Landesamt für Verfassungsschutz BERLIN VerfassungsschutzBericht Berlin 1991 Landesamt für Verfassungsschutz BERLIN VerfassungsschutzBericht Berlin 1991 2 Herausgeber: Landesamt für Verfassungsschutz Berlin Redaktion: LfV II A März 1992 (Redaktionsschluß: 28. Februar 1992) Druck: Verwaltungsdruckerei Berlin Abdruck gegen Quellenangabe gestattet, Belegexemplar erbeten Vorwort 3 Vorwort Nachdem der im vergangenen Jahr erstmals herausgegebene Verfassungsschutzbericht auf große Resonanz gestoßen ist, freue ich mich, nunmehr den Verfassungsschutzbericht Berlin 1991 vorstellen zu können. Er informiert wie der vorangegangene umfassend über den politischen Extremismus von links und rechts sowie über Ergebnisse der Spionageabwehr. Sachlich und frei von parteipolitischen Einflüssen zeigt der Verfassungsschutzbericht wichtige Tatsachen, Entwicklungen und relevante Zusammenhänge auf. Wie bereits im Vorjahr bildete neben dem unverändert fortbestehenden linksextremistisch orientierten Gewaltpotential die militante SkinheadSzene eines der bedeutsamen sicherheitspolitischen Probleme in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin. Das Jahr 1991 war unter anderem durch eine zunehmende Ausländerfeindlichkeit gekennzeichnet, die ihren unrühmlichen Höhepunkt in den gewalttätigen Übergriffen von Skinheads auf Ausländerund Asylbewerberheime in Hoyerswerda fand. In diesem Zusammenhang konnte zwar festgestellt werden, daß die Übergriffe von Skinheads auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Berlin bisher nicht die Ausmaße erreicht haben, die in den anderen Bundesländern zu verzeichnen waren. Großen Anlaß zur Sorge bereitet allerdings die sich verstärkende Polarisierung zwischen Angehörigen des militanten linken und rechten Spektrums. Die im Berichtszeitraum bekanntgewordenen tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten verdeutlichen, daß die Konfrontation zwischen beiden Gruppen an Schärfe und Entschlossenheit zugenommen hat. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sind weiterhin in erheblichem Maße damit beschäftigt, die Hinterlassenschaft der früheren DDR-Nachrichtendienste aufzuarbeiten. Deren Agenten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind noch längst nicht alle entdeckt. Sie bilden nach wie vor ein nicht zu unterschätzendes Reservoir für fremde Nachrichtendienste. 4 Vorwort Der Bericht macht insgesamt deutlich, daß es sich ein freiheitlicher Rechtsstaat wie die Bundesrepublik Deutschland trotz geänderter Aufgabenstellung der Nachrichtendienste durch den Demokratisierungsprozeß in den Ländern Osteuropas nicht leisten kann, auf einen wirksamen Verfassungsschutz zu verzichten. Die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Osteuropa, die im Zerfall der früheren UdSSR einen weiteren historischen Höhepunkt fanden, haben das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz nicht unberührt gelassen. Im Zusammenhang mit der veränderten Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes muß auch die Beauftragung eines unabhängigen Gremiums von erfahrenen Fachleuten auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gesehen werden, das in seinem Ende letzten Jahres vorgelegten Gutachten konkrete Vorschläge zur Anpassung der künftigen personellen und sachlichen Ausstattung des Landesamtes für Verfassungsschutz an seine tatsächlichen Bedürfnisse und Aufgaben unterbreitet hat. Durch den geplanten Personalabbau im LfV Berlin wird zum einen den grundlegenden politischen Entwicklungen Rechnung getragen. Andererseits bleibt gewährleistet, daß das Amt die verbliebenen und die künftig möglicherweise hinzukommenden Aufgaben auch weiterhin effektiv erfüllt. Berlin, im April 1992 Professor Dr. Dieter Heckelmann Senator für Inneres Inhaltsverzeichnis 5 Inhaltsverzeichnis Einleitung 12 1 Allgemeines 16 1.1 Abbau des Vorschriftendefizits beim LfV Berlin 17 1.2 Datenschutz und Auskunftserteilung 17 1.3 Parlamentarische Kontrolle 18 1.4 Personalbestand und Haushaltswirtschaft des LfV 18 2 Politischer Extremismus 19 2.1 Linksextremismus 20 2.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 20 2.1.1.1 Vorbemerkung 20 2.1.1.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 21 2.1.1.2.1 Grundlagen und Ziele 21 2.1.1.2.2 Strukturen 22 2.1.1.2.3 Aktuelle Aktivitäten des Berliner RAF-Umfeldes 24 2.1.1.2.4 Ausblick 25 2.1.1.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 27 2.1.1.3.1 Entstehung 27 2.1.1.3.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen 27 2.1.1.3.3 Anschläge in Berlin 28 2.1.1.3.4 Ausblick 29 2.1.1.4 Autonome 30 2.1.1.4.1 Vorbemerkung 30 2.1.1.4.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen 31 2.1.1.4.3 Aktionsformen und Militanz der Autonomen 33 2.1.1.4.4 Aktuelle Aktivitäten der Autonomen 34 2.1.1.4.5 Ausblick 36 2.1.2 Dogmatische "Neue Linke" 37 2.1.2.1 Vorbemerkung 37 2.1.2.2 Revolutionär-marxistische Gruppen 37 2.1.2.2.1 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) 37 6 Inhaltsverzeichnis 2.1.2.2.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 38 2.1.2.2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 39 2.1.2.2.4 "Kommunistischer Bund" (KB) 39 2.1.2.2.5 "Gruppe K" 40 2.1.2.2.6 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MI_PD)..40 2.1.2.2.7 "Marxistische Gruppe" (MG) 41 2.1.2.2.8 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) 42 2.1.2.2.9 "Rote Garde Berlin" (RG) 43 2.1.2.2.10 "Rote Hilfe e.V." (RH) 43 2.1.2.2.11 "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) 43 2.1.2.2.12 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) 44 2.1.2.3 Trotzkistische Parteien und Gruppen 45 2.1.2.3.1 "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) 46 2.1.2.3.2 "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen (GRS) 47 2.1.2.3.3 "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) .47 2.1.2.3.4 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) 48 2.1.2.3.5 "Spartakist - Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) 49 2.1.2.4 Ausblick 49 2.1.3 "Orthodoxe" Kommunisten 50 2.1.3.1 Vorbemerkung 50 2.1.3.2 "Sozialistische Initiative" (Sl) 50 2.1.3.3 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 52 2.1.3.4 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 53 2.1.3.5 Ausblick 53 2.1.4 "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) 54 2.2 Rechtsextremismus 55 2.2.1 Vorbemerkung 55 2.2.2 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) 56 2.2.2.1 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 57 2.2.2.2 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) 59 2.2.2.3 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 60 2.2.2.4 "Nationalistische Front" (NF) 62 2.2.2.5 "ASGARD-Bund e.V."/"Wotans Volk" 63 2.2.2.6 "Völkischer Freundeskreis" (VFK) 64 2.2.2.7 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BW) 65 2.2.2.8 "Freiheitspartei" 65 Inhaltsverzeichnis 7 2.2.2.9 "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland e.V." (WJ) 66 2.2.2.10 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) , 67 2.2.2.11 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 67 2.2.3 "Nationalfreiheitliche"/"Nationaldemokraten" 68 2.2.3.1 "Nationalfreiheitliche" (DVU e.V./DVU) 68 2.2.3.2 "Nationaldemokraten" 70 2.2.4 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 72 2.2.4.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" (vormals "Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin" - DKG-Berlin -) 72 2.2.5 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund 73 2.2.6 Ausblick 79 2.2.7 Im Blickpunkt: Militante Skinheads in Berlin 80 2.3 Sonderthema: Polarisierung und mögliche Eskalation der Gewalt zwischen Rechtsund Linksextremisten in Berlin 87 2.3.1 "Antifaschismusarbeit" der extremistischen Linken 87 2.3.2 Positionen des militanten Antifaschismus 88 2.3.3 Verminderte rechtsextremistische Aktionsfähigkeit bis zur Suspendierung des Besatzungsrechts 91 2.3.4 Rechtsextremistische Aggressionsbereitschaft 92 2.3.5 Beispiele bekanntgewordener tätlicher Auseinandersetzungen 93 2.3.6 Ausblick 97 2.4 Ausländerextremismus 99 2.4.1 Überblick 99 2.4.2 Staatsterrorismus 101 2.4.3 Palästinenser/Araber 102 2.4.3.1 PLO-Mitgliedsorganisationen 103 2.4.3.2 Islamisch-extremistische Palästinenserund Araber-Organisationen 106 2.4.4 Türken 107 2.4.4.1 Linksextremisten 108 2.4.4.2 Rechtsextremisten 111 2.4.4.3 Islamisch-extremistische Türken 112 2.4.5 Kurden 113 8 Inhaltsverzeichnis 2.4.6 Iraner 114 2.4.6.1 Regimeanhänger 115 2.4.6.2 Regimegegner 115 2.4.7 Jugoslawen 116 2.4.8 Ausblick 117 2.4.9 Sonderthema: Auswirkung des Nationalitätenkonfliktes in Jugoslawien auf die Sicherheitslage in Berlin 119 3 Spionageabwehr 125 3.1 Entwicklung im Jahre 1991 126 3.2 Weitere Bearbeitung der Nachrichtendienste der ehemaligen DDR 126 3.3 Aufarbeitung der Zusammenarbeit zwischen MfS und KGB 128 3.3.1 Informationsweitergabe zwischen den Nachrichtendiensten 128 3.3.2 Fortführung der Spionagetätigkeit des KGB nach Auflösung des MfS 129 3.3.3 "Der Berliner Apparat" des KGB 130 3.4 Lagebild der Spionageabwehr 132 3.4.1 UdSSR und Nachfolgestaaten 132 3.4.2 Polen 133 3.4.3 Ungarn 134 3.4.4 CSFR 134 3.4.5 Rumänien 134 3.4.6 Bulgarien 135 3.4.7 Jugoslawien 135 3.5 Geheimschutz 135 3.5.1 Geheimschutz in der Verwaltung 135 3.5.2 Geheimschutz in der Wirtschaft 136 3.5.3 Materieller Geheimschutz 137 3.6 Wirkungsvolle Spionageabwehr ist nur mit Hilfe der Bevölkerung möglich 138 Inhaltsverzeichnis 9 4 Anhang I: Kurzdarstellungen wichtiger extremistischer Organisationen 139 4.1 Linksextremismus 140 4.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 140 4.1.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 140 4.1.1.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 140 4.1.1.3 Autonome 141 4.1.2 Revolutionär-marxistische Gruppen 141 4.1.2.1 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) 141 4.1.2.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 141 4.1.2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 142 4.1.2.4 "Kommunistischer Bund" (KB) 142 4.1.2.5 "Gruppe K" 142 4.1.2.6 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 143 4.1.2.7 "Marxistische Gruppe" (MG) 143 4.1.2.8 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) 143 4.1.2.9 "Rote Garde Berlin" (RG) 144 4.1.2.10 "Rote Hilfe e.V." (RH) 144 4.1.2.11 "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) 144 4.1.2.12 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) 144 4.1.3 Trotzkistische Parteien und Gruppen 145 4.1.3.1 "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) 145 4.1.3.2 "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" (GRS) 145 4.1.3.3 "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) 145 4.1.3.4 "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) 146 4.1.3.5 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) 146 4.1.3.6 "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) 146 4.1.3.7 "Gruppe Arbeitermacht" (GAM) 147 4.1.3.8 "Gruppe Spartakus" 147 4.1.4 "Orthodoxe" Kommunisten 147 4.1.4.1 "Sozialistische Initiative" (Sl) 147 4.1.4.2 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 148 4.1.4.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 148 4.1.5 "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) 148 4.2 Rechtsextremismus 150 4.2.1 Neuer Nationalsozialismus/Neonazismus 150 10 Inhaltsverzeichnis 4.2.1.1 "ASGARD-Bund e.V." 150 4.2.1.2 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" ( B W ) 150 4.2.1.3 "Deutsche Alternative" (DA) 150 4.2.1.4 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) 150 4.2.1.5 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 151 4.2.1.6 "Freiheitspartei" 151 4.2.1.7 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 151 4.2.1.8 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 151 4.2.1.9 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) 152 4.2.1.10 "Nationalistische Front" (NF) 152 4.2.1.11 "Nationale Offensive" (NO) 152 4.2.1.12 "Völkischer Freundeskreis" 152 4.2.1.13 "Wiking-Jugend, volkstreue, nordländische Jugendbewegung Deutschland e.V." (WJ) 153 4.2.1.14 "Wotans Volk" 153 4.2.2 "Nationalfreiheitliche" und "Nationaldemokraten" 153 4.2.2.1 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU e.V.) 153 4.2.2.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 154 4.2.2.3 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 154 4.2.3 Sonstige 154 4.2.3.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" (ehemals "Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin" - DKG-Berlin -) ....154 4.3 Ausländerextremismus 155 4.3.1 Palästinenser/Araber 155 4.3.1.1 "ALFATAH" 155 4.3.1.2 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) 155 4.3.1.3 "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) 155 4.3.1.4 "Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando" (PFLP-GC) 156 4.3.1.5 "Palästinensische Volkskampffront" (PPSF) 156 4.3.1.6 "ALSAIQA" 156 4.3.1.7 "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) 156 4.3.1.8 "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) 157 4.3.1.9 "Moslembruderschaft" (MB) 157 4.3.1.10 "Hizb Allah" (Partei Gottes) 157 4.3.1.11 AMAL 157 Inhaltsverzeichnis 11 4.3.1.12 "Hizb AI-Da'Wa Al-Islamia" 158 4.3.1.13 "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PIJ) 158 4.3.2 Kurden 159 4.3.2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 159 4.3.3 Türken 159 4.3.3.1 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) 159 4.3.3.2 "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) 159 4.3.3.3 "Türkische Volksbefreiungspartei/-front" (THKP/-C) 160 4.3.3.4 "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) 160 4.3.3.5 "Avrupa'da Dev Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa) 160 4.3.3.6 "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP) 160 4.3.3.7 "Wohlstandspartei" (RP) 160 4.3.3.8 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) 161 4.3.4 Iraner 161 4.3.4.1 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) 161 4.3.4.2 "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOl) 161 4.3.4.3 "Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran" (O.I.P.F.G.) 162 4.3.4.4 "Rat der Konstitutionellen Monarchie des Iran in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin" (R.K.M.I.)162 4.3.5 Jugoslawen 162 4.3.5.1 "Kroatischer Nationalrat" ("Hrvatsko Narodno Vijece" - HNV) 162 5 Anhang II: Chronologie 163 5.1 Linksextremismus/Gewaltpotential 164 5.2 Rechtsextremismus 184 5.3 Ausländerextremismus 199 12 Einleitung Einleitung Der erstmals für das Jahr 1990 herausgegebene Jahresbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Berlin (LfV) stieß auf reges Interesse; die gesamte Auflage ist vergriffen. So ist zu hoffen, daß die Informationen, Erläuterungen und Schwerpunktthemen wiederum interessierte Leser finden und zufriedenstellen werden. Bei der Darstellung unterschiedlicher Bereiche des politischen Extremismus folgt der Bericht den Entwicklungslinien der in dieser Szene durch die Einheit Deutschlands ausgelösten Verschiebungen und Verwerfungen. Unvermindert am unmittelbarsten beiroffen waren die Parteien und Gruppierungen des Linksextremismus. Die "Sozialistische Initiative" (Sl), Nachfolgeorganisation der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW), war nur als Übergangserscheinung konzipiert worden. Sie löste sich plangetreu zum 30. Juni 1991 auf. Ein Großteil der Sl-Mitglieder wählte als neue politische Heimat die "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), unmittelbare Nachfolgerin der Ostund Westberliner Kommunisten historisch gemeinsamen "Mutterpartei" SED. Einigen Sl-Mitgliedern erschien die nunmehr auch in Berlin vertretene "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) als der wahre Hort marxistischleninistischer Überzeugungen. Die Anfang des Jahres 1990 gegründete "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) stieß indes unter West-Berliner Kommunisten kaum auf Resonanz und blieb weitgehend auf die östlichen Stadtbezirke beschränkt. Erwartungsgemäß nutzte die linksextremistische Terrororganisation "Rote Armee Fraktion" (RAF) die mit dem deutschen Einigungsprozeß einhergehenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme als Begründungszusammenhang für ihre Gewalttaten. Das tödliche Attentat auf den "Treuhandanstalf-Manager Dr. ROHWEDDER am 1. April 1991 bestätigte diese "Angriffslinie" des von der RAF praktizierten "antiimperialistischen Kampfes" in tragischer Weise. Ihre Ankündigung, künftig mehr aktuelle Themen, wie Stadtentwicklung, Asylpolitik und Arbeitslosigkeit, aufzugreifen, deutet auf den Versuch der RAF hin, den Anspruch auf revolutionäre Einleitung 13 Veränderungen, gerade nach dem Scheitern des "realen Sozialismus", auch gegenüber den eigenen Anhängern durch allgemein plausible Ziele weiter zu legitimieren. Die autonome Szene Berlins erhielt im Laufe des Jahres 1991 u.a. erheblichen Zulauf aus dem Ostteil der Stadt und blieb derart gestärkt weiterhin das bedeutendste Zentrum des militanten Linksextremismus in Deutschland. Wesentliche Aktionsschwerpunkte der Autonomen waren Proteste gegen die angebliche "Umstrukturierung" gewachsener Wohnund Gewerbegegenden, die Olympiabewerbung Berlins und die Verlagerung des Regierungssitzes in die Stadt. Am 12. Juni 1991 wurde der leitende Mitarbeiter der Senatsbauverwaltung Hanno KLEIN mit einer Briefbombe ermordet. Die Taterklärung, die auf dessen Verantwortlichkeiten bei der Stadtplanung Bezug nimmt, wurde von autonomen Kreisen verfaßt. Komplexe wie "Regierungssitz", "Golfkrieg" und "Rassismus/Sexismus" bildeten für die terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) thematische Anknüpfungspunkte bei zwei spektakulären Anschlägen. Am 15./16. Januar 1991 richtete sich ein Sprengstoffattentat gegen die Siegessäule, mehrere Brandsätze zündeten am 11 ./12. Juni 1991 im Reichstagsgebäude. Von den Gruppen der dogmatischen "Neuen Linken" lösten sich im Jahre 1991 zwei revolutionär-marxistische Zusammenschlüsse auf. Die Trotzkisten, ermutigt durch den Zerfall der von ihnen als "bürokratisch entartet" abgelehnten Regime Ostund Südosteuropas, sahen sich alsbald hinsichtlich ihrer anfänglichen Zuversicht auf gestaltende Einflußchancen in den neuen Bundesländern enttäuscht. Abzuwarten bleibt die Entwicklung eines im April 1991 konstituierten "Ständigen Rates Marxistischer Parteien" (SRMP), in dem sich mehrere Organisationen, überwiegend revolutionär-marxistische, "orthodox"kommunistische und trotzkistische, zusammengefunden haben, um längerfristig ihre ideologische Zerstrittenheit mit dem Ziel des Aufbaus einer "einheitlichen" kommunistische Partei zu überwinden. Das Berliner Erscheinungsbild des organisierten Rechtsextremismus war im Jahre 1991 weitgehend von neonazistischen Gruppierungen bestimmt. Die in früheren Jahren vorhandene größere Einheitlichkeit der Berliner Neonazi- 14 Einleitung Szene gegenüber der Szene in den westdeutschen Ländern, die auf die damalige besondere Situation Berlins zurückzuführen war, ist nicht mehr in diesem Umfang vorhanden. Die größten Berliner Neonazi-Gruppen, die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP), die "Nationalistische Front" (NF) und die "Nationale Alternative" (NA), bemühten sich, weitgehend unabhängig voneinander eigenständige Aktivitäten in und um Berlin zu entwickeln. Im Berichtszeitraum 1991 bildete die militante Skinhead-Szene ein bedeutsames, nach wie vor aktuelles sicherheitspolitisches Problem in Berlin. Ohne vorgängige Planungen verübten Skinheads rassistisch motivierte Anschläge und sonstige Gewalttaten. Die Aktivitäten extremistischer, insbesondere terroristischer Ausländerorganisationen in Berlin waren im Jahre 1991 vor allem von Konfliktund Krisensituationen in den Herkunftsländern geprägt. Dazu gehörten der sog. Golfkrieg Anfang des Jahres, die Entwicklung in Jugoslawien, die schließlich zum Bürgerkrieg führte, der Kurdenkonflikt in der Türkei und im Irak, die Palästinenser-Frage in Verbindung mit der Ende Oktober 1991 begonnenen Friedenskonferenz über den Nahen Osten und das Nordirland-Problem. Bedingt durch die tatsächliche oder formelle Auflösung weiterer Nachrichtendienste des früheren Warschauer Paktes veränderten sich die Anforderungen an die Spionageabwehr des LfV erneut. Ein Arbeitsschwerpunkt war die Aufdeckung früherer Spionageaktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit bzw. des Militärischen Nachrichtendienstes der DDR und die Klärung der Zusammenarbeit zwischen dem MfS und dem - zwischenzeitlich ebenfalls aufgelösten - sowjetischen Nachrichtendienst KGB. Die politischen Umwälzungen führten nicht zur gänzlichen Einstellung der Ausforschungsversuche gegnerischer Dienste des früheren Ostblocks. Vielmehr wollen auch die neuen Regierungen Ostund Südosteuropas, darunter die in der GUS zusammengeschlossenen Länder, erklärtermaßen weiterhin Auslandsaufklärung betreiben. Neben dem Überblick über den Entwicklungsverlauf des Extremismus enthält der vorliegende Jahresbericht wiederum einzelne Kapitel, in denen das LfV jedes Jahr spezielle Aspekte extremistischer Bestrebungen thematisieren will. Einleitung 15 So wird über die wegen ihrer zunehmenden Bedrohung der inneren Sicherheit im "Blickpunkt" von Öffentlichkeit und Politik stehenden rechtsextremistischen Skinheads berichtet und als "Sonderthema" die für eine Analyse extremistischer Bedrohungspotentiale ebenfalls bedeutsame Frage einer "Polarisierung und möglichen Eskalation der Gewalt zwischen Rechtsund Linksextremisten in Berlin" behandelt. Dem Berichtsabschnitt über trotzkistische Vereinigungen, deren Politikansätze von denen anderer Linksextremisten abweichen, wurde diesmal im Interesse eines besseren Verständnisses ein Abriß der trotzkistischen Ideologie vorangestellt. In einem Anhang werden schließlich die wesentlichen extremistischen Aktivitäten im Berichtszeitraum stichwortartig aufgeführt sowie wichtige extremistische Organisationen in Kurzform vorgestellt. 16 1.-Allgemeines - 1 Allgemeines 1. -Allgemeines - 17 1.1 Abbau des Vorschriftendefizits beim LfV Berlin Im Zuge des weiteren Abbaus des bis zum Ende der 80er Jahre bestehenden Vorschriftendefizits beim Landesamt für Verfassungsschutz Berlin wurden bis zum Ende des Berichtszeitraumes insgesamt 14 Verwaltungsvorschriften in Kraft gesetzt. Die Vorschriften betreffen sowohl den Ablauf der amtsinternen Verwaltung als auch die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags. Auch zukünftig werden mit besonderer Priorität die noch für notwendig erachteten Verwaltungsvorschriften erarbeitet werden. 1.2 Datenschutz und Auskunftserteilung Im Bereich des Datenschutzes hat es im Berichtszeitraum verstärkt Kontrollen des Berliner Datenschutzbeauftragten gegeben, die grundsätzlich zur Klärung von unterschiedlichen Rechtsauffassungen führten. Zur Gewährleistung effektiven Datenschutzes wurde innerhalb des Amtes ein behördlicher Datenschutzbeauftragter entsprechend SS 9 Abs. 5 des Berliner Datenschutzgesetzes eingesetzt, der in allen den Datenschutz betreffenden Angelegenheiten des Landesamtes beteiligt wird. Die Auskunftsregelung des LfV ermöglicht grundsätzlich sowohl die Auskunftserteilung als auch die Akteneinsicht. Seit Beginn der Auskunftspraxis des LfV Berlin im Jahr 1989 haben insgesamt 1.143 Bürgerinnen und Bürger (Stand: 31. Dezember 1991) einen Antrag auf Auskunft oder Akteneinsicht gestellt. Davon waren 527 Antragsteller (= 46 %) in keiner Datei des LfV Berlin erfaßt. Von den übrigen gespeicherten Personen erhielten etwa 85 % Auskunft und - falls beantragt - Akteneinsicht. Bei ca. 15 % der erfaßten Antragsteller wurde nach eingehender Relevanzprüfung festgestellt, daß die Daten dieses Personenkreises - unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - weiterhin für die gesetzliche Aufgabenerfüllung des LfV erforderlich sind. Nach sorgfältiger Abwägung des individuellen Auskunftsanspruchs mit dem besonderen öffentlichen Geheimhaltungsinteresse konnten die Betroffenen lediglich Teilauskünfte, jedoch keine Akteneinsicht erhalten. 18 1.-Allgemeines1.3 Parlamentarische Kontrolle Im Berichtszeitraum fanden insgesamt sieben Sitzungen des Ausschusses für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin statt. Im Rahmen seiner Kontrollbefugnis wurde dem Ausschuß eine Vielzahl von Berichten über die Arbeit des Landesamtes vorgelegt. 1.4 Personalbestand und Haushaltswirtschaft des LfV Die Vereinigung Deutschlands und die tiefgreifenden Veränderungen in Osteuropa sind nicht ohne Einfluß auf die Personalund Sachmittelausstattung des LfV geblieben. Bereits durch das Nachtragshaushaltsgesetz 1990 sind im Stellenplan 20 Stellen gestrichen und weitere 20 Stellen mit Wegfallvermerken versehen worden. Diese Personalreduzierung ist zum weit überwiegenden Teil im Berichtsjahr realisiert worden. Der Personalstellensollbestand des LfV hat sich somit auf 304 Stellen reduziert. Die aufgabenkritischen Vorschläge der Boeden-Kommission zur Struktur und Arbeitsweise des LfV und die Entscheidungen der Politik darüber werden noch zu weiteren Reduzierungen führen. Die Einnahmen und Ausgaben des LfV sind offen im Haushaltsplan von Berlin unter Kapitel 0512 nachgewiesen. Für konsumtive Sachausgaben und Investitionen standen 2,77 Mio. DM zur Verfügung, die zu rd. 81 % in Anspruch genommen wurden. Davon wurden allein für die Fortführung der 1990 begonnenen Einrichtung und Ausstattung von APC-Arbeitsplätzen rd. 230.000 DM ausgegeben. Der Einsatz moderner Informationsund Kommunikationstechnik dient nicht nur der Effektivitätssteigerung in der Aufgabenerfüllung; durch die automatisierte Dokumentation des Tätigwerdens wird ein weiterer Beitrag zur Erfüllung datenschutzrechtlicher Bestimmungen geleistet. 2. - Politischer Extremismus - 19 Politischer Extremismus 20 2. - Politischer Extremismus - 2.1 Linksextremismus 2.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 2.1.1.1 Vorbemerkung Im Bereich des Linksextremismus liegt das Hauptgewicht der Arbeit des LfV auf denjenigen linksextremistisch motivierten Gruppen, die den Gewalteinsatz als Mittel der politischen Auseinandersetzung bejahen. Maßgeblich für die Einordnung dieser Gruppen als linksextremistisch ist deren Ablehnung jeglicher Herrschaft des Menschen über den Menschen, sei es, daß zentrale Organisationsformen generell als Übel gelten, sei es, daß in der kapitalistischen Klassengesellschaft die Ursache aller gesellschaftlichen Mißstände ausgemacht wird. Die parlamentarische Demokratie, die lediglich der geschickten Verschleierung gesellschaftlicher Herrschaft und Unterdrückung diene, wird kompromißlos abgelehnt. Für diese Gruppen und deren Tätigkeit wird vielfach die Bezeichnung "Terrorismus" bzw. "Linksterrorismus" gebraucht. Dabei versteht man unter Terrorismus den nachhaltig geführten Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129 a Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannt sind (vor allem: Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Explosion durch Sprengstoff) oder durch andere Gewalttaten, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Träger des deutschen linksextremistisch motivierten Terrorismus sind die "Rote Armee Fraktion" (RAF) und die "Revolutionären Zellen" (RZ). Beide Gruppen verfolgen gleiche Ziele mit dem militärisch-politischen Kampf gegen das politische System in der Bundesrepublik Deutschland. Von RAF und RZ durch den Mangel eines durchgängigen ideologischen Konzepts getrennt, aber aufgrund eigener Militanz dennoch dazugehörig, 2. - Politischer Extremismus - 21 stellen sich die Autonomen als in diesen Zusammenhang gehörende Erscheinung dar. 2.1.1.2 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 2.1.1.2.1 Grundlagen und Ziele Die Keimzelle der relevantesten deutschen linksextremistisch motivierten Terrorgruppe bildete sich 1970 um Ulrike MEINHOF und Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Horst MAHLER in Berlin. Sie verstand sich von Anfang an als eine marxistisch-leninistische Gruppe und somit als Fraktion einer weltweiten revolutionären Bewegung. Die RAF suchte ihren bewaffneten Kampf als Stadtguerilla nach dem Vorbild südamerikanischer Terroristen zu führen und operierte aus dem Untergrund heraus. Sich selbst hatte die RAF die Funktion einer revolutionären Avantgarde zugedacht. Die terroristischen Aktionen sollten das revolutionäre Feuer in den "Metropolen" des "Kapitalismus" entfachen und die "Massen" mobilisieren. Das Konzept "Stadtguerilla" bestimmte die Frühphase der RAF über die Festnahme der ersten RAF-Generation hinaus. Seit Anfang der 80er Jahre sieht sich die RAF nicht mehr nur als verlängerter Arm der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im imperialistischen Zentrum Westeuropa. Ihr "antiimperialistischer Kampf" gilt insbesondere den maßgeblichen Stützen der bestehenden Machtstrukturen. Dazu zählt sie neben den Sicherheitsbehörden - "dem Repressionsapparat" - die Bereiche Politik, Militär, Kapital und Industrie, deren Verflechtungen als "militärisch-industrieller Komplex" (MIK) bezeichnet werden. Aus der Entwicklung in Osteuropa zog die RAF insofern Konsequenzen, als sie - neue vermittelbare, d.h. der eigenen Anhängerschaft und Kreisen darüber hinaus einleuchtende "Kampffelder" suchend - sich unmittelbar dem tagespolitischen Geschehen zuwandte. Der tödlich endende Anschlag auf den Treuhand-Manager Dr. ROHWEDDER am I.April 1991 ist Teil dieser neuen Angriffslinie gegen die Strategie des internationalen Kapitals und seine 22 2. - Politischer Extremismus - Machtstrukturen. Vordergründig sind die Attentate auf aktuelle soziale und wirtschaftliche Entwicklungen in den neuen Bundesländern gerichtet. Die Angriffslinie zielt schließlich gegen die neu entstandene Großdeutsche/Westeuropäische Weltmacht. Eine zweite Linie dieser "Doppelstrategie" ist nach wie vor auf die Durchsetzung der Forderungen der Gefangenen und den Aufbau einer "revolutionären Front" in Westeuropa gerichtet. 2.1.1.2.2 Strukturen Kommandoebene Alle wesentlichen Entscheidungen werden gemeinsam von der seit Jahren auf etwa 15 bis 20 Personen geschätzten Kommandoebene der RAF getroffen. In Berlin sind in der Vergangenheit keine Angehörigen der Kommandoebene festgestellt worden, wie auch bisher Berlin von Anschlägen dieser Gruppe verschont blieb. Alle Terroranschläge dieser Ebene werden von - "Märtyrern" des eigenen Lagers gewidmeten - sog. Kommandos ausgeführt. So wurde der Anschlag auf den Vorstandsvorsitzenden der Treuhandanstalt, Dr. Detlev Karsten ROHWEDDER, am 1. April 1991, dem bei einem Überfall der RAF am 24. April 1975 auf die Deutsche Botschaft in Stockholm getöteten Ulrich WESSEL gewidmet. Das Kommando begründete den Anschlag damit, daß Dr. ROHWEDDER als Schreibtischtäter im Interesse von Macht und Profit über Leichen gegangen sei. Als Statthalter Bonns sei es seine Aufgabe gewesen, den Zusammenbruch der ökonomischen und sozialen Strukturen in der ehemaligen DDR zu organisieren und sie dem Diktat des Kapitals zu unterwerfen. Umfangreiche Textpassagen dieser Erklärung sind vom erkennbaren Bestreben der RAF-Kommandoebene getragen, ein breites Widerstandsspektrum anzusprechen und Themen aufzugreifen, die traditionell eher von Autonomen oder "Revolutionären Zellen" (RZ) als Anknüpfungspunkte für ihre Aktivitäten genutzt wurden, z.B. Südafrika, Asyl-Ausländerproblematik, Frauenfragen, Luxussanierung oder "Schicki-Micki"-Läden. 2. - Politischer Extremismus - 23 Militante der RAF Auch dieser zweite "kämpfende Teil" der RAF ist bisher in Berlin nicht in Erscheinung getreten. Die Militanten der RAF rekrutieren sich in erster Linie aus dem RAF-Umfeld und leben grundsätzlich in der Legalität. Sie wechseln nur für die Zeit der Attentate in die Illegalität und treten dann als "kämpfende Einheit" auf. Ihre Anschläge zielen nicht auf die Vernichtung von Menschenleben, sondern auf Sachschäden und ähneln insofern denen der "Revolutionären Zellen" (RZ). RAF-Umfeld Dem Umfeld der RAF werden von den Sicherheitsbehörden diejenigen in der Szene als "Antiimps" bezeichneten Personen zugerechnet, die sich voll mit den Zielen der RAF identifizieren und sie politischpropagandistisch unterstützen. Dieser Personenkreis umfaßt im Westteil Berlins derzeit etwa 50 Personen. Von diesen werden dem engeren RAF-Umfeld etwa 15 Personen zugerechnet, die im Verdacht stehen, die RAF durch praktische Hilfeleistung zu unterstützen. Die Zugehörigkeit zum engeren RAF-Umfeld wird u.a. an folgenden Kriterien festgemacht: Verdacht der Unterstützung der "Kommandos" oder der Militanten, z.B. durch logistische Hilfeleistung, mitverantwortliche Vorbereitung und Beteiligung an Veranstaltungen, die der Propagierung der Ziele und Forderungen der RAF dienen, Bekenntnisse zur Konzeption und Strategie der RAF (z.B. auch bei Besuchen in Haftanstalten) und nicht nur kurzfristige Einbindungen in regionale und überregionale Strukturen. "Inhaftierte der RAF" Die "Inhaftierten der RAF" sind nach eigenen Aussagen mit ihrer Verhaftung nicht mehr Mitglieder der RAF, bleiben aber Teil des revolutionären Prozesses. In Berliner Haftanstalten sitzen derzeit keine "Gefangenen der RAF" ein. 24 2. - Politischer Extremismus - Verwandtengruppe Die "Gefangenen aus RAF und Widerstand" werden regelmäßig von "Angehörigen der politischen Gefangenen in der BRD" (Verwandtengruppe) betreut. Diese im gesamten Bundesgebiet etwa 40 Personen umfassende Gruppe, in der auch Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes mitarbeiten, besucht die Inhaftierten, unterstützt sie finanziell aus einem Spendenkonto, sorgt für Postkontakte und versucht, durch Herausgabe eines vierzehntäglich erscheinenden "Angehörigen Infos" sowie durch sonstige teils spektakuläre Aktivitäten die Forderungen der Inhaftierten zu propagieren. "Rote Säge" Die Forderungen der "Gefangenen der RAF" nach Zusammenlegung bzw. Freilassung angeblich haftunfähiger Gefangener werden in Berlin außerdem von einem anläßlich des letzten Hungerstreiks der "Gefangenen aus RAF und aus dem Widerstand" im Jahre 1989 gegründeten "Hungerstreik-Info-Büro", das später seine Arbeit unter der Bezeichnung "Rote Säge, Büro zur Unterstützung der kämpfenden Gefangenen" fortsetzte, propagiert. Die Aktivitäten des Büros haben im Verlauf des Jahres 1991 aufgrund interner Querelen und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngsten Diskussion über eine vorzeitige Haftentlassung früherer RAF-Mitglieder spürbar nachgelassen. 2.1.1.2.3 Aktuelle Aktivitäten des Berliner RAF-Umfeldes Der Golfkrieg, europaweite Zusammenlegungsund Hafterleichterungsforderungen für inhaftierte Terroristen, die Asylproblematik und die Ausländerfeindlichkeit waren die Themen des Jahres 1991, denen sich die Angehörigen des Berliner RAF-Umfeldes widmeten und die die Zusammenarbeit zwischen RAF-Anhängern und Autonomen weiter förderten. Der Todestag der RAF-Mitbegründer BAADER, ENSSLIN und RASPE am 18. Oktober 1991 sowie die Hauptstadtfrage wurden dagegen vom Berliner RAF-Umfeld ignoriert. RAF-Anhänger und Autonome initiierten und beteiligten sich in den Monaten Januar und Februar 1991 an zahlreichen Versammlungen, Aktionstagen und 2. - Politischer Extremismus - 25 Demonstrationen gegen den Golfkrieg, wobei die Anhänger der RAF ihre Aktivität in erster Linie als Kampf gegen den "US-Imperialismus" verstanden. In diesem Zusammenhang fand am 18. Februar 1991 im Audimax der Technischen Universität (TU) Berlin eine vom Berliner RAF-Umfeld mitgetragene Veranstaltung zum Thema Black Power, schwarzer Widerstand in den USA statt. Hier wurde eine Forderung aus der Erklärung zum Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn am 13. Februar 1991 aufgegriffen, die Hinrichtung von Mumia ABU JAMAL in den USA zu verhindern. [Anmerkung: ABU JAMAL ist ein ehemaliges Mitglied der amerikanischen "BlackPanther-Bewegung" und wurde 1981 wegen Polizistenmordes zum Tode verurteilt.] Im Frühjahr 1991 mehrten sich die Anzeichen, daß die RAF eine neue "Zusammenlegungskampagne" in Gang setzen wolle. Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes kündigten in diesem Zusammenhang auch für Berlin entsprechende Aktivitäten an, blieben jedoch lange Zeit in der Vorbereitungsphase stecken. Auftakt der Kampagne in Berlin war eine Diskussionsveranstaltung Autonomer zur Situation der politischen Gefangenen am 13. Dezember 1991 in einem Lokal in Berlin-Wedding, an der sich maßgebende RAF-Anhänger beteiligten. RAF-Anhänger und Autonome kamen dabei überein, diese Kampagne im Frühjahr 1992 im Rahmen eines Aktionstages, in dessen Verlauf eine Kundgebung vor der Berliner "Treuhandanstalt" stattfinden sollte, zu intensivieren. Anstelle der in Berlin verschobenen "Zusammenlegungskampagne" organisierten Berliner RAF-Anhänger gemeinsam mit Autonomen im Herbst 1991 zahlreiche Aktivitäten gegen die Übergriffe rechtsextremistischer und sonstiger Gewalttäter auf Asylbewerber, so u.a. am 22. September 1991 einen Autokonvoi nach Hoyerswerda (Sachsen), wo es am Vortage schwere Ausschreitungen rechtsextremistischer Gewalttäter gegeben hatte. 2.1.1.2.4 Ausblick Der Mordanschlag auf den Vorstandsvorsitzenden der Berliner "Treuhandanstalt" Dr. ROHWEDDER am I.April 1991 und die dazu abgegebene Taterklärung machen deutlich, daß sich zur Zeit vor allem exponierte Personen unter den Aspekten "politisch-ökonomischer Sektor" und Deutschland-/Europa-Politik im Fadenkreuz der RAF befinden. 26 2. - Politischer Extremismus - In der Selbstbezichtigung stellte die RAF gleichzeitig fest, daß sie künftig vermehrt in aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzungen eingreifen wolle. Außerdem dokumentierte sie ihre Öffnungspolitik gegenüber anderen Widerstandsspektren durch die Einbeziehung aktueller Themen, wie Umstrukturierung der Städte, Rassismus gegen Flüchtlinge und Ausländer, Frauenfeindlichkeit und Unterdrückung, Räumung besetzter Häuser, Massenarbeitslosigkeit und die Rolle der Gewerkschaften im imperialistischen System. Darüber hinaus erklärte die Terrorgruppe, daß es für sie eine Frage der eigenen Identität sei, Wege zur Freiheit der politischen Gefangenen zu suchen. Damit eröffnete die RAF nicht nur ein vielfältiges Angriffsspektrum, sondern veröffentlichte auch einen Themenkatalog für die Aktivitäten ihres Umfeldes und mögliche Bündnisfelder mit anderen "Revolutionären Bewegungen". Das Berliner RAF-Umfeld hat diese Anregungen im Jahre 1991 sowohl im Zuge seiner aktuellen Aktivitäten, aber auch bei seiner Bündnispolitik gegenüber Autonomen aufgegriffen und wird diese Politik auch im Jahre 1992 fortführen. Schwerpunkte der Aktivitäten des Berliner RAF-Umfeldes dürften dabei die Komplexe "Antifaschismus/Antirassismus", "Großdeutschland", "Europa '92" und "Umstrukturierung" sein. Auf diese Überlegung deuteten maßgebliche Angehörige des Berliner RAFUmfeldes mit der sinngemäßen Äußerung hin, als konkretisierte Forderung zur Zusammenlegung stünde künftig auch die Unterbringung "Gefangener" in einer Berliner Haftanstalt an. Die Intensität, mit der die neuerliche "Zusammenlegungskampagne" in Berlin geführt werden wird, hängt jedoch weitgehend vom Ausgang der jüngsten Diskussion um eine vorzeitige Haftentlassung inhaftierter RAF-Miglieder ab. Darüber hinaus ist davon auszugehen, daß sich die Berliner RAF-Anhänger, die nicht als homogener Block anzusehen sind, weiterhin bemühen werden, im Ostteil der Stadt Sympathisanten zu gewinnen und bereits vorhandene Kontakte zu Studenten der Humboldt-Universität auszubauen. 2. - Politischer Extremismus - 27 2.1.1.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 2.1.1.3.1 Entstehung Die "Revolutionären Zellen" (RZ) bildeten sich Anfang der siebziger Jahre nach der "Roten Armee Fraktion" (RAF) und neben der heute nicht mehr existenten "Bewegung 2. Juni" als dritte eigenständige und unabhängige Gruppe im Bereich des deutschen linksextremistisch motivierten Terrorismus. Wie für die "Bewegung 2. Juni" war auch für die RZ die Debatte in der militanten linken Szene über Strategie und Taktik der RAF konstitutiv. Kritiker der terroristischen RAF-Praxis vertraten die Position, daß nur solche Angriffe auf die bestehende Gesellschaftsund Verfassungsordnung durchgeführt werden dürften, die potentiellen Sympathisanten vermittelbar seien und deshalb einem möglichst großen relevanten Personenkreis eine Identifikation ermöglichten. Dem "bewaffneten Kampf", wie ihn die RAF aus der "Illegalität" führt, sprechen die RZ in aller Regel jegliche Effizienz ab. Die Weiterführung des RZ-Konzepts war dann die Losung "Bildet viele RZ". 2.1.1.3.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen Die theoretischen Grundlagen der RZ, die ihr ideologisches Selbstverständnis und ihre Aktionsformen u.a. in ihrer Zeitschrift "Revolutionärer Zorn" vermittelten, unterscheiden sich nur unwesentlich von denen der RAF. Anders als die Kommandoebene der RAF agieren die Kleingruppen der RZ nicht aus dem Untergrund, sondern verlassen ihren normalen Lebensrhythmus nur zur Durchführung von Aktionen ("Feierabendterrorismus"). Die schriftliche Begründung der Anschläge in Selbstbezichtigungen, mit denen die angeblichen politischen Zusammenhänge der Tat erläutert werden, bilden einen unverzichtbaren Bestandteil der RZ-Aktionen. Im allgemeinen besteht die Taktik der RZ darin, mit möglichst geringem Einsatz und Risiko möglichst großen Sachschaden anzurichten. Dieser schadet nach dem Kalkül der RZ den betroffenen Einrichtungen mehr als der Ausfall von Führungspersonen. Ihre Attentate haben deshalb - anders als die militärischen Angriffe des Kommandobereichs der RAF - nicht unmittelbar den Mord am Menschen zum Ziel. 28 2. - Politischer Extremismus - Aus dem Gebot der "Vermittelbarkeit" ihrer terroristischen Aktionen resultieren die thematischen Anknüpfungspunkte der RZ. Sie greifen auch in der breiten Öffentlichkeit diskutierte Themen, wie Stadtsanierung, Ausbeutung der Dritten Welt, Ausländerund Asylproblematik und Biobzw. Gentechnologie, auf. 2.1.1.3.3 Anschläge in Berlin Originäre RZ In Berlin (West) begannen die RZ ihre Anschlagstätigkeit am 17. November 1973 mit einem Sprengstoffanschlag auf ein Bürohaus der Firma ITT-Schaub Lorenz in Berlin-Charlottenburg. Seitdem folgten weitere Brandund Sprengstoffanschläge der RZ zu jeweils aktuellen Themen. In der Nacht zum 16. Januar 1991 detonierten auf der obersten Plattform der Siegessäule Teile eines Sprengsatzes. Ein planmäßig verlaufener Anschlag hätte die Viktoria-Figur (im Volksmund Goldelse) abstürzen lassen. RZ-Aktivisten bezeichneten in einer Selbstbezichtigung die Tat als einen Beitrag zur Diskussion über die Zusammenhänge von Golfkrieg, Patriarchat, Rassismus und Sexismus. In der Nacht zum 12. Juni 1991 zündeten zwei Brandsätze im Reichstagsgebäude. Die RZ begründeten in einer Selbstbezichtigung den Anschlag dahingehend, sie wollten wenige Tage vor der Entscheidung des Bundestages über den zukünftigen Regierungssitz eine Entscheidungshilfe geben. Die Verfasser lehnten Berlin als Regierungssitz ab, da damit keine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Mehrheit der Berliner verbunden sei. Statt dessen würde die Stadt eine Bonzenmetropole, in der dann Wohnungsmieten nicht mehr zu zahlen seien. Dies habe zur Folge, daß wir, die Ärmeren, in die Betonsilos am Stadtrand ziehen müßten. "Rote Zora" Die autonome Frauengruppe der RZ "Rote Zora", deren Anschläge sich bevorzugt gegen die imperialistische Frauenunterdrückung hier und in der Dritten Welt richten, trat in Berlin (West) bisher lediglich einmal, am 18. Oktober 1986, mit einem versuchten Sprengstoffanschlag auf das Institut für gentechnische Forschung Berlin GmbH in Berlin-Zehlendorf 2. - Politischer Extremismus - 29 hervor. Auch im Jahre 1991 gingen von ihr in Berlin erkennbare Aktivitäten nicht aus. Resonanz-RZ Parallel zu den Brandund Sprengstoffanschlägen der RZ gab es in den letzten Jahren auch in Berlin Anschläge von Resonanzoder Nachahmer-RZ. Seit 1979 waren entsprechend der Forderung der RZ "Schafft viele revolutionäre Zellen" im gesamten damaligen Bundesgebiet Gruppierungen entstanden, die nach dem Vorbild der RZ Aktionen durchführten, ihre Tatausführungen jedoch einfacher gestalteten und in Selbstbezichtigungen nicht so argumentativ umfassend erläuterten, wie es von den originären RZ bekannt ist. Im Jahre 1991 waren die folgenden Anschläge in Berlin Resonanz-RZ zuzuordnen: Am 17. Juni 1991 richtete sich ein Brandanschlag in Berlin-Pankow gegen einen Container der Dresdner Bank. Der Anschlag wurde in einer zurückgelassenen Selbstbezichtigung mit der Verantwortlichkeit der Dresdner Bank für die Verelendung großer Menschenmassen und der Schuld an der Arbeitslosigkeit von Millionen in der EX-DDR begründet. Am 17. Juli 1991 verübten Unbekannte etwa zeitgleiche Brandanschläge gegen einen "Kaiser's Verbrauchermarkt" in Berlin-Prenzlauer Berg und gegen den Neubau einer Filiale derselben Firma auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück bei Fürstenberg (Brandenburg). In einer mit "revolutionäre zellen" unterschriebenen und mit einem RZ-Stern versehenen Erklärung wandten sich die Täter gegen den Neubau der Filiale in Ravensbrück. In Berlin begingen RZ im Jahre 1991 insgesamt sechs versuchte bzw. vollendete Brandund Sprengstoffanschläge. 