhalb des Iran lebenden Anhänger des Regimes der Islamischen Republik Iran, bei denen es sich vor allem um vom Iran finanziell unterstützte Studenten handelt, sind überwiegend in regionalen Vereinen organisiert, die dem Dachverband "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) angeschlossen sind. Eine der Hauptaufgaben der vom Iran gesteuerten U.I.S.A. ist die Ausspähung sowie ggf. die Bestrafung von Dissidenten und Oppositionellen. In diesem Zusammenhang wird hier auch auf den bereits erwähnten Mordanschlag am 17. September 1992 im Restaurant "Mykonos" verwiesen, bei dem vier iranisch-kurdische Oppositionelle getötet wurden; bei einem der Tatverdächtigen handelt es sich um den in Berlin ansässigen U.I.S.A.-Funktionär Kazem D. [vgl. 2.4.3.2]. In der Vergangenheit sind Mitglieder der U.I.S.A. bereits mehrfach durch Gewalthandlungen gegen oppositionelle iranische Studenten in Erscheinung getreten. Die U.I.S.A. spricht sich weiterhin für die Bestrafung des Autors des Buches "Satanische Verse", Salman RUSHDIE, aus. In Berlin gehört der "Verein Islamischer Studenten in Berlin-West e.V.", in dem etwa 20 Mitglieder organisiert sind, der U.I.S.A. als Mitgliedsorganisation an. 2.4.6.2 Regimegegner Die extremistischen iranischen Oppositionsgruppen haben im Jahre 1992 weiter an Bedeutung verloren; sie sind nicht nur stark zersplittert, sondern mußten zudem erkennen, daß sich nach dem Tod des Ayatollah KHOMEINI die pragmatische Politik der Regierung RAFSANDJANIs durchgesetzt hat und mit einem baldigen Machtwechsel nicht zu rechnen ist. 130 2 - Politischer Extremismus - Zu den gewaltorientierten Regimegegnem zählen die "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI), deren Ziele in Berlin von dem "Moslem-Studentenverein West-Berlin" mit etwa 25 Mitgliedern vertreten werden, und die "Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran" (O.I.P.F.G.), die in Berlin nur über eine kleine Anhängerschaft verfügt. In der Bundesrepublik Deutschland trat in der Vergangenheit insbesondere die PMOI durch Gewalthandlungen, wie die Erstürmung der iranischen Botschaft in Bonn am 5. April 1992, in Erscheinung, zuletzt am 16. Juli 1992, als Anhänger der PMOI in Potsdam das Fahrzeug des iranischen Außenministers mit Steinen und Eiern bewarfen. 2.4.7 Ausblick * Die Nahost-Friedensgespräche, die zu einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes führen sollen, brachten 1992 keine greifbaren Erfolge. Ihre Ablehnung durch mehr und mehr Palästinenser wächst, die zum bewaffneten Kampf gegen Israel und seine "Verbündeten", vor allem die USA, zurückkehren wollen. Gegenwärtig ist eine Entwicklung zu mehr Gewalt, auch außerhalb Israels, erkennbar. Zudem besteht eine ständige Gefahr von Anschlägen durch radikale Palästinenser-Organisationen, u.a. durch die PFLP-GC und die "Abu-Nidal-Organisation", die ohnehin eine friedliche Lösung des Palästina-Problems bisher strikt ablehnen. Eine andere Folge des Palästinakonfliktes ist der stetige Zulauf, den islamisch-fundamentalistische Gruppen erhalten. Er verstärkt die wachsende Bedeutung, die diese Bewegung aufgrund der seit einiger Zeit anhaltenden Aufbruchsstimmung in der islamischen Welt ohnehin schon hat. In der Bundesrepublik Deutschland sind in diesem Zusammenhang der "Palästinensische Islamische Jihad", die "HAMAS-Bewegung" sowie die "Hizb Allah" zu nennen. Bei einigen dieser Gruppen muß angenommen werden, daß sie über die für Anschläge im Ausland, u.a. auch in der Bundesrepublik Deutschland, erforderliche Infrastruktur verfügen. 2 - Politischer Extremismus - 131 Eine weitere Gefahr für die innere Sicherheit Berlins stellt die PKK dar. Die erhebliche Verschärfung der Situation im türkisch-irakischen Grenzgebiet, eine Folge der massiv vorgetragenen Offensiven der türkischen Landund Luftstreitkräfte gegen die PKK, hat die Stimmung unter den PKK-Mitgliedem weiter aufgeheizt. Damit wächst auch die Gefahr von Gewaltaktionen bzw. "Racheakten" der PKK im Bundesgebiet und in Berlin. Ziele dürften in erster Linie türkische Einrichtungen und Diplomaten sein, wobei lageabhängig - wegen deutscher Waffenlieferungen an die Türkei - mit einer Einbeziehung deutscher Interessen gerechnet werden muß. Eine Gefahr für die innere Sicherheit Berlins geht weiterhin von den gewaltorientierten linksextremistischen Türken-Organisationen und -Gruppen aus, die im Berichtszeitraum durch Gewalthandlungen in Erscheinung getreten sind. Zu diesen zählen die beiden Fraktionen "Maoisten" und "Partizan" der TKP/M-L sowie insbesondere die Gruppe "Antifasist Genclik", die sich seit ihrem Bestehen im Jahre 1989 bis heute mehrfach durch brutale Gewalthandlungen in Erscheinung getreten ist. ") Die Lage im ehemaligen Jugoslawien hat sich bisher nicht auf das Verhalten der in Berlin lebenden etwa 55.000 Angehörigen der verschiedenen Volksgruppen ausgewirkt. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, daß der weitaus überwiegende Teil aus Kroaten besteht und deren "Gegner", die Serben, in Deutschland zahlenmäßig kaum vertreten sind. Dies könnte sich jedoch bei einer veränderten ethnischen Zusammensetzung der anhaltenden Flüchtlingsströme ändern. 3 - Spionageabwehr - 133 3 Spionageabwehr 3 - Spionageabwehr - 135 Spionageabwehr - eine Schwerpunktaufgabe des Verfassungsschutzes Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden gehört es, alle Erkenntnisse über die Vorgehensweise gegnerischer Nachrichtendienste zu sammeln, auszuwerten und in Maßnahmen der Spionageabwehr umzusetzen. Hierzu sind ihnen Befugnisse eingeräumt, die sich von denen der Polizei unterscheiden. So haben die Verfassungschutzbehörden z.B. das Recht, zum Erkennen geheimdienstlicher Agententätigkeit nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, d.h. solche Mittel und Methoden, die der geheimen, vom Gegner nicht wahrnehmbaren Beobachtung dienen, da einem konspirativ gegen die Bundesrepublik Deutschland arbeitenden Gegner häufig nur durch spezifisch nachrichtendienstliche Abwehrmethoden zu begegnen ist. Anders als die Strafverfolgungsbehörden, deren Tätigwerden zumindest den Verdacht einer strafbaren Handlung voraussetzt, setzen die Verfassungsschutzbehörden bei ihrer Arbeit bereits im Vorfeld der Staatsschutzkriminalität an. Eine ihrer wesentlichen Aufgaben ist es, Erkenntnisse über die Vorgehensweise gegnerischer Nachrichtendienste daraufhin zu prüfen, ob ein methodisches Muster sichtbar wird. Gelingt dies, versucht die Spionageabwehr, zu diesem Typus gehörende Fälle aufzudecken. Der Weg von der methodischen Grundlagenarbeit bis hin zur Vermutung eines Spionagefalles und der Erhärtung dieses Verdachts verlangt meistens eine aufwendige Ermittlungstätigkeit. Die Abgabe eines Verdachtsfalles an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden ist daher ein Schritt, der oft erst am Ende umfassender Vorarbeiten der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr steht. Aber auch das Ausräumen eines Verdachts gegen eine Person ist als ein Erfolg für die Arbeit der Spionageabwehr zu betrachten. Die Tätigkeit der Spionageabwehr ist nicht ausschließlich auf die Festnahme von Agenten ausgerichtet. Es ist ebenso wichtig, die Strukturen und die Arbeitsweisen gegnerischer Nachrichtendienste zu erkennen und zu analysieren. Die hierbei erzielten Ergebnisse sind eine erfolgversprechende Grundlage zur Enttarnung von Agenten, ebenso aber auch zur vorbeugenden Beratung spionagegefährdeter Behörden und Wirtschaftsunternehmen. Es wäre daher falsch anzunehmen, daß sich die Erfolge der Spionageabwehr allein in der Zahl der festgenommenen Agenten ausdrücken müßten. 136 3 - Spionageabwehr - Die Aufgaben der Spionageabwehr obliegen im Land Berlin aufgrund der föderalen Gliederung der Verfassungsschutzbehörden dem Landesamt für Verfassungsschutz, das im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des "Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz" (LfVG) tätig wird. Die Aufgabenerfüllung erfolgt dabei in enger Kooperation mit den anderen Landesämtern, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, den weiteren Sicherheitsbehörden Deutschlands und den ausländischen Partnerdiensten. 3.1 Allgemeiner Überblick Auch im Jahre 1992 hielt der politische Wandel in Osteuropa an. Er ließ in der Öffentlichkeit und bei politischen Repräsentanten die Frage aufkommen, ob überhaupt noch eine Gefahr für deutsche Belange durch gegnerische Nachrichtendienste besteht. Nur eine kontinuierlich arbeitende, funktionsfähige Spionageabwehr ist in der Lage, eine Antwort auf diese Frage nach objektiven Maßstäben zu geben. Der Wegfall der Bedrohungssituation infolge des Ost-West-Konfliktes hat nicht dazu geführt, daß durch die in jüngster Zeit entstandenen neuen Staaten in Osteuropa keine Aufklärungsarbeit der jeweiligen Nachrichtendienste betrieben wird. Jeder Staat - unabhängig von seinen politischen Verhältnissen - unterhält Aufklärungsdienste, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeiten. In der Vergangenheit war Berlin als Vier-Sektoren-Stadt aufgrund der politischen und rechtlichen Gegebenheiten ein Schwerpunkt für Aktivitäten fast aller Nachrichtendienste der Welt. Die sog. Ostblockdienste - und hier insbesondere die früheren sowjetischen Nachrichtendienste und das ehemalige MfS - nutzten diese Berliner Verhältnisse (wie z.B. die Insellage, die Vielzahl von Grenzübergängen) aus, um unter für sie sehr günstigen Bedingungen ihre nachrichtendienstliche Arbeit zu erledigen. Die schon im Jahre 1991 begonnene personelle und organisatorische Auflösung der KGB-Vertretung in Berlin-Karlshorst ("Berliner Apparat"), die einmal mit etwa 350 Nachrichtendienstoffizieren besetzt war, wurde nach Beobachtungen des LfV Ende März 1992 beendet. Lediglich ein "Abwicklungsund 3 - Spionageabwehr - 137 Übergabestab", bestehend aus einigen wenigen Offizieren, erledigte die Übergabe von Objekten aus der ebenfalls in Karlshorst befindlichen militärischen Kommandantur heraus. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die abgezogenen Offiziere in das Gebiet der GUS zurückgekehrt. Die Folgen nachrichtendienstlicher Aktivitäten enden nicht zwangsläufig mit der Auflösung eines Nachrichtendienstes. So wurde bereits 1990 festgestellt, daß in einer Reihe von Fällen vom MfS angeworbene, ausgebildete und z.T. langjährig tätig gewesene Agenten von Nachrichtendiensten der ehemaligen Sowjetunion übernommen wurden. Den Verfassungsschutzbehörden gelang es, derartige Übernahmen transparent zu machen und in Einzelfällen zu verhindern. 40 Jahre intensiver Zusammenarbeit zwischen den sowjetischen und den DDR-Nachrichtendiensten mit entsprechender informationeller Verflechtung haben zur Folge, daß die Aufarbeitung des MfS-Komplexes noch nicht abgeschlossen werden kann. 3.2 Träger der Spionageaktivitäten 3.2.1 Nachrichtendienste der GUS-Staaten Mit der Bildung der "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" (GUS) zum Jahresende 1991 endete endgültig die Existenz der Sowjetunion; als Rechtsnachfolgerin sieht sich die Russische Föderation. Folgerichtig fielen dadurch die zentralen Dienststellen des KGB der Sowjetunion, und damit der gesamte Spionageapparat des sowjetischen KGB, in die Hoheitsgewalt Rußlands. Da der gesamte zentrale Bereich des sowjetischen KGB an die Russische Föderation gefallen war, sahen sich die übrigen Republiken der neuentstandenen GUS Anfang 1992 genötigt, eigene Nachrichtendienste aufzubauen. Hierzu wurden die in den Hauptstädten der ehemaligen Unionsrepubliken verbliebenen Diensteinheiten des KGB (Zweigstellen des zentralen sowjetischen KGB) in vielen Fällen als Grundstock übernommen. Diese Tendenz hatte schon vor der Auflösung der Sowjetunion im Streben nach Selbständigkeit der sog. "Republiks-KGB" ihren Ausdruck gefunden. 138 3 - Spionageabwehr - 3.2.1.1 Rußland Im Zuge der Umstrukturierung des ehemaligen KGB in Rußland wurde deutlich, daß die Bestrebungen der Reformkräfte, den zukünftigen Auslandsnachrichtendienst vom innerstaatlichen Sicherheitsapparat strikt zu trennen, zum Erfolg geführt hatten. Am Ende dieses Prozesses existierten in Rußland ein "Ministerium für Sicherheit" (MBR) und der "Aufklärungsdienst der Russischen Föderation" (SWR), deren Entwicklung im folgenden kurz skizziert wird: "Ministerium für Sicherheit" (MBR) Zum Jahreswechsel 1991/92 wurde durch die Verschmelzung des "Interrepublikanischen Sicherheitsdienstes" (MSB), hervorgegangen aus Diensteinheiten des KGB und der "Agentur für Sicherheit der russischen Föderation" (AFB) das russische "Ministerium für Sicherheit" (Ministerstwo Bezopasnosti Rossii) gebildet. Dieses Ministerium, unter Leitung von V. BARANNIKOW, ist der größte und bedeutendste Inlandsnachrichtendienst der "Gemeinschaft unabhängiger Staaten" (GUS), dessen Personalbestand nach offiziellen Angaben etwa 138.000 Mitarbeiter betragen soll. Ungeachtet seiner Aufgabenstellung als Inlandsnachrichtendienst betreibt das MBR im Bereich der Militärabwehr auch Auslandsaufklärung, und zwar in Deutschland aus den Militärobjekten der GUS-Streitkräfte. Beleg für derartige Aktivitäten ist die schon in Presseorganen (Oktober 1992) erwähnte Aktion "MINOLTA" der Verfassungsschutzbehörden. Mit der bundesweiten Maßnahme, die auch Berlin berührte, war es gelungen, ein zehnköpfiges Agentennetz zu enttarnen, das für die Zeit nach dem endgültigen Abzug der GUS-Streitkräfte aufgebaut worden war. Alle enttarnten Agenten waren ehemalige Mitarbeiter des MfS aus unterschiedlichen Lebensbereichen, von der Polizei bis zur Politik. Der Fall zeigt überdies auf, daß auch das MBR durch die Übernahme von Teilen des sowjetischen KGB und dessen durch jahrzehntelange enge Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten der DDR entstandenen Fundus potentielle Nutzungsmöglichkeiten hat. Von einer hohen Dunkelziffer noch nicht enttarnter oder neu geworbener Agenten muß daher ausgegangen werden. 3 - Spionageabwehr - 139 "Aufklärungsdienst der russischen Föderation" (SWR) Aus der für Auslandsaufklärung zuständigen 1. Hauptverwaltung des KGB der Sowjetunion entstand nach deren Auflösung Ende 1991 ein selbständiger russischer "Aufklärungsdienst der russischen Föderation" (Slushba Wneschnej Raswedki) unter Leitung von J. PRIMAKOW. Daß der neue Aufklärungsdienst Rußlands seine nachrichtendienstliche Arbeit trotz veränderter politischer Lage fortsetzt, deutete J. PRIMAKOW im November 1992 bei einem Treffen des Veteranenverbandes der Agenten an: Rußland bleibt eine Großmacht, und eine Großmacht braucht eine Außenpolitik zum Schutz ihrer Interessen. Eine Großmacht braucht auch einen starken Geheimdienst. Noch deutlicher äußerte sich ein hoher Mitarbeiter des SWR, KARPOW, in einem Interview der Zeitung "BILD am Sonntag". Auf die Frage, wie viele russische Agenten noch in Deutschland eingesetzt seien, antwortete KARPOW: Diese Zahlen geben wir natürlich nicht bekannt. Wir können unsere Aufklärung in Deutschland nicht einseitig einstellen und fordern das auch von der deutschen Seite nicht... Ein herausragender Fall beleuchtet diese Tatsache: Aufgrund der Angaben eines Überläufers wurden in einem Fallkomplex, der in den Berichtszeitraum hineinreicht, allein neun Ermittlungsverfahren gegen bis dahin unbekannte Agenten, die im Raum Berlin eingesetzt waren, eingeleitet. . Die Aufklärungsziele reichten in großer Bandbreite von der Berliner Polizei, dem Landeseinwohneramt, den Streitkräften der ehemaligen Schutzmächte bis zum Aufbau eines Perspektivagenten im journalistischen Bereich. Auch im Falle des russischen Aufklärungsdienstes ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, deshalb ist eine sorgfältige Beobachtung seiner Aktivitäten durch die Spionageabwehr geboten. Bezeichnend für das ungebrochene Selbstverständnis der russischen Auslandsspionage sind die Äußerungen KARPOWs im gleichen Interview zur Frage, ob Rußland ehemaligen Spionen und Überläufern, die für die Sowjetunion gearbeitet hatten, Asyl gewähre: 140 3 - SpionageabwehrJa. Wer für uns gearbeitet hat, kann auf unsere Unterstützung und unseren Schutz vertrauen ... 3.2.1.2 Ukraine Nach gesicherten Erkenntnissen wurde im März 1992 in Kiew durch den Beschluß des Obersten Rats der Ukraine ein Gesetz über die Errichtung eines ukrainischen Sicherheitsdienstes erlassen. Dieser Sicherheitsdienst trägt die Bezeichnung "Sluzhba Nationalna Bezbeka Ukrainy" (SNBU). Eine der Abteilungen ist zuständig für den "Nachrichtendienst", jedoch werden deren Aufgaben im Gesetz nicht näher erläutert. Möglicherweise liegt hier die Aufklärungskomponente des neuen ukrainischen Dienstes. Ob und inwieweit aufklärerische Aktivitäten gegen Deutschland unternommen werden, bedarf der Beobachtung durch die Spionageabwehrbehörden. 3.2.1.3 GRU - der militärische Nachrichtendienst In der Sowjetunion existierte neben dem KGB ein militärischer Aufklärungsdienst mit der russischen Bezeichnung "Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije" (GRU), in deutscher Übersetzung "Nachrichtendienstliche Hauptverwaltung des Generalstabs". Im Gegensatz zum KGB hatte die GRU jedoch keine Zuständigkeiten hinsichtlich der inneren Sicherheit der Sowjetunion. Aufgabe der GRU war u.a. die konspirative Beschaffung von Informationen über militärische und rüstungstechnische Objekte sowie über militärisch/politische Strategien und Taktiken anderer Staaten. Die nachrichtendienstlichen Operationen richteten sich nicht nur gegen militärische, sondern auch gegen politische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Einrichtungen, jedoch jeweils unter militärischen Aspekten. Das geteilte Deutschland und die hier stationierten Streitkräfte der westlichen Verbündeten waren bevorzugte Aufklärungsziele, wobei die in der DDR stationierten Streitkräfte der Sowjetunion sowie die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten der ehemaligen DDR eine gute operative Ausgangslage boten. 3 - Spionageabwehr - 141 Die Veränderungen in der Sowjetunion und deren Auflösung ließen die GRU im wesentlichen unberührt; durch den Wegfall der KGB-Kontrolle verbesserten sich sogar die Arbeitsmöglichkeiten dieses Dienstes. Die Personalstärke der GRU blieb 1992 nahezu unverändert. Ende 1991 wurde die GRU zumindest nominell dem Oberkommando der vereinigten Streitkräfte der Gemeinschaft Unabhänigiger Staaten (GUS) unterstellt. Nach neueren Erkenntnissen kann davon ausgegangen werden, daß die GRU inzwischen dem russischen Verteidigungsministerium und damit der Befehlsgewalt Rußlands (Russische Föderation) untersteht. Die Präsenz der GRU in Deutschland u.a. in den Legalresidenturen und in den Militärobjekten der noch verbliebenen GUS-Streitkräfte blieb nahezu konstant. Die im Berliner Umland gelegenen militärischen Einrichtungen der GUSStreitkräfte wurden auch im Berichtszeitraum nach Erkenntnissen des LfV von GRU-Offizieren für nachrichtendienstliche Aktivitäten auf dem Gebiet des Landes Berlin genutzt. Bis zum Abzug der letzten Truppenteile im Jahre 1994 wird von dieser Nutzung der sicheren Standorte auszugehen sein. 3.2.2 Andere osteuropäische Nachrichtendienste Die Entwicklung der Nachrichtendienste in den anderen osteuropäischen Staaten ist weiterhin eng verknüpft mit den dortigen Reformund Demokratisierungsprozessen. Der außenpolitische Kurs dieser Staaten ist vorwiegend auf eine Annäherung an westeuropäische Staaten und Institutionen ausgerichtet. Für einige dieser Staaten führt dieser Weg erklärtermaßen über die vermittelnde Hilfe und engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland. Diese Bemühungen haben naturgemäß Auswirkungen auf die nachrichtendienstlichen Aktivitäten gegenüber Deutschland. Sie waren aus der geschilderten Interessenlage heraus rückläufig, teilweise wurden sie eingestellt. Im Berichtsjahr wurden in Berlin nur noch vereinzelt Aktivitäten der polnischen Nachrichtendienste registriert, deren Beobachtung zur abschließenden Klärung andauert. 142 3 - Spionageabwehr - 3.2.3 Nachrichtendienste der Krisenund Schwellenländer Im Jahre 1992 konnten die Verfassungsschutzbehörden zunehmend gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete nachrichtendienstliche Aktivitäten der Krisenund Schwellenländer feststellen. Zu diesen zählen im wesentlichen die von den Rahmenbedingungen des Islam geprägten Staaten Nordafrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens und die noch kommunistisch gelenkten Staaten im asiatischen Raum. Nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden konzentrieren sich die Nachrichtendienste dieser Länder vor allem auf den illegalen Technologietransfer und auf die Beschaffung kriegsfähiger Güter. Im Jahre 1992 wurde aber auch erkennbar, daß sich das nachrichtendienstliche Interesse ebenso auf das Gebiet der klassischen Spionage richtet. Darüber hinaus sind die Übergänge zwischen nachrichtendienstlichen Operationen und staatsterroristischen Aktionen fließend. In den offiziellen Vertretungen dieser Länder sind nachrichtendienstliche Infrastrukturen in Form von Legalresidenturen vorhanden; dies gilt auch für Berlin. 3.3 Hinterlassenschaften der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste 3.3.1 Enttarnung von Agenten Die politischen Veränderungen, die letztlich zum Untergang der DDR und zur Auflösung ihrer einst hoch aktiven Geheimdienste führten, haben veränderte Aufgabenstellungen bei dem zuständigen Spionageabwehrbereich des LfV nach sich gezogen. Da beide DDR-Dienste, das "Ministerium für Staatssicherheit" (MfS) und der "Militärische Nachrichtendienst" (MilND), spätestens seit der Jahresmitte 1990 keine "lebende" Spionage mehr ausübten, ist die Situation seitdem anhaltend dadurch gekennzeichnet, daß nur noch f r ü h e r gegen die Bundesrepublik Deutschland tätige Agenten zu enttarnen sind. Dabei gilt es vor allem, eine evtl. Übernahme durch andere Nachrichtendienste - namentlich durch die russischen (siehe 3.1) - zu verhindern. 3 - Spionageabwehr - 143 Die Ermittlungen des LfV und der Informationsaustausch mit befreundeten Nachrichtendiensten haben zu 26 Verdachtsfällen geführt, die zur exekutiven Weiterbearbeitung an die Strafverfolgungsbehörden (Polizeilicher Staatsschutz in Berlin sowie Generalbundesanwalt) weitergeleitet wurden. Die Erkenntnisgewinnung durch gezielte Befragungen ehemaliger Nachrichtenoffiziere des MfS war zwar im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig, insgesamt gesehen aber für die Enttarnung von Agenten von großer Bedeutung. Der Rückgang der Erkenntnisse ist u.a. auf die Verunsicherung der früheren MfS-Offiziere hinsichtlich der Strafbarkeit ihrer eigenen Tätigkeit als Agentenführer zurückzuführen; diese grundsätzliche Frage liegt seit längerem dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. In Einzelfällen wurden Hinweise auf Agenten von nicht akzeptablen Forderungen abhängig gemacht. Durch die Befragungen konnten auch wertvolle Erkenntnisse über die personellen Strukturen des MfS gewonnen und zahlreiche Originalunterlagen, die inzwischen zuständigkeitshalber an die "Gauck-Behörde" weitergeleitet worden sind, entgegengenommen werden. Der Kreis derjenigen, die durch die Preisgabe ihres Wissens einen Schlußstrich unter ihre MfS-Vergangenheit gezogen haben, reicht vom einfachen MfS-Offizier bis zum -General. 3.3.2 Fortsetzung bundesweiter Maßnahmen Neben der Einzelfallbearbeitung zur Enttarnung von Agenten hat sich das LfV auch an bundesweiten Ermittlungsund Befragungsmaßnahmen unter Federführung des Bundesamtes für Verfassungsschutz beteiligt. So wurde die bereits im Jahre 1991 begonnene Befragungsaktion sog. "Offiziere im besonderen Einsatz" (OibE) fortgesetzt und im Berichtszeitraum vorerst abgeschlossen. OibE waren hauptamtliche MfS-Angehörige, die unter Verschleierung ihres Dienstverhältnisses zum MfS in allen Lebensbereichen der DDR eingesetzt waren, vereinzelt aber auch als Auslandsagenten eingesetzt wurden. Durch die Maßnahme konnten zwar keine weiteren Agenten ermittelt werden, jedoch ist eine Vielzahl interessanter Informationen über Strukturen, Personen und Objekte des ehemaligen MfS angefallen. 144 3 - Spionageabwehr - Hinsichtlich der in der DDR eingesetzten OibE muß die bisherige Erkenntnislage zum Teil revidiert werden. Während bislang davon ausgegangen wurde, daß Offiziere dieser speziellen Kategorie einem ganz besonderen Anforderungsprofil genügen mußten, weil sie ihren geheimdienstlichen Auftrag abgesetzt von ihrer Diensteinheit unter erschwerten konspirativen Bedingungen zu erfüllen hatten, hat die Befragungsmaßnahme jetzt offengelegt, daß es sich häufig um Offiziere handelte, die wegen privater oder dienstlicher Verfehlungen sowie mangelnder Arbeitsleistungen von ihren Diensteinheiten abgeschoben wurden (Strafversetzungen). Gelegentlich sind Personen auch zu OibE ernannt worden, ohne daß sie vorher in einem hauptamtlichen Dienstverhältnis zum MfS standen. Beispiel: Ein Zöllner bewirbt sich um eine höher dotierte Stelle seines Dienstbereiches. Erst dabei erfährt er, daß diese Stelle aus dem Haushalt des MfS bezahlt wird. Die Beförderung ist für ihn nur möglich, wenn er vorher hauptamtlich in den Dienst des MfS eintritt und künftig als OibE tätig wird. Ferner beteiligte sich das LfV Berlin an einer bundesweiten Suchmaßnahme zur Enttarnung von Agenten, die in der Vergangenheit mit falschen biographischen Daten und total gefälschten Personalpapieren in die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust wurden (sog. "Illegale"). Die Einschleusung von "Illegalen" gehörte seit jeher zu den klassischen Vorgehensweisen gegnerischer Nachrichtendienste, wobei auch in diesem Bereich besondere Aktivitäten - quantitativ und qualitativ - von den DDRDiensten entwickelt wurden. Die Einschleusungsmethoden waren vielfältig und ideenreich; die Vorbereitung der Agenten auf ihren Westeinsatz äußerst aufwendig und sorgfältig. Bereits vor der deutschen Vereinigung verfügten die Verfassungsschutzbehörden über gesicherte Erkenntnisse, daß die Einschleusungswege der Agenten bevorzugt über Berlin führten. Hieraus leitet sich ab, daß das LfV Berlin nunmehr auch bei der im Berichtszeitraum durchgeführten Suchmaßnahme schwerpunktmäßig betroffen war. Durch die Maßnahme konnte bundesweit bereits eine Reihe von "Illegalen" erkannt werden. Die Suche wird auch im Jahre 1993 fortgesetzt, weil zu 3 - Spionageabwehr - 145 befürchten ist, daß die noch nicht Enttarnten ein besonderes Werbungspotential für noch aktive Spionagedienste darstellen. 3.3.3 Überwachung des Telefonverkehrs durch das MfS Erst durch die kontinuierliche Aufarbeitung der Hinterlassenschaften der ehemaligen DDR-Geheimdienste - vor allem des MfS - wird nach und nach der tatsächliche Umfang der früheren Spionageaktivitäten auch für die Öffentlichkeit sichtbar. Besonders deutlich wird dies an dem technischen und personellen Aufwand, mit dem der westliche Telefonverkehr überwacht wurde. Neben der bereits bekannten Tatsache, daß die über Richtfunk abgewickelten Telefongespräche - insbesondere auf der Funkstrecke zwischen Berlin und dem Bundesgebiet - im großen Stil abgehört wurden, konnte nunmehr durch Befragung ehemaliger MfS-Mitarbeiter bestätigt werden, daß auch in das innerstädtische Telefonnetz Berlins eingegriffen wurde. Die heutige Erkenntnislage belegt, daß die bereits im März 1986 zufällig von Postbediensteten entdeckten Kleinstsender in zwei grenznahen West-Berliner Telefonzellen (Invalidenstraße und Bomholmer Straße) durch Techniker des MfS installiert wurden. Zu diesem Zweck wurde ein in den Farben der Bundespost lackiertes Fahrzeug eingesetzt und der vorher in Ostberlin trainierte Einbau "generalstabsmäßig" durchgeführt, obwohl in diesem Bereich ständig Polizei und Zoll präsent waren. Das LfV ist damals schon von einer Urheberschaft des MfS ausgegangen. Wie jetzt bekannt wurde, ist dieser schwerwiegende Eingriff in das Fernmeldegeheimnis durchgeführt worden, nachdem das MfS beobachtet hatte, daß die grenznahen Telefonzellen bevorzugt von in Ostberlin akkreditierten Diplomaten westlicher Staaten genutzt wurden. In der trügerischen Annahme, auf West-Berliner Boden vor gegnerischem Mithören sicher zu sein, sollen dabei nahezu regelmäßig auch wichtige Telefonate mit geheimzuhaltenden Inhalten geführt worden sein. Durch die technische Konstruktion der Minisender war eine über fünfjährige kontinuierliche Abhörung aller von diesen Telefonzellen geführten Gespräche möglich. 146 3 - Spionageabwehr - 3.3.4 Einflußnahme des MfS auf ein früheres Presseorgan Ein zeitlich zwar weit zurückliegender, jedoch im Hinblick auf eine spezielle Arbeitsweise gegnerischer Nachrichtendienste heute noch interessanter Fall einer "aktiven Maßnahme" war die "Operation EXTRADIENST" der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des MfS. "Aktive Maßnahmen" von Nachrichtendiensten zielen darauf ab, auf die Innenund Außenpolitik anderer Staaten Einfluß zu nehmen, ihre Beziehungen untereinander zu stören und ihre Institutionen und politischen Repräsentanten zu diskreditieren. Das ehemalige MfS verfügte mit der Abteilung X der HVA über einen leistungsfähigen Apparat, um im Wege "aktiver Maßnahmen" Einfluß auf die öffentliche Meinung der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen. Signifikant wird diese Vorgehensweise am Beispiel des "Berliner EXTRADIENST", dessen Herausgeber der inzwischen verstorbene Journalist G. war. Schon früh hatte das LfV Berlin die durch Indizien gestützte Vermutung gehegt, daß der "Berliner EXTRADIENST" nicht nur vom MfS gesteuert, sondern auch durch finanzielle Zuwendungen am Leben erhalten wurde. Beide Vermutungen konnten im Jahre 1992 im Zuge von Ermittlungen des LfV bestätigt werden. Hiernach hatte der damalige Leiter der HVA, Markus WOLF, Mitte der 60er Jahre die Weisung erteilt, die sich entfaltende sog. "APO-Bewegung" im Interesse der DDR zu nutzen. Im Auftrag der HVA gründete G. im Jahre 1967 den "Berliner EXTRADIENST", der mangels ausreichender wirtschaftlicher Grundlage einen jährlichen Zuschuß des MfS in Höhe von ca. 100.000,-DM erhielt. Als unverfängliche Verbindungsschiene wurde u.a. der VDJ (Verein der Journalisten) im damaligen Ost-Berlin genutzt, wo Redakteure und Journalisten des Blattes sog. "Informationsgespräche" mit den dortigen "Kollegen" führten, die entweder MfS-Angehörige waren oder aber von dort gesteuert wurden, sowie Materialien für die geplanten Veröffentlichungen entgegennahmen. So war es mit der "Operation EXTRADIENST" dem MfS und damit der DDR jahrelang möglich, unter Nutzung der damals herrschenden antiparlamentarischen Strömung mit einem Presseorgan destruktiv auf die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einzuwirken. 