Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration Verfassungsschutzbericht 2017 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz 2 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 3 4 Liebe Bürgerinnen und Bürger, das Jahr 2017 war in Bayern, Deutschland und Europa erneut von extremistischen Aktivitäten geprägt, die sich allesamt gegen unseren Rechtsstaat, unsere Werte und unsere Art zu leben richteten. Die größte Bedrohung unserer Gesellschaft geht dabei nach wie vor vom islamistischen Terrorismus aus: Allein in Westeuropa wurden erneut über 60 Unschuldige, darunter viele Kinder und Jugendliche, von blindwütigen Fanatikern ermordet. Auch in Russland und der Türkei kam es zu islamistisch motivierten Anschlägen mit zahlreichen Toten und Verletzten. Da infolge der militärischen Niederlagen des IS die Anziehungskraft des selbst ernannten Kalifats in Syrien und dem Irak für viele Islamisten abgenommen hat, ruft der IS seine Anhänger verstärkt dazu auf, nicht mehr in den Nahen Osten auszureisen, sondern die "Ungläubigen" in ihren Heimatländern mit einfachen Mitteln und Alltagsgegenständen spontan und unvermittelt anzugreifen. Das Kalkül hinter diesen "Low-Profile"-Angriffen ist, ein Klima der diffusen Bedrohung und der Angst zu erzeugen, die Gesellschaft zu spalten, Konflikte zu schüren und Gewalt eskalieren zu lassen. In Hamburg fiel ein Mann beim Einkaufen einer mutmaßlich islamistisch motivierten Messerattacke zum Opfer. Zudem stellen kampferprobte Rückkehrer aus Syrien oder dem Irak weiterhin eine Gefahr für unsere Sicherheit dar. Auch der Zustrom an Schutzsuchenden kann weiterhin dazu genutzt werden, um Terroristen nach Deutschland zu schleusen. So sind einige der Terrorverdächtigen, die im vergangenen Jahr festgenommen wurden, als Flüchtlinge nach Deutschland eingereist. Unabhängig davon, ob sie sich schon vorher oder erst im Inland radikalisiert haben, macht dies deutlich, dass es für die innere Sicherheit von wesentlicher Bedeutung ist, die Zuwanderung zu steuern und Hintergründe, Identität und Alter der Zuwandernden zweifelsfrei zu klären. Dies ist letztendlich auch im Interesse derjenigen, die in ihren Heimatländern von politischer Verfolgung bedroht sind. Nachdem der IS in Syrien und im Irak immer mehr der von ihm kontrollierten Gebiete verliert, wird der Cyberraum für ihn noch wichtiger. Im Internet werden neben Propaganda und Handlungsanweisungen für potenzielle Attentäter auch deren Tatbekenntnisse verbreitet. Die Gefährlichkeit dieses "virtuellen Kalifats" darf nicht unterschätzt werden. Zur Aufklärung dieser Aktivitäten und zur Abwehr der davon ausgehenden Bedrohung müssen den Sicherheitsbehörden die notwendigen rechtlichen Befugnisse eingeräumt werden. 5 Eine Gewaltorgie ganz anderen Ursprungs hat im Sommer 2017 die Bundesrepublik erschüttert: Linksextremistische Chaoten aus dem Inund Ausland zogen im Rahmen des G20-Gipfels eine Schneise der Verwüstung durch Hamburg. Opfer der Gewaltorgie wurden neben zahllosen Polizeikräften auch Anwohner und Kleingewerbetreibende. Kein Zweifel: Unser Grundgesetz gibt jedem Einzelnen das Recht, für seine politische Überzeugung auch plakativ auf die Straße zu gehen. Für eine Demokratie ist das Recht, die Meinung frei äußern zu dürfen, von existenzieller Bedeutung. Dies ist eine der Lehren aus der Schreckensherrschaft der NS-Zeit. Eine weitere Lehre ist, dass Gewalt niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein kann und darf. Wer Demokratie ernst meint, darf sich daher nicht nur gegen rechtsextremistische Gewalt wenden, sondern muss das gleiche Engagement zeigen, wenn Linksextremisten Gewalt gegen den Staat oder Andersdenkende anwenden. Hier darf es keinen ideologischen Rabatt geben. Dieses uneingeschränkte Bekenntnis zur Demokratie und zur Gewaltfreiheit ist umso notwendiger, als bundesweit die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten deutlich gestiegen ist; dieser Entwicklung dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Linksextremistische Gewalt bedroht die Grundlagen unseres Rechtsstaats ebenso wie jede andere Form des Extremismus. Keine Toleranz darf es auch gegenüber den Reichsbürgern und Selbstverwaltern geben, die die Existenz unseres Staates von vornherein leugnen und zum Teil gegenüber staatlichen Organen gewalttätig werden. Bayern geht gegen derartige Umtriebe konsequent vor und entzieht Reichsbürgern insbesondere waffenund sprengstoffrechtliche Erlaubnisse. Ebenso konsequent gehen wir gegen selbst ernannte Bürgerwehren vor. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat: Ihm allein obliegt es, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen. Die Bedeutung des Verfassungsschutzes für die Sicherheitsarchitektur Deutschlands nimmt stetig zu. Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern haben im vergangenen Jahr mehrfach zur Aufdeckung von Anschlagsplanungen beigetragen. Auch in Bayern konnten mithilfe nachrichtendienstlicher Erkenntnisse Gefährder erkannt werden; sie befinden sich zum Teil in Haft. Wir danken dem Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz und seinen Mitarbeitern für ihre verantwortungsvolle Arbeit im Interesse der Sicherheit unserer Bürger und des Rechtsstaates. Joachim Herrmann Gerhard Eck Staatsminister Staatssekretär 6 Liebe Bürgerinnen und Bürger, Sicherheit ist in einer Demokratie die Grundlage dafür, dass wir in Freiheit leben können. Beides - Freiheit und Sicherheit - hängt deshalb untrennbar miteinander zusammen. Weil Sicherheit ein so hohes Gut ist, versuchen Extremisten aus unterschiedlichen Richtungen, an diesem empfindlichen Punkt anzusetzen, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen und den inneren Frieden in unserer Demokratie zu gefährden: Auf der einen Seite stehen die islamistischen Terroristen, die mit ihren Aktionen und Drohungen ein Gefühl der Unsicherheit verbreiten wollen. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) unterhält eigene Medienstellen, zu deren Aufgaben es gehört, die Angst in westliche Gesellschaften zu tragen. Die Aufrufe, Attentate gegen Ziele in Westeuropa zu verüben, dienen sowohl zur Motivation potenzieller Terroristen als auch zur Verunsicherung der Bevölkerung. Auch Flüchtlinge werden von islamistischen Terroristen gezielt adressiert und instrumentalisiert: Damit wollen die Jihadisten u. a. die Flüchtlingsdebatte in den europäischen Ländern beeinflussen. Rechtsextremisten - auf der anderen Seite - versuchen, den Eindruck zu erwecken, der Staat sei nicht mehr in der Lage, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten: Im Rahmen von rassistisch motivierten Bürgerwehrund Patrouille-Aktionen betreiben sie Panikmache. Das staatliche Gewaltmonopol stellen die Rechtsextremisten gezielt infrage und inszenieren sich selbst als kümmernde und Schutz bietende Initiativen. Wenn aber z. B. eine neonazistische Partei wie Der Dritte Weg (III. Weg) Streifengänge durchführt, wenn eine rassistische Bürgerwehr wie die "Soldiers of Odin Germany Division Bayern" durch Innenstädte spaziert oder wenn die rechtsextremistische NPD Unterstützung anbietet bei der Etablierung von "Sicherheitspartnerschaften", dann bringt das kein Mehr an Sicherheit, sondern schürt Ängste und Unfrieden. Das Gleiche gilt auch für die Flyer mit Verhaltenstipps, die der III. Weg auf Volksfesten und Christkindlmärkten verteilt. Diese sollen nur vordergründig sexuellen Übergriffen und islamistischen Attentatsversuchen entgegenwirken, in Wirklichkeit aber vor allem Personen für die rechtsextremistische Ideologie empfänglich machen, die der rechtsextremistischen Szene bislang ablehnend gegenüberstanden. Das Thema Sicherheit wirkt hier als "Türöffner". 7 Auch unter den sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern sind Personen, die meinen, eine Situation zöge herauf, in der jeder sich selbst und sein Hab und Gut verteidigen müsse. Unter Reichsbürgern ist deshalb eine ausgeprägte Waffenaffinität verbreitet. Dem Waffenbesitz in dieser Szene haben die Sicherheitsbehörden gezielt entgegengewirkt, indem Reichsbürger mit Waffenerlaubnissen identifiziert, Widerrufsverfahren eingeleitet und Waffen entzogen wurden. Linksextremisten wiederum diskreditieren Sicherheitsbehörden als "staatlichen Repressionsapparat", Autonome gehen auch mit Gewalt gegen Polizeibeamte vor. Sie fantasieren von einer Welt, in der es überhaupt keine staatlichen Strukturen, also auch keine Sicherheitsbehörden und keinen Rechtsstaat mehr gibt. Autonome sprechen davon, in einer "herrschaftsfreien" Gesellschaft leben zu wollen, letzten Endes würde dort aber das Recht des Stärkeren gelten: Es gäbe keine staatliche Instanz mehr, die die Rechte der Schwächeren schützen könnte. Als Nachrichtendienst leistet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit: Die Verfassungsschutzbehörden haben die Aufgabe, Schaden von unserem Staat, von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und von unserer Bevölkerung abzuwenden. Dazu sammeln wir Informationen über extremistische, terroristische und sonstige sicherheitsgefährdende Bestrebungen sowie über die Aktivitäten fremder Nachrichtendienste in unserem Land. Die von uns gewonnenen Erkenntnisse helfen der Polizei und den politisch Verantwortlichen dabei, Gefahren zu beurteilen und die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Absolute Sicherheit ist in einer Demokratie nicht realisierbar: Wir können Ihnen jedoch versichern, alles in unseren Möglichkeiten Stehende zu tun, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen und damit die Sicherheit mitherzustellen, die uns eine freie Entfaltung der Persönlichkeit erst ermöglicht. München, im April 2018 Dr. Burkhard Körner Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz 8 9 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Inhalt Informationen zum Verfassungsschutz 16 1. Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem 17 2. Gesetzlicher Auftrag 17 3. Informationsbeschaffung 21 4. Kontrolle des Verfassungsschutzes 22 5. Zusammenarbeit mit der Polizei 23 6. Information und Prävention 23 Islamismus 28 1. Personenpotenzial in Bayern 30 2. Islamismus in Deutschland 30 3. Strukturen 32 3.1 Legalistischer Islamismus 32 3.1.1 Milli Görüs-Bewegung 33 3.1.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) 36 3.1.3 Tablighi Jamaat (TJ) 37 3.1.4 Islamische Vereinigung in Bayern e. V. (IVB) 38 3.1.5 Die Muslimbruderschaft (MB) und ihr Einfluss in Deutschland 40 3.1.6 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) 42 3.2 Salafismus 44 3.2.1 Ursprung 44 3.2.2 Ideologie 44 3.2.3 Personenpotenzial 46 3.2.4 Reisebewegungen und Rückkehrer 48 3.2.5 Rekrutierung und Propaganda 51 3.2.6 Salafistische Bestrebungen im Strafvollzug 58 3.2.7 Migrationsbewegung im Blickfeld des Salafismus 59 3.2.8 Anschlagsgeschehen und Täterprofile 61 3.2.9 Exekutivmaßnahmen 64 3.2.10 Islamischer Staat, al-Qaida und andere terroristische Strukturen 67 3.3 Sonstiger islamistischer Terrorismus 73 3.3.1 HAMAS (Islamische Widerstandsbewegung) 73 3.3.2 Hizb Allah (Partei Gottes) 75 10 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Ausländerextremismus 78 1. Personenpotenzial in Bayern 80 2. Konfliktund Gewaltpotenzial 80 3. Strukturen 81 3.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 81 3.2 Türkische Linke 85 3.2.1 DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front)/ Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 85 3.2.2 Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten - Partizan Flügel (TKP/ML - Partizan Flügel) 86 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 87 3.3 Türkische Rechtsextremisten: ÜlkücüBewegung ("Idealisten"-Bewegung) 88 3.4 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 90 Rechtsextremismus 92 1. Personenpotenzial in Bayern 94 2. Gewaltpotenzial 95 2.1 Gewaltorientierte rechtsextremistische Szene in Bayern 96 2.2 Gewalt gegen Flüchtlinge 97 2.3 Auftritt der Kameradschaft Aryans bei rechtsextremistischer 1.-Mai-Kundgebung in Halle a. d. Saale 99 2.4 NSU-Prozess 100 2.5 Rechtsextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten 101 3. Rechtsextremistische Themenfelder und Aktionsformen 103 3.1 Rechtsextremistische Themenfelder 103 3.2 Rechtsextremistische Aktionsformen 110 3.2.1 Parteiübergreifende Aktivitäten 110 3.2.2 Rechtsextremistische Bürgerwehrund PatrouilleAktionen 111 3.2.3 Rechtsextremistische Aktivitäten bei Veranstaltungen 112 3.2.4 Rechtsextremistische Aktivitäten im Bundestagswahlkampf 114 3.2.5 Freizeitaktivitäten zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und zur Nachwuchsgewinnung 115 3.2.6 Internationale Kontakte bayerischer Rechtsextremisten 115 11 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 4. Internet, Musik, Vertriebsstrukturen und Verlage 120 4.1 Rechtsextremisten im Internet 120 4.2 Rechtsextremistische Musik 122 4.3 Rechtsextremistische Vertriebsstrukturen 126 4.4 Rechtsextremistische Internetradios und -TV 128 4.5 Rechtsextremistisches Verlagswesen 129 5. Immobiliensuche und -erwerb 130 6. Rechtsextremistische Parteien 131 6.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 131 6.2 Partei Der Dritte Weg (III. Weg) 136 6.3 Partei DIE RECHTE 148 7. Parteiunabhängige rechtsextremistische Organisationen 150 7.1 Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) 150 7.2 PEGIDA-München - zur Förderung staatsbürgerlicher Anliegen e. V. (PEGIDA-München) 154 7.3 Bürgerinitiativen 156 7.4 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 158 8. Neonazismus und Kameradschaften 160 8.1 Neonazistische Gruppen 161 9. Rechtsextremistische Jugend-Szenen und Subkulturen 163 10. Unstrukturiertes Personenpotenzial 166 Reichsbürger und Selbstverwalter 170 1. Personenpotenzial 173 2. Ideologie 174 3. Typische Aktivitäten 174 3.1 Beantragung von Staatsangehörigkeitsausweisen und Nutzung eigener Dokumente 175 3.2 Auftreten gegenüber Justiz und Verwaltung 176 3.3 Kommerzielle Aktivitäten und "Recht-Konsulenten" 177 3.4 Stammtische und Seminare 177 3.5 Überregionale und internationale Kontakte 178 4. Gewaltpotenzial 178 5. Reichsbürgergruppierungen in Bayern 180 5.1 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen 181 5.1.1 Bundesstaat Bayern 181 5.1.2 Amt Deutscher Heimatbund, Deutscher Heimatbund, Heimatbund der Menschen 182 5.1.3 Heimatgemeinde "Gemeinde Chiemgau" (Heimatgesellschaft Chiemgau) 182 5.1.4 Verfassunggebende Versammlung 183 5.2 Phänomenbereich Rechtsextremismus 183 12 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit 186 1. Michael Stürzenberger und Umfeld 189 2. PEGIDA Nürnberg/PEGIDA Mittelfranken 190 3. Bürgerbewegung PAX EUROPA e. V. - Landesverband Bayern (BPE Bayern) 192 Linksextremismus 194 1. Personenpotenzial in Bayern 196 2. Militanzund Gewaltpotenzial 196 2.1 G20-Gipfel in Hamburg 197 2.2 Linksextremistische Aktionen gegen Parteien 201 2.3 Linksextremistische Sachbeschädigungsserie in München 204 2.4 Strafund Gewalttaten 205 3. Ideologische Wurzeln des Linksextremismus 208 4. Linksextremistische Themenfelder 210 5. Internet und Musik 214 5.1 Linksextremisten im Internet 214 5.2 Linksextremistische Musik 215 6. Linksextremistische Parteien und Vereinigungen 216 6.1 Offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE. 216 6.1.1 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF) 217 6.1.2 Antikapitalistische Linke (AKL) 217 6.1.3 Linksjugend ['solid] Landesverband Bayern 218 6.1.4 DIE LINKE. Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband (DIE LINKE.SDS) Landesverband Bayern 219 6.1.5 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) 219 6.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Umfeld 220 6.2.1 DKP 220 6.2.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 221 6.2.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) 222 6.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 224 6.4 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 225 6.5 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus 226 6.6 Rote Hilfe e. V. (RH) 227 7. Autonome, Postautonome und Anarchisten 228 7.1 Beschreibung / Hintergrund 228 7.2 Gruppierungen 230 7.2.1 Autonome Gruppierungen 230 7.2.2 Postautonome Gruppierungen 236 7.2.3 Anarchistische Gruppen 240 13 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Scientology-Organisation (SO) 244 1. Personenpotenzial 247 2. Aktionen und Aktivitäten 247 2.1 Teilnahme von SO-Tarnorganisationen an OSZEund UN-Veranstaltungen 247 2.2 Offensive Öffentlichkeitsarbeit der Tarnorganisation Der Weg zum Glücklichsein 249 3. Organisationsstruktur 250 3.1 Finanzierung der Scientology-Organisation 252 3.2 Unterorganisationen der Scientology-Organisation 253 4. Aussteiger 256 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, Cyber-Allianz-Zentrum (CAZ) 258 1. Spionageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste 261 1.1 Russische Föderation 262 1.2 Volksrepublik China 263 2. Proliferation 266 3. Wirtschaftsschutz 268 4. Cyber-Allianz-Zentrum Bayern (CAZ) 270 Organisierte Kriminalität (OK) 274 1. Rockerkriminalität 277 1.1 Allgemeines 277 1.2 Bayerische OMCGs 279 1.3 Bayerische rockerähnliche Gruppierungen 280 1.4 Auswirkungen des Kuttenverbots 281 1.5 Gefährdungslage Bund/Bayern 282 1.6 Phänomenübergreifende Aspekte 283 1.6.1 Verbindungen von Rockern in die rechtsextremistische Szene 283 1.6.2 Rocker und Waffenerlaubnisse 283 2. OK aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 284 3. OK-Gruppierungen aus dem Balkan und der Türkei 285 4. Italienische Mafia 286 14 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Im Blickpunkt 288 Anhang 294 Personenpotenzial und Gewalttaten 294 Stichwortregister 295 Extremistische Organisationen und Gruppierungen 300 Bildnachweis 307 Impressum 309 15 Informationen zum Informationen zum Verfassungsschutz Verfassungsschutz Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem Gesetzlicher Auftrag Informationsbeschaffung Kontrolle des Verfassungsschutzes Zusammenarbeit mit der Polizei Information und Prävention 16 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz in Bayern Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 1. DER VERFASSUNGSSCHUTZ ALS FRÜHWARNSYSTEM Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung eine wertgebundene, wachsame und wehrhafte Demokratie. Der Staat kann gegen Bestrebungen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, die in der Verfassung vorgesehenen Abwehrmittel einsetzen, z. B. ein Parteioder Vereinsverbot. Das setzt aber voraus, dass er solche Bestrebungen oder Aktivitäten, die als extremistisch oder als verfassungsfeindlich bezeichnet werden, rechtzeitig erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie zum Schutz des Bestandes und der Sicherheit von Bund und Ländern ein. 2. GESETZLICHER AUFTRAG Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich genau festgelegt. Das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) regelt die von Bund und Ländern im Rahmen des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben und ist zugleich Rechtsgrundlage für die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Daneben gibt es in allen Ländern eigene Verfassungsschutzgesetze. In Bayern regelt das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) die Aufgaben und Befugnisse des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, das seinen Sitz in München hat und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern und für Integration unmittelbar nachgeordnet ist. Zum 1. August 2016 ist ein neues Bayerisches Verfassungsschutzgesetz in Kraft getreten. Das Gesetz hat die rechtlichen Befugnisse des Verfassungsschutzes an die technische Entwicklung, insbesondere die Foto: Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz in München > Inhaltsverzeichnis 17 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutz in Bayern zunehmende Nutzung der modernen Telekommunikationstechnik durch Extremisten und Terroristen, angepasst und setzt Vorgaben aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie Forderungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags um. Zu den zentralen Änderungen gehören eine enge Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Polizeiund Sicherheitsbehörden, klare gesetzliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von V-Leuten und eine stärkere Harmonisierung der Vorschriften mit Bundesrecht. Mit einer eigenen Broschüre informiert das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration über die Aufgaben des Verfassungsschutzes und die Inhalte des Gesetzes. Für das Landesamt wurden im Haushaltsplan 2017 insgesamt 551 Stellen für Beamte und Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst ausgewiesen. Das Haushaltsvolumen 2017 betrug rund 38,5 Millionen Euro. Der Verfassungsschutz sammelt Informationen über sicherheitsgefährdende und verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland und wertet diese aus. Diesem originären Beobachtungsauftrag unterliegen im Wesentlichen - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (Sabotage und Spionage), - Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, - Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, - Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität. Als "Bestrebung" ist eine politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweise definiert, die darauf gerichtet ist, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes bzw. Verfassungsgrundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Solche Bestrebungen können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. 18 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz in Bayern Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Arbeitsschwerpunkt des Verfassungsschutzes ist dabei die Beobachtung von extremistischen Organisationen, d. h. in erster Linie die Analyse ihrer Ziele, Aktivitäten, Stärke, Aufbau und finanziellen Verhältnisse. Dazu müssen zwangsläufig auch die Mitglieder und Unterstützer erfasst werden. Aber auch die Beobachtung von extremistischen Einzelpersonen ist zulässig. Als extremistische oder staatsgefährdende Bestrebungen werden in Bayern beobachtet: - Islamismus - Ausländerextremismus - Rechtsextremismus - Reichsbürger und Selbstverwalter - Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit - Linksextremismus - Scientology-Organisation. Der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes umfasst auch extremistische Aktivitäten im Internet, z. B. in Blogs und Foren. Dabei ist aber eine "automatische" Zurechnung von anonymen Beiträgen in Blogs oder Foren zulasten der Betreiber rechtlich nicht zulässig. Erst wenn eine politisch motivierte, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielrichtung zurechenbar festzustellen ist, ist der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes eröffnet. Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2013 zu den Voraussetzungen und Grenzen der Beobachtung von Abgeordneten durch den VerfassungsBeobachtung von schutz ist die Beobachtung von Parlamentsabgeordneten durch Abgeordneten die Verfassungsschutzbehörden wegen des darin liegenden Eingriffs in das freie Mandat des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen zulässig. An die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist dabei mit Blick auf die Bedeutung, die das Grundgesetz dem freien Mandat zuerkennt, ein strenger Maßstab anzulegen. Ein die Beobachtung rechtfertigendes, überwiegendes Interesse am Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung liegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere dann vor, wenn ein Abgeordneter sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft. In Bayern ist die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) seit 1994 nicht nur Aufgabe der Polizei, sondern - zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung - auch des Verfassungsschutzes. Dies umfasst u. a. die Bereiche illegaler Waffenund Drogen- > Inhaltsverzeichnis 19 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutz in Bayern handel, Schutzgelderpressung und Geldwäsche. Der Bayerische Verfassungsschutz klärt da auf, wo Polizei oder Staatsanwaltschaft rechtlich noch nicht tätig werden können, und liefert so einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung krimineller Strukturen. Personen, die der OK angehören bzw. sich in deren Umfeld aufhalten, agieren sehr konspirativ. Die Aufklärung dieser Strukturen setzt eine systematische und vor allem langfristig angelegte Beobachtung voraus, die auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erfordert. Liegen dem Verfassungsschutz konkrete Anhaltspunkte für kriminelle Strukturen und Straftaten vor, werden diese zur weiteren Bearbeitung an Polizei und Staatsanwaltschaft abgegeben. Spionageabwehr Eine weitere Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Spionageabwehr, d. h. die Abwehr der Spionage von Nachrichtendiensten fremder Staaten gegen Deutschland. Wesentliche Angriffsziele sind die Bereiche Politik, Militärtechnologie und Wirtschaft. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste, sammelt Informationen und wertet sie aus, um z. B. deutsche Unternehmen zu schützen. Cyber-AllianzDas seit Juli 2013 bestehende Cyber-Allianz-Zentrum im BayeriZentrum schen Landesamt für Verfassungsschutz unterstützt Unternehmen sowie Betreiber kritischer Infrastrukturen bei der Prävention und Abwehr gezielter Cyberangriffe. Daneben hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz eine Reihe von Mitwirkungsaufgaben, bei denen es als Fachberater bei Sachentscheidungen einer anderen Behörde hinzugezogen wird. Dabei fließen die bereits vorhandenen oder aus Anlass des Mitwirkungsersuchens gewonnenen Erkenntnisse in den Entscheidungsprozess einer anderen Behörde mit ein. Zu den Mitwirkungsaufgaben gehören der Geheimund Sabotageschutz. Geheimschutz Der Geheimschutz umfasst die Maßnahmen, die verhindern sollen, dass Unbefugte von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Informationen und Unterlagen - sog. Verschlusssachen - Kenntnis erhalten. Verschlusssachen gibt es in Behörden, aber auch in privatwirtschaftlichen Unternehmen, die im Auftrag des Staates tätig werden. Der materielle Geheimschutz befasst sich mit den organisatorischen und technischen Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, um Verschlusssachen vor unbefugtem Zugriff zu 20 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz in Bayern Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 schützen. Der personelle Geheimschutz beinhaltet die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Die Sicherheitsüberprüfung nach dem Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BaySÜG) soll gewährleisten, dass nur zuverlässige Personen eingesetzt werden, bei denen keine Umstände vorliegen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz bringt außerdem seine Erkenntnisse im Rahmen weiterer BeteiligungsaufgaBeteiligungsben ein, insbesondere bei einbürgerungsund aufenthaltsrechtaufgaben lichen Entscheidungen. Es ist an der behördenübergreifenden Arbeitsgruppe "BIRGiT" (Beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus/Extremismus) beteiligt. Zudem hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz die Aufgabe, im Einzelfall amtliche Auskünfte im Rahmen der Verfassungstreueüberprüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst zu erteilen. Außerdem übermittelt es relevante Erkenntnisse im Rahmen von Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Luftsicherheitsgesetz und dem Atomgesetz. 3. INFORMATIONSBESCHAFFUNG Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags ist der Verfassungsschutz verpflichtet, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern. Diese Informationen werden zum weit überwiegenden Teil aus offenen Quellen gewonnen (z. B. aus dem Internet, aus Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen, Broschüren sowie bei öffentlichen Veranstaltungen extremistischer Organisationen). Einen Teil der Informationen erhält der Verfassungsschutz durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel. Dazu gehören insbesondere: - der Einsatz von V-Leuten (Personen, die der Verfassungsschutzbehörde selbst nicht angehören, aber aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Beobachtungsobjekt "SzeneErkenntnisse" gegen Bezahlung liefern), - das Beobachten verdächtiger Personen (Observation) sowie - verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen. Eingriffe in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis (Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs) sind besonders strengen rechtsstaatlichen Anforderungen unterworfen. > Inhaltsverzeichnis 21 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutz in Bayern Artikel 10-Gesetz Die Voraussetzungen, unter denen vom Inhalt einer Telekommunikation Kenntnis genommen werden darf, sind in einem eigenen Bundesgesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses "Artikel 10-Gesetz" (G 10) genannt wird. Ein Verfahren mit mehreren voneinander unabhängigen Kontrollinstanzen stellt sicher, dass in dieses Grundrecht nur eingegriffen wird, wenn die im Gesetz genannten besonderen Gründe vorliegen. Ähnliches gilt für die 2003 eingeführten Auskunftsverpflichtungen von Postund Telekommunikationsdienstleistern sowie für die Verwendung technischer Mittel zur Identifizierung von bisher unbekannten Mobilfunkanschlüssen. Die Zahl der Maßnahmen zur Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs lag im Jahr 2017 wie schon in der Vergangenheit im unteren zweistelligen Bereich. Besonders strenge rechtsstaatliche Sicherungen gelten auch für den Einsatz von Abhörgeräten oder versteckten Kameras in Wohnund Geschäftsräumen sowie für den verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme. Solche Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung eines Richters vorgenommen werden. 4. KONTROLLE DES VERFASSUNGSSCHUTZES Die Tätigkeit des bayerischen Verfassungsschutzes unterliegt einer vielfältigen Kontrolle. Dazu gehört die allgemeine parlamentarische Kontrolle, die durch die Berichtspflicht des verantwortlichen Ministers gegenüber dem Landtag im Rahmen von Anfragen von Abgeordneten, Petitionen usw. ausgeübt wird. Eine besondere Kommission des Bayerischen Landtags, das Parlamentarische Kontrollgremium, überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die G 10-Kommission überprüft die Maßnahmen zur Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs sowie die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Auskunftsverpflichtungen von Postund Telekommunikationsdienstleistern. Die Verwaltungskontrolle obliegt dem Innenminister im Rahmen der Dienstund Fachaufsicht, ferner dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Diese Kontrollen werden ergänzt durch die Möglichkeit, gegen belastende Maßnahmen die Verwaltungsgerichte anzurufen. Schließlich findet über die Medienberichterstattung auch eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit statt. 22 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz in Bayern Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 5. ZUSAMMENARBEIT MIT DER POLIZEI Beim Schutz von Staat und Verfassung arbeiten Polizei und Verfassungsschutz eng zusammen. Dabei sind die Polizeiund Verfassungsschutzbehörden jedoch voneinander getrennt, Verfassungsschutzbehörden dürfen keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden (organisatorisches Trennungsgebot). Aufgabe der Polizei sind die Abwehr von Gefahren sowie die Aufklärung von Straftaten. Sie verfügt über Eingriffsrechte und Zwangsbefugnisse (z. B. Festnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen usw.) und muss eingreifen, sobald sie Hinweise auf Straftaten erhält. Der Verfassungsschutz ist dagegen für die Vorfeldaufklärung zuständig und hat keine Zwangsbefugnisse und kein Weisungsrecht gegenüber der Polizei (befugnisrechtliches Trennungsgebot). Hat der Verfassungsschutz ausreichend Erkenntnisse, die ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich machen, unterrichtet er die zuständige Sicherheitsbehörde. Diese entscheidet dann selbstständig, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 6. INFORMATION UND PRÄVENTION Der Verfassungsschutz hat den gesetzlichen Auftrag, Regierung und Parlament sowie die Öffentlichkeit über Aktivitäten und Ziele verfassungsfeindlicher Organisationen zu informieren. Zu diesem Zweck veröffentlicht das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz die jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichte. Eingang in den Verfassungsschutzbericht finden Bestrebungen, bei denen hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für Extremismus vorliegen. Eine Verdachtsberichterstattung findet in Bayern nicht statt. Der Internetauftritt des Landesamtes für Verfassungsschutz wurde im Jahr 2015 grundlegend überarbeitet und erweitert sowie an ein geändertes Nutzungsverhalten angepasst. Aufgrund seines responsiven Designs ist der neue Internetauftritt auf allen Endgeräten - auch auf Smartphone oder Tablet - gleichermaßen gut abrufbar. Mehrere Serviceangebote erleichtern zudem die Nutzbarkeit für Personen mit besonderen Bedürfnissen (Barrierefreiheit). Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit klärt das Landesamt für Verfassungsschutz zudem durch zielgruppenorientierte FachFachvorträge vorträge über aktuelle extremistische Entwicklungen auf. Diese > Inhaltsverzeichnis 23 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutz in Bayern Fachvorträge richten sich vor allem an Multiplikatoren (Schulen, Universitäten, Bildungsakademien, Träger politischer Bildungsund Jugendarbeit, Kommunen, demokratische Bürgerinitiativen, politische Parteien). Der Verfassungsschutz leistet einen wichtigen Beitrag zur geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus und dient der Sicherung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Im Bereich des Rechtsextremismus arbeitet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz u. a. mit der "Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus" und mit der Projektstelle gegen Rechtsextremismus "Bayerisches Bündnis für Toleranz, Demokratie und Menschenwürde schützen" zusammen. Es beteiligt sich auch an Ausbildungsund Fortbildungsmaßnahmen anderer Behörden, insbesondere der Bayerischen Polizei. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern und für Integration wurde die erfolgreiche Broschüre "Nein zu Nazis und Co." neu aufgelegt. Die Broschüre informiert über rechtsextremistische Agitation unter Jugendlichen und Heranwachsenden und klärt über neue Erscheinungsformen sowie Ziele, Taktiken und Strategien der Rechtsextremisten auf. Die beim Landesamt für Verfassungsschutz organisatorisch anBIGE gesiedelte "Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus" (BIGE) ist die Informationsund Beratungsstelle der Staatsregierung zur Bekämpfung des politischen Extremismus. Aufgabe der BIGE ist es, die Bekämpfung aller Arten von Extremismus zu unterstützen sowie hier die Zusammenarbeit von staatlichen Stellen, Kommunen, Schulen und gesellschaftlichen Einrichtungen zu stärken. Die Beratung der Kommunen ist ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt der Informationsstelle. Rekrutierungsversuchen extremistischer Organisationen unter Kindern und Jugendlichen wirkt die BIGE durch gezielte Beratung und Information entgegen. Das Informationsangebot richtet sich an alle Interessierten, insbesondere aber an Schüler, Lehrer, Eltern und Mitarbeiter von Einrichtungen der Jugendund Bildungsarbeit. Anfang Dezember 2016 wurde eine Dienststelle der BIGE in Nürnberg eröffnet, um das Beratungsangebot für die Kommunen in der Region zu verbessern. Die BIGE ist ein wichtiger Bestandteil des "Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus", das seit seiner Einführung 2009 kontinuierlich fortentwickelt wird und eine Vielzahl von Maßnahmen gegen Rechtsextremismus enthält. In 2017 wurde das "Bayerische Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus" unter Federführung des Staatsministeriums des Innern und für Integration und in Zusammenarbeit mit dem Staatsminis24 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz in Bayern Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 terium der Justiz, dem vormaligen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und dem Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales inhaltlich neu gefasst und grafisch völlig neu gestaltet. Ziel der Fortschreibung war es, die staatlichen Strukturen, Vorgehensweisen und Maßnahmen in Bayern, die in den drei Säulen "Vorbeugen - Unterstützen - Eingreifen" konzeptionell eingebettet sind, zu einem Gesamtkonzept zu verbinden und umfassend darzustellen. Zudem wurde für die Information einer breiteren Öffentlichkeit begleitend eine Broschüre erstellt. Mit dem Bayerischen Aussteigerprogramm soll das extremistische Personenpotenzial verringert werden. Mit ihrem breiten Angebot unterstützt die BIGE alle demokratischen Akteure. Sie arbeitet eng und vertrauensvoll mit den demokratischen Beratungsstellen zusammen. In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit im vormaligen Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst bietet die BIGE umfassende Informationen auf ihren Internetportalen an. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ist bereits seit mehreren Jahren durch verschiedene Maßnahmen und Projekte sowie verstärktem Mitarbeitereinsatz auch im Bereich der Islamismusbzw. Salafismusprävention mit vielfältigen SenSalafismussibilisierungsund Fortbildungsangeboten aktiv. Dazu zählen prävention Beratungsgespräche, Vorträge und Multiplikatorenschulungen für Polizeibeamte, Lehrer, Ausbildungsträger, Mitarbeiter im sozialen Bereich, im Justizvollzug und in Flüchtlingsunterkünften. Im Bereich der Islamismusprävention kooperiert das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz im Rahmen des "Bayerischen Netzwerkes für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus" mit den verschiedensten staatlichen Stellen in den Bereichen der Bildungsarbeit, der Integrationsund Sozialpolitik sowie der Jugendarbeit oder des Strafvollzuges. Das Netzwerk unterhält ein eigenes Internetportal mit Informationen zur Salafismusprävention in Bayern. Unter www. antworten-auf-salafismus.de finden Interessierte und Betroffene Antworten auf Fragen zum Thema Salafismus sowie vielfältige Beratungs-, Unterstützungsund Förderangebote. Im November stellte das Netzwerk die Sieger eines Filmwettbewerbs vor. Die drei Kurzfilme mit den Titeln "Du glaubst", "Du bist nicht allein" und "Entfremdung" beleuchten den Themenbereich Salafismus und Radikalisierung aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Sie sind u. a. auf der Website www.antworten-auf-salafismus.de abrufbar und wurden auch in ausgewählten bayerischen Kinos als Kinowerbung gezeigt. > Inhaltsverzeichnis 25 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutz in Bayern Die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern und für Integration in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz in 2016 grundlegend überarbeitete Broschüre "Salafismus - Prävention durch Information" ist seit Mitte 2017 auch in arabischer, englischer, französischer, russischer und türkischer Sprache erhältlich. Sie enthält neben Informationen zum Salafismus auch Informationen über Beratungsstellen und Ansprechpartner im Bereich der Prävention und Deradikalisierung, an die sich Betroffene wenden können. Die Broschüre ist im Internet abrufbar unter www.stmi.bayern.de. Im Landesamt für Verfassungsschutz gibt es zudem ein Hinweistelefon für Verdachtsfälle und Salafismusprävention. 26 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz in Bayern Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz Postfach 450145, 80901 München Telefon: 089/31201 0 (rund um die Uhr) Telefax: 089/31201 380 E-Mail: poststelle@lfv.bayern.de www.verfassungsschutz.bayern.de Hinweistelefon für Verdachtsfälle und Salafismusprävention Telefon: 089/31201 480 Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz Knorrstraße 139, 80937 München Telefon: 089/2192 2192 Telefax: 089/2192 2377 E-Mail: gegen-extremismus@stmi.bayern.de www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de www.bayern-gegen-linksextremismus.bayern.de > Inhaltsverzeichnis 27 Islamismus Islamismus Anhaltend hohe Bedrohungslage für Deutschland - Gefahr von "Low-Profile"-Angriffen "Virtuelles Kalifat" gewinnt an Bedeutung Trotz militärischer Niederlagen des IS bislang keine Rückkehrwelle von Kämpfern nach Deutschland 28 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Der Islam als Religion und seine Ausübung werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag unterliegen jedoch islamisch-extremistische (Kurzform: islamistische), d. h. religiös-politisch motivierte Organisationen und Einzelpersonen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Islamismus ist ein Überbegriff für eine Vielzahl von unterschiedlichen (Teil-)Strömungen, wie beispielsweise den Salafismus. Als eine Gemeinsamkeit dieser Strömungen lassen sich folgende Kernelemente des Islamismus herausstellen: - "Der Islam" ist nicht allein Glaube und Ethik, sondern begründet eine alles umfassende Lebensform, die auf Koran und Sunna (Überlieferung der Reden und Taten des Propheten) basiert. - Die Muslime bilden eine religiöse und politische Einheit (panislamische Zielsetzung). - Die Scharia (islamisches Gesetz) stellt ein politisches und gesellschaftliches Ordnungsprinzip dar. - Koran und Sunna haben "Verfassungsrang" und verbindliche Vorbildfunktion für politisches Handeln und einen zukünftigen "islamischen Staat". Diese extremistischen Zielsetzungen widersprechen den in unserem Grundgesetz garantierten Freiheitsund Menschenrechten. Die Bestrebungen von Islamisten sind verfassungsund integrationsfeindlich. Gewaltbereite islamistische Terroristen sind unverändert eine große Gefahr für die Innere Sicherheit Deutschlands. Sie verfolgen ihr Ziel, weltweit eine totalitäre islamistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Sie berufen sich auf die vermeintliche Pflicht aller Muslime, sich gegen westliche, d. h. "ungläubige" Einflüsse zu "verteidigen", und rufen zur Teilnahme am gewalttätigen Jihad auf. > Inhaltsverzeichnis 29 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus 1. PERSONENPOTENZIAL IN BAYERN Islamistischen Vereinigungen waren in Bayern im Jahr 2017 4.070 Personen zuzurechnen. Zu den mitgliederstärksten Gruppierungen bzw. Strömungen zählen nach wie vor, neben der "Milli Görüs"-Bewegung mit 2.900 Anhängern, die Anhänger 730 Salafisten in des Salafismus. Seit 2013 stieg die Zahl der Salafisten in Bayern Bayern von 550 auf 730 zum Jahresende 2017 (2016: 670) an. Von diesen 730 Salafisten sind knapp 25 Prozent (Vorjahr: 20 Prozent) dem gewaltorientierten Spektrum zuzuordnen. Bei Teilen der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) beobachtet der Verfassungsschutz seit einigen Jahren Anzeichen für einen Loslösungsprozess von der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei. Die Zahl der dem islamistischen Personenpotenzial zuzurechnenden IGMG-Mitglieder hat sich dadurch reduziert. Ein beträchtlicher Teil der Anhänger orientiert sich aber weiterhin an der islamistischen "Milli Görüs"-Ideologie. 2. ISLAMISMUS IN DEUTSCHLAND Bei islamistischen Bestrebungen in Deutschland gilt es grundsätzlich, zwischen den verschiedenen Strömungen und deren Politischer und Einstellung zur Gewalt zu unterscheiden. Während islamistische jihadistischer Terroristen eindeutig den Einsatz von Gewalt legitimieren, vertreSalafismus ten politische Salafisten sowie legalistische Organisationen eine weitgehend gewaltfreie Herangehensweise zur Erreichung ihrer Ziele. Auch Strömungen des legalistischen Islamismus wollen die Religion so auslegen und von allen verstanden wissen, dass ein konfliktfreies Zusammenleben mit Andersdenkenden unmöglich erscheint. Sie bestehen auf einer strengen Lesart des Korans, der unabhängig von Zeit und Ort für alle Menschen gültig ist und dessen Inhalte und Weisungen, die im islamischen Recht ihren Niederschlag gefunden haben, nicht relativiert werden können. Unter Nutzung der von der deutschen Rechtsordnung garantierten Freiräume verfolgen sie eine Strategie der Einflussnahme auf Politik und Gesellschaft. Sie stehen allerdings in offenem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, deren Werte Islamisten in zentralen Punkten nicht teilen und die sie teils verbal, selten auch militant bekämpfen. Islamisten verwahren sich strikt gegen die Abdrängung des Religiösen ins Private. Nach dem Bekenntnis 30 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 "Der Islam ist Glaube und Staat" müssen die Normen der Scharia in allen Lebensbereichen und auf allen Ebenen durchgesetzt werden. Der Islamismus bedient und wiederbelebt ein in den Ursprüngen des Islam begründetes Überlegenheitsgefühl der Muslime als Inhaber und Wahrer der letzten und erhabensten Religion. Bundesweit ist eine weit verzweigte heterogene Infrastruktur des Salafismus festzustellen. Durch die Vermittlung extremistischer Grundhaltungen und Konzepte bereitet insbesondere die salafistische Ideologie den Nährboden für Radikalisierungsprozesse, die zu terroristischen Handlungen führen können. Die Grenzen zwischen dem politischen Salafismus, der auf die Ausübung direkter Gewalt zur Erreichung seiner Ziele verzichtet, und dem jihadistischen Salafismus, der eine unmittelbare und sofortige Gewaltanwendung befürwortet, sind fließend. Die Durchlässigkeit zwischen den Teilströmungen wird durch die hierarchiearmen Strukturen salafistischer Netzwerke begünstigt. Neue Anhänger für ihre extremistische Ideologie suchen IslamisAnwerbung von ten auch unter Flüchtlingen. An mehreren Orten in Bayern haben Flüchtlingen sie versucht, Kontakte zu Flüchtlingen herzustellen. Dabei steht zunächst die humanitäre Hilfe im Vordergrund. Durch soziale Unterstützung wollen Islamisten eine Vertrauensbasis schaffen. Diese können sie dann dazu missbrauchen, um ihre extremistische, integrationsfeindliche Ideologie zu transportieren. Langfristig sollen die Flüchtlinge damit als Unterstützer oder Mitglieder gewonnen werden. Eine Gefahr besteht insbesondere für junge, unbegleitete Flüchtlinge, die ohne Eltern und Verwandte nach Deutschland gekommen sind und somit besonders nach sozialer Nähe suchen. Mehrere islamistische Organisationen haben gezielt dazu aufgerufen, den Kontakt zu Flüchtlingen zu suchen. In einem Faltblatt informiert das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz über die Anwerbeversuche von Islamisten unter Flüchtlingen. Der Flyer wurde an die Verantwortlichen für die Flüchtlingsunterkünfte verteilt. Seit der Veröffentlichung am 1. Februar 2016 wurden bereits mehrere Zehntausend Exemplare verteilt, ein Großteil davon auf Nachfrage von Behörden und Hilfsorganisationen. Salafistische Propagandaaktivitäten sind bundesweit feststellbar. Bis zum Verbot am 15. November 2016 spielte dabei das Koranverteilungsprojekt "LIES!" des salafistischen Netzwerks "Die wahre Religion" (DWR) eine besondere Rolle. Weitere Propagandaaktivitäten sind u. a. Infobzw. WarenverkaufsstänSalafistische de anderer salafistischer Gruppierungen, Spendensammlungen, Propaganda > Inhaltsverzeichnis 31 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Islamseminare, "Home Da'wa" (Missionierung), Propaganda in Moscheen oder die sogenannte Gefangenenhilfe. Zentrale Verbreitungswege salafistischer Propaganda sind das Internet und Instant-Messaging-Dienste. Vom internationalen islamistischen Terrorismus geht weiterhin eine große Bedrohung für die internationale Staatengemeinschaft aus, er stellt auch für die Innere Sicherheit Deutschlands - trotz zahlreicher Fahndungserfolge - eine der größten Gefahren dar. Der internationale islamistische Terrorismus tritt inzwischen sehr vielfältig in Erscheinung: Größere Netzwerke existieren ebenso wie autark operierende Kleinstgruppen bis hin zu Einzeltätern. Die Aktivitäten islamistischer Terrorstrukturen in Deutschland reichen von der Nutzung Deutschlands als Rückzugsund Ruheraum über die Rekrutierung, Radikalisierung und Indoktrinierung neuer Anhänger bis hin zur Planung und Durchführung terroristischer Anschläge. Verbot von Am 28. Februar wurde der Berliner Moscheeverein "Fussilet 33", Moscheeund am 14. März der "Deutschsprachige Islamkreis Hildesheim" (DIK Kulturvereinen e. V.) und am 23. März der "Almadinah Islamischer Kulturverein e. V." in Kassel verboten, nachdem in den Moscheen und in deren Umfeld jihadistische Aktivitäten festgestellt worden waren. 3. STRUKTUREN 3.1 Legalistischer Islamismus Nicht gewaltorientierte, sog. legalistische islamistische Gruppen verfolgen ihre extremistischen Ziele mit politischen Mitteln innerhalb der bestehenden Rechtsordnung. Eine unmittelbare Gefährdung im Hinblick auf terroristische Anschläge in Deutschland geht von solchen Gruppierungen nicht aus. Legalistische Islamisten bestehen auf einer strengen Lesart des Korans, der nach ihrer Auffassung unabhängig von Zeit und Ort für alle Menschen gültig ist. Eine nicht relativierbare, moralische und rechtliche Richtschnur sind für sie die Weisungen, die im islamischen Recht, der Scharia, enthalten sind. Durch Lobbyarbeit versuchen legalistische Islamisten, Einfluss auf Entscheidungsprozesse in Politik und Gesellschaft zu nehmen. Dabei verfolgen sie eine Doppelstrategie: Während sie sich 32 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 nach außen offen, tolerant und dialogbereit geben, bestehen innerhalb dieser Organisationen antidemokratische und totalitäre Tendenzen. Ziel legalistischer Islamisten ist es, zunächst Teilbereiche der Gesellschaft zu islamisieren. Langfristig streben sie die UmforLangfristige Beeinmung des demokratischen Rechtsstaats in einen islamischen flussungsstrategie Staat an. Um ihre Ziele zu erreichen, betreiben legalistische Islamisten Kulturvereine und Moscheen, da diese einerseits der Werbung von Mitgliedern, andererseits der Verbreitung der Ideologie dienen. Über ihre Dachverbände versuchen sie, sich dem Staat als Sprachrohr der Muslime anzubieten. Ein Großteil der ideologischen Grundsätze legalistischer islamistischer Organisationen ist unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung, beispielsweise die Gleichberechtigung der Religionen und Geschlechter sowie die Volkssouveränität. Zentrale Organisationen im legalistischen Islamismus sind die türkisch geprägte "Milli Görüs"-Bewegung, die "Muslimbruderschaft" (MB), die "Tablighi Jama'at" (TJ) sowie der schiitische Extremismus. 3.1.1 Milli Görüs-Bewegung Mitglieder Bayern: 2.900 Gründer Prof. Dr. Necmettin Erbakan Entstanden ca. 1970 in der Türkei Sprachrohr der Milli Gazete Milli Görüs-Bewegung (Nationale Zeitung) Die islamistische "Milli Görüs"-Bewegung ist ein Sammelbecken von Anhängern des am 27. Februar 2011 verstorbenen türkischen Politikers Prof. Dr. Necmettin Erbakan. Ziel der Bewegung ist es, zunächst die laizistische Staatsordnung (Trennung von Kirche und Staat) in der Türkei durch eine islamische Staatsund Gesellschaftsordnung mit dem Koran und der uneingeschränkten Gültigkeit der Scharia als Grundlagen des Staates und des gesellschaftlichen Zusammenlebens abzulösen. Ihr erklärtes Fernziel ist darüber hinaus die weltweite Einführung einer islamischen Staatsund Gesellschaftsordnung nach dem Vorbild des alten Osmanischen Reichs unter Führung der Tür- > Inhaltsverzeichnis 33 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus kei. Die Bestrebungen der "Milli Görüs"-Bewegung richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die "Milli Görüs"-Bewegung wurde Ende der 1960er-Jahre von dem türkischen Politiker Necmettin Erbakan gegründet. Zentrale Bedeutung in Erbakans politischem Denken haben die von ihm geprägten Schlüsselbegriffe "Milli Görüs" (nationale Sicht) und "Adil Düzen" (gerechte Ordnung). Nach der von Erbakan entwickelten Ideologie ist die Welt zweigeteilt: einerseits in die auf Adil-Düzen/Batildem Wort Gottes fußende religiös-islamische Ordnung ("Adil Düzen-Konzept Düzen"), andererseits in die westliche Ordnung der Gewalt und Unterdrückung ("Batil Düzen" = nichtige Ordnung). Es gelte, die westliche Ordnung durch eine "gerechte Ordnung" zu ersetzen, wofür die Ausrichtung an islamischen Grundsätzen statt an von Menschen geschaffenen und damit "willkürlichen Regeln" erforderlich sei. Zu den klassischen Feindbildern gehören neben der westlichen Welt auch der Staat Israel - meist als "Zionisten" umschrieben - sowie Kommunismus, Imperialismus und Kapitalismus. Insgesamt ist das "Adil Düzen"-Konzept mit den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar: Die Einführung einer islamischen Gesellschaftsordnung würde den Grundsatz der Gewaltenteilung, das Rechtsstaatsprinzip, die Unabhängigkeit der Justiz und das Demokratieprinzip beseitigen. Die Ausrichtung der "Milli Görüs"-Bewegung auf eine sultanähnliche türkische Führerfigur zeigt nationalistisch-diktatorische Züge und widerspricht der republikanischen Struktur Deutschlands sowie dem Demokratieprinzip. Zudem vertritt Antisemitische die "Milli Görüs"-Bewegung einen Antisemitismus, der zu eiTendenzen ner ausgrenzenden Benachteiligung des jüdischen Volkes und der jüdischen Religion führt und die Menschenrechte sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Der "Milli Görüs"-Bewegung sind insbesondere die "Saadet Partisi" (SP - Glückseligkeitspartei) als politische Vertreterin der Bewegung, die "Ismael Aga Gemeinschaft" (IAC), die Erbakan-Stiftung, die türkische Tageszeitung Milli Gazete, der türkische Fernsehsender TV5 und die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG) zuzurechnen. Saadet-Partisi (SP) In der Türkei sind die Anhänger der islamistischen "Milli Görüs"-Bewegung seit 2001 in der SP organisiert, nachdem die Vorgängerparteien "Refah Partisi" (RP - Wohlfahrtspartei) und "Fazilet Partisi" (FP - Tugendpartei) wegen "antilaizistischer 34 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Aktivitäten", also wegen Aktivitäten, die die Trennung von Staat und Religion rückgängig machen sollen, verboten wurden. Bei der Parlamentswahl in der Türkei am 7. Juni 2015 erhielt die SP noch 2,1 Prozent, bei der erneuten Wahl am 1. November 2015 nur noch weniger als 1 Prozent der Stimmen. Die seit 2013 bestehende Deutschlandvertretung der SP verfügt auch in Bayern über Strukturen wie z. B. den Regionalverband Südbayern mit Sitz in München. Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG) Die Zentrale der IGMG hat ihren Sitz in Köln mit mehreren, nachgeordneten "Gebieten". Unterhalb der "Gebietsebene" sind eine Vielzahl von "Ortsvereinen" angesiedelt. In Bayern unterhalten mehrere Vereine Verbindungen zur IGMG. Regionale Schwerpunkte befinden sich in Nürnberg und München. Der Verfassungsschutz beobachtet bei Teilen der IGMG seit einigen Jahren Anzeichen für einen Loslösungsprozess von der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei. Die Zahl der dem islamistischen Personenpotenzial zuzurechnenden IGMG-Mitglieder hat sich dadurch reduziert. Ein beträchtlicher Teil der Anhänger orientiert sich aber weiterhin an der islamistischen "Milli Görüs"-Ideologie. Milli-Görüs-Ahde-Vefa-Plattform (MGAV)/Erbakan Vakfi IGMG-Anhänger, die den Kurs der IGMG-Führung als zu zurückhaltend kritisieren, gründeten im Jahr 2012 eine eigene Organisation unter dem Motto "Ahde Vefa" (Treue zum Schwur). Sie halten sich streng an die "Milli Görüs"-Ideologie und orientieren sich dabei am Sohn Necmettin Erbakans, Fatih Erbakan. Inzwischen nennt sich die Gruppierung "Erbakan Vakfi" (Erbakan Stiftung). Ismael Aga Gemeinschaft (IAC) Die IAC ist Teil der weitverzweigten mystischen Bruderschaft der "Naqshbandiya", der auch der verstorbene Führer der "Milli Görüs"-Bewegung Necmettin Erbakan angehörte, und gilt als einer der radikaleren Zweige der Bruderschaft. In Deutschland wurde die IAC durch den Prediger Nusret Cayir geprägt, der die Einführung der Scharia in Deutschland forderte und die Gleichstellung der Frau ablehnt. Bayerische Sympathisanten der IAC besuchten die monatlichen Treffen in Frankfurt am Main ebenso wie Veranstaltungen, bei denen Cayir in Bayern auftrat. Am 23. Oktober 2015 wurde Cayir in die Türkei abgeschoben. Das Verwaltungsgericht Darmstadt erklärte die Abschiebung für rechtswidrig und hob sie auf. Bis zu einer möglichen Wiedereinreise aus der Türkei hält Cayir den Kontakt zu seinen Anhängern über > Inhaltsverzeichnis 35 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Videobotschaften im Internet aufrecht und verbreitet dabei seine demokratiefeindliche, gegen den Rechtsstaat und die Volkssouveränität gerichtete Ideologie auch in Deutschland. 3.1.2 Hilafet Devleti (Der Kalifatsstaat) Anhänger Deutschland: etwa 750 Bayern: etwa 30 früherer Vorsitzender Metin Kaplan Gründung 1984 Sitz Köln Publizistisches Sprachrohr Muhacirun (Auswanderer) Die Vereinigung "Hilafet Devleti" ("Der Kalifatsstaat") wurde 2001 vom Bundesministerium des Innern in Deutschland nach dem Vereinsgesetz verboten. Am 22. Oktober 2013 verbot das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration den 2009 gegründeten Verein "Kulturund Bildungszentrum Ingolstadt e. V." als Ersatzorganisation des "Kalifatsstaats". Mit Urteil vom 27. Januar 2016 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine gegen das Verbot erhobene Klage des Vereins abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig. Der "Kalifatsstaat" war eine am Führerprinzip orientierte, streng hierarchisch gegliederte Organisation, deren Endziel die Weltherrschaft des Islam unter dem Kalifat seines Anführers Metin Kaplan war. Der "Kalifatsstaat" richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung und gefährdete die Innere Sicherheit in Deutschland. Das Verbotsverfahren und die staatlichen Exekutivmaßnahmen haben die Organisationsstruktur geschwächt. Gleichwohl gibt es in Deutschland noch immer Anhänger, die das Gedankengut des "Kalifatsstaats" weiterhin verbreiten. Zudem ist die offizielle Internetseite des "Kalifatsstaats", die über einen Server in den Niederlanden betrieben wird, abrufbar. Die 1984 in Köln gegründete Organisation "Kalifatsstaat" (ehemals "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln" - ICCB) verstand sich als Wiederbelebung des durch Kemal Atatürk 1924 in der Türkei abgeschafften Kalifats. Wegen seiner aggressiv-kämpferischen, gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßenden und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten Haltung wurde der "Kalifatsstaat" am 8. Dezember 2001 vom Bundesministerium des Innern verboten. 36 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Der frühere Vorsitzende des "Kalifatsstaats" Metin Kaplan, der wegen Mordaufrufs eine vierjährige Gefängnisstrafe in Deutschland verbüßt hatte, wurde 2004 in die Türkei abgeschoben und verbüßte dort eine Haftstrafe. Die Haftentlassung Kaplans im November 2016 sorgte auch in Deutschland für einen Motivationsschub bei seinen Anhängern, die für interne Treffen mobilisiert werden konnten. 3.1.3 Tablighi Jamaat (TJ) Anhänger Deutschland: etwa 650 Bayern: etwa 140 Gründung 1926 bei Delhi (Indien) Ziel der TJ ("Gemeinschaft der Verkündigung und Mission") ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Die Bestrebungen der TJ richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die TJ wurde vom Religionsgelehrten Mawlana Muhammad Ilyas als pietistische Missionierungsbewegung gegründet. Seit ihren Ursprüngen ist sie eng mit der Islamischen Hochschule von Deoband/Indien verbunden. Die Gemeinschaft vertritt eine archaische Form des Islam indischer Prägung. Sie hat den Charakter einer internationalen islamistischen Massenbewegung, deren Anhänger sich nicht einer festen Gruppierung zugehörig fühlen, sondern sich als konsequente Muslime mit missionarischem Auftrag verstehen. Die TJ-Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung des Korans und der Sunna, die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung Ausgrenzung von von Frauen und die Abgrenzung zu Nicht-Muslimen. Traditionelle Frauen; Gebetskleidung und bis in Details verbindliche VerhaltensreAbgrenzung zu geln im Alltag sollen die absolute Hinwendung zum Propheten Nicht-Muslimen; Muhammad ausdrücken. Diese Bestrebungen wirken in nicht Desintegration muslimischen Gesellschaften zwangsläufig desintegrierend, sodass eine dauerhafte und ernsthafte Hinwendung zu westlichen Gesellschaftsordnungen, Wertvorstellungen und Integrationsmodellen nicht möglich ist. Charakteristisch für die Anhänger der TJ ist eine missionarische Reisetätigkeit, bei der sie Moscheen weltweit aufsuchen. Die Missionierung dient der Rekrutierung neuer TJ-Mitglieder. Zur Ausbildung der Anhänger gehört eine vier Monate dauernde Schulung, vornehmlich in Koranschulen in Pakistan. Die wenigsten Missionare verfügen über eine theologische Ausbildung. > Inhaltsverzeichnis 37 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Zur Missionierung nutzen TJ-Anhänger auch Moscheen, die keinen unmittelbaren Bezug zur TJ haben. Dort organisieren sie Veranstaltungen, bei denen die Anhänger über Tage oder Wochen hinweg beten, den Koran studieren und indoktriniert werden. Für Kinder und Jugendliche werden auch Koranschulungen durchgeführt. Durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen besteht die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden. Von Einzelpersonen, die die Schulung der TJ durchlaufen haben, ist bekannt, dass sie sich terroristischen Gruppierungen angeschlossen haben. Die TJ ruft ihre Anhänger in Deutschland weiterhin dazu auf, insMissionierung auch besondere Flüchtlinge zu missionieren. In Bayern sind mindesin bayerischen tens zwei Moscheen ("Kulturverein für deutschsprachige MusMoscheen lime e. V. - Al Ummah Moschee" in München und "Islamischer Verein für Kultur und Bildung" in Schweinfurt) den TJ-Strukturen zuzurechnen. Am 8. Juli fand in München das Deutschlandtreffen der TJ mit etwa 120 Teilnehmern statt. Zahlreiche weitere bayerische Moscheen sind Ziel von TJ-Aktivitäten. 3.1.4 Islamische Vereinigung in Bayern e. V. (IVB) Anhänger/Besucher etwa 80 Gründung 1994 in München Neugründung 2009 Als Multiplikator schiitisch-islamistischen Gedankenguts innerhalb der schiitischen Gemeinschaften in Deutschland dient das "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH). In Bayern übernimmt die IVB als Außenstelle des IZH diese Aufgabe. Sie soll im Auftrag der iranischen Führung auf schiitische Muslime einwirken und deren politische und religiöse Einstellung beeinflussen. Da der Iran keine Trennung von Staat und Religion kennt, hat die religiöse Arbeit des Vereins auch eine politische Komponente und richtet sich daher gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die Bewahrung der einst vom iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini propagierten Idee der "Islamischen Revolution" im Iran und deren internationale Verbreitung ist bis heute 38 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 wesentlicher Bestandteil der iranischen Politik. Der "Export der Revolution" ist in der iranischen Verfassung vorgeschrieben. Das beinhaltet auch "Todesfatwas", wie das Beispiel eines in Deutschland lebenden iranischen Musikers zeigt, dessen Texte 2012 als Gotteslästerung interpretiert wurden und der daraufhin Morddrohungen erhielt. Der Iran unterstützt eine Vielzahl islamischer und islamistischer Bewegungen und Organisationen, vor allem im Nahen und Mittleren Osten. Auch islamische Zentren und Moscheen in Deutschland dienen im Sinn dieses "Revolutionsexports" als Foren für Versuche der Einflussnahme durch den Iran. Das größte und einflussreichste Zentrum ist das 1962 gegründete "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH). Neben der iranischen IZH in Hamburg Botschaft ist das IZH die wichtigste offizielle Vertretung des Iran in Deutschland und gleichzeitig eines seiner bedeutendsten Propagandazentren in Europa. Die enge Anbindung des IZH an die Führung des Iran zeigt sich u. a. darin, dass der Leiter des IZH ein ausgewiesener islamischer Rechtsgelehrter sein muss, der vom iranischen Außenministerium bestimmt wird und als Vertreter des iranischen "Revolutionsführers" in Mitteleuropa gilt. Der Iran versucht mit dessen Hilfe, Schiiten aller Nationalitäten an sich zu binden sowie die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Grundwerte der islamischen Revolution in Europa zu verbreiten. Zwischen IZH und IVB bestehen enge Verflechtungen. In der Satzung der IVB ist beispielsweise festgelegt, dass das Vereinsvermögen im Falle einer Auflösung des Vereins an das IZH fallen soll. Wichtige Angelegenheiten der IVB werden mit dem IZH abgestimmt. Die IVB ist Trägerverein der iranisch-schiitischen Moschee München. Im April wurde diese nach vorübergehender Schließung Wiedereröffnung der wiedereröffnet. Die Bedeutung der Moschee zeigt sich u. a. darMünchner Moschee in, dass der Leiter des IZH regelmäßig Veranstaltungen der Moschee besucht. Insgesamt ist festzustellen, dass die Moschee der IVB nicht nur bei Iranern regen Zulauf hat, sondern als Anlaufstelle für schiitische Gläubige aller Nationalitäten dient, die so einer schiitisch-islamistischen Indoktrination ausgesetzt sind. > Inhaltsverzeichnis 39 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus 3.1.5 Die Muslimbruderschaft (MB) und ihr Einfluss in Deutschland Anhänger Deutschland: etwa 1040 Bayern: etwa 150 Gründung 1928 in Ägypten Publikation Risalat-ul-Ikhwan Die 1928 von Hassan al-Banna in Ägypten gegründete MB ist die einflussreichste und älteste islamistische Bewegung des zeitgenössischen politischen Islam. Das von der MB angestrebte politische System weist deutliche Totalitäres Züge eines totalitären Herrschaftssystems auf, das die SouveräHerrschaftssystem nität des Volkes sowie die Prinzipien der Freiheit und Gleichheit der Menschen nicht garantiert. Die Ideologie der MB ist auf die Errichtung islamischer Herrschaftsordnungen auf der Grundlage von Koran und Sunna ausgerichtet. Ein Großteil der ideologischen Grundsätze der MB ist somit unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung. Das Wesentliche der verfassungsfeindlichen Ideologie der MB ist in der - für die Organisation bis heute maßgeblichen - Schrift "Allgemeine Ordnung der Muslimbruderschaft", die auf die Gründergeneration um Hassan al-Banna zurückgeht, festgehalten: - Islamisierung der Gesellschaft durch "Da'wa"-Aktivitäten (deutsch: Missionierung) und soziale Maßnahmen, - Beendigung der "kulturellen Verwestlichung" (arabisch: "Taghrib"), - Umwandlung des Bildungswesens und der Bildungsinstitutionen nach islamischen Kriterien, - Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage islamischer Prinzipien und Werte, - Anwendung des islamischen Rechts (arabisch: "Scharia"). Die MB ist eine internationale Organisation. In zahlreichen Ländern existieren Vereinigungen, die sich ideologisch an der MB in Ägypten orientieren, zum Beispiel die "al-Nahda" in Tunesien. Offiziell haben sich die meisten Zweige der MB von Gewalt abgewandt. Die "Islamische Widerstandsbewegung" ("HAMAS") als palästinensische Sektion der MB nutzt jedoch weiterhin militärische Mittel im Kampf gegen Israel. 40 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Den Umbruch in der arabischen Welt versuchte die MB zum Ausbau ihrer Machtposition zu nutzen. In Ägypten wurde sie bei den Parlamentswahlen im Dezember 2011 stärkste politische Kraft. Der Muslimbruder Muhammad Mursi setzte sich bei den Präsidentschaftswahlen 2012 durch. Nach Massendemonstrationen am 30. Juni 2013, bei denen 14 Millionen Ägypter auf die Straße gingen, wurde er im Juli vom Militär abgesetzt und vor Gericht gestellt. Im Zusammenhang mit dem Sturz des Präsidenten kam es zu massiven Protesten der MB, die zum Teil gewaltsam ausgetragen wurden. Die Auseinandersetzungen mündeten in ein Verbot der MB und eine Verdrängung ihrer Anhänger aus dem öffentlichen Leben. Die ägyptische Regierung erklärte die MB im Dezember 2013 zur Terrororganisation. In den anschließenden Strafprozessen gegen Anhänger Mursis, unter anderem wegen Hochverrats und der Weitergabe von Militärgeheimnissen, verhängten die Gerichte mehrfach Todesurteile, die zum Teil auch vollstreckt wurden. Das Todesurteil gegen Mursi wurde in einem Berufungsverfahren in eine 40-jährige Haftstrafe umgewandelt. Als Dachverband MB-naher Organisationen in Europa fungiert die 1989 gegründete "Föderation der Islamischen Organisationen in Europa" (FIOE) mit Sitz in Brüssel. Eine weitere einflussreiche und eng mit der MB verflochtene Organisation ist der "Europäische Fatwa-Rat" (ECFR) mit Sitz in Dublin/Irland. Dessen Vorsitzender Yusuf al-Qaradawi ist als geistiger Führer der MB bekannt. Die MB tritt zwar in Deutschland nicht offen in Erscheinung, wird MB in Deutschland jedoch durch die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V." (IGD) und die FIOE als Teil einer weltweiten "Islamischen Bewegung" vertreten und ist somit auch in Deutschland aktiv. Nach außen gibt sich die MB offen, tolerant und dialogbereit und strebt eine Zusammenarbeit mit politischen Institutionen und Entscheidungsträgern an, um so Einfluss im öffentlichen Leben zu gewinnen. Ihr Ziel bleibt aber die Errichtung einer auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung, wobei die MB für sich die Führungsrolle für alle Muslime beansprucht. Sie steht für eine deutliche Abgrenzung gegenüber den USA, Israel, dem jüdischen Volk und Andersgläubigen. Anhänger der MB bekunden in sozialen Netzwerken zum Teil auch Sympathien für terroristische Organisationen. > Inhaltsverzeichnis 41 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus 3.1.6 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) Mitglieder Deutschland: etwa 1040 Bayern: etwa 150 Gründung 1960 in Deutschland Präsident Samir Falah Sitz Köln Die IGD versucht, durch politisches Engagement in Deutschland ihre von der Ideologie der Muslimbruderschaft (MB) geprägten Verbindungen zur Ziele zu erreichen. Die Anhänger der IGD sind bemüht, ihre VerMuslimbruderschaft bindung zur MB in öffentlichen Verlautbarungen nicht zum Ausdruck zu bringen. Die Bestrebungen der IGD richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die IGD ist Gründungsmitglied der "Föderation der Islamischen Organisationen in Europa" (FIOE), dem europäischen Dachverband MB-naher Verbände, sowie Gründungsmitglied des "Zentralrates der Muslime in Deutschland" (ZMD) und war über diesen auch an der Gründung des "Koordinierungsrates der Muslime" (KRM) beteiligt. Von 2002 bis Anfang 2010 war Ibrahim El-Zayat Präsident der IGD. Seit 2010 ist Samir Falah sein Nachfolger. Mehrere zum Teil formell eigenständige "Islamische Zentren" (IZ) IGD in Deutschland; sind der IGD in Deutschland nachgeordnet. In Bayern sind dies Rat der Imame das "Islamische Zentrum München" (IZM) und die "Islamische und Gelehrten in Gemeinde Nürnberg" (IGN), ehemals "Islamisches Zentrum Deutschland e.V. Nürnberg". Sowohl im IZM als auch in der IGN treten Mitglie(RIGD) der des "Rates der Imame und Gelehrten in Deutschland e. V." (RIGD) auf. Der RIGD mit Sitz in Frankfurt am Main wurde auf Initiative der IGD gegründet und erhebt den Anspruch, als wissenschaftliche Autorität in Fragen des Islam für die in Deutschland lebenden Muslime zu fungieren. Organisatorisch und ideologisch steht er der IGD und dem "Europäischen Fatwa-Rat" (ECFR) nahe. Darüber hinaus verfügt die IGD über ein weit verzweigtes Netz an Kooperationspartnern in verschiedenen Städten Deutschlands. 42 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die IGD ist um eine Verselbstständigung der ihr nachgeordneten "Islamischen Zentren" bemüht. Damit entstehen Vereinsstrukturen, die nur schwer kontrollierbar sind und die die tatsächliche Anbindung an die IGD verschleiern. Dieses Vorgehen ermöglicht den neu gegründeten selbstständigen Vereinen, für sich die Gemeinnützigkeit (steuerrechtliche Vorteile) zu beantragen. Die IGD selbst verlor 1999 die Gemeinnützigkeit, eine zunächst gegen diese Entscheidung eingereichte Klage hatte sie später wieder zurückgenommen. Auch eine Klage der IGN gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die Jahre 2009 und 2010 blieb erfolglos. Die Klage wurde mit Urteil vom 8. März 2016 durch das Finanzgericht Nürnberg abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Im Dezember 2012 wurde in Frankfurt das IGD-nahe "EuropäEuropäisches Institut ische Institut für Humanwissenschaften" (EIHW) gegründet. für HumanwissenDas EIHW soll Studienabschlüsse in der arabischen Sprache schaften (EIHW) und in der Islamwissenschaft vermitteln. Die IGD strebt damit eine Alternative zum staatlich geförderten Vorhaben an, Imame an deutschen Universitäten auszubilden. Die Abschlüsse, für die das EIHW eine staatliche Anerkennung anstrebt, können auch durch ein Fernstudium erworben werden, in dessen Rahmen auch Blockunterrichte in München stattfinden. Der wissenschaftliche Leiter des EIHW war bereits 2009 für strategische Konzepte der IGD zuständig. In den Freitagsgebeten im IZM sowie in der IGN wird weiterhin zur Unterstützung der Flüchtlinge aufgerufen. Konkret werden die IGD-Anhänger aufgefordert, den Flüchtlingen zu helfen, indem sie z. B. Übersetzungsdienste leisten. Durch soziale Unterstützung will die IGD eine Vertrauensbasis schaffen, um ihre extremistische, integrationsfeindliche Ideologie zu transportieren. Langfristig sollen die Flüchtlinge als Unterstützer oder Mitglieder gewonnen werden. Moscheen der IGD in Bayern, wie z. B. in München und Nürnberg, erhalten vermehrt Zulauf von Flüchtlingen. Oft besuchen die Flüchtlinge die Moschee allerdings nur, weil in ihrem näheren Umfeld keine Alternativen existieren. Anhänger der IGD bieten anderen Muslimen auch Unterstützung bei der Eröffnung von Moscheen an. Vordergründig geht es dabei um praktische Hilfestellung im Umgang mit Behörden, das eigentliche Ziel der IGD aber ist es, in der neuen Moschee Fuß zu fassen und die ideologische Richtung vorzugeben. > Inhaltsverzeichnis 43 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus 3.2 Salafismus 3.2.1 Ursprung Ende des 18. Jahrhunderts trat auf der arabischen Halbinsel ein Prediger namens Muhammad Ibn Abd al-Wahhab auf. Er predigte eine Reinigung des Islam von, aus seiner Sicht, unerlaubten Neuerungen sowie von Irrglauben. Vorbildfunktion in Bezug auf den "wahren Islam" böten einzig die frommen Altvorderen (arabisch: "al-salaf al-salih"), also die Repräsentanten der Frühzeit des Islam. Der Salafismus ist die derzeit am schnellsten wachsende islamistische Strömung in Deutschland. 