2.1.1.3.4 Ausblick Die Aufklärung von Aktionen der RZ stellt die Sicherheitsbehörden vor erhebliche Probleme, weil die den RZ eigene Strategie des "Feierabendterrorismus", die organisatorische Struktur selbständig 30 2. - Politischer Extremismus - operierender Zellen mit jeweils nur wenigen Mitgliedern und die thematische Breite der RZ, die Aktionen gegen eine Vielzahl von Sachobjekten mit angeblicher Symbolfunktion vielen Sympathisanten plausibel macht, eine Eingrenzung des möglichen Täterbereichs außerordentlich erschwert. Dies erklärte sich auch daraus, daß die Aktivitäten der RZ offensichtlich weit mehr positive Resonanz als die der RAF im allgemeinen und unter Autonomen im besonderen finden. Mehr als die terroristischen Aktivitäten der RZ ist ihre Vorbildfunktion für ähnliche Aktionen anderer zur Gewaltausübung bereiter Gruppen und Personen zu fürchten. Insbesondere militante Autonome orientieren sich - offenbar häufig - am Handlungsmuster der RZ. Denjenigen, die einen Zusammenschluß nach dem Muster der RZ bilden wollen, bietet der "Feierabendterrorismus" der RZ günstigere Bedingungen als die Ideologie der RAF, die ein Abtauchen in die Illegalität beinhaltet. Gegenwärtig ist von mehreren in der Stadt existierenden RZ bzw. ResonanzRZ, die aus aktuellem Anlaß jederzeit und an jedem Ort in der Stadt aktiv werden können, auszugehen. Mit weiteren RZ-Anschlägen, insbesondere zu aktuellen Themen, wie Asylpolitik und zu den sozialen Problemen im Ostteil der Stadt und in den neuen Bundesländern, ist in naher Zukunft zu rechnen. 2.1.1.4 Autonome 2.1.1.4.1 Vorbemerkung Bei der Vielzahl heterogener, mehr oder weniger konstanter Gruppen und Zusammenschlüsse, die sich selbst als Autonome bezeichnen, sind die Übergänge zwischen gewaltablehnenden und gewaltbefürwortenden Kräften fließend. Grundsätzlich unterliegen nur diejenigen Autonomen der Beobachtung der Sicherheitsbehörden, die an gewalttätigen Aktionen mit linksextremistischem Hintergrund mitgewirkt oder diese vorbereitet haben, den Einsatz von Gewalt bei diesen Aktionen befürwortet haben oder 2. - Politischer Extremismus - 31 häufige oder enge Kontakte zu Gewalttätern oder Gewaltbefürwortern hatten, d.h. insbesondere zu Mitgliedern von Gruppen, die Gewalttaten propagieren, vorbereiten oder durchführen. 2.1.1.4.2 Grundlagen, Ziele, Strukturen Bei den Autonomen, die grundsätzlich Ideologien und gesellschaftliche Normen ablehnen, d.h. selbstbestimmt leben wollen, handelt es sich um örtliche, meist nur lose strukturierte Zusammenschlüsse oder um Einzelpersonen ohne Gruppenzusammenhang mit diffusen anarchistischen, nihilistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Zielen. Sie befürworten und praktizieren militante Aktionen, wie z.B. öffentliche gewalttätige Protestaktionen, Brandund Sprengstoffanschläge, im Kampf gegen die als "Schweinesystem" diffamierte politische Ordnung des Grundgesetzes. Dabei bieten u.a. folgende Themen Anknüpfungspunkte für (aktuelle) Aktivitäten: Proteste gegen internationale Konferenzen, Staatsbesuche und sonstige Veranstaltungen, deren Teilnehmer in der linksextremistischen Agitation als Träger imperialistischer Bestrebungen diffamiert werden, Proteste gegen den Bau und Betrieb von Kernenergieanlagen und anderen technischen Großprojekten, Proteste gegen tatsächlichen oder unterstellten Rechtsextremismus sowie angeblichen Rassismus und Sexismus (sog. Antifaschistischer Kampf), Proteste gegen angebliche deutsche Großmachtpläne ("Großdeutschland", "Europa 92", Berlin als Hauptstadt/Regierungssitz, "imperialistische Ausbeutung" der Dritten Welt), Eroberung und Verteidigung von "Freiräumen" gegenüber dem "System". 32 2. - Politischer Extremismus - Obwohl Autonome von der Grundtendenz her den Aufbau einer (eigenen) Organisation ablehnen, wurde im Laufe des Jahres 1991 deutlich, daß Teile des autonomen Potentials einen gewissen Grad von Organisierung für unverzichtbar halten. Diese beklagten, daß es der autonomen Bewegung aufgrund ihrer Zersplitterung und unzureichender Informationsund Kommunikationsmöglichkeiten nicht gelungen sei, über einzelne Kampagnen hinaus zu gemeinsamem, kontinuierlichem Handein zu gelangen, und sie dadurch an politischer Kraft verloren habe. Zur Überwindung der Schwierigkeiten wurden Forderungen nach festeren Strukturen bis hin zur Initiierung eines Wahlbündnisses anläßlich der bevorstehenden Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen im Mai 1992 erhoben; die bereits bestehenden Strukturen, zu denen z.B. Info-Läden und Telefonketten gehören, reichten nicht aus. Die Diskussion wurde insbesondere über Beiträge im autonomen Szeneblatt "INTERIM" geführt und dauert noch an. Die überwiegende Mehrheit der Autonomen sind Jugendliche bzw. jüngere Erwachsene zwischen 18 und 28 Jahren. Zumeist sind es Schüler, Auszubildende, darunter viele, die mit der Lehre oder dem Studium nicht zurechtkommen, Gelegenheitsjobber, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Viele Autonome wenden sich schon nach wenigen Jahren ernüchtert von der Szene ab, enttäuscht über das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit autonomer Lebensziele. Als besonders frustierend werden die selbstgewählte Ghettosituation und die ständigen ergebnislosen Perspektivdiskussionen empfunden. Die Zahl der Autonomen wird von den Sicherheitsbehörden für die alten Bundesländer auf 2.700 Personen geschätzt; verläßliche Zahlen für die neuen Bundesländer liegen noch nicht vor. Die autonome Szene in Berlin stellt mit inzwischen etwa 1.000 Personen das weitaus größte Kontingent innerhalb des deutschen linksextremistisch motivierten Gewaltpotentials dar; der starke Anstieg der Zahl ihrer Angehörigen gegenüber 1990 beruht auf Zugängen aus dem Ostteil der Stadt, aber zugleich auch auf der erfolgreichen Mobilisierung neuer Anhänger. Auch im Jahre 1991 war festzustellen, daß es den Autonomen gelungen ist, insbesondere Angehörige der sog. Alternativszene und anderer subkultureller Kreise Berlins zu aktivieren. So beteiligten sich an der hauptsächlich von 2. - Politischer Extremismus - 33 Angehörigen der autonomen Szene organisierten sog. Revolutionären 1. MaiDemonstration etwa 8.000 Personen. Darüber hinaus existieren zahlreiche - überwiegend ausländische - Jugendbanden, die die von den Autonomen ausgehende Militanz aus gegebenem Anlaß zum Ausgangspunkt eigener Gewalttaten machen, ohne daß eine linksextremistische Motivation erkennbar wird. 2.1.1.4.3 Aktionsformen und Militanz der Autonomen Die Aktionsformen der Autonomen reichen von Versammlungen und Demonstrationen über Störaktionen, Blockaden und Sachbeschädigungen bis zu Überfällen auf politische Gegner und terroristischen Anschlägen, die sich an das Handlungsmuster der "Revolutionären Zellen" (RZ) anlehnen. Im Jahre 1991 forderte ein der autonomen Szene zuzurechnender Anschlag ein Menschenleben. Am 12. Juni 1991 wurde der leitende Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Bauund Wohnungswesen, Hanno KLEIN, durch die Explosion einer ihm zugesandten Briefbombe in seinem privaten Arbeitszimmer getötet. In der Taterklärung rechtfertigen sich die Täter, daß das Ableben Kleins zwar nicht dem ursprünglichen Anschlagsziel entsprochen habe, nämlich ihn als Motor der Umstrukturierung der berliner Innenstadt ... physisch - allerdings nicht tödlich - zu verletzen, sein Tod stehe jedoch im realen Verhältnis zur gewalttätigen Dimension des derzeitigen Umstrukturierungsprozesses, dem umfassenden Angriff der HERRschenden auf die proletarischen Bevölkerungsschichten, insbesondere Frauen und Immigrantinnen. Das Recht auf physische Unversehrtheit hätten die Schweine verspielt, wobei es nicht Ziel des Widerstands sei, soviel wie möglich von ihnen körperlich anzugehen. Vielmehr gehöre dazu eine Vielzahl von Aktionsformen wie der Aufbau einer in den Vierteln fest verankerten proletarischen Widerstandsbewegung. Dieser Anschlag stieß innerhalb der autonomen Szene auf heftige Kritik, da die Liquidierung von Personen nicht zu den Aktionsformen Autonomer gehören könne und die Gefährdung Unbeteiligter bei ihren Aktionen ausgeschlossen werden müsse. 34 2. - Politischer Extremismus - Dennoch ist Gewalt gegen Sachen, aber auch gegen Personen, für viele Autonome selbstverständlich, Militanz geradezu ein Kriterium autonomer Politik. Die angewandten Aktionsformen und der dabei ausgeübte Grad von Gewalt richten sich nach den eigenen Möglichkeiten und den jeweils vorgefundenen Gegebenheiten. In diesem Zusammenhang war festzustellen, daß Autonome seit Herbst 1991 bei Ausschreitungen verstärkt mit der Taktik agieren, in Kleingruppen zuzuschlagen, sich sofort wieder zurückzuziehen, um ein neues Ziel anzugreifen. Teile der autonomen Szene waren auch im Jahre 1991 bereit, auf den Einsatz von Gewalt zu verzichten, wenn ihnen militantes Vorgehen zur Erreichung ihrer Ziele nicht opportun erschien. 2.1.1.4.4 Aktuelle Aktivitäten der Autonomen Zu den Aktionsschwerpunkten Berliner Autonomer zählten im Jahre 1991 Aktionen anläßlich des Golfkrieges und gegen die angebliche Umstrukturierung Berlins im Zusammenhang mit der Bestimmung als Regierungssitz und der Bewerbung für die Olympischen Spiele im Jahre 2000. Breiten Raum nahmen in der Vielfalt autonomer Bestrebungen auch Antifa-Aktionen gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten sowie Aktivitäten zu den Themenkomplexen Asylbewerber/Ausländerfeindlichkeit (vgl. Sonderthema: Polarisierung und mögliche Eskalation der Gewalt zwischen Rechtsund Linksextremisten in Berlin) ein. Bei vielen dieser Unternehmungen konnte eine Kooperation zwischen Autonomen und Angehörigen des RAF-Umfeldes festgestellt werden. Auch im Jahre 1991 ging die Mehrzahl aller Anschläge - zumeist Brandanschläge mit einfachen, aber wirksamen Mitteln - auf das Konto der Autonomen. Soweit sie Taterklärungen abgaben, traten sie u.a. unter Namen wie "Autonome Gruppe", "Autonome Zelle", "Antifaschistische Gruppe", "antirassistische gruppe", "Kreuzberg dufter Haufen", "Thomas Münzer's wilder Haufen", "BooMTOWN RATS" und "Die schwarze Pest" auf. 2. - Politischer Extremismus - 35 Aktionen gegen den Golfkrieg Autonome nutzten die zahlreichen Protestaktionen diverser gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen im Zusammenhang mit der Krise und dem im Januar begonnenen Krieg am Persischen Golf, um eigene - militante - Aktionen durchzuführen. So begingen sie aus friedlichen Aufzügen heraus Sachbeschädigungen und initiierten z.T. schwere Krawalle. Hierbei griffen sie auch massiv friedliche Demonstranten an, die sich ihnen zur Verhinderung von Gewalttaten in den Weg gestellt hatten. Darüber hinaus verübten sie mehrere Brandanschläge gegen Nutznießer und Kriegsgewinnler, wie Banken und Mineralölkonzerne. In den Taterklärungen behaupteten sie u.a., die USA und ihre westlichen Verbündeten hätten das Ziel, der sogenannten 3. Welt ein für alle Mal ihr Diktat aufzuzwingen und eine Neuaufteilung der Welt zur Verfestigung und Absicherung der ökonomischen Interessen der westlichen Industriestaaten gegenüber den Ländern des Trikonts vorzunehmen, und benutzten u.a. folgende Parolen DEUTSCHE WAFFEN DEUTSCHES GELD MORDEN MIT IN ALLER WELT und Kein Blut für Ölmultis. Aktivitäten gegen die angebliche Umstrukturierung Berlins Autonome haben die 1990 geführte Kampagne gegen die Vereinigung Deutschlands im Jahre 1991 unter dem Thema Umstrukturierung fortgesetzt. Anknüpfungspunkte hierfür waren die vereinigungsbedingten Veränderungen in nahezu allen Lebensbereichen und die daraus resultierenden sozialen Spannungen, von denen Berlin in besonderem Maße betroffen ist. Ihre Aktivitäten richteten sich insbesondere gegen die Bestimmung Berlins zum Regierungssitz, die Bewerbung Berlins um die Austragung der Olympischen Spiele im Jahre 2000, 36 2. - Politischer Extremismus - die Verdrängung ärmerer Schichten an den Stadtrand durch Mietsteigerungen für Wohnund Gewerberäume und Großprojekte im Rahmen der Stadtplanung, das verstärkte Ausrichten von Tagungen und Kongressen nationaler und internationaler Gremien in Berlin, wie das 1. Treffen des Rates der Außenminister der Teilnehmerstaaten der KSZE am 19./20. Juni sowie die Konferenz europäischer Innenund Justizminister über Fragen der illegalen Zuwanderung aus und über Mittelund Osteuropa am 30./31. Oktober. In diesem Zusammenhang initiierten, organisierten und unterstützten Autonome diverse - z.T. gewaltsam verlaufene - Veranstaltungen und Demonstrationen. Herausragendes Ereignis war neben zahlreichen Sachschäden durch Steinwürfe oder Brandanschläge das tödliche Attentat auf den leitenden Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Bauund Wohnungswesen, Hanno KLEIN. 2.1.1.4.5 Ausblick Den Aktivisten der etwa 1.000 Personen umfassenden autonomen Szene Berlins ist es auch im Jahre 1991 nicht gelungen, über (spontane) Aktivitäten zu aktuellen politischen Ereignissen ("Teilbereichskämpfe") hinaus zu einheitlichem, kontinuierlichem Handeln zu gelangen. Neben der Arbeit in den "Teilbereichen" haben jedoch die Themen "Umstrukturierung" und "Antifaschistischer Kampf" das Interesse weiter Teile der autonomen Szene geweckt, da sie sich hierdurch persönlich betroffen fühlen. Diese Betroffenheit könnte neben militanten Aktionen zu den genannten Themen dazu führen, daß Autonome ihre bereits bestehenden Strukturen, wie z.B. Info-Läden und Telefonketten, noch weiter ausbauen und so der von Teilen geforderten effektiveren Organisierung näherkommen. Hierdurch wäre die autonome Szene wirkungsvoller mobilisierbar; eine weitere Zunahme von Gewalttaten wäre die Folge. Darüber hinaus bieten auch 1992 aktuelle Ereignisse und Entwicklungen, wie das politische und wirtschaftliche Zusammenwachsen Europas, Anlässe für militante Handlungen, auch über die Stadtgrenze hinaus. 2. - Politischer Extremismus - 37 Die Tatsache, daß Teile der Autonomen vereinzelt aus taktischen Überlegungen auf die Anwendung von Gewalt verzichten, bleibt davon unberührt. 2.1.2 Dogmatische "Neue Linke" 2.1.2.1 Vorbemerkung Neben den gewaltorientierten linksextremistisch motivierten Gruppen versuchen auch andere linksextremistische Organisationen und Zusammenschlüsse, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland auf revolutionärem Weg zu beseitigen. Dazu zählen außer einer Reihe relativ unbedeutender anarchistischer Zirkel und Zusammenschlüsse (ca. 100 Anhänger), die eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" anstreben, insbesondere marxistisch-leninistische Bünde und Parteien sowie trotzkistische Gruppierungen. Diesen überwiegend aus der Studentenbewegung der sechziger Jahre entstandenen Organisationen ist gemeinsam, daß sie den Klassenkampf und die proletarische Revolution propagieren und eine kommunistische Diktatur errichten wollen. Dabei sind sie auch bereit, Gewalt zur Durchsetzung dieses politischen Ziels anzuwenden, sobald die Situation dies ihrer Meinung nach zuläßt. 2.1.2.2 Revolutionär-marxistische Gruppen In Berlin sind mehr als zehn dieser, früher im allgemeinen Sprachgebrauch als "K-Gruppen" bezeichneten Organisationen, die überwiegend auch bundesweit aktiv tätig sind, mit unterschiedlichen Aktivitäten und Mitgliederstärken (insgesamt unter 500 Angehörige) vertreten. 2.1.2.2.1 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Beim schwerpunktmäßig in Bayern vertretenen AB deutet sich eine endgültige Spaltung an. Auseinandersetzungen über die künftige revolutionäre Strategie und Taktik führten zur Bildung einer Mehrheitsund Minderheitsfraktion. Seinen jüngeren 38 2. - Politischer Extremismus - Mitgliedern hat der AB empfohlen, der "Freien Deutschen Jugend" (fdj) beizutreten. Zur Begründung hieß es, die - vom AB gesteuerten - "Initiativen zur Vereinigung der revolutionären Jugend" (IVRJ) sowie die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und die "Freie Deutsche Jugend" (fdj) müßten die Gängelung der Arbeiterjugend durch den deutschen Imperialismus durchbrechen und für die Aufhebung des FDJ-Verbots von 1951 kämpfen. Eine Fraktion im AB arbeitet als "Mitgliedsorganisation" im Zusammenschluß "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) mit. In Berlin-Friedrichshain veranstaltete der AB am 2./3. Februar 1991 ein Teilnehmer-Treffen der Veranstaltungsreihe "Anachronistischer Zug 1990"; vom 7. März bis zum 13. April 1991 führte die Organisation im Innenhof der Humboldt-Universität eine Ausstellung mit der Bezeichnung "Anachronistischer Zug - Brecht statt Deutschland über alles" durch. 2.1.2.2.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der BWK, 1980 aus einer Spaltung des damaligen "Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW) hervorgegangen, propagiert weiterhin die "proletarische Revolution in der BRD und Westberlin". Erklärtermaßen verzichtet der BWK auf eine Ausdehnung auf die neuen Bundesländer; einen entsprechenden Beschluß faßten die Teilnehmer der 11. ordentlichen BWKBundesdelegiertenkonferenz am 9./10. März 1991 in Köln. Begründend hieß es, eine solche Ausdehnung könne zur Spaltung der PDS führen; die ehemaligen DDR-Bürger hätten jedoch Anspruch auf eigene Organisationsformen. Daher dürfte der BWK-Landesverband in Berlin nur in Abstimmung mit der PDS tätig werden. Da der BWK unterstreicht, daß kommunistische Politik heute im Bündnis von Organisationen, Vereinigungen etc. betrieben werden muß und nicht mehr in einer einheitlichen Partei betrieben werden kann, beteiligt er sich als beobachtende Organisation an den Zusammenkünften des Zusammenschlusses "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP). Wegen der geringen Mitgliederzahl (bundesweit nicht mehr als 300, in Berlin unter 20 Personen) beschränkt sich der BWK überwiegend auf publizistische Aktivitäten. 2. - Politischer Extremismus - 39 Über seine Medienfirma "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft Politische Berichte m.b.H." (GNN) stellt der BWK seit Jahren publizistische Serviceleistungen für Linksextremisten zur Verfügung. Zu den Nutzern gehören u.a. die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) - "Kurdistan-Rundbrief" - und das RAFUmfeld - "Angehörigen Info" -. Neuerdings läßt auch die PDS ihr "Kommunalpolitisches Forum" bei der GNN drucken. 2.1.2.2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Die KPD, die sich als die einzige Verfechterin eines unverfälschten MarxismusLeninismus und somit als legitime Nachfolgerin der 1933 verbotenen KPD Ernst THÄLMANNs verstanden hatte, besteht faktisch nicht mehr. Nach wie vor gibt es drei Gruppierungen, die die 1986 vollzogene Fusion mit der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) zur "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) nicht akzeptiert haben. Diese Gruppen mit Sitz in Berlin, Gelsenkirchen bzw. Stuttgart haben bundesweit unter 100 Anhänger; in Berlin verfügen sie über kaum mehr als insgesamt etwa 30 Angehörige. Neben der monatlichen Herausgabe jeweils eigener Zentralorgane ("Roter Morgen", "Roter Blitz") entfalten sie keine nennenswerten Aktivitäten. Die KPD mit Sitz in Gelsenkirchen gehört als Mitgliedsorganisation dem Zusammenschluß "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) an. 2.1.2.2.4 "Kommunistischer Bund" (KB) Der 1971 in Hamburg gegründete KB konnte seine Zerstrittenheit um die Aufgaben revolutionärer Marxisten im vereinigten Deutschland nicht überwinden. Auf seinem 4. Kongreß am 20. April 1991 in Hamburg beschlossen die etwa 180 Mitglieder einer sich unversöhnlich gegenüberstehenden Mehrheitsund Minderheitsfraktion die Auflösung des KB. Der KB, zuletzt noch etwa 350 Mitglieder, war beweglicher als die meisten anderen revolutionär-marxistischen Gruppen und vermochte sich immer wieder in gesellschaftliche Protestbewegungen einzuschalten. KB-Anhänger 40 2. - Politischer Extremismus - hatten zeitweilig erheblichen Einfluß in der Anti-Kernkraft-Bewegung, in Teilen der "Friedensbewegung" und in mehreren Landesverbänden der "GRÜNEN". Über diese Partei waren einzelne aktive oder ehemalige KB-Mitglieder seit 1983 ständig im Deutschen Bundestag bzw. in Landtagen vertreten. Das bisherige KB-Organ "ak-Arbeiterkampf" wird mit einer Redaktion aus Vertretern beider Strömungen mit dem Titel "ak" weiterhin vierwöchentlich herausgegeben. Die Zeitung "ak" hat eine Auflage von über 4.000 und veröffentlicht Beiträge aus dem gesamten Spektrum des Linksextremismus. Sie hat damit Bedeutung über die Ex-KB-Zusammenhänge hinaus. 2.1.2.2.5 "Gruppe K" Eine Minderheitsfraktion des am 20. April 1991 aufgelösten "Kommunistischen Bundes" (KB) hat sich am 7. Juli 1991 in Dortmund neu formiert und die "Gruppe K" gegründet. Die etwa 80 Mitglieder zählende Gruppe hat ihren Sitz in Hamburg und ist derzeit in 12 Städten - u.a. in Berlin - vertreten. In Berlin hat die "Gruppe K" bisher noch keine nennenswerten Aktivitäten entwickelt. Sie begreift sich als Zusammenhang im Übergang zugunsten eines organisatorischen Neuansatzes für kommunistische Politik. 2.1.2.2.6 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 gegründete MLPD ist jetzt bundesweit mit 1.500 Mitgliedern die stärkste Organisation innerhalb der revolutionär-marxistischen Bewegung. In einem selbstkritischen Prozeß revidierte die MLPD ihren bisherigen Standpunkt zur nationalen Frage, wonach die Vereinigung als reaktionärer Vorgang gewertet wurde und behauptet seit Juni 1991, die deutsche Vereinigung sei hauptsächlich fortschrittlich. Noch in einer Erklärung des Zentralkomitees der MLPD (ZK) vom Januar 1990 hatte es geheißen: Wer unter der Herrschaft des Imperialismus die "deutsche Einheit" verwirklichen will, der macht sich - ob er will oder nicht - zum Handlanger des deutschen Monopolkapitalismus. Derzeit berät die MLPD ein Kampfprogramm für die Arbeitereinheit in Ost und West und propagiert den gesamtnationalen Parteiaufbau. In diesem Zusammenhang bildete sie eine "Zentrale Aufbaugruppe Ost" (ZAG-Ost) und 2. - Politischer Extremismus - 41 forderte Lehrer und Beschäftigte großer Firmen unter ihren Mitgliedern auf, sich in die neuen Bundesländer versetzen zu lassen. So wurde auch der MLPD-Bezirk Berlin-Brandenburg inzwischen durch Wohnsitzwechsel von Funktionsträgern u.a. mit einem ZK-Mitglied als Vertreter des ZK in Berlin verstärkt. Darüber hinaus sollen nach Gesprächsrunden in Leipzig, Eisenhüttenstadt und im Ostteil Berlins bereits erste neue Stützpunkte gegründet worden sein. In Berlin-Neukölln eröffnete der MLPD-eigene Verlag "neuer weg" eine Außenstelle. Neben zahlreichen Veranstaltungen mit bis zu 120 Teilnehmern führte die MLPD in Berlin auch Agit-Prop-Einsätze mit dem Verkauf der "Roten Fahne" vor Großbetrieben und vor einem Kaufhaus in Berlin-Neukölln durch. Zur Straffung ihrer Organisation hat die MLPD auf ihrem IV. Parteitag im Dezember 1991 die Vereinigung ihrer Jugendverbände "ARBEITERJUGENDVERBAND/Marxisten-Leninisten" (AJV/M-L) und "Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband" (MLSV) sowie die Auflösung ihrer Nebenorganisation "Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller" (MLBI) beschlossen. Die MLBI-Mitglieder sollen von der MLPD übernommen werden. Die Spendenfreudigkeit der MLPD-Mitglieder scheint weiterhin ungebrochen. Nach einem Aufruf zu einer Spendenkampagne 1 Million für den Aufbau der Partei in den fünf neuen Bundesländern mit Startschuß am 31. Dezember 1991 sollen bereits bei den parteiinternen Silvesterfeiern über 32.000,DM (davon in Berlin etwa 1.300,DM) gespendet worden sein. 2.1.2.2.7 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der siebziger Jahre in Bayern entstandene MG hat - völlig überraschend - am 20. Mai 1991 ihre Selbstauflösung erklärt. Die bundesweit mitgliederstärkste Organisation unter den revolutionärmarxistischen Zusammenschlüssen mit zuletzt bis zu 10.000 fest in die Gruppe eingebundenen Anhängern begründete ihre Auflösung mit angeblicher Verfolgung durch den Rechtsstaat: Die Angriffe des demokratischen Staates und seiner Sicherheitsbehörden auf unsere 42 2. - Politischer Extremismus - Organisation und auf die berufliche Existenz der Befürworter unserer Sache nötigen uns dazu, die Marxistische Gruppe aufzulösen. Die Erklärung vom 20. Mai 1991, veröffentlicht in der letzten Ausgabe der MGPublikation "MSZ - Marxistische Streitund Zeitschrift", läßt erkennen, daß mit der Auflösung der MG kein Abrücken von ihren verfassungsfeindlichen Zielen verbunden ist: Nein, wir nehmen nichts zurück von der kommunistischen Kritik, die wir verbreitet und immer vertreten haben ... Wir geben nicht auf, weii wir wegen mangelnder Nachfrage nach kommunistischer Kritik an unseren Ansichten Zweifel bekommen hätten. Wir geben auch nicht auf, weil die Welt den Kommunismus für tot erklärt. Wir lösen uns auf, weil uns der freiheitliche demokratische Rechtsstaat mit seinem Verfolgungswahn keine Wahl läßt. Und der staatlichen Fahndung Märtyrer anzubieten, ist uns zu blöd. Gegenwärtig spricht vieles dafür, daß es sich bei der Auflösung tatsächlich um eine strategische Umgruppierung zum Schutze der Mitglieder und zur Desorientierung der Verfassungsschutzbehörden handelt. Nahezu überall, wo die MG zuvor aktiv war, sind weiterhin konspirative Bestrebungen erkennbar, den Zusammenhalt des Organisationskerns zu erhalten. 2.1.2.2.8 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Die stalinistisch geprägte Gruppe "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) führte bis Ende 1990 die Bezeichnung "Sympathisanten der Revolutionären Kommunisten (BRD)". Sie wird von deutschen und ausländischen - zumeist jugendlichen - Anhängern der 1984 entstandenen "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) mit Sitz in London getragen. Die RIM vereint als Dachverband derzeit 19 maoistische Parteien und Zusammenschlüsse aus verschiedenen Ländern, darunter die auch in Deutschland tätige "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) sowie die durch ihre Gewalttaten gefürchtete "Kommunistische Partei Perus" (PCP), besser bekannt unter der Bezeichnung "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad). Besonders die PCP wird in RK-Flugschriften als beispielhaft für den "revolutionären Kampf" verherrlicht. Die hauptsächlich in Berlin aktive Gruppierung, die hier ihre Anhängerschaft seit 1989 von etwa 15 auf bis zu ca. 100 Personen steigern konnte, ruft dazu 2. - Politischer Extremismus - 43 auf, eine revolutionäre Jugendorganisation aufzubauen, die die revolutionären Jugendlichen aller Nationalitäten vereint. Bei Demonstrationen, an denen die RK-Anhänger als geschlossener Block teilnehmen, praktizieren ihre Aktivisten exzessive Gewaltformen, die selbst bei Autonomen punktuell auf Ablehnung stoßen. 2.1.2.2.9 "Rote Garde Berlin" (RG) Von der Ende 1988 gegründeten RG gingen im Jahre 1991 keine nennenswerten Aktivitäten aus. Innerorganisatorische Führungskämpfe lähmten die Organisation. Ihre Publikation "Rebell", die vierteljährlich erscheinen soll, wurde im Jahre 1991 lediglich zweimal herausgegeben. 2.1.2.2.10 "Rote Hilfe e.V." (RH) Die seit mehr als 15 Jahren bestehende "Rote Hilfe" versteht sich als Schutzorganisation für die gesamte Linke und setzt sich für die Betreuung von "politischen Häftlingen" ein. Die in Ortsgruppen gegliederte RH hat bundesweit etwa 700, in Berlin etwa 100 Mitglieder, die teilweise auch in anderen revolutionär-marxistischen Gruppen organisiert sind. In der vierteljährlich mit etwa 2.000 Exemplaren erscheinenden überregionalen Publikation "Die Rote Hilfe" wird über Prozesse und Ermittlungen berichtet. Die "Rote Hilfe Berlin" gibt zusätzlich monatlich ein "Rote Hilfe Info" als Informationsblatt mit Prozeßterminen, Berichten über Prozesse und Informationen über "Repressionsmaßnahmen" heraus. Aktivitäten, die über den Kreis der RH selbst hinaus wirken können, sind kaum erkennbar. 2.1.2.2.11 "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volkfront) Die Ende 1979 gegründete Volksfront - mit derzeit etwa 400 Mitgliedern, davon unter 20 in Berlin - versteht sich als antifaschistische Mitgliederund Bündnisorganisation. Zu der derzeitigen Mitgliedschaft zählt ein hoher Anteil 44 2. - Politischer Extremismus - von Angehörigen des "Bundes Westdeutscher Kommunisten" (BWK), die in den Führungsgremien der "Volksfront" dominant vertreten sind. In ihrem "antifaschistischen Kampf" setzt die Volksfront vor allem auf die Wirkung ihrer Publikationen. So erscheint 14täglich überregional die Zeitung "Antifaschistische Nachrichten", vierteljährlich das Mitteilungsblatt "Volksecho" und das monatlich vom Berliner Volksfront-Landesverband herausgegebene "frontblatt - zeitung gegen reaktion, faschismus und krieg". Den Schwerpunkt in der politischen Aktion bildet ihre Bündnispolitik. Von der Berliner Volksfront gehen zur Zeit kaum Aktivitäten aus. im Jahre 1991 wurden lediglich vereinzelt Flugschriften herausgegeben. Außerdem nahmen ihre Mitglieder an Demonstrationen und organisationsübergreifenden Treffen teil. Von autonomen "Antifa-Gruppen" werden die Volksfront-Mitglieder in Berlin inzwischen als Schreibtischpropagandisten und antifaschistische Führungsclique abqualifiziert. 2.1.2.2.12 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Bei der 1986 als Zusammenschluß der Mehrheitsfraktionen der "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD) und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM), seinerzeitge deutsche Sektion des internationalen trotzkistischen Dachverbandes "IV. Internationale (Vereinigtes Sekretariat)", gegründeten VSP deuten sich Spaltungserscheinungen an. Die etwa 300 Mitglieder (davon ca. 150 Trotzkisten) haben sich in ein revolutionär-marxistisches sowie in ein trotzkistisches Lager gespalten. Eine "trotzkistische Plattform in der VSP" tritt inzwischen für eine Neugründung einer gesamtdeutschen Sektion der "IV. Internationale" ein. Die VSP ist in Berlin nur im Westteil mit einer Ortsgruppe (OG) vertreten, der unter 20 Mitglieder angehören. Eine 1990 begonnene bundesweite Spendenkampagne zur Sicherung der bisherigen Erscheinungsweise des 14tägig erscheinenden Organs der VSP - "SoZ - Sozialistische Zeitung" - mit dem Spendenziel von 90.000,-DM wurde im April 1991 mit erreichten ca. 63.000,-DM deutlich unterschritten. Mitte Mai wurde zu einer neuen Spendenkampagne aufgerufen, die bis Dezember 1991 etwa 39.000,DM erbrachte. 2. - Politischer Extremismus - 45 2.1.2.3 Trotzkistische Parteien und Gruppen Der Trotzkismus, dessen Anhänger, eine "linke Minderheit" in der kommunistischen Bewegung, sich selbst als "revolutionäre Kommunisten" bezeichnen, hat seinen Ursprung in der von Leo TROTZKI am 3. September 1938 in Perigny bei Paris gegründeten "IV. Internationale" und dem dort von ihm vorgelegten "Übergangsprogramm: Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale". Darin faßte TROTZKI für ihn richtungsweisende Grundsätze zusammen und formulierte ein Ablaufmuster zur "Mobilisierung der Massen". In ihrem Statut proklamierte die "IV. Internationale" das Ziel der proletarischen Revolution im Weltmaßstab zur Errichtung einer rätedemokratischen Ordnung: Die Kommunistische Internationale setzt sich zum Ziel den bewaffneten Kampf für den Sturz der internationalen Bourgeoisie und die Schaffung der internationalen Räterepublik als ersten Schritt auf dem Wege zur völligen Abschaffung jeglicher Regierungsherrschaft. Die Kommunistische Internationale hält die Diktatur des Proletariats für das einzige verfügbare Mittel, um die Menschheit dem Schrecken des Kapitalismus zu entreißen. Und die Kommunistische Internationale hält die Räteherrschaft für die von der Geschichte gebotene Form der Diktatur des Proletariats. Sowohl das "Übergangsprogramm" als auch die seinerzeit benannten Ziele bilden bis heute für Trotzkisten die ideologische Grundlage ihres Verständnisses von Sozialismus. Zentrale Werte der trotzkistischen Lehre sind die Theorie der "permanenten Revolution" (bruchlose Entwicklung von der demokratischen zu einer sozialistischen Umwälzung) sowie das auf "Räten" gegründete Demokratiemodell (Arbeiterselbstverwaltungsmodell zur Kontrolle der Produktions-, Arbeitsund Lebensbedingungen). Ebenfalls charakteristisch für das trotzkistische Vokabular ist der Begriff "Entrismus". Darunter verstehen Trotzkisten die konspirative Infiltration von Parteien und Massenorganisationen, wobei die trotzkistischen Unterwanderer nach außen Loyalität und Einverständnis mit den Zielen und Aufgaben der jeweiligen Organisation vorgeben. Ziel ist es, diese von innen auszuhöhlen, zu desorganisieren und einzelne Mitglieder für den Trotzkismus zu gewinnen. TROTZKIs "IV. Internationale" konnte bisher keine große politische Bedeutung gewinnen. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über taktische und 46 2. - Politischer Extremismus - organisatorische Fragen spaltete sie sich im Dezember 1953 in ein "Internationales Komitee" und ein "Internationales Sekretariat". Daraus entwickelten sich - nach vergeblichen Einigungsversuchen - viele unterschiedliche rivalisierende Gruppen, die in internationalen Dachverbänden organisiert sind, von denen jeder beansprucht, der einzige legitime Nachfolger TROTZKIs "IV. Internationale" zu sein. Angesichts seiner Zersplitterung und seiner geringen Anhängerzahl - bundesweit etwa 800 Personen in etwa einem Dutzend Parteien, Gruppen und Zirkeln organisiert - stellt der organisierte deutsche Trotzkismus zur Zeit keine ernsthafte Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung dar. Gleichwohl gelingt es Trotzkisten mitunter, Diskussionen und Aktivitäten innerhalb der extremistischen Bewegung zu beeinflussen sowie durch besonderen Einsatz und "entristisches" Vorgehen auch auf Teile der demokratischen Arbeiterbewegung und auf Kampagnen einzuwirken. Nach dem Zusammenbruch der DDR und den Ereignissen in Osteuropa - besonders infolge des Zerfalls der Sowjetunion - fühlten sich auch die Berliner Trotzkisten in ihrer kategorischen Ablehnung des Stalinismus ideologisch bestätigt. Allerdings wurden ihre Hoffnungen auf eine andere sozialistische Entwicklung in den neuen Bundesländern und in Berlin im Jahre 1991 alsbald enttäuscht. Vereinzelt mußten sie sogar neu eingerichtete Stützpunkte wieder aufgeben. In Berlin sind derzeit acht, insgesamt über etwa 200 Mitglieder verfügende, trotzkistische Parteien und Gruppen, die als deutsche Sektionen der internationalen Dachverbände auftreten, aktiv. 2.1.2.3.1 "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) Der 1972 gegründete BSA ist die deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI), eines internationalen Dachverbandes mit Sitz in London. Überregional gibt er die Wochenzeitung "Neue Arbeiterpresse" heraus. Der BSA verfügt bundesweit über etwa 100 Mitglieder; in Berlin besteht er aus einer Funktionärsgruppe. 2. - Politischer Extremismus - 47 Neben monatlichen Diskussionsveranstaltungen, sog. Neue ArbeiterpresseTreffs im Ostteil Berlins, führte der BSA am 11. Oktober 1991 in Berlin eine Veranstaltung unter dem Motto "Verhindert den Einsatz deutscher Truppen in Jugoslawien" durch. Diese Veranstaltung war Teil einer weltweiten Kampagne, mit der das IKVI für eine "Internationale Arbeiterkonferenz gegen imperialistischen Krieg und Kolonialismus" am 16./17. November 1991 in Berlin mobilisierte. Zur Finanzierung der Konferenz organisierte der BSA eine Spendenkampagne, die über 20.000,DM erbracht haben soll. An der Konferenz am 16./17. November 1991 in Berlin nahmen mehr als 200 Delegierte der einzelnen nationalen Sektionen des IKVI teil. Das IKVI und der BSA werteten die "Internationale Konferenz" als Erfolg und Beweis für den Aufwärtstrend der "Vierten Internationale". 2.1.2.3.2 "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" (GRS) Die GRS wurde Ende 1989 nach der Maueröffnung von Mitgliedern des internationalen trotzkistischen Dachverbandes "IV. Internationale (Vereinigtes Sekretariat)" (VS) exklusiv für die Arbeit in der damaligen DDR gegründet. Seit der deutschen Vereinigung arbeitet die 30köpfige Gruppe mit Mitgliedern der trotzkistischen Plattform in der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) zusammen. Erstmals im November 1990 gab die GRS das Monatsblatt "Avanti - Zeitung der Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen/Vierte Internationale" heraus. Die Zeitung, die sich bis September 1991 nur an die Leser in den neuen Bundesländern richtete, wird seit Oktober 1991 bundesweit verbreitet. Inzwischen verfügt die GRS bundesweit über zahlreiche Kontaktadressen. Im Jahre 1991 beteiligte sich die "GRS Berlin" an Veranstaltungen anderer Linksextremisten und führte am 23. November 1991 ein Seminar zum Thema "Rassismus" durch. Außerdem organisierte sie zusammen mit VSPMitgliedern ein Seminar vom 6. bis 8. Dezember 1991 in der HumboldtUniversität zum Thema "Zukunft der Sowjetunion". Die Gruppe arbeitet als "beobachtende Organisation" in dem Zusammenschluß "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) mit. 2.1.2.3.3 "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) Die 1979 aus einer Gruppe um die Zeitschrift "Internationale Arbeiterkorrespondenz" hervorgegangene ISA ist die deutsche Sektion der in 48 2. - Politischer Extremismus - Paris ansässigen "IV. Internationale/Internationales Zentrum für ihren Wiederaufbau" (IZ). Die ISA befolgt die Strategie des Entrismus: Ihre Anhänger sind angehalten, Mitglieder demokratischer Parteien bzw. der Gewerkschaften zu werden, dort aber zunächst nicht offen als Trotzkisten aufzutreten. Eigene Aktivitäten hat die ISA zugunsten ihrer 1989 gegründeten Tarnorganisation "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) aufgegeben. Nach der Vorstellung der ISA soll die VAA zum organisierenden Rahmen von gleichberechtigten Kräften von Arbeiterkämpfern, Gewerkschaftern, Sozialdemokraten und den Mitgliedern der ISA für unabhängige Arbeiterpolitik, für eine wirkliche unabhängige politische Vertretung der Bedürfnisse des Kampfes der Arbeiterklasse und der Jugend werden. Aus der VAA, deren Bundesgeschäftsstelle sich in Berlin-Charlottenburg befindet, will die ISA neue Mitglieder rekrutieren. Mit der VAA gelang es der ISA, auch in den neuen Bundesländern "Arbeitskreise" aufzubauen, so u.a. in Chemnitz, Dresden, Eisenhüttenstadt und Leipzig. 2.1.2.3.4 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Die SAG, deutsche Sektion der "Internationalen Sozialisten" (IS), hat ihre Aktivitäten in Berlin im Jahre 1991 weiter ausgebaut. Mit monatlichen Veranstaltungen zu aktuellen Themen, wie "Die neue Weltordnung", "Rassismus: Abschiebung ist Mord", "War der Zweite Weltkrieg ein antifaschistischer Krieg?" usw., sowie einer "Marxismus"-Schulungsreihe am 19. und 20. Oktober 1991 und ihrem maßgeblichen Einsatz für eine "Antifaschismusaktion" anläßlich eines "Antifaschistischen Ratschlages" gemeinsam mit anderen linksextremistischen Organisationen in Dresden vom 1. bis 3. November 1991 gehört die SAG zu den aktivsten trotzkistischen Gruppen. Außerdem vereinbarte sie Mitte 1991 eine enge Zusammenarbeit mit der türkischen trotzkistischen Gruppe "Sozialist Isci" (Sl). Beide Organisationen wollen sich beim Verkauf ihrer Publikationen unterstützen und auch gemeinsame Aktionen durchführen. 2. - Politischer Extremismus - 49 Die Leitung der Sl soll ihre Mitglieder und Sympathisanten in Deutschland aufgefordert haben, der SAG beizutreten. 2.1.2.3.5 "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) Die SpAD, deutsche Sektion der "Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)" (IKL), gehörte im Jahre 1991 zu den in Berlin aktivsten linksextremistischen Organisationen. Neben ihrem überregional monatlich erscheinenden Organ "Spartakist" gab sie zahlreiche Flugschriften zu aktuellen Themen heraus. In ihrem Stützpunkt in Berlin-Wedding führte die SpAD monatlich mehrmals Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen Themen mit bis zu 30 Teilnehmern sowie vom August bis Oktober 1991 eine Schulungsreihe mit der Bezeichnung "ABC des Marxismus" durch. Derartige Schulungen begreift die SpAD als Beitrag für den von ihr angestrebten "Aufbau einer revolutionären Partei". Auch über ihre Tarnorganisationen "Komitee zur Verteidigung der Antifaschisten von Moabit" und "Komitee für soziale Verteidigung" (KfsV) versucht die SpAD, politischen Einfluß zu gewinnen. 2.1.2.4 Ausblick Mit dem KB und der MG haben sich zwei weitere Organisationen der revolutionären Linken aus der Nach-68er-Zeit aufgelöst. Weitere Organisationen, wie der AB und die VSP, sind durch innere Fraktionskämpfe gelähmt und spaltungsgefährdet. Bei den Trotzkisten ist ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen, allerdings haben sich ihre Hoffnungen hinsichtlich ihrer Ausbreitung auf die neuen Bundesländer bisher nur begrenzt erfüllt. Der Zusammenschluß sowohl revolutionär-marxistischer und trotzkistischer als auch "orthodox"-kommunistischer Parteien und Gruppen im "Ständigen Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) könnte dagegen der Beginn eines Neuformierungsprozesses zur Überwindung der Krise des kommunistischen Lagers nach dem Untergang des "realen Sozialismus" sein. Es bleibt abzuwarten, ob dieser neuerliche Versuch der Konzentration der Kräfte erfolgreich sein wird oder nicht. 50 2. - Politischer Extremismus - 2.1.3 "Orthodoxe" Kommunisten 2.1.3.1 Vorbemerkung Die Situation "orthodoxer" Kommunisten und ihrer Parteien stand im Jahre 1991 weiterhin unter den für sie schockähnlichen Eindrücken des Zusammenbruchs der "sozialistischen Staatengemeinschaft" in Ostund Südosteuropa. Im Zuge dieser Prozesse, die einen erneuten dramatischen Höhepunkt mit dem Zerfall der Sowjetunion erreichten, verloren diejenigen Kommunisten, die - zumindest bis zur Reformpolitik GORBATSCHOWS - bedingungslos dem marxistisch-leninistischen Weltbild in der jeweiligen gültigen Interpretation durch die KPdSU bzw. - bis zuletzt - den ideologischen Vorgaben der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) gefolgt waren, insbesondere die DDR als ihr "realsozialistisches" Vorbild für die von ihnen auch in "Westberlin" angestrebte "sozialistische Entwicklung". Nach dem zunächst erklärten und später vollzogenen Verzicht der "Sozialistischen Initiative" (Sl), der Nachfolgeorganisation der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW), dauerhaft eine eigenständige kommunistische Partei fortzuführen, warben sowohl die SED-Nachfolgepartei "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) als auch die - bislang nur in den westlichen Bundesländern existente - "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) um die persönlich in ihren ideologischen Positionen und organisatorischen Zuordnungen verunsicherten früheren SEW-/SI-Mitglieder. Die Anfang 1990 von ehemaligen SED-Mitgliedern in Ost-Berlin gegründete "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) stieß unter West-Berliner Kommunisten kaum auf Resonanz und blieb weitgehend auf die östlichen Stadtbezirke beschränkt. Eine Zusammenarbeit von PDS, DKP und KPD oder Teilen ihrer Organisationen kam über die gemeinsame Mitarbeit im "Ständigen Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) nicht hinaus. 