3 - Spionageabwehr - 147 3.4 Präventive Spionageabwehr Zu den elementaren präventiven Vorkehrungen auf dem Gebiet der Spionageabwehr gehören die Maßnahmen des vorbeugenden personellen und materiellen Geheimschutzes in den Behörden des Landes Berlin und der Wirtschaft. Damit eine dem neuesten Stand der Methoden der gegnerischen Nachrichtendienste angepaßte Arbeit des Bereiches Geheimschutz erfolgen kann, werden diesem für die Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen, Geheimschutzberatungen und für das Aufgabengebiet "Geheimschutz in der Wirtschaft" die aktuellen Erkenntnisse aus der Arbeit der Spionageabwehr zugänglich gemacht. Es entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß eine Sicherheitsüberprüfung nur mit Zustimmung des zu Überprüfenden erfolgen darf. Die erforderlichen personenbezogenen Daten werden von dem Betroffenen selbst mitgeteilt und die Überprüfungsmaßnahmen offen durchgeführt. Im Falle einer für ihn nachteiligen Entscheidung hat der Betroffene Anspruch auf rechtliches Gehör. 3.4.1 Geheimschutz in Landesbehörden Eine Rückschau auf das Jahr 1992 führt zu der Feststellung, daß die Zahl der von den Behörden des Landes Berlin beantragten Sicherheitsüberprüfungen im wesentlichen gleich geblieben ist. Ein Arbeitsschwerpunkt war erneut die Überprüfung von etwa 1.000 Personen aus dem Beitrittsgebiet der ehemaligen DDR und Ost-Berlin, die vor allem bei der Berliner Polizei in sicherheitsempfindlichen Bereichen Verwendung finden sollten. Nicht bei allen Überprüften wurden aufgrund der früheren Zugehörigkeit zum MfS Sicherheitsbedenken erhoben. Soweit eindeutig nachzuweisen war, daß sie im MfS der früheren DDR lediglich untergeordnete, nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßende Tätigkeiten ausgeübt hatten, ist von Sicherheitsbedenken Abstand genommen worden. 148 3 - Spionageabwehr - In etwa gleicher Größenordnung lag die Anzahl der vorgeschriebenen Wiederholungsüberprüfungen und der Überprüfungen von Mitarbeitern privater Firmen, die in Sicherheitsbereichen des öffentlichen Dienstes eingesetzt werden. Das LfV führte bei zahlreichen Dienststellen des Landes Berlin Beratungen über die zur Sicherheit von Verschlußsachen zu treffenden technischen und nichttechnischen Maßnahmen durch und konnte entsprechende Empfehlungen geben. Einen Schwerpunkt bildeten hierbei u.a. auch Beratungen bei Bauvorhaben. Im Verlauf der Gespräche mit den Geheimschutzbeauftragten einzelner Dienststellen bzw. den für die Verwaltung von Verschlußsachen zuständigen Mitarbeitern wurde erreicht, daß die verschiedentlich noch vorhandenen Tendenzen, dem Schutz von Verschlußsachen nach dem Wegfall der Bedrohung durch die Nachrichtendienste der DDR weniger Bedeutung beizumessen, einer sicherheitsbewußteren Einstellung gewichen sind. Unterstützt wurden diese Sicherheitsberatungen durch die Verteilung bzw. den Versand von Geheimschutzwerbemitteln. 3.4.2 Geheimschutz in der Wirtschaft Durch den Geheimschutz in der Wirtschaft sollen Unternehmen, die der Geheimhaltung unterliegende staatliche Aufträge ausführen, vor Ausspähung durch gegnerische Nachrichtendienste und Sabotage geschützt werden. 'Das LfV wirkt auf Ersuchen der zuständigen Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen mit, die in sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen. Es ist davon auszugehen, daß die Zahl der Personenanfragen im Zusammenhang mit der Ausgestaltung Berlins zum Parlamentsund Regierungssitz und den damit verbundenen sicherheitsempfindlichen Bauvorhaben in den nächsten Jahren ansteigen wird. Die Unternehmen werden darüber hinaus auf Wunsch in allen Sicherheitsfragen beraten, insbesondere darüber, wie sie sich vor gegnerischer Ausfor- 3 - Spionageabwehr - 149 schung, vor nachrichtendienstlich gesteuerter Sabotage und vor terroristischen Anschlägen schützen können. 3.5 Bürgerberatung Die präventive Arbeit der Spionageabwehr hat nicht allein das Ziel, die Anwerbung von Bürgern durch fremde Geheimdienste zu erschweren; sie hat auch die Aufgabe, Personen, die sich bereits nachrichtendienstlich verstrickt haben, zu helfen. Strafbar macht sich nach dem Strafgesetzbuch nicht nur derjenige, der für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, sondern auch derjenige, der sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt. Dabei reicht schon eine mündliche Erklärung z.B. gegenüber einem Angehörigen eines fremden Geheimdienstes aus. Die Strafbarkeit entfällt nicht, wenn der Täter, entgegen seiner Erklärung, keine nachrichtendienstliche Tätigkeit entfaltet. Die Strafgesetze enthalten jedoch Bestimmungen, nach der das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen kann, wenn sich ein Betroffener von sich aus einer Behörde gegenüber offenbart. Jedem von einem Anbahnungsversuch fremder Geheimdienste betroffenen Bürger kann deshalb geraten werden, sich vertrauensvoll an die zuständige Spionageabwehrbehörde zu wenden. Wer mit Sachverhalten konfrontiert worden ist, die auf einen nachrichtendienstlichen Hintergrund schließen lassen, oder wer von Aktivitäten gegnerischer Nachrichtendienste Kenntnis erhalten hat, wird daher gebeten, sich an die zuständige Verfassungsschutzbehörde zu wenden. Das LfV Berlin steht jederzeit - auch in Zweifelsfällen - für ein Gespräch zur Verfügung. Die Beratungsstelle des LfV ist unter der Telefonnummer 867 42 16 zu erreichen. Selbstverständlich werden alle Informationen und Hinweise vertraulich behandelt; dies gilt auch für Angelegenheiten auf dem Gebiet des politischen Extremismus. 150 3 - Spionageabwehr - 3.6 Ausblick Aus den Entwicklungen des Jahres 1992 lassen sich für die künftige Abwehrarbeit des LfV Berlin folgende Schlüsse ziehen: Die osteuropäischen Nachrichtendienste befinden sich in einer noch andauernden Phase des Umbruchs, die mit einer Neubestimmung ihrer Aufklärungsziele und -methoden verbunden ist. Als Grundtendenz ist inzwischen erkennbar, daß dafür die nationale Interessenlage der jeweiligen Staaten im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland bestimmend ist. Art und Umfang der Spionageaktivitäten dürften daher in Zukunft jeweils vom Stand der bilateralen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen geprägt sein. Führende Repräsentanten, namentlich aus Rußland und Polen, halten die Aufklärungsdienste ihrer Staaten weiterhin für ein notwendiges Mittel der Politik. Sie sehen darin keinen Widerspruch zu den Bemühungen um gegenseitige Annäherung und Zusammenarbeit auch in sicherheitspolitischen Fragen. Vor diesem Hintergrund ist eine Fortsetzung der Beobachtung jener osteuropäischen Nachrichtendienste erforderlich, die nach wie vor in einer beachtlichen Größenordnung in Berlin präsent und aktiv sind. Ein besonderes Augenmerk wird das LfV in Zukunft auch auf die Nachrichtendienste sog. Krisenund Schwellenländer zu richten haben, deren Aktivitäten nicht nur die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch die innere Sicherheit gefährden. Die Tätigkeit der Spionageabwehr ist in diesem Bereich darauf gerichtet, jeweils im Vorfeld zollrechtlicher und strafprozessualer Maßnahmen jegliche nachrichtendienstlich gesteuerte Beschaffung kriegsfähiger Güter (sog. sensitive Exporte) sowie den illegalen Transfer geschützter (Rüstungs-)Technologien aufzuklären. Darüber hinaus gilt es, von Nachrichtendiensten dieser Länder geplante (staats-)terroristische Aktionen gegen Personen und Einrichtungen im 3 - Spionageabwehr - 151 Bundesgebiet frühzeitig zu erkennen, damit von den zuständigen Stellen geeignete Abwehrmaßnahmen ergriffen werden können. Das Kapitel MfS kann vorerst noch nicht abgeschlossen werden. Die Enttarnung von früheren MfS-Agenten, die noch immer unentdeckt in Staat und Gesellschaft leben und möglicherweise schon für einen anderen fremden Nachrichtendienst agieren, dürfte auch in nächster Zeit eine unverzichtbare Aufgabe der Spionageabwehr sein. Ferner hat das LfV Berlin auf diesem Gebiet mit Inkrafttreten des neuen Landesverfassungsschutzgesetzes die Aufgabe erhalten, frühere, fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste festzustellen. Die mehr als 100.000 ehemaligen Mitarbeiter der aufgelösten Dienste, von denen etwa 35.000 in Berlin leben, bilden zumindest teilweise ein Risikopotential für die innere Sicherheit. Das LfV Berlin hat sich inzwischen auf die grundlegenden Veränderungen, die im Bereich der Spionageabwehr nicht zuletzt durch die Auflösung der DDRNachrichtendienste eingetreten sind, sowohl strukturell als auch konzeptionell eingestellt. Die notwendigen Anpassungen bilden eine wesentliche Voraussetzung dafür, auch künftig allen illegalen Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in Berlin durch geeignete Abwehrmaßnahmen begegnen zu können. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 153 4 Anhang I Kurzdarstellungen wichtiger extremistischer Organisationen 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 155 4.1 Linksextremismus 4.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 4.1.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, die sich in einem "bewaffneten antiimperialistischen Kampf" sah und über militärische Offensiven eine "einheitliche antiimperialistische Front in Westeuropa" als Zwischenetappe zu einer kommunistischen Gesellschaft anstrebte. Ihr illegaler Kern (Kommandobereich) besteht aus etwa 1 5 - 2 0 Personen. Offensiven der RAF wurden durch Brandund Sprengstoffanschläge der "Militanten der RAF", die als "zweite kämpfende Ebene" in die RAF eingebunden waren, unterstützt. Angaben über deren personelle Stärke sind nicht möglich. Zur Zeit hat die RAF zwar in Form der "Kommandoerklärung" vom 10. April 1992 die "Rücknahme der Eskalation" angekündigt, aber gleichzeitig erklärt, sie werde den bewaffneten Kampf aufnehmen, falls der Staat nicht ihre Forderungen erfülle. Das bundesweit aus ca. 250, in Berlin aus ca. 50 Personen bestehende RAFUmfeld, davon ca. 15 im engeren RAF-Umfeld agierende Aktivisten, unterstützt die RAF propagandistisch und übt als Sprachrohr der RAF eine wichtige Vermittlerrolle aus. 4.1.1.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Kleingruppen ohne erkennbare Struktur, die mit z.T. schweren Sprengstoffund Brandanschlägen, Sabotageakten und "Bestrafungsaktionen", wie Knieschüssen, ein auf Breitenwirkung angelegtes - teilweise "sozialrevolutionäres" Konzept - verfolgen. Die RZ knüpfen hierbei in der Regel an aktuelle gesellschaftliche Probleme an. 156 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.1.1.3 Autonome Lose strukturierte Zusammenschlüsse - teilweise auch Einzelpersonen ohne Gruppenzusammenhang - mit diffusen anarchistischen, nihilistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Zielen. Sie befürworten und praktizieren militante Aktionen, wie öffentliche gewalttätige Protestaktionen, aber auch Brandund Sprengstoffanschläge, im Kampf gegen "das System". Die Zahl der Autonomen wird bundesweit auf etwa 5.000 Personen geschätzt, auf Berlin entfallen davon etwa 1.200. Organe: "radikal", "INTERIM", "Besetzerinnen Zeitung". 4.1.2 Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Gruppen 4.1.2.1 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der stalinistisch ausgerichtete AB, 1973 durch Zusammenschluß "Sozialistischer Betriebsgruppen" mit "Arbeiter-Basis-Gruppen" in Bayern entstanden, hat sich über Linienkämpfe faktisch in zwei gleich große Fraktionen gespalten. Bundesweit verfügt der AB über etwa 200 Anhänger, in Berlin besteht eine Splittergruppe. Organ: "KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung", mtl. 4.1.2.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der 1980 als Abspaltung des "Kommunistischen Bund Westdeutschland" (KBW) gegründete BWK strebt die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates" an. Der BWK verfügt bundesweit über etwa 300 Mitglieder; in Berlin sind etwa 20 Personen im BWK organisiert. Organ: "Politische Berichte", 14tgl., Aufl.: 1.200. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 157 4.1.2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 1968 als "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/M-L) gegründet, 1980 in KPD umbenannt. 1986 Fusion der Mehrheitsfraktion mit der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) zur "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP). Verblieben sind Splittergruppen, von denen jede für sich den bisherigen Parteinamen beansprucht und die insgesamt etwa 70, in Berlin etwa 30, Mitglieder umfassen. Organe: "Roter Morgen", mtl., "Roter Blitz", mtl., Aufl.: jeweils 200 bis 300. 4.1.2.4 "Kommunistischer Bund" (KB) Der 1971 gegründete KB hat sich auf seinem letzten Kongreß am 20. April 1991 aufgelöst. Eine Minderheitsfraktion gründete am 7. Juli 1991 die "Gruppe K". Publikation: "ak (neue folge) analyse & kritik-Zeitung für linke Debatte und Praxis", mtl., Aufl. 4.600. 4.1.2.5 "Gruppe K" Die aus einer Minderheitsfraktion des im April 1991 aufgelösten "Kommunistischen Bundes" (KB) hervorgegangene Gruppe mit etwa 80 Mitgliedern wurde am 7. Juli 1991 in Dortmund formell gegründet. Sie hält ideologisch am Ziel des Kommunismus fest. Ein Hauptzweck der Organisation liegt nach eigenem Bekunden in den Bereichen der Analyse sowie der Theorieund Strategieentwicklung. Publikation: "Bahamas", unreg. 4.1.2.6 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete, aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) hervorgegangene MLPD bekennt sich zur Theorie des 158 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - Marxismus-Leninismus in seiner Interpretation durch MAO ZEDONG. In der MLPD sind bundesweit 1.700 Mitglieder organisiert, in Berlin gehören ihr bis zu 100 Personen an. Zentralorgan: "Rote Fahne", wo., Aufl.: 6.000. Nebenorganisation: "REBELU'-Jugendverband der MLPD. 4.1.2.7 "Marxistische Gruppe" (MG) Die Anfang der 70er Jahre aus "Roten Zellen" hervorgegangene MG hat sich am 20. Mai 1991 formell selbst "aufgelöst". Intern wahrte sie jedoch ihren Zusammenhalt. Zum Zeitpunkt der Auflösung hatte die MG bundesweit mehr als 10.000 Anhänger. Publikationen: Die Herausgabe der Periodika "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ), "Marxistische Hochschulzeitung" (MHZ) und "Marxistische Streitund Zeitschrift" (MSZ) (Aufl.: bis zu 10.000) wurde im Mai 1991 eingestellt. Als neue Zeitschrift erscheint seit März 1992 "GegenStandpunkt", vj. 4.1.2.8 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Ein nach stalinistischem Prinzip organisierter Zusammenschluß von deutschen Anhängern der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM). Diesem 1984 entstandenen Dachverband (Sitz: London) gehören derzeit 19 revolutionäre Parteien und Zusammenschlüsse aus verschiedenen Ländern an. Als deutsche Gruppierung der RIM verfügen die RK - mit regionalem Schwerpunkt in Berlin - über etwa 150 Anhänger. Publikation: "Aufstand-Zeitung der Revolutionären Kommunisten (BRD)", unreg. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 159 4.1.2.9 "Rote Hilfe e.V." (RH) 1975 gegründete Rechtsund Hafthilfeorganisation der "Neuen Linken", die maßgeblich von Mitgliedern/ehemaligen Mitgliedern mehrerer K-Gruppen getragen wird und bundesweit über 700, in Berlin über etwa 100 Mitglieder verfügt. Publikationen: "Die Rote Hilfe", vj., Aufl.: 2.000 bis 2.500; in Berlin: "Rote Hilfe Info", mtl. 4.1.2.10 "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) 1979 von der damaligen KPD/ML gegründete "antifaschistische" Bündnisorganisation mit einem hohen Anteil von Mitgliedern des BWK und der VSP; in den Führungsgremien dominieren inzwischen Mitglieder des BWK. Die Volksfront hat derzeit 400 Mitglieder, von denen unter 20 im "Landesverband Westberlin" organisiert sind. Publikationen: "Antifaschistische Nachrichten", 14tgl., Aufl.: 600; "Volksecho", vj., Aufl.: 800; in Berlin: "frontblatt", mtl., Aufl.: 300. 4.1.2.11 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die 1986 aus einer Fusion der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) hervorgegangene VSP umfaßt bundesweit etwa 300 Mitglieder, die in zahlreichen Ortsgruppen u.a. im Westteil Berlins organisiert sind. Organ: "SoZ - Sozialistische Zeitung", 14 tgl., Aufl.: 2.500. 4.1.2.12 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Am 20. November 1991 von ehemaligen SEW/SI-Funktionären gegründete "orthodox"-kommunistische Kernorganisation. Der DKP-Bezirksorganisation Berlin-Brandenburg gehören derzeit ca. 50 Mitglieder an. Publikation: "Kommunistische Korrespondenz" - Zeitung der DKP-Berlin-Brandenburg -. 160 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.1.2.13 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die seit Anfang 1991 auch in Berlin bestehende SDAJ ist die Jugendorganisation der DKP, von der sie als "Kaderreserve" angesehen wird. Der SDAJ Berlin-Brandenburg gehören etwa zehn Mitglieder an. Publikation: "position" - magazin der SDAJ -. 4.1.2.14 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Am 31. Januar 1990 in Ost-Berlin für das Gebiet der ehemaligen DDR wiedergegründete "orthodox"-kommunistische Kernorganisation mit gesamtdeutschem Anspruch. In Ost-Berlin gehören ca. 40 Mitglieder der KPD an. Publikation: "Trotz alledem" - Monatsschrift der "Kommunistischen Partei Deutschlands". 4.1.2.15 "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) Am 21. April 1991 konstituierten sich in Berlin vier marxistisch-orientierte Organisationen bzw. Parteien zum SRMP. Die beteiligten Parteien wollen unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit solidarisch zusammenarbeiten. Ziel des Zusammenschlusses ist nach der erklärten Absicht seiner Gründer, "zur Bildung einer einheitlichen revolutionären Klassenpartei beizutragen". 4.1.2.16 "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) Der 1971 gegründete BSA, dem bundesweit unter 100 Mitglieder angehören, sieht im Kampf gegen "Stalinismus und Kapitalismus" die zentrale Achse seines Programms. Er gehört dem internationalen trotzkistischen Zusammenschluß "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) als deutsche Sektion an. Organ: "neue ARBEITERPRESSE", wo. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 161 4.1.2.17 "Gruppe Avanti" Die "Gruppe Avanti" ist im September 1992 aus einem Zusammenschluß von Anhängern der internationalen trotzkistischen Bewegung "IV. Internationale (Vereinigtes Sekretariat)" (VS) entstanden. Ihr gehören ehemalige Mitglieder der VSP sowie die Angehörigen der "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" (GRS) an. Die GRS hat mit dem Zusammenschluß ihren Namen aufgegeben; ihre Mitglieder bezeichnen sich jetzt als Mitglieder der Vierten Internationale. Ziel der Gruppe ist die "Herstellung verbindlicher Strukturen der Vierten Internationale sowie die Rekonstruktion einer Sektion in Gesamtdeutschland". Publikation: " "Avanti-Zeitung der Gruppe Avanti (Vierte Internationale)", mtl. "INPREKORR - Internationale Pressekorrespondenz - deutschsprachiges Informationsorgan des Vereinigten Sekretariats der IV. Internationale in der Bundesrepublik Deutschland", mtl., Aufl.: 1.000. 4.1.2.18 "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) Die 1979 gegründete ISA, deutsche Sektion der "IV. Internationale (Internationales Zentrum für ihren Wiederaufbau)" - IZ -, ging aus einer Gruppe um die trotzkistische Zeitschrift "Internationale Arbeiterkorrespondenz" (IAK) hervor und umfaßt etwa 250 Mitglieder, davon etwa 20 in Berlin. Organ: "Sozialistische Arbeiterzeitung" (SAZ), dt. Beilage der mtl. Zeitschrift "Internationale Tribüne - La Verite", die vom Generalrat der "IV. Internationale (IZ)" herausgegeben wird. 4.1.2.19 "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) 1989 mit dem Ziel, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Jugendliche zur Mitarbeit zu gewinnen, von der ISA gebildete Tarnorganisation. Organ: "Freie Tribüne für Arbeitnehmerpolitik", wo. 162 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.1.2.20 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Die 1969/70 aus dem Frankfurter SDS hervorgegangene SAG ist die deutsche Sektion der internationalen Strömung "Internationale Sozialisten" (IS), die ihren Ursprung in Großbritannien hat. Die etwa 250 Mitglieder sind in mehreren Ortsgruppen u.a. in Berlin organisiert. Die SAG erstrebt über Betriebsund Gewerkschaftsarbeit den Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei. Publikation: "Klassenkampf", mtl., Aufig.: über 3.000. 4.1.2.21 "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) Im Januar 1990 in Berlin gegründeten SpAD, deutsche Sektion der "Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)" (IKL), gehören etwa 150 Mitglieder an. Vorläuferorganisationen waren die 1974 gegründete "Trotzkistische Liga Deutschlands" (TLD) sowie die 1989 auf dem Gebiet der damaligen DDR gegründeten "Spartakist-Gruppen". Organ: "Spartakist", mtl. 4.1.2.22 "Gruppe Arbeitermacht" (GAM) Die erstmals 1983 bekanntgewordene Splittergruppe GAM, deutsche Sektion der internationalen trotzkistischen Bewegung "Liga für eine revolutionäre kommunistische Internationale" (LRKI), bildete bis Oktober 1991 eine "revolutionär-kommunistische Fraktion" in der PDS Berlin. Ziel der das Konzept eines "offenen Entrismus" vertretenden GAM ist die Gründung einer "revolutionären Partei". Publikation: "Arbeitermacht", unreg. 4.1.2.23 "Gruppe Spartakus" (GS) Diese Splittergruppe wurde 1983 als "Gruppe IV. Internationale" von Personen gegründet, die aus der damaligen "Trotzkistischen Liga Deutschlands" (TLD) ausgeschlossen worden waren. Seit August 1990 ist diese Gruppe deutsche 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 163 Sektion der internationalen trotzkistischen Bewegung "Bolschewistische Tendenz" (BT) mit Kontaktadressen in Berlin und Hamburg. Publikationen: "Trotzkistisches Bulletin", unreg. "BOLSCHEWIK", unreg. 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 165 4.2 Rechtsextremismus 4.2.1 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) 4.2.1.1 "ASGARD-Bund e.V." Der 1980 unter dem maßgeblichen Einfluß des militanten Neonazis ArnulfWinfried PRIEM gebildete "ASGARD-Bund e.V." versteht sich als Gemeinschaft heidnisch-germanischer Weltanschauung und strebt die Gleichstellung des germanischen Kulturkreises mit den anderen Religionen an. Der Verein tritt inzwischen nur noch durch die jährliche Herausgabe seines "NordischGermanischen Jahrweisers" sowie durch den Handel mit germanisierenden Devotionalien und neonazistischen Videos hervor. 4.2.1.2 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BVV) 1988 in Berlin (West) entstandene neonazistische, politisch weitgehend selbständig operierende Kleinstgruppe, die in den vergangenen Jahren sporadisch mit Klebeaktionen (Holocaust in ISRAEL SCHLUSS MIT DER KNECHTUNG DES PALÄSTINENSISCHEN VOLKES und Schaffendes Deutschland erwache, brich deine Ketten entzwei) in Erscheinung trat. 4.2.1.3 "Deutsche Alternative" (DA) Die 1989 in Bremen gegründete, bundesweit etwa 340 Mitglieder umfassende Organisation vertritt die politischen Ziele des verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN. Von den etwa 20 Berliner Mitgliedern der DA sind einige zugleich Angehörige der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin). Am 10. Dezember 1992 wurde die DA durch den Bundesmimister des Innern verboten. 166 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.2.1.4 "Deutsche Jugendinitiative Berlin11 (DJI) Loses Aktionsbündnis von Anhängern der ehemaligen neonazistischen "Bewegung", der "Nationalistischen Front" (NF) und einigen unorganisierten Neonazis. Seit 1986 tritt die DJI sporadisch mit Flugblattaktionen in der Öffentlichkeit auf. 4.2.1.5 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Seit 1984 von Anhängern der 1983 verbotenen neonazistischen ANS/NA unterwanderte Organisation. Der erst am 20. Oktober 1990 gegründete Landesverband Berlin der FAP ist mit etwa 40 Aktivisten die größte neonazistische Organisation Berlins. Bundesweit gehören der FAP etwa 220 Mitglieder an. 4.2.1.6 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Frühere Bezeichnung für die Anhänger des 1991 verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN; nach dem Tode KÜHNENS nur noch eine Funktionärsgruppe zur Herausgabe der Zeitschrift "Die Neue Front". 4.2.1.7 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 1979 gegründete Organisation zur Unterstützung inhaftierter Neonazis mit etwa 220 Mitgliedern. In Berlin ohne Gliederung, sondern nur Einzelmitglieder. Publikation: "Nachrichten der HNG". 4.2.1.8 "Ku-Klux-Klan" (KKK) 1865 in den Südstaaten der USA gegründeter militant-rassistischer Geheimbund. 1991 wurden einige KKK-Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland bekannt; auch in Berlin und der näheren Umgebung versuchte der KKK seit Mitte 1991 Fuß zu fassen. Die Anhänger der KKK-Gruppen achten auf ein pseudoreligiöses Leben ihrer Mitglieder und bedienen sich zahlreicher Rituale, von denen sie sich eine "magnetische" Außenwirkung versprechen. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 167 4.2.1.9 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) Eine am 1. Februar 1990 unter maßgeblichem Einfluß westdeutscher KÜHNEN-Anhänger im Ostteil Berlins gegründete Organisation, deren Mitgliederzahl im Jahr 1992 auf etwa 15 Aktivisten zurückgegangen ist. 4.2.1.10 "Nationalistische Front" (NF) 1985 gegründete, 1992 bis zur Spaltung der Organisation bundesweit etwa 130 Personen umfassende Vereinigung mit nationalrevolutionärer Ausrichtung. In Berlin existierte bis Mitte 1992 eine etwa 20 Mitglieder umfassende Ortsgruppe. Die NF wurde am 27. November 1992 vom Bundesminister des Innern verboten. Die Berliner NF-Angehörigen, die sich bereits vor dem Verbot von der von Meinolf SCHÖNBORN (Bielefeld) geführten NF getrennt hatten, gründeten inzwischen mit Brandenburger Neonazis die "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) und das "Förderwerk Mitteldeutsche Jugend" (FMJ). 4.2.1.11 "Nationale Offensive" (NO) Am 3. Juli 1990 in Augsburg gegründete völkisch-nationalistische Gruppierung unter Führung des ehemaligen FAP-Aktivisten Michael SWIERCZEK, umfaßt bundesweit etwa 100 Mitglieder. Der Landesverband Berlin-Brandenburg wurde am 8. August 1992 in Berlin gegründet. Die NO wurde am 22. Dezember 1992 vom Bundesminister des Innern verboten. 4.2.1.12 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) Seit 1976 aktive Gruppe, die mehrere Stützpunkte in der Bundesrepublik Deutschland unterhält, um das von dem US-Bürger Gary Rex LAUCK, dem "Propagandaleiter" der NSDAP-AO, in den USA erstellte umfangreiche neonazistische Propagandamaterial in der Bundesrepublik zu verbreiten. 168 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.2.1.13 "Neonazikreis um Curt Müller" Seit 1974 bekannter Aktionszirkel um die wegen NS-Aktivitäten vorbestraften Eheleute Curt und Ursula MÜLLER. Das Ehepaar MÜLLER beschränkt sich seit 1986 im wesentlichen auf die Durchführung von "Sonnwendund HitlerGeburtstagsfeiern" auf ihrem Anwesen in Mainz-Gonsenheim. 4.2.1.14 "Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" Die in den östlichen Bezirken Berlins beheimatete neonazistische Kleinstgruppe unterhält seit der Wende Kontakte zur FAP und anderen neonazistischen Organisationen in Berlin und Umgebung. 4.2.1.15 "Völkischer Freundeskreis" (VFK) 1989 von ehemaligen Mitgliedern der damaligen "Kameradschaft Berlin" der GdNF ins Leben gerufene Funktionärsgruppe, die sich von Michael KÜHNEN als Führer distanziert hatte. Nach monatelanger Inaktivität wurde Anfang Juli 1991 die neonazistische Kleinstgruppe mit Unterstützung der FAP reaktiviert. Im Jahr 1992 keine wesentlichen Aktivitäten. 4.2.1.16 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschlands e.V." (WJ) Die 1952 gegründete, heute bundesweit etwa 400 Mitglieder umfassende WJ sieht sich in der Tradition der "Hitler-Jugend". Die etwa 10 Mitglieder des Gaues Berlin der WJ beteiligten sich 1991 und 1992 an verschiedenen Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Organisationen. 4.2.1.17 "Wotans Volk" Erstmals im Jahr 1987 als "Jugendgruppe" des "ASGARD-Bundes e.V." hervorgetretener Zusammenschluß einiger Anhänger des militanten Neonazis Arnulf-Winfried PRIEM, der mit dieser Gruppe die Tradition der 1984 aufgelösten "Kampfgruppe PRIEM e.V." fortsetzt. Die Gruppe beteiligt sich sporadisch an Flugblattund Schmieraktionen neonazistischen Charakters. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 169 4.2.2 "Nationalfreiheitliche"/"Nationaldemokraten" 4.2.2.1 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU e.V.) einschließlich: "Aktion Oder-Neisse" (AKON), - * "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur" (DSVK), "Ehrenbund Rudel" (ER), "Initiative für Ausländerbegrenzung" (l.f.A.), "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA). 