3.2.2 Ideologie Heutige Salafisten orientieren sich an der Lehre des Wahhabismus. Sie richten ihren Glauben, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Korans und dem vom Propheten Muhammad und den frommen Altvorderen gesetzten Vorbild aus. Jegliches Abweichen von dieser Norm, die als ursprünglicher und reiner Islam gilt, lehnen Salafisten als unerlaubte Verfälschung des Islam bzw. "Neuerung" (arabisch: "bid'a") ab. Zentraler salafistischer Glaubensinhalt ist die Ein(s)heit und EinPrinzip des Tauhid zigartigkeit Gottes (arabisch: "tauhid"). Für Salafisten beinhaltet dies auch, dass Gott der einzig legitime Souverän und Gesetzgeber ist. Die Scharia ist für sie als Gesetz Gottes letztgültiger Maßstab. Salafisten lehnen daher weltliche Gesetze und die Werte westlicher Gesellschaftsund Herrschaftssysteme als unislamisch und unterlegen kategorisch ab. Sie orientieren sich kompromisslos an der islamischen Frühzeit vor 1.400 Jahren und befürworten frühislamische Herrschaftsund Gesellschaftsformen. Dies führt zur Ablehnung der als wesensfremd empfundenen Mehrheitsgesellschaft und ihrer demokratischen Werte. Vor allem die von salafistischen Akteuren in Deutschland propagierte Einheit von Religion und Staat und der ebenfalls erhobene absolute Geltungsanspruch der islamischen Rechtsordnung ("Scharia") machen deutlich, dass salafistische Auffassungen Geltung für sämtliche Lebensbereiche beanspruchen. HöherwertigkeitsAls Höherwertigkeitsideologie richtet sich der Salafismus zwar ideologie auch gegen nicht islamische, z. B. jüdische und christliche, Glaubensvorstellungen; besonders in der Kritik stehen jedoch andere islamische Glaubensauffassungen - insbesondere das schiiti44 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 sche und mystische Islamverständnis. Salafisten diffamieren die Anhänger dieser Glaubensformen als Ungläubige oder werfen ihnen Götzendienste (arabisch: "shirk") vor. Am Dialog mit Andersgläubigen sind die Salafisten nur insoweit interessiert, wie er ihrer Missionierungsarbeit (arabisch: "da'wa") dienlich ist. Die ideologischen Grundsätze des Salafismus sind letztlich unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien, insbesondere der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung. Die Ideologie des Salafismus lässt sich in eine politische und eine jihadistische Strömung unterteilen, die Übergänge sind dabei fließend. Sie unterscheiden sich vor allem in der Wahl der Mittel, mit denen ihre Ziele realisiert werden sollen. Jihadistische wie auch politische Salafisten stützen sich jedoch auf dieselben ideologischen Autoritäten und Vordenker und verfolgen die gleichen Ziele. Der politische Salafismus verzichtet zwar auf die Ausübung direkter Gewalt zur Erreichung seiner Ziele. Er bietet aber immer wieder den ideologischen Nährboden für terroristische Aktionen. So waren fast alle bisher in Deutschland identifizierten islamistischen terroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen salafistisch geprägt bzw. haben sich in salafistischen Milieus entwickelt. Jihadistische Salafisten befürworten eine unmittelbare und soJihadistischer fortige Gewaltanwendung. Sie propagieren den bewaffneten Salafismus Kampf auch gegen Regierungen in Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, denen sie vorwerfen, vom Islam abgefallen und Handlanger des verhassten "Westens" zu sein. Derzeit ist nur ein kleiner Prozentsatz der Salafisten dem jihadistischen Salafismus zuzurechnen, die überwiegende Zahl der Anhänger spricht sich gegen Gewalt aus. Eine Reihe salafistischer Gruppierungen hat sich dennoch dem weltweiten bewaffneten Kampf (militanter Jihad) gegen die "Ungläubigen" verschrieben. Jihadistische Salafisten kämpfen derzeit vor allem in Syrien und im Irak. Daneben entfalten aber auch die sog. Jihadregionen in Mali, Somalia, Jemen, Libyen, Afghanistan und Pakistan nach wie vor eine Anziehungskraft auf jihadistisch orientierte Personen. In Syrien etablierten sich nach Ausbruch bürgerkriegsähnlicher Unruhen 2011 neben der säkular orientierten Opposition auch islamistische Gruppierungen, die den Jihad propagieren, um ausländische Kämpfer zu rekrutieren. In den vergangenen Jahren > Inhaltsverzeichnis 45 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus haben sich Zehntausende ausländische Kämpfer jihadistischen Gruppierungen in Syrien und im Irak angeschlossen. Neben dem Islamischer Staat "Islamischen Staat" (IS) ist die im al-Qaida-Netzwerk zu verorund Hayat Tahrir tende "Hayat Tahrir al-Sham" (HTS), vormals "Jabhat al-Nusra" al-Sham in Syrien bzw. "Jabhat Fatah al-Sham", die bedeutendste jihadistische Gruppierung im syrischen Bürgerkrieg. Weiterhin rufen jihadistische Gruppierungen dazu auf, den Jihad auch in westliche Staaten zu tragen. Genannt sind hier meist die USA und ihre Verbündeten. Auch zu Anschlägen in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren wiederholt aufgerufen. 3.2.3 Personenpotenzial Anhänger/Besucher Deutschland: etwa 10.800 Bayern: etwa 730 Entstehung erste Strukturen in Bayern Mitte der 1990er-Jahre Bundesweit ist eine weit verzweigte, heterogene "Infrastruktur" des Salafismus festzustellen. Die salafistische Szene ist allerdings meist nur lose organisiert und weist eine hohe Dynamik auf. Feste, formale Organisationsstrukturen sind in der Regel nicht vorhanden. Eine Ausnahme hiervon bilden örtliche salafistische Vereine, die häufig gleichzeitig als Träger salafistisch geprägter Moscheen fungieren. Daneben gibt es zunehmend lose Personennetzwerke oder autonom agierende Einzelpersonen, die salafistische Aktivitäten entfalten. Das salafistische Spektrum verzeichnet nach wie vor steigende Anhängerzahlen. Bundesweit wurden der salafistischen Szene Ende 2017 10.800 Personen zugerechnet. In Bayern liegt das Rund 180 gewaltPotenzial bei 730 Personen. Davon sind knapp 25 Prozent dem bereite Salafisten in gewaltorientierten Spektrum zuzurechnen. Knapp 5 Prozent des Bayern salafistischen Personenpotenzials in Bayern sind minderjährig. Bei circa 10 Prozent der 730 Salafisten handelt es sich um Konvertiten. Rund 10 Prozent des Personenpotenzials sind weiblich. Minderjährige und Konvertiten Auch für junge Muslime der dritten Generation und deutsche Konvertiten auf Identitätssuche bietet der Salafismus eine neue Projektionsfläche fernab der Religiosität der Elterngeneration bzw. der Regeln der eigenen Gesellschaft. Muslime ohne tiefgründige Kenntnis der islamischen Religion sollen sich als fester 46 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Bestandteil einer salafistischen Solidargemeinschaft fühlen, die einfache, aber strenge Regeln und ein schlichtes dualistisches Weltbild bietet. Attraktiv ist der Salafismus für manche junge Menschen auch deshalb, weil er ihnen eine vermeintlich klare Orientierung bieSchwarz-Weißtet. Der Komplexität und Unübersichtlichkeit der modernen Welt Denken als setzt er ein konsequentes Schwarz-Weiß-Denken gegenüber. Orientierungshilfe Von individuellen Entscheidungen und persönlicher Verantwortung wird der junge Mensch durch eine Vielzahl von eindeutigen Geboten und Verboten entlastet. Bei vielen orientierungslosen jungen Anhängern stiftet der Salafismus eine neue und grenzüberschreitende Identität. Die Jugendlichen fühlen sich anerkannt und als fester Bestandteil einer weltweiten Solidargemeinschaft wahrgenommen. Frauen Die Rolle der Frau in der salafistischen Szene hat sich in den letzten Jahren gewandelt. In salafistisch ausgerichteten Moscheen agieren Frauen zwar nach wie vor getrennt von den Männern, für sie werden spezielle Frauenunterrichte und Frauenseminare angeboten. Während jedoch früher ausschließlich die Rolle der Frau als Mutter, Ehefrau und Unterstützerin des Ehemanns betont wurde, treten Frauen mit organisatorischen Tätigkeiten hervor und leisten logistische Unterstützung. Auch in der gewaltorientierten Szene sind Frauen - im unteren zweistelligen Bereich - aktiv. Insbesondere innerhalb des IS spielen sie neben ihrer Funktion als Ehefrau und Mutter eine aktive Rolle bei Missionierungsarbeiten, Rekrutierungen, logistischer Unterstützung oder Spendensammlungen. Jihadistische Angebote in sozialen Medien richten sich gezielt an Mädchen und junge Frauen. Sie vermitteln die Botschaft, dass das weibliche Geschlecht für den Jihad genauso wichtig ist wie das männliche. Die Zielgruppe wird dort angesprochen, wo sie sich im Netz am häufigsten aufhält: in sozialen Medien wie Facebook und Instagram sowie über Messengerdienste. Die Erstansprache verläuft in der Regel niedrigschwellig, der Jihad-Bezug ist meist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Durch Teilen und Liken können sich solche Inhalte im Netz verbreiten und damit auch in der Alltagskommunikation junger Internetnutzerinnen ankommen. > Inhaltsverzeichnis 47 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Zwar werden Frauen in der jihadistischen Propaganda nur in Einzelfällen direkt dazu aufgefordert, Attentate zu begehen, jedoch werden sie von den Aufrufen zur Tatbegehung auch nicht explizit ausgeschlossen. In den letzten Jahren wurden einzelne Frauen festgestellt, die selbst durch jihadistische Aktivitäten auffällig wurden. In der ehemaligen IS-Hochburg Mossul (Irak) haben irakische Sicherheitskräfte mehrere Frauen festgenommen, die Festnahme einer dem jihadistischen Spektrum zugerechnet werden. Unter den minderjährigen Frauen befinden sich auch deutsche Staatsangehörige, u. a. eine Deutschen im Irak Minderjährige aus Sachsen. 3.2.4 Reisebewegungen und Rückkehrer Im Vergleich zu den Jahren 2015 und 2016 hat die Dynamik der Ausreisezahlen Ausreisen von Salafisten aus Deutschland in Richtung Syrien rückläufig und Irak deutlich abgenommen. Das dortige Kriegsgeschehen mobilisiert trotz der Gebietsverluste des IS aber nach wie vor die salafistische Szene, wenn auch in geringerem Maße. Ausreisen aus Deutschland bis Ende 2017 mehr als 960 Personen Personen mit Ausreisebezug aus Bayern: 108 Personen davon tatsächlich ausgereist: 70 Personen Ausund WiedereinBis Ende 2017 lagen bundesweit Erkenntnisse zu mehr als reisen in Deutsch960 Islamisten aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien bzw. land Irak ausgereist sind, um dort beispielsweise an Kampfhandlungen teilzunehmen oder den Widerstand gegen das AssadRegime in sonstiger Weise zu unterstützen. Es konnte jedoch nicht in allen Fällen bestätigt werden, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien bzw. Irak aufhalten bzw. aufgehalten haben. Von den mehr als 960 Personen sind etwa ein Drittel zumindest zeitweise wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Ferner sind den deutschen Sicherheitsbehörden bis Jahresende etwa 150 Todesfälle mit Bezug zu Deutschland bekannt geworden. Ausund WiedereinEnde 2017 lagen Erkenntnisse zu 108 Islamisten aus Bayern vor, reisen in Bayern die in Richtung Syrien bzw. Irak gereist sind, dies planten, planen oder dort agierende islamistisch terroristische Organisationen in sonstiger Weise unterstützen. 48 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Insgesamt sind seit 2012 70 Personen aus diesem Kreis in Richtung Krisengebiet ausgereist, um mutmaßlich auf Seiten jihadistischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder sich für deren Ziele anderweitig einzusetzen. Zu neun dieser Personen liegen Hinweise vor, dass sie in Syrien oder im Irak verstorben sind. 26 Personen, die sich im Krisengebiet aufhielten, sind bereits wieder nach Deutschland zurückgekehrt, 22 davon nach Bayern. Gegen die in Bayern aufhältigen Personen - darunter die genannten Rückkehrer nach Bayern - werden in enger Kooperation mit den zuständigen Sicherheitsbehörden die für den jeweiligen Einzelfall erforderlichen und individuell abgestimmten Maßnahmen sowohl unter Beachtung präventivpolizeilicher wie auch repressiver Aspekte, als auch unter Ausschöpfung der im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bestehenden verwaltungsund ausländerrechtlichen Maßnahmen durchgeführt. Die bayerischen Sicherheitsbehörden sind bestrebt, möglichst viele dieser Ausreiseplanungen frühzeitig wahrzunehmen, um deren Verwirklichung zu unterbinden. Die Anzahl der behördlich verhinderten Ausreisen bewegt sich im niedrigen zweistelligen Bereich. Bei ausreisewilligen Personen gilt der Grundsatz der Ausreiseverhinderung. > Inhaltsverzeichnis 49 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Anteil von Konver85 Prozent der Personen, die tatsächlich ausreisten, sind getiten, Frauen und bürtige Muslime, 15 Prozent konvertierten zum Islam. Manche Kindern an AusKonvertiten fühlen sich dem Druck ausgesetzt, sich als gute reisen Muslime zu beweisen. Sie entwickeln dadurch einen besonderen Eifer, der sie anfällig für eine Radikalisierung durch Salafisten macht. Salafistische Prediger versuchen, junge Menschen, die bislang keiner bzw. anderen Religionen angehörten, unmittelbar von der Konversion in einen salafistisch orientierten Islam zu überzeugen. Der Anteil der tatsächlich ausgereisten Frauen beträgt ca. 20 Prozent. Zusätzlich wird von mindestens 20 Minderjährigen ausgegangen, die sich mit mindestens einem Elternteil in der Krisenregion Syrien und Irak aufhalten. Davon sind etwas mehr als die Hälfte Kinder unter fünf Jahren. Gefahr durch Rückkehrer Personen, die ein terroristisches Ausbildungslager absolviert haben bzw. aktiv an paramilitärischen Kampfhandlungen teilgenommen haben, stellen ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Bei Kampfhandlungen in Syrien haben sie teilweise Erfahrung im Umgang mit Sprengstoff und Waffen gesammelt. Zudem ist ihre Hemmschwelle für die Anwendung von Gewalt gegen Menschen deutlich gesunken. Konkrete Anschlagspläne von Rückkehrern in Deutschland sind zwar noch nicht bekannt geworden, die Anschläge in Paris (2015) und in Brüssel (2016) zeigten jedoch, dass auch Syrien-Rückkehrer hierzu bereit und in der Lage sind. So waren an den Anschlägen Personen beteiligt, die sich zuvor zeitweise in Syrien aufgehalten hatten. Die Sicherheitsbehörden legen deshalb besonderes Augenmerk auf diesen Personenkreis. In der islamistischen Szene haben Rückkehrer meist ein hohes Ansehen und können einer weiteren Radikalisierung bislang nicht gewaltorientierter Islamisten Vorschub leisten. Dabei üben sie insbesondere auf junge Menschen eine große Anziehungskraft aus. Trotz des großen militärischen Drucks auf die Terrormiliz IS und Keine erhöhte der damit einhergehenden Gebietsverluste ist bislang keine erRückkehrwelle höhte Rückkehrbewegung zu beobachten. Teilweise verlagern ausgereiste Personen ihre Aktivitäten in andere Jihadgebiete, wie z. B. Afghanistan. Sollte eine Rückkehrwelle einsetzen, ist damit voraussichtlich auch die Rückkehr möglicherweise traumatisierter und ideologisch im Salafismus sozialisierter bzw. radikalisierter Kinder und Jugendlicher verbunden. 50 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Bayern verfügt mit dem 2009 erarbeiteten "Gemeinsamen Handlungskonzept des Bayerischen Landeskriminalamts, des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz und des Operativen Staatsschutzes der Bayerischen Polizei im Zusammenhang mit Reisebewegungen von Islamisten in terroristische Ausbildungslager oder zur Teilnahme am bewaffneten Jihad" über ein Maßnahmenpaket zur Verhinderung jihadistisch-salafistisch motivierter Ausreisen in Krisengebiete. Das Handlungskonzept Handlungskonzept wurde 2017 aufgrund der Entwicklung in Syrien und dem Irak Bayern grundlegend überarbeitet. Schwerpunkt des Handlungskonzepts ist ein möglichst frühzeitiger, umfassender und kontinuierlicher Informationsaustausch aller Sicherheitsbehörden. Ziel ist die Verhinderung der Ausreise. Bei ausländischen Staatsangehörigen werden aufenthaltsbeendende Maßnahmen durch die Arbeitsgruppe BIRGiT ("Beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Extremismus/Terrorismus") geprüft, wenn z. B. der Anwerbung weiterer Personen für salafistische Zielsetzungen hierdurch entgegengewirkt werden kann. Soweit Personen mit ausländischer Nationalität bereits in Kampfgebiete ausgereist sind, werden die aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Wiedereinreise nach Deutschland zu verhindern. 3.2.5 Rekrutierung und Propaganda Angefangen von salafistischen Islam-Infoständen in Fußgängerzonen über Großveranstaltungen auf öffentlichen Plätzen bis hin zu teils mehrtägigen Islamseminaren, die häufig gefilmt und als Videos ins Internet gestellt werden, ist es Salafisten gelungen, zahlreiche reale und virtuelle Aktionsformen in Deutschland zu etablieren. Diese zunehmende professionelle Verbreitung der salafistischen Ideologie übt eine beträchtliche Anziehungskraft vor allem auf junge, emotional und sozial noch nicht gefestigte Menschen aus. Junge Menschen sind die Hauptzielgruppe islamistischer Internetpropaganda und Rekrutierungsaktivitäten. Die auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnittenen Rekrutierungsstrategien und die professionelle Vermarktung im Internet zeigen, dass die Salafisten von heute sehr vielschichtig neue Anhänger werben. Ziel ist es, durch breit gefächerte Angebote in möglichst viele Lebensbereiche vorzudringen, vermeintliche Antworten auf alle Fragen und Probleme des Lebens zu geben und Menschen dadurch längerfristig zu binden. > Inhaltsverzeichnis 51 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Da'wa-Aktivitäten Missionierung auch In Bayern sind weiterhin "Da'wa"-Aktivitäten ("Da'wa" = Missioim privaten Umfeld nierung) einer sich in Netzwerken organisierenden Anhängerschaft der salafistischen Ideologie zu beobachten. Salafistische Aktivitäten konzentrieren sich dabei seit einiger Zeit auf größere Städte und Ballungszentren. Nach dem Verbot der salafistischen Vereinigung "Die wahre Religion" (DWR) des Predigers Abou Nagie am 15. November 2016 starteten die Salafisten Pierre Vogel und Bilal Gümüs das Projekt "We love Muhammad", bei dem die Prophetenbiografie ("Sira") in Fußgängerzonen verteilt wird. In Bayern fanden lediglich in München seit März vereinzelte Verteilaktionen statt. Das Projekt ist auch im virtuellen Raum aktiv und nutzt dort insbesondere die sozialen Netzwerke, um Kontakte zu Interessenten herzustellen: Angeboten werden eine eigene Islam-App, Hörbücher sowie der Versand der Prophetenbiografie via Online-Bestellung. Insgesamt zeichnet sich ab, dass salafistische "Da'wa"-Aktionen immer seltener im öffentlichen Raum stattfinden. Stattdessen werden neben dem Internet zunehmend auch die Privatwohnungen der Aktivisten für Treffen und Vernetzungsaktivitäten genutzt. Zum Teil kann diese Entwicklung als Reaktion auf erfolgreiche staatliche Maßnahmen gegen salafistische Missionierungsaktivitäten, wie etwa das "LIES!"-Verbot im Jahr 2016, betrachtet werden. Aktivisten scheuen sich, öffentlich mit salafistischen Bestrebungen in Zusammenhang gebracht zu werden. Moscheen sehen - u. a. aufgrund zahlreicher behördlicher Sensibilisierungsmaßnahmen - vermehrt davon ab, salafistische Prediger einzuladen und ihnen eine Plattform zu bieten. Der Salafistenprediger Pierre Vogel rief im Mai in einem Facebook-Video seine Anhänger dazu auf, sich an die Gegebenheiten anzupassen und sich zukünftig bei der Missionierung junger Menschen von festen Strukturen wie z. B. Moscheen zu lösen. Geeigneter Ersatz seien laut Vogel Zusammenkünfte im Rahmen von "Home Da'wa"-Treffen in privaten Wohnungen, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und zu denen Prediger eingeladen werden können - oder "Street Da'wa"-Projekte, für die keine behördlichen Genehmigungen eingeholt werden müssen. Hilfsorganisationen und Benefizveranstaltungen Bundesweit sind mehrere islamistische Hilfsorganisationen aktiv, die unter dem Vorwand der Solidarität mit in Krisenregionen lebenden Muslimen Spenden sammeln und auch im Internet für 52 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 sich werben. Die salafistische Prägung dieser Organisationen wird insbesondere dadurch deutlich, dass Verantwortliche und Unterstützer der salafistischen Szene zugeordnet werden können. Neben mehreren kleineren Gruppierungen sind insbesondere die zwei in Nordrhein-Westfalen ansässigen international tätigen salafistischen Organisationen "Helfen in Not e. V." und "Ansaar "Helfen in Not e.V." International e. V." (ehemals "Ansaar Düsseldorf" e. V.) in der und "Ansaar InterSpendensammlung aktiv. Ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit national e. V." liegt auf der Hilfe für Syrien. Die Vereine machen durch die Organisation und Durchführung von Hilfskonvois nach Syrien auf sich aufmerksam. Dabei treten Personen des salafistischen Spektrums in Erscheinung, die Konvois begleiten oder organisatorisch in die Abwicklung der Transporte eingebunden sind. Weitere Spenden erhalten die Hilfsorganisationen, insbesondere "Ansaar International e. V.", aktuell über den Betrieb von Warenverkaufsständen. In München betätigten sich drei Gruppen - darunter auch "Ansaar International e. V." - mit Spendensammlungen an Infoständen bzw. Warenverkaufsständen. Die verantwortlichen Personen gehören der salafistischen Szene an. In der Vergangenheit wurden viele Spenden im Rahmen von salafistischen Islamseminaren und Benefizveranstaltungen eingenommen. In Bayern führten behördliche Maßnahmen dazu, dass 2017 keine derartigen Veranstaltungen in größerem Rahmen durchgeführt wurden. Stattdessen werden Spenden zunehmend über Aufrufe im Internet und Flyerverteilungen gesammelt. Salafistische Prediger Salafistische Prediger spielen in der Szene und im Kontext der Propaganda nach wie vor eine wichtige Rolle. Bei Vorträgen in Moscheen, vor allem aber über Internetauftritte, erreichen sie allein in Deutschland Tausende vorrangig junge Menschen. Die salafistischen Prediger setzen sich dabei meist gekonnt in Szene, um möglichst breiten Anklang zu finden. Angepasst an die Bedürfnisse und Interessen ihrer Zielgruppen, sprechen sie - teils in deutscher Jugendsprache - über Themen wie Freundschaft, Sexualität oder die Rolle der Frau. Sie verbinden dabei geschickt salafistische Ideologieelemente mit Ratschlägen von alltagspraktischer Relevanz. Salafistische Prediger in Deutschland sind oft keine ausgebildeten Theologen, sondern Laienprediger. Es gibt aber auch Prediger, die im Ausland, z. B. in Saudi-Arabien, studiert haben. > Inhaltsverzeichnis 53 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Zu den bekanntesten deutschen Salafistenpredigern zählen Pierre Vogel und Ahmad Abdulaziz Abdullah, alias Abu Walaa. Abu Walaa wurde am 8. November 2016 verhaftet und steht seit September vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, vor allem junge Muslime für die Terrormiliz IS angeworben und somit eine ausländische terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Zuletzt war Abu Walaa als Imam im "Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim" (DIK) tätig, der am 14. März verboten wurde. Der DIK stand als salafistischer Hotspot für ganz Deutschland seit Jahren im Fokus der Sicherheitsbehörden. Moscheen Obwohl sich die Missionierungsarbeit im salafistischen Spektrum zunehmend auf den nicht öffentlichen Raum verlagert, dienen Moscheen nach wie vor als Plattform für salafistische Vortragsveranstaltungen sowie als Treffund Kontaktpunkte für Teile des salafistischen Personenpotenzials. Salafistisch geprägte Moscheen in Bayern sind insbesondere die "El-Salam"-Moschee und die "Taufiq"-Moschee in München, die Moschee des "Islamischen Zentrums Weiden e. V.", die "Al-Rahman"-Moschee in Regensburg und die "As-Salam"Moschee in Schwandorf. Die "Masjid ibn Taymiyyah"-Moschee in Nürnberg war bis zur ihrer Schließung im Oktober 2017 eine wichtige Anlaufstelle für Salafisten im Großraum Nürnberg. Internet Salafisten nutzen seit Jahren das Internet als Propaganda-, Kommunikations-, Rekrutierungsund Steuerungsmedium. Zahlreiche Websites, Accounts in sozialen Netzwerken und Instant-Messaging-Diensten (Sofort-Nachrichten-Versand) sorgen für eine weltweite Verbreitung der islamistischen Ideologie. Junge Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren sind die Hauptzielgruppe islamistischer Internetpropaganda und Rekrutierungsaktivitäten - insbesondere junge Menschen, die in einem instabilen sozialen Umfeld leben und auf der Suche nach Orientierung, Halt und Anerkennung sind. Propaganda im Salafistische Gruppierungen sprechen die jungen Menschen im Internet richtet sich Internet gezielt dort an, wo sie sich am häufigsten aufhalten: in an Jugendliche und sozialen Netzwerken und auf Messenger-Diensten. Während Kinder die Zahl deutschsprachiger Internetseiten leicht zurückging, stieg der Anteil von Accounts, Gruppen und Kanälen in sozia54 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 len Netzwerken und auf Instant-Messaging-Diensten in den vergangenen Jahren stark an. Salafisten passen sich dort der Lebenswelt junger Menschen in westlichen Ländern an und verwenden Begriffe und Symbole, die die Jugendlichen aus der Alltagskommunikation im Internet kennen, beispielsweise sog. "Emoticons" (kleine Piktogramme, die in E-Mails oder im Chat genutzt werden, um Emotionen auszudrücken). Auch Kinder im Vorschulund Grundschulalter sind bereits im Fokus salafistischer Gruppierungen. So gab es auf der Website des inzwischen verbotenen salafistischen Propaganda-Netzwerks "Die wahre Religion" einen eigenen Bereich "Kinder im Islam". Dort standen Spiele und Basteltipps, Arbeitsblätter, Geschichten, Gebete und Hörbücher zum Download oder zum Ausdrucken bereit. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) stellt in einer für Heranwachsende attraktiven Form den angeblichen "Glaubenskrieg" der Islamisten als Abenteuer dar, bei dem es um Männlichkeit, Mut und Hingabe gehe. Kinder und Jugendliche werden auch bei der Ausbildung an der Waffe in terroristischen Ausbildungslagern sowie bei der Beteiligung an Exekutionen gezeigt. Dadurch soll der Eindruck vermittelt werden, dass die jihadistische Bewegung bis in die ferne Zukunft über ausreichend Nachwuchs verfüge. Die im Internet verbreitete Propaganda sowie "virtuelle" Netzwerke tragen dazu bei, dass sich Aktivisten und Sympathisanten des globalen Jihad als Teil einer einzigen, vermeintlich elitären Bewegung begreifen. In jedem Land der Welt können sich Sympathisanten mit Lehrmaterial aus dem Internet versorgen, um Teil des weltweiten Kampfes zu werden (sog. Open Source Jihad). Diese sogenannten Homegrown-Terroristen können sich somit in ihren Heimatländern jihadistisch betätigen, ohne unmittelbar in eine terroristische Gruppierung eingebunden zu sein. Mittlerweile nutzen nahezu alle jihadistischen Organisationen Telegram-Kanäle für die Verbreitung ihrer Propaganda. Telegram ermöglicht eine anonyme Kommunikation im Internet. Botschaften können im Einzeloder Gruppenchat an beliebig viele Personen gesendet werden. Auf den zahlreichen IS-nahen TelegramKanälen werden präzise Anleitungen für "Lone Actor"(Einzeltäter)-Anschläge sowie auch für Laien verständliche Baupläne zur Herstellung von Sprengstoffen veröffentlicht. > Inhaltsverzeichnis 55 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Online-Magazine Seit Herbst 2016 veröffentlicht der IS das monatlich erscheinende Online-Magazin "RUMIYAH", das mit modernem Layout zeitgleich in verschiedenen Sprachen (Englisch, Arabisch, Türkisch, Französisch, Deutsch, Russisch, Indonesisch, Urdu) veröffentlicht wird. Es ist Teil der Kommunikationsstrategie des IS, die Öffentlichkeit in der jeweiligen Landessprache anzusprechen. Dadurch erhofft sich der IS eine größere Reichweite, gerade auch bei Konvertiten, welche nicht Arabisch sprechen. "RUMIYAH" ist der redaktionelle Nachfolger des englischsprachigen Online-Magazins "DABIQ", das 2016 nach zwei Jahren eingestellt wurde. "RUMIYAH" enthält aktuelle Meldungen aus den Kampfgebieten in Syrien und im Irak und dient der ideologischen Rechtfertigung der terroristischen Aktivitäten des IS. Die Anhänger werden dazu aufgerufen, Anschläge in allen Staaten zu begehen, die Teil der Allianz gegen den IS sind. Auch Deutschland wird explizit als Anschlagsziel benannt. In der Januar-Ausgabe widmete die deutschsprachige "RUMIYAH" dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt Ende 2016 zwei Seiten. Um dem medialen Erfolg des IS zu begegnen, veröffentlicht die mit dem IS in Konkurrenz stehende Terrororganisation al-Qaida neben dem bereits seit 2010 erscheinenden Online-Magazin "INSPIRE" seit 2014 bzw. 2015 auch die englischsprachigen Magazine "RESURGENCE" und "AL RISALAH". Alle drei al-Qaida-Publikationen erscheinen mittlerweile in sehr langen und unregelmäßigen Abständen. Ausschließlich in deutscher Sprache erscheint das jihadistische Propaganda-Magazin "KYBERNETIQ", das der al-Qaida nahesteht. Der aus Bayern stammende Verfasser beschäftigt sich in dem unregelmäßig erscheinenden Magazin hauptsächlich mit Verschlüsselungstechnologien und der "sicheren" Kommunikation im Internet mit dem Ziel, Jihadisten dabei zu helfen, außerhalb des Radars der Sicherheitsbehörden zu bleiben. Der IS hat zudem eine Reihe von Medienstellen gegründet, die verschiedene Zielgruppen bedienen. Beispielsweise wendet Islamistische sich das "Al-Hayat Media Center" an ein englisch-, deutsch-, Medienstellen und russischund französischsprachiges Publikum. Die InternetWebsites portale "AMAQ", "Halummu", "Archive Agency" und "News Archive" bieten Dokumente des IS in diversen, auch deutschsprachigen Versionen an. Arabischsprachige Videos werden mit englischen und deutschen Untertiteln versehen. 56 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die jihadistischen Internetangebote werden auch auf einschlägigen Kanälen und Profilen in den sozialen Netzwerken Twitter, Facebook und Telegram beworben. Aufgrund der militärischen Rückschläge in Syrien und im Irak wird der IS bei seiner Medienarbeit zukünftig vermutlich andere militärische Kampfgebiete, in denen er oder ihm nahestehende Gruppierungen aktiv sind, wie Libyen oder Nigeria, in den Fokus rücken. Zudem setzen Aktivisten des IS verstärkt darauf, Unterstützer weltweit zu Attentaten in ihren Gastund Heimatländern zu motivieren. Der Verlust von Medien-Produktionsstellen hat die Veröffentlichung von Propaganda-Videos und Magazinen zum Jahresende hin erheblich verzögert, in Teilen sogar gestoppt. Die Anzahl deutschsprachiger Websites mit IS-Bezug bzw. die Verbreitung von in die deutsche Sprache übersetzten Propagandamedien hat deutlich abgenommen. Meist werden ältere Videos veröffentlicht, die den Anhängern und Sympathisanten eine weiterhin funktionierende IS-Medienpropaganda vorgaukeln sollen. 2017 konnte auf den Instant-Messenger-Diensten des IS bzw. auf von IS-Sympathisanten gepflegten Kanälen eine Zunahme des Einsatzes von Social Bots und sogenannten Twitter-Bomben Social Bots und festgestellt werden. Social Bots sind Computerprogramme, die Twitter-Bomben als automatisiert Inhalte und Nachrichten erzeugen und in Umlauf Propagandainstrubringen und dadurch Debatten in sozialen Netzwerken beeinmente flussen können. Bei sogenannten Twitter-Bomben werden Postings auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit ereignisfremden Hashtags begleitet. Als Hashtag bezeichnet man mit dem Zeichen # versehene Schlagwörter in sozialen Netzwerken, die Nachrichten zu bestimmten Themen besser auffindbar machen sollen. So wurden beispielsweise auf einigen Telegram-Kanälen Meldungen zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin im Jahr 2016 mit Hashtags zu anderen, nicht in Zusammenhang stehenden kulturellen und sportlichen Großereignissen versehen. Indem ein Anschlag so mit weiteren potenziellen Angriffszielen in Verbindung gebracht wird, sollen Angst und Verunsicherung in der Bevölkerung verbreitet werden. Islamisten nutzen das Internet auch, um durch elektronische Angriffe auf bestehende Internetseiten und Computernetzwerke diese in ihrem Sinne zu übernehmen oder zu zerstören. In mehreren Verlautbarungen von dem IS zuzurechnenden Gruppierungen wurden Cyberangriffe als probates Mittel im Kampf > Inhaltsverzeichnis 57 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus gegen den Westen propagiert. Der IS arbeitete am Aufbau einer jihadistischen "Cyberarmee" und versuchte, Personen mit entsprechenden IT-Kenntnissen dafür zu gewinnen. Den Sicherheitsbehörden sind einzelne Personen mit Deutschlandbezügen bekannt, die über einschlägige technische und/oder organisatorische Fähigkeiten verfügen. Diese haben bekundet, die "Cyberarmee" des IS unterstützen zu wollen. 3.2.6 Salafistische Bestrebungen im Strafvollzug Beispiele islamistischer Attentäter der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass eine gewaltbereite oder kriminelle Vergangenheit eine zumindest begünstigende Voraussetzung für die Begehung terroristischer Anschläge darstellen kann. Vor diesem Hintergrund kommt Haftanstalten eine wichtige Bedeutung als potenzielle Radikalisierungsund Rekrutierungsorte des Salafismus zu. Hoher Anteil von Der Anteil der Personen mit salafistischen Bezügen an der GeSalafisten im Strafsamtzahl der in Bayern Inhaftierten lag Ende 2017 bei ca. 0,5 vollzug Prozent und ist damit etwa 100-mal so groß wie der Anteil des salafistischen Personenpotenzials an der bayerischen Gesamtbevölkerung. Ende 2017 befanden sich in bayerischen Justizvollzugsanstalten knapp 60 Gefangene, bei denen Bezüge zur salafistischen Ideologie und teilweise auch zum islamistischen Terrorismus erkennbar waren. Bei einem Teil dieser Gefangenen handelt es sich um Personen, die den Sicherheitsbehörden schon vor ihrer Inhaftierung als Salafisten bekannt waren, bei anderen wurden Bezüge zum Salafismus erst während des Haftaufenthaltes ersichtlich. Etwa ein Drittel dieser 60 Gefangenen sind aufgrund von Staatsschutzdelikten inhaftiert. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz und Verfassungsschutz wird der Ausbreitung und Verfestigung des Salafismus in Haftanstalten entgegengewirkt und das bayerische Justizvollzugspersonal dabei unterstützt, Fälle von salafistischer Radikalisierung zu erkennen und zu verhindern. Gefangenenhilfe Innerhalb der salafistischen Szene stellen Solidarisierungsbekundungen mit inhaftierten "Glaubensgeschwistern" einen wichtigen Baustein dar, um das Gemeinschaftsgefühl zu festigen. Dabei wird der westliche Rechtsstaat als ungerechtes System Verhinderung von diffamiert. Ziel der salafistischen Gefangenenhilfe ist es, ResoziaResozialisierung und lisierungsprozesse zu verhindern, inhaftierte Szeneangehörige Deradikalisierung weiterhin an die salafistische Ideologie zu binden und sie dazu zu 58 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 motivieren, Mithäftlinge an den Salafismus heranzuführen. Vor allem über das Internet wird auch zu (finanziellen) Hilfeleistungen für inhaftierte Gleichgesinnte aufgerufen. Zudem finden Solidaritätsaktionen im Rahmen von Gerichtsverfahren statt, die auch die Präsenz von Salafisten bei Gerichtsverhandlungen beinhalten können. 3.2.7 Migrationsbewegung im Blickfeld des Salafismus Der Verfassungsschutz hat die gesetzliche Aufgabe, Informationen über sicherheitsgefährdende und verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland zu sammeln und auszuwerten. Das Aufgabenfeld des Verfassungsschutzes ist daher auch dann eröffnet, wenn ein extremistischer Phänomenbereich wie der Salafismus die Migrationsbewegung in den Blick nimmt. Der Fokus des nachrichtendienstlichen Aufklärungsinteresses liegt dabei auf folgenden verfassungsschutzrelevanten Aspekten: Unter den Flüchtlingen in Bayern befinden sich in Einzelfällen auch aktive und ehemalige Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten terroristischer Organisationen gem. SSSS 129 a, b StGB (wie dem sogenannten Islamischen Staat, IS) sowie Einzelpersonen mit extremistischer Gesinnung und/oder islamistisch motivierte Kriegsverbrecher. Den bayerischen Sicherheitsbehörden liegen in diesem Zusammenhang einzelne Hinweise vor, bei denen es sich zum Teil aber auch um Denunziationsversuche ohne sicherheitsbehördliche Relevanz handelt. Die Bearbeitung der Hinweise erfolgt im engen Austausch mit anderen Sicherheitsbehörden bzw. im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) sowie mit europäischen und internationalen Partnern. Im Zusammenhang mit den fortschreitenden Gebietsverlusten des IS ist nicht auszuschließen, dass mit einer steigenden Zahl ehemaliger IS-Kämpfer unter Flüchtlingen zu rechnen ist. Insgesamt ist die Zahl auffälliger Flüchtlinge mit Extremismusbezügen gering im Vergleich zur Gesamtzahl der Flüchtlinge im Landesgebiet. In Bayern wurden im September 2017 erstmalig zwei Flüchtlinge wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren bzw. zwei Jahren auf Haftstrafen für Bewährung verurteilt. Die beiden Angeklagten hatten in Syrien Terrorunterstützer die als terroristisch eingestufte Gruppierung "Ahrar al-Sham" unterstützt. > Inhaltsverzeichnis 59 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Neben komplexen Anschlägen wie in Paris 2015 und Brüssel 2016, bei denen der IS die Migrationsbewegung nach Europa gezielt genutzt hat, um Attentäter nach Europa zu schleusen, ist davon auszugehen, dass eine Selbstradikalisierung von Flüchtlingen auch über das Internet stattfinden kann. Dies verdeutlichten das Attentat in einem Regionalzug bei Würzburg und der Selbstmordanschlag auf ein Musikfestival in Ansbach im Sommer 2016, die die ersten derartigen Taten von Flüchtlingen in Deutschland darstellten. Beide Täter waren salafistisch motiviert und standen mit Operateuren des IS über Messenger-Dienste in Kontakt. Zu beiden Tätern lagen im Vorfeld keine staatsschutzrelevanten Erkenntnisse vor. Im Fall Ansbach waren allgemeinpolizeiliche Erkenntnisse bekannt. Salafistische Missionierungsarbeit bei Flüchtlingen Generell bieten Flüchtlinge in Deutschland nicht zuletzt der salafistischen Szene eine gute Gelegenheit, um unter dem Vorwand der humanitären Hilfe die eigene Ideologie zu verbreiten. Ein organisiertes Vorgehen der salafistischen Szene in Bayern ist hierbei nicht feststellbar. In einigen Fällen ist aber zu beobachten, dass durch Ansprachen in oder um Flüchtlingsunterkünfte/n, über unentgeltliche Hilfsangebote wie Kleidung oder Nahrung, über Sprachmittler oder durch die Unterstützung bei Behördengängen eine Bindung an extremistische Protagonisten oder Gruppierungen erreicht werden soll. Das BayLfV hat bis zum Jahresende Hinweise im niedrigen dreistelligen Bereich auf Aktivitäten von Islamisten mit Bezug zu Flüchtlingen in Bayern registriert. Davon haben etwa die Hälfte einen salafistischen Hintergrund. Eine besonders schutzbedürftige und gefährdete Gruppe unter Zielgruppe unbegleiMigranten stellen unbegleitete Minderjährige dar. Diese gelten tete minderjährige aufgrund ihrer exponierten Situation durch islamistische AnwerFlüchtlinge bungsversuche als besonders gefährdet. Die salafistischen Prediger Pierre Vogel und Sven Lau riefen beispielsweise in einem Video im September 2015 die salafistische Szene dazu auf, minderjährige Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. In Bayern sind aktuell rund 8.000 Personen als unbegleitete Minderjährige erfasst. Statistisch nicht erfasst werden Besuche von Flüchtlingen in salafistischen Moscheen. Der Besuch dieser Moscheen, die zeitweise einen exponentiellen Besucheranstieg zu verzeichnen hatten bzw. noch haben, ist häufig der geografischen Nähe zu einer Flüchtlingsunterkunft geschuldet. Obwohl der Besuch an sich nicht explizit als Zustimmung zur ideologischen Ausrichtung der Moschee gewertet werden kann, begünstigt die räumliche 60 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Nähe die Betätigung von salafistischen Missionierungsaktivitäten. Allen Hinweisen im Zusammenhang mit Flüchtlingen wird intensiv nachgegangen, um frühzeitig entsprechende Maßnahmen und Präventionsaktivitäten einleiten zu können. Insgesamt konnte durch eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit und der zuständigen Behörden eine erhöhte Sensibilisierung gegenüber salafistischen Aktivitäten erreicht werden. 3.2.8 Anschlagsgeschehen und Täterprofile Anschlagsgeschehen in Deutschland und Europa Europa liegt weiterhin im Zielspektrum des islamistischen Terrorismus. Die anhaltend hohe Gefährdungslage dokumentieren u. a. Anschläge in Frankreich, Großbritannien und Spanien. In Deutschland gab es ein islamistisch motiviertes Messerattentat eines Einzeltäters in Hamburg. "Moderner Terrorismus" zeichnet sich zunehmend durch unterschiedlichste Anschlagsorte, eine unspezifische Opferauswahl, lose Kommandostrukturen und eine leichte Realisierbarkeit aus. Von zu Hause aus und ohne lange Indoktrinationsbzw. Planungsphasen ist es jedem radikalisierten Sympathisanten möglich, mit einfach verfügbaren Waffen und an jedem beliebigen Ort Attentate im Namen einer Terrororganisation zu begehen. Beispiele hierfür sind die Messerattacken am 19. Mai in Mailand, Messerangriffe am 6. August vor dem Pariser Eiffelturm, am 15. September in einer Pariser U-Bahn Station, am 1. Oktober am Bahnhof Marseille-Saint Charles, am 18. August in Turku in Finnland und am 19. August in Surgut in Russland, bei denen es zahlreiche Tote und Verletzte gab. Am 28. Juli griff ein abgelehnter Asylbewerber aus den Vereinigten Arabischen Emiraten Kunden in einem Hamburger Supermarkt und Passanten auf der Straße mit einem Messer an. Sieben Menschen wurden verletzt, eine Person verstarb vor Ort. Nach den bisherigen Ermittlungen ist davon auszugehen, dass sich der Täter selbst radikalisierte und die Tat einen islamistischen Hintergrund hat. Für derartige "Low-Profile"-Anschläge verwenden Attentäter Low-Profileauch häufig Kraftfahrzeuge, da diese mit vergleichsweise geAnschläge ringem Aufwand als effiziente Tatwaffe eingesetzt werden können. Am 22. März gab es ein Attentat mit einem gemieteten Wagen auf der Westminster Bridge in London, am 7. April einen Pkw-Anschlag in Stockholm, am 3. Juni ein Attentat mit einem > Inhaltsverzeichnis 61 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Kleinlaster auf der London Bridge sowie am 19. Juni einen Anschlagsversuch auf den Pariser Champs-Elysees, bei dem ein Pkw detonierte. Islamistische Terroristen nutzen auch vermehrt Tatmittel, deren Einzelbestandteile frei verkäuflich sind. Mithilfe von Bauanleitungen im Internet können sie selbst aus einfachen Zutaten Bomben konstruieren. Derartige Bomben wurden bei einem Selbstmordattentat während eines Konzerts in Manchester am 22. Mai, bei einem Anschlagsversuch am Hauptbahnhof Brüssel am 20. Juni sowie in einer Londoner U-Bahn am 15. September verwendet. Aber auch Angriffe mit Werkzeugen gehören zum Repertoire der Täter. So schlug am 6. Juni vor der Pariser Kathedrale Notre-Dame ein islamistisch motivierter Einzeltäter mit einem Hammer auf einen Polizisten ein. Eine große Gefahr stellen nach wie vor Terroranschläge dar, die durch jihadistische Personenzusammenschlüsse geplant und Anschläge in Europa durchgeführt werden. Dies war z. B. bei mehreren Anschlägen in durch Terrorzellen Spanien im August der Fall. Am 17. August raste ein Attentäter mit einem angemieteten Lieferwagen über die bekannte Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona. Dabei wurden 13 Menschen getötet und Dutzende verletzt. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) bekannte sich zu dem Anschlag. Einen Tag später erschoss die spanische Polizei fünf Fahrzeuginsassen eines Pkws in Cambrils, ca. 120 Kilometer südlich von Barcelona, die einen weiteren Terroranschlag verüben wollten. Der Fahrer des Pkws wollte sich einer Polizeikontrolle entziehen und überfuhr auf der Flucht mehrere Menschen. Die islamistische Terrorzelle hatte sich längere Zeit in Alcanar in einem Wohnhaus auf die Anschläge vorbereitet. Dort war es am 16. August zu einer Gasexplosion gekommen, bei der zwei Personen getötet wurden, darunter der Imam, der für die Radikalisierung der Attentäter verantwortlich war. Täterprofile Angesichts des Anstiegs des islamistisch-terroristischen Personenpotenzials in Deutschland ist es eine wichtige Aufgabe der Sicherheitsbehörden, Tätermerkmale zu analysieren und potenzielle Attentäter frühzeitig zu identifizieren. Radikalisierungsprozesse sind in hohem Maße von komplexen individuellen Faktoren abhängig, was die Erstellung eindeutiger Täterund Prognoseraster erschwert. 62 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Einen verbreiteten Typus des islamistischen Attentäters stellen junge Männer mit muslimischen Wurzeln dar, die sich in Umbruchsituationen befinden und sich sozial, ökonomisch oder politisch marginalisiert fühlen. Auf der Suche nach Halt, Orientierung und Identität geraten sie in islamistische Peergruppen oder in entsprechende Kreise im Internet, wo sie auf Gleichaltrige mit ähnlichen Frustrationserfahrungen treffen. In einem Prozess der zunehmenden Abschottung nach außen und der gegenseitigen Verstärkung innerhalb der Gruppe können so Radikalisierungsverläufe entstehen, die in terroristische Gewalttaten münden. Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass Jihadisten aus KriegsEinschleusung von gebieten wie Syrien/Irak gezielt über die Flüchtlingsrouten in Jihadisten und westliche Länder entsendet werden, um hier Anschläge zu beSyrienrückkehrer gehen. Einige der Attentäter von Paris vom 13. November 2015 entsprachen diesem Tätertypus. Ebenso können junge Männer, die für den IS oder andere islamistische Gruppen bereits gekämpft haben und auf Eigeninitiative über die Flüchtlingsrouten nach Europa gelangt sind, ein Sicherheitsrisiko darstellen, wenn sie aufgrund von Frustration und Perspektivlosigkeit erneut zugänglich für den Jihad werden. Wenngleich eine verstärkte Ankunft von Rückkehrern - also von Personen, die in die Kampfgebiete nach Syrien und Irak ausgereist sind und dort möglicherweise für den IS gekämpft haben - derzeit nicht feststellbar ist und an den Anschlägen in Deutschland bislang noch kein Rückkehrer beteiligt war, steht auch diese Gruppe nach wie vor im Fokus der Sicherheitsbehörden. Neben ihren in Kampfgebieten gesammelten Erfahrungen und einer eventuell gesenkten Hemmschwelle für die Anwendung von Gewalt gegen Menschen weisen sie weitere Eigenschaften auf, die sie für einen Einsatz im Sinne des IS prädestinieren: Aus Europa stammende Rekruten sind mit westlichen Gegebenheiten vertraut, unterliegen meist aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit weniger Reisebeschränkungen und können hier unauffälliger operieren. Vor eine große Herausforderung stellen Sicherheitsund Ermittlungsbehörden außerdem Einzeltäter, die spontan, unvermittelt und ohne vorherige Kommunikation mit jihadistischen Netzwerken Anschläge begehen. Teilweise handelt es sich auch um labile Persönlichkeiten, die sich ideologisch beeinflussen lassen. > Inhaltsverzeichnis 63 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Einen weiteren Aspekt jihadistischer Täterprofile hat der Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verdeutKriminelle Verganlicht: die Bedeutung einer grundsätzlichen Gewaltund Kriminagenheit begünstigt litäts"karriere" als zumindest begünstigende Voraussetzung für Bereitschaft zu die Begehung terroristischer Anschläge. Amri dealte und konsuTerrorismus mierte regelmäßig Drogen, war in Gewaltdelikte verwickelt und hatte in Italien bereits eine Haftstrafe wegen Brandstiftung verbüßt. Ähnliches gilt für die Attentäter der Anschläge in Paris vom 19. Juni und London vom 3. Juni. Bei dem Täter von Paris handelte es sich um einen 39-jährigen französischen Staatsbürger, der in der Vergangenheit bereits zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen versuchter Tötung von drei Menschen (darunter zwei Polizeibeamte) verurteilt worden war. Nach Angaben der britischen Regierung war der Attentäter von Westminster ein britischer Staatsbürger, der zum Islam konvertiert und in der Vergangenheit ebenfalls zu mehreren Haftstrafen wegen diverser Gewaltdelikte verurteilt worden war. Es wird davon ausgegangen, dass der spätere Attentäter während eines Gefängnisaufenthalts von Mithäftlingen an die salafistische Ideologie herangeführt wurde. Dies unterstreicht die Bedeutung von Gefängnissen als potenzielle Radikalisierungsund Rekrutierungsorte. Auch im Fall von Anis Amri wird vermutet, dass er während seines Aufenthalts im italienischen Gefängnis das erste Mal mit dem jihadistischen Salafismus in Kontakt kam. 3.2.9 Exekutivmaßnahmen Vereinsrechtliche Verbotsverfahren Vereinsverbote sind ein wichtiges Instrument der wehrhaften Demokratie in Deutschland. Ein Verein ist nach Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes verboten, wenn der Zweck der Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwiderläuft oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Verbot von Im Bereich Islamismus wurden in den letzten Jahren mehrere Moscheevereinen Vereinsverbote ausgesprochen. Beispiele hierfür sind das Verbot des "Multi-Kultur-Hauses Ulm e. V." (MKH) in Neu-Ulm im Jahr 2005, das Verbot der salafistischen Vereinigung "Millatu Ibrahim" im Jahr 2012, das Verbot der salafistischen Vereine "Dawa FFM" und "Islamische Audios" 2013, das Betätigungsverbot der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Deutschland vom 12. September 2014 sowie das Verbot der salafistischen Vereinigung "Die wahre Religion" (DWR) alias "LIES! Stiftung/Stiftung LIES!" am 15. November 2016. 64 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Im Bereich des Salafismus wurden Anfang 2017 drei weitere Moscheevereine wegen jihadistischer Bezüge verboten: - Mit Wirkung zum 15. Februar verbot der Berliner Innensenator den Moscheeverein "Fussilet 33". Die Berliner Moschee galt als Stützpunkt gewaltbereiter Salafisten und war zudem Anlaufstelle für Anis Amri, der 2016 den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verübt hatte. - Am 14. März wurde durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport der Verein "Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim e. V." (DIK Hildesheim) wegen seiner jihadistischen Aktivitäten verboten und aufgelöst. Zu einigen Vorträgen des jihadistischen Predigers Abu Walaa im DIK Hildesheim waren auch Personen aus der bayerischen Salafistenszene angereist. - Am 23. März verkündete das Hessische Ministerium für Inneres und Sport das Verbot für den "Almadinah Islamischer Kulturverein e. V." in Kassel wegen seiner jihadistischen Aktivitäten. In der Moschee wurden von dem salafischen Prediger Abu Walaa gewaltbefürwortende Äußerungen getätigt. Ausländerrechtliche Maßnahmen Unter Anwendung ausländerrechtlicher Vorschriften besteht darüber hinaus die Möglichkeit der Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der Inneren Sicherheit bzw. der Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland nach den SSSS 56 ff. AufenthG. Mit Wirkung zum 10. Januar hat das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München die Ausweisung eines kosovarisch-serbischen Staatsangehörigen aus der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Der Betroffene hatte in der Vergangenheit Kontakte zu IS-Angehörigen und sympathisierte selbst mit dem IS. Er versuchte in den letzten Jahren, weitere Personen in seinem Umfeld ideologisch zu beeinflussen und für den IS zu begeistern. Um sich der Abschiebung zu entziehen, wollte der 29-Jährige untertauchen. Das Amtsgericht München hat deshalb am 13. Januar angeordnet, die Abschiebung mit einer einstweiligen Freiheitsentziehung des Betroffenen durchzuführen. Aus der Haft heraus wurde er am 25. Januar in den Kosovo abgeschoben. Eine Klage gegen seine Abschiebung wurde vom Verwaltungsgericht München abgewiesen. > Inhaltsverzeichnis 65 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Ermittlungsund Strafverfahren Neben Vereinsverboten besteht die Möglichkeit, auch gegen Einzelpersonen, beispielsweise aufgrund des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat gemäß SS 89a StGB oder bezüglich der Bildung einer terroristischen Vereinigung nach SS 129a StGB, zu ermitteln und anzuklagen. Durchsuchungen Am 30. Mai vollstreckte die Polizei einen Durchsuchungsund und Festnahmen Festnahmebeschluss gegen zwei Personen in der Oberpfalz wewegen Terrorismusgen des Verdachts der Mitgliedschaft in bzw. der Unterstützung verdachts der Terrororganisation "Junud al-Sham". Die Ermittlungen dauern an. Im Juni wurde im oberfränkischen Pegnitz ein damals 18-jähriger Syrer festgenommen und befindet sich seither in Untersuchungshaft. Bei einer Durchsuchung wurden bei ihm u. a. Symbole des IS, Unterlagen zum Bau einer Bombe sowie Tipps für einen Lkw-Anschlag gefunden. Am 31. Oktober nahm die Polizei in Schwerin einen 19-jährigen syrischen Staatsangehörigen wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat fest. Der Beschuldigte soll in Deutschland einen islamistisch motivierten Anschlag mit Sprengstoff geplant und bereits mit dessen Vorbereitung begonnen haben. Strafprozess gegen Am 26. September begann vor dem Oberlandesgericht Celle der Abu Walaa eröffnet Prozess gegen den jihadistischen Prediger Ahmad Abdulaziz Abdullah - alias Abu Walaa - sowie vier weitere Mitangeklagte. Abu Walaa wurde am 8. November 2016 zusammen mit den vier weiteren Personen wegen des Verdachts auf Unterstützung des Terrornetzwerks bzw. der Werbung um Mitglieder oder Unterstützer des "Islamischen Staates" (IS) festgenommen. Die Anklage gegen Abu Walaa lautet auf Unterstützung und Kontakte zum Terrornetzwerk "Islamischer Staat" sowie Aufruf zum Mord. Am 22. März wurde ein Tunesier wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach SS 89a StGB sowie Haftstrafen gegen eines Verstoßes gegen das PassG zu 2 1/2 Jahren Freiheitsstrafe Terrorunterstützer verurteilt. Im Dezember 2015 hatte der damals knapp 26-Jährige versucht, von München aus über Wien in die Türkei auszureisen. Dem Salafisten war bereits zuvor wegen bekannter Ausreiseabsichten der Pass entzogen und eine Ausreiseversagung ausgesprochen worden. Aufgrund der bestehenden Grenzausschreibung konnte die Person von den österreichischen Behörden an der Ausreise gehindert und nach Deutschland zurückgebracht werden. 66 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Am 27. Juli wurde der Salafist Sven Lau wegen Unterstützung der islamistischen Gruppierung JAMWA ("Jaish al-Muhaijrin Wal Ansar") in vier Fällen vom Düsseldorfer Oberlandesgericht zu 5 1/2 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Lau unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe nicht nur Geld für die Gruppierung gesammelt, sondern als deren "verlängerter Arm" auch Kampfwillige rekrutiert hat. Zudem habe er in Deutschland ein salafistisches Netzwerk etabliert. Ein gebürtiger Syrer wurde am 19. September vom Oberlandesgericht München zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt. 3.2.10 Islamischer Staat, al-Qaida und andere terroristische Strukturen 3.2.10.1 Der Islamische Staat (IS) Entstehung und Entwicklung Die salafistisch-jihadistische Terrororganisation IS hat ihre Wurzeln im Irak. Nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 bildete sich dort unter der Führung des jordanischen Terroristen Abu Musab al-Zarqawi eine "al-Qaida"-Zelle, die sich zunächst als "al-Qaida im Zweistromland" bezeichnete und ihren Namen in den folgenden Jahren mehrfach wechselte. Im Irak hat die Terrororganisation wiederholt Anschläge durchgeführt. Nach dem Tod al-Zarqawis übernahm der Iraker Abu Bakr al-Baghdadi die Führung. Seit 2012 ist die Organisation auch in Syrien aktiv. 2013 änderte sie vor dem Hintergrund weitreichender militärischer Erfolge erneut ihren Namen, zunächst in "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" (ISIG). Damit drückte die Terrororganisation ihren überregionalen Führungsanspruch aus. Mitte 2014 wurde das "Islamische Kalifat" ausgerufen, und die Organisation trat unter der Bezeichnung "Islamischer Staat" (IS) auf. Der IS steht somit in dieser Region in direkter Konkurrenz zu "al-Qaida". Das Kalifat bezeichnet sowohl ein Amt als auch ein HerrschaftsIslamisches Kalifat gebiet. Der Begriff geht auf das arabische "khalifa" zurück und bedeutet Nachfolger des Propheten Muhammad. Der Titel ist gleichbedeutend mit dem rechtmäßigen Führer der sunnitischen Gläubigen. Den letzten Kalifen stellte das Osmanische Reich. Der Titel wurde 1924 durch Kemal Atatürk abgeschafft. Das Streben nach der Wiedereinführung des Kalifats ist ein wesentliches Kennzeichen islamistischer Ideologie. > Inhaltsverzeichnis 67 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Der IS unterscheidet sich in Ideologie und Zielen nicht grundlegend von anderen jihad-salafistischen Gruppen. Es gibt jedoch Unterschiede in der ideologischen Schwerpunktsetzung und im strategischen Ansatz. Eine besondere Rolle spielt dabei die Rechtfertigung des Kalifats. Das Kalifat ist auch für "al-Qaida" ein Ziel, allerdings kann das Kalifat für "al-Qaida" nur am Ende eines mehrstufigen Prozesses stehen. Die Strategie "al-Qaidas" sieht vor, zunächst Rekruten zu ideologisieren, westliche Einflüsse in arabischen Ländern zu bekämpfen, Landgewinne zu erzielen und schließlich prowestliche Regierungen im Nahen Osten zu stürzen. Erst danach wird die "Entscheidungsschlacht" zwischen den "Rechtgläubigen" und den "Ungläubigen" angestrebt, an deren Ende das Kalifat steht. Der IS hingegen sieht diese Entscheidungsschlacht unmittelbar bevorstehen und ruft Muslime weltweit auf, sich daran zu beteiligen. IS-Splittergruppen IS-Splittergruppen sind u. a. in Libyen, auf dem Sinai, in Pakistan und in Afghanistan aktiv. Im März 2015 schloss sich die nigerianische Terrororganisation "Boko Haram" dem IS an, woraufhin dieser verkündete, dass das Kalifat nun bis Westafrika reiche. In einem Video der IS-Medienstelle "Al-Hayat" vom Juni 2015 beanspruchten vom Balkan stammende IS-Kämpfer den Balkan als weiteres Kalifat und riefen zu Anschlägen in dieser Region auf. Nachdem die meisten Emire der Kaukasusprovinzen den Treueeid gegenüber dem IS erklärt haben, verkündete der IS im Juni 2015 zudem die Gründung der "Provinz Kaukasus". Der IS ist aus den von ihm zuvor in Syrien und im Irak eroberten Gebieten inzwischen nahezu vollständig vertrieben worden. Mit der Rückeroberung der irakischen Stadt Mossul durch irakische Sicherheitskräfte und der Einnahme der vom IS als "Hauptstadt" genutzten syrischen Stadt Raqqa durch kurdisch-arabische Milizen hat der IS seine beiden wichtigsten organisatorischen Zentren verloren. Virtuelles Kalifat Trotz der territorialen Verluste ist davon auszugehen, dass der IS seine Propaganda fortsetzen und verstärkt im Internet Einzelpersonen oder Kleingruppierungen radikalisieren und im Einzelfall bei ihren Anschlägen steuern wird. Vom IS inspirierte, aber nicht unmittelbar der Gruppierung zugehörige Täter können zudem ihre Anschläge "posthum" dem IS widmen. Dieses "virtuelle" Kalifat darf in seiner Gefährlichkeit und Reichweite keinesfalls unterschätzt werden. 68 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Auftreten in Deutschland und Bayern Der IS verfügt - nicht zuletzt aufgrund seiner hohen Propagandawirksamkeit - innerhalb des salafistischen Spektrums in Deutschland bzw. Bayern weiterhin über Sympathisanten. Im Internet wurden auch Videobotschaften deutscher IS-Kämpfer verbreitet, die für den Jihad werben. Als erster Deutscher trat der mittlerweile als Selbstmordattentäter verstorbene Philip B. aus Dinslaken im November 2013 in einer Videobotschaft des IS auf. Der ehemalige Anführer der in Deutschland verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim", Mohamed Mahmoud, ist maßgeblich in die deutschsprachige Propagandaarbeit des IS in Syrien/Irak eingebunden und rief bereits vielfach zu Anschlägen in Deutschland und anderen westlichen Ländern auf. Der Bundesminister des Innern hat am 12. September 2014 die Betätigung der Vereinigung IS sowie die öffentliche Verwendung und Verbreitung von dessen Schriften und Symbolen verboten. 3.2.10.2 Das al-Qaida-Netzwerk Im Unterschied zu vielen anderen islamistischen Terrornetzwerken oder Organisationen verfolgt "al-Qaida" nach wie vor länderübergreifend das Ziel, langfristig ein weltweites Kalifat zu errichten. "Al-Qaida" und die ihr zuzurechnenden Unterorganisationen sind für Planung und Durchführung einer Vielzahl von Terroranschlägen weltweit - z. B. die Anschläge am 11. September 2001 in den USA - mit zahlreichen Toten und Verletzten verantwortlich. Entstehung und Entwicklung Die Ursprünge des "al-Qaida"-Netzwerks lassen sich zurückführen auf den Konflikt um das sowjetisch besetzte Afghanistan der Jahre 1979 bis 1989. Eine herausragende Stellung nahmen seit 1984 der palästinensische Jihad-Ideologe Abdullah Azzam und der Saudi Usama Bin Ladin ein. Nach dem Tod Abdullah Azzams war es das Ziel Bin Ladins, den Jihad auch in anderen Konfliktgebieten wie Kaschmir, Indonesien, Tschetschenien, Bosnien und Somalia zu unterstützen. Mit der Machtübernahme der Taliban 1996 kehrte Bin Ladin mit seinem Gefolge nach Afghanistan zurück und agierte von dort aus bis zu seiner Flucht im Jahre 2001 unter dem Schutz des Taliban-Führers Mullah Omar. > Inhaltsverzeichnis 69 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Seit Mitte der 1990er-Jahre ist ein Netzwerk aus Afghanistanveteranen entstanden, die in ihren Heimatländern ihrerseits Organisationen gründeten bzw. unterstützten, wie z. B. "Abu Sayyaf" auf den Philippinen, "al-Qaida im Irak", die somalischen "al-Shabab-Milizen" oder "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH). Anschläge werden häufig von autonomen Zellen oder "freien Mitarbeitern" geplant und durchgeführt. Attentäter bekommen oftmals nachträglich den "Segen" für ihre Anschläge (etwa über Audiooder Videobotschaften, die über das Internet verbreitet werden). Während in Ländern wie Irak, Saudi-Arabien und Jemen die Entwicklung des "al-Qaida"-Netzes dynamisch ist, hat sich - neben dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet - in Nordafrika eine relativ stabile Struktur herausgebildet. Die Ideologie des al-Qaida-Netzwerks Die hauptsächlich von Bin Ladin und Abdullah Azzam etablierte salafistische Ideologie des "al-Qaida"-Netzwerks ist stark geprägt von den Schriften Sayyed Qutbs und dessen Weltsicht, dem Jihad-Gedanken und dem "Takfir" (arab. "für ungläubig erklären"). Nach dieser Weltsicht gibt es nur den Islam in seiner durch die Chefideologen Bin Ladin, al-Zawahiri und Azzam geprägten Orientierung an den frommen Altvorderen (arab: "al-salaf alsalih"), einer konstruierten idyllischen islamischen Frühzeit. Dem steht die "Jahiliyya", der Unglaube und die Unwissenheit um den durch den Propheten Muhammad vermittelten "rechten Weg", gegenüber. Folgerichtig war es ein zentrales Anliegen Bin Ladins, den Islam von allen unislamischen "Übergriffen" wie Sozialismus und Demokratie freizuhalten. Die Stationierung amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien, Afghanistan oder in anderen islamischen Staaten war aus seiner Sicht nicht hinzunehmen. Entwicklungstendenzen Die Tötung Usama bin Ladins im Mai 2011 und die Verhaftung oder Tötung zahlreicher Mitglieder aus der alten Führungsriege haben zwar den Kern "al-Qaidas" geschwächt, das flexible Netzwerk jedoch keinesfalls handlungsunfähig gemacht. Zunehmend versucht "al-Qaida" unter der Führung von Aiman al-Zawahiri, den Charakter einer globalen Bewegung anzunehmen. Internetverlautbarungen und jihadistische Online-Magazine wenden sich gezielt an Personen auch außerhalb der bestehenden "al-Qaida"-Strukturen und -Netzwerke mit dem Ziel, diesen Personenkreis für den jihadistischen Leitgedanken zu aktivieren 70 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 und für Anschläge zu gewinnen. "Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH) kommt dabei nach wie vor eine maßgebliche Rolle innerhalb des Netzwerks zu. Von ihr gingen zahlreiche Anschlagspläne aus. Sowohl "al-Qaida" als auch der IS versuchen, sich der ÖffentKonkurrenz zum lichkeit als führende jihadistische Organisation zu präsentieren, Islamischen Staat nicht zuletzt indem sie Terroranschläge verüben. Sie stehen somit in einem Konkurrenzverhältnis zueinander. Dem IS ist es mit der Ausrufung des Kalifats gelungen, seinen Einfluss in der jihadistischen Szene deutlich zu steigern. Zum 16. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 veröffentlichte "al-Qaida" eine Botschaft ihres derzeitigen Anführers Aiman al-Zawahiri. Darin legitimiert er erneut die Anschläge als Rache für das angeblich erlittene Leid der muslimischen Gemeinschaft und kündigt weitere Anschläge gegen die USA an. Usama bin Ladins Sohn Hamsa drohte den USA in einer Audiobotschaft Vergeltung an. Hamsa bin Ladin ist von "al-Qaida" im Jahr 2017 mehrfach an prominenter Stelle für Propagandavideos und Audiobotschaften eingesetzt worden. 3.2.10.3 Hayat Tahrir al-Sham (HTS) (früher: Jabhat al-Nusra (JaN) In den Reihen der "Jabhat al-Nusra" (JaN) etablierte sich ab 2013 eine Zelle der Kern-"al-Qaida" unter der Führung von Muhsin al-Fadhli. Die nach dem historischen Namen für eine Region in Zentralasien als "Khorasan-Gruppe" bezeichnete Zelle bildet insbesondere aus Europa stammende Kämpfer auch für Anschlagspläne in ihren Herkunftsländern aus. Hierfür wurden gezielt Personen ausgewählt, die noch nicht durch Straftaten aufgefallen waren. Am 28. Juli 2016 versuchte die JaN öffentlichkeitswirksam, den Anschein einer Trennung von "al-Qaida" zu erwecken, und benannte sich in "Jabhat Fath al-Sham" (JFS; "Front zur Eroberung Syriens") um, nachdem sich Russland und die USA zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die JaN entschlossen hatten. Im Januar erfolgte eine erneute Umbenennung in "Hayat Tahrir al-Sham" (HTS), zugleich schloss sich eine Reihe weiterer syrischer Rebellen der HTS an. Mit der HTS ist in Syrien eine weitere mitgliedsstarke jihadistische Organisation entstanden, die islamistische Terroristen rekrutiert und ausbildet. Die Organisation übte zeitweise eine > Inhaltsverzeichnis 71 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus große Anziehungskraft auf deutsche Jihadisten aus, musste allerdings mit Erstarken des konkurrierenden "Islamischen Staates" (IS) einen deutlichen Rückgang ihrer Anhängerschaft verzeichnen. Im Schatten der Anstrengungen zur Bekämpfung des IS hat sich die HTS in den noch von Aufständischen gehaltenen Gebieten Nordsyriens mittlerweile zum einflussreichsten Akteur entwickelt. Auf strategischer Ebene verfolgt die Organisation gegenwärtig primär einen national auf Syrien fokussierten Ansatz zum Ausbau des eigenen Einflussgebietes. Sie nutzt darüber hinaus soziale Netzwerke wie Facebook und YouTube sowie Telegram, um Anhänger zu gewinnen. Seit dem Sommer 2017 hat HTS sich medial zudem als Bekämpfer des IS inszeniert. 3.2.10.4 Islamistische nordkaukasische Szene Nordkaukasische Separatistenbewegung (NKSB) Nach dem Zerfall der UdSSR führte die 1991 in Tschetschenien gegründete "Tschetschenische Republik Itschkeria" (CRI) einen Guerillakrieg für die Unabhängigkeit der Teilrepublik von der Russischen Föderation und für die Errichtung eines islamischen Staates auf Grundlage der Scharia. 2007 proklamierte Dokku Umarov, der damalige CRI-Präsident, Kaukasisches Emirat das islamistisch ausgerichtete "Kaukasische Emirat" (KE), das mit terroristischen Mitteln für einen islamischen Staat auf dem Gebiet des gesamten Nordkaukasus kämpft. Dieser Strategiewechsel führte zur Spaltung. Die Leitung des CRI übernahm Ahmed Zakaev, der sich auf die politische Durchsetzung des Unabhängigkeitsbestrebens für Tschetschenien beschränkt. Beide Gruppierungen sind der Nordkaukasischen Separatistenbewegung zuzurechnen. Zum Nachfolger des 2014 verstorbenen Dokku Umarov wurde Alibulatovich Kebekov ernannt, der jedoch im April 2015 durch russische Einsatzkräfte getötet wurde. Dessen Nachfolger Magomed Suleimanov wurde im August 2015 ebenfalls bei einer russischen Anti-Terror-Operation getötet. Seitdem ist das KE offiziell führerlos. Im Syrien-Irak-Konflikt kämpfen zahlreiche Angehörige des KE, zum Teil organisiert in eigenen tschetschenischen Brigaden, auf Seiten der Terrororganisation "Islamischer Staat". Mehrere Kommandeure des KE haben den Treueeid auf den IS geschworen. Noch operieren das KE und der IS im Kaukasus formal unabhängig voneinander. Aufgrund der angespannten personellen Lage 72 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 und des zunehmenden Drucks der russischen Behörden ist eine Vereinigung des KE mit dem IS-Ableger "Provinz Kavkaz" zukünftig jedoch denkbar. Um einen von Moskau unabhängigen tschetschenischen Staat auf der Grundlage der Scharia zu erreichen, verübten tschetschenische und andere kaukasische Islamisten in der Vergangenheit wiederholt Anschläge in Russland. Deutschland wird primär als Rückzugsraum für die finanzielle und logistische Unterstützung der Separatisten im Nordkaukasus genutzt. Strukturen des KE in Bayern sind bisher nicht feststellbar. Aktivitäten gingen allenfalls von Einzelpersonen aus. Verbindungen zur salafistischen Szene In Deutschland bestätigen sich die Hinweise auf Verbindungen von Personen aus dem Nordkaukasus in salafistische Kreise. Tschetschenen beteiligten sich an der Verteilung kostenloser Koranausgaben im Rahmen der salafistischen Aktion "LIES!" und besuchen regelmäßig salafistische Islamseminare und Benefizveranstaltungen für Syrien. Auch in Bayern sind einzelne Personen aus dem Nordkaukasus in der salafistischen Szene aktiv, ohne dabei öffentlich aufzufallen. 3.3 Sonstiger islamistischer Terrorismus 3.3.1 HAMAS (Islamische Widerstandsbewegung) Mitglieder Deutschland: etwa 320 Bayern: Einzelpersonen Gründung 1988 Die "HAMAS" verneint ein Existenzrecht Israels und will auf dem gesamten Gebiet Palästinas einen "islamischen" Staat errichten. Sie lehnt deshalb auch den israelisch-palästinensischen Friedensprozess ab. Die "HAMAS" ist für eine Vielzahl terroristischer Aktionen verantwortlich, darunter zahlreiche Selbstmordattentate. Im Juni 2002 wurde deshalb der militärische Arm der HAMAS auf "HAMAS" in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgeEU-Terrorliste nommen. 2003 haben die EU-Außenminister auch die Gesamtorganisation als terroristisch eingestuft. Im Dezember 2014 entschied der Europäische Gerichtshof in erster Instanz, dass die EU bei der Einstufung der "HAMAS" als Terrororganisation > Inhaltsverzeichnis 73 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus einen Verfahrensfehler begangen habe. Im Juli hob die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes diese Entscheidung auf und verwies sie zur materiellen Prüfung an die Vorinstanz zurück. Mit dem Urteil verbleibt die "HAMAS" zunächst auf der EU-Liste terroristischer Organisationen. Von den in Deutschland lebenden "HAMAS"-Anhängern gehen Bestrebungen aus, die auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Deutschland wird von der "HAMAS" zur Sammlung von Spenden und zur Verbreitung ihrer Propaganda genutzt. Nach Beginn der ersten Intifada ("Aufstand der Palästinenser") im Dezember 1987 schlossen sich Anfang 1988 die palästinensischen Anhänger der "Muslimbruderschaft" (MB) unter Führung von Ahmad Yasin zur "HAMAS" zusammen und nahmen den bewaffneten Kampf gegen Israel auf. Die "HAMAS" übt seit der gewaltsamen Machtübernahme 2007 die alleinige Kontrolle über den Gaza-Streifen aus. Seit 2015 verübten Palästinenser wiederholt Messerangriffe auf Israelis, die sog. Messer-Intifada. Dabei wurden zahlreiche Israelis und mehrere ausländische Staatsangehörige getötet. Unruhen am TempelIm Juli drangen bewaffnete Palästinenser auf das Gelände des berg/Jerusalem Tempelbergs ein und töteten zwei israelische Polizisten. Die Installation von Metalldetektoren an den Zugängen zum Tempelberg löste bei Palästinensern und Muslimen weltweit Proteste aus. Die israelische Regierung kündigte daraufhin an, die Metalldetektoren durch ein anderes Sicherheitssystem zu ersetzen. Immer wieder ist festzustellen, dass sich Eskalationen zwischen Israelis und Palästinensern auch auf die Anhängerschaft in Deutschland auswirken. So führte auch die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland zu Demonstrationen und Kundgebungen, auch in Bayern. Die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern werden auch in den sozialen Netzwerken in Deutschland äußerst emotional kommentiert. 74 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 3.3.2 Hizb Allah (Partei Gottes) Mitglieder Deutschland: etwa 950 Bayern: etwa 30 Gründung 1982 im Libanon Publikation al-Intiqad (Die Kritik) Fernsehsender al-Manar (Der Leuchtturm) Betätigungsverbot in Deutschland seit 29.10.2008 Das langfristige Ziel der "Hizb Allah" ("Partei Gottes") ist die Zerstörung des Staates Israel und die "Herrschaft des Islam" über Jerusalem. Seit Jahren ist die "Hizb Allah" für Terroranschläge in Israel verantwortlich. In Deutschland hat sie bislang keine gewaltsamen Aktionen durchgeführt, nutzt aber das Bundesgebiet als Ruheund Rückzugsraum. Die Bestrebungen der "Hizb Allah" gefährden damit auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland und richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die "Hizb Allah" (auch: "Hisbollah/Hizbollah") ist eine auf Initiative des Irans gegründete schiitische Partei, die seit 1992 im libanesischen Parlament vertreten ist. Sie wird vom Iran finanziell, materiell und ideologisch unterstützt. Sie ist einerseits eine politische Partei, die vor allem aufgrund ihres sozialen Engagements auf die Unterstützung ärmerer Bevölkerungsschichten zählen kann. Andererseits verfügt sie aber nach wie vor über militärische Einheiten, die insbesondere im Süden des Landes unabhängig von der libanesischen Staatsgewalt agieren. Eine Entwaffnung dieser Miliz gemäß der UN-Resolution 1559 aus dem Jahr 2004 gelang bisher nicht und wird vom politischen Flügel der "Hizb Allah" vehement abgelehnt. Im Mai 2008 hat das libanesische Kabinett der "Hizb Allah" offiziell "das Recht zum Widerstand gegen Israel" zugestanden. Die schiitische Miliz kann daher ungehindert den Ausbau der Verteidigungsanlagen nördlich der UN-Pufferzone zur Grenze Israels betreiben. Seit Beendigung des Libanonkriegs im Sommer 2006 wird sowohl von der israelischen Seite als auch von der "Hizb Allah" selbst über eine enorme Aufrüstung der "Hizb Allah" berichtet. > Inhaltsverzeichnis 75 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamismus Im Mai 2013 hat der Generalsekretär der "Hizb Allah", Hassan Nasrallah, öffentlich seine Anhänger zur Unterstützung des syrischen Regimes aufgerufen. Mittlerweile kämpfen mehrere "Hizb Allah"-Einheiten auf der Seite des syrischen Präsidenten Assad. Unterstützung erfahren die Kämpfer dabei vor allem aus dem Iran. Die "Hizb Allah" verbreitet ihre antiisraelische und antijüdische Propaganda u. a. über den libanesischen TV-Sender "al-Manar", der auch in Deutschland zu empfangen ist. Da die Tätigkeit des Senders gegen deutsche Strafgesetze verstößt und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, wurde der Sender im Oktober 2008 vom Bundesministerium des Innern verboten. Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass die "Hizb Allah" im Verlauf des Jahres 2012 in Thailand, Georgien, Bulgarien und Indien an Anschlägen/Anschlagsversuchen auf Ziele mit Israelbezügen beteiligt war. Im Juli 2013 beschlossen die EU-Außenminister, den militärischen Arm der libanesischen "Hizb Allah" in die EU-Terrorliste aufzunehmen. 76 > Inhaltsverzeichnis Islamismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz Postfach 450145, 80901 München Telefon: 089/31201 0 (rund um die Uhr) Telefax: 089/31201 380 E-Mail: poststelle@lfv.bayern.de www.verfassungsschutz.bayern.de Hinweistelefon für Verdachtsfälle und Salafismusprävention Telefon: 089/31201 480 > Inhaltsverzeichnis 77 Ausländerextremismus Ausländerextremismus Unverändert hohes Konfliktund Aggressionspotenzial von Anhängern extremistischer türkischer und kurdischer Organisationen Verfassungsreferendum in der Türkei am 16. April wichtiges Thema ausländerextremistischer Agitation Anhaltend hohes Mobilisierungspotenzial der PKK-Anhängerschaft 78 > Inhaltsverzeichnis Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Anhänger extremistischer Gruppierungen aus dem Ausland sind auch in Deutschland aktiv, um die politischen Verhältnisse in ihren Heimatländern antidemokratisch zu verändern. Sie wollen z. B. eigene Staaten gründen, kommunistische Systeme errichten oder vertreten eine extreme Variante des Nationalismus. Neben linksund rechtsextremistischen Gruppierungen gehen Gefahren auch von separatistischen Organisationen aus. Ihre ideologischen Ziele und Motive importieren sie nach Deutschland, zum Teil tragen sie auch hier ihre blutigen Konflikte aus. Die Anhängerschaft dieser Gruppierungen setzt sich neben Ausländern auch aus deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund oder aus deutschen Extremisten zusammen. Die Bestrebungen ausländerextremistischer Organisationen richten sich somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährden die Innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung sowie die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. > Inhaltsverzeichnis 79 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Ausländerextremismus 1. PERSONENPOTENZIAL IN BAYERN Im Jahr 2017 waren dem Spektrum der Ausländerextremisten (ohne Islamisten) 3.400 Personen (2016: 3.400) zuzurechnen: 2015 2016 2017 PKK* 1.800 1.800 1.800 Linksextremistische 200 190 190 Organisationen Rechtsextremistische 1.250 1.350 1.350 Organisationen Separatisten 30 30 30 Sonstige 30 30 30 gesamt 3.310 3.400 3.400 * inkl. Nachfolge-, Teilund Nebenorganisationen. Die Zahlenangaben sind geschätzt und gerundet. 2. KONFLIKTUND GEWALTPOTENZIAL Extremistische Ausländerorganisationen betrachten Deutschland vorwiegend als Rückzugsraum, um hier ihre Ziele durch Agitation, Rekrutierung neuer Anhänger und ideologische Indoktrination zu verfolgen. Zudem spielt die materielle Unterstützung der Mutterorganisationen in den Heimatländern durch die in Deutschland gesammelten Spenden und Mitgliedsbeiträge für sie eine nicht unerhebliche Rolle. Die Aktivitäten extremistischer Ausländerorganisationen in Deutschland werden im Wesentlichen von politischen Ereignissen und Entwicklungen in den jeweiligen Herkunftsländern beeinflusst. So können aktuelle Konflikte im Ausland unmittelbar zu gewaltsamen Aktivitäten in Deutschland führen. Zum Teil tragen extremistische Ausländerorganisationen ihre Konflikte hier auch gewalttätig untereinander aus. Die erneute Eskalation des Kurdenkonflikts in der Türkei seit 2015 sowie die Ereignisse in der Folge des gescheiterten Militärputschs vom 15. Juli 2016 wirkten sich erkennbar auf türkische und kurdische ausländerextremistische Organisationen in Deutschland aus. Vor allem zwischen Vertretern des PKK-Lagers und der türkisch-rechtsextremistischen Szene kam es auch zu Übergriffen und teils gewalttätigen Konfrontationen. 80 > Inhaltsverzeichnis Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Das türkische Verfassungsreferendum vom 16. April, das die VerfassungsAusweitung der Befugnisse des türkischen Staatspräsidenten referendum zum Gegenstand hatte, war ebenfalls Thema der Agitation der jeweiligen extremistischen Szenen in Bayern. Während türkische Linksextremisten und PKK-Anhänger sich innerhalb des sogenannten "Hayir"-Lagers (Nein-Lager) positionierten und gegen die zur Abstimmung stehenden Verfassungsänderungspläne agitierten, mobilisierten Teile der türkisch-nationalistischen Szene für das "Evet-Lager" (Ja-Lager). Zu nennenswerten Zusammenstößen zwischen den beiden Lagern kam es in Bayern jedoch weder vor noch nach der Abstimmung, die knapp zugunsten des Ja-Lagers ausging. Vor dem Hintergrund einer weiterhin angespannten politischen Lage in der Türkei ist das Konfliktund Aggressionspotenzial unverändert als hoch zu bewerten. Zudem hat sich gezeigt, dass auch politische Ereignisse in Deutschland wie die Ausweitung des Verbots von PKK-Zeichen und -Symbolen durch das Bundesministerium des Innern im März, diplomatische Konflikte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei oder auch der G20-Gipfel in Hamburg relevante Teile des ausländerextremistischen Spektrums in Bayern jederzeit mobilisieren können. 3. STRUKTUREN 3.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Anhänger Deutschland: 14.000 Bayern: 1.800 Leitung Abdullah Öcalan Gründung 1978 in der Türkei Publikationen Serxwebun ("Unabhängigkeit"), Yeni Özgür Politika ("Neue Freie Politik") Die PKK ist in Deutschland seit 26. November 1993 verboten. Seit 2. Mai 2002 wird sie in der Liste terroristischer Organisationen der EU aufgeführt. Das deutsche Verbot umfasst die späteren Umbenennungen in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK), "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL), "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) und "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK). > Inhaltsverzeichnis 81 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Ausländerextremismus Verbot der ÖcalanMit Schreiben vom 2. März verfügte das Bundesministerium des Fahne Innern eine Ausweitung der Verbotsverfügung gegen die PKK und ihre Kennzeichen. Seitdem ist es in Deutschland auch verboten, die Fahne mit dem Abbild Abdullah Öcalans auf gelbem oder gelb-grünem Hintergrund zu zeigen. Die PKK wurde 1978 von Abdullah Öcalan in Ostanatolien als marxistisch-leninistisch orientierte Organisation gegründet. Sie sollte durch einen Guerillakrieg eine Revolution mit dem Ziel eines unabhängigen kurdischen Staates herbeiführen. Über zwei Jahrzehnte lang führte die PKK innerhalb und außerhalb der Türkei terroristische Anschläge durch. Nach der Festnahme des PKK-Führers Abdullah Öcalan im Jahr 1999 kam es zu einem taktisch bedingten Kurswechsel. Zumindest im Ausland wurde auf die Durchführung planmäßiger Gewaltaktionen verzichtet. Das ursprüngliche Ziel der Errichtung eines unabhängigen kurdischen Staates wurde zugunsten eines länderübergreifenden kurdischen Autonomie-Modells, das bestehende staatliche Grenzen anerkennt, aufgegeben. Bei ihren Aktivitäten verfolgt die PKK weiterhin eine Doppelstrategie. Während sie auf dem Gebiet der Türkei terroristische Anschläge durchführt und Anhänger für den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat mobilisiert, nutzt sie das übrige Europa primär als Rückzugs-, Finanzierungsund Rekrutierungsraum. Die PKK und ihr Unterstützerkreis in Deutschland stellen sich als in der Türkei zu Unrecht verfolgte Regimegegner dar und versuchen so, ihr Image in Deutschland aufzubessern. Bei der PKK und ihren deutschen Ablegern handelt es sich um eine Kaderorganisation mit einem weit verzweigten Funktionärswesen und strikten Befehlsstrukturen. Inzwischen hat sich die Regionale Strukturen PKK in Deutschland regional umstrukturiert. Unter Beibehalin Bayern/"Eyalets" tung der 31 Gebiete wurden die ehemals vier Sektoren nun in neun Regionen ("Eyalets") aufgeteilt. In Bayern existieren die Gebiete München/Südbayern und Nürnberg/Nordbayern. An der Spitze dieser hierarchischen Struktur stehen Funktionäre, die in der Regel durch die europäische Leitungsebene der Organisation eingesetzt werden. Die Zuweisung auf die einzelnen Funktionen erfolgt zumeist nur für einen begrenzten Zeitraum. Die hauptamtlichen Kader der PKK sind ideologisch geschult und leben äußerst konspirativ an häufig wechselnden Orten. In den meisten größeren deutschen Städten gibt es Zusammenschlüsse von PKK-Anhängern. Ihnen dienen die örtlichen Vereine des "Dachverbandes Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum Deutschland e. V." (NAV-DEM) als Anlaufstelle. 82 > Inhaltsverzeichnis Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Im Juni 2014 hatte sich die Vorläuferorganisation "Föderation NAV-DEM kurdischer Vereine in Deutschland e. V." (YEK-KOM) auf ihrem YEK-KOM 20. Kongress in Dortmund in "NAV-DEM" umbenannt. Die an das "NAV-DEM" angegliederten Vereine, die sich nach außen als reine Kulturvereine darstellen, haben die Aufgabe, unter den Anhängern die Ziele und Politik der PKK zu verbreiten und zu fördern. In Bayern sind das "Kurdische Gesellschaftszentrum München" und das "MEDYA Volkshaus e. V." in Nürnberg aktiv. In den Räumlichkeiten dieser Vereine finden regelmäßig neben kulturellen Veranstaltungen auch solche mit PKK-Bezug statt. Zudem initiieren die Vereine regelmäßig Versammlungen zur PKK-Thematik (beispielsweise zur Aufhebung des PKK-Verbotes). Auch Fahrten zu überregionalen Veranstaltungen mit PKK-Bezug, beispielsweise zum "Mazlum Dogan-Festival" in Belgien oder dem "Internationalen Kurdischen Kulturfestival" in Köln, werden organisiert. Trotz des vereinsrechtlichen Betätigungsverbots gibt es somit weiterhin Aktivitäten von PKK-Anhängern in Deutschland und Bayern. Ein Nachweis, dass ihre Betätigung der Organisation zuzurechnen ist, lässt sich jedoch oft nur im Einzelfall führen. Als wesentliche Propagandaplattformen dienen in Deutschland neben Fernsehsendern regelmäßig erscheinende Zeitungen wie beispielsweise die Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" ("Neue Freie Politik"), in der regelmäßig Stellungnahmen von führenden PKK-Funktionären veröffentlicht werden. Auch soziale Netzwerke im Internet nutzt die PKK-Anhängerschaft intensiv zur Verbreitung von Propaganda und zur Mobilisierung für Veranstaltungen und Kundgebungen. Reaktionen der PKK auf die Entwicklungen in der Türkei Für das Aktivitätsund Aggressionsniveau der PKK in Deutschland ist die innenpolitische Lage in der Türkei ein entscheidender Faktor. Die PKK-nahe Szene reagiert mitunter äußerst rasch und unmittelbar auf Ereignisse und Konflikte in der Türkei und der umliegenden Region. Dadurch wollen die PKK-Anhänger in Deutschland Einfluss auf die türkische Innenpolitik und die auswärtigen Beziehungen der Türkei ausüben, den türkisch-kurdischen Konflikt zugleich aber auch auf die Tagesordnung deutscher und internationaler Politik bringen. Wie groß das spontane Mobilisierungspotenzial der PKK in Deutschland ist, zeigte sich unter anderem Mitte Oktober in mehreren deutschen Städten. Auf das in türkischen und kurdischen Medien verbreitete Gerücht hin, dass sich der Gesundheitszustand Abdullah Öcalans massiv verschlechtert habe, fan- > Inhaltsverzeichnis 83 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Ausländerextremismus den im ganzen Bundesgebiet spontane Versammlungen statt. Infolge einer vorwiegend über das Internet und die sozialen Medien gesteuerten Mobilisierungskampagne versammelten sich am 15. Oktober binnen weniger Stunden über 1.900 Personen an etwa 20 Kundgebungsorten. In Bayern demonstrierten in München und in Nürnberg jeweils ca. 30 Personen in den Hauptbahnhöfen. Auch die jährlich in Deutschland stattfindenden kurdischen Großveranstaltungen führten erneut mehr als 10.000 Teilnehmer zusammen. Dabei nahmen sowohl beim kurdischen Neujahrsfest Newroz am 21. März in Frankfurt als auch beim Kurdistan-Festival in Köln am 16. September zahlreiche PKK-Anhänger aus Bayern teil. Vor dem Hintergrund der kriegerischen Auseinandersetzungen in Nahost kam es auch in Bayern zu Rekrutierungsbemühungen der PKK. Dadurch kam es auch zu Ausreisen von Personen aus dem kurdischen Spektrum in Bayern in das Konfliktgebiet Türkei/ Syrien zum Zweck der Unterstützung prokurdischer Konfliktparteien. Zudem war eine gestiegene Anzahl von Asylbewerbern feststellbar, die im Verfahren angaben, in Syrien oder dem Nordirak für die PKK oder die PKK-nahe syrisch-kurdische Miliz YPG gekämpft zu haben. Teilweise schlossen sich diese Personen auch den örtlichen PKK-Strukturen in Bayern an. Wenngleich sich im Verhältnis zum Vorjahr eine leichte Lageberuhigung im Hinblick auf das Gewaltund Konfrontationsniveau der PKK-Szene in Bayern einstellte, zeigte sich anderorts, dass die Bereitschaft unter PKK-Anhängern, auch Gewalt anzuwenden, weiterhin hoch ist. Die konsequente Durchsetzung des erweiterten Verbots von PKK-Kennzeichen und Symbolen seitens der deutschen Sicherheitsbehörden erzeugte bisweilen aggressive Reaktionen. Im November kam es in Düsseldorf zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen PKK-nahen Demonstranten und der Polizei, nachdem ein Demonstrationszug aufgrund der Verwendung von Bannern und Fahnen mit verbotener PKK-Symbolik gestoppt wurde. Dabei wurde auch eine Person aus Bayern festgenommen. Eine für den Zeitraum zwischen 12. und 15. August angekündigte Fahrradkundgebung durch Bayern wurde ebenfalls aufgrund der Verwendung verbotener Kundgebungsmittel vorzeitig abgebrochen. Der Fahrradkorso mit etwa 30 Teilnehmern sollte ursprünglich von Nürnberg nach München führen. Nachdem während der Fahrt wiederholt Fahnen und Banner mit verbotenen 84 > Inhaltsverzeichnis Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 PKK-Symbolen gezeigt wurden, griff die bayerische Polizei ein und führte eine Ansprache der Versammlungsleiter und -teilnehmer durch. Daraufhin wurde der Fahrradkorso durch die Organisatoren abgebrochen. Im Zusammenhang mit der Erweiterung der Verbotsverfügung gegen die PKK und ihre Kennzeichen ist auch weiterhin mit darauf bezogenen Protest-, Umgehungsund Provokationsaktionen seitens der PKK und ihrer Anhänger in Deutschland zu rechnen. Vor allem das Verbot des öffentlichen Zurschaustellens des Konterfeis des PKK-Gründers Abdullah Öcalan birgt ein hohes Emotionalisierungsund Mobilisierungspotenzial unter PKK-Anhängern. 3.2 Türkische Linke 3.2.1 DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front)/ Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Mitglieder Deutschland: 650 Bayern: 80 Gründung 1994 in Syrien Publikation Yürüyüs Die DHKP-C ist in Deutschland seit 1998 verboten. Die Verbreitung der Publikation "Yürüyüs" ist nach Mitteilung des Bundesministeriums des Innern strafbar. Die revolutionär-marxistische DHKP-C zählt zu den militantesten türkischen Extremistengruppen, die mithilfe einer bewaffneten Revolution auf die Zerschlagung des türkischen Staates zielen. Ziele ihrer Agitation sind die NATO, die USA sowie die Türkei und ihre Gesellschaftsordnung. Die DHKP-C richtet sich damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährdet die Innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Die DHKP-C wurde 1994 in Syrien gegründet und ging aus dem "Karatas-Flügel" der "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervor. Sie versteht sich, wie die Ursprungsorganisation, als eine an den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus ausgerichtete Volksbewegung. Die DHKP-C erklärte 1999 für Deutschland einen Gewaltverzicht, wobei jedoch am bewaffneten Kampf in der Türkei festgehalten wurde. Das Bundesministerium des Innern verfügte 1998 ein Vereinsverbot. Seit 2002 ist die DHKP-C auf der EU-Terrorliste aufgeführt. > Inhaltsverzeichnis 85 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Ausländerextremismus Für die DHKP-C als linksextremistische Organisation war der G20-Gipfel in Hamburg ein zentrales politisches Ereignis. Die DHKP-C rief dazu auf, sich an Protestaktionen zu beteiligen. Am 17. Juni fand in Fulda ein Konzert der türkischen Musikgruppe Grup Yorum "GRUP YORUM" statt, an dem sich auch einige Aktivisten aus Bayern beteiligten. Die Band, die für ihre politischen Songtexte bekannt ist und nach eigenem Bekunden ein dezidiert "revolutionär-sozialistisches Musikverständnis" pflegt, tritt in Deutschland vorrangig bei Veranstaltungen auf, die durch Verantwortliche der DHKP-C oder deren Tarnvereine organisiert werden. Die DHKP-C nutzt die Popularität von "GRUP YORUM", um für ihre Veranstaltungen über ihren eigenen Anhängerkreis hinaus Personen anzusprechen und zu mobilisieren. 3.2.2 Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten - Partizan Flügel (TKP/ML - Partizan Flügel) Mitglieder Deutschland: 800 Bayern: 80 Gründung 1994 in der Türkei Die TKP/ML - "Partizan Flügel" vertritt die Ideologie des Marxismus-Leninismus, ergänzt um die Ideen Mao Tse-tungs. Sie befürwortet den bewaffneten Kampf und propagiert den Bürgerkrieg. Ziel ist die Errichtung eines kommunistischen Regimes. Die TKP/ML - "Partizan Flügel" spaltete sich 1994 aus der bereits seit den 1970er-Jahren bestehenden Mutterorganisation "TKP/ML" ab. Die Anhänger der TKP/ML - "Partizan Flügel" sind seit Sommer 1997 in den beiden Basisorganisationen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei e. V." (ATIF) und der Ende 1986 gebildeten "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) organisiert. Beide Vereinigungen präsentieren sich als Massenorganisationen und tarnen ihre Verbindungen zur TKP/ML - "Partizan Flügel". Sie beschränken sich in Deutschland auf Propagandaaktivitäten und auf die Beschaffung finanzieller Mittel. Strafverfahren Im Jahr 2015 hat der Generalbundesanwalt Exekutivmaßnahvor dem OLG men gegen mutmaßliche Mitglieder der TKP/ML eingeleitet, daMünchen runter auch gegen zwei Aktivisten aus dem Raum Nürnberg. Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, sich als Mitglieder bzw. Rädelsführer an der ausländischen terroristischen Vereinigung 86 > Inhaltsverzeichnis Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 "TKP/ML" beteiligt zu haben. Gegen zehn Personen wurde deshalb Anklage wegen Verstoßes gegen SSSS 129 a, 129 b StGB erhoben. Am 17. Juni 2016 hat der Prozess vor dem Oberlandesgericht München begonnen. Seitdem finden regelmäßig Kundgebungen von Anhängern der "TKP/ML" vor dem Gerichtsgebäude statt. Das Verfahren dauert noch an. 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Mitglieder Deutschland: 600 Bayern: 30 Gründung 1994 in der Türkei Publikation Atilim (Angriff) Die MLKP ist marxistisch-leninistisch geprägt und strebt die gewaltsame Zerschlagung der staatlichen Ordnung der Türkei und die dortige Errichtung einer kommunistischen Diktatur an. Die in der Türkei verbotene terroristische MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Ihre Basisorganisation ist die "Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e. V." (AGIF) mit Sitz in Köln. Die örtlichen AGIF-Vereine in Deutschland sind zuständig für die politische Basisarbeit. Ihr europäischer Dachverband trägt den Namen "Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa" (AvEG-KON). Mit ihrer Jugendorganisation "Young Struggle" gelingt es der MLKP weiterhin, auch junge Menschen in Bayern zu mobilisieren. Die Parteijugend organisierte mehrere Gedenkveranstaltungen für MLKP-Aktivisten, die im syrischen Bürgerkrieg ums Leben gekommen sind. "Young Struggle"-Aktivisten waren auch Protest von Young an den Protesten vor einer Nürnberger Berufsschule am 31. Mai Struggle Aktivisten beteiligt, als es im Zusammenhang mit einer Abschiebemaßnahgegen Abschiebung me zu gewaltsamen Aktionen gegen die Polizeikräfte vor Ort kam. Am 10. Juni organisierten MLKP-Anhänger eine Demonstration in Nürnberg zum Thema Pressefreiheit in der Türkei. Die Kundgebung thematisierte die zahlreichen Verhaftungen linker und regierungskritischer Journalisten in der Türkei. Auch an den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg war die MLKP beteiligt. Unter den Demonstranten befanden sich sowohl Anhänger der MLKP als auch von "Young Struggle". > Inhaltsverzeichnis 87 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Ausländerextremismus 3.3 Türkische Rechtsextremisten: ÜlkücüBewegung ("Idealisten"-Bewegung) Mitglieder Deutschland: 10.000 Bayern: 1.350 Publikationen Türk Federasyon Bülteni und Alperen/Alperen-Genclik Die "Ülkücü-Bewegung" umfasst ein breites Spektrum ultranationalistischen und rassistischen Gedankenguts, teils werden auch einzelne Elemente islamistischer Ideologie aufgegriffen. Symbol der Bewegung ist ein mit fünf Fingern stilisierter Wolfskopf, weshalb die Anhänger der Bewegung auch als "Graue Wölfe" bezeichnet werden. Die zahlenmäßig stärkste Anhängerschaft der "Ülkücü-Bewegung" in Deutschland ist in sog. Kulturund Idealisten-Vereinen der "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V." (ADÜTDF) organisiert. Die ADÜTDF wurde 1978 in Frankfurt am Main durch den Zusammenschluss von zahlreichen türkischen Vereinen gegründet. Die nationalistische ADÜTDF vertritt eine extreme Variante des türkischen Nationalismus und ist damit Teil der weltweit organisierten "Ülkücü-Bewegung". Durch ihr teilweise extrem nationalistisches Gedankengut verfolgt die ADÜTDF Bestrebungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker richten. Sie gilt seit ihrer Gründung als Auslandsorganisation der türkischen "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP), dem politischen Arm der "ÜlkücüBewegung" in der Türkei. Die ADÜTDF ist in Bayern vor allem mit kulturellen, religiösen und sportlichen Veranstaltungen aktiv, auch um neue Mitglieder zu werben. Regionale Schwerpunkte sind die Ballungsräume München, Nürnberg und Augsburg. Als weiterer Dachverband ist der "Verband der Türkischen Kulturvereine in Europa e. V." (ATB) der "Ülkücü-Bewegung" zuzuordnen. Der ATB mit Sitz in Frankfurt am Main wurde im Jahr 1992 in Deutschland gegründet. Er verbindet die islamische Komponente mit türkisch-nationalistischem Gedankengut und zielt auf eine bewusste Beeinflussung und Prägung der Mitglieder im türkisch-nationalistischen und islamisch-religiösen Sinne. 88 > Inhaltsverzeichnis Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Mit dem Motorradclub "Turkos MC" und dem "Turan e. V." sind auch rockerähnliche Organisationen der "Ülkücü-Bewegung" zuzuordnen. Seit 2014 treten Chapter des "Turkos MC" auch in Bayern in Erscheinung. Die "Turan-Gruppierung" ist seit 2015 in München aktiv. Ein nicht unerheblicher Teil der "Ülkücü-Bewegung" ist vereinsmäßig ungebunden und agitiert vorwiegend über die sozialen Netzwerke. Diese vor allem jugendlichen Anhänger der "Ülkücü"-Ideologie propagieren rassisch, kulturell und teilweise auch religiös geprägte Überlegenheitsideale und weisen eine erhöhte Aggressionsund Gewaltbereitschaft, insbesondere Erhöhte Gewaltgegen die kurdische Volksgruppe, auf. Ihre Zugehörigkeit zur bereitschaft der türkisch-rechtsextremistischen Szene demonstrieren die ver"ÜLKÜCÜ"-Jugendeinsmäßig ungebundenen Anhänger vor allem durch die Verbewegung wendung typischer Symbole und Kennzeichen wie dem "Wolfsgruß". Wiederholt konnten einzelnen "Ülkücü"-Anhängern in Deutschland und Bayern Straftaten wie Volksverhetzung (SS 130 StGB) Strafverfahren wegen nachgewiesen werden. Seit Mai muss sich der Vorsitzende eiVolksverhetzung in nes Augsburger "Ülkücü"-Vereins wegen Volksverhetzung und Augsburg Beleidigung vor dem Amtsgericht Augsburg verantworten. Ein Urteil ist noch nicht ergangen. Die Türkei und die dortigen politischen Entwicklungen stellen für die "Ülkücü"-Anhänger in der Bundesrepublik Deutschland eine wesentliche Bezugsgröße dar. Das türkische Verfassungsreferendum vom 16. April war auch innerhalb der hiesigen "Ülkücü"Szene ein zentrales Thema. Parallel zur Situation in der Türkei war auch die "Ülkücü-Bewegung" in Deutschland bezüglich des Referendums gespalten. Während sich die Führung der türkischen Oppositionspartei MHP für eine Verfassungsänderung aussprach und die Mitglieder und Anhänger zur Unterstützung des Ja-Lagers aufrief, lehnten vor allem Teile der Parteibasis die Änderung der Verfassung klar ab. In Deutschland und Bayern waren es in erster Linie vereinsmäßig unorganisierte "Ülkücü"-Anhänger, die sich vor allem in den sozialen Medien für eine Verfassungsänderung im Sinne der türkischen Regierung einsetzten. > Inhaltsverzeichnis 89 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Ausländerextremismus 3.4 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) Mitglieder Deutschland: 1.000 Bayern: 30 Gründung 1972 auf Sri Lanka Bei der LTTE handelt es sich um eine paramilitärische Separatistenorganisation auf Sri Lanka mit dem Ziel eines unabhängigen tamilischen Staates. Der Rat der Europäischen Union stuft die LTTE seit 2006 offiziell als Terrororganisation ein. Mit Urteil vom 26. Juli befand der EuGH jedoch unter anderem, dass der Rat für die Zeit nach 2009 nicht mehr ausreichend dargelegt hätte, weshalb die "Tamilischen Tiger" weiterhin als Terrororganisation zu werten seien. Eine Umsetzung des Urteils steht noch aus. Die in Deutschland lebenden aktiven LTTE-Anhänger verfolgen Bestrebungen, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Ziel der LTTE ist ein autonomer Staat im Norden und Osten der Inselrepublik Sri Lanka, wo der größte Teil der tamilischen Minderheit lebt. Bis zu ihrer militärischen Zerschlagung 2009 versuchte die LTTE gewaltsam, dieses Ziel zu erreichen. Seitdem befindet sie sich in einem Restrukturierungsprozess. Im Rahmen der organisatorischen Erneuerung haben sich in Deutschland verschiedene Flügel gebildet: Während die sog. "Hardliner" auf die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes in Sri Lanka setzen, streben die "Moderaten" eine politische Lösung an. Seit Beginn des Jahres 2013 sind vermehrt Versuche erkennbar, die verfeindeten Flügel wieder zu vereinen. Teilweise werden auch gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt. In Deutschland tritt die LTTE unter ihrem eigentlichen Namen öffentlich nicht auf. Ihre Ziele und Interessen werden hier durch das "Tamil Coordination Committee" (TCC) mit Sitz in Oberhausen/Nordrhein-Westfalen und zahlreiche nahestehende Organisationen vertreten. Der TCC trägt durch regelmäßige Heldengedenktage, Mahnwachen und sonstige Kulturveranstaltungen 90 > Inhaltsverzeichnis Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 zur Verbreitung der Ideologie der LTTE bei und möchte die Öffentlichkeit auf die aus ihrer Sicht desolate Situation der tamilischen Bevölkerung in Sri Lanka aufmerksam machen. Neben zahlreichen weiteren Veranstaltungen im Bundesgebiet fand am 27. November in Dortmund der jährliche Heldengedenktag des TCC-Deutschland mit deutlich über 2.000 Teilnehmern statt. Die Ballungsräume München und Nürnberg sind regionale Schwerpunkte der Anhängerschaft in Bayern. > Inhaltsverzeichnis 91 Rechtsextremismus Rechtsextremismus Fast die Hälfte des Personenpotenzials lässt sich keiner rechtsextremistischen Partei oder Organisation zuordnen Rechtsextremisten stellen mit "nationalen Streifen" und "Bürgerwehren" das staatliche Gewaltmonopol in Frage und schüren Ängste vor Migranten Die Identitäre Bewegung provoziert vermehrt durch öffentlichkeitswirksame Aktionen 92 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus hat viele verschiedene Ausprägungen: Parteien kämpfen um Einfluss in Parlamenten. Ideologen versuchen, rassistisches und nationalistisches Gedankengut intellektuell zu verpacken. Antisemiten schreiben der Existenz von Juden die Ursache aller Probleme zu. Neonazis bekennen sich offen zum Nationalsozialismus und treten teilweise aggressiv und kämpferisch auf. Daneben versuchen sie durch die Gründung von Tarnorganisationen, ihre wahren Absichten zu verschleiern. Kennzeichnend für rechtsextremistische Strömungen sind die übersteigerte Betonung der Nation sowie ein autoritäres Denken, das die "Volksgemeinschaft" über das Individuum stellt. Gemeinsames Ziel ist die Abschaffung zentraler Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, beispielsweise das Recht auf Wahlen. Darüber hinaus richten sich rechtsextremistische Bestrebungen gegen die universelle Geltung der Menschenrechte und die im Grundgesetz verankerte Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz. Das rechtsextremistische Weltbild geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zu einer "Rasse" den Wert eines Menschen bestimmt. Rassistisch motiviert ist neben der rechtsextremistischen Agitation gegen Flüchtlinge und Asylsuchende auch die Überzeugung, durch "Ethnopluralismus", d. h. durch die räumliche und kulturelle Trennung unterschiedlicher Ethnien, die Identität des Volkes zu schützen. > Inhaltsverzeichnis 93 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus 1. PERSONENPOTENZIAL IN BAYERN Parteien 2017 NPD 600 Der Dritte Weg 140 DIE RECHTE 20 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen* 580 Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches 1.060 Personenpotenzial** Summe 2.400 Mehrfachzählungen*** 80 Gesamtzahl 2.320 Neonazis von der Gesamtzahl 670 Gewaltorientierte Personen von der Gesamtzahl**** 1.000 Die Zahlen sind geschätzt und gerundet. * Dazu zählen Personen in rechtsextremistischen Zusammenschlüssen und Vereinen, beispielsweise in subkulturell geprägten Gruppen oder in neonazistischen Kameradschaften. Als Kategorie neu eingeführt im Jahr 2017. ** Dazu zählen Rechtsextremisten, die keiner Partei oder Organisation zugeordnet werden können, beispielsweise rechtsextremistische Internetaktivisten oder rechtsextremistische Strafund Gewalttäter. Als Kategorie neu eingeführt im Jahr 2017. *** Mehrfachzählungen werden vom Gesamtpotenzial abgezogen. **** Dazu zählen gewalttätig, gewaltbereit, Gewalt unterstützend und Gewalt befürwortend. Personenpotenzial Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Bayern belief in Bayern sich Ende 2017 auf insgesamt 2.320 Personen. Dies entspricht einem Zuwachs von 120 Personen im Vergleich zum Vorjahr (2016: 2.200). Während das Personenpotenzial der Parteien NPD (2016: 700) und "DIE RECHTE" (2016: 40) rückläufig war, stieg das Personenpotenzial der Partei "Der Dritte Weg" im Vergleich zum Vorjahr um 10 auf nunmehr 140 Personen an (2016: 130). Die Zahl der Neonazis ist leicht gesunken, von 700 im Jahr 2016 auf 670 im Jahr 2017. 94 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Das Kategoriensystem zur Erfassung des rechtsextremistischen Personenpotenzials wurde im Jahr 2017 überarbeitet. Unterschieden werden die drei Kategorien - Parteien, - parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen - sowie weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. Im Jahr 2017 wurden in Bayern insgesamt 760 Mitglieder und Sympathisanten rechtsextremistischer Parteien erfasst. Die Kategorie der parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen umfasst Personen in rechtsextremistischen Zusammenschlüssen und Vereinen, beispielsweise in subkulturell geprägten Gruppen oder in neonazistischen Kameradschaften. In 2017 zählten hierzu insgesamt rund 580 Personen. Dem weitgehend unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial werden Rechtsextremisten zugeordnet, die keiner Partei oder Organisation zugerechnet werden können, wie beispielsweise rechtsextremistische Internetaktivisten oder rechtsextremistische Strafund Gewalttäter. Das Potenzial dieses Personenkreises lag im Jahr 2017 bei insgesamt rund 1.060. 2. GEWALTPOTENZIAL Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, verbunden mit Hass und Gewaltkult Ablehnung von Demokratie und pluralistischer Gesellschaft, bilden den Nährboden für rechtsextremistische Gewalttaten. Die Abwertung und die Entmenschlichung von Menschen und Menschengruppen fördern ein Sinken der Hemmschwelle zur Gewaltanwendung. Der in Teilen der Szene gepflegte Gewaltkult, der mit der Verherrlichung von "kriegerisch-soldatischer Tugend" einhergeht, wirkt sich ebenfalls auf Gewaltbefürwortung und -anwendung aus. In der Vergangenheit fielen innerhalb der rechtsextremistischen Szene in erster Linie Neonazis und Skinheads durch ihre Gewaltbereitschaft auf. Beispiele hierfür waren bereits in den 1990erJahren die rassistischen Übergriffe in Mölln, Solingen und Rostock-Lichtenhagen. Zu dieser Zeit wurde die rechtsextremistische Szene jünger, aktionistischer und militanter. Innerhalb der Szene kursierten Texte, die zum bewaffneten Kampf aufriefen wie beispielsweise "The Turner Diaries" des US-amerikanischen Rechtsextremisten und Verlegers William Pierce, in denen er den Rassenkrieg propagierte. > Inhaltsverzeichnis 95 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Im Zusammenhang mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 bekam die rechtsextremistische Szene ideologischen und propagandistischen Auftrieb, wodurch ein Resonanzboden für rechtsextremistische Ideologiefragmente entstand. Die Folge war ein Ausfransen der rechtsextremistischen Szene in ein Umfeld hinein, das bislang nicht in rechtsextremistischen Strukturen verankert war, diesen aber offenkundig ideologisch nahesteht. Dies hatte Auswirkungen auf Radikalisierungsprozesse und rechtsextremistisch motivierte politische Gewalt: Viele Strafund Gewalttaten gegenüber Flüchtlingen und deren Unterkünften wurden in der Folge von radikalisierten Personen und Kleingruppen begangen, die bislang keine Bindung an rechtsextremistische Strukturen aufwiesen. Befeuert wird dies insbesondere durch unzählige Hasskommentare im Internet und in sozialen Netzwerken, die geprägt sind von der rassistischen Abwertung von Migranten und teilweise offen kommunizierten Gewaltfantasien. Der Personenkreis, von dem rechtsextremistisch motivierte Gewalt ausgehen kann, hat sich dadurch vergrößert. 2.1 Gewaltorientierte rechtsextremistische Szene in Bayern Die Mehrzahl der rechtsextremistischen Gewalttaten wird spontan verübt. Häufig erfolgen solche Taten aus einer Situation heraus, in der Rechtsextremisten - einzeln oder in kleinen Gruppen - auf Personen treffen, die den typischen rechtsextremistischen Feindbildern entsprechen. Allerdings gibt es auch immer wieder Zusammenschlüsse von Personen, die auf eine geplante Begehung von Gewalttaten abzielen. Haftstrafen für Im Prozess gegen vier Mitglieder der "OIdschooI Society" (OSS) Mitglieder der verkündete das Oberlandesgericht München am 15. März das "Oldschool Society" Urteil. Nach elfmonatiger Beweisaufnahme verurteilte sie das Gericht zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten eine terroristische Vereinigung mit dem Ziel, Anschläge auf Flüchtlinge bzw. deren Wohnumgebung durchzuführen, gebildet hatten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die rechtsextremistische OSS hatte sich im August 2014 als zunächst virtuelle Gruppe bei einem Instant-Messenger-Dienst gegründet. Es entstanden mehrere Chatgruppen, die hauptsächlich zur Kontaktpflege und zum Austausch rechtsextremistischer Ansichten genutzt wurden. Oberflächliche völkisch-rassistische Ideologieelemente vermischten sich mit der Ablehnung von Menschen mit Migrationshintergrund und Muslimen. In der 96 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Hauptchatgruppe waren bis zu 20 Personen aktiv. Die Gruppe radikalisierte sich so weit, dass Mitglieder sich zum Ziel setzten, in kleinen Gruppen Anschläge zu begehen. Für derartige Aktionen waren bereits pyrotechnische Gegenstände beschafft worden. Am 6. Mai 2015 hatten schließlich rund 250 Beamte von Bundeskriminalamt (BKA), Bundespolizei und verschiedenen Landespolizeibehörden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts (GBA) die Wohnungen von zehn Rechtsextremisten in mehreren Bundesländern durchsucht. In einem weiteren Strafverfahren ist seit Sommer 2016 eine Gruppe von Hooligans und Rechtsextremisten wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Vorbereitung eines Explosionsverbrechens (SSSS 129, 310 StGB) vor dem Landgericht Bamberg angeklagt. Unter den Angeklagten sind auch mehrere frühere Aktivisten der Partei "DIE RECHTE" sowie einzelne Personen, die der seit März 2016 verbotenen rechtsextremistischen Gruppierung "Weisse Wölfe Terrorcrew" (WWT) zuzurechnen waren. Ihnen wird vorgeworfen, mehrere Straftaten, u. a. Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte in Bamberg, geplant zu haben. Ein weiteres mutmaßliches Anschlagsziel war ein Lokal, das auch von Linksextremisten genutzt wird. Bei diesen Aktionen sollte Pyrotechnik zum Einsatz kommen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. 2.2 Gewalt gegen Flüchtlinge Die aggressive Hetze gegen Flüchtlinge, die rechtsextremistische Parteien wie NPD, "Der Dritte Weg" und "DIE RECHTE" und andere rechtsextremistische Organisationen insbesondere über das Internet verbreiten, dauerte auch 2017 an. Die Zahl der in diesem Zusammenhang begangenen Straftaten ging jedoch bundesweit zurück. So wurden bis zum 31. Dezember 2017 in Bayern insgesamt 32 Übergriffe auf Liegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen registriert , davon waren 29 rechtsextremistisch motiviert (2016: insgesamt 94 Delikte, davon 84 rechtsextremistisch motiviert). Die den Sicherheitsbehörden der Bundesländer vorliegenden Erkenntnisse ergaben bislang keine Anhaltspunkte für eine zentrale Steuerung von Gewalttaten oder eine regionale oder überregionale Koordinierung von Straftaten durch Rechtsextremisten. Täter waren nicht nur gewaltorientierte Szeneangehörige, sondern auch Personen, die bislang nicht in rechtsextremistischen Strukturen aktiv waren. Die Ergebnisse der polizeilichen Auswertung zeigen, dass es sich bei den ermittelten Tatverdächtigen häufig > Inhaltsverzeichnis 97 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus um männliche Personen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren handelt. Teilweise waren es auch Jugendliche, die als Einzeltäter oder in kleinen Gruppen auftraten und nur in wenigen Fällen vorangegangene Bezüge zur rechtsextremistischen Szene aufwiesen. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass rechtsextremistische und fremdenfeindliche Propaganda und Agitation in nichtextre - mistische Milieus hineinwirken kann. Häufig stammen die Tatverdächtigen sogar aus der unmittelbaren Nachbarschaft des angegriffenen Objekts. Einige Tatverdächtige haben einen allgemeinkriminellen Vorlauf bzw. Bezüge zur Hooligan-Szene. Nur in Ausnahmefällen waren die Tatverdächtigen alkoholisiert, was ein Indiz dafür ist, dass Angriffe gegen Flüchtlinge in der Regel gezielt durchgeführt wurden. Gewalttaten gegen Bei der Mehrzahl der Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte Asylunterkünfte handelte es sich um Sachbeschädigungen. Es wurden jedoch auch zwei Gewalttaten begangen. Am 1. Januar wurde vor dem Eingang eines Asylbewerberheims in Altusried (Oberallgäu) ein dort befindlicher Standaschenbecher mittels eines nicht zugelassenen pyrotechnischen Gegenstands gesprengt. Die Detonation war so stark, dass es in deren Folge zu erheblichen Beschädigungen auch im Innenbereich der Unterkunft kam. Am 12. Februar schlugen in Bärnau in der Oberpfalz in den frühen Morgenstunden sechs Beschuldigte gegen ein Rollo und die Eingangstüre im Erdgeschoss der dortigen Asylbewerberunterkunft. Dabei schrien sie: "Polizei, aufmachen!". Nachdem Bewohner die Tür öffneten, betraten die Beschuldigten das Haus. Daraufhin drang einer von ihnen in die Räumlichkeiten der Unterkunft ein und hob die Hand zum Hitlergruß. Die Beschuldigten beschädigten Teile der Unterkunft und bedrängten zwei irakische Bewohner. Nachdem sie das Erdgeschoss durchsucht hatten, verließen sie das Anwesen. Gewalttaten gegen In acht Fällen wurden auch rechtsextremistisch motivierte GeFlüchtlinge walttaten begangen, die sich unmittelbar gegen einzelne Asylbewerber richteten. In Obergünzburg (Lkr. Ostallgäu) etwa sprachen am 8. Januar drei Personen einen Asylbewerber an und beleidigten ihn. Einer der Beschuldigten gab dem Geschädigten eine Ohrfeige und schlug ihn mit der Faust. Anschließend hielt der zweite Beschuldigte den Asylbewerber fest, der dritte Täter stach ihm mit einem Messer in den linken Oberschenkel. Der Geschädigte konnte trotz der Verletzungen flüchten. 98 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Am 18. Februar schlug eine männliche Person in München vor einer Sparkasse auf einen Asylbewerber ein. Zuvor hatte er ihn rassistisch beleidigt. Infolge eines gewaltsamen Übergriffs auf zwei somalische Ermittlungsverfahren Flüchtlinge am 26. November 2016 in Fürstenfeldbruck leitete gegen "Bavaria die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren geVikings" gen die mutmaßlichen Angehörigen der Gruppierung "Bavaria Vikings" wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung ein. Am 14. März kam es zu Durchsuchungsmaßnahmen in mehreren Objekten in Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Das Ermittlungsverfahren dauert zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch an. Am 3. November verurteilte das Amtsgericht München eine Person wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Der Täter hatte im April 2016 versucht, sich gewaltsam Zutritt zu einer Asylunterkunft in Unterföhring zu verschaffen und dabei einem Sicherheitsmitarbeiter die Hand gebrochen. Er hat sich zudem abfällig und aggressiv gegenüber Asylbewerbern und anwesenden Personen geäußert und gedroht, dass er "alle Flüchtlinge umbringen und die Halle runterreißen" werde. 2.3 Auftritt der Kameradschaft Aryans bei rechtsextremistischer 1.-Mai-Kundgebung in Halle a. d. Saale Die rechtsextremistische Kameradschaft "Aryans" trat 2017 erstmals in Erscheinung. Unter den Teilnehmern der rechtsextremistischen 1.-Mai-Kundgebung der Partei "DIE RECHTE" in Halle a. d. Saale befand sich eine Personengruppe, die einheitlich gestaltete Pullover mit der Aufschrift "Aryans" (= Arier) trug. Darunter waren auch Rechtsextremisten aus Bayern. Im Anschluss an die Kundgebung waren Personen, die den "Aryans" zuzurechnen sind, an Gewalttaten beteiligt. Eine Gruppe Jugendlicher wurde mit Gegenständen beworfen und angegriffen. Bei dem Angriff gab es unter den Jugendlichen mehrere Verletzte. Einige der "Aryans"-Mitglieder aus Bayern, die an der 1.-Mai-Kundgebung in Halle teilgenommen haben, waren den bayerischen Sicherheitsbehörden bereits zuvor im Zusammenhang mit einer rechtsextremistischen Feier in Aschaffenburg am 4. Februar aufgefallen. Die von ca. 30 bis 40 Rechtsextremisten besuchte Feier auf einem Privatgrundstück in Bessenbach wurde durch die Polizei vorzeitig beendet, nachdem ein großes Hakenkreuz aus Holz entdeckt worden war. Das Hakenkreuz sollte im Rahmen der Feier aufgestellt und verbrannt werden. > Inhaltsverzeichnis 99 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus 2.4 NSU-Prozess Die rechtsterroristische Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) hat zwischen September 2000 und April 2007 bundesweit insgesamt zehn Personen ermordet. Drei dieser Taten wurden in Nürnberg (2000, 2001 und 2005) und zwei in München (2001 und 2005) begangen. Der Gruppierung werden weitere rechtsextremistisch motivierte Sprengstoffanschläge und eine Vielzahl von Banküberfällen zugerechnet. Die als Haupttäter erkannten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wurden am 4. November 2011 erschossen in einem von der Polizei umstellten Wohnmobil aufgefunden. Die als Mittäterin verdächtige Beate Zschäpe stellte sich nach mehrtägiger Flucht am 8. November 2011 der Polizei und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Am 6. Mai 2013 begann vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München der Prozess gegen Zschäpe und weitere Beschuldigte u. a. wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung im Zusammenhang mit dem NSU. Am 12. September verkündete die Bundesanwaltschaft schließlich ihre Strafforderungen: Für die Angeklagte Beate Zschäpe wurde lebenslange Haft bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld u. a wegen zehnfachen Mordes und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Für die vier weiteren Angeklagten beantragte die Bundesanwaltschaft Freiheitsstrafen zwischen zwölf und drei Jahren. Die Partei "Der Dritte Weg" diffamierte auf ihrer Homepage den NSU-Prozess als "Schauprozess". 100 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 2.5 Rechtsextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" Politisch motivierte Gewaltdelikte 2015 2016 2017 Tötungsdelikte (auch Versuch) 0 5 0 Körperverletzungen 78 91 59 Brandund Sprengstoffdelikte 6 5 1 Landfriedensbruch 1 0 0 Erpressung 1 8 6 sonstige 5 4 2 Gewalttaten gesamt 91 113 68 Kriminelle Vereinigung/Terrorismus 1 1 1 sonstige Straftaten Sachbeschädigungen 137 133 154 Propagandadelikte 1.287 1.298 1.085 Nötigung/Bedrohung 49 49 48 Volksverhetzung 484 558 345 sonstige Straftaten 244 227 196 gesamt 2.201 2.265 1.829 Straftaten insgesamt 2.293 2.379 1.897 > Inhaltsverzeichnis 101 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Gewalttaten Im Jahr 2017 wurden in Bayern 68 rechtsextremistisch motivierte Gewaltdelikte registriert (2016: 113). Dabei handelt es sich überwiegend um Körperverletzungsdelikte. Von den Gewalttaten waren 20 (2016: 25) allgemein neonazistisch motiviert; 14 dieser Delikte waren gegen den politischen Gegner gerichtet (2016: 9). 48 Gewalttaten (2016: 84) waren fremdenfeindlich motiviert. Bei keinem der Gewaltdelikte lag eine antisemitische Motivation zugrunde (2016: 4). Insgesamt konnten 51 Gewalttaten aufgeklärt werden, dabei wurden insgesamt 77 Tatverdächtige ermittelt, darunter 7 Frauen. Wie im Jahr 2016 gehört mit 56 Personen die überwiegende Zahl der Tatverdächtigen der Altersgruppe über 21 Jahre an, 9 der Tatverdächtigen gehören zur Altersgruppe 17 bis 21 Jahre. Sonstige Straftaten In Bayern wurden 2017 insgesamt 1.829 (2016: 2.265) sonstige rechtsextremistische Straftaten (ohne Gewalttaten) gezählt. Davon waren 1.248 neonazistisch (2016: 1.136), 440 fremdenfeindlich (2016: 768) und 141 antisemitisch motiviert (2016: 161). In den meisten Fällen handelte es sich um Propagandadelikte (2017: 1.085; 2016: 1.298), aber u. a. auch um Volksverhetzung (2017: 345; 2016: 558) und Sachbeschädigungen (2017: 154; 2016: 133). Volksverhetzungsdelikte richteten sich insbesondere gegen Ausländer und gegen Mitbürger jüdischen Glaubens. Häufig sind diese Straftaten verbunden mit einem gewalttätigen Vorgehen der Täter. In München riefen sechs Männer am 13. Mai in einem öffentlichen Verkehrsmittel antisemitische Parolen und versuchten, gegenüber einer Reisenden handgreiflich zu werden. Propagandadelikte machen nach wie vor den Großteil rechtsextremistischer Straftaten aus. Beispielsweise wurden Hakenkreuze auf Wände und Fahrzeuge gesprüht bzw. geritzt und Parolen wie "Heil Hitler" und "Sieg Heil" gerufen. Neonazis verwenden z. B. auf dem Display ihres Mobiltelefons NS-Symbole als Standard-Einstellung und nutzen den Short Message Service (SMS) sowie den Multimedia Messaging Service (MMS), um neonazistische Grafiken, Filme und Lieder zu Propagandazwecken an andere Handy-Besitzer zu übermitteln. 102 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 3. RECHTSEXTREMISTISCHE THEMENFELDER UND AKTIONSFORMEN 3.1 Rechtsextremistische Themenfelder Der Rechtsextremismus tritt in verschiedenen Ausprägungen nationalistischer, rassistischer und antisemitischer Ideologieelemente sowie mit unterschiedlichen, sich daraus herleitenden Zielsetzungen auf. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder Rasse entscheide über den Wert eines Menschen. Dieses rechtsextremistische Werteverständnis steht in einem fundamentalen Widerspruch zum Grundgesetz, das die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Rechtsextremisten versuchen, die nationalsozialistische GewaltKlassische Themen herrschaft unter Herausstellung angeblich positiver Leistungen zu rechtfertigen, Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime zu diffamieren und die Verbrechen des Dritten Reichs zu verschweigen, zu verharmlosen oder sogar zu leugnen (Geschichtsrevisionismus). Zusätzlich verunglimpfen sie den demokratischen Verfassungsstaat und seine Repräsentanten, indem sie beispielsweise Deutschland als Marionettenstaat ausländischer, insbesondere US-amerikanischer, Interessen darstellen. Deutsche Politiker diffamieren sie dabei regelmäßig als korrupte Handlanger ausländischer Interessen. Die eigene Organisation und ihre Vertreter sollen als die alleinigen Wahrer der Interessen des deutschen Volkes dargestellt und der politische Gegner als Verräter, der mit krimineller Energie systematisch den Interessen der Bürger schadet, diskreditiert werden. Rechtsextremisten lehnen die Kernbereiche der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab. Hinzu kommt die pauschale Überbewertung der Interessen der "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen, die zu einer Aushöhlung der Grundrechte führt (völkischer Kollektivismus). Diese Merkmale sind nicht gleichmäßig bei allen Rechtsextremisten zu beobachten. Manchmal sind nur Teilaspekte bestimmend; auch die Intensität und die Strategie des Kampfs gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind unterschiedlich. In der Propaganda von Rechtsextremisten treten seit einigen Neue Themenfelder Jahren sozial-, wirtschaftsund umweltpolitische Themen mehr und mehr in den Vordergrund. So wird z. B. Umweltschutz als "Heimatschutz" interpretiert und in den Kontext der völkischen > Inhaltsverzeichnis 103 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Bewegung gestellt. Demzufolge ist der Schutz des eigenen Volkes untrennbar mit dem Schutz der Umwelt verbunden. Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorieelementen wollen Rechtsextremisten aus den Sorgen der Bevölkerung Kapital schlagen. Teile des rechtsextremistischen Spektrums propagieren einen "volksbezogenen Sozialismus" mit dem Ziel, in sozialistisch orientierte Wählerschichten einzudringen. Agitation gegen Flüchtlinge Das rassistische Weltbild von Rechtsextremisten und ihr Nationalismus machen Asylsuchende zu einem klassischen Feindbild der rechtsextremistischen Szene. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen hatte die Agitation gegen Flüchtlinge ab Sommer 2015 an Schärfe zugenommen. Mit dem Rückgang der Einreisen von Flüchtlingen seit dem Jahr 2016 stagnieren die Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene, zugleich intensivierte sich jedoch die rassistische Hetze in sozialen Netzwerken, die dort in zunehmendem Maße auch von Personen verbreitet wird, die nicht in rechtsextremistischen Strukturen organisiert sind. Nationale Streifen Die rechtsextremistische Szene führt weiterhin Infostände, Demonstrationen, Kundgebungen sowie Flugblattverteilungen durch. Ziel der Rechtsextremisten ist es, Ängste in der Bevölkerung vor einer angeblichen Überfremdung oder Bedrohung durch Ausländerkriminalität zu schüren und sich selbst als die einzige politische Kraft darzustellen, die diese Sorgen ernst nimmt. Aktivitäten in diesem Themenfeld gehen in Bayern u. a. von den Parteien NPD und "Der Dritte Weg" (III. Weg) sowie von der "Identitären Bewegung" (IB) und "PEGIDA"-Gruppen aus. Die Partei "III. Weg" führte auch sogenannte "Nationale Streifen" durch, mit denen sie den Eindruck vermitteln möchte, staatliche Strukturen seien nicht in der Lage, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Meist weisen die Durchführungsorte einen Bezug zu sicherheitsrelevanten Vorfällen auf, bei denen Asylsuchende oder Personen mit Migrationshintergrund unter Tatverdacht stehen. Die Aktionen der Rechtsextremisten richten sich vorwiegend gegen bestehende, geplante und im Bau befindliche Aufnahmeeinrichtungen oder Flüchtlingsunterkünfte. Die Summe der einschlägigen Aktionen und Veröffentlichungen im Aktionsfeld Anti-Asyl sowie die Art der thematischen Darstellung sind dazu geeignet, die ausländerfeindliche Stimmung innerhalb der rechtsextremistischen Szene weiter anzuheizen. Diesbezüglich darf auch eine impulsgebende Wirkung auf radikalisierte und gewaltorientierte Einzelpersonen nicht unterschätzt werden. 104 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die Partei "III. Weg" veröffentlichte am 7. Januar 2015 auf ihrer Leitfaden gegen Website einen Leitfaden gegen Asylbewerberunterkünfte mit Asylbewerberunterdem Titel "Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft! Wie künfte; interaktive bebzw. verhindere ich die Errichtung eines Asylantenheimes in Deutschlandkarte meiner Nachbarschaft". Der "III. Weg" beschreibt darin die vermeintlichen "Folgen eines Asylantenheims in der Nachbarschaft für die heimische Bevölkerung". Er gibt detaillierte Hinweise zur Organisation des Protests sowie zu juristischen Fragestellungen. Insgesamt fügt sich der Leitfaden in die ausländerfeindlichen Beiträge auf der Website des "III. Weg" ein und leitet sich ideologisch aus dem 10-Punkte-Programm der Partei ab. Darin ist u. a. von einer angeblichen Überfremdung Deutschlands und Gefahren durch steigende Asylbewerberzahlen die Rede. Auf der Homepage der Partei "III. Weg" befindet sich außerdem eine interaktive Deutschlandkarte, auf der die Standorte der derzeit in Deutschland bestehenden bzw. geplanten Asylbewerberunterkünfte sowie die Zahl der dort untergebrachten Flüchtlinge verzeichnet sind. Zusätzlich bietet die Karte die Möglichkeit, sich sog. "Bürgerinitiativen" anzeigen zu lassen, die sich gegen derartige Aufnahmeeinrichtungen richten. Auf die interaktive Deutschlandkarte wies der "III. Weg" auch mit Kundgebungsplakaten hin. Rechtsextremistische Hetze und Agitation gegen Flüchtlinge Kampagnen "Volkssind häufig eng verbunden mit der Vorstellung des "Volkstodes". tod" und "Großer Im deutschen Rechtsextremismus ist dieses KonAustausch" zept seit einigen Jahren zentrales Agitationselement. Dabei wird angenommen, dass das deutsche Volk aufgrund von niedrigen Geburtenzahlen und stetiger Zuwanderung "volksfremder" Migranten aussterben wird. Diese Entwicklung werde von den demokratischen Politikern gewollt und forciert. Die rechtsextremistische Szene greift regelmäßig im Rahmen von Aktionen und Kampagnen die "Volkstod"-These auf. Ein weiteres Ideologiekonstrukt, das zunehmend Relevanz innerhalb des rechtsextremistischen Anti-Flüchtlings-Diskurses entfaltet, ist der sog. "Große Austausch". Dieser dem Konzept des "Volkstodes" nahestehende Begriff geht zurück auf den französischen Schriftsteller Renaud Camus, der ihn mit seinem Buch "Revolte gegen den Großen Austausch" prägte. Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) benutzt diesen Begriff für ihre Kampagnen. Die Grundannahmen des "Großen Austauschs" sind denen des "Volkstodes" ähnlich: Die ethnokulturelle Identität der europäischen Völker sei durch eine Masseneinwanderung > Inhaltsverzeichnis 105 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus kulturfremder Einwanderer bedroht. Diese Bedrohung werde ferner durch die schwachen Geburtenjahrgänge der "ethnokulturellen" Europäer verstärkt. Ein maßgeblicher Indikator dieses "Großen Austauschs" sei die, durch die Identitären ebenfalls bekämpfte, angebliche Islamisierung Europas. Diese Entwicklung wird nach der Meinung der IB durch die sogenannten "Multikultis", also die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Eliten, gesteuert. Das Ziel sei es, die angestammten Völker und Kulturen Europas so weit zu ersetzen, dass am Ende eine steuerund austauschbare "Konsumentenmasse" entstehe. Islamfeindlichkeit Rechtsextremistische Islamfeindlichkeit ist eine moderne Form der Fremdenfeindlichkeit. Rechtsextremisten verknüpfen dabei häufig auch die Agitation gegen Asylbewerber mit der Agitation gegen den Islam. Die Ablehnung der Muslime basiert auf dem rassistischen "Volksgemeinschafts"-Gedanken: Demzufolge gehören Muslime einer "raumfremden" Religion an und werden als "undeutsch" abgelehnt. Rechtsextremisten beteiligen sich beispielsweise an Diskussionen um den Bau von Moscheen, versuchen dort, das Wort zu ergreifen und die Veranstaltungen als Plattform für ihre Agitation zu nutzen. Muslime werden dabei pauschal als Bedrohung der Inneren Sicherheit dargestellt. Am 2. Juni demonstrierte der Münchner NPD-Kreisverband mit sechs Teilnehmern auf dem Münchner Marienplatz u. a. gegen den Neubau von Moscheen und eines Islamzentrums in München. Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) beschwört in ihrer politischen Agitation die Gefahr einer Islamisierung Europas, die die Folge von Migrationsbewegungen aus muslimisch geprägten Ländern sei und die sog. "ethnokulturelle Identität" der europäischen Völker bedrohe. Die IBD bemüht in diesem Zusammenhang immer wieder historische Ereignisse und stellt vermeintliche historische Zusammenhänge her. Wiederkehrende Motive sind dabei die Kämpfe des christlichen Europa gegen das Osmanische Reich in den Türkenkriegen des 16. und 17. Jahrhunderts sowie die "Reconquista", also die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel von den maurischen Herrschern in der Zeit zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert. Antisemitismus Antisemitismus und Rechtsextremistischer Antisemitismus ist eine rassistische Antizionismus Form der Judenfeindlichkeit und ein wesentlicher Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie. Antisemitismus ist inzwischen häufig auch im Gewand des Antizionismus anzutreffen. Der antizionistische Antisemitismus gibt vor, Israel zu kritisieren, lehnt aber tatsächlich das Existenzrecht Israels ab. Er diffamiert den 106 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 jüdischen Staat, indem er ihm einen "Vernichtungskrieg" und eine Politik der "Ausrottung" vorwirft. Die Feindschaft gegen den Staat Israel wird mit klassischen Stereotypen der Judenfeindschaft verbunden: von der jüdischen Finanzmacht bis hin zur jüdischen Weltverschwörung. Antisemitische Aktionen richten sich in Wort oder Tat in der Regel gegen jüdische Personen und Einrichtungen. Sie können aber auch Nichtjuden, Unternehmen und Institutionen zum Ziel haben, denen eine "Komplizenschaft" mit Juden oder dem Staat Israel unterstellt wird. Die Partei "III. Weg" verbreitet auf ihrer Website Handlungshinweise zum "Israel-Boykott". So empfiehlt die Partei, Waren zu boykottieren und an Kundgebungen gegen die "verbrecherischen Völkermordmaßnahmen der Zionisten im Nahen Osten" teilzunehmen. Außerdem sollten keine "prozionistischen Parteien" gewählt werden. Rechtsextremisten unterstützen auch Holocaust-Leugner, verUnterstützung für herrlichen sie oder wenden sich gegen deren Bestrafung. Im Holocaust-Leugner April trat der Holocaust-Leugner Horst Mahler nach einer vorübergehenden gesundheitsbedingten Haftverschonung seine verbleibende Haftstrafe nicht an und flüchtete nach Ungarn. Er wurde am 15. Mai dort festgenommen und versuchte erfolglos, sich seiner Auslieferung durch die Beantragung politischen Asyls zu entziehen. Am 28. Mai fand ein bundesweiter Aktionstag mit zahlreichen rechtsextremistischen Solidaritätskundgebungen zur Unterstützung Mahlers statt. Während der Kundgebung am 28. Mai vor dem ungarischen Generalkonsulat in München wurde Mahler in Redebeiträgen und Aufrufen als Vorkämpfer für Meinungsfreiheit und als Dissident stilisiert, der von einer "Gesinnungsjustiz" unbarmherzig verfolgt werde. Als Redner trat neben dem bayerischen Landesvorsitzenden der Partei "DIE RECHTE", Philipp Hasselbach, und der Münchner NPD-Kreisvorsitzenden Renate Werlberger auch der Münchner Stadtrat und Vorsitzende der rechtsextremistischen "Bürgerinitiative Ausländerstopp München" (BIA-München), Karl Richter, auf. Richter hatte sich am gleichen Tag auch auf Facebook zum Vorgehen der deutschen Justiz geäußert und dieses mit mittelalterlichen Ketzerund Hexenverfolgungen verglichen. Die Partei "III. Weg" kritisierte die Strafverfolgung Mahlers mit dem Kommentar: Im freisten deutschen Staat der Geschichte ist das Hinterfragen der Geschichte ein größeres Verbrechen, als das Vergiften des Volkes oder organisierte Kriminalität. > Inhaltsverzeichnis 107 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Am 6. August würdigte die Partei "III. Weg" den kurz zuvor verstorbenen Holocaustleugner Ernst Zündel auf ihrer Website als "größten Kämpfer unseres Volkes für die geschichtliche Wahrheit". Karl Richter wiederum nahm am 13. August auf Facebook Bezug auf die wiederholte Verurteilung der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck und warf den deutschen Strafverfolgungsund Justizbehörden "Meinungsgängelung" vor. Antiziganismus Der Antiziganismus, also die Agitation bzw. Feindschaft gegen Sinti und Roma, ist ein fester Bestandteil rechtsextremistischer und rassistischer Ideologie. Wenngleich der Antiziganismus das Aktionsaufkommen der rechtsextremistischen Szene in Bayern bislang nicht so deutlich prägte wie andere fremdenfeindliche Motive, kam es auch hier zu kampagnenartigen Aktionen. Die Partei "III. Weg" agitierte im August gegen eine Gruppe landfahrender Menschen, die sich in Gundihausen vorübergehend in Wohnwagen niedergelassen hatten. Der "III. Weg" verteilte Flugblätter und kündigte eine Protestaktion in der Gemeinde an. Während des Bundestagswahlkampfs zeigte die NPD in Ingolstadt Plakate mit der Aussage "Geld für die Oma statt für Sinti und Roma". Ein Eilantrag, diese Plakate wegen Volksverhetzung abhängen zu lassen, scheiterte vor dem Verwaltungsgericht München. Orientierung an Ideologie, Sprache und Aktionsformen des Nationalsozialismus Neonazistische Akteure versuchen, in ihrer Ideologie, ihren Aktionsformen und in der von ihnen verwendeten Sprache an ihre historischen Vorbilder aus der Zeit des Nationalsozialismus anzuknüpfen. Ideologische und symbolische Bezugnahmen zum Nationalsozialismus können dabei von strafrechtlicher Relevanz sein. Oft umgehen Neonazis aber eindeutig verbotene NS-Assoziationen bzw. loten die Grenzen des Erlaubten aus, indem sie die Bezugnahmen auf die NS-Zeit möglichst indirekt halten und sich auf die Verwendung von nicht verbotenen Motiven beschränken. Eines der Ziele, die Neonazis mit dieser Strategie verfolgen, ist, dass Ideologieund Sprachelemente aus der NS-Zeit Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch und die öffentliche Debatte finden. Konzept des "DeutBesonders deutlich ist dies bei der neonazistischen Partei "III. schen Sozialismus" Weg". Die Partei hat ihre politischen Zielsetzungen in einem und "Deutsche 10-Punkte-Programm niedergelegt, das deutliche Parallelen Winterhilfe" zum 25-Punkte-Programm der NSDAP aufweist. Beide Programme propagieren eine auf gemeinsamer Abstammung 108 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 basierende Volksgemeinschaft und enthalten u. a. gebietsrevisionistische Forderungen, die auf die Vereinigung aller "Volksdeutschen" in einem Staat abzielen. Noch auffälliger werden die Parallelen zum NSDAP-Programm am Thesenpapier des "III. Weg" zum "Deutschen Sozialismus". In diesem Thesenpapier werden viele arbeits-, wirtschaftsund sozialpolitische Punkte des NSDAP-Programms wieder aufgegriffen und an die heutige Zeit angepasst. Der einzelne Mensch wird nur als Teil des Volkskörpers gesehen, in den er sich einzufügen hat. Das Konzept des "Deutschen Sozialismus" spielt eine zentrale Rolle in der Agitation des "III. Weg". In direkter Anlehnung an das "Winterhilfswerk des Deutschen Volkes" der Nationalsozialisten organisiert der "III. Weg" seit einigen Jahren in den Wintermonaten die "Deutsche Winterhilfe". Ziel dieser Aktion ist es, durch das Sammeln von Sachspenden für hilfsbedürftige Deutsche Sympathien für die Partei zu wecken. Mit der Kampagne will man sich als einzige politische Kraft darstellen, die soziale Notlagen der deutschen Bevölkerung im Blick habe, während sich alle anderen politischen Kräfte angeblich ausschließlich auf Flüchtlinge konzentrierten. Flüchtlinge sind als Hilfeempfänger explizit ausgeschlossen. Um die propagandistische Wirkung zu vergrößern, wurde die Kampagne mit Flugblattaktionen und umfangreicher Berichterstattung auf den Internetseiten der Partei begleitet. Auch Sonnwendfeiern, die einen festen Platz im Terminkalender der rechtsextremistischen Szene haben, sind dem historischen Nationalsozialismus entlehnt. Damals wurden die angeblich altgermanischen Sonnenwendfeiern "wiederbelebt" und als offizielle Feiertage in die Symbolik von "Volk, Blut und Boden" integriert, insbesondere durch die SS. In dieser Tradition führen Rechtsextremisten die Winterund Sonnwendfeiern als szeneverbindende kulturelle Veranstaltungen durch. Neonazistische Gruppen pflegen eine Erinnerungskultur, die sich Neonazistische stark an Personen und Ereignissen aus der NS-Zeit orientiert und Erinnerungskultur einseitige bzw. revisionistische Geschichtsbilder vermittelt. So erinnerte der "III. Weg" am 18. Februar unter dem Motto "Ein Licht für Dresden" mit einer Kundgebung mit 160 Teilnehmern in Würzburg an die Bombardierung Dresdens im Februar 1945. Am 16. April trat in München ein ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS vor Aktivisten des "III. Weg" auf. Am 8. Mai, dem Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, gedachten Aktivisten des "III. Weg" unter dem Motto "8. Mai - wir feiern nicht!" der deutschen Kriegsopfer. Das Kriegsende wird nicht als Befreiung, sondern als Ende der deutschen Souveränität gesehen. > Inhaltsverzeichnis 109 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Am 19. August beteiligten sich rechtsextremistische Aktivisten aus Bayern an einer Demonstration unter dem Motto "Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei - Recht statt Rache!" in Berlin Spandau. Die Demonstration mit mehreren Hundert Teilnehmern fand anlässlich des 30. Todestags des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß statt. Heß gilt in neonazistischen Kreisen als Märtyrer. Die Szene zweifelt seinen Selbstmord im Kriegsverbrechergefängnis Spandau am 17. August 1987 an und glaubt vielmehr an dessen Ermordung durch die Alliierten. Am Tag vor der Demonstration wurden in Bamberg mehrere Zettel mit Rudolf-Heß-Bezug an Verkehrszeichen und Werbetafeln angebracht. Die Polizei konnte acht Tatverdächtige festnehmen. In Hallstadt im Landkreis Bamberg hängten unbekannte Täter zum Todestag von Rudolf Heß ein Stofftransparent mit der schwarzen Aufschrift "1987 - Rudolf Hess - NSB" an eine Autobahnbrücke. 3.2 Rechtsextremistische Aktionsformen 3.2.1 Parteiübergreifende Aktivitäten Trotz des Konkurrenzverhältnisses zwischen den einzelnen Parteien und Gruppierungen in der rechtsextremistischen Szene kam es zu gelegentlichen parteiund spektrenübergreifenden Kooperationen. Im Vergleich zum Jahr 2016 waren diese Kooperationen rückläufig. Am 7. Januar beteiligten sich in München Aktivisten der Partei "DIE RECHTE" an einer NPD-Kundgebung gegen das laufende NPD-Parteiverbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht. An der Kundgebung, auf der u. a. der bayerische Landesvorsitzende der Partei "DIE RECHTE" eine Rede hielt, nahmen in der Spitze 17 Personen teil. An traditionellen Gedenkveranstaltungen der rechtsextremistischen Szene beteiligen sich immer wieder Vertreter mehrerer rechtsextremistischer Parteien. Beim "Reinhold-Elstner-Gedenken" am 25. April in München waren unter den knapp 20 Teilnehmern Angehörige der Partei "Der Dritte Weg". Anlässlich des Jahrestags der am 8. Mai 1945 hingerichteten Angehörigen der französischen Waffen-SS-Division Charlemagne fand am 6. Mai in Bad Reichenhall eine Gedenkveranstaltung mit rund 30 Teilnehmern aus unterschiedlichen rechtsextremistischen Organisationen und Gruppierungen statt. Am bundesweiten Aktionstag zur Unterstützung des HolocaustLeugners Horst Mahler am 28. Mai kam es im gesamten Bundesgebiet zu organisationsübergreifenden rechtsextremisti110 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 schen Solidaritätskundgebungen. In München nahmen an der Kundgebung in der Spitze rund 25 Personen der Parteien NPD und "DIE RECHTE" sowie der "Bürgerinitiative Ausländerstopp München" (BIA-München) teil. Karl Richter, Münchner Stadtrat und Vorsitzender der BIA-München, trat außerdem mehrfach als Redner bei Kundgebungen von "PEGIDA-München" auf. 3.2.2 Rechtsextremistische Bürgerwehrund PatrouilleAktionen Im Rahmen von rassistisch motivierten Bürgerwehrund PaLeugnung des trouille-Aktionen schüren Rechtsextremisten Ängste vor Migranstaatlichen Gewaltten und suggerieren, dass der Staat und seine Sicherheitsorgane monopols nicht mehr in der Lage seien, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Sie inszenieren sich dabei als Kümmerer und Garanten öffentlicher Ordnung und instrumentalisieren Debatten zur Ausländerund Flüchtlingskriminalität, um das staatliche Gewaltmonopol generell infrage zu stellen. Mit ihren "Streifengängen" und ähnlichen Aktionen zeigen die Rechtsextremisten zudem Präsenz im öffentlichen Raum und versuchen, Nichtdeutsche und politische Gegner einzuschüchtern. Aktivisten der Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg) führten in Bay"Spaziergänge" und ern regelmäßig sogenannte "Nationale Streifen" durch. Der "Nationale Streifen" "III. Weg"-Stützpunkt Ostbayern veranstaltete in Straubing seit 6. August mehrere "Nationale Streifen". Auf Flugblättern rief er dazu auf, sich den Patrouillen anzuschließen. In Online-Beiträgen wurden die vermeintlich erhöhte Kriminalitätsgefährdung durch Zuwanderer sowie das angebliche Versagen staatlicher Behörden bei der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit vor allem in einkommensschwächeren Gegenden als Gründe für die Durchführung der "Nationalen Streifen" angeführt. Weitere "Nationale Streifen" des "III. Weg" fanden in München und in Hirschaid statt. In München beteiligten sich neben den Parteiaktivisten des "III. Weg" auch Personen, die Jacken mit der Aufschrift der griechischen neonazistischen Partei "Chrysi Avgi" trugen. Die Gruppe "Soldiers of Odin Germany Divison Bayern" (SOO) führte uniformierte "Spaziergänge" im Sinne einer Bürgerwehr in Bayern, insbesondere im Raum Würzburg, durch. Bei den "Soldiers of Odin" handelt es sich um eine internationale Gruppierung, die im Oktober 2015 in Finnland gegründet wurde. Mittlerweile existieren in zahlreichen Ländern Ableger mit entsprechenden Untergruppierungen. Aktivisten der "Soldiers of Odin" bezeichnen sich als "Nachbarschaftshilfe", reklamie- > Inhaltsverzeichnis 111 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus ren für sich selbst, Schwachen und Schutzsuchenden zu helfen, und distanzieren sich davon, eine "Bürgerwehr" oder rassistisch zu sein. Faktisch betätigt sich die Gruppierung in Bayern jedoch wie eine "Bürgerwehr". Bei den SOO sind rechtsextremistische Ideologiefragmente und personelle Überschneidungen mit der rechtsextremistischen Szene in Bayern feststellbar. Die SOO betreiben ein Facebook-Profil, auf dem vorwiegend Meldungen über Straftaten verbreitet werden, die mutmaßlich von Personen mit Migrationshintergrund begangen wurden. Dadurch werden Ängste geschürt und verstärkt. Die NPD berief sich ebenfalls auf das Thema Innere Sicherheit und forderte in Online-Beiträgen, "Schutzzonen" für Deutsche zu schaffen. In diesem Zusammenhang bot sie auch ihre Unterstützung bei der Etablierung von "Sicherheitspartnerschaften" und "Bürgerwehren" an. Außerdem veröffentlichte die NPD am 8. September ein arabischsprachiges Video, um Flüchtlinge aus Nordafrika von der Flucht nach Europa abzuhalten. In dem Video nimmt die NPD Bezug auf die sexuellen Übergriffe auf Frauen in mehreren deutschen Städten in der Silvesternacht 2015 und fordert vor allem Flüchtlinge aus dem Maghreb-Raum auf, Deutschland fernzubleiben. Anti-FlüchtlingsAktion der Im Juli und August führte die "Identitäre Bewegung" (IB) unter Identitären im dem Motto "Defend Europe" ("Europa verteidigen") eine spenMittelmeer denfinanzierte Mission im Mittelmeer durch. Ziel der Aktion war es, die Seenotrettung von Flüchtlingen durch Hilfsorganisationen zu dokumentieren und leere Flüchtlingsbote zu zerstören. Informationen über den Verlauf der Mission verbreiteten auch bayerische Gruppen der IB im sozialen Netzwerk Facebook. 