2.1.3.2 "Sozialistische Initiative" (Sl) Die Sl verstand sich als eine Nachfolgeorganisation der orthodoxkommunistischen SEW. Während ihres kurzen Bestehens seit Umbenennung 2. - Politischer Extremismus - 51 der SEW am 29. ApriM990 bis Ende Juni 1991 wurde sie gelegentlich gemeinsam mit anderen Gruppierungen aktiv. Dazu zählten im Jahre 1991 vereinzelte Hilfestellungen für die PDS ebenso wie die Beteiligung an Planung und Durchführung mehrerer Demonstrationen gegen den Golfkrieg. Eine dem hohen Mobilisierungsgrad der SEW vergleichbare Aktionsbereitschaft wurde von der Sl nicht annähernd erreicht. Ohnehin erschien den ehemaligen SEW-Funktionären und sonstigen Mitgliedern das Beharren auf einer Nachfolgepartei nur solange notwendig, bis sich die ideologisch in der kommunistischen Idee verwurzelten Sl-Angehörigen organisiert in neue, im Westteil Berlins gegründete Gliederungen der PDS oder der DKP einbringen konnten. Auf dem ersten und zugleich letzten ordentlichen Sl-Parteitag am 9./10. März 1991 folgten 88 der 91 anwesenden Delegierten dem Beschlußantrag des Parteivorstandes zur Auflösung der Sl mit Wirkung zum 30. Juni 1991. In der sich anschließenden Urabstimmung im März und April 1991 beteiligten sich nach Angaben der Sl 340 der insgesamt 400 Mitglieder, die mit der eindeutigen Mehrheit von 314 Stimmen die Auflösung zum 30. Juni 1991 billigten. Ein aus fünf Personen bestehender "Geschäftsführender Ausschuß", der vom Parteitag gewählt worden war, wickelte die juristischen und ökonomischen Angelegenheiten der Partei bis zum 30. Juni 1991 ab. Die der Sl verbliebenen finanziellen Mittel und das Anlagevermögen (Räume, Gerätschaften) wurden weitgehend der PDS zur Verfügung gestellt. Ein Großteil der Sl-Mitglieder favorisierte als künftige politische Heimat die PDS, unmittelbare Nachfolgerin der Ostund West-Berliner Kommunisten historisch gemeinsamen "Mutterpartei" SED. Später kritisierten zahlreiche SlMitglieder Äußerungen führender PDS-Funktionäre als zu liberal und ließen dabei gleichzeitig ihre politische Perspektive in einer Stärkung der "Kommunistischen Plattform der PDS", eines Zusammenschlusses innerhalb dieser Partei aus Personen mit betont dogmatischem Ideologieverständnis, erkennen. Das anwachsende Mitgliederpotential der PDS im Westteil Berlins spiegelt tatsächlich die Hauptströmung der Mitgliederwanderung aus dem Sl-Bereich wider. Anläßlich des 3. Landesparteitages der PDS Berlin (26./27. Oktober 1991) teilte die Zeitung "Neues Deutschland" am 28. Oktober 52 2. - Politischer Extremismus - mit, die PDS im Westteil Berlins habe 434 Mitglieder. In dieser Zahl sind etwa 100 PDS-Mitglieder enthalten, die zuvor in dem zur früheren DDR gehörenden jetzigen Berliner Ortsteil West-Staaken organisiert waren. Dazu im Vergleich zahlenmäßig gering blieb die Abwanderung zu Berliner Gliederungen der DKP und der KPD bzw. zu revolutionär-marxistischen Organisationen. 2.1.3.3 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Der Aufbau eines Berliner Landesverbandes der DKP, einer Partei, deren Tätigkeit als formal selbständiger SED-Ableger in der Bundesrepublik Deutschland bis dahin aufgrund der früheren östlichen Drei-Staaten-Theorie Berlin (West) aussparte, vollzog sich bereits seit 1990 auf Initiative führender SEW/SI-Funktionäre. Dieser Personenkreis, der sich als Vertreter der "reinen Lehre" betrachtete, sah in der Wandlung der SEW zur Si eine Abkehr von der Klassenpartei marxistisch-leninistischen Zuschnitts. Am 20. November 1991 fand die konstituierende Mitgliederversammlung des Bezirks Berlin/Brandenburg der DKP statt. Die Bezirksorganisation wird durch einen aus sieben Personen bestehenden Vorstand repräsentiert. Gemeinsam mit einer für diesen neuen Parteibezirk gebildeten Gliederung ihrer Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) verfügt die DKP Berlin/Brandenburg über ca. 50 Mitglieder. Im Jahre 1991 war die hiesige DKP weitgehend mit dem Aufbau der Bezirksorganisation beschäftigt. Bereits Anfang des Jahres begannen die Vorarbeiten für eine Parteizeitung, die seit Oktober 1991 unter dem Titel "Kommunistische Korrespondenz - Zeitung der DKP Berlin/Brandenburg" erscheint. Vereinzelt brachte die DKP Flugblätter zu tagespolitischen Themen heraus. So verteilte sie Flugschriften, in denen man den Putsch reformfeindlicher Kräfte gegen den sowjetischen Staatsund Parteichef Michail GORBATSCHOW mit den Worten begrüßte, die Absetzung werde zu einer erkennbaren Konsolidierung der Lage in der UdSSR führen und die sozialistische Perspektive des Landes sichern. Ferner nahm die DKP Berlin/Brandenburg u.a. als beobachtende Organisation an den Sitzungen und Aktionen des "Ständigen Rates Marxistischer Parteien" (SMRP) teil. 2. - Politischer Extremismus - 53 2.1.3.4 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Die KPD wurde kurz nach Öffnung der innerdeutschen Grenzen am 31. Januar 1990 in Ost-Berlin von ehemaligen SED-Mitgliedern als Konsequenz aus ihrer Distanzierung zur stalinistischen Vergangenheit der SED und dem dadurch erfolgten Mißbrauch der kommunistischen Ideale gegründet. Lt. KPD-Statut von Ende September 1990 versteht sie sich als marxistisch-leninistische Partei mit gesamtdeutschem Anspruch und als unmittelbare Nachfolgerin jener KPD, die 1946 in der SED aufgegangen war. Im Jahre 1991 war die KPD im wesentlichen mit dem Aufbau der Parteiorganisation beschäftigt. Zudem beteiligte sie sich an einzelnen Aktionen anderer Gruppierungen; u.a. rief sie Ende 1991 zur Teilnahme an der traditionellen Demonstration am 12. Januar 1992 in Berlin aus Anlaß des Jahrestages der Ermordung Rosa LUXEMBURGS und Karl LIEBKNECHTS auf. Die KPD gehört zu den Gründungsmitgliedern des "Ständigen Rates Marxistischer Parteien" (SMRP) und verfügt in Berlin über etwa 40 Mitglieder. Als Publikation gibt sie die Monatsschrift "Trotz alledem!" heraus. 2.1.3.5 Ausblick Erwartungsgemäß haben sich die meisten SEW/SI-Mitglieder in der PDS neu organisiert. Dennoch hat die DKP Bezirksorganisation Berlin/Brandenburg ihren Mitgliederbestand von 12 Personen zur Gründungszeit 1990 auf gegenwärtig ca. 50 Mitglieder erhöhen können. Nach eigenen Angaben würden darüber hinaus etwa 100 weitere Personen mit der DKP sympathisieren. Zur Attraktivität der Berliner DKP bleibt die Entwicklung der PDS abzuwarten. Sollte der Mitgliederrückgang der PDS anhalten oder sollten sich in der PDS Spaltungstendenzen verstärken, wird die DKP auf einen Zulauf von PDS-enttäuschten Altkommunisten zählen dürfen, zumal sie die Verbreitung und Weiterentwicklung der marxistischen Theorie und ihre Verankerung in der Arbeiterklasse durch eine gesamtdeutsche kommunistische Partei abzusichern, als ihr erklärtes Ziel sieht. Zur Dokumentation ihrer Eigenständigkeit beabsichtigt die DKP, bei den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen im Mai 1992 mit eigenen (offenen ) Listen zu kandidieren. Der zeitweilig angestrebte Zusammenschluß der neugegründeten "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) mit der "Deutschen 54 2. - Politischer Extremismus - Kommunistischen Partei" (DKP) wurde wegen ideologischer Differenzen zurückgestellt. Derzeit sieht die KPD eine Möglichkeit zur Herstellung der Aktionseinheit aller Kommunisten in Deutschland in der Mitarbeit im "Ständigen Rat Marxistischer Parteien" (SRMP). Für "orthodoxe" Kommunisten bietet der Zusammenschluß mit revolutionärmarxistischen und trotzkistischen Parteien im SRMP am ehesten die Chance, innerhalb des kommunistischen Lagers mittelfristig wieder an politischem Selbstbewußtsein und Einfluß zu gewinnen. 2.1.4 "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) Am 21. April 1991 konstituierten sich in Berlin vier marxistisch-orientierte Organisationen bzw. Parteien zum SRMP. Ziel des Zusammenschlusses ist nach der erklärten Absicht seiner Gründer, zur Bildung einer einheitlichen revolutionären Klassenpartei beizutragen. Die beteiligten Parteien wollen unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit solidarisch zusammenarbeiten. Neben den Gründungsorganisationen, der revolutionär-marxistischen Partei "Die Nelken", der von ehemaligen SED-Mitgliedern am 31. Januar 1990 in Berlin wiedergegründeten "Kommunistischen Partei Deutschland" (KPD), der "Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" (USPD) und der "Kommunistischen Plattform (Berlin) in der PDS" haben sich als Mitgliedsorganisation auch zwei stalinistische Gruppen, nämlich eine Fraktion innerhalb des "Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD" (AB) sowie die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) - Sitz Gelsenkirchen -, dem SRMP angeschlossen. Als sog. beobachtende Organisationen nehmen die Bezirksorganisation Berlin/Brandenburg der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP), der "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) und die "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" (GRS) an den Sitzungen des SRMP teil. Außer einem Aufzug unter dem Motto "Demokratie statt Annexion" am 3. Oktober 1991 auf dem Alexanderplatz, an dem etwa 100 Personen teilnahmen, waren bisher keine nennenswerten Aktivitäten des SRMP feststellbar. 2. - Politischer Extremismus - 55 2.2 Rechtsextremismus 2.2.1 Vorbemerkung Die unter dem Sammelbegriff Rechtsextremismus zusammengefaßten Parteien, Organisationen oder Gruppierungen zeichnen sich im Gegensatz zu linksextremistischen, auf dem Marxismus-Leninismus) oder anderen Gedankengebäuden basierenden Strömungen nicht durch ein geschlossenes theoretisches Bezugssystem aus. Gemeinsam ist ihnen eine antirationalistische, antiindividualistische, die demokratische Grundüberzeugung von der fundamentalen Gleichheit aller Menschen negierende Haltung und die daraus erwachsende Ablehnung des auf dem Prinzip gleicher politischer Rechte beruhenden demokratischen Verfassungsstaates. Im Rahmen dieser gemeinsamen Grundhaltung lassen sich schlagwortartig wesentliche Elemente rechtsextremistischer "Weltanschauung" benennen, die sich in unterschiedlicher Gewichtung und unterschiedlichen Ausprägungen bei den verschiedenen rechtsextremistischen Strömungen feststellen lassen. Dazu zählen: ein übersteigerter, oft aggressiver Nationalismus, verbunden mit Feindschaft gegen Ausländer, Minderheiten, fremde Völker und Staaten, Antisemitismus und Rassismus, verbunden mit der Propagierung biologistischer und sozialdarwinistischer Ideen, völkischer Kollektivismus, d.h. Überbewertung der aufgrund ethnischer Zugehörigkeit definierten "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Rechte und Interessen des Einzelnen, Überbetonung militärischer bzw. soldatischer Werte und hierarchischer Prinzipien ("Führer" und "Gefolgschaft"), verbunden mit der Propagierung einer entsprechenden autoritären bzw. diktatorischen staatlichen und sozialen Ordnung sowie der Überbetonung der Notwendigkeit eines nach innen und außen starken Staates (Etatismus). 56 2. - Politischer Extremismus - Gemeinsam ist den rechtsextremistischen Gruppierungen schließlich die Verharmlosung oder Leugnung der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die gerade in den letzten Jahren unter dem Stichwort "Revisionismus" zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. 2.2.2 Neuer Nationalsozialismus (Neonazismus) Neonazis bekennen sich offen zum historischen Vorbild des Nationalsozialismus bzw. zu dessen von den Gebrüdern STRASSER und Ernst RÖHM repräsentierten Sozialrevolutionären Flügel. Repräsentant dieser Richtung des "Neuen Nationalsozialismus" war vor allem der im April 1991 verstorbene Michael KÜHNEN mit seiner "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF). Als Nachfolger KÜHNENs gilt zwar der Österreicher Gottfried KÜSSEL; Akzeptanz konnte er jedoch bei weitem nicht im gesamten bisherigen KÜHNEN-Lager mit seinen etwa 400 Anhängern erlangen. Die Entwicklung neonazistischer Gruppierungen und ihre Aktivitäten waren weitestgehend von der Wiedervereinigung Deutschlands bestimmt und von der damit verbundenen Hoffnung, in den neuen Bundesländern Fuß zu fassen. War die Neonazi-Szene der alten Bundesrepublik Deutschland aktionsund zahlenmäßig in eine Abwärtsbewegung geraten, so nutzten die wichtigsten Neonazi-Gruppen die neue politische Situation in den neuen Bundesländern zu verstärkten Aktivitäten und Aktionismus. Unmittelbar nach der Wende in der damaligen DDR konzentrierten sich westdeutsche Neonazis - allen voran KÜHNENs "Deutsche Alternative" (DA) - auf die Arbeit mit ostdeutschen Gesinnungsgenossen und den Aufbau entsprechender Organisationstrukturen. Aber auch die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und die "Nationalistische Front" (NF) bauten inzwischen örtliche Gruppen im Beitrittsgebiet auf. In oft provozierender Weise traten ostund westdeutsche Neonazis regelmäßig in der Öffentlichkeit auf. So nahmen z.B. an der Trauerfeier für den ermordeten Dresdner NeonaziFührer Rainer SONNTAG am 15. Juni 1991 ca. 1.500 Rechtsextremisten teil. 2. - Politischer Extremismus - 57 Bundesweit gibt es etwa 1.500 gruppengebundene Neonazis sowie weitere etwa 200 neonazistische Einzelaktivisten, dazu kommen rund 4.200 neonazistische Skinheads - 1.200 in den westdeutschen, 3.000 in den ostdeutschen Bundesländern -, die durch eine Vielzahl von Gewaltakten gegen Ausländer und deren Unterkünfte bundesweit von sich reden machten. Berlin war davon ebenfalls betroffen, bildete jedoch keinen Schwerpunkt auf diesem Gebiet. Die Zahl der namentlich bekannten Neonazis in Berlin ist auf 180 angestiegen (1990: 115). Die meisten von ihnen sind 18 bis 25 Jahre alt. Dem neonazistischen Umfeld in Berlin gehören etwa 150 Personen an. Zusammen mit den im Jahre 1991 festgestellten etwa 180 neonazistischen Skinheads umfaßt das gesamte neonazistische Spektrum Berlins etwa 500 Personen. Die in früheren Jahren vorhandene größere Einheitlichkeit der Berliner Neonazi-Szene gegenüber der Szene in den westdeutschen Ländern, die auf die damalige besondere Situation Berlins zurückzuführen war, ist nicht mehr in diesem Umfang vorhanden. Die größten Berliner Neonazigruppen, die FAP, die NF und die NA, bemühten sich, weitgehend unabhängig voneinander eigenständige Aktivitäten in und um Berlin zu entwickeln. Dennoch gibt es Kontakte untereinander. Auch treffen sich die Gruppierungen gelegentlich zu gemeinsamen öffentlichen Veranstaltungen, zu denen sie als Einzelorganisation aufgrund ihrer personellen Schwäche und fehlender Führungspersönlichkeiten in der Regel nicht in der Lage sind. So versammelten sich Berliner Neonazis aller Schattierungen am 17. November 1991 gemeinsam mit anderen Rechtsextremisten - zusammen 500 Personen - in Halbe (Brandenburg), um einer "Heldengedenkfeier" der rechtsextremistischen "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" auf dem dortigen Soldatenfriedhof beizuwohnen. 2.2.2.1 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Die GdNF ist kein eigenständiges organisatorisches Gebilde, sondern eine zusammenfassende Bezeichnung für die Anhängerschaft des am 25. April 1991 in Kassel verstorbenen Michael KÜHNEN. Der bundesweit etwa 400, in Berlin etwa 20 Personen umfassende Aktivistenkreis fühlt sich weiterhin uneingeschränkt dem Gedankengut und der Ideologie der ehemaligen "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) verpflichtet und strebt die Überwindung des NSVerbotes an. Die GdNF sieht sich in der Tradition der SA Ernst RÖHMs und 58 2. - Politischer Extremismus - bekennt sich zu Adolf HITLER als Heilsgestalt der arischen Rasse und deutschem Nationalhelden. In einer von der GdNF im Jahr 1989 zum 100. Geburtstag Adolf HITLERs herausgegebenen Broschüre (Was ist eigentlich Nationalsozialismus???) stellt sich die GdNF im Abschnitt Der Nationalsozialismus der Neuen Generation wie folgt vor: Die nationalsozialistische Bewegung der Gegenwart ist Erbe des von der historischen Generation gestalteten Nationalsozialismus. Der Nationalsozialismus der neuen Generation ist kein neuer Nationalsozialismus, sondern der Nationalsozialismus, getragen von jungen Idealisten unserer Zeit, die sich bewußt in die historische Tradition stellen. Aktivitäten entfalten die KÜHNEN-Anhänger bundesweit vornehmlich durch "Vorfeldorganisationen" oder sonstige strukturlose Aktionsgebilde, auch "Frontund Massenorganisationen" genannt. Parteipolitischer Arm der GdNF ist die von KÜHNEN maßgeblich gestaltete, am 5. Mai 1989 in Bremen gegründete "Deutsche Alternative" (DA). Die GdNF verlagerte im Jahre 1991 den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten völlig auf das Gebiet der neuen Bundesländer. Erklärtes Ziel der GdNF war es aber auch, eigenständige Landesparteien zu gründen, um etwaige Verbote bundesweit operierender Organisationen zu erschweren. So gründeten die GdNF-Anhänger inzwischen die Organisationen "Deutsches Hessen" (DH), in Bayern den "Nationalen Block" (NB), in Baden-Württemberg die "Volkstreue Liste" (VL), in NordrheinWestfalen die Organisation "Der Deutsche Weg" (DDW) sowie die "Sächsische Nationale Liste" (SNL). Als langjähriger und treuer Kamerad der Gesinnungsgemeinschaft gilt in Berlin der Neonazi Oliver SCHWEIGERT. Er ist gleichzeitig Mitglied der "Deutschen Alternative" (DA) und Vorsitzender der in Berlin beheimateten "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin). Auch der Berliner Neonazi ArnulfWinfried PRIEM, Anführer der Neonazigruppe "Wotans Volk", gilt als Repräsentant der GdNF in Berlin. In der GdNF-Publikation "Die Neue Front", Nr. 76, vom November/ Dezember 1990, stellt die Gesinnungsgemeinschaft für den Bereich Ost, "Gau Gross-Berlin" einen "Berliner Block" als Zusammenschluß 2. - Politischer Extremismus - 59 von Vertretern der "Deutschen Alternative" und der "Nationalen Alternative Berlin" sowie von "Wotans Volk" vor. Mit dem "Berliner Block" sollte, da nach Angaben der Gesinnungsgemeinschaft die politische Arbeit in der Reichshauptstadt... kein Vergnügen sei, der Versuch unternommen werden, ein Dach für die gesamte deutsch-alternative Opposition zu schaffen. Erkennbare Aktivitäten entwickelten im Jahre 1991 jedoch weder der "Berliner Block" noch die "Kameradschaft Berlin der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" unter Führung SCHWEIGERTs. 2.2.2.2 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) Die Anfang 1990 von Angehörigen der Ost-Berliner Neonaziund SkinheadSzene mit Unterstützung westdeutscher KÜHNEN-Anhänger gegründete NA Berlin konnte im Jahr 1991 ihren im Vorjahr begonnen Aufstieg nicht fortsetzen. Unter Führung ihres neuen Vorsitzenden Oliver SCHWEIGERT mußte die NA Berlin, die seit ihrer Gründung Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Organisationen und Gruppierungen, wie zur "Deutschen Alternative" (DA), der Hamburger "Nationalen Liste" (NL) und zur "Nationalen Offensive" (NO), unterhält, aufgrund interner Führungstreitigkeiten einen erheblichen Rückgang ihrer Anhängerschaft hinnehmen. Im Laufe des Jahres 1991 sank die Zahl der Aktivisten von vormals 40 auf etwa 20. Entsprechend gering fielen die Aktivitäten der NA Berlin aus. Zu den Höhepunkten der Aktionen zählten der am 24. Februar 1991 durchgeführte NA-Landesparteitag in einem Jugendhotel in Berlin-Lichtenberg, an dem sich etwa 60 Personen beteiligten, sowie in den Folgemonaten eine bundesweite Verbreitung von Flugblättern der NA Berlin in Zusammenarbeit mit der in Augsburg ansässigen "Nationalen Offensive" (NO) unter dem Motto Wunsiedel ruft!, in denen zur Teilnahme an der alljährlichen, aus Anlaß des Todestages des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS im fränkischen Wunsiedel abgehaltenen rechtsextremistischen Großveranstaltung aufgerufen wurde. Ferner beteiligten sich NA-Anhänger am 15. Juni 1991 an einer Demonstration in Dresden aus Anlaß der Beisetzung des in der Nacht zum I.Juni 1991 getöteten Neonazi-Anführers Rainer SONNTAG, am 21. Juni 1991 an einer Sonnwendfeier rechtsextremistischer Berliner Organisationen in Hönow (Brandenburg) sowie am 17. August 1991 an einer Protestdemonstration in Bayreuth gegen das Verbot der erwähnten Veranstaltung in Wunsiedel. 60 2. - Politischer Extremismus - Im Berliner Stadtgebiet wurden im Jahre 1991 wiederholt Aufkleber der NA Berlin mit Parolen wie Schluß mit rotem Straßenterror!, Besatzer raus! sowie Haut ihn weg, den roten Dreck! (auf dem ein deutscher 'Landser' seinen Gewehrkolben gegen einen Sowjetstern schwingt) festgestellt. 2.2.2.3 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die 1979 gegründete, seit 1984 von Anhängern der verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) unterwanderte FAP, die sich weiterhin in der Tradition der historischen NSDAP sieht, befindet sich seit 1990 in einer Rezessionsphase, in deren Verlauf die Zahl ihrer Mitglieder drastisch sank. Die Partei, der im Jahre 1991 bundesweit noch etwa 150 Personen angehörten (1990: etwa 200), verfügt derzeit nur noch über drei aktive Landesverbände in Nordrhein-Westfaien, Niedersachsen und Berlin. Der Landesverband Berlin der FAP wurde am 20. Oktober 1990 in Wildau (Brandenburg) unter Leitung des Bundesvorsitzenden Friedhelm BUSSE gegründet. Nahmen an der Gründungsveranstaltung etwa 80 FAP-Anhänger teil und konnte deren Zahl anfangs noch gesteigert werden, so insbesondere durch den Zulauf von Interessenten aus den östlichen Bezirken Berlins, sank die Anzahl der FAP-Mitglieder im Verlauf des Jahres 1991 auf etwa 30 Aktivisten ab. Der von Lars BURMEISTER geführte Landesverband Berlin der FAP, der als seinen Sitz den Ost-Berliner Bezirk Hohenschönhausen angibt, gliedert sich in die Kreisverbände Süd und Ost. Seit April 1991 gibt die Berliner FAP die Zeitschrift "AUFRECHT!" (Motto: Wir kämpfen für ein Deutschland, in dem wir leben können!) heraus; laut Impressum zeichnet der frühere KÜHNEN-Anhänger Christian WENDT, der 1989 als Abspaltung von der "Kameradschaft Berlin" der GdNF den "Völkischen Freundeskreis" (VFK) ins Leben rief, für die Publikation verantwortlich. Neben ihrer Zeitschrift verbreitete die Berliner FAP im Jahre 1991 Aufkleber mit Parolen wie Mit unseren Fahnen ist der Sieg - FAP oder Ausländerbanden gibt fein acht, wir haben euch etwas zubedacht!! (versehen mit einer WilhelmBusch-Zeichnung, auf der ein Knabe mit einem Rohrstock gezüchtigt wird). 2. - Politischer Extremismus - 61 Am 19. Januar 1991 fand in Berlin-Weißensee ein "Außerordentlicher Bundesparteitag der FAP" statt, an dem etwa 150 Personen, darunter der Bundesvorsitzende BUSSE, teilnahmen. Unter den Anwesenden befanden sich auch Mitglieder und Anhänger weiterer rechtsextremistischer Vereinigungen und Gruppierungen, wie der "Nationalistischen Front" (NF) und der "Wiking-Jugend e.V." (WJ). Im Verlauf der Veranstaltung stellte die Polizei Baseballschläger, mehrere Pistolen und Gewehre einschließlich Magazinen und Munition sowie Kampfmesser, Schlagringe, Wurfsterne und Schlagstöcke sicher. Wiederholt beteiligten sich die Berliner FAP-Angehörigen gemeinsam mit anderen Rechtsextremisten aus den neuen und alten Bundesländern an Veranstaltungen, wie der Protestdemonstration in Bayreuth am 19. August 1991 gegen das Verbot einer Gedenkkundgebung in Wunsiedel aus Anlaß des 4. Todestages Rudolf HESS' oder am 31. August 1991 an einem "Skintreffen" in Leipzig, in dessen Verlauf unter Beteiligung des Berliner FAP-Vorsitzenden ein Asylantenwohnheim angegriffen wurde. Am 17. November 1991 beteiligten sich FAP-Angehörige an der von der rechtsextremistischen "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" organisierten "Heldengedenkfeier" in Halbe (Brandenburg). Im Rahmen einer Kampagne unter dem Motto Stoppt neue Armut, Arbeitslosigkeit und Überfremdung! versuchten Angehörige des Kreisverbandes Ost der FAP im September 1991, mit Plakatund Flugblattaktionen (u.a. vor dem Arbeitsamt Berlin-Prenzlauer Berg), die wirtschaftlichen Sorgen der Ost-Berliner Bevölkerung für ihre Interessen auszunutzen. Ohne auf nennenswerte Resonanz zu stoßen, verteilten die FAPAktivisten Flugblätter (Deutsche Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer), in denen es u.a. heißt: Glaubt nicht länger der Bonner Lügenkoalition, sondern vertretet gemeinsam mit der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei die deutschen Interessen. Auch der am 30. November 1991 im Ostteil Berlins durchgeführte Parteitag der Berliner FAP, an dem sich etwa 40 Mitglieder und Anhänger der Partei beteiligten, stand mit Forderungen wie Ausländer raus! und Baustopp für Asylantenheime im Zeichen der für die FAP kennzeichnenden rassistisch motivierten Ausländerfeindlichkeit. 62 2. - Politischer Extremismus - 2.2.2.4 "Nationalistische Front" (NF) Die im November 1985 bei Bielefeld gegründete "Nationalistische Front" (NF) sieht sich in der Tradition der nationairevolutionären Vorstellungen der Brüder Gregor und Dr. Otto STRASSER. Die Organisation ist überwiegend in den alten Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin) aktiv, doch erstreckten sich ihre Aktivitäten zunehmend auch auf das Gebiet der neuen Bundesländer. Die NF ist unter ihrem langjährigen Bundesvorsitzenden Meinolf SCHÖNBORN bundesweit kadermäßig organisiert und verfügt derzeit über rund 130 Mitglieder. Der Ortsgruppe Berlin der NF unter dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Andreas POHL gehörten bis zu 20 Mitglieder und Anhänger an. Die Berliner Gruppe, die in der jetzigen organisatorischen Form seit September 1987 existiert, erwies sich in den letzten Jahren als eine der tragenden Säulen der Berliner Neonazi-Szene mit vielfachen Verbindungen zu anderen Organisationen. Unter Leitung POHLs gelang es den Angehörigen der Berliner Ortsgruppe, ihre Aktivitäten im Jahr 1991 auf ganz Berlin und das Berliner Umfeld auszudehnen, wo es vereinzelt, z.B. in Königs Wusterhausen und Hennigsdorf, zur Bildung von Stützpunkten kam. Mitgliedermäßig konnte sich die NF stärken, hält aber nach wie vor am Kaderprinzip, das Vorrang vor wahlpolitischen Experimenten hat, fest. Zu den Aktivitäten der Ortsgruppe Berlin der NF, die in Berlin-Charlottenburg einen Treffort unterhält, gehörten im Jahr 1991 u.a. Klebeund Schmieraktionen und die Verteilung von Propagandamaterialien sowie die regelmäßige Durchführung von Gruppenabenden und Interessentenveranstaltungen in und außerhalb Berlins. Bei öffentlichen Aktionen und bei Treffen mit Sympathisanten verbreitete die Berliner Ortsgruppe Propagandamaterial mit Parolen wie: Heute wie damals: Kampf dem Weltjudentum u. US-Imperialismus. Solidarität mit dem Irakischen Volk und seinem Führer Saddam Hussein! 2/3 unseres deutschen Volkes sind für Ausländer raus! Des Volkes Wille ist unser Auftrag! 2. - Politischer Extremismus - 63 Schluß mit dem Holocaust! ODER: Deutscher willst du ewig zahlen? Höhepunkte der Aktivitäten der Berliner NF-Ortsgruppe waren im Jahre 1991 u.a.: Die Teilnahme am "Bundestreffen der Nationalistischen Front" am 6. April 1991 in Niederaula bei Kassel, an dem sich etwa 300 Personen, überwiegend aus den alten Bundesländern, beteiligten; eine Gemeinschaftsveranstaltung der NF und der Partei "Die Republikaner" am 20. September 1991 in Hennigsdorf (Brandenburg), an der etwa 250 Personen teilnahmen; eine NF-Informationsveranstaltung am 21. September 1991 in Beetz (Brandenburg), die von etwa 80 Personen, darunter ca. 60 neue Interessenten aus dem Beitrittsgebiet, besucht worden war; die Mitwirkung an der erwähnten "Heldengedenkfeier" am 17. November 1991 in Halbe (Brandenburg). 2.2.2.5 "ASGARD-Bund e.V."/"Wotans Volk" Vorsitzender des im Jahre 1980 bekanntgewordenen Vereins "ASGARD-Bund e.V." ist seit mehreren Jahren der militante Neonazi Arnulf-Winfried PRIEM. Der Verein versteht sich als Gemeinschaft heidnisch-germanischer Weltanschauung und tritt im wesentlichen durch Herausgabe und Vertrieb seiner "Nordisch-Germanischen Jahrweiser" hervor. Der seit 1979 erscheinende Kalender, der vornehmlich Abbildungen aus germanisierender Literatur der NS-Zeit und deutschtümelnde Sentenzen faksimiliert, wird vorwiegend von Neonazis und Angehörigen heidnischer Gemeinschaften aus dem Inund Ausland bezogen. Dem "ASGARD-Bund e.V." gehören formell etwa 20 Mitglieder an. Der Verein trat im Jahr 1991 in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung. Im Gegensatz dazu entfaltete die erstmals 1987 als "Jugendgruppe" des "ASGARD-Bundes e.V." hervorgetretene Neonazigruppe "Wotans Volk" unter Führung PRIEMs seit dem Fall der Mauer vielfältige Aktivitäten in Berlin und im Berliner Umland. Schon frühzeitig nahm die Gruppe Kontakt zu ostdeutschen 64 2. - Politischer Extremismus - Gesinnungsgenossen auf. Wie bereits im Vorjahr unternahm die Gruppe auch 1991 Exkursionen in die Berliner Umgebung, um wehrsportähnliche Übungen abzuhalten und Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges nach Waffen und Militaria abzusuchen. Am 1. Mai 1991 beteiligten sich Anhänger PRIEMs an einer Veranstaltung in Cottbus (Brandenburg) anläßlich des Maifeiertages. Während des Treffens, an dem sich bis zu 100 Rechtsextremisten beteiligten, sprach u.a. PRIEM zum "Tag der deutschen Arbeit" und hielt anschließend einen Nachruf auf den am 25. April 1991 verstorbenen Kameraden Michael KÜHNEN. Zur weltanschaulichen Unterweisung behandelt das von PRIEM geführte "Hauptschulungsamt Wotans Volk" in Schulungsblättern Themen wie Rassetypen des Deutschen Volkes und Altgermanische Keilzeichen. 2.2.2.6 "Völkischer Freundeskreis" (VFK) Der "Völkische Freundeskreis" (VFK) wurde 1989 von abtrünnigen Mitgliedern der damaligen "Kameradschaft Berlin" der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" ins Leben gerufen, die damit ihre Abkehr von Michael KÜHNEN dokumentierten. Dieser Zusammenschluß verstand sich in der Gründungsphase als "Kameradschaft" im Sinne der "Volksgemeinschaft" und strebte "völkisch-sozialistische" Ideale an. Nach monatelanger Inaktivität wurde der VFK Anfang Juli 1991 mit Unterstützung der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) reaktiviert. In der Berliner FAP-Monatsschrift "AUFRECHT" vom August/September 1991 wurde die Wiedergründung des VFK bekanntgegeben und darauf hingewiesen, der VFK sei weder als Partei noch als eine gleichzusetzende Organisation gegründet worden. Nach Angaben des Freundeskreises versteht sich diese Gruppierung nunmehr als Projekt für Schulungsund Aufklärungsarbeit und beabsichtigt, mit ihrer politischen Arbeit Kameraden aus jeder nationalen Gruppierung zu erreichen. Ein Konkurrenzverhalten zu anderen "nationalen Gruppen" - besonders zur FAP - strebe der VFK nicht an. Der VFK will durch Schulungen seinen Mitgliedern "weltanschauliche Ziele" in den Bereichen Kultur, Umweltund Lebensschutz sowie Nationale und völkische Identität vermitteln. 2. - Politischer Extremismus - 65 Anhänger des VFK planen für 1992 die Herausgabe eines politischen Mitteilungsblattes mit dem Titel "Völkischer Blick", der im "AUFRECHT'-Verlag erscheinen soll. 2.2.2.7 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BW) Bei dem "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BW) handelt es sich um eine im Jahre 1988 entstandene neonazistische, politisch weitgehend selbständig operierende Kleinstgruppe. Vor dem am 9. Februar 1989 vollzogenen Verbot der "Nationalen Sammlung" (N.S.) durch den Bundesminister des Innern hatte die Gruppe Verbindung zu dieser von Michael KÜHNEN geschaffenen neonazistischen Organisation. Die Anhänger des BW traten auch im Jahre 1991 sporadisch mit Plakatund Klebeaktionen in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Zu den verbreiteten Parolen zählte z.B. die Forderung Holocaust in ISRAEL SCHLUSS MIT DER KNECHTUNG DES PALÄSTINENSISCHEN VOLKES!. Angehörige des BW hatten bei besonderen Anlässen, wie z.B. bei der "Heldengedenkfeier" am 17. November 1991 in Halbe (Brandenburg), Verbindung zu anderen rechtsextremistischen Organisationen. Ende 1991 verlagerte der B W seine politische Tätigkeit auch in den Kreis Cottbus (Brandenburg) und strebte darüber hinaus eine Zusammenarbeit mit der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an. 2.2.2.8 "Freiheitspartei" Die 1987 von Berliner Anhängern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) gegründete "Freiheitspartei" besteht zur Zeit nur aus wenigen Akteuren. Sie arbeiten sporadisch in dem losen Zusammenschluß "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) mit, dem auch Mitglieder der "Nationalistischen Front" (NF) sowie unorganisierte Neonazis angehören. Die "Freiheitspartei" trat seit ihrer Gründung nur gelegentlich mit Flugblattverteilaktionen in der Berliner Öffentlichkeit in Erscheinung. Zu den erwähnenswerten Aktivitäten der Organisation im Jahr 1991 zählten die Teilnahme an einer gemeinsamen Sonnwendfeier der rechtsextremistischen "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen", der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) und der neonazistischen "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 66 2. - Politischer Extremismus - in Hönow (Brandenburg) am 21. Juni 1991 sowie die Beteiligung an der "Heldengedenkfeier" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Brandenburg) am 17. November 1991, der - wie bereits 1990 - von der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" organisiert worden war. 2.2.2.9 "Wiking-Jugend, volkstreue nordiändische Jugendbewegung Deutschland e.V." (WJ) Die 1952 gegründete "Wiking-Jugend e.V." (WJ) versteht sich als Lebensgemeinschaft auf völkischer Grundlage. Sie wird nach dem "Führerprinzip" geleitet und sieht sich in der Tradition der ehemaligen "HitlerJugend". Die einer germanisierenden Nordlandideologie anhängende WJ ist in Gaue und Horte gegliedert. Bundesweit gehören der WJ etwa 400 Personen an; zum Gau Berlin gehörten im Jahr 1991 etwa zehn Aktivisten. Mit der Führung des Berliner Gaues ist seit 1983 Wolfram NAHRATH beauftragt, der am 6. Juli 1991 seinen Vater Wolfgang NAHRATH im Amt des Bundesführers ablöste. Im Jahr 1980 wurde der Gau Berlin vorübergehend aufgelöst, weil das militante Auftreten einzelner WJ-Mitglieder die Gefahr eines Vereinsverbots heraufbeschwor. In den darauffolgenden Jahren führte die WJ in Berlin interne Zusammenkünfte und Flugblattverteilaktionen zur Mitgliederwerbung durch, ohne in der Öffentlichkeit besonders aufzufallen. Nach dem Fall der Mauer erweiterten die Anhänger der WJ ihren Wirkungskreis in den neuen Bundesländern und strebten eine Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen an. So nahmen z.B. Anhänger des Berliner Gaues an dem am 19. Januar 1991 stattgefundenen "Außerordentlichen Bundesparteitag" der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Weißensee teil, beteiligten sich ferner an einer am 21. Juni 1991 durchgeführten Sonnwendfeier der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" in Hönow (Brandenburg) und waren bei einer Veranstaltung der neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF), die am 20. September 1991 in Hennigsdorf (Brandenburg) stattfand, präsent. Auch an dem am 17. November 1991 stattgefundenen "Heldengedenktag" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Brandenburg) beteiligten sich Berliner WJAngehörige. 2. - Politischer Extremismus - 67 2.2.2.10 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) Der lose Zusammenschluß von gegenwärtig etwa 30 Anhängern der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), der "Nationalistischen Front" (NF) und unorganisierter Neonazis trat erstmals 1986 mit Flugblattaktionen u.a. zur Ausländerpolitik hervor. Das Aktionsbündnis beteiligt sich seit 1988 sporadisch an von der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" (vormals "Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin") organisierte Vortragsveranstaltungen. Zuletzt trat die DJI mit Flugblattaktionen unter dem Motto Den Zionismus stoppen! an die Öffentlichkeit. Auch warb die DJI für eine von der "Nationalistischen Front" organisierten Veranstaltung des in rechtsextremistischen Kreisen bekannten Liedermachers Frank RENNICKE unter dem Motto Nationale Lieder für Deutschland. An der Veranstaltung, die am 20. September 1991 in Hennigsdorf (Brandenburg) stattfand, beteiligten sich etwa 250 Personen, darunter Angehörige der "Wiking-Jugend e.V." (WJ), der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) sowie der FAP. 2.2.2.11 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Die 1979 gegründete HNG ist mit etwa 200 Mitgliedern immer noch eine der mitgliederstärksten neonazistischen Organisationen. Sie bemüht sich seit Jahren, die aus der Haft entlassenen Gesinnungsgenossen wieder in die neonazistische Szene einzugliedern. Die Organisation, die ihre Mitglieder aus verschiedenen neonazistischen Vereinigungen rekrutiert, hat in Berlin keine Gliederung, sondern verfügt hier nur über Einzelmitglieder. Die HNG ist Anlaufstelle für Gesinnungsgenossen aus dem gesamten neonazistischen Spektrum. Sie gewährt ihnen finanzielle sowie auch immaterielle Unterstützung und vermittelt Kontakte zu anderen Rechtsextremisten. Die monatlich erscheinende Publikation "Nachrichten der HNG" veröffentlicht regelmäßig eine "Gefangenenliste", die der Kontaktvermittlung und Betreuung inhaftierter "Kameraden" dient. Darüber hinaus werden Leserbriefe und Zuschriften von Gesinnungsgenossen aus der Haft abgedruckt. 68 2. - Politischer Extremismus - Die langjährige Vorsitzende der HNG, Christa GOERTH, legte Ende März 1991 ihr Amt als Vorsitzende wegen interner Streitigkeiten zwischen Anhängern und Gegnern KÜHNENs nieder. Nachfolgerin wurde Ursula MÜLLER aus MainzGonsenheim. 2.2.3 "Nationalfreiheitiiche'y'Nationaidemokraten" 2.2.3.1 "Nationalfreiheitliche" (DVU e.V./DVU) Nachdem DVU und NPD 1990 aus ihrem Bündnis zunächst materiell und personell geschwächt hervorgegangen waren [vgl. Verfassungsschutzbericht Berlin 1990, S. 88], nahmen sie seit Beginn 1991 ihre Zusammenarbeit wieder auf. Ausschlaggebend für das Wahlbündnis zur Bremer Bürgerschaftswahl am 29. September 1991, bei der die DVU über 6 % erhielt und sechs Abgeordnete, darunter zwei NPD-Funktionäre, in die Bürgerschaft entsenden konnte, dürfte die Gründung der neuen rechtsextremistischen Vereinigung "Deutsche Allianz - Vereinigte Rechte" am 18. Januar 1991 gewesen sein. Diese Vereinigung konstituierte sich am 3. Oktober 1991 unter dem neuen Namen "Deutsche Liga für Volk und Heimat" als Partei. DVU und NPD betrachten die "Deutsche Liga ..." als weitere Zersplitterung des "rechten Lagers" und lehnen sie daher ab. Die vorübergehende Schwächung von DVU und NPD im Jahr 1990 ist, wie auch die Mitgliederentwicklung bei der DVU belegt, einer Konsoldierungsphase gewichen. Verzeichnete die DVU 1989 noch 25.000 Mitglieder und 1990 nur noch 22.000 Mitglieder, verfügte sie nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden Ende 1991 wieder über rund 24.000 Mitglieder (FREY spricht von 27.000 Mitgliedern). Neben dem Bremer Wahlerfolg war der erfolgreiche Aufbau der DVU in den neuen Bundesländern für den Aufschwung der Partei mitentscheidend. Bis auf Mecklenburg-Vorpommern konnte die DVU in allen neuen Bundesländern Landesverbände gründen. Entscheidenden Anteil am Wahlerfolg der DVU in Bremen hatte, so Analysen des Wahlergebnisses, die massive Agitation gegen Asyl-Betrug und Überfremdung. Insbesondere forderte die DVU Kein Wahlrecht für Ausländer, 2. - Politischer Extremismus - 69 Abschiebung von Rauschgifthändlern, Scheinasylanten und Kriminellen, Wohnungen und Arbeitsplätze, vorrangig für Deutsche, Begrenzung des Ausländeranteils in Deutschland, staatliche Hilfe für junge und kinderreiche Familien bzw. Alleinerziehende, Stärkung der Polizei, Gesetzesverschärfungen für Kapitalverbrechen. Bei künftigen Wahlen, an denen sich DVU und NPD möglicherweise wieder unter wechselseitiger Unterstützung beteiligen werden, könnten neben der Agitation gegen Ausländer Themen wie die Festschreibung der Westgrenze Polens weitere Agitationsfelder der DVU werden. Darüber hinaus dürfte die DVU versuchen, ihre Position in den neuen Bundesländern dadurch aufzubauen, daß sie sich als Wegbereiterin für nicht erfüllte Hoffnungen der dortigen Bevölkerung auf unmittelbare Teilhabe am wirtschaftlichen Aufschwung darstellt. Die DVU, die im März 1991 einen Landesverband Berlin-Brandenburg gründete, ist mit etwa 800 Mitgliedern die weitaus größte rechtsextremistische Organisation Berlins, doch ist sie innerhalb der rechtsextremistischen Szene der Stadt weitgehend isoliert. Auch die förmliche Ausdehnung des Berliner DVU-Landesverbandes auf das Land Brandenburg hat bisher kaum Auswirkungen auf die seit Jahren bedeutungslose Situation der DVU im Berliner Raum gehabt. Kennzeichnend hierfür ist, daß die Mitgliederzahl stagniert und die Aktivitäten sich kaum gesteigert haben. Fanden 1990 vier DVU-Veranstaltungen statt, an denen sich durchschnittlich 30 Personen beteiligten, so konnte die Berliner DVU im Jahre 1991 einschließlich der Teilnahme an der alljährlichen Großveranstaltung in Passau fünf Veranstaltungen durchführen, die von durchschnittlich 42 Personen besucht wurden. 70 2. - Politischer Extremismus - Seine politische Situation offensichtlich realistisch einschätzend, verzichtete der Landesverband Berlin-Brandenburg der DVU auch darauf, an den am 24. Mai 1992 stattfindenden Wahlen zu den Bezirksverordentenversammlungen teilzunehmen. 2.2.3.2 "Nationaldemokraten" Das Desaster der NPD bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 [vgl. Verfassungsschutzbericht Berlin 1990, S. 95], in dessen Folge der langjährige NPD-Bundesvorsitzende Martin MUßGNUG seine Parteiämter aufgab und zur "Deutschen Allianz-Vereinigte Rechte" (jetzt: "Deutsche Liga für Volk und Heimat") wechselte, brachte die Partei an den Rand des finanziellen Ruins und löste heftige Diskussionen über den Fortbestand der NPD aus. Mit Hilfe von Spenden und drastischen Einsparungen gelang es der Partei im Jahre 1991 jedoch, ihre Finanzen zu konsolidieren und mit der Wahl des neuen Parteivorsitzenden Günther DECKERT auf dem Bundesparteitag am 8. und 9. Juni 1991 ihre Führungskrise zu überwinden. Der neue NPD-Bundesvorsitzende versucht, der Partei neue Impulse zu geben, dem Substanzverlust, der insbesondere durch Abwanderungen zur "Deutschen Liga für Volk und Heimat" eingetreten ist, entgegenzuwirken und den Ausbau der Partei in den neuen Bundesländern voranzutreiben. In diesem Sinne erklärte DECKERT bereits auf dem NPD-Bundesparteitag, die NPD habe insbesondere in "Mitteldeutschland" eine gute Chance, weil dort eine große geistige Aufnahmebereitschaft vorhanden sei. Den Wahlerfolg der DVU bei der Wahl zur Bremer Bürgerschaft am 29. September 1991 nimmt auch die NPD für sich in Anspruch. Die Wahl von zwei NPD-Funktionären auf der DVU-Landesliste sei schließlich mit erheblicher Unterstützung des Wahlkampfes durch die NPD gelungen und bedeute darüber hinaus einen Motivationsschub für den Ausbau der neuen Landesverbände. Das NPD/DVU-Wahlbündnis von Bremen zeigte jedoch bereits kurz nach seinem Erfolg erste Risse. Sollte der DVU-Bundesvorsitzende Dr. FREY seinen autoritären Führungsstil beibehalten, der mit dazu beitrug, daß die NPD ihren Anspruch auf den Posten des Fraktionsvorsitzenden in der neuen 2. - Politischer Extremismus - 71 Bürgerschaft nicht durchsetzen konnte, dürfte ein weiteres fruchtbares Miteinander von DVU und NPD fraglich sein. Die sich insbesondere durch das Bremer Wahlergebnis im Aufschwung fühlende NPD mußte jedoch - insbesondere in Baden-Württemberg - erhebliche Mitgliederverluste hinnehmen, die auf Abwanderungen zur "Deutschen Liga ..." zurückzuführen sind. Diese Mitgliederverluste dürften sich jedoch durch neue Mitglieder aus dem Beitrittsgebiet relativieren. Nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden verfügt die NPD bundesweit derzeit über etwa 6.100 Mitglieder (Stand 1990: 6.500 Mitglieder). Der Berliner NPD-Landesverband zog auf seinem Parteitag im Juni 1991 die sich für ihn ergebenden Konsequenzen der deutschen Vereinigung. Nach jahrzehntelanger politischer Abstinenz löste sich die Berliner NPD von ihren alten Strukturen und gründete mit Beteiligung neuer Mitglieder aus Brandenburg einen Landesverband Berlin-Brandenburg. Die bisherigen Berliner Kreisverbände wurden zugunsten eines "Stadtverbandes Berlin" aufgelöst. Der NPD-Bundesvorsitzende DECKERT betonte auf seiner Parteitagsrede, es lohne sich wieder, in Deutschland Ordnung zu schaffen und Hand anzulegen. Während die "etablierten" Parteien "Mitteldeutschland" abgeschrieben hätten und eine multikulturelle Vielfalt der nationalen Einheit vorziehen würden, strebe die NPD nach der "Auferstehung" all dessen, was deutsch sei. Die offensichtlichen Schwierigkeiten des NPD-Landesverbandes BerlinBrandenburg seinen organisatorischen Anspruch tatsächlich umzusetzen, kommen auch darin zum Ausdruck, daß es bisher nicht gelungen ist, in Brandenburg funktionierende Organisationseinheiten zu bilden. Darüber hinaus sanken seine Aktivitäten in Berlin erheblich. Der Landesverband organisierte in Berlin (einschließlich Umland) im Jahre 1991 lediglich 7 Veranstaltungen - 1990 waren es noch 14 Veranstaltungen -, die von durchschnittlich 50 Personen besucht wurden. Der insbesondere von Berliner NPD-Funktionären erhobene Anspruch, mit der regionalen Ausdehnung der Partei auf das Land Brandenburg die personelle und organisatorische Basis erheblich zu erweitern, gelang somit im Jahre 1991 noch nicht. Obwohl die Mitgliederzahl des Landesverbandes Ende 1991 etwa 200 betrug (Stand Ende 1990 etwa 130), gelang es der Partei bei weitem 72 2. - Politischer Extremismus - nicht, die Mitgliederzahl von 1968 zu erreichen. Damals verfügte allein der Berliner NPD-Landesverband über mehr als 500 Mitglieder in 12 Kreisverbänden. Seit dem Jahreswechsel 1991/1992 versucht der NPD-Landesverband BerlinBrandenburg erneut, aus der politischen Bedeutungslosigkeit hervorzutreten. Berliner NPD-Funktionäre hoffen, daß eine Teilnahme an den am 24. Mai 1992 in Berlin stattfindenden Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen möglich würde, auch wenn hierbei gemeinsam mit anderen Rechtsextremisten - darunter auch Neonazis - unter dem Dach einer Wählergemeinschaft agiert werden müßte. Nach bisherigen Einschätzungen dürften hierbei für die NPD in Berlin - außer möglichen propagandistischen Aspekten - kaum Erfolgsaussichten bestehen. 