1971 von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY als "überparteiliches" Sammelbecken der "Verfassungstreuen Rechten" gegründete Kernorganisation der "National-Freiheitlichen". In den von FREY herausgegebenen Wochenzeitungen ("Deutsche National-Zeitung", Aufl.: 52.000, "Deutsche Wochen-Zeitung"/"Deutscher Anzeiger", Aufl.: 33.000) wird regelmäßig rechtsextremistische Agitation betrieben. Seit Gründung des Berliner Landesverbandes der DVU sind für die DVU e.V. keine Aktivitäten mehr zu verzeichnen; die Mitglieder des Vereins sind automatisch Mitglieder der Partei. 4.2.2.1.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) 1987 auf Initiative Dr. FREYs gegründete Partei. Die DVU ist mit inzwischen etwa 26.000 Mitgliedern [Dr. FREY nennt höhere Zahlen] die mit Abstand größte Partei im rechtsextremistischen Spektrum. Der 1988 gegründete Berliner Landesverband ist mit etwa 735 Mitgliedern die zahlenmäßig größte rechtsextremistische Organisation in Berlin. 4.2.2.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 aus der "Deutschen Reichspartei" (DRP) und anderen rechtsextremistischen Organisationen hervorgegangene NPD umfaßte 1992 bundesweit etwa 5.000 Mitglieder. Der Landesverband Berlin-Brandenburg der NPD hatte 170 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - zum Jahresende 1992 etwa 175 Mitglieder. Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) umfaßte 1992 bundesweit etwa 200, in Berlin etwa 15 Mitglieder. 4.2.2.3 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) Am 3. Oktober 1991 von ehemaligen Angehörigen der NPD sowie der Partei "Die Republikaner" offiziell gegründete, aus dem "Förderverein Vereinigte Rechte" hervorgegangene Partei mit bundesweit etwa 800 Mitgliedern. Dem am 8. Februar 1992 gegründeten Landesverband Berlin-Brandenburg der "Deutschen Liga" gehören etwa 140 Personen an. 4.2.2.4 "Die Nationalen e.V." "Die Nationalen e.V." wurden im September 1991 von Angehörigen der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga), "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und Mitgliedern der Partei "Die Republikaner"* unter dem Namen "Freiheitliche Wählergemeinschaft 'Wir sind das Volk'" als Zweckgemeinschaft für die Teilnahme an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai 1992 gegründet. Dem Verein gehören etwa 50 Personen an. 4.2.3 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 4.2.3.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." Die im März 1983 von oppositionellen Berliner NPD-Mitgliedern gegründete, 1992 etwa 25 Mitglieder umfassende Vereinigung hat sich seit 1988 mit ihren Vortragsveranstaltungen zu einem Sammelbecken für Berliner Rechtsextremisten unter Einschluß neonazistischer Gruppen entwickelt. Seit dem Beitritt der neuen Bundesländer versucht die "Gemeinschaft" mit ihren Aktivitäten, die verschiedenen Strömungen innerhalb der rechtsextremistischen Szene Gesamtberlins und seines Umlandes zu integrieren. siehe Fußnote zu 2.2.4, S. 86 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 171 4.3 Ausländerextremismus 4.3.1 Palästinenser/Araber 4.3.1.1 "AL FATAH'1 Ende der 50er Jahre gegründete, zahlenmäßig stärkste PLO-Mitgliedsorganisation unter Führung von Yassir ARAFAT. Die FATAH hat ihren Hauptstützpunkt in Tunis/Tunesien. Erklärtes Ziel der FATAH ist die Befreiung Palästinas durch Zerstörung des Staates Israel und die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates. In der Vergangenheit war sie für zahlreiche Terrorakte verantwortlich (z.B. 1972 auf die israelische Olympia-Mannschaft in München). In Berlin besteht eine Gliederung der FATAH mit ca. 100 Mitgliedern (bundesweit ca. 450). 4.3.1.2 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Die 1967 gegründete PFLP unter Leitung von Dr. George HABBASH mit Sitz in Damaskus will ihr politisches Ziel, die Schaffung eines panarabischen Staates, mit den Mitteln des Guerilla-Krieges, insbesondere durch organisierten Terror, erreichen. In der Vergangenheit hat die PFLP zahlreiche Terroranschläge gegen Israel und mißliebige europäische Staaten verübt. Die PFLP verfügt in Berlin über eine Gliederung mit etwa 25 Mitgliedern (bundesweit ca. 200). 4.3.1.3 "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) Die 1969 gegründete DFLP unter Leitung von Nayef HAWATMEH mit Sitz in Damaskus lehnt die Lösung der "Palästina-Frage" auf dem Verhandlungswege ab. Sie ist in Israel und den von Israel besetzten Gebieten durch zahlreiche Terrorakte in Erscheinung getreten. In der Bundesrepublik Deutschland sind Terrorakte von der DFLP bisher nicht durchgeführt worden. In Berlin besteht eine Gliederung der DFLP mit etwa 30 Mitgliedern (bundesweit ca. 150). 172 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.3.1.4 "Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando" (PFLP-GC) Die 1968 gegründete PFLP-GC unter Leitung von Ahmed JIBRIL mit Sitz in Damaskus zählt zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Sie zeichnete für zahlreiche Terrorakte in Israel und den von Israel besetzten Gebieten sowie in Westeuropa verantwortlich. 1986 und 1988 gelang es deutschen Sicherheitsbehörden, Anschlagsvorbereitungen von PFLP-GC-Angehörigen in der Bundesrepublik Deutschland aufzudecken. Im Bundesgebiet und in Berlin verfügt die PFLP-GC nur über Einzelmitglieder. 4.3.1.5 "Palästinensische Volkskampffront" (PPSF) Die 1967 gegründete PPSF unter Leitung von Dr. Samir GHOUSHA mit Sitz ist Damaskus lehnt eine politische Lösung der "Palästina-Frage" ab und fordert die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes bis zur völligen Vernichtung Israels. In der Bundesrepublik Deutschland hat die PPSF bisher keine Terrorakte verübt. In Berlin gibt es wie im übrigen Bundesgebiet nur Einzelmitglieder der PPSF. 4.3.1.6 "ALSAIQA" Die 1968 von der in Syrien regierenden BAATH-Partei gegründete "AL SAIQA" vertritt die Interessen Syriens in der PLO. Sie verfügt im Bundesgebiet wie in Berlin nur über Einzelmitglieder. 4.3.1.7 "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) Die 1972 von Hassan Sabri AL BANNA alias "Abu NIDAL" gegründete ANO, die ihre Hauptstützpunkte in Libyen und Irak besitzt, gehört zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Seit ihrer Gründung hat sie für zahlreiche Terrorakte, u.a. in Westeuropa, verantwortlich gezeichnet. Sie verfügt im Bundesgebiet wie in Berlin nur über Einzelmitglieder. 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 173 4.3.1.8 "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die 1987 gegründete "HAMAS" tritt für den Jihad (Heiligen Krieg) gegen Israel und die Errichtung eines islamischen Staates in Israel und den von Israel besetzten Gebieten ein. Sie operierte bisher terroristisch ausschließlich in den von Israel besetzten Gebieten, wo sie auch ihre Hauptstützpunkte hat. In Berlin verfügt sie über etwa 50 Mitglieder. 4.3.1.9 "Moslembruderschaft" (MB) Die bereits 1928 in Ägypten gegründete "Moslembruderschaft" ist ein Zusammenschluß radikaler sunnitischer Muslime, der hauptsächlich in Ägypten und Syrien mit Gewalt die dortigen Regime stürzen will. In Berlin leben etwa 10 Mitglieder der MB (bundesweit ca. 750). 4.3.1.10 "Hizb Allah" [Partei Gottes] Die 1982 im Libanon gebildete, vom Iran gesteuerte "Hizb Allah", die sich in den letzten Jahren zur stärksten Kraft unter den pro-iranischen Schiiten-Organisationen entwickelte, hat sich die Schaffung einer Islamischen Republik Libanon zum Ziel gesetzt. Sie ist für zahlreiche Terrorakte im Libanon verantwortlich, u.a. die Entführung der Deutschen SCHMIDT und CORDES. In Berlin verfügt die "Hizb Allah" über etwa 50 Mitglieder (bundesweit ca. 350). 4.3.1.11 AMAL Die 1969 im Libanon gegründete, sowohl vom Iran als auch von Syrien unterstützte AMAL-Bewegung ist die größte und bedeutendste schiitische Organisation im Libanon. Sie zeichnete in der Vergangenheit für zahlreiche Gewaltakte und Entführungsaktionen im Libanon verantwortlich. In der Bundesrepublik Deutschland sind bisher keine Gewaltakte der AMAL-Bewegung bekanntgeworden. In Berlin verfügt sie über eine Gliederung mit etwa 10 Mitgliedern (bundesweit ca. 250). 174 4 -Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.3.1.12 "Hizb AI-Da'Wa Al-Islamia" [Partei des Islamischen Rufs] Die Ende der 60er Jahre im Irak von dem 1980 hingerichteten Muhammad BAKIR ins Leben gerufene, vom Iran gesteuerte Partei will das Regime unter Saddam HUSSEIN stürzen und eine Islamische Republik Irak errichten. Anhänger dieser Partei haben mehrere Anschläge auf staatliche Einrichtungen im Irak und auf irakische Vertretungen im Ausland verübt. In der Bundesrepublik Deutschland ist sie bisher durch Gewalthandlungen nicht in Erscheinung getreten. In Berlin verfügt sie über etwa 10 Mitglieder (bundesweit ca. 100). 4.3.1.13 "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PU) Die Ursprünge des PU gehen auf verschiedene fundamentalistische Bewegungen zurück, die zumeist unter dem Einfluß der sunnitisch-extremistischen Moslembruderschaft standen. Der PU wurde etwa Ende der 70er Jahre gegründet. In den 80er Jahren und Anfang 1990 kristallisierten sich insbesondere vor dem Hintergrund persönlicher Auseinandersetzungen, ideologischer Meinungsverschiedenheiten und Verbindungen zu verschiedenen Ländern und Organisationen sechs Fraktionen der Bewegung heraus. Ziel aller Fraktionen des PU ist die Errichtung eines islamischen Staates Palästina und die Vernichtung des Staates Israel. Dieses Ziel ist nach Auffassung des PU nur unter Einsatz von Gewalt zu erreichen. Die Bewegung übernahm bereits die Verantwortung für zahlreiche in Israel und den besetzten Gebieten sowie außerhalb Israels begangene Anschläge. Der PU hat angekündigt, auch außerhalb des Nahen Ostens gegen israelische Ziele vorzugehen. Im Zusammenhang mit dem "Golfkrieg" Anfang 1991 drohte ein hoher Funktionär des PU mit Anschlägen gegen US-amerikanische Einrichtungen in Deutschland. In Berlin verfügt der PU über eine Gliederung, der etwa 10 Mitglieder und Anhänger angehören. * 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 175 4.3.2 Kurden 4.3.2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die am 27. November 1978 in der Türkei gegründete PKK unter Leitung von Abdullah ÖCALAN mit Sitz in Damaskus erstrebt die Schaffung eines vereinigten Kurdistans unter Einsatz auch terroristischer Mittel. Seit 1979 ist die PKK in der Bundesrepublik Deutschland aktiv und seitdem durch zahlreiche Aktionen in Erscheinung getreten. Wegen der in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland verübten Morde an PKK-Dissidenten stehen in Düsseldorf und Celle derzeit mehrere PKK-Mitglieder vor Gericht. Dem Berliner Gebietskomitee der PKK gehören etwa 150 Mitglieder und Anhänger an (bundesweit 3.500). 4.3.3 Türken 4.3.3.1 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) Die 1972 gegründete proalbanische TKP/M-L spaltete sich 1981 in die Gruppen Partizan (P) und Bolsevik (B). In der Vergangenheit wurden in Berlin von Anhängern der TKP/M-L (P) Gewalthandlungen durchgeführt. In Berlin verfügt sie über eine Gliederung mit etwa 50 Mitgliedern (bundesweit ca. 1.500). 4.3.3.2 "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) Die 1980 gegründete proalbanische TDKP, die den gewaltsamen Umsturz in der Türkei propagiert, verfügt in Berlin über etwa 60 Anhänger (bundesweit ca. 800). Gewaltaktionen sind von ihren Mitgliedern bzw. Anhängern in der Bundesrepublik Deutschland bereits ausgegangen. 176 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.3.3.3 "Türkische Volksbefreiungspartei/-front" (THKP/-C) Die 1971 gegründete THKP/-C übt in der Türkei individuellen Terror nach dem Vorbild lateinamerikanischer Stadtguerilleros aus. Aus der THKP/-C gingen mehrere konspirativ arbeitende Gruppen hervor, deren Mitglieder und Anhänger in der Öffentlichkeit durch zahlreiche, z.T. gewalttätige Aktionen in Erscheinung getreten sind. Die THKP/-C verfügt in Berlin über etwa 10 Mitglieder (bundesweit ca. 300). 4.3.3.4 "Devrimci Sol" [Revolutionäre Linke] Die Gruppe ging im Mai/Juni 1978 aus der THKP/-C als konspirativ arbeitender Zusammenschluß hervor. Sie strebt in der Türkei eine kommunistische Gesellschaftsordnung durch einen bewaffneten Volkskrieg an. Trotz des Verbots vom 9. Februar 1983 durch den Bundesminister des Innern sind Einzelmitglieder der Gruppe nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. In Berlin zählt die Gruppe etwa 30 Mitglieder und Anhänger (bundesweit etwa 400). 4.3.3.5 "Avrupa'da Dev Gene" [Revolutionäre Jugend in Europa] Tarnbezeichnung, unter der Anhänger der verbotenen "Devrimci Sol" in der Bundesrepublik Deutschland aktiv sind. 4.3.3.6 "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP) Nachfolgeorganisation der 1957 gegründeten und durch das Militär in der Türkei 1980 verbotenen und aufgelösten "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP). Die von Alparslan TÜRKES geführte, laizistischnationalistische Partei mit antikommunistischer und antisemitischer Haltung verfügt bundesweit über ca. 6.600, in Berlin über ca. 500 Mitglieder und Anhänger. 4.3.3.7 "Wohlstandspartei" (RP) Nachfolgeorganisation der 1972 gegründeten und durch das Militär in der Türkei 1980 verbotenen "Nationalen Heilspartei" (MSP). Die RP ist eine natio- 4 - Anhang i: Kurzdarstellungen - 177 nalistische, islamisch-fundamentalistische Organisation, die sich gegen den Laizismus wendet. Bundesweit umfaßt die von dem MSP-Gründer Necmettin ERBAKAN geführte RP ca. 12.500, in Berlin etwa 1.000 Mitglieder und Anhänger. 4.3.3.8 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) Der 1983 gegründete, von Cemaleddin KAPLAN geführte ICCB strebt wie die RP die Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei, jedoch durch eine Revolution nach iranischem Vorbild, an. Kaplan, dessen Anhängerschaft bundesweit ca. 4.200, in Berlin etwa 20 Personen umfaßt, lehnt jegliche Zusammenarbeit mit der RP ab. 4.3.4 Iraner 4.3.4.1 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Nach dem Sieg der islamischen Revolution im Iran wurde die Anfang der 60er Jahre gegründete U.I.S.A. durch die islamisch-fundamentalistischen Kräfte zu einer regimetreuen Organisation umgestaltet. Mitglieder der bundesweit ca. 350, in Berlin ca. 20 Personen umfassenden U.I.S.A. sind in der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit durch Gewalttaten in Erscheinung getreten. 4.3.4.2 "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) Bei der 1965 gegründeten PMOI handelt es sich um eine islamisch-fundamentalistische Organisation mit marxistischer Prägung (Sitz Bagdad). Sie zielt auf den gewaltsamen Sturz des Mullah-Regimes im Iran. Die PMOI verfügt in der Bundesrepublik Deutschland über etwa 750 Mitglieder, davon 25 in Berlin. 178 4 - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.3.4.3 "Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran" (O.I.P.F.G.) Die am 8. Februar 1971 im Iran gegründete O.I.P.F.G. strebt den gewaltsamen Sturz des Mullah-Regimes im Iran an. Von den bundesweit 150 Mitgliedern leben etwa 10 in Berlin. 4.3.5 Iren 4.3.5.1 "Provisional Irish Republican Army" (PIRA) [Provisorische Irische Republikanische Armee] Die PIRA führt seit über 20 Jahren "Krieg" gegen die britische "Besatzungsarmee" in Nordirland. Ziel ist die Vereinigung mit der Republik Irland. Seit 1973 hat sie in Westeuropa über 30 terroristische Anschläge verübt. Die letzte spektakuläre Terroraktion der PIRA auf deutschem Boden erfolgte 1990 in der Nähe von Dortmund. Dabei wurde ein britischer Major der Rheinarmee von einem PIRA-Kommando ermordet. In der Folgezeit gelang es den europäischen Sicherheitsbehörden, mehrere Terrorkommandos der PIRA festzunehmen. In der Bundesrepublik Deutschland bestehen Kontakte der PIRA zu Angehörigen des RAF-Umfeldes und deutschen Autonomen. In Berlin sind bisher keine Aktivitäten der PIRA bekanntgeworden. 5 - Anhang II: Chronologie - 179 5 Anhang II Chronologie 5 -Anhang II: Chronologie181 5.1 Linksextremismus 31.12.1991/ Krawalle autonomer Kreise in Berlin-Kreuzberg. 01.01.1992 Bis zu 100 Gewalttäter, die - teilweise vermummt - in Kleingruppen im Schutz von mehreren Hundert Schaulustigen agierten, errichteten in den Bereichen Kottbusser Straße, Adalbertstraße, Oranienstraße - zum Teil brennende - Barrikaden. Weiterhin warfen sie u.a. Steine, Feuerwerkskörper und Molotowcocktails auf Polizeibeamte und -fahrzeuge; zu den umfangreichen Sachschäden zählten u.a. Plünderungen in einem Supermarkt und in einem Elektrogeschäft. Die Gewalttaten waren in Flugblättern als Kiez-Spaziergang unter dem Motto Offensive 92, wir greifen an angekündigt worden. 05.01.1992 Diebstahl einer bronzenen Gedenktafel für Carl DIEM vom Marathontor des Olympiastadions durch autonome Täter. In einer Taterklärung wandte sich eine Gruppe mit der Bezeichnung "kommando lutz grüttke" gegen die Ehrung Carl DIEMs, obwohl er während der Olympischen Spiele 1936 u.a. als chef der auslandsabteilung des nationalsozialistischen reichsbundes für leibesübungen propaganda für den faschistischen sport betrieben und bis zu allerletzt für nazi-deutschland gekämpft habe. Weiterhin polemisierte die Gruppe gegen die Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele 2000 und bezeichnete ihre intervention als beitrag zu den anti-olympia-aktivitäten in dieser Stadt. In einer Ende Januar veröffentlichten weiteren Erklärung behauptete die Gruppe, die Gedenktafel eingeschmolzen und zu Krähenfüßen verarbeitet zu haben, da der Senat den Forderungen nicht nachgekommen sei. 29.01.1992 Veranstaltung in der Humboldt-Universität (Berlin-Mitte) zu den politischen Gefangenen in der BRD. Die Organisatoren, Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes, versuchten, etwa 120 Interessenten an die Geschichte und Entwicklung des bewaffneten Widerstandes heranzuführen 182 5 - Anhang II: Chronologie - und warben für eine Unterstützung der Kampagne für die Freilassung angeblich haftunfähiger Gefangener aus RAF und Widerstand. 29.01.1992 Schmutzanschlag autonomer Kreise auf Geschäftsräume einer Immobilienfirma in Berlin-Wilmersdorf. Hierbei handelte es sich um eine Reaktion von Besetzern der Häuser Marchstraße 23/Einsteinufer 41 (BerlinCharlottenburg) bzw. ihrer Unterstützer auf eine von dem Unternehmen als Hauseigentümer eingereichte Räumungsklage. 07.02.1992 Infoveranstaltung im Rahmen der vorwiegend von RAFAnhängern getragenen Kampagne für die Freilassung der Gefangenen aus RAF und Widerstand in der Hochschule der Künste Berlin (Berlin-Charlottenburg) mit rd. 200 Teilnehmern. Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes organisierten die Veranstaltung unter dem Motto Stammheim - Der Film von Aust Zeitzeugen: Wie es wirklich war, um weiterhin für die Unterstützung der Forderung nach Freilassung angeblich haftunfähiger Inhaftierter der RAF zu werben. 08.02.1992 Beteiligung linksextremistischer Gruppen und Organisationen an einer Demonstration unter dem Motto UNTERSTÜTZT DIE SELBSTORGANISIERUNG DER FLÜCHTLINGE UND IMMIGRANTINNEN!! An dem Aufzug von der Pallas-/Goebenstraße (BerlinSchöneberg) zum von Flüchtlingen besetzten sog. Mathematikgebäude der Technischen Universität Berlin (BerlinCharlottenburg), zu dem Selbstorganisierte Flüchtlinge und inund ausländische Unterstützerinnen - teilweise auch im übrigen Bundesgebiet - aufgerufen hatten, nahmen Angehörige der autonomen Szene, der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), der "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD), der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ), der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) und der 5 -Anhang II: Chronologie - 183 in Deutschland unter der Bezeichnung "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) auftretenden maoistisch orientierten "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) teil. Vereinzelt kam es zu Farbschmierereien, Sachbeschädigungen und Steinwürfen, insbesondere von Angehörigen der RIM. 10. -13.02.1992 Mehrere tätliche Auseinandersetzungen zwischen Weddinger Autonomen und angeblichen "Nazis". 12.02.1992 Autonome zerstören die Scheiben eines Schallplattenladens in Berlin-Prenzlauer Berg wegen des angeblichen Verkaufs "faschistischer Platten". 14.02.1992 Nach Auslösung der szeneinternen Telefonkette begeben sich etwa 40 Autonome aus dem autonomen Stützpunkt der Kneipe "Clash" in Berlin-Wedding nach -Buckow, um dort gegen einen angeblichen "Faschoüberfall" auf ein Asylbewerberheim gewaltsam vorzugehen. 20.02.1992 Inbrandsetzen eines Personenkraftwagens der Marke Mercedes-Benz in Berlin-Neukölln durch etwa 10 vermummte Radfahrer. In unmittelbarer Nähe des Fahrzeuges wurden Handzettel mit der Aufschrift GIB BONZEN KEINE CHANCE gefunden. In einer Taterklärung wandten sich die Täter gegen Bonzen als Organisatoren der Umstrukturierung Berlins und riefen zu weiteren Anschlägen auf ihre empfindlichen Stellen - ihre Edelkarossen - auf. Der Anschlag galt als Auftakt einer Serie von.Sachbeschädigungen verschiedenster Art vornehmlich an Personenkraftwagen der Luxusklasse. 21.02.1992 Tätliche Angriffe Autonomer auf Teilnehmer eines Vortragsabends der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" in BerlinKreuzberg zum Thema Die One-World droht. Vor Beginn des Vortrages, an dem etwa 80 Personen, darunter etwa 30 Jugendliche, teilnahmen, versammelten sich auf dem Vorplatz des Veranstaltungsortes bis zu etwa 184 5 - Anhang II: Chronologie * 20 teilweise vermummte Personen aus der autonomen Szene. Eintreffende Teilnehmer wurden von den Demonstranten mit Eisenstangen und Holzlatten attackiert. Im Verlauf der Auseinandersetzungen erlitten etwa fünf Personen Verletzungen, die ärztlicher Behandlung in Krankenhäusern bedurften. 21.02.1992 Etwa 180 Autonome verlassen nach Auslösung der Telefonkette den Mehringhof in Berlin-Kreuzberg, um ein "Fascho-Treffen" in der Anhalter Straße 1 "aufzumischen". Die Polizei verhindert Ausschreitungen. 29.02.1992 Etwa 15 Autonome überfallen einen Wahlstand der Partei "Die Republikaner" (Rep) in Berlin-Mitte und verletzen drei Wahlbewerber durch Faustschläge und Fußtritte. 29.02.1992 20 vermummte Autonome zerstören einen Informationsstand der Partei "Die Republikaner" (Rep) in BerlinFriedrichshain. 06.03.1992 Weddinger Autonome verabreden regelmäßige, jeweils samstags durchzuführende Ausflüge, um "Nazis zu klatschen". Die Akteure sind mit Knüppeln, Reizgas und Armschützern bewaffnet. 06.03.1992 Veranstaltung zum Thema Politische Gefangene in BerlinKreuzberg. An der von Angehörigen des RAF-Umfeldes durchgeführten Veranstaltung beteiligten sich etwa 200 bis 250 Personen, überwiegend Autonome, um die Freilassungsforderung der politischen Gefangenen und die sog. Kinkel-Initiative (Freilassung der haftunfähigen Sträflinge) zli diskutieren. 08.03.1992 Beteiligung autonomer Frauen und weiblicher Angehöriger des Berliner RAF-Umfeldes an einer Demonstration in Berlin-Kreuzberg anläßlich des "Internationalen Frauentages". Insgesamt nahmen bis zu 1.200 Frauen teil. 5 -Anhang II: Chronologie - 185 Vermutlich militant-feministische Akteurinnen aus Kreisen des gewaltbereiten Linksextremismus hatten in den Tagen und Nächten vor dem Aufzug u.a. an verschiedenen SexShops/-Kinos Farbschmierereien angebracht bzw. Plakate geklebt, in denen zum Widerstand gegen ... die Betreibung des Sexismus überall aufgerufen wurde. Bei einem Reisebüro waren die Scheiben der Eingangsfront eingeworfen und die Parole Gegen Sextourismus gesprüht worden. 09.03.1992 Aufzug von etwa 80 Personen unter dem Motto Gegen die Räumungsklagen) die Route führte vom Landgericht Berlin, Tegeler Weg 17 - 20, zum Grundstück Marchstraße 23 (jeweils Berlin-Charlottenburg). Die Demonstration richtete sich gegen eine am selben Tage vor dem Landgericht angesetzte Verhandlung der Räumungsklagen gegen die Besetzer des Geländes Marchstraße/Einsteinufer (drei Häuser, eine "Wagenburg" und ein "Hüttendorf"). 13.03.1992 Versuchte Störung der Preisverleihung Olympia - Feststadt Berlin 2000 im Rahmen des 137. Schinkelfestes im Konzertsaal der Hochschule der Künste Berlin (Charlottenburg), durch etwa 70 Autonome. Wegen der starken Polizeipräsenz kam es zu keinen Behinderungen im Veranstaltungsablauf. 14.03.1992 Beteiligung von etwa 200 Personen aus Berlin, darunter etwa 100 Autonome, Anhänger/Angehörige autonomer 'Antifa"-Gruppen und Aktivisten der "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG), an Aktionen gegen die Großveranstaltung der "Deutschen Volksunion" (DVU) in Passau, Bereits vor Beginn der Veranstaltung kam es im Zuge einer Gegendemonstration zu Ausschreitungen, in deren Verlauf u.a. versucht wurde, den Zugang zur Nibelungenhalle zu blockieren. Darüber hinaus demolierten Demonstranten zahlreiche Schaufensterscheiben und einige Personenkraftwagen. Direkte Auseinandersetzungen zwischen 186 5 -Anhang II: Chronologierechtsextremistischen Veranstaltungsteilnehmern und Anhängern des "linken" Spektrums konnten aufgrund des starken Polizeiaufgebots verhindert werden. 21./22.03.1992 Beteiligung zahlreicher Berliner Autonomer, darunter Anhänger sog. "Antifa"-Gruppen, an Protestaktionen gegen eine - als Faschistenaufmarsch charakterisierte - AntiDrogen-Demo in Leipzig. Bereits an einem Treffpunkt Berliner Autonomer zur Abfahrt nach Sachsen, dem S-Bahnhof Schönefeld (Brandenburg), kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen autonomen "Antifa"-Gruppen und Skinheads. Nach der Gegendemonstration in Leipzig unter dem Motto Für antifaschistische Selbstbestimmung kam es zu erheblichen Ausschreitungen, an denen auch Berliner Linksextremisten beteiligt waren. 04.04.1992 Tödlicher Messerangriff auf den Funktionär der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat", Gerhard KAINDL, in einem Lokal in Berlin-Kreuzberg. Das Berliner Autonomen-Infoblatt "INTERIM" kommentiert den Mord mit der Bemerkung, daß bei antifaschistischen Selbstschutzaktionen die Möglichkeit der Tötung eines Faschisten ein "tragbares Risiko" sei. Name und Anschrift des Getöteten waren in einer früheren "INTERIM"-Ausgabe in einer Liste angeblicher Rechtsextremisten veröffentlicht worden. 20.04.1992 Demonstration in Berlin-Kreuzberg unter dem Motto Gegen Rassismus und Naziterror vom Kottbusser Tor zum Heinrichplatz aus Anlaß der Wiederkehr des Geburtstages Adolf HITLERs. Unter den bis zu 1.500 Teilnehmern befanden sich zahlreiche Angehörige der autonomen Szene, so auch Aktivisten der türkischen Gruppe "Antifasist Genclik", ferner Angehörige militanter sog. "Antifa"-Gruppen, des RAFUmfeldes, der "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" 5 - Anhang II: Chronologie - 187 (SpAD), der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) und der "Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) sowie türkischer und deutscher Jugendbanden. Die Demonstranten, formiert in mehreren Marschblöcken, bildeten feste Ketten, um das "Herausgreifen" von Gewalttätern durch die Polizei zu verhindern. Im Verlaufe des Aufzuges und danach wurden Polizeibeamte und -fahrzeuge u.a. mit Brandflaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen, Schaufensterscheiben und Personenkraftwagen beschädigt. Demonstranten skandierten Parolen wie "Tod dem Faschismus", "Nazis raus" und "Wir sind nicht alle - es fehlen die Gefangenen". RIMund TKP/M-L-Angehörige verbrannten eine US-Flagge. 29.04.1992 Unbekannte, den Autonomen zuzurechnende Täter entwenden aus dem Fahrzeug eines "Republikaners" einen Karton mit Ausgaben des Parteiblattes "Der Republikaner". 01.05.1992 Revolutionäre 1. Mai-Demonstration. An dem von Autonomen und Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes organisierten Aufzug nahmen bis zu 8.000 Personen teil. Unter den Demonstranten befanden sich zahlreiche Autonome, Angehörige des Berliner RAFUmfeldes, Aktivisten der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) und militanter "Antifa"-Gruppen, ferner u.a. Mitglieder der "Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), "Bolsevik Partizan" (BP) und "Avrupa'da Dev Gene", sowie mehrere 100 Mitglieder deutscher und türkischer Jugendbanden. Während des Aufzuges wurden Polizeibeamte mit Molotowcocktails, selbstgebastelten Sprengsätzen, Steinen sowie Büchsen angegriffen und zahlreiche Schaufenster und Kraftfahrzeuge beschädigt. 01.05.1992 Aktionen gegen einen geplanten Wahlpropagandamarsch der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) im Ernst-Thälmann-Park (Berlin-Prenzlauer Berg). 188 5 -Anhang II: Chronologie - Bis zu 300 Personen, überwiegend Autonome, die u.a. während der Revolutionären 1. Mai-Demonstration mobilisiert worden waren, griffen etwa 100 Anhänger der FAP gezielt mit Steinen und Leuchtspurgeschossen an und schlugen einige der Neonazis zusammen. Nach diesen Übergriffen und der Festnahme mehrerer FAPAngehöriger, darunter auch der Veranstalter des Aufzuges, wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (Mitführen von Waffen) verzichtete die FAP auf ihren Marsch und führte lediglich eine kurze Kundgebung durch. 01.05.1992 Kiezumzug zum 1. mAi (sic!) in Berlin-Prenzlauer Berg unter dem Motto DER OSTEN SCHLÄGT ZURÜCK. Mehr als 500 Autonome und andere gewalttätige Personen versuchten, wie geplant, größere Ausschreitungen auszulösen; zahlreiche Schaufensterscheiben und Kraftfahrzeuge wurden beschädigt. Ausgiebigere Krawalle verhinderte die Polizei. 