3.2.3 Rechtsextremistische Aktivitäten bei Veranstaltungen Rechtsextremisten missbrauchen gesellschaftliche Veranstaltungen und öffentliche Plätze als Plattform und Kulisse, um ihre politischen Botschaften zu verbreiten. WortergreifungsSie knüpfen damit an die u. a. vom ehemaligen NPD-Bundesvorstrategie sitzenden Udo Voigt propagierte "Wortergreifungsstrategie" an, nach der sich Rechtsextremisten unauffällig an öffentlichen Veranstaltungen beteiligen und diese als Plattform zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen sollen. "Wortergreifung" meint dabei die gezielte verbale Konfrontation mit Vertretern der demokratischen Zivilgesellschaft in Diskussionsrunden und Informationsveranstaltungen. Dabei machen sie sich zunutze, dass für diese Aktionsformen in der Regel keine behördliche Anzeige oder Anmeldung notwendig ist, und versuchen dadurch, das Risiko 112 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 eines vorherigen Verbots oder Ausschlusses zu verringern. Dabei geben sich die Rechtsextremisten nicht offen zu erkennen, sondern tarnen sich als "besorgte Bürger". Auch in Internetforen, am Arbeitsplatz oder in Vereinen versuchen Rechtsextremisten, Diskussionsteilnehmer zu verunsichern, inhaltlich zu dominieren und letztlich die Meinungsführerschaft zu übernehmen. Am 26. Februar reihten sich Aktivisten der Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg) in den Würzburger Faschingsumzug ein. Die Rechtsextremisten hatten sich als (afrikanische) Flüchtlinge verkleidet und dazu u. a. ihre Gesichter geschwärzt. Ein Parteiaktivist verkleidete sich als Bundeskanzlerin. Zudem wurde ein Transparent gezeigt mit dem Schriftzug "Wir wissen genau ABSCHIEBEN wird uns keine Sau!". Eine Teilnahme von vermummten Aktivisten des "III. Weg" am Faschingsumzug am 28. Februar in Ellingen (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) konnte durch die Polizei verhindert werden. Am 25. März suchten in Neumarkt i. d. Oberpfalz Rechtsextremisten die Konfrontation mit dem politischen Gegner und bemühten sich, in deren Kundgebungszug zu gelangen. Die Kundgebung richtete sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Im Umfeld der Kundgebung verteilten die Rechtsextremisten Flugblätter des "III. Weg" und der NPD-Jugendaktion "Junge Nationaldemokraten". Auf einzelnen bayerischen Weihnachtsmärkten wie in Rosenheim, Straubing und Würzburg verteilten Aktivisten des "III. Weg" Flugblätter und kleine Weihnachtsgeschenke an Passanten. Da Weihnachtsmannaktionen auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt vorab als Veranstaltung anzuzeigen sind, erteilte der Kommunale Ordnungsdienst der Stadt Würzburg den Rechtsextremisten wegen der fehlenden Genehmigung am 20. Dezember einen Platzverweis. Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) führt Störund ÖffentlichkeitswirkInterventionsaktionen im Rahmen von Veranstaltungen sowie same Störaktionen an öffentlich bedeutsamen Orten durch. Die Aktionen, die in der "Identitären der Regel mit wenigen Aktivisten umgesetzt werden und auf Bewegung" maximale Öffentlichkeitswirkung abzielen, orientieren sich an der sog. "Guerilla-Taktik" von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Greenpeace oder Amnesty International. Die Aktionen sollen überraschend und unkonventionell wirken und so Protest, Provokation und Symbolik verbinden. So platzierten Aktivisten der IBD große, weithin sichtbare Transparente an symbolisch bedeutsamen Orten wie dem Brandenburger Tor in Berlin oder der Frauenkirche in München. > Inhaltsverzeichnis 113 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus An der Universität Regensburg kam es bei einer Podiumsdiskussion zum Nahost-Konflikt am 3. Mai zu einer Störaktion der IBD. Während der Veranstaltung stürmten Aktivisten in den Hörsaal, skandierten Parolen und zeigten Banner mit Aufschriften wie "Religionsfreiheit statt Islamisierung" und "Scharia für alle". Die IBD-Aktivisten waren vollständig schwarz vermummt, ihre Verkleidung erinnerte an die Verschleierung durch Burka bzw. Niqab. Im Umfeld des Trachtenund Schützenumzugs anlässlich des Münchner Oktoberfestes konnten am 17. September mehrere kleine Aktivistengruppen der IBD festgestellt werden. Die Aktivisten führten Kundgebungsmittel, beispielsweise Fahnen, mit sich und versuchten, auf die Aufzugsstrecke zu gelangen. Mehreren Personen erteilte die Polizei Platzverweise. Die IBD-Ortsgruppe Augsburg beteiligte sich nach eigenen Angaben an der bundesweiten IBD-Kampagne "Kein Opfer ist vergessen" zur Erinnerung an die Opfer islamistisch motivierter Terroranschläge. Auf dem Augsburger Weihnachtsmarkt verteilte die Ortsgruppe Flugblätter. Außerdem hängten IBD-Angehörige in Augsburg Plakate auf und errichteten kleine "Gedenkstätten". 3.2.4 Rechtsextremistische Aktivitäten im Bundestagswahlkampf Ihre Gegnerschaft zur parlamentarischen Demokratie und den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung machten Rechtsextremisten auch während des Bundestagswahlkampfs deutlich. Wiederholt störten sie Wahlkundgebungen und agitierten insbesondere gegen die amtierende Bundeskanzlerin und die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Aktivisten der "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD) störten u. a. einen Auftritt der Bundeskanzlerin mit dem bayerischen Ministerpräsidenten am 28. Mai auf der Truderinger Festwoche. Im Festzelt wurde erfolglos versucht, ein Anti-Merkel-Banner zu zeigen. Eine weitere Banner-Aktion führte die IBD während des CSU-Bürgerfestes am 23. Juli im Olympiapark in München durch. Dabei hielten Aktivisten der IBD während eines Auftritts des bayerischen Ministerpräsidenten ein Banner mit der Aufschrift "CSU - Merkels Knecht gegen Heimat und Recht. Identitäre Bewegung Bayern" hoch. Am 12. September vereitelte die Polizei eine weitere Störaktion der IBD im Zusammenhang mit einer Wahlkampfveranstaltung mit der Bundeskanzlerin in Rosenheim. Eine Personengruppe der IBD hatte versucht, Flaggen der IBD und ein Banner mit der Aufschrift "Merkel wählen ist Opfer zählen" auf dem Dach eines Hauses in Nähe des Versammlungsortes anzubringen. 114 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 3.2.5 Freizeitaktivitäten zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und zur Nachwuchsgewinnung Gemeinsame Freizeitaktivitäten haben für die rechtsextremistische Szene mehrere Funktionen: Sie stärken die Gruppenidentität und sollen neue Aktivisten anziehen. Neben dem Besuch von rechtsextremistischen Konzerten spielen dabei auch gemeinsame sportliche Aktivitäten, Wanderungen und Reisen sowie Aktivitäten im Umweltschutz, beispielsweise Säuberungsaktionen im Frühjahr unter dem Motto "Umweltschutz ist Heimatschutz", eine zunehmende Rolle. Stützpunkte der Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg) berichteten wiederholt über parteiinterne "Gemeinschaftsaktivitäten". So unternahmen beispielsweise die sog. "volkstreuen Wandersleut" des Stützpunktes Ostbayern im März einen Ausflug in den Bayerischen Wald. Im August besuchten "volkstreue Familien und Aktivisten" des Stützpunktes Ostbayern ein Wildtiergehege in Furth im Wald. Die Partei versucht, sich im Rahmen der Freizeitaktivitäten familienfreundlich zu geben. Zugleich wird erkennbar, dass die Zugehörigkeit zur rechtsextremistischen Szene oft auch Ehepartner und Kinder einschließt. Das Privatleben von Rechtsextremisten spielt sich größtenteils in szeneinternen Kreisen ab. Passend dazu startete der "III. Weg" im Mai eine Aufkleberkampagne unter dem Motto "Jugend zu uns!". Im Juli teilte der "III. Weg" auf seiner Internetseite mit, dass neben der "politischen Bildung und einem geschulten Weltbild auf ganzheitlicher Grundlage" in Zukunft auch der Sport "fester Bestandteil des Gemeinschaftslebens" werden solle. Anlass ist laut dem "III. Weg" die "volksfeindliche Politik", die es erforderlich mache, sich selbst und die Familie verteidigen zu können. An einem rechtsextremistischen Kampfsportwettbewerb in Genf nahm am 10. Juni auch ein hochrangiger bayerischer Funktionär des "III. Weg" teil. Wanderungen, beispielsweise im Januar in der Fränkischen Schweiz, unternahmen auch Aktivisten der "Identitären Bewegung Deutschland". 3.2.6 Internationale Kontakte bayerischer Rechtsextremisten Zwischen bayerischen und ausländischen Rechtsextremisten bestehen zahlreiche Kontakte. Verbindungsleute in den Gruppierungen garantieren die gegenseitige Mobilisierung für internationale Szene-Veranstaltungen wie Konzerte, Feiern und > Inhaltsverzeichnis 115 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Großdemonstrationen. Dabei kommt es in der Regel zu einer vorübergehenden länderübergreifenden Zusammenarbeit, in Einzelfällen auch zu dauerhaften Kooperationen. Die vielfältigen internationalen Kontakte bayerischer Rechtsextremisten wirken - angesichts der von Rechtsextremisten betriebenen Überhöhung der eigenen Nation - auf den ersten Blick verwunderlich. Mit der Überhöhung der eigenen Nation ist jedoch nicht automatisch die pauschale Ablehnung einer Zusammenarbeit mit gleichgesinnten ausländischen Akteuren verbunden. Dort, wo es ideologische Anknüpfungspunkte gibt, findet Zusammenarbeit statt: Ideologisch verbindende Elemente sind beispielsweise der Kampf für einen sozialen Nationalismus nach dem Vorbild des NS-Regimes, der Hass gegen Flüchtlinge und die Ablehnung der Europäischen Union. Länderübergreifende Kontakte werden innerhalb der rechtsextremistischen Szene als prestigeträchtig wahrgenommen. Führungsakteure oder Personen, die zu Führungsakteuren aufsteigen wollen, versuchen dadurch, ihre Position zu festigen und ihre Bedeutung zu unterstreichen. Dies erklärt auch die prominente Berichterstattung auf den Internetseiten der verschiedenen Akteure. Langjährige Kontakte Insbesondere die neonazistische Partei "Der Dritte Weg" (III. zu griechischen, Weg) pflegt zahlreiche Kontakte zu anderen europäischen ungarischen und Rechtsextremisten, insbesondere nach Griechenland und Unbulgarischen Rechtsgarn. So besuchte am 28. Januar erneut eine Reisegruppe des extremisten "III. Weg", darunter auch Aktivisten aus Bayern, den sogenannten "Imia-Marsch" in Athen. Diese Veranstaltung wird jedes Jahr von der griechischen neonazistischen Partei "Chrysi Avgi" ("Goldene Morgenröte") durchgeführt und erinnert an den Konflikt um die sowohl von Griechenland als auch von der Türkei beanspruchte Mittelmeerinsel Imia, die Soldaten beider Länder 1996 einzunehmen versuchten. Die Teilnahme bayerischer Rechtsextremisten reicht bis ins Jahr 2013 zurück, also bis in die Zeit des im Sommer 2014 verbotenen "Freien Netzes Süd" (FNS). Tradition hat mittlerweile die Teilnahme von Aktivisten des "III. Weg" am sogenannten "Tag der Ehre" in Budapest, der am 11. Februar stattfand. Mit dieser Veranstaltung wollen ungarische Rechtsextremisten gemeinsam mit internationalen Gesinnungsgenossen an die Schlacht um Budapest im Zweiten Weltkrieg erinnern. Am anschließenden Geländemarsch, der über 60 Kilometer grob der Strecke des Ausbruchs von ungarischen und deutschen Soldaten aus dem von der Roten Armee belagerten Budapest folgte, beteiligte sich schon wie im vergangenen Jahr eine Gruppe des "III. Weg"-Stützpunkts Nürnberg-Fürth. 116 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Zu den rechtsextremistischen Gedenkveranstaltungen, die von Mitgliedern des "III. Wegs" besucht wurden, gehört auch der "Lukov"-Marsch am 18. Februar in Sofia (Bulgarien). Mit dem Marsch wird an den Rechtsextremisten Hristo Lukov erinnert, der sich als Führer der faschistischen "Union der Bulgarischen Nationalen Legionen" für eine Beteiligung Bulgariens im Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite eingesetzt hat. Im Rahmen einer Rom-Reise besuchten Aktivisten des "III. Kontakte zur Weg" die sogenannte CasaPound Italia in Rom. "CasaPound "CasaPound" in Italia" ist eine neofaschistische Organisation, die sich nach Italien und zur dem US-amerikanischen Dichter und Mussolini-Anhänger Ezra "Nordischen WiderPound benannt hat. Ezra Pound war fanatischer Antisemit und standsbewegung" hielt, nachdem er sich bereits früh dem italienischen Faschismus angeschlossen hatte, im Zweiten Weltkrieg wiederholt Propagandareden für das Mussolini-Regime. Die "CasaPound" gilt aufgrund ihres Einflusses auf die rechtsextremistische Subkultur - sie dient als rechtsextremistisches "Kulturzentrum" - rechtsextremistischen Organisationen in vielen europäischen Ländern als Vorbild. Neben eigenen Besuchen im Ausland unterstützt der "III. Weg" dortige rechtsextremistische Strukturen und Einzelpersonen auch durch Berichterstattung auf seiner Homepage. Im Januar erschien dort ein zweiteiliges Interview mit Simon Lindberg, dem Leiter der "Nordischen Widerstandsbewegung", die seit 1997 in Schweden, Norwegen und Finnland aktiv ist und sich für ein Panskandinavien, bestehend aus Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Island und gegebenenfalls den baltischen Staaten, einsetzt. Das politische Programm der Gruppierung fordert laut Lindberg einen "nationalen Sozialismus mit einer echten völkischen Gemeinschaft" sowie einen Stopp der Masseneinwanderung. Außerdem sollen "gute Kontakte zu allen europäischen Nationalisten" gehalten und "echte Verbündete" gefunden werden. Der Antisemitismus der "Nordischen Widerstandsbewegung" wird erkennbar in dem von Lindberg formulierten Ziel, "dass alle Weißen auf der Welt endlich erwachen und den Zionismus bekämpfen und ihn diesmal besiegen". Nachdem er durch die Darstellung auf der Internetpräsenz des "III. Weg" bei den Parteianhängern bekannt gemacht worden war, trat Lindberg am 18. Februar in Würzburg bei einer Kundgebung des "III. Weg" als Redner auf. Anlass war der Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg, den Rechtsextremisten schon seit Längerem für propagandistische Aktionen missbrauchen. Lindberg hielt dort eine Rede, in der er die angeblichen Folgen der Zuwanderung von Flüchtlingen mit der Zerstörung deutscher > Inhaltsverzeichnis 117 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Städte im Zweiten Weltkrieg verglich. Ein Gegenbesuch des "III. Weg" bei der "Nordischen Widerstandsbewegung" sollte mit einer Delegation während einer Kundgebung in Göteborg am 30. September erfolgen. Die Delegation des "III. Weg" wurde jedoch nach der Einreise in Schweden in polizeilichen Gewahrsam genommen. An der Demonstration "Heldengedenken" des "III. Weg" am 18. November in Wunsiedel beteiligte sich eine Delegation der "Nordischen Widerstandsbewegung", ein Vertreter aus Norwegen hielt eine Rede. Teilnahme an VeranEin Forum wurde auf der Website des "III. Weg" auch dem staltungen des "Russischen Zenter" geboten. In einem Interview und einem "Russischen Zenter" Artikel wurden Ideologie und Ziele dieser russischen rechtsextremistischen Organisation vorgestellt. Das "Russische Zenter" richtet sich von der Ukraine aus mit Konferenzen und Kundgebungen sowie der Publikation von Büchern gegen die russische Regierung. Im Gegenzug interviewte das "Russische Zenter" den "III. Weg"-Funktionär Matthias Fischer, der in der Vergangenheit am Aufbau der Parteistrukturen in Bayern beteiligt war, inzwischen aber seinen Aktionsschwerpunkt nach Brandenburg verlegt hat. Das "Russische Zenter" arbeitet eng mit ukrainischen Rechtsextremisten wie der "Azov-Bewegung" zusammen. Über die Unterzeichnung eines "Nationalen Manifests" durch den parlamentarischen Arm der ukrainischen "Azov-Bewegung" und weitere nationalistische Organisationen berichtete der "III. Weg" ebenfalls. Das "Batallion Azov" gilt als Milizgruppe mit rechtsextremistischen Bezügen und ist kein Teil der regulären ukrainischen Streitkräfte. Aktivisten des "III. Weg", darunter auch einige aus Bayern, nahmen am 14. Oktober in Kiew an einer Kundgebung zum "Tag des Vaterlandsverteidigers" teil. An der Kundgebung beteiligten sich in Kiew etwa 30.000 Personen, die Organisation oblag einer der "Azov-Bewegung" nahestehenden Gruppierung. Außerdem trafen Aktivisten des "III. Weg" mit dem Anführer der "Azov-Bewegung" zusammen. Daran nahm auch der Vorsitzende des Gebietsverbandes Süd des "III. Weg" teil. Sympathien für das Auch der Nahe Osten, insbesondere Syrien, ist für bayerische Assad-Regime in Rechtsextremisten weiterhin interessant. Bereits 2016 war ein Syrien Aktivist des Münchner "III. Weg"-Stützpunkts als Teil einer sogenannten Delegation, zu der auch Personen aus Belgien und Polen gehörten, zu Gesprächen mit Vertretern des Assad-Regimes und der syrischen Armee nach Syrien gereist. 118 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Ende Februar bis Anfang März 2017 hielt sich ein weiterer bayerischer Vertreter des "III. Weg" mit drei Begleitern im Libanon auf und führte ein Interview mit dem Auslandsbeauftragten der "Syrisch-Sozial-Nationalistischen Partei" (SSNP), Hassan Sakr. Die Splitterpartei SSNP ist in Syrien und dem Libanon aktiv und wurde 1932 nach dem Vorbild europäischer faschistischer Parteien gegründet. Sie vertritt die Idee eines Großsyriens, das auch die Nachbarländer Syriens ganz oder teilweise umfasst. Das eigentliche Ziel der Reise, vom Libanon aus nach Syrien zu gelangen, konnte nicht realisiert werden, weil die Rechtsextremisten nicht über die notwendigen Visa verfügten. Die Reise wurde auf der Internetseite des "III. Weg" ausführlich dargestellt. Zudem widmete sich im März eine Monatsveranstaltung des Stützpunkts München/Oberbayern dem Thema Syrien. In seiner Berichterstattung ergreift der "III. Weg" durchweg Partei für das Assad-Regime und die syrische Armee. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem autoritären Assad-Regime und dem Vorgehen der syrischen Armee im Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung findet nicht statt. Die Sympathie deutscher Rechtsextremisten für die syrische Regierung unter Assad ist schon seit längerer Zeit erkennbar. Der syrische Staat mit seinen autokratischen Strukturen, seiner säkular-nationalistischen Politik und der vermeintlichen geistigen Einheit des syrischen Volkes gilt ihnen als Vorbild eines auch in Deutschland angestrebten "nationalistischen" und "sozialistischen" Volksstaates. Neben Aktivisten des "III. Weg" pflegten auch andere bayerische Rechtsextremisten internationale Kontakte. So trat der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Weiden i. d. OPf., Patrick Schröder, als Referent auf einer internen Schulungsveranstaltung der "Partei National Orientierter Schweizer/Die Partei der Eidgenossen" (PNOS) auf. Schröder ist Begründer des rechtsextremistischen Internetradios "Radio FSN" (Frei-Sozial-National) und des Internet-TVs "FSN-TV", mit dem er ein überregionales Szenepublikum erreicht. Der Vorsitzende der NPD-Tarnliste "Bürgerinitiative Ausländerstopp München" (BIA-München), Karl Richter, berichtete auf seiner Facebook-Seite von einem Gastvortrag bei einem Symposium in Budapest. Die Veranstaltung war auf der Facebook-Seite der "Identitas Generacio Magyarorszag", der "Identitären Generation Ungarns", beworben worden. Im Veranstaltungsflyer kam das griechische Lambda in einem Kreis - das Symbol der "Identitären Bewegung" (IB) - zur Verwendung. Eine Verbindung zur IB liegt somit nahe. > Inhaltsverzeichnis 119 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus 4. INTERNET, MUSIK, VERTRIEBSSTRUKTUREN UND VERLAGE 4.1 Rechtsextremisten im Internet Rechtsextremistische Gruppierungen und Akteure nutzen die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation in immer höherem Maße. Die Zahl der von deutschen Rechtsextremisten betriebenen Internetseiten bewegt sich seit Jahren auf hohem Niveau. Darüber hinaus orientieren sich Rechtsextremisten an digitalen Trends, um dem Informationsund Mediennutzungsverhalten netzaffiner Zielgruppen gerecht zu werden. Sie sind ständig auf der Suche nach alternativen Plattformlösungen und neuartigen Online-Formaten, um ihre Propaganda und ihre extremistischen Botschaften möglichst effektiv zu streuen. Eines ihrer Ziele ist, möglichst hohe Reichweiten zu erzielen und so Einfluss auf den öffentlichen Diskurs zu nehmen und neue Anhänger zu werben. Der Einsatz innovativer Medienformate und Verbreitungstechniken dient aber auch zu Vernetzungszwecken, zum internen Austausch und zur Absprache von Aktionen. Gerade hier sind Rechtsextremisten ständig auf der Suche nach Diensten und Kommunikationskanälen mit hohen Verschlüsselungsund Anonymisierungsstandards. Durch deren Einsatz versuchen sie, sich der Beobachtung durch Öffentlichkeit und Sicherheitsbehörden zu entziehen. Eine der meistfrequentierten deutschsprachigen Internetpräsenzen der rechtsextremistischen Szene war das Internetportal "Altermedia-Deutschland", welches vom Bundesinnenminister am 27. Januar 2016 verboten wurde. Am 8. Februar 2018 verurteilte Haftstrafe für Betreidas Oberlandesgericht Stuttgart den Betreiber des Internetporber von Altermedia tals wegen Volksverhetzung und Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Im Zusammenhang mit den ansteigenden Flüchtlingszahlen häuften sich in den Kommentarbereichen sozialer Netzwerke Wortmeldungen, die als rassistisch und fremdenfeindlich zu bewerten sind. Teils handelt es sich dabei auch um strafrechtlich Bundesweite relevante Inhalte. Am 20. Juni fand erneut ein bundesweiter AkDurchsuchungen bei tionstag zur Bekämpfung von Hasspostings im Internet statt. Die Internetaktivisten bundesweit unter Koordinierung des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen erfolgten überwiegend wegen politisch rechts motivierter Volksverhetzungen. 120 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Zunehmend orientieren sich Rechtsextremisten an einem geänderten Internetnutzungsverhalten, bei dem mobile Endgeräte wie Smartphones eine immer größere Rolle spielen. So brachte die Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg) Ende Mai für seine Mitglieder und Sympathisanten eine eigene App heraus, die kostenlos für Appleund Android-Endgeräte heruntergeladen werden kann. Die Partei plant, mittels der App ihre Mitglieder mehrmals am Tag mit den neuen Nachrichten zu versorgen, die auf der Homepage der Partei erscheinen. Auf verschiedenen Facebook-Seiten wird ein WhatsApp-Infoticker des "III. Weg"-Stützpunktes Ostbayern beworben, über den Informationen des Stützpunktes an die eingetragenen User übermittelt werden sollen. Daneben nutzen Rechtsextremisten auch soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter. Dort gründen sie u. a. geschlossene Foren und Chatrooms zur szeneinternen Kommunikation. Messengerdienste wie WhatsApp und Threema spielen bei der Organisation von Aktionen, Veranstaltungen und Konzerten eine große Rolle. Der hohe Verbreitungsgrad macht soziale Netzwerke für Rechtsextremisten als Propagandaplattform besonders attraktiv. So werden Facebook-Gruppen zur Agitation gegen Asylbewerber genutzt, oder Rechtsextremisten treten selbst Facebook-Gruppen als Mitglied bei. Mehr noch als bei offensichtlich rechtsextremistischen Homepages besteht in sozialen Netzwerken und auf Videoportalen die Gefahr, dass die Nutzer, ohne es zu bemerken, rechtsextremistischer Propaganda ausgesetzt sind. Durch die Verbreitung von Falschmeldungen, sogenannter "Fake News", zu Themen wie etwa Asyl und Migration, versuchen Akteure aus dem rechtsextremistischen Spektrum, die Meinung der Nutzer zu manipulieren. Auf Instagram, einem Dienst zum Teilen von Fotos und Videos, ist der NPD-Bundesverband mit einem Profil vertreten und stellt Bildmaterial zur Verfügung. Zwar werden von einzelnen Providern immer wieder rechtsextremistische Inhalte aus dem Netz entfernt. Videos neonazistischer Kameradschaften und Parteien, Aufnahmen ihrer Demonstrationen und Musikclips rechtsextremistischer Bands werden jedoch fortlaufend neu publiziert. Daneben gibt es in sozialen Medien Aufrufe, einem "patriotischen Discord-Server" mit dem Namen "Reconquista Germanica" beizutreten. Bei einem "Discord-Server" handelt es sich um ein Tool, mit dem Sprachund Textkanäle erstellt werden können. > Inhaltsverzeichnis 121 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Dass manche Bestrebungen aus dem Internet in die Realwelt überwechseln können, zeigt beispielsweise die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) in Bayern. So war diese zunächst vor allem im virtuellen Raum aktiv und verbreitete dort ihre politische Agitation. Anfang 2015 begann die IBD, zunehmend Aktivitäten in der realen Welt zu entfalten, ihre virtuelle Präsenz blieb dabei unvermindert. So pflegen die drei in Bayern aktiven IBD-Gruppierungen Bayern, Franken und Schwaben eigene Facebook-Profile. IBD-Aktionen werden dort durch eigene Berichterstattung begleitet. Häufig sind den Beiträgen Videos oder Bilder beigefügt, um die mediale Attraktivität zu erhöhen. Die IBD nutzt zudem zahlreiche YouTube-Kanäle, Twitter-Accounts und Instagram-Profile. Auch die rechtsextremistische Gruppierung "Bavaria Vikings", gegen deren Mitglieder die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung führt, hat ihren Ursprung im virtuellen Raum: Die Aktivisten fanden sich zunächst in einer geschlossenen, d. h. für die Öffentlichkeit nicht einsehbaren WhatsApp-Gruppe zusammen. Internetaufklärung Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ist im Bereich intensiviert der Internetaufklärung weiterhin intensiv tätig. Es versucht zudem, in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien Veröffentlichungen von rechtsextremistischen Inhalten zu verhindern. 4.2 Rechtsextremistische Musik Rechtsextremistische Musik ist - zusammen mit sozialen Erfahrungen und gemeinsamen Erlebnissen - ein wesentliches Eintrittstor in die rechtsextremistische Szene. So nutzen Rechtsextremisten Musik, um Jugendliche mit rechtsextremistischem Gedankengut in Kontakt zu bringen. Das Angebot an rechtsextremistischer Musik ist hinsichtlich Qualität, Stil und Zielrichtung größer geworden und reicht von Skinhead-Musik und Balladensängern über Vikingrock, Black Metal, Hatecore und Neofolk bis hin zu Rap und Techno. Die Texte enthalten nationalistisches, fremdenfeindliches, antisemitisches und antidemokratisches Gedankengut. 122 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremistische Musik wird live auf Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen und Parteien sowie auf Skinhead-Konzerten im Inund Ausland gespielt. Diese Konzerte dienen den Teilnehmern als Plattform für soziale Kontakte und ermöglichen es, ein Netzwerk persönlicher Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Die Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg) veröffentlichte ein eigens "Hymne" des für sie komponiertes Lied des bekannten rechtsextremistischen III. Weg Musikers Lunikoff, das als Hymne und Erkennungszeichen der Partei dienen soll. Im Text heißt es u. a. ...Unsre Heimat liegt im tiefsten Unglück Unser Volk ist bitterster Not Wir fordern unser Deutschland zurück Die Fahne grün, das Herz schwarz-weiß-rot Der III. Weg marschiert - Die deutsche Jugend rebelliert... Der III. Weg marschiert. Der Zukunft der Enkel, der Ehre der Ahnen Gilt unsere heiligste Pflicht Unsere grünen Fahnen soll'n jeden mahnen: Dereinst halten wir streng Gericht... Daneben stellte der "III. Weg" das eigene Musikprojekt "Wegbereiter" vor. Dieses solle dazu dienen, musikalisch die eigene Botschaft zu verbreiten. Der Vertrieb der CDs erfolgt online über den parteieigenen Materialvertrieb. Auf seiner Homepage berichtet der "III. Weg" regelmäßig über rechtsextremistische Musikthemen, u. a. über das rechtsextremistische Konzert am 15. Juli im thüringischen Themar. Auch die "Identitäre Bewegung" (IB) setzt im Rahmen ihrer politischen Propaganda auf die Wirkung von Musik. Der führende Aktivist der IB im deutschsprachigen Raum, Martin Sellner, produzierte für seinen YouTube-Kanal zwei Videos, in denen er die Musikrichtung des Neofolk vorstellt. Dabei empfiehlt er seinen Zuschauern Neofolk als die richtige Musik für Identitäre, da sie der antimodernen Grundausrichtung der Identitären sehr nahesteht. > Inhaltsverzeichnis 123 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Rechtsextremistische Bands in Bayern Aktive Bands Bandname Herkunft Aktiv seit Letzte Veröffentlichung Eskalation Raum Hof 2010 CD "Kein Schritt zurück" (2015) Faustrecht Raum 1994-2002 CD "For the Love of Oi" Mindelheim Neugründung 2004 (2013), Beteiligung am Sampler "This One's for Skinheads" Kodex Frei Raum 2010 CD "Das Pack" (2016) Kempten MPU Raum Hof 2005 CD "Aus dem Herzen in die Fresse" (2013) Nordwind Raum 1995-2004 LP "Stolz & Stark" - Forchheim Neugründung 2014 limitierte Sammler-Edition (2014) Prolligans Raum Allgäu 2004 CD "Nahrung für den Geist" (2017), Compilation "Skinhead durch und durch" (2017) Schanddiktat Raum 2016 Veröffentlichungen bisher Dillingen nur auf YouTube-Channel a. d. Donau "Schanddiktat" Sturmtrupp Neuburg 2008 (Neugründung CD "Unter feindlicher a. d. Donau nach Auflösung 2002) Attacke" (2011) White Rebel Raum Hof 2007 CD "The Boys are Boys back in town" (2012) Burning Hate Oberfranken 2005 - Gründung mit CD "Your Time Is ehemaligen Mitgliedern Running Out" (2010) der Skinhead-Bands Aryan Rebels und Division28 124 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Derzeit inaktive Bands Bandname Herkunft Aktiv seit Letzte Veröffentlichung Hard as nails Raum Allgäu 2013 Demo-CD (2015) National Neu-Ulm 2001 CD "gehirngefickt" Born Haters (2010) UntergrundWürzburg 2008 (Neugründung) CD "Für Dich" (2011) wehr Rechtsextremistische Bands nutzen Konzerte als Möglichkeit, ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen und für Tonträger und Merchandising-Artikel zu werben. Mit der Gage für einen Konzertauftritt können die meisten Bands ihre entstandenen Kosten allerdings nur teilweise decken. Wesentlich einträglicher sind der Verkauf und Vertrieb von Tonträgern über Versandhandel, Verkaufsstände auf rechtsextremistischen Veranstaltungen und über das Internet. Das Internet bietet darüber hinaus zahlreiche Möglichkeiten, rechtsextremistische Musik einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Beispielsweise können Musikclips schnell und effektiv zum Download zur Verfügung gestellt werden. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen (Konzerte und Lie - Konspirative derabende) werden von den Veranstaltern teilweise konspirativ Vorbereitung von vorbereitet bzw. als private Veranstaltungen durchgeführt. Mit Konzerten Vortrefforten, SMS-Mobilisierung bzw. Mund-zu-Mund-Propaganda oder der Deklarierung eines Konzerts als private Geburtstagsfeier soll ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden verhindert werden. Diese konspirativen Vorbereitungsmaßnahmen üben einen zusätzlichen Reiz aus. Veranstalter - es handelt sich dabei meistens um langjährige Aktivisten - erlangen bei der erfolgreichen Durchführung eines Konzerts innerhalb der Szene viel Anerkennung. Im Jahr 2017 fand in Bayern ein rechtsextremistisches Konzert statt. Die Skinhead-Gruppierung "Voice of Anger" - Sektion Schwaben veranstaltete am 25. März in Krumbach (Schwaben) anlässlich ihres zehn-jährigen Bestehens ein Konzert, das von ca. 120 Zuschauern besucht wurde. > Inhaltsverzeichnis 125 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Außerdem fanden in Bayern rechtsextremistische Liederabende bzw. Musikdarbietungen statt, die zum Rahmenprogramm politischer oder "privater" Veranstaltungen gehörten. So trat etwa am 10. April bei einem NPD-Rednerund Liederabend der rechtsextremistische Sänger Lunikoff vor ca. 40 Teilnehmern in Murnau auf. Erneut in Murnau wurden am 14. August und 19. Dezember Rednerund Liederabende der NPD veranstaltet, bei denen Lunikoff einige Lieder vortrug. Konzerte in Themar/ Das strikte Vorgehen der bayerischen Sicherheitsbehörden führt Thüringen dazu, dass viele Musikveranstaltungen nicht mehr in Bayern, sondern in benachbarten Regionen durchgeführt wurden. So fand am 15. Juli im thüringischen Themar unter dem Titel "Rock gegen Überfremdung II" mit etwa 6.000 Besuchern aus dem Inund Ausland das bisher größte rechtsextremistische Konzert in Deutschland statt. Aus Bayern reisten etwa 300 Rechtsextremisten, sowohl aus dem parteigebundenen als auch aus dem parteiungebundenen Spektrum, nach Themar. Der hohe Zuspruch für die Veranstaltung durch subkulturell geprägte Rechtsextremisten aus vielen Ländern Europas zeigt das enorme Mobilisierungspotenzial rechtsextremistischer Musik, das verschiedenste Gruppen wie Hammerskins, Kameradschaften und Parteimitglieder sowie rechtsextremistische Einzelpersonen vereint. Am 29. Juli veranstaltete der in der Oberpfalz ansässige Rechtsextremist Patrick Schröder mit "Rock für Identität" in Themar ein weiteres rechtsextremistisches Konzert, zu dem etwa 1.050 Besucher anreisten. Beide Veranstaltungen waren als politische Kundgebungen nach dem Versammlungsgesetz angemeldet, um ein Verbot durch die Behörden zu erschweren. Dem Kundgebungscharakter wurde dadurch Rechnung getragen, dass das Musikprogramm regelmäßig von politischen Redebeiträgen unterbrochen wurde. 4.3 Rechtsextremistische Vertriebsstrukturen Rechtsextremistische Vertriebe und Versandhandel kommerzialisieren die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Das Sortiment ist gezielt auf die Bedürfnisse der Anhänger einzelner Szene-Stilrichtungen wie der Skinhead-, der NS-Hatecoreoder der NS-Black-Metal-Subkultur ausgerichtet. Bei der Produktion und Vervielfältigung von Tonträgern spielen insbesondere die größeren Vertriebe eine wichtige Rolle. 126 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Neben Musik umfasst die Angebotspalette auch Textilien, Fahnen, Flugblätter, Plakate und szenetypische Devotionalien wie Bücher und Aufkleber sowie zunehmend Accessoires für den Alltag wie Sonnenbrillen oder Gürteltaschen. Szeneläden sind mittlerweile die Ausnahme. Nahezu alle Händler bieten ihre Waren auf zum Teil professionell gestalteten Verkaufsplattformen im Internet an. Die Betreiber rechtsextremistischer Betriebe verfolgen insbesondere wirtschaftliche Interessen, manche unterstützen mit ihren Einnahmen auch die rechtsextremistische Szene. Vertriebe und Versandhandel Name Sitz/Landkreis Inhaber Ansgar Aryan Mantel/Neustadt a. d. Nemesis Production Waldnaab GmbH, Mantel; Gf: Patrick Schröder DIM Records Coburg Ulrich Großmann FSN-Shop Mantel/Neustadt a. d. Patrick Schröder Waldnaab Nordic Union Mantel/Neustadt a. d. Patrick Schröder Waldnaab Oldschool Records Wolfertschwenden/ Benjamin Einsiedler Unterallgäu Schwarze-SonneRain am Lech/ Alexander Feyen Versand Donau-Ries Versand der Bewegung Murnau/GarmischSarah Janker Partenkirchen Wikingerversand Geiselhöring/ Siegfried Birl Straubing-Bogen Das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration hat am 23. Juli 2014 das neonazistische Netzwerk "Freies Netz Süd" (FNS) verboten, da es die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der verbotenen "Fränkischen Aktionsfront" weiterführte. Darüber hinaus wurden Gegenstände des Szene-Versandhandels "Final Resistance" Versand beschlagnahmt und eingezogen. Der "Final Resistance" Versand unterstützte die Aktivitäten des FNS, indem er Agitationsund Propagandamaterial zur Verfügung stellte. Er hatte sich in den letzten Jahren zu einem der bedeutendsten Szene-Versandhandel in Bayern entwickelt. > Inhaltsverzeichnis 127 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Die Einziehung der Gegenstände des "Final Resistance Versandes" zugunsten des Freistaates Bayern ist allerdings noch nicht bestandskräftig, da dessen Gesellschafter hiergegen Rechtsmittel eingelegt haben. Das Klageverfahren ist vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth anhängig. Gegen den Betreiber von "Oldschool Records" ermittelte die Staatsanwaltschaft Memmingen seit dem Jahr 2014 wegen der Verbreitung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung. Das Amtsgericht Memmingen hat eine Geldstrafe in Höhe von 4.800 Euro verhängt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 4.4 Rechtsextremistische Internetradios und -TV Rechtsextremisten nutzen auch Internetradios zur Verbreitung "ihrer" Musik. Gelegentlich werden auch indizierte oder strafbare Titel gespielt. Teilweise können die Hörer das Programm mitgestalten. Als Wortbeiträge werden Interviews mit Rechtsextremisten (z. B. Bandmitgliedern), Kommentare oder Kritiken zu CDs sowie gelegentlich Werbung für Konzerte und Demonstrationen gesendet. Die Sendezeiten variieren von wenigen Stunden wöchentlich bis hin zu einem 24-Stunden-Programm. Die Homepages dieser Internetradios bieten häufig auch anmeldepflichtige Chats und Diskussionsforen an. Internetradios unterliegen einer hohen Fluktuation, manche sind nur vorübergehend in Betrieb. Der Vorsitzende des NPD-Kreisverbands Weiden i. d. OPf., Patrick Schröder, betreibt seit 2007 - mit Unterbrechungen - von Weiden i. d. OPf. aus das rechtsextremistische Internetradio "Radio FSN" (Frei-Sozial-National) sowie seit August 2012 auch das Internet-TV "FSN-TV". Auf "FSN-TV" werden neben Interviews mit Protagonisten aus der rechtsextremistischen Szene in moderierten Beiträgen, die auch heruntergeladen werden können, Aktionshinweise, Konzertund Demonstrationstermine und Informationen über aktuelle und politische Ereignisse innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums verbreitet. Patrick Schröder, der mit einem Co-Moderator auftritt, erreicht mit seinen Sendungen ein überregionales Szenepublikum. Die aufgezeichneten "FSN-TV"-Sendungen werden als Podcasts angeboten und u. a. auf dem Videoportal YouTube bereitgestellt. 128 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Seit 13. November betreibt die Partei "Der Dritte Weg" unter der Bezeichnung "Revolution auf Sendung" ein Internetradio mit Nachrichten über eigene Aktionen der Partei. Nachrichten, Interviews und Musikeinspielungen wechseln dabei einander ab. 4.5 Rechtsextremistisches Verlagswesen Die 1958 gegründete "Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" (DSZ-Verlag) mit Sitz in München war über einen langen Zeitraum das bedeutendste rechtsextremistische Propagandainstrument in Deutschland. In diesem Verlag erscheint wöchentlich die "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ). In der ersten Septemberausgabe erschien ein umfangreicher Artikel über die "Identitäre Bewegung" (IB) mit Empfehlungen für Bücher von Autoren der IB. Rechtsextremistische Verlage streben die Etablierung einer rechtsextremistischen Gegenkultur an. Daher verbreiten sie revisionistische, antisemitische, antidemokratische bzw. fremdenfeindliche Vorstellungen und wollen so rechtsextremistische Überzeugungen in der Leserschaft initiieren oder festigen. Dabei soll das Vertrauen in die demokratische Ordnung untergraben werden, um letztendlich ein undemokratisches, autoritäres politisches System in Deutschland populär zu machen. Die "Verlagsgesellschaft Berg mbH" (VGB) mit Geschäftssitz in Gilching (Landkreis Starnberg), besteht seit 1991. Sie ist mit dem Verlag Druffel & Vowinckel-Verlag verschmolzen und einer der größten organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlage in Deutschland. Das Verlagsprogramm umfasst Schriften mit revisionistischen sowie militärhistorischen Inhalten, beispielsweise die Zeitschrift "Deutsche Geschichte" oder das Jahrbuch "Deutsche Annalen". Die geschichtsverklärende und nazistische Ausrichtung des Verlags wird mitunter auch bereits in den Publikationstiteln und -beschreibungen deutlich. Über Adolf Hitler werde etwa laut Verlag im Buch "In Hitlers Schatten - Erinnerungen und Aufzeichnungen des persönlichen Adjutanten" von einem "engsten Vertrauten" ein "einfühlsames und um Wahrheit bemühtes Bild" gezeichnet. Die "Legende von den Verbrechen der Waffen-SS" in der französischen Ortschaft Oradur im Juni 1944 werde laut Verlag im Buch "Die Wahrheit über Oradour - Was geschah am 10. Juni 1944 wirklich? Rekonstruktion und Forschungsbericht eines Franzosen" widerlegt bzw. "zerstört". > Inhaltsverzeichnis 129 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus 5. IMMOBILIENSUCHE UND -ERWERB Rechtsextremistisch genutzte Immobilien sind solche, die politisch zielund zweckgerichtet sowie wiederkehrend genutzt werden. Erfasst werden dabei Immobilien, bei denen Rechtsextremisten über eine uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit verfügen, etwa in Form von Eigentum, Miete, Pacht oder durch ein Kennund Vertrauensverhältnis zum Objektverantwortlichen. Davon abzugrenzen sind Objekte, die von Rechtsextremisten nahezu ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden. Rechtsextremisten nutzen Immobilien, um regionale Strukturen und Anlaufstellen zu schaffen. Sie sind in Ballungsräumen ebenso wie im ländlichen Raum ständig auf der Suche nach Räumlichkeiten für Feiern, Konzerte, Schulungen, Parteiveranstaltungen oder interne Treffen. Für kleinere Treffen nutzen Rechtsextremisten häufig auch ihre privaten Wohnobjekte. Sie haben in der breiten Öffentlichkeit keine Akzeptanz, und mögliche Vermieter lehnen eine Vermietung an rechtsextremistische Gruppierungen zumeist ab. Die rechtsextremistische Szene hat deshalb regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten, dauerhaft Immobilien für ihre Aktivitäten zu finden, die über eine bloße Wohnnutzung hinausgehen. Insbesondere die langfristige Anmietung einer Gaststätte durch Rechtsextremisten stellt in Bayern die Ausnahme dar. Verschiedene rechtsextremistische Gruppierungen halten zwar wiederholt interne Treffen oder kleinere Feiern in Gaststätten ab. Die Räumlichkeiten werden aber nur in Ausnahmefällen explizit für ein Treffen von Rechtsextremisten angemietet. Vielmehr geben sie sich dort meist als "normale" Gäste aus. Wenn Rechtsextremisten eine ernsthafte Kaufabsicht haben, setzen sie meist harmlos erscheinende "Strohmänner" ein, um den rechtsextremistischen Hintergrund des Erwerbs zu verschleiern. Derzeit werden in Bayern 17 Objekte als rechtsextremistisch genutzte Immobilien eingestuft. Offene Erkenntnisse liegen zu Immobilien in Bayern Objekten in München, Gilching, Pähl, Murnau, Münster (Schwaben), Kempten, Memmingen, Wolfertschwenden, Erlangen, Mantel, Geiselhöring und Feilitzsch vor. Das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration hat am 23. Juli 2014 das neonazistische Netzwerk "Freies Netz Süd" (FNS) verboten, da es die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der verbotenen "Fränkischen Aktionsfront" weiterführte und sich zum größten kameradschaftsübergreifenden neo130 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 nazistischen Netzwerk in Bayern entwickelt hatte. Das Verbot ist seit 14. Dezember 2015 bestandskräftig. Im Zuge des Verbots beschlagnahmte das Bayerische Staatsministerium des Innern Beschlagnahme und für Integration das Grundstück Oberprex 47. Seit dem Jahr einer Immobilie 2010 wurde die beschlagnahmte Liegenschaft in Oberprex kontinuierlich als Treffpunkt und Veranstaltungsort für die rechtsextremistische Szene im Umfeld des FNS genutzt. Die Einziehung des Grundstückes zugunsten des Freistaates Bayern ist noch nicht bestandskräftig, da die Eigentümerin hiergegen Rechtsmittel eingelegt hat. Das Klageverfahren ist vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth anhängig. Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) Die BIGE berät betroffene Kommunen und Eigentümer. Auf dem Internetportal der BIGE sind zusätzliche Informationen abrufbar: www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de Seit Einrichtung der BIGE im Frühjahr 2009 wurden in rund 65 Fällen Kommunen in Bayern im Hinblick auf Kauf, Pacht, Anmietung oder sonstige längerfristige Nutzung von Immobilien durch Rechtsextremisten beraten. In mehreren Fällen konnte ein Kauf von Gasthöfen mit Unterstützung der BIGE verhindert werden. 6. RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN 6.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Deutschland Bayern Mitglieder 4.500 600 Vorsitzender Frank Franz Franz Salzberger Gründung 1964 1965 Sitz Berlin Bamberg Publikationen Deutsche Stimme Die NPD will die bestehende Ordnung durch eine "Volksgemeinschaft" ersetzen. Aus Sicht der NPD stellt einzig eine ethnisch homogene "Volksgemeinschaft" eine natürliche, dem wahren > Inhaltsverzeichnis 131 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Wesen des Menschen entsprechende und damit annehmbare staatliche und gesellschaftliche Ordnung dar. Sie strebt einen Gegenentwurf zur parlamentarischen Demokratie in Deutschland an. Die von der NPD vertretenen völkischen Grundideen bringen im Zusammenhang mit den verschiedensten politischen Themen oft ausländerfeindliche, antisemitische, rassistische - und in Bezug auf den historischen Nationalsozialismus verharmlosende und zustimmende - Positionen zum Ausdruck. Damit wirkt die NPD ideologisch prägend für das gesamte rechtsextremistische Spektrum. Ihr angestrebtes Ziel der "Systemüberwindung" und ihre Grundaussagen stehen inhaltlich im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. Das im Juni 2010 verabschiedete Parteiprogramm der NPD ist von einem ausgeprägten Nationalismus getragen und schreibt den Gedanken der "Volksgemeinschaft" in einer völkisch-kollektivistischen Auslegung fest. So heißt es im Parteiprogramm: Volksherrschaft setzt die Volksgemeinschaft voraus. Der Staat nimmt dabei die Gesamtverantwortung für das Volksganze wahr und steht daher über Gruppeninteressen. und Ein grundlegender politischer Wandel muss die sowohl kostspielige als auch menschenfeindliche Integrationspolitik beenden und auf die Erhaltung der deutschen Volkssubstanz abzielen. Integration ist gleichbedeutend mit Völkermord. Rassistischer und Für die NPD resultiert die Würde des Einzelnen nicht aus dem nationalistischer freien Willen des Individuums, sondern ist von biologisch-geneIdeologieansatz tischer Teilhabe an der "Volksgemeinschaft" abhängig. Da nur Deutsche völkischer Abstammung Teil der "Volksgemeinschaft" sein können, ist eine rassistisch und nationalistisch geprägte Fremdenfeindlichkeit elementarer Bestandteil der Parteiideologie vom "lebensrichtigen Menschenbild", das sich insbesondere gegen "Fremdbestimmung" und "Überfremdung" wendet. Die NPD verfolgt nicht nur erkennbare rechtsextremistische Ziele. Sie versucht auch, über bürgerliche Themen ihre rechtsextremistischen Anschauungen zu verbreiten. So befasst sie 132 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 sich unter dem Motto "Sozial geht nur national" verstärkt mit sozialpolitischen Themen. Damit will sich die NPD als soziale Protestpartei darstellen und die Ängste der Bevölkerung vor sozialen Reformen, Arbeitslosigkeit und einer "multikulturellen Gesellschaft" schüren. Um dem Ziel der politischen Machtergreifung näherzukommen, verfolgt die Partei ein auf vier "strateVier-Säulen-Strategie gische Säulen" gestütztes Konzept. Diese Säulen bezeichnet sie schlagwortartig mit den Begriffen: - "Kampf um die Köpfe", - "Kampf um die Straße", - "Kampf um die Parlamente", - "Kampf um den organisierten Willen". Der "Kampf um die Köpfe" bezeichnet die politisch-theoretische Arbeit. Die "völkisch-nationale Programmatik" soll weiterentwickelt und dem Bürger vermittelt werden. Gerade angesichts der Flüchtlingsthematik zeigt die zunehmende Verrohung mancher Debatten im Internet, dass die Strategie der NPD des "Kampfs um die Köpfe" teilweise erfolgreich ist. Im "Kampf um die Straße" soll einerseits durch zahlreiche öffentliche Veranstaltungen wie Aufmärsche und Demonstrationen Präsenz gezeigt und andererseits die Bevölkerung mobilisiert werden. Bei der dritten Säule, dem "Kampf um die Parlamente", geht es der NPD um Erfolge als politische Wahlpartei. Ziel ist die Gewinnung von Macht und Einfluss sowie die Gewährung finanzieller Zuwendungen. Mit dem "Kampf um den organisierten Willen" strebt die NPD eine Bündelung aller rechtsextremistischen Kräfte unter ihrer Führung an, ohne dabei programmatische Inhalte zu definieren. Im Grunde will die NPD im Rahmen einer Aktionseinheit als die zentrale und entscheidende Kraft des Rechtsextremismus wahrgenommen werden. Die NPD und ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" unterhalten Verbindungen zu verschiedenen Rechtsextremisten im europäischen Ausland. Die NPD ist Mitglied der "Europäischen Nationalen Front", einem europaweiten rechtsextremistischen Parteienbündnis, dem auch die griechische rechtsextremistische Partei "Chrysi Avgi" angehört. Die NPD gliedert sich bundesweit in 16 Landesverbände, die wiederum in Bezirksund Kreisverbände unterteilt sind. Der bayerische Landesverband besteht aus sieben Bezirksund 31 Kreisverbänden. > Inhaltsverzeichnis 133 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Misserfolge bei Ende 2010 fusionierte die NPD mit der "Deutschen Volksunion" Bundestagswahl (DVU) zur neuen Partei "NPD - Die Volksunion". Bei der Bundestagswahl 2017 erreichte die NPD nur 0,4 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen und verfehlte damit deutlich die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament sowie knapp die Hürde von 0,5 Prozent für den Erhalt von Mitteln aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Im Rahmen des Bundestagswahlkampfes 2017 führten mehrere bayerische Kreisverbände der NPD Infostände durch. Ein koordinierter Wahlkampf der bayerischen NPD-Verbände war jedoch nicht erkennbar. Teilweise verwendete die NPD Plakate, die aus dem letzten Bundestagswahlkampf stammten. Bei der Bundestagswahl erhielt die Partei in Bayern 0,3 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen. Das Ergebnis der Bundestagswahl bestätigt den seit mehreren Jahren anhaltenden Negativtrend der Partei bei Landtagsund Bundestagswahlen. Auch in den Ländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD über zwei Wahlperioden in den Landesparlamenten vertreten war, scheiterte sie bei den letzten Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde. Damit verfügt die NPD nur noch im Europaparlament über eine parlamentarische Vertretung. Bei der Wahl zum Europaparlament gilt keine Fünf-Prozent-Hürde. Aktivitäten der NPD 15 Aktivisten der NPD demonstrierten am 1. Mai in Freising unin Bayern ter dem Motto "Nationalisten - Beiträge zum Tag der Arbeit". Die rechtsextremistische Szene führt seit mehreren Jahren derartige Demonstrationen zum Tag der Arbeit durch. Der Feiertag wird als "Tag der deutschen Arbeit" uminterpretiert. Um auf den Mangel an geeigneten Gebetsräumen in der Münchner Innenstadt aufmerksam zu machen, hatten Muslime angekündigt, im Juni auf dem Marienplatz unter freiem Himmel beten zu wollen. Gegen dieses Vorhaben wandte sich die NPD und hielt am 2. Juni mit sechs Teilnehmern eine Standkundgebung auf dem Marienplatz ab. Die Anhänger der NPD schlossen sich anschließend einer gleichzeitig stattfindenden "PEGIDAMünchen"-Veranstaltung an. Am 14. August führte der NPD Kreisverband Oberland in den Räumlichkeiten des rechtsextremistischen "Versands der Bewegung" einen Rednerund Liederabend unter dem Motto "Sommer Sonne NPD" durch. Auf der Veranstaltung sprach der Bundesorganisationsleiter der NPD, Sebastian Schmidtke aus 134 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Berlin. Als Liedermacher trat der Sänger Lunikoff auf. An einem weiteren Rednerund Liederabend der NPD in Murnau am 19. Dezember unter dem Motto "Weisse Weihnacht" traten als Redner der NPD-Landesgeschäftsführer Axel Michaelis und der Sänger Lunikoff vor etwa 30 Personen auf. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 17. Januar 2017 die verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD bestätigt. Ein Verbot der Partei lehnte das Gericht jedoch ab, weil die Bedeutung der Partei für eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu gering sei. Nachdem auf Bundesebene die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ausschluss verfasAusschluss von der sungsfeindlicher Parteien von der staatlichen ParteienfinanzieParteienfinanzierung rung geschaffen wurden, hat der Bundesrat am 2. Februar 2018 beschlossen, beim Bundesverfassungsgericht den Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung zu beantragen. Die NPD führte mehrere Kundgebungen gegen das Verbotsverfahren durch, zum Beispiel am 14. Mai in Freising sowie am 9. und 28. April in München. Die Teilnehmerzahl lag dabei jeweils bei rund zehn Personen. Junge Nationaldemokraten (JN) Deutschland Bayern Mitglieder etwa 300 Einzelpersonen Vorsitzender Sebastian Richter derzeit keine Führungsstruktur auf Landesebene Gründung 1969 Sitz Halberstadt/ Sachsen-Anhalt Die Jugendorganisation der NPD war in der Vergangenheit bestrebt, ein gegenüber der Mutterpartei eigenständiges Profil zu entwickeln. Dazu hat sie sich als "sozialrevolutionäre[r] Flügel innerhalb der NPD" dargestellt. Während sich die NPD als parlamentarischer Arm der "nationalen Opposition" versteht, sehen die JN ihren Schwerpunkt im "vorpolitischen Raum" und in der Bindegliedfunktion zur Neonazi-Szene. Vereinzelt wurden in Bayern Publikationen der JN verteilt. So verbreiteten Rechtsextremisten am Rande einer Demonstration gegen Abschiebungen nach Afghanistan am 25. März in Neumarkt i. d. OPf. Flyer der JN. > Inhaltsverzeichnis 135 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Ring Nationaler Frauen (RNF) Deutschland Bayern Mitglieder unter 100 Einzelpersonen Vorsitzender Antje Mentzel derzeit keine Führungsstruktur auf Landesebene Gründung 2006 2013 Sitz Egeln/Sachsen-Anhalt Forchheim i. Oberfranken Der RNF ist eine Unterorganisation der NPD und versteht sich als Sprachrohr und Ansprechpartner für "nationale" Frauen. Das vom RNF vertretene, konsequent völkisch geprägte Weltbild kommt im RNF-Propagandamaterial zum Ausdruck. In Bayern ist der RNF nur sporadisch aktiv. 2017 löste Antje Menzel Ricarda Riefling als Vorsitzende des RNF ab. 6.2 Partei Der Dritte Weg (III. Weg) Deutschland Bayern Mitglieder und 500 etwa 140 Sympathisanten Vorsitzender Klaus Armstroff Kai Zimmermann Gründung 2013 20141 Sitz Weidenthal/ - Rheinland-Pfalz 1 Stützpunkte bestehen seit 2014. Die Partei "III. Weg" vertritt einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus. Zahlreiche Mitglieder, Fördermitglieder und Sympathisanten der Partei stammen aus dem Umfeld des 2014 verbotenen neonazistischen Netzwerks "Freies Netz Süd" (FNS). 136 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die ideologischen Ziele der Partei ergeben sich aus ihrer Satzung sowie aus einem "Zehn-Punkte-Programm", das auf Elemente des 25-Punkte-Programms der NSDAP zurückgreift. Beide Programme basieren auf einem biologischen Volksbegriff. Die NSDAP hatte festgeschrieben, dass nur der ein "Volksgenosse" sein könne, der "deutschen Blutes" sei. Die Partei "III. Weg" fordert die "Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes" sowie die "Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes", die es vor Überfremdung zu schützen gelte. Die Partei vertritt ein geschichtsrevisionistisches Weltbild. Sie Antisemitismus fordert die Wiederherstellung "Gesamtdeutschlands in seinen und Aufruf zum völkerrechtlichen Grenzen". In diesem Zusammenhang spricht Israel-Boykott der "III. Weg" auch von einer "friedlichen Vereinigung des deutschen Volkskörpers im Rahmen der ethnischen Selbstbestimmung und [der] Schaffung eines souveränen deutschen Volksstaates", was als Vereinigung aller deutschsprachigen Gebiete in einem Staat zu interpretieren wäre. Auch der Antisemitismus ist prägend für die Ideologie der Partei: In Artikeln auf ihrer Homepage nimmt die Partei "III. Weg" den Palästina-Konflikt zum Anlass für antizionistische Propaganda. Auf der Startseite wird zudem dazu aufgerufen, keine israelischen Produkte zu kaufen. Die Partei verfolgt ein Drei-Säulen-Konzept: "den politischen Kampf", "den kulturellen Kampf" und "den Kampf um die Gemeinschaft". Der "III. Weg" sieht sich nach dem Drei-Säulen-Konzept nicht bloß als Wahlpartei, sondern als "nationale Bewegung", die insbesondere auch auf der Straße ihre politischen Ansichten vertritt, sich kulturell betätigt und den Gemeinschaftsgeist über die reine Parteiarbeit hinaus durch Sportund Freizeitangebote vertiefen will. Strukturen Die Partei gliedert sich laut ihrer Satzung in die Gebietsverbände Süd, West und Mitte. Der Gebietsverband Süd besteht aus den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Ein Kreisverband ist die kleinste selbstständige Einheit der Partei. Die Satzung ermöglicht in Gebieten, in denen keine Untergliederungen bestehen, sog. "Stützpunkte" einzurichten. > Inhaltsverzeichnis 137 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Fünf Stützpunkte in Ende 2017 bestanden bundesweit 20 Stützpunkte, davon fünf Bayern in Bayern. Die bayerischen Stützpunkte entsprechen weitgehend den bisherigen geografischen Schwerpunkten der verbotenen Vereinigung FNS. Am 22. Juli wurden Kai Zimmermann vom Stützpunkt Nürnberg-Fürth und der unterfränkische Aktivist Matthias Bauerfeind auf dem Gebietsparteitag Süd als Vorsitzender des Gebietsverbandes bzw. als dessen Stellvertreter bestätigt. Bei beiden handelt es sich um langjährige führende Akteure der rechtsextremistischen Szene in Bayern, die schon im FNS aktiv waren. Am 30. September fand in Thüringen der vierte Bundesparteitag des "III. Weg" statt. Bei den Vorstandswahlen wurde der bisherige Bundesvorsitzende, der frühere rheinland-pfälzische NPD-Funktionär Klaus Armstroff, im Amt bestätigt. Der Vorsitzende des Gebietsverbands Mitte, Matthias Fischer, blieb stellvertretender Parteivorsitzender. Bei der Bundestagswahl im September trat der "III. Weg" nicht an und gab auch keine Wahlempfehlung ab. Lediglich der Stützpunkt Ostbayern unterstützte einen parteiunabhängigen Direktkandidaten, mit dem man ideologische Übereinstimmungen sah. Das Gesamtergebnis der Wahl bewertete die Partei aufgrund des guten Abschneidens von Rechtspopulisten als positiv. Die Website der Partei wurde 2017 überarbeitet und modernisiert. Daneben betreibt der "III. Weg" auch einen FacebookAuftritt, der als "Wegweiser" bezeichnet wird. Diese Bezeichnung entspricht dem Selbstverständnis der Partei als Vorreiter des neonazistischen Spektrums. Der "III. Weg" betreibt zudem einen Onlineshop für seine Propagandamittel sowie einen Internetradiosender. Aktionen Veranstaltungen in Am 18. Februar veranstaltete die Partei unter dem Motto "Ein Zusammenhang mit Licht für Dresden" eine bundesweite Kundgebung in Würzburg, den Weltkriegen an der etwa 160 Aktivisten auch von außerhalb Bayerns teilnahmen. Anlass war der Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Februar 1945. Rechtsextremisten missbrauchen Jahrestage und Gedenkanlässe regelmäßig für propagandistische Zwecke. Unter den Teilnehmern befanden sich nach Angaben des "III. Weg" auch Aktivisten der rechtsextremistischen "Nordischen Widerstandsbewegung". 138 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Um den 12. März herum führten die Stützpunkte des Gebietsverbands Süd mehrere Aktionen zum jährlichen "Heldengedenken" durch. Dabei wurden an Kriegerdenkmälern Blumen und Kränze niedergelegt und Kerzen angezündet. Eine größere Gedenkveranstaltung fand in der Nähe des unterfränkischen Eltmann statt. Die Aktionen wurden vom "III. Weg" im Internet ausgiebig dokumentiert. Deutschlandweit die größte Veranstaltung des "III. Weg" war die 1.-Mai-Kundgebung in Gera (Thüringen) unter dem Motto "Kapitalismus zerschlagen! - Für Familie, Heimat und Tradition!", an der rund 410 Aktivisten teilnahmen. Am 22. April führte der Gebietsverband Süd, wie schon die Jahre zuvor, einen sog. "Antikapitalistischen Aktionstag" in Bayern zur Mobilisierung für die 1.-Mai-Demonstration durch. Kleinere Veranstaltungen fanden in Plattling, Deggendorf und Neumarkt sowie in Schweinfurt und Bamberg statt, die Abschlussveranstaltung mit rund 50 Teilnehmern wurde in Nürnberg durchgeführt. Auch mit Flugblattverteilungen, u. a. in München und Regensburg, warb die Partei für ihre 1.-Mai-Demonstration. Anlässlich des Christopher-Street-Days und im Zusammenhang Agitation gegen mit der vom Deutschen Bundestag verabschiedeten "Ehe für gleichgeschlechtalle" veranstaltete der "III. Weg" am 29. Juli einen bundesweiliche Ehe ten Aktionstag unter den Schlagwörtern "Homopropaganda stoppen" und "Gesunde Familien - statt Homopropaganda". In Bayern fand eine Kundgebung mit rund zehn Teilnehmern auf dem Erlanger Rathausplatz statt. Außerdem wurden an mehreren Orten Flugblätter zum Thema verteilt. Am 26. August führte der "III. Weg" in Fulda (Hessen) eine Demonstration unter dem Motto "Heimat bewahren - für einen deutschen Sozialismus" durch. Daran beteiligten sich ca. 100 Personen aus den Gebietsverbänden Süd, Mitte und West der Partei. Vor der Veranstaltung in Fulda hatten in Schweinfurt, Alsfeld und Bad Hersfeld Vorkundgebungen stattgefunden. In Schweinfurt nahmen daran mehr als 30 Personen teil. Gemäß ihrer gebietsrevisionistischen Programmatik spielen auch die ehemals von Deutschen besiedelten Gebiete in Mittelund Osteuropa in der Geschichtspropaganda der Partei "III. Weg" eine wichtige Rolle. Am 10. September veranstalteten Aktivisten des "III. Weg" unter dem Motto "Verzicht ist Verrat" zum zweiten Mal nach 2016 einen bundesweiten "Heimatvertriebenen-Aktionstag". > Inhaltsverzeichnis 139 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Am 18. November fand die alljährliche "Heldengedenken"-Demonstration des "III. Weg" in Wunsiedel statt. Zu der Veranstaltung unter dem Motto "Tot sind nur jene, die vergessen werden!" fanden 190 Rechtsextremisten zusammen. Bei rechtsextremistischen "Heldengedenk"-Aktionen wird in der Regel ausschließlich der gefallenen deutschen Soldaten in den beiden Weltkriegen gedacht, die als Helden für Volk und Vaterland dargestellt werden. Dabei werden die Angehörigen der Waffen-SS ausdrücklich mit einbezogen. In Bayern bestehen folgende Stützpunkte: 140 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Stützpunkt Oberfranken Mitglieder und etwa 15 Personen Sympathisanten Gründung 1. Februar 2015 Aktionsraum Oberfranken Als erster Stützpunkt der Partei "III. Weg" in Bayern wurde am 25. Januar 2014 der Stützpunkt Hof gegründet, der später zum Stützpunkt Hochfranken/Vogtland umbenannt wurde. Am 1. Feb - ruar 2015 teilte sich dieser in die beiden Stützpunkte Vogtland und Oberfranken. Die Mitglieder des Stützpunktes verteilten Flugblätter gegen die Asylund Flüchtlingspolitik u. a. in Altendorf, Amlingstadt, Bad Steben, Breitengüßbach und Strullendorf. Ein Schwerpunkt der Anti-Asyl-Agitation der Aktivisten des Stützpunktes war Hirschaid. Die Partei verteilte dort Flugblätter und agitierte an Infoständen gegen die deutsche Asylpolitik. Nach Medienberichten über mutmaßlich durch Asylsuchende begangene sexuelle Übergriffe auf der Hirschaider Kerwa wurden diese Aktivitäten weiter intensiviert. Am 15. April gab es in Forchheim eine Kundgebung in Form eines Infostandes mit rund 20 Teilnehmern aus dem rechtsextremistischen Spektrum. Dabei verteilten die Aktivisten u. a. Flyer mit dem Titel "Asylflut stoppen". Ähnliche Veranstaltungen fanden am 27. Mai in Kronach und Lichtenfels statt. Am 12. März beteiligten sich Mitglieder des Stützpunktes zusammen mit Aktivisten aus Unterfranken am "Heldengedenken" des "III. Weg" im unterfränkischen Eltmann. Am 8. Mai verteilten die Aktivisten in Bamberg anlässlich des Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs Flugblätter, die das historische Datum aus der Sicht der neonazistischen Partei darstellten. Auch gemeinsame Freizeitaktivitäten wurden durchgeführt, u. a. eine Neujahrswanderung im Bamberger Land sowie - gemeinsam mit Aktivisten aus Unterfranken - eine Kanufahrt auf der Fränkischen Saale. > Inhaltsverzeichnis 141 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Stützpunkt Mainfranken Mitglieder und etwa 10 Personen Sympathisanten Gründung 13. September 2014 Aktionsraum Unterfranken Auch der Stützpunkt Mainfranken führte 2017 wieder mehrere Aktionen durch, die sich gegen Asylsuchende und Flüchtlinge richteten. Am 26. Februar schlichen sich mehrere Aktivisten, verkleidet als afrikanische Flüchtlinge bzw. als Bundeskanzlerin, in den Würzburger Faschingszug ein und zeigten ein Transparent mit dem Text "Wir wissen genau ABSCHIEBEN wird uns keine Sau". Am 25. März veranstaltete der Stützpunkt Mainfranken in Schweinfurt einen Infostand. Aktivisten verteilen Flugblätter an Passanten. Thema war auch hier u. a. die Asylpolitik. Im April erhielten Aktivisten des Stützpunktes eine Rechtsschulung zum Verhalten gegenüber der Polizei bei Kontrollen und Hausdurchsuchungen sowie zum Thema sichere Kommunikation und Internetnutzung. Durch solche Schulungen will der "III. Weg" Maßnahmen der Sicherheitsbehörden erschweren. Im Rahmen der Anti-Asyl-Agitation verteilten Aktivisten im Juni an Besucher des Erlabrunner Badesees im Landkreis Würzburg und des Geisbergbads in Veitshöchheim Flugblätter mit Sicherheitshinweisen für Badegäste. Am 23. Juli folgte eine ähnliche Aktion anlässlich der "Eltmanner Biertage" mit Flugblättern mit Verhaltenstipps für Festbesucher. Stützpunkt München/Oberbayern Mitglieder und etwa 20 Personen Sympathisanten Gründung 23. März 2014 Aktionsraum München und Oberbayern Ein Schwerpunkt der Aktivitäten des Stützpunkts München/ Oberbayern war die Verteilung von Flugblättern. Im Rahmen der Anti-Asyl-Agitation kam es zu Verteilaktionen u. a. in verschiedenen Stadtteilen Münchens, in Allershausen und am 15. September in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, nachdem dort eine 16-Jährige - mutmaßlich von zwei Migranten - vergewaltigt worden 142 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 war. Auf und in den Straßen um das Oktoberfest verteilten die Aktivisten der Partei Flyer mit Sicherheitshinweisen für Festbesucher, die sich ebenfalls gegen Flüchtlinge richteten. Am 16. Februar verbreiteten Aktivisten des "III. Weg" vor dem Veranstaltungsort der am nächsten Tag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz Flugblätter mit dem Titel "Kein deutsches Blut für fremde Interessen". Im gleichen Monat verteilten Aktivisten in München zudem Flyer gegen die Haltung von Wildtieren in Zirkussen. Das Thema wurde im Anschluss auch auf der Homepage der Partei thematisiert. Nach den linksextremistischen Ausschreitungen beim G20-Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg sowie nach einer von Linksextremisten begangenen Sachbeschädigungsserie in München in den Monaten September und Oktober kam es zur Verteilung von Flugblättern gegen linksextremistische Gewalt in Oberschleißheim, Fürstenried und den betroffenen Stadtteilen in München. Weitere Flugblattverteilungen zu verschiedenen Themen fanden u. a. in Germering, Ingolstadt, Irschenberg, Murnau und Neuötting statt. Im Landkreis Passau verbreitete die Partei am Wochenende des 10. und 11. Juni Flugblätter mit Hilfe heliumbefüllter Luftballons. Die im November 2016 begonnenen sog. "Nationalen Streifen" Nationale Streifen wurden mit mehreren Rundgängen vor allem in der ersten Jahreshälfte fortgesetzt. Dabei beteiligten sich auch mindestens einmal Personen, die mit Jacken der rechtsextremistischen griechischen Partei "Chrysi Avgi" (Goldene Morgenröte) bekleidet waren. Auf der Homepage der Partei sowie auf Facebook verband der "III. Weg" die Aktionen mit der Agitation gegen Ausländer und Politiker, indem behauptet wurde, dass deutsche Bürger tagtäglich Opfer ausufernder Ausländergewalt seien. Daneben verteilten die Aktivisten des Stützpunktes im Januar laut eigenen Angaben auch in München Kleiderspenden an Bedürftige als Teil der Partei-Aktion "Deutsche Winterhilfe". Am "Heldengedenken" des "III. Weg" am 12. März beteiligten sich die Aktivisten des Stützpunkts mit dem Entzünden von Kerzen an mehreren Kriegerdenkmälern. Am 15. April berichtete in München ein ehemaliger Soldat der Waffen-SS von seinen Kriegserfahrungen. Am 8. Mai gedachten Mitglieder des Stützpunktes unter dem Motto "8. Mai - Kein Tag der Befreiung" in > Inhaltsverzeichnis 143 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Ingolstadt, Manching, Oberschleißheim, Pfaffenhofen an der Ilm, Petershausen und Vierkirchen der deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs, indem sie vor verschiedenen Denkmälern Kerzen entzündeten. In München hängten Aktivisten am Platz der Opfer des Nationalsozialismus eine Puppe auf, die an die deutschen Kriegsopfer erinnern sollte. An den Konsulaten der vier Siegermächte wurden Schilder mit dem Text "Befreier morden nicht! Befreier rauben nicht! Befreier schänden nicht! 8. Mai - Wir feiern nicht!" angebracht. Am 5. Juni führte der "III. Weg" eine Ideologieschulung für die Mitglieder des Stützpunktes zusammen mit Aktivisten der Partei aus Schwaben durch. Aktivisten des Stützpunktes nahmen wiederholt an Veranstaltungen von "PEGIDA-München" teil. "III. Weg"-Funktionäre traten dabei auch als Redner in Erscheinung. Bei einer Demonstration von "PEGIDA-München" am 16. September in Augsburg beteiligte sich eine Gruppe von Aktivisten des "III. Weg". Stützpunktleiter Karl-Heinz Statzberger war einer der Redner der Veranstaltung. Stützpunkt Nürnberg/Fürth Mitglieder und etwa 40 Personen Sympathisanten Gründung 29. März 2014 Aktionsraum Metropolregion Nürnberg/Fürth Die Aktivisten des Stützpunktes beteiligten sich an der Aktion "Deutsche Winterhilfe" der Partei und verteilten am 14. Januar laut ihrer Homepage in Nürnberg und Fürth Kleiderspenden an bedürftige Deutsche. In Fürth verteilten Aktivisten am 1. Februar Flugblätter in der Umgebung einer geplanten Asylbewerberunterkunft. Dem privatwirtschaftlichen Betreiber der Unterkunft wurde ein "Ausreisegutschein" in den Briefkasten seiner Privatanschrift geworfen. Am 28. Februar versuchten Aktivisten, sich unter die Teilnehmer des Faschingszuges in Ellingen zu mischen, um Papierschnipsel mit islamfeindlichen Parolen zu verstreuen. Dies wurde jedoch von der Polizei verhindert. 144 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Auch der Stützpunkt Nürnberg/Fürth beteiligte sich am nationalsozialistisch geprägten "Heldengedenken" am 12. März. Aktivisten entzündeten an mehreren Kriegerdenkmälern Kerzen. Aktivisten des Stützpunktes nutzten die Erlanger Bergkirchweih vom 1. bis 12. Juni, um mithilfe von Flyern vor allem Besucherinnen mit Verhaltensratschlägen vor Gefahren sexueller Belästigung zu warnen. Der Flyer enthielt u. a. Flüchtlinge diskriminierende Warnungen wie - "Vermeide das Passieren von Asylunterkünften oder die nähere Umgebung" - "Vermeide längeren Blickkontakt zu exotisch aussehenden, fremden Männern!" Eine ähnliche Aktion fand auch auf der Kirchweih in Veitsbronn am 20. August statt. In Weißenburg verteilten Aktivisten der Partei im September Flugblätter, die sich gegen eine örtliche Asylunterkunft richteten. Stützpunkt Ostbayern Mitglieder und etwa 50 Personen Sympathisanten Gründung 21. Juni 2014 Aktionsraum Niederbayern, Oberpfalz Ein Schwerpunkt des Stützpunktes Ostbayern ist weiterhin die Agitation gegen Asylbewerber bzw. gegen die Flüchtlingspolitik. Dabei stand Straubing im Zentrum der Aktivitäten der Partei. Nach Medienberichten über eine Häufung von Straftaten durch Flüchtlinge am dortigen Donauufer begannen Aktivisten des "III. Weg" ab dem 6. August damit, im Abstand von einigen Tagen sog. "Nationale Streifen" durchzuführen und entsprechende Flugblätter zu verteilen. Die Aktivisten versuchten dabei, auch Nichtmitglieder für die Streifengänge und für die Partei zu gewinnen. Teil der Kampagne war auch eine Kundgebung mit 40 Teilnehmern unter dem Motto "Straubing wehrt sich!" am 15. September auf dem Straubinger Theresienplatz. Im oberpfälzischen Arnschwang hielt der "III. Weg" am 4. Juni unter dem Motto "Multikulti tötet! Freiheit und Sicherheit für Deutschland!" eine Versammlung ab. Am 3. Juni hatte dort in > Inhaltsverzeichnis 145 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus einer Asylunterkunft ein afghanischer Asylbewerber ein fünfjähriges Kind getötet und dessen Mutter schwer verletzt. An der Versammlung nahmen etwa 25 Angehörige des Stützpunkts teil. Rund 70 weitere Personen verfolgten die Versammlung. Im Rahmen der Anti-Asyl-Agitation wurden auch Flugblätter in Simbach, Pfenningbach und Ruhstorf a. d. Rott verteilt. Durchsuchung im Am 5. Oktober führte die Polizei bei einem Aktivisten des "III. Landkreis Passau Weg" im Landkreis Passau eine Hausdurchsuchung durch. Die Ermittlungen standen im Zusammenhang mit einer Aktion im Juli, bei der mutmaßlich rechtsextremistische Personen an mehreren Stellen in Passau den Schriftzug "Tatort BRD" und die Umrisse von Personen auf den Boden gesprüht hatten. Neben den aufgesprühten Tatorten lagen Zettel mit Zitaten von Politikern und prominenten Personen zum Thema Flüchtlinge. Am 22. Februar verteilten Aktivisten in Viechtach Infomaterial vor dem Veranstaltungsort eines Vortrages über Neonazismus in Ostbayern. Unter dem Motto "Umweltschutz ist Heimatschutz" sammelten Aktivisten des Stützpunktes am 26. März in Eggenfelden und am 9. April im Cham Müll auf öffentlichen Wegen und Grünflächen ein. In Cham wurden dabei auch Flugblätter verteilt. Am 26. März verteilten Aktivisten in Deggendorf vor einem gastierenden Wanderzirkus Flugblätter gegen Wildtierhaltung in Zirkussen. Ähnliche Aktionen gab es auch in Pfarrkirchen und Straubing. Am 20. Mai fand für die Mitglieder des Stützpunktes im Bayerischen Wald eine Rechtsschulung statt, die den aus Sicht der Rechtsextremisten richtigen Umgang mit Justiz und Polizei vermitteln sollte. Anfang November schulte der Stützpunkt seine Mitglieder in den weltanschaulichen Positionen des "III. Weg", zum Verhalten bei seinen Aktionen sowie im Umgang mit dem Internet und sozialen Medien. In Gundihausen (Lkr. Landshut) wandte sich der "III. Weg" gegen den Aufenthalt einer Gruppe von Sinti und Roma. Am 25. August hielt der Stützpunkt eine Informationsveranstaltung für Interessenten aus dem Raum Amberg ab. Ziel war es, neue Mitglieder zu werben. 