2.2.4 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 2.2.4.1 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" (vormals "Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin" - DKG-Berlin -) Die 1983 von einem Kreis oppositioneller Berliner NPD-Mitglieder um die als Integrationsfigur der rechtsextremistischen Szene Berlins respektierte Dr. Ursula SCHAFFER ins Leben gerufene "Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin", die sich seit 1991 "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" nennt, hat sich seit etwa 1988 mit ihren Vortragsveranstaltungen, Reichsgründungs-, Sonnwendund anderen Gedenkfeiern zunehmend zu einem Sammelbecken für das gesamte rechtsextremistische Spektrum Berlins entwickelt. Die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" zählt gegenwärtig etwa 25 Mitglieder, vorwiegend Angehörige der Berliner NPD, aber auch einige bekannte Neonazis. Während zu den Vortragsveranstaltungen der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen", auf denen in der rechtsextremistischen Szene prominente Referenten auftreten, durchschnittlich etwa 60 Zuhörer erscheinen - wobei der häufig hohe Anteil Jugendlicher auffällig ist -, gelingt es ihr zu 2. - Politischer Extremismus - 73 Großveranstaltungen mit überregionaler Resonanz, mehrere 100 Rechtsextremisten zu mobilisieren. Seit Öffnung der innerdeutschen Grenzen und der deutschen Vereinigung veranstaltete die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" ihre Gedenkfeiern bevorzugt in den neuen Bundesländern. So organisierte sie am 21. Juni 1991 in Hönow (Brandenburg) eine Sonnwendfeier, an der zahlreiche Berliner Rechtsextremisten - darunter viele bekannte Neonazis - teilnahmen. Polizeiliche Maßnahmen im Vorfeld der Veranstaltung führten dazu, daß die Veranstaltung letztlich nur von etwa 100 Personen besucht wurde. Ein weiterer Höhepunkt der Aktivitäten der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" war - wie schon 1990 - die Veranstaltung eines "Heldengedenktages" am 17. November 1991 auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Kreis Märkisch Buchholz, Brandenburg). An dieser Veranstaltung, an der sich etwa 500 Personen beteiligten, nahmen auch Angehörige rechtsextremistischer Gruppen aus Belgien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden teil. Die "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" setzte auch im Jahre 1991 ihre gruppenund parteiübergreifenden Aktivitäten fort und ist nach wie vor als integrierender Faktor innerhalb der rechtsextremistischen Szene Berlins zu betrachten. 2.2.5 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund Die Zahl der bis zum 20. Februar 1992 bekanntgewordenen Gesetzesverletzungen mit erkennbarem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund ist 1991 gegenüber dem Vorjahr von 285 auf 389 angestiegen. [Anmerkung: Es ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den in diesem Abschnitt angeführten Zahlen nur um die dem LfV Berlin bekanntgewordenen Gesetzesverletzungen handelt. Darüber hinaus ist von einer Dunkelziffer erheblicher Größe auszugehen, da erfahrungsgemäß eine Vielzahl von entsprechenden Fällen nicht angezeigt wird oder der politische Hintergrund nicht unmittelbar erkennbar ist. Allerdings wird die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in diesem Bereich ständig optimiert.] 74 2. - Politischer Extremismus - Besonders auffällig ist die hohe Zahl von rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Personen und Sachen, die von 20 im Jahr 1990 auf 57 im Berichtszeitraum angestiegen ist. Gewalttaten im Berichtszeitraum: - gegen Personen in den westlichen Bezirken Berlins 9 - gegen Personen in den östlichen Bezirken Berlins 25 - gegen Sachen in den westlichen Bezirken Berlins 9 - gegen Sachen in den östlichen Bezirken Berlins 14 57 Dies bedeutet, daß fast 70% (39) aller bekanntgewordenen Gewalttaten in den östlichen Bezirken Berlins verübt wurden. Die Hälfte der Gewalttaten richteten sich gegen Ausländer, Asylantenunterkünfte und Wohnheime, in denen Ausländer untergebracht wurden bzw. sind. An den Gewalttaten waren in 27 Fällen Skinheads beteiligt [vgl. 2.2.6]. Von den 57 im Jahr 1991 bekanntgewordenen Gewaltakten gegen Personen oder Sachen mit erkennbarem, wahrscheinlichem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund sind sechs Vorfälle besonders hervorzuheben: 1. Offensichtlich aus Gründen rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit griffen ca. 20 Skinheads am 12. Januar 1991 in Berlin-Pankow drei Staatsbürger aus Mozambique an und verletzten sie durch Fußtritte. Ein Täter konnte inzwischen ermittelt werden. 2. Unbekannte Täter verübten am 19. Januar 1991 einen Brandanschlag auf einen Bank-Container der Bayerischen Hypothekenund Wechselbank in Berlin-Friedrichshain. Die Brandflaschen entzündeten sich jedoch nicht. In einem vor Ort abgelegten Selbstbezichtigungsschreiben begründete eine "Nationale Alternative - Gau Groß Berlin" die Gewaltaktion mit der Forderung, Friedrichshain, Kreuzberg und andere linke Viertel müssen vom Roten Unrat befreit 2. - Politischer Extremismus - 75 werden!!. Unterzeichnet ist die Selbstbezichtigung Mit Deutschem Gruß!! NA Kampfgruppe MICHAEL KÜHNEN. [Anmerkung: Eine "NA Kampfgruppe Michael KÜHNEN" ist nicht bekannt. Rechtsextremisten vermeiden bei Gewalttaten in der Regel schriftliche Selbstbezichtigungen; dennoch ist zu vermuten, daß die Tat aus rechtsextremistischen Motiven begangen wurde. Anhaltspunkte dafür, daß für den versuchten Anschlag Mitglieder der NA verantwortlich sind, liegen nicht vor. Wahrscheinlich verwendeten rechtsextremistische "Trittbrettfahrer" für ihre Aktion den Organisationsnamen "Nationale Alternative" (NA), weil diese Neonazi-Gruppe durch die Besetzung eines Hauses in der Weitlingstraße 122 in Berlin-Lichtenberg und die mit diesem inzwischen nicht mehr relevanten Objekt verbundenen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten öffentliches Interesse geweckt hatte.] 3. Am 2. April 1991 wurde eine türkische Staatsangehörige von einer unbekannt gebliebenen männlichen Person zu Boden gerissen, etwa einen Meter weit über den Gehweg geschleift und gewürgt. Darüber hinaus wurde sie in volksverhetzender Weise u.a. mit den Worten: Hure, Nutte, Türkenschwein. Euch Türken müßte man alle an die Wand stellen und umbringen! beleidigt. 4. Zwei Neonazis fingen am 3. April 1991 in einem S-Bahnzug Streit mit einer Gruppe von Ausländern an. Schlichtend eingreifende Personen wurden geschlagen und getreten und mit einem Gasrevolver beschossen. Als eine Person versuchte, die Neonazis an der Flucht zu hindern, wurde sie mehrmals mit dem Revolver auf den Kopf geschlagen. Bei von der Polizei durchgeführten Vernehmungen zeigten beide Beschuldigten kein Unrechtsbewußtsein. 5. Offensichtlich aus Gründen rassistisch motivierter Ausländerfeindlichkeit wurden am 2. Mai 1991 zwei mongolische Staatsangehörige - BerlinTouristen - in einer Straßenbahn von einer etwa 15 Personen umfassenden Gruppe beleidigt und geschlagen; einer der BerlinTouristen wurde mit einem Messerstich in den Rücken lebensgefährlich verletzt. 6. Etwa 35 Skinheads aus dem Bereich Bahnhof Lichtenberg und Bahnhof Schöneweide schlössen sich am 30. August 1991 zusammen, um einen Angriff autonomer Ausländer zu rächen. Auf der Suche nach Ausländern 76 2. - Politischer Extremismus - stießen sie am S-Bahnhof Ostkreuz auf zwei im Zug nach Erkner fahrende algerische Staatsbürger und mißhandelten sie. Die Zahl der im Berichtszeitraum registrierten ausländerfeindlich motivierten Vorfälle betrug 139; davon waren 37 mit Gewalt verbunden. Die 139 ausländerfeindlichen Gesetzesverletzungen wurden in etwa zu gleichen Teilen in den westlichen und östlichen Bezirken Berlins verübt. Nach den Vorfällen in Hoyerswerda (Sachsen) - am 17. September 1991 und den darauffolgenden Tagen hatten Skinheads und andere Rechtsextremisten unter dem Applaus von Einwohnern zwei Ausländerwohnheime attackiert und sich Straßenschlachten mit der Polizei und Autonomen geliefertstieg auch die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten in Berlin - speziell im Oktober 1991 - an, wenn auch bei weitem nicht in dem Maße wie in anderen Bundesländern. 24 Vorfälle erfüllten den Straftatbestand der Beleidigung auf antisemitischer Grundlage, der Volksverhetzung und Bedrohung. Von den 255 Schmier-, Klebeund Verteilaktionen hatten 37 einen antisemitischen Bezug. Besonders hervorzuheben ist ein Vorfall vom 6. November 1991, der sich gegen die jüdische Gedenkstätte auf der Putlitzbrücke in Berlin-Tiergarten richtete: Von unbekannt gebliebenen Personen wurde aus offensichtlich volksverhetzenden und politisch-rassistischen Motiven an diesem Ehrenmal eine Plastiktüte befestigt, in welcher sich ein Schweinekopf mit ausgestochenen Augen befand. An der Schnauze war ein bronzefarbener Orden befestigt, auf dem sich auf der einen Seite die Jahreszahl 1939 und auf der anderen Seite ein Hakenkreuz befanden. Im Nackenfleisch wurde ein zusammengefalteter Zettel mit folgender Aufschrift gefunden: Kopf an Kopf mit Heinz Galinski [Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland]. Wann rollt er endlich? Für ein großdeutsches Reich ohne Juden. Kanaken - Asylanten - Kroppzeug raus. 46 Vorfälle richteten sich gegen "Linke". Neben einem versuchten Brandanschlag und einigen Körperverletzungen waren es in der Regel Schmieraktionen mit Parolen wie: 2. - Politischer Extremismus - 77 Rotfront verrecke! Linke raus! Linke verpiBt euch - keiner vermißt euch! Darüber hinaus sind 20 Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Hintergrund (Schmieraktionen) bekanntgeworden, welche an Berliner Schulen verübt worden sind. Berlin nimmt in der bundesweiten Statistik der Gesetzesverletzungen mit erkennbarem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund eine mittlere Position, bei den Brandanschlägen auf Ausländerund Asylantenwohnheime den vorletzten Platz ein. Die meisten Brandanschläge gegen Ausländer und deren Unterkünfte wurden in den alten Bundesländern in Nordrhein-Westfalen (über 120), Niedersachsen (37) und BadenWürttemberg (35) verübt; in den neuen Bundesländern sind vor allem Sachsen (22), Mecklenburg-Vorpommern (19) und Brandenburg (15) zu nennen. In Berlin waren im Jahre 1991 vier derartige Anschläge zu verzeichnen. Die nachstehend aufgeführte Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung der Gesetzesverletzungen der vergangenen drei Jahre. In Klammern ist jeweils die Anzahl der Gesetzesverletzungen mit bekanntgewordenen Tätern oder Tatverdächtigen angegeben: Jahr 1991 1990 1989 Gesamtzahl der 389 285 604 Gesetzesver(82) (73) (159) letzungen Gewalttaten 57 20 25 (16) (5) (8) Unbefugter 1 2 2 Waffenbesitz (1) (2) (2) (Schußwaffen) 78 2. - Politischer Extremismus - Schmier-, Ver255 184 367 teil-und (15) (15) (23) Klebeaktionen Beleidigung auf 24 35 104 antisemitischer (6) (14) (311) Grundlage.Volksverhetzungen, Bedrohungen Verwenden von 52 44 100 NS-Symbolen und (43) (37) (90) NS-Propagandamitteln Rechtskräftige (*) 15 34 Verurteilungen (*) nicht bekannt In 82 Fällen von Gesetzesverletzungen im Jahr 1991 sind jeweils ein oder mehrere Täter bzw. Tatverdächtige namentlich bekannt. Von diesen insgesamt 243 Personen, die zwischen 16 und 45 Jahren alt waren, sind 19 bereits bekannte Rechtsextremisten. Im einzelnen stellt sich die Altersstruktur der Täter bzw. Tatverdächtigen wie folgt dar: Alter Anzahl unter 18 Jahre 60 18-25 Jahre 159 26 - 35 Jahre 23 36 - 45 Jahre 1 46 Jahre und älter 243 2. - Politischer Extremismus - 79 2.2.6 Ausblick Auch in Zukunft ist mit der Fortsetzung rechtsextremistischer Aktivitäten Berliner Neonazis und militanter Skinheads zu rechnen. Während die neonazistischen Organisationen "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) und "Nationalistische Front" (NF) ihre Aktivitäten in Berlin und Umgebung verstärken und ihre Verbindungen zu Gesinnungsgenossen in Brandenburg festigen dürften, scheint die "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin), die 1990 mit der Errichtung eines "Nationalen Kommunikationszentrums" in der Lichtenberger Weitlingstraße 122 ein pressewirksames Fanal setzte, vor der baldigen Auflösung zu stehen. Inzwischen sind jedoch Bemühungen zu erkennen, die von Michael KÜHNEN aufgebaute "Deutsche Alternative" (DA) als Ersatz für die NA auch in Berlin und Brandenburg zu etablieren. Die "nationaldemokratischen" und "nationalfreiheitlichen" Organisationen in Berlin werden voraussichtlich auch in Zukunft nur eine geringe Anziehungskraft erreichen. Wegen fehlender Führungspersonen mit Ausstrahlungkraft, unzureichenden Engagements, aber auch Unvermögens zahlreicher Funktionäre und Mitglieder dürfte auch nach der erfolgten organisatorischen Ausdehnung der Berliner Landesverbände der NPD und der DVU auf das Land Brandenburg die Chance zur Etablierung neuer Wirkungskreise gering sein. Allein großsprecherische Töne in Presseorganen - meist der Bundesparteien -, in denen regelmäßig die Verbrechen der NS-Zeit geleugnet bzw. verharmlost, großdeutsches Denken und Handeln gefördert und rassistische Propaganda im Zusammenhang mit der Asyldebatte betrieben sowie der Erhalt der Deutschen Mark zum nationalen Dogma erhoben werden, reichen nicht aus, um größere Schichten der Berliner Bevölkerung für die rechtsextremistischen Parteien zu gewinnen. Rechtsextremistisch eingestellte, insbesondere gewaltbereite junge Menschen, die sich für die rassistischen, nationalistischen und revisionistischen Töne der "nationalfreiheitlichen" und "nationaldemokratischen" Organisationen begeistern, schließen sich lieber gleich neonazistischen Gruppen bzw. militanten Skinhead-Kreisen an, die deshalb auch in Zukunft - trotz der in diesem Bereich zu beobachtenden starken Fluktuation - Zulauf erhalten werden. 80 2. - Politischer Extremismus - Ob der Zenit fremdenfeindlicher Gewalttaten im Jahre 1991 bereits überschritten wurde oder ob die Zahl der Brandanschläge und anderer Gewalttaten gegen Ausländer noch ansteigen wird, hängt in Berlin und seinem Umland auch von der Lösung der gesellschaftlichen Probleme ab, die sich als Folge des Bankrotts des politischen und wirtschaftlichen Systems der DDR ergeben haben. Gerade die noch vorhandene Verunsicherung weiter Bevölkerungskreise als Folge neuer Entwicklungen und Veränderungen im wiedervereinigten Deutschland, die Entwurzelung insbesondere junger Menschen in den neuen Ländern, die gesamtdeutschen Problemfelder Arbeitslosigkeit, fehlender oder unzureichender Wohnraum, steigende Kriminalität, die sich an der Asylfrage entwickelnden "Überfremdungs"-Ängste u.a. nähren bei einem Teil der Bevölkerung den Boden für rechtsextremistische Orientierungen. Wenn bei der Bevölkerung zusätzlich der Eindruck entstünde, der demokratische Rechtsstaat sei nicht in der Lage, die Probleme zielstrebig zu lösen, könnten sich Teile der Bevölkerung - sei es aus Protest, sei es aus Überzeugung - rechtsextremistischen Parteien zuwenden. Ein Versuch, dieses Potential zu mobilisieren, ließ sich bereits Ende 1991 in der Bildung eines Dachverbandes neonazistischer und anderer rechtsextremistischer Gruppen unter dem Deckmantel einer Freien Wählergemeinschaft "Die Nationalen" zur Kandidatur bei den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen am 24. Mai 1992 erkennen. Vom Erfolg dieses Wahlengagements dürfte der Bestand dieses Zusammenschlusses und seine mögliche Teilnahme an weiteren Wahlen in Berlin abhängen. 2.2.7 Im Blickpunkt: Militante Skinheads in Berlin Wie bereits im Vorjahr bildete die militante Skinhead-Szene auch im Jahre 1991 ein bedeutsames, nach wie vor aktuelles sicherheitspolitisches Problem in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin. Nach Schätzungen des BfV gibt es in der Bundesrepublik mehr als 6.000 gewaltbereite Skinheads - etwa zu gleichen Teilen in den alten und den neuen Bundesländern. Während in den alten Bundesländern etwa 1.200 Skinheads 2. - Politischer Extremismus - 81 als neonazistisch angesehen werden, ist die Skinhead-Szene in den neuen Ländern wegen ihrer Beteiligung an rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten insgesamt als neonazistisch zu bezeichnen. [Anmerkung: Neben den rechtsextremistisch orientierten militanten Skinheads gibt es eine kleinere Gruppe betont "antifaschistischer" Skinheads, sog. "Redskins", die dem linksextremistischem, v.a. autonomen Spektrum zuzurechnen sind. Skinheads in Ostdeutschland übertreffen ihre Gesinnungsgenossen in Westdeutschland an Anzahl, Radikalität und Brutalität deutlich. Bei Krawallen legen ostdeutsche Skinheads weit ausgeprägtere neonazistische Verhaltensmuster an den Tag und identifizieren sich damit viel deutlicher als ihre westdeutschen Gesinnungsgenossen. Besondere Schwerpunkte neonazistischer Skinhead-Aktivitäten bilden Sachsen und Brandenburg, in den alten Bundesländern vor allem Nordrhein-Westfalen. Dabei stehen rechtsextremistische Merkmale, wie aggressiver Nationalismus und rassistisch motivierte Fremdenfeindlichkeit, im Vordergrund. Traf man in den 80er Jahren noch häufig bei der Bewertung der politischen Motivation der Skinheads auf die These, diese seien im Grunde unpolitisch und wollten mit ihren Ausschreitungen ihre Umwelt nur provozieren, so muß heute festgestellt werden, daß sich in der Skinhead-Szene - verursacht durch das Hinzutreten des quantitativ wie qualitativ als gefährlicher einzustufenden ostdeutschen Skinheadpotentials und einer deutlich gewachsenen Gewaltbereitschaft - ein grundlegender Wandel im Sinne einer allgemeinen Politisierung vollzogen hat, auch wenn es - vor allem in den alten Bundesländern - weiterhin unpolitische "Glatzen" gibt. Diesem Wandel haben die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder Rechnung getragen und betrachten militante Skinhead-Gruppen als integralen Bestandteil der rechtsextremen Szene, die wegen ihrer außerordentlichen Gewaltgeneigtheit als besonderes Gefährdungspotential angesehen werden müssen. Die meisten Skins in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin gehören zu der Bewegung der sog. White-Power-Skins. Sie vertreten einen besonders menschenverachtenden Rassismus und bilden das Lager der "rechten Skins", auch "Boneheads" (Knochenköpfe) genannt. Ihr Kampf gilt dem Erhalt der "weißen Rasse", den sie durch das Symbol der geballten weißen Faust kennzeichnen. 82 2. - Politischer Extremismus - Die rassistischen Vorstellungen von Skinheads, die sie in ihren Magazinen ("Fanzines") und Songs zum Ausdruck bringen, sind denen des III. Reiches entlehnt, weshalb sie sich auch als "Soldaten der Straße" nach dem Vorbild der SA verstehen. Der brutale Rassismus in ihren Songs (sog. Oi-Musik) und Beiträgen der sog. Fanzines richtet sich gegen Ausländer, aber auch gegen Juden, Hippies und Kommunisten und wird abgeleitet von der Glorifizierung des III. Reiches. So bezeichnete z.B. die Skinhead-Band "Endstufe" in einem Interview die NSDAP als einzig akzeptable Partei. In dem Song "Kampfhund" der Gruppe "Störkraft" wird zum Mord an Fremden aufgerufen. Durch Verbreitung solcher Magazine und Songs, z.B. bei SkinheadKonzerten, kommunizieren Skinheads untereinander und stacheln sich gegenseitig auf; häufig - meist in Verbindung mit Alkoholkonsum - gipfeln solche Exzesse in gewalttätigen Ausschreitungen und Anschlägen gegen ausländische Personen und Einrichtungen. In Berlin dürfte die Gesamtstärke der Skinheads nach groben Schätzungen bei etwa 500 liegen, mindestens die Hälfte ist als rechtsextremistisch orientiert zu bezeichnen. Unter den inzwischen über 180 bekannten Berliner Neonazis stammen etwa 50 aus der Skinhead-Szene. Darüber hinaus wurden im Jahre 1991 im Rahmen der verstärkten Beobachtung der militanten Skinhead-Szene etwa 180 Personen bekannt, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte oder Tatsachen für rechtsextremistische Bestrebungen festgestellt wurden. Fast 90 von ihnen sind aufgrund ihrer Beteiligung an Gewalttätigkeiten eindeutig der militanten Skinhead-Szene zuzurechnen. Die meisten Berliner Skinheads sind zwischen 17 und 25 Jahre alt, über 20 rechtsextremistische Skinheads sind 16 Jahre oder jünger. Der Anteil der weiblichen Skinheads liegt unter 10 %. Eine große Zahl der Skinheads wohnt in den östlichen Bezirken Berlins. Besonders bei ihnen fallen Problemfelder wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und fehlende Freizeitangebote auf fruchtbaren Boden und nähren ihre Aggressionsbereitschaft. 2. - Politischer Extremismus - 83 Die gesamte Skinhead-Szene ist ein weitgehend amorphes Gebilde ohne übergreifende Strukturen. Sie setzt sich aus einer Vielzahl loser Gruppen zusammen, die sich an bestimmten Trefforten bilden. Zur Jahreswende 1990/1991 waren dies in erster Linie S- und Fernbahnhöfe; inzwischen bevorzugen Skinhead-Gruppen als Trefforte Jugendclubs, Imbißstände und Gaststätten. Lokale werden häufig gewechselt, da deren Inhaber Skinhead-Gruppen wegen ihrer Gewaltbereitschaft häufig Hausverbot erteilen. Ihre Gruppennamen leiten Skinheads von ihren Trefforten bzw. -Regionen ab. Sie nennen sich z.B. Clique Lichtenberg, Clique Schöneweide, Lichtenberger Kameradschaftsbund, Frohnauer Wehrsportgruppe, Schönefelder Sturmstruppe, Rosenthaler, Bucher, Wilhelmsruher Türkenjäger, Wehrwolfterror Berlin. Auch in Berlin, insbesondere in den östlichen Bezirken der Stadt, ist - wie im gesamten Bundesgebiet und vor allem in den neuen Bundesländern - seit 1990 eine steigende Tendenz rechtsextremistisch motivierter SkinheadAktivitäten zu verzeichnen. Während für die Jahre 1989 und 1990 keine verläßlichen Aussagen über die Berliner Skinhead-Szene und ihre rechtsextremistisch motivierte Militanz getroffen werden können, sind im Jahre 1991 über 100 Vorfälle, die von Skinheads meist an Wochenenden verübt wurden, bekanntgeworden. Etwa bei der Hälfte dieser Vorfälle ist eine rechtsextremistische Motivation erkennbar oder zu vermuten. Ca. 75 % der Vorfälle spielten sich in den östlichen Bezirken (Schwerpunktbezirke: Prenzlauer Berg, Pankow, Lichtenberg und Hohenschönhausen, im Westteil Berlins: Reinickendorf) ab. Über 20 Gewalttaten haben einen rechtsextremistischen Hintergrund und richteten sich gegen Ausländer oder Andersdenkende. In etwa 30 weiteren Fällen besteht Tatverdacht u.a. wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die übrigen bekanntgewordenen Vorfälle weisen einen kriminellen Hintergrund auf - in der Regel in Verbindung mit Gewalt gegen Gleichaltrige (Körperverletzung, Raub etc.). Im Jahre 1991 wurden in Berlin zehn rassistisch motivierte Angriffe auf Ausländerbzw. Asylantenheime bzw. deren Bewohner bekannt, darunter: 84 2. - Politischer Extremismus - 04.04.1991: Auseinandersetzung zwischen Skinheads und Vietnamesen vor einem Ausländerwohnheim in Berlin-Hohenschönhausen (Skinheads bewarfen die Ausländer mit Steinen). 24.04.1991: Brandanschlag auf ein Arbeiterwohnheim für Vietnamesen in Berlin-Marzahn. 07.06.1991: Auseinandersetzung zwischen Skinheads und Ausländern vor einem Ausländerwohnheim in Berlin-Rosenthal. 03.10.1991: Versuchter Brandanschlag von etwa 10 unbekannten Skinheads auf ein Wohnhaus in Berlin-Hellersdorf. Zielobjekt war vermutlich das Nachbarhaus, ein ehemaliges Ausländerwohnheim. 03.10.1991: Angriff von etwa 20 Jugendlichen auf ein Wohnheim für Vietnamesen in Berlin-Marzahn. Die Täter bewarfen das Heim mit Steinen und verletzten dabei eine ausländische Bewohnerin. Ihr Ehemann wurde von vier Skinheads mit Messern bedroht. 05.10.1991: Brandanschlag auf ein Asylantenheim in Berlin-Lichtenberg. 18.10.1991: Inbrandsetzen des Treppenhauses eines im Bezirk BerlinKreuzberg gelegenen, überwiegend von türkischen Staatsangehörigen bewohnten Mietshauses. Bei Gewalttaten gegen Personen setzten die Täter u.a. Baseballschläger und Messer ein oder mißhandelten ihre Opfer mit Stiefeltritten und Faustschlägen. Im Durchschnitt beteiligten sich 6 - 8 Personen an Skinhead-Vorfällen, in Einzelfällen traten bei Aktionen bis zu 40 Skinheads in Erscheinung. Bei Gewalttätigkeiten und anderen Gesetzesverletzungen traten häufig altbekannte Skinheads aus dem Westteil der Stadt gemeinsam mit "Glatzen" aus dem Ostteil Berlins auf. Inwieweit die hier schon länger bekannten Skinheads aus den westlichen Bezirken eine Führungsposition gegenüber den übrigen Skinheads ausüben, ist derzeit nicht zu beantworten. 2. - Politischer Extremismus - 85 Die Ost-Berliner Skinhead-Szene stellte sich 1990 für westdeutsche und WestBerliner Neonazis als eine erfolgversprechende Zielgruppe dar. Die dortigen Zusammenschlüsse von Skinheads zeichneten sich in der Regel durch ein höheres Maß an Gewaltbereitschaft und insbesondere an Ausländerfeindlichkeit aus. Offensichtlich ist es den Neonazis gelungen, das Skinhead-Potential zumindest in der ehemaligen DDR für ihre Ziele zu instrumentalisieren. Die Ereignisse in Hoyerswerda und dann in anderen Orten Ostaber auch Westdeutschlands können als Erfolg neonazistischer Aktivitäten gewertet werden. Hinweise auf die Teilnahme von Skinheads an Neonazi-Treffen, das Auftauchen von Neonazis und neonazistischem Propagandamaterial bei Konzerten von Skinhead-Bands und SkinheadTreffen stärken die Annahme, daß sich Neonazi-Gruppen und Angehörige der Skinhead-Szene sowohl thematisch als auch in ihren Aktionsformen gegenseitig ergänzen und stärken. Darüber hinaus ist auch eine teilweise "Abwanderung" von Skinheads in rechtsextremistische Parteien und Organisationen, wie die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) oder die "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin), festzustellen, die um so bemerkenswerter ist, als sich Skinheads in der Vergangenheit nicht dauerhaft in feste Organisationsstrukturen einbinden lassen wollten und bei organisierten Neonazis deshalb als undisziplinierbar galten. Erkenntnisse über eine unmittelbare Steuerung von Skinhead-Gruppen durch neonazististische oder andere rechtsextremistische Organisationen liegen jedoch bisher hier nicht vor. Die DVU des Dr. FREY bemüht sich in letzter Zeit sogar um demonstrative Abgrenzung von Skinheads und deren Gewaltakten gegen Ausländer, obwohl sie durch ihre fremdenfeindliche Agitation weiterhin den Boden für derartige Ausschreitungen bereitet. Vor allem über Skinhead-Bands wie "Skrewdriver" u.a. gibt es auch Verbindungen zu ausländischen Skinheads, die z.T. ihrerseits in rechtsextremistische Organisationen wie die britische "National Front" eingebunden sind. Zudem häufen sich in jüngster Zeit Hinweise auf Kontakte von Skinheads zu in Deutschland agierenden Gruppen des in den USA beheimateten militant-rassistischen Geheimbundes "Ku-Klux-Klan" (KKK), dessen Druckschriften und Flugblätter auch in Berlin vereinzelt bereits Verbreitung gefunden haben. 86 2. - Politischer Extremismus - Offensichtlich versucht der "Ku-Klux-Klan" seit geraumer Zeit, sich mit Hilfe von Skinheads insbesondere in den neuen Bundesländern zu etablieren. So führte der von seinen Anhängern als "Imperial Dragon" bezeichnete Dennis W. MAHON, Chef einer der aggressivsten KKK-Gruppen in den USA, am 20. September 1991 im Rahmen einer Deutschlandreise in Königs Wusterhausen (Brandenburg) eine rituelle Kreuzverbrennung durch. Die Übergriffe von Skinheads in Berlin - insbesondere gegen Ausländerwohnheime und Asylantenunterkünfte - hatten bisher nicht die Ausmaße, die in anderen Bundesländern festzustellen sind [vgl. 2.2.5] Dennoch ist das Gefährdungspotential auch in Berlin vorhanden, das ohne große Planungen rassistisch motivierte Aktionen und Gewalttaten brutal und unberechenbar zu verüben, in der Lage ist. 2. - Politischer Extremismus - 87 2.3 Sonderthema: Polarisierung und mögliche Eskalation der Gewalt zwischen Rechtsund Linksextremisten in Berlin 2.3.1 "Antifaschismusarbeit" der extremistischen Linken Die im Jahre 1991 erneut unter Beweis gestellte Bereitschaft Berliner Linksextremisten, und hier insbesondere autonomer Gruppen, gegen Rechtsextremisten und vermeintliche Rechtsextremisten gewalttätig vorzugehen, liegt in spezifischen Auffassungen dieser Organisationen und Gruppen über Ursachen und Ausformungen des Faschismus begründet. Vor allem "orthodoxe" Kommunisten, wie Anhänger der DKP, aber auch ein Teil der revolutionär-marxistischen Gruppen stützen sich bei ihrer "Antifaschismusarbeit" nach wie vor auf die von Georgi DIMITROFF 1935 bei dem VII. Weltkongreß der "Kommunistischen Internationale" (KOMINTERN) geprägten Definition des Faschismusbegriffs aus marxistisch-leninistischer Sicht. Danach ist Faschismus ... die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals. [Anmerkung: Für Marxisten-Leninisten ist das Finanzkapital eine Ausformung des Monopolkapitals, das seinen Höhepunkt im staatsmonopolistischen Kapitalismus findet, und ein Merkmal des Imperialismus, der letzten Phase des Kapitalismus.] Dazu erläutern die Kommunisten, daß heute zwar das Bekenntnis zu einer offenen terroristischen Diktatur fehle, das Finanzkapital aber keineswegs auf faschistische Methoden verzichte. So setze es bestimmte Gruppen, wie die "neofaschistische" Partei "Die Republikaner", als Instrumente seiner Herrschaftssicherung ein. Der Antifaschismus könne sich daher nicht nur auf eine reine Gegnerschaft zum Rechtsextremismus beschränken, sondern müsse die materielle Basis und deren sozialökonomische Wurzeln, also den vom Finanzkapital geformten und unterhaltenen bürgerlichen Staat, zugunsten einer "antifaschistischen" und "antimonopolistischen Demokratie" beseitigen. Vor dieser Grundhaltung wird deutlich, daß es sich bei der linksextremistischen "Antifaschismusarbeit" nicht nur um den Kampf gegen 88 2. - Politischer Extremismus - "faschistische" Tendenzen oder einen erstarkenden Rechtsextremismus, sondern vielmehr um ein revolutionäres Konzept zur Machteroberung handelt. Linksextremistische Organisationen und Gruppen nutzen das Thema "Antifaschismus" in diesem Zusammenhang auch als Ausgangspunkt ihrer Bündnispolitik und als Mittel zur Diffamierung der Bundesrepublik Deutschland, die sie dabei in die Nähe des nationalsozialistischen Unrechtsstaates rücken. 2.3.2 Positionen des militanten Antifaschismus Die von "orthodoxen" Kommunisten entwickelte Grundidee, das Thema "Antifaschismus" als revolutionäres Konzept einzusetzen, wurde in den letzten Jahren zunehmend auch von militanten Linksextremisten übernommen. Zu Beginn der achtziger Jahre entstanden im gesamten Bundesgebiet zahlreiche, meist aktionistische sog. Antifagruppen, die ihre Hauptaufgabe darin sahen, auf "Nazi-Aufmärsche" zu reagieren und diese zu verhindern. Ein großer Teil dieser Gruppen war jedoch nicht in der Lage - trotz mehrfacher Vemetzungsversuche -, eine kontinuierliche Politik zu entwickeln. Aus dieser Bewegung ging unter Mitarbeit Autonomer eine Reihe von Gruppen hervor, die einen "autonomen Antifaschismus" propagierten und sich nicht nur an der militanten Praxis gegen Rechtsextremisten und mutmaßliche Rechtsextremisten unter dem Motto "Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!" orientierten, sondern ihre Aktivitäten auch ideologisch rechtfertigten, indem sie sich als Teil des "antiimperialistischen Widerstands" bezeichneten. Dabei stellten sie sich in einen historischen Zusammenhang mit der 1932 von der KPD ausgerufenen "Einheitsfront" (später "Antifaschistische Aktion") und entwickelten folgende Positionen: Die BRD ist in Kontinuität zum NS-Staat entstanden. Die ökonomischen und politischen Grundstrukturen blieben bestehen und wurden weiterentwickelt. Die geschichtliche Trennung von faschistischer und bürgerlicher Herrschaft ist so nicht aufrechtzuerhalten. Faschismus ist keine Form bürgerlicher Herrschaft, sondern an den Inhalten wie z.B. unterschiedliche Wertigkeit von Menschen, Autoritätshörigkeit, Patriarchate Strukturen, Leistungsethos ... festzumachen. 2. - Politischer Extremismus - 89 Die BRD organisiert selbst faschistische Praxis. - Das gleiche System, das sich hier demokratisch gebärdet, ist für Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen in anderen Teilen der Welt verantwortlich, z.B. durch direkte Unterstützung faschistischer Militärdiktaturen wie die der Türkei. Der Imperialismus ist faschistisch. Wenn die kapitalistischen Interessen gefährdet wären, so würden auch hier zu ihrer Verteidigung faschistische Potentiale eskaliert werden. Faschismus ist integraler Bestandteil westeuropäischer Demokratien. Die Herrschenden haben ein Interesse an der Existenz (neo)faschistischer Gruppen als Herrschaftsreserve, Abgrenzungsmöglichkeiten gegen Rechts, Testballon für repressive Maßnahmen, Bindung des Widerstandes usw. In einem "Diskussionspapier zur AUTONOMEN ORGANISIERUNG" der Göttinger "Autonomen Antifa", veröffentlicht von dem Berliner autonomen Infoblatt "INTERIM", Nr. 161, vom 19. September 1991, wird festgestellt, daß diese Positionen nach wie vor Gültigkeit hätten und unter der Parole "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System!" auf den Punkt gebracht worden seien. Die daraus abgeleitete Praxis sei nach wie vor sinnvoll im Sinne revolutionärer Politik. Die Auseinandersetzung mit Nazis führe zwangsläufig irgendwann zur Auseinandersetzung mit der Staatsmacht in Form von "Bullen" und erreiche damit andere Dimensionen. Der autonome Antifaschismus sei - trotz der Gefahr zu einer Anti-Nazi-Bewegung zu verkommen - immer noch der beste Hebel für die Vermittlung antiimperialistischer Politik. Ähnliche Positionen wie Autonome zum Thema Antifaschismus/Antirassismus vertreten auch Anhänger der RAF und der RZ. So behaupten RAF-Anhänger, daß der Staat neofaschistische Gruppen strategisch einsetze, um den Kommunismus zu unterdrücken, und eine RZ äußerte in der Erklärung zu einem Anschlag auf das Ausländeramt in Böblingen am 22. August 1991, daß der Rassismus integraler Bestandteil der imperialistischen Ausbeutung sei und es damit ermögliche, Ansatzpunkte für revolutionären Widerstand zu finden. 90 2. - Politischer Extremismus - Autonome und autonome Antifa-Gruppen sehen die Anwendung von Gewalt gegen rechtsextreme Ideologie und die, die sie vertreten, als absolute Notwendigkeit an. Dazu erklärte beispielsweise die "Militante antifaschistische Jugend" in "INTERIM", Nr. 164, vom 10. Oktober 1991, die Sprache der Nazis und Bullen sei Gewalt; man müsse ihnen daher in derselben Sprache antworten. Das militant-autonome Szeneblatt "radikal", Nr. 144, vom Oktober 1991, propagierte in diesem Zusammenhang den systematischen Gegenterror gegen neonazistische und rassistische Gewalt und ihre Akteure. Neben Großdemonstrationen sei offensive MHitanz gefordert. Reiner Verteidigungskampf und Selbstschutz sei zu wenig. Der "Faschismus" müsse zerschlagen werden. Dies beinhalte zum Beispiel, erkannte "Faschos" aller Art öffentlich und in ihrem Wohnumfeld (z.B. durch Flugblätter oder regelrechte Steckbriefe) zu denunzieren, gezielte Aktionen gegen Faschoführer oder sonstige Schweine durchzuführen, Treffpunkte von "Faschos" auszuforschen und zusammenzutragen; so könne man sich aussuchen, wo und wann und mit wieviel Leuten man sie am besten angreift oder einzelnen auf dem Heimweg auflauert, Patrouillen zu laufen in Gebieten mit Naziproblemen oder mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, Vergeltungsaktionen gegen örtliche "Fascho-Strukturen". Neben direkten Aktionen gegen "Faschisten" oder vermeintliche "Faschisten" und die sie angeblich schützende Polizei wird in jüngster Zeit im Rahmen des "autonomen antifaschistischen Kampfes" auch Gewalt gegen diejenigen befürwortet, die sich Aktionen gegen "Faschisten" entgegenstellen oder den Faschismus indirekt unterstützen. In "INTERIM", Nr. 164, vom 10. Oktober 1991, wird ausgeführt: 2. - Politischer Extremismus - 91 Wenn die Polizei nix tut, wie immer, tun wir etwas. Und wenn Gewaltlose uns daran hindern bzw. mit Nazis und Bullen zusammenarbeiten, werden sie ebenso bestraft, und wer Gewalt will, soll sie haben. Jeder, der unsere Verteidigungsaktionen behindert, muß die Konsequenzen tragen. Noch weiter geht der anarchistische Berliner "A-Kurier", Nr. 17, vom 25. November 1991. Er gibt unter der Überschrift Perspektiven des politischen Kampfes Antifaschismus zu bedenken, daß 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung identisch in ihrem Handeln und Denken mit dem als "faschistisch" einzustufenden Staat sind. Antifa-Aktionen und -Arbeit sollte sich deshalb nicht scheuen, den Widerstand gegen den Rassismus, Sexismus und Faschismus auch gegen das Bürgertum voranzubringen und beachten, daß nicht nur die Ausführenden den Mob darstellen, sondern jene Teile der Bevölkerung, die so denken und solches propagieren. 2.3.3 Verminderte rechtsextremistische Aktionsfähigkeit bis zur Suspendierung des alliierten Besatzungsrechts Das Auftreten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit wurde in Berlin in der Vergangenheit nicht nur von den auch im übrigen Bundesgebiet geltenden Strafrechtsbestimmungen, z.B. SS 86 a StGB, eingeengt, sondern insbesondere auch durch administrative Anordnungen der Alliierten (BK/O) und nur in Berlin geltendes alliiertes Recht speziell beschränkt. Herausragendes Beispiel sind in diesem Zusammenhang die seit 1969 regelmäßig erlassenen alliierten Anordnungen, die der NPD praktisch jegliche öffentliche Aktivität untersagten. Unabhängig hiervon kam es jedoch seit Jahren zu rechtswidrigen rechtsextremistischen Aktionen in der Öffentlichkeit (z.B. Schmieraktionen oder andere Rechtsverletzungen). Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 und der deutschen Vereinigung war auch der Fortfall des in Berlin geltenden alliierten Rechts verbunden, so daß heute Rechtsextremisten wesentlich ungehemmter auch in Berlin auftreten können. 92 2. - Politischer Extremismus - 2.3.4 Rechtsextremistische Aggressionsbereitschaft Wegen zahlenmäßiger und logistischer Überlegenheit ihrer aktiven politischen Gegner, aber auch eingedenk ihrer eigenen organisatorischen und personellen Schwäche, waren Neonazis und andere Rechtsextremisten in Berlin, unabhängig von rechtlichen Erwägungen, ohnehin seit jeher darauf bedacht, offene Konfrontationen zu vermeiden. Ihre latente, ideologisch begründete Aggressivität haben sie aber schon damals immer wieder durch nächtliche Schmierund Klebeaktionen und bei vereinzelten sonstigen Aktivitäten, auch provokatorisch angelegten, gegen "Linke" entladen, ein Feindbild, das neben Linksextremisten nach Gutdünken auch Sozialdemokraten, Linksliberale, Alternative und andere Demokraten einschließt. Berührung mit Linksextremisten erhielten zum Beispiel in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre Neonazis und andere Anhänger des Aktionsbündnisses "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI), die besonders von 1986 bis 1988 gegen die Ausländerund Asylpolitik des Senats polemisierten und in öffentlichen Flugblattaktionen im Berliner Stadtgebiet, vornehmlich in Fußgängerzonen, aber auch vor Schulen, gegen Ausländer und Asylanten Front machten. Militant-rassistisch zeigten sich bereits damals neonazistische Skinheads, als sie im März 1987 vor Berliner Schulen als Steckbrief aufgemachte Flugblätter verbreiteten, in denen - mit Hakenkreuzen und Runen versehen - dazu aufgerufen wurde, einen als DRECKIGEN RASSEFREMDEN UNVÖLKISCHEN KOMMUNISTEN bezeichneten Jugendlichen zu verprügeln. Ab 1988 kam es dann zu ersten Gewalttaten von neonazistischen Skinheads gegen "Linke". So griffen Skinheads im März 1988 eine offensichtlich als "linke" Einrichtung angesehene Selbsthilfegruppe in einem ehemaligen besetzten Haus in BerlinNeukölln mit einem Brandsatz an. Darüber hinaus wurden bis in das Frühjahr 1989 Skinhead-Überfälle auf Personen bekannt, bei denen die Täter ihre Opfer unter Sieg-Heil-Rufen als rote Säue oder linke Schweine titulierten. 2. - Politischer Extremismus - 93 Es gibt allerdings für Berlin keine Erkenntnisse, daß organisierte Rechtsextremisten - auch Neonazis - gezielt Auseinandersetzungen mit linksextremistischen Gegnern suchen. Bekannt ist, daß Neonazis, wie Aktivisten der "Nationalen Alternative" (NA) mit der "Verteidigung" ihres im Jahre 1990 besetztgewesenen Domizils Weitlingstraße 122 (BerlinLichtenberg) bewiesen haben, zu gewalttätigen Abwehrmaßnahmen greifen. Insbesondere neonazistische Skinheads setzen hingegen ihre meist spontanen, von ausgiebiger Brutalität begleiteten Angriffe gegen "Linke" fort, wobei sie auch nicht vor Auseinandersetzungen mit gewalttätigen Linksextremisten, z.B. Autonomen, zurückschrecken. 2.3.5 Beispiele bekanntgewordener tätlicher Auseinandersetzungen 14.02.1991 In Berlin-Wilmersdorf schlägt ein Skinhead einer Frau ins Gesicht, als sie die Frage, ob sie gegen Nazis wäre, bejaht. 16.02.1991 Sechs Skinheads randalieren vor einem Lokal in Niederschöneweide (Berlin-Treptow), in dem überwiegend autonome Kreise verkehren. U.a. wird die Eingangstür mit einem Hakenkreuz beschmiert. 24.02.1991 In einem S-Bahnzug zwischen den Bahnhöfen Waidmannslust und Hermsdorf (Berlin-Reinickendorf) wird ein Mann von einer Gruppe Skinheads geschlagen und getreten; ihrem Opfer entreißen sie einen "Peace-Button". 05.03.1991 Drei Skinheads zerren am Frankfurter Tor (BerlinFriedrichshain) einem Mann seine Jacke vom Leib, auf der ein Aufnäher mit dem Schriftzug "Gegen Nazis" angebracht ist. 94 2. - Politischer Extremismus - 20.04.1991 Im Anschluß an eine Kundgebung in Berlin-Kreuzberg unter dem Motto "Für Frieden und Völkerverständigung - Gegen Rassismus" formiert sich, wie in einer "Vollversammlung" beschlossen, ein nicht angemeldeter Aufzug aus überwiegend Anhängern militanter Antifa-Gruppen in Richtung Lichtenberg mit knapp 1.000 Teilnehmern, um dort einem vermuteten Aufmarsch von Rechtsextremisten entgegenzutreten. 17.06.1991 Im Vorfeld der überwiegend von Autonomen und Angehörigen des RAF-Umfeldes durchgeführten Demonstrationen "Gegen Umstrukturierung und Hauptstadtwahn" unter dem Motto "Potzblitz Regierungssitz ... Gegen ein Berlin der Reichen!" verhindern etwa 50 Angehörige des autonomen Teils der sog. AntifaBewegung, überwiegend Personen aus besetzten Häusern im Ostteil Berlins, handgreiflich eine Kranzniederlegung der "Republikanischen Jugend" in Berlin-Mitte. 23./24.06.1991 Angehörige des autonomen Teils der sog. Antifa-Bewegung beteiligen sich an gewalttätigen Auseinandersetzungen anläßlich eines Konzertes der früheren Skinhead-RockGruppe "Böhse Onkelz" in Berlin-Neukölln. Die Randalierer greifen Polizeibeamte an und zerstören Scheiben des Veranstaltungsortes. Es kommt zu Schlägereien zwischen Demonstranten und Skinheads. Juni/Juli 1991 Autonome führen sog. S-Bahn-Aktionen gegen Skinheads und andere "Faschos" durch. Hierbei fahren sie auf verschiedenen S-Bahn-Strecken, zum Teil bewaffnet, um unter dem Motto "Glatzen klatschen" gewalttätig gegen Rechtsextremisten vorzugehen und "faschistische Parolen" mit Antifa-Losungen zu übermalen. 2. - Politischer Extremismus - 95 17.08.1991 Etwa 2.500 Personen, darunter zahlreiche Linksextremisten einschließlich 100 Autonome aus Berlin, demonstrieren im Raum Bayreuth gegen den Aufmarsch von über 1.000 Personen des rechtsextremistischen Spektrums aus Anlaß des 4. Todestages des ehemaligen Hitlerstellvertreters Rudolf HEß. Berliner Linksextremisten hatten bereits Wochen zuvor mit Planungen für Ausschreitungen begonnen. Während die Polizei in Bayreuth Gewalttätigkeiten zwischen Neonazis und ihren politischen Gegnern weitgehend verhindern kann, kommt es im Umfeld Bayreuths zu massiven Auseinandersetzungen. 24.08.1991 Beteiligung zahlreicher Angehöriger der autonomen Szene an einem Aufzug in Berlin-Kreuzberg aus "Protest gegen den Angriff der türkischen Armee auf Kurdistan". Mehrere Demonstranten greifen zwei Personen außerhalb des Zuges an, die ihrem Erscheinungsbild nach der SkinheadSzene zugeordnet werden. Eine der Angegriffenen erleidet durch Schläge mit einer Flasche Verletzungen am Kopf. Aug./Sept. 1991 Berliner Autonome fahren nach Zeesen b. KönigsWusterhausen (Brandenburg), um dortige Besetzer eines ehemaligen Jagdschlosses gegen Angriffe von Rechtsextremisten zu unterstützen. 22.09.1991 Aktionen autonomer Aktivisten gegen Hooligans und Skinheads anläßlich eines Fußballspiels Hertha BSC - 1. FC-St. Pauli im Olympia-Stadion. Etwa 300 Personen treffen sich zentral in Berlin-Kreuzberg, um gemeinsam zum Veranstaltungsort zu fahren. Die Polizei verhindert tätliche Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Gruppen. 96 2. - Politischer Extremismus - 22./29.09.1991 Autonome und Angehörige des RAF-Umfeldes beteiligen sich in Hoyerswerda (Sachsen) zum Teil führend an mehreren Protestaktionen gegen zuvor erfolgte Übergriffe rechtsextremistischer Gewalttäter auf Asylbewerber. Es kommt u.a. mehrfach zu gewaltsamen Auseinandersetzungen Berliner Autonomer mit Angehörigen der sächsischen Skinhead-Szene. 