01.05.1992 Beschädigung von Kraftfahrzeugen und Farbschmierereien in Berlin-Steglitz und -Zehlendorf. In den Nachtstunden zerstachen unbekannte Täter, die den Autonomen zuzurechnen sein dürften, Reifen mehrerer Kraftfahrzeuge und schmierten Parolen wie Für die Macht der Reichen gehen wir über Leichen und Wer Geld hat, hat die Macht, bis es unterm Auto kracht, 1. Mai Revolte. 07.05.1992 Protestaktion gegen eine Wahlkampfveranstaltung der Partei "Die Republikaner" (Rep) vor einer Gaststätte in Berlin-Tiergarten. Dabei werden Scheiben eingeschlagen und Parolen geschmiert. 09.05.1992 Demonstration des "Bündnisses Berliner Antifaschistinnen und Antifaschisten" unter dem Motto Stoppt die Nazis gegen einen zwischenzeitlich verbotenen Wahlpropagandamarsch der rechtsextremistischen Wählergemeinschaft "Die Nationalen" in Berlin-Karlshorst. 5-Anhang II: Chronologie189 Bis zu 6.000 Personen, darunter 600 Autonome sowie Angehörige der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD), der "Spartakist - Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) und der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), beteiligten sich an dem Aufzug, der zum sog. Kapitulationsmuseum der GUS-Streitkräfte führte. 09./10.05.1992 Unbekannte, den Autonomen zuzurechnende Täter werfen zwei Gehwegplatten durch die Schaufensterscheiben eines Ladens in Berlin-Pankow, weil dort angeblich "FaschoAccessoires" verkauft werden und schmieren "antifaschistische Grüße" an die Hauswand. 13.05.1992 Angriff mehrerer "Antifa"-Gruppenanhänger auf einen Wahlkandidaten der Partei "Die Republikaner" (Rep) für die Bezirksverordnetenversammlungen (BW). Die Täter, die schwarze Lederjacken mit der Aufschrift Türkische Gangster trugen, provozierten und traten den Mandatsbewerber nach einer Podiumsdiskussion in der Paul-Nartop-Schule (Berlin-Friedenau). 18./19.05.1992 Unbekannte, den Autonomen zuzurechnende Täter zerstechen in Berlin-Lankwitz die Reifen des Personenkraftwagens eines "Republikaner-Funktionärs und schütten Zucker in den Tank. 21.05.1992 Demonstration Wir lassen uns nicht vertreiben in BerlinNeukölln. Zur Teilnahme war von Anarchisten und Autonomen aufgerufen worden. Der Aufzug, an dem sich etwa 100 Personen beteiligten, richtete sich gegen die angebliche Umstrukturierung Neuköllns. 21.05.1992 Antifaschistische Kundgebung auf dem Alexanderplatz (Berlin-Mitte) aus Protest gegen die Wahlkampf-Abschlußveranstaltung der Partei "Die Republikaner" (Rep) in der dortigen Kongreßhalle. 190 5 - Anhang II: Chronologie - Es nahmen etwa 1.000 Personen teil, überwiegend Autonome und Anhänger der "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD), der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) und der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Wegen des massiven Polizeiaufgebots kam es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen. 21./22.05.1992 Brandanschläge auf die Personenkraftwagen des Kreuzberger SPD-Bezirksbürgermeister-Kandidaten und des Neuköllner Bezirksbürgermeisters (SPD). In einem Selbstbezichtigungsschreiben, das am 23. Mai bei der Tageszeitung "BZ" einging, beschrieben die Täter beide Politiker als Interessenvertreter der Spekulanten, die nicht gewählt werden dürften. 23.05.1992 Demonstration Gegen Rassismus und Naziterror vom Zionskirchplatz (Berlin-Mitte) zum Helmholtzplatz (BerlinPrenzlauer Berg). Während des Aufzuges, an dem sich bis zu 550 Personen, darunter auch Autonome, beteiligten, kam es an verschiedenen Orten zu Farbschmierereien. Etwa 20 Personen randalierten in einem Lokal in Berlin-Mitte. 23.05.1992 Beteiligung Autonomer an einer Demonstration "Gegen Rassismus und Naziterror" in Berlin-Prenzlauer Berg. Während des Aufzuges kommt es zu Farbschmierereien und einer "Randale-Aktion" in einer Gaststätte. 24.05.1992 Beschädigung von Türschlössern an insgesamt neun Wahllokalen in Berlin-Friedrichshain, -Hohenschönhausen und -Lichtenberg. Die Aktion Autonomer richtete sich gegen die Kandidatur von Rechtsextremisten zu den BW-Wahlen. 24.05.1992 Zwei sog. Spontandemonstrationen - gegen den Einzug von "Republikanern" in mehrere Bezirksverordnetenversammlungen - mit jeweils 200 Personen vom Breit- 5 -Anhang II: Chronologie - 191 scheidplatz (Berlin-Charlottenburg) bzw. vom Alexanderplatz zum Roten Rathaus (jeweils Berlin-Mitte). Von dort aus zogen etwa 100 Demonstranten zum unweit gelegenen Hotel "Berlin Hilton", in dem eine Talkshow des privaten Fernsehsenders "SAT 1" mit dem Bundesvorsitzenden der Partei "Die Republikaner" (Rep), Franz SCHÖNHUBER, stattfand. 24.05.1992 Brandanschlag auf den Personenkraftwagen eines Funktionärs der Partei "Die Republikaner" (Rep). Name und Anschrift des Geschädigten waren zuvor in der "INTERIM" veröffentlicht worden. 03. - 05.06.1992 Zerstörungen in einem Architektenbüro in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte Täter drangen in die Räume ein, beschädigten diverse Arbeitsgeräte und verursachten eine Überschwemmung. In einer Taterklärung begründeten die Täter - mit der Bezeichnung "Planungskollektiv 2" - den Anschlag mit der Beteiligung der Architekten sowohl an städtebaulichen Planungen im Zusammenhang mit der Bewerbung Berlins für die Ausrichtung der Olympischen Spiele im Jahre 2000 als auch an Neubauprojekten im Zuge der Vereinigung Berlins und der neuen Hauptstadtfunktion. 10.06.1992 Solidaritätsdemonstration in Berlin-Kreuzberg für autonome Gruppen im Rhein/Main-Gebiet. Etwa 300 Personen, darunter über 100 Angehörige der autonomen Szene, zogen vom Kottbusser Tor zur Adalbertstraße, um ihre Solidarität mit Autonomen in Mannheim zu bekunden. Diese führten seinerzeit Aktionen gegen vermeintlich rassistische Bürger in der Umgebung einer Unterkunft für Asylbewerber in Mannheim durch. 14.06.1992 Mobilisierungsveranstaltung in Berlin-Kreuzberg für die Demonstration Für das Leben und die Freiheit der politischen Gefangenen am 20. Juni in Bonn. 192 5 -Anhang II: Chronologie - An der von RAF-Angehörigen initiierten Veranstaltung beteiligten sich lediglich ca. 40 Personen. 17.06.1992 Demolierungen und Farbschmierereien autonomer Täter an einem Laden in Berlin-Neukölln. Unbekannte zerstörten zwei Schaufensterscheiben eines Sportgeschäftes und beschmierten die Gebäudewand mit Parolen. In einer Erklärung warfen die Täter mit der Bezeichnung "AUTONOME SENFGURKEN" dem Inhaber des Geschäfts vor, als Vorsitzender der "Aktionsgemeinschaft Hermannstraße" (Zusammenschluß von Geschäftsleuten) mitverantwortlich zu sein für STEIGENDE WOHNUNGSUND GEWERBEMIETEN, FÜR VERTREIBUNG DER 'GELDLOSEN' AUS DEM KIEZ. 17.06.1992 Störung der konstituierenden Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain. Etwa 100 Personen, überwiegend Angehörige der autonomen Szene, liefen nach einer Demonstration an der Warschauer Straße zum Sportund Erholungszentrum (SEZ) Friedrichshain, Landsberger Allee, um dort die Wahl von Bezirksstadträten aus den Reihen der Partei "Die Republikaner" (Rep) zu verhindern. Nachdem keine "Republikaner" erkannt worden waren und einzelne Teilnehmer der Aktion im Sitzungsraum mit Zustimmung des BW-Vorstehers eine Resolution verlesen durften, zogen sich die Demonstranten zurück. 18.06.1992 Beteiligung von Autonomen an einer Demonstration gegen den Einzug von Mitgliedern der Partei "Die Republikaner" (Rep) in die Bezirksverordnetenversammlung Wedding. Etwa 85 Personen, darunter Autonome, hielten während der konstituierenden Sitzung eine Kundgebung vor dem Rathaus Wedding, Müllerstraße, ab. Da keine "Republikaner" ausgemacht werden konnten, löste sich die Versammlung nach kurzer Zeit friedlich auf. 5 - Anhang II: Chronologie - 193 20.06.1992 Brandanschlag auf den Personenkraftwagen eines Architekten. In einer Taterklärung mit der Überschrift KAMPF DEM VERTREIBUNGS-BAUPROJEKT 'EUROPEAN HOUSE OF COMMERCE'! wandten sich die Täter gegen die Errichtung eines Dienstleistungszentrums im Bereich Moritzplatz (Berlin-Kreuzberg). Der betroffene Architekt sei Koordinator dieses Bauprojektes und trage daher Verantwortung für Mietsteigerungen in der Umgebung und erhöhte Arbeitslosigkeit durch Industrieabwanderung. 25.06.1992 Sachbeschädigungen an einer Bankfiliale in BerlinWilmersdorf. Eine unbekannte, den Autonomen zuzurechnende Gruppe ohne Namensbezeichnung bezichtigte sich in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", die Bank angegriffen zu haben. Dabei wurden drei Schaufensterscheiben und ein Glasschaukasten beschädigt sowie ein Beutel mit roter Farbe in die Eingangsvorhalle geworfen. In der Bekennung wurde dem Unternehmen vorgeworfen, als Außenstelle des "deutschen" Großkapitals daran mitzuwirken, daß dieses sich an der Ausplünderung und Verelendung ganzer Regionen eine goldene Nase verdiene. Abschließend forderten die Schreiber dazu auf, weitere derartige Aktionen durchzuführen. 02.07.1992 Autonome führen nach Auslösen der Telefonkette eine "Spontandemonstration" gegen einen angeblichen Aufmarsch von Neonazis vor dem Rathaus Neukölln durch. 08./09.07.1992 Sachbeschädigungen an Personenkraftwagen in BerlinFriedrichshain aus Protest gegen die Räumung der Oberbaumbrücke im selben Bezirk. Unbekannte Täter mit der Gruppenbezeichnung "the falling stones" bezichtigten sich in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM", von einem Dach aus zwei auf dem Gelände eines Autohändlers zum Verkauf stehende Personenkraft- 194 5 -Anhang II: Chronologie - wagen beschädigt zu haben. Der betroffene Autokonzern sei mitverantwortlich für allgemeinen autoterror und konkrete Umstrukturierung hier in berlin. 10.07.1992 Demonstration anläßlich einer Polizeiaktion gegen autonome Besetzer der Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) am 8. Juli. Etwa 400 Personen, überwiegend Angehörige der autonomen Szene, versammelten sich am Kottbusser Tor (BerlinKreuzberg) und zogen zur Oberbaumbrücke, um - über den Protest gegen die Räumung hinaus - gegen die geplante Öffnung der Oberbaumbrücke für den Personenindividualverkehr im Zuge der Schließung des sog. Innenstadtringes zu demonstrieren. Bis auf Beschimpfungen in Richtung der eingesetzten Polizeibeamten verlief der Aufzug friedlich. 13.07.1992 Brandanschlag auf einen Personenkraftwagen am PaulLincke-Ufer (Berlin-Kreuzberg). Unbekannte Täter zerschlugen die Seitenscheibe eines Porsche Carrera mit Münchener Kennzeichen, gössen Benzin aus einem später am Tatort gefundenen Kanister in das Wageninnere und zündeten es an. In einer Selbstbezichtigung schreiben die Täter u.a. Greifen wir geineinsam die Bonzen und Hauptstadtstrategen an, auf daß das "Investionsklima" [sic!] in unserem Kiez ihnen zu heiß wird! 24.07.1992 Brandanschläge auf Personenkraftwagen in Berlin-Kreuzberg aus Protest gegen die geplante Öffnung der Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain). Etwa zehn, zum Teil vermummte, der autonomen Szene zuzurechnende Personen schoben einen Personenkraftwagen der Marke Trabant quer auf die Fahrbahn und zündeten diesen, einen ebenfalls dort abgestellten Lastkraftwagen sowie mehrere Reifen an. Über die Fahrbahn wurde ein Transparent mit der Aufschrift Oberbaumbrücke - bleibt - Stadtringlücke gespannt. 5 -Anhang II: Chronologie - 195 In einer Taterklärung bezichtigt sich ein "Komitee Gegen Bonzen (KGB)" der Anschläge. Mit der Aktion solle gegen die Verkehrspolitik des Senats demonstriert und dem Protest und Widerstand gegen die brutale Räumung der Oberbaumbrücke Ausdruck gegeben werden. Die Erklärung wendet sich gegen eine Politik ausschließlich für die Reichen dieser Stadt, für Banker und Bonzen und kündigt weiterhin Protest und Widerstand gegen die Metropolenmodernisierung durch Senat und Bundesregierung an. 31.07.1992 Brandanschlag auf ein Baufahrzeug an der Oberbaumbrücke in Berlin-Friedrichshain. Fünf vermummte Personen drangen kurz nach Mitternacht in die Baustelle an der Oberbaumbrücke ein und warfen mehrere mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllte Glasflaschen gegen einen dort abgestellten Schaufelbagger einer Straßentiefbaufirma, von denen drei das Fahrzeug trafen und in Brand setzten. In einer bei der Presseagentur "dpa" eingegangenen Taterklärung wandte sich eine Gruppe ohne Namensbezeichnung gegen die Metropole der Bonzen, Bänker und Beamten und die Zerstörung der Kieze durch täglich mehr als 5000 Autos. 01.08.1992 Beteiligung von Autonomen und Angehörigen des RAFUmfeldes an einer Demonstration gegen den geplanten Ausbau der Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) für den Kfz-Individualverkehr. Etwa 400 Personen, darunter bis zu 200 Angehörige der autonomen Szene und des RAF-Umfeldes, skandierten Parolen gegen die beabsichtigte Schließung des Innenstadtringes zur Umfahrung der Citybereiche. Militante Aufzugsteilnehmer beklatschten den Brandanschlag gegen einen Schaufelbagger am Vortag und kündigten weitere Sachbeschädigungen an. 04.08.1992 Beschädigung von Baumaterial auf der Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain). 196 5 - Anhang II: Chronologie - Vermutlich Angehörige der autonomen Szene setzten eine Holzbohle in Brand. Das Feuer wurde von einem Wachmann gelöscht. 09.08.1992 Entfernung von Bauzaunteilen auf der Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain). Etwa 20 Personen, die der autonomen Szene zuzurechnen sein dürften, lösten Drahtsicherungen von 32 Bauzaunsegmenten und warfen diese sowie 20 aus Beton gefertigte Zaunfeldhalter von der Brücke in die Spree. 11.08.1992 Brandanschlag auf einen Kleinlastwagen mit Aufschrift der Olympia GmbH Berlin 2000 in Berlin-Mitte. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, versuchten, das Fahrzeug mittels Benzin in Brand zu setzen. Polizeibeamte löschten das Feuer. 13.08.1992 "Autonome Antifaschisten" brechen in die Räumlichkeiten der Landesgeschäftsstelle Berlin der "Nationalen Alternative" (NA) ein und entwenden u.a. Mitgliederakten und Propagandamaterial. 14.08.1992 Versuchter Brandanschlag in Berlin-Neukölln auf einen Schaufelbagger. Unbekannte Täter, vermutlich Aktivisten der autonomen Szene, versuchten, in ähnlicher Vorgehensweise wie am 31. Juli, eine Baufirma zu schädigen, die mit Arbeiten an der Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) betraut ist. Die Brandsätze funktionierten jedoch nicht. 15.08.1992 Angriffe dem autonomen Spektrum zuzurechnender Gewalttäter auf Polizeibeamte an der Raststätte Hermsdorf (Thüringen). Bis zu 100 Teilnehmer eines Konvois, der offenbar anläßlich von Aktivitäten rechtsextremistischer Organisationen und Einzelpersonen zur Wiederkehr des Todestages des einstigen HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS unterwegs war, griffen auf dem Autobahnrastplatz Hermsdorf ohne Vorwar- 5 - Anhang II: Chronologie - 197 nung observierende Zivilkräfte der Polizei an. Die Gewalttäter, mit Eisenstangen und Wurfgeschossen bewaffnet, beschädigten mehrere Personenkraftwagen, darunter die Ejnsatzfahrzeuge. 16.08.1992 Angriff auf ein Lokal in Berlin-Kreuzberg. Vier vermummte Personen stürmten in das Lokal und schleuderten Nebelwurfkörper russischer Herkunft in die Räumlichkeiten. Es wurde niemand verletzt. In Flugblättern, die man in der Nähe des Tatortes fand, polemisierten die Täter unter Hinweis auf Studentenkrawalle in Seoul (Südkorea), (streikende) Bergarbeiter in Polen und Rumänien sowie Blockadeaktionen französischer Fernfahrer gegen Karrieristen, ... Boomtownideologen und die verschärften Kapitalistenangriffe auf unsere Stadtteile. Das Restaurant - bereits am 5. Oktober 1991 Ziel eines Schmutzanschlages - wurde in der autonomen Szene als Schicki-Micki-Laden diffamiert. Es stehe, so Verlautbarungen Autonomer, für die Umstrukturierung des Kiezes und diene der Vertreibung ärmerer Bevölkerungsschichten aus dem Innenstadtbereich. 19.08.1992 Beteiligung Berliner Autonomer an einer gewalttätig verlaufenen Demonstration in Eberswalde (Brandenburg) unter dem Motto Rassismus tötet. Anlaß war der dortige Prozeß gegen rechtsextremistische Gewalttäter, die den Angolaner Amadeu ANTONIO zu Tode geprügelt hatten. Bereits kurz nach dem Eintreffen und später im Verlaufe des Aufzuges griffen autonome Gewalttäter Polizeibeamte massiv an, warfen auf sie u.a. Steine, Knallkörper und mit Scherben gefüllte Büchsen; außerdem setzte man Leuchtspurmunition gegen die Ordnungshüter ein. Passanten, die man aufgrund ihres Äußeren seitens der Autonomen für Rechtsextremisten hielt, wurden brutal zusammengeschlagen. Häuser, über die zuvor das Gerücht dort angeblich wohnhafter Neonazis verbreitet worden war, wurden mit Steinen und Knallkörpern beworfen. 198 5 -Anhang II: Chronologie 23.08.1992 Schwere tätliche Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der autonomen Szene und Rechtsextremisten in Berlin-Lichtenberg. 24.08.1992 Demonstration vom Alexanderplatz zum S-Bahnhof Friedrichstraße (jeweils Berlin-Mitte) gegen die ausländerfeindlichen Krawalle in Rostock. Etwa 400 Personen, überwiegend Autonome und Angehörige von "Antifa"-Gruppen, protestierten gegen die seit 22. August andauernden Angriffe überwiegend rechtsextremistischer Kreise auf eine Unterkunft für Asylbewerber in Rostock. 26.08.1992 Brandanschlag auf Baufahrzeuge einer an dem Bauvorhaben Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) beteiligten Firma. Infolge des Anschlages unbekannter, der autonomen Szene zuzurechnender Täter verschmorte der Kabelbaum eines Schaufelbaggers. Deponierte Brandsätze an einer Walze und einem Bauwagen, der zusätzlich mit Benzin Übergossen worden war, zündeten nicht. 27.08.1992 Ausschreitungen bei der Räumung des besetzten Hauses Pfarrstraße 112 (Berlin-Lichtenberg). Bis zu 15 Hausbesetzer, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, bewarfen Polizeibeamte, die nach mehrmaliger Aufforderung zum Verlassen des Hauses in das Objekt eindrangen, mit Steinen, Flaschen und Fernsehgeräten. Bei der anschließenden Durchsuchung des Hauses stellten die Beamten zahlreiche Pflastersteine und Brandflaschen sicher. 27.08.1992 Versuchte Störung einer Live-Sendung des privaten Fernsehsenders "SAT 1" in der "Kultur Brauerei", Sredzkistraße (Berlin-Prenzlauer Berg), zum Thema Krawalle in Rostock. Ca. 100 Angehörige der autonomen Szene belagerten das Veranstaltungsgelände, um die Sendung "Einspruch", in 5 -Anhang II: Chronologie199 der auch prominente Neonazis zu Wort kommen sollten, zu verhindern. Polizeibeamte schritten ein. Später griffen militante Akteure abreisende Teilnehmer mit Flaschenund Steinwürfen an. 29.08.1992 Beteiligung des Berliner linksextremistisch motivierten Gewaltpotentials an der Demonstration Stoppt die Pogrome in Rostock. An dem insgesamt etwa 12 000 Personen umfassenden Aufzug nahmen ca. 3 000 Demonstranten aus Berlin teil, darunter ein harter Kern von rund 600 Autonomen, militanten "Antifa"-Gruppenanhängern und Angehörigen des RAF-Umfeldes. Während des Zuges durch Rostock wurde mit Steinen und Leuchtraketen auf Fenster und Balkone gezielt, hinter denen man Rechtsextremisten vermutete. Gegen Ende des Aufzuges versuchten militante Akteure, Polizeibeamte anzugreifen. Diese verhinderten jedoch größere Ausschreitungen. 03.09.1992 Brandanschlag auf einen Jugendclub in Berlin-Ahrensfelde. Die Aktion richtete sich gegen ein dort untergebrachtes, selbstverwaltetes, sozialpädagogisch betreutes Jugendpilotprojekt für Skinheads, das aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Unter Hinweis auf zugunsten des Projekts bewilligte Landesmittel kritisierte eine Gruppe mit der Bezeichnung "Rote Antifaschistische Fraktion" die enge Verknüpfung der staatlichen stellen mit den faschisten. Für die Zukunft propagierten die Verfasser koordinierte militärische aktionen gegen die Faschisten. 03./04.09.1992 Schmutzanschlag auf das Privathaus des Berliner Senators für Verkehr und Betriebe, Prof. Dr. Herwig HAASE. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter warfen Farbbeutel gegen die vordere Gebäudewand. Der Anschlag, zu dem sich eine "Autonome Gruppe" bekannte, richtete sich gegen den Ausbau der Oberbaum- 200 5 - Anhang II: Chronologie - brücke (Berlin-Friedrichshain) im Rahmen der von Autonomen bekämpften Umstrukturierung Berlins. 05./06.09.1992 Polizeibeamte kontrollieren die Umgebung von Unterkünften für Asylbewerber und Ausländer in Berlin-Hohenschönhausen wegen befürchteter Angriffe von Rechtsextremisten und entsprechenden Gegenaktionen Autonomer. Dabei werden 570 Personen sowohl aus dem rechtsextremistischen als auch aus dem linksextremistischen Spektrum überprüft und zahlreiche Waffen wie Gasund Schreckschußpistolen, Baseballschläger, Schlagstöcke und Molotowcocktails sichergestellt. 11.09.1992 Brandanschlag auf einen Personenkraftwagen der Marke Mercedes-Benz in Berlin-Kreuzberg. In einer Bekennung erklärte eine Gruppe "Rote BMWFraktion", sie habe ursprünglich ein Fahrzeug der Marke BMW zerstören wollen, dieses Vorhaben jedoch am Sicherheitsglas des Zielobjektes gescheitert sei. Weiterhin polemisierte sie gegen die Halterfirma, die u.a. an der Umstrukturierung des Moritzplatzes im Bezirk Kreuzberg Geld verdiene. 17.09.1992 Brandanschlag in Berlin-Friedrichshain auf einen Personenkraftwagen der Marke Mercedes-Benz. In einer Taterklärung wandte sich eine Gruppe mit der Bezeichnung "Die Drei von der Tankstelle" unter der Überschrift VOLXSPORTFEST GEGEN BONZEN IN FRIEDRICHSHAIN ERÖFFNET!!!! gegen eine befürchtete Umstrukturierung in diesem Bezirk. 20.-24.09.1992 Beschädigung mehrerer Fahrzeuge eines Busunternehmens. Unbekannte Täter zerstachen in den Bezirken Tempelhof und Tiergarten insgesamt neun Reifen von fünf Reisebussen. In einem Schreiben an den Hauptsitz der betroffenen Firma in Bielefeld wandten sich die Täter mit der Bezeichnung 5 - Anhang II: Chronologie - 201 "BbB (Bürger/innen beobachten Busunternehmen)" gegen die Beförderung von faschistischen Gruppen wie FAP, NA, NL, DA zu öffentliche(n) Massenveranstaltungen ...in Halle, Dresden, Halbe, Wunsiedel/Rudolfstadt (sic!) und Hoyerswerda (sic!) (geplant zum 26.9.) durch das geschädigte Busunternehmen. Kopien des Schreibens seien an weitere Busfirmen gesandt worden, die auch beim Faschistentreffen in Wunsiedel bzw. Rudolf Stadt (sic!) dabei waren. 27.09.1992 Störaktion gegen die Sportveranstaltung Berlin-Marathon an den sog. Yorckbrücken (Berlin-Schöneberg). Unbekannte Täter, die der autonomen Szene zuzurechnen sind, kippten den Inhalt zahlreicher mit Schmierseife gefüllter Farbeimer durch Wasserablässe der Brücken auf die Fahrbahn. Mehrere Läufer kamen auf der rutschigen Substanz zu Fall; Fahrzeuge Anwesender und Kleidungsstücke von Teilnehmern wurden beschmutzt. Zu dem Anschlag erschien ein Bekennerschreiben mit der Überschrift KEIN LEISTUNGSTERROR KEINE OLYMPISCHEN SPIELE IN BERLIN, in dem sich die Täter gegen die mögliche Austragung der Olympischen Spiele 2000 in Berlin sowie die Umstrukturierung der Stadt wandten. 02.10.1992 Brandanschlag gegen eine Firma in Berlin-Prenzlauer Berg, die u.a. mit der Erstellung von Werbebroschüren für die Olympiabewerbung Berlins für das Jahr 2000 befaßt ist. In einer Taterklärung wandte sich eine "Autonome Gruppe" pauschal gegen die Austragung Olympischer Spiele. 02.10.1992 Ausschreitungen nach Ende einer Musikveranstaltung unter dem Motto EINHEIZFESTIVAL ANTIFA BENEFIZ, dessen Erlös "Antifa"-Gruppen in Berlin und Brandenburg zugute kommen sollte. Etwa 500 Besucher, die mit der S-Bahn vom Veranstaltungsort, der Freilichtbühne im "Freizeitund Erholungszentrum Wuhlheide" (FEZ) in die Innenstadt gefahren waren, griffen in der östlichen Umgebung des Brandenbur- 202 5 - Anhang II: Chronologie - ger Tores und des Reichstages (jeweils Berlin-Mitte) Polizeibeamte an. Die Gewalttäter, überwiegend Angehörige der autonomen Szene, warfen Steine und Flaschen und demolierten mehrere geparkte Fahrzeuge. 03.10.1992 Beschädigung eines Personenkraftwagens der Marke Jaguar in Berlin-Friedrichshain. Unbekannte, vermutlich der autonomen Szene zuzurechnende Täter zerstachen die Reifen des Fahrzeuges, zerkratzten den Lack und schmierten die Worte Scheiß-Bonze auf die Motorhaube. 03.10.1992 Linksextremistische Aktivitäten gegen die öffentlichen Feierlichkeiten anläßlich des 2. Jahrestages der Vereinigung Deutschlands. Von den etwa 500 gewaltbereiten Linksextremisten, die nach Schwerin gereist waren, um die Veranstaltungen zu stören, stammte der überwiegende Teil aus Berlin. Es wurden vereinzelt Steine, Feuerwerkskörper und Eier in Richtung der Medienvertreter und offiziellen Gäste geworfen sowie Schmährufe wie Nie wieder Deutschland! und Kohl verrecke! skandiert. Die Polizei verhinderte größere Ausschreitungen. In Berlin-Kreuzberg kam es während und nach einem Aufzug bis zum späten Abend zu Steinwürfen auf Polizeibeamte und Verkehrsbehinderungen durch Bohlen und in Brand gesetzte Bauwagen. 05./06.10.1992 Aktionen gegen verschiedene Geschäfte in Berlin-Prenzlauer Berg; vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe verklebten die Türschlösser mehrerer Läden. In einer Taterklärung ohne Gruppenbezeichnung wurden die betroffenen Geschäftsinhaber beschuldigt, verursacher und nutznießer einer gewerbemietenentwicklung, die immer mehr kleine betriebe kaputt macht, zu sein, kiezstrukturen zu zerstören und den kiez für besser verdienende passend zu machen. 5 -Anhang II: Chronologie203 10./11.10.1992 Brandanschläge auf hochwertige Personenkraftwagen in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter beschädigten insgesamt fünf Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz, Alfa Romeo und Volvo. Zwei Brandsätze unter einem Personenkraftwagen der Marke Porsche zündeten nicht; ein weiterer wurde im Parkraum eines inzwischen entfernten Fahrzeuges gefunden. In der Umgebung eines beschädigten Fahrzeuges fanden Anwohner Flugblätter mit der aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzten und fotokopierten Aufschrift Todeszone für Spekulanten und Yuppieschweine! Proletarische Justiz! "Komitees für Gerechtigkeit". Eine Verbindung zu den - insbesondere als Sprachrohr der Bevölkerung in den neuen Bundesländern gegründeten - "Komitees für Gerechtigkeit" war trotz Namensgleichheit nicht erkennbar. 11./12.10.1992 Beschädigung eines Lastkraftwagens in Berlin-Neukölln durch unbekannte Angehörige einer vermutlich autonomen Kleingruppe. Unter der Bezeichnung "kommando willy brandt" forderten die Täter Hände weg von der Oberbaumbrücke und oberbaumbrücke bleibt stadtringlücke. 12.10.1992 Angriffe Autonomer gegen Skinheads in Berlin-Lichtenberg. Bis zu 40 der autonomen Szene zuzurechnende Personen bewarfen vor einem Imbiß etwa zehn Skinheads mit Steinen und Flaschen und schlugen mit Eisenstangen, Baseballschlägem und Ketten auf ihre Gegner ein. Zwei Skinheads erlitten dabei Frakturen. 12.10.1992 Beschädigung zahlreicher Personenkraftwagen auf dem Gelände eines Autohauses in Berlin-Kreuzberg. In einer Taterklärung wandten sich die Täter gegen einen geplanten Neubau des Unternehmens am Moritzplatz im selben Bezirk unter Hinweis auf die auch mit diesem Bau- 204 5 - Anhang II: Chronologie - vorhaben verbundene Umstrukturierung insbesondere dieses Stadtteils. 12.10.1992 Anonyme Bombendrohung gegen die Zentrale der Berliner Börse in Berlin-Charlottenburg. Das autonome Szeneblatt "INTERIM" druckte unter der Überschrift 500 Jahre imperialistische Weltordnung sind kein Grund zum Feiern! eine ironische Beschreibung der Räumung ab. Der Beitrag eines "Kommando TUPAC AMARU" endete mit den Parolen Solidarität mit dem indigenen-, schwarzenund Volkswiderstand Lateinamerikas! 500 Jahre sind genug! 15./16.10.1992 Sachbeschädigungen an einer angeblichen Faschistenkneipe in Berlin-Moabit. In einer Selbstbezichtigung, die von Autonomen stammen dürfte, wird die Aktion als unmißverständlicher Hinweis, daß "in diesem Kiez Faschos und ihre Freunde/Sympis unerwünscht" sind, bezeichnet. 16.10.1992 Angriff Autonomer gegen einen vermeintlichen Rechtsextremisten (Skinhead) in Berlin-Lichtenberg. Der Geschädigte wurde von etwa 30 zum Teil vermummten, den Autonomen zuzurechnenden Personen umringt und mit einer Eisenstange am Kopf verletzt. 16./17.10.1992 Versenken einer schwimmenden Bauschute in der Nähe der Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain). Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter legten fünf Plastikschläuche über die Bordwand des Schiffes, so daß Wasser in das Innere laufen konnte. Eigentümerin der Bauschute ist eine am Bauvorhaben Oberbaumbrücke beteiligte Firma, deren Baugeräte schon mehrmals Ziel von Anschlägen autonomer Kleingruppen waren. In einer Taterklärung wandten sich "AUTONOME PHYSIKERiNNEN DES 20. JAHRHUNDERTS" gegen den Ausbau der Oberbaumbrücke für den Personenindividualverkehr. 5 -Anhang II: Chronologie205 22.10.1992 Störung einer Filmveranstaltung in Berlin-Charlottenburg. Anläßlich der Vorführung des Filmes "Columbus 1492" über die Entdeckung Amerikas vor 500 Jahren verteilten zwei unbekannte mutmaßliche Angehörige der autonomen Frauenbewegung eine übelriechende Flüssigkeit in dem Kinosaal und hinterließen Flugblätter, in denen zum Boykott der Filmvorführung aufgerufen wurde. Zur Begründung hieß es in den Schriften, die Landung von Christoph Kolumbus sei der Anfang von Zerstörung, Unterwerfung, Ausbeutung und Völkermord an Hunderten von Kulturen in der "Neuen Welt" gewesen. 23. /24.10.1992 Brandanschlag gegen einen Personenkraftwagen der Marke Mercedes-Benz in Berlin-Friedrichshain. Vermutlich Angehörige der autonomen Szene versuchten am 23. Oktober mit einem selbstgefertigten Sprengsatz den Benzintank des Fahrzeuges zu beschädigen und auslaufendes Benzin mittels einer Wunderkerze in Brand zu setzen. Es wurde jedoch lediglich die Unterbodenbeschichtung des Benzintanks leicht beschädigt. In einer Taterklärung bekannte sich ein der autonomen Szene zuzurechnendes "Kommando Coupe ade" zu dem Anschlag. Offenbar am nächsten Tage, dem 24. Oktober, schlugen Täter einer weiteren autonomen Gruppe u.a. mehrere Scheiben desselben, inzwischen umgesetzten Fahrzeuges ein. Zur Begründung der Demolierungen wird in einer Selbstbezichtigung angeführt, der Fahrzeugbesitzer gehöre zu den zugezogenen Bewohnern eines ehemals besetzten, nunmehr modernisierten Hauses, die überhöhte Mieten bezahlen könnten. 