146 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Als am 9. September "PEGIDA-München" eine Kundgebung in Regensburg durchführte, beteiligte sich daran auch eine Gruppe von rund zehn Mitgliedern des "III. Weg". Zwei Funktionäre der Partei, darunter Stützpunktleiter Walter Strohmeier, traten als Redner auf. Neben politischen Aktionen unternahmen die Mitglieder des Stützpunktes Ostbayern auch gemeinsame Freizeitaktivitäten, u. a. am 5. Februar einen sog. Gemeinschaftstag im Bayerischen Wald und am 19. März eine sog. Ostara-Wanderung auf den Großen Osser mit Durchführung einer neuheidnischen Zeremonie. Von 16. bis 18. Juni veranstaltete der Stützpunkt eine Sommersonnwendfeier auf einem Privatgrundstück im niederbayerischen Pfarrkirchen. An dieser internen Veranstaltung nahmen zwischen 80 und 100 Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum teil, darunter auch Familien mit Kindern. Stützpunkt Schwaben (aufgelöst) Mitglieder und etwa 5 Personen in Bayern Sympathisanten Gründung 17. Mai 2014 Aktionsraum Schwaben, Baden-Württemberg Der Stützpunkt entfaltete bis Anfang November Aktivitäten in Bayern und Baden-Württemberg. Seit November wird er nicht mehr in der Stützpunktübersicht des "III. Weg" aufgeführt. Im Rahmen der Anti-Asyl-Agitation der Partei verteilten Mitglieder des Stützpunktes Schwaben Flyer der Partei, u. a. in Kempten. Der Stützpunkt Schwaben beteiligte sich auch am nationalsozialistischen "Heldengedenken" am 12. März mit Aktionen an Kriegerdenkmälern am Grünten im Allgäu sowie in Aichach und Kühbach. Am 18. März veranstaltete der Stützpunkt Schwaben zusammen mit Aktivisten aus München und Württemberg ein neuheidnisches Ostara-Fest. Am 5. Juni erhielten Aktivisten des Stützpunktes Schwabens zusammen mit Parteimitgliedern des Stützpunktes München/ Oberbayern eine ideologische Grundlagenschulung. > Inhaltsverzeichnis 147 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus 6.3 Partei DIE RECHTE Deutschland Bayern Mitglieder und 700 20 Sympathisanten Vorsitzender Christoph Drewer Philipp Hasselbach Gründung 2012 24. Mai 2015 Sitz Parchim/MecklenburgMünchen Vorpommern Die im Jahr 2012 gegründete Partei "DIE RECHTE" ist neonazistisch ausgerichtet, ein Großteil der Mitglieder - auch in Führungspositionen - stammt aus der Neonaziszene. Ein politisch ideologischer Schwerpunkt der Partei "DIE RECHTE" ist die Fremdenfeindlichkeit. Das Parteiprogramm stellt einen Zusammenhang zwischen Migranten und dem Begehen von Straftaten her, um Migranten pauschal zu diskreditieren und Vorurteile gegenüber Flüchtlingen zu schüren. Strukturen Die Partei ist in zehn Bundesländern vertreten. Landesverbände gibt es in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Mehr als die Hälfte der Mitglieder wohnen in Nordrhein-Westfalen. Zur Bundestagswahl trat "DIE RECHTE" lediglich in Baden-Württemberg an. Sie erhielt etwa 1.100 Erststimmen und etwa 2.000 Zweitstimmen (0,0 Prozent). Die Strukturen der Partei "DIE RECHTE" in Bayern haben sich Auflösungstendennach starken Aufbaubestrebungen im Jahr 2015 inzwischen zen in Bayern weitgehend aufgelöst. Das Mitgliederpotenzial halbierte sich auf etwa 20 Personen. Vereinzelte Aktivitäten gingen noch vom Kreisverband München und dem bayerischen Landesvorsitzenden aus. Die Kreisverbände Nürnberg und Rosenheim entfalteten 2017 keine eigenen Aktivitäten mehr. Die Mitglieder und Sympathisanten des Kreisverbands Bamberg stammten aus der regionalen Neonaziund Hooligan-Szene. Die Gruppierung wies ein erhöhtes Aggressionspotenzial auf. Gegen Personen aus dem Umfeld der Partei "DIE RECHTE" leitete die 148 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Staatsanwaltschaft Bamberg 2016 ein Verfahren wegen VerErmittlungsverfahren dachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung und des Verdachts der Vorbereitung eines Explosionsund Strahlungsverbrechens ein. Die Polizei hatte bei Durchsuchungen im Jahr 2015 illegale Pyrotechnik beschlagnahmt, darunter 15 Kilogramm Sprengstoffprodukte und zwei sog. Kugelbomben mit jeweils etwa einem Kilogramm hochexplosiver Treibladung sowie Gotcha-Waffen, Elektroschocker und eine scharfe 9-mm-Pistole mit Munition. Es ist davon auszugehen, dass bereits mehrere Gewalttaten in Planung waren. U. a. sollten Übergriffe gegen Asylbewerberunterkünfte in Bamberg durchgeführt werden. Dabei sollte die beschlagnahmte Pyrotechnik zum Einsatz kommen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Kreisverband Bamberg entwickelte seit den Durchsuchungen keine eigenen Aktivitäten mehr. Aktivitäten Am 7. Januar beteiligten sich in München Aktivisten der Partei "DIE RECHTE" an einer NPD-Kundgebung gegen das Parteiverbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht. Der bayerische Landesvorsitzende der Partei "DIE RECHTE" hielt hierbei eine Rede. In einem dem Münchner Kreisverband zurechenbaren Facebook-Profil wurde zur Teilnahme an einer rechtsextremistischen 1.-Mai-Kundgebung in Halle a. d. Saale aufgerufen. Am 28. Mai fand ein bundesweiter Aktionstag "Freiheit für Horst Mahler - keine Auslieferung an die BRD-Gesinnungsjustiz" statt, der sich gegen die Auslieferung des Holocaust-Leugners Horst Mahler von Ungarn an die Bundesrepublik Deutschland richtete. In München meldete der bayerische Landesvorsitzende eine Kundgebung an. Daran nahmen parteiübergreifend etwa 25 Personen der Parteien "DIE RECHTE" und NPD sowie von der "Bürgerinitiative Ausländerstopp München" teil. Außerhalb Bayerns trat der bayerische Landesvorsitzende als Redner bei einer Kundgebung der Partei "DIE RECHTE" am 18. März in Leipzig auf und nahm am 3. Juni an der Kundgebung "Tag der deutschen Zukunft" in Karlsruhe teil. > Inhaltsverzeichnis 149 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus 7. PARTEIUNABHÄNGIGE RECHTSEXTREMISTISCHE ORGANISATIONEN 7.1 Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) Die IBD versteht sich als Ableger der französischen "Generation identitaire" (GI). Bei der GI handelt es sich um die Jugendorganisation des "Bloc identitaire", der die Nachfolge der aufgrund rassistischer und gewalttätiger Aktivitäten im Jahr 2002 verbotenen Gruppierung "Unite radicale" darstellt und von den französischen Behörden als rechtsextremistisch bewertet wird. Die IBD ist überzeugt davon, dass ein "Volk" eine "ethnokulturelle Identität" habe, die sich durch jeweils eine gemeinsame Sprache, "Kultur", "Herkunft" und Religion auszeichne. Das Volk sei zudem an einen bestimmten geografischen Raum gebunden. Jeder Mensch wird als Teil eines einzigen Volkes gesehen. Ideologisch sieht sich die IBD in der Tradition der sog. "konservativen Revolution". Damit beruft sie sich auf eine antidemokratische, antiliberale und antiegalitäre Strömung der Weimarer Zeit. Konzept der ethnoIhre vornehmliche Aufgabe sieht die IBD in der Verteidigung kulturellen Identität; und Bewahrung von "Heimat, Freiheit, Tradition". An erster Ethnopluralismus Stelle stehe hierbei der Erhalt der "ethnokulturellen Identität", die durch einen befürchteten "demografischen Kollaps" sowie durch angebliche "Massenzuwanderung" und "Islamisierung" bedroht sei. In Anlehnung an die rechtsextremistischen Ideen des französischen Theoretikers Alain de Benoist wird unter einer "ethnokulturellen Identität" eine ethnische, religiöse und kulturelle Prägung von Gemeinschaften und ganzen Völkern verstanden, durch die allein sich die Identität des Einzelnen definiere. Die IBD propagiert deshalb einen europäischen Ethnopluralismus, d. h. die räumliche und kulturelle Trennung unterschiedlicher Ethnien. Dies hätte letztlich die Ausweisung großer Bevölkerungsteile unter Missachtung der vom Grundgesetz garantierten Menschenrechte zur Folge. Die ethnopluralistische Vorstellung von an bestimmte Territorien gebundenen Völkern entspricht der rechtsextremistischen "Blut und Boden"-Ideologie, wobei der Begriff der "Rasse" durch eine angebliche "ethnokulturelle Identität" ersetzt wird. Erkennungszeichen der IBD ist das Lambda, der elfte Buchstabe des griechischen Alphabets, in einem Kreis. Das Symbol war im antiken Griechenland das Erkennungsmerkmal der Spartaner, die im 5. Jahrhundert vor Christus gegen die Invasion eines übermächtigen persischen Heeres kämpften. Dieser Opfermythos 150 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 entspricht der Selbstwahrnehmung der IBD, die sich als die Letzten sehen, die die "ethnokulturelle europäische Identität" vor ihrem Untergang durch Überfremdung und Islamisierung retten könnten. Die IBD betrachtet sich als Bestandteil einer europaweiten BeAktion "Defend wegung. Ihr Ziel ist es, die europäische Jugend im Kampf für Europe" im Mitteldie ihrer Meinung nach bedrohte kulturelle Identität zu vereinen. meer Diese europaweite Ausrichtung wurde im Rahmen der IB-Aktion "Defend Europe" deutlich, an der sich IB-Aktivisten aus mehreren europäischen Staaten beteiligten, neben Deutschen auch Österreicher, Italiener und Franzosen. Ziel der Aktion war es, mithilfe eines eigens gecharterten Schiffes die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vor der libyschen Küste zu dokumentieren. Diesen wurde von Seiten der IB vorgeworfen, mit libyschen Schlepperbanden zu kooperieren, um Flüchtlinge nach Europa zu bringen. Um die Aktion zu finanzieren, hatte die IB im Internet um Spenden geworben. Mehr als 200.000 US-Dollar kamen dabei zusammen. Den während der Aktion erfolgten Rückgang der Flüchtlingszahlen und den Abbruch mehrerer NGO-Rettungseinsätze versuchte die IB, als ihren Erfolg darzustellen. Bayerische Aktivisten beteiligten sich nicht an der Aktion. Die IB Bayern berichtete allerdings regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite über deren Verlauf. Der Aktionismus der IBD in Bayern hat im Laufe des Jahres 2017 gegenüber den Vorjahren deutlich zugenommen. Insbesondere Transparentaktionen wurden durchgeführt. Die Aktionen der IBD sind darauf angelegt, eine möglichst große Öffentlichkeitswirkung zu erzielen. Sie sind in der Regel mit wenigen Aktivisten umsetzbar und werden im Internet entsprechend medial aufbereitet. Die IBD hat so - obwohl sie im Hinblick auf die Aktivistenzahl nicht zu den größten rechtsextremistischen Organisationen zählt - eine starke Präsenz in Medien und Öffentlichkeit erreicht. Wie sich die IB strategisch und ideologisch aufstellt, zeigten Schulungsunterlagen der IB Schwaben sowie der Sommeruniversität der französischen GI. Hinsichtlich der schwäbischen Unterlagen sind vor allem die angestrebten Vernetzungsstrategien Vernetzungsstrategie der IB auffällig. So wird in den Zielsetzungen für die schwäbischen Ortsgruppen gefordert, sich mit der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD), deren Jugendorganisationen, Burschenschaften, patriotischen Gruppen, der Initiative "Ein Prozent" und anderen IB-Gruppen zu vernetzen. Die französischen Unterlagen stammen von der Sommeruniversität 2015 und beinhalten Schulungen zur Öffentlichkeitsarbeit, Aktivismus, Rhetorik, Umgang mit Behörden und Metapolitik. Insgesamt ist erkennbar, dass die > Inhaltsverzeichnis 151 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus IB primär darauf abzielt, den öffentlichen politischen und gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen. Dabei will sie den "Kampf um die Deutung der Tatsachen" für sich entscheiden. Die Zuständigkeit für die konkrete Umsetzung ihrer politischen Forderungen sieht die IB vor allem bei anderen. Am 29. April kündigte die IBD an, gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Deutschland klagen zu wollen. Dazu richtete sie eine eigene Kampagnenseite und ein Facebook-Profil ein. Am 27. September gab die IBD bekannt, dem Bundesministerium des Inneren eine Unterlassungserklärung zugestellt zu haben, in der gefordert werde, die Beobachtung einzustellen und die IBD nicht mehr im Verfassungsschutzbericht zu nennen. Die IBD gliedert sich in Bayern nicht nach Regierungsbezirken, sondern nach "Volksgrenzen". Es existieren die drei Gruppierungen IB Bayern, IB Schwaben und IB Franken. IB Bayern Mitglieder und Sympathisanten etwa 50 Personen Aktionsraum Oberbayern, Oberpfalz, Niederbayern Die IB Bayern ist die derzeit aktivste Gruppierung der IB in Bayern. Sie umfasst das gesamte Gebiet Altbayerns. Den aktivistischen Schwerpunkt der IB Bayern bildet die Ortsgruppe in München. Dort bestehen zudem Verflechtungen zur Burschenschaft "Danubia" (B! Danubia). So trat am 18. Januar mit Alexander Markovics ein Führungsaktivist der IB Österreich bei einem Vortragsabend im Haus der B! Danubia München als Redner auf und hielt einen Vortrag zum Thema "Die Perspektiven der Reconquista im 21. Jahrhundert. Eine Bestandsaufnahme und ein Ausblick". Die IB Bayern beschränkt sich nicht auf reine Transparentaktionen. So störten Aktivisten am 3. Mai an der Universität Regensburg eine Podiumsdiskussion zum Nahost-Konflikt. Während der Veranstaltung stürmten sie in den Hörsaal, skandierten Parolen und zeigten Banner mit Aufschriften wie "Religionsfreiheit statt Islamisierung" und "Scharia für alle". Dabei trugen die Aktivisten Niqabs als Vermummung. Eine ähnliche Aktion hatte bereits am 15. April unter dem Titel "Burka-Invasion" in München stattgefunden. Dabei versammelten sich etwa zehn mit Niqab-ähnlichen Vermummungen bekleidete Aktivisten der IBD in der Münchner Innenstadt und zeigten Schilder, auf denen u. a. zu lesen war: "Sharia für Alle!!!" oder "Islam will dominate the world". 152 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Auch Wahlkampfveranstaltungen versuchten Aktivisten der IB Bayern zu stören, u. a. Auftritte der Bundeskanzlerin am 28. Mai auf der Truderinger Festwoche und am 22. September auf dem Münchner Marienplatz. Am Rande des Dachauer Volksfestes zeigten IBD-Aktivisten ein Großtransparent mit der Aufschrift "Terrorangst auf'm Volksfest, Grenzen schließen!". Dadurch sollten Ängste in der Bevölkerung vor Terroranschlägen auf Großveranstaltungen geschürt werden. IB Franken Mitglieder und Sympathisanten etwa 30 Personen Aktionsraum Mittelfranken und Unterfranken Die IB Franken umfasst in Bayern die drei fränkischen Regierungsbezirke, wobei sich die Aktivitäten hauptsächlich auf die Metropolregion Nürnberg und den Würzburger Raum beschränken. Nach einer längeren Phase weitgehender Inaktivität nahmen die Aktionen der IB Franken in der zweiten Jahreshälfte wieder zu. Mehrfach wurden Transparentaktionen durchgeführt, u. a. an der Kaiserburg in Nürnberg und der Mainbrücke in Würzburg. IB Schwaben Mitglieder und Sympathisanten etwa 20 Personen in Bayern Aktionsraum Schwaben, Baden-Württemberg Aktivitäten der IB Schwaben gehen vorrangig von Personen aus Baden-Württemberg aus. Die Aktionen der IB in Bayerisch-Schwaben beschränkten sich auf Transparentund Klebeaktionen. So zeigten IBD-Angehörige im März auf der Mindelburg in Mindelheim ein Transparent mit der Aufschrift "Kultur schützen statt bewundern, Remigration statt Integration". Dazu schwenkten sie Fahnen und zündeten Rauchkerzen. Während des Besuches des bayerischen Ministerpräsidenten auf der Kemptner Festwoche präsentierten Aktivisten der IBD ein Transparent mit der Aufschrift "Merkels Knecht". Im Rahmen des traditionellen "Nabada" in Ulm, bei dem viele Boote die Donau hinabfahren, hissten Aktivisten der IB ein Banner an einem über die Donau gespannten Stahlseil. > Inhaltsverzeichnis 153 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus 7.2 PEGIDA-München - zur Förderung staatsbürgerlicher Anliegen e. V. (PEGIDAMünchen) Gründung 29.04.2015 Aktionsraum München Stark rückläufige "PEGIDA-München" führte in der Landeshauptstadt München Teilnehmerzahlen regelmäßige Montagskundgebungen mit Spaziergängen durch. Nachdem im Jahr 2016 die Teilnehmerzahl von ca. 400 auf durchschnittlich 70 bis 100 Personen gesunken war, nahm diese im Lauf des Jahres 2017 weiter auf durchschnittlich 50 Personen ab. Ab Ende Februar fanden die Montagskundgebungen in München nur noch etwa einmal monatlich statt. Darüber hinaus veranstaltete "PEGIDA-München" in München zum Teil mehrmals pro Woche stationäre Kundgebungen mit rund zehn Teilnehmern. Im September dehnte "PEGIDA-München" die Aktivitäten auf andere Regionen in Bayern aus und veranstaltete erstmals Kundgebungen in Regensburg, Augsburg und Nürnberg. Unter den Teilnehmern der Kundgebungen von "PEGIDA-München" befanden sich wiederholt Aktivisten rechtsextremistischer Parteien und Organisationen, wie die NPD, "Der Dritte Weg" (III. Weg), "DIE RECHTE", die "Bürgerinitiative Ausländerstopp München" (BIA-München) und die "Identitäre Bewegung", deren Symbol wiederholt auch am Rednerpult von "PEGIDA-München" angebracht wurde. Bei "PEGIDA"-Veranstaltungen wurde auch Propagandamaterial rechtsextremistischer Organisationen wie der Partei "III. Weg" verteilt. Teilnehmer verschiedener Kundgebungen von "PEGIDA-München" trugen zudem Transparente, die bereits bei rechtsextremistischen Kundgebungen der Parteien "III. Weg", "DIE RECHTE" und NPD gezeigt wurden. Zum Abschluss der "PEGIDA"-Kundgebung am 27. März erklärte der Vorsitzende von "PEGIDA-München", Heinz Meyer: Auch die Hardcore-Rechten beehren uns zu selten, aber das werden wir noch ändern. Wir härten euch noch ab. Aber es freut mich immer wieder, wenn ich euch sehe! 154 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremisten beschränkten sich nicht auf eine bloße Teilnahme an Kundgebungen von "PEGIDA-München", sondern traten auch regelmäßig als Redner auf. Insbesondere Karl Richter, Vorsitzender der BIA-München und Mitglied des Münchner Stadtrates, hielt regelmäßig Reden bei den Kundgebungen von "PEGIDA-München". Richter lobte im Anschluss an eine Veranstaltung der BIA-München am 11. April auf seinem Facebook-Profil den Schulterschluss zwischen "PEGIDA-München" und der rechtsextremistischen Szene: Zumindest in München klappt der Schulterschluss aber schon ganz gut - ich konnte gestern außer den Gästen aus Mitteldeutschland auch die Münchner NPD-Kreisvorsitzende Renate Werlberger und den 'Kopf' der Münchner Pegida, Heinz Meyer, begrüßen. Nur zusammen sind wir stark! Am 16. Januar trat der Leiter des Stützpunktes Ostbayern der Partei "III. Weg" als Redner auf. Meyer bedankte sich im Anschluss für die Rede. Er fände es gut, wenn "jeder, der patriotisch eingestellt ist, auch zusammensteht". Der Leiter des Stützpunktes München/Oberbayern der Partei "III. Weg" trat als Redner bei Kundgebungen von "PEGIDAMünchen" in Augsburg und München auf. An der ersten Kundgebung von "PEGIDA-München" in Regensburg am 9. September beteiligten sich ebenfalls Redner des "III. Weg". Da in der Gesamtschau Abgrenzungsbemühungen zum rechtsextremistischen Spektrum seitens "PEGIDA-München" nicht mehr feststellbar sind, ist "PEGIDA-München" nunmehr als rechtsextremistische Gruppierung einzustufen. Zwischen "PEGIDA-München" und den Mitgliedern des SchütDurchsuchungen zenvereins "Die Bayerische Schießsportgruppe München e. V." bei Bayerischer (DBSSG), dessen Vorsitzender Heinz Meyer ist, bestehen enge Schießsportgruppe personelle Überschneidungen. Ende April wurden aufgrund München e. V. richterlicher Anordnung Durchsuchungsmaßnahmen bei zehn Personen an elf Objekten, schwerpunktmäßig im Raum München, durchgeführt. Bei den Durchsuchungen wurden diverse Speichermedien und Dokumente sichergestellt. Es besteht der Anfangsverdacht, dass der DBSSG e. V. das Ziel verfolgt, die extremistischen Ziele der "PEGIDA München" mittels Waffengewalt umzusetzen und gegen Minderheiten oder politische Repräsentanten des Staates vorzugehen. > Inhaltsverzeichnis 155 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus 7.3 Bürgerinitiativen Durch die Bezeichnung als "Bürgerinitiative" wollen sich Rechtsextremisten als bürgernahe und wählbare politische Alternative präsentieren. Bürgerinitiative A (BIA) e. V. (BIA-Nürnberg) Größe etwa 20 Personen Gründung bzw. erstmalige Aktivitäten Juli 2001 Aktionsraum Nürnberg Die 2001 gegründete "Bürgerinitiative Ausländerstopp Nürnberg" hatte sich im Jahr 2015 in "Bürgerinitiative A (BIA) e. V." umbenannt, um die rechtsextremistische Prägung der "BIA-Nürnberg" stärker zu verschleiern. Es handelt sich um eine aktive, rechtsextremistische Tarnorganisation der NPD, die ausländerfeindlich ausgerichtet ist. Die "BIA-Nürnberg" ist im Nürnberger Stadtrat mit den beiden ehrenamtlichen Stadträten Fridrich Luft und Ralf Ollert vertreten. Deren Aktivitäten konzentrieren sich vor dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik vorrangig auf das Themenfeld Anti-Asyl. Bürgerinitiative Ausländerstopp München (BIA-München) Größe etwa 30 Personen Gründung bzw. erstmalige Aktivität September 2007 Aktionsraum München Die NPD-Tarnliste BIA-München ist seit 2008 durch Karl Richter im Stadtrat vertreten. Er ist Vorsitzender der BIA-München und war bis zu seinem Rücktritt im Oktober 2014 auch Landesvorsitzender der NPD. Seit dem Einzug der NPD in das Europäische Parlament ist Richter Parlamentarischer Referent von Udo Voigt. Über die Stadtratsarbeit der BIA-München wird regelmäßig in Presseerklärungen und auf der Website berichtet; hier steht die Agitation gegen Flüchtlinge im Mittelpunkt. 156 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Karl Richter steht in Kontakt zu verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen. Er trat als Darsteller in einem Wahlwerbespot der NPD für die Bundestagswahl 2017 auf. Außerdem warb er für "PEGIDA-München" und unterstützte "PEGIDA"-Kundgebungen in München und Regensburg durch Rednerauftritte. Am 28. Mai war er einer der Redner der parteiübergreifenden rechtsextremistischen Kundgebung "Keine Auslieferung an die BRD-Gesinnungsjustiz: Freiheit für Horst Mahler" in München. Bürgerinitiative Ausländerstopp Augsburg (BIA-Augsburg) Größe Funktionärsgruppe Gründung bzw. erstmalige Aktivität 2009 Aktionsraum Augsburg Die Website und das Facebook-Profil der BIA-Augsburg werden nach wie vor unregelmäßig gepflegt. Das Impressum der Website verweist auf den Rechtsextremisten Roland Wuttke, erreichbar unter der Anschrift des NPD-Bundesverbands in Berlin. Dies belegt die Nähe der BIA-Augsburg zur NPD. Am 8. August fand in Augsburg eine Demonstration mit etwa zehn Teilnehmern unter dem Motto "Die Lüge vom Frieden" statt. Mit Ausnahme dieser Kundgebung war die BIA-Augsburg weitgehend inaktiv. Bürgerinitiative Soziales Fürth e. V. (BiSF) Größe Einzelpersonen Gründung bzw. erstmalige Aktivität 2009 Aktionsraum Fürth Die BiSF agitiert ausländerfeindlich und wendet sich gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in Fürth. Der Verein unterhält Kontakte zur Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg). So gehört der Vorsitzende des Gebietsverbandes Süd des "III. Weg" auch der Vorstandschaft der BiSF an. Öffentlichkeitswirksame Aktionen der BiSF, z. B. Veranstaltungen oder Flugblattaktionen, konnten im Jahr 2017 nicht festgestellt werden. > Inhaltsverzeichnis 157 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz e. V. (BiSAO) Größe Einzelpersonen Gründung bzw. erstmalige Aktivität 2012 Aktionsraum Oberpfalz Die BiSAO beschränkte ihre Aktivitäten im Jahr 2017 auf Facebook. Im Facebook-Profil werden aktuelle Nachrichten, vorwiegend zur Ausländerund Kriminalitätsthematik, verlinkt und teilweise kommentiert. In zeitlichem Zusammenhang mit der Bundestagswahl diffamierte die BiSAO Politiker und Parteien. Ein Vorstandsmitglied der BiSAO steht in Kontakt zur Partei "III. Weg". Öffentlichkeitswirksame Aktionen der BiSAO wie Veranstaltungen oder Flugblattaktionen waren im Jahr 2017 nicht feststellbar. 7.4 Sonstige rechtsextremistische Organisationen Gesellschaft für Freie Publizistik e. V. (GfP) Die GfP wurde 1960 von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAPFunktionären gegründet. Sie ist die mitgliederstärkste rechtsextremistische Kulturvereinigung. Ihr gehören vor allem Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler an. Die GfP, die ihren Sitz in München hat, stellt drei Themen in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten: die Relativierung der Kriegsschuld, die "Ausländerfrage" und die Meinungsfreiheit für die "nationale Publizistik". Sie unterhält Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen sowie zu organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlagen und Vertriebsdiensten. Von der GfP veranstaltete Kongresse dienen dazu, Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum zusammenzuführen und den organisationsübergreifenden Zusammenhalt zu stärken. Vom 25. bis 27. August veranstaltete die GfP in Kirchheim (Thüringen) ihre Mitgliederversammlung mit Jahreskongress. Als Gast trat ein rechtsextremistischer Liedermacher aus Bayern auf. Aktivitas der Burschenschaft Danubia München Die Burschenschaft Danubia hat ihren Sitz in München. In der etwa zehn Personen umfassenden Aktivitas (= studierende Mitglieder) der Burschenschaft engagieren sich einzelne Personen, die Beziehungen zur rechtsextremistischen Szene unterhalten oder in der Vergangenheit unterhalten haben. Bei Veranstaltungen der Aktivitas traten seit Jahren auch Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich auf. 158 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Auffällig sind intensive personelle Verbindungen zwischen einzelnen Personen aus der Aktivitas und der "Identitären Bewegung" (IB). So verlinkte das Facebook-Profil der Aktivitas auf die IB in Österreich, und am 18. Januar trat in den Räumlichkeiten der "Danubia" ein hochrangiger Vertreter der IB Österreich als Redner eines "identitären Vortragsabends" auf. Die IB Bayern lobte die Veranstaltung. Europäische Aktion (EA) Die EA ist eine seit 2010 schwerpunktmäßig in Deutschland aktive rechtsextremistische Organisation, die versucht, im europäischen Raum ein antisemitisch-rassistisches Netzwerk aufzubauen. Offizieller Sitz der EA ist das sog. Zentralsekretariat in der Schweiz. Vorgebliches Ziel der EA ist die Bildung einer gesamteuropäischen "Freiheitsbewegung". So sammeln sich in der EA europäische Holocaust-Leugner mit dem Ziel, an einem "Tag X" alle "Fremdund Gemischtrassigen" sowie deren Partner ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit und erworbene Rechtspositionen aus dem "Deutschen Reich" zu entfernen. Der im Jahr 2012 gegründete EA-Stützpunkt München/Oberbayern ist zwischenzeitlich inaktiv. Im sozialen Netzwerk Facebook bekannte sich eine in Coburg angesiedelte virtuelle Gruppe "Europäische Aktion Bayern" zur EA. Am 26. September gab die EA die Auflösung ihrer operativen Strukturen (Landes-, Gebietsund Stützpunktleiter), rückwirkend zum 10. Juni, bekannt. Auf ihre Website kann aber weiterhin zugegriffen werden. Midgard e. V. Rechtsextremisten setzen auch auf gesellschaftspolitische Themen, die vordergründig jenseits ihrer verfassungsfeindlichen Agenda liegen. Hierzu zählen seit einiger Zeit insbesondere der Umweltund Naturschutz. In Bayern hat sich im Jahr 2006 innerhalb der Szene der rechtsextremistische Umweltverein "Midgard e. V." mit Sitz in Landshut etabliert. Dem Vorstand des Vereins gehören überwiegend Rechtsextremisten an, die zum Teil in der NPD aktiv waren oder sind. Der Vorsitzende führte in der Vergangenheit den NPD-Bezirksverband Niederbayern. Die von "Midgard e. V." herausgegebene Publikation "Umwelt & Aktiv" verbindet ökologische Themen mit typischen rechtsextremistischen Argumentationsmustern. Die besondere Betonung des "Heimatschutzes" zielt u. a. darauf ab, ein lebenswertes Deutschland nur für die ihrer Abstammung nach Deutschen, nicht jedoch für zugewanderte Menschen zu bewahren. Regelmäßig werden hier auch nationalsozialistisch > Inhaltsverzeichnis 159 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus orientierte Gastbeiträge veröffentlicht. Die für die Publikation typischen Elemente rassischer Überhöhung sowie Diffamierung der bestehenden politischen Ordnung wurden auch in einem Online-Beitrag vom Februar deutlich. Dort hieß es etwa, dass eine "nicht germanische Minderheit" die Gegenwart zum Zwecke des Machterhalts umgestalte, während dagegen der "germanische Mensch" bis zur Vollendung einer "germanischen Hochkultur" im Abendland nach Größe und Vollendung strebe. Die in den Ausgaben von "Umwelt & Aktiv" behandelten Themen Umwelt, Naturund Tierschutz stoßen in der rechtsextremistischen Szene auf Interesse. Der bayerische NPD-Landesverband warb auf Facebook für die Publikation "Umwelt & Aktiv". Die neonazistische Partei "Der Dritte Weg" informierte im Internet mehrmals über die Publikation und verlinkte auf deren Website. Klage gegen Eine Klage von "Midgard e. V." gegen die Erwähnung des VerNennung im eins und der Zeitschrift "Umwelt & Aktiv" im VerfassungsJahresbericht 2016 schutzbericht Bayern 2012 wies der Bayerische Verwaltungsgeabgewiesen richtshof mit Urteil vom 6. Juli ab. Ausgaben von "Umwelt & Aktiv" enthielten ausreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen. Der Verein werbe in seiner Zeitschrift in wiederkehrender Weise nachhaltig für eine rechtsextremistische Ideologie. 8. NEONAZISMUS UND KAMERADSCHAFTEN Der Neonazismus ist eine besonders menschenverachtende Erscheinungsform des Rechtsextremismus. Er umfasst alle Aktivitäten und Bestrebungen, die sich offen zur Ideologie des Nationalsozialismus bekennen. Ziel der Neonazis ist die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären bzw. totalitären Staates. Neonazis betreiben revisionistische Vergangenheitsverfälschung, indem sie die Geschichtsschreibung über die Zeit des Dritten Reichs ändern wollen und die Gewaltherrschaft des nationalsozialistischen Regimes rechtfertigen oder verharmlosen. Neonazis schließen sich in informellen Gruppen zusammen, die weitgehend ohne feste Strukturen auskommen oder solche zu verschleiern versuchen. Die Vernetzung erfolgt vorwiegend über moderne Kommunikationsmittel wie das Internet und soziale Netzwerke. Zu beobachten sind aber auch Kontakte neonazistischer Kameradschaften zur Partei "Der Dritte Weg". In Bayern sind rund 670 Personen der Neonazi-Szene zuzuordnen. 160 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Das "Antikapitalistische Kollektiv" (AKK) fungiert als Netzwerk innerhalb der rechtsextremistischen - insbesondere neonazistischen - Szene mit dem Ziel, als Plattform unterschiedliche Akteure des sog. "Nationalen Widerstands" miteinander zu vernetzen. Das AKK versteht sich als antikapitalistisch und propagiert einen völkischen Sozialismus. Zur Durchsetzung seiner Ziele baut es auf bestehende rechtsextremistische Strukturen. So rief das AKK zur Teilnahme an einer rechtsextremistischen 1.-Mai-Kundgebung in Halle a. d. Saale auf. "Moderne" Neonazis thematisieren aktuelle sozialoder gesellschaftspolitische Fragen und liefern vermeintlich einfache Antworten. Bei Demonstrationen greifen sie tagespolitische Themen auf und fordern beispielsweise die "Todesstrafe für Kindermörder" oder "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche". Ihre Thesen stützen Neonazis auf rassistische und antisemitische Argumentationsmuster. 8.1 Neonazistische Gruppen Kameradschaft Altmühltal Weitere Bezeichnungen KS Altmühltal (KSA) Aktivisten und Sympathisanten etwa 20 Personen Gründung bzw. erstmalige Aktivität 2004 Aktionsraum Neumarkt i. d. OPf., Dietfurt a. d. Altmühl Die neonazistische "Kameradschaft Altmühltal" (KSA) unterhält Kontakte zur Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg). Am 22. April nahmen Aktivisten der KSA an Kundgebungen des "III. Weg" zum Aktionstag "Kapitalismus zerschlagen - für Familie, Heimat, Tradition" in Neumarkt i. d. Oberpfalz und in Nürnberg teil. > Inhaltsverzeichnis 161 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Eine Sonnwendfeier der KSA bei Neumarkt i. d. Oberpfalz am 24. Juni wurde von bis zu 70 Rechtsextremisten verschiedener bayerischer Gruppierungen besucht. Freie Kräfte Berchtesgadener Land Aktivisten und Sympathisanten etwa 10 Personen Gründung bzw. erstmalige Aktivität 2012 Aktionsraum Berchtesgaden, Bad Reichenhall, Freilassing Die neonazistische Kameradschaft "Freie Kräfte Berchtesgadener Land" unterhält Kontakte zur Partei "III. Weg" sowie zur "Kameradschaft Gau Wendlstoa". So unterstützten Aktivisten der Kameradschaft nach Angaben des "III. Wegs" eine Informationsveranstaltung zum Krieg in Syrien des "III. Weg"-Stützpunktes München/Oberbayern. Kameradschaft Gau Wendlstoa Aktivisten und Sympathisanten etwa 10 Personen Gründung bzw. erstmalige Aktivität 2016 Aktionsraum Rosenheim, Niederaudorf Die Neonazi-Kameradschaft "Gau Wendlstoa" festigte ihre Kontakte zur Partei "III. Weg". Aktivisten des "Gau Wendlstoa" verteilten im April Flugblätter mit Aufrufen zur Teilnahme an der 1.-Mai-Kundgebung (Arbeiterkampftag) des "III. Weg" in Gera und im September Flugblätter des "III. Weg" zum Thema "Härtere Strafen für Kinderschänder". Im Juni fand ein gemeinsamer Ausflug des "Gau Wendlstoa" mit dem Stützpunkt München/ Oberbayern des "III. Weg" statt. So unterstützten Aktivisten der Kameradschaft laut "III. Weg" eine Informationsveranstaltung des "III. Weg"-Stützpunktes München/Oberbayern über den Krieg in Syrien. Kameradschaft Unterfranken (KSU) Aktivisten und Sympathisanten etwa 5 Personen Gründung bzw. erstmalige Aktivität 2013 Aktionsraum Würzburg 162 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die KSU war im Jahr 2017 weitgehend inaktiv. Sie rief lediglich zur Teilnahme am Gedenkmarsch "Ein Licht für Dresden" der Partei "III. Weg" am 18. Februar in Würzburg auf. 9. RECHTSEXTREMISTISCHE JUGENDSZENEN UND SUBKULTUREN In rechtsextremistischen Jugend-Szenen verbindet sich eine diffuse Weltanschauung mit Elementen, die an zentrale Merkmale des Nationalsozialismus angelehnt sind. Um junge Aktivisten zu gewinnen, hat sich die rechtsextremistische Szene modisch und ideologisch geöffnet. Die früher typischen Glatzen und Springerstiefel der Skinheads sind weitestgehend verschwunden. Lange Haare, Piercings oder Basecaps und sogar Merkmale aus dem "linken" und linksextremistischen Spektrum wurden übernommen. Eine rechtsextremistische Gesinnung ist somit äußerlich nur noch schwer zu erkennen. Dadurch sollen Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner, Polizeikontrollen oder Probleme mit Eltern, Freunden, in der Schule oder im Beruf vermieden werden. In rechtsextremistischen Jugend-Szenen gibt es in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften. Rechtsextremisten versuchen zudem, ihre Feindbilder und Ideologien in Jugend-Szenen und Subkulturen einfließen zu lassen, um Anhänger zu gewinnen und jugendrelevante Trends und Stile mitzuprägen. Das durch rechtsextreme Vereinnahmung betroffene Stilspektrum reicht dabei von Black Metal, Hatecore und Neofolk bis hin zu Hip-Hop und Techno. Einzelpersonen sind auch in der rechts-orientierten Hooligan-Szene aktiv. Teilweise entwickeln sich aus erlebnisorientierten Skinhead-Gruppierungen auch gewaltbereite Aktionsgruppen mit klarer politischer Zielsetzung. Anlehnung an Erscheinungsbild und Strukturen der Rockerszene Subkulturell geprägte Rechtsextremisten nähern sich in ihrem Erscheinungsbild und ihren internen Strukturen vermehrt an die Rockerszene an. So wählen sie beispielsweise englischsprachige Gruppenbezeichnungen, tragen "Kutten" (Motorradjacken, auf deren Rückenteil das Gruppenlogo aufgenäht ist), pflegen rockerähnliche Aufnahmerituale für Neumitglieder und benennen interne Hierarchieebenen mit englischen Begriffen wie "President" oder "Secretary". > Inhaltsverzeichnis 163 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus Ein Beispiel ist das Erscheinungsbild der rechtsextremistischen Gruppierung "Oldschool Society" (OSS). Ihre Struktur lehnte sich an die von Rockergruppen an. So bestand die Führungsebene u. a. aus "President", "Vice-President", "Secretary" und "Sergeant at Arms". Gegen die ehemaligen Mitglieder der OSS fand beim Oberlandesgericht München ein Strafverfahren u. a. wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung statt. Die vier Beschuldigten wurden am 15. März zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Auch die mit Abstand mitgliederstärkste Skinhead-Gruppierung in Bayern, "Voice of Anger", weist einzelne Ähnlichkeiten mit Rockergruppierungen auf. So gibt es beispielsweise bei ihr ein Aufnahmeverfahren, das sich am sog. "Prospect"-Status der Rocker orientiert. Es ist aber weder eine strukturierte Zusammenarbeit noch eine ideologische Annäherung zwischen der rechtsextremistischen Szene und der "1-Prozenter"-Rockerszene in Bayern feststellbar. Weite Teile der rechtsextremistischen Szene lehnen Rockerclubs wegen ihres vergleichsweise hohen Anteils von Migranten ab. Es bestehen aber punktuell personelle Überschneidungen zwischen dem Rockermilieu und der rechtsextremistischen Szene, die zumeist auf geschäftliche Interessen oder persönliche Beziehungen zurückgehen. Hammerskins (HS) Die 1988 in den USA gegründeten "Hammerskins" (HS) propagieren ein rassistisches und zum Teil nationalsozialistisches Weltbild und sehen sich als Elite der rechtsextremistischen Skinheads. Weltweit in die Schlagzeilen gerieten die HS, als der 40-jährige Wade Michael Page am 5. August 2012 in Oak Creek (Wisconsin) in einem Sikh-Tempel sechs Menschen niederschoss und anschließend selbst von einem Polizisten getötet wurde. Wade Michael Page war Anhänger der US-amerikanischen "Hammerskin-Bewegung". Struktur und Aufnahmeverfahren der "Hammerskins" ähneln dem Rockerclub "Hells Angels MC". So sind die HS in vielen Ländern mit "Divisionen" vertreten. Europaweit bestehen als regionale Untergliederungen rund 25 Chapter, deren Aktivitäten sich größtenteils auf die Organisation von rechtsextremistischen Konzerten und Veranstaltungen sowie die Selbstorganisation der "Hammerskin-Bewegung" beschränken. Der "Hammerskin-Division Deutschland" gehören rund zehn deutsche Chapter mit insgesamt bis zu 100 Skinheads an, darunter das Chapter Bayern und das Chapter Franken. Auf einem abgelegenen Privatgrundstück in Geiselhöring fand am 1. Juli ein Treffen von 50 "Hammerskins" statt. Die Personen stammten überwiegend aus Deutschland. 164 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Voice of Anger (VoA) Die 2002 im Großraum Memmingen/Kempten gegründete Skinhead-Gruppierung "Voice of Anger" (VoA) ist eine überregional aktive Skinhead-Gruppierung in Bayern. Die etwa 60 Mitglieder und Sympathisanten gehören mehreren Sektionen an. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stehen die gemeinsame Freizeitgestaltung, interne Veranstaltungen und Feiern sowie die Veranstaltung bzw. der Besuch von Skinhead-Konzerten. Mitglieder von VoA gründeten 2010 die Skinhead-Band "Kodex Frei" (Kempten). Am Abend des 25. März fand in einer Gaststätte in Krumbach (Schwaben) die 10-Jahres-Feier der VoA-Sektion Schwaben mit mehreren in der Szene bekannten Musikbands, darunter "Kodex Frei", statt. An der Feier beteiligten sich etwa 120 Personen. In der Nacht vom 24./25. April brannte in Memmingen eine frühere Gaststätte ab, die von VoA als Clubhaus genutzt wurde. Der NPD-Kreisverband Memmingen/Unterallgäu zeigte sich solidarisch und warb im sozialen Netzwerk Facebook um Geldspenden für den Wiederaufbau des Clubhauses. Aus Anlass ihres 15-jährigen Bestehens führte VoA am 7. Oktober in Seibranz (Lkr. Ravensburg/Baden-Württemberg) eine Musikveranstaltung mit rund 250 Teilnehmern durch. Als musikalische Begleitung traten "Kodex Frei" sowie die Skinhead-Bands "Kommando Skin" (Stuttgart/Baden-Württemberg) und "Faustrecht" (Mindelheim) auf. Zudem war ein in Brandenburg wohnhafter kanadischer Neonazi mit seiner Band "Stonehammer" verpflichtet worden. Soldiers of Odin Germany Division Bayern Bei den "Soldiers of Odin" handelt es sich um eine internationale Gruppierung, die im Oktober 2015 in Finnland gegründet wurde. Mittlerweile existieren in zahlreichen Ländern Ableger mit entsprechenden Untergruppierungen. Aktivisten der "Soldiers of Odin" bezeichnen sich als "Nachbarschaftshilfe", reklamieren für sich selbst, Schwachen und Schutzsuchenden zu helfen, und distanzieren sich davon, eine Bürgerwehr oder rassistisch zu sein. Faktisch betätigen sich die "Soldiers of Odin" jedoch wie eine Bürgerwehr. Mit ihren als "Spaziergängen" bezeichneten Streifen wollen sie das staatliche Gewaltmonopol in Frage stellen und den staatlichen Organen generell die Legitimität absprechen. Es soll suggeriert werden, der Staat sei nicht mehr in der Lage, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. > Inhaltsverzeichnis 165 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus In Bayern ist seit 2017 die Gruppe "Soldiers of Odin Germany Division Bayern" (SOO) aktiv. Die Gruppierung lief in mehreren bayerischen Städten wie Donauwörth, München Regensburg und Würzburg "Streife". Die Teilnehmer sind dabei in der Regel einheitlich schwarz gekleidet, auf ihren Jacken ist das Logo der Gruppierung aufgedruckt - ein Vikingerkopf, der mit einer deutschen Fahne vermummt ist. Teilweise wird dabei neben den Farben der Bundesflagge auch die bei Rechtsextremisten beliebte Farbkombination der Reichsflagge (Schwarz-Weiß-Rot) verwendet. Auf ihrem Facebook-Profil verbreitet die SOO rechtsextremistisches Gedankengut. So wurde beispielsweise über das Facebook-Profil der Gruppierung ein Video in Umlauf gebracht, das den in der rechtsextremistischen Szene verbreiteten Volkstodgedanken erläutert. Für den vermeintlichen Volkstod macht der Ersteller des Videos die regierenden Politiker in Deutschland verantwortlich. Der Volkstodgedanke basiert auf der völkisch-biologistischen Ideologie des Rechtsextremismus, Volkszugehörigkeit wird dabei festgemacht an genetischen Merkmalen. Ferner werden auf dem Facebook-Profil vorwiegend Meldungen über Straftaten verbreitet, die mutmaßlich von Personen mit Migrationshintergrund begangen wurden. Dadurch sollen Ängste geschürt und verstärkt werden. Unter den Aktivisten der SOO sind mehrere Personen, die dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz bereits aus anderen rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt sind. 10. UNSTRUKTURIERTES PERSONENPOTENZIAL Rechtsextremistische Einzelpersonen, Internetaktivisten, Gewalttäter Die Kategorie unstrukturiertes Personenpotenzial setzt sich aus mehreren Personengruppen zusammen. Hierzu zählen Einzelpersonen, die durch politisch motivierte rechtsextremistisch bewertete Straftaten in Erscheinung traten sowie rechtsextremistische Internetaktivisten, Besucher rechtsextremistischer Veranstaltungen, wie Konzerte und Kundgebungen, sowie subkulturelle Rechtsextremisten. Solche rechtsextremistischen Aktivitäten von Einzelpersonen, die weder in noch für einen Personenzusammenschluss handeln, unterliegen ebenfalls der gesetzlichen Beobachtung durch den bayerischen Verfassungsschutz. Diesem unstrukturierten Personenpotenzial werden in Bayern etwa 1.060 Personen zugerechnet. 166 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Strafund Gewalttäter Unter den Tätern rechtsextremistisch motivierter Straftaten, wie etwa Sachbeschädigungen, Propagandadelikte oder Volksverhetzungen, befinden sich auch Personen, die bislang weder als Rechtsextremisten in Personenzusammenschlüssen noch als politisch rechts motivierte Straftäter sicherheitsbehördlich in Erscheinung getreten waren. In besonderem Maße wurde dies bei den Straftaten gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte deutlich. Hier zeigt sich die radikalisierende Wirkung, die rechtsextremistische Agitation und fremdenfeindliche Stimmungsmache im Internet und in sozialen Netzwerken auch in Bevölkerungskreisen haben, die bisher nicht durch ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild in Erscheinung getreten waren. Fast zwei Drittel der entsprechenden Straftaten, die Anfang 2016 ihren Höhepunkt erreichten, wurden von Tätern begangen, die den Sicherheitsbehörden zuvor nicht in rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt waren. 2016 wurden insgesamt 94 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte begangen, davon 84 mit rechtsextremistischer Motivation. Mit dem Abflachen der Flüchtlingswelle und der damit verbundenen geringeren Bedeutung dieser Thematik in der rechtsextremistischen Agitation wurden bis zum 31. Dezember 2017 insgesamt 32 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte registriert, davon waren 29 rechtsextremistisch motiviert. Internetaktivisten Das Internet wird von Rechtsextremisten durch manipulative Inhalte für ein Klima von Misstrauen und Hass gegenüber Flüchtlingen, aber auch gegenüber etablierten Medien, staatlichen Einrichtungen und dem demokratischen Prozess genutzt. Rechtsextremistische Einzelpersonen kommunizieren mit Gleichgesinnten unabhängig von rechtsextremistischen Organisationen. Unter Internetaktivisten sind Personen zu verstehen, die intensiv Artikel und Kommentare sowie Videos posten und so versuchen, die Meinung in sozialen Netzwerken zu beeinflussen. Da in der Anonymität des Internets die persönliche soziale Ächtung in der Regel ausbleibt, äußern sich Personen dort häufig extremer als im realen sozialen Umfeld. Gerade bei aufgeladenen und emotionalen Diskussionen werden in den sozialen Medien, Foren oder Blogs immer wieder strafoder verfassungsschutzrechtlich relevante rechtsextremistische Äußerungen getätigt. So wurde im März der von einer Studentin einer bayerischen Universität betriebene Internetblog mit antisemitischen und ausländerfeindlichen Inhalten bekannt. Im November verurteilte das Amtsge- > Inhaltsverzeichnis 167 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Rechtsextremismus richt Würzburg die Studentin wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Die Studentin war zuvor nicht in rechtsextremistischen Strukturen in Erscheinung getreten. Das im Internet aktive unstrukturierte Personenpotenzial geht weit über das bekannte parteiund organisationsgebundene rechtsextremistische Spektrum hinaus und ist zahlenmäßigen Schwankungen unterworfen. Konzertbesucher Im Jahr 2017 fanden außerhalb Bayerns mehrere Großkonzerte statt. Dazu zählt insbesondere die Veranstaltung "Rock gegen Überfremdung" im Juli 2017 in Themar (Thüringen) mit etwa 6.000 Besuchern. Großkonzerte üben aufgrund des Event-Charakters eine große Anziehungskraft auch auf Personen aus, die keinen rechtsextremistischen Parteien oder Gruppierungen angehören. So werden bei Konzertveranstaltungen rechtsextremistische Inhalte nicht nur durch entsprechende Songtexte vermittelt, sondern darüber hinaus politische Botschaften - etwa durch Verteilaktionen von rechtsextremistischem Propagandamaterial oder durch rechtsextremistische Redebeiträge - transportiert. Die Veranstaltungen dienen ferner der Kontaktpflege und sollen den Zusammenhalt innerhalb der Szene, gerade auch mit nicht organisierten Aktivisten, festigen. Daher sind regelmäßige Konzertbesucher, auch wenn sie nicht festen rechtsextremistischen Strukturen angehören, dem rechtsextremistischen Personenpotenzial zuzurechnen. So nahmen beispielswiese bei dem Konzert in Themar etwa 300 Personen aus Bayern teil, die zu einem nicht unerheblichen Teil dem unstrukturierten Rechtsextremismus zugerechnet werden können. 168 > Inhaltsverzeichnis Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 > Inhaltsverzeichnis 169 Reichsbürger und Reichsbürger und Selbstverwalter Selbstverwalter Sicherheitsbehörden identifizieren bis zum Jahresende rund 3.850 Personen als Anhänger der Reichsbürgerszene, davon zählen bis zu 350 zum "harten Kern" Mehrfache Durchsuchungen beim Bundesstaat Bayern führen zu zeitweisem Rückgang der Aktivitäten 170 > Inhaltsverzeichnis Reichsbürger und Selbstverwalter Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Reichsbürger sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Zur Verwirklichung ihrer Ziele treten sie zum Teil aggressiv gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland auf. Selbstverwalter sind Einzelpersonen, die behaupten, sie könnten durch eine Erklärung aus der Bundesrepublik austreten und seien so nicht mehr deren Gesetzen unterworfen. Die dafür genutzten Argumente sind im Wesentlichen deckungsgleich mit denen der sogenannten Reichsbürger. Selbstverwalter definieren beispielsweise ihre Wohnung, ihr Haus oder ihr Grundstück als souveränes Staatsgebiet. Ihr Grundstück markieren sie mitunter durch eine (Grenz-)Linie und zeigen als "Staatswappen" Symbole, die sie selbst entwerfen. In Teilen sind Reichsbürger und Selbstverwalter dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zuzurechnen; insbesondere dort, wo sich Versatzstücke antisemitischer und nationalsozialistischer Denkmuster wiederfinden. > Inhaltsverzeichnis 171 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Reichsbürger und Selbstverwalter Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann die Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Reichsbürger und Selbstverwalter in Bayern als sicherheitsgefährdende Bestrebung. 172 > Inhaltsverzeichnis Reichsbürger und Selbstverwalter Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 1. PERSONENPOTENZIAL Den Sicherheitsbehörden in Bayern ist es durch kontinuierliche Ermittlungsarbeit gelungen, Personenpotenzial, Strukturen und regionale Schwerpunkte weiter aufzuklären. Bis zum Ende des Berichtszeitraums (Stand: 31.12.2017) lagen zu rund 3.850 Personen belastbare Hinweise bezüglich ihrer Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene vor, bei weiteren Personen ist die Prüfung noch nicht abgeschlossen. Das Personenpotenzial umfasst ca. 350 Personen als "harten Kern", der insbesondere durch zahllose Aktivitäten gegenüber staatlichen Institutionen seine Ideologie zum Ausdruck bringt. Bei den meisten bislang identifizierten Reichsbürgern und Selbstverwaltern ist derzeit kein "Organisationsbezug" erkennbar. Die Reichsbürgerszene findet kaum Anklang bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen. Mehr als die Hälfte des Personenpotenzials sind 50 Jahre alt oder älter. In Bayern sind Anhänger der Szene in den Regionen Chiemgau, Szeneschwerpunkte München, Nürnberg, Ostallgäu, Würzburg und Schweinfurt bein Bayern sonders aktiv. Eine eindeutige Zuordnung von sogenannten Reichsbürgern oder Selbstverwaltern zur rechtsextremistischen Szene ist bislang nur in wenigen Fällen belegbar. Die Ablehnung des Staates und seiner Organe ist ideologischer Bestandteil nahezu aller extremistischer Phänomenbereiche und begründet für sich genommen keine Zugehörigkeit zum Rechtsextremismus. Die Zahl der Reichsbürger in Bayern, die auch in rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt geworden sind, beläuft sich derzeit auf ca. 60 Personen. Straftaten von Reichsbürgern und Selbstverwaltern werden erst Straftaten seit dem Jahr 2017 gesondert erfasst. Im Berichtszeitraum wurden insgesamt 358 Straftaten gezählt, darunter 66 Gewaltdelikte. Den Schwerpunkt bei den Gewaltdelikten bildeten mit 59 Taten die Erpressungsdelikte, darunter zwei räuberische Erpressungen. Ferner waren drei einfache und eine gefährliche Körperverletzung zu verzeichnen. Mit 114 Taten stellten Nötigungsdelikte den Schwerpunkt der sonstigen 292 Straftaten. > Inhaltsverzeichnis 173 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Reichsbürger und Selbstverwalter 2. IDEOLOGIE Reichsbürger berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Dabei werden z. B. der Rechtsstand von 1937, 1914 zwei Tage vor dem Ausbruch des Leugnung der ExisErsten Weltkrieges oder auch 1871 genannt. Reichsbürger betenz Deutschlands haupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung 1990 seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die von den Reichsbürgern vorgetragenen Argumente gegen die Existenz Deutschlands als Staat sind falsch. Das Bundesverfassungsgericht lässt in seiner gesamten Rechtsprechung keinen Zweifel daran, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die gültige Verfassung des wiedervereinigten Deutschlands ist. Zu den vermeintlichen Argumenten der Reichsbürger stellte das Amtsgericht Duisburg im Leitsatz einer Entscheidung bereits am 26. Januar 2006 zusammenfassend fest: Das Bonner Grundgesetz ist unverändert in Kraft. Eine deutsche Reichsverfassung, eine kommissarische Reichsregierung oder ein kommissarisches Reichsgericht existiert ebenso wenig, wie die Erde eine Scheibe ist. 3. TYPISCHE AKTIVITÄTEN Reichsbürger entfalten gegenüber staatlichen Institutionen eine Vielzahl von Aktivitäten, die z. T. - wie die Beantragung von Staatsangehörigkeitsausweisen - Ausdruck ihrer Ideologie sind, aber auch auf die gezielte Lahmlegung der öffentlichen Verwaltung abzielen. In Einzelfällen kommt es dabei auch zu Gewaltandrohung bzw. -anwendung gegenüber staatlichen Repräsentanten. 174 > Inhaltsverzeichnis Reichsbürger und Selbstverwalter Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 3.1 Beantragung von Staatsangehörigkeitsausweisen und Nutzung eigener Dokumente Reichsbürger und Selbstverwalter bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diesen z. T. als "Firma BRD". Sie sind der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser "austreten" können. Aus ihrer Sicht bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand. Ausgehend von der falschen Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, beantragen sie häufig einen Staatsangehörigkeitsausweis (sogenannter "gelber Schein") zur Beantragung eines Bestätigung ihrer Reichsund Staatsangehörigkeit nach dem "gelben Scheins" Staatsangehörigkeitsgesetz, das in seiner ursprünglichen Fassung erstmals 1913 erlassen, inzwischen aber vielfach novelliert wurde. Mit der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach dem Rechtsstand von 1913 erhoffen sich Reichsbürger u. a. eine Bestätigung ihrer Sichtweise oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim "Untergang des Systems". Die Notwendigkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit mit einem Staatsangehörigkeitsausweis nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) nachzuweisen, besteht nur ausnahmsweise, z. B. wenn beim Erwerb oder Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch persönliche Ereignisse wie Adoption oder beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit Zweifel entstanden sind. Antragstellungen mit bestimmten typischen Zusätzen (z. B. Bezug auf das RuStAG mit Rechtsstand 1913 und/oder Geburtsland "Königreich Bayern") begründen zumindest den Verdacht der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung. Reichsbürger benutzen zudem anstelle amtlicher Ausweise Fantasiepapiere wie "Reichspersonenausweise" oder "Reichsführerscheine". In Einzelfällen geben sie dafür amtliche AusweisNutzung von dokumente bei der Meldebehörde ab. Diese Fantasiepapiere sind Fantasiepapieren völlig wertlos und teilweise strafrechtlich relevant. Ihr Verkauf ist eine wichtige Einnahmequelle von Reichsbürgergruppierungen. > Inhaltsverzeichnis 175 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Reichsbürger und Selbstverwalter 3.2 Auftreten gegenüber Justiz und Verwaltung Regelmäßig überziehen Reichsbürger Behörden und Gerichte mit querulatorischen Schreiben, in denen sie der öffentlichen Verwaltung und der Justiz ihre Autorität oder ihre Existenz absprechen. Z. T. verfolgen sie damit das Ziel, sich rechtlichen Verpflichtungen, wie z. B. Forderungen des Staates aus Steuer-, Bußgeldoder Verwaltungsverfahren zu entziehen. In umfangreichen Briefen werden z. B. Beamte und Richter belehrt und beleidigt oder gegen sie haltlose Schadenersatzforderungen erhoben. In der gerichtlichen Auseinandersetzung ist der Aktivismus der Reichsbürger und Selbstverwalter ambivalent: Einerseits schöpfen sie den juristischen Klageweg weitestgehend aus und überhäufen Gerichte mit Anträgen und Eingaben. Dabei lassen sie sich mitunter auch von selbst ernannten Szene-"Anwälten", sogenannten Recht-Konsulenten (Schreibweise variiert), vertreten. Andererseits bleiben sie Gerichtsterminen fern, wirken nicht am ordentlichen Verfahren mit und versuchen, Strafbefehle einfach ins Leere laufen zu lassen und nicht zu beachten. Die sozialen Medien ermöglichen es zudem, innerhalb kurzer Zeit Unterstützer aus der Szene zu mobilisieren, um mit deren Hilfe behördliche Handlungen wie z. B. Zwangsräumungen zu blockieren. So fand im Dezember 2016 vor dem Amtsgericht Cham eine Verhandlung gegen einen 55-jährigen Mann wegen unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel statt. Der Angeklagte setzte sich jedoch nicht auf die Anklagebank, sondern nahm zusammen mit einer großen Zahl an Sympathisanten im Besucherbereich Platz. Während der Verhandlung versuchte die Gruppe, den Ablauf der Verhandlung zu stören. Im Rahmen eines Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahrens forderte ein Reichsbürger eine Bedienstete des Amtsgerichts Schweinfurt im Juni schriftlich auf, sich und ihr Handeln zu legitimieren, und drohte ihr bei Unterlassen mit einer Schadenersatzklage. Zudem versuchte er, sie zur Einstellung des Verfahrens zu nötigen, indem er ihr mit einem Strafantrag beim Internationalen Gerichtshof drohte. 176 > Inhaltsverzeichnis Reichsbürger und Selbstverwalter Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 3.3 Kommerzielle Aktivitäten und "RechtKonsulenten" Innerhalb der Reichsbürgerbewegung gibt es Einzelpersonen, die unter Ausnutzung der Ideologie Geld verdienen wollen. Sie verkaufen z. B. Bücher, Seminare, Rechtsschulungen sowie Fantasiedokumente (z. B. "Reichsstaatsangehörigkeitsurkunden" etc.). Durch die erzielten Einnahmen werden vermutlich einzelne Reichsbürgergruppierungen finanziell unterstützt. Neben diesen wirtschaftlich ausgerichteten Akteuren agieren - möglicherweise mit personellen Überschneidungen - im Reichsbürgerspektrum auch sogenannte "Recht-Konsulenten" bzw. "Rechtssachverständige". Diese treten meist mit Briefköpfen auf, die denen großer Anwaltskanzleien nachempfunden sind und Internationalität vortäuschen sollen. Ihre mit juristischer Fachterminologie durchsetzten Schreiben sind darauf angelegt, Fachkompetenz zu suggerieren, stellen sich bei näherem Hinsehen jedoch als völlig widersinnig heraus. Bedeutung haben die "Recht-Konsulenten" für die Reichsbürgerszene auch als "Milieumanager" und szeneinterne "Verbindungsleute". In diesem Zusammenhang gibt es zwei größere Zusammenschlüsse, die überregional aktiv sind: Im "Präsidium des Deutschen Reiches" besteht die Vereinigung "Verband der Deutschen Recht-Konsulenten" (Sitz in Überregional aktive Kaarst-Vorst/Nordrhein-Westfalen). Daneben existiert seit den Verbände 1990er-Jahren ein "Verband Deutscher Rechtssachverständiger und Rechtskonsulenten 1871" (Sitz in Belm/Niedersachsen), der seine Betätigung in den Kontext der rechtsextremistischen "Kommissarischen Reichsregierung" stellt. Von beiden Gruppierungen sind in Bayern in der Vergangenheit nur Einzelpersonen aufgetreten. 3.4 Stammtische und Seminare Bei sogenannten Stammtisch-Treffen oder Seminaren wird versucht, die Anwesenden von verschwörungstheoretischen Denkweisen sowie der vermeintlichen Illegitimität der Bundesrepublik Deutschland zu überzeugen. Ebenso finden Personen, die aus verschiedenen Gründen unzufrieden mit dem staatlichen Handeln sind, in der Reichsbürgerideologie vermeintlich einfache Erklärungen und Lösungen für ihre Probleme. > Inhaltsverzeichnis 177 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Reichsbürger und Selbstverwalter Rekrutierungsbecken für die Reichsbürgerszene ist nicht zuletzt auch die Esoterikszene. Personen, die sich der Esoterik zuwenden, suchen dort in der Regel nach Lebenshilfe und Unterstützung bei der "Selbstfindung". Reichsbürger legen ihnen nahe, dass sie so lange nicht zu sich selbst als "Mensch" zurückfinden können, wie sie noch Teil der vermeintlichen "BRD GmbH" und somit lediglich "Personal" eines Wirtschaftsunternehmens sind. Um sich davon befreien zu können, sei der "Austritt" aus der Bundesrepublik Deutschland notwendig. 3.5 Überregionale und internationale Kontakte Personen und Gruppierungen, deren Gedankengut dem der Verbindungen in die deutschen Reichsbürgerszene ähnelt, gibt es auch in Österreich Schweiz und nach und in der Schweiz. In Österreich werden diese Gruppierungen Österreich "Souveräne Bewegungen" genannt. Die Republik Österreich ist in ihren Augen ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland lediglich eine GmbH und somit kein rechtmäßiges Staatsgebilde. In der Schweiz hat die Reichsbürgergruppierung "Amt Deutscher Heimatbund, Deutscher Heimatbund, Heimatbund der Menschen" eine Niederlassung. Diese Gruppierung verfügt über Strukturen in Deutschland, u. a. in Bayern sowie Österreich und der Schweiz. Allein in Deutschland werden dieser rund 120 Personen zugeordnet. Im deutschsprachigen Raum existiert somit grenzüberschreitend ein Personenkreis, den die pseudojuristische Basis seines Handelns eint und der insbesondere über das Internet auch im Austausch miteinander steht. Auch wenn es zwischen vielen Gruppierungen und Akteuren Konkurrenzverhältnisse gibt, ist auch eine überregionale und grenzüberschreitende Unterstützung feststellbar, die sich insbesondere dann zeigt, wenn Reichsbürger sich vor Gericht verantworten müssen. Immer wieder sind dann auch Unterstützer aus anderen Staaten im Zuschauerraum anwesend. 4. GEWALTPOTENZIAL Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann die Grundlage für Radikalisierungsprozesse 178 > Inhaltsverzeichnis Reichsbürger und Selbstverwalter Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 sein. Verschiedene Vorfälle belegen, dass sich in der Szene auch gewaltbereite Personen bewegen. Gewalttaten richteten sich in aller Regel gegen staatliche Maßnahmen bzw. gegen Vertreter des Staates. So wollten beispielsweise Polizeibeamte in Aschaffenburg im Januar einen Erzwingungs-Haftbefehl vollstrecken. Der Beschuldigte verweigerte das Öffnen der Haustüre und schlug aus einem Fenster im Erdgeschoss mehrfach ohne Vorwarnung mit einem Stahlschürhaken in Richtung der Polizeibeamten. Dabei wurde ein Beamter verletzt. Die Sicherheitsbehörden haben im Berichtszeitraum mehrfach bei Personen und Gruppierungen aus der Reichsbürgerszene Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt: Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Gruppierung Exekutivmaßnahmen "Bundesstaat Bayern", unter anderem wegen bandenund gegegen Bundesstaat werbsmäßiger Urkundenfälschung und Amtsanmaßung, wurden Bayern und StaatenDurchsuchungen in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinbund Deutsches land-Pfalz durchgeführt. Die erste Maßnahme fand am 7. FebruReich ar statt und richtete sich gegen sieben Führungsmitglieder und acht Bezieher von Ausweisen. Es konnten unter anderem Reichsbürgerdokumente und die sogenannte "Staatskasse" mit mehreren Tausend Euro Bargeld sowie eine scharfe Schusswaffe mit rund 40 Schuss Munition sichergestellt werden. Die zweite Aktion am 21. März betraf 45 Beschuldigte in 36 Objekten. Dabei konnten Waffen, Munition und nach dem Waffengesetz verbotene Gegenstände (Totschläger, Schlagring, Wurfstern, Elektroschocker, Butterflymesser) sichergestellt werden. Am 18. Juli erfolgten weitere Durchsuchungen in Bayern (25 Objekte) und in Rheinland-Pfalz (8 Objekte). Es wurden falsche TÜV-Plaketten, gefälschte Zulassungsstempel, falsche Ausweispapiere sowie ein Teleskopschlagstock sichergestellt. Weitere Angehörige und Dokumentenbezieher des "Bundesstaat Bayern" konnten durch die Maßnahmen ermittelt bzw. identifiziert werden, sodass es am 28. September zu einer vierten Durchsuchungsaktion in Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg kam. Infolge der Exekutivmaßnahmen wurden die Aktivitäten des "Bundesstaat Bayern" v.a. im Internet zeitweise zurückgefahren. Im Rahmen eines weiteren Ermittlungsverfahrens wurde am 28. März in mehreren Bundesländern, darunter auch in 14 Objekten in Bayern (Stadt Augsburg, Landkreise Augsburg, Bamberg > Inhaltsverzeichnis 179 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Reichsbürger und Selbstverwalter und Dillingen), sowie in Rumänien eine Durchsuchungsaktion gegen die Reichsbürgergruppierung "Staatenbund Deutsches Reich" (sog. "2tes Deutsches Reich") durchgeführt. Fünf Beschuldigten wird aufgrund der Herstellung und des Vertriebs falscher Urkunden (Reichsbürgerdokumente) gewerbsmäßige Urkundenfälschung vorgeworfen. Zudem sollen sie mit sogenannten "Grundstückssicherungen" gewerbsmäßigen Betrug zum Nachteil einer noch unbekannten Zahl von Geschädigten verübt haben. Bei der Durchsuchung wurden außerdem diverse erlaubnisfreie wie erlaubnispflichtige Waffen sowie Munition sichergestellt. Am 23. Oktober verurteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth einen Reichsbürger, der im Oktober des Vorjahres in Georgensgmünd bei einer rechtmäßigen Polizeiaktion einen Polizeivollzugsbeamten erschossen hatte, wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Täter mit dem Polizeieinsatz gerechnet und bei der "Verteidigung seines Staatsgebiets" den Tod von Menschen billigend in Kauf genommen hatte. Um das von ihnen ausgehende Gefahrenpotenzial zu minimieren, werden bei Angehörigen der Reichsbürgerszene bestehenKonsequenter de waffenrechtliche Erlaubnisse überprüft und, wo möglich, entEntzug von Waffenzogen. Jede waffenrechtliche Erlaubnis setzt voraus, dass der erlaubnissen Erlaubnisinhaber die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzt. Diese Zuverlässigkeit ist im Fall der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung aber zu verneinen. Bis zum 31.12.2017 haben die Sicherheitsbehörden in Bayern 269 Personen innerhalb der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter identifiziert, die über eine oder mehrere waffenrechtliche Erlaubnisse verfügten. Gegen alle 269 Personen wurden bereits Widerrufsverfahren durch die Waffenbehörden eingeleitet, in 169 Fällen erging ein Widerrufsbescheid. Insgesamt wurden durch Widerruf oder aufgrund eines vor Widerruf erklärten freiwilligen Verzichts bislang 321 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen. Dabei wurden 607 Waffen bei der Waffenbehörde oder an einen Berechtigten abgegeben. Bei 20 Personen wird der Sachverhalt noch überprüft. 5. REICHSBÜRGERGRUPPIERUNGEN IN BAYERN Die Reichsbürgerbewegung hat in den letzten Jahren eine zunehmende Dynamik entwickelt. Die mitunter sektenartigen Gruppierungen stehen bisweilen auch in Konkurrenz zueinander. Sie nehmen jeweils für sich in Anspruch, die einzig "legi180 > Inhaltsverzeichnis Reichsbürger und Selbstverwalter Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 timen Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs" zu sein, und versuchen, andere Gruppierungen mit "Entstallungsurkunden" o.ä. Schreiben zu diskreditieren. Aufgrund interner Streitigkeiten kommt es auch immer wieder zur Gründung neuer Gruppierungen bzw. "Gegen-Reichsregierungen". Auf regionaler Ebene haben sich zahlreiche Kleinstgruppen gebildet, die weit überwiegend als sicherheitsgefährdende Bestrebungen einzustufen sind. 5.1 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen 5.1.1 Bundesstaat Bayern Mitglieder 30 Gründung Dezember 2015 Aktionsraum Bayern und Teile von Rheinland-Pfalz Der "Bundesstaat Bayern" mit Sitz in Landsham bei München beruft sich als "gültigen Rechtsstand" auf den Zeitpunkt "2 Tage vor Ausbruch des 1. Weltkriegs". Am 10. Dezember 2015 beschlossen die Gründungsmitglieder die Einleitung der "Reorganisation des Bundesstaats Bayern" und zum Zweck der "Reorganisation" eine sogenannte "Verfassung des Bundesstaats Bayern" mit 88 Artikeln. Bayern wird als Republik und als Glied dem Deutschen Reich zugeordnet, die früher zu Bayern gehörende Pfalz wird als Bestandteil des Bundesstaats Bayern gesehen. Auf seiner Website veröffentlicht der "Bundesstaat Bayern" Veranstaltungstermine. Der "Bundesstaat Bayern" trat im Berichtszeitraum durch eine Vielzahl an Schreiben mit reichsbürgertypischen Argumentationsmustern per Fax an kommunale Behörden, Polizeidienststellen oder bayerische Ministerien in Erscheinung. Mehrfach wurden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft München II wegen des dringenden Tatverdachts der bandenund gewerbsmäßig begangenen Urkundenfälschung sowie Amtsanmaßung im Jahr 2017 Durchsuchungsbeschlüsse bei Führungspersonen des "Bundesstaats Bayern" vollzogen (siehe Punkt 4). Der "Bundesstaat Bayern" gehört ebenso wie der "Freistaat Preußen", der "Bundesstaat Baden", der "Bundesstaat Württemberg" und der "Bundesstaat Sachsen" als sogenannte Gliedstaaten dem "Staatenbund Deutsches Reich" an. > Inhaltsverzeichnis 181 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Reichsbürger und Selbstverwalter 5.1.2 Amt Deutscher Heimatbund, Deutscher Heimatbund, Heimatbund der Menschen Mitglieder 120 Gründung 2015 Aktionsraum Bundesgebiet, Schweiz, Österreich Das "Amt Deutscher Heimatbund" kann als Dachorganisation für zahlreiche "Heimatgemeinden" bzw. ähnlich benannte Gruppierungen angesehen werden. Nach Eigenangaben bestehen Strukturen in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Der Sitz wurde nach eigenen Angaben im Jahr 2017 von Oberkulm (Schweiz) nach Traunstein/Bayern verlagert. Die Gruppe produziert verschiedene Ausweisdokumente ("Heimatverifikation", Personalausweis und Führerschein) und weist auf das Kraftfahrzeugkennzeichen "MENS:CH(en)" hin. Diese Bezeichnung leiten die Mitglieder über das Naturrecht aus den Begriffen "mens" (der Geist) und der Verniedlichungsform ":ch" ab. Die Verwendung des Kennzeichens soll auch nach außen hin auf die Gruppenzugehörigkeit hinweisen. Teile der Anhängerschaft in Deutschland haben bereits in der Vergangenheit bei behördlichen Kontrollmaßnahmen eine nicht unerhebliche Gewaltbereitschaft gezeigt. Die bundesweite Struktur umfasst nach eigener Darstellung in Bayern folgende regionale "Heimatgemeinden": Deggendorf, Cham, Oberschwaben, Dachau, München, Landau, Hof, Nürnberg, Neu-Ulm, Dingolfing, Chiemgau. 5.1.3 Heimatgemeinde "Gemeinde Chiemgau" (Heimatgesellschaft Chiemgau) Mitglieder ca. 70 Gründung 2015 Aktionsraum Oberbayern Die Gruppe lehnt die Bundesrepublik Deutschland als Staat ab. Nach ihrer Auffassung handelt es sich bei vielen Regierungsorganisationen um Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in einem internationalen Firmenregister eingetragen seien und damit dem Handelsrecht und nicht dem Völkerrecht unterlägen. Die Gruppe sieht sich ausschließlich den bayerischen Gesetzen vor 1914 verpflichtet, die Gesetzgebung der Bundesrepublik 182 > Inhaltsverzeichnis Reichsbürger und Selbstverwalter Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Deutschland ignoriert sie. Anhänger der Gruppe fallen häufig durch Verwendung nicht amtlicher Kraftfahrzeugkennzeichen auf und nutzen ausschließlich selbst ausgestellte Ausweisdokumente. Die "Heimatgemeinde Chiemgau" wird dem "Amt Deutscher Heimatbund" als Unterorganisation zugerechnet. 5.1.4 Verfassunggebende Versammlung Mitglieder Einzelpersonen Gründung 2014 Aktionsraum Bundesgebiet Die Gruppierung lehnt die bestehenden Strukturen der Bundesrepublik Deutschland ab und spricht ihr die Existenzberechtigung ab. So wird z. B. auf der Homepage der Gruppierung ausgeführt: Durch die aktuelle Situation in Deutschland ist die gesamte Menschheit versklavt. 1990 wurden alle Menschen der Erde betrogen. Die Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik am 3. Oktober 1990, ist juristisch niemals erfolgt. Die Bundesrepublik Deutschland heute, ist ein USamerikanisches Unternehmen, was ohne jeden Zweifel nachweisbar ist. [...] Es gibt keinen Staat Bundesrepublik Deutschland (...). Diese Ansichten verbreitete die Gruppe in Schreiben im Oktober/November 2016 und März 2017 u. a. auch an Behörden und Firmen in Bayern per Fax und E-Mail. Diese Argumentation ist typisch für die Ideologie der Reichsbürger. 5.2 Phänomenbereich Rechtsextremismus "Exilregierungen" Am 8. Mai 2004 gründete sich mit etwa 26 Personen eine sogenannte "Exil-Regierung Deutsches Reich". Ab 11. September 2004 war Norbert Schittke deren "Reichskanzler". Während eines Treffens am 11. Mai 2012 kam es zum Bruch mit Schittke. Infolge einer dadurch bedingten Abspaltung ergaben sich zwei Gruppierungen, die sich selbst als "Exilregierung" darstellen: > Inhaltsverzeichnis 183 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Reichsbürger und Selbstverwalter Exil-Regierung Deutsches Reich (Exilregierung) Mitglieder 30 (Bayern) Gründung 2004 Aktionsraum Bundesgebiet Bei der "Exil-Regierung" handelt es sich um eine Reichsbürgergruppierung, die im Rechtsextremismus verankert ist und die als rechtsextremistische Gruppierung schon seit mehreren Jahren unter Beobachtung der Verfassungsschutzbehörden steht. Die "Exil-Regierung" versucht, Überfremdungsängste zu stärken und Untergangsvisionen zu schüren. Sie kündigt eine bevorstehende Weltherrschaft des "politischen Zionismus" an und spricht im Hinblick auf die Flüchtlingswelle davon, dass der "Holocaust gegen die deutschen Völker" inzwischen eine neue Qualität erreicht habe. Die völkische und antisemitische Ideologie der Gruppierung wird daran deutlich. Die "Exil-Regierung Deutsches Reich" vertritt eine Reorganisation des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 bzw. 1871 und eine Überwindung des "Besatzungskonstrukts BRD". Sie sieht sich in direktem Gegensatz zur jetzigen Regierungsform und wirkt auf eine Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hin. Die Gruppierung bietet vorgefertigte Beschwerdeund Widerspruchsschreiben zum Download an und erzielt ihre Einnahmen vor allem durch den Verkauf von "Reichsdokumenten". Die Hauptakteure sind in Berlin bzw. Brandenburg ansässig. Sie führte in der Vergangenheit mehrere Veranstaltungen in Bayern durch, an denen sich in der Spitze bis zu 30 Personen beteiligten. Im Berichtszeitraum trat die Gruppierung in Bayern allerdings nicht in Erscheinung. Es bleibt abzuwarten, ob die Gruppierung dauerhaft ihre Aktivitäten eingestellt hat. Exilregierung Deutsches Reich, Deutsches Reich Kaiserreich Exilregierung Mitglieder Einzelpersonen Gründung 2012 (Abspaltung) Aktionsraum Bundesgebiet 184 > Inhaltsverzeichnis Reichsbürger und Selbstverwalter Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Seit der Spaltung gehören der Organisation nur noch wenige Personen an. Nach Auffassung der Gruppierung besitzt jeder deutsche Staatsangehörige die unmittelbare Staatsangehörigkeit zum Staat Deutsches Reich. Von einer sogenannten "Reichsmeldestelle" werden eigene Ausweisdokumente ausgegeben, u. a. Personalausweise, Führerscheine usw. Die Gruppierung wird als rechtsextremistisch bewertet. Kommissarische Reichsregierung Mitglieder Funktionärsgruppe Gründung 2001 Aktionsraum Bundesgebiet Ideologisch ist diese Gruppe den "Exilregierungen" gleichzustellen. Ein "Reichskanzler" vertritt ihre ideologischen Grundsätze, ihr Sitz ist in Krölpa (Thüringen). Sie wird ebenfalls dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet. Weiterführende Informationen zur Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter Flyer: "Reichsbürger" und "Selbstverwalter": harmlose Spinner oder gefährliche Extremisten? www.verfassungsschutz.bayern.de www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de Die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) bietet auch Fortbildungsveranstaltungen zur Reichsbürgerszene für Mitarbeiter von Kommunen, staatlichen Behörden und Justiz an: Telefon: 089 / 2192 2192 E-Mail: gegen-extremismus@stmi.bayern.de > Inhaltsverzeichnis 185 Verfassungsschutzrelevante Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Islamfeindlichkeit Rückläufige Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen der PEGIDA Nürnberg Bürgerbewegung Pax Europa nimmt islamfeindliche Aktivitäten in Bayern wieder auf 186 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamfeindliche Agitation ist nicht auf den Bereich des Rechtsextremismus beschränkt. Auch jenseits der rechtsextremistischen, vornehmlich auf Rassismus begründeten Islamfeindlichkeit gibt es Gruppierungen und Einzelpersonen, die Muslimen die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit nicht zugestehen wollen. Sie setzen den Islam als Weltreligion gleich mit Islamismus und islamistischem Terrorismus und stellen die Religion des Islam als faschistische Ideologie dar, von der eine erhebliche Gefahr für unsere Gesellschaft ausgehe. Diese extremistische Argumentation wird zunehmend auch in Diskursen in sozialen Netzwerken aufgegriffen. Bei der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit fehlen die für Rechtsextremismus typischen Ideologieelemente wie autoritäres Staatsverständnis, Antisemitismus, Rassismus oder die Ideologie der Volksgemeinschaft. Extremistische Bestrebungen im Zusammenhang mit islamfeindlichen Äußerungen richten sich gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (Art. 1 GG), das Diskriminierungsverbot (Art. 3 GG) und die Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Als extremistisch sind bestimmte zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen zu beurteilen, die die Geltung der genannten Prinzipien für Muslime und den Islam und seine Glaubensgemeinschaften außer Kraft setzen bzw. beseitigen wollen. Kritik, die im Rahmen einer geistig-politischen Auseinandersetzung auf Gefahren eines politischen Islam für unsere Grundwerte hinweist, unterliegt demgegenüber nicht dem Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes. > Inhaltsverzeichnis 187 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Das Internet wird von verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Gruppierungen intensiv genutzt, um islamfeindliche Inhalte zu verbreiten. Publiziert wird auf Homepages und zunehmend auf Weblogs, auf denen sich auch anonyme Nutzer äußern können, deren Beiträge nicht automatisch den Betreibern zurechenbar sind. Ausschlaggebend für die Bewertung solcher Internetpräsenzen ist dabei, ob und inwieweit die Betreiber selbst extremistische Ziele verfolgen. Auf nicht zurechenbare Einzeläußerungen (z. B. Kommentare in Blogs und Foren) allein lässt sich eine Bewertung als extremistisch nicht stützen. 