06.10.1991 Redskins schlagen einen Mann zusammen und entwenden ihm Jackenaufnäher mit dem Schriftzug "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" bzw. mit dem Aufdruck des "Eisernen Kreuzes". 18.10.1991 Fünf Redskins werden vor einem Jugendclub in BerlinPrenzlauer Berg von vier Skinheads mit Baseballschlägern verletzt. 22.10.1991 Brandstiftung im Haus Pfarrstraße 111 (Berlin-Lichtenberg). Ziel des Anschlages war das dortige von einem evangelischen Diakon geleitete Jugendprojekt, in dem Neonazis aus der "Nationalen Alternative" (NA) mitarbeiten. In einer Taterklärung bezichtigt sich eine "antifaschistische Gruppe", eine Brandbombe in dem "getarnten, künftigen Nazihauptquartier" gezündet zu haben. 23.10.1991 Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und Angehörigen der autonomen Szene. Etwa 20 Personen sind unter Benutzung von Schlagwerkzeugen, Gaspistolen und Brandflaschen in Auseinandersetzungen vor besetzten Häusern in der Pfarrstraße (Berlin-Lichtenberg) verwickelt. 26.10.1991 Oliver SCHWEIGERT, Vorsitzender der neonazistischen Partei "Nationale Alternative" (NA), wird in Berlin-Mitte nach einem Interview mit einem französischen Fernsehsender von ca. 10 der autonomen Szene zuzuordnenden Personen verletzt. 2. - Politischer Extremismus - 97 17.11.1991 Etwa 30 Vermummte aus der linksextremistischen Szene greifen auf dem Bahnhof Königs Wusterhausen (Brandenburg) mit Steinen und Baseballschlägern ca. 12 Personen an, die zuvor an einem "Heldengedenktag" der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe teilgenommen hatten. 09.12.1991 Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen insgesamt etwa 50 Angehörigen der autonomen Antifa-Szene und Skinheads in Berlin-Friedrichshain. Mehrere Personen werden verletzt; die Polizei nimmt einige der Kontrahenten vorübergehend fest und stellt Waffen und andere gefährliche Gegenstände sicher. Rückschlüsse auf die Intensität des seitens rechtsextremistischer Kreise angestauten ungezügelten Hasses gegen ihre politischen Gegner lassen auch im Jahre 1991 bekanntgewordene Textschmierereien zu. So stand u.a. auf Wänden und anderen Flächen im Stadtgebiet zu lesen: Linke in die Gaskammer, FAP, den Linken wird es so ergehen wie den Juden in Ausschwitz, Sieht der Nazi rot, ist der Linke tot. 2.3.6 Ausblick Allein die angeführten Beispiele bekanntgewordener tätlicher Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten belegen anhand der Häufigkeit solcher Vorfälle bzw. der jeweils angewandten Methoden und Mittel, daß die Konfrontation beider "Lager" Im Jahre 1991 an Schärfe und Entschlossenheit zugenommen hat. Militante Linksextremisten, und hier insbesondere Autonome, führten ihren "antifaschistischen Kampf", wie seit Jahren propagiert, zunehmend in gewalttätigen Formen. Erfahrungsgemäß sind es momentan vor allem sie, die zielund planvoll zum direkten Angriff auf verhaßte politische Gegner übergehen. Unter Berücksichtigung, daß insbesondere im Ostteil Berlins das rechtsextremistische Gewaltpotential weiter anwächst, muß damit gerechnet werden, daß auch organisierte Neonazis ihre bisher - nicht zuletzt aus einem Gefühl mangelnder Durchsetzungskraft in der direkten Auseinandersetzung mit "Linken" heraus - gezeigte eher defensive Taktik aufgeben. Derart im Vertrauen auf die eigene "Kampfesstärke" ermutigt, wären offensive, 98 2. - Politischer Extremismus - bewaffnete Attacken gegen Personen und Einrichtungen der "linken Szene" denkbar. Aktionistisch gepaart mit den seit geraumer Zeit exzessiv gewalttätigen Skinheads, gliche diese Entwicklung einer politischen Initialzündung für verbesserte Rekrutierungsund Mobilisierungschancen der militanten Linken unter bisher gewaltfreien "Antifaschisten". Eine u.U. dem Prozeß eines gegenseitigen "Hochschaukeins" der untereinander strikt verfeindeten extremistischen Strömungen folgende ständig eskalierende "Gewaltspirale" ist aus heutiger Sicht weder in ihrem Militanzgrad noch hinsichtlich eventueller übergreifender Radikalisierungstendenzen in breiteren Bevölkerungsschichten abschätzbar, jedoch als potentielles zentrales Bedrohungsmoment für die innere Sicherheit deutlich erkennbar. 2. - Politischer Extremismus - 99 2.4 Ausländerextremismus 2.4.1 Überblick Der Sammelbegriff "Ausländerextremismus" umfaßt Organisationen und Gruppierungen von Ausländern mit sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen. Das Hauptgewicht der Arbeit des LfV Berlin im Bereich des Ausländerextremismus lag auch im Jahre 1991 bei der Aufklärung des gewaltorientierten Extremismus. Die Beobachtung der gewaltfreien extremistischen Bestrebungen war für den Berliner Verfassungsschutz wieder von nachrangiger Bedeutung. Dies gilt besonders für orthodox-kommunistische Ausländerorganisationen, deren Niedergang sich nach dem Scheitern des "realen Sozialismus" auch im Jahre 1991 fortsetzte. Als Folge dieser Entwicklung haben eine Vielzahl von ausländischen Organisationen, die sich der orthodox-kommunistischen Ideologie verschrieben hatten, ihre programmatische Zielsetzung aufgegeben oder zumindest soweit verändert, daß diese nicht mehr mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland im Konflikt steht. Diese Organisationen werden vom Verfassungsschutz nicht mehr beobachtet. Trotz des Wegfalls dieses Beobachtungsspektrums konnte von einer Reduzierung der Sicherheitsbedrohung Berlins durch Ausländer keine Rede sein. Beim überwiegenden Teil der Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes auf dem Gebiet des Ausländerextremismus spielt der Kommunismus als Weltanschauung keine oder nur eine geringe Rolle. Viele gewaltorientierte Ausländerorganisationen sind nationalistisch, monarchistisch oder islamisch-extremistisch eingestellt. In Berlin waren im Jahre 1991 nach Angaben des Statistischen Landesamtes Berlin 355.356 Ausländer melderechtlich erfaßt; d.h. der Anteil der ausländischen Mitbürger an der Gesamtbevölkerung in Berlin (ca. 3,5 Mill.) betrug 1991 10,3 % (Stand: 31.12.1991). Knapp 31.000 Ausländer waren 1991 im Ostteil Berlins wohnhaft. Den höchsten Ausländeranteil Berlins stellten 1991 wie in den Vorjahren die 137.592 türkischen Staatsangehörigen. Ferner waren in Berlin etwa 42.000 Jugoslawen, 13.000 Angehörige verschiedener arabischer Staaten, etwa "JEM VHld Jsp usßejyssuy uon jeIz Jydu NeyusßueßusN Jep u UNMOg Yone uuom "uEPINM HUnjSBYSAINP puejyssinsg Ylqndalsspung Jop ul SoPLEWWOYJOLOL usap uoRA 1661 Alyer wi yone ap "(YHid) "Away uesiandey ysul jeuoisinold, J9P USYEHAIIY USYOSNSUOLS} SOIP USUNP uUsqlalq Juyemisun JysN "USWIPIM NZ PUEISIEN UEJeHANM Jspuspyejoßsyaylsysis Jsysßbow ueßem uemejsoßnr uon ueddnug pun ueßunßlusis'A WEUYOSINSIWEINKE UEPUSySISSq Puejyssinsq ul usp yos 'Yuqndassspung Jep Uep4oysqsysylsysis ap elglejueien LeImelsoßnf u usddnußsyion USp usyosmz Beuyuoßing Susysolgeßsne |661 SNN Jod "ulsueJ| pun uUSYINnL 'USPINY UOA USUONESILUERIO SUYOSISIWEINXS SUSNUSLONEMSEB SIMOos uouoresiueßig-ieqgeiy PUN -Jssusunsejed JeyeNUsuoyemeß Jeyasjsillanxe ueddnig uspusysjssq uMeg ul Ip 'snwsuonejsfeels "Bos Jep 1661 syer w uoyyez ullog AJ] sOp uepundiemysssßunysegosg uelsyeMm uop nz 1onloy (Pusßnf eyosysiyosejyNuy) "H1OUSH Issejyuy, eddnug ayosyny sp sepuosagq yos Je} Bueyuswwesnz WESSIP UL "USUOIPY SySlpulsyopuejsne Syalmu! 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Nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden, die zum Teil auf nunmehr zugänglich gewordenen Materialien des ehemaligen "Ministeriums für Staatssicherheit" der DDR basieren, sind u.a. die Geheimdienste Iraks, Libyens, Syriens und Irans als Träger staatsterroristischer Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland in Erscheinung getreten. Bis zur deutschen Einigung am 3. Oktober 1990 waren die Botschaften der genannten Staaten in der ehemaligen DDR ideale Ausgangspunkte für Aktionen im Westteil Berlins. Die Angehörigen dieser Vertretungen konnten grundsätzlich ungehindert und unkontrolliert in den Westteil Berlins einreisen und in ihren Diplomatenwagen Waffen, Munition und Sprengstoff transportieren. Während des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten wurden diese diplomatischen Vertretungen in der DDR zum Teil in Außenstellen der Bonner Botschaften der jeweiligen Staaten umgewandelt und die Zahl der darin tätigen Personen erheblich reduziert. Die Gebäude der Berliner Außenstellen der Botschaften Iraks, Libyens und Syriens werden von diesen Staaten weiter genutzt. Die bisherige Botschaft Irans in der ehemaligen DDR wurde inzwischen in ein Generalkonsulat umgewandelt. Im Zusammenhang mit dem Golfkonflikt bzw. Golfkrieg erhielten die Sicherheitsbehörden Hinweise, wonach die im Bundesgebiet aufhältlichen Angehörigen der irakischen Nachrichtendienste in Anschlagsvorbereitungen verwickelt seien und u.a. zur Abklärung geeigneter Anschlagsziele bzw. zur logistischen Unterstützung eingesetzt würden. Um möglichst frühzeitig Vorbereitungen terroristischer Aktionen zu stören, wurden auf Anregung der deutschen Sicherheitsbehörden ab Ende 1990 erkannte Angehörige von Nachrichtendiensten an den irakischen 102 2. - Politischer Extremismus - diplomatischen Vertretungen in Bonn und Berlin vom Auswärtigen Amt aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. So übergab am 21. Dezember 1990 das Auswärtige Amt dem irakischen Botschafter in Bonn eine Liste von acht irakischen Diplomaten - davon drei aus der ehemaligen Botschaft in der DDR -, die bis zum 4. Januar 1991 die Bundesrepublik Deutschland verlassen mußten. In der Folgezeit wurde weiteres irakisches Botschaftspersonal ausgewiesen. Nach Einschätzung der deutschen Sicherheitsbehörden hatten ihre Präventivmaßnahmen, die sich auch auf außerhalb der Botschaften tätige Angehörige irakischer Nachrichtendienste bezogen, zur Folge, daß deren Struktur in Deutschland empfindlich gestört wurde und es auch aus diesem Grunde zu keinen terroristischen Aktivitäten auf deutschem Boden kam. Von den Nachrichtendiensten Libyens, Syriens und Irans wurden im Jahre 1991 keine staatsterroristischen Aktivitäten bekannt. 2.4.3 Palästinenser/Araber Das Ausmaß der Gefährdung der inneren Sicherheit Berlins durch Gewaltakte von palästinensischen/arabischen Extremisten wird hauptsächlich von der politischen Situation im Nahen Osten, d.h. dem Verhalten der dort miteinander und gegeneinander wirkenden politischen Kräfte, bestimmt. Vor dem Hintergrund des arabisch-israelischen Konfliktes, um dessen Beilegung sich seit Ende Oktober 1991 die Weltmächte sowie die Konfliktparteien im Nahen Osten bemühen, war der Golfkonflikt das Schlüsselereignis bei der Beurteihjng und Einschätzung der Bedrohungslage für die Sicherheit der Stadt durch Aktivitäten palästinensischer bzw. arabischer Extremisten. Träger der sicherheitsgefährdenden Bestrebungen sind seit Jahren einerseits die in der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) zusammengeschlossenen Palästinenser-Organisationen sowie aus diesen hervorgegangene Splittergruppen und andererseits islamisch-fundamentalistisch bzw. -extremistisch ausgerichtete Palästinenserund Araber-Organisationen. Diese Organisationen und Gruppen operieren sowohl im Nahen Osten als auch in Europa einschließlich der Bundesrepublik Deutschland. 2. - Politischer Extremismus - 103 Etwa 13.000 Angehörige verschiedener arabischer Staaten sowie etwa 10.000 - zum Teil illegal aufhältliche - Palästinenser leben derzeit in Berlin. Der Anteil in extremistischen bzw. in extremistisch beeinflußten Organisationen und Gruppen in Berlin ist weiterhin sehr gering. Das extremistische Kernpotential unter den Arabern und Palästinensern in Berlin umfaßte im Jahre 1991 nach hiesiger Schätzung etwa 300 Personen. 2.4.3.1 PLO-Mitgliedsorganisationen Etwa 180 dieser 300 Personen gehörten PLO-Mitgliedsorganisationen bzw. aus diesen hervorgegangenen Splittergruppen an. Von den neun Mitgliedsorganisationen der PLO, die im Jahre 1964 als Dachverband aller Palästinenser-Organisationen gegründet worden war und in ihrem Programm, der "Palästinensischen National-Charta", die Vernichtung des Staates Israel als strategisches Ziel verankert hat, waren sechs mit Gliederungen (Gruppen, Zellen, Stützpunkte, Einzelmitglieder) in Berlin vertreten. Es handelt sich um "AI FATAH" "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) "Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando" (PFLP-GC) "Palästinensische Volkskampffront" (PPSF) "AL SAIQA" Von den restlichen drei Organisationen sind die "Palästinensische Befreiungsfront" (PLF) sowie die erst 1984 in die PLO aufgenommene "Palästinensische Kommunistische Partei" (PKP) in Berlin bisher nicht in Erscheinung getreten; die von Irak gesteuerte Palästinenser-Organisation "Arabische Befreiungsfront" (ALF) zählte nicht zu den Beobachtungsobjekten 104 2. - Politischer Extremismus - der Verfassungsschutzbehörden. Diese Organisation gewann erst im Verlauf des Golfkrieges unter dem Aspekt der inneren Sicherheit Bedeutung. In Berlin waren weiterhin Angehörige von palästinensischen Terrororganisationen bzw. -gruppen aktiv, die sich von der PLO abgespalten haben. Zu nennen sind hier insbesondere die "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) sowie die "Abu-Moussa-Gruppe". Im Jahre 1991 boten diese Organisationen in Berlin folgendes Erscheinungsbild: Die "FATAH" verfügte in Berlin über etwa 100 Mitglieder. Von diesen war jedoch nur ein sehr kleiner Teil aktiv. Die Gruppe wurde von der Berliner Zweigsteile der Informationsstelle Palästina (ISPA) in Bonn angeleitet. Bei der Berliner Zweigstelle der ISPA handelt es sich um die vormalige Botschaft der PLO in der ehemaligen DDR. Das Engagement der größten PLO-Mitgliedsorganisation FATAH unter ihrem Führer Yassir ARAFAT bei der im Oktober 1991 begonnenen Nahost-Friedenskonferenz führte dazu, daß radikalere PalästinenserOrganisationen, insbesondere die ANO und die PFLP-GC, aber auch islamisch-extremistische Gruppen Anschläge gegen führende Funktionäre der FATAH ankündigten. Auch Repräsentanten der FATAH in Berlin waren davon betroffen. Aufgrund des desolaten Gesamtzustandes der Gruppe gingen von ihr als Organisation im Berichtszeitraum keine sicherheitsgefährdenden Aktivitäten aus. Der Berliner Gruppe der PFLP gehörten im Jahre 1991 etwa 25 Palästinenser an, die konspirativ in Zellen arbeiten. Die Gruppe wurde von einem Kollektiv geleitet. Die Berliner PFLP-Gliederung trat 1991 öffentlich nicht in Erscheinung. Durch Präventivmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Golfkrieg Anfang des Jahres 1991 gelang es den deutschen Sicherheitsbehörden, die PFLP-Mitgliedschaft in der 2. - Politischer Extremismus - 105 Bundesrepublik Deutschland stark zu verunsichern. Aus diesem Grund ist die Gefahr terroristischer Anschläge durch PFLP-Kommandos derzeit gering einzuschätzen. Jedoch geht von der Organisation eine latente Sicherheitsbedrohung aus. Zu beachten ist, daß die PFLP zu den radikalen PalästinenserOrganisationen zählt, die die Nahost-Friedenskonferenz strikt ablehnen. In Berlin gehörten der DFLP im Jahre 1991 etwa 30 Mitglieder an. Ende 1990 hatte sich die Organisation gespalten. Der eine Flügel, der sich um den aus der DFLP wegen seiner proirakischen Haltung während des Golfkonfliktes ausgeschlossenen Nayef HAWATMEH gebildet hat, steht hinter der Politik des PLO-Chefs Yassir ARAFAT. Der andere Flügel der DFLP unterstützt die Politik Syriens, wo sich auch die Zentrale der Organisation befindet. Im Jahre 1991 vollzog sich auch die Spaltung innerhalb der DFLP-Organisation in der Bundesrepublik Deutschland. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der beiden Flügel sind in der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht bekanntgeworden. Die Sicherheitsbedrohung durch die DFLP ist als gering einzuschätzen. Die übrigen obengenannten Palästinenser-Organisationen, wie die PFLP-GC, ANO, SAIQA und PPSF, verfügten in Berlin nach den Erkenntnissen der Berliner Verfassungsschutzbehörde über keine Gliederungen. Sie waren in der Stadt nur mit Einzelmitgliedern und Anhängern vertreten. Die meisten Berliner Angehörigen aller Palästinenser-Organisationen waren außerdem im "Palästinensischen Arbeiterverein" (PAV) bzw. im "Palästinensischen Studentenverein" (PSV) in Berlin organisiert. Beide Vereinigungen fungieren als Sammelbecken der in Berlin lebenden Palästinenser. Zusammen verfügten sie über 450 Mitglieder. Aktivitäten gingen von beiden Vereinigungen im Jahr 1991 nicht aus. Der größte Teil der Mitglieder war inaktiv. Im Zusammenhang mit dem Golfkrieg führten die Berliner Sicherheitsbehörden Präventivmaßnahmen (u.a. Hausdurchsuchungen, melderechtliche Auflagen) gegen erkannte extremistische Palästinenser/Araber durch. Dies führte zu einer allgemeinen Verunsicherung 106 2. - Politischer Extremismus - unter den in Berlin lebenden Palästinensern und Arabern. Vermutlich aus diesem Grund fanden auch keine nennenswerten Aktionen der genannten Palästinenser-/Araber-Organisationen in Berlin statt. 2.4.3.2 Islamisch-extremistische Palästinenserund Araber-Organisationen Im Gegensatz zu den PLO-Mitgliedsorganisationen, die nicht zuletzt wegen des politischen Agierens des PLO-Vorsitzenden ARAFAT viel an politischer Geltung verloren haben und sich insgesamt gesehen in einem desolaten Zustand befinden, erfuhren islamisch-extremistische Palästinenserund Araber-Organisationen wegen ihrer konsequenten anti-israelischen Haltung, die in dem Ziel der Auslöschung des Staates Israel gipfelt, einen starken Zulauf an Mitgliedern und Anhängern. Wegen ihrer Ziele stellten diese Organisationen eine latente Bedrohung der inneren Sicherheit Berlins dar. Folgende islamisch-extremistische Palästinenserund Araber-Organisationen verfügten in Berlin über Gliederungen: "Hizb Allah" (Partei Gottes), "Hizb AI-Da'Wa Al-Islamia" ("Partei des Islamischen Rufs der Islamischen Mission"), AMAL-Bewegung, "Moslem-Bruderschaft" mit ihrer radikalen Abspaltung "Islamische Avantgarden", "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS), "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PU). Diese Organisationen, die ihre Zentralen in den von Israel besetzten Gebieten, im Libanon und im Iran haben, verfügten in Berlin zusammen über etwa 120 aktive Mitglieder. Trefforte dieses Personenkreises waren insbesondere mehrere Moscheen in Berlin. 2. - Politischer Extremismus - 107 Die Anhängerschaft der islamisch-extremistischen Organisationen und Gruppen in Berlin ist um ein Vielfaches höher als die der in Berlin aktiven PLOMitgliedsorganisationen. Von einem mobilisierbaren Potential von mehreren tausend Personen ist auszugehen. So führten Anhänger islamischextremistischer Organisationen am 26. Januar 1991 eine Demonstration zum Thema "Gegen den Golfkrieg" durch, an der sich etwa 5.000 Personen beteiligten. Unter den Teilnehmern befanden sich viele Anhänger der "Moslembruderschaft", der "Hizb Allah", der "HAMAS" und des PL). Im Jahre 1991 ging insbesondere von der Organisation "Palästinensischer Islamischer Jihad" eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland aus. Diese in sechs Fraktionen aufgespaltene Organisation, die bisher terroristisch nur im Nahen Osten in Erscheinung getreten war, erhielt im Jahre 1991 starken Zulauf in der Bundesrepublik Deutschland. In Berlin, wo es bisher nur Einzelmitglieder des PIJ gab, etablierte sich im Berichtszeitraum eine Gruppe von etwa 40 Mitgliedern. Diese Gruppe setzt sich aus fanatischen Moslems zusammen, die sich die Vernichtung des Staates Israel zum obersten Ziel gesetzt haben. Während des Golfkrieges wurde von führenden Funktionären des PIJ auch mit Anschlägen gegen US-amerikanische Ziele in der Bundesrepublik Deutschland gedroht. 2.4.4 Türken Die Aktivitäten der in Berlin organisierten Türken im Bereich des politischen Extremismus stellen ein Spiegelbild der tiefgreifenden sozialen und politischen Konflikte in der Türkei dar. Ihre Zahl ist jedoch im Vergleich zur Gesamtzahl der in Berlin lebenden Türken äußerst gering. Von den 137.592 melderechtlich erfaßten türkischen Staatsangehörigen in Berlin waren im Jahre 1991 etwas weniger als 2.000 Personen Mitglied in einer extremistischen bzw. extremistisch beeinflußten Türkenorganisation in Berlin. Bei der Bewertung des Ausländerextremismus muß besonders bei den türkischen Staatsangehörigen berücksichtigt werden, daß nicht alle Angehörigen extremistisch beeinflußter Organisationen deren Zielsetzung vorbehaltlos unterstützen. Häufig sind die Beweggründe für eine Mitgliedschaft, insbesondere bei den im Verhältnis zu anderen Nationalitäten mitgliederstarken Türkenorganisationen, im zwischenmenschlichen Bereich angesiedelt. Es werden vorrangig Kontakte zu Landsleuten und Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsproblemen gesucht. Allerdings erliegen diese Ausländer nicht selten der indoktrinierenden Kraft geschulter Funktionäre. 108 2. - Politischer Extremismus - 2.4.4.1 Linksextremisten Zu den gewaltorientierten Organisationen der türkischen Neuen Linken, die im Jahre 1991 in Berlin Aktivitäten entwickelten, zählen "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP), "Türkische Volksbefreiungspartei/-front" (THKP/-C), "Devrimci Yol" ("Revolutionärer Weg") und die verbotene Türken-Organisation "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke"), die seit ihrem Verbot auch die Tarnbezeichnung "Avrupa'da Dev Gene" ("Revolutionäre Jugend in Europa") benutzt. Diesen Organisationen bzw. Gruppen wurden in Berlin etwa 150 Personen (aktiver Kern) zugerechnet. Die in Berlin bestehende Gruppe der TKP/M-L mit etwa 50 aktiven Mitgliedern und nach hiesiger Schätzung weiteren 100 Anhängern entwickelte im Jahre 1991 zahlreiche Aktivitäten, in deren Verlauf es auch zu Gewalthandlungen, u.a. gegen die Polizei, kam. Beispielhaft hierfür waren folgende öffentliche Veranstaltungen 1991 in Berlin: Am 8. Oktober 1991 fand eine Solidaritätsdemonstration der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" (RK) für den des Totschlags angeklagten türkischen Staatsbürger Ayhan ÖZTÜRK statt. Aus der Mitte der etwa 400 Teilnehmer, darunter auch mehrere Anhänger und Mitglieder der TKP/M-L, warfen einzelne Randalierer u.a. Steine auf Polizeibeamte und das Gerichtsgebäude. Am Rande eines Trauermarsches am 16. November 1991 aus Anlaß des Todes von Mete EKSI vom Adenauerplatz in Berlin-Charlottenburg zum Rathaus Schöneberg versuchten insbesondere die Anhänger der TKP/M-L zum Teil mit gewaltsamen Aktionen auf die eigenen Belange aufmerksam zu machen. Etwa 20 ihrer Anhänger waren während der 2. - Politischer Extremismus - 109 gesamten Veranstaltung mehrmals in tätliche Auseinandersetzungen sowohl mit den Ordnern des Veranstalters als auch mit der Polizei verwickelt. Aus dieser Personengruppe wurden wiederholt Parolen wie "Nie wieder Deutschland" und "Tod dem Faschismus" gerufen. Die TKP/M-L bemühte sich auch im Jahre 1991 in Berlin um die Eintreibung von Spendengeldern. Wie im Vorjahr bediente sie sich dabei krimineller Methoden. Im Januar 1991 ereigneten sich derartige Vorfälle im Bezirk Wedding. Es ist davon auszugehen, daß die TKP/M-L erpresserische Methoden zur Eintreibung von sog. Spenden häufiger anwendet, dies aber in der Mehrzahl der Fälle nicht bekannt wird, weil die Geschädigten vermutlich aus Angst vor Repressalien keine Anzeige bei der Polizei erstatten. Eine latente Bedrohung für die innere Sicherheit Berlins ging im Jahre 1991 auch von der im Februar 1983 in der Bundesrepublik Deutschland verbotenen Türken-Organisation "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke") bzw. ihrer Nachfolgeorganisation "Avrupa'da Dev Gene" ("Revolutionäre Jugend in Europa") aus. Mit Beginn des Golfkrieges waren in der Türkei zunehmende Gewaltaktivitäten der dort terroristisch operierenden "Devrimci Sol" zu verzeichnen. Bei Feuergefechten mit türkischen Sicherheitskräften anläßlich einer großangelegten Durchsuchungsaktion in Istanbul in der Nacht zum 13. Juli 1991 wurden 10 mutmaßliche "Devrimci Sol"-Aktivisten getötet und 12 festgenommen. Die Organisation führte deswegen zahlreiche Protestaktionen, auch in der Bundesrepublik Deutschland, durch. Ein besonderes Problem bei den sicherheitsgefährdenden Aktivitäten von Türken in Berlin stellt das unorganisierte, politisch motivierte Gewaltpotential jugendlicher Türken dar. Dieses zahlenmäßig nicht genau bestimmbare Gewaltpotential war auch im Jahre 1991 an Gewalthandlungen, die im Verlauf von Demonstrationen entfacht wurden, beteiligt, wie etwa am 1. Mai 1991. Aufgrund der inzwischen der Berliner Verfassungsschutzbehörde vorliegenden Erkenntnisse können zwei Arten der an den gewaltsamen Ausschreitungen beteiligten Ausländer unterschieden werden: Bei vielen türkischen Gewalttätern, insbesondere bei Jugendlichen, dürfte es sich - auch nach Auffassung zuständiger Polizeidienststellen - um sog. Destruktionstäter (Zerstörungswut) bzw. um Personen handeln, 110 2. - Politischer Extremismus - die sich einen finanziellen bzw. materiellen Vorteil (Plünderungen) verschaffen wollen. Zahlreiche tätliche Auseinandersetzungen einzelner türkischer Jugendlicher mit tatsächlichen oder vermeintlichen deutschen Rechtsextremisten im Jahre 1991 ließen keinen organisierten politischen/extremistischen Hintergrund erkennen. Bei anderen an den Ausschreitungen beteiligten türkischen Staatsangehörigen dürften politische Motive, nach außen hin manifestiert durch ihr gemeinsames Auftreten mit Personen aus dem deutschen autonomen Bereich, ausschlaggebend gewesen sein. Bezeichnend hierfür ist die Tatsache, daß diese Erscheinungsformen von Gewaltanwendung stets im Zusammenhang mit Kundgebungen, Aufzügen oder sonstigen Aktivitäten standen, die erkennbare Bezüge zu tagespolitischen Ereignissen bzw. aktuellen Themen aufwiesen und häufig durch provokatives Auftreten auf Konfrontation mit den Sicherheitsorganen abzielten. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß es vor solchen Ausschreitungen gemeinsame Absprachen zwischen gewaltbereiten Türken und deutschen Autonomen gegeben hat. Insbesondere die in Berlin agierenden Gruppen der türkischen Neuen Linken (TKP/M-L, TDKP und "Avrupa'da Dev Gene") waren bemüht, dieses unorganisierte Gewaltpotential in Berlin für ihre Zwecke einzusetzen. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch eine türkische Gruppe^ die sich "Antifasist Genclik" ("Antifaschistische Jugend1') nennt Die Gruppe ist dem autonomen Spektrum der Antifa-Bewegung zuzurechnen. Diese aus etwa 30 Personen bestehende Gruppe zeichnete sich im Jahre 1991 durch besondere Gewaltbereitschaft aus. So beteiligten sich zum Beispiel am 20. April 1991 einige ihrer Anhänger an gewaltsamen Auseinandersetzungen in Berlin-Kreuzberg mit Rechtsextremisten aus Anlaß des Geburtstages von Adolf HITLER. Bei der Demonstration in Hoyerswerda (Sachsen) am 29. September 1991 gegen Übergriffe rechtsextremistischer Gewalttäter auf Asylbewerber fielen etwa 30 Aktivisten dieser Gruppe durch besonders ausgeprägte Gewaltbereitschaft, u.a. gegenüber Polizisten und Pressevertretern, auf. 2. - Politischer Extremismus - 111 2.4.4.2 Rechtsextremisten Die rechtsextremistischen, d.h. extrem-nationalistischen Türken-Organisationen in Berlin vertreten die Ideen und politischen Ziele der "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP) in der Türkei. In Berlin gibt es vier MCPorientierte Vereinigungen, die auch unter der Bezeichnung "idealistenvereine" bekannt sind: "Großer Idealer Kreis Türkischer Kulturverein Berlin e.V." (BÜD) mit etwa 300 Mitgliedern, "Türkische Gemeinschaft in Berlin e.V." (BTO) mit etwa 50 Mitgliedern, "Vereinigung der türkischen Jugend in Berlin e.V." (BTGB) mit etwa 50 Mitgliedern, "Türkischer Studentenund Jugendverein e.V." (TÖGD) mit etwa 10 Mitgliedern. Diese Vereinigungen sind in der Lage, für Großveranstaltungen zwischen 500 und 1.000 Personen zu mobilisieren. Die "Idealistenvereine" in Berlin beschränkten ihre Aktivitäten im Berichtszeitraum größtenteils auf interne Zusammenkünfte und Veranstaltungen aus Anlaß nationaler und religiöser Feiertage. Das wichtigste Ereignis der türkischen "Idealisten" in Berlin war das Erscheinen des Führers der MCP, Alparslan TÜRKES, in Berlin. Er trat bei einer Großveranstaltung des BÜD am 16. Februar 1991 auf. Etwa 1.000 Personen hatten an der Veranstaltung teilgenommen. Ein weiteres wichtiges Thema der türkischen Rechtsextremisten in Berlin war im Jahre 1991 die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Wiederholt wurde bei Veranstaltungen geäußert, sich in sog. Selbstschutzgruppen zu organisieren und sich ggf. zu bewaffnen. Zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit durch derartige Aktivitäten ist es bisher nicht gekommen. 112 2. - Politischer Extremismus - 2.4.4.3 Islamisch-extremistische Türken Die Mehrzahl der islamisch-extremistischen Türken in Berlin orientiert sich an den Zielen der "Wohlstandspartei" (RP) in der Türkei. Das Hauptziel dieser Partei ist die Errichtung einer islamischen Staatsordnung in der Türkei nach dem Muster der Islamischen Republik Iran. Etwa 1.300 Türken waren im Jahre 1991 in Berlin in der "Islamischen Föderation in Berlin e.V." organisiert. Dieser Dachverband von über 20 Vereinigungen in Berlin wird maßgeblich von der islamisch-extremistischen "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) mit Sitz in Köln beeinflußt. Die AMGT vertritt die politischen Ziele der "Wohlstandspartei" (RP) in der Bundesrepublik Deutschland. Öffentliche Aktivitäten, die die innere Sicherheit Berlins gefährdeten, gingen im Jahre 1991 von der "Islamischen Föderation in Berlin e.V." nicht aus. Zu erwähnen ist jedoch, daß Ende 1991 auch im Bereich der islamischextremistischen Türken in Berlin sog. Schutzgruppen gegen ausländerfeindliche Aktivitäten ins Leben gerufen wurden. Die Angehörigen dieser sog. Schutzgruppen wurden regelmäßig in Karateund TaekwandoKursen geschult. Dabei soll es sich nicht um eine allgemeine Unterrichtung in Kampfsportarten gehandelt haben, sondern um ein gezieltes Training zur Abwehr von Angriffen durch vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten. Als weitere islamisch-extremistische Türken-Vereinigung in Berlin ist das "Muslimen-Treffund Kulturzentrum" zu nennen, in dem etwa 20 Türken organisiert sind. Diese Vereinigung orientiert sich an den Lehren des unter der Bezeichnung "Türkischer KHOMEINI" bekannten Cemaleddin KAPLAN und bezeichnet sich öffentlich als Berliner Repräsentantin des von KAPLAN geführten Verbandes der "Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB). Nennenswerte Aktivitäten entwickelte die Vereinigung im Jahre 1991 in Berlin nicht. 2. - Politischer Extremismus - 113 2.4.5 Kurden Der politische Extremismus kurdischer Gruppen ist eine Folge der seit Jahrzehnten vergeblich erhobenen Forderungen der Kurden nach politischer Unabhängigkeit bzw. Autonomie und kultureller Selbstbestimmung innerhalb der Staaten, in denen das kurdische Volk heute noch lebt. Bei den Staaten handelt es sich um die Türkei, Iran, Irak und Syrien sowie die ehemalige Sowjetunion. Die genaue Zahl der Kurden schwankt je nach dem politischen Interessenstandpunkt; Schätzungen bewegen sich zwischen 10 und 20 Millionen. Etwa die Hälfte von ihnen lebt im Osten der Türkei, dem ärmsten Gebiet des Landes; jeweils ca. ein Viertel lebt im Iran und im Irak. In Berlin wird die Zahl der Kurden auf 35.000 bis 50.000 Personen mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit geschätzt. Aus diesem Personenkreis wurden im Jahre 1991 ungefähr 200 extremistischen und extremistisch beeinflußten Kurden-Organisationen zugerechnet. Mit der Wohnsitznahme vieler Kurden (überwiegend türkischer Staatsangehörigkeit) - sei es als Gastarbeiter oder Asylanten - in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen westlichen Ländern Europas wurde auch die Bundesrepublik Deutschland und somit Berlin mit der ungelösten Kurdenfrage konfrontiert. Die für die Sicherheitslage Berlins wichtigste Kurden-Organisation ist die linksextremistische, international agierende, gewaltorientierte "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Wegen ihrer in den vergangenen Jahren durchgeführten Gewalthandlungen (u.a. zahlreiche Terroranschläge und Morde in der Türkei sowie Anschläge auf türkische Einrichtungen und deren Repräsentanten im Ausland) wurde die PKK im Berichtszeitraum intensiv von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Dem Gebietskomitee Berlin der PKK gehörten im Jahre 1991 etwa 150 Mitglieder und Anhänger an. Treffund Versammlungsort der Gruppe ist das "Kurdische Kulturzentrum BOTAN in Berlin e.V." im Bezirk Kreuzberg. Im Berichtszeitraum richtete die Berliner PKK-Gruppe den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf öffentliche Aktionen, die sich mit den militärischen Operationen der türkischen Armee gegen Ausbildungslager und Stützpunkte der PKK im türkisch-irakischen Grenzgebiet befaßten. 114 2. - Politischer Extremismus - Im August 1991 führte die Berliner PKK-Gliederung insgesamt fünf öffentliche Aktionen durch, um gegen die militärischen Operationen der türkischen Armee im türkisch-irakischen Grenzgebiet zu protestieren. Zweimal versuchten dabei Angehörige der PKK und Mitglieder linksextremistischer Türken-Organisationen (u.a. TKP/M-L), in das Rathaus Schöneberg einzudringen, um dem Regierenden Bürgermeister und Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses Protestresolutionen zu übergeben. Beide Aktionen wurden von der Polizei verhindert. Protestaktionen fanden nicht nur in Berlin, sondern im gesamten Bundesgebiet statt. Neben friedlichen Besetzungsaktionen und Demonstrationen wurden von der PKK auch Sachbeschädigungen gegen türkische Konsulate, Banken und Reisebüros durchgeführt. Die Polizei nahm in mehreren Städten der Bundesrepublik Deutschland in diesem Zusammenhang zahlreiche Personen fest. Die bundesweiten Besetzungsaktionen und Sachbeschädigungen an türkischen Einrichtungen betrachtete die PKK offensichtlich als legitimes Mittel, um die Öffentlichkeit auf die Kurden-Problematik hinzuweisen. Auf jede weitere Gewaltanwendung wurde von den Mitgliedern der PKK verzichtet, um die bis jetzt teilweise erworbene Sympathie für die Kurden bei der deutschen Bevölkerung nicht zu verlieren. Die Partei achtete auch strikt darauf, daß es bei ihren Aktionen nicht zu größeren Personenschäden kam. Bewußt wurden Frauen und Kinder für Besetzungsaktionen eingesetzt. Darüber hinaus beteiligte sich die Berliner PKK-Gliederung im Berichtszeitraum mit mehreren Aktionen an einer Kampagne wegen in Düsseldorf und Celle geführter Prozesse gegen PKK-Funktionäre, denen u.a. Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Mord, Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung und anderes mehr vorgeworfen wird. 2.4.6 Iraner Der politische Extremismus unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Iranern hat seine Wurzeln in den seit Jahrzehnten andauernden politischen, religiösen und sozialen Konflikten im Iran, die in der islamischen Revolution von 1979 kulminierten. 2. - Politischer Extremismus - 115 In Berlin waren im Jahre 1991 etwa 6.300 iranische Staatsangehörige melderechtlich erfaßt. Etwa 150 waren in extremistischen bzw. extremistisch beeinflußten Vereinigungen in Berlin organisiert. Bei der Beobachtung des politischen Extremismus/Terrorismus unter Iranern in Deutschland unterscheiden die Verfassungsschutzbehörden zwei Bereiche. Zum einen stellen die Anhänger des Mullah-Regimes im Iran eine ständige Sicherheitsbedrohung für Deutschland dar. Zum anderen bildet die in Deutschland aktive iranische Opposition gegen die Herrschaft der Mullahs einen Gefahrenherd. 2.4.6.1 Regimeanhänger Die außerhalb des Iran lebenden Anhänger des Regimes der Islamischen Republik Iran sind vor allem in der "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) organisiert. Eine der Hauptaufgaben der U.I.S.A. in der Bundesrepublik Deutschland ist die Ausspähung sowie ggf. die Bestrafung von gegen das Mullah-Regime aktiven iranischen Oppositionellen. In der Vergangenheit sind Mitglieder der U.I.S.A. in Deutschland mehrfach durch Gewalthandlungen, u.a. tätliche Auseinandersetzungen mit oppositionellen iranischen Studenten, in Erscheinung getreten. Die U.I.S.A. sprach sich außerdem für eine Bestrafung des Autors des Buches "Satanische Verse", Salman RUSHDIE, aus und billigte ausdrücklich das vom verstorbenen Ayatollah KHOMEINI gegen RUSHDIE verhängte Todesurteil, das vom neuen iranischen Staatspräsidenten RAFSANDSCHANI erneuert wurde. Die U.I.S.A. wird vom Iran aus bzw. von iranischen diplomatischen Vertretungen im Ausland gesteuert. In Berlin gehört der Verein "Islamischer Studenten in Berlin-West e.V." der U.S.I.A. als Mitgliedsorganisation an. Im Verein sind etwa 20 Mitglieder aktiv. Im Berichtszeitraum wurden vom Verein keine nennenswerten Aktivitäten durchgeführt. 2.4.6.2 Regimegegner Die Opposition gegen die Herrschaft der Mullahs ist zersplittert und - soweit nicht vernichtet oder mundtot gemacht - im Exil. Die Opposition reicht heute von den zur "Neuen Linken" zählenden gewaltorientierten Gruppen 116 2. - Politischer Extremismus - "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI), deren Ziele in Berlin der "Moslem-Studentenverein West-Berlin" mit etwa 50 Mitgliedern vertritt, "Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran" (O.I.P.F.G.), die über eine kleine Gruppe von Anhängern in Berlin verfügt, über die heute bedeutungslose orthodox-kommunistische Organisation "Tudeh-Partei Iran" mit etwa 10 Mitgliedern in Berlin, bis zu den monarchistischen Organisationen, von denen der "Rat der Konstitutionellen Monarchie des Iran in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin" (R.K.M.I.), dessen Berliner Gliederung etwa 60 Mitglieder zählt, die bedeutendste Vereinigung ist. Von diesen Organisationen gingen im Berichtszeitraum keine sicherheitsgefährdenden Aktivitäten aus. 2.4.7 Jugoslawen DeM991 attsgebrochene Bürgerkrieg in Jugoslawien Heß befürchten, daß der Funke zur Gewalttätigkeit auch auf die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Jugoslawen überspringt. In Berlin waren im Jahre 1991 etwa 42.000 jugoslawische Staatsangehörige registriert. Von diesen sind nur sehr wenige politisch aktiv bzw. in extremistischen Vereinigungen organisiert. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien veranlaßte 1991 die rund 15.000 Personen zählende Kroatische Gemeinde in Berlin, mehrere Demonstrationen durchzuführen. Die Aufzüge standen alle unter dem Motto "Gegen Bürgerkrieg und gegen großserbische Prätention auf Kroatien". An einer am 16. November 1991 von etwa 1.200 Kroaten getragenen Demonstration vom Pariser Platz zum Breitscheidplatz beteiligten sich auch Mitglieder und Anhänger extremistischer Kroaten-Organisationen. 2. - Politischer Extremismus - 117 Am 22. Dezember 1991 veranstalteten erstmals Serben eine Demonstration, an der über 600 Personen teilnahmen. Die Demonstration führte vom Reichstag zum Ernst-Reuter-Platz und stand unter dem Motto "Einseitige Berichterstattung der deutschen Medien und Einmischung deutscher Politiker in die inneren Angelegenheiten Jugoslawiens, Volksverhetzung gegen die Serben". Unter den Teilnehmern befanden sich auch serbische Extremisten, unter anderem jüngere, die Kampfuniformen der sog. Tschetniks (TotenkopfEmbleme an der Mütze) trugen. 2.4.8 Ausblick Die Ende Oktober 1991 begonnene Nahost-Friedenskonferenz hat die Palästinenser in zwei Lager gespalten. Yassir ARAFAT und seine Anhänger, insbesondere die FATAH, haben sich bereit erklärt, den Weg des Verhandeins einzuschlagen. Er zog sich damit die entschiedene Gegnerschaft anderer Palästinenser-Organisationen (insbesondere ANO und PFLP-GC) sowie islamisch-extremistischer Organisationen (u.a. PIJ) zu. Führende Funktionäre dieser Organisationen haben den Befürwortern der Nahost-Friedenskonferenz gedroht, sie zu ermorden. Selbst wenn zur Zeit die Gefahr von Anschlägen in westeuropäischen Staaten durch palästinensische Terrorgruppen (ANO, PFLP-GC) gering zu sein scheint, da keiner ihrer bisherigen UnterstützerStaaten (Syrien, Libyen, Irak, Iran) gegenwärtig bereit oder in der Lage ist, ihnen die hierfür erforderliche Hilfe (Reisedokumente, Logistik in der Einsatzregion, Ruheräume) zu gewähren, kann nicht ausgeschlossen werden, daß Einzeltäter dieser Gruppen Terrorakte durchführen werden. Besonders trifft dies auf den PIJ zu, der wegen seiner bedingungslosen Gegnerschaft zu Israel im Jahre 1991 einen starken Zulauf von Mitgliedern erhalten hat. Der Golfkrieg zu Beginn des Jahres 1991 sowie die vorgenannten anderen Gründe veranlaßten die deutschen Sicherheitsbehörden im Berichtszeitraum, den palästinensischen bzw. arabischen Extremisten große Aufmerksamkeit zu widmen. Durch Präventivmaßnahmen, die im Zusammenhang mit dem "Golfkrieg" standen, konnten palästinensische bzw. arabische Extremisten in Deutschland unter Kontrolle gehalten werden. 118 2. - Politischer Extremismus - Eine Gefahr für die innere Sicherheit Berlins geht ferner von den gewaltorientierten linksextremistischen Türken-Organisationen aus, die auch 1991 im Verlauf von öffentlichen Aktionen durch Gewalthandlungen in Erscheinung getreten sind. Zu diesem Spektrum muß seit 1991 auch die Gruppe "Antifasist Genclik" gezählt werden, die mehrfach durch äußerst brutale Gewalthandlungen in Erscheinung trat. Von den rechtsextremistischen bzw. islamisch-extremistischen TürkenVereinigungen in Berlin geht derzeit keine akute Beeinträchtigung der Sicherheitslage aus. Die PKK stellt eine ständige Bedrohung der inneren Sicherheit Berlins dar. Die deutschen Sicherheitsbehörden gingen bisher davon aus, daß die PKKMitglieder aufgrund einer Weisung ihrer Führung auf die derzeit laufenden Gerichtsverfahren in Düsseldorf und Celle Rücksicht nehmen und jeglichen Anschein, eine terroristische Vereinigung zu sein, vermeiden. Zudem stellte die Bundesrepublik Deutschland für die PKK in der Vergangenheit einen wichtigen "Ruheraum" dar, in dem sie sowohl Spendengelder sammeln als auch neue Kämpfer für den. Guerilla-Krieg in der Osttürkei werben konnte. In den letzten Monaten hat sich jedoch die innenpolitische Lage in der Türkei, insbesondere durch massive Angriffe der türkischen Luftwaffe auf vermutete Stützpunkte der PKK im türkisch-irakischen Grenzgebiet, erheblich verschärft. Vor diesem Hintergrund muß wegen der aufgeheizten Stimmungslage unter den PKK-Mitgliedern damit gerechnet werden, daß die PKK ihre bisherige Rücksichtnahme auf ihren "Ruheraum" Deutschland sowie auf den Ausgang den PKK-Prozesse aufgeben und Racheaktionen gegen türkische Einrichtungen und Personen auch hier durchführen wird. Erwähnenswert ist darüber hinaus, daß die PKK seit Oktober 1991 immer heftigere verbale Angriffe gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen ihrer Militärhilfe an die Türkei richtet. Mit Terrorakten gegen deutsche Einrichtungen in der Türkei ist daher ebenfalls zu rechnen. Die Stimmung unter den Jugoslawen in Berlin ist durch den Bürgerkrieg emotional aufgeheizt, so daß gewaltsame Aktionen von verfeindeten ethnischen Gruppen möglich erscheinen. Vereinzelten Hinweisen zufolge versuchen extremistische Kreise gerade unter Kroaten in Deutschland, Waffen für den Bürgerkrieg in Jugoslawien zu beschaffen. 2. - Politischer Extremismus - 119 2.4.9 Sonderthema: Auswirkungen des Nationalitätenkonfliktes in Jugoslawien auf die Sicherheit in Berlin Die jugoslawische politische Immigration hat ihre Ursachen in der historischen Entwicklung des Vielvölkerstaates Jugoslawien. Auch der Extremismus jugoslawischer Emigrantenorganisationen ist ein Abbild der in Jugoslawien oftmals brutal geführten Auseinandersetzungen. Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie 1918 kam es zur Vereinigung der Serben, Kroaten, Slowenen und Montenegriner in einem gemeinsamen Staat. Die Grenzen des neugeschaffenen Staates wurden 1919 durch die Verträge von St. Germain, Trianon und Neuilly festgelegt. Die Innenpolitik blieb vom Gegensatz vor allem zwischen den Kroaten und den Serben überschattet; diese versuchten in repressiver Manier, die anderen - großenteils auch andersgläubigen - Völker und Minderheiten ihrer Vorherrschaft zu unterwerfen. Der Gegensatz vertiefte sich nach der Besetzung Jugoslawiens durch deutsche und italienische Truppen im Jahre 1941, als in dem "Unabhängigen Staat Kroatien", dessen Souveränität spätestens nach der vollständigen Machtübernahme durch Wehrmacht und SS im Jahre 1943 reine Fiktion war, die "Ustascha" des Ante PAVELIC, die seit Ende der 20er Jahre den gewaltsamen Umsturz des jugoslawischen Staates zur Schaffung eines selbständigen Kroatien proklamiert hatte, eine Politik des Terrors gegen die serbische Bevölkerung betrieb und sich zum Werkzeug der SS machen ließ. Nach dem Zweiten Weltkrieg proklamierte der kommunistische Partisanenführer TITO die "Föderative Volksrepublik Jugoslawien"; der neugegründete - damals noch im Fahrwasser der Sowjetunion befindliche - Staat nahm harte grausame Rache u.a. an den kroatischen "Kollaborateuren", denen ihr gutes Verhältnis zu den "Achsenmächten" zum tödlichen Verhängnis wurde. Man spricht von Massenexekutionen an über 150.000 Kroaten. Nach dem Tod TITOs im Jahre 1980 brachen die Spannungen zwischen den Nationalitäten, insbesondere den beiden größten, den römisch-katholischen Kroaten, die 19,7 % der Gesamtbevölkerung ausmachen, und den orthodoxen Serben, deren Anteil 36,3 % an der Gesamtbevölkerungszahl beträgt, wieder auf. Als weitere Spannungspotentiale kamen die Jugoslawen albanischer Nationalität, die sog. Kosovo-Albaner, sowie die slowenische Volksgruppe hinzu. Mit Ausnahme der Serben verfolgten die übrigen drei Volksgruppen nach dem Tod des mit eiserner Hand den Vielvölkerstaat 120 2. - Politischer Extremismus - zusammenhaltenden TITO das Ziel, ihre jeweiligen Siedlungsgebiete aus dem "Völkergefängnis Jugoslawien" herauszulösen und in die Unabhängigkeit zu führen. Diese Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Volksgruppen in Jugoslawien, verknüpft mit einer katastrophalen Wirtschaftslage, führten Mitte 1991 zum Bürgerkrieg. Der besonders zwischen Serben und Kroaten geführte Krieg läßt befürchten, daß der Funke zur Gewalttätigkeit auch auf die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Jugoslawen überspringt. In der Bundesrepublik Deutschland leben gegenwärtig über 600.000 Jugoslawen, von denen nach Schätzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) etwa 1.000 in extremistischen Emigrantenvereinigungen organisiert sind. Extremistische jugoslawische Emigrantenvereinigungen stellen seit ihrem Bestehen auf deutschem Boden eine dauernde Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Insbesondere die Spannungen zwischen den beiden größten Nationalitäten, den römischkatholischen Kroaten und den orthodoxen Serben, setzten sich - weltweit - auch in der Emigration fort. Ein weiteres Spannungspotential bildeten die Jugoslawen albanischer Nationalität, die sog. Kosovo-Albaner. Die bedeutendste Vereinigung von Exiljugoslawen in der Bundesrepublik Deutschland ist der "Kroatische Nationalrat" ("Hrvatsko Narodno Vijece" - HNV). Der HNV wurde am 2. Februar 1974 in Toronto (Kanada) gegründet. Er versteht sich als nationalistische Dachorganisation kroatischer Emigrantenvereinigungen in der ganzen Welt. Der Sitz des HNV befindet sich in New York (USA). Der HNV hat sich zum Zjel gesetzt, für das kroatische Volk das Selbstbestimmungsrecht und einen "Unabhängigen Staat Kroatien" in seinen ethnischen Grenzen zu schaffen. In der Bundesrepublik Deutschland unterhält der HNV 16 sog. Ortsausschüsse mit über 300 Mitgliedern. In Berlin gehört der "Kroatische Republikanische Verein 'Brüder Andric'" ("Hrvatsko Republikansko Drustvo 'Braca Andric'") mit etwa 10 Mitgliedern dem HNV als Mitgliedsorganisation an. [Anmerkung: Die Organisationsbezeichnung geht auf zwei Brüder namens ANDRIC zurück, die zu einer Partisanengruppe gehörten, die Anfang der 70er Jahre Einheiten der jugoslawischen Armee in den Bergen Kroatiens harte Gefechte lieferte und von den Armee-Einheiten aufgerieben wurde.] 2. - Politischer Extremismus - 121 Der Verein "Brüder Andric", dessen Anschrift mit "Berlin 21, Postfach 21 03 52" angegeben wird, hat sich am 14. April 1980 beim Polizeipräsidenten in Berlin vereinsrechtlich angemeldet. Die Aktivitäten des Vereins beschränkten sich in den letzten Jahren auf die gelegentliche Verteilung von Flugblättern. Die Anfänge des gewalttätigen politischen Extremismus unter Jugoslawen reichen bis in das Jahr 1962 zurück. Seinerzeit überfielen Exilkroaten die jugoslawische Handelsmission in Bonn-Mehlem und töteten dabei den Hausmeister. Die Zahl der Mordanschläge und Mordversuche hat in den folgenden Jahren zugenommen. Die Beteiligung des jugoslawischen Geheimdienstes in Fällen von Gewaltanwendung gegen Exil-Jugoslawen (Kroaten und Kosovo-Albaner) wurde erstmals in einem Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht Saarbrücken bestätigt. In dem Strafverfahren wegen versuchten Mordes an dem Exilkroaten Franjo GORETA am 13. Dezember 1980 wurde dabei die Verbindung eines der Verurteilten zum jugoslawischen Geheimdienst deutlich herausgestellt. Dieser hatte sich mehrmals mit Vertretern des jugoslawischen Geheimdienstes getroffen, von denen er dann unter Inaussichtstellung einer hohen Belohnung den Mordauftrag erhielt. Nachfolgend werden einige aufsehenerregende Fälle von Gewalttaten unter Jugoslawen in der Bundesrepublik Deutschland aufgeführt: Am 30. Juni 1969 drang der jugoslawische Staatsangehörige Drago DOLO (Kroate) in die Räume der Jugoslawischen Militärmission in Berlin-Wilmersdorf, Taubertstraße 18, ein und schoß auf den Missionschef Dr. Anton KOLENDIC und auf den Hausmeister der Jugoslawischen Militärmission, Stanko GOLOB. Beide wurden verletzt. In den Vernehmungen gab DOLO an, Anhänger der "Ustascha" zu sein und aus politischen Motiven geschossen zu haben. [Anmerkung: Bei der "Ustascha" handelte es sich um eine 1929 gegründete Organisation kroatischer Nationalisten, die besonders von Italien und Ungarn aus für ein unabhängiges Kroatien kämpfte. Die "Ustascha" herrschte während der deutschen Besatzung von 1941 bis 1945 unter Ante PAVELIC in dem "Unabhängigen Staat Kroatien". Die "Ustascha" wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf Befehl TITOs zerschlagen; die meisten ihrer Mitglieder und Anhänger wurden hingerichtet. Das Schwurgericht beim Landgericht Berlin verurteilte Drago DOLO am 17. April 1970 wegen versuchten Totschlages in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren.] 122 2. - Politischer Extremismus - Am 10. September 1970 und am 5. Mai 1971 wurden in Berlin auf den deutschen Staatsangehörigen Dr. Branimir JELIC zwei Sprengstoffanschläge verübt. Während er bei dem ersten Anschlag unverletzt blieb, wurde er bei dem zweiten Attentat schwer verletzt. [Anmerkung: Dr. Branimir JELIC war Gründer und bis zu seinem Tode am 30. Mai 1972 Präsident des "Kroatischen Nationalkomitees" (HNO). Er galt als Zentralfigur der kroatischen "Emigrantenszene" in der Bundesrepublik Deutschland. Aus diesen Kreisen wurde die Vermutung geäußert, daß hinter den beiden Anschlägen auf Dr. JELIC der jugoslawische Geheimdienst gestanden habe.] Vom April 1978 bis zum Februar 1979 verübte der kroatische Extremist Pero SEKKERKO in Baden-Württemberg zahlreiche Pistolenund Brandanschläge auf jugoslawische Einrichtungen. Er wurde am 9. Oktober 1980 vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen versuchten Mordes, schwerer und versuchter Brandstiftung sowie gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Am 13. Januar 1980 wurden der Exilkroate Nikola MILICEVIC in Frankfurt am Main und am 16. April 1980 der Exilserbe Dusan SEDLAR in Düsseldorf ermordet. Für beide Fälle wurde von Emigrantenkreisen der jugoslawische Geheimdienst verantwortlich gemacht. Am 9. Dezember 1981 wurden aufgrund nachrichtendienstlicher Hinweise in Berlin von der Polizei mehrere Wohnungen von Exilkroaten wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens durchsucht Im Verlauf der Aktion wurden Sprengstoff, Sprengkörper, Rohrbomben, Sprengkapseln sowie weiteres Material zur Herstellung von Bomben sichergestellt. [Anmerkung: Die seinerzeit in Berlin durchgeführten polizeilichen Maßnahmen standen im Zusammenhang mit Festnahmen von Exilkroaten am 30. November 1981 in der Schweiz und am 1. Dezember 1981 in Darmstadt. In beiden Fällen wurden erhebliche Mengen Sprengstoff sichergestellt. Es handelte sich dabei um dasselbe Fabrikat wie bei den Funden in Berlin.] Am 17. Januar 1982 wurden in Untergruppenbach, Kreis Heilbronn, drei Exiljugoslawen albanischer Volkszugehörigkeit in einem Personenkraftwagen erschossen. Nach Zeugenaussagen habe einer der Getöteten vor seinem Tode noch geäußert, daß der jugoslawische Geheimdienst für den Anschlag verantwortlich sei. Bei den drei 2. - Politischer Extremismus - 123 Getöteten handelte es sich um führende Funktionäre von kosovoalbanischen kommunistischen Befreiungsbewegungen. Am 26. März 1983 wurde der Exilkroate Djuro ZAGAJSKI in einer Grünanlage in München ermordet aufgefunden. [Anmerkung: ZAGAJSKI hatte im Jahr 1980 den "Kroatischen Bürgerausschuß zum Schutze der Kroaten und der kroatischen Flüchtlinge" (HGO) gebildet, der sich als "kroatischer Nachrichtendienst" verstand und praktisch nur von ZAGAJSKI repräsentiert wurde.] Am 28. Juli 1983 wurde der Exilkroate Stjepan DJUREKOVIC in seinem Verlag "Das Kroatische Buch" in Wolfratshausen ermordet. [Anmerkung: DJUREKOVIC war in Jugoslawien bis zu .seiner Flucht im April 1982 Marketing-Direktor des größten jugoslawischen Ölkonzerns. Nach eigenen Angaben hatte man ihn für die wirtschaftliche Misere Jugoslawiens mitverantwortlich gemacht. DJUREKOVIC unterhielt enge Kontakte zu kroatischen Emigrantenkreisen.] Seit 1962 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 47 politisch motivierte Anschläge gegen Exiljugoslawen registriert, bei denen 29 Personen getötet wurden. Der jugoslawische Bürgerkrieg wirkt sich natürlich auch auf die Befindlichkeit der Jugoslawen in Berlin aus. Zwischen den beiden etwa gleichgroßen Volksgruppen der Serben und Kroaten in Berlin (jeweils etwa 15.000 Personen) gibt es - im Gegensatz zu früher - keinerlei Berührungspunkte mehr. Selbst feste freundschaftliche Bindungen zwischen Personen beider Volksgruppen wurden abgebrochen. Die dadurch entstandenen Spannungen haben nach den Erkenntnissen des LfV Berlin bisher jedoch zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen beiden Volksgruppen in Berlin geführt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang jedoch der Brandanschlag auf die Außenstelle der jugoslawischen Botschaft in Berlin-Mitte am 30. November 1991, bei dem am Botschaftsgebäude nur geringer Sachschaden entstand. Eine Selbstbezichtigung zu diesem Anschlag erfolgte nicht. Es ist davon auszugehen, daß es sich hierbei um eine politisch motivierte Tat handelte. 124 2. - Politischer Extremismus - Im zurückliegenden Jahr fanden auch in Berlin mehrere überwiegend von Kroaten getragene Demonstrationen statt. Nur bei zweien ließen sich auch Extremisten feststellen [vgl. Abschnitt 2.3.7]. 3. - Spionageabwehr - 125 Spionageabwehr 126 3. - Spionageabwehr - 3.1 Entwicklung im Jahre 1991 Durch die politischen Umwälzungen im Osten und Südosten Europas wurden die Rahmenbedingungen für die gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Spionage nachhaltig verändert. Auch im Rückblick auf das Jahr 1991 gilt (wie schon im Vorjahr), daß das gesamte Ausmaß der politischen Veränderungen in den Staaten des ehemaligen Ostblocks und in der inzwischen aufgelösten UdSSR wegen der noch nicht abgeschlossenen, graduell unterschiedlichen politischen Neuorientierungsprozesse auch im Hinblick auf Spionageaktivitäten noch nicht abschließend beurteilt werden kann. Sicher dürfte lediglich sein, daß nicht mehr der frühere Ost-WestGegensatz, sondern nationale Interessen der einzelnen Staaten das grundsätzliche Bestimmungselement im Bereich der Auslandsaufklärung sein werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt fehlen, u.a. auch wegen der Schnelligkeit, mit der die erwähnten Veränderungen im Jahre 1991 vor sich gingen, Informationen in der Menge und Qualität, die eine endgültige Beurteilung über Umfang und Zielsetzung der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Spionageaktivitäten zuließen. Deshalb bedarf es auch in der nächsten Zukunft intensiver Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. 3.2 Weitere Bearbeitung der Nachrichtendienste der ehemaligen DDR Seit der politischen Wende in der ehemaligen DDR - insbesondere aber nach der deutschen Staatsvereinigung - haben sich die Aufgabenstellungen und Arbeitsmöglichkeiten für die Fachbereiche des LfV, denen die Abwehr der von den DDR-Diensten ausgehenden Spionage oblag, entschieden verändert. Diese neue Situation, die bereits im Jahresbericht 1990 zum Ausdruck kam, bestand grundsätzlich auch im Berichtszeitraum 1991. Es bedurfte anhaltender Bemühungen zur Aufdeckung früherer Spionageaktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit und des Militärischen Nachrichtendienstes der DDR und zur Enttarnung der darin verstrickten Personen. Das LfV Berlin hat eigenständig sowie im Zusammenwirken mit anderen Verfassungsschutzbehörden dazu seinen Beitrag geleistet. 3. - Spionageabwehr - 127 Im Berichtszeitraum suchten 17 ehemals hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter des MfS von sich aus Kontakt zum LfV und gaben ihr Wissen preis. Im Vergleich zum vergangenen Jahr ging die Zahl der "Selbstgesteller" also deutlich zurück. Vermutlich ist dies auf die weiterhin nicht abschließend geklärte Frage zurückzuführen, ob ehemals hauptamtliche Mitarbeiter der auslandsaufklärenden MfS-Bereiche - insbesonders der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS (HVA) - strafrechtlich zu belangen sind. Darüber hinaus wurden 78 ehemals hauptamtliche MfS-Angehörige durch das LfV eigeninitiativ angesprochen. Die Ansprachen erfolgten zur umfassenden Abschöpfung des nachrichtendienstlichen Wissens sowie zur Klärung konkreter Einzelfälle. Aus den Ermittlungsmaßnahmen des LfV und den Informationszulieferungen anderer Abwehrbehörden - u.a. des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) - entstanden insgesamt 41 Sachverhalte, die zur exekutiven Weiterbearbeitung an den Polizeilichen Staatsschutz abgegeben wurden. Darüber hinaus wurden im Zuge der Bearbeitung 46 Erkenntnisfälle bezüglich Spionageaktivitäten erfaßt, die aber auf das Jahr 1989 und frühere Jahrgänge zurückgehen. Im Rahmen der weiteren, bislang nicht abgeschlossenen Aufarbeitung des MfS-Komplexes wurde im Jahre 1991 in einer konzentrierten Aktion (unter Führung des BfV) damit begonnen, "Offiziere im besonderen Einsatz" des MfS (OibE) zu befragen. "OibE" waren hauptamtliche MfS-Angehörige, die ihren geheimdienstlichen Auftrag abgesetzt von ihrer Diensteinheit unter konspirativen Bedingungen erfüllten. Ihr Einsatz erfolgte überwiegend in Schlüsselpositionen aller Lebensbereiche der DDR, aber auch zu Spionagezwecken in der Bundesrepublik und anderen westlichen Staaten. Vom LfV Berlin wurden bisher 20 "OibE" befragt; die Erkenntnislage über diese besondere Art hauptamtlicher MfS-Angehöriger konnte dabei zwar verbessert werden, jedoch sind bislang keine Hinweise auf noch unenttarnte Agenten angefallen. Die Maßnahme wird im Jahre 1992 fortgesetzt. 128 3. - Spionageabwehr - Die Bearbeitung des MfS-Komplexes hinsichtlich der personellen und fachlichen Strukturen durch die Verfassungsschutzbehörden wird weiterhin als wichtiges Arbeitsfeld gesehen. Hintergrund ist der hohe Grad an Verflechtung zwischen dem MfS und den anderen Nachrichtendiensten des ehemaligen Ostblocks, in dessen Konsequenz das MfS u.a. Tausende von Datensätzen erfaßter Personen weitergegeben hat. Es gilt daher als sicher, daß damit auch die Daten ehemaliger, noch nicht enttarnter Agenten in der Bundesrepublik Deutschland ein Potential für eine Übernahme bzw. Aktivierung durch noch aktive Nachrichtendienste darstellen. 3.3 Aufarbeitung der Zusammenarbeit zwischen MfS und KGB Infolge der Auflösung der Nachrichtendienste der DDR und der politischen Veränderungen in der ehemaligen UdSSR wurden die Verfassungsschutzbehörden in die Lage versetzt, durch Auswertung der Aussagen ehemaliger Mitarbeiter/Überläufer an detaillierte Informationen über Ausmaß und Qualität der Zusammenarbeit der sog. "Bruderdienste" des ehemaligen Ostblocks und im besonderen über das Verhältnis des MfS zum KGB zu gelangen. Angemerkt sei an dieser Stelle, daß die im Westen gebräuchliche Bezeichnung KGB (Abkürzung des russischen Begriffs "Komitet Gosudarstwennoy Besopasnosti", deutsche Übersetzung: Komitee für Staatssicherheit = KfS) im Sprachgebrauch des MfS nicht üblich war. Das KGB bzwr dessen Mitarbeitef w u r d e n ^ l & "difr Freunde"L^>der flfH^der^ deutschen Abkürzung "KfS" bezeichnet. 3.3.1 Informationsweitergabe zwischen den Nachrichtendiensten Die Kooperation zwischen beiden Nachrichtendiensten war außerordentlich eng. Organisatorisch kam dieser Umstand darin zum Ausdruck, daß den wichtigsten Diensteinheiten des MfS Verbindungsoffiziere des KGB zugeordnet waren, die eigene Büros in diesen MfS-Bereichen unterhielten, um den ständigen Arbeitskontakt zu gewährleisten. Besonderes Interesse bestand beim KGB an Informationen aus der Zentrale der HVA (Hauptverwaltung Aufklärung) des MfS. 3. - Spionageabwehr - 129 Als Ausfluß dessen erhielt das KGB seit Bestehen der HVA bis zu deren Auflösung im Jahre 1990 prinzipiell von beschafften Aufklärungsmaterialien - mit wenigen, genau geregelten Ausnahmen - eine Ausfertigung. Anläßlich hoher sowjetischer Staatsfeiertage hielt die Führung des MfS bzw. der HVA es für angebracht, gewichtige Informationen in sog. Geschenkaktionen zu übergeben. Die entsprechenden Papiere wurden technisch einwandfrei kopiert, in anspruchsvolle, eigens angefertigte Lederkassetten verpackt und dem jeweiligen KGB-Vorsitzenden unter Berufung auf das "tschekistische Kampfbündnis" überreicht. Diese eher als skurril anzusehende Handlungsweise illustriert jedoch einen einseitig zu Gunsten des KGB ausgelegten Charakter der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. 3.3.2 Fortführung der Spionagetätigkeit des KGB nach Auflösung des MfS Eine ähnlich enge Zusammenarbeit wie auf dem Gebiet der Informationsweitergabe bestand zwischen MfS und KGB in operativen Arbeitsgebieten, wobei das MfS jegliche Unterstützung leistete. Das MfS half dem KGB bei der Werbung von Agenten, gab entsprechende Hinweise und führte die erforderlichen Überprüfungen durch. Darüber hinaus verschaffte das MfS dem KGB Zugang zum eigenen Datenbestand und dem anderer DDR-Organe (z.B. der Volkspolizei) und übergab dem KGB auch IM (inoffizielle Mitarbeiter). Bemerkenswert ist, daß das KGB sich zu anderen DDR-Organen auch eigene Zugänge durch Informanten und inoffizielle Mitarbeiter verschaffte. Ein Großteil dieser Personen wurde mit Unterstützung des MfS gewonnen. Beispielhaft sei hier der Fall des ehemaligen Angehörigen der "Volkspolizei" Y. geschildert, wie er sich nach dessen Aussagen darstellt: Im Jahre 1984 wurde Y., der bei der Kriminalpolizei eingesetzt war, durch Vermittlung des dortigen Verbindungsmannes des MfS zum Treffen mit zwei KGB-Angehörigen einbestellt. Nach anfänglichen Bedenken, die von seinem vorgesehenen Führungsoffizier ausgeräumt wurden, erklärte sich Y. zu einer Zusammenarbeit mit dem KGB bereit. 130 3. - Spionageabwehr - In der Folgezeit führte Y. Anschriften bzw. Arbeitsstellenabklärungen mittels der Kripo-Kartei für das KGB durch. Ferner berichtete er über Interna seiner Dienststelle. Nach der staatlichen Vereinigung am 3. Oktober 1990 wurde Y. von der nun Gesamtberliner Polizei übernommen. Y. hatte sich im September 1990 letztmals mit seinem Führungsoffzier getroffen und hatte die Absicht, die nachrichtendienstliche Verbindung zum KGB abzubrechen. Mit der Drohung des Führungsoffiziers, ihn bezüglich seines Dienstverhältnisses in größte Schwierigkeiten zu bringen, wurde Y. im März 1991 veranlaßt, weiter für das KGB zu arbeiten und Informationen aus der Berliner Polizei zu beschaffen. Aufgrund der Hinweise eines Überläufers aus dem KGB konnte das LfV Berlin im November 1991 die Identität des Y. klären. Ein Ermittlungsverfahren gegen Y. wurde zwischenzeitlich eingeleitet. 3.3.3 "Der Berliner Apparat" des KGB Zwischen dem MfS und dem KGB bestanden auch vertraglich abgesicherte Beziehungen, die Perspektiven und Einzelheiten der Zusammenarbeit festlegten. In einer dieser Vereinbarungen wurde vertraglich geregelt, daß beim MfS eine "Vertretung des Komitees für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR" (KGB-Vertretung) eingerichtet wird. Von dieser KGB-Vertretung, die nach ihrem Sitz in Berlin-Karlshorst (in einem Sperrgebiet) als "Berliner Apparat" bezeichnet wurde und ein verkleinertes Abbild der Moskauer Zentrale des KGB war, gingen die Hauptaktivitäten der sowjetischen Nachrichtendienste gegen die Bundesrepublik Deutschland aus. Hier arbeiteten etwa 350 Operativoffiziere mit einer erheblichen Zahl von Unterstützungskräften. Nach einem dem LfV vorliegenden Vertrag vom 10. September 1982, der im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Strukturen der sowjetischen Nachrichtendienste angefallen war, wurde die Tätigkeit der KGB-Vertretung auch durch umfangreiche Unterstützung im materiell-technischen Bereich gesichert. So wurden dem KGB auf Kosten des MfS allein in Berlin-Karlshorst 3. - Spionageabwehr - 131 außerhalb des dortigen Sperrbezirks mehr als 300 Wohnungen zur Verfügung gestellt, darüber hinaus Gebäude und Einrichtungen wie z.B. Kaufhalle, Hotel, Poliklinik usw. Wie weit die Unterstützungsmaßnahmen gingen und bürokratisch geregelt waren, zeigt das Beispiel des vom MfS zu unterhaltenden Friseursalons für KGB-Angehörige in Berlin-Karlshorst. Hier sah die Vereinbarung vor, daß die für die Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen gezahlten Entgelte an das MfS abzuführen waren. Die oben erwähnten Wohnungen wurden noch bis Ende 1990 von einer MfSWohnungsverwaltung bewirtschaftet. Die im Zusammenhang mit dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Deutschland vereinbarte Räumung der Objekte durch die KGB-Zentrale wurde nach Beobachtungen des LfV schrittweise im Jahre 1991 begonnen und dürfte 1992 fortgesetzt werden. Auch in dieser Phase der Auflösung konnten vom LfV operative Aktivitäten des "Berliner Apparates" über den oben geschilderten Fall Y. hinaus belegt werden. Gestützt auf eigene Aussagen des Beschuldigten sei hier der Fall K. geschildert: Der ehemals hauptamtliche Mitarbeiter des MfS., L, wurde Anfang des Jahres 1990 von dem ehemals für seine damalige Diensteinheit des MfS zuständigen KGB-Verbindungsoffizier aus dem "Berliner Apparat" erstmalig kontaktiert. L. war zu dieser Zeit noch mit der Restauflösung des MfS beschäftigt. K. lud den L. in eine KW (= konspirative Wohnung) in Berlin-Karlshorst ein. In der Folgezeit wurde L von seinem Gesprächspartner gebeten, für das KGB zur "Verfügung" zu stehen. Zu einer direkten Mitarbeit will L. nicht aufgefordert worden sein. Aus den Äußerungen des K. konnte L. entnehmen, daß dieser über Informationen aus Fallakten des MfS hinsichtlich vom MfS geführter Agenten im Bundesgebiet verfügte. Auf Bitten von K. war L. dem KGB insofern behilflich, als er den Kontakt zu einem dieser Agenten vermittelte. 132 3. - Spionageabwehr - 3.4 Lagebild der Spionageabwehr Auch nach der Auflösung des Warschauer Paktes und der Auflösung der UdSSR wird in den neuen Staaten Ostund Südosteuropas Auslandsaufklärung als ein notwendiges Mittel der Politik angesehen. Folglich wurden in allen betreffenden Staaten, auch in den ehemaligen Republiken der UdSSR, Nachrichtendienste geschaffen; allerdings sind die für ein Wirksamwerden notwendigen organisatorischen Maßnahmen noch nicht durchgehend abgeschlossen. 3.4.1 UdSSR und Nachfolgestaaten Das wohl gravierendste Ereignis auf dem Sektor Nachrichtendienste war im Jahre 1991 in der zu dem Zeitpunkt noch bestehenden UdSSR als Ausfluß des gescheiterten August-Putsches die Auflösung des sowjetischen KGB, die am 11. Oktober 1991 vom Staatsrat verkündet worden war. Aus dieser formellen Auflösung des KGB konnte jedoch keinesfalls der Schluß gezogen werden, daß nachrichtendienstliche Aktivitäten eingestellt werden sollten. Als eine der Nachfolgeorganisationen des aufgelösten KGB entstand ein sowjetischer Auslandsnachrichtendienst mit der Bezeichnung "Zentraler Nachrichtendienst", geleitet von J. PRIMAKOW. In einem Interview in der Zeitschrift "Der Spiegel" vom 18. November 1991 äußerte sich der mit der Auflösung des KGB befaßt gewesene W. BAKATIN auch über den neuen Auslandsnachrichtendienst und bestätigte die weiterhin gegebene Notwendigkeit von Auslandsspionage für die Sowjetunion. Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erwartende Auflösung der UdSSR am Ende des Jahres 1991 ließ jedoch Aktivitäten in diesem organisatorischen Rahmen einer zentralen Einrichtung der Union ein schnelles Ende finden. Hinsichtlich der Übernahme eines Großteils der sowjetischen Nachrichtendienste durch Institutionen der Republik Rußland können noch keine abschließenden Aussagen gemacht werden. Es ist aber davon auszugehen, daß auch der neue Bundesnachrichtendienst bzw. Staatssicherheitsdienst "Agentstvo Federalnoy Bezopasnosti (AFB)" Rußlands im nationalen Interesse Auslandsaufklärung betreiben wird. Die Bundesrepublik Deutschland bietet auch Nachfolgeorganisationen des KGB derzeit noch gute Voraussetzungen, intensive Spionageaktivitäten zu 3. - Spionageabwehr - 133 entfalten, begründet in der beim KGB vorhandenen Fülle von personenbezogenen Informationen aus dem Bestand der ehemaligen DDRNachrichtendienste, die eine gezielte Übernahme bzw. Werbung von Agenten ermöglichen. Überdies muß berücksichtigt werden, daß sich bis 1994 Truppen der ehemaligen Sowjetunion auf dem Gebiet der neuen fünf Länder aufhalten werden, die Möglichkeiten für eine militärische Abdeckung bieten. Die hier gegebene Lagebeschreibung kann verständlicherweise nicht die zukünftigen unwägbaren weiteren Entwicklungen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion voraussehen, die zwangsläufig Auswirkungen auf mögliche Aufklärungsaktivitäten haben werden. 3.4.2 Polen Nach der Auflösung der bis dahin bestehenden Geheimdienste wurde im Jahre 1990 ein neues "Amt für Staatsschutz" (UOP) gegründet. Bestandteil dieses Amtes ist die für Auslandsspionage zuständige "Verwaltung Aufklärung" unter der Leitung von Oberst JASIK. Als Indiz für die Prioritäten in dieser Verwaltung ist zu werten, daß für die Bundesrepublik Deutschland eine eigene selbständige Abteilung eingerichtet wurde. Bemerkenswert erscheint, daß sich zwar die Mitarbeiter des UOP vor ihrer Einstellung einer Überprüfung unterziehen mußten, jedoch auf ausgebildete Fachleute nicht verzichtet wurde. So ist davon auszugehen, daß neben dem leitenden Personal auch der übrige Personalstamm des UOP zu einem Großteil aus "alten Kadern" des früheren Geheimdienstes zusammengesetzt ist. Hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Aktivität des UOP und seiner Ziele kann gegenwärtig keine verläßliche Aussage getroffen werden. Offenbar herrscht zur Zeit aufgrund der noch instabilen politischen Verhältnisse in Polen auch im Nachrichtendienst noch eine gewisse Orientierungslosigkeit. Gleichwohl gibt es konkrete Hinweise, daß vorrangige Zielländer die Bundesrepublik Deutschland und die ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion sein werden. An der Zielsetzung der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Spionage dürfte sich kaum etwas geändert haben. So wird hinsichtlich der politischen Entwicklung und des Technologietransfers der größte Aufklärungsbedarf bestehen. Für die Verantwortlichen in Polen besteht offenbar kein Widerspruch zwischen politischer Annäherung und der 134 3. - Spionageabwehr - geheimdienstlichen Ausspähung Deutschlands. Dies belegt u.a. die schon im Vorjahresbericht zitierte Äußerung von Oberst JASIK, daß nämlich "das bestehende polnische Agentennetz in Deutschland und die jeweiligen Führungsoffiziere nahtlos übernommen werden". Neben dem UOP besteht noch ein militärischer Informationsdienst, der heute jedoch nicht wie seine Vorgängerinstitution dem Generalstab, sondern dem Verteidigungsminister direkt untersteht. Auch dieser Dienst dürfte sich schwerpunktmäßig mit der Bundesrepublik Deutschland befassen. Konkrete Aussagen über seine Aktivität lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht treffen. 3.4.3 Ungarn Eine nachrichtendienstliche Aktivität ungarischer Geheimdienste konnte nicht festgestellt werden. Somit scheint entsprechend den Verlautbarungen aus Regierungskreisen eine Ausspähung der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zu erfolgen (vgl. Verfassungsschutzbericht Beriin 1990, S.152). 3.4.4 CSFR Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann keine verläßliche Aussage über die Aktivität des CSFR-Nachrichtendienstes getroffen werden. Noch nicht bestätigt ist die Meldung, daß auch im Bereich des Aufklärungsdienstes eine "Deutschland-Abteilung;' existiert, die sich aus ehemaligen Mitarbeitern des aufgelösten ehemaligen Nachrichtendienstes StB zusammensetzt. 3.4.5 Rumänien Die zivile Auslandsaufklärung gegen die Bundesrepublik Deutschland obliegt dem Auslandsnachrichtendienst SIE ("Serviciul de Informatic Externe"), der im Jahre 1991 in eine eigenständige Organisation neben dem Rumänischen (Inlands-) Informationsdienst SRI umgewandelt wurde. Als Aufklärungsschwerpunkte sind u.a. bekanntgeworden rumänische Emigrantenkreise und die Beschaffung von Informationen aus Wissenschaft und Technik. 3. - Spionageabwehr - 135 Die nachrichtendienstlichen Mitarbeiter in den Legalresidenturen arbeiten mit dem Mittel der offenen Gesprächsaufklärung (Abschöpfung). Klassische nachrichtendienstliche Aktivitäten gehen von der "SIE-Zentrale" in Bukarest aus. Vom LfV konnte ein Rückgang der Beschäftigungszahl im Berliner "Büro der Rumänischen Botschaft" für das Jahr 1991 festgestellt werden. 3.4.6 Bulgarien Für das Jahr 1991 konnte keine von Nachrichtendiensten Bulgariens ausgehende Aktivität gegen die Bundesrepublik Deutschland festgestellt werden. Schwerpunkt für die Nachrichtendienste sind nach vorliegenden Erkenntnissen Aufklärungsaktivitäten gegenüber der Türkei. 3.4.7 Jugoslawien Für diesen zerfallenden Staat ist festzustellen, daß bereits im Jahre 1991 in Teilrepubliken eigenständige Nachrichtendienste existierten. Über deren Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland liegen keine Erkenntnisse vor, sie sind aber aufgrund der politischen Entwicklung vor allem in der Emigrantenszene zu erwarten. 3.5 Geheimschutz 3.5.1 Geheimschutz in der Verwaltung Die Situation auf dem Gebiet des personellen Geheimschutzes hat sich gegenüber den grundsätzlichen Ausführungen im "Verfassungsschutz-Bericht für das Jahr 1990" nicht wesentlich verändert. Allerdings muß festgestellt werden, daß sich der Trend aus dem Jahr 1990, den Bereich der sicherheitsempfindlichen Arbeitsgebiete in den Berliner Behörden unter Mitwirkung des LfV zu verringern, im Jahre 1991 nicht fortgesetzt hat. Die Anzahl der Sicherheitsüberprüfungen, bei denen das LfV auf der Basis des LfV-Gesetzes mitgewirkt hat, ist nahezu konstant geblieben. 136 3. - Spionageabwehr - Jedoch wurden vom LfV verstärkt Sicherheitsüberprüfungen von Personen aus dem Ostteil der Stadt durchgeführt, bei denen sich in besonderem Maße die sicherheitsmäßige Problematik einer ehemaligen hauptamtlichen Tätigkeit oder inoffiziellen Mitarbeit für das frühere MfS stellte und somit zu lösen war. Nahezu einhellig geht hier die sicherheitsmäßige Beurteilung dahin, daß grundsätzlich frühere hauptamtliche MfS-Angehörige in einer nach heutigen Maßstäben als sicherheitsempfindlich bewerteten Steile nicht beschäftigt werden dürfen. In besonderem Maß als bedenklich mußten jene Fälle beurteilt werden, in denen wahrheitswidrige Angaben gemacht worden waren. Bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen wurden hier im Regelfall fristgemäße Kündigungen durch die Behörden ausgesprochen. Beurteilungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Besetzung sicherheitsempfindlicher Arbeitsgebiete ergaben sich bei dem vorstehend behandelten Personenkreis auch bei der Bewertung von Mitgliedschaften und Funktionen in der ehemaligen SED. In weitgehender Übereinstimmung mit der Entscheidungspraxis im Bund und den anderen Bundesländern haben nominelle Mitgliedschaften in dieser Partei für sich allein im Regelfall noch nicht zu Sicherheitsbedenken geführt. Ergab sich jedoch durch eigene Angaben oder bereits vorhandene Erkenntnisse, daß die betreffende Person aufgrund von herausgehobenen Funktionen in der SED oder besonderen Förderungsmaßnahmen durch diese Partei in hervorstechender Weise als Anhänger des Herrschaftssystems in der ehemaligen DDR angesehen werden mußte, konnte auch in diesen Fällen das Votum nur "Sicherheitsbedenken" lauten. Bei derartigen Bewerbern muß zumindest noch vorerst bezweifelt werden, daß sie sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und bereit sind, jederzeit für deren Erhaltung einzutreten. 3.5.2 Geheimschutz in der Wirtschaft Das Geheimschutzverfahren in der Wirtschaft dient dem Schutz sämtlicher Tatbestände, die von amtlichen Stellen oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden. Vornehmlich sollen dabei sabotagegefährdete Objekte der geschützten Industrie gesichert werden. 3. - Spionageabwehr - 137 Mit Einverständnis der Betroffenen werden Personen, die in sicherheitsempfindlichen Stellen lebenswichtiger Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, überprüft (SS 2 Abs. 2 Ziff. 2 LfVG). Allerdings legt das LfV in diesem Zusammenhang besonders strenge datenschutzrechtliche Maßstäbe an, so daß im Jahre 1991 in keinem einzigen Fall eine entsprechende Anfrage zur Übermittlung von Erkenntnissen des LfV an die betroffene Einrichtung führte. Es ist davon auszugehen, daß die Zahl der Personenanfragen im Zusammenhang mit der Ausgestaltung Berlins zum Regierungssitz und den damit verbundenen sicherheitsempfindlichen Bauvorhaben in den nächsten Jahren ansteigen wird. Die Unternehmen werden darüber hinaus auf Wunsch in allen Sicherheitsfragen beraten, insbesondere darüber, wie sie sich vor gegnerischer Ausforschung, vor nachrichtendienstlich gesteuerter Sabotage und vor terroristischen Anschlägen schützen können. Sie erhalten in diesem Zusammenhang offene Informationen nicht personengebundener Art über Vorgänge aus den Arbeitsfeldern des LfV, die für die Sicherheit der Einrichtungen relevant sind. 3.5.3 Materieller Geheimschutz Mit der Vereinigung Deutschlands sind für das LfV auf dem Gebiet des materiellen Geheimschutzes zusätzliche Aufgaben im Ostteil Berlins entstanden, die insbesondere durch zahlreiche Einsätze zum Auffinden von versteckten Abhöreinrichtungen (sog. Wanzen) in öffentlichen Gebäuden bedingt waren. Darüber hinaus bildete die sicherheitsmäßige Beratung der Behörden, die ihre Tätigkeit ganz oder teilweise in den Ostteil Berlins verlagerten (z.B. Senatskanzlei) oder Vorbereitungen für einen Umzug im Westteil der Stadt trafen (z.B. Abgeordnetenhaus von Berlin), weitere Arbeitsschwerpunkte. Hierbei zeigte sich, daß die bei verschiedenen Dienststellen anfänglich aufgekommenen Tendenzen, den Schutz von Verschlußsachen nach dem Wegfall des ehemaligen MfS vernachlässigen zu können, einer sicherheitsbewußteren Einstellung gewichen sind. 138 3. - Spionageabwehr - 3.6 Wirkungsvolle Spionageabwehr ist nur mit Hilfe der Bevölkerung möglich Im Bewußtsein dessen werden alle Betroffenen, die von Aktivitäten gegnerischer Nachrichtendienste gegen die Bundesrepublik Deutschland Kenntnis haben oder von diesen Nachrichtendiensten angesprochen oder zur Mitarbeit aufgefordert worden sind, gebeten, ihr Wissen im Interesse unseres Gemeinwesens, aber auch der eigenen Sicherheit zu offenbaren. Das gilt selbst für diejenigen, die schon nachrichtendienstlich tätig geworden sind. Hier können die Verfassungsschutzbehörden helfen, sich aus der Verstrickung zu befreien. Voraussetzung ist jedoch eine umfassende Offenbarung. Das LfV steht jederzeit für eine Ansprache bereit. Vertraulichkeit wird zugesichert. Die Beratungsstelle des Landesamtes für Verfassungsschutz Berlin ist unter der Telefonnummer 867 42 16 zu erreichen. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 139 4 Anhang I Kurzdarstellungen wichtiger extremistischer Organisationen 140 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.1 Linksextremismus 4.1.1 Linksextremistisch motiviertes Gewaltpotential 4.1.1.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, die sich in einem "bewaffneten antiimperialistischen Kampf" sieht und über militärische Offensiven eine "einheitliche antiimperialistische Front in Westeuropa" als Zwischenetappe zu einer kommunistischen Gesellschaft anstrebt. Ihr illegaler Kern (Kommandobereich) besteht aus etwa 1 5 - 2 0 Personen. Offensiven der RAF werden durch Brandund Sprengstoffanschläge der "Militanten der RAF", die als "zweite kämpfende Ebene" in die RAF eingebunden sind, unterstützt. Angaben über deren personelle Stärke sind nicht möglich. Das bundesweit aus ca. 250, in Berlin aus ca. 50 Personen bestehende RAFUmfeld, davon ca. 15 im engeren RAF-Umfeld agierende Aktivisten, unterstützt den "bewaffneten Kampf" der RAF propagandistisch und übt als Sprachrohr der RAF eine wichtige Vermittlerrolle aus. 4.1.1.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Kleingruppen ohne erkennbare Struktur, die mit z.T. schweren Sprengstoffund Brandanschlägen, Sabotageakten i j n d "Bestrafungsaktionen", wie Knieschüssen, ein auf Breitenwirkung angelegtes - teilweise "sozialrevolutionäres" Konzept - verfolgen. Die RZ knüpfen hierbei in der Regel an aktuelle gesellschaftliche Probleme an. Die innerhalb der RZ als "Rote Zora" selbständig agierende radikal feministische Frauengruppe verübt Anschläge nach dem RZ-Konzept zu überwiegend frauenspezifischen Problemen. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 141 4.1.1.3 Autonome Lose strukturierte Zusammenschlüsse - teilweise auch Einzelpersonen ohne Gruppenzusammenhang - mit diffusen anarchistischen, nihilistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Zielen. Sie befürworten und praktizieren militante Aktionen, wie öffentliche gewalttätige Protestaktionen, aber auch Brandund Sprengstoffanschläge, im Kampf gegen "das System". Die Zahl der Autonomen wird für die alten Bundesländer auf etwa 2.700 Personen geschätzt, auf Berlin entfallen davon etwa 1.000. Verläßliche Zahlen für die neuen Bundesländer liegen bisher nicht vor. 4.1.2 Revolutionär-marxistische Gruppen 4.1.2.1 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der stalinistisch ausgerichtete AB, 1973 durch Zusammenschluß "Sozialistischer Betriebsgruppen" mit "Arbeiter-Basis-Gruppen" in Bayern entstanden, hat sich über Linienkämpfe faktisch in zwei gleich große Fraktionen gespalten. Bundesweit verfügt der AB über etwa 200 Anhänger, in Berlin besteht eine Splittergruppe. Organ: "KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung", mtl. 4.1.2.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der 1980 als Abspaltung des "Kommunistischen Bund Westdeutschland" (KBW) gegründete BWK strebt die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates" an. Der BWK verfügt bundesweit über etwa 300 Mitglieder; in Berlin sind etwa 20 Personen im BWK organisiert. Organ: "Politische Berichte", 14tgl., Aufl.: 1.200. 142 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.1.2.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 1968 als "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/M-L) gegründet, 1980 in KPD umbenannt. 1986 Fusion der Mehrheitsfraktion mit der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) zur "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP). Verblieben sind Splittergruppen, von denen jede für sich den bisherigen Parteinamen beansprucht und die insgesamt etwa 70, in Berlin etwa 30, Mitglieder umfassen. Organe: "Roter Morgen", mtl., "Roter Blitz", mtl., Aufl.: jeweils 200 bis 300. 4.1.2.4 "Kommunistischer Bund" (KB) Der 1971 gegründete KB hat sich auf seinem letzten Kongreß am 20. April 1991 aufgelöst. Eine Minderheitsfraktion gründete am 7. Juli 1991 die "Gruppe K". Das bisherige KB-Organ "ak-Arbeiterkampf" wird von ehemaligen KBMitgliedern beider Fraktionen weiterhin unter dem Titel "ak" herausgegeben. 4.1.2.5 "Gruppe K" Die aus einer Minderheitsfraktion des im April 1991 aufgelösten "Kommunistischen Bundes" (KB) hervorgegangene Gruppe mit etwa 80 Mitgliedern wurde am 7. Juli 1991 in Dortmund formell gegründet. Sie hält ideologisch am Ziel des Kommunismus fest. Ein Hauptzweck der Organisation liegt nach eigenem Bekunden in den Bereichen der Analyse sowie der Theorieund Strategieentwicklung. Publikation: "ak" (früher "Arbeiterkampf"), 4wö. 4.1.2.6 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete, aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) hervorgegangene MLPD bekennt sich zur Theorie des Marxismus-Leninismus in seiner Interpretation durch MAO ZEDONG. In der 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 143 MLPD sind bundesweit 1.500 Mitglieder organisiert, in Berlin gehören der MLPD bis zu 100 Personen an. Zentralorgan: "Rote Fahne", wo., Aufl.: 6.000. Nebenorganisationen (zusammen weniger als 400 Mitglieder): "ARBEITERJUGENDVERBAND/Marxisten-Leninisten" (AJV/ML) "Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband" (MLSV) "Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller" (MLBI) - Der MLBI wurde auf Beschluß des IV. MLPD-Parteitages im Dezember 1991 aufgelöst. - 4.1.2.7 "Marxistische Gruppe" (MG) Die Anfang der 70er Jahre aus "Roten Zellen" hervorgegangene MG hat sich am 20. Mai 1991 selbst "aufgelöst". Die MG hatte im Mai 1991 bundesweit mehr als 10.000 Anhänger. Publikationen: "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ), "Marxistische Hochschulzeitung" (MHZ), "Marxistische Streitund Zeitschrift" (MSZ), Aufl.: bis zu 10.000; die Herausgabe wurde im Mai 1991 eingestellt. 4.1.2.8 "Revolutionäre Kommunisten (BRD)" (RK) Ein nach stalinistischem Prinzip organisierter Zusammenschluß von deutschen Anhängern der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM). Diesem 1984 entstandenen Dachverband (Sitz: London) gehören derzeit 19 revolutionäre Parteien und Zusammenschlüsse aus verschiedenen Ländern an. In Berlin steigerte die Gruppierung ihre Anhängerschaft seit 1989 von etwa 15 auf bis heute ca. 100 Personen. Publikation: "Aufstand-Zeitung der Revolutionären Kommunisten (BRD)", unreg. 144 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.1.2.9 "Rote Garde Berlin" (RG) 1988 gegründete "Kampforganisation der proletarischen und werktätigen Jugend", mit etwa 30 Mitgliedern. Publikation: "Roter Rebell", vj. 4.1.2.10 "Rote Hilfe e.V." (RH) 1975 gegründete Rechtsund Hafthilfeorganisation der "Neuen Linken", die maßgeblich von Mitgliedern/ehemaligen Mitgliedern mehrerer K-Gruppen getragen wird und bundesweit über 700, in Berlin über etwa 100 Mitglieder verfügt. Publikationen: "Die Rote Hilfe", vj., Aufl.: 2.000 bis 2.500; in Berlin: "Rote Hilfe Info", mtl. 4.1.2.11 "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) 1979 von der damaligen KPD/ML gegründete "antifaschistische" Bündnisorganisation mit einem hohen Anteil von Mitgliedern des BWK und der VSP; in den Führungsgremien dominieren inzwischen Mitglieder des BWK. Die Volksfront hat derzeit 400 Mitglieder, von denen unter 20 im "Landesverband Westberlin" organisiert sind. Publikationen: "Antifaschistische Nachrichten", 14t^L AufULSOO; "Volksecho", vj., Aufl.: 800; in Berlin: "frontblatt", mtl., Aufl.: 300. 4.1.2.12 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die 1986 aus einer Fusion der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) hervorgegangene VSP umfaßt bundesweit etwa 300 Mitglieder, die in zahlreichen Ortsgruppen u.a. im Westteil Berlins organisiert sind. Organ: "SoZ - Sozialistische Zeitung", 14 tgl. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 145 4.1.3 Trotzkistische Parteien und Gruppen 4.1.3.1 "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) Der 1972 gegründete BSA, dem bundesweit etwa 100 Mitglieder angehören, sieht im Kampf gegen "Stalinismus und Kapitalismus" die zentrale Achse seines Programms. Er gehört dem internationalen trotzkistischen Zusammenschluß "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) als deutsche Sektion an. Organ: "Neue Arbeiterpresse", wo. 4.1.3.2 "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" (GRS) Die GRS wurde 1989 nach der Maueröffnung von Mitgliedern der internationalen trotzkistischen Bewegung "IV. Internationale (Vereinigtes Sekretariat)" exklusiv für die Arbeit in der damaligen DDR gegründet. Die Gruppe arbeitet seit der deutschen Vereinigung mit Mitgliedern der trotzkistischen Plattform in der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) zusammen und ist inzwischen mit Kontaktadressen in Berlin, Erfurt, Halle, Leipzig sowie in den alten Bundesländern vertreten. Als ihr Ziel bezeichnet die GRS - deutsche Sektion der "IV. Internationale" in den neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins - die "Herstellung verbindlicher Strukturen der Vierten Internationale sowie die Rekonstruktion einer Sektion in Gesamtdeutschland". Publikation: "Avanti-Zeitung der Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen/ Vierte Internationale", mtl. 4.1.3.3 "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) Die 1979 gegründete ISA, deutsche Sektion der "IV. Internationale (Internationales Zentrum für ihren Wiederaufbau)" - IZ -, ging aus einer Gruppe um die trotzkistische Zeitschrift "Internationale Arbeiterkorrespondenz" (IAK) hervor und umfaßt etwa 150 Mitglieder, davon etwa 20 in Berlin. 