23.-25.10.1992 Unterstützung ausländischer Studenten in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) gegen fremdenfeindliche Gewalttäter durch etwa 50 Anhänger der sog. autonomen "Antifa"-Bewegung. 206 5 - Anhang II: Chronologie - 23./24.10.1992 Beschädigung eines Personenkraftwagens der Marke Mercedes-Benz in Berlin-Friedrichshain. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter beschädigten das Fahrzeug, indem sie mit Hämmern Scheiben zerstörten und den Lack zerkratzten. In einer Taterklärung wandten sich die Täter gegen erhöhte Mieten nach Renovierung von Häusern in der Straße, in der das Kraftfahrzeug abgestellt war. 24./25.10.1992 Brandanschlag u.a. auf Außenanlagen des Anwesens eines ehemaligen Funktionärs der Partei "Die Republikaner" (Rep). Nach einer Taterklärung einer der autonomen Szene zuzurechnenden Gruppierung mit der Bezeichnung "KOMMANDO: MILITANT UND FIES GEWESEN !!!!!" setzten die unbekannten Täter den Gartenzaun am Einfamilienhaus des Geschädigten sowie eine dort stehende Mülltonne der Berliner Stadtreinigung in Brand. 28.10.1992 Angriff auf einen Militaria-Händler in Berlin-Pankow. Sechs bis acht unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter überfielen, nachdem sie schon vor der Ladenöffnung versucht hatten, in das Geschäft einzudringen, kurz nach dem Aufschließen den Geschäftsinhaber. Sie fesselten ihn, beschädigten Textilien, Schallplatten sowie Teile der Ladeneinrichtung und sprühten die Parole Frei Nazischwein an die Wand. Vor dem Verlassen des Geschäftes besprühten sie das Opfer mit Buttersäure, entwendeten sein Schlüsselbund und forderten es auf, nicht mehr an Nazischweine zu verkaufen. 29.10.1992 Zwei vermutlich der autonomen Szene zuzurechnende Personen reißen einen Mann auf dem Bahnhof Lichtenberg zu Boden, treten ihn mit Füßen und beschimpfen ihn mit den Worten Du Nazi-Sau. Der Angegriffene wehrt sich mit einer Pistole, die ihm die später unerkannt entkommenden Täter entreißen. 5 -Anhang II: Chronologie207 29.10.1992 Brandanschlag auf das Kraftfahrzeug des Vorsitzenden des Landesverbandes "Reichshauptstadt" der "Deutschen Alternative" (DA), Arnulf-Winfried PRIEM. Bei den Tätern handelt es sich wahrscheinlich um Angehörige der autonomen Szene. 29.10.1992 Schmutzanschlag auf ein Lokal in Berlin-Kreuzberg. Drei maskierte, unbekannte Täter drangen aus einer Gruppe von zehn Personen in die Räumlichkeiten ein, überschütteten die Inhaberin, mehrere Angestellte sowie sechs Gäste mit Fäkalien, warfen ein Behältnis mit Buttersäure in das Lokal und versprühten aus einem Feuerlöscher ein Gemisch von Tränengas und Buttersäure. Vor dem Verlassen des Raumes entwendeten sie aus der Kasse Geld und schlugen eine Fensterscheibe ein. Kurze Zeit nach dem Schmutzanschlag wurden in unmittelbarer Nähe des Lokals zwei Brandanschläge auf Personenkraftwagen der Marken Pontiac und Volvo verübt. In einem Bekennerschreiben polemisierten die Täter gegen sog. Yuppie-Läden. Unterzeichnet war die Bekennung mit dem Zusatz KLASSE GEGEN KLASSE FÜR DEN KOMMUNISMUS. 29.10.1992 Versuchte Störung einer Aufzeichnung der Sendung "Einspruch" des privaten Fernsehsenders "SAT 1" zum Thema Rechte Bands contra linke Bands - Mit Hitler in die Hitparade in der "Kultur Brauerei" (Berlin-Prenzlauer Berg). Nach Mobilisierung in der autonomen Szene versammelten sich bis zu 80 Personen vor dem Veranstaltungsort, um gegen den Auftritt einer "Nazi-Band" zu protestieren. Im Verlaufe der Aufzeichnung gingen desweiteren zwei anonyme, telefonische Bombendrohungen ein, die den Verlauf der Fernsehdiskussion unterbrechen sollten. Entsprechende Tatmittel fand man nicht. 04.11.1992 Mißglückter Anschlag auf Baumaschinen einer am Bauvorhaben Oberbaumbrücke beteiligten Firma. 208 5 -Anhang II: Chronologie - Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter beschmierten in Berlin-Neukölln eine Bauramme mit der Parole Kein Innenstadtring. Haut ab. und versuchten, diese sowie einen neben der Bauramme stehenden Radlader in Brand zu setzen. In einer kurzen Taterklärung drohten die Täter ohne Gruppenbezeichnung der betreffenden Firma mit weiteren Anschlägen, falls sie an dem Bauvorhaben weiterarbeite. 04.11.1992 Beteiligung von Angehörigen der autonomen Szene, des RAF-Umfeldes, der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM), der "Türkischen Komunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) sowie der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) an der Demonstration Für eine offene demokratische Gesellschaft - kein Anschlag auf die Grundrechte in der Verfassung - Schluß mit der Rassistischen Asyldebatte - Verteidigt Artikel 16 des GG. Vereinzelt wurden Knallkörper geworfen und Schüsse mit Signalmunition abgegeben. 08.11.1992 Störung der Demonstration Die Würde des Menschen ist unantastbar in Berlin-Mitte. Angehörige der autonomen Szene einschließlich autonomer "Antifa"-Gruppen bewarfen am Brandenburger Tor Bundeskanzler KOHL mit Eiern und Farbbeuteln. Vor der Abschlußkundgebung sickerten etwa 500 von bis zu 800 Autonomen, die insbesondere aus dem Zug von der Gethsemane-Kirche aus zum Kundgebungsplatz am Lustgarten gekommen waren, in die Menge friedfertiger Demonstranten ein, drängten zum Teil gewaltsam vor das Podium und bewarfen Bundespräsident von WEIZSÄCKER mit Farbeiern, Tomaten und Steinen. Zur Unterbrechung der lautsprecherverstärkten Reden auf dem Podium kam es, als militante Akteure ein Kabel der Übertragungseinrichtung zerschnitten. Im Anschluß an die Veranstaltung zogen sie zum Alexanderplatz, warfen mehrere Schaufensterscheiben ein und provozierten Auseinandersetzungen mit der Polizei. 5 -Anhang II: Chronologie209 08./09.11.1992 Farbschmierereien an einer Gaststätte in Berlin-Tiergarten. Angehörige der autonomen Szene beschmierten die Hauswand des Treffortes einer von ihnen als Fascho-Organisation charakterisierten Gruppierung mit Anf/ra-Parolen. In einer Taterklärung wandten sich die Täter mit der Gruppenbezeichnung "MLS-moabits lustige sprüher/innen" dagegen, daß der Wirt sein Lokal dieser Gruppe für Treffen zur Verfügung stellt. 09.11.1992 Brandanschlag in Berlin-Kreuzberg auf einen Bagger einer an dem Bauvorhaben Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) beteiligten Firma. Das Baufahrzeug brannte vollständig aus. Aus dem Hydrauliktank flössen etwa 80 Liter Öl in das umliegende Erdreich. 09.11.1992 Anf/fa-Demonstration unter dem Motto Kein Vergeben - Kein Vergessen! Pogrome verhindern - Rassismus tötet! in Berlin-Tiergarten anläßlich des Jahrestages der "Reichskristallnacht" 1938. Der Aufzug war von einer dem autonomen Spektrum der "Antifa"-Bewegung zuzurechnenden Gruppierung als Gegenveranstaltung zur Demonstration Die Würde des Menschen ist unantastbar am 8. November initiiert worden. Während der Auftakt-Kundgebung hoben militante Akteure den großen Sieg der Autonomen über die Heuchler am Vortag hervor. Beim anschließenden Marsch von bis zu 1.500 Personen zum jüdischen Mahnmal auf der Putlitzbrücke kam es zu Farbschmierereien und Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen. Die Polizei verhinderte größere Ausschreitungen. 09.11.1992 Pressekonferenz Autonomer, darunter Vertreter von "Antifa"-Gruppen, in Berlin-Kreuzberg zu den Aktionen gegen die Demonstration Die Würde des Menschen ist unantastbar am 08.11. Mehrere Aktivisten werteten die Ausschreitungen als Erfolg, da man die Propagandashow der etablierten Parteien zum 210 5 - Anhang II: Chronologie - Platzen gebracht und die Politiker als Heuchler entlarvt habe. Außerdem zeigte man sich bemüht, die Steinwürfe Autonomer durch Vergleich mit neonazistischen Brandstiftungen an Ausländerheimen als weitaus harmlosere Gewaltform zu verteidigen. In einer am selben Tag verbreiteten Erklärung bekräftigten "Berliner Autonome" ihre Einschätzung. Es sei gelungen, die heuchlerische Inszenierung der Herrschenden für die internationale Presse und ausländische Investoren zu stören und die Verantwortlichen für Ausländerhetze, Fremdenfeindlichkeit und Vertreibungspolitik zu benennen. 10.11.1992 Angriff Autonomer auf Angehörige der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und Skinheads in BerlinPrenzlauer Berg. Bis zu 30 der autonomen Szene zuzurechnende Täter bewarfen vor einer Gaststätte ihre Gegner mit Flaschen und Feuerwerkskörpern und schlugen mit Baseballschlägern auf sie ein. 11.11.1992 Anschlag auf den Umweltstadtrat im Bezirksamt Wedding, Hermann VOSS. Unbekannte Täter beschossen den Angehörigen der Partei "Die Republikaner" (Rep) beim Verlassen des Dienstgebäudes vermutlich mittels einer Zwille mit einer 20 mm dicken Leichtmetallschraube, die in Höhe des Herzens von einem dort befindlichen Notizbuch abgefangen wurde. 11.11.1992 Erneuter Angriff auf einen Militaria-Händler in BerlinPankow. Vier bis sechs unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Personen zerstörten die Schaufensterscheiben des Geschäftes und warfen einen Nebelwurfkörper und Buttersäureflaschen in den Laden, in dem sich der Besitzer sowie weitere Personen aufhielten. Vor ihrer Flucht setzten die zum Teil vermummten Täter den Personenkraftwagen des Geschäftsinhabers in Brand. Dieses und ein weiteres Fahrzeug brannten vollständig aus. 5 - Anhang II: Chronologie - 211 In einer Taterklärung wandten sich die Täter ohne Gruppenbezeichnung gegen den Verkauf von Tonträgern faschistischer Musikgruppen und T-Shirts mit faschistischem Aufdruck sowie gegen den Versand faschistischer Literatur. 15.11.1992 Ausschreitungen Berliner Autonomer in Königs Wusterhausen (Brandenburg) im Rahmen von Aktionen gegen eine von der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." geplante "Heldengedenkfeier" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe. Auf dem Bahnhof durchsuchten insbesondere Angehörige autonomer und sog. "Antifä'-Gruppen ankommende Züge nach Neonazis, schlugen mehrere tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten zusammen und raubten ihnen teilweise Schuhe und andere Bekleidungsstücke. Weiterhin demolierten sie Scheiben an Zügen und im Bahnhof. 15.11.1992 Angriff gegen eine der "rechten Szene" zuzurechnende männliche Person in Berlin-Prenzlauer Berg. Etwa 15 Personen aus der autonomen Szene umringten das Opfer und schlugen es zusammen. Als Polizeibeamte die Umgebung des Tatortes absuchten, trafen sie auf 20 zum Teil vermummte Personen und wurden, bei dem Versuch deren Identität festzustellen, tätlich u.a. mit Steinen angegriffen. Die Täter konnten unerkannt entkommen. 15.11.1992 Angriffe gegen Bauarbeiter im Haus Pfarrstraße 104 (BerlinLichtenberg). Nachdem es schon in der Vergangenheit zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen den der autonomen Szene zuzurechnenden Besetzern, insbesondere des Hauses Pfarrstraße 104, und dort tätigen Handwerkern gekommen war, bewarfen nunmehr 20 bis 25 vermummte jugendliche Gewalttäter zwei von ihnen mit Steinen, schlugen sie zu Boden und traten auf sie ein. Ein Opfer verletzten sie mit einem Messer. Anschließend demolierten die Täter das 212 5 - Anhang II: Chronologie - Firmenfahrzeug, indem sie u.a. sämtliche Scheiben einwarfen. 18.11.1992 Brandanschlag auf den "Berlin-Pavillon" in Berlin-Tiergarten. Angehörige einer "Autonomen Gruppe Volxsport statt Olympia" setzten die Eingangstür und die Holzverkleidung der Wand eines Lagerraumes in Brand. Das Feuer erlosch von selbst, ohne die Haussubstanz anzugreifen. In einer Taterklärung wandten sich die Täter gegen die Bewerbung der Stadt Berlin für die Austragung der Olympischen Spiele 2000. 19.11.1992 Brandanschlag auf einen Personenkraftwagen der Luxusklasse in Berlin-Mitte. Unbekannte Täter, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, schlugen die Fensterscheibe der Beifahrertür eines Mercedes-Benz 300 SL aus Tauberbischofsheim ein und setzten den Beifahrersitz mittels einer Flüssigkeit in Brand. Polizeibeamte fanden später in dem Fahrzeug einen teilweise verschmorten Benzinkanister aus Plastik. 21.11.1992 Sachbeschädigungen durch Angehörige der autonomen Szene im Jugendklub "Judith Auer" (Berlin-Lichtenberg). Die Täter, Teilnehmer eines Spontanaufzuges anläßlich der Tötung des Hausbesetzers Silvio MEIER am 20./21. November, bedrohten die Beteiligten einer Kinder-Disco und zerstörten die Einrichtung. Aus einem nach dem Angriff auf den Jugendclub neugebildeten Aufzug heraus wurden weitere Sachbeschädigungen begangen. In dem Jugendclub, u.a. ein Treffpunkt militanter Rechtsextremisten, verkehrte neben Skinheads auch die Gruppe Jugendlicher, aus der heraus der Hausbesetzer erstochen wurde. 22.11.1992 Demonstration in Berlin-Friedrichshain anläßlich der Tötung des Hausbesetzers Silvio MEIER. 5 - Anhang II: Chronologie - 213 Aus einer aggressiven Menge von insgesamt etwa 2.000 Demonstrationsteilnehmern, überwiegend Angehörige der autonomen Szene, richteten Gewalttäter Steinwürfe und Leuchtspurgeschosse gegen ein Gebäude, in dem sie ein Büro der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) vermuteten. Auch Eishockey-Fans in einer Straßenbahn und Polizeibeamte wurden attackiert. Ferner beschädigten die Randalierer ein Lokal und beschmierten Objekte mit Farbe. 22./23.11.1992 Anschläge auf drei "Pornoschuppen" in Berlin-Moabit. Eine der autonomen Szene zuzurechnende "MOABITER GRUPPE PSALM 26/VERS 4 UND 48/VERS 6" bezichtigte sich in der Zeitschrift "INTERIM", drei Geschäfte beschädigt zu haben. Die Aktion, so Äußerungen der Verfasser, habe sich nicht gegen die dort beschäftigten Frauen gerichtet, sondern gegen die in dieser Art von Läden zum Ausdruck kommende Unterdrückung von Frauen. 23.11.1992 Erneuter Brandanschlag auf den Jugendclub "Judith Auer" (Berlin-Lichtenberg). Die Täter warfen zwei Molotowcocktails in die Räumlichkeiten der bereits am 21. November von autonomen Kreisen attackierten Einrichtung. Das autonome Szeneblatt "INTERIM" veröffentlichte zu der Aktion die kurze Bekennung einer "FRAUENLESBEN GRUPPE". 23.11.1992 Brandanschlag auf einen Personenkraftwagen in BerlinKreuzberg. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter setzten ein Fahrzeug der Marke Chrysler in Brand. Der Wagen brannte vollständig aus. Auf dem Beifahrersitz fand man Reste eines Benzinkanisters aus Plastik. 23.11.1992 Ausschreitungen in Berlin-Kreuzberg bei einer Demonstration anläßlich der Tötung des Hausbesetzers Silvio MEIER am 20./21. November. 214 5 - Anhang II: Chronologie - Etwa 200 Gewalttäter, die der autonomen Szene zuzurechnen sind, bewarfen Polizeibeamte und -fahrzeuge mit Steinen, beschossen sie mit Signalund Gasmunition und griffen sie teilweise mit Äxten, Steinen und Platten an. In "Lynchstimmung" waren die Randalierer fortgesetzt auf der Suche nach vermeintlichen Rechtsextremisten, ohne jedoch auf solche zu treffen. 24.11.1992 Sachbeschädigungen und Farbschmierereien am Haus Pfarrstraße 111 (Berlin-Lichtenberg). Unbekannte, der örtlichen autonomen Hausbesetzerszene zuzurechnende Personen drangen gewaltsam in das leerstehende Haus ein, zerschlugen diverse Fensterscheiben und beschmierten die Hauswand u.a. mit Parolen wie Nazis raus, nur tote Nazis gute Nazis. Das Haus sollte - innerhalb eines Jugendprojektes u.a. für Skinheads - renoviert werden. 01.12.1992 Angriff auf einen vermeintlichen Rechtsextremisten in Berlin-Prenzlauer Berg. Ein unbekannter Insasse eines mit weiteren vermutlichen Autonomen besetzten Personenkraftwagen hielt einen Passanten an, fragte ihn, ob er ein "Nazi" sei, schlug ihm, ohne eine Antwort abzuwarten, mehrmals in das Gesicht und flüchtete anschließend mit dem Fahrzeug. Das Opfer mußte sich in ärztliche Behandlung begeben. 01.12.1992 Versuchter Brandanschlag auf einen Rammbagger in Berlin-Kreuzberg, unweit der Oberbaumbrücke (BerlinFriedrichshain). Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter versuchten, mittels eines Molotowcocktails, das nur vom Wasser aus zugängliche, auf einem Ponton befindliche Baugerät in Brand zu setzen. Der Brandsatz zündete, konnte jedoch trotz deponierter zusätzlicher Flammenträger (eine Wolldecke, ein Schlafsack und ein Hanfseil) kein anhaltendes Schadenfeuer auslösen. 5 -Anhang II: Chronologie215 In einer in dem autonomen Szeneblatt "INTERIM" veröffentlichten Taterklärung bekannte sich eine Gruppe "Kommando Heiligs Blechle" unter der Überschrift "Advent Advent ein Bagger brennt" zu dem Anschlag und kündigte an, den "Kampf" gegen die Baufirma fortzusetzen. 02.12.1992 Brandanschläge auf mehrere Personenkraftwagen in BerlinTempelhof. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter setzten auf verschiedenen Mieterparkplätzen zwei Autos der Marken BMW und Mercedes-Benz in Brand. 03.12.1992 Pressekonferenz des Koordinierungsausschusses für die "bundesweite Antifa-Demo" am 5. Dezember. Der Zusammenschluß, hinter dem sich u.a. deutsche und türkische autonome Gruppen verbargen, kündigte an, daß man sich nicht an das Vermummungsverbot halten wolle. Mit dem beabsichtigten Verstoß gegen das Versammlungsgesetz könne man sich vor dem Fotografieren einzelner Aufzugsteilnehmer durch Rechtsextremisten schützen. Sollte die Polizei das Vermummungsverbot durchsetzen, so hieß es, werde man sich nicht "plattmachen" lassen. 04.12.1992 Im Verlaufe einer "Vollversammlung" zur "Antifa-Demo" am 5. Dezember verweisen Teilnehmer bei Erörterungen über mögliche Aktionen an diesem Tag auf während der Zusammenkunft verteilte Flugschriften, in denen "Treffpunkte von Faschisten" aufgelistet sind. 04./05.12.1992 Brandanschläge in Berlin-Kreuzberg (vier Fälle) und -Neukölln (ein Fall). Anschlagsziele waren insgesamt fünf Personenkraftwagen der Marken Porsche (zwei Wagen), BMW, Chevrolet und Mercedes-Benz (jeweils ein Fahrzeug). In einer in der "INTERIM" unter der Überschrift "Wagensport" veröffentlichten Bekennung wandten sich die Täter gegen die "Zerstörung proletarischer Strukturen". Die 216 5 - Anhang II: Chronologie - Anschläge seien exemplarisch in Straßen durchgeführt worden, in denen "der Ausbau von Luxusdachgeschossen forciert wird", "ein kiez zum yuppieviertel" kippt und sich "die etablierten pseudoalternativen mittelschichten immer breiter" machen. Bei den Urhebern dürfte es sich um Angehörige der autonomen Szene gehandelt haben. 05.12.1992 "Bundesweite Antifa-Demo" Autonomer unter dem Motto Kampf gegen den Faschismus - Wir greifen ein. Bis zu 3.000 Personen, mehrheitlich Angehörige der autonomen Szene aus Berlin und anderen Bundesländern sowie Aktivisten der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK), der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD), der "Antifasist Genclik", verschiedener Fraktionen der "Türkischen Kommunistischen Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/M-L), der "Devrimci Sol" und der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP), zogen vom Oranienplatz (Berlin-Kreuzberg) über die Frankfurter Allee (Berlin-Friedrichshain) mit einer Zwischenkundgebung am U-Bahnhof Samariterstraße - dem Ort, an dem ein Hausbesetzer am 20./21. November getötet worden war - zum Tuchollaplatz (Berlin-Lichtenberg). An der Spitze des Aufzuges hatten sich zeitweise bis zu 70 Personen vermummt. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Gruppen maoistischer Ausrichtung einerseits und ihnen ideologisch verfeindeten Linksextremisten andererseits. Autonome griffen Demonstranten der RK mit Knüppeln und Pflastersteinen an. Dabei setzten sie auch unbeteiligte Aufzugsteilnehmer einem Steinhagel aus. Polizeibeamte wurden aus der Demonstrantenmenge mit Flaschen und Steinen beworfen, Personenkraftwagen beschädigt; den Versuch, zwei Wagen umzustürzen, verhinderten die Sicherheitskräfte. Weitere Ausschreitungen während des Aufzuges und danach, u.a. Versuche, in der 5-Anhang II: Chronologie217 Umgebung der Demonstrationsstrecke gelegene Trefforte von Rechtsextremisten anzugreifen, unterband die Polizei nachhaltig. 08.12.1992 Angriff auf einen vermeintlichen Rechtsextremisten in Berlin-Kreuzberg. Eine unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Person beschimpfte auf dem U-Bahnhof Moritzplatz einen 19jährigen Passanten als Nazi-Schwein; im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung wurde der Angegriffene von einem Geschoß aus einer Schreckschußpistole mit aufgeschraubtem pyrotechnischen Zusatzgerät im Schulterbereich getroffen. 09.12.1992 Angriff auf vermeintliche Rechtsextremisten in BerlinTreptow. Etwa 15 der autonomen Szene zuzurechnende Gewalttäter griffen in einem S-Bahnabteil auf der Fahrt zum S-Bahnhof Schöneweide, an einem Imbiß vor dem Bahnhof sowie am Bahndamm in der Nähe dieser Station insgesamt vier junge männliche Personen tätlich an und raubten ihnen teilweise Geld und persönliche Gegenstände. Ein Opfer wurde mit Tränengas besprüht, einem weiteren ein Aufnäher mit der Aufschrift Ich bin froh, ein Deutscher zu sein aus dem Ärmel seiner Jacke geschnitten. 11.12.1992 Angriff auf einen Skinhead in Berlin-Mitte. Mehrere unbekannte Personen, vermutlich Angehörige einer autonomen Gruppe, schlugen auf dem S-Bahnhof Friedrichstraße einen 17jährigen Skinhead zusammen, schössen ihm Tränengas in das Gesicht und entwendeten u.a. seinen Personalausweis und eine Monatskarte. 12.12.1992 Überfall auf einen Werbestand der Partei "Die Republikaner" (Rep) vor dem Einkaufszentrum Johannisthaler Chaussee (Berlin-Neukölln). Acht vermummte, mit Bomberjacken bekleidete Personen warfen Rep-Publikationen zu Boden und mißhandelten 218 5 -Anhang II: Chronologieeinen Neuköllner Rep-Bezirksverordneten mit Faustschlägen. Nachdem der Mandatsträger die Verfolgung der flüchtenden Angreifer aufgenommen hatte, schoß einer der Täter - offenbar aus einer Schreckschußpistole mit pyrotechnischem Zusatzgerät - auf ihn. 12.12.1992 Angriff auf einen vermeintlichen Rechtsextremisten in Berlin-Hohenschönhausen. Etwa zehn Personen, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, umringten auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs Wartenberg einen 19jährigen Passanten, zwangen ihn, seinen Ausweis zu zeigen, entwendeten eine Anstecknadel mit einer "Odinsrune" und schlugen ihm in das Gesicht. 15./16.12.1992 Versuchter Brandanschlag auf einen Lastkraftwagen einer an dem Bauvorhaben Oberbaumbrücke (Berlin-Friedrichshain) beteiligten Firma. Unbekannte, der autonomen Szene zuzurechnende Täter deponierten auf dem Motorblock zwei mit Benzin gefüllte Plastikflaschen. Diese sollten vermutlich durch die Hitze des Motors entflammt werden. Der Fahrer des Lastkraftwagens wurde durch starken Benzingeruch auf den Brandsatz aufmerksam. 18.12.1992 Anschlagsdrohung gegen ein Büro der Partei "Die Republikaner" (Rep) in Berlin-Hellersdorf. An der verschlossenen Eingangstür befestigte eine vermutlich autonome Gruppe mit der Bezeichnung "k.r.k.b." einen Zettel mit der Ankündigung, zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt einen Anschlag auf das Büro verüben zu wollen. 19.12.1992 Angriff auf vermeintliche Rechtsextremisten in BerlinHellersdorf. In der Nacht zum 20. Dezember wurde die Polizei auf eine Gruppe von etwa 20 der autonomen Szene zuzurechnende Personen aufmerksam gemacht, die in der Umgebung des U-Bahnhofs Cottbusser Platz, zum Teil vermummt und mit 5 -Anhang II: Chronologie219 Schlagwerkzeugen bewaffnet, offensichtlich Angehörige der "rechten Szene" attackierten bzw. dieses beabsichtigten. Bei der Absuche der Umgebung wurden drei geschädigte Personen angetroffen, von denen einer ärztlich behandelt werden mußte. 22.12.1992 Farbschmierereien an dem Geschäft eines Militaria-Händlers in Berlin-Pankow. Vermutlich Angehörige der autonomen Szene beschmierten die Fensterscheiben und die Hauswand des Ladens mit antifaschistischen Parolen. Das Geschäft war im Berichtszeitraum wiederholt, zuletzt am 11. November, Ziel von Anschlägen Autonomer, die damit gegen den Verkauf von " Fascho-Accessoi res" protestierten. 22.12.1992 Aufruf Autonomer zur Teilnahme an der Lichterkette gegen Fremdenfeindlichkeit am 25. Dezember. In einer der Tageszeitung "Der Tagesspiegel" zugeleiteten Erklärung kündigten "einige autonome gruppen" an, die "ansätze vom 08.11." (Ausschreitungen während der Großdemonstration "Die Würde des Menschen ist unantastbar") fortzuführen und auszuweiten und "die heuchler aus Staat und parteien erneut angreifen" zu wollen. Aufgrund fehlender Angriffsziele kam es während der Lichterkette am 25. Dezember zu keinen Ausschreitungen. 23.12.1992 Brandanschlag auf einen Personenkraftwagen der Luxusklasse in Berlin-Kreuzberg. Unbekannte, vermutlich Angehörige einer autonomen Kleingruppe, setzten einen Mercedes-Benz 500 SEL aus Nürnberg in Brand. Als Brandsätze benutzten sie drei 1,5 I- Flaschen, gefüllt mit Benzin und vermutlich Pattex-Kleber. 23.12.1992 Angriff auf vermeintliche Hooligans in Berlin-Köpenick. Etwa 20, der autonomen "Antifa"-Szene zuzurechnende Personen griffen sechs Jugendliche, die sie der Kleidung nach für Hooligans hielten, mit Schlagwerkzeugen an, 220 5 -Anhang II: Chronologie - beschossen sie mit Gaspistolen und bewarfen sie mit Feuerwerkskörpern. 28.12.1992 Nicht angemeldete Kundgebung vor dem Amtsgericht Tiergarten anläßlich eines Haftprüfungstermins. Bis zu 50 Angehörige des autonomen Spektrums der sog. "Antifa"-Bewegung demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude für die Entlassung eines im Zusammenhang mit Angriffen gegen vermeintliche Rechtsextremisten am 9. Dezember in Berlin-Treptow festgenommenen mutmaßlichen Straftäters aus der Untersuchungshaft. Zu der Versammlung war u.a. in einer der "Deutschen Presseagentur" (dpa) zugeleiteten "Presseerklärung" der Initiatoren aufgerufen worden. 31.12.1992 Aufzüge unter dem Motto "Für eine Gesellschaft ohne Knaste". Ausgangspunkte waren besetzte Häuser in Berlin-Charlottenburg, Zielpunkte die Justizvollzugsanstalt Moabit (BerlinTiergarten), und die Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin (Berlin-Charlottenburg). Etwa 100 der Autonomenund der Hausbesetzer-Szene zuzurechnende Personen trennten sich auf ihrem Marsch und liefen dann in Gruppen von 70 bzw. 30 Demonstranten zu den Endplätzen. 5 - Anhang II: Chronologie - 221 5.2 Rechtsextremismus 03.01.1992 Teilnahme Berliner Neonazis, darunter Vertreter der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) sowie der Gruppe "Wotans Volk" an der Beisetzung der Urne mit den sterblichen Überresten des am 25. April 1991 verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN in Kassel. Insgesamt beteiligten sich etwa 200 Personen aus mehreren Bundesländern an der Trauerfeier. 06.01.1992 Teilnahme führender Berliner Rechtsextremisten, unter ihnen Angehörige verschiedener Neonazigruppen, an einer außerordentlichen Hauptversammlung des Zusammenschlusses "Freiheitliche Wählergemeinschaft 'Wir sind das Volk"1 (WSDV). Im Rahmen der von etwa 30 Personen besuchten Veranstaltung, die in einer Gaststätte in Berlin-Neukölln stattfand, wurden die Kandidaten für die Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai aufgestellt. 13.01.1992 Überfall auf einen vietnamesischen Staatsangehörigen, vermutlich aus rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven. Vier unbekannte Täter stachen in der Leninallee (Berlin-Lichtenberg) den 30jährigen Asiaten mit einem Messer nieder und verletzten ihn schwer. Die Täter flüchteten mit dem Geld des Opfers. 18.01.1992 Teilnahme Berliner Neonazis, darunter Mitglieder und Anhänger der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), an einer Veranstaltung zum Auftakt des Wahlkampfes der "Nationalen Offensive" (NO) in Konstanz (Baden-Württemberg) anläßlich der bevorstehenden Wahlen zum baden-württembergischen Landtag. 18.01.1992 In Blankenburg wird ein 19jähriger von unbekannten Skinheads mit den Worten "Linke Sau" beschimpft und beraubt. 222 5 -Anhang II: Chronologie20.01.1992 Verbreitung eines erstmals erschienenen Mitteilungsblattes der "Deutschen Alternative" (DA) mit dem Titel "Brandenburger Beobachter" unter Berliner Neonazis verschiedener Zusammenschlüsse. Lt. Impressum zeichnet die DA Cottbus für die Herausgabe verantwortlich. 20.01.1992 Teilnahme führender Funktionäre rechtsextremistischer Organisationen an einer Veranstaltung der "Freiheitlichen Wählergemeinschaft 'Wir sind das Volk'" (WSDV) in einer Gaststätte in Berlin-Neukölln. Aus dem Kreis der Anwesenden wurden weitere Kandidaten für die BW-Wahlen aufgestellt. 22.01.1992 Traditionelle "Reichsgründungsfeier" der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." in einer Gaststätte in BerlinSchöneberg mit etwa 100 Teilnehmern. 25.01.1992 Verteilund Klebeaktion von Mitgliedern und Anhängern der Ortsgruppe Berlin der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) in Neuenhagen (Brandenburg). Die Akteure steckten zahlreiche Info-Blätter mit dem Titel 9-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung in Hausbriefkästen und klebten mehrere Hundert NF-Aufkleber {Ausländer raus, Ausländerintegration ist Völkermord u.a.) an Briefkästen, Telefonzellen, Straßenund Verkehrsschilder. 01.02.1992 Störaktion von etwa 15 Berliner Mitgliedern und Anhängern der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) in Kremmen (Brandenburg) gegen Dreharbeiten des ZDF zu einem Film über das "Dritte Reich". 