188 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 1. MICHAEL STÜRZENBERGER UND UMFELD Michael Stürzenberger ist weiterhin die zentrale Figur der verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Szene in Bayern. Sein Umfeld setzt sich aus ideologisch Gleichgesinnten zusammen, die vorwiegend der "Politically Incorrect-Gruppe München" (PI-München) zugehören oder der Ende 2016 aufgelösten Partei "DIE FREIHEIT" angehörten. Stürzenberger war bis zuletzt Bundesvorsitzender der Partei "DIE FREIHEIT". Es liegen zahlreiche tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass Stürzenberger und sein Umfeld verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen verfolgen. Stürzenberger verbreitet seine islamfeindlichen Thesen sowohl im Internet als auch auf Veranstaltungen in Bayern und anderen Bundesländern. So tritt er immer wieder im Rahmen von Veranstaltungen der "PEGIDA Nürnberg" oder der "Bürgerbewegung PAX EUROPA" (BPE) als Redner auf. Als propagandistische Plattform für Veröffentlichungen nutzt Stürzenberger insbesondere den Internet-Weblog "Politically Incorrect" (PI-News), für den er als Autor tätig ist. Der Weblog, der im November 2004 online ging, ist mit PI-München nicht institutionell verbunden und kein Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Die auf PI-News veröffentlichten Beiträge befassen sich überwiegend mit dem Thema einer angeblichen Islamisierung Europas. Stürzenberger rückt auf PI-News - wie auch in vielen anderen Äußerungen - die Religion des Islam in die Nähe des Faschismus. So schrieb er z. B. in einem Artikel auf PI-News am 8. April: Meiner festen Überzeugung ist es vielmehr der Islam mit seiner faschistischen Grundstruktur, der die Menschen überall auf der Welt mit antidemokratischem Gedankengut füttert. Zwar gibt Stürzenberger in verschiedenen Verlautbarungen immer wieder an, lediglich sachlich über die angebliche VerIdeologie fassungsfeindlichkeit des Islam und die von ihm ausgehenden Gefahren für die Demokratie aufzuklären, worin keine generelle Verunglimpfung, weder der Religion noch von Muslimen, liege. Aus der Gesamtschau der Vielzahl an Äußerungen aber, in denen den Muslimen unterstellt wird, islamistische oder gar terroristische Verhaltensweisen seien nicht der Ausnahme-, sondern > Inhaltsverzeichnis 189 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit der alltägliche Normalzustand, lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Äußerungen darauf abzielen, Muslime aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit auszugrenzen und abzuwerten. Stürzenberger trat auch außerhalb Bayerns wiederholt als Redner auf, insbesondere bei islamkritischen Veranstaltungen. Auch dort hetzte er pauschal gegen den Islam und die Muslime und sprach ihnen im Ergebnis wesentliche im Grundgesetz konkretisierte Menschenrechte, wie insbesondere das Diskriminierungsverbot (Art. 3 GG) und die Religionsfreiheit (Art. 4 GG), ab. So bezeichnete er bei einer "PEGIDA"-Demonstration am 7. Februar in Chemnitz alle Muslime als Faschisten: Islam und Demokratie geht nicht miteinander. Islam ist Faschismus, ist die Herrschaft dieser Religionsdiktatur (...) Alles klar! Niemand anderes als Allah, kein christlicher Gott, kein jüdischer, kein buddhistischer. Das sind Faschisten, die nur ihre einzige Religion anerkennen. (Transkription der wörtlichen Rede) 2. PEGIDA NÜRNBERG/PEGIDA MITTELFRANKEN Aktivitäten seit Februar 2015 Aktionsraum Nürnberg und Fürth Über die Gruppe "PEGIDA Nürnberg" liegen hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen vor, die dem Phänomenbereich der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit zuzuordnen sind. Der Versammlungsleiter von "PEGIDA Nürnberg", Gernot Tegetmeyer, war bis zu seinem Parteiaustritt in der zweiten Jahreshälfte 2015 stellvertretender Landesvorsitzender des bayerischen Landesverbands der Ende 2016 aufgelösten Partei "DIE FREIHEIT". Der Landesverband Bayern unter seinem Vorsitzenden Stürzenberger stand bis zu seiner Auflösung unter der Beobachtung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, da er verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen verfolgte. 190 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Unter der Bezeichnung "PEGIDA Mittelfranken" führt "PEGIDA Nürnberg" auch in Fürth Veranstaltungen durch und versucht damit, über die Stadtgrenzen von Nürnberg hinaus in der Metropolregion Präsenz zu zeigen. Bereits im Lauf des Jahres 2016 sank das Teilnehmerpotenzial Sinkende Teilnehan den Kundgebungen von bis zu 200 Personen im Januar konmerzahlen tinuierlich auf etwa 50 bis 80 Personen. Auf diesem niedrigen Niveau stabilisierten sich die Teilnehmerzahlen im Jahr 2017. Als Redner trat bei "PEGIDA Nürnberg" wiederholt Michael Stürzenberger auf. Bei einer Veranstaltung von "PEGIDA Nürnberg" am 17. Februar stellte Stürzenberger in einem Redebeitrag den Islam in seiner Gesamtheit als faschistisch dar und zielte damit darauf ab, alle Muslime aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit auszugrenzen und abzuwerten: Das ist in einem Satz zusammengefasst der kriegerische, militärische und gnadenlos intolerant faschistische Charakter dieser Ideologie. (...) Entweder wird der Islam entschärft oder er fliegt aus Deutschland raus. Da gibt's keine Diskussion mehr und keine Kompromisse. (Transkription der wörtlichen Rede) Bei einer Demonstration am 23. Juni setzte er in seinem Redebeitrag den Islam als Weltreligion mit islamistischem Terrorismus gleich: Und es gibt nur einen Grund dafür. Für diese Misere. Es ist der Islamfaschismus, der Islamterror, der aus einem Buch kommt, aus dem Koran. (...) Freunde, überall wo der Islam sich ausbreitet auf diesem Planeten, seit 1400 Jahren, gibt es Terror, Gewalt, Anschläge, Unterdrückung, Verfolgung und Tötung Andersgläubiger. (Transkription der wörtlichen Rede) > Inhaltsverzeichnis 191 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit 3. BÜRGERBEWEGUNG PAX EUROPA E. V. - LANDESVERBAND BAYERN (BPE BAYERN) Bei dem bayerischen Landesverband der "Bürgerbewegung PAX EUROPA e. V." (BPE Bayern) handelt es sich um eine verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebung, die den Islam insgesamt als "vorsteinzeitliche, nazistische und frauenverachtende Ideologie" sieht. Klage gegen BeobDer Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom achtung abgewiesen 30. Juli 2015 die Beobachtung des BPE Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz für zulässig erklärt. Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Im Jahr 2017 meldete die Vorsitzende des BPE Bayern in München vier Kundgebungen an und leitete diese. Bei diesen Veranstaltungen traten Michael Stürzenberger und der Versammlungsleiter von "PEGIDA Nürnberg", Gernot Tegetmeyer, als Redner auf. Stürzenberger, der bis Januar 2014 Vorsitzender des BPE Bayern war, stellte bei einer Kundgebung am 22. April in seinem Redebeitrag die Religion des Islam zum wiederholten Mal in ihrer Gesamtheit in die Nähe des Nationalsozialismus: Sie haben die Gemeinsamkeit ihrer Ideologien sich gegenseitig bestätigt, als da wären: Führerprinzip, die Gewaltverherrlichung, die Volksgemeinschaft und der Rassismus, der bei den Nazis in dem arischen Wahn steckte und beim Islam ist es der Wahn, dass Moslems die Höherwertigen sind und die anderen die Minderwertigen, die es zu vernichten gilt. (Transkription der wörtlichen Rede) Bei einer Kundgebung am 29. Juli setzte Stürzenberger die Religion des Islam mit dem islamistischen Terrorismus gleich: Und jeder Moslem, ich sage es ganz deutlich, der den Koran durchliest, der dieses Buch als Befehl von Allah akzeptiert, ist ein potenzieller Terrorist. (Transkription der wörtlichen Rede) 192 > Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Als Konsequenz der Grundannahme, dass es keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus gebe, hatte Stürzenberger in seiner Funktion als Bundesvorsitzender der Ende 2016 aufgelösten verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Partei "DIE FREIHEIT" mehrfach von gläubigen Muslimen den Verzicht auf Verzichtsforderung die aus ihrer Sicht "verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islams" verlangt. Stürzenberger forderte im Namen der Partei islamische Organisationen auf, umgehend in schriftlicher Form auf bestimmte Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten, und stellte den Islam insgesamt als unvereinbar mit unserer Gesellschaftsordnung dar. Bei einer Kundgebung am 29. Juli erneuerte er diese verfassungsfeindliche Forderung: Und unsere Aufgabe ist es jetzt, hier in Europa, in Deutschland, den Islam zu bändigen. Wir können fordern, wir als deutsche Bürger, dass sich hier eine Ideologie die Gewalt und Töten und Frauenunterdrückung fordert, dass die entweder sich davon verabschiedet oder wir verabschieden den Islam aus Deutschland. (Transkription der wörtlichen Rede) > Inhaltsverzeichnis 193 Linksextremismus Linksextremismus Schwere Ausschreitungen und Plünderungen bei G20-Gipfel in Hamburg Hohe Haftstrafen gegen Gewalttäter verhängt, Strafverfahren gegen bayerische Täter sind noch anhängig Interventionistische Linke (IL) befürwortet Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung Linksextremistische Sachbeschädigungsserie in München verursacht Schäden von über 700.000 Euro 194 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremisten wollen die durch das Grundgesetz vorgegebene Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland beseitigen. Je nach ideologisch-politischer Orientierung zielen Linksextremisten auf eine sozialistische bzw. kommunistische oder eine "herrschaftsfreie" Gesellschaft ab. Die linksextremistischen Vorstellungen richten sich insbesondere gegen durch das Grundgesetz garantierte Grundrechte, die parlamentarische Demokratie, die Gewaltenteilung, die Volkssouveränität, das Rechtsstaatsprinzip und den Pluralismus. Linksextremisten wollen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abschaffen, die sie als "kapitalistisches System" diffamieren und in der sie die Wurzel des Faschismus sehen. In der linksextremistischen Szene bilden Autonome den weitaus größten Teil des gewaltbereiten Personenpotenzials. Autonome haben zwar keine gemeinsame Ideologie. Ziel aller Autonomen ist es aber, den Staat und seine Einrichtungen zu zerschlagen. Neben Sachbeschädigungen wenden Autonome auch Gewalt gegen Personen - vor allem Rechtsextremisten und Polizisten - an, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Linksextremisten besetzen auch Themen, die an sich nicht extremistisch sind. Ihr Ziel ist es dabei aber in erster Linie, ihre linksextremistischen politischen Vorstellungen zu verbreiten. Dazu arbeiten sie auch mit bürgerlichdemokratischen Organisationen zusammen. > Inhaltsverzeichnis 195 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus 1. PERSONENPOTENZIAL IN BAYERN 2015 2016 2017 Parteien und Vereinigungen Partei DIE LINKE. 1.000 900 900 offen extremistische Strukturen DKP 340 340 340 MLPD (mit REBELL) 120 120 120 SDAJ 110 110 110 VVN-BdA 700 700 700 Sonstige 950 1.000 1.000 Gruppierungen Autonome 650 650 690 Summe 3.870 3.820 3.860 Mehrfachzählungen* 340 390 390 Gesamtzahl 3.530 3.430 3.470 Gewaltorientierte Personen 690 690 730 von der Gesamtzahl** Die Zahlenangaben sind geschätzt und gerundet. * Die Mehrfachmitgliedschaften im Bereich der Parteien und sonstigen Zusammenschlüsse werden vom Gesamtpotenzial abgezogen. ** Dazu zählen gewalttätige, gewaltbereite, Gewalt unterstützende und Gewalt befürwortende Personen. 2. MILITANZUND GEWALTPOTENZIAL In der linksextremistischen Szene bilden Autonome den weitaus größten Teil des gewaltbereiten Personenpotenzials. Sie sind für die meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten verantwortlich. Ziel dieser überwiegend jungen Linksextremisten ist es, den Staat und seine Einrichtungen - auch mit Gewalt - zu zerschlagen und eine "herrschaftsfreie" Gesellschaft zu errichten. Mit diffusen anarchistischen, kommunistischen und sozialrevolutionären Ideologiefragmenten schaffen sich die Autonomen einen vermeintlichen Legitimationsrahmen für ihre Militanz. Gewalttaten werden als notwendiges Mittel dargestellt, um sich gegen die angebliche "strukturelle Gewalt" des politischen Systems zu wehren. Viele Autonome erleben die Ausübung von 196 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Massenmilitanz als sinnstiftende Erfahrung. Gewalt wird zum Ausdruck eines Lebensgefühls. Formen und Ausmaß der Gewaltanwendung sind regelmäßig Gegenstand von Diskussionen in der autonomen Szene. Das Aggressionspotenzial der autonomen Szene ist seit Jahren Konfrontative hoch. Autonome suchen vor allem bei Demonstrationen gewaltGewalt; same Auseinandersetzungen (konfrontative Gewalt). Gegner initialisierende sind hauptsächlich Rechtsextremisten und Polizeibeamte. Gewalt; Massenmilitanz Linksextremisten sehen die Polizeikräfte als Repräsentanten eines vermeintlichen staatlichen "Repressionsorgans". Sie akzeptieren nicht, dass die Polizeibeamten z. B. auch bei Demonstrationen von Rechtsextremisten zur Gewährleistung des grundgesetzlich geschützten Versammlungsrechts eingesetzt werden müssen ("Deutsche Polizisten schützen Nazis und Faschisten"). Den Ablauf ihrer Aktionen machen Linksextremisten vor allem von ihrem Kräfteverhältnis gegenüber der Polizei abhängig. Dabei schließen sich vermummte Aktivisten in einheitlich schwarzer "Kampfausrüstung" häufig zu Schwarzen Blöcken zusammen, um aus diesen heraus unerkannt Gewalt ausüben zu können. Autonome nutzen aber auch Demonstrationen anderer - auch nicht extremistischer - Veranstalter, um der Veranstaltung einen militanten und aggressiven Charakter aufzuzwingen und hinter der Deckung friedlicher Demonstranten Gewalttaten zu begehen sowie andere dazu aufzustacheln (initialisierende Gewalt). Neben dieser situationsabhängigen Massenmilitanz verüben Autonome auch konspirativ geplante Straftaten wie Brandanschläge, zu denen häufig auf einschlägigen Internetportalen anonyme Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht werden. Bauanleitungen für Sprengund Brandsätze stellt die autonome Szene im Internet und in Szene-Zeitschriften wie "radikal" und "INTERIM" zur Verfügung. 2.1 G20-Gipfel in Hamburg Am 7. und 8. Juli fand in Hamburg das jährliche Treffen der Staatsund Regierungschefs der "Gruppe der 20 wichtigsten Industrieund Schwellenländer der Welt" (G20) statt. Die linksextremistische Szene mobilisierte monatelang mit großer Intensität für Aktionen gegen den Gipfel. Es existierten umfangreiche Aktionsplanungen, um den Ablauf des Gipfels zu stören, Zufahrtswege und logistische Knotenpunkte zu besetzen, den Hamburger Hafen zu blockieren und Angriffe auf die städtische Infrastruktur durchzuführen. > Inhaltsverzeichnis 197 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Im Zusammenhang mit den Protesten zum G20-Gipfel kam Schwere Ausschreies zu massiven Angriffen auf Polizeibeamte, zudem wurden in tungen und Plündemehreren Stadtvierteln Hamburgs Brandstiftungen und Sachberungen in Hamburg; schädigungen begangen sowie brennende Barrikaden errichtet. Schäden in Im Schanzenviertel wurden Geschäfte geplündert. Gegen PoliMillionenhöhe zeibeamte gingen autonome Gewalttäter mit Molotowcocktails und Wurfgeschossen vor. Vom 22. Juni bis zum 10. Juli wurden insgesamt mehrere Hundert Polizisten verletzt. 76 von ihnen waren aus Bayern. Die Polizei nahm eine Vielzahl von Personen vorläufig fest oder in Gewahrsam. Das Ausmaß der durch die gewalttätigen Linksextremisten verursachten Schäden beläuft sich Schätzungen zufolge auf mehrere Millionen Euro. Eine von einer Person aus dem Umfeld des linksautonomen Kulturzentrums "Rote Flora" angemeldete Demonstration am 6. Juli stand unter dem Motto "Welcome to hell". Damit war bereits der Rahmen vorgegeben für militante Formen des Protests. Aus dem Schwarzen Block heraus erfolgten Angriffe auf Polizeikräfte mit Flaschen, Latten und Pyrotechnik. Am Folgetag bildeten unter dem Motto "Tag des Ungehorsams" Blockaden den Schwerpunkt der Aktionen. Es kam zu schweren gewalttätigen Ausschreitungen und Angriffen auf die Polizei im gesamten Stadtgebiet. Vermummte bewarfen unter anderem die Station der Bundespolizei in Altona mit Steinen und Molotowcocktails. Polizeifahrzeuge wurden "entglast". Brandanschläge auf Kabelleitungen der Deutschen Bahn beeinträchtigten in Hamburg den Verkehr, in verschiedenen Stadtteilen brannten zahlreiche Kraftfahrzeuge, auch von unbeteiligten Privatpersonen, aus. Autonome missAn der internationalen Großdemonstration am 8. Juli nahmen brauchen friedliche mehrere Zehntausend Personen teil. Der Aufzug verlief zunächst Großdemonstration friedlich. Später griffen vermummte Autonome des "Internatiofür Gewaltausbrüche nalistischen Blocks" (sogenannter Schwarzer Block) Polizisten mit Fahnenstangen an. In der Großdemonstration bildete sich ein Abschnitt, in dem zahlreiche Fahnen mit verbotenen Symbolen der PKK-Organisation gezeigt wurden. In der Nacht kam es erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen und Angriffen auf Polizisten. An den Ausschreitungen nahmen auch zahlreiche Personen von autonomen Gruppen aus Griechenland, Italien, Spanien und skandinavischen Ländern teil. 198 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Aus Bayern unterstützten die Proteste in Hamburg die Gruppierungen "Organisierte Autonomie" (OA), "Revolutionär Organisierte Jugendaktion" (ROJA) Nürnberg, "Antifaschistische Linke Fürth" (ALF), "Interventionistische Linke" (IL) Nürnberg und München, "Anita f. - antifaschistische Gruppe" in Regensburg, "Infogruppe Rosenheim", "Antifa-NT" und "Libertäre Antifa München" (LAVA MUC). Die Proteste gegen den G20-Gipfel wurden bundesweit im WeIL koordiniert Mobilisentlichen von der "Interventionistischen Linke" (IL) koordiniert. sierung im Bund und In Bayern bestimmten insbesondere die linksextremistischen in Bayern Gruppierungen "IL-Nürnberg" und "Antifa-NT" aus München die Mobilisierungsaktivitäten. Die "IL-Nürnberg" deckte dabei insbesondere den Bereich Nordbayern ab und organisierte szeneübergreifende Vorbereitungstreffen in Nürnberg. Sie beteiligte sich auch an den Aktionskonferenzen zum G20-Gipfel in Hamburg. Münchner Aktivisten der "Antifa-NT" gründeten Mitte April die bayernweite Mobilisierungsund Infoplattform "Südblock", die fortlaufend über die Protestplanungen informierte. Die "Infogruppe Rosenheim" mobilisierte unter dem Motto "G 20 angreifen - vom Hinterland nach Hamburg". Die "Revolutionär Organisierte Jugendaktion" (ROJA) führte gemeinsam mit der "Organisierten Autonomie" (OA) Nürnberg ebenfalls Mobilisierungsund Infoveranstaltungen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg durch. In einem dazu veröffentlichten Aufruf heißt es unter anderem: ...verursachen wir Stress auf allen Kiezen der Welt, für die soziale Revolution weltweit! Die linksextremistische Szene bewertete den Verlauf des Gipfels Keine Distanzierung als Erfolg gegen das "System". So erklärte das Bündnis "Welvon Gewalt come to Hell" in einer Pressemitteilung, die am 8. Juli - einen Tag nach den schweren Ausschreitungen im Schanzenviertel - herausgegeben wurde, es habe sich gezeigt, "wie vielfältige und unterschiedliche Formen des Widerstands sich zu einer erfolgreichen Gesamtdynamik entwickeln können". So hätten "die Tage gestern und heute insgesamt zu einem Erfolg werden können". Diese Pressemitteilung belegt, dass die Organisatoren der "Welcome to Hell"-Demonstration von Anfang an kein Interesse an einem friedlichen Protest hatten, sondern Gewalt als legitimes politisches Mittel betrachteten: > Inhaltsverzeichnis 199 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Wir verstehen uns und unseren Protest als Teil eines vielfältigen Spektrums von linken Gruppen, Positionen, Organisationsansätzen und politischen Ausdrucksformen. Innerhalb dieses Spektrums stehen wir dafür, dass wir uns nicht auf den viel zitierten friedlichen Protest reduzieren lassen wollen. Zielgerichtete Militanz ist für uns eine Option und ein Mittel, um über eine rein symbolische Protestform hinauszukommen und direkt und wirksam in Ereignisse, Prozesse und Entwicklungen verändernd einzugreifen. Straftaten im Vorfeld In Bayern kam es - wie in anderen Ländern - bereits im Vorfeld von G20 des Gipfels zu einzelnen Straftaten mit G20-Bezug. So wurden in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai die Gebäude einer Immobilienfirma in München von Linksextremisten beschädigt. Die Täter warfen Steine und Farbbeutel, zersplitterten die Scheiben der Eingangstür und sprühten den Schriftzug "Smash G20" an die Gebäude. Am 2. Juni erschien auf der inzwischen verbotenen linksextremistischen Internetseite "linksunten.indymedia.org" ein Bekennerschreiben, in dem der Firma die Unterstützung der Konferenzlogistik für den G20-Gipfel vorgeworfen wurde. Es entstand ein Sachschaden von über 2.000 Euro. Am 13. Juni attackierten unbekannte Täter in Höchberg bei Würzburg die Filiale eines Textildiscounters mit Farbe und Steinen. An die Fassade sprühten sie den Schriftzug "KIK kills fight G20". In einem Bekennerschreiben wurde die Firma als Profiteur menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen beschimpft. Die Täter riefen in diesem Zusammenhang zur Teilnahme an den G20-Protesten auf. Auch im Nachgang zum G20-Gipfel ließ die linksextremistische Szene Bayerns ihre Sympathie für die autonomen Gewalttäter erkennen. So versammelten sich am 8. Juli 30 Anhänger der "OA" vor der Nürnberger Jakobswache unter dem Motto "gegen Polizeigewalt und Staatsterrorismus". Dabei zeigten sie sich solidarisch mit ihren Genossinnen und Genossen in Hamburg, die in den Ietzten Tagen zu zigtausenden ein mehr als deutliches Zeichen gegen die Weltordnung der G20 Staaten gesetzt haben. 200 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die Polizei durchsuchte Anfang Dezember 23 Wohnungen und Durchsuchungen in Szeneobjekte in Hamburg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfamehreren Bundeslen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und ländern Rheinland-Pfalz. Die Razzia hatte zum Ziel, Beweise für Straftaten anlässlich der Ausschreitungen während des G20-Gipfels zu sichern. Die Ermittlungen gegen die Gewalttäter beziehen sich unter anderem auf den Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs. Die Zahl der Verurteilungen in G20-Verfahren stieg bis Ende 2017 Hohe Haftstrafen für auf 24. Sieben davon endeten mit Haftstrafen ohne Bewährung, Gewalttäter 17 mit Bewährungsstrafen zwischen sechs und 21 Monaten. Die Hamburger Staatsanwaltschaft eröffnete bislang nach eigenen Angaben mehrere Hundert Ermittlungsverfahren im ZusamStrafverfahren menhang mit den Krawallen gegen namentlich bereits bekannte gegen Linksextreoder noch nicht identifizierte Personen, darunter auch gegen misten aus Bayern zwei bayerische Linksextremisten, u. a. wegen des Verdachts des besonders schweren Landfriedensbruchs (SS 125a StGB) und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (SS 113 StGB). 2.2 Linksextremistische Aktionen gegen Parteien Im Jahr 2017 haben linksextremistisch motivierte Aktionen gegen die AfD und andere politische Parteien weiter zugenommen. Linksextremisten verstehen diese als Teil des "antifaschistischen Kampfs", der sich gegen jeden Gegner richtet, dem aus Sicht der Linksextremisten Rassismus bzw. Faschismus attestiert wird. Im Kontext der Flüchtlingsdebatte dient ihnen der Einsatz für Asylsuchende als Vorwand und Rechtfertigung für ihre mitunter gewalttätigen Aktionen, die sie als legitime Gegenmaßnahmen darzustellen versuchen. Mit ihren Aktionen versuchen die Linksextremisten, Aktivitäten und Veranstaltungen der von ihnen als rassistisch diffamierten Parteien zu behindern bzw. zu verhindern. Besonders im Fokus linksextremistischer Aktivitäten steht dabei die AfD, die von der linksextremistischen Szene als politisches Hauptfeindbild wahrgenommen wird. Im Vorfeld des BundesparAktionen gegen teitags der AfD am 22. und 23. April in Köln hatte die linksextreBundesparteitag mistische Szene mit zum Teil martialischen Aufrufen dazu aufgeder AfD fordert, diesen zu verhindern. So veröffentlichte ein unbekannter Verfasser unter der Überschrift: "Feuer statt Konfetti - Den AfDBundesparteitag verhindern" einen Aufruf, den Parteitag auf spektakuläre Weise zu verhindern. Darin heißt es u. a.: > Inhaltsverzeichnis 201 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Die AfD zerlegt sich vielleicht selbst - aber wir könnten nachhelfen ihr den wahren Todesstoss zu geben. Die Mitarbeiter des Kölner Hotels, in dem der Parteitag stattfand, wurden von Linksextremisten in sozialen Medien und durch Anrufe massiv angefeindet und zum Teil bedroht. Auch die autonome Szene Bayerns schloss sich den Aufrufen zur Verhinderung des Parteitags an. Aus den Ballungsräumen München und Nürnberg fuhren Busse nach Köln. Anhänger einer linksextremistischen Gruppe aus Rosenheim, die im Vorfeld im Rahmen eines sogenannten "Blockadetrainings" das Durchbrechen einer Polizeikette mit anschließender Sitzblockade geübt hatten, beteiligten sich ebenfalls an den Protesten. Das Verwaltungsgericht München hatte zuvor Meldeauflagen der Stadt Rosenheim, die die Anreise verhindern sollten, in einem Eilverfahren für unwirksam erklärt. Insgesamt beteiligten sich an den Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag rund 1.000 Linksextremisten. Aufgrund der hohen Präsenz der Sicherheitskräfte verblieb es bei einzelnen Sachbeschädigungen und Gewalttaten gegen Polizeibeamte. Strategie der Zur Strategie der Linksextremisten gegen Veranstaltungen der Einschüchterung AfD gehört es auch, gegen Gaststätten und Hotels, die der AfD Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, Straftaten zu verüben: Der Betreiber einer Gaststätte bei Rosenheim wurde von mehreren Gruppierungen öffentlich dazu gedrängt, der AfD keine Räume zur Verfügung zu stellen. Als dort dennoch eine AfD-Veranstaltung stattfand, wurde die Fassade der Gaststätte mit dem Schriftzug "Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Make racists afraid again" besprüht. Weitere Sachbeschädigungen an dem Gebäude wurden am 27. März und 1. April begangen. Insgesamt entstand ein Sachschaden in fünfstelliger Höhe. In der Nacht vom 3. auf den 4. April besprühten Linksextremisten Front und Fenster einer Gaststätte in Maisach (Lkr. Fürstenfeldbruck) mit den Schriftzügen "Make racists afraid again" und "Keine Räume der AFD!" sowie mit dem Anarcho-Zeichen. Wenige Tage zuvor hatte der AfD-Kreisverband Dachau-Fürstenfeldbruck in der Gaststätte einen "Politischen Frühschoppen" durchgeführt. 202 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 An einer Gaststätte in München wurden am 3. Juli die Scheiben von neun Fenstern und der Eingangstüre eingeschlagen. Zudem wurden mit Farbe gefüllte Flaschen gegen Fenster und Hauswand geworfen. In der Gaststätte hatten in der Vergangenheit Stammtische des AfD-Ortsverbands München-Ost stattgefunden. Gegen ein Hotel in Nürnberg warfen Linksextremisten im Rahmen der "Revolutionären 1.-Mai-Demonstration" mehrere mit schwarzer Farbe gefüllte Christbaumkugeln. Dabei wurde die Fassade beschädigt. Das Hotel in Nürnberg gehörte zur gleichen Kette wie das Hotel in Köln, in dem am 22. und 23. April der Bundesparteitag der AfD stattfand. Weitere Ziele von linksextremistisch motivierten Angriffen sind auch Informationsstände der AfD. So wurde am 4. März am Orleansplatz in München ein Infostand der AfD durch sechs vermummte Personen umgeworfen und das ausgelegte Werbematerial auf dem Boden verstreut. Am 1. Juli überfielen neun Personen einen Infostand der AfD in Augsburg. Die Angreifer rannten auf den Infostand zu, stießen andere Leute zur Seite und warfen Banner und Tische der Partei um. Ein 68-Jähriger stürzte und wurde so schwer verletzt, dass er in ein Krankenhaus gebracht werden musste. Außerdem wurde ein 42 Jahre alter Mann an der Hand verletzt. Er hielt einen 20-Jährigen, der maßgeblich an dem Angriff beteiligt war, bis zum Eintreffen der Polizei fest. Durch Zeugenhinweise konnten vier weitere Täter vorläufig festgenommen werden. Es handelt sich um drei Frauen und einen Mann aus der Stadt und dem Landkreis Augsburg. Am späten Abend der Bundestagswahl, dem 24. September, versammelte sich eine Gruppe teilweise vermummter Autonomer vor dem Lokal, in dem die Wahlparty der Augsburger AfD stattfand und warfen Tomaten auf die Wachleute und Gäste. Gleichzeitig beschimpften sie die AfD-Anhänger. Während der Wahlparty der AfD in München versuchten Linksextremisten, die Gäste ebenfalls zu attackieren. Einige Hundert Meter entfernt wurde ein Porsche Cayenne in Brand gesteckt. Es entstand ein Schaden von 120.000 EUR. Aktionen der linksextremistischen Szene in Bayern richteten sich Aktionen gegen zunehmend auch gegen Einrichtungen der CSU. So wurde am etablierte Parteien 3. März das Gebäude der CSU-Geschäftsstelle Amberg großflächig mit einem roten Graffito, dem Anarcho-Zeichen und einem Schriftzug beschmiert. Ein unbekannter Täter entwendete aus > Inhaltsverzeichnis 203 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus einem nahe gelegenen Grundstück zudem zwei Pflanzenkübel und warf damit die Glasscheibe eines Seiteneingangs des Anwesens ein. Ende Mai wurden Fassade und Fenster einer CSU-Bürogemeinschaft in Fürth durch mutmaßlich linksextremistisch motivierte Täter beschädigt. Das Gebäude wurde großflächig mit brauner Farbe verschmutzt. Bereits am 8. Dezember 2016 hatten Linksextremisten, die mit weißen Maleranzügen bekleidet waren, die CSU-Landesleitung unmittelbar am Haupteingang mit schwarzer Farbe und der Aufschrift: "Nationalismus ist keine Alternative!" beschmiert. Ein weiteres Ziel linksextremistischer Aktionen war die Bayernpartei. Am 8. September wurde ein Wohnmobil mit deutlich erkennbarer Wahlwerbung der Bayernpartei angezündet. Das Fahrzeug brannte völlig aus. Es entstand ein Schaden in Höhe von 40.000 EUR. 2.3 Linksextremistische Sachbeschädigungsserie in München Seit mehreren Jahren sind Münchner Immobilienfirmen immer wieder Ziel linksextremistisch motivierter Straftaten. Hintergrund ist die Diskussion über steigende Mieten und Umstrukturierungsprozesse in Großstädten (sogenannte "Gentrifizierung"), die autonome Linksextremisten unter dem Stichwort "Antigentrifizierung" als Vorwand für die Begehung von Straftaten nehmen. In der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober beschmierten Unbekannte Fassade und Schaufenster des Bürogebäudes einer Immobilienfirma mit grüner und blauer Lackfarbe. Am 17. Oktober zündeten Linksextremisten den geparkten Pkw einer Immobilienfirma an. Das Fahrzeug brannte komplett aus, die Flammen griffen zudem auch auf ein davor geparktes Auto einer Privatperson über und beschädigten ein privates Wohnhaus. Der Gesamtschaden belief sich auf rund 50.000 EUR. Am 21. November warfen Unbekannte 15 faustgroße Steine in das Gebäude einer weiteren Immobilienfirma und zerstörten vier Fensterscheiben sowie die Tür. Das Firmengebäude war bereits mehrfach Ziel von Sachbeschädigungen, so wurden u. a. im Juni ebenfalls die Eingangstüre und zwei Fensterscheiben eingeworfen. Ein Nachbargebäude wurde mit dem Schriftzug "Kein Bock auf Mieterhöhung? Viertel abwerten! Profiteure angreifen" beschmiert. 204 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 In der Zeit vom 8. September bis 9. Oktober führten linksextremistisch motivierte Täter Schmieraktionen in verschiedenen Stadtteilen in München durch. Dabei wurden mehrere Hundert Gebäude und Fahrzeuge beschädigt. Es entstand ein Sachschaden von über 700.000 Euro. Die Täter hatten Parolen wie "Tod allen Yuppies" und "Bonzn-Viertel" geschmiert, die die Aktionen in einen Zusammenhang mit den Aktionsfeldern "Antigentrifizierung" und "Antikapitalismus" stellen. Mittlerweile wurden ein Jugendlicher aus München und ein wohnsitzloser Heranwachsender als Täter identifiziert. 2.4 Strafund Gewalttaten Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" Politisch motivierte Gewaltdelikte 2015 2016 2017 Körperverletzung 104 50 33 Widerstandsdelikte 12 16 9 Landfriedensbruch 0 0 4 Brandund Sprengstoffdelikte 1 4 8 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 0 Raub 3 1 0 Gef. Eingriff in Bahn-, Schiffsund 2 1 0 Luftverkehr gesamt 122 72 54 Terrorismus 0 0 0 Sonstige Straftaten Nötigung/Bedrohung 14 22 5 Sachbeschädigungen 257 380 439 Sonstige Straftaten 79 101 116* gesamt 350 503 560 Straftaten insgesamt 472 575 614 * davon 14 Propagandadelikte und 1 Volksverhetzungsdelikt > Inhaltsverzeichnis 205 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Die Gesamtzahl linksextremistischer Straftaten in Bayern hat 2017 einen neuen Höchststand erreicht. Während im Jahr 2016 noch 575 Straftaten zu verzeichnen waren, wurden im Jahr 2017 insgesamt 614 Straftaten gezählt. Demgegenüber ist die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten in Bayern im Jahr 2017 gegenüber 2016 von 72 auf 54 zurückgegangen. Ursächlich hierfür dürfte vor allem sein, dass in Bayern kaum Großereignisse stattfanden. Allerdings sinkt die Hemmschwelle, auch schwere Personenschäden in Kauf zu nehmen. Viele Strafund Gewalttaten richteten sich gegen Veranstaltungen oder Anhänger des politischen Gegners. Am 18. Februar demonstrierten Linksextremisten in Würzburg gegen eine Versammlung der rechtsextremistischen Partei "Der Dritte Weg". Dabei versuchten sie, den Demonstrationszug zu blockieren. Als die Polizei dies verhinderte, schlug ein Demonstrant einem Beamten mit der rechten Faust gezielt ins Gesicht. Ein weiterer Täter schlug mit einer mitgeführten Fahnenstange auf einen anderen Polizisten ein, der dabei verletzt wurde. Am 25. April wurde das Clubhaus der Skinhead-Gruppierung "Voice of Anger" angezündet. Der nördliche Teil des Anwesens wurde durch den Brand fast vollständig zerstört, ebenso ein Teil einer gegenüberliegenden Gartenparzelle. Die Schadenshöhe betrug 30.000 Euro. Vor dem Gebäude hatten Personen aus der linksextremistischen Szene mehrfach Protestkundgebungen abgehalten. In den Morgenstunden des 31. Mai wollte die Polizei einen ausreisepflichtigen afghanischen Staatsangehörigen in einer Berufsschule in Nürnberg abholen. Daraufhin versuchten Mitschüler, die Abfahrt zu blockieren. Durch Facebook und Twitter mobilisiert, wuchs die Zahl der Demonstranten auf bis zu 300 Personen an. Darunter befanden sich zahlreiche Angehörige der gewaltbereiten autonomen Szene Nürnbergs. Die Polizei wurde mit einem Fahrrad und zahlreichen Flaschen beworfen. Neun Polizisten wurden verletzt. Fünf Personen wurden vorübergehend festgenommen. Am 5. Juni verübten Linksextremisten einen Brandanschlag auf das Polizeidienstgebäude in Weilheim. Die Täter warfen Molotowcocktails gegen ein geschlossenes Fenster im Erdgeschoss des gemeinsamen Dienstgebäudes von Verkehrspolizei, 206 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Kriminalpolizei und Polizeiinspektion. Da die Fensterscheibe aus Sicherheitsglas besteht, durchschlug der Brandsatz die Fensterscheibe nicht. Es entstand Sachschaden am Fensterbrett und an der Gebäudefassade. Am 1. Juli erschienen in der Fußgängerzone in Augsburg plötzlich ca. 10-15 mit Sonnenbrillen, Tüchern und Kapuzen vermummte Personen vor einem Stand der AfD und attackierten diesen. Sie warfen den Tisch um und rissen Plakatständer und Banner nieder. Bei der Auseinandersetzung schubste ein Tatverdächtiger einen Geschädigten so stark, dass dieser hinfiel, sich an der Hüfte verletzte und ins Klinikum verbracht werden musste. Zwei weitere Tatverdächtige rannten in ein gegenüberliegendes Bekleidungsgeschäft, zogen sich dort um und wurden von Unbeteiligten wiedererkannt, als sie in der Fußgängerzone untertauchen wollten. Die Tatverdächtigen wurden vorläufig festgenommen. Unbekannte Täter entfernten in der Nacht zum 12. Juli in München die Abdeckung eines neben Bahngleisen verlaufenden Kabelschachtes und setzten mittels Wunderkerzen und Benzin die Kabel in Brand. Zur Verstärkung der Wirkung wurden zwei Metallnägel auf die Kabel gelegt. Der Bahnverkehr war für eine Stunde unterbrochen. 4.000 Telefonanschlüsse fielen aus. Der Sachschaden betrug 30.000 Euro. Am 18. Juli wurde auf der linksextremistischen Internetseite "linksunten.indymedia.org" ein Bekennerschreiben veröffentlicht. Am 8. September wurde durch unbekannte Tatverdächtige in München ein Wohnmobil der Bayernpartei in Brand gesteckt, wodurch es komplett ausbrannte. Es entstand ein Schaden von 40.000 Euro. Als dringend tatverdächtig gelten zwei dunkel gekleidete und mit Sturmmasken verkleidete Personen, die, vom Tatort kommend, mit Mountainbikes flüchteten. In der Nacht zum 13. September wurden in München mehrere Zeugen durch laute Knallgeräusche aus dem Schlaf gerissen. Ursache für die Geräusche waren zwei brennende Baumaschinen einer Baustelle. Beim Eintreffen der Feuerwehr standen ein Löffelbagger und ein Radlader voll in Flammen. Neben dem Radlader wurde eine Flasche gefunden, in der sich noch Reste von Benzin befanden. Die geschädigte Firma ist spezialisiert auf hochwertige Sanierungsmaßnahmen, die von Linksextremisten als "Gentrifizierung" bekämpft werden. > Inhaltsverzeichnis 207 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus 3. IDEOLOGISCHE WURZELN DES LINKSEXTREMISMUS Marxismus Die Lehren von Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) sind die ideologische Grundlage für das Denken und Handeln der meisten Linksextremisten. Das gesamte politische, geistige und kulturelle Leben einer Gesellschaft wird demnach durch die ökonomischen Strukturen und Verhältnisse bestimmt. Die marxistische Lehre ist sowohl wissenschaftliche Theorie als auch praktisch-politische Handlungsanleitung für die Revolution. Ihr zufolge vollzieht sich die Menschheitsgeschichte in gesetzmäßigen Entwicklungsstufen. Dem Endziel der geschichtlichen Entwicklung, der kommunistischen klassenlosen Gesellschaft, geht die revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems voraus. Im Kapitalismus stehen sich die ausbeutende Klasse der bürgerlichen Kapitalisten - die Eigentümer an den Produktionsmitteln - und die ausgebeutete Klasse der Arbeiterschaft - die sog. Proletarier - gegenüber. Der durch die Arbeiterschaft geschaffene Mehrwert eines erstellten Produktes geht nach der marxistischen Lehre in den Besitz der Kapitalisten über und führt so zu Lohndruck, einer Verarmung und schließlich Verelendung des Proletariats. Die Folgen sind Klassenkämpfe, die in eine Revolution und schließlich in die Diktatur des Proletariats münden mit dem Endziel einer kommunistischen Gesellschaft. Das Menschenbild des Marxismus ist ein grundsätzlich anderes als das freiheitlicher Demokratien. Im Mittelpunkt steht nicht das Individuum mit seinen garantierten Rechten, sondern die Arbeiterklasse. Nach dieser Sichtweise ist es zulässig, Grundund Menschenrechte zugunsten des sozialistischen Kollektivs und einer kommunistischen Zielsetzung zu relativieren oder gar außer Kraft zu setzen. Marxismus-Leninismus Der Marxismus-Leninismus war die offizielle Weltanschauung der früheren Sowjetunion. Er basiert auf den Lehren von Marx und Engels (Marxismus), die von Wladimir I. Lenin (1870-1924) zur Staatsdoktrin der Sowjetunion und für den von ihm propagierten internationalen Klassenkampf weiterentwickelt wurden. Auch nach marxistisch-leninistischer Auffassung muss der Kapitalismus bekämpft werden. Das höchste Stadium des Kapitalismus sah Lenin im sog. Imperialismus. Demnach trachte der Kapitalismus in ausbeuterischer Weise danach, seinen Machtund Einflussbereich auf andere Staaten auszudehnen, was zwangs208 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 läufig zu Kriegen führt. Dem Kapitalismus müsse also eine neue Gesellschaft folgen: der Sozialismus. Den Sozialismus sah Lenin wiederum als Vorstufe des Kommunismus. Der Marxismus-Leninismus führt zwangsläufig zu einer revolutionären Umwälzung. Allerdings verfügt die Arbeiterklasse nach Lenin nicht über das notwendige politisch-revolutionäre Bewusstsein. Dieses müsse durch eine Kaderpartei aus Berufsrevolutionären (Avantgardeanspruch der kommunistischen Partei) vermittelt werden. In dieser Partei sind gemäß dem Grundsatz des "demokratischen Zentralismus" keine abweichenden Meinungen zu Parteibeschlüssen durch Fraktionen oder innerparteiliche Strömungen erlaubt. Für marxistisch-leninistische Kaderparteien wie die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) spielt der Marxismus-Leninismus eine große, für offen extremistische Strukturen innerhalb der Partei "DIE LINKE." zumindest eine prägende Rolle. Stalinismus Stalinismus ist Josef W. Stalins (1878-1953) theoretische Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus zum diktatorischbürokratischen Herrschaftssystem der Sowjetunion. Entgegen der marxistischen Annahme, dass zum Sieg des Proletariats über das Bürgertum ("Bourgeoisie") eine gemeinsame Revolution der Proletarier aller Länder notwendig sei, ging Stalin davon aus, dass der Sozialismus unter der Führung der Sowjetunion vorbildhaft zuerst dort realisiert werden müsse. Mit dem von Stalin betriebenen Aufund Umbau der Sowjetunion zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung wurden u. a. die "stalinistischen Säuberungen" legitimiert, denen Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. In Deutschland berufen sich die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) und der "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) auch auf die Ideen Stalins. Trotzkismus Das auf Leo Trotzki (1879-1940) zurückgehende Modell des Sozialismus ist keine in sich geschlossene eigenständige Lehre, sondern eine Abwandlung des Marxismus-Leninismus. Sie entstand vor allem aus der Opposition von Trotzki zu Stalin. Wesentliche Elemente sind die Theorie der "permanenten Revolution", der Glaube an die Weltrevolution (im Unterschied zu Stalins "Sozialismus in einem Land"), das Ziel der Errichtung einer "Diktatur des Proletariats" in Form einer Rätedemokratie und das Festhalten am "proletarischen Internationalismus". > Inhaltsverzeichnis 209 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Die charakteristische Strategie trotzkistischer Vereinigungen ist der Entrismus, d. h., sie versuchen, gezielt in andere Organisationen einzudringen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. So findet ihre eigene Ideologie Verbreitung über die unterwanderte Organisation. Maoismus Unter der Führung von Mao Tse-tung (1893-1976) wurde in China nach dem kommunistischen Sieg 1949 der Marxismus-Leninismus in einer von Sowjetrussland abweichenden Weise interpretiert und als kommunistische Ideologie weiterentwickelt. Der Maoismus sieht in China die ländliche Bevölkerung und nicht die städtische Arbeiterschaft als Träger des politischen Umsturzes. Die Weltrevolution sollte in einem Land der Dritten Welt durch einen Guerillakrieg bäuerlicher Partisanen ausgelöst werden. In einer Serie politischer Kampagnen ("Kulturrevolution") versuchte Mao Tse-tung, die chinesische Gesellschaft zu den revolutionären Zielen der Partei zu erziehen. Der ideologische Terror und die damit verbundenen "Säuberungsaktionen" forderten Millionen Tote. Die Ideen Maos waren Vorbild für große Teile der 1968erBewegung, vor allem der in Westeuropa entstandenen "Neuen Linken" (sog. K-Gruppen). Heute bekennt sich lediglich die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) öffentlich zu Mao Tse-tung. 4. LINKSEXTREMISTISCHE THEMENFELDER Um ihre politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen durchzusetzen, engagieren sich Linksextremisten in verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Themenfeldern. Im Linksextremismus stehen antifaschistische Aktivitäten im Vordergrund. Neben der Bekämpfung des Rechtsextremismus nutzen Linksextremisten auch andere gesellschaftliche Reizthemen, um innerhalb bürgerlich-demokratischer Protestbewegungen neue Anhänger zu finden. Dabei greifen sie häufig sozialpolitische Themen auf und deuten diese im Sinne ihres eigenen linksextremistischen Verständnisses um. 210 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Typische Aktionsfelder der Linksextremisten sind: - Antikapitalismus - Antifaschismus - Antirepression - Antigentrifizierung - Antimilitarismus - Antiimperialismus - Antiglobalisierung - Antiatomkraft. Die wichtigsten waren im Jahr 2017 Antikapitalismus, Antifaschismus, Antirepression, Antigentrifizierung und Antimilitarismus. Antikapitalismus Linksextremistischer Antikapitalismus will im Gegensatz zur Kapitalismuskritik nicht nur Defizite am Wirtschaftssystem benennen und Reformvorschläge entwickeln, sondern mit dem Wirtschaftssystem auch Staat und Gesellschaft vollständig umwälzen. "Kapitalismus" und "kapitalistische Systeme" sind nach linksextremistischer Auffassung die wesentlichen Ursachen für Faschismus, Rechtsextremismus, Imperialismus und Krieg. Für Linksextremisten stellt "Kapitalismus" somit nicht nur eine bloße Wirtschaftsordnung dar, vielmehr wird er gleichgesetzt mit der Gesamtheit staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen in einer parlamentarischen Demokratie. Ob anarchistisch oder kommunistisch: Linksextremistischer Antikapitalismus hat aufgrund dieser Grundannahmen immer die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie als sogenannte "bürgerliche Herrschaftsform" zum Ziel. Antifaschismus und Antirassismus Linksextremisten nutzen den breiten gesellschaftlichen Konsens gegen den Rechtsextremismus für ihre politischen Ziele, die weit über die Bekämpfung des Rechtsextremismus hinausAblehnung der reichen. Antifaschismus im linksextremistischen Sinn beinhaltet parlamentarischen auch die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Demokratie Ursprünglich bezog sich der Begriff Antifaschismus auf die inneritalienische Opposition gegen die Herrschaft Mussolinis. Die Wurzeln des deutschen Antifaschismus liegen im Widerstand gegen die Diktatur des Dritten Reichs. Neben dem bürgerlichliberal geprägten Antifaschismus, der für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintrat, entwickelte sich ein kommunistisch orientierter, als linksextremistisch einzustufender Antifaschismus. Der linksextremistische Antifaschismus wertet alle nicht marxistischen Systeme als > Inhaltsverzeichnis 211 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus potenziell faschistisch oder als eine Vorstufe zum Faschismus. Linksextremisten sehen also die eigentliche Ursache von Faschismus, Rassismus und Rechtsextremismus in einer bürgerlichen Gesellschaftsordnung, die auf Kapitalismus, Parlamentarismus und Rechtsstaatsprinzipien aufbaut. Der Antirassismus, der insbesondere im Zusammenhang mit der Asylthematik einen linksextremistischen Agitationsschwerpunkt bildet, steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Antifaschismus und dem Antikapitalismus. Linksextremisten sehen marktwirtschaftlich verfasste Staaten als Systeme, die zwangsläufig Rassismus hervorrufen und legitimieren. Gewaltorientierte linksextremistische Autonome nutzen den Antifaschismus seit Jahren zur Mobilisierung ihrer Anhänger und zur Legitimierung ihrer militanten Aktionen gegen Staat und Polizei mit dem Argument, diese schützten Rechtsextremisten. Dabei suchen Autonome auch den Schulterschluss mit demokratischen Bündnissen und Initiativen. Linksextremistische Parteien und Organisationen streben über eine gezielte Einflussnahme die Übernahme von Leitungsund Steuerungsfunktionen in antifaschistischen Initiativen an. Der Kampf gegen Hitler und die Verfolgung von Kommunisten zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus dienen aus der kommunistischen Bewegung entstandenen Organisationen als Legitimation für ihren Führungsanspruch im antifaschistischen Spektrum. Antifaschismus ist nicht generell linksextremistisch. Es kommt vielmehr darauf an, was die jeweiligen Antifaschisten konkret unter "Faschismus" verstehen und welche Forderungen sich aus ihrem Selbstverständnis als "Antifaschisten" ergeben. Die zentrale Frage dabei lautet: Richtet sich die Ablehnung nur gegen Rechtsextremismus, oder richtet sich die Ablehnung gegen die Normen und Regeln eines demokratischen Verfassungsstaats? Antirepression Mit dem Begriff der "Repression" versuchen Autonome, jegliche Form rechtsstaatlichen Handelns, wie z. B. die Durchsetzung geltender Gesetze, zu diskreditieren. Dies gilt insbesondere für die staatliche Überwachung und Strafverfolgung linksextremistischer Aktionen. So lehnen Autonome polizeiliche Maßnahmen gegen linksextremistische Gewalttäter ab und versuchen, mit Solidaritätskampagnen eine breite Öffentlichkeit in ihrem Sinne gegen rechtsstaatliches Handeln zu beeinflussen. Gleichzeitig mobilisieren sie damit die linksextremistische Szene und rechtfertigen ihr militantes Vorgehen. 212 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Antigentrifizierung Mit dem Thema Antigentrifizierung versuchen Linksextremisten, ihre eigenen Interessen in eine aktuelle stadtund gesellschaftspolitische Diskussion einzubetten und damit in größere Bevölkerungskreise hinein politisch anschlussfähig zu werden. Der Begriff "Gentrifizierung" kommt ursprünglich aus der Stadtsoziologie und bezeichnet soziale Umstrukturierungsprozesse in Stadtteilen, die zu steigenden Mieten und einer Verdrängung der bisherigen Bewohner führen. Viele Bewohner von Großstädten beschäftigt dieses Thema. Es bilden sich Initiativen, die in aller Regel von demokratischen Kräften getragen werden. Linksextremisten versuchen, sich diesen Initiativen anzuschließen beziehungsweise im gleichen Themenfeld eigene Aktionen zu entwickeln, um damit ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu steigern und sich als sozialpolitische Akteure zu profilieren. Autonome Linksextremisten entwickeln im Zusammenhang mit dem Themenfeld Antigentrifizierung auch gewalttätige Aktivitäten: Insbesondere Immobilienmakler werden von ihnen als Mitverantwortliche für die "Gentrifizierung" und damit als Feindbild wahrgenommen. Büros und Fuhrpark von Immobilienfirmen sind immer wieder Ziel militanter Attacken aus der linksextremistischen Szene. In München starteten Linksextremisten eine Antigentrifizierungskampagne, indem sie unter dem Motto "Für Lau Haus" zur Besetzung leer stehender Häuser aufriefen. Die Aktionen zielten vorrangig auf Öffentlichkeitswirksamkeit ab, eine tatsächliche, länger anhaltende Besetzung fand nicht statt. Antimilitarismus Antimilitarismus hat in der linksextremistischen Szene insbesondere durch vermehrte Auslandseinsätze der Bundeswehr wieder an Bedeutung gewonnen. Nach der Militarismus-Theorie von Karl Liebknecht dient das Militär dazu, kapitalistische Expansionsbestrebungen gegenüber anderen Staaten durchzusetzen und im eigenen Land den Kapitalismus und dessen "Ausbeutungsstrukturen" zu stabilisieren. Dieses Gedankengut lebt in der linksextremistischen Szene weiter. Linksextremisten sind daher immer wieder auch in pazifistischen Initiativen und Bündnissen aktiv, um dort ihre Ideologie zu verbreiten. Im Gegensatz zum Pazifismus geht es Linksextremisten nicht nur um die Abschaffung des Militärs, sondern darüber hinaus um die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie. Prägendes Ereignis der linksextremistischen Aktivitäten zum Thema Antimilitarismus waren auch im Jahr 2017 die Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. > Inhaltsverzeichnis 213 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus 5. INTERNET UND MUSIK 5.1 Linksextremisten im Internet Linksextremisten passen ihr Nutzungsverhalten den technischen Neuerungen im Internet an. Der Großteil der Aktivitäten verlagert sich in soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter, in denen auch eine Vielzahl von teilweise verschlüsselten Kommunikationsbeziehungen über Foren, Blogs und Chats existiert. Dabei können geschlossene Gruppen neue Mitglieder eingehend überprüfen. Die Teilnehmer fühlen sich verhältnismäßig sicher und kommunizieren weit "offener" als in öffentlich zugänglichen und für jedermann einsehbaren Bereichen. Die Nutzer agieren häufig auf mehreren Kanälen gleichzeitig. Multimediale Anwendungen nehmen zu, dies gilt insbesondere für sog. Apps. Um sich während Großveranstaltungen flexibel und schnell auszutauschen, nutzen Linksextremisten über ihre mobilen Endgeräte u. a. Kurzmitteilungsdienste wie Twitter. Eigens eingesetzte "Moderatoren" steuern dabei die Demonstranten. Über animierte Landkartendienste halten sie die eigene Demonstrationsroute sowie gegebenenfalls auch die des politischen Gegners abrufbar. Videoplattformen dienen der Verbreitung und dem Konsum von Propaganda. Dabei sind die meisten Nutzer passive Konsumenten. Sie stellen selbst keine Videos ein, verfolgen jedoch über Abonnements die für sie interessanten Kanäle. Häufig werden YouTube-Videos auf Facebook-Profile verlinkt und somit weiterverbreitet. In "Mobivideos" (Mobilisierungsvideos), vor allem auf YouTube, zeigen Linksextremisten erfolgreiche Aktionen und fordern mit szenetypischer Musik zum Mitmachen auf. Dabei wird auch die Anwendung von Gewalt propagiert. Im Internet sorgen linksextremistische Gruppierungen auch für sog. Outings tatsächlicher oder vermeintlicher Rechtsextremisten. Sie machen dazu teilweise umfangreiche Recherchen mit Bildmaterial und persönlichen Daten zugänglich. Vereinzelt ergänzen sie die Outings mit Aktionen im Arbeitsoder Wohnumfeld des Betroffenen, um diesen gesellschaftlich zu isolieren. Außerdem ist von einer Zunahme von Hacker-Angriffen auf Internetseiten des politischen Gegners auszugehen. Verbot von Der Bundesminister des Innern verbot am 14. August die In"linksunten.indymedia" ternetplattform "linksunten.indymedia" nach dem Vereinsgesetz. "linksunten.indymedia" war bis zum Verbot die führende 214 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Website der gewaltbereiten linksextremistischen Szene. Dort wurden Demonstrationen angekündigt und Bekennerschreiben zu linksextremistischen Straftaten veröffentlicht. Die Seite lief damit nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider und richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die Kennzeichen des Vereins wurden ebenfalls verboten. In Bayern kam es im Zusammenhang mit dem Verbot nur zu verhaltenen Reaktionen. So veröffentlichte die "Organisierte Autonomie" (OA) aus Nürnberg auf ihrer Internetseite eine Solidaritätserklärung. 5.2 Linksextremistische Musik Im Linksextremismus hat sich eine Hass-Musikszene etabliert, Hass-Musik in der die Demokratie verächtlich gemacht sowie zur Selbstjustiz und zur Gewalt aufgerufen wird. Hass-Musik mit linksextremistischen Bezügen kann man an keinem Musikstil festmachen, die Stilrichtungen bewegen sich von aggressivem Punk über Ska bis hin zu Reggae oder Hip-Hop. Häufig wird Musik im Rahmen der Vorbereitungen bzw. im Verlauf größerer Demonstrationen eingesetzt. Musikunterlegte "Mobilisierungsvideos" im Internet transportieren ideologische Positionen und sprechen damit vor allem jüngere Menschen an. Am 13. Oktober trat die linksextremistische Band "Dr. Ulrich Undeutsch" in einem Szenetreff in Nürnberg auf. In ihren Liedtexten vertritt die Gruppe ausdrücklich Positionen der autonomen Szene, wobei immer wieder die Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats zum Ausdruck kommt. So wird dort die Bundesrepublik Deutschland mit der nationalsozialistischen Diktatur gleichgesetzt. Aus Sicht der Interpreten ist deshalb deren Bekämpfung - auch mit Gewalt - legitim. So heißt es beispielsweise im Song "Staatsgewalt": Doch wir können auch anders [...] wir werden euch jagen [...] wenn sich die Faust erhebt, werden wir euch prügeln bis keiner von euch steht Die Band propagiert nicht nur Gewalt, insbesondere gegen Polizeibeamte, sondern ruft auch Dritte explizit zu gewalttätigen Handlungen, auch unter Einsatz von Waffen, gegen Andersdenkende auf. Im Lied "Aufruf" appelliert die Gruppe: > Inhaltsverzeichnis 215 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus wo sind eure Geistesblitze die des Staates Ordnung schlitzen Nun steh doch endlich auf nimm Unbequemlichkeit in Kauf schmeiß das Kriegsspiel in den Schrank und nimm selbst Waffen in die Hand Und erheb sie gegen die, die dich stetig gängeln die dich andauernd in die Ecke drängen sind es Nazis. ist's die Politik Auch als Einnahmequelle ist die Musik für Linksextremisten von erheblicher Bedeutung. Die erwirtschafteten Gelder dienen dazu, die eigenen Aktivitäten oder die Verteidigung von Szeneangehörigen in Strafprozessen zu finanzieren. Ein Beispiel für eine bayerische linksextremistische Band, die auch außerhalb Bayerns auftritt, ist "Kurzer Prozess" aus Nürnberg. Sie propagiert Gewalt als ein legitimes Mittel u. a. im Kampf gegen Rechtsextremisten, aber auch im Bereich des Antimilitarismus. Beispielsweise heißt es in einem ihrer Lieder: (...) Sabotage, Sitzblockaden - es gibt kein ruhiges Hinterland! Ihr feiert 60 Jahre?! Ja, dann feiern wir den Widerstand! 6. LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN 6.1 Offen extremistische Strukturen in der Partei DIE LINKE. Innerhalb der Partei "DIE LINKE." gibt es mehrere offen extremistische Strukturen, die auf eine Überwindung der freiheitlichen Staatsund Gesellschaftsordnung abzielen. Sie stellen teilweise die parlamentarische Demokratie infrage, sprechen der rechtsstaatlichen Ordnung die Legitimation ab oder unterhalten Kontakte zu gewaltorientierten Autonomen. Diese offen extremistischen Untergliederungen versuchen, auf die Partei "DIE LINKE." Einfluss zu nehmen. 216 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 In Bayern sind folgende Strukturen präsent und aktiv: 6.1.1 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF) Die KPF ist nach wie vor der größte offen extremistische Zusammenschluss innerhalb der Partei "DIE LINKE.". Sie definiert sich in ihrer Satzung als ein "bundesweiter Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei DIE LINKE." und hält weiterhin an marxistisch-leninistischen Positionen fest. Angestrebt wird die Überwindung des Kapitalismus als Gesellschaftssystem mit dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaft. Auf ihrer Bundeskonferenz am 2. Mai 2015 bekräftigte die KPF ihr kommunistisches Selbstverständnis und verharmloste die Verbrechen des DDR-Regimes: Die KPF wird alles in ihren Kräften Stehende tun, der Flut des Antikommunismus Würde im Umgang mit unserer Geschichte entgegenzusetzen. (...) Aber wieviel mehr zählten die existentiellen, realen Vorteile einer Gesellschaftsordnung, die nicht mehr vom Profitstreben dominiert war. Darüber kann auch das demagogisch-dumme Gequatsche über den 'Unrechtsstaat DDR' nicht hinwegtäuschen. In ihrer Satzung bekennt sich die KPF zum Internationalismus und wirbt für ein "breites Bündnis mit kommunistischen Parteien, Gruppen und Zusammenschlüssen sowie anderen linken Kräften". Besonderen Stellenwert nimmt für die KPF die "Solidarität mit dem sozialistischen Kuba" ein. Die KPF arbeitet mit inländischen Linksextremisten und anderen offen extremistischen Zusammenschlüssen in der Partei "DIE LINKE." zusammen. Die KPF kündigte die Verstärkung ihrer Aktivitäten zur Gewinnung neuer Mitglieder an. 6.1.2 Antikapitalistische Linke (AKL) Am 9. November 2013 gab sich die AKL nach ihrer offiziellen Anerkennung durch die Partei "DIE LINKE." einen neuen "Grundlagentext zum politischen Selbstverständnis". Darin wendet sich die AKL gegen einen "regierungsund parlamentsfixierten 'Pragmatismus' in der LINKEN" und setzt dem "ein antikapitalistisches Programm mit sozialistischem Ziel" entgegen. > Inhaltsverzeichnis 217 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Die AKL glaubt, dass auch "mit autonomen und selbst organisierten Strukturen (...) eine politische Oppositionskraft erwachsen kann und muss, für die Programm und Partei der LINKEN dann eine Heimat sein könnten". Der Zusammenschluss sieht somit die Möglichkeit der Einbindung auch von autonomen bzw. gewaltorientierten Personen in die Partei. Die AKL befürwortet einen "neuen sozialistischen Internationalismus" sowie die Solidarität mit dem kubanischen Regime. Neben der Zusammenarbeit mit anderen offen extremistischen Zusammenschlüssen in der Partei "DIE LINKE." gibt es auch personelle Verflechtungen mit der trotzkistischen "Sozialistische Alternative" (SAV). Die AKL Bayern ist mit einer Facebook-Seite aktiv. 6.1.3 Linksjugend ['solid] Landesverband Bayern Die Mitglieder der 1999 gegründeten "Linksjugend ['solid]" bezeichnen sich in ihrem Programm selbst als "SozialistInnen, KommunistInnen, AnarchistInnen". Sie beziehen sich darin unter anderem "positiv auf die emanzipatorischen Traditionen des Kommunismus". Das Programm sieht die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln vor, befürwortet werden jegliche Projekte jenseits des Kapitalismus. Die "Linksjugend ['solid]" solidarisiert sich mit dem kommunistischen System in Kuba und fordert die Aufhebung aller Blockaden und Sanktionen. Von 19. bis 21. Mai rief die "Linksjugend ['solid]" Bamberg zu einem "Direct-Action-Seminar" auf. Als Referent war ein Vertreter der linksextremistischen "Projektwerkstatt Saasen" (Hessen) eingeladen. Im Internet kündigte die "Linksjugend ['solid]" einen Vortrag der "Roten Hilfe" über "Kreative Antirepression und subversiven Rechtsgebrauch" an. Ziel des Wochenendes war es, eine "möglichst breite Auswahl an kreativen, direkten Aktionsformen und Möglichkeiten zu vermitteln", um auf Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen aktiv werden zu können. Der Bundeskongress fand vom 21. bis 23. April in Leipzig statt. Gleichzeitig feierte die Linksjugend ihr zehnjähriges Bestehen. Der Landesverband verfügt in Bayern über Ortsgruppen in Amberg, Ansbach, Augsburg, Bamberg, Eichstätt, Forchheim, Gunzenhausen, Ingolstadt, München, Neuburg a. d. Donau, Nürnberg, Passau, Regensburg, Schwabach-Roth, Weiden, Weißenburg und Würzburg. Neu gegründet wurde zudem eine Ortsgruppe im Allgäu. 218 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 6.1.4 DIE LINKE. Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband (DIE LINKE.SDS) Landesverband Bayern Der 2007 gegründete Studierendenverband "DIE LINKE.SDS" ist laut Statut eine "Arbeitsgemeinschaft mit Sonderstatus der Linksjugend ['solid] mit eigener Mitgliedschaft und Organisation". "DIE LINKE.SDS" orientiert sich ideologisch an der Lehre von Marx und plädiert in ihrem Selbstverständnis für Außerparlamentarismus, Systemüberwindung und die Zusammenarbeit mit anderen Linksextremisten. Der Landesverband Bayern von "DIE LINKE.SDS" wurde am 30. Januar 2010 in Regensburg gegründet und verfügt über Ortsgruppen in Augsburg, Bamberg, Coburg, Eichstätt, Erlangen-Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg beteiligte sich "DIE LINKE.SDS" an der Mobilisierung für die Protestaktionen. 6.1.5 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) Die 1991 gegründete, bundesweit tätige "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si" gliedert sich in Regionalgruppen in 13 Bundesländern. Politische und materielle Solidarität mit dem sozialistischen Kuba sind Grundanliegen und wesentlicher Inhalt der Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft (AG). Die AG in der Partei "DIE LINKE." pflegt in besonderer Weise den kommunistischen Internationalismus und unterhält Kontakte zu zahlreichen kubanischen Organisationen und Einrichtungen, u. a. zur "Kommunistischen Partei Kubas" (PCC) sowie zum "Kommunistischen Jugendverband Kubas" (UJC). Im März wurde in München eine bayerische Regionalgruppe von "Cuba Si" gegründet. Diese betreibt eine Facebook-Seite, auf der das sozialistische Kuba unkritisch glorifiziert wird. So heißt es dort beispielsweise: Jugendliche der Hauptstadt bekräftigten am Dienstag ihre Unterstützung zur Revolution und und ihre Überzeugung, Kubas Souveränität auf immer zu verteidigen. (Fehler im Original) > Inhaltsverzeichnis 219 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus 6.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Umfeld 6.2.1 DKP Deutschland Bayern Mitglieder 3.000 340 Vorsitzender Patrik Köbele Gründung 26.09.1968 Sitz Essen Nürnberg und München Publikationen Unsere Zeit (UZ) Rundbrief; Auf Draht Marxistische Blätter Die DKP ist eine kommunistische Partei, die sich in einer Linie mit der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) sieht. Sie bekennt sich zum Marxismus-Leninismus und hat laut Parteiprogramm die Einführung des "Sozialismus/Kommunismus" zum Ziel. Die bundesweit organisierte Partei war bis 1989/90 von der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) abhängig. Dem Bundesverband sind Bezirksorganisationen nachgeordnet, die weiter in Kreisund Grundorganisationen oder auch Betriebsgruppen untergliedert sind. In Bayern existieren zwei Bezirksorganisationen (Nordund Südbayern). Seit 2009 gibt es in der DKP einen Richtungsstreit darüber, wie die Partei mehr politischen Einfluss gewinnen kann. Ein Flügel der Partei spricht sich für eine Öffnung hin zu anderen gesellschaftlichen Gruppierungen aus. Der andere Flügel votiert für die Rückkehr zur unverfälschten Lehre des Marxismus-Leninismus mit der DKP als alleiniger Avantgarde der Arbeiterklasse. Auf dem 21. Parteitag der DKP, der vom 14. bis 15. November 2015 in Frankfurt am Main stattfand, wurde die alte Führungsspitze der DKP größtenteils wiedergewählt. Damit haben sich die Kräfte, die für eine Rückkehr zur unverfälschten Lehre des Marxismus-Leninismus plädieren, auf Bundesebene durchgesetzt. Im Zusammenhang mit dem Richtungsstreit der DKP ist in Bayern keine geschlossene Positionierung erkennbar. Der Bezirksvorstand Südbayern plädierte für eine stärkere Öffnung der Partei. Dagegen vertritt das sog. "Betriebsaktiv München", die Sammelbetriebsgruppe der DKP München, einen traditionell-dogmatischen Kommunismus. Der Parteivorstand for220 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 derte immer wieder den Bezirksvorstand Südbayern auf, zur Beschlussverbindlichkeit zurückzukehren. Nach traditionell-kommunistischen Vorstellungen ist eine innerparteiliche Opposition undenkbar, da die Parteiführung durch die konsequente Anwendung des Marxismus-Leninismus die höchste Stufe des wissenschaftlichen Sozialismus repräsentiere. Im Zusammenhang mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kritisierte der Bezirksvorstand Südbayern die Kandidatur der DKP, die dazu geführt habe, dass die Partei "DIE LINKE." ganz knapp den Einzug in das Landesparlament verpasst habe. Bereits am 22. Juli hatte der Bezirksvorstand Südbayern beschlossen, die Kandidatur der DKP zur Bundestagswahl 2017 nicht zu unterstützen. Stattdessen rief er zur Wahl der Partei "DIE LINKE." auf. Die Auseinandersetzung führte schließlich zum Beschluss des Parteivorstandes auf seiner Sitzung am 17./18. Juni, die BeAuflösung der zirksorganisation Südbayern aufzulösen. Diesem AuflösungsbeBezirksorganisation schluss widersetzte sich der Bezirksvorstand Südbayern erfolgSüdbayern los. Zahlreiche Mitglieder traten aus. Der Kreisverband München löste sich auf und konstituierte sich neu. Bei der Bundestagswahl erreichte die DKP in Bayern nur 1.213 Zweitstimmen, das entsprach einem Stimmenanteil von 0,0 Prozent (Ergebnis bundesweit: 0,0 Prozent). In Bayern hatte die DKP keine Direktkandidaten aufgestellt. Nur Pateiuntergliederungen, die die Linie des Parteivorstandes unterstützten, betrieben vereinzelt Wahlkampf. 6.2.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Deutschland Bayern Mitglieder 750 110 Vorsitzender Kollektiver Bundesvorstand Gründung 04./05.05.1968 Sitz Essen Nürnberg und München Publikationen POSITION KONTRA! StrikeBack! Die SDAJ ist nach ihrer Selbstdarstellung eine "bundesweite Organisation von Jugendlichen, die sich mit den Zuständen in Schulen, Betrieben, in dieser Republik und der 'Neuen Weltordnung' nicht abfinden" will. Sie ist marxistisch-leninistisch ausgerichtet: > Inhaltsverzeichnis 221 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Alle unsere Forderungen richten sich gegen die Herrschenden in dieser Gesellschaft, gegen die Kapitalisten. Verwirklichen können wir sie nur in einer Gesellschaft ohne Kapitalisten - im Sozialismus. Die SDAJ als ehemalige DKP-Jugendorganisation ist eine eigenständige Organisation. Sie ist aber weiterhin eng mit der DKP verbunden. Gewalt in der politischen Auseinandersetzung schließt die SDAJ nicht aus. Das wird in ihrer "Grundlagenschule" deutlich, die die SDAJ München im Internet verbreitet hat: Als Faustregel kann gelten, dass die legalen Kampfformen voll ausgenutzt werden sollten, gleichzeitig aber auch die Vorbereitung auf die Anwendung illegaler Kampfformen stattfinden sollte. In Bayern existieren Ortsgruppen der SDAJ in Augsburg, München und Nürnberg. Das von der SDAJ organisierte "Festival der Jugend" wurde in diesem Jahr vom 2.-5. Juni in Köln veranstaltet und stand unter dem Motto "Zeit für Widerstand!". Ortsgruppen aus Bayern beteiligten sich an der Veranstaltung, an der 2.000 Linksextremisten teilnahmen. Im Programm wurde u. a. ein Demotraining "make protest great again" angeboten, das mit praktischen Übungen begleitet wurde. 6.2.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Bayern Mitglieder 700 Vorsitzende Dr. Axel Holz Cornelia Kerth Gründung 15.-17.03.1947 Sitz Berlin (Bundesgeschäftsstelle) Publikationen antifa 222 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die VVN-BdA ist die bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus. Sie arbeitet mit offen linksextremistischen Kräften zusammen. In der VVN-BdA wird nach wie vor ein kommunistisch orientierter Antifaschismus verfolgt. Diese Form des Antifaschismus dient nicht nur dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. Vielmehr werden alle nicht marxistischen Systeme - also auch die parlamentarische Demokratie - als potenziell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus betrachtet, die es zu bekämpfen gilt. In der Sozialistischen Wochenzeitung der DKP "unsere zeit" (uz) wurde am 31. März ein anlässlich des 70-jährigen Bestehens der VVN-BdA entstandener Artikel des Bundessprechers der VVN-BdA, Ulrich Sander, mit dem Titel "Das 'Nie wieder Krieg' bleibt aktuell" veröffentlicht. Darin unterstellt Sander, dass von Deutschland eine Kriegsgefahr ausgehen würde: In dieser Situation ist von breitesten Bündnissen der Blick auf unsere deutsche Verantwortung vor der Geschichte zu richten: Abrüstung und kein Krieg von deutschem Boden aus, kein Ramstein, kein Kalkar, keine Speerspitze im Münsterland. Zutreffend die VVN-BdA-Losung mit Blick auf den Hauptfeind im eigenen Land: 'Deutsche Großmachtträume platzen lassen'. Damit bezieht sich Sander auf eine Schrift von Karl Liebknecht, wonach die Hauptgefahr für den Frieden vom deutschen Militarismus ausgehe, weshalb der Hauptfeind im eigenen Land stehe. Die Veröffentlichung des Artikels der VVN-BdA in der Zeitung "uz" verdeutlicht die Akzeptanz und ideologische Nähe der VVN-BdA zur DKP. Die bayerische Landesvereinigung der VVN-BdA hat gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht 2010 den Rechtsweg beschritten. Die Klage wurde auf die Jahre 2011, 2012 und 2013 erweitert. Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die Klage der VVN-BdA-Landesvereinigung Bayern im Oktober 2014 ab. Der Landesverband hat im Mai 2015 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, über den noch nicht entschieden ist. > Inhaltsverzeichnis 223 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus 6.3 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Deutschland Bayern Mitglieder 1.800 120 (mit REBELL) Vorsitzende Gabi Fechtner Gründung 1982 Sitz Gelsenkirchen Nürnberg Publikationen Rote Fahne (Zentralorgan); REVOLUTIONÄRER WEG (Theorieorgan); REBELL (Jugendmagazin); Galileo - streitbare Wissenschaft (Zeitung der MLPD-Hochschulgruppen) Die zentralistisch geführte MLPD ist eine kommunistische Kaderpartei, die Sozialismus im Sinn des Stalinismus und des Maoismus anstrebt. Ihr grundlegendes Ziel ist "der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Im linksextremistischen Spektrum ist die MLPD aufgrund ihres dogmatischen Kommunismusverständnisses weitgehend isoliert. Courage e. V. Mit dem "Frauenverband Courage e. V." sowie mit Freizeitange"REBELL" boten ihrer Jugendorganisation "REBELL" und ihrer Kinderorga"ROTFÜCHSE" nisation "ROTFÜCHSE" versucht die MLPD, Frauen, Jugendliche und Kinder an sich zu binden. Im Umfeld der Berufsschule in Aschaffenburg verteilten MLPD-Mitglieder am 29. April Flyer an Schüler. In Truckenthal/Thüringen veranstalteten "REBELL" und die Kinderorganisation "ROTFÜCHSE" vom 22. Juli bis 12. August erneut ein sog. Sommercamp mit 380 Teilnehmern. Im Camp sollen junge Menschen an ein antidemokratisches, revolutionär-kommunistisches Politikverständnis herangeführt werden. Dabei wird Freizeiterlebnis mit politisch-ideologischer Unterweisung verknüpft. Dies steht in direktem Gegensatz zum demokratischen Erziehungsideal, der Erziehung zu freier Willensbildung und selbstbestimmtem Leben. Wechsel im ParteiAm 1. April übernahm Gabi Fechtner den Parteivorsitz von Stevorsitz fan Engel. Engel hatte den Parteivorsitz seit Gründung der MLPD inne. 224 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Bei der Bundestagswahl trat die MLPD im Rahmen eines "Internationalistischen Bündnisses" an und engagierte sich im Wahlkampf mit verschiedenen Aktionsformen und einer intensiven Plakatwerbung bundesweit. In Bayern startete die Partei unter anderem Solidaritätsaktionen für Angehörige der extremistischen "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML), dabei trat auch die Internationalismus-Verantwortliche der MLPD, Monika Gärtner-Engel, als Rednerin auf. Mit diesem Vorgehen gelang es der MLPD zwar, einige Wähler zu gewinnen, prozentual bleibt sie auf Bundesund Landesebene aber weiterhin völlig unbedeutend (jeweils 0,0 Prozent). Die Zusammenarbeit der MLPD mit der TKP/ML zeigt, dass ihre Aufrufe zur Revolution nicht nur rhetorische Floskeln darstellen. Personen, die Gewalt für die Durchsetzung des Sozialismus anwenden und dafür ins Gefängnis kommen, sind für die Partei Vorbilder. Zur Unterstützung von zehn Angehörigen der TKP/ML, die sich vor dem Oberlandesgericht München wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten mussten, veranstaltete die MLPD am 15. September in München eine Solidaritätsdemonstration mit mehr als 200 Teilnehmern. 6.4 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Bayern Mitglieder 80 Gründung 1973 Sitz München Der aus "Arbeiter-Basisgruppen" in München hervorgegangene AB ist eine revolutionär-marxistische Organisation, die die Gründung einer "revolutionären Partei in der Tradition der verbotenen KPD" anstrebt. Sie beruft sich auf den Marxismus-Leninismus und die Ideen von Stalin und Mao Tse-tung. Ziel des AB ist die Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse" und die Errichtung einer "Diktatur des Proletariats". Über Informationsveranstaltungen und Kundgebungen in unmittelbarer Nähe zu Industriebetrieben versucht die Organisation, eine Verbindung zur Arbeiterschaft herzustellen. So demonstrierten Aktivisten des AB insbesondere vor Fertigungsstätten von Kfz-Herstellern. > Inhaltsverzeichnis 225 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Unter dem Motto "Deutscher Oktober 1918-1923 - Revolution statt Krieg" führte der AB von Februar bis Mai Aktionstage durch. Mit Fahrzeugen und einer theatralischen Aufführung rief der AB in Bremen, Hamburg, Dresden, Frankfurt/Main, Köln, Nürnberg, Ingolstadt, Regensburg und München die Arbeiteraufstände nach dem Ersten Weltkrieg in Erinnerung. In München fanden Aufzüge am 12. und 13. April statt. Die 20 bis 30 Aktivisten zogen ganztags durch München, um die Bevölkerung für den Sturz des "kapitalistischen Systems" zu gewinnen. Die antidemokratisch-revolutionäre Zielrichtung der Veranstaltung wurde auch durch die gezeigten Transparente deutlich: - "Polizei - Freund und Helfer aller Reichen muss den Arbeitermilizen weichen" - "Nieder mit der Regierung der kapitalistischen Minderheit - her mit der Mehrheitsregierung". 6.5 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus Das linksextremistisch beeinflusste "Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus" ist ein loser Zusammenschluss von Personen und Organisationen ohne feste Mitgliederstruktur. In ihm sind u. a. Personen aus linksextremistischen Parteien und Gruppierungen wie DKP, SDAJ, MLPD sowie "Antikapitalistische Linke München" (AL-M) aktiv. Maßgebliche Aktivisten des Bündnisses sind Claus Schreer und Walter Listl, die bislang in der Münchner DKP aktiv waren. Im Bündnis beteiligte Linksextremisten beeinflussen die Proteste gegen die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik und versuchen, über das Thema Antimilitarismus demokratische Organisationen und Personen einzubinden. Weiter sinkende Die Proteste gegen die Münchner Konferenz für SicherheitspoTeilnehmerzahlen litik sind in Bayern seit Jahren für die linksextremistische und bei Protesten gegen linksextremistisch beeinflusste Szene die größte Aktion mit dem Sicherheitskonferenz höchsten Mobilisierungsund Teilnehmerpotenzial. Wie in den Vorjahren waren auch 2017 die Kundgebungen in der Münchner Innenstadt durch linksextremistische Parteien und Vereinigungen wie die DKP, die SDAJ und die MLPD sowie Autonome geprägt. An der Großdemonstration am 18. Februar nahmen bis zu 1.900 Personen (2016: etwa 2.500) teil. Rund 200 Personen bildeten in der Demonstration den sogenannten Schwarzen Block (2016: etwa 250), der von der gewaltorientierten Gruppe "An226 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 tikapitalistische Linke München" (AL-M) organisiert wurde. Die autonomen linksextremistischen Gruppierungen "Organisierte Autonomie Nürnberg" (OA), "Revolutionär Organisierte Jugendaktion" (ROJA) Nürnberg und "Revolutionäre Aktion Stuttgart" hatten dafür bereits im Vorfeld ihre Unterstützung bekundet. Zeitgleich mit dem Demonstrationszug veranstaltete das Aktionsbündnis eine "Protestkette" durch die Münchner Fußgängerzone, mit der das Tagungshotel symbolisch "umzingelt" wurde. 6.6 Rote Hilfe e. V. (RH) Deutschland Bayern Mitglieder 8.000 550 Sitz Göttingen verschiedene (BundesgeschäftsOrtsgruppen stelle) u. a. Nürnberg und München Publikationen "DIE ROTE HILFE", vierteljährlich Der Arbeitsschwerpunkt der RH ist die finanzielle und politische Unterstützung von linksextremistischen Strafund Gewalttätern, mit deren ideologischer Zielsetzung sie sich identifiziert. Dabei geht es ihr nicht um eine Resozialisierung von Straftätern, sondern um die Unterstützung gewaltbereiter Linksextremisten in ihrem Kampf gegen das politische System. Als zentrale Publikation veröffentlichte die RH den Leitfaden Leitfaden für "Was tun wenn's brennt!?", Ausgabe 2015/2016, mit "RechtsGewalttäter hilfetipps" in mehreren Sprachen. Darin spiegelt sich ihre enge Verbundenheit mit linksextremistischen Gewalttätern wider: Alle, die sich am Kampf beteiligen, sollen das in dem Bewusstsein tun können, dass sie auch hinterher, wenn sie Strafverfahren bekommen, nicht alleine dastehen. Ist es der wichtigste Zweck der staatlichen Verfolgung, diejenigen, die gemeinsam auf die Straße gegangen sind, durch Herausgreifen Einzelner voneinander zu isolieren und durch exemplarische Strafen Abschreckung zu bewirken, so stellt die Rote Hilfe dem das Prinzip der Solidarität entgegen und ermutigt damit zum Weiterkämpfen. > Inhaltsverzeichnis 227 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Die RH beteiligt sich regelmäßig an linksextremistischen Veranstaltungen, unter anderem an der "Revolutionären 1.-Mai-Demonstration" in Nürnberg. Auch an den Aktionen gegen den G20-Gipfel in Hamburg war die RH beteiligt. Unter dem Motto "Widerstand braucht Solidarität - Gegen den G20-Gipfel in Hamburg" versuchte der Verein, Aktivisten für Proteste zu mobilisieren. Die Ortsgruppe Nürnberg/Fürth/Erlangen lud für den 2. Juni zu einer vorbereitenden Veranstaltung mit der Überschrift "Was tun, wenn es brennt? - G20-Edition" ein. Im Rahmen der Veranstaltung sollten Aktivisten Verhaltensempfehlungen für ihre Rolle in Strafverfahren erhalten. Unter dem Motto "United We Stand!" startete die Organisation im Nachgang zum Gipfel bundesweit eine ausgedehnte Spendenkampagne, um Geld für die Verteidigung linksextremistischer Straftäter zu sammeln. 7. AUTONOME, POSTAUTONOME UND ANARCHISTEN 7.1 Beschreibung / Hintergrund Autonome Autonome sind - überwiegend junge - gewaltorientierte Linksextremisten. Sie bilden den weitaus größten Teil des gewaltorientierten linksextremistischen Personenpotenzials. Zur autonomen Szene zählen bundesweit rund 7.000 Personen, in Bayern etwa 690 Autonome in 690. Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept, Bayern sie folgen vielmehr anarchistischen und anarcho-kommunistischen Vorstellungen. Einig sind sich alle Autonomen in dem Ziel, den Staat und seine Einrichtungen - auch mit Gewalt - zu zerschlagen und eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" zu errichten. Sie rechtfertigen Gewalt als erforderliches Mittel gegen die "strukturelle Gewalt" eines "Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung". Gewalttätige Handlungen verstehen sie als Akt individueller Selbstbefreiung von den Herrschaftsstrukturen. Dazu gehören Brandstiftungen, Sabotage, Hausbesetzungen und militante Aktionen bei Demonstrationen. Autonome versuchen, auch demokratische Protestbewegungen für ihren Kampf gegen den Staat zu mobilisieren. Postautonome In der autonomen Szene wird seit Längerem eine Organisationsund Militanzdebatte geführt. Seit Beginn der 1990er-Jahre wuchs die interne Kritik, die autonome Bewegung sei zu unor228 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 ganisiert, um nachhaltig politische Veränderungen bewirken zu können. Im Zentrum der Debatte steht dabei die Frage, wie eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz für die eigenen autonomen Positionen erreicht werden kann. Infolgedessen sind mehrere sog. postautonome Gruppierungen Interventionistische und Netzwerke entstanden, die die gesellschaftliche Isolation Linke billigt Gewaltder Autonomen durchbrechen wollen. In der Szene besonders anwendung prägend wirkt die "Interventionistische Linke" (IL). Sie war erstmals im Jahr 1999 bei den Protesten gegen die EU-Ratstagung und den Weltwirtschaftsgipfel in Köln aktiv und gründete sich 2005 als informelles bundesweit agierendes Netzwerk. Die IL verfolgt den strategischen Ansatz einer spektrenübergreifenden Mobilisierung unter ihrer Führung. Dabei versucht sie, alle linksextremistischen Strömungen - bis hin zu militanten Autonomen - zu integrieren. Während des G20-Gipfels gab es von der IL zu keiner Zeit eine klare Distanzierung von politischer Gewalt. Dadurch wurde den gewaltorientierten Linksextremisten, die für die massiven Ausschreitungen in Hamburg verantwortlich waren, eine Aktionsplattform geboten. Postautonome versuchen, ein Scharnier zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und gemäßigten Kräften zu bilden. Die Vorsilbe "Post" steht für die Infragestellung einiger grundlegender Merkmale, aber nicht für einen vollständigen Bruch mit dem gewaltorientierten autonomen Politikansatz. Um zwischen linksextremistischen und demokratischen Akteuren zu vermitteln, bedienen sich die Postautonomen des Begriffs des "zivilen Ungehorsams". Vordergründig beteiligen sich Postautonome nicht an gewalttätigen Ausschreitungen, allerdings distanzieren sie sich auch nicht eindeutig vom Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Vereinbarungen über die zulässigen Formen des Protestes sind dabei oft reine Formelkompromisse, die der Auslegung breiten Raum lassen. Gewalttätige Eskalationen sind Teil der eigenen Planung und werden nach einer Risikoabwägung bewusst eingesetzt. Postautonome engagieren sich z. B. in Mieterund Stadtteilinitiativen, in der Flüchtlingshilfe, in antifaschistischen Gruppierungen und in der Antiglobalisierungsbewegung. Im Rahmen dieser Bündnisse wird verstärkt auf die Vermittlung theoretisch-marxistischer Inhalte nach außen geachtet. Der "Antikapitalismus" bildet einen ideologischen Schwerpunkt der IL. Bereits seit einigen Jahren engagiert sich die "Antikapitalistische Linke München" (AL-M) in dem Bündnis "Perspektive Kommunismus", das sich als politische Plattform kommunistischer > Inhaltsverzeichnis 229 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Gruppen begreift und einen "revolutionären Anspruch" vertritt. Das Bündnis beteiligte sich intensiv an der Mobilisierung zu den Protesten gegen den G20-Gipfel. Anarchisten Anarchismus ist eine Sammelbezeichnung für politische Auffassungen und Bestrebungen, die auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen abzielen. Allen anarchistischen Strömungen ist die Forderung gemein, den Staat als Herrschaftsinstitution abschaffen zu wollen - und zwar unabhängig von einer demokratischen oder diktatorischen Ausrichtung. Häufig schließt eine solche Auffassung einen grundsätzlichen Antiinstitutionalismus ein. Anarchisten sehen Bürokratien, Kirchen, Parteien, Parlamente und Vereine als Einrichtungen, die einem freiwilligen Zusammenschluss von emanzipierten und mündigen Menschen entgegenstehen. Diese Ablehnung von Hierarchie und Unterordnung hat zur Folge, dass Anarchisten sich selbst in der Regel nur schlecht organisieren können, lediglich lose strukturierte Gruppierungen bilden und die Gründung einer anarchistischen Partei ablehnen. 7.2 Gruppierungen 7.2.1 Autonome Gruppierungen Organisierte Autonomie (OA) Bayern Gründung ca. 1993 Sitz Nürnberg Publikationen barricada - zeitung für autonome politik und kultur Die OA ist ein Zusammenschluss eigenständiger autonomer Gruppen, der sich als offenes Projekt versteht. Dabei spiegelt der Name den Widerspruch zwischen jeglicher Ablehnung von Strukturen einerseits und dem erforderlichen Mindestmaß an Organisation zur Zielerreichung andererseits wider. In ihrer Selbstdarstellung tritt die OA für eine kommunistische Gesellschaftsordnung ein, die im kontinuierlichen Kampf gegen die herrschende Ordnung erreicht werden soll. Ziel der OA ist es demzufolge, den "Klassenkampf von unten" zu organisieren. 230 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Das von der OA verfolgte linksextremistische Antifaschismusverständnis wird in einer von ihr herausgegebenen Broschüre deutlich: Faschismus ist kein geschichtlicher Betriebsunfall, sondern ein gern genutztes Mittel der herrschenden, kapitalistischen Klasse zur Aufrechterhaltung ihres menschenverachtenden Systems. Die OA nutzt Treffund Veranstaltungsörtlichkeiten im Nürnberger Stadtteil Gostenhof. Zu diesen gehört das "Selbstverwaltete Kommunikationszentrum Nürnberg e. V." (KOMM e. V.), das Anlaufstelle für viele linksextremistische Gruppierungen ist. In Gostenhof veranstaltet die OA auch ihre jährliche "revolutionäre 1.-Mai-Demonstration" und das im Anschluss daran stattfindende "Internationalistische Straßenfest". An dieser Veranstaltung nahmen bis zu 3.000 Personen teil, darunter etwa 250 aus der linksextremistischen autonomen Szene. Neben der OA beteiligten sich u. a. auch Aktivisten der DKP, der SDAJ, von "DIE LINKE.SDS" und "Linksjugend ['solid]". Die OA beteiligte sich auch an den Gegenaktivitäten zum G20-Gipfel in Hamburg. Im Rahmen der Mobilisierung verbreitete sie auch Flugblätter in Nürnberg. Antigentrifizierung und Antifaschismus bildeten weitere Schwerpunkte ihrer politischen Betätigung. Revolutionär Organisierte Jugendaktion (ROJA) Bayern Gründung 2009 Sitz Nürnberg Die ROJA ist eine autonome Jugendorganisation in Nürnberg. In ihrem Selbstverständnis beruft sie sich auf den Marxismus und fordert neben einem konsequenten Antikapitalismus auch Klassenkampf und Revolution. > Inhaltsverzeichnis 231 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Bewusst sind wir auch der Tatsache, dass dieses menschenverachtende System, in dem eine kleine Minderheit sich an dem Elend aller anderer bereichert, nicht ohne den Klassenkampf aller Ausgebeuteten und Unterdrückten - und nicht ihrer StellvertreterInnen - gegen die AusbeuterInnen und UnterdrückerInnen abgeschafft werden kann. Ein zentrales Betätigungsfeld der ROJA ist der Antimilitarismus. Unter Slogans wie "Bundeswehr raus aus den Schulen!" oder "Für die soziale Revolution weltweit!" agitiert die ROJA gegen Informationsveranstaltungen der Bundeswehr. Im Vorfeld des G20-Gipfels lud die Organisation mehrfach zu Mobilisierungsveranstaltungen für die Gegenaktivitäten in Hamburg ein. Aktivisten und Sympathisanten sollten praktische Tipps erhalten, wie sie sich an den Auseinandersetzungen beteiligen können. Im Aufruf zu einer Mobilisierungsveranstaltung am 17. Juni in Nürnberg hieß es: Ab 19 Uhr sind GenossInnen vom G20entern!-Bündnis bei uns zu Besuch und geben einen Einblick in die aktuellsten Entwicklungen rund um die Proteste gegen den diesjährigen G20-Gipfel. Die ROJA beteiligte sich am 27. Mai in Nürnberg an einer Versammlung mit dem Thema "Abschiebepraxis beenden" bzw. an einer Demonstration am 10. Juni in Nürnberg unter dem Motto "Polizeigewalt und Abschiebung an der Berufsschule11". Über das Thema Flüchtlingspolitik versucht die ROJA, Zustimmung in breiteren Bevölkerungsschichten zu finden und insbesondere auch junge Menschen an die Gruppierung heranzuführen. Antifaschistische Linke Fürth (ALF) und Jugendantifa Fürth (JAF) ALF JAF Gründung 2005 2009 Sitz Fürth 232 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Das Antifaschismusverständnis der ALF zielt auf die Überwindung des bestehenden Systems als angebliche Ursache faschistischer Erscheinungsformen ab. Anlassbezogen wirkt die ALF auch in regionalen nicht extremistischen Bündnissen mit. Auf eine Initiative der ALF geht die Gründung der JAF zurück. Durch die JAF werden junge Menschen an die autonome Szene in Fürth herangeführt. Auch die JAF versteht unter Antifaschismus weit mehr als nur einen Kampf gegen Rechtsextremismus. Nach ihrem Verständnis muss Antifaschismus immer auch das Ziel haben, die kapitalistischen Verhältnisse und die bestehende staatliche Ordnung zu überwinden. Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl beteiligte sich die ALF an zahlreichen Protestveranstaltungen gegen den politischen Gegner, u. a. am 9. September an einer von Autonomen organisierten Veranstaltung gegen die AfD unter dem Motto "Soziale Revolution". Es kam dabei zur Blockade einer Straßenbahnlinie, ein Teilnehmer der AfD-Veranstaltung wurde von 20 schwarz gekleideten Personen umringt und beleidigt. Auch die Gegenaktivitäten zum G20-Gipfel in Hamburg unterstützte die ALF. Unter dem Motto "Grenzenlose Solidarität statt G20 - Internationale Großdemonstration Hamburg 8.7.17" unterstützte die Organisation den gemeinsamen Bündnisaufruf, an dem sich weitere linksextremistische Organisationen beteiligten. La Resistance - antifaschistische Jugendgruppe Ingolstadt (LARA) Bayern Gründung 2011 Sitz Ingolstadt Die Autonome Gruppe LARA hat sich Ende 2011 gegründet. Nach eigenen Angaben wurde der französische Begriff "la resistance" als Selbstbezeichnung gewählt, um den Widerstand gegen Missstände zu organisieren und Kritik an den herrschenden Verhältnissen zu äußern. > Inhaltsverzeichnis 233 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus So erklärte die Gruppe: Neues schaffen heißt Widerstand leisten, Widerstand leisten heißt Neues schaffen. Unter Bezugnahme auf die marxistische Ideologie greift die Gruppe auf antikapitalistische Argumentationsmuster des Kommunismus zurück: Für uns verlaufen die Grenzen nicht zwischen Menschen, sondern zwischen den Widersprüchen gesellschaftlicher Besitzverhältnisse. Es kann nicht sein, dass Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, und Andere davon leben. Die Gruppe richtet ihre Agitation u. a. gegen die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD). Im Zusammenhang mit der Asylthematik unterstützte sie im Aktionsfeld Antirassismus das Aktionsbündnis "Fluchtursachen bekämpfen", das überwiegend von linksextremistischen, teils auch autonomen Gruppen getragen wird. "La Resistance" führte zum Antikriegstag am 2. September in Ingolstadt eine Demonstration durch, an der sich rund 80 Personen beteiligten, darunter auch autonome Linksextremisten. anita f. - antifaschistische Gruppe in Regensburg (anita f.) Bayern Gründung 2005 Sitz Regensburg In Regensburg gründete sich 2005 die autonome Gruppe "anita f." In ihrem Selbstverständnis verortet sie sich ideologisch im Kommunismus und bringt zum Ausdruck, dass sie jegliche staatlichen Strukturen ablehnt: 234 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Als undogmatische kommunistische Gruppe streben wir eine herrschaftsfreie, klassenlose und selbstbestimmte Gesellschaftsordnung an. Anlässlich einer Veranstaltung von "PEGIDA-München" am 9. September in Regensburg mobilisierte "anita f." zu einer Gegenkundgebung. Die Mobilisierung erfolgte mit dem Hinweis: "Der Münchner PEGIDA-Ableger will (...) eine Kundgebung abhalten. Dies gilt es so effektiv wie möglich zu stören." "Anita f." unterhält Kontakte zu anderen gewaltbereiten linksextremistischen Strukturen. Autonome Szene Rosenheim In Rosenheim und Umgebung ist eine linksextremistische au"Infogruppe Rosentonome Szene entstanden, die unter verschiedenen Bezeichheim" nungen auftritt und mit dem "Z - linkes Zentrum in Selbstverwaltung" über einen Treffpunkt verfügt, an dem sie regelmäßig Veranstaltungen durchführen kann. Die wichtigste Gruppe dieser Szene ist die "Infogruppe Rosenheim". Sie bezeichnet sich selbst als "autonom, antifaschistisch, emanzipatorisch". Über das überregionale Netzwerk "rabatz - Autonome Vernetzung Oberbayern/Salzburg/Tirol" ist die "Infogruppe Rosenheim" mit weiteren autonomen Gruppierungen in Bayern und Österreich, insbesondere mit der Münchner Gruppierung "LAVA MUC", verbunden. Die Gruppe bietet unter anderem Kinoabende an und versucht damit, insbesondere junges Publikum anzusprechen. Termine im "Z - Linkes Zentrum in Selbstverwaltung" werden unter anderem über Facebook bekannt gegeben. Die "Infogruppe Rosenheim" rief zu den Protesten gegen den G20-Gipfel auf und veranstaltete hierfür ein öffentliches Blockadetraining. Sie mobilisierte auch zur linksextremistischen "Revolutionären 1.-Mai-Demonstration" in Nürnberg unter dem Motto "1. Mai - Kampftag der Arbeiter*innenklasse". Eine weitere Gruppe nennt sich "AGIR - Demokratische Ju"AGIR - Demokragend". Sie ist seit Ende 2015 bekannt und betätigte sich insbetische Jugend" sondere im "Kampf" gegen die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA). Es handelt sich um Jugendliche, zum Teil noch um Schüler. Bei Aktionen von "AGIR" konnten 30 Personen mit Bezug zur Gruppe festgestellt werden. Der Gruppenname dürfte sich von dem kurdischen Wort für Feuer oder Flamme, "agir", ableiten. Die Gruppe agiert > Inhaltsverzeichnis 235 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus regional und überregional. Es bestehen Kontakte zur autonomen Szene und zu PKK-nahen Organisationen. "AGIR" unterstützt den Kampf kurdischer Aktivisten in Syrien. "Rose - demokraIm Jahr 2016 gründete sich die "Rose - demokratische Jugend tische Jugend im im Alpenvorland". Sie solidarisiert sich ebenfalls mit dem "BeAlpenvorland" freiungskampf der Kurden". Die nur wenige Personen umfassende Gruppe unterstützte die Proteste gegen den G20-Gipfel. In einem Interview erklärten Mitglieder der "Rose": Und natürlich müssen wir auch wirtschaftliche Gegenmacht aufbauen: Streiken, enteignen und Strukturen aufbauen, in denen die Produktionsmittel uns gehören und es um die Bedürfnisse, nicht um den Profit geht. Darüber hinaus treten Autonome aus Rosenheim unter den Bezeichnungen "Contre la Tristesse", und "Offenes antifaschistisches Plenum Rosenheim" auf. 7.2.2 Postautonome Gruppierungen Interventionistische Linke (IL) Bayern Gründung ca. 2005 Sitz Aschaffenburg, München, Nürnberg Publikationen "radical left", unregelmäßig Die IL wurde 2005 als bundesweites Netzwerk mit dem Ziel einer verbindlichen Organisierung gegründet. Mit der Veröffentlichung des "Zwischenstandpapiers" im Oktober 2014 wurde die IL zu einer bundesweiten Organisation umformiert. Ideologisch orientiert sich die IL am Marxismus/Kommunismus. Sie versteht das bestehende Gesellschaftssystem als eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der die herrschende Klasse (Kapitalisten) die Arbeiterklasse (Proletariat) ausbeutet und unterdrückt. Ziel der IL ist die Abschaffung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung und die Installation einer klassenlosen Gesellschaft. Dabei fokussiert sie sich nicht ausschließlich auf regionale Protestaktionen, sondern wirkt an der Vorbereitung überregionaler Aktionen mit. 236 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die IL spielte bei der Organisation der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg eine führende Rolle. Dabei arbeitete sie auch mit gewaltbereiten Gruppen zusammen. So verweigerte Keine Distanzierung Emily Laquer, die Sprecherin der IL für die G20-Proteste, im Vorvon Gewalt feld des Gipfels ausdrücklich eine Distanzierung von politischer Gewalt: Und deshalb muss ich immer wieder auf die Gewaltfrage antworten: Nein, ich unterwerfe mich nicht. Nein, ich distanziere mich nicht. Ich weigere mich, harmlos zu sein. [...] Für den Augenblick ist der massenhafte Ungehorsam, für den die Interventionistische Linke bekannt ist, eine gute Antwort. Der IL geht es nicht nur um zivilen Ungehorsam, letztlich strebt sie eine Revolution an. So führte Laquer in ihrem Redebeitrag auf der Internationalen Großdemonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20" am 8. Juli in Hamburg aus: Es geht darum, aufmüpfig zu sein, es dem System so schwer wie möglich zu machen (...) die G20 schaufeln sich und ihrem System das eigene Grab. Die Revolution wird unausweichlich sein! (...). Lasst uns also heute gemeinsam mit dieser Demo die Woche des Protests beenden, den Widerstand und die Rebellion in unsere Städte zurück tragen. Die IL verfügt in Bayern über Ortsgruppen in Aschaffenburg, München und Nürnberg. Die Proteste gegen den G20-Gipfel wurden auch durch die IL Nürnberg unterstützt. Die Ortsgruppe lud am 30. Mai zu einer lokalen Mobilisierungsund Solidaritätsveranstaltung für die G20-Proteste ein. Die IL Aschaffenburg mobilisierte auf ihrer Homepage unter dem Motto "Hamburg - Gipfel der G 20 - Kommst Du mit mir ins Gefahrengebiet?" für die Anti-G20-Proteste. Im Nachgang zum Gipfel veröffentlichte sie ein Statement mit dem Titel "Die rebellische Hoffnung von Hamburg", in dem es unter anderem hieß: > Inhaltsverzeichnis 237 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Wir wollten das Spektakel der Macht nicht nur stören, sondern noch viel mehr. (...) Die Aktionen von BlockG20 begannen mit der kollektiven Weigerung, die Demonstrationsverbotszone anzuerkennen. Von allen Seiten drangen wir bis auf die Protokollstrecken vor. (...) Entscheidend dafür war gute Planung und Vorbereitung in den Aktionstrainings ebenso wie die ungehorsame, mutige Spontaneität von Vielen (...) von einer organisierten Blockade der Route zu einer spontanen Besetzung der Stadt durch die Menge. Neben dem G20-Gipfel bildeten auch die Asylpolitik und der Antifaschismus weitere Aktionsschwerpunkte der bayerischen IL-Ortsgruppen. Antikapitalistische Linke München (AL-M) Bayern Gründung 2011 Sitz München Die AL-M ist eine revolutionär-kommunistisch ausgerichtete postautonome Gruppierung und folgt marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Ideologieelementen. Nach ihrer Selbstdarstellung ist ihr Ziel die Beseitigung des demokratischen Verfassungsstaates und die Errichtung eines kommunistischen Systems: (...) Notwendig ist: die Revolution. (...) Die revolutionäre Theorie, um die Welt zu begreifen und sie zu verändern, ist der Marxismus. Die einzige Alternative zum heutigen Kapitalismus ist eine andere Gesellschaft: Der Kommunismus - dafür kämpfen wir. Die AL-M ist ein Bindeglied zwischen dem traditionell kommunistisch ausgerichteten Spektrum des Linksextremismus und der autonomen Szene. Die Internetseite der AL-M dient als Mobilisierungsplattform für das gesamte linksextremistische Spektrum in München. Dort wird nicht nur zu autonomen Gruppen 238 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 wie "Antifa-NT" verlinkt, sondern auch zu linksextremistischen Parteien und Organisationen wie der "Roten Hilfe" und der "SDAJ München". Die Gruppierung ist bei mehreren Themen, die von Linksextremisten besetzt werden, aktiv, z. B. bei Aktionen zum Antimilitarismus. Bereits seit einigen Jahren ist die AL-M in das Bündnis "Perspektive Kommunismus" eingebunden. Im Vorfeld des G20-Gipfels in Hamburg hat die AL-M mit zahlreichen Aktionen wie Mobilisierungsvorträgen und Infoständen für die Proteste mobilisiert. Am Demonstrationsgeschehen in Hamburg beteiligte sich die Gruppierung aktiv. Nach dem Verbot der Internetplattform "linksunten.indymedia" im August unterzeichnete die AL-M eine gemeinsame Solidaritätserklärung der "Roten Hilfe e. V.". Antifa-NT Bayern Gründung bekannt seit 2006 Sitz München Die Gruppe "Antifa-NT" vertritt einen postautonomen Antifaschismus, der darauf abzielt, die bestehende Gesellschaftsordnung durch eine klassenlose Gesellschaft zu ersetzen. Sie pflegt bundesweite Kontakte zu anderen autonomen und postautonomen Gruppierungen und trat im Herbst 2015 dem linksextremistischen "... ums Ganze!"-Bündnis bei, in dem sich gewaltorientierte linksextremistische Gruppen aus Deutschland und Österreich organisieren. "Antifa-NT" nutzt die Räumlichkeiten des "Kafe Marat", das Teil eines selbstverwalteten Kulturzentrums ist. Das "Kafe Marat" dient Linksextremisten, insbesondere Autonomen, als Treffpunkt, logistisches Zentrum und Informationsbörse. Daneben nutzen auch andere nicht extremistische kulturelle und gesellschaftliche Gruppen das "Kafe Marat" für Treffen und Veranstaltungen. Die Gruppierung beteiligte sich an Aufrufen und Mobilisierungsveranstaltungen gegen den G20-Gipfel in Hamburg und organisierte auch selbst solche Aktivitäten: Im "Kafe Marat" in München führte sie zwei Mobilisierungsveranstaltungen durch, die unter > Inhaltsverzeichnis 239 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus dem Titel "Kriegskunst des Kapitals - zur Rolle der Logistik bei den Protesten gegen den G20" bzw. "Ketten sprengen - Hafen lahmlegen" standen. Ebenfalls unter dem Motto "Ketten sprengen - Hafen lahmlegen" führte "Antifa-NT" eine Veranstaltung im "Z - Linkes Zentrum in Selbstverwaltung" Rosenheim durch. 7.2.3 Anarchistische Gruppen Anarchistische Gruppe München (Bibliothek Frevel) Bayern Gründung 2016 Sitz München In München besteht eine Gruppe von Anarchisten, die durch publizistische Aktivitäten und das Betreiben einer Bibliothek die anarchistische Ideologie verbreiten wollen. Sie eröffneten im Sommer 2016 in München die "Anarchistische Bibliothek Frevel". Die Bezeichnung Frevel geht vermutlich auf den anarchistischen Autor Walter Borgius (1870-1932) zurück, der in seinem Werk: "Die Schule - ein Frevel" die Schule als Herrschaftsmittel zur Züchtung gehorsamer Untertanen darstellt. Die Bibliothek will den "Zugang zu den Gedanken und Kämpfen anderer Revoltierender" ermöglichen. Die anarchistische Gruppe billigt Strafund Gewalttaten als Mittel zur Zerstörung der bestehenden Ordnung. So lag in ihrer Bibliothek die anarchistische Straßenzeitung "Fernweh" aus, die linksextremistische Straftaten positiv bewertet. Bis Dezember wurden 27 Ausgaben der Publikation veröffentlicht. Im Juni erschien die Ausgabe Nr. 26, im November die Ausgabe Nr. 27. In einer eigenen Rubrik mit dem Titel "Unruheherd" werden linksextremistisch motivierte Straftaten glorifiziert. Unter anderem heißt es dort: Ein paar Kabel, die am richtigen Ort und im richtigen Moment von einer einzelnen Person angezündet werden können, haben das Potenzial eine ganze Armee ins Chaos zu stürzen. In einem Beitrag zum G20-Gipfel unter der Überschrift "Krawall ist möglich, Krawall ist nötig" erklärte der Autor: 240 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Das Zusammenspiel der verschiedenen Angriffe und Zerstörungen, der Blockaden und Barrikaden, der organisierten Kleingruppen und marodierenden Mobs, der Sabotagen und der praktischen Solidarität auf der Straße überrumpelte die Ordnungsmacht, so dass diese ihre Macht über die Ordnung der Dinge kurzerhand verlor. Die Zeitschrift propagierte in der Vergangenheit auch Aktionen gegen das geplante neue Strafjustizzentrum in München. Bei Sachbeschädigungen an der Baustelle, an Fahrzeugen beteiligter Firmen sowie durch Schmierereien entstand in den vergangenen Jahren bislang ein Sachschaden von mehr als 350.000 Euro. Auf der Suche (ADS) Bayern Gründung 2014 Sitz Nürnberg Die Gruppe ADS versteht sich als eine anarchistische Gruppierung. Sie ist Mitglied der "Föderation deutschsprachiger Anarchist_innen". Das Feindbild aller, im Detail unterschiedlich ausgerichteter, anarchistischer Strömungen ist der Staat. Er gilt im anarchistischen Denken als repressive Zwangsinstanz, die zugunsten einer herrschaftsfreien Gesellschaft aufgelöst und zerschlagen werden müsse. ADS lehnt aus dieser Ideologie heraus fundamentale Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie insbesondere Parlamentarismus und Volkssouveränität sowie das Mehrparteienprinzip ab: Stellvertreter*innenmodelle und die Bildung von Parteien - wie in ausbeuterischen Wirtschaftssystemen und im Parlamentarismus üblich - lehnen wir ab, da diese im Widerspruch zu unseren Vorstellungen einer herrschaftsfreien Gesellschaft stehen. (...) Wir streben keine Übernahme, sondern die Abschaffung der politischen Herrschaft an. > Inhaltsverzeichnis 241 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Linksextremismus Die Gruppe ist insbesondere im Aktionsfeld Antifaschismus tätig und beteiligte sich am 9. September an einer von mehreren autonomen Gruppierungen durchgeführten Veranstaltung gegen die AfD. Libertäre Antifa München (LAVA MUC) Bayern Gründung 2014 Sitz München "LAVA MUC" ist eine Gruppierung aus dem Raum München, die ein anarchistisches, auf die Abschaffung der Bundesrepublik Deutschland zielendes Weltbild propagiert: Als Anarchist*innen sehen wir den Staat als patriarchalen überwachenden Unterdrückungsmechanismus (...) Um einer befreiten Gesellschaft näher zu kommen, müssen wir uns mit alltäglichen Herrschaftsverhältnissen und Unterdrückungsmechanismen kritisch auseinandersetzen und sie letztlich als Ganzes überwinden. Sie agitiert hauptsächlich im Internet und bewirbt dort regelmäßig Veranstaltungen und Demonstrationen wie Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, Anti-Pegidaund Anti-AfD-Proteste, an denen stets auch Linksextremisten teilnehmen. Bei diesen Veranstaltungen kommt es regelmäßig zu Strafund Gewalttaten, überwiegend gegen Polizeibeamte. "LAVA MUC" rief via Internet zur Demonstration "München gegen Polizeigewalt" am 5. August an der Münchner Freiheit auf. Die Veranstaltung stand im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg. 242 > Inhaltsverzeichnis Linksextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 > Inhaltsverzeichnis 243 Scientology-Organisation Scientology-Organisation (SO) (SO) SO-Tarnorganisation Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben nimmt an Anti-Drogen-Konferenz der OSZE teil Offensive Öffentlichkeitsarbeit der Tarnorganisation Der Weg zum Glücklichsein in München - angeblich 500.000 Flyer verteilt 244 > Inhaltsverzeichnis Scientology-Organisation Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die "Scientology-Organisation" (SO) ist eine internationale Organisation, die zum einen auf finanzielles Gewinnstreben ausgerichtet ist und zum anderen ein weltweites, unumschränktes Herrschaftssystem nach eigenen Vorstellungen errichten möchte. An die Stelle des Demokratieprinzips und der Grundrechte soll ein auf Psycho-Technologien und der bedingungslosen Unterordnung des Einzelnen beruhendes totalitäres Herrschaftssystem unter scientologischer Führung treten. Die SO ist somit nicht nur eine Gefahr für Einzelne, die in die Fänge und den Einflussbereich der Organisation zu geraten drohen, sondern stellt auch das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland und die staatliche Garantie der Grundrechte in Frage. Schon in seinem Grundlagenwerk "Dianetik" aus dem Jahr 1950 wies der Gründer der SO, Lafayette Ron Hubbard, auf die politische Relevanz seiner Lehre hin. Nach seinen bis heute unveränderten und für alle Scientologen verbindlichen Vorstellungen soll eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien funktionierende Welt geschaffen werden. Mit harten psychound sozialtechnischen Instrumenten will die Organisation nicht nur den einzelnen Menschen steuern, sondern durch Einflussnahme auf Staat, Politik und Wirtschaft in die Gesellschaft eindringen, um sie den scientologischen Zielen zu unterwerfen. Programmatik und Aktivitäten der SO sind mit den Grundprinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. > Inhaltsverzeichnis 245 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Scientology-Organisation Die "Scientology-Organisation" - will ein scientologisches Rechtssystem etablieren, in dem es keine Menschenund Grundrechte gibt, - missachtet die Menschenwürde (Art. 1 GG) und den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), da sie nur Scientologen Rechte zugesteht, - missachtet das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG), da sie Kritik mit allen - auch illegalen - Mitteln unterdrücken will, - baut auf ein totalitäres Herrschaftssystem, das Gewalt und Willkürherrschaft einschließt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 12. Februar 2008 festgestellt, dass - tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die SO Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, - zahlreiche Hinweise ergeben, dass die SO eine Gesellschaftsordnung anstrebt, in der zentrale Verfassungswerte außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden, - der Verfassungsschutz die Organisation daher - auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln - beobachten darf. 246 > Inhaltsverzeichnis Scientology-Organisation Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 1. PERSONENPOTENZIAL Deutschland Bayern Mitglieder 3.500 etwa 1.200 Vorsitzender Helmut Blöbaum Nina Malessa Gründung München 1970 Nürnberg 1982 ("Scientology Kirche ("Scientology Kirche Deutschland e. V.") Bayern e. V.") Sitz München München (in Deutschland unselbständige Teilorganisationen) Publikationen Freiheit; Impact; Ursprung; Source u. a. Die Mitgliederzahl der SO in Bayern bewegt sich bei etwa 1.200 Personen. Neben langjährigen Anhängern der SO sind darunter auch junge Erwachsene, die in ihren Familien mit der Ideologie der SO aufgewachsen sind und weiterhin der Organisation treu bleiben, sowie einzelne neu gewonnene Mitglieder. Staatliche Aufklärungsarbeit, Prävention und kritische Darstellungen in den Medien haben die SO und deren Ziele für die Öffentlichkeit transparent gemacht und erschweren es ihr, neue Mitglieder zu gewinnen. Mithilfe von Tarnorganisationen, wie z. B. der "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e. V." (KVPM ), der Organisation "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" oder der Organisation "Der Weg zum Glücklichsein", versucht die SO weiterhin, sich als humanitäre und sozial verantwortliche Organisation darzustellen und neue Mitglieder zu gewinnen. 2. AKTIONEN UND AKTIVITÄTEN 2.1 Teilnahme von SO-Tarnorganisationen an OSZEund UN-Veranstaltungen Der SO ist es im Jahr 2017 mehrfach gelungen, mit ihren Tarnorganisationen Zugang zu wichtigen Organisationen der internationalen Politik zu finden. Die SO-Tarnorganisation "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" nahm im Juli in Wien an der Anti-DrogenKonferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) teil. Neben den Mitgliedsstaaten waren auch Vertreter staatlicher Behörden, Experten von Arzneimittelbehörden sowie internatio- > Inhaltsverzeichnis 247 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Scientology-Organisation nale, regionale und zivilgesellschaftliche Organisationen anwesend. Thema der Konferenz war "Verbindungen zwischen illegalen Drogen, organisiertem Verbrechen und Terrorismus". Im Rahmen dieser Konferenz forderte die SO-Tarnorganisation die teilnehmenden OSZE-Mitgliedsstaaten zu einer verstärkten Aufklärung und Präventionsarbeit in Bezug auf Drogen auf. Mit "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" macht sich die SO zunutze, dass Engagement in der Drogenprävention als grundsätzlich begrüßenswert wahrgenommen wird. Die "Scientology Kirche Bayern e. V." veröffentlichte 2017 mehrfach Presseerklärungen, um auf die Kampagne "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" aufmerksam zu machen. Bei einer Informationsveranstaltung am 26. August in der Münchner Innenstadt wurde Informationsmaterial verteilt und durch Redeund Musikbeiträge versucht, Passanten für die Kampagne zu gewinnen. In den Broschüren der Kampagne findet sich jedoch kein Hinweis auf die Zugehörigkeit zur SO. Interessenten werden so über die wahren Hintergründe getäuscht. Die SO-Tarnorganisation "Youth for Human Rights International", deren deutscher Ableger unter dem Namen "Jugend für Menschenrechte e. V." tätig ist, veranstaltet jährlich einen Menschenrechtsgipfel in New York. Der "Human Rights Summit" fand 2017 das 14. Mal statt und wurde im Gebäude der Vereinten Nationen durchgeführt. UN-Vertreter aus rund 20 Ländern sollen an der Veranstaltung beteiligt gewesen sein. Nach Angaben der SO wurde die Veranstaltung von den ständigen Vertretern bzw. ständigen Missionen von Panama und Kambodscha bei den Vereinten Nationen gesponsert. Die vorwiegend jungen Teilnehmer der "Youth for Human Rights"-Gruppen reisten weltweit an, auch bayerische Teilnehmer waren darunter. Bilder und Kommentare zu dem Treffen wurden vor allem in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. 248 > Inhaltsverzeichnis Scientology-Organisation Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die Menschenrechte, die die Organisation "Jugend für Menschenrechte" auf ihrer Homepage beschreibt, sind nicht identisch mit denen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die von den Vereinten Nationen 1948 beschlossen wurden. Sie wurden nach den Dogmen der scientologischen Ideologie umformuliert. Das System Scientology lebt von der lückenlosen Kontrolle des Einzelnen, der im SO-System funktionieren muss. Menschenrechte nach demokratischem Verständnis sind der SO fremd. An deren Stelle treten "Bürgerrechte", die ausschließlich Scientologen vorbehalten sind. Ihnen fehlen grundlegende Individualrechte wie die Würde des Menschen, Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die Teilnahme an hochrangigen internationalen Veranstaltungen Kontaktversuche zeigt, dass die SO-Strategie, politisch relevante Themen mittels zu EntscheidungsTarnorganisationen zu besetzen, Wirkung zeigt und der Organiträgern sation Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern eröffnet. Die SO nutzt im Nachgang der Veranstaltungen ihre Teilnahme in der Regel zu Propagandazwecken: Das Image des Konferenzausrichters, das internationale Umfeld und der Expertencharakter der Veranstaltung sollen sich positiv auf die SO auswirken und den Eindruck vermitteln, es handle sich bei der SO um einen weltweit angesehenen Player in der internationalen Politik. 2.2 Offensive Öffentlichkeitsarbeit der Tarnorganisation "Der Weg zum Glücklichsein" Die SO-Tarnorganisation "Der Weg zum Glücklichsein" ("The Way to Happiness Foundation") führt seit Mitte 2016 regelmäßig Informationsstände in der Münchner Innenstadt durch. 18 Termine waren es im Jahr 2016, 2017 hat sich die Zahl auf 31 erhöht. Ziel der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten ist es, eine möglichst große Anzahl der gleichnamigen Broschüre "Der Weg zum Glücklichsein" zu verteilen. Die Offensive startete nach dem Amoklauf am Münchner Olympia-Einkaufszentrum im Sommer 2016, um die entstandene Unsicherheit in der Bevölkerung für die Expansionsarbeit der Tarnorganisation zu nutzen. Seitdem sollen nach eigenen Angaben rund 500.000 Broschüren in München verteilt worden sein. Aufmachung und Inhalt des Hefts sind auf den ersten Blick unverfänglich, lediglich im Impressum ist der "Scientology"-Gründer L. Ron Hubbard erwähnt. Transportiert werden mit der Broschüre eher triviale Vorschläge und Anleitungen zum "Glücklichsein", die scientologische Ideologie ist enthalten, aber nur schwer zu erkennen. > Inhaltsverzeichnis 249 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Scientology-Organisation Die SO versucht mit der Broschüre, Menschen auf vermeintlich problematische Erscheinungen oder Stimmungslagen in ihrem Leben aufmerksam zu machen und Interesse daran zu wecken, etwas zu ändern oder Hilfe zu suchen. Ziel ist, die Adressaten zur Kontaktaufnahme mit der Tarnorganisation zu motivieren. Sobald die Kontaktdaten vorhanden sind, können diese genutzt werden, um die Personen mittelfristig an die SO heranzuführen. In einer eigens eingerichteten Facebook-Gruppe versucht die SO, die Kampagne als erfolgreich darzustellen, um damit die Mitglieder zu zusätzlichem Engagement zu motivieren. Innerhalb der SO existieren statistische Vorgaben für die Durchführung öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten und die Werbung neuer Mitglieder. Es ist davon auszugehen, dass das erhöhte Aktionsniveau auch dazu dient, diesen Vorgaben gerecht zu werden. 3. ORGANISATIONSSTRUKTUR Die SO ist wie ein internationaler Wirtschaftskonzern organisiert und strukturiert. Alle Einrichtungen unterliegen trotz scheinbarer Selbstständigkeit der strikten Befehlsund Disziplinargewalt des "Religious Technology Center" (RTC) in Los Angeles/USA unter der Leitung von David Miscavige, dem Nachfolger des Gründers der "Scientology Organisation", L. Ron Hubbard. 250 > Inhaltsverzeichnis Scientology-Organisation Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Flag Service Organization in Clearwater, Florida Kern ist der Church-Bereich, der in "Kirchen" (Org), Missionen und "Celebrity Centres" gegliedert ist. Dachverband in Deutschland ist die "Scientology Kirche Deutschland e. V." (SKD), in Bayern existiert parallel dazu die "Scientology Kirche Bayern e. V." (SKB). Sowohl die SKD als auch die SKB haben ihren Sitz in München. In der SO-Hierarchie stehen Missionen unterhalb der Org, sie können nur grundlegende Dienstleistungen anbieten. Alle weltweiten Missionen stehen unter der Führung der "Scientology Missions International" (SMI) mit Sitz in Los Angeles/ USA. Die Veröffentlichung interner Missionsranglisten soll gegenseitige Konkurrenz zwischen den Missionen erzeugen. Den besten Listenplatz erhält die Mission mit dem größten Umsatz, den meisten Neuanwerbungen oder dem höchsten Spendenaufkommen. Im Rahmen ihrer "Ideale-Org-Kampagne" will die SO weltweit Ideale-Orgin Städten, die sie für sich als politisch und wirtschaftlich beKampagne deutsam einschätzt, große und repräsentative Niederlassungen (Ideale Orgs) aufbauen bzw. bereits bestehende vergrößern. Diese Idealen Orgs sollen politischen Einfluss nehmen (u. a. durch Standorte in Regierungs-/Parlamentsnähe). Die Eröffnung einer Idealen Org ist an bestimmte, von Hubbard festgelegte Kriterien hinsichtlich Größe, Mitarbeiteranzahl und Ausstattung gebunden. In einer Idealen Org sollen sämtliche Dienstleistungen der SO unter einem Dach angeboten werden können. > Inhaltsverzeichnis 251 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Scientology-Organisation In Deutschland existieren bislang zwei Ideale Orgs. Die SO-Niederlassung in Berlin wurde 2007 eröffnet, seit Januar 2012 gibt es auch in Hamburg eine Ideale Org. In Stuttgart ist die Eröffnung einer Idealen Org geplant und das Gebäude bereits angekauft. Damit wurden die Vorgaben des internationalen Managements der SO erfüllt, das dieses Projekt nach wie vor als wichtigen Bestandteil seiner weltweiten Expansionsbestrebungen betrachtet. Auch in München möchte die SO eine Ideale Org errichten. Bereits seit 1980 gibt es in München ein "Celebrity Centre", welches für Prominente und Künstler vorgesehen ist. Die "Celebrity Centres" sollen Politiker, Führungskräfte aus der Wirtschaft, Medienleute, Künstler und andere Prominente für Scientology gewinnen, um sie für Propagandazwecke nutzen zu können. Anfang des Jahres zog die Beschäftigung eines bekennenden Scientologen im Haus der Kunst München die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat die Aufarbeitung der Beschäftigung mit eigenen Erkenntnissen unterstützt. Das Haus der Kunst selbst ist kein Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. 3.1 Finanzierung der Scientology-Organisation Die SO finanziert sich insbesondere durch die Durchführung von kostenpflichtigen Kursen und den Vertrieb von Kursmaterialien. Wer sich der SO anschließt, muss einen genau vorgezeichneten Trainingsweg beschreiten, um zum scientologischen Übermenschen, dem "Operierenden Thetan" (OT) zu werden. Vom ersten bis zum letzten Kurs ist mit Kosten in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro zu rechnen. Hinzu kommt der steigende Druck auf die Mitglieder, Spenden zu leisten. Der Spendendruck wird noch dadurch erhöht, dass die Mitglieder für die SO leicht erpressbar sind: Teil der Kurse ist das sogenannte Auditing, eine Psychotechnik, bei der Anhänger der SO sämtliche Informationen bis hin zu intimsten Details über ihr Leben preisgeben müssen. Dies macht sie für die SO zum gläsernen Menschen und damit letztendlich kompromittierbar. Derzeit versucht die SO, die für die Schaffung einer Idealen Org in München notwendigen finanziellen Mittel zu akquirieren, und fordert die Mitglieder deshalb auch zu zusätzlichen Spenden auf. 252 > Inhaltsverzeichnis Scientology-Organisation Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 3.2 Unterorganisationen der ScientologyOrganisation Das "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) ist ein franchiseähnlicher Zusammenschluss von Unternehmen, die durch Lizenzverträge an die SO gebunden sind und nach deren Methoden arbeiten. WISE hat zum Ziel, die Wirtschaft zu unterwandern und Gewinne durch den Verkauf von SOManagement-Techniken an Unternehmen zu erwirtschaften. WISE-Unternehmen sind in allen Branchen zu finden. Vor allem Unternehmensund Personalberatung, Coaching-Angebote und die Immobilienbranche stehen im Fokus der Organisation. Die SO verfügt über Management-Akademien und ein eigenes Kursprogramm für die Wirtschaft mit Seminaren zu Themen wie Motivation, Effizienz, Organisation, Kommunikation und Management nach Statistiken. Mithilfe der "Associaton for Better Living and Education" (ABLE) versucht die SO, sich auch als soziale Organisation darzustellen. Zu ABLE gehören u. a. die vermeintliche Hilfsorganisation für Drogenabhängige "NARCONON", die Kampagne "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" und das Ausbildungsprogramm "Applied Scholastics", das im Bereich der Kinderund Erwachsenenbildung aktiv ist. Die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e. V." (KVPM) diffamiert mit pauschaler und tendenziöser Kritik die medizinische Psychiatrie und reklamiert für sich, den einzig wahren Weg zur Heilung psychischer Krankheiten zu kennen. Die KVPM-Initiative "Jugend für Menschenrechte" soll junge Menschen für die Themen der SO begeistern und sinkenden Mitgliederzahlen entgegenwirken. Um junge Menschen zu erreichen, präsentieren sich die SO und ihre Tarnorganisationen auch mit modern aufgemachten Profilen in sozialen Netzwerken und kurzen Video-Clips auf YouTube. Den Kontakt zu Jugendlichen versuchen sie auch dadurch herzustellen, dass sie für die Altersgruppe typische Sorgen und Probleme thematisieren. So sollen die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt abgeholt werden und das Gefühl gewinnen, die SO verstehe ihre Probleme besser als andere. Innerhalb des streng hierarchischen Aufbaus der SO gibt es zahlreiche Überwachungseinrichtungen und einen eigenen GeheimGeheimdienst OSA dienst, das "Office of Special Affairs" (OSA). > Inhaltsverzeichnis 253 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Scientology-Organisation Diese sollen Informationen über Kritiker, Behördenangehörige und andere Gegner sammeln, auswerten und als Druckmittel verwenden. Die OSA-Einheit für Deutschland ("Department of Special Affairs - DSA") ist zwar strukturell bei der "Scientology Kirche Deutschland e. V." angesiedelt, aber im Herbst 2012 an den Sitz der "Scientology Kirche Bayern e. V." umgezogen. Hubbard sah in der OSA hauptsächlich das Ziel: ... Behörden und ...Denkmodelle oder Gesellschaften in einen Zustand völliger Übereinstimmung mit den Zielen der SO zu bringen. ... Dies geschieht durch die hochrangige Fähigkeit zur Steuerung und - falls sie nicht gegeben ist - durch die weiter unten angesiedelte Fähigkeit zur Überwältigung. (Hubbard-Anweisung vom 15. August 1960) Im Allgemeinen treten SO-Einrichtungen überwiegend offen auf bzw. versuchen nicht, ihre Verbindung zur SO zu verschleiern. Daneben bedient sich die SO allerdings auch Nebenund Tarnorganisationen, die auf den ersten Blick keinen Zusammenhang mit der SO erkennen lassen, mit denen aber Botschaften zu unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Themen transportiert werden sollen. Die SO ist in mehreren Themenfeldern mit Tarnorganisationen aktiv. Diese Felder zeichnen sich meist durch zwei Aspekte aus: Es gibt einen relativ breiten gesellschaftlichen Konsens, in den sich die SO einordnet, z. B. der Kampf gegen Drogenmissbrauch. Die SO versucht auf diese Weise, an Menschen heranzukommen, die Hilfe brauchen, sich in einer Lebenskrise befinden und die damit leichter beeinflussbar sind, z. B. Drogenabhängige, psychisch Kranke, Straftäter oder Schüler mit schlechten Schulleistungen. Nachhilfeinstitute bieten zum Teil verdeckt, zum Teil aber auch offen nach scientologischen Regeln ablaufende Kurse für Kinder und Erwachsene an. Kinder werden somit schon früh unterschwellig und spielerisch in scientologische Denkweisen eingeführt. Die SO setzt bewusst auf Tarnorganisationen, um auch diejenigen erreichen zu können, die der SO zunächst ablehnend gegenüberstehen. Ziel der SO ist es, dadurch dauerhafte Kontakte zu Menschen aufzubauen, die zu einem späteren Zeitpunkt in die SO selbst und in das damit verbundene kostspielige Kurssystem eingegliedert werden können. 254 > Inhaltsverzeichnis Scientology-Organisation Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Tarnorganisationen der Scientology-Organisation Logo Bezeichnung World Institute of Scientology Enterprises (WISE) Association for Better Living and Education (ABLE) Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e. V. (KVPM) Jugend für Menschenrechte e. V. Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben e. V. Der Weg zum Glücklichsein NARCONON Die SO-Einrichtungen versuchen oft, auf folgenden Wegen einen ersten Kontakt herzustellen: - Veranstaltungen und Infostände in den Innenstädten - Ansprechen auf der Straße mit dem Angebot, einen Persönlichkeitstest zu machen - Zusenden von Werbematerial - Angebote an Unternehmen zu Betriebsführungstechniken und Kursen zur Persönlichkeitsveränderung - Angebote auf dem Nachhilfemarkt - Kontaktaufnahmen in sozialen Netzwerken wie Facebook und YouTube > Inhaltsverzeichnis 255 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Scientology-Organisation 4. AUSSTEIGER In der Vergangenheit haben mehrere hochrangige beziehungsweise prominente SO-Mitglieder aus unterschiedlichen Motiven die SO verlassen. Zudem erschienen international mehrere Veröffentlichungen ehemaliger Scientologen über ihre Erfahrungen in der SO. Aussteiger, die sich in der Öffentlichkeit aktiv gegen die SO wenden, werden von ihr als "unterdrückerische", "antisoziale" oder "geisteskranke" Personen diffamiert und müssen mit Verfolgung, Bedrohung und Erpressung rechnen. Dabei macht die SO auch nicht vor den Angehörigen und dem persönlichen Umfeld der Betroffenen Halt. Allen Aussteigern und Betroffenen stehen bundesweit zahlreiche Institutionen und private Initiativen zur Verfügung, die Ratsuchenden eine erste pädagogisch-psychologische Beratung, Unterstützung und Krisenhilfe anbieten. Weitergehende Informationen zur SO, ein Glossar zum scientologischen Sprachgebrauch sowie die Adressen von Beratungsstellen finden sich auf den Internetseiten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz sowie des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration. 256 > Inhaltsverzeichnis Scientology-Organisation Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Vertrauliches Telefon Für Opfer und Aussteiger der SO sowie für Angehörige von SO-Mitgliedern unterhält das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ein vertrauliches Telefon; dort können Hinweise zur SO gegeben werden: Telefon: 089/31201 296 Weitere Informationen und Beratungsstellen: Broschüre Das System Scientology www.stmi.bayern.de www.verfassungsschutz.bayern.de > Inhaltsverzeichnis 257 Spionageabwehr, Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Wirtschaftsschutz, Cyber-Allianz-Zentrum (CAZ) Verstärkte Anwerbeversuche chinesischer Nachrichtendienste in sozialen Netzwerken wie Facebook, LinkedIn und Xing Groß angelegte Cyberangriffe durch "WannaCry" und "Petya/Non-Petya" verdeutlichen Verwundbarkeit der Informationssysteme 258 > Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Die Nachrichtendienste vieler Staaten haben die Aufgabe, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär anderer Länder auszuforschen. Ihr Ziel ist es, entweder die Erkenntnisse selbst zu nutzen oder die Möglichkeit zu haben, andere Staaten zu sabotieren. Dabei werden deutsche Interessen sowohl in Deutschland als auch weltweit ausspioniert. Auch elektronische Angriffe auf die Kommunikation von Regierungseinrichtungen gehören zum allgemeinen Repertoire von ausländischen Nachrichtendiensten. Politische Spionage ist auf die Außen-, Europaund Bündnispolitik sowie die Wirtschaftsund Energiepolitik Deutschlands ausgerichtet. Wirtschaftsspionage verursacht in Deutschland jährlich Schäden in Milliardenhöhe und gefährdet Arbeitsplätze. Gerade bayerische Firmen und Hochschuleinrichtungen stehen wegen ihrer Innovationskraft in nahezu allen Branchen und Forschungsbereichen im Blickfeld ausländischer Nachrichtendienste. Besonders gefährdet sind kleine und mittelständische Firmen, die Spitzentechnologie entwickeln oder produzieren, da sich diese oft noch nicht ausreichend vor Spionageangriffen schützen. Wie intensiv ein Staat Wirtschaftsspionage betreibt, ist abhängig von seiner eigenen wirtschaftlichen Lage. Wirtschaftlich weniger entwickelte Staaten spionieren in erster Linie Produkte und Fertigungsprozesse aus und wollen so mit möglichst geringem Aufwand an benötigtes Know-how gelangen. Wirtschaftlich hochentwickelte Staaten, die selbst über Hochtechnologie verfügen, wollen darüber hinaus an strategische Informationen gelangen, um die eigene Wirtschaft im globalen Wettbewerb besser- > Inhaltsverzeichnis 259 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ stellen zu können. Um an solche Informationen zu kommen, werden Computersysteme von Behörden, Hochschulen und Wirtschaftsunternehmen zunehmend elektronisch angegriffen. Elektronische Angriffe können vielfältige Urheber und Ziele haben. Deshalb ist es unverzichtbar, im Rahmen der Prävention Abwehrmechanismen sowohl in der Politik als auch in Wirtschaft und Wissenschaft zu implementieren, die unabhängig von der Herkunft des Angriffs Schutzwirkung entfalten. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, das für die Spionageabwehr zuständig ist, sieht daher eine seiner wichtigsten Aufgaben im Wirtschaftsschutz. Schwerpunkt ist hier, neben der Prävention, die Abwehr elektronischer Angriffe, die seit Juli 2013 vom Cyber-Allianz-Zentrum Bayern (CAZ) wahrgenommen wird. Das wirksamste Mittel gegen elektronische Angriffe ist der Aufbau hinreichender Schutzsstrukturen vor Cyberangriffen. Neben Spionageaktivitäten bemühen sich einige Länder darum, in den Besitz von Technologien für atomare, biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen mit den erforderlichen Trägersystemen zu gelangen (Proliferation). 260 > Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 1. SPIONAGEAKTIVITÄTEN AUSLÄNDISCHER NACHRICHTENDIENSTE Viele ausländische Nachrichtendienste arbeiten getarnt in Deutschland. Unter dem Deckmantel einer offiziellen (z. B. Botschaft oder Generalkonsulat) oder halboffiziellen (z. B. Presseagentur) Vertretung unterhalten sie Legalresidenturen. Dort tarLegalresidenturen nen die Nachrichtendienste ihre Mitarbeiter z. B. als Diplomaten oder Journalisten, die entweder Informationen selbst beschaffen oder nachrichtendienstliche Operationen unterstützen, die direkt aus den Heimatländern geführt werden. Zu den Aufgaben der ausländischen Nachrichtendienstmitarbeiter gehört es auch, z. B. Messen oder Vortragsveranstaltungen zu besuchen. Dabei knüpfen sie Kontakte zu zahlreichen Gesprächspartnern mit dem Ziel, Informationen möglichst längerfristig abzuschöpfen. Gegenstand dieser Spionageaktivitäten können z. B. im Inland aufhältliche Oppositionelle sein, aber auch die gezielte Desinformation der deutschen Öffentlichkeit. Beschaffungsmethoden fremder Nachrichtendienste Offene Beschaffung Konspirative Beschaffung - Auswertung offener Quellen - Einsatz menschlicher Quellen - Gesprächsabschöpfung - Einsatz technischer Mittel - Teilnahme am Wirtschaftsleben - Umgehung von Ausfuhrbeschränkungen So hat anlässlich der 53. Sicherheitskonferenz im Februar in München der Leiter des türkischen Nachrichtendienstes MIT Aktivitäten des MIT eine Ausarbeitung zu den Aktivitäten der "Gülen-Bewegung" in in Deutschland Deutschland an den Bundesnachrichtendienst übergeben. Sie umfasst bundesweit 358 Personen und 241 Einrichtungen, die der "Gülen-Bewegung" angehören oder diese unterstützen sollen und von den türkischen Sicherheitsbehörden als Staatsfeinde bzw. Terroristen betrachtet werden. Weitere ähnliche Listen wurden bekannt. Die betroffenen Personen und Einrichtungen in Bayern wurden zeitnah durch die Sicherheitsbehörden sensibilisiert. Die "Gülen-Bewegung" unterliegt nicht der Beobachtung durch die deutschen Verfassungsschutzbehörden. Zwei in Bayern lebende Angehörige einer auf der "MIT-Liste" genannten Person reisten in den Osterferien in die Türkei. Es handelt sich um die Ehefrau und den gemeinsamen minderjährigen Sohn. Beide sind im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit, der Sohn besitzt zusätzlich auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Von den türkischen Sicherheitsbehörden wurden sie nach ihrer Ankunft am Flughafen in Gewahrsam genommen und > Inhaltsverzeichnis 261 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ befragt. Der Reisepass der Ehefrau wurde für ungültig erklärt. Da eine Rückkehr derzeit nicht absehbar ist, wurde für den Sohn der Schulbesuch in der Türkei organisiert. Die zuständige Polizeidienststelle hatte mit dem Ehemann bzgl. seiner Nennung in der "MIT-Liste" vor Antritt der Reise ein Sensibilisierungsgespräch geführt. Es ist anzunehmen, dass der Passentzug bei der Ehefrau im Zusammenhang mit der Nennung des Ehemannes in der "MIT-Liste" steht. In der Vergangenheit war in sozialen Netzwerken, Foren und den Kommentarbereichen von Online-Medien wiederholt eine auffällige Häufung einseitig prorussischer Positionen feststellbar. Es ist davon auszugehen, dass russische Nachrichtendienste Internetnutzer dafür bezahlen, anonym negative Kommentare über die deutsche Russlandpolitik zu verbreiten. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat einen Film produziert, mit dem insbesondere jüngere Internetnutzer für die Gefahren durch Desinformation und Manipulation in sozialen Netzwerken sensibilisiert werden sollen. Unter dem Titel "10 Tipps, wie du dich nicht verarschen lässt von Extremisten, Trollen und Spionen in Social Media" gibt der Film konkrete Empfehlungen, worauf man in sozialen Netzwerken achten sollte, um Manipulationsversuche durch Fake News, Informationsfilm des Social Bots oder Trolle zu erkennen. Der Film wurde über die BayLfV YouTubeund Facebook-Kanäle der Bayerischen Staatsregierung und der Bayerischen Polizei auf Facebook und Twitter verbreitet und bis Ende 2017 mehr als 100.000-mal aufgerufen. 1.1 Russische Föderation Aufgabe russischer Nachrichtendienste ist es, neben den politischen auch die wirtschaftlichen Interessen Russlands weltweit voranzutreiben. Die russische Wirtschaft profitiert in erheblichem Maß davon, dass alle russischen Nachrichtendienste gesetzlich dazu verpflichtet sind, Wirtschaftsspionage zu betreiben. Russland setzt vor allem drei Nachrichtendienste ein. Ziviler Auslandsnachrichtendienst (SWR) Der SWR ist zuständig für Spionage in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie. Darüber hinaus forscht er Ziele und Arbeitsmethoden westlicher Nachrichtendienste und 262 > Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Sicherheitsbehörden aus und bedient sich dazu auch der elektronischen Fernmeldeaufklärung. Zur Informationsbeschaffung setzt der SWR sog. Illegale ein, d. h. Nachrichtendienstoffiziere, die unter Verwendung falscher Identitäten langfristig in die Zielländer eingeschleust werden und dort möglichst unauffällig am sozialen Leben teilnehmen. Inlandsnachrichtendienst (FSB) Hauptaufgaben des FSB sind die zivile und militärische Spionageabwehr. Hierzu verfügt der FSB über umfangreiche Befugnisse. Auch ausländische Staatsangehörige können in das Blickfeld des FSB geraten und gezielt überwacht werden, wenn sie in Russland Internet oder Telefon nutzen. Der FSB hat Zugriff auf den Datenverkehr, der über russische Provider abgewickelt wird, und Zugang zu Datenbanken russischer Telefongesellschaften. Militärischer Auslandsnachrichtendienst (GRU) Der GRU hat die Aufgabe, das gesamte sicherheitspolitische und militärische Spektrum aufzuklären. Dazu spioniert er Bundeswehr, NATO und andere westliche Verteidigungsstrukturen genauso wie militärisch nutzbare Technologien aus. 1.2 Volksrepublik China Die "Kommunistische Partei Chinas" (KPC) setzt zur Stabilisierung ihres Machtanspruchs gezielt den umfangreichen Sicherheitsapparat ein. Die Nachrichtendienste sollen einen Beitrag für den Erhalt der sozialen Stabilität leisten und gleichzeitig wirtschaftliche Interessen fördern. Zur Beschaffung von Spitzentechnologie aus dem Westen setzt China auf groß angelegte Spionage in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie. Chinesische Nachrichtendienste versuchen, am Hochtechnologiestandort Bayern entsprechendes Know-how insbesondere aus den Bereichen erneuerbare Energien, Elektromobilität, Umwelttechnik sowie Informationsund Militärtechnologie zu beschaffen. Hierfür nutzen sie in erster Linie Kontakte zu Vertretern von Behörden und Unternehmen oder Wissenschaftlern, um an sensible Informationen zu gelangen. Neben Nachrichtendienstmitarbeitern an Legalresidenturen setzt China zur Informationsbeschaffung auch in Deutschland lebende Chinesen ein, die sich hier als Ingenieure, Gastwissenschaftler, Praktikanten oder Studenten aufhalten. Für die Anwerbung und Abschöpfung nutzt China die Kontakte von Visumsantragstellern > Inhaltsverzeichnis 263 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ zu Botschaften und Konsulaten oder deren Aufenthalt im Heimatland, beispielsweise zu Verwandtschaftsbesuchen. Außerdem werden deutsche Geschäftsreisende in China intensiv überwacht, insbesondere bei der Nutzung von Telefon und Internet. Dabei werden mitgeführte elektronische Datenträger offen oder verdeckt ausgespäht. Durch die Auswertung der elektronischen Datenträger gewinnen die Nachrichtendienste Erkenntnisse, die sie als Druckmittel einsetzen können, um westliche Geschäftsreisende zur Zusammenarbeit zu bewegen. Chinesische Nachrichtendienste entwickeln Spionageaktivitäten nicht nur aus diplomatischen Einrichtungen heraus oder durch reisende Nachrichtendienstoffiziere, die in Deutschland oder im benachbarten Ausland Treffen mit ihren Agenten durchführen. Anwerbeversuche Ansprachen und Anwerbeversuchen sind deutsche Staatsangehörige in verstärktem Maße auch in China selbst ausgesetzt. Gegenüber Bundesbürgern, die sich dort aus beruflichen Gründen aufhalten, verhalten sich chinesische Nachrichtendienstangehörige teils offensiv und versuchen unter Verwendung kompromittierenden Materials, eine Zusammenarbeit zu erzwingen. Über die Gefahren für Geschäftsreisende klärt der Flyer "Geschäftsreisen ins Ausland" des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz auf. Zur Verschleierung des nachrichtendienstlichen Hintergrunds der Ansprache werden gelegentlich auch wissenschaftliche Einrichtungen oder sogenannte Thinktanks als Abdeckung genutzt. Nachrichtendienstlichen Anwerbeversuchen sehen sich dabei sowohl Mitarbeiter bayerischer Hochtechnologieunternehmen wie auch Mitarbeiter internationaler Einrichtungen ausgesetzt. Der Aufstieg Chinas zu einem selbstbewussten Akteur in der internationalen Politik geht Hand in Hand mit intensivierten Aufklärungsbemühungen gegenüber interund supranationalen Organisationen, die in China vor Ort sind. Seit etwa zwei Jahren mehren sich bei den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, aber auch bei westlichen Anwerbung in Partnerdiensten Hinweise auf eine Häufung von Rekrutierungssozialen Medien versuchen chinesischer Nachrichtendienste in sozialen Netzwerken wie Facebook, LinkedIn und Xing. Die chinesischen Nachrichtendienste machen es sich zunutze, dass in sozialen Medien viele Details zu Biografie, Ausbildung, beruflichem Werdegang und privaten und beruflichen Netzwerken preisgegeben werden. Mittels Fake-Profilen versuchen die chinesischen Nachrichtendienste, nachrichtendienstlich interessante Personen als Quellen zu gewinnen. Im Fokus sind insbesondere Personen, die in ihrer Tätigkeit mit China oder für China wichtigen Themen befasst sind (Außenpolitik, EU, Uiguren, Tibet, Terrorismus etc.) und 264 > Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 schon in China waren und/oder die chinesische Sprache beherrschen. Bei mehr als 10.000 deutschen Staatsangehörigen ist es zu derartigen Kontaktversuchen gekommen. Im Fake-Profil tarnen sich die chinesischen Nachrichtendienste Tarnung über als Mitarbeiter von "Thinktanks", als Wissenschaftler oder AnThinktanks oder gehörige chinesischer Behörden. Manchmal treten sie auch als Consulting-Firmen Headhunter oder Manager einer Consulting-Firma auf. In der Kommunikation geben sie vor, sich für das jeweilige Arbeitsgebiet zu interessieren, und zeigen Interesse am Austausch von Informationen. Oftmals wird suggeriert, dass ein "wichtiger Kunde" in China Interesse an Analysen aus dem Arbeitsgebiet habe. Zeigt die betroffene Person Interesse, verläuft die weitere nachrichtendienstliche Anbahnung typisch: Die chinesische Kontaktperson bittet um einen Lebenslauf und eine Probearbeit, für die bezahlt wird. Bei Zufriedenheit mit der Arbeit erfolgt dann eine Einladung nach China, um sich vor Ort angeblich mit dem "wichtigen Kunden", der nicht namentlich benannt wird, zu treffen. Alle Kosten werden von der chinesischen Seite übernommen. Besteht der Kontakt weiter, wird die Person aufgefordert, gegen Bezahlung Berichte zu verfassen oder interne, sensible Informationen aus dem Arbeitsbereich weiterzugeben. Ziel der Präventionsarbeit der Verfassungsschutzbehörden ist es, potenzielle Zielpersonen der chinesischen Nachrichtendienste zu sensibilisieren und die Geheimschutzbeauftragten der Unternehmen auf das Phänomen hinzuweisen. Auch in Bayern wurden mehrere Sensibilisierungsgespräche in den Bereichen Wirtschaft und Staatsverwaltung geführt. Ein weiterer Schwerpunkt chinesischer Nachrichtendienste ist Ausforschung von die nachdrückliche Bekämpfung oppositioneller Kräfte, von deOppositionellen nen die Regierung eine Gefährdung der staatlichen Ordnung befürchtet. Die innere Einheit des Staates und seine territoriale Integrität sieht die Staatsführung insbesondere durch die sog. "Fünf Gifte" bedroht. Zu diesen gehören die Angehörigen der Meditationsbewegung "Falun Gong" und Mitglieder der Demokratiebewegung. Auch die Befürworter einer Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie die nach Unabhängigkeit strebenden Volksgruppen der Tibeter und Uiguren werden hierzu gezählt. In München ist mit dem "World Uyghur Congress" (WUC) die bedeutendste Organisation der Uiguren im Ausland ansässig. Ministerium für Staatssicherheit (MSS) Das chinesische MSS ist der weltweit größte zivile Inund Auslandsdienst. Hauptaufgabe des MSS ist die Auslandsspionage, > Inhaltsverzeichnis 265 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ in Deutschland bemüht es sich um die Informationsbeschaffung aus Wirtschaft und Politik und späht chinesische oppositionelle Gruppierungen aus. Militärischer Nachrichtendienst (MID) Die chinesischen Nachrichtendienste unterstützen das langfristig angelegte Programm Chinas zur Steigerung der militärischen Leistungsfähigkeit der Volksbefreiungsarmee. Aufgabe des MID ist es, weltweit Informationen, die die äußere Sicherheit der Volksrepublik betreffen, sowie technologisches Know-how für militärische Zwecke zu beschaffen. Zusammen mit anderen chinesischen Nachrichtendiensten bekämpft er Oppositionelle und separatistische Bewegungen im Inund Ausland. Die 2016 begonnene Strukturreform der chinesischen Volksbefreiungsarmee zeigt bereits Wirkung. Die hiermit verbundenen Änderungen führen zu verstärkten Aktivitäten des chinesischen Militärs im Bereich der elektronischen Spionage. Durch die Konsolidierung der chinesischen Cybereinheiten ist mit einer weiteren Professionalisierung elektronischer Angriffe sowie einer verbesserten Methodik zur Tarnung nachrichtendienstlicher Spionage-Operationen zu rechnen. 