146 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - Organ: "Sozialistische Arbeiterzeitung" (SAZ), dt. Beilage der mtl. Zeitschrift "Internationale Tribüne - La Verite", die vom Generalrat der "IV. Internationale (IZ)" herausgegeben wird. 4.1.3.4 "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) 1989 mit dem Ziel, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Jugendliche zur Mitarbeit zu gewinnen, von der ISA gebildete Tarnorganisation. Organ: "Freie Tribüne für Arbeitnehmerpolitik", 14tgl. 4.1.3.5 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Die 1969/70 aus dem Frankfurter SDS hervorgegangene SAG ist die deutsche Sektion der "International Socialists" - IS - (Sitz: London), einer der größeren internationalen trotzkistischen Dachverbände um die britische "Socialist Worker Party" (SWP). Die etwa 150 Mitglieder sind in mehreren Ortsgruppen u.a. in Berlin organisiert. Die SAG erstrebt über Betriebsund Gewerkschaftsarbeit den Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei. Publikation: "Klassenkampf", mtl. 4.1.3.6 -Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands'^ (SpAD) Der im Januar 1990 in Berlin gegründete SpAD, deutsche Sektion der "Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)" (IKL), gehören unter 100 Mitglieder an. Vorläuferorganisation waren die 1974 gegründete "Trotzkistische Liga Deutschlands" (TLD) sowie die 1989 auf dem Gebiet der damaligen DDR gegründeten "Spartakist-Gruppen". Organ: "Spartakist", mtl. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 147 4.1.3.7 "Gruppe Arbeitermacht" (GAM) Die erstmals 1983 bekanntgewordene Splittergruppe GAM, deutsche Sektion der internationalen trotzkistischen Bewegung "Liga für eine revolutionäre kommunistische Internationale" (LRKI), bildete bis Oktober 1991 eine "revolutionär-kommunistische Fraktion" in der PDS Berlin. Ziel der das Konzept eines "offenen Entrismus" vertretenen GAM ist die Gründung einer "revolutionären Partei". Publikation: "Arbeitermacht", unreg. 4.1.3.8 "Gruppe Spartakus" Diese Splittergruppe wurde 1983 als "Gruppe IV. Internationale" von Personen gegründet, die aus der damaligen "Trotzkistischen Liga Deutschlands" (TLD) ausgeschlossen worden waren. Seit August 1990 ist diese Gruppe deutsche Sektion der internationalen trotzkistischen Bewegung "Bolschewistische Tendenz" (BT) mit Kontaktadressen in Berlin und Hamburg. Organ: "Trotzkistisches Bulletin", unreg. 4.1.4 "Orthodoxe" Kommunisten 4.1.4.1 "Sozialistische Initiative" (Sl) Die am 29. April 1990 durch Umbenennung der "orthodox"-kommunistischen "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW) entstandene Sl hat sich nach einer Urabstimmung ihrer Mitglieder zum 30. Juni 1991 aufgelöst. In der Sl waren zum Auflösungszeitpunkt ca. 400 Mitglieder organisiert. Ehemalige Nebenorganisationen der SEW: "Demokratischer Frauenbund Berlin" (DFB); "Aktionsgemeinschaft von Demokraten und Sozialisten Westberlin" (ADS Westberlin); "Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Berlin (West)" - DSF Berlin (West); 148 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Westberlin - Verband der Antifaschisten" (VNN Westberlin/Verband der Antifaschisten). Mit der Beendigung der Finanzierung der SEW durch die "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) Anfang 1990 mußte die SEW ihrerseits die Finanzierung ihrer Nebenorganisationen einstellen, was zu einer erheblichen Reduzierung der Aktivitäten der Nebenorganisationen führte und Diskussionen um den politischen Standpunkt in diesen Organisationen auslöste. Im Jahr 1991 konnte keine Beeinflussung der politischen Tätigkeiten dieser Organisationen durch die Sl festgestellt werden. Mit der Auflösung der Sl ist die Grundlage der Beobachtung entfallen. 4.1.4.2 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Am 20. November 1991 von ehemaligen SEW/SI-Funktionären gegründete "orthodox"-kommunistische Kernorganisation. Der DKP-Bezirksorganisation Berlin/Brandenburg gehören derzeit ca. 50 Mitglieder an. Publikation: "Kommunistische Korrespondenz" - Zeitung der DKP-Berlin/Brandenburg - (ehemals "Zettel"); Aufl. 300. 4.1.4.3 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) Am 31. Januar 1990 in Ost-Berlin für das Gebiet der ehemaligen DDR u wiedergegründete orthodox"-kommuntstische Kernorganisation mit gesamtdeutschem Anspruch. In Ost-Berlin gehören ca. 40 Mitglieder der KPD an. Publikation: "Trotz alledem" - Monatsschrift der "Kommunistischen Partei Deutschlands". 4.1.5 "Ständiger Rat Marxistischer Parteien" (SRMP) Am 21. April 1991 konstituierten sich in Berlin vier marxistisch-orientierte Organisationen bzw. Parteien zum SRMP. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 149 Die beteiligten Parteien wollen unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit solidarisch zusammenarbeiten. Ziel des Zusammenschlusses ist nach der erklärten Absicht seiner Gründer, "zur Bildung einer einheitlichen revolutionären Klassenpartei beizutragen". 150 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.2 Rechtsextremismus 4.2.1 Neuer Nationalsozialismus/Neonazismus 4.2.1.1 "ASGARD-Bund e.V." Der 1980 unter dem maßgeblichen Einfluß des militanten Neonazis ArnulfWinfried PRIEM gebildete "ASGARD-Bund e.V." strebt die Gleichstellung des germanischen Kulturkreises mit den anderen Religionen an und versteht sich als religiöse unabhängige Gemeinschaft. Der Verein tritt inzwischen nur noch durch die jährliche Herausgabe seines "Nordisch-Germanischen Jahrweisers" hervor (vgl. "Wotans Volk"). 4.2.1.2 "Bund Vaterlandstreuer Volksgenossen" (BVV) 1988 in Berlin (West) entstandene neonazistische, politisch weitgehend selbständig operierende Kleinstgruppe, die 1990 und 1991 sporadisch mit Klebeaktionen (Holocaust in ISRAEL SCHLUSS MIT DER KNECHTUNG DES PALÄSTINENSISCHEN VOLKES!) in Erscheinung trat. 4.2.1.3 "Deutsche Alternative" (DA) Die 1989 in Bremen gegründete, bundesweit etwa 320 Mitglieder umfassende Partei vertritt die politischen Ziele des verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN. Die etwa 20 Berliner Mitglieder der DA sind zugleich Angehörige der "Kameradschaft Berlin" der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) oder der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin). 4.2.1.4 "Deutsche Jugendinitiative Berlin" (DJI) Etwa 30 Personen umfassendes loses Aktionsbündnis von Anhängern der "Freiheitspartei", der "Nationalistischen Front" (NF) und einigen unorganisierten Neonazis. Seit 1986 tritt die DJI sporadisch mit Flugblattaktionen in der Öffentlichkeit auf. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 151 4.2.1.5 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Seit 1984 von Anhängern der 1983 verbotenen neonazistischen ANS/NA unterwanderte Partei. Der Landesverband Berlin der FAP wurde erst am 20. Oktober 1990 in Wildau, Kreis Königs Wusterhausen, gegründet. Im Verlauf des Jahres 1991 sank die Anzahl der Mitglieder des FAPLandesverbandes Berlin auf etwa 30 Aktivisten ab. Publikationen: "AUFRECHT! Zeitschrift für nationale Solidarität", hrsg. vom FAP-Landesverband Berlin (seit April 1991) 4.2.1.6 "Freiheitspartei" 1987 von Berliner Anhängern der neonazistischen "Bewegung" als "Auffangbecken" für den Fall eines Verbots der FAP gegründete Partei, die 1989 aus Anlaß der Berliner Wahlen für die Bezirksverordnetenversammlung Wedding als Wählergemeinschaft kandidierte. 1990 und 1991 trat die "Freiheitspartei" öffentlich kaum in Erscheinung. 4.2.1.7 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Der von dem 1991 verstorbenen Michael KÜHNEN geführten GdNF, die sich weiterhin uneingeschränkt zum Nationalsozialismus bekennt, gehörten 1991 bundesweit etwa 400 Personen an. Nach dem Verbot der von KÜHNEN gegründeten "Nationalen Sammlung" (N.S.) im März 1989 bildeten er und seine Anhänger verschiedene andere Organisationen wie die bisher auf Hamburg beschränkte "Nationale Liste" (NL) und die auch in der ehemaligen DDR verbreitete "Deutsche Alternative" (DA). Die "Kameradschaft Berlin" der GdNF umfaßte 1991 bis zu 20 Personen, die gleichzeitig Mitglieder der DA oder der NA sind. 4.2.1.8 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 1979 gegründete Organisation zur Unterstützung inhaftierter Neonazis mit bundesweit etwa 200 Mitgliedern. In Berlin existiert keine Gliederung der HNG, sondern nur Einzelmitglieder. 152 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - Publikation: "Nachrichten der HNG", monatlich, Auflage: ca. 300 4.2.1.9 "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin) Eine am 1. Februar 1990 auf Initiative westdeutscher KÜHNEN-Anhänger im Ostteil Berlins gegründete Partei, der im Jahr 1991 noch etwa 20 Aktivisten angehörten. 4.2.1.10 "Nationalistische Front" (NF) 1985 gegründete, 1991 bundesweit etwa 130 Mitglieder umfassende Partei mit nationalrevolutionärer Ausrichtung. In Berlin existiert eine etwa 20 Mitglieder umfassende Ortsgruppe. 4.2.1.11 "Nationale Offensive" (NO) Am 3. Juli 1990 in Augsburg gegründete völkisch-nationalistische Partei unter Führung des ehemaligen FAP-Aktivisten Michael SWIERCZEK, die bisher vorzugsweise im süddeutschen Raum tätig war, aber die Gründung von Gruppen in der ehemaligen DDR anstrebt. In Berlin besteht zur Zeit nur ein informeller NO-Funktionärskreis, der Verbindung zur "Nationalen Alternative Berlin" unterhält. Bundesweit etwa 100 Mitglieder. 4.2.1.12 "Völkischer Freundeskreis" 1989 von ehemaligen Mitgliedern der damaligen "Kameradschaft Berlin" der GdNF ins Leben gerufene Funktionärsgruppe, die sich von Michael KÜHNEN als Führer distanziert hatte. Nach monatelanger Inaktivität wurde Anfang Juli 1991 die neonazistische Kleinstgruppe mit Unterstützung der FAP reaktiviert. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 153 4.2.1.13 "Wiking-Jugend volkstreue, nordländische Jugendbewegung Deutschland e.V." (WJ) Die 1952 gegründete, heute bundesweit etwa 450 Mitglieder umfassende WJ sieht sich in der Tradition der "Hitler-Jugend". Die etwa 10 Mitglieder des Gaues Berlin der WJ beteiligten sich 1991 an verschiedenen Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Organisationen. 4.2.1.14 "Wotans Volk" Erstmals 1987 als "Jugendgruppe" des Vereins "ASGARD-Bund e.V." hervorgetretener Zusammenschluß einiger Anhänger des militanten Neonazis Arnulf-Winfried PRIEM, der mit dieser Gruppe die Tradition der 1984 aufgelösten "Kampfgruppe PRIEM e.V." fortsetzt. Die Gruppe beteiligt sich sporadisch an Flugblattund Schmieraktionen neonazistischen Charakters. 4.2.2 "Nationalfreiheitliche" und "Nationaldemokraten" 4.2.2.1 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU e.V.) einschließlich: "Aktion Oder-Neiße" (AKON), "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur" (DSVK), "Ehrenbund Rudel" (ER), "Initiative für Ausländerbegrenzung" (l.f.A.), "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA). 1971 von dem Münchner Verleger Dr. Gerhard FREY als "überparteiliches" Sammelbecken der "Verfassungstreuen Rechten" gegründete Kernorganisation der "National-Freiheitlichen". In den von FREY herausgegebenen Wochenzeitungen ("Deutsche National-Zeitung", Aufl.: 35.000, "Deutsche Wochen-Zeitung"/"Deutscher Anzeiger", Aufl.: 39.000) wird regelmäßig rechtsextremistische Agitation betrieben. 154 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - Seit Gründung des Berliner Landesverbandes der DVU - Liste D sind für die DVU e.V. keine Aktivitäten mehr zu verzeichnen; die Mitglieder des Vereins sind automatisch Mitglieder der Partei. 4.2.2.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 1987 auf Initiative Dr. FREYs gegründete Partei. Die DVU ist mit inzwischen rund 24.000 Mitgliedern die mit Abstand größte Partei im rechtsextremistischen Spektrum. Der 1988 gegründete Berliner Landesverband ist mit etwa 800 Mitgliedern die zahlenmäßig größte rechtsextremistische Organisation Berlins. 4.2.2.3 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 aus der "Deutschen Reichspartei" (DRP) und anderen rechtsextremistischen Organisationen hervorgegangene NPD umfaßte 1991 bundesweit etwa 6.100 Mitglieder. Der Landesverband Berlin-Brandenburg der NPD hatte zum Jahresende 1991 etwa 200 Mitglieder. Die NPDJugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) umfaßte 1991 bundesweit etwa 550, in Berlin etwa 15 Mitglieder. 4.2.3 Sonstige 4.273.1 berliner Kulturgemeinschaft Preußen^ (ehemals "Deutsche Kulturgemeinschaft Berlin - DKG-Berlin) Die im März 1983 von oppositionellen Berliner NPD-Mitgliedern gegründete, 1991 etwa 25 Mitglieder umfassende Vereinigung hat sich seit 1988 zu einem Sammelbecken für Berliner Rechtsextremisten unter Einschluß der neonazistischen Gruppen entwickelt. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 155 4.3 Ausländerextremismus 4.3.1 Palästinenser/Araber 4.3.1.1 "ALFATAH" Ende der 50er Jahre gegründete, zahlenmäßig stärkste PLOMitgliedsorganisation unter Führung von Yassir ARAFAT. Die FATAH hat ihre Hauptstützpunkte in Tunis, Tripolis und Bagdad. Erklärtes Ziel der FATAH ist die Befreiung Palästinas durch Zerstörung des Staates Israel und die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates. In der Vergangenheit war sie für zahlreiche Terrorakte verantwortlich (z.B. 1972 auf die israelische Olympia-Mannschaft in München). In Berlin besteht eine Gliederung der FATAH mit ca. 100 Mitgliedern (bundesweit ca. 500). 4.3.1.2 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Die 1967 gegründete PFLP unter Leitung von Dr. George HABBASH mit Sitz in Damaskus will ihr politisches Ziel, die Schaffung eines panarabischen Staates, mit den Mitteln des Guerilla-Krieges, insbesondere durch organisierten Terror, erreichen. In der Vergangenheit hat die PFLP zahlreiche Terroranschläge gegen Israel und mißliebige europäische Staaten verübt. Die PFLP verfügt in Berlin über eine Gliederung mit etwa 25 Mitgliedern (bundesweit ca. 150). 4.3.1.3 "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) Die 1969 gegründete DFLP unter Leitung von Nayef HAWATMEH mit Sitz in Damaskus lehnt die Lösung der "Palästina-Frage" auf dem Verhandlungswege ab. Sie ist in Israel und den von Israel besetzten Gebieten durch zahlreiche Terrorakte in Erscheinung getreten. In der Bundesrepublik Deutschland sind Terrorakte von der DFLP bisher nicht durchgeführt worden. In Berlin besteht eine Gliederung der DFLP mit etwa 30 Mitgliedern (bundesweit ca. 200). 156 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.3.1.4 "Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando" (PFLP-GC) Die 1968 gegründete PFLP-GC unter Leitung von Ahmed JIBRIL mit Sitz in Damaskus zählt zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Sie zeichnete für zahlreiche Terrorakte in Israel und den von Israel besetzten Gebieten sowie in Westeuropa verantwortlich. 1986 und 1988 gelang es deutschen Sicherheitsbehörden, Anschlagsvorbereitungen von PFLP-GC-Angehörigen in der Bundesrepublik Deutschland aufzudecken. Im Bundesgebiet und in Berlin verfügt die PFLP-GC nur über Einzelmitglieder. 4.3.1.5 "Palästinensische Volkskampffront" (PPSF) Die 1967 gegründete PPSF unter Leitung von Dr. Samir GHOUSHA mit Sitz ist Damaskus lehnt eine politische Lösung der "Palästina-Frage" ab und fordert die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes bis zur völligen Vernichtung Israels. In der Bundesrepublik Deutschland hat die PPSF bisher keine Terrorakte verübt. In Berlin gibt es wie im Bundesgebiet nur Einzelmitglieder der PPSF. 4.3.1.6 "AL SAIQA" Die 1968 von der in Syrien regierenden BAATH-Partei gegründete "AL SAIQA" vertritt die Interessen Syriens in der PLO. Sie verfügt im Bundesgebiet wie in Berlin nur über Einzelmitglieder. 4.3.1.7 "Abu-Nidal-Organisation" (ANO) Die 1972 von Hassan Sabri AL BANNA alias "Abu NIDAL" gegründete ANO, die ihre Hauptstützpunkte in Libyen und Irak besitzt, gehört zu den aggressivsten palästinensischen Terrororganisationen. Seit ihrer Gründung hat sie für zahlreiche Terrorakte, u.a. in Westeuropa, verantwortlich gezeichnet. Sie verfügt im Bundesgebiet wie in Berlin nur über Einzelmitglieder. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 157 4.3.1.8 "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die 1987 gegründete "HAMAS" tritt für den Jihad (Heiligen Krieg) gegen Israel und die Errichtung eines islamischen Staates in Israel und den von Israel besetzten Gebieten ein. Sie operierte bisher terroristisch ausschließlich in den von Israel besetzten Gebieten, wo sie auch ihre Hauptstützpunkte hat. Sie verfügt in Berlin über Einzelmitglieder (bundesweit ca. 50). 4.3.1.9 "Moslembruderschaft" (MB) Die bereits 1928 in Ägypten gegründete "Moslembruderschaft" ist ein Zusammenschluß radikaler sunnitischer Muslime, der hauptsächlich in Ägypten und Syrien mit Gewalt die dortigen Regime stürzen will. In Berlin leben etwa 10 Mitglieder der MB (bundesweit ca. 700). 4.3.1.10 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Die 1982 im Libanon gebildete, vom Iran gesteuerte "Hizb Allah", die sich in den letzten Jahren zur stärksten Kraft unter den pro-iranischen SchiitenOrganisationen entwickelte, hat sich die Schaffung einer Islamischen Republik Libanon zum Ziel gesetzt. Sie ist für zahlreiche Terrorakte im Libanon verantwortlich, u.a. die Entführung der Deutschen SCHMIDT und CORDES. In Berlin verfügt die "Hizb Allah" über etwa 40 Mitglieder (bundesweit ca. 300). 4.3.1.11 AMAL Die 1969 im Libanon gegründete, sowohl vom Iran als auch von Syrien unterstützte AMAL-Bewegung ist die größte und bedeutendste schiitische Organisation im Libanon. Sie zeichnete in der Vergangenheit für zahlreiche Gewaltakte und Entführungsaktionen im Libanon verantwortlich. In der Bundesrepublik Deutschland sind bisher keine Gewaltakte der AMALBewegung bekanntgeworden. In Berlin verfügt sie über eine Gliederung mit etwa 10 Mitgliedern (bundesweit ca. 240). 158 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.3.1.12 "Hizb AI-Da'Wa Al-Islamia" Die Ende der 60er Jahre im Irak von dem 1980 hingerichteten Muhammad BAKIR ins Leben gerufene, vom Iran gesteuerte Partei will das Regime unter Saddam HUSSEIN stürzen und eine Islamische Republik Irak errichten. Anhänger dieser Partei haben mehrere Anschläge auf staatliche Einrichtungen im Irak und auf irakische Vertretungen im Ausland verübt. In der Bundesrepublik Deutschland ist sie bisher durch Gewalthandlungen nicht in Erscheinung getreten. In Berlin verfügt sie über etwa 10 Mitglieder (bundesweit ca. 150). 4.3.1.13 "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PIJ) Die Ursprünge des PIJ gehen auf verschiedene fundamentalistische Bewegungen zurück, die zumeist unter dem Einfluß der sunnitischextremistischen Moslembruderschaft standen. Der PIJ wurde etwa Ende der 70er Jahre gegründet. In den 80er Jahren und Anfang 1990 kristallisierten sich insbesondere vor dem Hintergrund persönlicher Auseinandersetzungen, ideologischer Meinungsverschiedenheiten und Verbindungen zu verschiedenen Ländern und Organisationen sechs Fraktionen der Bewegung heraus. Ziel aller Fraktionen des PIJ ist die Errichtung eines islamischen Staates Palästina und die Vernichtung des Staates Israel. Dieses Ziel ist nach Auffassung des PIJ nur unter Einsatz von Gewalt zu erreichen. Die Bewegung übernahm bereits die Verantwortung für zahlreiche in Israel und den besetzten Gebieten sowie außerhalb Israels begangene Anschläge. Der PIJ hat angekündigt, auch außerhalb des Nahen Ostens gegen israelische Ziele vorzugehen. Im Zusammenhang mit dem "Golfkrieg" Anfang 1991 drohte ein hoher Funktionär des PIJ mit Anschlägen gegen US-amerikanische Einrichtungen in Deutschland. Nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden verfügt der PIJ bisher nur in Berlin über eine Gliederung, der etwa 40 Mitglieder und Anhänger angehören. 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 159 4.3.2 Kurden 4.3.2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die 1978 in der Türkei gegründete PKK unter Leitung von Abdullah ÖCALAN mit Sitz in Damaskus erstrebt die Schaffung eines vereinigten Kurdistans unter Einsatz auch terroristischer Mittel. Seit 1979 ist die PKK in der Bundesrepublik Deutschland aktiv und seitdem durch zahlreiche Aktionen in Erscheinung getreten. Wegen der in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland verübten Morde an PKK-Dissidenten stehen in Düsseldorf und Celle derzeit mehrere PKK-Mitglieder vor Gericht. Dem Berliner Gebietskomitee der PKK gehören etwa 150 Mitglieder und Anhänger an (bundesweit 2.600). 4.3.3 Türken 4.3.3.1 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) Die 1972 gegründete proalbanische TKP/M-L spaltete sich 1981 in die Gruppen Partizan (P) und Bolsevik (B). In der Vergangenheit wurden in Berlin von Anhängern der TKP/M-L (P) Gewalthandlungen durchgeführt. In Berlin verfügt sie über eine Gliederung mit etwa 50 Mitgliedern (bundesweit ca. 1.600). 4.3.3.2 "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) Die 1980 gegründete proalbanische TDKP, die den gewaltsamen Umsturz in der Türkei propagiert, verfügt in Berlin über etwa 60 Anhänger (bundesweit ca. 900). Gewaltaktionen sind von ihren Mitgliedern bzw. Anhängern in der Bundesrepublik Deutschland bereits ausgegangen. 160 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.3.3.3 "Türkische Volksbefreiungspartei/-front"(THKP/-C) Die 1971 gegründete THKP/-C übt in der Türkei individuellen Terror nach dem Vorbild lateinamerikanischer Stadtguerilleros aus. Aus der THKP/-C gingen mehrere konspirativ arbeitende Gruppen hervor, deren Mitglieder und Anhänger in der Öffentlichkeit durch zahlreiche, z.T. gewalttätige Aktionen in Erscheinung getreten sind. Die THKP/-C verfügt in Berlin über etwa 10 Mitglieder (bundesweit ca. 300). 4.3.3.4 "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Die Gruppe ging im Mai/Juni 1978 aus der THKP/-C als konspirativ arbeitender Zusammenschluß hervor. Sie strebt in der Türkei eine kommunistische Gesellschaftsordnung durch einen bewaffneten Volkskrieg an. Trotz des Verbots vom 9. Februar 1983 durch den Bundesminister des Innern sind Einzelmitglieder der Gruppe nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland aktiv. (In Berlin etwa 30 Mitglieder und Anhänger.) 4.3.3.5 "Avrupa'da Dev Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa) Tarnbezeichnung, unter der Anhänger der verbotenen "Devrimci Sol" in der Bundesrepublik Deutschland aktiv sind. 4.3.3.6 "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP) Nachfolgeorganisation der 1957 gegründeten und durch das Militär Jaxier Türkei 1980 verbotenen und aufgelösten "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP). Die von Alparslan TÜRKES geführte, laizistischnationalistische Partei mit antikommunistischer und antisemitischer Haltung verfügt bundesweit über ca. 6.600, in Berlin über ca. 500 Mitglieder und Anhänger. 4.3.3.7 "Wohlstandspartei" (RP) Nachfolgeorganisation der 1972 gegründeten und durch das Militär in der Türkei 1980 verbotenen "Nationalen Heilspartei" (MSP). Die RP ist eine nationalistische, islamisch-fundamentalistische Organisation, die sich gegen 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 161 den Laizismus wendet. Bundesweit umfaßt die von dem MSP-Gründer Necmettin ERBAKAN geführte RP ca. 12.500, in Berlin etwa 1.300 Mitglieder und Anhänger. 4.3.3.8 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) Der 1983 gegründete, von Cemaleddin KAPLAN geführte ICCB strebt wie die RP die Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei, jedoch durch eine Revolution nach iranischem Vorbild, an. Kaplan, dessen Anhängerschaft bundesweit ca. 4.200, in Berlin etwa 20 Personen umfaßt, lehnt jegliche Zusammenarbeit mit der RP ab. 4.3.4 Iraner 4.3.4.1 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Nach dem Sieg der islamischen Revolution im Iran wurde die Anfang der 60er Jahre gegründete U.I.S.A. durch die islamisch-fundamentalistischen Kräfte zu einer regimetreuen Organisation umgestaltet. Mitglieder der bundesweit ca. 400, in Berlin ca. 20 Personen umfassenden U.I.S.A. sind in der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit durch Gewalttaten in Erscheinung getreten. 4.3.4.2 "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) Bei der 1965 gegründeten PMOI handelt es sich um eine islamischfundamentalistische Organisation mit marxistischer Prägung ( Sitz Bagdad). Sie zielt auf den gewaltsamen Sturz des Mullah-Regimes im Iran. Die PMOI verfügt in der Bundesrepublik Deutschland über etwa 800 Mitglieder, davon 50 in Berlin. 162 4. - Anhang I: Kurzdarstellungen - 4.3.4.3 "Organisation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, Sympathisanten der Volksfedayin Guerilla Iran" (O.I.P.F.G.) Die am 8. Februar 1971 im Iran gegründete O.I.P.F.G. strebt den gewaltsamen Sturz des Mullah-Regimes im Iran an. Von den bundesweit 200 Mitgliedern leben etwa 10 in Berlin. 4.3.4.4 "Rat der Konstitutionellen Monarchie des Iran in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin" (R.K.M.I.) 1984 gegründete Dachorganisation der in der Bundesrepublik ansässigen monarchistischen Organisationen und Einzelpersonen, die die Wiedereinführung der Monarchie im Iran anstrebt. Sie verfügt bundesweit über ca. 900, in Berlin über ca. 60 Mitglieder. 4.3.5 Jugoslawen 4.3.5.1 "Kroatischer Nationalrat" ("Hrvatsko Narodno Vijece" - HNV) Der HNV mit Sitz in New York ist die bedeutendste Vereinigung von ExilJugoslawen in Deutschland. Er wurde am 2. Februar 1974 in Toronto/Kanada gegründet. Er versteht sich als nationalistische Dachorganisation kroatischer Effiigrantenvereirrigungen fn der ganzen Welt. In Deutschland unterhält der HNV 16 sog. Ortsausschüsse mit über 300 Mitgliedern. In Berlin gehört der Kroatische Republikanische Verein "Brüder Andric" mit etwa 10 Mitgliedern dem HNV als Mitgliedsorganisation an. 5. - Anhang II: Chronologie - 163 5 Anhang II Chronologie 164 5. - Anhang II: Chronologie - 5.1 Linksextremismus/Gewaltpotential 31.12.1990/ Ausschreitungen in Berlin-Kreuzberg durch etwa 150 zum 01.01.1991 Teil vermummte Personen. Barrikaden aus Containern wurden errichtet, Steine auf Polizeibeamte geworfen. Die Täter werden der autonomen Szene zugerechnet. 01.01.1991 Straßenblockade in Berlin-Schöneberg durch etwa 20 Personen. Barrikaden aus zwei Bauwagen wurden errichtet, ein Lkw in Brand gesetzt und mehrere Brandsätze in eine Drogerie geworfen. Die Täter werden der autonomen Szene zugerechnet. 03.01.1991 Räumung der teilbesetzten Häuser Kadiner Straße 15, Proskauer Straße 4 und Rigaer Straße 101 in BerlinFriedrichshain. Stellenweise hatten sich Besetzer massiv verbarrikadiert. Sympathisanten, darunter auch vermummte, setzten in der Umgebung ein Kraftfahrzeug und einen Müllcontainer in Brand. 03.01.1991 Demonstration in Berlin-Friedrichshain mit Beteiligung linksextremistischer Gewalttäter unter dem Motto Gegen Wohnraumzerstörung und Mietsteigerung. Polizeibeamte wurden mit Steinen beworfen und mit Leuchtspurmunition beschossen. 03./07.01.1991 Offene Weltkonferenz der "IV. Internationale/Internationales Zentrum für ihren Wiederaufbau" (IV. Internationale - IZ -) in Barcelona (Spanien) mit Teilnehmern aus 55 Ländern. Zu den angereisten Deutschen gehörten Vertreter der "Internationalen Sozialistischen Arbeiterorganisation" (ISA) aus Berlin. 5. - Anhang II: Chronologie - 165 04.01.1991 Brandanschlag auf den Pkw einer Baufirma in BerlinKreuzberg. In einem Selbstbezichtigungsschreiben machten die Täter, die sich als "Anfängerkurs einer weiteren autonomen Bastelgruppe" bezeichneten, das Unternehmen als Teil der Berliner Baumafia für die Räumung besetzter Häuser am 03.01.1991 mitverantwortlich. Bereits 1990 hatte sich ein "Autonomer Bastelverein" zu einem Brandanschlag am 08.11. auf das Bürohaus einer anderen Firma bekannt. 07.01.1991 Brandanschlag auf das Teppichcenter eines Kaufhauskonzerns in Berlin-Neukölln. In einem Selbstbezichtigungsschreiben bekannte sich eine "Autonome Gruppe" unter Hinweis auf Forderungen der militanten Hausbesetzerszene zu der Tat. 07./13.01.1991 Aktionswoche der (autonomen) Hausbesetzerszene mit teilweise unfriedlichen Aufzügen in Berlin-Friedrichshain und Farbschmierereien in Berlin-Dahlem. 12.01.1991 Demonstration gegen einen drohenden Krieg am Golf. An der Vorbereitung und Durchführung beteiligten sich mehrere autonome Gruppen. Während des Aufzuges und danach gingen militante Aktivisten u.a. mit Steinwürfen gegen Polizeibeamte vor. 14.01.1991 Brandanschläge auf fünf Filialen einer Großbank. Die Täter deponierten in Briefumschlägen verpackte, mit einem Säurezünder präparierte chemische Substanzen in Briefkästen der Bank. Anonyme Schreiber erklärten in einer Selbstbezichtigung, die Brandanschläge würden als Möglichkeit, den Krieg um Rohstoffe und menschliche Verwertbarkeit in die Metropolen zu tragen, begriffen. 14.01.1991 Blockade des Berliner US-Hauptquartiers anläßlich der Golfkrise. Zu den Initiatoren der Protestaktion zählte die anarchistische "Freie Arbeiterinnen Union" (FAU). 166 5. - Anhang II: Chronologie - 15.01.1991 Sprengstoffanschlag der "Revolutionäre Zellen" (RZ) auf die Viktoria-Figur der Siegessäule. In einem Selbstbezichtigungsschreiben mit dem Tenor Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Patriarchat werteten die Täter angesichts der Golfkrise ihre Aktion als Beitrag zum Widerstand gegen den Krieg. 16./18.01.1991 Diverse Demonstrationen unter dem Eindruck des drohenden bzw. am 17.01.1991 erfolgten Kriegsausbruchs am Golf. Zu den Zehntausenden, die an derartigen Protestaufzügen teilnahmen, gehörten zahlreiche Autonome. Aus dem Schutz der Demonstrantenmengen warfen Gewalttäter beispielsweise entlang der Demonstrationsroute Kurfürstendamm - Tauentzienstraße - Hardenbergstraße reihenweise Scheiben ein und attackierten Polizeibeamte mit Steinwürfen. Hierbei gingen sie auch massiv gegen Demonstranten vor, die sich ihnen zur Gewaltverhinderung in den Weg gestellt hatten. 18.01.1991 Auffinden eines Sprengsatzes auf dem Flughafen BerlinSchönefeld. Das Laborat war mit der Aufschrift Vergeltung für deutsche C-Waffen nach Irak und mit einem fünfzackigen Stern beschriftet. 20.01.1991 Brandanschläge gegen zwei Tankfahrzeuge einer Spedition Ja Berlin-Spandau und gegen die Tankstelle eines französischen Mineralölkonzerns in Berlin-Reinickendorf. In dem Selbstbezichtigungsschreiben eines "Komitees zur sofortigen Beendigung des Völkermords" wandten sich die Täter insbesondere gegen Rüstungsbetriebe und Ölkonzerne als Nutznießer des Golfkrieges. 21.01.1991 Brandanschlag auf eine Sparkassenfiliale in BerlinNeukölln. Die Täter stellten auf dem Sims einer Schaufensterscheibe ein Laborat ab. 5. - Anhang II: Chronologie - 167 22.01.1991 Brandanschlag auf den Geschäftscontainer einer Großbank in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Täter deponierten den Brandsatz an dem Zielobjekt. 26.01.1991 Sternmarsch unter dem Motto Stoppt den Krieg am Golf! Sofortiger Waffenstillstand - Verhandeln!. Unter den etwa 6.000 Teilnehmern befanden sich insbesondere innerhalb der Marschblöcke aus Kreuzberg und Wedding zahlreiche Autonome, darüber hinaus auch ehemalige Funktionäre der früheren "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW) und Mitglieder der "Sozialistischen Initiative" (Sl). 27.01.1991 Störung einer pro-alliierten/-israelischen Demonstration anläßlich des Golfkrieges. An der Aktion beteiligten sich etwa 300 Personen, darunter zahlreiche Autonome. 27.01.1991 Brandanschläge des "Komitees zur sofortigen Beendigung des Völkermords" auf drei Filialen eines amerikanischen Kaufhauskonzerns. In einem Bekennerschreiben warfen die Täter dem Unternehmen vor, einen ökonomischen Krieg gegen die ausgebeuteten Menschen in den Billiglohnländern der Dritten Welt zu führen. Zugleich verurteilten sie neben den Nutznießern und Kriegsgewinnlern alle Beteiligten des Golfkrieges. 31.01.1991 Auffinden eines nicht gezündeten Brandsatzes in der Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses in Berlin-Steglitz. Die Polizei stellte Tatmittelübereinstimmung mit Anschlägen auf zwei Möbelhäuser fest, zu denen sich "Revolutionäre Zellen" (RZ) bekannt hatten. 02./03.02.1991 Teilnehmer-Treffen des "Anachronistischen Zuges 1990", einer Veranstaltungsreihe anläßlich der Bundestagswahlen, die vom "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) zusammen mit der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) organisiert worden war. 168 5. - Anhang II: Chronologie - 04.02.1991 Brandanschlag gegen die Filiale einer Großbank in BerlinSpandau. In einer Bekennung wandten sich die Täter anläßlich des Golfkrieges gegen Rüstungsgeschäfte deutscher Unternehmen und gegen die an derartigen Transaktionen als Geldgeber beteiligten Banken. 07.02.1991 Brandanschlag auf den Berliner Zentralsitz des "Deutschen Gewerkschaftsbundes" (DGB) in Berlin-Schöneberg. In einem mit "Wütende Kollegen und Kolleginnen" unterzeichneten Selbstbezichtigungsschreiben warfen die Täter den Gewerkschaften vor, sie hätten über die Mitarbeit in Parteispitzen und Aufsichtsräten bundesdeutscher Großkonzerne die zerstörerische Politik ... gegenüber den Völkern der sogenannten 3. Welt mitgetragen. 12.02.1991 Brandanschlag auf ein Kaufhaus in Berlin-Kreuzberg durch "eine revolutionäre zelle" anläßlich des Golfkrieges. In einer Bekennung begründeten die Täter den Anschlag mit ihrer Wut und ihrem haß gegen menschenverachtende Systeme (brd, usa, Irak u.a.), denen sie Völkermordabsichten vorwarfen. 18.02.1991 Beschädigung von insgesamt 14 Tankstellen verschiedener Mineralölkonzerne. Es wurden Tankschläuche zerschnitten, Zapfpistolen gestohlen, Zucker in Vorratsbehälter geschüttet und Parolen gegen den Golfkrieg geschmiert. Eine Bekennung mit der Überschrift Kein Blut für Öl, die keinen Täterhinweis enthält, endet mit der Aufforderung Blockieren Sabotieren Desertieren. 18.02.1991 Beteiligung maßgeblicher Angehöriger des Berliner RAFUmfeldes an einer Versammlung zum Thema Black Power - Schwarzer Widerstand in den USA. 5. - Anhang II: Chronologie - 169 18.02.1991 Brandanschlag auf das Firmenfahrzeug eines amerikanischen Büromaschinen-Unternehmens in BerlinWedding. Die Täter öffneten gewaltsam die Beifahrertür und gössen in den Innenraum Vergaserkraftstoff, den sie entzündeten. 20.02.1991 Brandanschlag auf ein Kaufhaus in Berlin-Charlottenburg. Die Täter deponierten eine Flasche mit brennbarer Flüssigkeit, kombiniert mit einem selbstgebauten Zünder, in den Geschäftsräumen. 23./24.02.1991 3. Nationalkonferenz der "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) in Berlin. 25.02.1991 Beteiligung von Autonomen an einer Demonstration anläßlich des Beginns der Bodenoffensive alliierter Streitkräfte am Golf. Insgesamt nahmen etwa 200 Personen teil. 04.03.1991 Brandanschlag auf Kraftfahrzeuge eines Autohändlers in Berlin-Schöneberg. Das mit "Autonome Zelle" unterzeichnete Selbstbezichtigungsschreiben, in dem die Täter ihr Vorgehen gegen Rüstungslieferanten wie VW verteidigten, endete mit den Parolen Freiheit für Palästina und Kurdistan! Krieg dem Krieg!. 06.03.1991 Brandanschlag gegen die Filiale einer Sexshop-Kette in Berlin-Mitte. In einer mit "Calamity-Jane" unterzeichneten Bekennung wandten sich die Täter GEGEN SEXISTISCHE UND RASSISTISCHE AUSBEUTUNG. 09./10.03.1991 Ordentlicher Parteitag der "Sozialistischen Initiative" (Sl). In einer Urabstimmung wurde die Auflösung der Sl mit Wirkung vom 30.06.1991 beschlossen. 170 5. - Anhang II: Chronologie - 15.03.1991 Versuchter Brandanschlag auf ein Kaufhaus in BerlinSchöneberg. Der Brandsatz wurde vor Erreichen des Zündzeitpunktes entdeckt und entschärft; Aufbau und Funktionsweise entsprachen Laboraten, wie sie bei Anschlägen "Revolutionärer Zellen" (RZ) 1990 und 1991 verwendet worden waren. 18.03.1991 Brandanschlag auf ein Polizeidienstgebäude in BerlinLichtenberg. Die Täter warfen eine Brandflasche aus einem fahrenden S-Bahn-Zug auf das Vordach des Gebäudes. 23./24.03.1991 Gesamtdeutsche Konferenz in Berlin für die Einheit der Arbeitnehmer und Jugendlichen und ihrer Organisationen. Veranstalter war die "Vereinigung der Arbeitskreise für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA). 29.03.1991 Brandanschlag auf ein überwiegend von der "Treuhandanstalt" genutztes Gebäude in Berlin-Prenzlauer Berg. In einer Selbstbezichtigung wandte sich eine Gruppe "THOMAS MÜNZER'S WILDER HAUFEN" gegen eine angebliche Kaputtsanierung der DDR-Industrie durch die "Treuhandanstalt" im Auftrage der Herrn aus Bonn im Interesse des westdeutschen Großkapitals. 29.03.1991 Brandanschlag innerhalb eines Bürohochhauses in BerlinCharjottenburg^TJie Täter deponierten den Brandsatz auf der 1. Etage des Gebäudes in einem SchläuchkasTeh. Ziel der Attacke waren u.U. die dortigen Geschäftsräume einer Computerfirma. 30.03.1991 Brandanschlag auf das Fahrzeug eines Computerunternehmens in Berlin-Zehlendorf. Die Täter setzten zwei Fahrzeugreifen in Brand. 5. - Anhang II: Chronologie - 171 02.04.1991 Beteiligung Autonomer an massiven Behinderungen im Berliner Hauptbahnhof gegen einen Zug, mit dem Wehrpflichtige zu ihren Ausbildungskompanien gebracht werden sollten. Die Abfahrt wurde durch mehrfaches Ziehen der Notbremse wiederholt verzögert; Gewalttäter gingen tätlich gegen Polizeibeamte vor. 05.04.1991 Farbschmierereien autonomer Kreise an einem Gedenkstein für die Gefallenen der beiden Weltkriege in Berlin-Steglitz. Eine Taterklärung enthält u.a. Parolen wie Der Krieg geht weiter! Solidarität mit dem kurdischen und palästinensischen Widerstand! Soziale Revolution statt imperialistischem Krieg!. Ein zu der Bekennung in einem autonomen Szeneblatt veröffentlichtes Bild trägt das Emblem der "Antifaschistischen Aktion". 06.04.1991 Demonstration Gegen Massenmord an der kurdischen Zivilbevölkerung. In dem von einer "Autonomen Gruppe" unter dem Titel Kampf dem Krieg am Golf veröffentlichten Aufruf warfen die Initiatoren den Alliierten vor, Imperialismus zu betreiben und damit einer Bevölkerungspolitik zu gehorchen, die die Vernichtung der "unnützen Esser" zum Ziel hat. 07.04.1991 Brandanschlag gegen zwei Abrißbagger einer Baufirma in Berlin-Kreuzberg. Eine Taterklärung, die sich gegen den Abriß eines alten Gewerbehofes richtete, war mit KIEZ GEGEN ABRISS UND UMSTRUKTURIERUNG unterzeichnet. 07./13.04.1991 Ausstellung des "Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD" (AB) zur Veranstaltungsreihe "Anachronistischer Zug", die der AB gemeinsam mit der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) organisierte. 172 5. - Anhang II: Chronologie - 20.04.1991 Kundgebung mit etwa 600 Personen, überwiegend Autonome, Anhänger militanter Antifa-Gruppen, Angehörige türkischer Jugendbanden und einzelne Angehörige des Berliner RAF-Umfeldes, in Berlin-Kreuzberg unter dem Motto Für Frieden und Völkerverständigung - Gegen Rassismus. Im Verlauf eines anschließenden unangemeldeten Aufzuges mit knapp 1.000 Teilnehmern kam es zu Ausschreitungen, insbesondere durch Angehörige türkischer Jugendbanden. 20.04.1991 Beteiligung Berliner Mitglieder des "Kommunistischen Bundes" (KB) an einem Kongreß ihrer Organisation in Hamburg. Die Anwesenden beschlossen, den KB aufzulösen. 21.04.1991 Konstituierung eines "Ständigen Rates Marxistischer Parteien" (SRMP) mit der erklärten Absicht, zur Bildung einer einheitlichen revolutionären Klassenpartei beizutragen. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten u.a. die "Kommunistische Plattform" (Berlin) in der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) und die (von ehemaligen SED-Mitgliedern gegründete) "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD). 25.04.1991 Buttersäureanschlag auf eine Ausstellung über die Umgestaltung des Moritzplatzes in Berlin-Kreuzberg. Die Täter verteilten größere Mengen der extrem übelrtechenden Chemikalie auf dem Teppichboden der Ausstellungsstätte. In einer Taterklärung wandte sich eine Gruppe "Kreuzberg Dufter Haufen" insbesondere gegen erwartete Mieterhöhungen im Zuge künftiger Gewerbeansiedlungen. 25./28.04.1991 Beteiligung Berliner Aktivisten der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) an der 3. ordentlichen Zentralen Delegiertenkonferenz ihrer Partei in Köln. 5. - Anhang II: Chronologie - 173 29.04.1991 Brandanschläge gegen Fahrzeuge der Marke MercedesBenz auf dem Gelände eines Gebrauchtwagen-Centers dieses Herstellers in Berlin-Tegel und im Parkhaus eines First-Class-Hotels in Berlin-Mitte. In einer mit "BooMTOWN RATS" unterzeichneten Erklärung wandten sich die Täter gegen eine befürchtete Verdrängung ärmerer Schichten an den Stadtrand im Zuge der angeblichen Umstrukturierung Berlins. 01.05.1991 Revolutionäre 1. Mai-Demonstration. An dem von Autonomen und Angehörigen des RAF-Umfeldes vorbereiteten Aufzug beteiligten sich etwa 8.000 Personen, darunter 500 - 800 Aktivisten aus dem politisch-motivierten Gewaltpotential. Während und insbesondere gegen Ende der Demonstration kam es zu Ausschreitungen gegen Geschäfte und Kraftfahrzeuge. 01.05.1991 Ausschreitungen bei einem Straßenfest in Berlin-Kreuzberg, ausgelöst von Anhängern der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) und türkischen Jugendbanden. Insbesondere nach dem vorzeitigen Ende des Festes beteiligten sich zunehmend Autonome an den Krawallen, die bis in die Nachtstunden von flexibel agierenden Kleingruppen fortgeführt wurden. 12.05.1991 Nachbereitungsveranstaltung zu den Ereignissen am 01.05.1991. Im Mittelpunkt der Versammlung, an der sich u.a. etwa 50 Autonome beteiligten, standen Vorwürfe Autonomer gegen RIM-Aktivisten, zu falschen Zeiten und an falschen Orten Krawalle initiiert zu haben. 13.05.1991, Zerstörung von Schaufensterscheiben einer Bankfiliale in 14.05.1991, Berlin-Friedrichshain. Eine der autonomen Szene 20.05.1991 zuzurechnende Gruppe begründete in einer Bekennung ihr Vorgehen u.a. mit der Umstrukturierung Berlins im Zuge der Hauptstadtplanung. 174 5. - Anhang II: Chronologie - 20.05.1991 Bekanntgabe eines Beschlusses der "Marxistischen Gruppe" (MG) zur Selbstauflösung. Als Begründung führte sie an, die Organisation sehe sich nicht mehr in der Lage, der staatlichen Repression zu widerstehen. 30.05.1991 Versuchter Brandanschlag auf Verkaufsräume des Gebrauchtwagen-Centers der Firma Daimler Benz AG in Berlin-Tegel. Der unter einem Fahrzeug deponierte Brandsatz wurde beim Umsetzen des Wagens entdeckt. 30.05.1991 Anschlag von sechs Personen auf die Filiale einer SexshopKette in Berlin-Mitte. Die Täter warfen nach Zerstörung der Schaufensterscheiben mit Buttersäure gefüllte Glühlampen in die Auslagen. Vier Frauen wurden als Tatverdächtige festgenommen. 30.05.1991 Brandanschlag auf den Verkaufscontainer eines französischen Automobilherstellers in Berlin-Mitte. Die Täter warfen zwei Brandflaschen durch eine Fensterscheibe. 02.06.1991 Sachbeschädigungen an Fahrzeugen und Maschinen zweier Baugesellschaften. In einer mit "Sozialrevolutionäre Gruppe" unterzeichneten Taterklärung denunzierten die Schreiber das eine Unternehmen als Spekulanten ... und als Baumafiosi. Der anderen Firma warfen sie den Bau von Kriegsinfrastruktur im Irak und den Bau des Frauenknastes Plötzensee und des Polizeipräsidiums vor: Weiterhin wandten sie sich gegen Berlin als Regierungssitz und die angebliche Umstrukturierung der Stadt. 07.06.1991 Beteiligung von Angehörigen der autonomen Szene an einer über 2.000 Teilnehmer umfassenden Demonstration zum Thema Lesben und Schwule gegen faschistische Gewalt. Vereinzelt schössen Teilnehmer Signalmunition ab; eine Gruppe griff einen Polizeibeamten an und entwendete seine Dienstwaffe, die später der Polizei zurückgegeben wurde. 5. - Anhang II: Chronologie - 175 08.06.1991 Teilnahme Berliner Vertreter der "Vereinigung für Arbeitnehmerpolitik und Demokratie" (VAA) an einer internationalen Versammlung der "Europäischen Arbeiterallianz" (EAA) in Paris. 12.06.1991 Brandanschlag in den Räumen der ständigen Ausstellung Fragen an die Deutsche Geschichte im Reichstagsgebäude. "Revolutionäre Zellen" hatten nach eigenen Angaben am Vortag zwei Brandsätze in der Ausstellung abgestellt, um damit wenige Tage vor der Entscheidung des Bundestages ... über den zukünftigen Regierungssitz Entscheidungshilfe zu geben. In der Erklärung wandten sich die Täter weiterhin dagegen, daß im Falle einer Entscheidung für Berlin als Regierungssitz Arbeitslose, Ausländerinnen, Auszubildende, Rentnerinnen und Sozialhilfeempfängerinnen aus der Stadt gedrängt würden. 