01.02.1992 Veranstaltung der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in BerlinNiederschönhausen aus Anlaß der Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) am 24. Mai. An der Zusammenkunft, in deren Mittelpunkt eine Rede des FAP-Vorsitzenden Friedhelm BUSSE stand, nahmen etwa 5 - Anhang II: Chronologie - 223 120 Personen teil, darunter Gesinnungsgenossen aus den neuen Bundesländern, aus Hamburg und NordrheinWestfalen. 04.02.1992 Überfall auf einen türkischen Staatsangehörigen und dessen schwangere deutsche Freundin in Berlin-Tempelhof. Vier unbekannte Täter, vermutlich Skinheads, drängten unter Drohung mit einem Messer beide Opfer in den Hausflur eines Wohnhauses, wo der Türke geschlagen und seiner Geldbörse beraubt wurde. 06.02.1992 Entdeckung mehrerer Farbschmierereien neonazistischen Inhalts auf dem Gelände der "Gedenkstätte der Sozialisten" in Berlin-Lichtenberg. Die Täter besprühten mit weißer Farbe mehrere Gedenkplatten mit Hakenkreuzen und Davidsternen; an eine Mauer schmierten sie die Parole Volksgemeinschaft statt Klassenkampf. 16.02.1992 Bundesvorstandssitzung der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Lichtenberg. 18.02.1992 Überfall auf einen vietnamesischen Staatsbürger in BerlinHellersdorf. Zwei Skinheads zwangen ihr Opfer unter Drohungen und Schlägen zur Herausgabe von Zigaretten, die vermutlich illegal verkauft werden sollten. 18.02.1992 Bekanntwerden mehrerer Farbschmierereien unter Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Berlin-Mitte. Die unbekannten Täter schmierten an Hauswände in den Straßenzügen Granseer, Wolliner, Fürstenberger und Swinemünder Straße Hakenkreuze sowie das Signet der neonazistischen "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin). 224 5 -Anhang II: Chronologie - 21.02.1992 Vortragsveranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) zum Thema: Amerikanisierung von Sprache und Kultur. Die Veranstaltung, die von ca. 50 Personen besucht wurde, fand in einer Gaststätte in Berlin-Pankow statt. 21.02.1992 Vortragsabend der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." zum Thema Die One-World droht. An der Veranstaltung in einem Lokal in Berlin-Kreuzberg nahmen etwa 80 Personen, darunter 30 Jugendliche, teil. Vor Beginn der Veranstaltung hatten bis zu 20 teilweise vermummte Personen aus der autonomen Szene mehrere eintreffende Teilnehmer mit Eisenstangen und Holzlatten angegriffen und verletzt. 23.02.1992 Gedenkveranstaltung des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) auf dem St.-Nicolai-Friedhof in Berlin-Prenzlauer Berg aus Anlaß des 62. Todestages des Nationalsozialisten Horst WESSEL. 23.02.1992 Bekanntwerden einer Propagandaaktion unter Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen durch Anhänger der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei-Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAPAO) in Berlin-Reinickendorf; in mehreren Straßenzügen waren mit Hakenkreuz versehene Plakate geklebt worden. 27.02.1992 Sachbeschädigung an zwei Straßenschildern auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte durch den Vorsitzenden und den Schatzmeister des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Die von der Polizei gestellten Täter klebten über eine Seite der Schilder ein Transparent mit der Aufschrift Horst-Wessel-Platz. 5 - Anhang II: Chronologie - 225 01.03.1992 Flugblattaktion des Landesverbandes Berlin - Kreisverband Ost - der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Prenzlauer Berg. Mitglieder und Sympathisanten der FAP verteilten aus Anlaß der Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW) in Hausbriefkästen mehrerer Mietshäuser Propagandamaterial, in dem sich die FAP als nationale und sozialistische Partei darstellt. 04./05.03.1992 Nächtliche Plakataktion von Mitgliedern und Sympathisanten der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) - Landesverband Berlin, Kreisverband Ost - im Bezirk Prenzlauer Berg. 05.03.1992 Flugblattaktion der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) - Landesverband Berlin, Kreisverband Ost - vor dem Arbeitsamt 2, Storkower Straße 118 (Berlin-Prenzlauer Berg). Anhänger der FAP verteilten mehrere Hundert Flugblätter mit der Parole Stoppt die neue Armut, Arbeitslosigkeit und Überfremdung!. 14.03.1992 "Großkundgebung" der rechtsextremistischen "Deutschen Volksunion" (DVU) in der Nibelungenhalle in Passau. An der Veranstaltung, die vom DVU-Bundesvorsitzenden, Dr. Gerhard FREY, geleitet wurde und auf der neben FREY der rechtsextremistische britische Autor David IRVING sprach, beteiligten sich ca. 3.500 Personen. Der Landesverband Berlin-Brandenburg nahm mit einer etwa 40 Mitglieder zählenden Gruppe an der Kundgebung teil. 14.03.1992 Beteiligung von Mitgliedern und Anhängern der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) - Landesverband Berlin - am "Ordentlichen Parteitag 1992" ihrer Organisation in Obersdorf bei Müncheberg (Kreis Strausberg, Brandenburg). Unter den etwa 200 Teilnehmern dominierten FAP-Angehörige aus den alten Bun- 226 5 -Anhang II: Chronologie - desländern, Brandenburger und Sachsen gehörten zu den wenigen Ostdeutschen unter den Versammelten. In einer Rede betonte der vom Parteitag in seinem Amt bestätigte Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE, daß das Schwergewicht der politischen Arbeit der FAP künftig im Raum Berlin/Brandenburg liegen werde. 16.03.1992 Überfall auf zwei indische Staatsangehörige in Berlin-Friedrichshain. Zwei unbekannte Skinheads zwangen eines der Opfer unter Schlägen und Drohung mit einem Messer zur Herausgabe seines Bargeldes und einer Herrenarmbanduhr. 19.03.1992 Jahreshauptversammlung des NPD-Stadtverbandes Berlin in einer Gaststätte in Berlin-Pankow. 29.03.1992 In Berlin-Lichtenberg stoßen Unbekannte 12 Grabsteine der Verfolgten des Naziregimes um. 04.04.1992 Teilnahme von Berliner Neonazis, darunter Mitglieder und Anhänger der neonazistischen "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) und der "Deutschen Alternative" (DA), an einer von verschiedenen neonazistischen Organisationen getragenen bundesweiten Demonstration in Dresden aus Anlaß der Freisprüche in dem Strafprozeß um die Tötung des Neonazi-Anführers Rainer SONNTAG. Vor etwa 800 Teilnehmern traten auf der Abschlußkundgebung u.a. die Neonazi-Führer Christian WORCH ("Nationale Liste", Hamburg), Friedhelm BUSSE (FAP) und der militante Berliner Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM ("Asgard-Bund", DA) auf. 09.04.1992 Treffen von Anhängern der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" in einer Gaststätte in Berlin-Tempelhof. Thema der Veranstaltung war neben den BW-Wahlen die Ermordung des Vorstandsmitglieds der Berliner DL, Gerhard KAINDL, am 04.04.1992. 5 - Anhang II: Chronologie - 227 10.04.1992 Veranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg. 18.04.1992 Teilnahme von Anhängern des Kreisverbandes Ost des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an einer "Hitler-Geburtstagsfeier" auf dem Anwesen der wegen neonazistischer Aktivitäten vorbestraften Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim. 18./20.04.1992 Antisemitische Schmierund Klebeaktionen rechtsextremistischer Aktivisten an verschiedenen jüdischen Gedenkstätten aus Anlaß der Wiederkehr des Geburtstages Adolf HITLERS (20. April). 22.04.1992 Sprengstoffexplosion hinter dem Haupttor zum türkischen Friedhof in Berlin-Neukölln, auf dem es in der Vergangenheit wiederholt zu rassistisch und ausländerfeindlich motivierten Grabschändungen gekommen war. 24.04.1992 Tötung eines Vietnamesen in Berlin-Marzahn durch einen nach eigenen Angaben der rechtsextremistischen "Deutschen Volksunion" (DVU) nahestehenden 21jährigen Mann. Die Tat erfolgte im Verlauf einer von dem Täter provozierten Auseinandersetzung mit einer Gruppe vietnamesischer Zigarettenhändler. 26.04.1992 Feststellung von Beschädigungen an Grabanlagen auf dem jüdischen Friedhof in der Herbert-Baum-Straße (BerlinWeißensee). Unbekannte Täter hatten die Umfriedungen zahlreicher Grabstätten ramponiert, Blumenschalen und kleinere Säulen umgeworfen. 01.05.1992 Öffentliche Versammlung mit Kurzkundgebung der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) im ErnstThälmann-Park (Berlin-Prenzlauer Berg). Es beteiligten sich 228 5 - Anhang II: Chronologie - bis zu 100 Mitglieder und Anhänger dieser neonazistischen Partei, darunter der FAP-Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE sowie weitere führende FAP-Aktivisten. Auf den ursprünglich geplanten "Propagandamarsch" wurde nach massiven Angriffen von Linksextremisten verzichtet. 12 Neonazis wurden von der Polizei wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz vorläufig festgenommen. 2. Dekade Mai Tägliche "Steckaktionen" von Angehörigen des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Prenzlauer Berg. Im Rahmen der Wahlkampfaktivitäten im Vorfeld der BW-Wahlen am 24. Mai wurden mehrere tausend Exemplare der "FAP-Nachrichten", des Mitteilungsblattes der FAP-Berlin, in dem massiv gegen die in Berlin lebenden Ausländer gehetzt wird, verteilt. 15.05.1992 Plakataktion von Angehörigen des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Prenzlauer Berg aus Anlaß der BWWahlen am 24. Mai. 16.05.1992 Angriff auf ein Mitglied der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses in Berlin-Prenzlauer Berg. Das Opfer hatte eine Gruppe Jugendlicher aufgefordert, das Grölen von Naziparolen, wie Heil Hitler zu unterlassen. Nach einem kurzen Wortwechsel schlugen die Täter den Abgeordneten bewußtlos. 16.05.1992 Flugblattaktion der Ortsgruppe Berlin der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) vor verschiedenen Geschäften in der Falkenberger Chaussee (Berlin-Hohenschönhausen). NF-Anhänger aus Berlin und Brandenburg verbreiteten aus Anlaß der BW-Wahlen am 24. Mai ca. 2.000 Flugblätter mit der Überschrift Es ist an der Zeit, einiges zu ändern!, in denen u.a. Ausländerrückführung und Stopp der Asylantenflut gefordert wird. 5 - Anhang II: Chronologie - 229 23.05.1992 Ansammlung von etwa 140 Personen der Skinheadund Hooligan-Szene aus fast allen Teilen der Bundesrepublik auf dem Gelände vor dem Olympiastadion in BerlinCharlottenburg aus Anlaß des DFB-Pokalendspiels. Die Anwesenden, darunter auch Berliner Skinheads, skandierten nach reichlichem Alkoholgenuß u.a. folgende Parolen: Deutschen den Deutschen - Ausländer raus!; Für jeden toten Türken gebe ich einen aus!; Sieg Heil!; NSDAP! und Rotfront verrecke!. Ferner sang man das Horst-WesselLied. 23.05.1992 Überfall auf einen Jugendclub iii Berlin-Köpenick, in dessen Räumen früher die örtliche FDJ-Leitung residiert hatte. Etwa 30 - 50 mit Eisenstangen bewaffnete Jugendliche, die z.T. der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen sind, warfen unter Sieg Heilund Heil Hitler-Rufen gezielt mit Steinen auf das Clubgebäude. Dabei wurden mehrere Fensterscheiben zerstört; eine Person erlitt Verletzungen. 24.05.1992 Rechtsextremistische Beteiligung an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BW). Angehörige der Ortsgruppe Berlin der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) kandidierten im Bezirk Hohenschönhausen. Von 43.602 gültigen Stimmen entfielen auf die NF 136 (0,31 %). Mitglieder des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) kandidierten im Bezirk Prenzlauer Berg als "Wählergemeinschaft Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei". Die Liste erhielt von insgesamt 60.937 gültigen Stimmen 228 (0,37 %). Angehörige der neonazistischen "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin), darunter der NA-Vorsitzende Oliver SCHWEIGERT, kandidierten im Bezirk Lichtenberg für die Wählergemeinschaft "DIE NATIONALEN", ein Zweckbündnis der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" und neonazistischer Einzelbewerber, und erzielten 339 Stimmen 230 5 - Anhang II: Chronologie - (0,46 %). Die übrigen Bezirkslisten der "NATIONALEN" erhielten zwischen 0,16 % (Spandau) und 0,69 % (Wedding) der abgegebenen Stimmen. 25.05.1992 Überfall auf drei männliche Personen in der Winsstraße (Berlin-Prenzlauer Berg). Etwa zehn, überwiegend jugendliche Gewalttäter, darunter Mitglieder und Anhänger der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) unter Führung des FAP-Landesvorsitzenden Lars BURMEISTER und eines weiteren Vorstandsmitglieds, schlugen ihre Opfer brutal zu Boden und zerschmetterten eine Flasche auf dem Kopf eines Angegriffenen. 28.05.1992 Feststellung einer Schändung des "Walther-RathenauDenkmals" in Berlin-Wilmersdorf. Bisher unbekannte Täter, vermutlich Rechtsextremisten, legten auf einem Mauersockel des Monuments einen Schweinekopf ab. [Vgl. 13.12.] 16.06.1992 Informationsabend des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Pankow. 17.06.1992 Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." in einer Gaststätte in Berlin-Reinickendorf. Vor etwa 65 Personen, darunter etwa 20 Neonazis, sprach ein Referent zum Thema: Oberschlesien in Geschichte, Gegenwart und Zukunft. 17.06.1992 Sprengstoffanschlag auf ein Asylbewerberheim in BerlinWedding. Die Täter hatten auf einem Fenstersims des Gebäudes einen zeitzündergesteuerten Brandsatz abgelegt. Personen wurden nicht verletzt. [Vgl. 30.08.] 19.06.1992 Konzertveranstaltung der "Deutschen Jugendinitiative Berlin" (DJI) mit dem rechtsextremistischen Liedermacher 5 -Anhang II: Chronologie231 Frank RENNICKE in der "Stadthalle" Falkensee (Brandenburg). Unter den etwa 250 Zuhörern befanden sich zahlreiche Mitglieder und Anhänger neonazistischer Organisationen; etwa die Hälfte der Besucher gehörte der Berliner SkinheadSzene an. 20.06.1992 Teilnahme von etwa 20 Berliner Rechtsextremisten, darunter Funktionäre der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." und der Ortsgruppe Berlin der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) an einer Sonnwendfeier der "Artgemeinschaft e.V." in Hetendorf (Niedersachsen). An der Veranstaltung beteiligten sich insgesamt etwa 200 Personen, darunter etwa 70 NF-Mitglieder und -Anhänger. 20.06.1992 Beteiligung von Mitgliedern und Anhängern des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an einer Kundgebung auf dem Marktplatz in Biebelsheim (Rheinland-Pfalz) aus Anlaß des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 sowie gegen die Errichtung einer Mülldeponie auf den Gräbern deutscher Soldaten. Unter den etwa 250 erschienenen Neonazis befand sich der FAP-Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE. Die Berliner FAP-Angehörigen nahmen im Anschluß an die Kundgebung an einer Sonnwendfeier auf dem als NeonaziTreffort dienenden Anwesen der Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim teil. 19.07.1992 Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Rosenthal. Unter den Teilnehmern befanden sich auch Anhänger der "Nationalistischen Front" (NF) und der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) sowie FAP-Anhänger aus Kremmen (Brandenburg). 25./26.07.1992 Teilnahme von Mitgliedern des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" 232 5 -Anhang II: Chronologie(FAP) an einer Schulungsveranstaltung und einem FAP"Führerthing" auf dem seit Jahren als Treffort inund ausländischer Neonazis dienenden Anwesen der Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim. 05.08.1992 Landesparteitag des Landesverbandes "Reichshauptstadt" der neonazistischen "Deutschen Alternative" (DA) in Finsterwalde (Brandenburg). Zum Landesvorsitzenden wurde in Anwesenheit des DA-Bundesvorsitzenden Frank HÜBNER (Cottbus) der militante Berliner Neonazi ArnulfWinfried PRIEM ("Asgard-Bund"/"Wotans Volk") gewählt. 08.08.1992 Gemeinschaftsveranstaltung der neonazistischen "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) in einer Gaststätte in Berlin-Lichtenberg. Die von der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und der "Deutschen Alternative" (DA) unterstützte Veranstaltung stand unter dem Motto Gegen politische Repressionen! Gemeinsam schlagen wir den Staatsschutzterror zurück!. 08.08.1992 Teilnahme von Anhängern des "Stützpunktes Berlin" der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) an einem "Sonderparteitag der NF" in Flatow (Brandenburg). Die etwa 60 anwesenden Mitglieder wählten den langjährigen Berliner NF-Führer Andreas POHL zum 1. Vorsitzenden der Vereinigung und bestimmten Berlin zum "Hauptsitz der NF". Da ein am gleichen Tag in Pivitsheide (NordrheinWestfalen) von Anhängern des NF-Bundesvorsitzenden Meinolf SCHÖNBORN abgehaltener "Sonderparteitag" diesen in seinem Amt bestätigte, wurde durch die konkurrierenden Wahlakte faktisch die Spaltung der Organisation vollzogen. 09.08.1992 Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Kleingartenkolonie in Berlin-Rosenthal. 5 - Anhang II: Chronologie - 233 15.08.1992 Teilnahme von Berliner Neonazis - darunter Mitglieder und Anhänger der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) und der "Deutschen Alternative" (DA) sowie der NeonaziGruppen "Vandalen" und "Wotans Volk" - an einer Demonstration mit Kundgebung in Rudolstadt (Thüringen) aus Anlaß des 5. Todestages des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 1.500 Rechtsextremisten aus den alten und neuen Bundesländern sowie ausländische Abordnungen. 20.08.1992 Zusammenkunft von Angehörigen der neonazistischen "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) in einer Gaststätte in Berlin-Friedrichsfelde. 21.08.1992 Vermutlich rassistisch und fremdenfeindlich motivierter Überfall auf einen togolesischen Staatsangehörigen im U- Bahnhof Hallesches Tor (Berlin-Kreuzberg). Etwa zehn unbekannte männliche Täter, vermutlich Skinheads, verletzten den Asylbewerber durch Tritte und Schläge. 21.08.1992 Vortragsveranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in einer Gaststätte in Berlin-Charlottenburg mit etwa 40 Teilnehmern. Als Gastredner sprach das aus Bayern angereiste NPDParteivorstandsmitglied Udo VOIGT zum Thema Was kostet uns Europa?. 23.08.1992 Tätliche Auseinandersetzungen zwischen etwa 80 Jugendlichen, vermutlich Angehörige rivalisierender Kreise des rechtsund linksextremistischen Spektrums, in der Pfarrstraße (Berlin-Lichtenberg). Während der Randale wurden Leuchtkugeln abgeschossen und abgestellte Personenkraftwagen durch Steinwürfe beschädigt. Nach Beendigung der Auseinandersetzungen 234 5 -Anhangll: Chronologiebegab sich eine Gruppe in nahegelegene besetzte Häuser, die andere zog sich in eine benachbarte, vor allem von Skinheads besuchte Diskothek zurück. 25.08.1992 Überfall auf einen mongolischen Staatsangehörigen in Berlin-Lichtenberg. Das Motiv der Tat dürfte in rassistischen und fremdenfeindlichen Ressentiments gelegen haben. Zwei unbekannte männliche Personen, vermutlich Skinheads, beschimpften den Mongolen mit den Worten Scheiß Ausländer und fügten ihm bei dem anschließenden Handgemenge eine Stichverletzung am linken Schulterblatt zu. 26.08.1992 Teilnahme Berliner Neonazis an einer Demonstration in Eberswalde (Brandenburg) aus Anlaß der Fortsetzung des Prozesses gegen die aus der Skinhead-Szene stammenden mutmaßlichen Mörder des Angolaners Amadeu ANTONIO. 28.08.1992 Brandanschlag auf eine vorwiegend von Homosexuellen besuchte Gaststätte in Berlin-Neukölln. Der Inhaber des Lokals beobachtete, wie mehrere Männer Pflastersteine gegen die Fensterscheiben und in die Geschäftsräume sowie zwei Brandsätze in das Ladeninnere warfen; beide Brandsätze konnten sofort gelöscht werden, Personen kamen nicht zu Schaden. Zeugenaussagen lassen die Täter im rechtsextremistischen Spektrum vermuten. 29.08.1992 Überfall auf zwei Stadtstreicher durch zwei Skinheads in Berlin-Charlottenburg. Einer der Angegriffenen starb am 5. September an den Folgen der Verletzungen, die ihm mit einem Baseballschläger beigebracht worden waren. [Anmerkung: Einer der Täter, der als Neonazi bekannt und vermutlich Anhänger des militant-rassistischen Geheimbundes "Ku-KluxKlan" ist, wurde am 22. Februar 1993 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.] 29.08.1992 Versuchter Brandanschlag auf ein u.a. von ausländischen Staatsbürgern bewohntes Studentenwohnheim in BerlinWeißensee. 5 - Anhang II: Chronologie - 235 Der Brandsatz erlosch von selbst, es entstand kein Schaden. Eine rechtsextremistische Motivation der Urheber des Anschlages ist zu vermuten. 29.08.1992 Fremdenfeindliche Demonstration von etwa 15 Jugendlichen vor einem Wohnheim für vietnamesische Staatsbürger in Berlin-Hohenschönhausen. Die Demonstranten skandierten Parolen wie Ausländer raus!. Polizeikräfte konnte mehrere Personen, die zuvor Schottersteine vom Gleisbett einer dort verlaufenden Straßenbahnlinie aufgenommen hatten, stellen und deren Identität festhalten. 30.08.1992 Sprengstoffanschlag auf das Mahnmal zum Gedenken an die Deportation Berliner Juden im "Dritten Reich" an der Putlitzbrücke (Berlin-Tiergarten). Durch die Wucht der Detonation wurde eine schwere Granitplatte des Mahnmals verschoben und eine Stütze weggerissen. [Anmerkung: Die auch des Sprengstoffanschlags auf ein Asylbewerberheim in Berlin-Wedding [vgl. 17.06.] überführten Täter wurden am 17. März 1993 zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten bzw. von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.] 30.08.1992 Zusammenrottung von etwa 60 - 80 Jugendlichen der rechtsextremistischen Szene vor der Diskothek "Sealodge" (Berlin-Lichtenberg). Alarmierte Polizeikräfte wurden bei Eintreffen sofort aus der Gruppe heraus mit Steinen beworfen und mit Leuchtspurmunition beschossen; die Frontscheibe eines Polizeifahrzeuges ging zu Bruch. Unter Einsatz von Verstärkungskräften räumten die Beamten die Straße. 30.08.1992 Brandanschlag auf den Imbißwagen eines türkischen Staatsbürgers in Berlin-Hellersdorf. Zwei unbekannt gebliebene Jugendliche hatten zuvor nach Zeugenaussagen unter dem Wagen eine mit brennbarer 236 5 - Anhang II: Chronologie - Flüssigkeit gefüllte Glasflasche deponiert. Die Feuerwehr löschte den Brand. Kurze Zeit später warfen vermutlich dieselben Täter gegen einen anderen türkischen Imbißstand einen Brandsatz, der sich jedoch nicht entzündete. 31.08.1992 Versuchter Brandanschlag auf ein sog. legalisiertes Haus in Berlin-Pankow. Drei Jugendliche warfen zwei Brandflaschen, die jedoch an der Hausfassade abprallten, ohne Schaden anzurichten; die Flammen konnten von Hausbewohnern gelöscht werden. Als Tatverdächtiger wurde ein 16jähriger Jugendlicher ermittelt. 31.08.1992 Versuchter Brandanschlag unbekannter, vermutlich rechts*extremistischer Täter auf ein Ausländerwohnheim in BerlinHohenschönhausen. Der zuvor durch ein eingeschlagenes Kellerfenster geworfene Brandsatz erlosch von selbst, Personen kamen nicht zu Schaden. 01.09.1992 Versuchter Brandanschlag auf einen türkischen Imbiß-Kiosk in Berlin-Hohenschönhausen. Die Täter schlugen eine Scheibe ein und brachten eine Flüssigkeit zum Entzünden. Es entstand geringer Sachschaden. 03.09.1992 Erneuter Brandanschlag auf ein überwiegend von vietnamesischen Arbeitnehmern bewohntes Ausländerheim in Berlin-Hohenschönhausen. Zeugen, die drei Brandherde entdeckt hatten, konnten Hinweise auf die flüchtigen Täter geben. Die zu einem späteren Zeitpunkt durch die Polizei vorläufig Festgenommenen gestanden in ihren Vernehmungen die Tat. 04.09.1992 Feier von ca. 40 überwiegend aus Berlin stammenden Skinheads auf einem ehemaligen NVA-Gelände in BerlinAdlershof. 5 -Anhang II: Chronologie237 07.09.1992 Versuchter Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Berlin-Wilhelmsruh. Zwei unbekannt gebliebene Täter warfen zwei Flaschen mit brennendem Inhalt auf einen vor dem Nebeneingang des Wohnheimes stehenden Personenkraftwagen. Die Flammen konnten vor dem Übergreifen von den Bewohnern der Unterkunft gelöscht werden. 07.09.1992 Überfall auf zwei vietnamesische Asylbewerber in BerlinHohenschönhausen. Drei jugendliche Täter raubten den Vietnamesen mehrere Stangen Zigaretten und verletzten einen im Gesicht und am Schienbein. Vor dem Überfall äußerten die Jugendlichen ausländerfeindliche Parolen wie Die Scheiß-Kanaken müßte man aus Deutschland herausprügeln und Die Fidschis müßte man öfter klatschen. Einer der Täter trägt am linken Unterarm eine Hakenkreuztätowierung. 08.09.1992 Brandanschläge auf drei türkische Imbißstände in BerlinMarzahn. Die Anschläge wurden von den unbekannt gebliebenen Tätern, deren Beweggründe mit großer Wahrscheinlichkeit in rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit gelegen haben dürften, innerhalb einer halben Stunde durchgeführt. 12.09.1992 "2. ordentlicher Landesparteitag" des NPD-Landesverbandes Berlin-Brandenburg. An der ohne Zwischenfälle verlaufenen Veranstaltung in einer Gaststätte in Berlin-Pankow beteiligten sich etwa 35 Personen, darunter der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Walter BACHMANN. 12.09.1992 Beteiligung von Berliner Neonazis an einer von der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) initiierten "Party" im "Kulturhaus" in Hennigsdorf (Brandenburg). An der Veranstaltung nahmen bis zu 150 Personen teil, darunter etwa 120 Skinheads aus Brandenburg. 238 5 -Anhang II: Chronologie - 13.09.1992 Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in der Klubgaststätte einer Kleingartenkolonie in Berlin-Blankenfelde. 18.09.1992 Zusammenkunft von etwa 50 der militanten SkinheadSzene zuzurechnenden Personen in einer Szene-Kneipe in Berlin-Buch. Unter den Anwesenden befanden sich auch einige Angehörige neonazistischer Gruppierungen. Nach erheblichem Alkoholgenuß zog die Gruppe vom Treffort in Richtung des nahegelegenen S-Bahnhofes. Auf dem Weg dorthin skandierte die Gruppe neonazistische Parolen; eine als "Linker" bezeichnete Person schlugen die Neonazis zusammen, ein türkischer Imbißstand wurde von ihnen verwüstet. 22.09.1992 Brandanschlag auf ein von Vietnamesen bewohntes Ausländerwohnheim in Berlin-Marzahn. Vermutlich rassistisch-ausländerfeindlich motivierte unbekannte Täter setzten mit einer Flüssigkeit die Klingelleiste des Wohnheimes in Brand. Anschließend schleuderten sie einen Molotowcocktail auf den Treppenabsatz. Das Feuer konnte durch den Wachschutz gelöscht werden. Menschenleben waren nicht in Gefahr. 01.10.1992 Brandanschlag auf ein Asylbewerberwohnheim in BerlinMarzahn. Die von Unbekannten geschleuderte Brandflasche durchschlug die erste Scheibe eines Doppelfensters; die Flammen konnten von den Bewohnern gelöscht werden. 03.10.1992 Teilnahme Berliner Neonazis an einer von der neonazistischen "Nationalen Offensive" (NO) angemeldeten Demonstration in Dresden. An der Veranstaltung, die unter dem Motto Einigkeit und Recht und Freiheit - Gemeinsam demonstrieren - Zusammen kämpfen! stand, beteiligten sich etwa 600 Neonazis, , 5 - Anhang II: Chronologie - 239 darunter etwa 50 Personen der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. 09.10.1992 Versuchter Brandanschlag auf das jüdische Mahnmal, Levetzowstraße 8 (Berlin-Tiergarten). Der Täter, der versuchte, das Mahnmal mit einer Flüssigkeit in Brand zu setzen, wurde von einer Objektschutzstreife eines Polizeiabschnittes überrascht und flüchtete. I.Dekade Verteilung von zahlreichen Exemplaren des Flugblattes Oktober 1992 ejner ^ 2 U d j e s e m Zeitpunkt nicht in Erscheinung getretenen "Bürgerinitiative Hohenschönhausen", in dem aus Anlaß der bevorstehenden Verlagerung der "Asylantragsstelle Berlin" nach Berlin-Hohenschönhausen ausländerfeindliche Propaganda verbreitet wurden. 17.10.1992 Vorstandssitzung und Interessentenveranstaltung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der neonazistischen "Nationalen Offensive" (NO) in einer Gaststätte in BerlinCharlottenburg. Unter den etwa 30 Anwesenden befand sich auch. der NO-Bundesvorsitzende Michael SWIERCZEK. 17.10.1992 Beisammensein von etwa 150 Personen im ehemaligen Kulturhaus "Ottomar Geschke" in Berlin-Karow. Unter den Besuchern befanden sich etwa 50 Skinheads sowie einige Angehörige der neonazistischen Organisationen "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und "Nationalistische Front" (NF). 18.10.1992 Marschübungen von Mitgliedern und Anhängern des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Pankow. Auf einem freien Feld übten etwa 30 Neonazis unter der Führung des Berliner FAP-Vorsitzenden Lars BURMEISTER in Gruppen das Marschieren im Gleichschritt mit Richtungswechsel. 1 240 5 -Anhang II: Chronologie2. Dekade Erscheinen der ersten Ausgabe des Monatsblattes des Oktober 1992 Landesverbandes Berlin-Brandenburg der neonazistischen "Nationalen Offensive" (NO) mit dem Titel "Das Tor" in Berliner rechtsextremistischen Kreisen. 24.10.1992 Zusammenkunft von ca. 200 Personen, darunter ca. 50 Skinheads, Hooligans und Angehörige rechtsextremistischer Organisationen, im ehemaligen Kulturhaus "Ottomar Geschke" in Berlin-Karow. Zu den Anwesenden zählten auch Angehörige der neonazistischen Organisationen "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und "Nationalistische Front" (NF). 29.10.1992 Brandanschlag auf das Kraftfahrzeug des Vorsitzenden des Landesverbandes "Reichshauptstadt" der neonazistischen ''Deutschen Alternative" (DA), des militanten Neonazis Arnulf-Winfried PRIEM, in Berlin-Lichtenberg. Feuerwehr und Polizei wurden alarmiert, das Feuer gelöscht. 01.11.1992 Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Friedrichsfelde. 06./07.11.1992 Nächtliche fremdenfeindliche Aktion in Berlin-Lichtenberg. Unter Sieg-Heil-Ruien zogen unbekannte Jugendliche zu einer ehemaligen Kindertagesstätte und setzten zwei Altstoffbehälter aus Kunststoff in Brand. Das Feuer griff auf einen in unmittelbarer Nähe geparkten Personenkraftwagen über, der nahezu vollständig ausbrannte. Die alarmierte Feuerwehr konnte den Brand löschen. Das Gebäude wurde vom Feuer nicht beschädigt. 