2. PROLIFERATION Proliferation ist die unerlaubte Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows. Die Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Verbreitung stellt eine ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Es ist zu befürchten, dass proliferationsrelevante Staaten Massenvernichtungswaffen im Fall eines bewaffneten Konflikts einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. Beschaffungsbemühungen/Gründung von Tarnfirmen Sog. Risikostaaten wie Iran, Nordkorea, Syrien und Pakistan sind bemüht, ihr konventionelles Waffenarsenal durch die Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu ergänzen. Um sich das dafür notwendige Know-how und entsprechende Bauteile zu beschaffen, versuchen diese Staaten, Geschäftskontakte zu Unternehmen in den hochtechnologisierten Ländern wie Deutschland herzustellen. 266 > Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Zwischen der internationalen Staatengemeinschaft und dem Iran wurden die Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm am 14. Juli 2015 mit der Verabschiedung des "Joint Comprehensive Plan of Action" abgeschlossen. Der Iran stimmte darin erheblichen Beschränkungen und Kontrollen seines Nuklearprogramms zu. Im Gegenzug wurde vereinbart, die wegen des Nuklearprogramms verhängten Sanktionen schrittweise aufzuheben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachten weiterhin, ob der Iran die im Juli 2015 geschlossene Vereinbarung konsequent und nachhaltig einhält. Die strenge Gesetzgebung und die wirksamen Exportkontrollen in Deutschland setzen der Beschaffung einschlägiger Güter hohe Hürden. Risikostaaten verändern deshalb ständig ihre Beschaffungsmethoden, um geltende Exportkontrollverfahren zu umgehen und deutsche Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen zu täuschen. Dazu gründen sie in Deutschland häufig Tarnfirmen, versenden die Produkte über unkritische Drittländer oder machen falsche Angaben gegenüber dem Hersteller oder Händler. So minimieren sie das Risiko, dass die illegale Ausfuhr aufgedeckt wird, und umgehen die Verhängung eines Ausfuhrverbotes. Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit der Wirtschaft Bayern ist als Hochtechnologiestandort weltweit führend. Die Beschaffungsbemühungen der Proliferationsstaaten richten sich Zielgruppe insbesondere auf mittelständische Unternehmen und Universimittelständische täten. Um Proliferation zu verhindern, arbeitet das Bayerische Unternehmen und Landesamt für Verfassungsschutz daher eng mit Wirtschaft und Wissenschaft Wissenschaft zusammen. Es informiert in Vorträgen und Sensibilisierungsgesprächen proliferationsgefährdete Unternehmen über die Gefahren einer möglichen Weitergabe von kritischen Technologien und unterstützt mit individuellen Maßnahmen bei Verdachtsfällen. Dadurch konnten bereits verschiedene Beschaffungsbemühungen unterbunden werden. Eine in Bayern ansässige Firma, zu der seit mehreren Jahren ein vertrauensvoller Kontakt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz besteht, meldete eine unseriöse Geschäftsanbahnung: Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen versuchte, mit der Firma einen Geschäftskontakt aufzubauen. Es wurde der Eindruck erweckt, es handle sich um ein "Inlandsgeschäft". Die tatsächlichen "Geschäftspartner" waren jedoch in Pakistan Proliferationsversuch angesiedelt und versuchten von dort aus, über die Tarnfirma in aus Pakistan Deutschland an proliferationsrelevante Technik zu gelangen. Die Technik sollte nachweislich von Deutschland aus über China nach > Inhaltsverzeichnis 267 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Pakistan verbracht werden. Die angefragten Produkte waren ausschließlich für den Betrieb und Einsatz in der Urananreicherung konzipiert. Durch das frühzeitige Erkennen und die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Sicherheitsbehörden konnten eine Ausfuhr der nachgefragten Produkte unterbunden und der Einsatz im pakistanischen Atomprogramm verhindert werden. Der Verfassungsschutz registriert immer wieder Fälle, in denen Risikostaaten eine internationale Zusammenarbeit im Bereich von Wissenschaft und Forschung zu missbrauchen versuchen, um sich proliferationsrelevantes Know-how zu verschaffen. DaDie Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern bei stehen vor allem Universitäten, Hochschulen, wissenschaftliProliferation che Institute, Forschungsgesellschaften sowie Forschungsabteilungen und Schulungsbereiche der Industrie im Fokus. Um für das Thema Proliferation zu sensibilisieren, stellen die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern die Broschüre Wir haben "Proliferation - Wir haben Verantwortung" zur Verfügung, die Verantwortung sich insbesondere an Unternehmen richtet, die proliferationsProliferation 1 relevante Produkte herstellen. 3. WIRTSCHAFTSSCHUTZ Spionage verursacht in Deutschland jährlich einen Schaden in Milliardenhöhe. Nach wie vor sind sich nicht alle Unternehmen dieser Gefahr bewusst. Im Rahmen der Spionageabwehr ist es dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz daher besonders wichtig, bayerische Unternehmen sowie Hochschulen zu informieren, zu sensibilisieren und zu beraten. Es bietet rund um die Themen Proliferation, Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage kostenfreie Serviceleistungen an, von vertraulichen Gesprächen in Firmen und Hochschulen bis hin zu Vorträgen anlässlich fachspezifischer Informationsveranstaltungen. Basis dieser Präventionsarbeit ist der Aufbau und die Pflege einer vertraulichen Sicherheitspartnerschaft, die einen Austausch sensibler Unternehmensinformationen ermöglicht. Im Jahr 2017 kamen viele Unternehmen mit Sachverhalten auf das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz zu, die in die Schädigung von Kategorie des sogenannten "CEO-Fraud" (auch "Chef-Betrug" Unternehmen durch bzw. "Fake-President") fallen. Der Wirtschaftsschutz steht CEO-Fraud aufgrund seiner "vertraulichen Sicherheitspartnerschaft" mit den Unternehmen auch als Ansprechpartner für Themen zur Verfügung, bei denen nicht sofort erkennbar ist, ob es sich um nachrichtendienstliche oder um kriminelle Aktivitäten handelt. Soweit ein Sachverhalt als kriminelle Aktivität identifizierbar ist, 268 > Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 wird auf die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden verwiesen. Beim sogenannten "CEO-Fraud" versenden Betrüger E-Mails an Mitarbeiter aus der Finanzabteilung oder Buchhaltung eines Unternehmens, in denen der Eindruck erweckt wird, der Geschäftsführer oder Vorstand ("CEO") sei der Absender. Die Mitarbeiter werden aufgefordert, eine geheime Finanztransaktion durchzuführen, um ein "wichtiges Geschäft" zu tätigen, von dem niemand Bescheid wissen dürfe. Ziel ist, dadurch zur Überweisung hoher Geldbeträge zu motivieren, die letzten Endes auf dem Konto der Betrüger landen. Der Wirtschaftsschutz hat im Februar - basierend auf dem vertraulichen Hinweis eines Unternehmens - eine Warnmeldung zu dieser Thematik herausgeben. Viele Unternehmen konnten sich dadurch frühzeitig gegen Angriffe schützen. Seit 2010 besteht die "Initiative Wirtschaftsschutz" des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie. Im Rahmen dieses gemeinsamen Engagements unter dem Motto "Wirtschaftsschutz ist Wirtschaftsförderung" konnten im Jahr 2017 mehrere Informationsveranstaltungen zu den Themen Wirtschaftsschutz und elektronische Angriffe durchgeführt werden. Auf der Computerfachmesse CeBIT in Hannover und der IT-Sicherheitsmesse it-sa in Nürnberg waren die Fachbereiche Wirtschaftsschutz und Cyber-Allianz-Zentrum Bayern (CAZ) im Rahmen der Initiative Wirtschaftsschutz mit einem Infostand vertreten. Das Informationsportal www.wirtschaftsschutz.bayern.de wird vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz ebenfalls im Rahmen dieser Initiative betrieben. Der Besucher betritt dort ein virtuelles Unternehmen, in dem er das gesamte Beratungsangebot, Ansprechpartner sowie Publikationen und Links rund um das Thema Know-how-Schutz und elektronische Angriffe > Inhaltsverzeichnis 269 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ findet. Das Portal richtet sich insbesondere an Mitarbeiter, Sicherheitsoder IT-Verantwortliche und Führungskräfte bayerischer Unternehmen und eignet sich auch zur firmeninternen Sensibilisierung. Unternehmen, die im Zusammenhang mit Aufträgen des Bundes oder eines Landes Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Informationen (Verschlusssachen) haben, unterliegen der sog. Geheimschutz "Geheimschutzbetreuung". Diese stellt den einheitlichen Schutz von Verschlusssachen auch in Wirtschaftsunternehmen sicher. Ansprechpartner für alle geheimschutzbetreuten Unternehmen, die ihren Sitz in Bayern haben, ist das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz. Ziel der Geheimschutzbetreuung ist es, nicht nur nachrichtendienstliche Angriffe zu erkennen und abzuwehren, sondern ihnen durch gezielte Maßnahmen präventiv entgegenzuwirken. Die Kontakte zu geheimschutzbetreuten Unternehmen sind ein wertvolles Netzwerk für die präventive Spionageabwehr. In mehreren Fällen ist es bereits gelungen, durch Hinweise geheimschutzbetreuter Unternehmen elektronische Angriffsmuster zu erkennen. Dadurch konnten andere möglicherweise ebenfalls betroffene Unternehmen frühzeitig informiert werden. 4. CYBER-ALLIANZ-ZENTRUM BAYERN (CAZ) Die IT-Vernetzung der Gesellschaft nimmt immer weiter zu. Elektronische Angriffe werden für fremde Nachrichtendienste dadurch immer attraktiver: Sie sind relativ einfach und kostengünstig zu realisieren, bergen ein geringes Entdeckungsrisiko und haben eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit. Seit dem 1. Juli 2013 unterstützt das CAZ im Bayerischen LanElektronischer Angriff? Cyber-Allianz-Zentrum Bayern! desamt für Verfassungsschutz Unternehmen sowie Betreiber kritischer Infrastruktur (KRITIS) bei der Prävention und Abwehr elektronischer Angriffe. Elektronische Angriffe sind gezielte Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen zur Informationsbeschaffung (Cyberspionage) oder Schädigung (Cybersabotage). Sie können sowohl über das Internet als auch über manipulierte Datenträger erfolgen. Den Angriffen geht häufig ein "social engineering", insbesondere in sozialen Netzwerken, voraus. Dabei werden mögliche Opfer ausgeforscht, dann geeignete Personen ausgewählt und schließlich gezielt angegriffen, um auf diesem Weg an sensible Informationen oder direkt in das Netzwerk eines Unternehmens zu gelangen. 270 > Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Bei konkreten Vorfällen berät das CAZ gemeinsam mit den betroffenen Wirtschaftsunternehmen vertraulich über das weitere Vorgehen. Die Ergebnisse werden im CAZ gesammelt und intern weiterverarbeitet; neben dem betroffenen Unternehmen erhalten auch andere möglicherweise von einem ähnlichen Angriff betroffene Unternehmen Informationen zu den erkannten Angriffsmustern - selbstverständlich in anonymisierter Form. Dadurch können Schutzmechanismen optimiert und Angriffe wirksam abgewehrt werden. Diese Warnmeldungen werden von bayerischen Unternehmen sowie auch zunehmend von solchen außerhalb Bayerns verstärkt nachgefragt. Das CAZ gliedert sich in die drei Säulen: - forensisch-technische Analyse - nachrichtendienstliche Bewertung - Kommunikation und Netzwerkbildung. Von der Wirtschaft gemeldete Vorfälle, bei denen es Anhaltspunkte für einen gezielten Angriff gibt, werden zunächst aus forensisch-technischer Sicht bewertet. Gleiches gilt für gezielte Angriffe auf staatliche Stellen, die ebenfalls im CAZ analysiert werden. Die technischen Ergebnisse der Analysen fließen weiter in die zweite Säule des CAZ, in der eine nachrichtendienstliche Bewertung stattfindet. Um die Kontakte in die Wirtschaft weiter auszubauen, wurde die Säule Kommunikation im Jahr 2017 personell verstärkt. Ein Thema, das Unternehmen und Behörden in Bayern im Jahr 2017 in besonderer Weise beschäftigte, waren die weltweiten Großflächige Cyberangriffe "WannaCry" und "Petya/Non-Petya", die laut Cyberangriffe durch Erkenntnissen internationaler Nachrichtendienste mutmaßlich "WannaCry" und einen nachrichtendienstlichen Hintergrund haben. Die Erpres"Petya/Non-Petya" ser sperrten Computersysteme und forderten von ihren Opfern Bitcoins, damit die Computersysteme wieder freigeschaltet wurden. Diese aus der Cyberkriminalität bekannte Form der Erpressung nutzt als Schwachstelle entweder die Nutzer selbst, die infizierte Mailanhänge anklicken, oder Sicherheitslücken in Windows-Systemen, die schon lange bekannt waren und für die es bereits vor dem Angriff ein Sicherheits-Patch gegeben hatte. Wären diese Patches zeitnah eingespielt worden, hätten die Angriffe vermieden werden können. Ausländische Nachrichtendienste passen ihre Instrumente immer wieder an aktuelle technische und gesellschaftliche Entwicklungen an, um mit möglichst geringem Aufwand einen maximalen Effekt zu erzielen. Zunehmend setzen sie Werkzeuge > Inhaltsverzeichnis 271 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ und Angriffsmethoden ein, die aus der Cyberkriminalität bekannt sind, und zwar sowohl mit dem Ziel der Spionage als auch der Sabotage. Die Werkzeuge der Cyberkriminellen sind bereits technisch entwickelt und damit kostengünstig. Zudem tragen sie zur Verschleierung nachrichtendienstlicher Aktivitäten bei, weil die Angriffsmuster zunächst nicht auf einen nachrichtendienstlichen Hintergrund schließen lassen. Insbesondere die Nachrichtendienste Chinas und Russlands bedienen sich mutmaßlich solcher Praktiken. Umfangreiche Hintergrundermittlungen zur mutmaßlichen iraHacker-Gruppe nischen Hacker-Gruppe "OILRIG/CLEAVER" durch das CAZ OILRIG/CLEAVER ermöglichten die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens beim Generalbundesanwalt. Die seit mehreren Jahren bekannte Gruppierung wird für eine gezielte Angriffskampagne im Auftrag eines mutmaßlich iranischen Nachrichtendienstes gegen Deutschland mit dem Ziel der Spionage verantwortlich gemacht. Zu den Angriffszielen zählen bislang Regierungseinrichtungen und internationale Industrieunternehmen aus den Branchen Hightech, Luftfahrt, Energie und Verteidigung weltweit. Zur Erfüllung seiner Aufgaben arbeitet das CAZ eng mit weiteren Einrichtungen zusammen. Auf Bundesebene sind das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wichtige Partner. Das CAZ gehört seit seiner Gründung als "Institution im besonderen staatlichen Interesse" (INSI) der "Nationalen Allianz für CyberSicherheit" an und ist damit Bestandteil der deutschen Sicherheitsarchitektur. Auf Landesebene ist das CAZ ein wichtiger Baustein der "Initiative Cybersicherheit", die 2013 im Rahmen der Bayerischen Cybersicherheitsstrategie ins Leben gerufen wurde. Weitere institutionelle Säulen der "Initiative Cybersicherheit" sind das Sachgebiet Cybersicherheit beim Bayerischen Staatsministerium des Innern und für Integration sowie das Dezernat 54 - Cybercrime im Bayerischen Landeskriminalamt. Das CAZ unterhält Kontakte zu den Cybercrime-Schwerpunktdienststellen München und Nürnberg. Außerdem findet ein Austausch mit dem "Computer Emergency Response Team" (Bayern-CERT) bzw. dem zum 1.12.2017 neu gegründeten Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) statt, das den Teilnehmern des Bayerischen Behördennetzes als zentrale 272 > Inhaltsverzeichnis Spionageabwehr, Wirtschaftsschutz, CAZ Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Anlaufstelle bei akuten Sicherheitsproblemen dient. Eine enge Zusammenarbeit verbindet das CAZ mit den Industrieund Handelskammern (IHK) sowie mit den Wirtschaftsverbänden. Auch in den Hochschulund Forschungsbereich bestehen vielfältige Kontakte. Wirtschaftsschutz und Cyber-Allianz-Zentrum Bayern Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz Knorrstraße 139, 80937 München E-Mail: caz@lfv.bayern.de www.verfassungsschutz.bayern.de Telefon: 089/31201 222 E-Mail: wirtschaftsschutz@lfv.bayern.de www.wirtschaftsschutz.bayern.de Telefon: 089/31201 500 Die Broschüre "Bayern im Netz - aber sicher!" des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration sensibilisiert Bürger und Unternehmen über die Risiken im Cyberraum, wirbt für Maßnahmen zum Selbstschutz und informiert über die wichtigsten Ansprechpartner. > Inhaltsverzeichnis 273 Organisierte Kriminalität (OK) Organisierte Kriminalität (OK) Stagnierendes Personenpotenzial bei rockerähnlichen Gruppierungen "Kuttenverbot" zeigt Wirkung im Bereich der Rockerkriminalität Zurückhaltung klassischer OMCGs bei öffentlichkeitswirksamen Gewalttaten 274 > Inhaltsverzeichnis Organisierte Kriminalität Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Organisierte Kriminalität (OK) liegt vor, wenn mehrere Personen planmäßig erhebliche Straftaten begehen, um Gewinne zu erzielen oder Macht zu erlangen. Dazu wenden sie Gewalt an, nutzen geschäftsähnliche Strukturen oder versuchen, Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft zu manipulieren (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz). Durch die OK wird allein in Deutschland seit Jahren ein Schaden in Milliardenhöhe verursacht. Drahtzieher der OK bedrohen die Grundlagen unserer Gesellschaft, indem sie die Macht einer kriminellen Organisation durch Gewalt, Geld und massive Einflussnahme durchsetzen wollen. In Bayern ist seit 1994 der Verfassungsschutz für die Beobachtung der OK zuständig, um deren Aktivitäten bereits in einem früheren Stadium zu beobachten, als dies durch Polizei und Staatsanwaltschaft möglich ist. Dadurch wurde eine wichtige Lücke im Kampf gegen die OK geschlossen. Personen, die der OK angehören oder sich in deren Umfeld bewegen, verhalten sich unauffällig und konspirativ. Die Aufklärung dieser Strukturen setzt daher eine systematische und langfristig angelegte Beobachtung voraus. Um möglichst schon im Vorfeld von Straftaten an das entscheidende "Insiderwissen" zu gelangen, können erforderlichenfalls nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden. Strukturermittlungen schaffen Grundlagen für polizeiliche Verfahren und können laufende Ermittlungen unterstützen. > Inhaltsverzeichnis 275 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Organisierte Kriminalität Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz arbeitet eng mit den OK-Dienststellen der Polizei zusammen und kooperiert aufgrund der international vernetzten OK-Strukturen mit Sicherheitsbehörden über Landesbzw. Staatsgrenzen hinweg. Innerhalb einer Arbeitsgruppe der europäischen Inlandsnachrichtendienste hat Bayern die Koordinierungsfunktion für Deutschland und ist zentraler Ansprechpartner für ausländische Nachrichtendienste. 276 > Inhaltsverzeichnis Organisierte Kriminalität Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 1. ROCKERKRIMINALITÄT Rockerkriminalität umfasst alle Straftaten von einzelnen oder mehreren Mitgliedern einer Rockergruppe, deren Tatmotivation im direkten Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe und der Solidarität zu ihr zu sehen ist. 1.1 Allgemeines Mit der von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden eingeführten Bezeichnung "Outlaw Motorcycle Gang" (OMCG) "Outlaw Motorcycle werden weltweit die polizeilich bedeutsamen RockergruppieGangs" (OMCG) rungen von der breiten Masse der Motorradclubs (MCs) abgeund rockerähnliche grenzt, die zwar im Einzelfall auch kriminelle Aktivitäten verfolGruppierungen gen können, diese aber nicht als Hauptmotivation ihrer Existenz verstehen. Neben der Betätigung auf verschiedenen Feldern der OK stellen gemeinsame Motorradausfahrten nach wie vor einen wichtigen Bestandteil des Clublebens in OMCGs dar. Diese Ausfahrten - sogenannte "Rides" - führen teils über Landesgrenzen hinweg und dienen somit auch der internationalen Vernetzung der Clubs. Aktuell werden deutschlandweit der "Hells Angels MC", "Bandidos MC", "Outlaws MC", "Gremium MC", "Mongols MC" und der "Rock Machine MC" den OMCGs zugeordnet. In Bayern tritt zudem der "Trust MC" auf. Die deutschen Teilorganisationen des hauptsächlich in den Niederlanden und den angrenzenden deutschen Bundesländern, aber auch in Bayern vertretenen "Satudarah Maluku MC" wurden vom Bundesministerium des Innern Anfang 2015 deutschlandweit verboten. > Inhaltsverzeichnis 277 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Organisierte Kriminalität Neben den OMCGs drängen bundesweit Gruppierungen wie die "United Tribuns", der "Osmanen Germania BC" und die "Black Jackets" in die Betätigungsfelder der etablierten Clubs. Sie ähneln den klassischen Rockergruppierungen in ihrem martialischen Auftreten, der strengen Hierarchie und dem abgeschotteten Gruppenverhalten. Motorräder spielen für rockerähnliche Gruppierungen zumeist keine oder nur eine untergeordnete Rolle. "1-Prozenter" Die OMCGs bezeichnen sich selbst als "1-Prozenter". Darunter versteht man Biker (Motorradfahrer), die sich selbst als "Outlaws" (Gesetzlose) sehen und das bestehende Rechtssystem ablehnen. Auch in Bayern begehen Mitglieder dieser OMCGs typische OK-Delikte wie Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung. "Colour" Unter dem "Colour" wird das von den jeweiligen Gruppierungen getragene Rückenabzeichen verstanden, das sich in drei Teile aufgliedert. Über dem Club-Logo, das mittig angebracht ist, befindet sich der "Top-Rocker", der Name der Gruppierung. Der "Bottom-Rocker", der Ort oder die Region, wo die Gruppierung zu finden ist, befindet sich am unteren Ende. "Chapter/Charter" Die jeweiligen Ortsgruppen werden von OMCGs und rockerähnlichen Gruppierungen in der Regel als "Chapter" bezeichnet, nur die "Hells Angels" sprechen von "Chartern". Derzeit werden ca. 1.600 Personen in Bayern den OMCGs sowie rockerähnlichen Gruppierungen zugerechnet (2016: 1.600 Personen). Bei rockerähnlichen Gruppierungen können innerSchwankendes halb kurzer Zeiträume die Mitgliederzahlen großen SchwanPersonenpotenzial kungen unterliegen. Im Vergleich zu den Vorjahren ist in Bayern aktuell eine rückläufige Tendenz festzustellen. Weiterhin ist in rockerähnlichen Gruppierungen ein hoher Anteil an jungen Männern mit Migrationshintergrund aus der Freefight-, Boxsportund Bodybuildingszene zu verzeichnen. 278 > Inhaltsverzeichnis Organisierte Kriminalität Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 1.2 Bayerische OMCGs Hells Angels MC In Bayern gibt es derzeit "Hells Angels"-Charter in Hof, Nürnberg und Traunstein sowie drei Charter im Großraum München. Außerdem kam es 2017 zur Neugründung von zwei Chartern im Raum Chiemsee und in Niederbayern. Somit gibt es derzeit acht "Hells Angels MC"-Niederlassungen in Bayern. Als Unterstützergruppierungen (sog. "Supporter") des "Hells Angels MC" sind in Bayern der "Red Devils MC" und der "Blood Red Section MC" aktiv. Charter des "Red Devils MC" bestehen in Ansbach und Lindau. Zudem kam es 2017 zu Neugründungen in München und Traunstein. Der "Hells Angels MC Hof City" kann nach wie vor auf die Unterstützung von neun Chartern des "Blood Red Section MC" zurückgreifen, davon allein sieben im Großraum Hof, eines in Thüringen und eines in Sachsen. Bandidos MC Die "Bandidos" verfügen in Bayern über Chapter in Allersberg, Bad Königshofen, Bamberg, Bogen, Deggendorf, Ingolstadt, München, Nürnberg, Passau und Starnberg. Das Chapter Weiden wurde geschlossen. Alle Chapter haben eigene Supporter-Gruppierungen. Die Chapter Nürnberg und Allersberg werden vom "Zapata MC" unterstützt. Die "Mexican Rebels" sind in Weiden und Starnberg aktiv. Alle anderen Chapter werden vom "Gringos MC" unterstützt. Dessen Chapter sind in München, Starnberg, Pfaffenhofen, Bamberg, Bad Königshofen, Vilshofen, Bogen, Deggendorf, Bad Tölz, Passau und Ulm ansässig. Gremium MC In Bayern gibt es nach der Auflösung des "Gremium MC Bamberg" noch zehn Chapter mit diversen Supporter-Gruppierungen. Chapter bestehen in Amberg, Ansbach, München, Nürnberg, Regensburg, Schweinfurt, Straubing und Würzburg, zwei Chapter sind im Raum Oberfranken aktiv. Die Sektion Deutschland des "Gremium MC" gründete sich 1972 in Mannheim und ist mit derzeit 80 Chaptern bundesweit der älteste und größte OMCG. Auch weltweit zählt der "Gremium MC" zu den größten OMCGs. Oftmals werden für den "Gremium MC" auch der Begriff > Inhaltsverzeichnis 279 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Organisierte Kriminalität "Black Seven" und die Zahl 7 verwendet, da das Wort "Gremium" aus sieben Buchstaben besteht und das "G" der siebte Buchstabe im Alphabet ist. 1.3 Bayerische rockerähnliche Gruppierungen United Tribuns In Bayern existieren derzeit sechs Chapter der "United Tribuns" in den Regionen Augsburg, Ingolstadt, München, Nürnberg, Rosenheim und Ulm/Neu-Ulm. Die Chapter in Würzburg und Passau wurden aufgelöst. Die Auflösung des Chapters Passau ist auf eine gewaltsame Auseinandersetzung mit den "United Tribuns Wien" zurückzuführen. Im Rahmen einer Veranstaltung der Wiener Gruppierung kam es aufgrund von Hierarchiestreitigkeiten zu Tätlichkeiten, in deren Folge das Chapter Passau gesammelt den "United Tribuns"-Verbund verließ und sich in den eigenständigen "Iron Bound MC" umorganisierte. Mittlerweile wurde der Präsident des "Iron Bound MC" (ehemals Chapter Passau) von der österreichischen Polizei wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz festgenommen. International haben die seit 2004 bestehenden "United Tribuns" im Jahr 2017 ihren Expansionswillen untermauert: Mittlerweile bestehen ca. 30 Chapter in vier Ländern (Deutschland, Italien, Österreich und Bosnien-Herzegowina). Zudem bemühen sich die "United Tribuns" um Chapter-Gründungen in den USA, in skandinavischen Ländern und auf der Baleareninsel Mallorca. Der Gründer, ein Ex-Boxer, führt die Gruppe von seinem Heimatland Bosnien aus. Die Mitglieder sind sowohl im Securityund Türsteherbereich als auch im Rotlichtmilieu zu finden. Osmanen Germania Ende 2014 gründete sich in Hessen die rockerähnliche Gruppierung "Osmanen Germania BC". Die meist türkischstämmigen Mitglieder rekrutieren sich hauptsächlich aus der Boxsportszene. Abweichend von anderen Rockergruppierungen spielen Motorräder keine Rolle. Der "Osmanen Germania BC" definiert sich selbst als Boxclub. Betätigungsfeld ist die Türsteher-, Kampfsportund Rotlichtszene. Die politisch-ideologische Ausrichtung des "Osmanen Germania BC" ist als türkisch-nationalistisch zu bewerten. Nach einem starken Anwachsen der Organisation im Jahr 2016 gab es 2017 zahlreiche Auflösungen von Chaptern und deutschlandweit stark rückläufige Mitgliederzahlen. Auch in Bayern setzte sich dieser Trend fort, sodass derzeit nur noch einzelne Mitglieder im Raum Nürnberg und Ansbach zu verzeichnen sind. 280 > Inhaltsverzeichnis Organisierte Kriminalität Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Seit dem Jahr 2016 führt das LKA Hessen ein Ermittlungsverfahren gegen den "Osmanen Germania BC 157" wegen des Verdachts auf Verstöße gegen das Betäubungsmittelund Waffengesetz. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Im Laufe des Jahres 2017 erfolgten mehrere Durchsuchungsaktionen in verschiedenen Bundesländern. 1.4 Auswirkungen des Kuttenverbots Als "Kutte" wird in der Szene die Weste bezeichnet, auf der sich die jeweiligen Erkennungszeichen der Gruppierung befinden. Mit Wirkung vom 16. März ist eine Änderung des Vereinsgesetzes in Kraft getreten, die auch Auswirkungen auf die Bekämpfung der Rockerkriminalität hat. Die Änderung bedeutet in der Praxis, dass bundesweit die Abzeichen von Rockergruppierungen bereits dann nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt werden dürfen, wenn eine lokale Ortsgruppe (sog. Chapter oder Charter) dieser Gruppierung nach dem Vereinsgesetz verboten wurde. In diesen Fällen ist das Verwenden von Kennzeichen in im Wesentlichen gleicher Form in der Öffentlichkeit nun strafbewehrt. Jegliche öffentliche Verwendung dieser charakteristischen wiederzuerkennenden Abzeichen verbotener Rockergruppierungen ist strafbar. "Jegliche Verwendung" umfasst die Nutzung einzelner verbotener Abzeichen auf der Vorderund/oder Rückseite der Kutte, aber auch beispielsweise auf T-Shirts oder in Form von Tätowierungen sowie in jeglicher Anbringungsart auf Aufklebern, Motorrädern, Gebrauchsgegenständen, Grabsteinen, Internetseiten oder Clubhäusern. Die Größe der Abbildung ist dabei unerheblich. Seit Inkrafttreten der Änderung wollten zunächst drei der betroffenen Rockergruppierungen ("Hells Angels MC", "Bandidos MC" und "Gremium MC") in einer konzertierten Aktion alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Um Geschlossenheit zu demonstrieren, besuchten Aktivisten des "Hells Angels MC" und des "Bandidos MC" mit "Kutten" bekleidet im Februar gemeinsam eine Motorradfachmesse in München. Später gingen die Clubs getrennte Wege: Der "Gremium MC" reichte beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen Beschwerde zum die Änderung des Vereinsgesetzes ein. Der "Hells Angels MC" Bundesverfassungsrief zu öffentlichen Protestaktionen (Sternfahrten, Demonstratigericht; onen) auf, hielt sich aber mit rechtlichen Schritten zurück. Der Protestaktionen "Bandidos MC" provozierte durch das Tragen einer "Kutte" eine Anzeige, um im Anschluss alle rechtlichen Möglichkeiten aus- > Inhaltsverzeichnis 281 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Organisierte Kriminalität zuschöpfen. Ab Juli sind die Mitglieder des "Bandidos MC" mit einem neuen Erkennungszeichen auf dem Rücken aufgetreten. Die "Ersatzkutte" enthält die Großbuchstaben BMC in Rot und Gold. Die Mitglieder des "Hells Angels MC" und "Gremium MC" verwenden die jeweiligen Zahlencodes der Clubs ("81" für "Hells Angels MC" und "7" für "Gremium MC") als Erkennungszeichen. Diese fallen nicht unter das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot. 1.5 Gefährdungslage Bund/Bayern Hohes KonfliktpotenDie klassischen OMCGs hielten sich im Jahr 2017 bundesweit zial bei rockerähnlibei öffentlichkeitswirksamen Gewalttaten zurück. Es ist davon chen Gruppierungen, auszugehen, dass insbesondere Vereinsverbote und die VerLageberuhigung bei schärfung des Vereinsgesetzes im März dazu geführt haben. OMCGs Bei den rockerähnlichen Gruppierungen kam es hingegen zu weiteren Konflikten mit hoher Gewaltbereitschaft vor allem in Baden-Württemberg. Im Februar bedrohten in einer Diskothek in Heidenheim etwa 15 Mitglieder der "United Tribuns", bewaffnet mit einer Kettensäge und Baseballschlägern, die anwesenden Gäste. Diese Machtdemonstration sollte der konkurrierenden rockerähnlichen Gruppierung "Black Jackets" die Vormachtstellung der "United Tribuns" vor Augen führen. Hintergrund dieser Aktion dürfte der seit gut einem Jahr andauernde Streit zwischen den beiden Gruppierungen sein, in dessen Rahmen im April 2016 der Vizepräsident der Ulmer "Tribuns" auf offener Straße mit drei Schüssen getötet und dessen Bruder schwer verletzt wurde. Der Täter ist zwischenzeitlich zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt worden. Darüber hinaus wurde gegen die Gruppe wegen möglicher Schutzgelderpressungen gegenüber dem Diskothekenbetreiber ermittelt. Diese Vorfälle zeigen, dass zur Durchsetzung imaginärer Gebietsund Machtansprüche erhebliche Gewaltdelikte begangen und strafprozessuale Folgen (Verurteilung, Haft) billigend in Kauf genommen werden. In Bayern gab es im Jahr 2017 keine vergleichbaren Vorkommnisse. Ein erneutes Aufflammen von Konflikten, sowohl intern als auch zwischen alteingesessenen OMCG-Vertretern und neuen Gruppierungen, ist in Bayern jedoch weiterhin nicht ausgeschlossen. 282 > Inhaltsverzeichnis Organisierte Kriminalität Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 1.6 Phänomenübergreifende Aspekte 1.6.1 Verbindungen von Rockern in die rechtsextremistische Szene Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz verfolgt auch weiterhin mögliche Verbindungen zwischen Rockern und Rechtsextremisten. Eine dafür im Mai 2012 eingerichtete Arbeitsgruppe, die an der Schnittstelle zwischen den Fachbereichen Organisierte Kriminalität und Rechtsextremismus angesiedelt ist, stellte bis jetzt keine strukturierte Zusammenarbeit und ideologische Annäherung beider Szenen in Bayern fest. Ungeachtet dessen bestehen aber punktuell personelle Überschneidungen zwischen dem Rockermilieu und der rechtsextremistischen Szene, die zumeist auf geschäftliche Interessen oder persönliche Beziehungen zurückgehen. Teilweise handelt es sich dabei um Personen, die Führungspositionen in rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen einnehmen bzw. im rechtsextremistischen Versandhandel tätig sind. Sascha Roßmüller ist Mitglied beim "Bandidos MC Bogen" und gleichzeitig bei der NPD aktiv. Zudem ist ein weiterer NPD-Funktionär aus Niederbayern neben seiner Parteizugehörigkeit auch Mitglied beim "Gringos MC Bogen", einem Supporter-Club des "Bandidos MC". Auch konnten in Bayern bei mehreren Personen innerhalb der Rockerszene Tätowierungen festgestellt werden, die eindeutig rechtsextremistische Bezüge aufweisen. 1.6.2 Rocker und Waffenerlaubnisse Personen aus der Rockerszene und der rechtsextremistischen Szene zu identifizieren, die Sicherheitsunternehmen betreiben oder in diesem Bereich arbeiten, ist ein weiteres wichtiges Ziel der im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz bestehenden Arbeitsgruppe an der Schnittstelle zwischen den Fachbereichen OK und Rechtsextremismus. In enger Zusammenarbeit mit der Polizei und weiteren Sicherheitsbehörden wird dadurch dem legalen Waffenbesitz solcher Unternehmen bzw. von deren Mitarbeitern entgegengewirkt. > Inhaltsverzeichnis 283 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Organisierte Kriminalität 2. OK AUS DER GEMEINSCHAFT UNABHÄNGIGER STAATEN (GUS) In der GUS hat sich eine Vielzahl ethnisch geprägter krimineller Gruppierungen etabliert. Sie sind international vernetzt und begehen vor allem Straftaten in den Bereichen Eigentumskriminalität, Rauschgiftund Waffenhandel, Schmuggel, Schutzgelderpressung sowie Geldwäsche. Eine besondere Bedeutung innerhalb dieser kriminellen Gruppierungen kommt den weltweit bis zu 1.000 "Dieben im Gesetz" zu, die sich als Führungspersonen der OK-Szene der GUS durchgesetzt haben. Der Begriff "Dieb im Gesetz" stammt aus den 1920er-Jahren, als sich in sowjetischen Gefängnissen und Lagern, den sog. Gulags, die Anführer der kriminellen Strafgefangenen gegen die Anführer der politischen Häftlinge durchsetzten und so die Oberhand gewannen. Diese kriminellen Anführer nannten sich nun "Diebe im Gesetz" und stellten mit den "Diebesgesetzen" einen eigenen Verhaltenskodex auf. Dieser sieht vor, dass Konflikte durch eigene Autoritätspersonen - notfalls auch mit Gewalt - geregelt werden und keine Zusammenarbeit mit der Polizei und Justiz stattfindet. Mit Gemeinschaftskassen ("Obschtschjak") werden vor allem strafrechtlich verfolgte oder inhaftierte Gruppenmitglieder sowie ihre Angehörigen unterstützt. In Bayern konnte der Verfassungsschutz in den letzten Jahren Aufenthalte von "Dieben im Gesetz" feststellen. "Dieb im Gesetz" in Einer dieser "Diebe im Gesetz", der sich mehrfach in Bayern aufden USA festgegehalten hat, reiste in die USA aus, um dort seinen kriminellen nommen Aktivitäten nachzugehen. Im Juni wurde er in den USA zusammen mit 33 weiteren Mitgliedern eines kriminellen russischen Syndikats verhaftet. Dort hat er eine hohe Haftstrafe zu erwarten. 284 > Inhaltsverzeichnis Organisierte Kriminalität Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 3. OK-GRUPPIERUNGEN AUS DEM BALKAN UND DER TÜRKEI In Bayern sind mehrere kriminelle Netzwerke aus Südosteuropa und der Türkei aktiv. Diese sind in ihren Strukturen meist ethnisch homogen, d. h., Personen anderer Nationalitäten werden in der Regel nicht aufgenommen. Die Angehörigen der Netzwerke haben häufig den gleichen Geburtsort oder eine gemeinsame militärische Ausbildung. Albanien hat sich in den letzten Jahren zum größten MarihuanaLieferanten Europas entwickelt. Bereits zu kommunistischer Zeit wurde in Albanien Hanf als Exportware (Arzneimittel) angepflanzt. Das nach dem Zerfall des kommunistischen Regimes entstandene Vakuum haben kriminelle Gruppierungen genutzt, um neue Gewinnquellen zu erschließen. Die albanischen kriminellen Netzwerke haben die Kontrolle über Anbau und Handel des im Land angebauten Cannabis fest in ihrer Hand. Sie haben sich inzwischen europaweit etabliert. Türkische Gruppierungen sind vor allem im Rauschgiftschmuggel und -handel mit Kokain und Cannabis aktiv. Darüber hinaus konnten folgende Delikte festgestellt werden: Eigentumsund Fälschungskriminalität, Steuerund Zolldelikte, Glücksspieldelikte und Wettmanipulationen sowie Kriminalität im Zusammenhang mit illegalen Inkasso-Eintreibungen. Besonders wichtig für die kriminelle Szene sind die Verbindungen in die jeweiligen Heimatländer. Strukturermittlungen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz ergaben, dass die Drahtzieher oft im Ausland sitzen und von dort aus ihre kriminellen Aktivitäten in Deutschland steuern. Die erzielten Gewinne investieren sie oft in Immobilien und Unternehmen außerhalb von Deutschland. Den Kauf wickeln sie über Strohmänner - meist Verwandte - ab. Im Jahr 2016 wurde in Nordbayern ein Ermittlungsverfahren wegen illegalen Waffenhandels, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr geführt (Auftragsvolumen 700.000 bis 900.000 EUR). Im Verlauf der Ermittlungen konnten sowohl die Lieferanten als auch zahlreiche Drogenabnehmer festgestellt werden. Das Verfahren wurde mittlerweile erfolgreich abgeschlossen. > Inhaltsverzeichnis 285 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Organisierte Kriminalität 4. ITALIENISCHE MAFIA Die vier einflussreichsten kriminellen Gruppierungen in Italien sind - "'Ndrangheta" in Kalabrien - "Camorra" in Kampanien - "Cosa Nostra" auf Sizilien - "Sacra Corona Unita" in Apulien. Diese Mafiasyndikate sind zwar nach wie vor verbunden mit ihren jeweiligen süditalienischen Herkunftsregionen, operieren bei ihren kriminellen Aktivitäten jedoch international. So sind auch in Deutschland und Bayern immer wieder Besuche von Autoritäten aus Italien festzustellen, die den Aufbau der Clans und den reibungslosen Ablauf in Deutschland kontrollieren. Der geschätzte Jahresumsatz der vier Syndikate beläuft sich auf rund 140 Milliarden Euro. 'Ndrangheta Die "'Ndrangheta" hat ihren Ursprung in der Region Kalabrien. Dieses Syndikat ist hierarchisch gegliedert, und seine Mitglieder sind oftmals blutsverwandt. Ihre strengen Regeln und ihr Treueschwur lassen wenig Raum für Kronzeugen, die gegen die Organisation aussagen. Die Betätigungsfelder der "'Ndrangheta" liegen im Drogenund Waffenhandel, der Geldwäsche, in der Schutzgelderpressung und in der Müllentsorgung. Die "'Ndrangheta" ist weltweit aktiv. Dies belegt auch die von den italienischen Strafverfolgungsbehörden über mehrere Jahre hinweg durchgeführte "Operation Aemilia". Im Januar 2015 führten diese Ermittlungen in Italien und anderen europäischen Ländern zur Festnahme von 160 Personen, die Mitglieder des der "'Ndrangheta" zugehörigen Grande Aracri Clans sind. Ihnen wird u. a. Organisierte Kriminalität nach Art der Mafia, Geldwäsche, Drogenhandel, Erpressung und Infiltration der öffentlichen Verwaltung vorgeworfen. Während der Ermittlungen wurden auch Bezüge nach Bayern bekannt. Eine in Augsburg ansässige Person wurde festgenommen. Camorra Mit dem Begriff "Camorra" bezeichnet man die italienischen kriminellen Organisationen in der Region Kampanien, in der Provinz und der Stadt Neapel. Diese Region ist seit Jahrzehnten in zwölf Zonen eingeteilt, die von mehreren Clans beherrscht werden. Ihre Deliktsbereiche erstrecken sich unter anderem auf Drogenund Waffenhandel ebenso wie auf Schutzgelderpressung, Prostitution, Zigarettenschmuggel und illegale Müllentsorgung. Die 286 > Inhaltsverzeichnis Organisierte Kriminalität Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 kriminellen Aktivitäten der "Camorra" in Bayern liegen hauptsächlich in den Deliktsbereichen Rauschgiftkriminalität, Geldfälschung und Eigentumskriminalität, darüber hinaus im betrügerischen Verkauf von verschiedenen Plagiaten. Cosa Nostra Die "Cosa Nostra" ist eine kriminelle Organisation mit straff hierarchischem Aufbau, ausgelegt auf die Gesamtkontrolle ihres Territoriums und gezielte Einflussnahme auf wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Dies erreicht sie unter anderem durch Schutzgelderpressung und Durchdringung des staatlichen und ökonomischen Systems. Bestehend aus mehreren Mitgliedsfamilien, folgt sie strikten Regeln und Statuten. Sie operiert von Sizilien aus. Sacra Corona Unita Vor den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts gab es keine Organisierte Kriminalität nach der Art der Mafia in Apulien. Durch die aus den Nachbarregionen ausgeübten Einflüsse der anderen drei Syndikate kam es zu starken Veränderungen und letztlich zur Gründung einer Organisationsstruktur nach dem klassischen Muster einer mafiösen kriminellen Vereinigung: die "Sacra Corona Unita" ("Heilige Vereinte Krone"). Sie wird auch gerne als "Vierte Mafia" bezeichnet. Ihre Deliktsbereiche sind der Waffen-, Rauschgiftund Menschenhandel sowie Prostitution und Zigarettenschmuggel. Bayern wird durch die apulische OK hauptsächlich als Rückzugsraum genutzt. In Bayern liegen die legalen Geschäftszweige der italienischen Aktivitäten und Mafia vorrangig in der Gastronomie. Zu den illegalen BetätiPersonenpotenzial in gungsfeldern zählen Rauschgifthandel, Geldwäsche, ErpresBayern sung und Zinswucher. Im Rahmen der globalen Ausbreitung sind viele Familienclans seit etlichen Jahren in Deutschland sesshaft. In Bayern können derzeit mehr als 130 Personen den vier großen italienischen Mafia-Syndikaten zugeordnet werden. > Inhaltsverzeichnis 287 Im Blickpunkt Im Blickpunkt Extremistische Ideologien eint ihre grundsätzliche Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates. Darüber hinaus stehen sich die unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen in der Regel konträr gegenüber. Ihr Anspruch, die "allein wahre Lehre" zu vertreten, führt selbst innerhalb der jeweiligen extremistischen Ideologiefamilien zu Konflikten und Feindschaften. Gleichwohl existieren immer wieder thematische Schnittmengen zwischen den einzelnen Extremismen. Gemeinsame Feindbilder, Narrative und ideologische Parallelen bergen auf der einen Seite Kooperationspotenziale für die jeweiligen Akteure und Gruppen. Auf der anderen Seite können sie aber auch die Konkurrenz um Deutungshoheiten und Alleinvertretungsansprüche zwischen den unterschiedlichen extremistischen Bewegungen anheizen. 288 > Inhaltsverzeichnis Im Blickpunkt Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 ANTISEMITISMUS Antisemitismus existiert über ideologische Grenzen hinweg in allen extremistischen Szenen, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung. Im Rechtsextremismus und im Islamismus stellen antisemitische Überzeugungen zentrale Ideologieelemente dar. Im Rechtsextremismus ist Antisemitismus ein übergreifendes Identifikationsmerkmal und zeigt sich in annähernd all seinen Erscheinungsformen. Rechtsextremisten vermuten "die Juden" hinter allen wichtigen politischen Entscheidungen und Ereignissen und unterstellen ihnen, die Politik über Geld und wirtschaftlichen Einfluss zu steuern. Zugleich werden sie als "andersartige" und "minderwerte Rasse" dargestellt und als Bedrohung für die als "edel" und "höherwertig" beschriebene "arische Rasse" diffamiert. Im Dritten Reich war der Antisemitismus Grundlage der Politik. Die Nürnberger Rassengesetze z. B. zielten nicht nur auf die systematische Ausgrenzung "der Juden" aus der Gesellschaft, sondern bereiteten gleichzeitig den Boden für den als "Endlösung der Judenfrage" bezeichneten Massenmord der Nationalsozialisten an über sechs Millionen Menschen. Der Antisemitismus heutiger Rechtsextremisten knüpft an diese historischen Vorläufer an und propagiert antijüdische Feindbilder und die Phobie vor einer vermeintlichen "jüdischen Weltverschwörung". Unverhohlen rassistisch manifestiert sich Judenfeindlichkeit im neonazistischen und subkulturell geprägten Rechtsextremismus. Eine wesentliche Grundlage für den Antisemitismus im Islamismus ist die 1950 erschienene Schrift "Unser Kampf mit den Juden" des Ägypters Sayyid Qutb. Der Islamismus-Vordenker agitierte gegen eine vermeintliche "antagonistische jüdische Macht". Er stellt Juden als Drahtzieher des Kampfes gegen den Islam dar, beschreibt sie als bösartig und sündhaft und macht sie verantwortlich für den von ihm diagnostizierten Verfall von Religion, Moral und Anstand. Auch heute werden in der islamistischen Propaganda Juden kollektiv für Missstände in der islamischen Welt verantwortlich gemacht. Oft bezieht man sich dabei auch auf die "Protokolle der Weisen von Zion", die bereits 1926 ins Arabische übersetzt wurden. Diese vermeintlichen historischen Belege für eine weltweite "Verschwörung des Judentums" sind eine Fälschung, die im Umfeld des russischen zaristischen Geheimdienstes an der Wende zum 20. Jahrhundert entstand und auch für den rechtsextremistischen Antisemitismus prägend wirkte. > Inhaltsverzeichnis 289 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Im Blickpunkt Der Antisemitismus ist kennzeichnend auch für die türkische rechtsextremistische "Ülkücü-Bewegung". Die nationalistische und rassistische Ideologie der "Grauen Wölfe" basiert auf einer Überhöhung der Türkei und des Türkentums bei gleichzeitiger Abwertung von Juden oder Ethnien wie z. B. Armenier oder Kurden. Wenngleich der organisierte Teil der Bewegung in Deutschland einen offenen Antisemitismus zu vermeiden versucht, äußern sich vor allem jugendliche Anhänger der Bewegung insbesondere im Internet offen und unverhohlen antisemitisch. Im Rahmen der antisemitischen Propaganda im türkischen Rechtsextremismus werden Juden pauschal als kontrollierende, obskure Macht im Hintergrund dargestellt, die sowohl Medien manipuliere als auch Muslime gegeneinander aufhetze und Krisen und Konflikte in der Türkei schüre. Der türkische rechtsextremistische Antisemitismus trägt primär rassistisch-biologistische Züge. Jedoch wohnt ihm auch ein latent islamistisch geprägter religiöser Antisemitismus inne. Gerade jugendliche "Ülkücü"-Anhänger aus dem vereinsungebundenen Spektrum beziehen in den sozialen Netzwerken und auf Demonstrationen immer häufiger Stellung zu israelkritischen Themen und bedienen sich in ihrer Propaganda typischer Motive der islamistischen Israelund Judenfeindlichkeit. Entsprechend der ideologischen Basis des Linksextremismus gibt es dort zwar keinen rassistisch motivierten Antisemitismus. Dennoch sind auch in Teilen des linksextremistischen Spektrums unter den Stichworten "Antizionismus", "Antiimperialismus" sowie "Antikapitalismus" im Kern antisemitische Ressentiments vorhanden, die ihren Ursprung vorrangig im ungelösten Nahost-Konflikt haben. Der antizionistische Antisemitismus - eine Form des Antisemitismus, die über politische Lager hinausreicht - gibt zwar vor, "nur" Israel zu kritisieren, lehnt aber tatsächlich das Existenzrecht Israels ab. Er diffamiert den jüdischen Staat, indem er ihm einen "Vernichtungskrieg" und eine Politik der "Ausrottung" vorwirft. Die Feindschaft gegen den Staat Israel wird mit klassischen Stereotypen der Judenfeindschaft verbunden. Typische Aktionsformen sind hier bspw. israelkritische Boykottaufrufe. So verbreitet die Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg) auf ihrer Website Handlungshinweise zum "Israel-Boykott". Sie empfiehlt, Waren zu boykottieren und an Kundgebungen gegen die "verbrecherischen Völkermordmaßnahmen der Zionisten im Nahen Osten" teilzunehmen. Außerdem sollten keine "prozionistischen Parteien" gewählt werden. 290 > Inhaltsverzeichnis Im Blickpunkt Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern im Nahen Osten stellt eine zentrale Bezugsgröße für islamistische, linksextremistische und rechtsextremistische Propaganda dar. Auch in diesem Zusammenhang werden immer wieder antisemitische Bezüge offenkundig. Welches Mobilisierungspotenzial dieser Konflikt innerhalb der islamistischen Szene nach wie vor besitzt, haben die Reaktionen auf die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die US-Regierung im Dezember erneut vor Augen geführt. Bei propalästinensischen Demonstrationen in Berlin hatten Teilnehmer israelische Fahnen verbrannt und judenfeindliche Parolen angestimmt. Neben Türkei-Fahnen wurden u. a. Symbole und Fahnen der Terrororganisation "HAMAS" gezeigt. In Bayern forderte der Imam des Islamischen Zentrums München die Gläubigen dazu auf, sich an gemeinsamen Protestaktionen im Zusammenhang mit der Jerusalemer Al-Aqsa-Moschee zu beteiligen. Eine Kundgebung in der Münchner Innenstadt am 9. Dezember 2017 unter dem Motto: "Jerusalem für ALLE - Gegen eine Konfliktverschärfung im Nahen Osten" musste wegen mehrfacher Provokationen und Rangeleien zwischen Versammlungsteilnehmern vorzeitig beendet werden. Als im Sommer 2014 der Gaza-Konflikt zuletzt eskalierte, kam es zu diversen Reaktionen auch in der deutschen rechtsextremistischen Szene: Die Partei "Der Dritte Weg" veröffentlichte auf ihrem Internetportal Artikel mit Überschriften wie "Deutschland feiert - Israel mordet" und "Kindermörder Israel". Anlässlich der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA schrieb die Partei auf ihrer Website vom "Judenstaat, der ganz Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt beanspruche". Im Linksextremismus markiert die Positionierung zum Nahostkonflikt eine wesentliche szeneinterne Trennlinie: Der linksextremistische Mainstream sieht Israel als imperialistische Besatzungsmacht, die Krieg gegen die Palästinenser führe und als Vorposten der USA, die Übergänge zum Antisemitismus sind häufig fließend. Besonders schwer wiegt dabei der gegenüber Israel erhobene Vorwurf, sich im Nahost-Konflikt vom Opfer des nationalsozialistischen Holocaust zum Täter gewandelt zu haben (sog. Täter-Opfer-Umkehr). Dementsprechend werden z. B. die "HAMAS" und deren gewalttätige Aktionen als legitimer Befreiungskampf gerechtfertigt. > Inhaltsverzeichnis 291 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Im Blickpunkt Demgegenüber nehmen die sogenannten "antideutschen" Linksextremisten eine proisraelische und proamerikanische Haltung ein. Sie sprechen sich für eine bedingungslose Solidarität mit Israel bzw. mit dem Judentum aus. Innerhalb der linksextremistischen Szene gab es seit den 1990er-Jahren verstärkt Vorwürfe gegen strukturell antisemitische Tendenzen. Vertreter der "antideutschen" Strömung wenden sich seither gegen jegliche antisemitische, antizionistische und selbst israelkritische Positionen innerhalb des linksextremistischen Diskurses. KAPITALISMUSUND GLOBALISIERUNGSKRITIK "Antikapitalismus" ist das ideologische Aushängeschild des Linksextremismus schlechthin. Linksextremistischer Antikapitalismus will im Gegensatz zur Kapitalismuskritik nicht nur Defizite am Wirtschaftssystem benennen und Reformvorschläge entwickeln, sondern mit dem Wirtschaftssystem auch Staat und Gesellschaft vollständig umwälzen. "Kapitalismus" und "kapitalistische Systeme" sind nach linksextremistischer Auffassung die wesentlichen Ursachen für Faschismus, Rechtsextremismus, Imperialismus und Krieg. Für Linksextremisten stellt "Kapitalismus" somit nicht nur eine bloße Wirtschaftsordnung dar, vielmehr wird er gleichgesetzt mit der Gesamtheit staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen in einer parlamentarischen Demokratie. Linksextremisten widmen einen Großteil ihrer Aktionen und Kundgebungen dem Themenfeld Antikapitalismus. Das Thema mobilisiert die linksextremistische Szene europaweit und fördert deren Vernetzung. Der G20-Gipfel in Hamburg führte den hohen internationalen Vernetzungsgrad der Szene vor Augen. Neben Linksextremisten aus dem europäischen Ausland waren es auch Teile des linksextremistischen ausländerextremistischen Spektrums in Deutschland, die für die Kundgebungen mobilisierten und sich an den Ausschreitungen beteiligten. Antikapitalistische Ideologiefragmente finden sich auch in anderen Phänomenbereichen: Im Islamismus ist Antikapitalismus meist gegen die westliche Ordnung als Ganzes gerichtet und weist in der Regel klar antiamerikanische und antisemitische Züge auf. Zu den klassischen Feindbildern gehören der Staat Israel - meist als "Zionisten" umschrieben - sowie der Imperialismus und Kapitalismus. Mustafa as-Sibai (1915-1964) unternahm als Führer der syrischen "Muslimbruderschaft" einen 292 > Inhaltsverzeichnis Im Blickpunkt Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Versuch der Synthese von Islamismus und Sozialismus und sah "gesellschaftliche Solidarität" als das vom Islam vorgegebene Grundprinzip an. Im Bereich des Ausländerextremismus weist neben linksextremistischen Parteien wie der türkischen "Marxistisch-Leninistischen-Kommunistischen Partei" (MLKP) auch die "PKK" eine starke antikapitalistische Prägung auf: Sie stellt sich dar als revolutionäre Partei des Proletariats und der Bauern auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus. Der "PKK"-Gründer Abdullah Öcalan und seine Vertrauten verabschiedeten auf dem Gründungskongress der "PKK" ein streng von marxistisch-leninistischen sowie nationalen Grundsätzen geprägtes Manifest. Rechtsextremisten artikulieren ihre Kapitalismusund Globalisierungskritik dezidiert national, völkisch oder antijüdisch und knüpfen damit an Traditionslinien des Nationalsozialismus an. Wiederholt hat die Neonazi-Szene in den vergangenen Jahren Veranstaltungen zum 1. Mai - dem "Tag der Arbeit" - durchgeführt und dabei bewusst antikapitalistische Mottos gewählt wie "Kapitalismus zerschlagen! - Für Familie, Heimat und Tradition". Für die am 1. Mai 2017 von der neonazistischen Partei "Der Dritte Weg" durchgeführte Veranstaltung in Gera wurde in Bayern im Vorfeld im Rahmen eines sog. "Antikapitalistischen Aktionstags" mobilisiert. In einer neuen Broschüre widmet die Partei ein ganzes Kapitel der Thematik "deutscher Sozialismus". Das sogenannte Antikapitalistische Kollektiv (AKK) fungiert als Netzwerk innerhalb der rechtsextremistischen - insbesondere neonazistischen - Szene mit dem Ziel, als Plattform unterschiedliche Akteure des "Nationalen Widerstands" miteinander zu vernetzen. Das AKK versteht sich als antikapitalistisch und propagiert einen völkischen Sozialismus. Indem Rechtsextremisten soziale Themen besetzen, wollen sie von ihrer rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Ideologie ablenken und sich als Anwalt der Arbeiterschaft präsentieren. Durch politisch vordergründig eher links zu verortende Themensetzungen versuchen sie, Zugang zu erhalten zu Milieus, die sie mit eindeutig rechtsextremistisch geprägten Themen sofort abschrecken würden. > Inhaltsverzeichnis 293 Anhang Anhang 2007 294 > Inhaltsverzeichnis Anhang Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 STICHWORTREGISTER A Autonome 195-198, 200, 202, 203, Adil Düzen (gerechte Ordnung) 34 204, 206, 212, 213, 215, 216, 218, Aktionsbündnis "Fluchtursachen 226, 227, 228-231, 233-236, 238, 239 bekämpfen" 234 Al-Intiqad (Die Kritik) 75 B Al-Manar (Der Leuchtturm) 75, 76 Bandidos MC 277, 279, 281-283 Alperen/Alperen-Genclik 88 Bayerische Informationsstelle AL RISALAH (Online-Magazin gegen Extremismus (BIGE) 24, 25, von al-Qaida) 56 27, 131, 185 Anarchismus 230 Bayerisches Aussteigerprogramm 25 Anarchisten 228, 230, 240 Bayerisches Handlungskonzept gegen Antiatomkraft 211 Rechtsextremismus 24, 51 Antifaschismus 211, 212, 223, 231, Bayerisches Netzwerk für 233, 238, 239, 242 Prävention und Deradikalisierung Antigentrifizierung 204, 205, gegen Salafismus 25 211, 213, 231 Bayerisches SicherheitsAntiglobalisierung 211 überprüfungsgesetz 21 Antiimperialismus 211, 290 Bayerisches VerfassungsschutzAntiinstitutionalismus 230 gesetz 17, 275 Antimilitarismus 211, 213, 216, 226, Benefizveranstaltungen 52, 53, 73 232, 239 Beobachtungsauftrag des Antirassismus 211, 212, 234 Verfassungsschutzes 18, 19, 29, 187 Antirepression 211, 212, 218 BIRGiT, Arbeitsgruppe 21, 51 Antisemitismus 34, 106, 117, 137, Black Jackets 278, 282 187, 289-292 Blood Red Section 279 Applied Scholastics 253 Bürgerinitiativen, rechtsextremistisch Artikel 10-Gesetz 22 105, 107, 111, 119, 149, 154, 156-158 Asylpolitik 141, 142, 238 Bürgerwehr, rechtsextremistisch Atilim 87 92, 111, 112, 165 Auditing 252 Ausländische Nachrichtendienste C 20, 259, 261-266, 271, 276 Camorra 286, 287 Ausreisebewegungen 48-51, 66, 84 Chapter/Charter 89, 164, 278-281 > Inhaltsverzeichnis 295 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Anhang Colour 278 Graue Wölfe 88, 290 Cosa Nostra 286, 287 Gremium MC 277, 279-282 Cyberangriffe 20, 57, 258, 260, 271 Gringos 279, 283 Cyberarmee 58 Gülen-Bewegung 261 Cyber-Allianz-Zentrum 20, 258, 260, 269, 270-273 H Hass-Musik 215 D Hells Angels MC 164, 277-279, Da'wa (Missionierung) 32, 40, 45, 52 281, 282 DABIQ (Online-Magazin) 56 Herrschaftsfreie Defend Europe 112, 151 Gesellschaft 195, 196, 228, 235, 241 Deutsche Annalen 129 Homegrown-Terroristen 55 Deutsche Geschichte 129 Home Da'wa 32, 52 Diebe im Gesetz 284 Hubbard, L. Ron 245, 249-251, 254 Diktatur des Proletariats 208, 209, 224, 225 I Ideale-Org-Kampagne 251, 252 E Imperialismus 34, 208, 211, 290, 292 Entrismus 210 Initialisierende Gewalt 197 Europäisches Institut für HumanInitiative Wirtschaftsschutz 269 wissenschaften (EIHW) 43 INSPIRE (Online-Magazin) 56 Interim (Szene-Zeitschrift) 197 F Intifada 74 Flüchtlinge (Islamismus) 31, 38, Islam-Infostände 51, 53 43, 59-61 Islamfeindlichkeit, Fränkische Aktionsfront 127, 130 rechtsextremistische 106, 144 FSN Shop 127 Islamfeindlichkeit, verfassungsFünf Gifte 265 schutzrelevante 19, 186-193 Islamismus, legalistischer 30, 32, 33 G Islamseminare 32, 51, 53, 73 G20-Gipfel 81, 86, 87, 143, 194, 197-201, 219, 228-233, J 235-240, 242, 292 Jihad 29, 45-47, 51, 55, 63, 69, 70 G 10-Kommission 22 Gefangenenhilfe 32, 58 K Geheimschutz 20, 21, 270 Kalifat (khalifa) 28, 36, 37, 67-69, 71 Geheimschutzbetreuung 270 Kapitalismus 34, 139, 161, 208, 209, Geschichtsrevisionismus 103 211-213, 217, 218, 238, 292, 293 296 > Inhaltsverzeichnis Anhang Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Kameradschaften 94, 95, 99, 121, Mongols MC 277 126, 130, 160-162 Muhacirun (Auswanderer) 36 Klassenlose Gesellschaft 208, 224, Münchner Sicherheitskonferenz 143, 235, 236, 239 213, 226, 242, 261 Know-how-Schutz 269 Kommunismus 34, 209, 218, 220, N 224, 229, 234, 236, 238, 239 Nachhilfeinstitute 254 Kommunistische Partei Chinas Nachrichtendienstliche Mittel 20, 21, (KPC) 263 246, 275 Kommunistische Partei Nationale Allianz für Deutschlands (KPD) 209, 220, 225 Cyber-Sicherheit 272 Konfrontative Gewalt 197 Nationale Streifen 92, 104, 111, Konvertiten 46, 50, 56 143, 145 Kulturrevolution 210 National-Zeitung/Deutsche KYBERNETIQ 56 Wochenzeitung (NZ) 129 Nationalsozialismus 93, 108, 109, L 132, 144, 160, 163, 192, 212, 293 Landeskoordinierungsstelle Bayern Nationalsozialistischer Untergrund gegen Rechtsextremismus 24 (NSU) 18, 100 Lenin, Wladimir I. 208, 209 'Ndrangheta 286 LIES! Koranverteilungsprojekt 31, 52, Neonazismus 146, 160 64, 73 Lone Actor 55 O Low-Profile-Angriffe 28, 61 Offen extremistische Strukturen 196, 209, 216 M Office of Special Affairs Mafia 286, 287 (OSA) 253, 254 Maoismus 210, 224 Open Source Jihad 55 Marx, Karl 208, 219 Operierender Thetan 252 Marxismus 208, 231, 236, 238 Organisierte Kriminalität 18, 19, 107, Marxismus-Leninismus 85-87, 274-287 208-210, 220, 221, 225, 293 OSA 253, 254 Massenvernichtungswaffen 260, 266 Osmanen Germania BC 278, 280, 281 Mexican Rebels 279 Outlaw Motorcycle Gang Milli Gazete 33, 34 (OMCG) 274, 277-279, 282 Mobivideos Outlaws MC 277, 278 (Mobilisierungsvideos) 214 > Inhaltsverzeichnis 297 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Anhang P Sozialismus 70, 104, 109, 117, 139, Parlamentarisches 161, 209, 220-222, 224, 225, 293 Kontrollgremium 22 Spionageabwehr 20, 258-273 Parteiverbot 110, 149 Strukturelle Gewalt 196, 228 Politically Incorrect (PI-News) 189 Stalinismus 209, 224 Postautonome 228, 229, 236, 239 Street Da'wa 52 Proliferation 260, 266-268 Syrien-Rückkehrer 48-51, 63 R T Radical left 236 Taghrib (kulturelle Verwestlichung) 40 Rätedemokratie 209 Takfir 70 Rechtskonsulent 177 Tarnorganisationen 93, 156, 244, Red Devils MC 279 247-250, 253-255 Religious Technology Center Tauhid 44 (RTC) 250 Todesfatwas 39 RESURGENCE (Online-Magazin Trennungsgebot 23 von al-Qaida) 56 Trotzki, Leo 209 Rock Machine MC 277 Trotzkismus 209, 210, 218, 238 RUMIYAH (Online-Magazin) 56 Trust MC 277 Türk Federasyon Bülteni 88 S Turner Diaries 95 Sacra Corona Unita 286, 287 TV5 (Türkischer Fernsehsender) 34 Salafismus 25, 26, 29-31, 44-47, Twitter-Bomben 57 50, 58, 59, 65 Salafismus, jihadistischer 30, 31, U 45, 64 Umwelt & Aktiv 159, 160 Salafismus, politischer 30, 31, 45 United Tribuns 278, 280, 282 Satudarah Maluku MC 277 Scharia 29, 31-33, 35, 40, 41, 44, V 72, 73, 114, 152 V-Leute 18, 21 Schwarzer Block 197, 198, 226 Verbot des Freien Netzes Süd Scientology Missions International 116, 127, 130, 137 (SMI) 251 Verfassungsfeindliche Bestrebung Serxwebun (Unabhängigkeit) 81 18, 29, 59, 127, 130 Sicherheitsüberprüfung 21 Verfassungstreueüberprüfung 21 Skinhead-Bands 122-125, 165 Verschlusssachen 20, 270 Skinheads 95, 126, 163-165, 206 Volksgemeinschaft 93, 103, 106, Social Bots 57, 262 108, 131, 187, 192 Social engineering 270 Vorfeldaufklärung 23 298 > Inhaltsverzeichnis Anhang Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 W Wahhabismus 44 Warenverkaufsstände (Salafismus) 31, 53 Wirtschaftsschutz 258-273 World Uyghur Congress (WUC) 265 Y Yeni Özgür Politika 81, 83 Yürüyüs 85 Z Zapata MC 279 > Inhaltsverzeichnis 299 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Anhang EXTREMISTISCHE ORGANISATIONEN UND GRUPPIERUNGEN In dieser Übersicht sind die im vorliegenden Verfassungsschutzbericht genannten Organisationen und Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Organisation/Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine verfassungsfeindliche Organisation/ Gruppierung handelt. Organisationen/Gruppierungen aus den Phänomenbereichen "Organisierte Kriminalität" und "Spionageabwehr" wurden nicht aufgenommen. Aus dem Bereich "Scientology" erfolgte keine Aufnahme der internationalen Organisationsteile. ISLAMISMUS / ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Abu Sayyaf (Philippinen) 70 al-Nahda 40 al-Qaida 46, 56, 67-71 al-Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAH) 70, 71 al-Qaida im Irak 70 Al-Rahman-Moschee (Regensburg) 54 al-Shabab (Somalia) 70 Ansaar International e. V. (ehemals Ansaar Düsseldorf e. V.) 53 As-Salam-Moschee (Schwandorf) 54 Boko Haram 68 Dawa FFM 64 Die wahre Religion (DWR) 31, 52, 55, 64 Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim (DIK) 32, 54, 65 El-Salam-Moschee (München) 54 Hayat Tahrir al-Sham 46, 71 Helfen in Not e. V. 53 Hilafet Devleti (Kalifatsstaat) 36 Hizb Allah (Hizbollah / Hisbollah) 75, 76 Islamische Audios 64 Islamische Gemeinde Nürnberg e. V. (IGN) 42 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) 41, 42 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG) 30, 33-35 300 > Inhaltsverzeichnis Anhang Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Islamische Vereinigung in Bayern e. V. (IVB) 38 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) 40, 73 Islamischer Staat (IS) 29, 33, 37, 40, 46, 55, 59, 62, 64, 66, 67, 71-73 Islamisches Zentrum Hamburg (IZH) 38, 39 Islamisches Zentrum München e. V. (IZM) 42 Ismael Aga Gemeinschaft (IAC) 34, 35 Jabhat al-Nusra (JaN) 46, 71 Jabhat Fath al-Sham (JFS) 46, 71 Jaish al-Muhaijrin Wal Ansar (JAMWA) 67 Junud al-Sham 66 Kaukasisches Emirat (KE) 72 Kulturund Bildungszentrum Ingolstadt e. V. 36 LIES! Stiftung 31, 52, 64, 73 Masjid ibn Taymiyyah Moschee (Nürnberg) 54 Millatu Ibrahim 65, 69 Milli Görüs Ahde Vefa Plattform - Erbakan Vakfi 35 Milli Görüs-Bewegung 30, 33-35 Muslimbruderschaft (MB) 33, 40, 42, 74, 292 Nordkaukasische Separatistenbewegung (NKSB) 72 Saadet Partisi (SP) 34 Tablighi Jamaat (TJ) 33, 37 Taufiq-Moschee (München) 54 Tschetschenische Republik Itschkeria (CRI) 72 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) bzw. Volkskongress Kurdistan (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistan (KADEK) 80-85, 198, 236, 293 Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum Deutschland e. V. (NAV-DEM) 82, 83 Föderation der Arbeiter aus der Türkei e. V. (ATIF) 86 Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e. V. (AGIF) 87 Grup Yorum 86 Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) 86 Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa (AvEG-Kon) 87 > Inhaltsverzeichnis 301 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Anhang Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 90, 91 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 87, 293 Revolutionäre Volksbefreiungspartei (DHKP-C) 85, 86 Tamil Coordination Committee (TCC) 90, 91 Türkisch Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten - Partizan Flügel (TKP/ML - Partizan Flügel) 86, 87, 225 Türkisch-Demokratische Idealistenvereine in Deutschland e. V. 88 Turan e. V. 89 Turkos MC 89 Ülkücü-Bewegung/ADÜTDF 88, 89, 290 Verband der Türkischen Kulturvereine in Europa e. V. (ATB) 88 Young Struggle 87 RECHTSEXTREMISMUS Antikapitalistisches Kollektiv (AKK) 161, 293 Aktivitas der Burschenschaft Danubia München 152, 158, 159 Ansgar Aryan 127 Bavaria Vikings 99, 122 Bayerische Schießsportgruppe München e. V. (DBSSG) 155 Bürgerinitiative A (BIA) e. V. (BIA-Nürnberg) 156 Bürgerinitiative Ausländerstopp Augsburg (BIA-Augsburg) 157 Bürgerinitiative Ausländerstopp München (BIA-München) 107, 111, 119, 154-156 Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz e. V. (BiSAO) 158 Bürgerinitiative Soziales Fürth e. V. (BiSF) 157 Burning Hate 124 Der Dritte Weg (III. Weg) 94, 97, 100, 104, 105, 107-109, 111, 113, 115-119, 121, 123, 136-147, 154, 155, 157, 158, 161-163, 290 DIE RECHTE 94, 97, 99, 107, 110, 111, 148, 149, 154 DIM Records 127 Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH (DSZ) 129 Eskalation 124 Europäische Aktion (EA) 159 Faustrecht 124, 165 Final Resistance 127, 128 Freie Kräfte Berchtesgadener Land 162 Freies Netz Süd (FNS) 116, 127, 130, 131, 136, 138 FSN Shop 127 302 > Inhaltsverzeichnis Anhang Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 FSN-TV 119, 128 Gesellschaft für freie Publizistik e. V. (GfP) 158 Hammerskins 126, 164 Hard As Nails 125 Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) 92, 104, 105, 106, 112, 113-115, 119, 122, 123, 129, 150-153, 154, 159 Junge Nationaldemokraten (JN) 113, 133, 135 Kameradschaft Altmühltal 161 Kameradschaft Aryans 99 Kameradschaft Gau Wendlstoa 162 Kameradschaft Unterfranken (KSU) 162, 163 Kodex Frei 124, 165 Kommando Skin 165 Lunikoff 123, 126, 135 Midgard e. V. 159, 160 MPU 124 National Born Haters 125 Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) 94, 97, 104, 106-108, 110-113, 119, 121, 126, 128, 131-136, 138, 149, 154-157, 159, 160, 165, 283 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) 18, 100 Nordic Union 127 Nordwind 124 Oldschool Records 127, 128 Oldschool Society (OSS) 96, 164 PEGIDA-München - zur Förderung staatsbürgerlicher Anliegen e. V. (PEGIDA-München) 111, 134, 144, 147, 154, 155, 157, 235 Prolligans 124 Radio FSN 119, 128 Revolution auf Sendung 129 Ring Nationaler Frauen (RNF) 136 Schanddiktat 124 Schwarze-Sonne-Versand 127 Soldiers of Odin Germany (SOO) 111, 112, 166 Stonehammer 165 Stützpunkt Oberfranken (III. Weg) 140, 141 Stützpunkt Mainfranken (III. Weg) 140, 142 Stützpunkt München/Oberbayern (III. Weg) 140, 142, 162 > Inhaltsverzeichnis 303 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Anhang Stützpunkt Nürnberg/Fürth (III. Weg) 138, 140, 144, 145 Stützpunkt Ostbayern (III. Weg) 111, 138, 140, 145 Stützpunkt Schwaben (III. Weg) 147 Sturmtrupp 124 Untergrundwehr 125 Versand der Bewegung 127 VGB-Verlagsgesellschaft Berg mbH 129 Voice of Anger 125, 164, 165, 206 Weisse Wölfe Terrorcrew (WWT) 97 White Rebel Boys 124 Wikingerversand 127 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER Amt Deutscher Heimatbund 178, 182, 183 Bundesstaat Baden 181 Bundesstaat Bayern 179, 181 Bundesstaat Sachsen 181 Bundesstaat Württemberg 181 Deutscher Heimatbund 178, 182, 183 Deutsches Reich Kaiserreich Exilregierung 184, 185 Exil-Regierung Deutsches Reich (Exilregierung) 184 Exilregierung Deutsches Reich 184 Freistaat Preußen 181 Heimatbund der Menschen 178, 182 Heimatgemeinde "Gemeinde Chiemgau" 182, 183 Heimatgesellschaft Chiemgau 182, 183 Kommissarische Reichsregierung 174, 177, 185 Staatenbund Deutsches Reich 179-181 Verband der Deutschen Recht-Konsulenten 177 Verband Deutscher Rechtssachverständiger und Rechtskonsulenten 1871 177 Verfassunggebende Versammlung 183 2tes Deutsches Reich 180 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE ISLAMFEINDLICHKEIT Bürgerbewegung PAX EUROPA e. V. - Landesverband Bayern (BPE Bayern) 189, 192 PEGIDA Nürnberg/PEGIDA Mittelfranken 189-192 Michael Stürzenberger und Umfeld 189-193 304 > Inhaltsverzeichnis Anhang Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 LINKSEXTREMISMUS AGIR - demokratische Jugend 235, 236 Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz 226, 227 Anarchistische Gruppe München (Bibliothek Frevel) 240 anita f. - antifaschistische Gruppe in Regensburg 199, 234, 235 Antifa-NT - Autonome Antifa München 199, 239, 240 Antifaschistische Linke Fürth (ALF) 199, 232, 233 Antikapitalistische Linke (AKL) 217 Antikapitalistische Linke München (AL-M) 226, 229, 238 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 209, 225 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si 219 Auf der Suche (ADS) 241 Betriebsaktiv München 220 Contre la Tristesse 236 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 209, 220 DIE LINKE. SDS 196, 209, 216-219, 221, 231 Dr. Ulrich Undeutsch 215 Föderation deutschsprachiger Anarchist_innen 241 Frauenverband Courage e. V. 224 Infogruppe Rosenheim 199, 235 Interventionistische Linke (IL) Aschaffenburg/München/Nürnberg 199, 229, 236, 237 Jugendantifa Fürth (JAF) 232, 233 Jugendverband REBELL 196, 224 Kinderorganisation ROTFÜCHSE 224 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF) 217 Kurzer Prozess 216 La Resistance - antifaschistische Jugendgruppe Ingolstadt (LARA) 233, 234 Libertäre Antifa München (LAVA MUC) 199, 235, 242 Linksjugend ['solid] 218, 219, 231 Linksunten.indymedia. 200, 207, 214, 239 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 196, 209, 210, 224-226 Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus 226 Offenes antifaschistisches Plenum Rosenheim 236 Organisierte Autonomie (OA) Nürnberg 199, 215, 227, 230 Perspektive Kommunismus 229, 239 Rabatz - Autonome Vernetzung Oberbayern/Salzburg/Tirol 235 Revolutionär Organisierte Jugendaktion (ROJA) Nürnberg 199, 227, 231, 232 > Inhaltsverzeichnis 305 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Anhang Rose - demokratische Jugend im Alpenvorland 236 Rote Hilfe e. V. (RH) 227, 228 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 196, 221, 222, 226, 231, 239 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) 196, 222, 223 SCIENTOLOGY-ORGANISATION Association for Better Living and Education (ABLE) 253, 255 Celebrity Centre München e. V. 252 Department of Special Affairs (DSA) 254 Der Weg zum Glücklichsein 247, 249, 255 Jugend für Menschenrechte e. V. 248, 249, 253, 255 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte in Deutschland e. V. (KVPM) 247, 253, 255 NARCONON Bayern e. V. 253, 255 Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben 247, 248, 253, 255 Scientology Kirche Bayern e. V. (SKB) 247, 248, 251, 254 Scientology Kirche Deutschland e. V. (SKD) 247, 251, 254 World Institute of Scientology Enterprises (WISE) 253, 255 306 > Inhaltsverzeichnis Anhang Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 BILDNACHWEIS Seite: 17 Foto: BayLfV Seite: 18 Broschüre Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration Seite: 24 Broschüre Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration Seite: 25 Broschüre Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration Seite: 26 Broschüre Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration Seite: 31 Broschüre BayLfV Seite: 55 Bild: www.twitter.com/Terror_lang=de/06.02.2017 Seite: 61 Broschüre: BayLfV Seite: 105 Foto: BayLfV Seite: 161 Foto: BayLfV Seite: 185 Broschüre: BayLfV Seite: 251 Bild: https://www.scientology-fso.org/inside-our-church Seite: 257 Broschüre Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration Seite: 262 BayLfV Seite: 264 Broschüre BayLfV Seite: 268 Broschüre Verfassungsschutzverbund Seite: 269 links: Broschüre Verfassungsschutzverbund; rechts: Broschüren BayLfV Seite: 273 Broschüre Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration > Inhaltsverzeichnis 307 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 308 Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 Bayern Die Zukunft. | www.bayern-die-zukunft.de BAYERN | DIREKT ist Ihr direkter Draht zur Bayerischen Staatsregierung. Unter Telefon 089 12 22 20 oder per E-Mail an direkt@bayern.de erhalten Sie Informationsmaterial und Broschüren, Auskunft zu aktuellen Themen und Internetquellen sowie Hinweise zu Behörden, zuständigen Stellen und Ansprechpartnern bei der Bayerischen Staatsregierung. Hinweis Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staatsregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunalund Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Staatsregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Impressum Herausgeber Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration Odeonsplatz 3, 80539 München Redaktion Abteilung Verfassungsschutz, Cybersicherheit in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz Layout Druck G. Peschke Druckerei GmbH, Parsdorf; gedruckt auf umweltzertifiziertem Papier Stand April 2018 www.innenministerium.bayern.de www.verfassungsschutz.bayern.de 309 311 Bayern. Die Zukunft.