12.06.1991 Anschlag auf Hanno KLEIN, Referatsleiter in der Senatsverwaltung für Bauund Wohnungswesen. KLEIN wurde durch die Explosion einer Briefbombe in seinem privaten Arbeitszimmer getötet. Der Täterkreis wird im autonomen Spektrum vermutet. 14./19.06.1991 Sachbeschädigungen an insgesamt 43 Lichtzeichenanlagen. Die Aktionen standen wahrscheinlich im Zusammenhang mit Protesten der autonomen Szene gegen das 1. Treffen des Rates der Außenminister der Teilnehmerstaaten der KSZE vom 19./20.06.1991 in Berlin. 15.06.1991 Wahl einer Berliner Funktionärin der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) in das Zentralkomitee ihrer Partei während der 3. ordentlichen Zentralen VSPDelegiertenkonferenz in Köln. 176 5. - Anhang II: Chronologie - 17.06.1991 Demonstration gegen Umstrukturierung und Hauptstadtwahn unter dem Motto Potzblitz Regierungssitz ... Gegen ein Berlin der Reichen!. Der Aufzug, vorbereitet von Autonomen und Angehörigen des RAF-Umfeldes, stand im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundestages am 20.06.1991 über den künftigen Regierungssitz. Die über 1.000 Teilnehmer skandierten Parolen wie Hanno Klein wird nicht der Letzte sein und Bomben und Benzin für den Regierungssitz Berlin; vereinzelt wurden Feuerwerkskörper und Steine geworfen. 17.06.1991 Brandanschlag gegen die Filiale einer Großbank in BerlinPankow. Die Täter bohrten ein Loch in die Außenwand des Geschäftscontainers und gössen brennbare Flüssigkeit in den Raum, die mittels eines Zeitzünders entzündet wurde. In einem Selbstbezichtigungsschreiben polemisierte "eine revolutionäre zelle" gegen die Bank. Diese unterstütze zusammen mit anderen Banken und Konzernen das System in der BRD, das für größere Gewinne über seine büttel alles in der ehemaligen ddr dagewesene zerschlage. 17.06.1991 Beschädigungen an zwei Parteibüros der SPD in BerlinNeukölln. Auf Flugblättern und in einer Wandschmiererei stritten die Täter gegen Berlin als Hauptstadt u.a. wegen damit angeblich einhergehender Umstrukturierung der Stadt. 23. /24.06.1991 Gewalttätige Auseinandersetzungen anläßlich eines Konzertes der Skinband "Böhse Onkelz" in Berlin-Neukölln. Bis zu 300 Personen, darunter Angehörige des autonomen Teils der sog. Antifa-Bewegung, randalierten vor und während des Konzertes, griffen Polizeibeamte an und waren in Schlägereien mit Skinheads verwickelt. 30.06.1991 Auflösung der "Sozialistischen Initiative" (Sl). 07.07.1991 Formelle Gründung der "Gruppe K" in Dortmund. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten auch Berliner Genossen. 5. - Anhang II: Chronologie - 177 17.07.1991 Brandanschläge auf den Verbrauchermarkt einer Lebensmittelkette in Berlin-Prenzlauer Berg und gegen den Filialneubau derselben Firma auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück bei Fürstenberg (Brandenburg). In einer mit "revolutionäre zellen" unterschriebenen und mit einem RZ-Stem versehenen Erklärung forderten die Täter unter Hinweis auf das ansehen und gedenken vieler antifaschist(innen) u.a. einen sofortigen baustopp. 23./25.07.1991 Beschädigung von Einrichtungen der SPD in Berlin-Mitte und -Schöneberg sowie der Filiale einer Großbank in BerlinLichtenberg aus Protest gegen Baumaßnahmen auf dem Gelände des ehemaligen "Flora-Theaters" in Hamburg, eines ehemaligen Treffpunktes u.a. der dortigen linksextremistischen Szene. 31.07.1991 Versuchte Aktionen Autonomer gegen Skinheads und andere Faschos. Etwa 15 Personen trafen sich auf dem S- Bahnhof Warschauer Straße in Berlin-Friedrichshain, um unter dem Motto Glatzenklatschen in S-Bahn-Zügen gewalttätig gegen Rechtsextremisten vorzugehen und faschistische Parolen zu übermalen. Wegen massiver Polizeipräsenz unterblieben die geplanten Handlungen. 06.09.1991 Brandanschlag auf einen Schaufelbagger in BerlinFriedrichshain. Zu dem Anschlag bekannte sich unter dem Signum "Auto gnome" eine Gruppe, die sich gegen den Bau eines vier-sechsspurigen Innenstadtrings im Bereich der Oberbaumbrücke wandte. 178 5. - Anhang II: Chronologie - 14.09.1991 Ausschreitungen in Berlin-Kreuzberg bei einem Straßenfest unter dem Motto Solidarität mit den politischen Gefangenen, gegen Umstrukturierung der Stadtteile, gegen Rassismus und Sexismus - gemeinsam sind wir stärker!. Etwa 250 Angehörige der autonomen Szene errichteten brennende Barrikaden, steckten Fahrzeuge in Brand, plünderten Supermärkte, stürzten Bauwagen um und bewarfen Polizeibeamte u.a. mit Molotow-Cocktails. 14.09.1991 Farbbeutelwürfe gegen den Tagungsort des IOCExekutivkomitees, ein Hotel in Berlin-Mitte. Die Aktion, zu der sich eine vermutlich der autonomen Szene zuzurechnende Gruppe bekannte, stand im Zusammenhang mit Protesten gegen die Bewerbung Berlins als Austragungsort der Olympischen Spiele. 16.09.1991 NOIympic-City-Demo in Berlin-Mitte gegen die Sitzung des IOC-Exekutivkomitees. Unter den etwa 1.500 Teilnehmern befanden sich 300 bis 400 Angehörige des politisch motivierten Gewaltpotentials. 22.09.1991 Demonstration unter der Losung Für bezahlbare Wohnungen und ein selbstbestimmtes Leben anläßlich des 10. Todestages von Klaus-Jürgen RATTAY, der am 22.09.1981 bei Ausschreitungen anläßlich der Räumung mehrerer besetzter Häuser auf der Flucht vor Polizeimaßnahmen unter einen Bus geraten und tödlich verletzt worden war. An dem Gedenkspaziergang zur Unfallstelle beteiligten sich 100 bis 150 Personen. 29.09.1991 Beteiligung von etwa 1.000 Berlinern, darunter zahlreiche Autonome und eine kleinere Gruppe Angehöriger des RAFUmfeldes, an einer Demonstration von etwa 3.000 Personen in Hoyerswerda (Sachsen) gegen die Übergriffe rechtsextremistischer Gewalttäter auf Asylbewerber an den Vortagen. Bei exzessiven Angriffen gegen Polizeibeamte trat insbesondere die Berliner türkische autonome Gruppe "Antifasist Genclik" hervor. 5. - Anhang II: Chronologie - 179 30.09.1991 Nachbereitungstreffen zu den Protestaktionen in Hoyerswerda (Sachsen) gegen die Übergriffe rechtsextremistischer Gewalttäter auf Asylbewerber. In der Diskussion griffen Autonome Angehörige der "Revolutionary Internationalist Movement" (RIM) wegen angeblicher ungezügelter Gewalt gegen die eigenen Leute verbal heftig an. RIM-Vertreter verteidigten sich mit der Begründung, antifaschistische Arbeit könne nur militant geleistet werden. 03.10.1991 Demonstration in Berlin-Kreuzberg und -Friedrichshain Gegen weitere Pogrome. Der Aufzug richtete sich gegen die Übergriffe rechtsextremistischer Gewalttäter auf Asylbewerber in Hoyerswerda (Sachsen). Es kam zu schweren Ausschreitungen durch flexibel agierende Kleingruppen; u.a. wurden Barrikaden errichtet und Polizeibeamte mit Steinen beworfen. 03.10.1991 Aufzug des "Ständigen Rates Marxistischer Parteien" (SRMP) unter dem Motto Demokratie statt Annexion. 05.10.1991 Schmutzanschlag auf das Restaurant "Auerbach" in BerlinKreuzberg. Etwa sieben vermummte Personen drangen in die Gaststätte ein und warfen einen Eimer mit Fäkalien, faulem Fleisch und Pferdemist in den Innenraum. In einer Taterklärung wandten sich die Delinquenten unter der Überschrift Kübel's Comeback! gegen Kreuzberger Restaurants, in denen zu hohen Preisen gegessen werde, während viele Bewohnerinnen dieses Kiezes mit saftigen Miet-, Preis-, Tarifund Steuererhöhungen konfrontiert würden. 08.10.1991 Solidaritätsdemonstration der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" - RK - für einen des Totschlags angeklagten türkischen Staatsbürger. Im Umfeld des Gerichtsgebäudes warfen einzelne Randalierer aus der Mitte der ca. 400 Teilnehmer u.a. Steine auf Polizeibeamte. 180 5. - Anhang II: Chronologie - 17.10.1991 Brandanschläge gegen Busse eines Reiseunternehmens in Berlin-Wilmersdorf. Fünf Busse brannten aus, einer wurde schwer beschädigt. In der Taterklärung wandte sich eine "arag (anti-rassistische Gruppe)" u.a. gegen die Verteilung von Asylbewerbern auf die einzelnen Bundesländer und forderte für hier aufhältliche Ausländer eine freie Wahl des Wohnortes. Das Busunternehmen, erklärte die Gruppe, sei in der Vergangenheit mehrmals mit der Beförderung von Asylbewerbern beauftragt worden. 22.10.1991 Vandalismus an und in Filialen eines Reiseunternehmens in mehreren Bezirken Berlins. Die Täter warfen Schaufensterscheiben ein und schleuderten rote Farbe in die Geschäftsräume. In einer mit "Autonome Gruppen" unterzeichneten Bekennung beschuldigten sie das Unternehmen, seit zwei Jahren ... an der unfreiwilligen Verschubung von Flüchtlingen in die ehemalige DDR beteiligt gewesen zu sein. 22.10.1991 Brandanschlag auf ein Dienstgebäude des Bezirksamtes Friedrichshain. Die Täter warfen einen Molotow-Cocktail und zwei Flaschen mit Benzin durch ein zuvor eingeschlagenes Fenster der Bezirkskasse. 22.10.1991 Brandstiftung im Haus Pfarrstraße 111 in BerlinLichtenberg. In einer Taterklärung bezichtigte sich eine "Antifaschistische Gruppe", eine Brandbombe in dem getarnten, künftigen Nazi-Hauptquartier gezündet zu haben. Begründend hieß es, das Haus werde u.a. von Gründungsmitglieder^) der Nationalen Alternative (NA) zu einer Schaltzentrale ihrer Organisation ausgebaut. 23.10.1991 Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und Angehörigen der autonomen Szene unter Benutzung von Schlagwerkzeugen, Gaspistolen und Brandflaschen vor besetzten Häusern in der Pfarrstraße in Berlin-Lichtenberg. 5. - Anhang II: Chronologie - 181 30.10.1991 Demonstration gegen die Konferenz europäischer Innenund Justizminister über Fragen der illegalen Zuwanderung aus und über Mittelund Osteuropa am 30./31. Oktober 1991 in Berlin. 01 ./03.11.1991 Beteiligung Berliner Linksextremisten an einem "Antifaschistischen Ratschlag" in Dresden. Etwa 500 "Antifaschisten" aus der gesamten Bundesrepublik, darunter zahlreiche Linksextremisten unterschiedlicher Provenienz, berieten und diskutierten über Strategien rechtsextremistischer Umtriebe. 02.11.1991 Antifa-Demo mit etwa 300 Personen, überwiegend Angehörige der autonomen Szene sowie deutscher und türkischer Jugendbanden. Nachdem die Polizei den Aufzug unter Hinweis auf eine fehlende Anmeldung und drohende Ausschreitungen untersagt hatte, kam es seitens der Demonstranten zu Flaschenwürfen und Verkehrsblockaden; schließlich lösten die Beamten die Ansammlung auf. 03./04.11.1991 Brandanschlag auf einen in den neuen Bundesländern als mobile Geschäftsstelle eines Unternehmens für Vermögensberatung eingesetzten Reisebus in Berlin-Mitte. Eine mit "Autonome Mitte" unterzeichnete Taterklärung endete mit Parolen wie KAMPF DER HAUPTSTADT! KAMPF DEM GROßDEUTSCHLAND!. 09.11.1991 Mehrere Demonstrationen im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages Gegen Gewalt und Fremdenhaß von verschiedenen Trefforten aus nach Berlin-Mitte. An der dortigen Abschlußkundgebung beteiligten sich insgesamt bis zu 25.000 Personen. Neben Autonomen mit eigenen Aufzügen hatten auch revolutionär-marxistische Gruppen und extremistische Ausländerorganisationen zur Teilnahme aufgerufen. 182 5. - Anhang II: Chronologie - 16.11.1991 Beteiligung Autonomer an Ausschreitungen gegen Polizeibeamte und -fahrzeuge während und nach einem Trauermarsch für den von einem Deutschen erschlagenen Türken Mete EKSI. 16. /17.11.1991 Internationale Arbeiterkonferenz gegen imperialistischen Krieg und Kolonialismus in Berlin. Mehr als 200 Delegierte nationaler Sektionen nahmen an der vom "Internationalen Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) einberufenen Konferenz teil. 17.11.1991 Sprengstoffanschlag auf das Übungsgelände der US-Army in Berlin-Lichterfelde. Zu der Tat bekannte sich eine "Rote Sabotage Front". 17.11.1991 Aufruf der Berliner Gruppierung der "Revolutionären Kommunisten (BRD)" zum Aufbau einer revolutionären Jugendorganisation. 20.11.1991 Konstituierung eines DKP-Bezirksverbandes Berlin/ Brandenburg. Auf der 1. Bezirksdelegiertenkonferenz wurde ein aus sieben Personen bestehender Bezirksvorstand gewählt. 30.11.1991 Ausschreitungen in Berlin-Friedrichshain am Rande eines geplanten Straßenfestes anläßlich des ersten Jahrestages der polizeilichen Räumung seinerzeit überwiegend von Autonomen besetzter Häuser am 14. November 1990. Nachdem die Polizei das Fest mit Hinweis auf eine fehlende Anmeldung unterbunden hatte, gingen zum Teil vermummte Gruppen von etwa 250 Personen gewalttätig u.a. gegen Polizeifahrzeuge vor. 06./08.12.1991 Seminar der "Gruppe Revolutionäre Sozialistinnen" (GRS) und der trotzkistischen Mitglieder der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP). Thema war die Konzeption der politischen Revolution - UdSSR wohin?. 5. - Anhang II: Chronologie - 183 07./08.12.1991 7. ordentlicher Kongreß der "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (Volksfront) in Köln unter Beteiligung Berliner Delegierter. 09.12.1991 Angriffe auf eine Diskothek in Berlin-Schöneberg, in der ursprünglich ein - vorher kurzfristig abgesagtes - Konzert einer Musikgruppe mit faschistische^) Texten stattfinden sollte. Etwa 50 Personen, vermutlich Angehörige der autonomen Szene, randalierten in und außerhalb des Lokals. Auseinandersetzungen mit der Polizei verlagerten sich später in den Umkreis einer "linken Szenekneipe". 13.12.1991 Solidaritätsdemonstration von Anhängern der "SpartakistArbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) für Erich HONECKER und den ehemaligen DDR-Verteidigungsminister Heinz KESSLER. 14.12.1991 Buttersäureanschlag und versuchte Brandstiftung gegen einen Souvenirladen in Berlin-Charlottenburg. In einer mit "Autonome Gruppen gegen Rassismus" unterzeichneten Erklärung werfen die Täter dem Geschäftsinhaber vor, Faschokram zu verkaufen. 31.12.1991 Startschuß für eine Spendenkampagne der "MarxistischLeninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) unter der Losung 1 Million für den Aufbau der Partei in den fünf neuen Bundesländern! 184 5.-Anhang II: Chronologie5.2 Rechtsextremismus 03.01.1991 Zusammenkunft von Anhängern und Mitgliedern des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), an der etwa 30 jüngere Personen, darunter einige Skinheads, teilnahmen. 12.01.1991 Offensichtlich rassistisch motivierter Angriff von ca. 20 Skinheads auf drei Staatsbürger aus Mozambique. Die Täter, von denen einer inzwischen ermittelt werden konnte, verletzten ihre Opfer durch Fußtritte. 13.01.1991 Übergriff auf einen sowjetischen Staatsangehörigen aus einer Gruppe von 10 Skinheads heraus. Das Opfer wurde zu Boden gerissen, geschlagen und getreten. Der Täter konnte festgenommen werden. 18.01.1991 "Reichsgründungsfeier" des Landesverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit etwa 70 Veranstaltungsbesuchern. 19.01.1991 Brandanschlag auf einen Bankcontainer der Bayerischen Hypothekenund Wechselbank in Berlin-Friedrichshain. In einem eingeschlagenen Schaukasten fand sich ein Selbstbezichtigungsschreiben, in dem sich eine "Nationale Alternative ^GarxGroß-Berlin" zu dem Ansehlaeh bekannte und die Forderung erhob: Friedrichshain, Kreuzberg und andere linke Viertel müssen vom roten Unrat befreit werden!! 19.01.1991 Teilnahme von Angehörigen des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) am Außerordentlichen Bundesparteitag der FAP in BerlinWeißensee. Unter den etwa 150 anwesenden Personen befanden sich Anhänger weiterer rechtsextremistischer Vereinigungen und Gruppierungen, wie der "Nationalistischen Front" (NF) und der "Wiking-Jugend e.V." (WJ). 5. - Anhang II: Chronologie - 185 19.01.1991 "Reichsgründungsfeier" der "Deutschen Kulturgemeinschaft Berlin" (DKG Berlin), an der sich 60 Personen unterschiedlicher rechtsextremistischer Herkunft beteiligten. 15.02.1991 Veranstaltung des Berliner Landesverbandes der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) zur Verleihung des "Emil Maier-Dorn-Preises" an einen ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten und früheren nationalsozialistischen Funktionär in einer Gaststätte in Ahrensfelde, Kreis Bernau, mit ca. 70 Personen, darunter eine große Anzahl Skinheads. 16.02.1991 Vortragsveranstaltung der "Deutschen Kulturgemeinschaft Berlin" (DKG Berlin), an der sich ca. 70 Personen beteiligten. Der Referent, ein ehemaliger Funktionär der "Hitlerjugend" (HJ), sprach zum Thema: Die deutsche Jugend vor, während und nach dem 2. Weltkrieg - Zielsetzung und Ergebnisse. 23.02.1991 Teilnahme von Anhängern der Ortsgruppe Berlin der "Nationalistischen Front" (NF) an einer Informationsveranstaltung der NF in Bestensee (Brandenburg). Vor etwa 40 Personen sprachen NFAktivisten über Struktur und Wirken ihrer Organisation. 24.02.1991 Landesparteitag der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin). An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 60 Personen. Zum neuen Vorsitzenden wurde der militante Neonazi Oliver SCHWEIGERT gewählt. 09.03.1991 Vortragsveranstaltung des NPD-Kreisverbandes Berlin-Ost. Vor etwa 80 Veranstaltungsbesuchem, darunter etwa 60 Jugendliche, sprach der Referent zum Thema Ausländerrückführung - eine volkserhaltende Notwendigkeit. 186 5. - Anhang II: Chronologie 14.03.1991 Neonazistische Protestaktion aus Anlaß eines Strafprozesses gegen Gesinnungsgenossen in Stuttgart. Anhänger der "Nationalen Alternative Berlin" hängten Transparente mit entsprechenden Aufschriften an der Fassade des Hauses Weitlingstraße 122 aus. 16.03.1991 Beteiligung von Angehörigen des Berliner Landesverbandes der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) an dem JN-Bundeskongreß in Oranienburg (Brandenburg). 21.03.1991 Vortragsveranstaltung der "Deutschen Kulturgemeinschaft Berlin" (DKG Berlin) in Potsdam mit etwa 50 Personen, darunter zahlreiche Neonazis. 23.03.1991 Landesparteitag der "Deutschen Volksunion" (DVU) mit 90 Teilnehmern. 23.03.1991 Teilnahme von Angehörigen der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) an einer von dem Münchener Neonazi Ewald ALTHANS initiierten "Internationalen Jahrestagung kritischer Zeitgenossen" ("Revisionistentreffen") in München. April 1991 Bundesweite Verbreitung von Flugblättern der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin) in Zusammenarbeit mit der in Augsburg ansässigen "Nationalen Offensive" (NO) unter dem Motto Wunsiedel ruft!. Beide Organisationen mobilisierten darin für einen am 17. August 1991 geplanten Gedenkmarsch für Rudolf Heß im oberfränkischen Wunsiedel (Bayern). 04.04.1991 Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und in einem Ausländerwohnheim lebenden Vietnamesen, in deren Verlauf durch Steinwürfe mehrere Fensterscheiben zerstört wurden. Alarmierte Polizeikräfte konnten eine Ausweitung der Auseinandersetzungen verhindern. 5. - Anhang II: Chronologie - 187 06.04.1991 Teilnahme von über 40 Mitgliedern und Anhängern der "Nationalistischen Front" (NF) aus Berlin und Umgebung an dem "Bundestreffen der Nationalistischen Front" in Niederaula bei Kassel. Im Verlauf der Veranstaltung, zu der insgesamt etwa 300 Personen, überwiegend aus den alten Bundesländern, erschienen waren, sprach der bekannte Hamburger Rechtsextremist Jürgen RIEGER zum Thema Ausländer raus - wann und wie! 20.04.1991 Ca. 50 Neonazis und Skinheads aus dem Ostund Westteil Berlins skandierten während einer Fahrt auf einem Fahrgastmotorschiff lautstark neonazistische Parolen. Die Polizei stellte beim Eintreffen des Schiffes am Zielort die Personalien wegen Verdachts der Volksverhetzung fest. Unter den überprüften Personen, die offensichtlich den HITLER-Geburtstag feierten, waren mehrere Mitglieder der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin), der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und der "Deutschen Alternative" (DA). 20.04.1991 Flugblattverteilaktion der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und ihrer Jugendorganisation, der "Jungen Nationaldemokraten" (JN), in der Vorhalle des Bahnhofs Berlin-Lichtenberg zu den Themen Einheit statt Anschluß und Kampf dem Asylschwindel. 24.04.1991 Brandanschlag auf ein Arbeiterwohnheim für vietnamesische Staatsangehörige in Berlin. Die unbekannten Täter warfen einen Brandsatz auf den Balkon einer zur Tatzeit unbewohnten Wohnung. Der entstandene Brand verursachte nur geringen Sachschaden. 01.05.1991 Teilnahme von Angehörigen des "ASGARD-Bundes" an einer Veranstaltung in Cottbus(Brandenburg) anläßlich des Maifeiertages. An dem Treffen beteiligten sich etwa 100 Personen. 188 5. - Anhang II: Chronologie - 08.05.1991 Vortragsveranstaltung der "Deutschen Kulturgemeinschaft Berlin" (DKG Berlin) mit etwa 60 Personen, darunter einige Neonazis. Der Referent sprach zum Thema Rußland-Feldzug 1941 - Überfall oder Präventivschlag? und verteidigte den Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion im Jahre 1941 im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda. 13.05.1991 Angriff von fünf Skinheads auf einen in Berlin geborenen türkischen Staatsbürger; die Täter verletzten ihr Opfer mit einem 20 cm langen Springmesser. 22.05.1991 Umbenennung der "Deutschen Kulturgemeinschaft Berlin" (DKG Berlin) in "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen". 31.05. - "2. Berliner Seminar" der "Berliner Kulturgemeinschaft 02.06.1991 Preußen", an dem sich zeitweise bis zu 70 Personen beteiligten. Im Mittelpunkt standen Thesen zur "Gesundung" der deutschen Volkswirtschaft. 07.06.1991 Tätlicher Angriff auf einen Ausländer aus einer Gruppe von Skinheads heraus. Der Angegriffene wurde vor einem Ausländerwohnheim mit einer Holzkeule von seinem Fahrrad geschlagen. Bewohner des Ausländerwohnheimes beobachteten den Vorfall, griffen ihrerseits die Skinheads an und trieben sie in die Flucht. Herbeigerufene Polizeikräfte konnten in Tatortnähe die Personalien von 18 Skinheads feststellen. Eine konkrete Tatbeteiligung konnte ihnen jedoch nicht nachgewiesen werden. 5. - Anhang II: Chronologie - 189 07.06.1991 Tätliche Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe von etwa 10 Skinheads und zwei Polen. Nachdem die Skinheads die Polen beleidigt hatten, setzten sich diese mit Eisenstangen gegen die Skinheads zur Wehr. Aus der Skinhead-Gruppe heraus wurde im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung der Pkw der Polen beschädigt. Die Polizei stellte die Personalien der Skinheads fest. 08.06.1991 Zusammenkunft von etwa 35 Anhängern des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in einer Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Rechtsextremisten sangen nationalsozialistische Lieder und skandierten mehrfach Sieg Heil!. Polizeibeamte stellten die Personalien der in der Wohnung aufhältlichen Personen fest. 08.06.1991 Angriff einer Skinhead-Gruppe auf den Imbißwagen eines türkischen Staatsangehörigen. Mit den Worten Türken wollen wir hier nicht haben, wir hassen Ausländer. Geb' schon her, ansonsten machen wir dich platt umringten die Skinheads den Wagen, entwendeten Genußmittel und versuchten, in den Imbißwagen einzudringen. Da dies nicht gelang, beschädigten die Täter den Pkw des Türken und bewarfen den Imbißwagen mit Steinen. 17 Personen, von denen ein großer Teil aus dem Umland Berlins stammt, konnten als Tatverdächtige festgenommen werden. 14.-15.06.1991 Teilnahme von Angehörigen des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an einer Versammlung dieser Organisation in Jesewitz, Kreis Eilenburg (Sachsen). An der Zusammenkunft nahmen etwa 150 Personen, darunter der FAP-Vorsitzende Friedhelm BUSSE, teil. 190 5. - Anhang II: Chronologie - 15.06.1991 Teilnahme Berliner Neonazis, darunter Angehörige der "Nationalen Alternative Berlin" (NA Berlin), an einer Demonstration in Dresden aus Anlaß der Beisetzung des in der Nacht zum 1. Juni ermordeten Neonazi-Anführers Rainer SONNTAG. An dem Aufzug beteiligten sich etwa 1.500 Rechtsextremisten aus unterschiedlichen Gruppierungen. 15.06.1991 Gründung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD). An dem " 1 . ordentlichen NPD-Landesparteitag BerlinBrandenburg" in Strausberg (Brandenburg) beteiligten sich etwa 60 Personen. 17.06.1991 Teilnahme von Anhängern der "Nationalistischen Front" (NF) an einer Gedenkveranstaltung der Partei "Die Republikaner" in Hennigsdorf (Brandenburg). Während des Treffens verteilten die NF-Angehörigen Flugblätter mit den Titeln Ausländer raus! und Sind auch Sie ein reuevoller und schuldbewußter Bundeskonsumbürger?. 21.06.1991 Gemeinsame Sonnwendfeier der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen", der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) und der neonazistischen "Wiking-Jugend e.V." (WJ) in Hönow (Brandenburg). An der Veranstaltung, die von etwa 100 Personen besucht wurde, beteiligten sich auch Angehörige der neonazistischen Zusammenschlüsse "Nationale Alternative Berlin" (NA Berlin), "Freiheitspartei" und "Wotans Volk". 21.-23.06.1991 Teilnahme der "Nationalistischen Front" (NF) an einer Sonnwendfeier in Hetendorf (Niedersachsen). 5. - Anhang II: Chronologie - 191 29.06.1991 Mitgliederversammlung des Landesverbandes BerlinBrandenburg der "Deutschen Volksunion" (DVU), an der sich etwa 45 Personen beteiligten. Der DVU-Landesvorsitzende Hans-Werner ROLOFF sprach zum Thema Wie souverän ist Deutschland nach der Einigung?. 29.06.1991 Teilnahme von Anhängern der Ortsgruppe Berlin der "Nationalistischen Front" (NF) an der "Bundesveranstaltung" der NF in Roding (Bayern). An dem Treffen, das unter dem Motto Schluß mit dem Holocaust stand, nahmen etwa 300 Personen teil. Polizeikräfte lösten die Versammlung auf. Der daraufhin durchgeführte "Aufmarsch" in Roding wurde von der Polizei gestoppt, wobei es zu Zusammenstößen mit den Ordnungshütern kam. 06.07.1991 Teilnahme von Angehörigen des Gaues Berlin der "WikingJugend e.V." (WJ) an einem "ordentlichen Bundesthing" in Schmalkalden (Thüringen). 07.07.1991 Klebeund Steckaktion der "Nationalistischen Front" (NF) zum Thema Holocaust. Die NF-Angehörigen verbreiteten handtellergroße Aufkleber ihrer Organisation mit der Aufschrift Schluß mit den Holocaust-Vorwürfen! oder: Deutscher, willst du ewig zahlen?. 13.07.1991 Gründung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD). 192 5. - Anhang II: Chronologie - 03.08.1991 Zusammenkunft von etwa 25 Skinheads aus fast allen Berliner Stadtbezirken zur Vorbereitung für den am 17. August geplanten Gedenkmarsch Zum Todestag von Rudolf Hess. Während der Versammlung sangen die Teilnehmer das Horst-Wessel-Lied und skandierten Naziparolen. Polizeikräfte konnten im Versammlungsraum einen Zettel mit Hakenkreuz mit der Aufschrift Jetzt NSDAP sowie eine Hakenkreuzfahne sicherstellen. 10.08.1991 Verteilaktion der "Deutschen Volksunion" (DVU) in Oranienburg und Luckenwalde (Brandenburg). 17.08.1991 Protestaktion in Bayreuth gegen das Verbot einer Gedenkkundgebung in Wunsiedel aus Anlaß des 4. Todestages Rudolf HESS'. An dem Aufzug beteiligten sich insgesamt über 1.000 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter prominente Neonazi-Führer wie der Bundesvorsitzende der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), Friedhelm BUSSE, und der Österreicher Gottfried KÜSSEL. Die Teilnehmer trugen Bilder von HESS und skandierten u.a. Märtyrer des Friedens Rudolf Heß, Deutschland den Deutschen und Asylanten raus. 25.08.1991 Flugblattaktion der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Akteure verteilten Werbematerial der FAP in Hausbriefkästen einiger Mietshäuser. 27.08.1991 Überfall von vier unbekannt gebliebenen Skinheads auf einen somalischen Staatsbürger, der von den Tätern geschlagen und getreten wurde. 5. - Anhang II: Chronologie - 193 30.08.1991 Zusammenrottung von etwa 35 Skinheads aus dem Bereich Bahnhof Lichtenberg und Bahnhof Schöneweide, um einen Angriff befeindeter autonomer Ausländer zu rächen. Auf der Suche nach Ausländern stießen sie am S- Bahnhof Ostkreuz auf zwei algerische Staatsbürger, die von ihnen mit Schlägen und Fußtritten mißhandelt wurden. Einen der beiden Algerier versuchten die Skinheads aus dem fahrenden Zug zu stoßen. Acht Skinheads konnten als Tatverdächtige festgestellt werden. 31.08.1991 "Skintreffen" in Leipzig. An der Zusammenkunft, die von Skinheads aus den alten und neuen Bundesländern besucht wurde, beteiligten sich bis zu 150 jugendliche Personen. Während des Treffens bewarfen alkoholisierte Skinheads ein Asyiantenwohnheim mit Steinen und selbstgebastelten Brandflaschen. Die Polizei nahm u.a. ein Vorstandsmitglied des Berliner Landesverbandes der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) fest. 03.09.1991 Flugblattaktion des Landesverbandes Berlin - Kreisverband Ost - der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) vor dem Arbeitsamt 2 in Berlin-Prenzlauer Berg. Im Zuge einer Kampagne unter dem Motto STOPPT NEUE ARMUT, ARBEITSLOSIGKEIT UND ÜBERFREMDUNG! verteilten die FAP-Aktivisten zahlreiche Flugblätter ihrer Partei an Passanten. 08.09.1991 Flugblattaktion der "Nationalistischen Front" (NF) aus Anlaß einer Veranstaltung verschiedener Vertriebenenverbände. 13.09.1991 Vortragsveranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit etwa 55 Teilnehmern. Ein Mitglied des NPDBundesvorstandes sprach zum Thema Kampf dem Asylschwindel!. 194 5. - Anhang II: Chronologie - 18.09.1991 Plakataktion des Landesverbandes Berlin - Kreisverband Ost - der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) u.a. in den Gängen des S-Bahnhofs Prenzlauer Allee im Rahmen einer FAP-Kampagne unter dem Motto STOPPT NEUE ARMUT, ARBEITSLOSIGKEIT UND ÜBERFREMDUNG!. 20.09.1991 Teilnahme der "Nationalistischen Front" (NF) an einer Veranstaltung mit einem in rechtsextremistischen Kreisen bekannten Liedermacher in Hennigsdorf (Brandenburg). Unter den überwiegend aus den neuen Bundesländern angereisten etwa 250 Teilnehmern befanden sich u.a. Angehörige der "Wiking-Jugend e.V." (WJ), der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) sowie der "Jungen Nationaldemokraten" (JN). 21.09.1991 Informationsveranstaltung der "Nationalistischen Front" (NF) in Beetz (Brandenburg). Der NF-Bundesvorsitzende Meinolf SCHÖNBORN referierte vor etwa 80 Teilnehmern, darunter ca. 60 neue Interessenten aus dem Beitrittsgebiet, über Ziele und Programm seiner Organisation. 03.10.1991 Wurf eines Brandsatzes (Molotow-Cocktail) aus einer Gruppe von etwa 10 Skinheads gegen ein Wohnzimmerfenster einer in Berlin-Hellersdorf gelegenen Wohnung. Bei dem Anschlag wurde die äußere Glasscheibe zerstört. Brandschaden entstand nicht. Im angrenzenden Gebäude befand sich ehemals ein Wohnheim für Ausländer. Die Täter blieben unbekannt. 03.10.1991 Anschlag auf ein Wohnheim des "Deutschen Roten Kreuzes" für asylsuchende Ausländer. Die Täter warfen einen Nebeltopf, der sich auf dem Gehweg entzündete. Personen oder Sachwerte waren nicht in Gefahr. 5. - Anhang II: Chronologie - 195 03.10.1991 Zusammenrottung von etwa 20 Jugendlichen vor einem Wohnheim für Vietnamesen in Berlin-Marzahn. Die Gruppe warf mit Steinen zwei Fensterscheiben ein und verletzte dabei eine ausländische Bewohnerin des Wohnheimes. Als ihr Ehemann zur Haustür lief, um die Polizei zu alarmieren, bedrohten ihn vier Skinheads mit Messern. 03.10.1991 "Deutschlandtreffen" der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in Gera/Thüringen. An der Veranstaltung nahmen etwa 800 Personen aus allen Teilen des Bundesgebietes teil, darunter Angehörige der "Wiking-Jugend e.V.", der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) sowie zahlreiche Skinheads. Der NPD-Landesverband Berlin-Brandenburg war mit etwa 50 Mitgliedern und Anhängern vertreten. 03.10.1991 Beteiligung von etwa 25 Berliner Neonazis, darunter Mitglieder und Anhänger der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) sowie Skinheads und Hooligans, an einem Skinhead-Konzert in Werben bei Cottbus (Brandenburg). Insgesamt nahmen etwa 700 Skinheads und Personen aus deren Umfeld teil, die aus allen Teilen des Bundesgebietes angereist waren. 05.10.1991 Angriff auf ein Ausländerwohnheim in Berlin-Lichtenberg. Unbekannte Täter zerstörten 14 Fensterscheiben und warfen zwei Brandflaschen gegen das Heim, die jedoch keinen Schaden anrichteten. 196 5. - Anhang II: Chronologie - 14.10.1991 Überfall von drei der Skinhead-Szene zuzurechnenden Jugendlichen auf einen vietnamesischen Staatsangehörigen. Die Täter schlugen das Opfer zu Boden und mißhandelten es mit Fußtritten. Der Vietnamese erlitt dabei schwere Kopfverletzungen und mußte durch die Feuerwehr in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Bei den Tätern handelt es sich um Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren, die einer Gruppe angehören, die sich "Wehrwolfterror Berlin" nennt. 18.10.1991 Brandanschlag auf einen überwiegend von türkischen Staatsangehörigen bewohntes Mietshaus. Die unbekannten Täter setzten das Treppenhaus in Brand; aus dem stark verqualmten Haus wurden von der Feuerwehr 10 Personen gerettet. 18.10.1991 Vortragsveranstaltung des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD). Vor etwa 70 Veranstaltungsteilnehmern sprach der rechtsextremistische Verleger und Publizist Udo WALENDY zum Thema Deutschland einig Büßerland. 19.10.1991 Parteitag der "Nationalen Alternative" (NA Berlin) in einer Gaststätte in Berlin-Lichtenberg. 30404991 Vortragsveranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen". Vor etwa 80 ZuhörernT darunter etwa--25Skinheads, referierte ein militanter Berliner Neonazi zum Thema Der geistige Bankrott des demokratischen Liberalismus. 06.11.1991 Schändung des an die Deportation jüdischer Bürger im Dritten Reich erinnernden Mahnmals an der Putlitzbrücke (Berlin-Tiergarten) durch Anbringen einer Plastiktüte mit einem Schweinekopf. 5. - Anhang II: Chronologie - 197 09.11.1991 Teilnahme von Anhängern und Mitgliedern des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an einem Treffen dieser Partei vor dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. An der Zusammenkunft beteiligten sich etwa 250 überwiegend jüngere Personen. Einige Teilnehmer skandierten Hier marschiert die FAP!. 17.11.1991 Veranstaltung der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe(Brandenburg). An der Feier aus Anlaß des Volkstrauertages (Heldengedenktag) beteiligten sich etwa 500 Personen, davon ca. 300 Rechtsextremisten aus dem Inund Ausland. 30.11.1991 Parteitag des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). 07.12.1991 Teilnahme von Angehörigen des Landesverbandes Berlin der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) an einer von der FAP organisierten Interessentenveranstaltung in Neuruppin (Brandenburg). Unter den überwiegend aus Berlin und Brandenburg angereisten 60 Personen befanden sich der FAP-Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE sowie Vorstandsmitglieder des Landesverbandes Berlin der FAP. 07.12.1991 Festnahme eines angetrunkenen Skinheads, der unter Sieg-HeiH-Rufen Sachbeschädigungen in einem Lokal begangen hatte. Bei seiner Festnahme leistete er erheblichen Widerstand; ein weiterer Skinhead versuchte die Festnahme zu verhindern, indem er die Polizeibeamten tätlich angriff. Kurze Zeit später stürzten ca. 50 Personen, darunter auch Skinheads, aus dem Lokal und bewarfen die Polizeikräfte mit Steinen und Flaschen. Neben dem Tatverdächtigen wurden zwei weitere Skinheads wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen. 198 5. - Anhang II: Chronologie - 08.12.1991 Jahresabschlußfeier des Stadtverbandes Berlin der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit etwa 250 Teilnehmern. 16.12.1991 Teilnahme führender Berliner Rechtsextremisten an einer internen Interessentenveranstaltung des Zusammenschlusses "Freiheitliche Wählergemeinschaft, 'Wir sind das Volk'", die an den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin am 24. Mai 1992 teilnehmen will. 5. - Anhang II: Chronologie - 199 5.3 Ausländerextremismus 03.01.1991 Fackelzug von etwa 300 Teilnehmern, darunter einige Deutsche, der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus "Solidarität mit den streikenden türkischen Arbeitern". 05.01.1991 Festveranstaltung der Berliner Gliederung der "FATAH" aus Anlaß des 26. Jahrestages der Gründung der PLO mit etwa 600 Teilnehmern. 05.01.1991 Gedenkveranstaltung der Berliner Gruppe der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) für gefallene und hingerichtete Parteimitglieder mit etwa 500 Teilnehmern. 23.01.1991 Teilnahme von Anhängern der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), "Devrimci Sol" und "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) an einer Kundgebung vor dem Generalkonsulat der Türkei unter dem Motto "Kampf dem Krieg am Golf". 26.01.1991 Demonstration "Gegen den Golfkrieg" von Anhängern islamisch-extremistischer Organisationen (u.a. Moslembruderschaft, "Hizb Allah") mit bis zu 5.000 Teilnehmern (Araber und Türken). 09.02.1991 Beteiligung von Mitgliedern und Anhängern der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) und der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) an einer Veranstaltung eines "Berliner Solidaritätskomitees mit der Arbeiterklasse in der Türkei und Kurdistan" unter dem Motto "Nein zum ungerechten Krieg am Golf - Solidarität mit den Streiks und dem Widerstand der Arbeiter in der Türkei" mit etwa 500 Teilnehmern, fast ausschließlich Türken und Kurden. 200 5. - Anhang II: Chronologie - 09.02.1991 Teilnahme von Angehörigen der Berliner Gliederungen der PLO-Mitgliedsorganisationen "FATAH", PFLP und DFLP an einer Demonstration von etwa 350 Personen "Gegen den Krieg am Golf". 16.02.1991 Großveranstaltung in den Räumen der Vereinigung "Großer Idealer Kreis Türkischer Kulturverein in Berlin e.V." (BÜD) mit dem aus der Türkei angereisten Führer der extremen nationalistischen "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MCP), Alparslan TÜRKES, als Hauptredner. An der Veranstaltung nahmen etwa 1.000 Personen aus Kreisen der MCP-orientierten sog. Idealistenvereine aus Berlin und dem übrigen Bundesgebiet teil. 17.02.1991 Erneute Veranstaltung mit TÜRKES in den Räumen des BÜD mit etwa 350 Besuchern. 23.02.1991 Demonstration von Anhängern des irakischen Staatspräsidenten HUSSEIN unter dem Motto "Wir dürfen nicht sagen, daß wir gegen den Krieg sind". Die Hälfte der etwa 350 Teilnehmer waren Deutsche. 02.03.1991 Kundgebung gegen den Golfkrieg vor dem türkischen Generalkonsulat mit etwa 100 Teilnehmern, darunter Mitglieder linksextremistischer Kurden-Organisationen, Angehörige der Berliner Gruppe der "Türkischen Kommunistischen Pärter/Marxisfen-LehThlsfen" (TKF*/t#t) und deutsche Autonome. 16.03.1991 Demonstration der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Anlaß des 3. Jahrestages der Bombardierung der kurdischen Stadt Halabja (Irak) mit Giftgas. Unter den etwa 150 Teilnehmern befanden sich auch ca. 30 Deutsche. 22.03.1991 Aus gleichem Anlaß Veranstaltung von Anhängern verschiedener linksextremistischer Kurden-Organisationen mit etwa 300 Teilnehmern, die Hälfte davon Deutsche. 5. - Anhang II: Chronologie - 201 23.03.1991 Teilnahme von Mitgliedern und Anhängern der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) an einer Protestkundgebung von etwa 50 Personen zur "Situation politischer Gefangener in der Türkei und Kurdistan" vor dem Generalkonsulat der Türkei. 06.04.1991 Demonstration der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) "Gegen den Massenmord an der kurdischen Zivilbevölkerung" unter Beteiligung von über 300 Personen, darunter zahlreiche deutsche Autonome. 13.04.1991 Protestaktion aus Anlaß der Kurdenverfolgung und -Vertreibung in Irak. Etwa 40 Personen, fast ausschließlich Türken, besetzten eine Fahrbahn und zündeten mit Benzin übergossene Autoreifen an. Fünf Polizeibeamte wurden leicht verletzt und drei Demonstranten, darunter ein Anhänger der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L), festgenommen. 25.05.1991 Beteiligung von etwa 100 Mitgliedern und Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) an einer Gedenkveranstaltung des "Kurdischen Kulturzentrums BOTAN in Berlin e.V." für gefallene PKK-Kämpfer. 16.06.1991 Großveranstaltung der islamisch-extremistischen "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) mit etwa 5.000 Teilnehmern. Hauptredner war der aus der Türkei angereiste Vorsitzende der "Wohlstandspartei" (RP), Prof. Dr. ERBAKAN, der zum Thema "Türkei im Blickfeld der Weltöffentlichkeit" sprach. 10.-16.06.1991 Hungerstreikaktion von sieben Mitgliedern des Vereins "Kurdisches Kulturzentrum BOTAN in Berlin e.V." wegen in der Türkei inhaftierter PKK-Mitglieder. 202 5. - Anhang II: Chronologie - 13.-14.07.1991 Hungerstreikaktion von etwa 30 bis 40 Mitgliedern des Vereins "Kurdisches Kulturzentrum BOTAN in Berlin e.V." vor einer Sparkassenfiliale zum Gedenken an mehrere Mitglieder der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die im Juli 1982 durch "Todesfasten" in türkischen Gefängnissen zu Märtyrern der Partei geworden waren. 20.07.1991 Demonstration "Gegen den türkischen Terror in Kurdistan" zum Generalkonsulat der Türkei. Unter den etwa 400 Teilnehmern befanden sich Mitglieder der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), Anhänger verschiedener linksextremistischer türkischer Organisationen sowie deutsche Autonome. 08.08.1991 Vorübergehende Besetzung einer türkischen Bank durch über 20 Mitglieder des Vereins "Kurdisches Kulturzentrum BOTAN in Berlin e.V.". 09.08.1991 Versuchte "Besetzung" des Rathauses Schöneberg durch etwa 30 Jugendliche und Kinder unter Anleitung von drei Mitgliedern des "Kurdischen Kulturzentrums BOTAN in Berlin e.V.", um den Regierenden Bürgermeister und Abgeordnete auf die Situation in Türkisch-Kurdistan aufmerksam zu machen. 10 PB 1991 Demonstration^Gegen^en[Terror des türkischen Regimes" zum Generalkonsulat der Türkei. Unter den Teilnehmern befanden sich zahlreiche Mitglieder der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und Anhänger verschiedener linksextremistischer, türkischer Organisationen sowie deutsche Autonome. 5. - Anhang II: Chronologie - 203 13.08.1991 Protestaktion gegen die türkische Regierung vor einer türkischen Bankfiliale, wobei etwa 15 überwiegend vermummte Personen die Fensterscheiben der Bank zertrümmerten. Ein am Tatort zurückgelassenes Transparent, das mit "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) unterzeichnet war, trug sinngemäß die Aufschrift "Faschistischer Türkischer Staat, zieh deine Soldaten zurück. Wir werden euch schon fertig machen". 16.08.1991 Versuch einer Gruppe von etwa 30 Mitgliedern des Vereins "Kurdisches Kulturzentrum BOTAN in Berlin e.V." und verschiedener linksextremistischer Türken-Organisationen, in die Amtsräume des Regierenden Bürgermeisters im Rathaus Schöneberg einzudringen. 24.08.1991 Teilnahme von Mitgliedern der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), Anhängern verschiedener linksextremistischer Türken-Organisationen sowie einiger deutscher Autonomer an einer Demonstration "Gegen türkische Angriffe auf Kurden". 31.08.1991 Großveranstaltung mit etwa 1.000 Besuchern der Berliner Gliederung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) aus Anlaß des 7. Jahrestages des Beginns des bewaffneten Kampfes in der Türkei durch die PKK-"Kampforganisation" "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK). 16.11.1991 Beteiligung von etwa 20 Anhängern der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) an einem Trauermarsch für den von einem Deutschen getöteten türkischen Jugendlichen Mete EKSI. Von den TKP/M-L-Anhängern gingen während des Aufzugs immer wieder gewaltsame Aktionen aus. 204 5. - Anhang II: Chronologie 16.11.1991 Teilnahme von Mitgliedern und Anhängern extremistischer Exil-Kroatenorganisationen an einer Demonstration für die "Beendigung des Bürgerkrieges in Kroatien" mit etwa 1.200 Teilnehmern. 30.11.1991 Veranstaltung des "Kurdischen Kulturzentrums BOTAN in Berlin e.V." anläßlich des 13. Jahrestages der Gründung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) im Mehringhof mit etwa 150 Teilnehmern. 09.12.1991 Beteiligung von etwa 100 Personen, in der Mehrzahl Angehörige der PLO-Mitgliedsorganisationen "FATAH", PFLP und DFLP, an einer Veranstaltung zum Thema "Vier Jahre Intifada". 12.12.1991 Veranstaltung zum Thema "Palästina: Nach den Steinen der Olivenzweig?" mit insgesamt etwa 100 Teilnehmern, darunter zahlreiche Angehörige der PLOMitgliedsorganisationen "FATAH", PFLP und DFLP sowie Mitglieder und Anhänger der islamisch-extremistischen Organisationen "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PIJ) und HAMAS. 22.12.1991 Beteiligung serbischer Extremisten an einer Demonstration gegen die "Einseitige Berichterstattung der deutschen Medien und Einmischung deutscher^Politiker in die inneren Angelegenheiten Jugoslawiens, Volksverhetzung gegen die Serben" mit über 600 Teilnehmern.