07.11.1992 Teilnahme von Anhängern des Landesverbandes "Reichshauptstadt" der neonazistischen "Deutschen Alternative" (DA) an einer Saalveranstaltung ihrer Organisation in einem Jugendfreizeitheim in Lübbenau (Brandenburg). 5 - Anhang II: Chronologie - 241 An dem Treffen, das als Reaktion auf das Verbot der neonazistischen Demonstration Zur Erinnerung an die friedliche Revolution in Mitteldeutschland im Herbst 1989 in Frankfurt/Oder zustande kam, beteiligten sich etwa 100 bis 120 Personen. 07.11.1992 Überfall mehrerer Skinheads auf zwei Männer in BerlinPrenzlauer Berg. In den frühen Morgenstunden belästigten elf Skinheads zunächst Fahrgäste der S-Bahnlinie S 8. Auf dem Bahnhof Schönhauser Allee verließ die Gruppe die S-Bahn. Sie ging auf einen 23jährigen Mozambiquaner zu und schlug ihn mit den Fäusten zu Boden. Auf dem Boden liegend wurde der Überfallene mit Füßen getreten. Die Täter wurden von der Polizei vorübergehend festgenommen. 08.11.1992 Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Friedrichsfelde. 10.11.1992 Zusammenstoß zwischen politisch unterschiedlich motivierten Gruppen in der Immanuelkirchstraße (Berlin-Prenzlauer Berg). Etwa zehn der rechtsextremistischen Szene zuzuordnende Jugendliche wurden von ca. 30, zum Teil vermummten und mit Baseballschlägern bewaffneten Personen verfolgt, mit Steinen beworfen und mit Leuchtspurmunition beschossen. 13.11.1992 Klebeaktion von Angehörigen des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Lichtenberg. Bedienstete der Bahnpolizei Lichtenberg stellten auf dem Bahnhofsgelände Plakate der FAP fest. Auf den Plakaten, die entfernt werden konnten, befanden sich das FAP-Symbol (Zahnrad mit FAP-Buchstaben) sowie die Schlagworte national, radikal und sozial. 242 5 -Anhang II: Chronologie14.11.1992 "3. ordentlicher Parteitag" des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Köpenick. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 300 Personen, darunter etwa 100 FAP-Mitglieder und -Sympathisanten aus Berlin. 15.11.1992 Fahrt zahlreicher Berliner Neonazis nach Halbe (Kreis Königs Wusterhausen, Brandenburg). Anlaß war eine von der rechtsextremistischen "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." angekündigte "Heldengedenkfeier" am Volkstrauertag auf dem dortigen Zentralen Waldfriedhof. Unter den Berliner Teilnehmern befanden sich im wesentlichen Mitglieder und Anhänger der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), der "Nationalen Offensive" (NO) und der "Nationalistischen Front" (NF). Als Ersatz für die von der Polizei verbotene Feier in Halbe führten etwa 250 Rechtsextremisten in Waldow (Kreis Lübben, Brandenburg) eine spontane Versammlung durch, in deren Rahmen Kränze vor dem dortigen Kriegerdenkmal niedergelegt wurden. 27.11.1992 Verbot der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF) durch den Bundesministers des Innern. Die Berliner Polizei stellte bei vier in diesem Zusammenhang durchgeführten Durchsuchungen u.a. Mitgliederlisten und Propagandamaterial sicher. 27.11.1992 Sachbeschädigung an fünf von 80 für die Unterbringung von Asylbewerbern aufgestellten Wohncontainern in BerlinMarzahn. Vermutlich durch Axthiebe beschädigten die unbekannten Täter Decken und Wände der zur Tatzeit leerstehenden Container und verursachten damit einen Sachschaden von ca. 10.000,--DM. Ende Herausgabe des 14seitigen Kalenders "Nordisch-GermaniNovember1992 scher Jahrweiser 1993" durch den in Berlin-Wedding ansässigen neonazistischen "Asgard-Bund e.V.". 5 - Anhang II: Chronologie - 243 06.12.1992 Kameradschaftsabend mit anschließender Zusammenkunft von Angehörigen des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Friedrichsfelde. 06.12.1992 Teilnahme von Angehörigen des Gaues "Reichshauptstadt Berlin" der "Wiking-Jugend e.V." (WJ) an einer Veranstaltung in Kleinmachnow (Kreis Potsdam, Brandenburg) unter dem Motto 40 Jahre Wiking-Jugend. Die Zusammenkunft, an der etwa 200 Personen teilnahmen, wurde von führenden Funktionären der in der Tradition der ehemaligen "Hitler-Jugend" (HJ) stehenden WJ organisiert. 09.12.1992 Teilnahme von Mitgliedern und Anhängern des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an einem "Kameradschaftsabend" der "Nationalen Offensive" (NO) in einer Gaststätte in Berlin-Treptow. 09.12.1992 Sachbeschädigung durch zwei dem äußeren Erscheinungsbild nach der rechtsextremistischen Szene zugehörige Täter in den Räumen des türkischen Vereins "Diyalog - Verein für kulturellen Austausch e.V." in Berlin-Kreuzberg. Die Täter schlugen einen anwesenden türkischen Staatsangehörigen und versuchten, ihn unter Vorhalt eines Messers dazu zu zwingen, Heil Hitler zu rufen. Der Geschädigte konnte in einen angrenzenden Büroraum flüchten. Als sich weitere Personen dem Tatort näherten, flüchteten die Täter unerkannt. 10.12.1992 Unangemeldete Teilnahme von Anhängern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in uniformähnlicher Kleidung an einer sog. Jahresausklangveranstaltung der Jugendorganisation der Partei "Die Republikaner" (Rep). Die Rep-Veranstaltung fand in einem Saal des Bezirksamtes Berlin-Pankow statt. 244 5-Anhang II: Chronologie10.12:1992 Vollzug einer Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 8. Dezember gegen die neonazistische "Deutsche Alternative" (DA). In Berlin wurden in diesem Zusammenhang die Wohnungen von drei DA-Aktivisten polizeilich durchsucht und diverses Schriftmaterial beschlagnahmt. 12.12.1992 Brandanschlag auf den Jugendclub "Allende" (BerlinKöpenick). Unbekannte warfen durch eine zunächst zerstörte Fensterscheibe der Räumlichkeiten, die als Treffpunkt der "linken" Szene dienen sollen, einen Brandsatz. Mitarbeiter der Einrichtung löschten das Feuer, bevor größerer Schaden entstand. 13.12.1992 Mitgliederversammlung mit anschließendem Kameradschaftsabend des Landesverbandes Berlin der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Gaststätte in Berlin-Friedrichsfelde. An dem Treffen beteiligten sich etwa 50 Personen. 13.12.1992 Schändung der Grabstätte des früheren Reichsaußenministers Walther RATHENAU (1867-1922) auf dem Waldfriedhof in Berlin-Köpenick. Die unbekannten Täter schmierten antisemitische Parolen und Hakenkreuze auf den Grabstein. [Vgl. 28.05.] 19.12.1992 Teilnahme Berliner Neonazis, darunter Anhänger der von der "Nationalistischen Front" (NF) abgespalteten NeonaziGruppe "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA) an einer Sonnwendfeier in Jänickendorf über Luckenwalde (Brandenburg). 19./20.12.1992 Teilnahme von etwa 40 Berliner Neonazis, darunter Mitglieder und Anhänger der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und der Neonazi-Gruppe "Vandalen", an einer Wintersonnwendfeier auf dem Gelände der Eheleute MÜLLER in Mainz-Gonsenheim. An der Veranstaltung beteiligten sich insgesamt 200 Personen. 5 - Anhang II: Chronologie - 245 21.12.1992 Jahresabschlußfeier des Vereins "Die Nationalen e.V." in Berlin-Treptow. 22.12.1992 Verbot der neonazistischen "Nationalen Offensive" (NO) durch den Bundesminister des Innern; in Berlin durchsuchte die Polizei in diesem Zusammenhang die Wohnung eines NO-Aktivisten. 23.12.1992 Bekanntwerden einer Propagandaaktion unter Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen durch Anhänger der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei-Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAPAO) in Berlin-Altglienicke. Die Täter brachten an Straßenbahnhaltestellen in der Köpenicker Straße Aufklebe'r der NSDAP-AO - versehen mit Hakenkreuz und der Parole Wir sind wieder da! - an. 5 - Anhang II: Chronologie - 247 5.3 Ausländerextremismus 04.01.1992 Festveranstaltung der Berliner Gliederung der "FATAH" aus Anlaß des 27. Jahrestages der Gründung der PLO mit etwa 350 Teilnehmern. 25.01.1992 Informationsveranstaltung des Vereins "Großer Idealer Kreis Türkischer Kulturverein Berlin e.V." (BÜD) mit einem aus der Türkei angereisten Abgeordneten der extrem-nationalistischen "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP) mit etwa 250 Teilnehmern. 16.02.1992 Veranstaltung des Vereins "Großer Idealer Kreis Türkischer Kulturverein Berlin e.V." (BÜD) mit dem Präsidenten der Türkischen Republik Nordzypern, Rauf DENKTAS, mit etwa f.200 Teilnehmern. 23.02.1992 Kranzniederlegung von etwa 35 Mitgliedern des Vereins "Großer Idealer Kreis Türkischer Kulturverein Berlin e.V." (BÜD) vor der Außenstelle der Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien aus Anlaß von Unruhen in Algerien. 12.03.1992 Vorübergehende Besetzung eines türkischen Reisebüros durch etwa 100 Mitglieder und Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Anlaß der Bombardierung kurdischer Lager in Nordirak durch die türkische Luftwaffe. Während der Besetzung wurde ein türkischsprachiges Flugblatt verteilt und nach Verlassen des Reisebüros auf der Straße eine türkische Flagge verbrannt. 14.03.1992 Treffen der militanten türkischen Gruppe "Antifasist Genclik" (Antifaschistische Jugend) mit türkischen Jugendbanden und deutschen Autonomen unter dem Motto Aufruf zum gemeinsamen Widerstand. Am Veranstaltungsende brachten etwa 150 Teilnehmer den Verkehr in der Oranienstraße zum Erliegen. Eine sich anbahnende gewalt- 248 5 -Anhang II: Chronologie - same Auseinandersetzung dieser Personengruppe untereinander konnte durch die Polizei verhindert werden. 15.03.1992 An einem vom Verein "Großer Idealer Kreis Türkischer Kulturverein Berlin e.V." (BÜD) initiierten Aufzug unter dem Motto Moralische Unterstützung der Menschen in Aserbaidschan beteiligten sich etwa 2.500 Personen. Ein aus der Türkei angereister Abgeordneter der extrem-nationalistischen "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP) begleitete die gesamte Demonstration mit Redebeiträgen. 16.03.1992 Fackelzug der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Anlaß des 4. Jahrestages der Bombardierung der kurdischen Stadt Halabja (Irak) mit Giftgas durch die irakische Luftwaffe. Unter den 200 Teilnehmern befanden sich auch einige Deutsche. 16./17.03.1992 Mahnwache der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus gleichem Anlaß. An beiden Tagen nahmen jeweils etwa 10 Personen teil. 21.03.1992 Protestkundgebung gegen die türkische Kurdenpolitik von Mitgliedern und Anhängern verschiedener türkischer Organisationen, darunter der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) und der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP). 21.03.1992 An einem Fackelzug der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Anlaß des kurdischen Neujahrsfestes "Newroz" beteiligten sich etwa 500 Personen. Die Demonstranten protestierten gleichzeitig gegen den Militäreinsatz gegen Kurden in Türkisch-Kurdistan. 21.03.1992 Demonstration der islamisch-extremistischen "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) zum Thema "Vorkommnisse in Algerien und Aserbaidschan" mit etwa 2.000 Teilnehmern. 5 -Anhang II: Chronologie249 23.03.1992 Protestaktionen von jeweils bis zu 35 Mitgliedern und Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) vor zwei türkischen Banken gegen die Vorgehensweise des türkischen Militärs während der Feierlichkeiten zum kurdischen Neujahrsfest "Newroz" im Südosten der Türkei. 26.03.1992 An einer Demonstration von Anhängern türkischer linksextremistischer Organisationen, darunter der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) unter dem Motto Protest gegen die Ereignisse in der Türkei/Kurdistan beteiligten sich etwa 450 Personen. Während der Abschlußkundgebung wurden Flaggen Deutschlands und der USA verbrannt. 28.03.1992 Feierlichkeiten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) anläßlich des kurdischen Neujahrsfestes "Newroz". Daran nahmen etwa 2.000 Personen, darunter einige Deutsche, teil. 30.03.1992 An einer Protestdemonstration der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) unter dem Motto Stoppt den Völkermord in Kurdistan beteiligten sich etwa 800 Personen. 04.04.1992 Festveranstaltung der PLO-Mitgliedsorganisation "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) aus Anlaß des palästinensischen Gedenktages Tag des Bodens mit etwa 100 Teilnehmern. 06./25.04.1992 Hungerstreikaktion von bis zu 40 kurdischen Jugendlichen des Vereins "Kurdisches Kulturzentrum BOTAN in Berlin e.V." in einem ehemaligen Laden aus Protest gegen die "Massaker in Kurdistan". Zur Unterstützung reisten zeitweise Jugendliche aus anderen Bundesländern an. 17.04.1992 Veranstaltung in den Räumen der Vereinigung "Großer Idealer Kreis Türkischer Kulturverein in Berlin e.V." (BÜD) mit dem aus der Türkei angereisten Führer der extremnationalistischen "Partei der Nationalistischen Arbeit" 250 5 - Anhang II: Chronologie - (MCP), Alparslan TÜRKES, als Hauptredner. Es beteiligten sich etwa 1.000 Personen. 25.04.1992 Protestdemonstration der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) unter dem Motto Stoppt den Völkermord in Kurdistan, mit bis zu 300 Teilnehmern. Die Demonstration bildete den Abschluß der Hungerstreikaktion zum gleichen Thema. 08./10.05.1992 Veranstaltungsreihe von Berliner Mitgliedern und Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zum Thema Aktuelle Lage in Kurdistan. An den einzelnen Veranstaltungstagen nahmen bis zu 350 Personen teil. 10.05.1992 Kongreß der islamisch-extremistischen "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) in der Deutschlandhalle mit etwa 15.000 Teilnehmern, u.a. aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Österreich. Ehrengast war der Vorsitzende der "Wohlstandspartei" (RP) in der Türkei, Necmettin ERBAKAN. 30.05.1992 Gedenkveranstaltung der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" für "Märtyrer" der Partei, die 1972 in der Türkei getötet wurden. Unter den etwa 300 Teilnehmern befanden sich auch Mitglieder und Anhänger der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) sowie anderer linksextremistischer türkischer Organisationen. 13.06.1992 Gedenkveranstaltung der Berliner Gliederung der linksextremistischen türkischen Organisation "Devrimci Yol" ("Revolutionärer Weg") für ihren 1980 in der Türkei getöteten Führer. Unter den etwa 300 Teilnehmern befanden sich auch Anhänger der "Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), der "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke") sowie der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP). 5 -Anhang II: Chronologie251 20.06.1992 Kundgebung von etwa 20 Anhängern der islamisch-fundamentalistischen "Volksmojahedin Iran" (PMOI). Die Teilnehmer agitierten in Sprechchören gegen die iranische Regierung und deren Politik. 28.08.1992 An einer von der "Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) initiierten Protestkundgebung aus Anlaß des Vorgehens des Militärs in der türkischen Stadt Sirnak beteiligten sich bis zu 100 Personen aus Kreisen kurdischer und türkischer linksextremistischer Organisationen. 29.08.1992 Protestdemonstration der islamisch-extremistischen "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) zum Thema Vorkommnisse In Bosnien-Herzegowina mit etwa 3.500 Teilnehmern. Ein aus der Türkei angereister Redner warf den westlichen Staaten vor, der Vernichtung der moslemischen Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina tatenlos zuzusehen. 15. und Protestaktionen von etwa 100 Mitgliedern und Sympathi17.09.1992 santen des Vereins "Kurdisches Kulturzentrum BOTAN in Berlin e.V." vor dem Reichstag. Anlaß war die Teilnahme des stellvertretenden türkischen Ministerpräsidenten INÖNÜ an dem dort tagenden 19. Weltkongreß der "Sozialistischen Internationale" (SI). 17.09.1992 Mordanschlag auf neun iranische Kurden in dem Restaurant "Mykonos" in Berlin-Wilmersdorf. Bei dem Anschlag wurden vier Funktionäre der oppositionellen "Demokratischen Partei Kurdistans/Iran" (DPK/I) getötet. 07.10.1992 An einer von der "Revolutionären Internationalistischen Bewegung " (RIM) - einem weltweiten Zusammenschluß maoistischer Organisationen - initiierten und hauptsächlich von der "Türkischen Kommunistischen Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/M-L) getragenen Demonstration für den in Peru inhaftierten Vorsitzenden der Terrororganisation 252 5 - Anhang II: Chronologie - "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad), Abimael GUZMAN, beteiligten sich etwa 80 Personen, darunter auch deutsche RIM-Anhänger. 22.10.1992 Demonstration der "Revolutionären Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP) unter dem Motto Protest gegen Massaker in Kurdistan. Unter den etwa 80 Teilnehmern befanden sich Mitglieder der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) sowie zahlreiche türkische Jugendliche. 24.10.1992 Demonstration eines "Aktionsbündnisses Kurdistan" zum Thema Militärübergriffe in der Türkei (Kurdistan) unter Einsatz deutscher Waffen. Daran nahmen etwa 500 Personen, je zur Hälfte Deutsche und Anhänger verschiedener linksextremistischer kurdischer/türkischer Organisationen, u.a. der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) und der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), teil. 01.11.1992 Erzwungener Abbruch einer kurdischen Kulturveranstaltung durch etwa 40 jugendliche Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die Störer stürmten die Bühne und riefen: Es lebe die Unabhängigkeit Kurdistans - Es lebe die PKK. Sie begründeten ihre Aktion mit der Tötung von Kurden in der Türkei. 14.11.1992 An einem von der gewaltorientierten türkischen Gruppe "Antifasist Genclik" (Antifaschistische Jugend) initiierten Trauermarsch für den im November 1991 an den Folgen einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Deutschen verstorbenen türkischen Jugendlichen Mete EKSI beteiligten sich bis zu 1.000 Personen. Unter den Demonstranten befanden sich zahlreiche Mitglieder und Anhänger der "Türkischen Kommunistischen Partei der Türkei" (TDKP) sowie viele Deutsche, darunter etwa 200 Autonome und etwa 70 Anhänger der "Antifasist Genclik". 5 - Anhang II: Chronologie - 253 12.12.1992 Festveranstaltung der Berliner Gliederung der PLO-Mitgliedsorganisation "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) aus Anlaß des 25. Jahrestages ihrer Gründung mit etwa 150 Teilnehmern. 6 -Anhang III: LfVG255 6 Anhang III Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 26. Januar 1993 Gesetzund Verordnungsblatt BERLIN Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin Herausgeber: Senatsverwaltung für Justiz 49. Jahrgang Nr. 7 Berlin, den 30. Januar 1993 A 3227 A Inhalt 26. 1. 1993 Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschulz (LfVG) 33 12-1 26. 1. 1993 Gesetz über die Schaffung bereichsspezifischer Regelungen Tür die Verarbeitung personenbezogener Daten 40 205-3; 205-1; 402-10; 231-1: 630-1; 401-1; 400-1; 2120-7; 2120-1; 2171-1; 221-11; 232-1; 2232-1; 2230-1; 3216-1; 27-1; 2136-2: 753-1; 2130-3; 205-4; 205-5; 2132-1; 2127-11; 2132-3; 806-1; 1101-3 Gesetz über das Landesamt Tür Verfassungsschutz (LfVG) Vom 26. Januar 1993 Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen: SS4 Zusammenarbeit Erster Abschnitt (1) Das Landesami für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes Aufgaben und Befugnisse zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondes Landesamtes für Verfassungsschutz dere in gegenseitiger Unterstützung und Information sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen (wie z. B. das nachSS1 richtendienstliche Informationssystem des Bundes und der LänZweck des Verfassungsschutzes der (NADIS) und die Schule für Verfassungsschutz). Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der SicherGeltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das heit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit dem Landesamt fur Verfassungsschutz tätig werden. SS2 Organisation SS5 (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden ausschließAufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz lich vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Es (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufgabe, den wird als obere Landesbehörde geführt und untersteht der AufSenat von Berlin und andere zuständige staatliche Stellen über sicht der Senatsverwaltung für Inneres. Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu unter(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeirichten. Dadurch soll diesen Stellen insbesondere ermöglicht lichen Dienststelle nicht angegliedert werden. werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen. SS3 (2) Zur Erfüllung dieser Aufgaben sammelt und wertet das Dienstkräfte Landesamt für Verfassungsschutz Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Daten, Auskünfte, Nachrichten und Die Dienstkräfte des Landesamtes für Verfassungsschutz Unterlagen aus über haben neben den allgemeinen Beamtenpflichten die sich aus dem Wesen des Verfassungsschutzes und ihrer dienstlichen Stellung I, Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische ergebenden besonderen Pflichten. Sie haben sich jederzeit für Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin einzuBeeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane setzen. Die Funktion des Amtsleiters soll nur einer Person überdes Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum tragen werden, die die Befähigung zum Richteramt besitzt. Ziele haben, A b k ü r z u n g e n : CVBI. - Gesetzund Verordnungsblau für Berlin. VOBI. * Verordnungsblatt für Berlin Teil I bzw. Teil II. BGBl. = Bundesgesetzblatt Teil I, II bzw. III. QVABI. = Gesetz-, Vcrordnungsuna Amtsblatt für Berlin. GBl. = Gesetzblatt der DDR Teil I bzw. Teil II, ABl. = Amtsblatt fur Berlin Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin 49. Jahrgang Nr. 7 30. Januar 1993 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde gegenüber der Volksvertretung, Macht, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und durch Anwendung von Gewalt oder daraufgerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Deutschland gefährden, (3) Im Sinne dieses Gesetzes sind 4. frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines LanDDR im Geltungsbereich dieses Gesetzes. des solche, die daraufgerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt auf Ersuchen staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes der zuständigen öffentlichen Stellen mit Gebiet abzutrennen, 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Landes solche, die daraufgerichtet sind, den Bund, die LänGegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die der oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen könerheblich zu beeinträchtigen. nen, (4) Auswärtige Belange im Sinne des SS5 Abs. 2 Nr. 3 werden 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sichernur gefährdet, wenn innerhalb des Geltungsbereichs des Grundheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungsgesetzes Gewalt ausgeübt oder durch Handlungen vorbereitet wichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, wird und diese sich gegen die politische Ordnung oder Einrich3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von tungen anderer Staaten richten. im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die KenntSS7 nisnahme durch Unbefugte, Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit 4. bei sonstigen Überprüfungen, soweit dies im Einzelfall zum des Landesamtes für Verfassungsschutz Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, darf das oder für Zwecke der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Landesamt für Verfassungsschutz bei der Wahrnehmung seiner Näheres wird in einer durch die Senatsverwaltung für InneAufgaben nach SS 5 Abs. 2 nur tätig werden, wenn im Einzelfall tatres zu erlassenden Verwaltungsvorschrift bestimmt. sächliche Anhaltspunkte für den Verdacht der dort genannten Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz an der Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Sicherheitsüberprüfung nach Absatz 3 Nr. 1 und 2 setzt im Einzel(2) Zur Erfüllung seiner Aufgaben darf das Landesamt für Verfall voraus, daß die zu überprüfende Person zugestimmt hat. In fassungsschutz nur die dazu erforderlichen Maßnahmen ergreidie Sicherheitsüberprüfung dürfen mit ihrer Zustimmung der fen; dies gilt insbesondere für die Erhebung und Verarbeitung Ehegatte, Verlobte oder die Person, die mit der betroffenen Perpersonenbezogener Informationen. Von mehreren möglichen son in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, miteinbezogen werden. und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige auszuwählen, die den einzelnen, insbesondere in seinen Grundrechten, und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme hat zu unterbleiben, wenn sie einen Nachteil herbeiSS6 führt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Begriffsbestimmungen Erfolg steht. Sie ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. (1) Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 2 Nr. 1 und 3 sind politisch motivierte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen oder (3) Soweit in diesem Gesetz besondere Eingriffsbefugnisse das Betätigungen von Organisationen, Personenzusammenschlüssen Vorliegen gewalttätiger Bestrebungen oder daraufgerichtete Vorohne feste hierachische Organisationsstrukturen (unorganisierte bereitungshandlungen voraussetzen, ist Gewalt die Anwendung Gruppen) oder Einzelpersonen gegen die in SS 5 Abs. 2 bezeichnekörperlichen Zwanges gegen Personen oder eine nicht unerhebten Schutzgüter. Für eine Organisation oder einen Personenzuliche Einwirkung auf Sachen. sammenschluß ohne feste hierachische Organisationsstruktur (unorganisierte Gruppe) handelt, wer sie in ihren Bestrebungen SS8 nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einer oder für eine Organisation oder in einem Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz oder für einen Personenzusammenschluß ohne feste hierachische (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die zur ErfülOrganisationsstruktur (unorganisierte Gruppe) handeln, sind lung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließBestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwenlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, dung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungssoweit die Bestimmungen dieses Gesetzes dies zulassen. weise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Das Landesami für Verfassungsschutz darf nach Maßgabe dieses Gesetzes Methoden und Gegenstände einschließlich tech(2) Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, die gegen die freinischer Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie insheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sind besondere den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersosolche, die auf die Beseitigung oder Außerkraftsetzung wesentnen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere licher Verfassungsgrundsätze abzielen. Hierzu gehören: und Tarnkennzeichen anwenden. Diese sind in einer von der Senatsverwaltung für Inneres zu erlassenden Verwaltungsvor1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und schrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die AnordAbstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgenung solcher Informationsbeschaffung regelt. Die Verwaltungsbung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung vorschrift ist dem Ausschuß für Verfassungsschutz des Abgeordauszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelnetenhauses von Berlin zur Kenntnis zu geben. Die Behörden des barer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, Landes sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz technische Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der (3) Polizeiliche Befugnisse stehen dem Landesamt für VerfasRechtssprechung an Gesetz und Recht, sungsschutz nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentariAmtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht schen Opposition, befugt ist. Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin 49. Jahrgant; Nr. 7 30. Januar 1993 (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist an die allgemeiMaßgabe des SS 7 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz nen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetvom 13-August 1968 (BGBl. I S. 949), zuletzt geändert durch zes). Gesetz vom 27. Mai 1992 (BGBl. I S. 997), verwendet werden. Die auf Grund der Erhebungen nach Absatz 1 gespeicherten Informationen sind nach Maßgabe des SS 14 Abs. 2 zu löschen. SS9 i Besondere Formen der Datenerhebung SS10 (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen Registereinsicht durch das einschließlich personenbezogener Daten mit den Mitteln gemäß Landesamt für Verfassungsschutz SS 8 Abs. 2 erheben, wenn (1) Das Landesamt fur Verfassungsschutz darf zur Aufklärung 1. sich ihr Einsatz gegen Organisationen. Personenzusammenschlüsse ohne feste hierachische Organisationsstrukturen -- von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätig(unorganisierte Gruppen), in ihnen oder einzeln tätige Persokeiten für eine fremde Macht oder nen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den -- von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder Verdacht der Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freibestehen, heitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder 2. auf diese Weise Erkenntnisse über gewalttätige Bestrebundie Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, gen oder geheimdienstliche Tätigkeiten gewonnen werden oder können, -- von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 erforderlichen Quellen erschlosBelange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sen werden können oder von öffentlichen Stellen geführte Register, z. B. Melderegister, 4. dies zum Schutz der Dienstkräfte, Einrichtungen, GegenPersonalausweisregister, Paßregister, Führerscheinkarteien, Wafstände und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz fenscheinkarteien, einsehen. gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. (2) Eine solche Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die darf mit technischen Mitteln ausschließlich bei der Wahrnehregisterführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet mung der Aufgaben auf dem Gebiet der Spionageabwehr und des würde, und gewaltbereiten politischen Extremismus heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden. Eine solche Maßnahme ist nur zulässig, 2. die betroffene Person durch eine anderweitige Aufklärung wenn sie im Einzelfall zur Abwehr einer gejneinen Gefahr oder unverhältnismäßig beeinträchtigt würde und einer Lebensgefahr fur einzelne Personen unerläßlich ist, ein 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder konkreter Verdacht in bezug auf eine Gefährdung der vorstehenein Berufsgeheimnis der Einsichtnahme nicht entgegensteht. den Rechtsgüter besteht und der Einsatz anderer Methoden und Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung keine Aussicht (3) Die Anordnung fur die Maßnahme nach Absatz 1 trifft der auf Erfolg bietet. Satz 1 und 2 gelten entsprechend für einen verLeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, im Falle der Verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufhinderung der Vertreter. nahmen und Bildaufzeichnungen in Wohnungen. (4) Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur (3) Die Erhebung nach Absatz 1 und 2 ist unzulässig, wenn die zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. Erforschung des Sachverhalts auf andere, die betroffene Person Gespeicherte Informationen sind zu löschen und Unterlagen zu weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere vernichten, sobald sie fur diese Zwecke nicht mehr benötigt werBeeinträchtigung ist in der Regei anzunehmen, wenn die Inforden. mationen aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine (5) Über die Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu Auskunft nach SS27 gewonnen werden können. Die Anwendung eines Mittels gemäß SS 8 Abs. 2 soll erkennbar im Verhältnis zur fuhren, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommene Stelle, Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Die Maßdie Namen der Betroffenen, deren Daten für eine weitere Vernahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist wendung erforderlich sind, sowie der Zeitpunkt der Einsichtoder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht nahme hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufauf diese Weise erreicht werden kann. Daten, die für das Verzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen ständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich zu sichern und, soweit sie für die Aufgabenerfüllung des Landessind, sind unverzüglich zu löschen. Die Löschung kann unterbleiamtes für Verfassungsschutz nach SS 5 Abs. 2 nicht mehr benötigt ben, wenn die Informationen von anderen, die zur Erfüllung der werden, am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der ErstelAufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem lung folgt, zu vernichten. Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall dürfen die Daten nicht verwertet werden. Zweiter Abschnitt (4) Ein Eingriff, der in seiner Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommt, Datenverarbeitung bedarf der Zustimmung des Senators für Inneres, im Falle der Verhinderung derjenigen des Vertreters. SS11 Speicherung, Veränderung und Nutzung (5) Bei Erhebungen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeidegepersonenbezogener Informationen heimnisses gleichkommen, insbesondere durch Abhören und (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit dem seiner Aufgaben rechtmäßig erhobene personenbezogene Inforverdeckten Einsatz technischer Mittel, sowie nach Absatz 2 ist der mationen speichern, verändern und nutzen, wenn Eingriff nach seiner Beendigung der betroffenen Person mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks des Eingriffs ausge1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeischlossen werden kann. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn ten nach SS 5 Abs. 2 vorliegen oder sich auch nach fünf Jahren noch nicht abschließend beurteilen 2. dies Tür die Erforschung oder Bewertung von gewalttätigen läßt, ob diese Voraussetzung vorliegt. Die durch Maßnahmen im Bestrebungen oder geheimdienstlichen Tätigkeiten nach SS 5 Sinne des Satzes 1 erhobenen Informationen dürfen nur nach Abs. 2 erforderlich ist oder Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin 49. Jahrgans Nr" ? 30. Januar 1993 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher (5) Personenbezogene Informationen, die ausschließlich zu Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2 Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur erforderlich ist oder Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese 4. es auf Ersuchen der zustandigen Stelle nach SS 5 Abs. 3 tälig Zwecke und zur Verfolgung der in der jeweiligen Fassung des wird, Berliner Datenschutzgesetzes als Straftaten bezeichneten Hand(2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 5 Abs. 3 dürfen in automatilungen verwendet werden. sierten Dateien nur personenbezogene Informationen über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung SS15 unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. Berichtigung und Sperrung personenbezogener Informationen in Akten (3) In Dateien gespeicherte Informationen müssen durch Aktenrückhait belegbar sein. (1) Stellt das Landesamt für Verfassungsschulz fest, daß in Akten gespeicherte personenbezogene Informationen unrichtig (4) In Dateien ist die Speicherung von Informationen aus der sind, oder wird ihre Richtigkeit von dem Betroffenen bestritten, Intimsphäre der betroffenen Person unzulässig. so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. SS12 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat personenbezoSpeicherung, Veränderung und Nutzung gene Informationen in Akten zu sperren, wenn es im Einzelfall personenbezogener Informationen von Minderjährigen feststellt, daß ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen von Die Speicherung personenbezogener Informationen über MinBetroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine Aufderjährige, die das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben, ist unzugabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Informalässig. tionen sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine AufheSS13 bung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachSpeicherungsdauer träglich entfallen. (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche SS16 Maß zu beschränken. Die in Dateien gespeicherten InformatioDateianordnungen nen sind bei der Einzeifallbearbeitung, spätestens aber fünf Jahre nach Speicherung der letzten Information, auf ihre Erforderiich(1) Für jede automatisierte Datei beim Landesarat für Verfaskeit zu überprüfen. Sofern die Informationen Bestrebungen nach sungsschutz sind in einer Dateianordnung, die "der Zustimmung SS 5 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 betreffen, sind sie spätestens zehn Jahre der Senatsverwaltung für Inneres bedarf, im Benehmen mit dem nach der zuletzt gespeicherten relevanten Information zu Berliner Datenschutzbeauftragten festzulegen: löschen. 1. Bezeichnung der Datei, (2) Sind Informationen über Minderjährige in Dateien oder in 2. Zweck der Datei, Akten, die zu ihrer Person geführt werden, gespeichert, ist nach zwei Jahren die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen der Speicherungen, Überund spätestens nach fünf Jahren die Löschung vorzunehmen, es mittlung und Nutzung {betroffener Personenkreis, Arten der sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere ErkenntDaten), nisse nach SS 5 Abs. 2 angefallen sind, die zur Erfüllung der Auf4. Eingabeberechtigung, gaben im Sinne dieses Gesetzes eine Fortdauer der Speicherung rechtfertigen. 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, SS14 Berichtigung, Löschung und Sperrung 7. Protokollierung, personenbezogener Informationen in Dateien 8. Datenverarbeitungsgerate und Betriebssystem, (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien 9. Inhalt und Umfang von Textzusätzen, die der Erschließung gespeicherten personenbezogenen Informationen zu berichtigen, von Akten dienen. wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige Interessen der betroffe(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angemessenen nen Person beeinträchtigt sein können. Abständen die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung seiner Dateien zu prüfen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Informationen zu löschen, SS17 wenn ihre Speicherung irrtümlich erfolgt war, unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforGemeinsame Dateien derlich ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Person Bundesgesetzliche Vorschriften über die Datenverarbeitung in nicht beeinträchtigt werden. gemeinsamen Dateien der Verfassungsschutzbehörden des Bun(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien des und der Länder bleiben unberührt. gespeicherten personenbezogenen Informationen zu sperren, wenn die Löschung unterbleibt, weil Grund zu der Annahme besieht, daß durch die Löschung schutzwürdige Interessen der Dritter Abschnitt betroffenen Person beeinträchtigt würden; gesperrte Informationen sind entsprechend zu kennzeichnen und dürfen nur mit EinInformationsübermittlung willigung der betroffenen Person verwendet werden. SS18 (4) In Dateien gelöschte Informationen sind gesperrt. UnterlaGrundsätze bei der Informationsübermittlung gen sind zu vernichten, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben nach durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 5 nicht oder nicht mehr erforderlich sind, es sei denn, daß ihre Die Übermittlung von personenbezogenen Informationen ist Aufbewahrung zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person notwendig ist. Die Vernichtung unterbleibt, aktenkundig zu machen. In der entsprechenden Datei ist die wenn die Unterlagen von anderen, die zur Erfüllung der AufInformationsübermittlung zu vermerken. Vor der Informationsgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufübermittlung ist der Akteninhalt im Hinblick auf den Übermittwand getrennt werden können. lungszweck zu würdigen und der Informationsübermittlung zu- Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin 49. Jahrgang Nr. 7 30. Januar 1993 gründe zu legen. Erkennbar unvollständige Informationen sind mung erteilt hat. Das Landesamt für Verfassungsschutz fuhrt vor der Übermittlung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit durch über die Auskunft nach Satz 1 einen Nachweis, aus dem der Einholung zusätzlicher Auskünfte zu vervollständigen. Zweck der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, SS19 gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten. Informationsübermittlung zwischen den Der Empfänger darf die übermittelten personenbezogenen InforVerfassungsschutzbehörden mationen nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermitDas Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet das Bundestelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden kung und darauf hinzuweisen, daß das Landesamt für Verfasder Länder über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis zur Erfülsungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenomlung der Aufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. mene Verwendung der Informationen zu bitten. SS24 SS20 Informationsübermittlung an den Übermittlung von Informationen Bundesnachrichtendienst und den an die Stationierungstreitkräfte Militärischen Abschirmdienst Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt dem Informationen an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst übermitteln, soweit die Bundesrepublik Deutschland dazu im die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich persoRahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkomnenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür men zwischen den Parteien des Nordatlantikpaktes über die bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepuder empfangenden Steilen erforderlich ist. Handelt das Landesblik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom amt für Verfassungsschutz auf Ersuchen, so ist es zur Übermitt3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183) verpflichtet ist. Die Überlung nur verpflichtet und berechtigt, wenn sich die Voraussetzunmittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf gen aus den Angaben der ersuchenden Behörde ergeben. hinzuweisen, daß die übermittelten Informationen nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS21 Informationsübermittlung an SS25 Strafverfolgungsbehörden in Angelegenheiten des Übermittlung von Informationen an Staatsund Verfassungsschutzes öffentliche Stellen außerhalb des Das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt den StaatsGeltungsbereichs des Grundgesetzes anwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltlichen SachleiDas Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene tungsbefugnis, den Polizeibehörden des Landes die ihm bekanntInformationen an ausländische öffentliche Stellen sowie an Übergewordenen Informationen einschließlich personenbezogener oder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die ÜbermittDaten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die lung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erhebÜbermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten, licher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die die im Zusammenhang mit Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der BundesSS5 Abs. 2 stehen, erforderlich ist. republik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen. Die Übermittlung SS22 ist nur im Einvernehmen mit dem Bundesamt für VerfassungsÜbermittlung von Informationen schutz zulässig. Sie ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger an den Öffentlichen Bereich ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten personenbezogenen Informationen nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, (1) Die im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerfüllung zu dem sie ihm übermittelt wurden, und das Landesamt für Vergewonnenen, nicht personenbezogenen Erkenntnisse des fassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenomLandesamtes für Verfassungsschutz können an andere Behörden mene Verwendung der Informationen zu bitten. und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermittelt werden, wenn sie für die Aufgabenerfüllung SS26 der empfangenden Stellen erforderlich sein können. Unterrichtung der Öffentlichkeit (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezoDie Senatsverwaltung für Inneres und das Landesamt für Vergene Informationen an inländische Behörden und juristische Perfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit mindestens einsonen des Öffentlichen Rechts übermitteln, wenn dies zur Erfülmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 2. lung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Dabei ist die Übermittlung von personenbezogenen InformatioInformationen zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nen nur zulässig, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des nach SS 5 Abs. 2 oder zur Strafverfolgung benötigt oder nach SS 5 Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder Abs. 3 tätig wird. unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Inter(3) Die empfangende Stelle von Informationen nach Absatz 2 essen der Allgemeinheit an sachgemäßen Informationen das ist daraufhinzuweisen, daß sie die übermittelten personenbezoschutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. genen Informationen nur zu dem Zweck verwenden darf, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt wurden. SS27 Übermittlung von Informationen an das SS23 Landesamt für Verfassungsschutz Übermittlung von Informationen an (1) Die Behörden des Landes und die sonstigen der Aufsicht Personen und Stellen außerhalb des des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentÖffentlichen Bereichs lichen Rechts übermitteln von sich aus dem Landesamt für VerPersonenbezogene Informationen dürfen an Personen oder fassungsschutz die ihnen bekanntgewordenen Informationen, Stellen außerhalb des Öffentlichen Bereichs nicht übermittelt insbesondere personenbezogene Daten, über Bestrebungen nach werden, es sei denn, daß dies zum Schutz der freiheitlichen SS 5 Abs. 2. die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichdemokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sichertete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, und über geheimheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und der Senadienstliche Tätigkeiten. Die Staatsanwaltschaften und, vorbehalttor für Inneres oder sein Vertreter im Einzelfall seine Zustimlich der staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei Gesetzund Verordnungsblatt Tür Berlin 49. Jahrgang Nr. 7 30. Januar 1993 übermitteln darüber hinaus auch andere im Rahmen ihrer Aufbensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an gabenerfüllung bekanntgewordene Informationen über Bestreausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermitbungen im Sinne des SS5 Abs. 2. telt werden. (2) Das Landesami für Verfassungsschutz kann von jeder der SS30 in Absatz I genannten öffentlichen Stellen verlangen, daß sie ihm Nachberichtspflicht die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermittelt, wenn die Erweisen sich Informationen nach ihrer Übermittlung nach Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder den Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichnur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur durch eine den tig, so hat die übermittelnde Stelle ihre Informationen unverzügBetroffenen stärker beiastende Maßnahme erhoben werden könlich gegenüber der empfangenden Stelle zu ergänzen oder zu nen. Es dürfen nur die Informationen übermittelt werden, die bei berichtigen, wenn dies zu einer anderen Bewertung der Informader ersuchten Behörde bereits bekannt sind. tionen führen könnte oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person erforderlich ist. Die Ergänzung oder (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht Ersuchen Berichtigung ist aktenkundig zu machen und in den entsprechennicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Perden Dateien zu vermerken. son dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (4) Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozeßordnung Vierter Abschnitt bekanntgeworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Auskunftserteilung Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, SS31 begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für VerfasAuskunft an den Betroffenen sungsschutz nach Satz 1 übermittelten Informationen findet der Absatz 3, auf die dazugehörenden Unterlagen findet der Absatz 4 (I) Das Landesami für Verfassungsschutz erteüt einer natürdes SS7 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende lichen Person über die zu ihr gespeicherten Informationen auf Anwendung. Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit die Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Die Auskunftsverpfiichtung (5) Vorschriften zur Informationsüberrniitlung an das Landeserstreckt sich nicht auf Informationen, die nicht der alleinigen amt für Verfassungsschutz nach anderen Gesetzen bleiben unbeVerfügungsberechtigung des Landesamtes für Verfassungsschutz rührt. unterliegen, sowie auf die Herkunft der Informationen und die (6) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelEmpfänger von Übermittlungen. ten Informationen nach ihrem Eingang unverzüglich darauf zu i (2) Das Landesami für Verfassungsschutz darf den Antrag überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner in SS 5 genannten Aufablehnen, wenn das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung gaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforseiner Tätigkeit oder ein überwiegendes Geheimhaltungsinterderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die esse Dritter gegenüberdem Interesse der antragstellenden Person Vernichtung unterbleibt, wenn die Trennung von anderen Inforan der Auskunftserteilung überwiegt. In einem solchen Fall hat mationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht das Landesamt für Verfassungsschutz zu prüfen, ob und inwieoder nur mit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem weit eine Teilauskunft möglich ist. Ein Geheimhaltungsinteresse Fall sind die Informationen gesperrt und entsprechend zu kennliegt vor, wenn zeichnen. 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Aus(7) Soweit andere gesetzliche Vorschriften nicht besondere kunfiserteilung zu besorgen ist, Regelungen über die Dokumentation treffen, haben das Landesamt für Verfassungsschutz und die übermittelnde Stelle die Infor2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können mationsübermittlung aktenkundig zu machen. oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweisen des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, SS28 3. die Auskunft die Öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst Übermittlungsverbote dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten Die Übermittlung von Informationen nach den Vorschriften würde oder dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 4. die Informationen oder die Talsache der Speicherung nach 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, daß die einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere Informationen zu löschen oder für die empfangende Stelle wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter, nicht mehr bedeutsam sind, geheimgehalten werden müssen. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, Die Entscheidung nach Satz 1 und 2 trifft der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder ein von ihm besonders beauf3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist. daß unter Berücktragter Mitarbeiter. sichtigung der An der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betrolTenen Personen das (3) Die Ablehnung einer Auskunft ist zumindest insoweit zu Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen oder begründen, daß eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung der Verweigerungsgründe gewährleistet wird, ohne dabei den Zweck 4. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegender Auskunftsverweigerung zu gefährden. Die Gründe der Ablehstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimnung sind in jedem Fall aktenkundig zu machen. haltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, (4) Wird die Auskunftserteilung ganz oder teilweise abgelehnt, bleibt unberührt. ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, daß sie sich an den Berliner Datenschutzbeauftragten wenden kann. Dem Berliner SS29 Datenschutzbeauftragten ist auf sein Verlangen Auskunft zu Minderjährigenschutz erteilen, soweit nicht der Senator für Inneres im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten gefährdet würde. Mitteilungen des Berliner Datenschutzbeaufüber das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften tragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen Erkenntnisstand des Landesamtes für Verfassungsschutz zulasder Speicherung nach SS 13 Abs. 2 erfüllt sind. sen, soweit es nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten Der Kontrolle durch den Berliner Datenschutzbeauftragten über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Leunterliegen nicht personenbezogene Informationen, die der Kon- Gesetzund Verordnungsblatt Tür Berlin 49. Jahrgang Nr. 7 30. Januar 1993 trolle durch die Kommission nach SS 2 des Gesetzes zur AusfühSS35 rung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 16. Juli 1991 Aufgaben und Befugnisse des Ausschusses (GVB1. S. 172) unterliegen, es sei denn, die Kommission ersucht den Berliner Datenschutzbeauftragten, die Einhaltung der Vor(1) Der Senat hat den Ausschuß umfassend über die allgeschriften über den Datenschutz bei bestimmten Vorgangen oder meine Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und über in bestimmten Bereichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten; er berichdarüber zu berichten. tet auch über den Erlaß von Verwaitungsvorschriften. Der Ausschuß hat Anspruch auf Unierrichtung. SS32 (2) Der Ausschuß hat auf Antrag mindestens eines seiner MitAkteneinsicht glieder das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in (1) Sind personenbezogene Daten in Akten gespeichert, so Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verkann dem Betroffenen auf Antrag Akteneinsicht gewährt werden, fassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von deren Diensisoweit Geheimhaltungsinteressen oder schutzwürdige Belange kräften. Die Befugnisse des Ausschusses nach Satz 1 erstrecken Dritter nicht entgegenstehen. SS31 gilt entsprechend. sich nur auf Gegenstände, die der alleinigen Verfügungsberechtigung des Landesamtes für Verfassungsschutz unterliegen. (2) Die Einsichtnahme in Akten oder Aktenteile ist insbesondere dann zu versagen, wenn die Daten des Betroffenen mit (3) Der Senat kann die Unterrichtung über einzelne Vorgänge Daten Dritter oder geheimhaliungsbedürftigen sonstigen Inforverweigern und bestimmten Kontrollbegehren widersprechen, mationen derart verbunden sind, daß ihre Trennung auch durch wenn dies erforderlich ist, um vom Bund oder einem deutschen Vervielfältigung und Unkenntlichmachung nicht oder nur mit Land Nachteile abzuwenden; er hat dies vor dem Ausschuß zu unverhältnismäßig großem Aufwand möglich ist. In diesem Fall begründen. ist dem Betroffenen zusammenfassende Auskunft über den Akteninhalt zu erteilen. (4) Das Abgeordnetenhaus kann den Ausschuß für einen bestimmten Untersuchungsgegenstand als Untersuchungsausschuß (Artikel 33 der Verfassung von Berlin) einsetzen. SS3 des Fünfter Abschnitt Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des AbgeordnetenParlamentarische Kontrolle hauses von Berlin vom 22. Juni 1970 (GVB1. S. 925), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juni 1991 (GVB1. S. 154), findet keine SS33 Anwendung. Ausschuß für Verfassungsschutz (5) Für den Ausschuß gelten im übrigen die Bestimmungen (1) In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes unterliegt der der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Senat von Berlin der Kontrolle durch den Ausschuß für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin. Die Rechte des Abgeordnetenhauses und seiner anderen Ausschüsse bleiben unberührt. (2) Der Ausschuß für Verfassungsschutz besteht in der Regel Sechster Abschnitt aus höchstens zehn Mitgliedern. Die Fraktionen wählen die auf Schlußvorschriften sie entfallenden Mitglieder und machen sie dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin namhaft. Die Fraktionen werden SS36 nach ihrer Mitgliederzahl beteiligt, wobei jede Fraktion mindeEinschränkung von Grundrechten stens durch ein Mitglied vertreten sein muß. Eine Erhöhung der im Satz 1 bestimmten Mitgliederzahl ist nur zulässig, soweit sie Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverzur Beteiligung aller Fraktionen notwendig ist. letzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes ein(3) Scheidet ein Mitglied aus dem Abgeordnetenhaus oder geschränkt werden. seiner Fraktion aus, so verliert es die Mitgliedschaft im Ausschuß für Verfassungsschutz. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein SS37 neues Mitglied zu benennen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied Anwendbarkeit des Berliner Datenschutzgesetzes aus dem Ausschuß ausscheidet. Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 durch das Landesamt für Verfassungsschutz finden die SSSS 10 bis 17 und 19 Abs. 2 bis 4 SS34 des Berliner Datenschutzgesetzes in der Fassung vom 17. DezemGeheimhaltung ber 1990 (GVBI. 1991 S. 16, 54), zuletzt geändert durch Gesetz Die Öffentlichkeit wird durch einen Beschluß des Ausschusses vom 22. Oktober 1992 (GVBI. S.3I4), keine Anwendung. ausgeschlossen, wenn das öffentliche Interesse oder berechtigte Interessen eines einzelnen dies gebieten. Sofern die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, sind die Mitglieder des Ausschusses zur SS38 Verschwiegenheit über Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen Inkrafttreten, Außerkrafttreten dabei bekanntgeworden sind. Das gleiche gilt auch für die Zeit (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im nach dem Ausscheiden aus dem Ausschuß. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit kann von dem Ausschuß aufgehoben werden, Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. soweit nicht berechtigte Interessen eines einzelnen entgegenste(2) Gleichzeitig tritt das Gesetz über das Landesamt für Verfashen oder der Senat widerspricht; in diesem Fall legt der Senat sungsschutz in der Fassung vom 31. Juli 1989 (GVBI. S. 1545) dem Ausschuß seine Gründe dar. außer Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Der Regierende Bürgermeister Diepgen